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Tonsystem und Musik der Siamesen

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{"created":"2022-01-31T15:42:04.575212+00:00","id":"lit38486","links":{},"metadata":{"alternative":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft","contributors":[{"name":"Stumpf, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft 3: 69-138","fulltext":[{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\nVon\nC. Stumpf.\nDie Veranlassung zu dieser Studie gab die Anwesenheit einer siamesischen Theatertruppe in Berlin im September 1900. Der Director Boosba Mahin, ein europ\u00e4isch erzogener Eingeborener gestattete mir, die Orchester-Instrumente zu untersuchen und phonographische Aufnahmen zu machen, sandte mir auch einmal einen der begabtesten Musiker ins Haus. Aufserdem war ich h\u00e4ufig bei den Vorstellungen gegenw\u00e4rtig, in denen immer die n\u00e4mlichen St\u00fccke wiederholt wurden, und konnte mich so an die Eigenart der siamesischen Musik einigermaafsen gew\u00f6hnen sowie fortlaufend Aufzeichnungen machen.\nBei den \u00f6ffentlichen Auff\u00fchrungen sangen und tanzten die Frauen, w\u00e4hrend die M\u00e4nner das Orchester bildeten. Die Gew\u00e4nder der T\u00e4nzerinnen waren von aufserordentlicher Pracht, von bewundernswerther Abt\u00f6nung und Harmonie der Farben ; die Bewegungen f\u00fcr uns zun\u00e4chst fremdartig, aber sehr fein ausgebildet ; namentlich setzte die Mannigfaltigkeit, K\u00fchnheit und Ausdrucksf\u00e4higkeit der Handbewegungen in Staunen. Zu einer so virtuosen Mimik der H\u00e4nde sind auf unseren B\u00fchnen kaum schwache Ans\u00e4tze zu finden; aber man konnte hier die Ueberzeugung gewinnen, dafs sie mindestens ebenso sehr wie die der Beine Pflege verdient. Die Darstellungen waren fast\n1 Sohn des verstorbenen Prinzen Phya Mahin, dessen Theater v. Hesse-Wartegg in seinem Buche \u201eSiam das Reich des weitsen Elephanten\u201c, 1899, S. 127 beschreibt und auch Carl Bock, Temples and Elephants, 1884, S. 47 als das beste in Bangkok bezeichnet. Zu diesem Theater geh\u00f6rt das nach Europa gebrachte Personal.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nC. Stumpf.\nausschliefslich T\u00e4nze oder Pantomimen. Die T\u00e4nzerinnen sangen selbst, was ihnen bei dem gemessenen Tempo der Bewegungen keine Schwierigkeit machte.\nMeine Aufmerksamkeit war indessen weniger dem schauspielerischen als dem rein musikalischen Theil zugewandt, da hier Fragen von principieller Bedeutung sowohl f\u00fcr die Musikwissenschaft als f\u00fcr die Psychophysik in Betracht kamen. Es war mir bekannt, dafs nach Ermittelungen von Alex. J. Ellxs die Siamesen eine Scala von 7 gleichgrofsen Stufen ben\u00fctzen sollen.1 Aber die Beweise schienen mir bisher nicht durchschlagend genug, um eine so \u00fcberaus paradoxe und folgenreiche Thatsache \u00fcber jeden Zweifel sicher zu stellen. Ellis st\u00fctzte sich einerseits auf die Pr\u00fcfung zweier Instrumente, andererseits auf die Aussage des siamesischen Gesandten. Aber der letztere konnte allenfalls eine geltende theoretische Lehre wiedergeben, mit welcher die Praxis nicht nothwendig in Einklang zu sein braucht. Und die Messungen wichen doch an einigen Punkten von der hiernach berechneten Leiter nicht ganz unerheblich ab. Ellis hatte nun allerdings noch den Control versuch gemacht, dafs er selbst eine genau nach dem Princip abgestimmte Leiter herstellte und den siamesischen Musikern vorlegte, worauf diese erkl\u00e4rten, sie sei besser als die ihrer eigenen Instrumente. Ich will gern zugeben, dafs man die Thesis hiernach bereits als gen\u00fcgend bewiesen h\u00e4tte ansehen k\u00f6nnen. Aber gegen so schwer festzustellende und noch schwerer zu erkl\u00e4rende Thatsachen ist wohl ungew\u00f6hnliche Zur\u00fcckhaltung zu entschuldigen und sind neue Belege gewifs erw\u00fcnscht. Vor allen Dingen hat nat\u00fcrlich der Fachmann den Wunsch, selbst zu h\u00f6ren. Das erstmalige H\u00f6ren lehrte mich denn auch sogleich, dafs f\u00fcr unser Ohr seltsame Intervalle gebraucht wurden, und die n\u00e4here Pr\u00fcfung \u00fcberzeugte mich, dafs Ellis wirklich Recht hatte.\nIch gebe zun\u00e4chst eine Beschreibung der Instrumente, besonders derer mit festen T\u00f6nen, deducire sodann aus den an-gestellten Messungen die Tonleiter und versuche Erkl\u00e4rungen\n1 On the musical scales of various nations. Journal of the society of arts 38, 1885, S. 485 f. Appendix hierzu S. 1102 f. Die obenerw\u00e4hnte Behauptung steht im Appendix S. 1105.\nVgl. meinen ausf\u00fchrlichen Bericht in der Vierteljahrsschrift f\u00fcr Musik-Wissenschaft 2 (1886), S. 511 f.","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n71\n\u00fcber die Entstehung solcher Leitern, beschreibe weiter die Ergebnisse von Geh\u00f6rspr\u00fcfungen an den Musikern und gebe endlich die aufgenommenen Melodien und eine vollst\u00e4ndige Orchesterpartitur. F\u00fcr den ersten und letzten Theil ist mir die ausdauernde Unterst\u00fctzung von Herrn Dr. 0. Abbaham, der ein ausgezeichnetes Geh\u00f6r besitzt, werthvoll gewesen.\nI. Die Instrumente und ihre Stimmung.\nDas regelm\u00e4fsige Orchester der Truppe bestand aus 2 Ranat\u2019s (Harmonica\u2019s aus Holzst\u00e4ben), 2 Kong\u2019s (Glockenharmonica\u2019s), 2 Fl\u00f6ten, 2 Pauken und 1 Tsching (Becken aus zwei kleinen Glocken, die auf einander geschlagen werden, so dafs die R\u00e4nder sich decken). Diese 9 Instrumente waren bei den f\u00fcr uns veranstalteten Orchesterproductionen so aufgestellt : die Ranat\u2019s vorn, hinter ihnen die Kong\u2019s, rechts und links von diesen die beiden Fl\u00f6ten, ganz hinten die Schlaginstrumente. Die Spieler safsen nach orientalischer Weise. Bei den \u00f6ffentlichen Auff\u00fchrungen, wobei das Orchester nur die Vor- und Zwischenspiele sowie die Begleitung des Gesanges besorgte, safs es an der Seite der B\u00fchne und waren die Instrumente etwas anders angeordnet.\nDie Ranat\u2019s bestanden auslSbezw. 21 St\u00e4ben aus Bambusholz von abgestufter Gr\u00f6sse, die mit Kl\u00f6ppeln angeschlagen recht wohlklingende T\u00f6ne geben1 (nur die tiefsten waren undeutlich). Diese St\u00e4be waren unter einander durch Schn\u00fcre verbunden, mittelst deren sie auch an den beiden \u00e4ufseren R\u00e4ndern eines rechteckigen oder kahnf\u00f6rmigen Holzgestelles aufgeh\u00e4ngt waren. Das Gestell hat \u00fcbrigens nichts mit Resonanz zu thun, wie man gemeint hat ; denn der Ton der St\u00e4be ist derselbe, wenn man sie an den Schn\u00fcren ganz frei in der Luft h\u00e4lt. Die St\u00e4be waren an der unteren Seite nach innen zu ausgekehlt, offenbar theils des Klanges, theils der Abstimmung halber. F\u00fcr den letzteren Zweck war aber aufserdem ein Klumpen aus einer Mischung von Wachs und Graphit unten angeklebt. Man findet Abbildungen von Ranat\u2019s in verschiedenen Reisewerken, Museumskatalogen und Musikgeschichten, die sch\u00f6nste in Hipkins\u2019 Prachtwerk \u201eMusical Instruments\u201c Taf. 45.\n1 Das importirte Bambusholz giebt nicht so breite Platten. Ueberdies wird das Holz von den Siamesen einer umst\u00e4ndlichen Bearbeitung unterzogen, ehe es den guten Klang gewinnt.","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nC. Stumpf.\nInstrumente ganz \u00e4hnlicher Art sind \u00fcbrigens weitverbreitet und auch bei uns unter den Namen \u201eStrohfiedel, Gigelyra\u201c etc. fr\u00fcher gebr\u00e4uchlich gewesen, in einzelnen Gegenden Oesterreichs noch im Gebrauch.1 2 Auch unser Klavier ist ja aus einem \u201eHackbrett\u201c entstanden, welches wie das Eanat mit zwei H\u00e4mmern bearbeitet wurde, nur dafs die Stelle der Holzst\u00e4be durch Saiten vertreten war.\nDie Kong\u2019s bestehen aus Metallglocken von abgestufter Gr\u00f6fse, die in gleicher Weise mit durchgezogenen Schn\u00fcren aneinandergereiht und auf einem Holzgestell aufgeh\u00e4ngt sind. Sie sind aber in einem (Dreiviertel-) Kreise angeordnet, w\u00e4hrend die Ranatclaviatur geradlinig ist. Oben hat jede Glocke einen breiten Knopf, auf welchen mit dem Kl\u00f6ppel geschlagen wird. Innerhalb dieses Knopfes, also auf der unteren Seite, befindet sich wieder eine Stimmmasse. Der Spieler sitzt in der Mitte des Instruments. Bei den tieferen Glocken st\u00f6ren die vom Glockenrand erzeugten Beit\u00f6ne sehr den Klang, w'as auch den Siamesen nicht entgeht, da sie uns ausdr\u00fccklich aufmerksam machten, dafs wir den Beiton nicht mit dem Hauptton verwechseln sollten. Kong\u2019s findet man ebenfalls mehrfach abgebildet -, am sch\u00f6nsten wieder bei Hipkins.\nBeim Spielen der Ranat\u2019s wie der Kong\u2019s werden beide H\u00e4nde bald zusammen (besonders in Octaven- und Quarteng\u00e4ngen), bald abwechselnd (bei raschen Figuren) gebraucht. Jeder l\u00e4ngere Ton, Viertel, Halbton etc., wird durch ein Tremolo wiedergegeben, das mit einer Hand sehr gewandt ausgef\u00fchrt wird.\nDas Orchester besafs zwei verschiedene Ranat\u2019s: Ran at ek und R a n a t thum3, das h\u00f6here und das tiefere. Eanat ek\n1\tVgl. die Abbildung in Wasielewsky\u2019s Geschichte der Instrumentalmusik im 16. Jahrhundert, Tafel X. In den Jahren 1834\u201437 wurde die Holzharmonika in Folge der virtuosen Productionen eines Polen, Gusikow, noch einmal sehr popul\u00e4r, und alle Welt wollte in Concert und Salon darauf spielen (s. Katalog der SNOECK\u2019schen Instrumentensammlung in Gent, 1894, S. 2).\n2\tv. Hesse-Wartegg bezeichnet aber das von ihm abgebildete Kong f\u00e4lschlich als ein Ranat.\na Die siamesischen Ausdr\u00fccke sind hier alle der deutschen Aussprache gem\u00e4fs geschrieben, nachdem ich mich noch mit Sachverst\u00e4ndigen (Herrn Dr. M\u00fcller vom Berliner ethnologischen Museum und Herrn Dr. 0. Frankfurter aus Bangkok) \u00fcber die correcteste Form berathen habe.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n73\nhatte 21 Tasten und reichte von f bis es3, wobei allerdings der unterste Ton f\u00fcr sich allein nicht, sondern nur mit H\u00fclfe seiner Octave zu bestimmen war. Ranat thum hatte 18 Tasten und reichte von c bis f '2; f\u00fcr den tiefsten Ton gilt dasselbe.\nEbenso waren die beiden Kong\u2019s verschieden. Das hohe heilst Kong lek, das tiefe Kong y ai. Das erste hatte 18 Glocken mit dem Umfang b1 bis es4, das zweite 16 mit dem Umfang d1 bis es3.\nIn Noten:\n8 va\nRanat ek b;*t \u00a3 ^=\\\tR. thum\tKong lek brj;\t\tK. yai b^\n\u2014'\t\t1\u2014T -\u2014\t9\t\nWir haben nun die genaue Stimmung jeder einzelnen Taste und Glocke mit H\u00fclfe eines Appuira\u2019schen Tonmessers festgestellt, der die Octave von 400 bis 800 Schwingungen umfafst und 120 Zungen enth\u00e4lt, die zwischen 400 und 480 um je 2 Schwingungen, zwischen 480 und 600 um je 3, zwischen 600 und 800 um je 5 Schwingungen differiren. Da die Stimmung dieser Metallzungen niemals ganz genau ist, wurden sie bald nachher durch die Herren Dr. K. L. Schaeeer und cand. Peungst nach ihrer wirklichen absoluten H\u00f6he aufs Genaueste bestimmt und danach die an den siamesischen Instrumenten erhaltenen Zahlen noch den n\u00f6thigen Correcturen unterworfen.1 Ber\u00fccksichtigt man, dafs manche T\u00f6ne zwischen denen des Tonmessers lagen und dementsprechend von uns abzusch\u00e4tzen waren (da die Bestimmung durch Schwebungen hei so rasch verklingenden T\u00f6nen unm\u00f6glich ist), dafs ferner hei den unter 400 und \u00fcber 800 Schwingungen liegenden T\u00f6nen nur deren im Bereich des Tonmessers liegende Octaven bestimmt werden konnten, wobei das Geh\u00f6r gr\u00f6fseren\n1 Dies geschah mit H\u00fclfe einer geaichten Normalstimmgabel und\nZ\u00e4hlung der Schwebungen aller Zungen mit ihren Nachbarn. Hierbei ergab sich auch, dafs der wahre Umfang dieses Tonmessers von 403 - 807 reichte. Die H\u00f6he der einzelnen Zungen wurde auf 2 Decimalen bestimmt. Den beiden Herren bin ich f\u00fcr die m\u00fchsame Arbeit sehr zu Dank verpflichtet.\nSie f\u00fchrten ihre Z\u00e4hlungen unabh\u00e4ngig von einander aus und controlirten\ndie Ergebnisse schliefslich noch in mehrfacherWeise durch die Schwebungen verstimmter Consonanzen innerhalb des Tonmesserbereiches, welche ein un-erl\u00e4fsliches und sehr feines Pr\u00fcfungsmittel abgeben.","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nC. Stumpf.\nFehlern unterliegt als bei directer Vergleichung : so k\u00f6nnten immerhin die folgenden Zahlen noch hier und da um 1\u20142 Schwingungen nach oben oder unten von den wirklichen abweichen. Mehr aber d\u00fcrften die Abweichungen in Anbetracht des Uebungsgrades der Beobachter und ihrer gegenseitigen Contr\u00f4le kaum betragen.\nDie Zahlen sind mit den \u00fcber den Columnen stehenden Br\u00fcchen zu multipliciren. Diese Schreibweise ist gew\u00e4hlt, damit man sogleich den Grad der Uebereinstimmung zwischen den einzelnen Octaven erkennen kann. Die zwei eingeklammerten Werte betreffen Tasten, die nach Aussage der Siamesen selbst nicht ganz genau abgestimmt waren; die beiden Fragezeichen solche, deren Ton nicht deutlich genug herauszuh\u00f6ren war.\nRanat thum\t?\t570\t627\t696\t(762)\t417\t472\t514\t576\t627\t696\t773\t423\t467\t518\t570\t(637)\t696 \u2014\nRanat ek\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t?\t766\t423\t469\t514\t576\t627\t696\t773\t423\t469\t514\t572\t629\t702773\nKong yai\t\t\t\t\t\t\t\t\t572\t630\t696\t773\t424\t467\t518\t572\t630\t696762\nKong lek\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\u2014\t\t\t\t472\t518\t572\t627\t694766\n2 \u2022\t4 \u2022\nRanat ek\t419\t473\t514\t572\t627\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nKong yai\t421\t467\t514\t570\t630\t\t\t\t\t\t\t\nKong lek\t424\t469\t514\t572\t628\t696\t773\t427\t472\t518\t572\t630\nEs befand sich in der Ger\u00e4the-Ausstellung der Siamesentruppe noch ein Banat mit eisernen Tasten, genannt Ran at thum lek. Nach seiner Abstimmung war es ein Banat thum; das beigef\u00fcgte Pr\u00e4dieat lek bedeutet hier nicht \u201eklein\u201c \u201ehoch\u201c, wie bei den Kong\u2019s und den Fl\u00f6ten (s. u.) sondern \u201eeisern\u201c (im Siamesischen kann, wie im Chinesischen, ein Wort viele Bedeutungen haben). Das tiefe Holzranat wird im Gegensatz dazu als Ranat thum mai bezeichnet (mai = Holz). Der Director Boosba Mahin (nicht selbst Musiker) sagte uns sogleich, dafs das eiserne Ranat","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n75\nnicht mit den \u00fcbrigen, stimme ; aber es sei \u00e4lter und maafsgebender. Wir fanden den Umfang c\u2014es- und folgende Stimmung der 17 T\u00f6ne (die drei tiefsten nicht deutlich genug):\nV* \u2022\t___________ V. \u25a0\n?\t?\t?\t702, 759;\t417,\t463,\t506,\t557,\t616,\t696,\t766;\n419, 463, 512, 564, 620.\nDiese Abstimmung weicht in der That merklich von der der 4 vorhergenannten Instrumente ab, wenn auch gewifs die n\u00e4mliche Leiter intendirt ist. Nach den weiter unten anzustellenden Erw\u00e4gungen d\u00fcrfte es sich aber doch mehr um ein ehrw\u00fcrdiges ausrangirtes Alterthum handeln, dessen augenblickliche Beschaffenheit nicht so zuverl\u00e4ssig als Document f\u00fcr die Forderungen des siamesischen Geh\u00f6rs betrachtet werden kann wie die im Gebrauch befindlichen Instrumente. Die T\u00f6ne sind auch fast durchweg tiefer als die der sp\u00e4teren Instrumente, vielleicht ein Zeichen, dafs bei den Siamesen wie bei uns die absolute Stimmung allm\u00e4hlich etwas in die H\u00f6he gegangen ist.\nDie beiden Fl\u00f6ten, Klui yai (tiefe) und Klui lek (hohe), sind unten offen und werden durch eine kleine Oeffnung im Deckel angeblasen, aber der Ton entsteht durch eine an der Seite nahe dem oberen Rande befindliche Spalte, wie bei den Labialpfeifen der Orgel. Umfang:\nSva\nDie einzelnen T\u00f6ne haben wir nicht auf ihre genaue Abstimmung untersucht, weil diese eben bei Blasinstrumenten je nach der Art und St\u00e4rke des Blasens etwas variirt. Im Allgemeinen aber zeigte sich sogleich, dafs sie mit den vorhererw\u00e4hnten vier Instrumenten gut \u00fcbereinstimmten und dieselbe Leiter hatten. Bemerkenswerth ist noch, dafs die siamesischen Fl\u00f6tisten w\u00e4hrend eines ganzen St\u00fcckes nicht abzusetzen brauchen, da sie. die Inspiration w\u00e4hrend des Blasens durch die Nase vollziehen. Charakteristisch f\u00fcr ihr Spiel ist die ungeheure Beweglichkeit. Sie k\u00f6nnen fast keinen Ton ohne Triller, Vorschlag oder sonstige","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nC. Stumpf.\nVerzierung spielen, selbst bei der Tonleiter ging jedem Ton ein Pralltriller voraus.\nVon den Pauken war eine auf den Ton 77\u00e4/3 (= etwa\u00ab?1) gestimmt, der auch in den Instrumentalleitern vorkommt. Eine andere, deren Membran \u00fcber ein sehr sch\u00f6n mit Perlmutter eingelegtes Gef\u00e4fs gespannt war, gab, in der Mitte angeschlagen, den Ton 424/4 = As (A), am Rand angeschlagen 424/2 und 772(2, T\u00f6ne, die s\u00e4mmtlich gleichfalls in der Leiter enthalten sind. Der Anschlag geschah mit der Hand, und zwar wurden die st\u00e4rkeren Accente durch den Schlag auf die Mitte, die schw\u00e4cheren durch den auf den Rand gegeben.\nEin Gong aus Metall gab den Ton 772/4, ein anderes 424/2, stimmte also wieder genau mit T\u00f6nen der f\u00fchrenden Instrumente. Es sollen Gongs auch f\u00fcr andere T\u00f6ne, ja f\u00fcr die ganze Leiter, vorhanden sein. Es ist ein gutes Zeichen f\u00fcr das siamesische Geh\u00f6r, dafs selbst bei den Schlaginstrumenten auf so genaue Abstimmung gehalten wird.\nMit dem Ts chin g, das einen sehr hohen Ton giebt, markirt nach Ellis\u2019 Angabe der Dirigent den Tact; bei unserer Capelle war dies nicht der Fall, sie spielte ohne Dirigent und ohne Tsching; nur zu einem mehr declamatorischen Gesangsvortrag wurde es angewandt, der wesentlich von den \u00fcbrigen abwich (s. u. IV. B.).\nAusserdem besass die Truppe noch mehrere Khen\u2019s (das e sehr lang und mehr nach \u00e4 hin zu sprechen ; in Beschreibungen findet man auch gelegentlich das Synonymon P \u2019 h e n) : Instrumente von gleicher Gattung wie die chinesischen und japanischen Tscheng\u2019s, nur gr\u00f6fser; also B\u00fcndel von Pfeifen, die durch ein gemeinschaftliches seitliches Ansatzrohr angeblasen werden, jede Pfeife mit einem besonderen Loch versehen, dessen A^erschlufs durch den Finger diese Pfeife zum T\u00f6nen bringt. Der Ton wird durch Zungen hervorgebracht (bei den guten Khen\u2019s Silberzungen) und ist dementsprechend scharf, oboen\u00e4hnlich. Die Blasebewegung erfolgt sowohl durch Hineinblasen als durch Aussaugen der Luft. Diese Instrumente werden nur zu Solost\u00fccken gebraucht und stimmen mit den \u00fcbrigen nicht \u00fcberein. Sie sind den Siamesen von dem tributpflichtigen Bergvolk der Lao\u2019s zugekommen. Das von uns untersuchte bestand aus zwei neben einander geordneten Pfeifenreihen zu je 7 Pfeifen und hatte den Umfang h \u2014 g2 Die h\u00f6chsten T\u00f6ne kamen schwer heraus.","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n77\nDas Instrument wird nach Proben, die uns vorgespielt wurden, auch wie ein Dudelsack gebraucht, indem der Grundton h festgehalten und dar\u00fcber eine Melodie gespielt wurde, die f\u00fcr unsere Ohren ungef\u00e4hr wie im absteigenden H-moll stehend klang.\nEndlich waren noch zwei Pi\u2019s (Bi\u2019s) vorhanden, h\u00f6chst massive Clarinetten von 5 cm Durchmesser, mit extrem scharfer Klangfarbe.1 2 Die Zunge besteht aus 4\u20145 durch R\u00e4ucherung geh\u00e4rteten Palmblattstreifen, die in einem Messingrohr stecken. 6 L\u00f6cher an der Seite dienen zur Tonver\u00e4nderung. Nach diesen Pi\u2019s werden angeblich alle anderen Instrumente gestimmt. Der Ton war aber so unertr\u00e4glich, dafs sich die Untersuchung nicht ohne Ohrenschmerzen h\u00e4tte vornehmen lassen; \u00fcberdies \u00e4ndert er sich ja auch wohl etwas nach der St\u00e4rke des Blasens. Auch hier unterscheidet man Pi yai und Pi lek (Oboe). Der Tonumfang betr\u00e4gt zwei Octaven.\nIn Siam werden auch Saiteninstrumente gebraucht, die ge-m\u00e4fs Aussage der Musiker nach den \u00fcbrigen Instrumenten gestimmt werden; doch f\u00fchrten sie keine solchen mit sich.\" \u2014\nDiesen Beschreibungen seien noch einige Angaben \u00fcber siamesische Instrumente beigef\u00fcgt, die ich in der Litteratur finden konnte, nat\u00fcrlich mit Uebergehung secund\u00e4rer Quellen. Auch \u00e4ltere Notizen k\u00f6nnen von Bedeutung werden, wenn man entwickelungsgeschichtlichen Fragen n\u00e4her tritt, sind aber leider sehr sp\u00e4rlich.\nNicolas Gekvaise, der 1688 wohl die erste Schrift \u00fcber Siam herausgegeben3, berichtet \u00fcber eine dreisaitige Violine, Trompeten und ein \u201ecarillon avec de petites clochettes\u201c, offenbar das heutige Kong, w\u00e4hrend er das Ranat nicht erw\u00e4hnt.\nAuch De la Loub\u00e8be, der als aufserordentlicher Gesandter Ludwigs XIV. 1687\u201488 in Siam weilte, beschreibt4 das Kong,\n1\tDie Siamesen theilen nach Ellis die Instrumente in \u201eleichtt\u00f6nende\u201c (Mahori), die im Hause gespielt werden, und \u201eschwert\u00f6nende\u201c (Bimbat), die nur im Freien gespielt werden ; hoffentlich geh\u00f6rt das Pi zu diesen. Auch James Low, der siamesische Musik an Ort und Stelle h\u00f6rte, sagt: \u201esie w\u00e4re sehr angenehm, wenn nicht 1\u2014-2 Blasinstrumente dabei w\u00e4ren, besonders das Pi chanai\u201c. (On Siamese litt\u00e9rature. Asiatic researches 20, S. 353.)\n2\tDar\u00fcber findet man N\u00e4heres bei Ellis und in dem unten citirten Werk yon M. E. und A. Brown.\n3\tN. Gervaise, Histoire naturelle et politique du royaume de Siam, 1688, S. 129\u2014130.\n4\tDe la Loub\u00e8re, Du royaume de Siam, I (1691), S. 261 f.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nC. Stumpf.\nwie es noch heute ist, nur mit geringerem Umfang (l'/2 Octaven). Aufserdem erw\u00e4hnt er Schlag- und Saiteninstrumente sowie das Pi (\u201ehautbois fort aigres\u201c). Aber auch er sagt auffallenderweise nichts vom Ranat; m\u00f6glicherweise ist dieses also sp\u00e4ter erst aufgekommen.\nDe la Bokde erw\u00e4hnt 1780 das Kong unter derselben Bezeichnung wie die beiden Genannten und sicherlich ihnen folgend.1 Dagegen bildet er im Tafelnband unter den chinesischen Instrumenten ein echtes Ranat ab, wie es meines Wissens bei den Chinesen nicht vorkommt.\nUnter den Neueren erw\u00e4hnt Carl Engel s als im Ken-sington-Museum vorhanden ein Ranat mit den 19 T\u00f6nen g\u2014d:\\ angeblich nach der diatonischen Leiter, und ein Khen (The Laos organ).\nChouquet f\u00fchrt in seinem Museumskatalog des Pariser Conservatoriums als dort vorhandenes siamesisches Instrument nur das Khen auf, mit der Angabe, dafs die Pfeifenzahl von 10\u201416 variire.3 Das Br\u00fcsseler Conservatorium hat nach Mahillon\u2019s lehrreichem Katalog4 5 ein Khen mit den 14 T\u00f6nen A\u2014f1 und eines mit dem Umfang f\u2014des2 (Vorzeichnung As\u2014 Dur), beide angeblich nach diatonischer Leiter gestimmt; ferner ein Pi, ein Ranat (thum) lek mit den 17 T\u00f6nen d\u2014f-, und ein Kong yair> mit den 16 T\u00f6nen d\u2014e3 (die Stimmung allerdings durch Abfallen des Stimmwachses alterirt, aber nach Analogie des Ranat so angegeben). Es wird a. a. O. auch die Beschreibung eines vollst\u00e4ndigen siamesischen Orchesters gegeben, welches 4 Ranat\u2019s enthalte, 2 h\u00f6lzerne und 2 metallene, die sich jedesmal wie Discant und Alt zu einander verhalten, 2 Kong\u2019s und 3 Klui\u2019s.\n1\tJ. B. de la Borde, Essai sur la musique, 1780, I, S. 435.\n2\tCarl Engel, Musical instruments in the South-Kensington Museum, 1874, 8. 186, 316.\n3\tChouquet, Mus\u00e9e du conservatoire national de musique, 2. \u00e9d., 1884. Auch in der SNOECK\u2019sehen Sammlung in Gent ist nur ein Khen. (Cat. von Snoeck 1894.)\n4\tCh. Mahillon, Catalogue d\u00e9scriptif et analytique du mus\u00e9e instrumental du conservatoire royal de musique de Bruxelles, I (2. \u00e9d.), 1893, S. 180, 385f.; II, 1896, S. 78, 92.\n5\tEs wird hier auch Kyee-Wain genannt. Dies ist aber, wie ich aus dem sogleich zu erw\u00e4hnenden Werke von Brown S. 144 ersehe, der Name eines anologen Instruments in Birma.","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n79\nIn dem h\u00fcbsch ausgestatteten Werk \u00fcber die Brown-sche Sammlung in New-York1 findet man ausser Abbildungen eines 17 stufigen Ranat\u2019s und zweier Pauken eine gute Beschreibung siamesischer Instrumente nach Ellis sowie nach einer mir nicht zug\u00e4nglichen anonymen Schrift \u201eNotes on Siamese instruments\u201c London 1885, die indes auch wohl wesentlich aus Ellis sch\u00f6pft.\nWarrington Smyth giebt in seinem Reisewerke eine eingehende Beschreibung des Khen und des Khen-Spiels bei den Lao\u2019s.2 3 Die vollkommenere Form hat 14 T\u00f6ne und diese bilden eine absteigende diatonische Mollleiter von c1 \u2014 a 2 oder d1 \u2014 f \\\nEllis war der erste, der (mit Hipkins zusammen) ein Ranat, und zwar das obenerw\u00e4hnte des Kensington-Museums, mit akustischen H\u00fclfsmitteln auf seine genauere Abstimmung untersuchte.8 Er wandte als Messungsinstrument 100 Stimmgabeln mit verschiebbaren Gewichten an, und dr\u00fcckte die Stimmungsunterschiede in Hundertsteln des temperirten Halbtons (Cents) aus, so dafs also die Octave in 1200 solcher Abtheilungen zerlegt wurde. Er fand nun bei obigem Ranat zun\u00e4chst eine ganz r\u00e4tselhafte Scala, aber auch die Octaven stimmten nicht mit einander. Bald darauf hatte er aber Gelegenheit, die im Gebrauch befindlichen Instrumente einer Siamesentruppe zu pr\u00fcfen und fand die L\u00f6sung des R\u00e4thsels darin, dafs das Museumsinstrument eben ganz verstimmt war. Die Truppe hatte analoge Instrumente, wie die von mir oben angegebenen, aufserdem auch Saiteninstrumente. Die beiden Ranat\u2019s bestimmte Ellis auf ihre Schwingungszahlen. Dieselben sind unten in der Tabelle S. 83 neben den unsrigen aufgef\u00fchrt.\nIn den letzten Jahren endlich haben unabh\u00e4ngig von einander Dr. Wallaschek, Docent der Musikwissenschaft in Wien, und Ludwig Riemann, Gesanglehrer in Essen, eine grofse Ahzahl exotischer Instrumente in verschiedenen Museen mit H\u00fclfe von Tonmessern untersucht, darunter auch siamesische.4 * * * Leider hat\n1 Mary E. Brown and Wi. Adams Brown, Musical instruments and\ntheir homes, New York 1888.\n3 Warrington Smyth, Five years in Siam, 1898, I, S. 196, 198 f. ; II, S. 289 f.\n3\tS. die Anfangs erw\u00e4hnte Abhandlung.\n4\tL. Biemann, Ueber eigent\u00fcmliche bei Natur- und orientalischen\nCulturv\u00f6lkern vorkommende Tonreihen etc., 1899, S. 15.\nWallaschek, Die Entstehung der Scala. Sitzungsber. d. Wiener Akad. cl.\nWiss., Math.-natww. CI., 108, Abth. II, S. 921\u2014922; im Sep.-Abdruck S. 17\u201418.","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nC. Stumpf.\naber nicht blos Rebmann sondern auch Wallaschek, der sich doch mit exotischer Musik schon viel besch\u00e4ftigt und das erste zusammenfassende Werk dar\u00fcber ver\u00f6ffentlicht hatte (\u201ePrimitive Music\" 1893), den Verstimmungen der Museumsinstrumente nicht gen\u00fcgend Rechnung getragen. Die Wachskl\u00fcmpchen auf der R\u00fcckseite der Ranath\u00f6lzer und der Kongglocken sind ihnen entgangen, sonst h\u00e4tten sie bemerkt, dafs eine Anzahl derselben ganz oder theilweise abgefallen waren. Bei einem Ranat des Berliner Museums f\u00fcr V\u00f6lkerkunde, das beide Forscher vor Augen gehabt, sind allerdings diese defecten Stimmkl\u00fcmpchen oben angebracht und mufsten gesehen werden. Vielleicht haben sie aber gerade aus dem Umstand, dafs bei einem anderen Ranat an derselben Stelle keine Stimmmassen sich finden, den Schlufs gezogen, dafs dieses Ranat unver\u00e4ndert sei. Sie h\u00e4tten es nur umzudrehen brauchen!\nIch hege den Verdacht, dafs \u00fcberhaupt eine ziemlich grofse Anzahl der an exotischen Instrumenten gefundenen angeblichen Leitern, welche die verr\u00fccktesten Intervalle enthalten, auf \u00e4hnlichen Umst\u00e4nden beruht, dafs man also mit gewissenhaftester Genauigkeit die Schwingungszahlen zuf\u00e4lliger Verstimmungen untersucht hat. Jedenfalls gilt dies von den Leitern der siamesischen Ranat\u2019s und Kong\u2019s. So f\u00fchrt Wallaschek als Leiter eines Ranat im Berliner Museum die folgende an (die Zeichen + und \u2014 bedeuten eine geringe Erh\u00f6hung und Vertiefung der durch die Noten ausgedr\u00fcckten T\u00f6ne, die Zahlen sind die gefundenen Schwingungszahlen; die 6 tiefsten Tasten fehlen, da sie Wallaschek kaum mefsbar fand) :\n307 370 397 448 466 516 588 655 655 795 904 984 1056 1170 1270\nDie T\u00f6ne stimmen \u00fcberein mit der von Riemann angegebenen Ranatleiter (wenn auch Riemann nicht Schwingungszahlen giebt, sondern sich einer anderen Bezeichnungsweise bedient); wonach ich nicht zweifle, dafs beide das n\u00e4mliche Exemplar untersucht haben.\nDa nun Wallaschek die Inventarnummer des Instruments im Berliner Museum angiebt (O, 13981), haben wir dieses Exemplar vorgenommen : es zeigte sich durch Abfallen des Stimmwachses in","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n81\nsolchem Grade defect, dafs alle M\u00fche umsonst ist! Viel besser w\u00e4re das andere gewesen (C, 1759), mit dem auf der oberen Seite und daher g\u00fcnstiger placirten Stimmwachs, ein Ranat ek mit 21 Tasten, wo wenigstens die Tasten 11\u201419 noch ziemlich unver\u00e4ndert sind. Dieses stimmte allem Anschein nach urspr\u00fcnglich mit dem unsrer Siamesentruppe gut \u00fcberein.\nAuch die beiden Kong\u2019s, die Wallaschek bestimmt hat, haben wir nach den Inventarnummern aufgesucht und sie so defect gefunden, dafs Schwingungszahlbestimmungen ihren Sinn verlieren. Ich bedaure dies umsomehr, als Herr Wallaschek die ganze Untersuchung auf meine Anregung hin unternommen hat. Wegen Zeitmangels mufste sich meine Mitwirkung damals auf Ueberlassung des Tonmessers beschr\u00e4nken, doch erinnere ich mich, ausdr\u00fccklich auf m\u00f6gliche Defecte der Instrumente hingewiesen zu haben.\nDas Richtige in dieser Sache ist also, in erster Linie im Gebrauch befindliche Instrumente zu untersuchen, aus Museumsinstrumenten hingegen nur mit Zur\u00fcckhaltung und unter sorgf\u00e4ltigster Beachtung m\u00f6glicher Verstimmungsursachen Schl\u00fcsse zu ziehen.\nII. Die siamesische Tonleiter und ihre niuthmaafsliche Entstehung.\nSuchen wir nunmehr aus der Tabelle der an den vier Instrumenten gefundenen T\u00f6ne (S. 74) die siamesische Tonleiter zu erkennen. Die T\u00f6ne der einzelnen Instrumente stimmen gut mit einander \u00fcberein und die Octaven zeigen keine gr\u00f6fseren Abweichungen von der Reinheit, als sie unsere besten Instrumentenmacher begehen w\u00fcrden, wenn sie Holz- oder Glocken-claviere mit so rasch verklingenden T\u00f6nen ohne weitere H\u00fclfs-mittel zu stimmen h\u00e4tten. Sie erschienen denn auch mir und Dr. Abraham meist als vollkommen befriedigend. Es kehren daher auch die Tonverh\u00e4ltnisse innerhalb einer Octave mit grofser Genauigkeit innerhalb der anderen Octaven wieder. Man kann in Folge all dieser Umst\u00e4nde an einem festen Princip der Abstimmung nicht zweifeln.\nDieses Princip ist ebenso befremdlich wie einfach. Man theilt die Octave in 7 gleiche Stufen, so dafs jeder Ton zum\nStum pf, Beitr\u00e4ge III.\t6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nC. Stumpf.\nn\u00e4chstfolgenden und zum vorausgehenden ein \u00fcberall gleichbleibendes Verh\u00e4ltuifs hat. Es ist eine gleichschwebend-tempe-rirte siebenstufige Leiter. Der Unterschied von Ganz- und Halbstufen ist verschwunden, eine zwischen beiden liegende Stufe an die Stelle getreten; die kleine und die grofse Terz ebenso wie die kleine und die grofse Sexte und Septime sind zu einer neutralen Terz, Sexte, Septime zusammengezogen ; die Quarte ist erh\u00f6ht, die Quinte vertieft. Nicht Eines unserer Intervalle ist vorhanden, weder rein noch in den f\u00fcr uns zul\u00e4ssigen Grenzen temperirt.\nDafs dem so ist, ergiebt sich am \u00fcberzeugendsten in folgender Weise. Da die Abweichungen in Bezug auf die einzelnen T\u00f6ne, z. B. 423, bei den verschiedenen Instrumenten nur gering sind, bilden wir zun\u00e4chst einen Durchschnittswerth f\u00fcr jeden Ton, wobei nur die zwei eingeklammerten Zahlen aus den oben angegebenen Gr\u00fcnden wegbleiben. Zu dieser Durchschnittsberechnung werden auch die in der obigen Tabelle weggelassenen, aus den Tonmesserbestimmungen sich ergebenden beiden ersten Decimalstellen herangezogen. Dies giebt in der folgenden Tabelle die Rubriken III bis VII, w\u00e4hrend I und II die von Ellis auf seinen beiden Ranat\u2019s gefundenen T\u00f6ne enthalten. Die Rubrik V ist fettgedruckt, weil diese Zahlen als besonders genau angesehen werden m\u00fcssen in Folge des Umstandes, dafs hier eine directe Vergleichung mit den Zungen des Tonmessers m\u00f6glich war, w\u00e4hrend bei den \u00fcbrigen Rubriken untere oder obere Octaven der Zungen verglichen werden mufsten. Die Rubrik VIII enth\u00e4lt sodann die Durchschnittszahlen s\u00e4mmtlicher homologen T\u00f6ne auf unseren vier Instrumenten (also erstens der gleichen T\u00f6ne auf verschiedenen Instrumenten, zweitens der Octaven des jeweiligen Tones) und kann darum als die n\u00e4chstgenaueste nach V angesehen werden. Diese Durchschnittszahlen sind wieder unter Ber\u00fccksichtigung der beiden ersten Decimalen gefunden.\nDie Rubrik IX giebt nun die theoretisch resultirenden Zahlen der gleichstufigen Leiter, wenn man von einem beliebigen Ton aus, z. B. 423, eine solche Leiter berechnet. Die Berechnung ist mit Logarithmen leicht durchzuf\u00fchren, man hat nur, da die\ni _\neinzelne Stufe durch y 2 gegeben ist, den Logarithmus von 2 durch 7 zu theilen (= 0,0430043), diesen Betrag zum Logarithmus der jeweiligen Ausgangszahl zu addiren und wieder die","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem im\u00e4 Musik der Siamesen.\n83\nentsprechende Zahl aufzusuchen. Hierbei ist aber zu ber\u00fccksichtigen, dafs der Anfangston nicht genau 423, sondern 4231/8 ist; sonst w\u00fcrden alle folgenden Werthe, da sie aus diesem abgeleitet werden, um wachsende Betr\u00e4ge (wenn auch h\u00f6chstens um eine Schwingung) zu niedrig ausfallen. In die Tabelle sind aber nur ganze Zahlen aufgenommen.\nIn Rubrik X und XI sind dann noch die rein-diatonische und unsere temperirte Leiter unter Voraussetzung des gleichen Grundtons 423V3 berechnet (letztere durch den Logarithmus unseres temperirten Halbtons = 0,025086).\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nEllis 1\t\tStumpf und Abraham\t\t\t\t\tg\u2019S 3.S Q g\t\u00ae 5 wS <U\tO -+\u25a0= s\tP< s o H\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t*\t\t\t\nI\tII\tIII\tIV\tV\tVI\tVII\tVIII\tIX\tX\tXI\t\n\t\t( - VH\tbV\t(\u20221)\t(.2)\t(\u20224)\t\t\t\t\t\n421\t429\t\u2014\t420\t428\t421\t427\t423\t428\t423\t423\t\n458\t471\t\u2014\t470\t469\t470\t472\t470\t467\t476\t475\t\n511\t522\t\u2014\t514\t517\t615\t518\t516\t516\t5081 529/\t5031 533j\t(Terzen)\n570\t570\t670\t574\t571\t571\t572\t572\t570\t564\t565\t\n632\t634\t627\t628\t629\t629\t630\t629\t629\t635\t634\t\n716\t698\t696\t696\t697\t696\t\u2014\t697\t695\t677\\ 706/\t6721 712/\t(Sexten)\n772\t766\t767\t773\t767\t773\t\u2014\t770\t767\t762\\ 794/\t754\\ 799/\t(Septimen)\nNun vergleiche man zun\u00e4chst die Rubrik V als die maafs-gebendste mit der berechneten gleichstufigen Leiter unter IX: die beiden Zahlenreihen fallen fast genau zusammen, die gr\u00f6fsten Unterschiede betragen zwTei Schwingungen, was in Anbetracht der absoluten Schwingungszahlen und der doch immer m\u00f6glichen kleinen Fehler in der experimentellen Bestimmung gar nicht in Betracht kommt. Aber auch die an zweiter Stelle maafsgebende Rubrik VIII zeigt keine gr\u00f6fseren Abweichungen als drei Schwingungen. Und selbst die \u00fcbrigen Rubriken, die die tieferen und\n1 Ellis beginnt die Leitern mit dem Ton 285. Die Sehwingungs-zahlen unter 400 sind darum hier der Vergleichung halber in die h\u00f6here Octave transponirt (verdoppelt).\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nC. Stmnpf.\nh\u00f6heren Octaven f\u00fcr sich allein enthalten, weichen nur an zwei Stellen (bei 773) um sechs Schwingungen von der Berechnung ab, einmal um vier, sonst \u00fcberall um weniger.\nWie grofse Unterschiede begegnen uns dagegen, wenn wir die siamesische mit unsrer diatonischen und temperirten Leiter vergleichen. Die siamesische Terz entfernt sich in der That ebenso von der grofsen wie der kleinen, und noch mehr von den temperirten Terzen, da diese selbst sich mehr als die reinen unterscheiden; ebenso ist es bei den Sexten und den Septimen.\nHiernach betrachte ich die Existenz der gleichstufigen Siebentonleiter bei den Siamesen als v\u00f6llig sichergestellt. Zugleich aber auch eine bewunderungsw\u00fcrdige Genauigkeit ihres Geh\u00f6rs in der Herstellung dieser Leiter; zumal wenn man noch in R\u00fccksicht zieht, dafs es sich um Orchesterinstrumente handelte und dafs die Stimmung doch nicht ad hoc, mit der Aussicht auf experimentelle Pr\u00fcfung mit dem Tonmesser, sondern nur eben f\u00fcr gew\u00f6hnliche praktische Zwecke hergestellt war. Ich glaube nicht, dafs unsere Musiker unsere Stimmung unter solchen Umst\u00e4nden so exact zu Tage br\u00e4chten. Ellis hat eine Probe gemacht, indem er verschiedene Instrumente, Piano\u2019s, eine Orgel und ein Harmonium verglich, die durch die Stimmer der B\u00dfOADWoon\u2019schen Fabrik abgestimmt waren.1 * * Eines derselben (Nr. 3) hatte allerdings nur Abweichungen bis h\u00f6chstens 5/ioo des temperirten Halbtons, andere aber bis zu 1:L/ioo) was in der Octave 400\u2014800 dem mittleren Werth von etwa vier Schwingungen entspricht. Dieses Resultat erzielten also die ausgesuchtesten Stimmer von England; und dabei kommt noch in Rechnung, dafs unsere Stimmer die Schwebungen benutzen, auf deren Absch\u00e4tzung sie auch ohne wirkliche Z\u00e4hlung einge\u00fcbt sind, w\u00e4hrend die Siamesen ein solches H\u00fclfsmittel nicht ben\u00fctzen, sondern nach dem blofsen Eindruck der auf einander folgenden T\u00f6ne urtheilen.\nDafs freilich auch unter ihnen mehr und minder gut gestimmte Instrumente ben\u00fctzt werden, zeigen die beiden von Ellis untersuchten Ranat\u2019s, die doch auch guten K\u00fcnstlern angeh\u00f6rten (Rubrik I und II). Ihre Abweichungen sind theilweise\n1 S. die Anfangs erw\u00e4hnte Abhandlung S. 489 (die 7. Reihe kommt\nhier nicht in Betracht, W'eil sie durch genaue Abz\u00e4hlung der Schwebungen\nerzielt ist).","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n85\ndoch so grofs, dafs ich eben darum fr\u00fcher an dem Princip der gleichstufigen Leiter glaubte zweifeln zu sollen und vermuthete, dafs die Siamesen nur gewisse constante Erh\u00f6hungen und Vertiefungen innerhalb der diatonischen Leiter gebrauchten, wie wir es z. B. beim Leitton, bei der grofsen Terz thun, nur eben gr\u00f6fsere. Gegen\u00fcber unseren Messungen l\u00e4fst sich aber eine solche Ver-muthung nicht mehr aufrecht erhalten.\nDa es immer schon wie eine Erleichterung wirkt, wenn zu einer wunderbaren Thatsache eine zweite gleichartige, sei\u2019s auch noch wunderlichere, hinzugef\u00fcgt wird, so wollen wir hier erinnern, dafs Ellis bei den Instrumenten einer javanischen Musiktruppe sogar eine gleichstufige F\u00fcnftonleiter gefunden hat, deren Stufen theilweise noch mehr von denen unserer Leiter abweichen. Aber die Uebereinstimmung der drei von ihm untersuchten javanischen Instrumente unter einander und die Uebereinstimmung der Durchschnittszahlen der einzelnen T\u00f6ne mit den theoretisch berechneten f\u00fcnf T\u00f6nen ist eben so genau wie wir sie bei den siamesischen fanden.1 Sodann hat sich 1887 Prof. J. P. N. Land in Leyden, hochverdient durch seine Studien \u00fcber das arabische Tonsystem, nachdem er bereits fr\u00fcher javanische Museumsinstrumente gemessen2 3, aus den Hofkreisen des Sultanats von Jogjakarta, \u201ewo die relativ reinsten Ueber-lieferungen bis auf den heutigen Tag mit grofser Piet\u00e4t gepflegt werden\", zwei \u201eals v\u00f6llig rein und ihres Alters wegen kaum noch ver\u00e4nderlich\u201c garantirte Saron\u2019s (Gestelle mit metallenen Klangst\u00e4ben, wie die Metallranat\u2019s) kommen lassen und ihre T\u00f6ne sorgf\u00e4ltig mit dem Monochord bestimmt. \u00b0 Nur das eine davon, welches nach dem Salendro-System abgestimmt ist, kommt f\u00fcr uns hier in Betracht (die Javaner haben aufserdem noch ein davon ganz verschiedenes System, Pelog).\nLand giebt die gefundenen Werthe in Hundertsteln unseres temperirten Halbtons (Ellis\u2019 \u201eCents\u201c) an, wir rechnen sie hier\n1\tS. auf S. 510 von Ellis\u2019 Abhandlung die Reihen 4 und 13 der Tabelle; sie sind in der sogleich im Text folgenden Tabelle -wiedergegeben.\n2\tS. die Ergebnisse am gleichen Orte bei Ellis.\n3\tJ. P. N. Land, Die Tonkunst der Javanern Vierteljahrsschr. f. Musikwissenschaft 5 (1889), S. 193 f. Ausf\u00fchrlicher in der Vorrede zu J. Gkone-man\u2019s Abhandlung \u201eDe Gamelan te Jogjakarta\u201c, Verhandelingen der Kon. Akademie van Wetenschappen Afd: Letterkunde 19 (Amsterdam 1890), S. lf. Die Tontabelle hier 8. 22.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nC. Stumpf.\nin Schwingungen um, und zwar der \\rergleichbarkeit halber bezogen auf den gleichen Grundton 270 wie bei Ellis.1 Die Messungen Land\u2019s erstrecken sich \u00fcber vier Octaven, ich setze hierher nur die erste und einen Durchschnitt der Werthe f\u00fcr alle vier Octaven. Diese Werthe weichen f\u00fcr die einzelnen T\u00f6ne mehr als bei Ellis von einander ab, doch ist die Mittelziehung der einzige Weg, die Zuf\u00e4lligkeiten in der Abstimmung der einzelnen T\u00f6ne auszugleichen, und die Uebereinstimmung mit der Berechnung ist denn auch hier eine geradezu gl\u00e4nzende.\nEllis (Mittel)\tLand (1. Octave)\tLand (Mittel)\tBerechnet\n270\t270\t270\t270\n308\t312\t310\t310\n357\t357\t356\t356\n411\t406\t409\t409\n470\t466\t472\t470\nIch kann es deshalb nicht gerechtfertigt finden, wenn Land die an den Instrumenten von \u201eStrafsennrusikanten\u201c von Ellis gewonnene Schlufsfolgerung auf die Existenz einer gleichstufigeil Leiter bezweifelt (\u201eMet onzen standaard-saron voor mij kan ik die theorie niet overnemen\u201c).\nIn der positiven Ansicht Land\u2019s \u00fcber die Entstehung der javanischen Leiter liegt jedoch etwas Richtiges, das auch bereits Ellis nicht entging und auf das wir unten n\u00e4her eingehen.\nDa das Berliner Museum eine gr\u00f6fsere Anzahl sch\u00f6ner Instrumente aus Java besitzt, verglich ich auch hier die besterhaltenen davon mit den Befunden der beiden Forscher, um ein Urtheil, wenn nicht \u00fcber die Leiter, so doch wieder \u00fcber die Beschaffenheit und Zuverl\u00e4ssigkeit der Museumsinstrumente zu gewinnen. Es waren dies 3 Saron\u2019s (I C 1205, 1207, 1210) mit je 6 Metallst\u00e4ben, ferner ein Gambang mit 18 Holzst\u00e4ben nach\n1 Diese Umrechnung der Cents in Schwingungen kann mit H\u00fclfe der Keductionstabelle bei Ellis S. 488 bewerkstelligt werden, indem man zum Logarithmus von 270 die dort angef\u00fchrten Logarithmen der Cents addirt. F\u00fcr die Berechnung unserer Columne IV sei bemerkt, dafs der Logarithmus f\u00fcr die Stufe der gleichstufigen F\u00fcnftonleiter = 0,060208 ist.","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und, Musik der Siamesen.\n87\nArt der siamesischen Ranat\u2019s, endlich ein \u00dfonnang d. h. Glocken-clavier nach Art der siamesischen Kong\u2019s, nur dafs die Glocken in roherer Weise lose zwischen gespannten Bindf\u00e4den hingen.1 Keines dieser Instrumente wies eine Spur von angeklebten Stimmmassen auf; die Stimmung schien nur durch Abschaben und Abschneiden erfolgt zu sein, weshalb man wenigstens bei den Metallst\u00e4ben zuf\u00e4llige Ver\u00e4nderungen der Stimmung kaum bef\u00fcrchten mufste. Dennoch waren die Ergebnisse wenig befriedigend.\nZwei der Saron\u2019s waren offenbar auf genaue Ueberein-stimmung angelegt, ein drittes sollte eine Octave tiefer stehen, und bei allen dreien sollte der 6. Stab die Octave des ersten sein. Aber die Absicht war nur unvollkommen erreicht, die Octave nur bei dem tiefen Saron rein, bei den anderen stark zu tief, die einzelnen T\u00f6ne innerhalb der Octave bis zu 9 Schwingungen verschieden. Kein Wunder, dafs sie auch von der berechneten gleichstufigen Leiter abwichen, besonders waren die zwei ersten Stufen \u00fcberall zu tief. Die Pr\u00fcfung war \u00fcbrigens hier besonders leicht und sicher, da diese Metallst\u00e4be lang genug nachschwingen, um Schwebungen mit den Zungen des Tonmessers zu geben.\nGleichwohl reicht die Uebereinstimmung der drei Saron\u2019s noch hin, um beim Zusammenspiel den Eindruck des Unisono zu erwecken. Sie k\u00f6nnten also immerhin in diesem Zustand als Orchesterinstrumente gebraucht worden sein, bei deren Abstimmung aber einige Sorglosigkeit waltete.\nNoch schlechter war das Bonnang (ich sage schlechter nat\u00fcrlich nicht wegen geringerer Uebereinstimmung mit der Theorie, was ein Cirkelschlufs w\u00e4re, sondern wegen geringerer innerer Uebereinstimmung). Seine 10 Glocken geben eine doppelte \u00f6stufige Leiter, aber die augenscheinlich zu einander geh\u00f6rigen Octaven, die homologe T\u00f6ne geben sollen, sind fast alle sehr unrein. Dennoch waren auch hier an keinem Theil der Glocken Spuren fr\u00fcher vorhandener Stimmmassen zu sehen.\nDas Gambang dagegen war in besserer Verfassung. Es enth\u00e4lt auf 18 St\u00e4ben 3 Octaven plus 3 T\u00f6nen. Die letzten 3\nIm Museum sind alle diese Instrumente als Bonnang\u2019s bezeichnet. Die obigen Bezeichnungen und gute Abbildungen in Stanford Raffle's ausgezeichneter \u201eHistory of Java\u201c, 1817, I, 469\u2014472. Eingehendere Beschreibungen auch bei Land und Groneman.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nC. Stumpf.\nSt\u00e4be stimmten schlecht mit den tieferen Octaven, an einem besonders abweichenden fanden sich auch deutliche Anzeichen sp\u00e4terer Einschnitte. Im Uebrigen aber fiel nur eine Taste offenbar aus der Stimmung und eine andere war tonlos. Folgendes die Zahlen der 3 Octaven, wie sie am Tonmesser bestimmt wurden, dann der Durchschnitt daraus mit Projection in eine Octave, endlich die berechnete gleichstufige Leiter auf dem Grundton 336.\n1. Octave\tBeobachtet 2. Octave\t3. Octave\tMittel der Beobachtungen\tBerechnet\n673/4\t673/2\t670\t336\t336\n760/4\t760 2\t765\t381\t385\n432/2\t428\t433-2\t431\t443\n?\t504\t507-2\t505,5\t509\n(585/2)\t567\t570 \u2022 2\t568,5\t585\nMan sieht: die Uebereinstimmung der Octavent\u00f6ne untereinander ist gut genug, um die Durchschnittszahlen als die ungef\u00e4hr intendirte Stimmung dieses Instruments erscheinen zu lassen, aber die Uebereinstimmung dieser Durchschnittszahlen mit der Theorie der gleichen Stufen ist so mangelhaft, dafs man daraus nichts weniger als eine Best\u00e4tigung ableiten k\u00f6nnte. Ich enthalte mich der Vermuthungen, wie die besondere Stimmung dieses Instruments zu Stande gekommen. Abstract denkbar bleibt es nat\u00fcrlich, dafs zuerst eine seiner Octaven nachl\u00e4ssig gearbeitet, die anderen dann aber in gute Uebereinstimmung damit gebracht wurden, doch ist die Verbindung von Nachl\u00e4ssigkeit in der einen und Sorgfalt in der anderen Beziehung psychologisch nicht wahrscheinlich. Es handelt sich auch nicht etwa um ein Pelog-Instrument, da das Pelog-System 7 T\u00f6ne in der Octave und ganz ungleiche Intervalle aufweist.\nNachtr\u00e4glich finde ich auch im Appendix von Ellis\u2019 Abhandlung (S. 1107) ein Gambang mit 18 Holzst\u00e4ben erw\u00e4hnt, das, gleichfalls bei guter Octavenbeschaffenheit, eine nach der absoluten Tonh\u00f6he wie nach den Verh\u00e4ltnissen sehr \u00e4hnliche und der Intention nach augenscheinlich mit der unseres Gambang zusammenfallende Scala besafs (338, 379, 455, 498, 560) ;","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n89\nw\u00e4hrend ein anderes mit 17 St\u00e4ben, wiederum bei guten Octaven, andere undeutbare Verh\u00e4ltnisse auf wies. Hier scheinen also doch noch andere Scalen vorzuliegen. Ellis h\u00e4lt es f\u00fcr sehr zweifelhaft, ob eine von diesen Scalen jetzt noch in Java existire.\nJedenfalls kann man nicht zweifeln, dafs im Fall eines Widerspruchs zwischen mehreren im Gebrauch befindlichen Instrumenten, deren Stimmung deutlich auf ein einfaches Princip zur\u00fcckgeht, und einem oder mehreren Museumsinstrumenten, deren Schwingungszahlen keine einfachen Verh\u00e4ltnisse zeigen, die ersteren f\u00fcr die Beurtheilung des Tonsystems zun\u00e4chst mafs-gebend sein m\u00fcssen.\nHaben wir nun also in Java wie in Siam mit gleichstufigen Systemen zu rechnen, so ist damit das R\u00e4thsel doch noch nicht gel\u00f6st, sondern nur etwas verallgemeinert, und wir m\u00fcssen uns nunmehr zu der Frage wenden, die sich jedem Sachverst\u00e4ndigen sofort auf dr\u00e4ngt:\nWie konnte man ohne Wurzelausziehen und Logarithmenrechnungzu solchen Leitern gelangen?\nSie widersprechen ja allem was wir \u00fcber die Motive sogenannter nat\u00fcrlicher Leiterbildungen anzunehmen pflegen. Das einzige Princip, das feste nat\u00fcrliche Abschnitte f\u00fcr unsere Geh\u00f6rsempfindung darbietet, ist das der Consonanz. Einerlei wie man sie n\u00e4her definire und woran man sie erkenne, sie ist jedenfalls ein sinnlich wahrnehmbares Ph\u00e4nomen. Sie braucht nicht zuerst berechnet zu werden, sondern konnte sich dem Ohr des uncivili-sirten Menschen wie andere sinnliche Erscheinungen darbieten. Ja sie w\u00fcrde sich in gleicher Weise dargeboten haben, auch wenn keine rationellen und einfachen Zahlenverh\u00e4ltnisse ihr zu Grunde l\u00e4gen. Von diesem Princip haben denn auch die Siamesen Gebrauch gemacht, aber (scheinbar wenigstens) nur in dem Fall der Octave, nicht innerhalb des Octavenraums. Was konnte sie veranlassen, gerade 7 Stufen in der Octave und gerade diese bestimmten Stufen zu unterscheiden, und wie konnten sie deren Gleichheit ohne mathematische und physikalische Hilfsmittel so genau durch das blofse Ohr erkennen?\nNat\u00fcrlich braucht diese Leiter nicht gerade in Siam entstanden zu sein. Aber irgendeinmal und irgendwo ist sie entstanden, und es m\u00fcssen ganz bestimmte Anl\u00e4sse dazu gef\u00fchrt haben. Wenn nun auch selbstverst\u00e4ndlich nicht mehr als blofse","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nC. Stumpf.\nVermuthungen hier\u00fcber m\u00f6glich sind, so werden solche doch schon zur Pr\u00fcfung und Erweiterung unserer psychologischen Begriffe von Nutzen sein.\nIch vermuthe, dafs die Siebenzahl hier in erster Linie nicht durch musikalische sondern durch allgemeinere, in der allverbreiteten Zahlenmystik liegende Motive bedingt ist. Die Siebenzahl spielt, wie dies \u00f6fters und noch k\u00fcrzlich (auf der Anthropologenversammlung in Halle 1900 durch v. Andeian-Werbtieg) ausgef\u00fchrt worden, in allen Theilen des asiatischeurop\u00e4ischen Culturgebiets eine m\u00e4chtige Rolle. Sie ist insbesondere vom Buddhismus hochgehalten, und der Buddhismus ist die Religion der Siamesen. Ein gleichartiges Motiv d\u00fcrfte der javanischen Leiter zu Grunde liegen, da auch die F\u00fcnfzahl bei verschiedenen asiatischen Nationen als heilig gilt. Die chinesischen Theoretiker st\u00fctzen sogar ausdr\u00fccklich den Gebrauch einer f\u00fcnfstufigen Leiter, die dort allerdings keine gleichstufige ist, auf metaphysisch - mystische Gr\u00fcnde. M\u00f6gen sie auch in diesem Fall erst nachtr\u00e4glich liineininterpretirt sein: in unserem Falle l\u00e4fst sich schwer ein anderes Motiv als urspr\u00fcnglich wirkendes ersinnen. Denn nur wenn man das Consonanzprineip innerhalb der Octave durchf\u00fchrt, ergibt sich die Beschr\u00e4nkung auf eine bestimmte Anzahl von Stufen mit Nothwendigkeit; man braucht nur den Ausschlufs von Verwandtschaften jenseits des zweiten Grades und die Vermeidung sehr kleiner, schwer erkennbarer Unterschiede noch hinzuzunehmen. Darum braucht unsere Siebenzahl in keiner Weise auf der Mitwirkung der Zahlenmystik zu beruhen: aber wenn man auf Tonunterschiede \u00fcberhaupt ausgeht, ohne R\u00fccksicht auf Oonsonanz, so kann man an sich ebensogut 6 oder 11 oder 15 wie 7 T\u00f6ne in der Octave unterscheiden. Hier mufs also wohl ein aufsermusikalisches Princip mitgewirkt haben.\nDie n\u00e4chste Frage w\u00e4re, wie man gerade zur gleichstufigen und keiner anderen Siebentheilung gelangte. In dieser Hinsicht ist zu bedenken, dafs gleichstufige Leitern f\u00fcr den Gebrauch doch ihre grofsen Vortheile haben. Man kann auf einem so gestimmten Instrument eine Melodie auf jedem beliebigen Ton anfangen, sich jedem S\u00e4nger anbequemen, die Verh\u00e4ltnisse bleiben immer dieselben. Jede Melodie ist ohne Weiteres auf der Tonreihe verschiebbar wie eine Figur auf einer Fl\u00e4che von constantem Kr\u00fcmmungsmaafs. Solche Leitern sind","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n91\nLeitern im w\u00f6rtlichsten Sinn, da man Leitern doch mit gleichen Sprossenabst\u00e4nden zu bauen pflegt. Thats\u00e4chlich sind denn auch Transpositionen in der siamesischen Musikpraxis, wie ich beobachtet habe, etwas sehr Gew\u00f6hnliches.\nUnsere 12 stufige temperirte Leiter w\u00fcrde, da auch sie gleiche Stufen enth\u00e4lt, die n\u00e4mlichen Vortheile bieten. Aber abgesehen davon, dafs die einzigen Instrumente, welche die 12 T\u00f6ne nebeneinander angeordnet in fester Abstimmung enthalten (Tasteninstrumente), den Vortheil durch eine unn\u00f6thig complicirte Anordnung der Tasten wieder illusorisch machen, sind ja diese 12 T\u00f6ne keine Leiter im engeren Sinn, sondern nur ein Vorrath von T\u00f6nen, innerhalb dessen Ausweichungen stattfinden. Unsre Melodien stehen, von Durchgangst\u00f6nen u. dgl. abgesehen, doch immer in einer diatonischen 7 stufigen Leiter. Auch bringt jede Verschiebung um eine oder mehrere Stufen in unserem Tonbewufst-sein thats\u00e4chlich Stimmungs\u00e4nderungen hervor, die dem tem-perirten System widersprechen (das A in C-Dur ist nicht dasselbe wie in D-Dur), nur dafs diese kleinen Aenderungen bei rascheren und complicirteren G\u00e4ngen, f\u00fcr Durchschnittsohren auch bei einfacheren, unbemerkt bleiben.\nInsofern stellt das siamesische (und das javanische) Ton-system eine einfachere, apriori n\u00e4herliegende und leichter zu behandelnde Form der Octaventheilung dar. Nat\u00fcrlich kann andererseits gerade die gr\u00f6fsere Mannigfaltigkeit der Intervalle, der Tonarten etc. als ein \u00e4sthetischer Vorzug geltend gemacht werden, ganz abgesehen von dem Princip der Consonanz und Verwandtschaft, das consequent nur in der Diatonik durchgef\u00fchrt ist, und von der M\u00f6glichkeit einer harmonischen Musik, die mit jener Form absolut unvereinbar ist. Aber man begreift wenigstens, dafs in primitiveren Musikformen das Streben nach Gleichstufigkeit die Ueberhand gewinnen konnte gegen\u00fcber der Weiterentwickelung des Consonanzbewufstseins.\nBei dieser Betrachtung scheint nun aber, wenn die Leiter nicht durch Rechnung sondern durch\u2019s blofse Geh\u00f6r gebildet wurde, die Voraussetzung erforderlich, dafs die aufeinanderfolgenden geometrisch gleichen Stufen auch in der Empfindung als gleiche Tonabst\u00e4nde sich darstellen. Diese Voraussetzung ist unter den Psychologen nicht allgemein zugestanden, im Gegentheil heute fast allgemein aufgegeben. Ich meine, dafs wir den Procefs revidiren m\u00fcssen und","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nC. Stumpf.\ndafs gerade in dieser Richtung unsere thats\u00e4chlichen Befunde eine Bedeutung \u00fcber die Musiktheorie hinaus gewinnen.\nFr\u00fcher hatten E. H. Weber und Fechnbr die obige Voraussetzung als eine sichere angenommen. Sie leiteten ihre Sicherheit ab aus der Thatsache, dafs unsere Intervalle in jeder beliebigen musikalisch gebr\u00e4uchlichen Tonregion wiedererkannt werden, sobald nur das n\u00e4mliche Verh\u00e4ltnifs der Schwingungszahlen stattfindet ; die Quinte z. B. bei dem Verh\u00e4ltnifs 2 :3. Die Differenz der Schwingungszahlen wird nat\u00fcrlich immer gr\u00f6fser, je h\u00f6her die T\u00f6ne liegen (300\u2014200, 600\u2014400, 1200\u2014800 u. s. w.), aber das Verh\u00e4ltnifs bleibt dasselbe. Diese durch das Geh\u00f6r seit Jahrtausenden best\u00e4tigte Thatsache erschien jenen Forschern als eine nothwendige Folge und \u00e9clatante Best\u00e4tigung eines auch sonst geltenden allgemeinen psychophysischen Grundgesetzes, und sie beachteten darum nicht, dafs schon in der Uebertragung der Thatsache von unseren Intervallen auf Tonintervalle bez. Tonabst\u00e4nde \u00fcberhaupt eine durch die Thatsachen nicht unmittelbar garantirte Verallgemeinerung lag. Wird das, was bei den einfachen Verh\u00e4ltnissen 2:3, 3:4 gilt, auch gelten bei 131 : 257 u. dgl.?\nSp\u00e4tere erhoben denn auch den Einwand, dafs unsere Intervalle keineswegs durch Absch\u00e4tzung von Tonabst\u00e4nden entstanden sind, sondern durch Consonanzurtheile, dafs daher aus der Wiederkehr eines gleichen Consonanzgrades bei gleichem Zahlenverh\u00e4ltnifs gar nichts auf das Verhalten unseres Bewufst-seins gegen\u00fcber Tondistanzen geschlossen werden kann. Die Quinte ist immer dieselbe Consonanz: ob immer derselbe Abstand, kann man daraus nicht entnehmen.\nAVundt, der fr\u00fcher auf Seiten Weber\u2019s und Fechner\u2019s gestanden, glaubte jetzt sogar auf Grund h\u00f6chst ausgedehnter Laboratoriumsversuche behaupten zu sollen, dafs ein gleicher Tonabstand f\u00fcr unsere Empfindung statt bei gleichem Verh\u00e4ltnifs vielmehr bei gleicher Differenz der Schwingungszahlen stattfinde ; wonach also z. B. nicht 4:6:9 als aufeinanderfolgende gleiche Tonabst\u00e4nde erscheinen m\u00fcfsten, sondern 4:6:8.\nDafs dies erst recht unm\u00f6glich ist und dafs die Versuche wegen grober Fehlerquellen vergeblich waren, habe ich gezeigt.1\n1 Ueber Vergleichungen von Tondistanzen. Zeitschr. f. Psychol. 1 (1890), S. 4191","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n93\nDie Fehlerquellen bestanden einmal in der Anwendung obertonreicher Kl\u00e4nge statt einfacher T\u00f6ne1 2, sodann besonders in der Einwirkung unserer musikalischen Gewohnheiten. Zwischen 400 und 800 mag uns wohl 600 als genaue Mitte erscheinen, aber das Urtheil ist nicht frei, sondern beeinflufst durch die uns zur zweiten Natur gewordene Eintheilung unserer Leiter, durch den Umstand, dafs in der mittleren Gegend der Octave die \u201eDominant\u201c liegt, der nach der Tonica wichtigste Ton, die n\u00e4chste Verwandte der Tonica nach der Octave. Nicht also die Abstandsmitte, sondern der musikalische Schwerpunkt hat das Urtheil so bestimmt und genau gestaltet. F\u00fcr die alten Griechen war dagegen die \u201eMese\u201c nicht unsere Dominante, sondern die Unter dominante (e zwischen H und /(); und wenn auch der Name Mese urspr\u00fcnglich nur daher r\u00fchrte, dafs der sieben-saitigen Lyra der obere Octaventon fehlte, also \u201eMese\u201c einfach die mittlere Saite bedeutete, so wird doch in den pseudo-aristotelischen Problemen \u00fcber Musik der Name auch f\u00fcr die Quarte innerhalb der vollen Octave (zwischen Nete und Hypate), wo er \u00e4ufserlich genommen sinnlos erscheint, psychologisch gerechtfertigt und ausdr\u00fccklich der Abstand von H zu e und von e zu h als gleich erkl\u00e4rt. Der Grund liegt darin, dafs f\u00fcr die musikalische Auffassung der Alten eben dieser Ton den Schwerpunkt bildete.3 Ebenso wenn wir innerhalb der Quinte 400 : 600 den Ton 500 als Mitte angeben, so ist dies eben die Durterz, das musikalische Centrum innerhalb dieses Raumes nach unseren Gewohnheiten; f\u00fcr solche, die vorwiegend in Moll musicirten, w\u00fcrde 480 an die Stelle treten. Selbst Unmusikalische h\u00f6ren genug Musik, um unwillk\u00fcrlich durch solche Gewohnheiten bestimmt zu werden. Bei musikalisch ungebr\u00e4uchlichen Intervallen wrurde daher das Urtheil in jenen Versuchsreihen auch weit unsicherer.\nSo ist es denn auch davon still geworden, und die Theorie der arithmetischen Mitte scheint noch todter wie die der geometrischen. Denn die letztere f\u00fchrt wenigstens nicht geradewegs zu Absurdit\u00e4ten, wie die erstere, nach welcher man,\n1\tUeber die damals (1891) augek\u00fcndigten Versuche mit einfachen T\u00f6nen ist Weiteres nicht in die Oeffentlichkeit gedrungen.\n2\tNur auf diesem psychologischen Wege sind sonst ganz unverst\u00e4ndliche Stellen zu erkl\u00e4ren. S. meine Schrift \u201eDie pseudo-aristotelischen Probleme \u00fcber Musik\u201c in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1898, S. 13\nund 30.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nC. Stumpf.\nwenn zu einer beliebigen noch so hoch liegenden Octave eine ihr gleiche Tondistanz nach unten gesucht wird, stets den Ton Null findet (8000 \u2014 4000 == 4000 \u2014 0).\nThatsachen wie die der siamesischen Leiter, auch die der javanischen, k\u00f6nnen nun wirklich ben\u00fctzt werden, um die \u00e4ltere Anschauung Weber\u2019s und Fechneb\u2019s in gewissen Grenzen zu rehabilitiren. Denn die durch das blofse Geh\u00f6r festgestellten Tonstufen entsprechen hier in der That ' gleichen Verh\u00e4ltnissen, nicht gleichen Differenzen, der Schwingungszahlen. Die erw\u00e4hnte Fehlerquelle aber besteht hier nicht, weil diese Nationen eben nicht durch eine schon im Bewufstsein eingewurzelte Eintheilung auf Grund des Consonanzprincips und durch verkehrte Versuche in psychologischen Laboratorien an reinen Distanzsch\u00e4tzungen verhindert werden.\nWollen wir uns so eng als m\u00f6glich an die Thatsachen halten, so werden wir allerdings der psychophysischen Formel nur in gewissen Grenzen G\u00fcltigkeit zuschreiben, wie ja auch Fechner selbst Grenzen wenigstens nach oben und unten statuirte. Wir werden dann nicht bedingungslos schliefsen, dafs gleiche Schwingungsverh\u00e4ltnisse \u00fcberhaupt sich in der Empfindung als gleiche Abst\u00e4nde darstellen, sondern nur: dafs innerhalb der mittleren Ton region, wie sie hier gebraucht wird, die zu gleichen Schwingungsverh\u00e4ltnissen geh\u00f6rigen Tonabst\u00e4nde f\u00fcr die Empfindung sich nicht oder nur um einen sehr geringen, unmerklichen Betrag ver\u00e4ndern. Bei gr\u00f6fseren Intervallen (vielleicht schon von der Quinte an) und bei Vergleichungen von Intervallen aus verschiedenen Tonregionen kann der Betrag der Ver\u00e4nderung immerhin merklich werden; und ich meine nach eigenen fr\u00fcher erw\u00e4hnten Beobachtungen, dafs dies auch wirklich der Fall ist.\nMan k\u00f6nnte noch eine andere Einschr\u00e4nkung beantragen : dafs n\u00e4mlich das Gesetz doch nur gelte f\u00fcr das Geh\u00f6r der Ostasiaten, an dem es gefunden sei. Ob man diese Einschr\u00e4nkung f\u00fcr n\u00f6thig h\u00e4lt, h\u00e4ngt davon ab, ob man es glaublich findet, dafs die Sinnesorgane und Sinnescentren der Menschenrassen in Hinsicht der reinen Empfindungsqualit\u00e4ten so fundamental verschieden gebaut seien, dafs die Abst\u00e4nde \u00ab \u2014 \u00df und \u00df\u2014y zweier Empfindungspaare f\u00fcr die eine Rasse gleich, f\u00fcr die andere ungleich w\u00e4ren, was mir keineswegs wahrscheinlich d\u00fcnkt. Ueber-dies stellen die Siamesen nichts weniger als eine einheitliche","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n95\nRasse, vielmehr eine sehr gemischte Bev\u00f6lkerung dar, der man nicht ohne die gr\u00f6fste Unwahrscheinlichkeit eine unterscheidende Eigenth\u00fcmlichkeit im Baue der Sinnescentren zuschreiben k\u00f6nnte. Wie sparsam man mit solchen Annahmen sein mufs, zeigen ja auch Behauptungen \u00fcber Blaublindheit ganzer Nationen, die sich als irrth\u00fcmlich erwiesen haben. Die Richtung der Aufmerksamkeit, die Gewohnheiten der Auffassung, die Gef\u00fchlsbetonung der Sinneseindr\u00fccke \u2014 das alles variirt in hohem Maafse ; die Sinneseindr\u00fccke selbst nur in relativ geringem. Und so werden auch die Unterschiede der Sinneseindr\u00fccke und ihre Beziehung zu den Unterschieden der Sinnesreize schwerlich so fundamentalen Umwandlungen in historischen Zeiten oder solchen Verschiedenheiten innerhalb der gegenw\u00e4rtigen Rassen unterworfen sein. Nur die Beurtheilung der Sinneseindr\u00fccke und ihrer Verh\u00e4ltnisse zu einander ist im einen Fall mehr durch diesen, im anderen Fall durch jenen Umstand (Consonanz\u2014Distanz) bestimmt.\nSo kommt also doch aus Siam einiges Licht \u00fcber jene vielbehandelte Frage der Psychophysiker : dem FECimER\u2019schen Gesetz erw\u00e4chst an Stelle der fr\u00fcheren vermeintlichen Best\u00e4tigung eine wirkliche. W\u00e4hrend unsere Intervalle, auf die Fechnee seinen Beweis st\u00fctzte, im Grunde nur zuf\u00e4llig mit den Forderungen des Gesetzes Zusammentreffen, da sie einen principiell anderen Ursprung haben, lassen sich die Intervalle gleichstufiger Leitern, von welchen Fechnee keine Ahnung hatte, allem Anschein nach nicht ohne solche Voraussetzung begreifen.1 \u2014\n1 Der logischen Correctheit halber m\u00f6chte ich in Sachen der Psycho-physik sogleich noch Folgendes dazu anmerken. Ganz genau gesprochen ist es nicht so sehr eine Best\u00e4tigung des FECHNER\u2019schen \u201eGesetzes\u201c, die sich ergiebt, als vielmehr nur die Bew\u00e4hrung einer logarithmischen Formel f\u00fcr Empfindungsabst\u00e4nde auf dem qualitativen Gebiet. Nehmen wir einmal an, dafs eine gleiche Formel auf dem Gebiete der Empfindungs-St\u00e4rken, von welchem Fechnee ausging, sich ausnahmslos in der Erfahrung best\u00e4tigt gefunden h\u00e4tte, so w\u00fcrde man doch nicht ohne Weiteres berechtigt sein, die gleichen Formeln als F\u00e4lle Eines Gesetzes zu bezeichnen. Denn es k\u00f6nnten bei n\u00e4herer Zergliederung sehr verschiedene Ursachen sich herausstellen, die in den beiden Gebieten ein analoges Verhalten der Empfindungen bedingen ; ja sie k\u00f6nnten das eine Mal (bei den Intensit\u00e4ten) in der Reactionsweise der \u00e4ufseren Organe, das andere Mal (bei den Qualit\u00e4ten) in der Natur der centralen Gehirnprocesse liegen. Dies also hier nur nebenbei, um zu weit gehenden Schl\u00fcssen vorzubeugen.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nC. Stumpf.\nNun mufs aber eine wesentliche Erg\u00e4nzung zu unseren Betrachtungen \u00fcber die Genesis der gleichstufigen Leitern noch beigef\u00fcgt werden. Wenngleich Distanzsch\u00e4tzungen dabei eine ganz wesentliche Rolle gespielt haben m\u00fcssen, so weisen doch bestimmte Thatsachen darauf hin, dafs auch diese Leitern nicht ganz ohne Mitwirkung des Consonanzbewufstseins entstanden sind, auch abgesehen von der Fixirung der Grenzen durch die Octave. In den siamesischen Orchesterst\u00fccken f\u00e4llt der h\u00e4ufige Gebrauch simultaner Quarten neben den Octaven auf. Die Quarte, zugleich das einzige Intervall, das aufser der Octave einen besonderen Namen hat, wird denn auch zum Abstimmen der Instrumente gebraucht, wie ich mich durch Versuche und Fragen \u00fcberzeugte; wobei sie allerdings etwas erh\u00f6ht genommen und der successive Anschlag dem simultanen vorgezogen wird. Man stimmt zuerst die Octave, dann geht man von beiden Octavent\u00f6nen je eine Quarte nach innen; und wahrscheinlich so durch Quarten weiter.\nNimmt man hierbei zun\u00e4chst alle Quarten rein, so kommt man bekanntlich auf die pythagoreische Tonleiter ; und da reine Quarten durch ihre Consonanz f\u00fcr das Geh\u00f6r ausgezeichnet sind, so liefse sich denken, dafs eine Leiter von pythagoreischer Stimmung die Vorg\u00e4ngerin der siamesischen gewesen, sei es, dafs sie wirklich im Gebrauch war oder dafs sie von den Erfindern (denn bei den Leitern darf man, zumal wenn sie an Instrumenten hergestellt werden, wohl von Erfindern reden) sogleich der Umbildung unterworfen wurde. Diese Umbildung erfolgte auf Grund der Tendenz, die auff\u00e4lligen Ungleichheiten der Stufen zu tilgen und so die oben erw\u00e4hnten Bequemlichkeiten zu erzielen. Man probirte eben an den Instrumenten so lange herum, bis keine merklichen Unterschiede des Tonabstandes mehr vorhanden waren, und dieses Verfahren kann man sich Jahrhunderte lang fortgesetzt denken, wie es Jahrhunderte dauerte, bis unsere gleichschwebend temperirte Stimmung durchdrang. Instrumente mit festen Klangquellen, wie die Kongs und Ranat\u2019s, sind f\u00fcr die Ausbildung des musikalischen Bewufst-seins in solchen F\u00e4llen von der gr\u00f6fsten Bedeutung.\nUnter dem fortwirkenden Einflufs der Tendenz nach Gleich-stufigkeit mufste sich so einerseits das Abstandsurtheil mehr und mehr zu der jetzigen Vollkommenheit entwickeln, andererseits gew\u00f6hnte man sich immer mehr an die Temperirung (Erh\u00f6hung)","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n97\nder Quarte, die sich zu diesem Zwecke nothwendig erwies. Es entstand dadurch auch ein eigent\u00fcmlicher Gef\u00fchlswerth, der sich an dieses Intervall gerade in seiner temperirten Stimmung heftete, \u00e4hnlich wie wir die etwas vergr\u00f6fserte Terz, ja selbst die etwas vergr\u00f6fserte Octave unter bestimmten Umst\u00e4nden mit Regelm\u00e4fsigkeit vorziehen.1 2 Ja es konnte dieser Gef\u00fchlscharakter sich zu solcher Intensit\u00e4t entwickeln, dafs er feinere Abweichungen von der erstrebten temperirten Stimmung noch merklich werden liefs, als das blofse Consonanzurtheil sie bei reiner Stimmung bemerkt hatte. In dieser Hinsicht erinnere ich daran, dafs auch f\u00fcr die feinste Abstimmung unserer maafsgebenden Intervalle (Octave, Quinte, Terz) nicht das Consonanzkriterium an sich das Entscheidende ist, sondern das allm\u00e4hlich zu viel gr\u00f6fserer Empfindlichkeit herangewachsene \u201eReinheitsgef\u00fchl\u201c. \"\nSo k\u00f6nnen wir die Urgeschichte dieser eigenth\u00fcmlichen Leiterform uns verst\u00e4ndlich machen. Sind es auch Hypothesen, so st\u00fctzen sie sich doch auf die an den Siamesen gemachten Wahrnehmungen in Verbindung mit den Analogien unserer eigenen Erfahrung.\nMan kann noch hinzuf\u00fcgen, dafs nicht nur f\u00fcr die Quarte, sondern auch direct f\u00fcr die einfache Tonstufe des so gebildeten gleichstufigen Systems (= 1,7 unseres temperirten Halbtons) sich allm\u00e4hlich ein bestimmter charakteristischer Gef\u00fchlswerth herausbilden mufste, so dafs nunmehr die innerhalb der (vergr\u00f6fserten) Quarten c \u2014 f und c1\u2014g gelegenen T\u00f6ne ohne weitere Fortsetzung des Quartencirkels aus dem Stegreif gestimmt werden k\u00f6nnen. Doch ist es mir nicht gelungen, zu ermitteln, ob die siamesischen Instrumentenbauer und Musiker beim Abstimmen den durchgef\u00fchrten Quartencirkel (mit Octaven-transposition in einem Fall) benutzen oder ob sie die beiden ersten nach ihrem Gef\u00fchl temperirten Quarten direct durch je zwei Eintonstufen ausf\u00fcllen.\nIn \u00e4hnlicherWeise k\u00f6nnen wir uns nun auch die Urspr\u00fcnge der javanischen Salendro-Leiter vorstellen. Die Tendenz nach Gleichstufigkeit f\u00fchrte hier zusammen mit der Autorit\u00e4t der F\u00fcnfzahl dazu, die urspr\u00fcnglich consonante Quarte nach der Minusseite zu temperiren, da eben nur so f\u00fcnf gleiche Stufen\n1\tVgl. die Ergebnisse im vorigen Heft dieser \u201eBeitr\u00e4ge\", S. 127\u2014128.\n2\tSiehe ebendaselbst S. 1551 Stumpf, Beitr\u00e4ge III.\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nG. Stumpf.\nherauskommen. Die reine Quarte li\u00e2t 498 Hundertstel unseres temperirten Halbtons, sie mufste bis auf 480 erniedrigt werden. Dann erhielt man, wie Ellis bereits ausgef\u00fchrt hat (a. a. 0. 511), durch zwei solche Quarten von c und c1 (= 1200) die T\u00f6ne 480 und 720 (= 1200 \u2014 480), und weiter von diesen aus durch gleiche Quartenschritte die T\u00f6ne 960 und 240, womit die gleichstufige F\u00fcnftonleiter gegeben ist. Es k\u00f6nnten aber auch hier statt dessen, nachdem einmal das Intervallgef\u00fchl sich in dieser Richtung ausgebildet hat, bei der Abstimmung innerhalb der zwei ersten temperirten Quarten c \u2014 f und c1\u2014g sogleich direct die zwei mittleren T\u00f6ne genommen werden.\nLand denkt sich das Verfahren etwas anders. Die Quarten c \u2014 f und c1 \u2014 g w\u00fcrden nicht temperirt, sondern als reine intendirt, wenn auch nat\u00fcrlich nur ann\u00e4hernd getroffen. Innerhalb dieser reinen Quarten sei dann je ein leidlich in der Mitte liegender Ton eingesetzt. J\nNun ist es richtig, dafs bei einer gleichstufigen F\u00fcnftonleiter der dritte und vierte Ton ziemlich nahe an unser f und g herankommen. Wenn wir, wie oben, 270 als Grundton nehmen, so w\u00e4re die reine Quarte 360, die reine Quinte 405 : die entsprechenden T\u00f6ne des gleichstufigen F\u00fcnftonsystems sind 356 und 409, die von Ellis und Land thats\u00e4chlich gefundenen bezw, 357 und 411, 356 und 409.\nImmerhin sind die beiden Quarten c \u2014 f und c1 \u2014 g doch auch nach Land\u2019s Beobachtungen thats\u00e4chlich in Java zu klein (beide Male um vier Schwingungen), und so erscheint mir Ellis\u2019 Anschauung als die angemessenere, wie sie ja auch mit unserer Erkl\u00e4rungsweise f\u00fcr die siamesische Leiter correspondirt. Ohne Mittesch\u00e4tzungen, also ohne Distanzurtheile, kommt doch auch Land nicht aus, der Unterschied ist nur, dafs er (soviel ich sehe) die Gew\u00f6hnung an temperirte Quarten in seiner Erkl\u00e4rung umgehen m\u00f6chte.\nHistorisch f\u00fchrt er die Salendro-Leiter auf chinesische Einfl\u00fcsse zur\u00fcck.2 Die siamesische k\u00f6nnte wohl auf Indien zur\u00fcck-\n1\tTonkunst der Javanen (s. o.) S. 199.\n2\tLand hat auch das Tonsystem auf Bali nach Instrumenten untersucht, worin er eine \u00e4ltere Entwickelungsstufe des javanischen vermuthet, fand hier aber nur ein Pelog-System, nicht die f\u00fcnfstufige Leiter. S. ,,Feest-bunclel van Taal-, Letter-, Geschied- en aardrijkskundige Bijdragen .... aan Dr. P. J. Yetii\u201c (1894), S. 13 f.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n99\ngehen. In dieser Hinsicht f\u00fchle ich mich jedoch nicht Ethnologe und Historiker genug, um positivere Vermuthungen aufzustellen. Jedenfalls hat in beiden F\u00e4llen eine Umgestaltung im Sinne der Gleichstufigkeit stattgefunden, da weder China noch Indien, soweit unsere bisherigen (allerdings nicht gen\u00fcgend exacten) Kenntnisse reichen, gleichstufige Leitern kennen.\nDas Ergebnifs der letzten Untersuchungen ist also dieses: Bei der Entstehung der gleichstufigen Leitern ist aufser der Octaven- auch die Quartenconsonanz betheiligt gewesen.1 Aber da die Intention auf Herstellung einer bestimmten Zahl gleicher Tonabst\u00e4nde innerhalb der Octave gerichtet war, wurde die Quarte mit der Zeit in entsprechender Weise (bei der siebenstufigen nach der Plus-, bei der f\u00fcnfstufigen nach der Minusseite) temperirt. Bei uns hingegen ist das Consonanzkriterium bei der ganzen Bildung der Leiter ausschlaggebend, indem auch die \u00fcbrigen Consonanzen mit zur Bildung der Leiter verwendet und die genaue Stimmung der Leitert\u00f6ne ausschliefslich durch sie fixirt worden ist. Dennoch spielt auch bei uns das Distanz-princip in secund\u00e4rer Weise mit, wie Helmholtz bereits hervorhob (vgl. auch diese Beitr\u00e4ge I, 68 f.). So beruhen die gleich- wie die ungleichstufigen Leitern auf einem Zusammenwirken beider Factoren, nur dafs ein Mal das Distanzprincip, das andere Mal das Consonanzprincip das eigentlich maafsgebende ist.\nBez\u00fcglich der siamesischen Leiter kommt aber noch ein sehr wesentlicher Punkt in Betracht, durch welchen sie sich in der Praxis den Consonanzleitern ann\u00e4hert : Die siamesische Musik macht fast in allen St\u00fccken, die ich h\u00f6rte, und in denen, die bereits aufgezeichnet sind, unter den sieben verf\u00fcgbaren Leitert\u00f6nen Werthunterschiede in der Art, dafs nur f\u00fcnf T\u00f6ne den K\u00f6rper der Melodien bilden, die beiden \u00fcbrigen hingegen fast nur als Durchgangspunkte gebraucht werden. Und zwar f\u00e4llt, wenn man nach der ganzen Beschaffenheit des St\u00fcckes\n1 An Stelle der Quarte k\u00f6nnte nat\u00fcrlich auch die Quinte dieselben Dienste thun. Man mag es wahrscheinlich finden, dafs auch sie bei der Contr\u00f4le der Stimmung ben\u00fctzt wird, da es f\u00fcr uns immerhin auff\u00e4llig sein mufs, dafs die vollkommenere Consonanz der Quinte aufser Spiel bleiben soll. Doch habe ich keine bestimmteren Anhaltspunkte daf\u00fcr gefunden (aufser der S. 107 unten erw\u00e4hnten Beobachtung \u00fcber G\u20140\u2014g).\n7*","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nC. Stumpf.\neinen bestimmten Ton als Grundton annimmt (wof\u00fcr immer deutliche Anzeichen vorhanden sind), die Quarte und die Septime in solcher Weise hinaus; sie geh\u00f6ren zu den unwesentlichen, die \u00fcbrigen zu den wesentlichen T\u00f6nen. Aehnlich verh\u00e4lt es sich auch bei der siebenstufigen Pelog-Leiter der Javanen. Jene unwesentlichen T\u00f6ne sind es nun aber besonders, die durch ihre Abstimmung unser Geh\u00f6r verletzen. Man kann den siamesischen Dreiviertelston bei nicht allzuscharfer Aufmerksamkeit recht wohl als Ganzton und eine siamesische Doppelstufe als Terz h\u00f6ren (grofse oder kleine, jenachdem es pafst): aber jedesmal, wenn der Dreiviertelston an der Stelle unseres Halbtons auftritt, giebt es uns einen Stofs (Beispiele s. unten). Da merken wir den principiellen Widerspruch mit unserem System, f\u00fcr das gerade die Halbt\u00f6ne unbedingt erforderlich und charakteristisch sind. Wenn man darum auf dem Banat beispielsweise das Feuerzaubermotiv von B. Wagner oder eine beliebige schottische Melodie spielt, worin die Halbstufen bekanntlich auch nicht Vorkommen, so findet man sie ganz verst\u00e4ndlich und kaum ver\u00e4ndert.\nIn dieser Auswahl unter den sieben disponiblen Stufen scheint sich mir nun ein weiterer Einflufs des Consonanz-bewufstseins zu offenbaren. Die sozusagen anst\u00f6fsigsten Pro-ducte der reinen Distanzleiter werden aufser Dienst gestellt. Diese F\u00fcnfstufenleiter ist eine Art Compromifs ; sie vereinigt die Vortheile der gleichen Stufen mit denen der Consonanz, freilich nicht ohne die Opfer jedes Compromisses, indem sie in der einen Hinsicht gewisse Stufen in den Hintergrund dr\u00e4ngt, in der anderen Hinsicht die Beinheit erheblich alterirt.\nEs ist mir \u00fcbrigens bei den eigenen Versuchen an siamesischen Instrumenten eine Eigenth\u00fcmlichkeit des Geh\u00f6rs, die fr\u00fcher schon meine Aufmerksamkeit erregte \u2019, in hohem Maafse aufgefallen: dafs es n\u00e4mlich in der Auffassung der Intervalle starker Accommodation en f\u00e4hig ist; bestimmter ausgedr\u00fcckt: dafs es diejenigen T\u00f6ne und Intervalle hineinh\u00f6rt, die seiner Gew\u00f6hnung unter den vorliegenden\n1 S. Tonpsychologie II, S. 114,3991 (wo der Einflufs gleichzeitiger T\u00f6ne in dieser Hinsicht besprochen und auch bereits auf javanische Partituren hingewiesen ist. Statt \u201echinesisch\u201c mufs es aber dort heifsen \u201ejapanesisch\u201c).","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n101\nUmst\u00e4nden am besten entsprechen. Dies geht hier so weit, dafs wir dieselbe neutrale Terz einmal deutlich als grofse, ein anderes Mal deutlich als kleine fassen. Wenn man, von einer Taste des Ranat ausgehend, successive die dritte und f\u00fcnfte anschl\u00e4gt, so glaubt man einen offenbaren D u r d r e i k 1 a n g zu h\u00f6ren, den man vielleicht nicht als vollkommen rein erkennt, \u00fcber dessen Dur-Charakter man aber nicht im Zweifel ist. Schl\u00e4gt man dann weiter die dritte, f\u00fcnfte und siebente Taste an, so h\u00f6rt man eben so deutlich einen Molldreiklang, obschon das Verh\u00e4ltnifs der T\u00f6ne genau dasselbe ist wie vorher. Die Ursache kann nur darin liegen, dafs wir unsere Leitervorstellung und zwar in erster Linie die der mafsgebenden Durleiter mithinzubringen und die fremden Intervalle danach interpretiren. Wir h\u00f6ren also : c\u2014e\u2014g, e\u2014g\u2014h. Die zweite Folge von T\u00f6nen mufs dann eben das Moll auf der dritten Durstufe sein. Es liegt hierin zugleich ein Beweisj dafs auch der Gef\u00fchlscharakter der Intervalle nicht eine einfache Function der Sinnesempfindungen als solcher, sondern von der Auffassung in hohem Grade abh\u00e4ngig ist. Denn die Dur- und die Mollterz kommen hierbei eben auch ihrem eigenth\u00fcmlichen Gef\u00fchlswerthe nach zur Wirkung.1\nAus dieser Tendenz unseres Geh\u00f6rs, die ersten drei Leitert\u00f6ne im Zweifelsfall im Sinne des Dur zu fassen, erkl\u00e4rt sich auch, dafs die bisher von Reisenden aufgeschriebenen siamesischen Weisen, soweit sie eine deutliche Tonica haben, alle in Dur stehen. Die Reisenden fafsten eben die neutrale Terz der Tonica ohne Weiteres als Durterz, w\u00e4hrend sie an sich ebensogut Mollterz sein k\u00f6nnte. Die anscheinend so beweisenden Uebereinstimmungen kommen also nicht daher, dafs Dur f\u00fcr die Siamesen, sondern nur daher, dafs es f\u00fcr uns das Hauptgeschlecht ist.\nZum Schlufs dieser Betrachtungen wollen wir, um nichts zu \u00fcbersehen, noch einer ganz anderen Gedankenreihe Erw\u00e4hnung thun, durch die sich einer die Entstehung der Siamesenleiter zurechtlegen k\u00f6nnte, ohne die FECHNEa\u2019sche Formel dabei in so grundlegender Weise zu ben\u00fctzen. Man k\u00f6nnte n\u00e4mlich den\n1 Ueber die verschiedenen Auffassungen javanischer Intervalle durch europ\u00e4ische Geh\u00f6re s. auch die Bemerkungen von Ellis a. a. O. S. 510 und von Land, Tonkunst d. Jav. a. a. O. S. 199, De Gamelan te Jogjakarta a. a. O. S. 8.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nC. Stumpf.\nUrsprung dieser Leiter in einer eigenth\u00fcmlichen Art von Sait ent he il un g (oder R\u00f6hrentheilung) suchen, welche auf einer weiteren Durchf\u00fchrung des Princips der Sieben zahl beruhte, und zwar in folgender Weise.\nDie H\u00e4lfte einer Saite giebt die Octave. Zerlegen wir nun die untere H\u00e4lfte, um innerhalb der Octave Eintheilungen zu machen, weiter in 70 gleiche Abschnitte, so sind diese im Ver-h\u00e4ltnifs zur ganzen Saite gegeben durch die Br\u00fcche von 70/i40 bis 140/]4{J. Setzen wir voraus, dafs es sich um die Gewinnung von 7 T\u00f6nen in der Octave handelte, so w\u00e4re eine unter den vielen m\u00f6glichen Gliederungen, bei welcher die Siebenzahl besonders ausgiebig ben\u00fctzt w\u00fcrde, diese: man geht zun\u00e4chst von 70 um 7 Abschnitte weiter zu 77, vergr\u00f6fsert dann jeden neuen Schritt um eine Einheit, bis die Summe aller Zuw\u00e4chse 70 erreicht, kommt also noch zu 85, 94, 104, 115, 127, 140.\nNehmen wir einmal an, man habe an einer solchen arithmetischen Spielerei Gefallen gefunden, so w\u00e4re man damit auf eine Saitentheilung gekommen, die mit sehr grofser Ann\u00e4herung die gleichstufige Siebentonleiter ergiebt, ohne dafs man doch von der Forderung gleicher Tonabst\u00e4nde f\u00fcr das Geh\u00f6r ausgegangen w\u00e4re. Die so entstehende Leiter w\u00fcrde denn auch eben so gut wie die nach dem Princip der gleichen Stufen berechnete mit unseren Beobachtungen stimmen. Den obigen Saitenl\u00e4ngen entsprechen n\u00e4mlich, wenn wir wieder von 423 als Grundton (der ganzen Saite) ausgehen, in umgekehrter Folge die T\u00f6ne:\n423, 466, 515, 570, 630, 697, 768.\nWenn wir diese Zahlen mit den beobachteten Werthen in der Rubrik V oder VIII der Tabelle S. 83 vergleichen, sehen wir, dafs die Beobachtungen sehr gut durch sie ausgedr\u00fcckt werden k\u00f6nnen.\nMan m\u00fcfste nun freilich der Hypothese noch die Erg\u00e4nzung beif\u00fcgen, dafs die so gebildete Leiter sich im Geh\u00f6r fixirt und dafs dieses sich unter dem Zwange der Instrumentalleiter auf die Intonirung gleicher Stufen auch beim unbegleiteten Gesang eingerichtet habe. Ganz entbehren kann man also die FECHXEE\u2019sche Formel nicht; der Unterschied w\u00e4re nur der, dafs ein ihr entsprechendes Verhalten dem Geh\u00f6r dieser Nation in Jahrhunderten anerzogen, nach unserer ersten Hypothese dagegen dem Geh\u00f6r \u00fcberhaupt urspr\u00fcnglich und allgemein eigen w\u00e4re.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n103\nStatt der Saitentheilung konnte auch eine analoge Theilung von Pfeifenrohren (gleichen Querschnittes) dienen, obschon hier die wirklichen T\u00f6ne nicht so genau dem Gesetz der umgekehrten Proportionalit\u00e4t folgen. Und man k\u00f6nnte noch anf\u00fchren, dafs die Chinesen ihre Leiter wirklich auf eine arithmetisch-mechanische Procedur an Pfeifen st\u00fctzen und bestimmte L\u00e4ngen f\u00fcr die einzelnen T\u00f6ne vorschreiben.1\nAber wie ganz verschieden liegen doch die Dinge in China und in Siam! Bei den Chinesen werden seit \u00e4ltester Zeit ausdr\u00fccklich Pfeifen von bestimmter L\u00e4nge als \u201edie Normen\u201c (Lus) bezeichnet, wir wissen aufserdem, dafs sie eine ungeheure Vorliebe f\u00fcr mathematisch-mystische Speculation en haben, dafs ihre Musiktheorie davon wimmelt. Anders bei den Siamesen. Von Theorie \u00fcberhaupt scheinen sie nichts zu wissen. Das aus Bambusrohren bestehende Khen ist irnportirt. Die Saiteninstrumente spielen eine secund\u00e4re Polle. Nichts deutet darauf hin, dafs nach ihnen die \u00fcbrigen gestimmt und dafs sie selbst nach irgend einem Monochordprincip gestimmt w\u00fcrden.\nZudem ist es selbst f\u00fcr China fraglich, ob die Leiter auf dem Wege der R\u00f6hrentheilung entstanden ist oder ob sie nur nachtr\u00e4glich dadurch theoretisch gerechtfertigt wurde.\nFerner w\u00fcrde sich nach der obigen Hypothese die That-sache, dafs die Quarte sowohl in der Musik der Siamesen als bei der Abstimmung ihrer Harmonika\u2019s in hervorragender Weise ben\u00fctzt wird (auch die Saiten selbst werden nach Ellis\n1 J. A. van Aalst, Chinese Music, 1884 (das Buch geh\u00f6rt als Theil zu dem amtlichen Werke \u201eChina. Imperial maritime customs\u201c). S. die Tabelle S. 12, welche nach den besten chinesischen Autoren gegeben ist. In der letzten Rubrik, die zur Vergleichung der chinesischen Tonwerthe mit den unsrigen dienen soll, hat van Aalst seltsamerweise bald die reine, bald eine temperirte Stimmung unsrer T\u00f6ne angenommen (die reine z. B. fur E, F, G-, eine temperirte f\u00fcr D, Es, As, \u00c4).\nAuffallend ist, dafs viele der chinesischen Werthe in v. Aalst\u2019s Tabelle und besonders der der Octave hinter den nach dem Gesetz der umgekehrten Proportionalit\u00e4t zu erwartenden Zur\u00fcckbleiben. Da dies auch physikalisch der Fall sein mufs (und mit zunehmender Tonh\u00f6he immer mehr), wenn die Intonation rein bleiben soll, so k\u00f6nnte man daran denken, hierin eine Correctur der Rechnung durch das Geh\u00f6r zu erblicken. Indessen scheint die wirkliche Structur der Chinesenleiter nach Ellis\u2019 und Gilman\u2019s weiteren Forschungen noch nicht ganz klargestellt und m\u00fcfste an Ort und Stelle mit H\u00fclfe ausgesuchter Instrumente und Musiker untersucht werden.","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nC. Stumpf.\nS. 1104 in Quarten gestimmt), in keiner Weise erkl\u00e4ren lassen, w\u00e4hrend sie sich der zuerst vorgetragenen Hypothese wenigstens gut einf\u00fcgen l\u00e4fst.\nEndlich w\u00e4re ja auch das ganze Verfahren willk\u00fcrlich, spitzfindig und complicirt genug. Der Quintencirkel der Chinesen und der Pythagoreer w\u00fcrde dagegen noch als ein sehr einfaches und nat\u00fcrliches Princip erscheinen, wiewohl er im Grunde auch schon k\u00fcnstlich ist. Ich wollte nur einen Gedanken, der vielleicht Jemand als m\u00f6glicher Weg der Erkl\u00e4rung h\u00e4tte erscheinen k\u00f6nnen, sogleich zur Sprache bringen, um ihn abzulehnen.\nIII. Einige akustische Beobachtungen an siamesischen Musikern.\nUm die Genauigkeit zu ermitteln, mit welcher siamesische Musiker die von ihnen intendirten Intervalle hersteilen, liefs Ellis sie die drei Saiten eines ihrer Saiteninstrumente in Quarten abstimmen. Die erhaltenen T\u00f6ne waren : 200, 264, 349 Schwingungen, w\u00e4hrend nach siamesischer Stimmung die zwei letzten 269 und 361 (bezw. von 264 aus gerechnet 355) sein mufsten. Beide Quarten waren also siamesisch gemessen zu klein, d. h. der in unserem Sinne reinen Quarte angen\u00e4hert (diese w\u00e4re 267 und 356, bezw. von 264 aus 352).\nFerner stellte Ellis die s\u00e4mmtlichen von ihm auf den Ranat\u2019s gemessenen einfachen Stufen zusammen und fand Intervalle von 90 bis zu 219 Cents darunter, w\u00e4hrend der wahre Werth der siamesischen Tonstufe 171, 43 C. betr\u00e4gt. Er zieht daraus den Schlufs, dafs in Folge des Nichtgebrauches der Harmonie das Geh\u00f6r der Siamesen sich \u00fcberhaupt mit geringen Genauigkeitsgraden begn\u00fcge. Nun mufs man freilich bedenken, dafs ein Cent der hundertste Theil eines Halbtons ist und darum die Abweichungen sehr viel gr\u00f6fser erscheinen, als wenn man sie auf Schwingungszahlen reduzirt; ferner, dafs fast die H\u00e4lfte aller Werthe (24 von den 52) innerhalb der engen Grenzen 160 und 185 C. liegt; endlich, dafs jene Instrumente eben nicht ad hoc gestimmt worden waren.\nIch hatte indessen \u2014 nach den Ergebnissen unserer Instrumentenmessung ganz wider Erwarten \u2014 mit akustischen Experimenten bei unseren Siamesen auch schlechten Erfolg. Ich liefs","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n105\neinige Musiker, die sich besonders daf\u00fcr interessirten, diejenigen Zapfen am Tonmesser suchen, die nach reiflicher Berathung ihnen die Leiter zu geben schienen. Wir erhielten, ausgehend von 403 (der untersten Zunge), die T\u00f6ne 435, 472, 512, 561, 627, 686, 744, 801 ; ein zweites Mal unmittelbar darauf statt der letzten f\u00fcnf 557, 616, 682, 738, 792. Damit waren sie zufrieden. Bei directer Vergleichung mit 403 wurde als Octave 799 gew\u00e4hlt.\nHier ist nun seltsam genug, dafs statt 7 vielmehr 8 Stufen herauskamen, was sie selbst offenbar nicht bemerkten. Wahrscheinlich war der erste Schritt auf dem ungewohnten Instrument zu klein ausgefallen, die n\u00e4chsten ihm fast gleich gemacht (z. B. w\u00e4ren 403\u2014436\u2014472\u2014510 wirklich geometrisch gleiche Stufen, aber nicht solche der siebentheiligen Leiter) ; dann als man merkte, dafs die Quarte zu tief war, vergr\u00f6fserte man die Stufen ein wenig und kam so zuletzt in die N\u00e4he der Octave. Aber die Pr\u00fcfung auf ihre Leiter war in jedem Fall schlecht bestanden, ebenso die auf die directe Octavensch\u00e4tzung, und nur das Eine ist etwa bemerkenswerth, dafs die Stufen s\u00e4mmtlich kleiner waren als unsere (reine oder temperirte) Ganztonstufe und gr\u00f6fser als unsere Halbtonstufe.\nEine Hauptursache des Mifslingens lag wohl in dem ungewohnten und unbequem zu handhabenden Instrument. Vielleicht -w\u00e4ren sie auch durch den Quartencirkel besser zum Ziel gekommen als durch stufenweisen Fortschritt. Endlich ist es nicht unm\u00f6glich, dafs die absolute Tonh\u00f6he f\u00fcr das Siamesengeh\u00f6r eine gr\u00f6fsere Bedeutung hat als f\u00fcr das unsrige, dafs wir also etwa von 423 oder sonst einem bei ihnen wirklich vorkommenden Ton h\u00e4tten ausgehen m\u00fcssen.\nNoch weniger gelang der entsprechende Versuch bei einer Guitarre und einer (amerikanischen) Zither. Ich schraubte die Saiten nach ihrer Anweisung, wir kamen aber nicht \u00fcber die Anf\u00e4nge der Leiter hinaus ; sie fanden es zu schwierig und lehnten den Verkehr mit diesen Instrumenten ab.\nAls wir ihnen unsere Leiter mit genauen K\u00f6NiG\u2019schen Stimmgabeln vorf\u00fchrten, erschienen ihnen die Terzen nicht befriedigend, die kleine wie die grofse, auch die Quarte -wurde nicht gebilligt, wie ja zu erwarten stand.\nEinem der Musiker, der mir als der beste bezeichnet wrurde und einen recht geweckten Eindruck machte, legte ich in meiner","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nC. Stumpf.\nWohnung auf dem Clavier verschiedene Accorde zur Begutachtung vor, wobei der Gesandtschaftsattache Herr Nai Chorn Nond Bubi als Dolmetsch fungirte. In einigen F\u00e4llen wurde er auch veranlafst, die geh\u00f6rten T\u00f6ne nachzusingen, wobei allerdings zu bemerken ist, dafs er im Singen unge\u00fcbt war und noch manchen Ton wahrgenommen haben wird, ohne ihn beim Nachsingen zu treffen. Zwischen den einzelnen Accorden wurden nat\u00fcrlich gen\u00fcgende Pausen gemacht, um jeden f\u00fcr sich wirken zu lassen. Ich gebe sie hier in derselben Reihenfolge mit den Bemerkungen des Siamesen. Die danebenstehenden Viertelt\u00f6ne sind die nachgesungenen. Bei dem Septimenaccord 11 konnte er keinen Ton nachsingen ; bei den \u00fcbrigen ohne Viertelton wurde er nicht dazu aufgefordert.\n1. -fl\t\t2.\t3.\t4.\t5.\t\n\t:\t\tfi?\t\t: hr . j\t\t\t\t\ngut nicht gut nicht so gut nicht scharf genug wie die drei(l.)\nfremd\n6.\t7.\t8.\t9.\t*\t10.\t11.\n\t\t\t\t\t\n\t\t\tJ' V\t\t\nsehr unscharf geht noch sch\u00f6n unsch\u00f6n nicht angenehm\n12.\t13.\t14.\t15.\n/nr\t\t\tr\to\n1 \u2018TT\trj\t\t'\tL .\n\t\t\t\n\t\t'\tJ\tr\t\"\nj\tZ )\tsehr sch\u00f6n 1 i\t- pg abgelehnt\tleidlich; ein wenig unharmonisch\tdas sch\u00f6nste.\n\t\u00ab\t\t\n8 -J*\t\t\t\n\t\t\t\n\t\t\t\nDer Mollaccord war ihm also jedesmal unangenehm, der Duraccord angenehm, und zwar um so mehr, je mehr sich die Zusammenstellung derjenigen der harmonischen Theilt\u00f6ne eines Klanges n\u00e4herte. Nr. 6 liefs ihn anscheinend kalt.\nIch stimmte hierauf die Geige durch gleichzeitiges Streichender beiden oberen Saiten. Er bezeichnete richtig die zu hohe und die zu tiefe, endlich die reine Stimmung, wie sie auch meinem Geh\u00f6r entsprach. Vielleicht dafs die Gleichzeitigkeit ihm hier auch die nat\u00fcrliche Stimmung zum Bewufstsein brachte. Er","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n107\nf\u00fcgte aber hinzu, es sei ihm lieber, die T\u00f6ne nach einander zu h\u00f6ren, da dies bei ihnen gebr\u00e4uchlich sei.\nTerzeng\u00e4nge und dergleichen erregten nicht sein Vergn\u00fcgen*, obschon er sie als europ\u00e4ische Gewohnheit und Liebhaberei kannte, da er in Wien und schon zu Hause genug europ\u00e4ische Musik geh\u00f6rt hatte. Strauss\u2019 Donauwalzer, ein ScHUBEB/r\u2019sches Impromptu, Mozart\u2019s Priestermarsch aus der Zauberfl\u00f6te h\u00f6rte er mit Interesse, aber nur das letztere St\u00fcck, das einfachste und im 4/4-Tact stehende, mit relativem Wohlgefallen. Als ich ihm einige siamesische Motive (wie den Anfang des unten in Partitur folgenden Orchesterst\u00fcckes) mit einfacher Harmonisirung spielte, meinte er: \u201eNicht \u00fcbel, aber zu viele T\u00f6ne\u201c. Blofse Octaveng\u00e4nge waren ihm behaglicher.1\nDie F\u00e4higkeit zur Unterscheidung gleichzeitiger T\u00f6ne habe ich dann auch noch mit den siamesischen Instrumenten gepr\u00fcft, da nat\u00fcrlicherweise die gewohnte Klangbeschaffenheit hier einen grofsen Unterschied macht. In der That zeigte sich hierbei, dafs drei bis vier Tasten, die in beliebiger Zusammenstellung hinter dem R\u00fccken des H\u00f6renden auf dem Ranat zugleich angeschlagen wurden, mit aller Sicherheit von ihm bezeichnet werden konnten. Also an dieser F\u00e4higkeit fehlt es durchaus nicht, wie sich ja auch schon aus der noth wendig eintretenden Uebung des Geh\u00f6rs beim Zusammenspiel vieler nicht schlechtweg homophonen Stimmen erwarten l\u00e4fst. Aber es hat sich kein Wohlgefallen an Accorden als solchen entwickelt, ausgenommen das am Duraccord, das aber doch nicht intensiv genug empfunden wird, um das ganze Musiksystem deswegen preiszugeben.\nDen Durdreiklang konnten die Musiker \u00fcbrigens auch recht rein nachsingen, wenn er ihnen aufsteigend vorgesungen wurde, beim Moll nahmen sie die Terz etwas zu hoch. Quinten sangen sie ebenfalls befriedigend, ebenso den Gang G \u2014 C\u2014g, als sie mir die Eintheilung der Octave verdeutlichen wollten.\n1 Als 1686 eine Gesandtschaft des K\u00f6nigs von Siam in Paris weilte, h\u00f6rten die Mitglieder verschiedene Opern von Lully sowie dessen Le Deum und ein Instrumentalconcert und waren h\u00f6flich genug, alles sehr sch\u00f6n zu finden. Aber als der Harfenist ein Solo vortrug, \u00e4ufserten sie fein : \u201ees seien Sch\u00f6nheiten darin, um die es Schade w\u00e4re, wenn sie durch die Begleitung anderer Instrumente verwischt w\u00fcrden\u201c. (Voyage des ambassadeurs de Siam en France 1687 f. Ill, S. 275.)","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nC. Stumpf.\nIV. Proben siamesischer Musik.\nDie Siamesen sind leidenschaftliche Verehrer der Musik, wenn sie sie auch (nach Aussage des Gesandtschaftsattach\u00e9\u2019s) nicht in dem Maafse wie wir als Selbstzweck betrachten und sich nicht so in die Individualit\u00e4t eines St\u00fcckes vertiefen, sondern sie mehr als begleitende oder unterhaltende Kunst im Zusammenh\u00e4nge mit anderen Darbietungen sch\u00e4tzen. Ueberall findet man Ranat\u2019s, fast Jeder kann singen oder ein Instrument spielen. Von den Grofsen hat jeder seine eigene Musikcapelle, und zu ihren Theaterauff\u00fchrungen hat das Volk Zutritt. Bei den sehr h\u00e4ufigen \u00f6ffentlichen Aufz\u00fcgen zu staatlichen oder religi\u00f6sen Feierlichkeiten ist Musik dem lebensfrohen Volk durchaus unentbehrlich.\nEine Notenschrift haben die Siamesen bis jetzt nicht. Alle Tradition erfolgt durch\u2019s blofse Geh\u00f6r, und es hat sich in Folge dieser Art des Lernens und angeborener Anlagen ein aufser-ordentlich leichtes, sicheres, umfangreiches Musikged\u00e4chtnifs entwickelt. Es sollen etwa 200\u2014300 Melodien und St\u00fccke auf diese Weise seit Jahrhunderten fortgepflanzt werden. Die Componisten beschr\u00e4nken sich wesentlich auf Variationen dieser alten Themen. Auch werden den Gesangsweisen neue Texte untergelegt.\nOb sich ein Einflufs ausl\u00e4ndischer, etwa indischer oder europ\u00e4ischer Musik in der siamesischen geltend macht, ist schwer zu sagen. In ihren technisch-musikalischen Ausdr\u00fccken1 scheint, wie in ihrer Sprache \u00fcberhaupt, vieles indischen Ursprunges, vielleicht sind also auch musikalische Motive in alter Zeit her\u00fcbergewandert. Nicht undenkbar w\u00e4ren wohl auch franz\u00f6sische Beimischungen (s. u.), doch kann man nat\u00fcrlich aus Reminiscenzen, die uns beim Anh\u00f6ren kommen, wenn die Uebereinstimmung nicht eine sehr genaue ist, keinen Schlufs\n1 Die Namen der 7 Leitert\u00f6ne (die sich in den verschiedenen Octaven wiederholen) hat Ellis nebst anderen technischen Ausdr\u00fccken wiedergegeben und \u00fcbersetzt; ich habe sie mir gleichfalls angeben lassen, aber die Namen und ihre Anordnung stimmen nicht ganz mit Ellis\u2019 Angaben \u00fcberein. Ich verzichte daher, da f\u00fcr unsere gegenw\u00e4rtigen Zwecke nichts daraus folgt, hier auf die Mittheilung derselben sowie der Erl\u00e4uterungen, die mir Herr Dr. Oskar Frankfurter aus Bangkok, augenblicklich in Berlin, dar\u00fcber in dankenswerther Weise gegeben hat.","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n109\nziehen. Seit vier Decennien ist europ\u00e4ische Milit\u00e4rmusik dort eingef\u00fchrt, und es sollen auch manche einheimische Weisen an Ort und Stelle in unsere Noten gebracht und zu Milit\u00e4rm\u00e4rschen verwendet worden sein. So ist es jedenfalls an der Zeit, das Urspr\u00fcngliche zu fixiren, ehe es sich zu stark mit Importirtem vermischt.\nEinzelne siamesische Lieder, auch kleine Sammlungen, sind in Europa bereits ver\u00f6ffentlicht.1 Sie entsprechen wohl vielfach dem Charakter der unten vorzutragenden, namentlich insofern sie im Wesentlichen f\u00fcnf Leitert\u00f6ne (1, 2, 3, 5, 6) ben\u00fctzen, aber es ist nirgends etwas N\u00e4heres \u00fcber die Umst\u00e4nde der Notirung angegeben, so dafs man, wie bei den meisten exotischen Weisen, die sich in Reisewerken u. dergl. notirt finden, \u00fcber die Zuverl\u00e4ssigkeitsfrage nicht beruhigt sein kann; zumal angesichts der durch die gleichstufige Intonation erwachsenden Schwierigkeiten und des Umstandes, dafs keiner von diesen Schwierigkeiten etwas bemerkt zu haben scheint.\nDa unsere Truppe eine Anzahl von St\u00fccken t\u00e4glich mehrmals auff\u00fchrte, immer dieselben, so konnte ich einiges davon, nachdem sich das Geh\u00f6r gen\u00fcgend an diese Musik gew\u00f6hnt hatte, zu Papier bringen und immer wieder erg\u00e4nzen und corrigiren. Vier Melodien liefsen sich so vollst\u00e4ndig erhalten und bei dreien davon die Nachschrift auch durch phonographische Aufnahme genau controliren. Bei der phonographischen Auf-\n1 De la Loub\u00e8ee in dem S. 77 erw\u00e4hnten Werke I, S. 262 (eine Melodie). De la Bokde, Essai sur la musique I, S. 435 (eine Melodie aus mir unbekannter Quelle, die neuerdings Feed. Beyee in Nr. 35 seiner \u201eVaterlandslieder\u201c f\u00fcr Clavier bearbeitet, freilich auch stark umgearbeitet hat). James Low, History of Tennasserim, Journal of the Royal Asiatic Society 4, 1857, S. 47 (zehn Melodien, aufserdem sehr viele malayische). v. Hesse-Wabtegg, Siam, 1899, S. 113, 120 (Nationalhymne und \u201ealtes Volkslied\u201c, abscheulich mit Harmonie und Einleitung versehen).\nF\u00e9tis giebt (Hist, g\u00e9n\u00e9rale de la musique II, 1869, S. 343) zwei siamesische Lieder aus einer mir unbekannten zu Bombay 1837 erschienenen Sammlung. Das erste davon steht im s/4 Tacte, was unter aller mir bekannt gewordenen siamesischen Musik sonst nur bei einer 4 Tacte langen Melodie Low\u2019s der Fall ist.\nWareington Smyth, Five years in Siam, 1898, giebt I, S. 113 eine und II, S. 301 sechs siamesische Melodien \u2014 offenbar Instrumentalmelodien und zwei von den Lao\u2019s (auch sch\u00f6ne malayische Ges\u00e4nge I, S. 308 und 330).","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nC. Stumpf.\nn\u00e4hme spielten zwar nur die Instrumente die Melodie, da den Frauen, die \u00f6ffentlich tanzten und sangen, nicht gestattet wurde, uns privatim vorzusingen; doch liefsen sich, nachdem mir die Melodien aus den Auff\u00fchrungen bekannt waren, die begleitenden Zuthaten leicht davon scheiden und bot dann die Art der Begleitung selbst wieder ein besonderes Interesse.\nVon anderen Nummern aus den Productionen, die ich nicht vollst\u00e4ndig notiren konnte, sollen Bruchtheile mit Erl\u00e4uterungen unten angef\u00fchrt werden, da sie doch beitragen, einen Begriff von der siamesischen Musik zu geben. Endlich phonographirten wir vier ganze Orchesterst\u00fccke, die uns privatim vorgetragen \u25a0wurden, und bei zweien davon auch die einzelnen Stimmen, wonach sich Partituren zusammenstellen lassen, die f\u00fcr unsere Vorstellungen von asiatischer Musik \u00fcberhaupt von Wichtigkeit sein d\u00fcrften.\nEin Hauptton ist nach dem ganzen Habitus der siamesischen Melodien und St\u00fccke \u00fcberall unverkennbar. Da er seine Lage wechselt, so kann man insofern auch von verschiedenen Tonarten reden, vergleichbar unserem C-Dur, D-Dur etc., die sich principiell nur durch die absolute H\u00f6he des Haupttons unterscheiden.\nWenn man nun ein siamesisches St\u00fcck in unsere Noten setzt, so entsteht vor allem die Frage nach der Vor Zeichnung, und man wird geneigt sein, sie nach dem jeweiligen Hauptton zu w\u00e4hlen. Ellis nennt dies irgendwo ein Zugest\u00e4ndnis an europ\u00e4ische Gewohnheiten; und richtig ist, dafs dadurch bestimmte Stufen als Halbstufen, andere als Ganzstufen charakterisirt werden, was der siamesischen Leiter widerspricht. Aber ist es denn anders, wenn wir keine Vorzeichnung gebrauchen? Dann steht eben das St\u00fcck in C-Dur oder in A-Moll, und die Halbstufen haben nicht minder ihren festen Ort. Ich halte darum Vorzeichnungen insofern doch f\u00fcr gerechtfertigt, als dadurch der Hauptton hervorgehoben wird, dessen Lage bei den unten notirten Melodien kaum irgend einem Zweifel ausgesetzt sein kann. Indessen setze ich die Vorzeichnung in Klammern, um das darin liegende subjective Moment anzudeuten und zugleich den Leser zu erinnern, dafs er den Unterschied der Halb- und Ganzstufen stets zu unterdr\u00fccken suchen mufs. Doch geht man bei der inneren Reproduction nicht stark fehl, wenn man sich alle einfachen Stufen als Ganz-","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n111\nstufen vorstellt. Die kritische Quarte und Septime kommen, wie gesagt, in den meisten St\u00fccken nur vereinzelt vor; hier ist es dann freilich sehr n\u00f6thig, die Quarte zu erh\u00f6hen und die Septime zu vertiefen; z. B. darf im 11. Tact der Nationalhymne unbedingt nicht ein Halbton gesungen werden, wenn man siamesisch singen will.\nDer Eindruck aller mir bekannten siamesischen Melodien ist f\u00fcr uns der des Durgeschlechts, da wir zufolge unserer vorwiegenden Gewohnheiten die gleichstufige Terz des Grundtons durchaus als Durterz fassen.\nDie Tact art ist bei allen von mir und von Anderen notirten St\u00fccken 4/4 bezw. 2/4 ; mit Ausnahme nur zweier Melodien, deren Echtheit darum etwas verd\u00e4chtig ist (o. S. 109 Anna.). Auch Major Yaam (Siamese) versichert mir, dafs man dreitheiligen Tact nicht kenne; und schon De la Loub\u00e8re (1691) sagt, dafs er niemals Dreivierteltact bemerkt habe.\nInteressant ist, dafs die Pauken gern schlechte und schlechteste Tacttheile (wie das letzte Achtel eines Tactes) mit einem \u201esforzato\u201c bedenken1, und dafs h\u00e4ufig in Musikst\u00fccken ohne Pauken l\u00e4ngere Strecken hindurch weder gute noch schlechte Tacttheile merklich accentuirt werden. Bei der Natur der Hauptinstrumente sind ja ohnedies nur geringe dynamische Unterschiede m\u00f6glich, so dafs von selbst bei Stellen von gleich-m\u00e4fsigerem Ausdruck eine Art blos quantitirendes Metrum entsteht. Aber auch beim Gesang hatte man vielfach diesen Eindruck, man konnte die Tacteintheilung dann mit Sicherheit \u00fcberhaupt erst durch Abz\u00e4hlung der Viertel ermitteln. So ist es uns z. B. bei dem II. Gesang aus dem F\u00e4chertanz ergangen, dem man dies kaum ansehen wird. Bei solchen Abz\u00e4hlungen \u00fcberzeugten wir uns aber ausnahmslos, dafs eine ganz feste Tacteintheilung stattfindet und die letzte Note stets auf das 1. oder 3. Viertel, nie auf einen schlechten Tacttheil f\u00e4llt. Die Rechnung geht immer auf, und wenn sich eine Phrase im St\u00fcck wiederholt, findet man sie auf den n\u00e4mlichen Tacttheilen wieder.\nDas Tempo betreffend hat man am Schlufs meist mit einem Ritardando zu rechnen (was auch die Abz\u00e4hlung Anfangs er-\n1 was sich in Land\u2019s javanischer Partitur ebenfalls findet und von mir auch hei Indianerges\u00e4ngen beobachtet wurde, s. Lieder der Bellakula-Indianer, Vierteljahrssehr. f. Musihvissensch. 2, S. 411 f.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nC. Stumpf.\nschwerte), und w\u00e4hrend des ganzen St\u00fcckes in der Regel mit einer stetigen Beschleunigung. Im Uebrigen spielte die Capelle ihre Orchesterst\u00fccke mit ausgezeichneter Pr\u00e4cision ohne Dirigenten. Zu Hause sollen sie einen solchen haben.\nDie absolute Tonh\u00f6he haben wir wie das Tempo theils schon w\u00e4hrend des Spiels theils nach den phonographischen Aufnahmen festgestellt. Nr. 1\u20143 wurden aber bei \u00f6ffentlichen Auff\u00fchrungen in anderer Tonh\u00f6he genommen als bei den Orchester-Reproductionen, nach denen sie hier wiedergegeben sind. Auch bemerkten wir nachtr\u00e4glich, dafs gelegentlich ein Instrument, welches nur seine Stimme behufs Eintragung in die Partitur zu spielen hatte, eine andere Tonica w\u00e4hlte, um an gewissen Stellen die f\u00fcr die Markirung der Hauptmelodie n\u00f6thigen Tasten zur Verf\u00fcgung zu haben ; wodurch bei der Eintragung zuerst der Anschein entstand, als ob es \u00fcber seine Grenzen hinausgegangen w\u00e4re.\nDie Stimmen der Singenden (Frauen) waren ungew\u00f6hnlich tief, aber von scharfer Klangfarbe. In der Tiefe wurden sie gleichwohl vom Orchester fast verdeckt.\nA. Vier Ges\u00e4nge mit Instrumentalbegleitung.\n1. Aas dem F\u00e4chertanz I.\nSchluss.\n\t1\t\t\\-t-fy~o-\u2014\t =9hF\u2014P-P-tf-\t& -\t\u00bb * *\tS d q\n\t\tV\ti\u2014!\ti\u2014!\u20141\t\tritardan\u00fc\t\t0- - -\nM. ,\n80.\nGesang.\n\nOrchester.\n1. Strophe.\n2. Strophe.\n^ EE\n\u00a5\n\n\nI . S 1\nr> \u00e0 -#\u25a0\n\u00e9 \u25a0\u00bb \u2014\n-o\u2014P-\n\n\n\u00c0- >\n\"S rTj.\n\u2666p \u201c\n1^\nM","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n113\n--f-g-\u2014\u00cb\n1\u00b0 kz\u2014,\t\t\ti j j \u00ab\ttrem. i -i==\np f\t- \u2014\tf=i\tF F\t\u2014t=f\t 5- 1\n2o #\u2014*\t\t\t\u20143 i=\ttrem.\n\u00a5 ?\tt f\t\t\u2666 \u00cf\tS\nStumpf, Beitr\u00e4ge III.\n8","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\n0. Stumpf.\nBewegtes Zwischenspiel in Sechzehntelnoten, abschliessend mit dem Unisonogang:\n2. und folgende Strophen.\ncoli' 8\u2122\n2. Aus dem F\u00e4chertanz II.\nGesang. J = 88.\n'Orchester unisono, ohne Verzierungen.\n3. Zum Kambodscha-Tanz.\n1. Instrumentales Vorspiel, beginnend und schliefsend in Es.\n2. Gesang in vielen Strophen. J \u2014 69.\n-\u00d4-/, b-frv\t\t\trr\u2014\t==i=3\t\nJ- \u2022 i .\t\t I\ti\t\t\nWsWjl J \u00a32 I \u2022\u25a1\t\tZf *\t\t\t-\tJ.\u2014J 9\n7\tI.\tm\t\t\t- S\t0 c#\nI\t\u2014\tj Instr. [/ Instr. trem. r.\t3 ffl 1\t\t\t\t\n\t' * * \u2022 ! \u25a0\t\t\t^r\t...\t P>'H\n7E~nr iXi H 5\t\t\t!\tUS \u00ab\tm a m i J\t\n\t\t\t\t\nfg7\\ / fe.r.jU\t\u25ba * ^\t^ ^\t\t\u2014\u2022\u2014*\u2014-v-l 1- l \u20143\t","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n115\n\nInstr.-Zwischenspiel.\niai=\n\n-3. Nach der letzten Strophe Instr um.-Nachspiel, gleich dem Zwischenspiel, aber mit der Schlulsformel:\ntrem. trem.'trem.\nzffcz 2 to\tt r \u00bb \t\n\t\tP\t*-\t1\t\u201c i\n\t\t\n5SZSZZI3\tJ\t\t\t\t\t\t.. ?\u00bb\u2014nt\t\t- i\n*\n4. Rationalhymne.\n\u201eSan ra s\u00f6n praporami\u201c = Gepriesen sei der K\u00f6nig. Gesang. = 86.\n\nOrchester unisono, ohne Verzierung.\nOrch. I\n==ts=^=Q\n\u2022--e-\u00bb \u00ab \u00ab\n&\u2014--^\n\n\ntur\nJr\u20140\u2014\u00ab *\n=fflt\n33\n\n=(!)=\n\u00bb\n53-\u2022\n\n\n\n\nNr. 1 und 2 wurden w\u00e4hrend des besonders grazi\u00f6sen F\u00e4chertanzes (Nr. 2 des gedruckten Programms) vorgetragen, der den regelm\u00e4fsigen Schlufs einer Auff\u00fchrung bildete. Zuletzt stellten sich die T\u00e4nzerinnen in einer malerischen Gruppe auf und sangen noch die Nationalhymne (Nr. 4).\nNr. 1 wurde durch ein Instrumentalvorspiel eingeleitet, von dem ich den Anfang und Schlufs sicher notirt habe; es wurde bald nach dem Beginn zu complicirt, um Nachschreiben zu ge-\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nC. Stumpf.\nstatten. Die Schlufsformel ist typisch, wie wir noch an mehreren Beispielen sehen werden. Man bemerke, dafs die Tonart des Gesangst\u00fcckes im Q,uarten-(Quinten-)Verh\u00e4ltnifs zn der des Vorspiels steht. Der Gesang hatte sehr zahlreiche Strophen, die jedesmal durch ein Zwischenspiel getrennt waren, von dem nur die Schlufsformel hier aufgezeichnet ist. Die Schlufsnote a des Gesangs wie des Zwischenspiels hat f\u00fcr uns etwas Auffallendes, w\u00e4hrend sonst die Melodie sehr wohl verst\u00e4ndlich und ansprechend ist. Noch auffallender war, dafs man bei der Abschiedsvorstellung, wo wegen eines bevorstehenden Diners und wegen Reisezur\u00fcstungen K\u00fcrzungen noting wurden, mit diesem a, also der Sexte, \u00fcberhaupt die Productionen abschlofs. Doch findet sich der Sextenschlufs auch sonst bei siamesischen und anderen exotischen Melodien.\nVon der Instrumentalbegleitung bieten die hier nach dem Phonographen aufgeschriebenen zwei Beispiele nur eben Beispiele dar ; sie variirte wohl von Strophe zu Strophe. Ein oder mehrere Instrumente gehen einfach mit dem Gesang, hier und da pausirend oder umgekehrt Pausen ausf\u00fcllend; andere aber ergehen sich in freien Fiorituren. Bei der ersten Strophe sieht man f\u00f6rmlich, wie diese Verzierungen nach und nach um sich greifen. Ueber das Tremolo s. o. S. 72.\nVon 1 zu 2 f\u00fchrte ein instrumentaler Uebergang, der entschieden den Eindruck einer Modulation machte, \u00e4hnlich wie wenn der Begleiter eines Liedes am Clavier nach dem Schlufs in die Tonart des folgenden Liedes modulirt. Ich konnte aber nur den Beginn notiren:\nwobei das h, die weder grofse noch kleine Septime, \u00e4ufserst des-orientirend wirkte.\nNr. 2 ist hier in der Tonart notirt, wie sie dem Phonographen zu entnehmen war, aber bei den Auff\u00fchrungen stand es tiefer. Das Lied hatte wieder mehrere Strophen. Wenn man es sich naturgetreu vergegenw\u00e4rtigen will, mufs man sich besonders h\u00fcten, im dritten Tact und den analogen sp\u00e4teren Stellen (5., 7. und vorletzten Tact) das erste Viertel zu accentuiren. Es klingt wie ein letztes Tactviertel der Vortrag mufs hier sozu-","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem rind Musik der Siamesen.\n117\nsagen etwas Molluskenhaftes haben. Der Bau des Liedes ist indessen ganz durchsichtig und die Melodief\u00fchrung ausdrucksvoll.\nNr. 3 (= Nr. 19 des Programms) wird zu einem Tanz gesungen, den die Siamesen den benachbarten Kambodschanern entlehnt haben. Bemerkenswerth ist, dafs das Vorspiel wieder in der Quarten- (Quinten-) Tonart zur Gesangsmelodie steht. Das an-muthig wiegende Lied beginnt \u00e4hnlich wie die sp\u00e4teren Strophen von Nr. 1 mit der wiederholt angeschlagenen Dominante, der eine kleine Pause folgt; gleichsam leise an die Th\u00fcre klopfend. Das Orchester begleitet nach den ersten Tacten in Sechzehntel-Figuren, die man in den Gesangspausen heraush\u00f6rt, und trennt die einzelnen Strophen durch ein Zwischenspiel, dessen Anfang und Schlufs ich hingesetzt habe.\nNr. 4, die Nationalhymne, findet man bereits \u00f6fters notirt, mit nur unwesentlichen Abweichungen ; besonders l\u00e4fst man den Gesang statt im 8. Tact an anderen Stellen in die tiefere Octave gehen. Um die Eintheilung \u00fcbersichtlicher zu machen, habe ich den (nach unserem Eindruck) zweiten Theil vom ersten durch Doppelstrich getrennt. Doch ist die Structur dieser Weise wie die der \u00fcbrigen leicht verst\u00e4ndlich und ganz mit unseren Gewohnheiten in Uebereinstimmung.\nDagegen unterscheidet sie sich von den sonstigen notirten Melodien dadurch, dafs an verschiedenen Stellen die Quarte und die Septime stehen, welche, siamesisch intonirt, f\u00fcr uns besonders fremdartig klingen, europ\u00e4isch intonirt aber etwas stark \u2014 Europ\u00e4isches und zugleich unleugbar Triviales hineinbringen. In den letzten 10 Tacten immerhin steht auch sie in der f\u00fcnfstufigen Leiter. So weifs man schon nach der inneren Beschaffenheit nicht recht, soll man sie f\u00fcr ein echt siamesisches Product halten oder nicht.\nAeufsere Indicien vermehren zun\u00e4chst die Verwirrung. Bei der Aufnahme wurde mir gesagt, dafs die \u00fcbrigen St\u00fccke sehr alt, dieses hingegen j\u00fcngeren Datums sei. Als ich in der Berliner Akademie \u00fcber die siamesische Musik vortrug, erinnerte sich Herr v. Richthofen, dafs die Nationalhymne 1861, als er selbst in Siam weilte, von einem preufsischen Capellmeister componirt wrorden, und sandte mir Tags darauf die bez\u00fcgliche Notiz.1 Ich ermittelte diesen Capellmeister, der noch in Stral-\n1 In dem Werke \u201eDie Preufsische Expedition nach Ost-Asien\u201c heilst es Bd. IV (1873), S. 298: \u201eZum Beschluls bliesen die Siamesen eine vom","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\n\u00fc. Stumpf.\nsund lebt, und erhielt von ihm seine Composition \u2014 aber sie hat mit unserer Hymne nicht die entfernteste Aehnlichkeit. Die \u201egl\u00fcckliche Blume\u201c ist offenbar nicht dauernd in Gebrauch gekommen. Der Autor f\u00fcgte bei, damals k\u00f6nne es noch keine andere Nationalhymne gegeben haben, sonst h\u00e4tte man sie ihm sicherlich mitgetheilt.\nWeiter schrieb mir nun der Marinecapellmeister Pott in Kiel unter Uebersendung der wirklichen Melodie, sie sei von Paul de Schurowsky 1888 componirt und ihm selbst damals officiell \u00fcbergeben worden. Er hat eine darauf bez\u00fcgliche Mittheilung auch drucken lassen.* 1\nIn K\u00fcrschners popul\u00e4rem Buch \u201eFrau Musica\u201c findet man die Hymne dagegen unter dem Componistennamen Rockstro. Endlich schreibt mir Herr Pickenpack, fr\u00fcherer deutscher Consul in Siam, die Hymne sei seinerzeit (er glaubt Anfangs der 60 er Jahre) von dem englischen Capellmeister Hewetson, der eine aus Siamesen bestehende, aber auf europ\u00e4ischen Instrumenten spielende Musikertruppe in Bangkok dirigirte, nach siamesischen Motiven componirt.\nWir h\u00e4tten also gl\u00fccklich drei Componisten. Schon dies erweckt den Verdacht, dafs es sich in allen drei F\u00e4llen nur um Arrangements und Harmonisirungen handle ; wie denn auch die Harmonisirung in allen Publicationen eine verschiedene ist. Der genaue Unterschied, den wir musiktechnisch zwischen den Ausdr\u00fccken Componiren und Arrangiren machen, wird von Nichtfachm\u00e4nnern nicht stets beachtet. Auf meine ausdr\u00fcckliche Frage dar\u00fcber antwortet selbst Herr Pickenpack ausweichend: \u201eDie Hymne ist eben nur auf siamesische Motive basirt.\u201c\nEs kommt hinzu, dafs die Hymne, so einfach sie ist, an einigen Stellen doch f\u00fcr harmonische Behandlung durch Meister dritten Ranges etwas spr\u00f6de sein mufs. In den Harmonisirungen hei v. Hesse-Wartegg, bei Schurowsky, in einer englischen Ausgabe von Nationalliedern findet man die wunderlichsten Aceord-\nMusikmeister Feitz componirte siamesische Nationalhymne, welche der K\u00f6nig \u201e\u201edie gl\u00fcckliche Blume\u201c\u201c nannte.\u201c\n1 Neue Milit\u00e4r-Musik-Zeitang 1897, S. 248: \u201eNach Angabe der Legation von Siam in Paris ist die vorstehende Hymne am 18. December 1888 von P. de Schurowsky componirt worden.\u201c","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n119\nSpr\u00fcnge von einer Achtelnote zur anderen. Die einzige Harmonisirung ohne merkliche Gewaltsamkeiten (bis auf eine leicht vermeidliche Quintenfolge) ist die mit \u201eRockstro\u201c be-zeichnete bei K\u00fcrschner.\nDiese Erw\u00e4gungen veranlafsten mich zu einer neuerlichen Anfrage bei Mr. Boosra Mahin, dem Director unserer inzwischen abgereisten Truppe. Er theilt mit, dafs eine urspr\u00fcngliche sehr alte Weise zu Grunde liege, die den Namen \u201eSanras\u00f6m Narai\u201c trage, und dafs sie in die gegenw\u00e4rtige Form gebracht sei durch Phra Bandil, einen siamesischen Componisten, und zwar f\u00fcr den jetzigen K\u00f6nig bald nach dessen Regierungsantritt (1873). Der Secret\u00e4r Herr de Basagoiti f\u00fcgt hinzu, die Hymne sei damals ver\u00e4ndert worden \u201eto suit the European instruments\u201c. Sie ist also europ\u00e4isirt worden, und darauf beruhen jedenfalls die oben erw\u00e4hnten Eigenth\u00fcmlichkeiten in der ersten H\u00e4lfte.\nDa Ellis in seiner Abhandlung 1885 eine \u201eunter der Presse befindliche\u201c von Signor Romano revidirte Sammlung siamesischer Lieder erw\u00e4hnt, unter ihnen die Nationalhymne, so hat ich zur weiteren Sicherheit Mr. Barclay Squire, Vorstand der Musikabtheilung des British Museum, nach dieser Sammlung zu forschen (da ja Schurowskx die Hymne drei Jahre sp\u00e4ter componirt haben sollte). Es fand sich aber nur eine werthlose Clavierphantasie \u00fcber siamesische Lieder von G. Romano aus dem Jahre 1889.1 Dagegen empfing Mr. Squire durch den Kanzler der siamesischen Gesandtschaft in London Mr. Verney die Mittheilung, dafs W. S. Rockstro auf den Wunsch der Gesandtschaft die Hymne 1887 nur eben f\u00fcr Milit\u00e4rmusik arrangirt habe. Die Melodie selbst sei siamesischer Herkunft und vor 30 Jahren nach dem Regierungsantritt des K\u00f6nigs entstanden.\nDasselbe best\u00e4tigte auch Mr. Warrington Smyth, der Verfasser des S. 79 und S. 109 citirten ausgezeichneten Werkes, der sich auch \u00fcber siamesische Musik an Ort und Stelle in-formirt hat.\n1 Auch die Firma Breitkopf & H\u00e4rtel hat trotz sorgf\u00e4ltiger Nachforschung durch ihr Londoner Haus die von Ellis erw\u00e4hnte Sammlung nicht finden k\u00f6nnen. Sicher ist daher aufser dem obigen St\u00fcck nichts erschienen.","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nC. Stumpf.\nHiernach darf diese Frage im Wesentlichen als aufgekl\u00e4rt gelten. Die Melodie ist durchaus siamesisches Erzeugnifs sowohl in ihrer irrspr\u00fcnglichen wie in ihrer gegenw\u00e4rtigen Form. Aber die letztere ist durch R\u00fccksichten auf europ\u00e4ische Musik mitbestimmt. Wie weit diese reichen, ist nicht genau zu sagen; doch d\u00fcrfte Phba Bandil nicht zu viel von der urspr\u00fcnglichen Weise abgewichen sein. Nach inneren Gr\u00fcnden nehme ich an, dafs die letzten 10 Tacte unver\u00e4ndert und \u00fcberhaupt nur die ersten Tacte in beiden Theilen etwas ge\u00e4ndert sind.\nMan kann aber hieran sehen (und eben darum wollte ich so ausf\u00fchrlich berichten), wie die Mythenbildung schon innerhalb dreier Decennien Platz greift. Nach weiteren zehn Jahren w\u00e4re es vielleicht schon unm\u00f6glich gewesen, den Sachverhalt noch festzustellen.\nVon all den Harmonisirungen haben sich die Siamesen nat\u00fcrlich keine angeeignet. Ja sie begleiten diesen Gesang nicht einmal in ihrer Weise mit Figuren (aufser der einzigen kleinen Stelle bei unserer Aufnahme), sondern streng unison, was den Eindruck der W\u00fcrde erh\u00f6ht. Auch wurde mir gesagt, dafs zur Nationalhymne niemals Pauken gebraucht werden. \u2014\nNoch mag beigef\u00fcgt sein, dafs unter den von Low ver\u00f6ffentlichten St\u00fccken (o. S. 109) sich auch ein \u201eK\u00f6nigsmarsch\u201c befindet und dafs bereits De la Lo\u00fcb\u00e8re 1691 von einer \u201emarche de leur roy, assez vive\u201c spricht, eine Bezeichnung die auch sehr gut auf Low\u2019s Marsch passen w\u00fcrde. Dieser mag also vielleicht ein Vorg\u00e4nger der Hymne gewesen sein.\nB. Beschreibung einiger St\u00fccke, von denen nicht zusammenh\u00e4ngende Aufnahmen gemacht sind.\n1. Beim sog. Speertanz (Nr. 3 des Programms) wurde nicht gesungen. Das Orchester spielte in Es sehr rasche L\u00e4ufe, die sich zuletzt zu einer Stretta steigerten und bis zum Schlufs immer schneller wurden. Die Stretta geh\u00f6rt \u00fcberhaupt zu den beliebten Wirkungsmitteln der siamesischen Orchestermusik; und zwar meine ich hier nicht die stetige unwillk\u00fcrliche Beschleunigung, von der oben die Rede war, sondern eine bei einem bestimmten Absatz auff\u00e4llig einsetzende und zweifellos beabsichtigte Temposteigerung. In diesem St\u00fcck wurden nicht ausschliefslich oder vorwiegend f\u00fcnf Leitert\u00f6ne, sondern der ganze Bestand der","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n121\nLeiter gebraucht und kamen darum f\u00fcr unser Ohr vielfach befremdliche Wendungen vor, wie\nund dergleichen in den siamesischen Stufen. Doch kam dann wieder streckenweise auch die F\u00fcnfstufenleiter dominirend zur Geltung. Einzelne oft wiederholte Phrasen, die nicht in fortgesetzten Sechzehntelg\u00e4ngen bestanden, konnte ich notiren, wie diese :\n\t\t\t\nkJ\t.'*=t\t=i=J=gz z+z^zzii j\t-L\u00c4--\ttzz^\u00c9Erj\n\t\t\t\u2022 P\u00bb. -\u00bb-j\u2014-i\u2014 \u25a0\n|z=>! Uzzliz I \u2014Z \u2014:\u2122~\u20141\t\tSchluss.\t\n\u25a0 j vmrk\tr\u2014i\t^\t\u2022\t_iJ.\t4\u2014\t-i\t4-\t1\t\t\t\n\"Jr-fWT~l\u20145r\u2014\t\t\ta\u2014\u2014\t-4\t\u2014)\t1-\tS\n\t\t\tr.- -a\u2014J J, * 41\n\t\tJi\u2014L\u2014\tJ\t 9 9\u20144\tJi\nunisono\nBemerklich war ein vielfacher Gebrauch von Wiederholungen und Nachahmungen, wobei auch ein Instrument das andere nachahmte. Besonders imitirten die Fl\u00f6ten das, was Ranat und Kong vorher angegeben; auch wohl einmal in Verk\u00fcrzung. Diese beweglichen Begleiter schienen die kleinen Pausen der maafsgebenden Instrumente zu benutzen, um rasch dazwischen zu reden. W\u00e4hrend des ganzen St\u00fcckes markirte die Pauke jedes Viertel, das Gong, das in G stand, jede halbe Note, was einen geradezu be\u00e4ngstigenden Eindruck hervorrief.\n2. Aehnlichen Charakter trug Nr. 9 des Programms, die Liebeswerbung eines Halbgottes (\u201eGno\u201c mit f\u00fcrchterlicher Maske) um eine irdische Maid darstellend. Ein erster, instrumentaler Theil verlief Allegro in Es, wieder mit Pauke und Gong auf G\\ die Pauke gab fortgesetzt den Rhythmus","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nC. Stumpf.\nBeispiele von Orchesterphrasen:\nSchluss wieder:\n\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\tI J, i J\n\t2\t\t\t\t\t\t\t\nG\t\t\t\t\t\tm\t\t z\t\u00ae\t712\nHierauf Ueberleitung nach F. Diese Ueberleitungen hatten immer etwas besonders Choquirendes. Dann folgte ein zweiter, gesanglicher Theil, von Instrumenten begleitet, in F. Er bestand aus zwei Abtheilungen, mit kurzer instrumentaler Verbindung. Der Gesang enthielt sehr harte Wendungen, indem er sich nicht blos an f\u00fcnf Stufen hielt; es gelang mir nicht, ihn zu notiren Den Schlufs \u2014 w\u00e4hrend der Gott das M\u00e4dchen entf\u00fchrt \u2014 bildete wieder eine instrumentale Stretta, mit Nachahmungen (soviel ich bemerken konnte) zwischen dem ersten und zweiten Ranat und immer m\u00e4chtigerem Get\u00f6se der Schlaginstrumente. Schlufswendung wieder dieselbe, nur eben in F.\n3. Ganz anderen Charakters war hingegen der einf\u00f6rmige Gesang, mit dem die von zwei 7\u20148j\u00e4hrigen Kindern reizend gespielte Liebesscene (Nr. 8 des Programms) durch S\u00e4ngerinnen hinter der B\u00fchne begleitet wurde. Er wurde instrumental nur von einem jedes Viertel markirenden hohen Tsching unterst\u00fctzt, und bewegte sich nur innerhalb der verminderten Quinte eis1\u2014g1 und in den T\u00f6nen cis1, e1, fis1, g1. So wenigstens erschienen sie meinem Ohre ; dafs das Intervall der beiden h\u00f6chsten T\u00f6ne nur ein Halbton in unserem Sinne war, war aber ganz sicher. Ich habe deshalb, damit dies um so deutlicher gegen\u00fcber den \u00fcbrigen Liedern hervortrete, hier H-Dur, und zwrar nicht in Klammern, vorgezeichnet, vor das gl aber Aufl\u00f6sungszeichen gesetzt. Die folgenden Fragmente geben die immerwiederkehrenden Phrasen, aus denen sich der Gesang zusammensetzte.\n\n\n\u00bb \u00ab\n\ni\u2014\netc.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n123\n'\u2014\teto.\nSchluss.\nlange Pause.\nDieser h\u00f6chst monotone Gesang wurde aber doch belebt durch eine ausdrucksvolle Rhythmisirung, besonders durch das scharfe Abstofsen einzelner Noten und die nachfolgenden l\u00e4ngeren Pausen an einzelnen Abschnitten, welche Katastrophen und .Peripetien der Liebeswerbung darstellten, auch mehrmals ausgef\u00fcllt waren durch kl\u00e4gliches Schreien der Umworbenen, die schliefslich davonlief.\nDie Anwendung der Halbstufe, die enge Begrenzung des Umfangs und die Art des Vortrags unterscheiden diese Weise wesentlich von allen anderen. Ich vermuthe f\u00fcr sie ein h\u00f6heres Alter oder einen ausw\u00e4rtigen Ursprung oder beides. Bezeichnend ist der ausgepr\u00e4gt declamatorische Charakter, die T\u00f6ne scheinen nicht Selbstzweck, sondern nur fixirte H\u00f6hen des Sprach-accentes; \u00e4hnlich wie in altindischen Samaveda-Ges\u00e4ngen1 und anderen, die sich zugleich in eben so kleinem Umfang bewegen. Die letztere Eigenschaft habe ich auch bei den Ges\u00e4ngen einer Singhalesentruppe 1887 beobachtet; wie ja \u00fcberhaupt Viertonmelodien eine h\u00e4ufige Erscheinung primitiver Musik sind.\nC. Eine Orchesterpartitur.\nDie vier Orchesterst\u00fccke, die uns die Capelle zu phono-graphischer Aufnahme vorspielte, trugen die Titel: I. Kharn (Khom) hom = s\u00fcfse Worte, Schmeichelworte, hom eigentlich = wohlriechend. II. Thai oi Kamen = trauriges Scheiden (\u201eThe sorrow pathing\u201c \u00fcbersetzte der Director). Thai = der Siamese. Kamen = Kambodschaner, oi ein Ausruf. Also wahrscheinlich w\u00f6rtlicher: der Siamese sagt Lebewohl dem Kambodschaner. ITT. Pi keo (g\u00e4l?) = Krystallfl\u00f6te, Zauberfl\u00f6te (Pi Name des\n1 Buenell, Arsheyabrahmana, S. XLV.","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nC. Stumpf.\noben beschriebenen Instruments). IV. Krau kra s\u00e4 = Marsch zum Schlachtfeld.\nVon den zwei ersten haben wir aufser dem Ensemble auch die einzelnen Stimmen f\u00fcr sich aufgenommen, nur in Begleitung eines oder mehrerer (etwas entfernten) Schlaginstrumente, damit der Spieler streng im Tact und die Tacteintheilung uns nachher genau erkennbar bleibe. Bei einigen Walzen liefsen wir wohl auch zwei Stimmen zusammenspielen, die beim Heraush\u00f6ren leicht auseinanderzuhalten waren (wie Ranat und Klui). Beim Vortrag des Ranat ek gesellte sich zu den Pauken auch noch ohne Auftrag ein Gong, das sonst (wohl nur wegen beschr\u00e4nkter Zahl der Spieler) im Orchester nicht vertreten war; hierbei gab das Gong wieder die obere Terz des Grundtons zu jedem Halbtact.\nHiernach ist zun\u00e4chst f\u00fcr das erste St\u00fcck die in der Beilage angef\u00fcgte Partitur zusammengestellt.\nDie Pauken, die erst im zweiten Tact einsetzen, wirken rhythmisch in der eigenth\u00fcmlichen Weise zusammen, von der wir uns auch durch den Augenschein \u00fcberzeugten. Aber die genaue Tonh\u00f6he l\u00e4fst sich aus dem Phonographen nicht mehr heraush\u00f6ren. Sie erscheint uns bei der h\u00f6heren als b, bei der tieferen als B und d2 (fz). Aber dies stimmt nicht ganz mit den Feststellungen S. 76, es m\u00fcfsten also andere Pauken hier gebraucht worden sein oder Obert\u00f6ne uns t\u00e4uschen, was bei den trockenen dumpfen Schl\u00e4gen m\u00f6glich ist; ich habe daher nur den Rhythmus notirt, der ja eigentlich auch allein Interesse hat. Vom 10. Tact an sind die Schlaginstrumente in der Partitur weggelassen. Ihr Rhythmus ist von da an derjenige des 4. bis 8. Tactes.\nVon der Einklammerung desAWrzeichens ist hier aus technischen Gr\u00fcnden abgesehen. Uebrigens kommt das B nirgends wirklich vor.\nBeim Lesen der Partitur mufs man beachten, dafs die Ranat\u2019s und Kong\u2019s jede l\u00e4ngere Note, vom Viertel angefangen, durch ein Tremolo wiedergeben, und dafs die Fl\u00f6ten noch viel mehr Verzierungen anbringen als sich hier niederschreiben liefsen. Beim Triller ben\u00fctzen sie nicht immer den n\u00e4chsth\u00f6heren Ton, sondern oft auch die Quarte, was dann in der Partitur angemerkt ist. Bei diesen Verzierungen halten sich die Fl\u00f6ten nicht immer so scharf wie andere Instrumente im Tact, sondern gestatten sich kleine Rubato\u2019s, kommen aber immer wieder herein. So ist der Eindruck des Ganzen \u00fcberhaupt ein noch viel bewegterer, als er nach den Noten scheinen mag.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n125\nVielleicht ist die Bemerkung nicht \u00fcberfl\u00fcssig, dafs eine Anzahl von scheinbaren Abnormit\u00e4ten, die der europ\u00e4ische Musiker zun\u00e4chst als Stichfehler ansehen wird, durchaus der Wirklichkeit entsprechen. Der Stich ist ganz genau durchcorrigirt.\nDa sich ein europ\u00e4ischer Leser, auch wenn er im Partiturenlesen ge\u00fcbt ist, bei ausl\u00e4ndischen Instrumenten doch nicht leicht vergegenw\u00e4rtigen kann, welches davon in jedem Augenblick in der Klangmasse dominirt, so haben wir den Gesammteindruck der Melodiebewegung, wie er nach der phonographischen Reproduction des Zusammenspiels sich herausstellt, noch besonders angef\u00fcgt. Daran kann man auch die Structur des St\u00fcckes am \u00fcbersichtlichsten erkennen.\nDie zweite Partitur (in welcher besonders drastisch wirkende Glissando\u2019s verkommen und alle 7 Stufen der Leiter gebraucht werden) haben wir noch nicht von den Walzen abgenommen, ebenso das dritte und vierte St\u00fcck, von welchem sich wenigstens der Gesammteindruck nach den Walzen wird in Noten wiedergeben lassen.\nUnser St\u00fcck ist in vieler Hinsicht interessant. Anfangs bewegt es sich fast ganz unison (die gleichzeitigen Intervalle machen sich wenig geltend) in wohlverst\u00e4ndlichen, auch f\u00fcr uns eindrucksvollen, freilich mehr majest\u00e4tischen als \u201es\u00fcfs-schmeichelnden\u201c G\u00e4ngen. Mit dem 16. Tact ist das Thema abgeschlossen, das mit seinen Verl\u00e4ngerungen (Tact 3, 9, 13, 16), mit der Reduplication (14\u201416), mit den k\u00fchn aufsteigenden G\u00e4ngen des zweiten Abschnitts (7\u20148) sch\u00f6n und interessant aufgebaut ist. Aus seinem zweiten Abschnitt wird dann unmittelbar die Fortsetzung gesponnen (Tact 17 = 7), und hierbei entwickelt sich allm\u00e4hlich eine eigenth\u00fcmliche Art von Polyphonie oder besser (mit platonischem Ausdruck) Heterophonie. Es gehen nicht verschiedene Themata gleichzeitig neben einander her, vielmehr machen alle Instrumente eine in den Grundz\u00fcgen identische Tonbewegung, aber sie gestatten sich dabei bedeutende individuelle Freiheiten, das eine nimmt seinen Weg in einfachen Vierteln, das andere umspielt sie mit allerlei Verzierungen, das dritte l\u00f6st sie ganz in Sechzehntelbewegungen, Triolen u. dgl. auf, und dabei stehen die Sechzehntelg\u00e4nge der einzelnen Instrumente nicht in genauerer Uebereinstimmung. In gewissen Hauptmotiven treffen dann alle wieder rein unison zusammen. Bei der Wiederholung des in Repetitionszeichen eingeschlossenen Abschnittes","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nC. Stumpf.\n(den wir als doppelt vorkommend erst nach dem Niederschreiben erkannten) ergaben sich auch kleine \"V arianten einzelner Instrumente, die in kleineren Noten verzeichnet sind. Diesel Abschnitt kann wahrscheinlich beliebig oft wiederholt werden, wenigstens \u00e4ufserte Herr Boosra Mahon, dafs die Spieler das St\u00fcck beliebig verl\u00e4ngern k\u00f6nnten. In dem wiederholten Unisonogang kurz vor dem Schlufs fand Dr. Abraham eine auff\u00e4llige Aehn-lichkeit mit einem Motiv aus der Marseillaise. Den Schlufs bildet die uns bereits bekannte kr\u00e4ftige Formel, streng unison und stark retardirend gespielt.\nDas St\u00fcck ben\u00fctzt fast nur die auch in den Liedern verwendeten f\u00fcnf von den sieben disponiblen Stufen. Desto auffallender tritt aber die neutrale Septime in den Tacten 31 und 35 hervor, die das europ\u00e4ische Ohr jedesmal fremdartig ber\u00fchren.\nH\u00f6chst bemerkenswert!! sind nun aber die Quarteng\u00e4nge, besonders beim Kong yai. Den Anfang des St\u00fcckes habe ich darum bei diesem Instrument nicht blos dreimal phonographisch sondern auch optisch aufgenommen, indem ich den Spieler jeden einzelnen Tacttheil f\u00fcr sich Vorspielen liefs und die gebrauchten Tasten aufzeichnete, um ganz sicher zu gehen. Es kommen in Folge dieser Quarteng\u00e4nge nat\u00fcrlich auch Quinten mit den, oberen Octavent\u00f6nen heraus, und so haben wir hier ganz dieselben Erscheinungen wie sie Hucbald beschreibt und wie sie den Anfang unserer harmonischen Musik bildeten.\nUeberhaupt aber kommen s\u00e4mmtliche Intervalle unter den gleichzeitigen Tonverbindungen vor, theils schon innerhalb eines Instrumentes (so finden sich vereinzelte Terzen, Sexten und Secunden, letztere habe ich allerdings nur auf einem unbetonten Tacttheil in einem anderen St\u00fccke beobachtet) theils in Folge der Verbindung mehrerer Instrumente (so Quinten, Septimen, Secunden etc.). Aber diese \u00fcbrigen Intervalle treten nur vor\u00fcbergehend auf (wenn auch keineswegs blos durchgehend), die Quarte dagegen als ein systematisch gebrauchter Zusammenklang, \u00e4hnlich der Octave. Als Motiv werden wir aber nicht so sehr die Freude am Mehrklang als solchem ansehen, d\u00fcrfen, als die an der entstehenden gr\u00f6fseren F\u00fclle des Klanges ohne Aufhebung seines einheitlichen Charakters. In einzelnen F\u00e4llen scheint ein \u00e4ufseres Motiv maafsgebend oder mitwirkend, so bei den Sexten der beiden Kong\u2019s im zweiten Tacte: die Octave w\u00fcrde \u00fcber den Umfang der Instrumente","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n127\nhinausf\u00fchren. Indessen findet sich das D hier doch auch als Terz beim Ranat ek, wo kein solches \u00e4ufseres Motiv dazu dr\u00e4ngte. Und aufserdem war doch auch die Quinte G zur Verf\u00fcgung, die so oft zur Ausf\u00fcllung der Octaven gebraucht wird. Man mufs also wohl annehmen, dafs hier und an der analogen Stelle im 8. Tact, wo besondere H\u00f6hepunkte des melodischen Accentes erreicht sind, ein etwas weniger verschmelzendes Intervall vorgezogen wird. Auch im zweiten Orchesterst\u00fcck kamen an einer solchen Stelle Terzen in einzelnen Instrumenten vor.\nBisher sind, soviel ich weifs, keine exotischen Partituren aufser einer japanischen und zwei javanischen ver\u00f6ffentlicht worden. Die erstere, aus 8 Instrumenten bestehend, ist von Dr. M\u00fcllee, Leibarzt des Mikado, nach der japanischen Notirung entziffert.1 Sie geh\u00f6rt der uralten, nur am Hofe noch gebr\u00e4uchlichen, aus Korea stammenden \u201eGagakku-Musik\u201c an. Ein auf der Berliner Hochschule f\u00fcr Musik studirender japanischer Capellmeister, den ich \u00fcber diese Partitur befragte, getraute sich nicht ein genaueres Urtheil dar\u00fcber abzugeben, da ihm diese alte Musikweise nicht gel\u00e4ufig sei, doch schien ihm die Wiedergabe wohl glaubw\u00fcrdig zu sein. Auch die grofse Gr\u00fcndlichkeit,\n1 Mittheilungen der deutschen Gesellschaft f\u00fcr Natur- und V\u00f6lkerkunde Ostasiens 1, Heft 9 (1876), S. 31.\nZweistimmige Koto-St\u00fccke aus der popul\u00e4ren Musik mit \u00e4ufserst unabh\u00e4ngigem Gang der Stimmen hat daselbst 4, Heft 33 (1885), S. 129 y. Zedt-witz ver\u00f6ffentlicht, nach Notirungen eines blinden aber unserer Notenschrift (Blindenschrift?) kundigen Kotospielers am Conservatorium in Yokohama. Da einige durch v. Zedtwitz mitgetheilte Ges\u00e4nge mit Koto-Begleitung genau \u00fcbereinstimmen mit denen einer Sammlung, die von der Musik-Akademie zu Tokyo 1888 im Auftr\u00e4ge der Regierung als Uebungsbueh in europ\u00e4ischen Noten herausgegeben ist (Collection of Japanese Koto-Music), so darf man seine Aufzeichnungen \u00fcberhaupt als authentisch betrachten. Von einem langen zweistimmigen Koto-St\u00fcck findet sich in der officiellen Sammlung (am Schlufs) die untere Stimme allein notirt, aber wieder ganz \u00fcbereinstimmend.\nDie auffallenden, oft wiederkehrenden gleichzeitigen Secunden erkl\u00e4rte mir der hier studirende japanische Capellmeister dahin, dafs es sich um ein rasches Nacheinander-Anschlagen zweier benachbarter Saiten handle, wodurch der Eindruck der Dissonanz vermieden oder abgeschw\u00e4cht werde. Die vielen Nachschl\u00e4ge kommen daher, dafs man nach dem Anschlag der freien Saite rasch nachtr\u00e4glich noch einen Finger aufsetzt. So m\u00f6gen manche Wunderlichkeiten f\u00fcr unser Auge in der notirten exotischen Musik mit der Technik der Instrumente Zusammenh\u00e4ngen und beim wirklichen Spiel dem Ohre ganz nat\u00fcrlich klingen","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nC. Stumpf.\ndie sich in der Abhandlung Dr. Muller\u2019s \u00fcberhaupt kundgiebt, erweckt Zutrauen.\nVon den beiden javanischen ist die eine, bestehend aus 8 Stimmen nebst Schlaginstrumenten, von einem erfahrenen javanischen Hofmusiker mit einer kurz vorher dort erfundenen Notenschrift aufgezeichnet (da die Javaner sonst wie die Siamesen Alles nur durchs Geh\u00f6r fortpflanzten) und von Prof. Land nach einem gleichzeitig \u00fcbermittelten Schl\u00fcssel in unsere Notenschrift \u00fcbertragen. Die andere, bestehend aus 4 Stimmen nebst Schlaginstrumenten, wurde etwa 1870 von Prof. Loman nach den Angaben von A. Holle, der selbst alle javanischen Instrumente spielte und viele St\u00fccke auswendig kannte, aufgezeichnet und sp\u00e4ter nach dem (nur theilweise noch brauchbaren) Manuscript von Land und Groneman ver\u00f6ffentlicht. Auch diese beiden Partituren, besonders die erste, d\u00fcrfen wir als zuverl\u00e4ssige Darstellungen ansehen.1\nVerglichen mit der siamesischen weisen diese drei Partituren zwar im Allgemeinen einen \u00e4hnlichen Charakter auf, wie jene (zumal sich ja immer f\u00fcr den Fernerstehenden die Unterschiede verringern und die Uebereinstimmungen hervortreten). Aber die siamesische steht dem Verst\u00e4ndnifs des Europ\u00e4ers n\u00e4her als die anderen. Am weitesten entfernt sich davon die altjapanische, die, europ\u00e4isch gesprochen, ganz unerh\u00f6rte R\u00fccksichtslosigkeiten in der Tonzusammenw\u00fcrfelung aufweist.\nEinen Abschnitt aus der javanischen will ich zur Vergleichung hierhersetzen 2 :\n1\tS. die \u00f6fters erw\u00e4hnte holl\u00e4ndische Abhandlung von Land und Grose-man S. 105 f. Die erste der beiden Partituren auch in dem deutschen Aufsatz von Land (Tonkunst d. Javanen) und eine Probe daraus bei Wallaschek, Primitive Music, im Anhang. Bei Wallaschek sind aber der erste und die 3 letzten Tacte des bez\u00fcglichen Abschnitts weggelassen, wodurch das Verst\u00e4ndnifs unm\u00f6glich wird. Wenn wir einen europ\u00e4ischen Musiksatz nicht so verst\u00fcmmeln, so d\u00fcrfen wir\u2019s, scheint mir, doch auch nicht bei einem exotischen thun. In Land\u2019s deutschem Aufsatz sind \u00fcbrigens die Stimmen auch nicht so vollst\u00e4ndig, wie in der holl\u00e4ndischen (ein Jahr sp\u00e4teren) Ausgabe der Partitur ; es fehlt z. B. das harpeggirende Instrument und die oberste Stimme (Eebab) mit dem charakteristischen c als vorletzter Note.\n2\tEinige Instrumente, die genau mit dem ersten gehen, und ein Schlaginstrument sind weggelassen, der erste Tact des dritten Instruments ist im Original das 1. Mal unison mit der ersten Stimme.","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n129\n3 mal\n(Schlaginstr.)\nStumpf, Beitr\u00e4ge III.\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nC. Stumpf.\nDiese vier Tacte bilden einen Abschnitt mit Repetitionszeichen. Voraus geht das n\u00e4mliche Motiv in der Verl\u00e4ngerung, mit Halbt\u00f6nen genau unison vom ganzen Orchester vorgetragen, wieder mit einem Gongschlag am Schl\u00fcsse. Nach dem hier stehenden Abschnitt folgen zwei einander gleiche mit ver\u00e4ndertem Thema, doch ebenfalls aus blofsen Vierteln der f\u00fcnfstufigen Leiter bestehend. Den Schlufs bildet eine eigenth\u00fcmliche Zer-pfl\u00fcckung des letzten Themas, bei der nur noch drei Instrumente mit,wirken. Man kann sich das St\u00fcck in seiner Einfachheit recht wirksam denken, besonders allerdings, wenn etwa Posaunen zum Beginn die Halben vortr\u00fcgen. Die Schlaginstrumente accentuiren durchweg die schlechten Viertel, in den sp\u00e4teren Theilen sogar deren zweite Achtel, also z. B. das letzte Achtel des Tactes, und das Gong immer das letzte Achtel des ganzen Theils, auch das des ganzen St\u00fcckes. Interessant scheinen mir auch die gleichzeitigen Verk\u00fcrzungen in der dritten und vierten Stimme in der hier mitgetheilten Probe. Complicirter ist die Partitur von Holle und Lomas ; sie enth\u00e4lt st\u00e4rkere K\u00fchnheiten in der Combination der melodief\u00fchrenden und der sie umspielenden Instrumente.\nWenn ich sagte, die siamesische Partitur stehe unserem Ver-st\u00e4ndnifs n\u00e4her, so meine ich damit nicht so sehr die Art des Zusammenspiels (die vielmehr in der mitgetheilten javanischen Probe sehr durchsichtig und in den Arpeggien der letzten Stimme sogar sehr modern-europ\u00e4isch ist) als die F\u00fchrung der Melodie und die Ausarbeitung der Hauptstimmen selbst. Sie hat in den beiden javanischen St\u00fccken einen recht primitiven Charakter.1 Doch l\u00e4fst sich nat\u00fcrlich \u00fcber den Entwickelungszustand der Musik in beiden L\u00e4ndern nicht ohne viel eingehendere und auf Selbsth\u00f6ren gegr\u00fcndete Kenntnifs urtheilen, und etwas Subjectives wird selbst dann leicht in das Urtheil einfiiefsen.\nEllis und Land hatten auch Gelegenheit, vor dem Bekanntwerden der Partituren javanische Orchestermusik bei Ausstellungen zu h\u00f6ren, und schildern das Wesen und den Eindruck im Allgemeinen genau so, wie sich auch die siamesische beschreiben l\u00e4fst. Die Schilderung mag hier zur weiteren Erl\u00e4uterung folgen : \u201eDas Rabab spielt als F\u00fchrer die Melodie, die \u00fcbrigen spielen sie auch, aber figurirt, jedes f\u00fcr sich und auf seine Weise. Das\n1 Noch mehr mufs man dies von den bei Gkone\u00fcian S. 57\u2014104 mitgetheilten zahlreichen einstimmigen St\u00fccken sagen.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n131\nSaron resumirt das Motiv. All dies ist begleitet von einer Art Basso ostinato und einer rhythmischen Bewegung der Pauke ; und das Ganze ist durch die periodischen Schl\u00e4ge des Gong\u2019s und der Becken in regelm\u00e4fsige Abschnitte und Unterabschnitte getheilt. Die Variationen derselben Melodie durch die verschiedenen Instrumente geben eine Art von barbarischer Harmonie, die indessen ihre lichten Momente hat, wobei dann der sch\u00f6ne Ton der Instrumente eine wundervolle Wirkung thutl Aber der Hauptreiz liegt in der Qualit\u00e4t des Klangs und in der rhythmischen Genauigkeit des Spieles.\u201c 1\nOb man sich nicht auch die altgriechische Musik in mancher Hinsicht dieser asiatischen \u00e4hnlich denken kann? Enthusiasten werden den Gedanken vielleicht mit Grausen zur\u00fcckweisen. Aber was die Melodie betrifft, so ist der Unterschied, wenn man offen sein will, doch nur der, dafs die siamesischen uns viel besser munden als die erhaltenen Reste der altgriechischen. Was ich meine, betrifft indes nicht die Melodien, sondern das Zusammenspiel der Instrumente mit dem Gesang und unter sich. Plato, der nicht besonders gut darauf zu sprechen ist, sagt Folgendes: \u201eDer Musiklehrer wie der Z\u00f6gling m\u00fcssen die Lyra zu H\u00fclfe nehmen, wegen der festen Abstimmung der Saiten, indem sie die T\u00f6ne mit den T\u00f6nen in Uebereinstimmung bringen. Die Heterophonie aber und die Buntheit der Lyramusik, wobei andere Weisen von den gespannten Saiten, andere von dem Componisten der Melodie herr\u00fchren, indem man enge zu weiten Tonschritten, schnelle zu langsamen und Hohes zu Tiefem\n1 Land bei Ellis 1. c. S. 509, Anm. 2.\nEine treffliche Beschreibung javanischer Musik giebt auch Daniel de Lange nach einem Cit\u00e2t in Land-Gboneman\u2019s Schrift S. 16. Er weist auf die Rondo-artige Form der St\u00fccke hin, charakterisirt die Heterophonie des Zusammenspiels, betont aber noch besonders die Bedeutung der Schlaginstrumente. \u201eSie folgen der Melodie, aber nur von Ferne (im Groben): ihr Ziel ist, durch rhythmische Figuren Leben in die Melodie zu bringen. \u201eDie arme Melodie kann denn auch nur ab und zu, gleichsam den Arm aus dem Wasser streckend, beweisen, dafs sie in dem Ocean von T\u00f6nen nicht ganz untergegangen ist.\u201c Ueber diese nach bestimmten Normen wechselnden Rhythmen der javanischen Schlaginstrumente giebt Gkoneman\u2019s Beilage D S. 124 n\u00e4here Auskunft.\nBei unsren siamesischen Auff\u00fchrungen traten \u00fcbrigens die Schlaginstrumente in der Klangmasse sehr zur\u00fcck. Sie hatten es auch nicht n\u00f6thig, \u201eLeben in die Melodie zu bringen\u201c.\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nC. Stumpf.\nals Consonantes und Dissonantes hinzubringt, ferner indem man mannigfaltige rhythmische Verzierungen mit den T\u00f6nen der Lyra anf\u00fcgt: alles Derartige d\u00fcrfen wir solchen nicht zumuthen, die in drei Jahren sich das Brauchbare an der Musik cursorisch an-eignen sollen.\u201c\nIn der That, man k\u00f6nnte kaum besser die Begleitung der Melodie bei den Siamesen beschreiben. Mit R\u00fccksicht darauf haben wir denn auch oben bereits statt von Polyphonie lieber von Heterophonie gesprochen. Es ist entschieden nicht polyphone Musik in dem bestimmten technischen Sinn, den wir mit dem Ausdruck verbinden; noch weniger ist es nat\u00fcrlich harmonische Musik ; und doch auch keine rein unisone. Wenn in der griechischen Musik nach dem Bericht des Akistoxenus (bei Plutakch) verschiedene Intervalle in der Gleichzeitigkeit zum Vorschein kamen : Quinten, Quarten, Secunden, Sexten, so pafst dies gleichfalls genau auf die Art der Musik, wie wir sie hier kennen gelernt haben. Es ist eben, mit Land zu sprechen, \u201ea sort of barbarous harmony\u201c, die so zu Stande kommt, die von unseren Accorden durch eine principielle Scheidewand getrennt ist : hier geh\u00f6ren die T\u00f6ne innerlich zusammen und giebt die Verschiedenheit dieser inneren Beziehungen jedem Accord sein eigenes Wesen und Ethos, dort handelt sich\u2019s nur um gr\u00f6fsere Klangf\u00fclle oder gar um ein zuf\u00e4lliges Zusammentreffen von T\u00f6nen verschiedener Instrumente, die nicht genau denselben Weg gehen.\nDa die Traditionen der Asiaten bekanntlich \u00e4ufserst langlebig sind, da andererseits die altgriechische Musik sicher von Asien her beeinflufst worden ist, so w\u00e4re es nicht einmal schwer, sich f\u00fcr die Analogien, die uns hier entgegenzutreten scheinen, gemeinschaftliche letzte Ursachen auszudenken; aber wir wollen damit warten, bis wir \u2014 altgriechische Partituren haben, und einstweilen den Leser f\u00fcr diese Phantasie um Verzeihung bitten.\nV. lieber die Erforschung exotischer Musik und besonders \u00fcber die Methoden zur Beschaffung des Materials.\nWer die dominirende Stellung der Musik in primitiveren Culturzust\u00e4nden, die Vielheit ihrer Formen, die \u00fcberraschenden Aehnlichkeiten und Unterschiede, wer den Zusammenhang der","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n133\ndarauf bez\u00fcglichen Untersuchungen mit den allgemeinsten Fragen nach den Urspr\u00fcngen und Formen menschlicher Civilisation, nach der Entwickelung und Ausbreitung der Menschenrassen bedenkt, f\u00fcr den bedarf die Wichtigkeit der Erforschung aufser-europ\u00e4ischer Musik f\u00fcr die allgemeine Ethnologie und Geschichte des Menschengeschlechts keines Beweises. Auch jeder Psychologe, jeder Aesthetiker, der aus dem Bannkreis der Gelehrtenstube und der Selbstbeobachtung hinausstrebt, um seinen Horizont durch objective Untersuchung menschlichen Denkens und F\u00fchlen\u00bb in anderen Zeiten und R\u00e4umen zu erweitern, sieht hier fruchtbare Aufgaben vor sich. Je unaufhaltsamer europ\u00e4ische Cultur in fremde Erdtheile eindringt und abweichende Formen, wenn nicht sogar ihre Tr\u00e4ger, zum Absterben zwingt, um so mehr ist es an der Zeit, jene Formen zu sammeln und zu studiren.\nDiese Wissenschaft der exotischen Musik liegt indessen noch in den Windeln. Vor Allem fehlt es an zuverl\u00e4ssigem Material. Zahllose Reiseberichte geben zwar Kunde von der \u00e4ufserlichen Beschaffenheit der Instrumente und von dem Gef\u00fchlseindruck, den die Musik auf den Reisenden machte : aber das ist nicht, was die Musikwissenschaft in erster Linie braucht. Die notirten Melodien, obschon gleichfalls von ungeheurer Anzahl, lassen mit wenigen Ausnahmen starken Zweifeln Raum, da \u00fcber die H\u00fclfsmittel der Notirung nichts erw\u00e4hnt wird, oft genug rein technische Verst\u00f6fse auffallen, manchmal auch innere Unm\u00f6glichkeiten dazji kommen. Vorl\u00e4ufig sind diese Notensammlungen wenig mehr als ein Spielzeug der jungen Wissenschaft, praktisch benutzbar erst sp\u00e4ter, wenn sichere methodische Feststellungen das Brauchbare darin von dem Unbrauchbaren zu sondern gestatten. Darum sind denn auch fast s\u00e4mmtliche Beispiele exotischer Musik in Musikgeschichten und v\u00f6lkerkundlichen Werken, deren Verfasser ja auf solche Quellen angewiesen sind, zun\u00e4chst mit gr\u00fcndlichstem Mifstrauen aufzunehmen. Vollends \u00fcber die genauere Abstimmung der gebrauchten Intervalle, also \u00fcber die Leitern, fliefsen die zuverl\u00e4ssigen Nachrichten bis jetzt ganz sp\u00e4rlich.\nNach meinem Daf\u00fcrhalten ist die wissenschaftliche Forschung \u00fcber exotische Leitern erst durch A. J. Ellis begr\u00fcndet, indem er exact-quantitative Bestimmungen der Leiterstufen vornahm, so gut es das ihm vorliegende Material erlaubte. Was Ellis, was","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nC. Stumpf.\ndann Land, Gilman 1 und die gegenw\u00e4rtige Studie beigebracht hat, das m\u00fcfste nun in gr\u00f6fserem Umfang von Forschungsreisenden, Mission\u00e4ren und anderen wissenschaftlich Gebildeten, die sich l\u00e4nger in fremden L\u00e4ndern aufhalten, fortgesetzt werden. Tonmesser in hinreichend handlicher Form w\u00e4ren leicht zu beschaffen und m\u00fcfsten zur Ausr\u00fcstung jedes Forschungsreisenden geh\u00f6ren, der solchen Dingen sein Augenmerk zuzuwenden denkt. Freilich mufs er auch mit den n\u00f6thigen Vorkenntnissen ausger\u00fcstet sein, um zu wissen, worauf es ankommt, und mufs \u00fcber das beim Gebrauche der Apparate unentbehrliche Maafs von Geh\u00f6rs\u00fcbung verf\u00fcgen.\nGilman bestimmte die wirklich gebrauchten Intervalle bei chinesischer Musik, da er keine Instrumente mit festen T\u00f6nen vor sich hatte, nach der phonographischen Reproduction der T\u00f6ne von Melodien (eines Saiteninstruments und eines Horns); wobei er durch Sorgfalt und Uebung doch eine betr\u00e4chtliche Genauigkeit erzielte.1 2 F\u00fcr solche F\u00e4lle, wo fest abgestimmte Instrumente fehlen, ist dies gewifs ein gutes, wenn auch m\u00fchsames, Auskunftsmittel. Dem Reisenden f\u00e4llt dann nur die phonographische Aufnahme zu, w\u00e4hrend die Auswerthung der Intervalle von Akustikern besorgt werden kann. Man wTird m\u00f6glichst langsame Melodien hierzu aussuchen.\nDie Ergebnisse werden am besten zun\u00e4chst in Schwingungszahlen angegeben. F\u00fcr die Darstellung der gefundenen Tonverh\u00e4ltnisse d\u00fcrfte das Verfahren von Ellis , die Anwendung der Hundertstel des temperirten Halbtons als kleinster Einheiten, sich vielfach zw^eckm\u00e4fsig erweisen. Jedenfalls sind alle nur erdenklichen Genauigkeitsbed\u00fcrfnisse dadurch reichlich gedeckt und ist eher zu f\u00fcrchten, dafs blos zuf\u00e4llige kleine Schwankungen in dieser Maafseinheit ausgedr\u00fcckt einen ungeb\u00fchrlichen Eindruck machen. Meistens wird denn auch die Abrundung auf Zehntel gen\u00fcgen. Aufserdem aber mufs man nat\u00fcrlich stets \u00fcberlegen, in welcher sonstigen Form die gefundenen Verh\u00e4ltnisse sich so ausdr\u00fccken lassen, dafs das Gesetz der bez\u00fcglichen Leiter am deutlichsten durchscheint. Unsere reine diatonische\n1\tBenjamin Ives Gilman, On some psychological aspects of the Chinese musical system. Philosophical Reviere (Boston), 1892, S. 54f. und S. 154f.\n2\tUeber die Einzelnheiten des angewandten Verfahrens und dessen Genauigkeitsgrad giebt Gilman S. 175 f. Rechenschaft.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n1B5\nLeiter z. B. wird man ja, in Cents ausgedr\u00fcckt, zun\u00e4chst gar nicht wiedererkennen.\nDie zweite Aufgabe liegt sodann in der sicheren Notirung von Musikst\u00fccken. Aufzeichnungen nach dem blofsen Geh\u00f6r w\u00e4hrend des Vortrags bieten bei der eigenth\u00fcmlichen Intonation und Rhythmik dem nach Genauigkeit Strebenden oft grofse Schwierigkeiten; bei Instrumentalst\u00fccken steht meist schon die Schnelligkeit der Figuren im AVege. Unter Umst\u00e4nden k\u00f6nnen Aufzeichnungen von Ges\u00e4ngen nach der frischen Erinnerung von solchen, die lange genug im Lande gelebt haben, um die Lieder wie die ihrer eigenen Heimath zu singen, vertrauensw\u00fcrdig sein. Haupts\u00e4chlich aber sind zur Gewinnung sicherer Notationen zwei AVege beschritten: der eine besteht darin, dafs Musiker des betreffenden Landes sich auf unsere Notenschrift ein\u00fcben oder auch dafs Transscription aus einer einheimischen Notirung in unsere stattfindet. Der andere besteht in der phono-graphischen Aufnahme. AVo immer m\u00f6glich, sind nat\u00fcrlich beide Methoden zu verbinden.\nDie erste verursacht, wenn einmal die erforderliche Ein\u00fcbung des Musikers oder Transscriptors vorhanden, weit weniger M\u00fche und w\u00fcrde es erm\u00f6glichen, St\u00fccke in grofser Anzahl uns zu \u00fcbermitteln, ist aber nur unter sehr speciellen Voraussetzungen anwendbar, und auch dann ist man ganz auf die zuf\u00e4llige individuelle Geschicklichkeit des Aufschreibers und Ueber-setzers angewiesen, die sich nur in Ausnahmef\u00e4llen (wenn z. B. zwei unabh\u00e4ngig dasselbe St\u00fcck aufschreiben) controliren l\u00e4fst. Bei der Notirung nach dem Phonographen dagegen kann nicht blos der Notirende sich selbst so oft er will controliren, sondern auch jeder andere, so lange nur die AValze brauchbar bleibt.\nAndererseits darf man freilich die Schwierigkeiten der phonographischen Methode nicht untersch\u00e4tzen. Vor Allem mufs nat\u00fcrlich f\u00fcr constante Drehungsgeschwindigkeit gesorgt werden. Accumulatoren, wie wir sie benutzten, sind immerhin ein unbequemes Reisegep\u00e4ck. Schlimm sind auch die Schwierigkeiten des Abh\u00f6rens. Es war eine arge Geduldsprobe, alle die Stimmen des obigen Orchesterst\u00fccks aus dem Phonographentrichter abzuh\u00f6ren, bis das Bild jeder einzelnen befriedigend in Noten stand. Die Schwierigkeit liegt theils in dem begleitenden Ger\u00e4usch, theils darin, dafs man die Geschwindigkeit der Re-","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nC. Stumpf.\nproduction nicht beliebig verringern kann, wenn man nicht zu tiefe und undeutliche T\u00f6ne erhalten will.\nWir haben auch einen Versuch mit dem neuen \u201eTele-phonographen\u201c des d\u00e4nischen Ingenieurs Poulsen gemacht, bei welchem die Schwingungen sich nicht mechanisch in eine Masse eindr\u00fccken, sondern nur entsprechende Punkte eines gleichm\u00e4fsig laufenden Stahlbandes magnetisirt werden.1 Hier giebt es bei der Reproduction kein Ger\u00e4usch, \u00fcberdies kann man ebensogut auch aus der Entfernung telephonisch abh\u00f6ren und wird dann nicht einmal durch die Handhabung des Apparats gest\u00f6rt. Die Fabrik hatte in zuvorkommendster. Weise die noch etwas umst\u00e4ndlichen Vorbereitungen zur Aufnahme getroffen. Wir konnten aber nur eine Stimme der Partitur, das besonders interessante und schwierige Kong yai, so aufnehmen, weil nicht mehr Stahlb\u00e4nder vorhanden waren. Und es hat sich dann beim Abh\u00f6ren gezeigt, dafs der alte Phonograph einstweilen auch noch seine Vorz\u00fcge hat. Die Arbeit war erheblich zeitraubender, weil immer nur das Ganze repetirt werden konnte und zu diesem Behuf die Melodie auch erst wieder r\u00fcckw\u00e4rts ablaufen mufste, w\u00e4hrend man dort einfach den Stift mit der Hand auf eine beliebige fr\u00fchere Stelle der Walze setzt. Der Hauptwerth des neuen Instruments liegt ja auch in einer anderen Richtung : darin, dafs man auf w'eite Distanzen Schalleindr\u00fccke so fixiren kann, dafs sie dann zu beliebiger Zeit abgeh\u00f6rt werden k\u00f6nnen. Aber hoffentlich wird es noch so vervollkommnet, dafs es auch f\u00fcr die gew\u00f6hnlichen phonographi-schen Zwecke bequem brauchbar wird. Angenehmer und reiner ist der Klang unzweifelhaft.\nBei der Aufschreibung der phonographisch abgeh\u00f6rten Melodien in unserer Notenschrift mufs man, wie mir scheint, das Princip befolgen, soweit als es ohne merkliche Aenderung des Vorgefundenen Tonmaterials m\u00f6glich ist, die F\u00fchlung mit\n1 Der Apparat wird gebaut und zun\u00e4chst noch weiter vervollkommnet von der Actiengesellschaft Mix und Genest in Berlin, die ihn auch auf der Pariser Weltausstellung und in der dortigen Akademie der Wissenschaften vorf\u00fchrte. Beschreibung und Abbildung in Glaser\u2019s Annalen f\u00fcr Gewerbe und Bamcesen 47, Nr. 555, auch in der \u201ePhonographischen Zeitschrift\u201c vom 29. VIII. und vom 13. XI. 1900. (\u201eTelegraphon\u201c, wie der Apparat hier nach dem Vorg\u00e4nge des Erfinders genannt wird, ist aber doch eine sprachliche Mifsgeburt!)","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Tonsystem und Musik der Siamesen.\n137\nunseren musikalischen Vorstellungen beizubehalten. Denn erstlich ist dies doch \u00fcberhaupt die Absicht, sobald wir unsere und keine andere Notenschrift anwenden. Zweitens mufs die Wissenschaft darauf ausgehen, ohne die Eigenheiten zu verwischen, doch nach M\u00f6glichkeit die gemeinschaftlichen Z\u00fcge ersichtlich zu machen. Ich erw\u00e4hne dies, weil der Erste, der exotische Ges\u00e4nge nach Phonogrammen in Noten setzte, J. B. Gilman, die Ergebnisse seiner verdienstlichen Arbeit durch die Art der Aufschreibung fast unkenntlich machte. Er glaubte Indianermelodien objectiv treuer wiederzugeben, wenn er von allen Tact- und Tonartbezeichnungen absah, alterirte T\u00f6ne stets nur durch Kreuzzeichen ausdr\u00fcckte (allenfalls noch mit besonderen Merkmalen f\u00fcr geringere Alteration), einerlei was f\u00fcr T\u00f6ne sonst in der Melodie vorkamen, u. s. f. Ich habe dann die Melodien ohne materielle Aenderung (aufser an ganz vereinzelten Punkten, wo sie sich leicht motiviren liefsen) so umgeschrieben, dafs die Tonart \u00fcberall, der Tact \u00f6fters vollkommen deutlich und auch f\u00fcr uns verst\u00e4ndlich hervortrat.1 Dies war so einleuchtend, dafs der Verfasser selbst nachtr\u00e4glich seine Zustimmung erkl\u00e4rte. Es geht daraus hervor, dafs durch unzweckm\u00e4fsige Notirungs-principien aus dem Phonographen Notengebilde erwachsen k\u00f6nnen, die dem europ\u00e4ischen Auge zun\u00e4chst als w\u00fcste Sinnlosigkeiten erscheinen m\u00fcssen, w\u00e4hrend sie in Wirklichkeit vielleicht einfachen und wohlgebauten Melodien entsprechen.\nIn dieser Beziehung ist es freilich ein Nachtheil, wenn die Aufnahme und das Abh\u00f6ren von Verschiedenen besorgt werden ; wie es bei Gilman der Fall war, welchem Walter Fewkes die auf Reisen aufgenommenen Phonogramme lieferte. Zum Mindesten soll der Abh\u00f6rende bereits durch eigene Erfahrungen mit exotischen Weisen \u00e4hnlicher Art und mit der Vortragsmanier desselben oder eines verwandten V\u00f6lkerstammes vertraut sein. Darum d\u00fcrfte einer, dem an solchen Studien gelegen ist, die in grofsen St\u00e4dten h\u00e4ufig dargebotenen exotischen Auff\u00fchrungen nicht vers\u00e4umen. Wer nicht Ged\u00e4chtnifsbilder davon mitbringt, der wird in complicirteren F\u00e4llen aus dem Phono-\n1 Phonographirte Indianermelodien. In der Vierteljahrsschr. f. Musikwissenschaft 8 (1892), 127 f. Leser, die nachschlagen, mache ich besonders aufmerksam, dafs S. 131 Gilman\u2019s Notirung genau so zu lesen ist, wie geschrieben steht, mit c und f \u00fcberall, wo kein Vorzeichen speciell vor der jeweiligen Note steht.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nG. Stumpf.\ngraphen nicht king werden. Ueberhaupt aber darf ja \u00fcber dem Studium phonographischer Reproductionen das nach lebendigen Originalen nicht verschwinden.\nStatt durch Abh\u00f6ren und Notiren kann ein Phonogramm auch auf optischem und mathematischem Wege verwerthet werden. In dieser Weise hat der Physiologe Hekmann f\u00fcr die Vocaltheorie, der Psychologe Sckiptuke f\u00fcr die Untersuchung der sprachlichen Tonh\u00f6he, Accentuirung etc. Phonogramme benutzt. So liefsen sich nat\u00fcrlich auch Feinheiten der Intonation feststellen. Zwar gegen\u00fcber der wenig constanten Intonation exotischer Naturs\u00e4nger scheint mir vorl\u00e4ufig zur Anwendung so feiner Mittel keine Veranlassung vorzuliegen; aber in sehr kritischen F\u00e4llen k\u00f6nnte auch eine derartige Untersuchungsmethode einmal am Platze sein.\nIn der Wiener Akademie ist im vorigen Jahre der weittragende Vorschlag eines Phonogramm-Archives gemacht worden, worin Sprach- und Musikproben aller V\u00f6lker niedergelegt werden sollen, und es wurde eine Commission eingesetzt, um zun\u00e4chst den EmsoK-Phonographen selbst in bestimmten Richtungen zu einem \u201eArchiv-Phonographen1- umzugestalten. Vom Standpunkt solcher Studien, wie der hier vorgelegten, ist dieses Unternehmen aufs W\u00e4rmste zu begr\u00fcfsen, und die Herbeischaffung geeigneter Phonogramme w\u00e4re sp\u00e4ter wohl auch ein nicht unw\u00fcrdiger Gegenstand f\u00fcr den Wirkungskreis der jetzt ins Leben getretenen internationalen Association der Akademien.","page":138},{"file":"p0146s0011.txt","language":"de","ocr_de":"Beilage zu S. 123 ff;\nSiamesisches Or ehester st\u00fcck.\n\u201eKham hom = S\u00fcsse Worte\u201c\nPartitur.\nS\u00e4mmtliche Stimmen sind um eine Octave h\u00f6her zu denken.\nM. J =84, allm\u00e4lig steigend bis 136.\nKlui lek. (l. Fl\u00f6te.)\nKlui yai. (2. Fl\u00f6te.)\nRanat ek.\n(l. Holzharmonika.)\nRanat thum, (2. Holzharmonika.)\nGong\u2019 (ad lib.)\n2. Pauke.\nStumpf, Beitr\u00e4ge III.","page":0},{"file":"p0146s0013.txt","language":"de","ocr_de":"3","page":0},{"file":"p0146s0014.txt","language":"de","ocr_de":"4\nr^-\u00f9\t\u2022\t\t\t\t1\t-p-\t.\tp \t\tJJJ1. r \u00a3 p,\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n1\t1\t\t\tr\t\u2022\u2022 -\u00e9-\u00e9\t\\ UJ i\n\u00ab r-jn\t\t\u2014\t\t\t \u2014\t1\t\u2014-T\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n*J ^sL-\t*\t\t\tp\t-O-\tO P\t* -+-\t\u2022\tw -#L \u00ab \u2022 pi*- \"P\"\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n/ ^\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\tAV - F=fi T\t\t#\tAV r~i 1 r\"\"1\tt\u2014-J J J I\t\t\u2022 ' r\u2014s\t\u00ab p*\n/ Z. %\u2022\t\t\tIl FF 1 J \u00abt ..p \u2022 # J\t\t\n\t\t\t\t\t\nl / k\t=4\u00bb-^- =fc\u00b1\u00b1r\u00a3\u00b1\t\t\t\t\u2014\u2014* f . -J 1\u2014\n1 ' 6^\t\tm 1\t J\t\tn\t\t\tKSSSS\t^\"L-\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\ns\t\t*\t\t\t\ti J \u2022*\t\td ii-J r r\n.1/$\t\u2022\t0\tp P\t\tI*-\t\t\t\t\t\tffrf\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n)\tt_\u00ab\"- J *\t\t, , , ,\t\t\tj\u2014i\u2014i \n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\nnr\u2014i\u2014\u2022\u2014J\u2014\ti * J\t\t\u2666 #\t\t\u00aby\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n1 *J\t-\t\t\t\t\t<?\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\ntJ\tAV\tAV T#-# -(\u2022-\t\u2014^\t \u2014\t\tp-\tAV * f f\tL\u2014UJ ' f r-rf f ff\n| -jj;\tm\t\u2022\t* \u2014 S\tm J.\t\u2022\t\tp-\tp \u00a3 f\t3 -ff |\u00bb^\t","page":0},{"file":"p0146s0015.txt","language":"de","ocr_de":"5","page":0},{"file":"p0146s0016.txt","language":"de","ocr_de":"6","page":0},{"file":"p0146s0018.txt","language":"de","ocr_de":"8\n34\n35\ni\n\u2122 rra\n\u25a0*o\n","page":0},{"file":"p0146s0019.txt","language":"de","ocr_de":"3\n39\n38\nmolto ritardando","page":0},{"file":"p0146s0020.txt","language":"de","ocr_de":"10\nMelodie des vorstehenden St\u00fcckes nach dem Gesammteindruck.\n. i4 ^\t5 N r \u2014^\t6 1 J Ff=F=l\n\u25a0\u0178 r j\tH= \u25a0k i ; i\t\t\ti. 8 - p r f-\t\u2014J\u2014*\u2014J\u2014J\u2014A\t \t\t9 E=f=?=iF=P=\n\t\tfz\n/i\t10 Jl r J -^=p\t\u00ab =f=\\\tp\u2014\t12 J \"H ,=^\nT r J r -i-\t\tj j j j ij","page":0},{"file":"p0146s0021.txt","language":"de","ocr_de":"25\nmolto ritardando","page":0}],"identifier":"lit38486","issued":"1901","language":"de","pages":"69-138","startpages":"69","title":"Tonsystem und Musik der Siamesen","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:42:04.575218+00:00"}

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