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{"created":"2022-01-31T14:10:45.322986+00:00","id":"lit38479","links":{},"metadata":{"alternative":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft","contributors":[{"name":"Stumpf, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft 2: 168-170","fulltext":[{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"Zum Einflufs der Klangfarbe auf die Analyse von Zusammenkl\u00e4ngen.\nVon\nC. Stumpf.\nDiese Frage, der ich in der Tonpsychologie II, 348\u2014358 l\u00e4ngere Betrachtungen widmete, hat neuerdings zu Discussionen Anlafs gegeben. Den Ausgangspunkt bildeten u. A. Faist\u2019s Versuche an Unmusikalischen, \u00fcber die im ersten Aufsatz dieses Heftes berichtet ist. Dort ist jedoch S. 13 aus Versehen angegeben, dafs nach Faist die Unterschiede in der Zahl der Ein-heitsurtheile bei scharfen Klangfarben geringer w\u00e4ren als bei milden. Es verhielt sich in seinen Versuchen umgekehrt. Die Zahlen stellen sich (wenn wir nach dem Vorg\u00e4nge M. Meyer\u2019s f\u00fcr die Intervalle aufser Octave und Quinte nur die Durchschnittszahlen geben) folgendermaafsen :\nProcentzahlen von Einheitsurtheilen nach Faist.\n\tOctaven\tQuinten\t. Uebrige Intervalle\nMilde Kl\u00e4nge (Kegister \u201eGedackt\u201c) .\t52\t44\t26\nScharfe Kl\u00e4nge (Harmonium) . .\t.\t83\t54\t22\nBei meinen eigenen Versuchen wurden so scharfe Kl\u00e4r ge wie die des Harmoniums \u00fcberhaupt nicht angewandt. Doch hatte ich bei den drei Prager Versuchsreihen (Tonpsych. II, 145 f.) die n\u00e4mlichen Personen zuerst mit dem sehr obertonarmen Register Gedackt, dann in den zwei letzten Reihen mit dem sch\u00e4rferen Register Principal gepr\u00fcft (letzteres gilt zwar auch noch als eines der milderen, liefs aber doch ziemlich starke Obert\u00f6ne h\u00f6ren). Die Ergebnisse waren, in gleicher Weise dargestellt, folgende:","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Zum Einflufs der Klangfarbe auf die Analyse von Zusammenkl\u00e4ngen. 169\nProcentzahlen von Einheitsurtheilen nach Stumpf.\n\tOctaven\tQuinten\tUebrige Intervalle\nMilde Kl\u00e4nge (Gedackt) ....\t75\t68\t10\nSch\u00e4rfere Kl\u00e4nge (Principal) . .\t72\t56\t25\nyy\tyy\tyy\t80\t63\t40\nDie dritte dieser Reihen lassen wir zweckm\u00e4fsiger aufser Betracht, da die T\u00f6ne hier nm eine Octave h\u00f6her lagen, w\u00e4hrend die beiden ersten Reihen in derselben Octave wie bei Faist (der eingestrichenen) ansgef\u00fchrt wurden.\nMeine Ergebnisse stimmen mit denen Faist\u2019s insofern \u00fcberein, als die Zahlen der Octave und der Quinte sich beim Ueber-gang zu der sch\u00e4rferen Klangfarbe weiter von einander entfernen. Dagegen besteht eine Discrepanz insofern, als bei Faist auch die Zahlen der \u00fcbrigen Intervalle sich weiter von denen der Octave entfernen, w\u00e4hrend sie sich bei mir denselben n\u00e4hern.\nIndessen ist zu bedenken, dafs Faist bedeutend st\u00e4rkere Unterschiede in der Klangfarbe anwandte, und dafs seine Ergebnisse sich auch theoretisch ziemlich leicht begreifen, w\u00e4hrend das entgegengesetzte Verhalten, wie wir oben S. 13 f. gesehen haben, f\u00fcr die Erkl\u00e4rung Schwierigkeiten bereiten w\u00fcrde. Ich m\u00f6chte daher selbst auf Faist\u2019s Ergebnisse in dieser Hinsicht das gr\u00f6fsere Gewicht legen. Die Erkl\u00e4rung aber liefse sich auf folgende Weise gewinnen.\nMan findet h\u00e4ufig, dafs bei Zungenapparaten die Hinzu-f\u00fcgung einer h\u00f6heren Octave zu einem Ton auch f\u00fcr Musikalische fast unmerklich bleibt. Diese Erscheinung besprach ich Tonpsych. II, 357 und bemerkte zur Erkl\u00e4rung unter Anderem: \u201eDie Zunge cx enth\u00e4lt bereits den Ton c'2 als starken Oberton in sich. Tritt nun die Zunge c2 in Th\u00e4tigkeit, so ver\u00e4ndert sich in der Gesammterscheinung nicht so viel, als wenn c- zum einfachen oder nur von schwachen Obert\u00f6nen begleiteten c1 hinzutritt. Und hat man vorher den Klang der Zunge c1 als Einheit aufgefafst, so wird diese Auffassung durch die verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig geringe Aenderung der Gesammterscheinung nicht umgestofsen.\u201c Wenn nun Versuchsreihen \u00e4hnlicher Art, wie sie Faist und ich an Unmusikalischen an stellten, an Musikalischen angestellt w\u00fcrden, so w\u00fcrde in Folge des genannten Umstandes selbst da bei Octaven unter Anwendung von scharfen Zungenkl\u00e4ngen eine","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nC. Stumpf.\ngewisse Anzahl von Einheitsurtheilen Vorkommen, w\u00e4hrend Quinten und andere Intervalle von solchen ausnahmslos als zwei T\u00f6ne erkannt werden. Bei Unmusikalischen aber wird nicht blos die Zahl der Einheitsurtheile bei Octaven entsprechend steigen, sondern kann sich auch noch bei Quinten ein gleicher Einflufs zeigen, da auch bei diesem Intervall der Unterschied der Gesammterscheinung zwischen einem Einzelklang und demselben Klang plus seiner Oberquinte noch merklich geringer ist f\u00fcr scharfe als f\u00fcr milde Kl\u00e4nge.\nAuch dem Unmusikalischen bleibt, wenn er Ein und wenn er zwei Instrumente von einer bestimmten Klangfarbe h\u00f6rt (und er h\u00f6rt sowohl scharfe als milde Kl\u00e4nge von Anfang an) der Unterschied von Ein- und Zweiklang nicht sein Leben lang absolut verborgen. Aber die geringe Urtheilsf\u00e4higkeit, die er sich erwirbt und die in unseren Urtheilszahlen zum Ausdruck kommt, mag wohl in Folge des erw\u00e4hnten Umstandes eine noch geringere sein f\u00fcr scharfe als f\u00fcr milde Farben.\nSo w\u00fcrden sich die gr\u00f6fseren Zahlen der Einheitsurtheile in den Versuchsreihen am Harmonium unschwer deuten lassen.\nM. Meter hat eine Erkl\u00e4rung gegeben (Zeitschr. f. Psychol. XVII, 413 f.), worin er dasselbe Princip verwendet1, es aber mit der Hypothese verkn\u00fcpft, dafs den Zweiheitsurtheilen unsrer Unmusikalischen \u00fcberhaupt niemals oder nur ausnahmsweise eine wirkliche Unterscheidung der beiden T\u00f6ne zu Grunde gelegen habe. Die Aussage \u201ezwei T\u00f6ne\u201c bedeute in ihrem Munde nicht, dafs sie zwei T\u00f6ne in dem Zusammenklang unterschieden, sondern nur, dafs sie den Einen Klang auf zwei Instrumente (Tasten) bezogen h\u00e4tten.\nDiese Hypothese steht in keiner nothwendigen Verbindung mit der Erkl\u00e4rung obiger Erscheinung; und sie scheint mir in sich selbst unhaltbar. Die Unterschiede zwischen Musikalischen und Unmusikalischen sind grofs genug, aber sie sind nur gradueller Natur, und sowohl Faist als ich haben die \u00e4ufsersten Grade nach der unmusikalischen Seite von unseren Versuchen ausgeschlossen. Des N\u00e4heren siehe die Discussion hier\u00fcber in der Zeitschr. f. Psych. XVII u. XVIII.\n1 S. 415: \u201eWenn wir zu einem scharfen Tone die h\u00f6here Octave in gleicher Klangfarbe hinzuf\u00fcgen, so \u00e4ndert sich dadurch nicht viel mehr als dafs ein Theil der Obert\u00f6ne verst\u00e4rkt wird.\u201c\nDruck von. Lippert & Co. (G-. P\u00e4tz\u2019sche Buchdr.), Naumburg a. S.","page":170}],"identifier":"lit38479","issued":"1898","language":"de","pages":"168-170","startpages":"168","title":"Zum Einflu\u00df der Klangfarbe auf die Analyse von Zusammenkl\u00e4ngen","type":"Journal Article","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:10:45.322991+00:00"}