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{"created":"2022-01-31T15:08:42.573661+00:00","id":"lit38494","links":{},"metadata":{"alternative":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft","contributors":[{"name":"K\u00f6hler, Wolfgang","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft 4: 134-181","fulltext":[{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\n[LI V. 241]\n(Aus dem Psychologischen Institut der Universit\u00e4t Berlin.)\nAkustische Untersuchungen. I.\nVon\nWolfgang K\u00f6hler,\n(Mit 1 Tafel.)\nInhalt.\nSeite\nEinleitung............. ........... \u2022\t............ \u2022\t134\nI.\t\u00dcber ei ne neue Methode der Klangaufnahme .\t.\t.\t.\t136\nII,\t\u00dcber die Funktion des Trommelfells und des Tensor\ntympani ........................................... .\nIII.\t\u00dcber die Klangfarben:\n\u00a7 1. Physik der Klangfarben .\t........... 161\n\u00a7 2. Versuch einer psychologischen Theorie der Klangfarbe .\t.\t171\nIV.\tVon den Vokal en .\t.\t.............................. .\t176\nSch lu Is ........................... 180\nSeitdem Helmholtz durch seine bekannten Experimente nachgewiesen hat, clafs die Farbe eines Klanges von der St\u00e4rke seiner Partialt\u00f6ne abh\u00e4ngt, ist in 50 Jahren eine Reihe von Arbeiten \u00fcber die Klangfarbe der Instrumente, eine ganze Literatur \u00fcber die der Vokale erschienen. Man weifs, wie die hervorragenden Forscher, welche sich diesen Gebieten zuwandten, nicht zufrieden mit den subjektiven Befunden des Ohres, eine Reihe von trefflichen Methoden erdachten, um auf physikalisch zuverl\u00e4ssigerem Wege Aufkl\u00e4rung zu erhalten. Denn von vornherein enthielt ja die HELMHOLizsche Lehre einen Dualismus, der zur Nachpr\u00fcfung reizen mufste: gleiche Klangfarbe bei Instrumenten wurde auf gleiche Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse der Partialt\u00f6ne zur\u00fcckgef\u00fchrt, gleicher Vokalcharakter auf das \u00dcberwiegen von Obert\u00f6nen in etwa fester H\u00f6he der Skala. Ob diese Zweiteilung den Tatsachen entspricht, und ferner, von welchen physikalischen Verschiedenheiten die Unterschiede der F\u00e4rbung im","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Akustische Untersuchungen. I.\n135\nLIV. 242]\neinzelnen ab h\u00e4ngen, eben das wollte man jetzt nachpr\u00fcfen, vornehmlich durch Verfahren, die die Klangkurve dem Auge sichtbar und endlich ihre dauernde Fixierung, wie damit die mathematische Behandlung m\u00f6glich machen.\nAber dieser Weg ist lang, und schon der Apparat schwer kontrollierbar, der die Schallwellen aufzeichnet; im allgemeinen wird das Ergebnis eine Resultante sein aus seinen Eigenschaften und denen des untersuchten Klanges. Liegt schliefslich Kurve und Rechnung vor, \u2014 wrer weifs, ob man sie richtig deutet? Kurz, man darf sich nicht wundern, wenn in den letzten Jahrzehnten der wissenschaftliche Streit nicht hat beigelegt werden k\u00f6nnen, zwischen Forschern, die f\u00fcr Vokale wie Instrumente die Ansicht des Meisters best\u00e4tigt fanden, solchen, die prinzipiell auf dem Boden der \u00fcberlieferten Lehre stehend, die Vokaltheorie doch glaubten modifizieren zu m\u00fcssen, anderen ferner, die beide Erkl\u00e4rungsweisen kombiniert auf beide Klangarten anwenden und endlich wieder anderen, die auf nur einem der zwei angedeuteten Wege schon Vokale und Instrumentfarben zugleich erkl\u00e4ren wollten. Als endlich in Arbeiten von Meissner1 und Herrmann-Goldap2 eine ganz unerwartete Theorie der Instrument-kl\u00e4nge aufgestellt wurde, bekam ich von Herrn Geheimrat Stumpe die Aufforderung, die Angaben der beiden Forscher nachzupr\u00fcfen .\nWenngleich ich nun haupts\u00e4chlich psychologisches Interesse an der Frage hatte und feste Grundlagen gewinnen wollte f\u00fcr eine Theorie, die die Farbe eines Klanges irgendwie aus den Eigenschaften der in ihm versteckten Partialt\u00f6ne oder ihren Relationen abzuleiten erlaubte, so mufste ich mir doch sagen, dafs ein solcher Versuch, ohne hinreichende Klarheit \u00fcber die objektiven Bedingungen jener akustischen Elemente unternommen, recht waghalsig, ja unm\u00f6glich sein w\u00fcrde; denn jede der vor-liegenden physikalischen Lehren involvierte ohne weiteres Folgerungen f\u00fcr das psychische Material, aus dem sich geh\u00f6rte Kl\u00e4nge aufbauen; auch \u00fcber dieses also mufste Unsicherheit herrschen, und wie nun einmal die Faktoren beschaffen sind, die nach all-\n1\tKlangaufnahmen an Blasinstrumenten, eine Grundlage f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der menschlichen Stimme. Nachgelassenes Manuskript von G. Meissner. Herausgegeben von R. Wachsmuth. Pfl\u00fcgers Archiv. 1907.\n2\t\u00dcber die Klangfarbe einiger Orchesterinstrumente und ihre Analyse. Dissertation. K\u00f6nigsberg 1908.","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nWolfgang Kohler.\n[LIV. 243]\ngemeinem Zugest\u00e4ndnis mit Klangfarben zu tun haben, \u2014 vorderhand mufste es sicherer scheinen, von irgendwie gesicherten objektiven Befunden auf psychische Tatbest\u00e4nde zu schliefsen, als eine unabh\u00e4ngige Feststellung dieser letzteren zu versuchen, ist es doch bisher noch fraglich, ob sie sich \u00fcberhaupt quantitativen Methoden werden unterwerfen lassen.\nAndererseits wieder konnte keiner der bisher eingeschlagenen Wege zum Ziele f\u00fchren: dafs von so vielen namhaften Gelehrten keiner sollte das Richtige getroffen haben, war freilich unwahrscheinlich, aber noch war kein Verfahren von unmittelbar garantierter Zuverl\u00e4ssigkeit vorhanden, das zwischen ihnen entschied. Ein solches Kontrollverfahren soll im folgenden geschildert werden.\nI. \u00dcber eine neue Methode der Klangaufnahme.\n\u201eEs w\u00e4re am erw\u00fcnschtesten, die Bewegung des Trommelfells selbst zur Analyse bringen zu k\u00f6nnen, jedoch ist dies zurzeit noch nicht m\u00f6glich.\u201c\tHensen. 1887.\nDie Grundlage aller ohren\u00e4rztlichen Untersuchungen ist das otoskopische Verfahren. Ein Hohlspiegel reflektiert das Licht einer starken Lampe in den Geh\u00f6rgang, und der Mediziner hat nur die Concha etwas nach hinten oben zu ziehen und vielleicht noch einen kleinen Trichter einzuf\u00fchren, um durch ein Loch im Spiegel das Trommelfell als Abschlufs des Meatus hell erleuchtet zu sehen. Das bedeutet physikalisch : Auf das Trommelfell geworfene Strahlen kommen, diffus reflektiert, wieder aus dem Ohr heraus, und da ja selbstverst\u00e4ndlich das Auge des beobachtenden Arztes an einer Stelle sich befindet, die kein Licht in den Geh\u00f6rgang wirft, so ist ersichtlich, dafs, besonders bei weitem Geh\u00f6rgang, einfallende und von der Membran zur\u00fcckgeworfene Strahlen gar nicht unbetr\u00e4chtliche Winkel miteinander m\u00fcssen bilden k\u00f6nnen. Gelingt es nun, einen kleinen Planspiegel derart auf dem Trommelfell anzubringen, dafs er das aufgefangene Licht ebenfalls wieder aus dem Geh\u00f6rgang zur\u00fcckwirft, so sind die wesentlichen Bedingungen f\u00fcr eine experimentelle Versuchsart gegeben, wie sie besonders von L. Hermann bei seinen Vokalaufnahmen mit Membranen und schwingenden Platten verwandt wurde.","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"S LI V. 244]\nAkustische Untersuchungen. I.\n137\nAuf diese Weise zu verfahren, ist dem Verfasser gelungen, und der Wunsch Hessens, den ich oben zitierte, jedenfalls erf\u00fcllt oder erf\u00fcllbar. Bevor ich aber das beweise, dr\u00e4ngt es mich, im Gef\u00fchl der gr\u00f6fsten Verpflichtung denen herzlich zu danken, ohne deren ungew\u00f6hnliche G\u00fcte und Ausdauer ich niemals h\u00e4tte so weit kommen k\u00f6nnen : zun\u00e4chst Herrn Professor Br\u00fchl, der es sich nicht verdriefsen liefs, den Spiegel immer wieder von neuem anzubringen, wenn er nicht die richtige Lage hatte oder locker geworden war; dann meinen Freunden stud. phil. E. Becker und stud. med. P. Stumpe, die, w\u00e4hrend ich selbst Versuchsperson war, die Anordnung besorgten und die Aufnahmen machten, wobei denn so gewandte Experimentatoren auf wesentliche Verbesserungen des von mir angegebenen Planes kommen mufsten. Sie haben weder Zeit noch Anstrengung geachtet, und das ist doppelt anzuerkennen, weil w\u00fcr zeitweilig auch keinen Schritt vorw\u00e4rts kamen.\nEinige Bedenken standen dem Vorhaben von vornherein im Wege, die es zu zerstreuen gilt; das medizinische zun\u00e4chst, es k\u00f6nnten durch den Spiegel im Ohr irgend gesundheitliche St\u00f6rungen lokaler oder allgemein nerv\u00f6ser Art verursacht werden, wird dadurch beseitigt, dafs zun\u00e4chst ich und nach mir zwei Versuchspersonen, endlich wieder ich selbst den Spiegel zum Teil Wochen hindurch auf dem Trommelfell getragen haben, ohne sein Vorhandensein irgend unangenehm zu bemerken. Ferner ist, was nat\u00fcrlich entscheidende Bedeutung f\u00fcr die Methode hat, auch eine Herabsetzung des Geh\u00f6rs bei den angewendeten Dimensionen nicht im geringsten vorhanden, solange der Spiegel wirklich fest am Trommelfell haftet; sobald er sich lockert, \u00fcbt er eine deutlich merkbare D\u00e4mpfung aus, an der ein solcher Fehler sogleich konstatiert werden kann. Auf diese Feststellung lege ich besonderen Wert, weil hier die Kritik am leichtesten ein-setzen k\u00f6nnte. W\u00e4hrend der ganzen Zeit habe ich akustische Beobachtungen gemacht und oftmals das freie Ohr fest verschlossen, um zu pr\u00fcfen, wie es mit der H\u00f6rsch\u00e4rfe des belasteten st\u00fcnde : nur ein einziges Mal habe ich geglaubt, eine ungewohnte Spur von metallischem Klang in allem Geh\u00f6rten zu entdecken, und keine der weiterhin berichteten Tatsachen st\u00fctzt sich auf Beobachtungen bei dieser Lage des Spiegels. Den Differenzton, den die Violinenquinten beim Stimmen geben, h\u00f6rte ich wohl auf zwei Meter und mehr bei Versehlufs des freien Ohres,","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"Wolfgang K\u00f6hler.\n138\n[LIV. 245\nund auch die schwachen Obert\u00f6ne der EDELMANNschen Gabeln mit Laufgewicht sind vollkommen deutlich.\nSchwieriger war es, den Spiegel derart auf dem Trommelfell anzubringen, dafs er seinen Zweck erf\u00fcllte. Alle Versuche, ihn direkt auf die Membran aufzusetzen, f\u00fchrten zu Mifserfolgen, weil dann bei der schr\u00e4gen Stellung des Trommelfells zur Achse des Geh\u00f6rganges der Reflex nicht wieder zur\u00fcckkam, sondern von der Meatuswand aufgefangen wurde. Ich hatte schon die Absicht, an der betreffenden Stelle einen zweiten Spiegel anzubringen, um durch ein nochmaliges Reflektieren des Lichtes zum Ziel zu kommen, aber zum Gl\u00fcck liefs sich ein derartiges unbequemes Billardspiel mit dem Strahl auf folgendem Wege vermeiden : aus feinem Aluminiumblech wurde ein Streifchen, \u00e4ndert-halbmal so lang wie der Spiegeldurchmesser und halb so breit geschnitten, in der Mitte geknickt, und dieses Winkelchen mit der einen H\u00e4lfte auf die R\u00fcckseite des Spiegels geklebt. Wurde nun die \u00d6ffnung des Winkels gleich 50 \u2014 60\u00b0 gew\u00e4hlt, so liefs sich durch ihn die Neigung des Trommelfells kompensieren. \u2014 \u00dcbrigens zeigte sich, dafs der kleine Apparat auch so noch nicht vollendet war. Die freie R\u00fcckseite des Aluminium winkeichen s wird zu den Versuchen mit Syndetikon auf die Membran geklebt. Will man Winkel und daran haftenden Spiegel sp\u00e4ter durch Aussp\u00fclen entfernen, so geschieht es gar zu leicht, dafs das Ganze in den Recessus f\u00e4llt, der von den beiden unteren Trommelfellquadranten und der schr\u00e4g nach unten laufenden Geh\u00f6rgangswand gebildet wird. Von dort ist er nur mit grofser M\u00fche zu entfernen, zumal wenn er so zu liegen kommt, dafs die glatte Spiegelfl\u00e4che am feuchten Trommelfell adh\u00e4riert. Ein am Scheitel des Winkels festgebundener d\u00fcnner Seidenfaden von der L\u00e4nge des Geh\u00f6rganges beseitigte diese Schwierigkeit: er bleibt beim Aufkleben mit seinem freien Ende zur\u00fcck und erlaubt es, ohne weiteres den durch vorsichtiges Sp\u00fclen mit warmem Wasser gelockerten Spiegelwinkel herauszuziehen. Weder das optische Verfahren noch die H\u00f6rf\u00e4higkeit wird so im mindesten behindert. Zun\u00e4chst ist freilich das kratzende Ger\u00e4usch, welches der Faden bei Bewegung der Gesichtsmuskeln im Meatus hervorruft, nicht erfreulich, aber wenn man den Spiegel erst einmal vierzehn Tage im Ohr getragen hat, wird man davon so wenig mehr gest\u00f6rt, wie gew\u00f6hnlich von der Reibung der Kleider am K\u00f6rper.\nDie Spiegel, die ich schliefslich allein verwendete, sind Plan-","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"[LIV. 246]\nAlmstische Untersuchungen. I.\n139\nSpiegel von 3 mm Durchmesser, wie sie die Firma Schmidt & Haensch f\u00fcr Galvanometer anfertigt; bei kleineren Spiegeln ist der Reflex zu lichtschwach, um photographisch gut verwendbar zu sein, bei 4 mm Durchmesser war eine gewisse Dumpfheit des belasteten Ohres f\u00fcr mich nicht zu verkennen, welche bei dem 3 mm-Spiegel, wie erw\u00e4hnt, v\u00f6llig fehlte. Mit dem Faden betr\u00e4gt das Gewicht des Ganzen 0,017 g, ein Betrag, der auch von Cerumen-st\u00fccken, die sich gelegentlich an das Trommelfell h\u00e4ngen, erreicht wird1; auch diese bilden ja keine akustische St\u00f6rung.\nBeim Aufkleben verfuhr Herr Professor Br\u00fchl folgender-mafsen : da mein Geh\u00f6rgang weit und gerade, mein Trommelfell relativ unempfindlich ist, konnte er den auf der R\u00fcckseite mit einem Leim tropf en versehenen Winkel mit der gew\u00f6hnlichen Fremdk\u00f6rperzange der Ohren\u00e4rzte fassen, in den Meatus einf\u00fchren und gegen die Membran dr\u00fccken ; erhielt er nicht gleich den Reflex, wie er sein sollte, so konnten oft kleine Verschiebungen und Drucke mit der Sonde noch zum Ziele f\u00fchren. Lag der Spiegel richtig, so wartete ich etwa eine halbe Stunde in derselben Stellung, bis sich ein Tr\u00f6pfchen Leim, das gleichzeitig mit dem verwendeten aus der Tube geflossen war, als erstarrt erwies, und konnte dann ohne irgend welche Vorsichtsmafsregeln davongehen und mich verhalten wie sonst. Beim Tanzen, Rudern, Laufen und Turnen blieb der Spiegel ruhig kleben, und erst nach einer Zeit, die zwischen einer und drei Wochen schwankte, stellte sich eine Lockerung ein, worauf er denn von neuem aufgesetzt wurde. Bemerken m\u00f6chte ich noch, dafs nat\u00fcrlich im Anfang jede Ber\u00fchrung des Trommelfells unangenehm ist, aber man gew\u00f6hnt sich sehr daran, und nur das Aufkleben an der Stelle, wo von der Innenseite der Hammergriff anliegt, beh\u00e4lt etwas Schmerzhaftes; man mufs sich wohl h\u00fcten, durch reflektorisches Zucken die Arbeit des Arztes zu erschweren.\nSoviel \u00fcber den gewissermafsen physiologischen Teil der Versuchsanordnung. Sie ist im \u00fcbrigen der bekannten Hermanx-schen nachgebildet. Die Innenwand eines Dunkelzimmers des psychologischen Instituts hat an einer Stelle eine quadratische \u00d6ffnung, die bis auf einen beweglichen Spalt verschlossen wird. Auf diesen f\u00e4llt das konzentrierte Licht einer im Nebenraume stehenden Projektionslampe von 20 Amp\u00e8re. Im Zimmer selbst\n1 So versichert mir Herr Prof. Br\u00fchl.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nWolfgang K\u00f6hler.\nL\u00cfV. 2471\nwird das Ohr der Versuchsperson derart in den Weg der Strahlen gebracht, dafs diese auf den Trommelfellspiegel fallen und nach der Reflexion den Meatus wieder verlassen. Jetzt werden sie von einer Linse konvergent gemacht, und wo das Bild des Spaltes entsteht, befindet sich der Aufnahmeapparat, ein lichtdichtes Metallgeh\u00e4use mit einem zu dem ersten senkrechten Spalt. Hinter diesem f\u00e4hrt, durch ein Gewicht gezogen, die photographische Platte vorbei und wird, wenn das Trommelfell schwingt, mit Kurven beschrieben.1 *\nSo einfach nun, wie das alles jetzt klingt, so schwierig Avar es, dahin zu kommen. Zur Festlegung des Kopfes zun\u00e4chst verfuhren Avir folgendermafsen : die Versuchsperson sitzt in einem Stuhl mit Kopfst\u00fctze und Stirnriemen; von einem festen Stativ auf der Seite des unbenutzten Ohres reicht eine starke Holzleiste bis unter ihr Kinn und dient als Tr\u00e4ger eines Brettes, das drehbar ist um Achsen parallel der Median- und Sagittalebene des Kopfes. Auf diesem Pult befindet sich, ebenfalls verschiebbar, ein Gipsabgufs des Unterkiefers, und in diesen wird durch einen Gurt der Kopf hineingedr\u00fcckt. Da das Stativ verstellbar, die das Pult tragende Leiste um eine vertikale Achse drehbar und die von hinten angreifende Kopfst\u00fctze nach oben und unten be-Aveglich, aufserdem noch in einem Kugelgelenk zu drehen ist, so ist in diesem System von Haltern gen\u00fcgend f\u00fcr \u201eFreiheitsgrade4' gesorgt, um verschiedene Einstellungen des Kopfes zu erm\u00f6glichen. Es versteht sich von selbst, dafs umgekehrt die einzelnen St\u00fctzen gen\u00fcgend fixiert werden k\u00f6nnen. Hier wird, vermute ich, der Physiker zur Kritik geneigt sein: man hat sich f\u00fcr die Aufstellung von Membranen zu phonophotographisehen Zwecken ersch\u00fctterungssichere Pfeiler gew\u00fcnscht, und bevor ich meine Versuche begann, ist mir von einem hochverehrten Naturforscher der EinAvand gemacht worden, es werde kaum m\u00f6glich sein, den von weicher Substanz rings umgebenen Kopf zu fixieren. Lange Zeit war ich deswegen auch in Sorge; aber immer wieder habe ich mir gesagt, dafs, wenn der Kopf nur einmal so weit fixiert w\u00e4re, dafs nicht durch gr\u00f6fsere Bewegungen die optische Einstellung gest\u00f6rt w\u00fcrde, damit auch Geschwindigkeiten ausgeschlossen sein m\u00fcfsten, die der Gr\u00f6fsenordnung nach den\n1 Der Aufnahmeapparat stammt von Herrn Mechaniker Oehmke in\nBerlin.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Akustische Untersuchungen. I.\n141\n[L1Y. 248]\nakustischen irgend gleichk\u00e4men.1 Ja, aus Gr\u00fcnden, die ich noch anzugeben habe, haben wir ein gewaltsames Einpressen vermieden; rvenn ich wollte, konnte ich immer kleine Bewegungen machen, und dadurch auf Geheifs meiner Versuchsleiter die optischen Verh\u00e4ltnisse g\u00fcnstiger gestalten. Im \u00fcbrigen verweise ich auf die weiterhin abgebildeten Kurven.\nBei der grofsen Mehrzahl der Versuche stand der Stuhl so weit von der Wand entfernt, dafs die Entfernung zwischen Spalt und Trommelfell etwa 45 cm betrug. Der Spalt war nach oben und unten, nach links und rechts verschiebbar, so dafs die sehr st\u00f6renden Schwankungen der Lampe kompensiert werden konnten, endlich um seine eigene Mitte drehbar, weil er ja auf der Schwingungsrichtung, die nach Lage des Spiegels und Kopfhaltung variierte, jederzeit senkrecht stehen sollte. Von der Wand zur R\u00fcckseite des Stuhles lief eine feste Metallstange, die drei Zwecken diente : zun\u00e4chst dem Ohre war ein Arm drehbar befestigt, dessen Ende sich \u00fcber dem Ohr befand und an einer Schnur eine innen wattierte Holzklammer zum Zur\u00fcckziehen der Ohrmuschel trug; mehr der Wand zu folgte, ebenfalls an drehbarem Arm, das Brillenglas von 2,25 Dioptrien, das als Linse diente, und endlich ein Spiegel mit Kugelgelenk, der die konvergenten Strahlen auf die gew\u00fcnschte H\u00f6he des zweiten Spaltes warf. Der Aufnahmeapparat, an dem sich dieser befindet, stand auf einem besonderen Stativ meist hinter dem R\u00fccken der Versuchsperson. Ich m\u00f6chte an dieser Stelle noch hervorheben, dafs es LIerr stud. P. Stumpf war, der bei den ersten Versuchen, bei denen er die Einstellung des Kopfes besorgte, die Notwendigkeit erkannte, den Spalt in der Wand mannigfach verschiebbar zu machen, und diese Aufgabe in ebenso einfacher wie sinnreicher Weise l\u00f6ste, ferner, dafs er auf meinen Vorschlag hin, eine Gipsmaske als St\u00fctze zu benutzen, das praktische Pult daf\u00fcr konstruierte, und dafs von ihm endlich die Vereinigung von Conchahalter, Linse und Spiegel auf einer Metallachse herr\u00fchrt.\nDie Entfernung der Linse vom Ohr ergab mit der des Ohres vom ersten Spalt die doppelte Brennweite der Linse, so dafs auch das Bild in dieser Entfernung hinter der Linse entstand und so grofs war, wie der abgebildete, sehr schmale Spalt selber. Das erwies sich schliefslich als die beste Anordnung, die mit unseren\n1 Es kommt hinzu, dafs die Aufnahme nur etwa 1j5 Sekunde dauerte","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nWolfgang K\u00f6hler.\n[LIV. 249]\nMitteln zu erreichen war. Die Vorz\u00fcge, die es hat, die Linse in den Lichtweg vor der Reflexion im Ohr anzubringen, werden leider aufgewogen dadurch, dafs dann die Versuchsperson aus einfachen optischen Gr\u00fcnden viel weiter von der Lichtquelle entfernt sitzen m\u00fcfste und die Fl\u00e4chendichte des Lichtes auf dem kleinen Spiegel infolgedessen allzu gering w\u00fcrde, ist er doch \u00fcberhaupt nur unter besonders g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden in allen seinen Teilen direkt beleuchtet. Damit wenigstens auf dem R\u00fcckweg von den reflektierten Strahlen soviel wie m\u00f6glich den Geh\u00f6rgang wieder verl\u00e4fst, erwies es sich als vorteilhaft, nicht nur die Concha, wie oben beschrieben, zur\u00fcck- und emporzuziehen, sondern vor allem zwischen Anthelix, Tragus und Antitragus einen schmalen Aluminiumring einzuklemmen, der den Tragus beiseite schiebt. Es ist nat\u00fcrlich ausgeschlossen, dafs diese beiden Mafs-regeln die zum Ohr dringenden Schallwellen irgend modifizieren konnten, ich habe auch als Versuchsperson nie das mindeste davon bemerkt, vom Ohrentrichter der Arzte, der ja die Funktion des Ringes h\u00e4tte \u00fcbernehmen k\u00f6nnen, sah ich gerade deshalb ab, weil er doch wie ein kleiner Resonator gewirkt h\u00e4tte. Die aufzunehmenden Kl\u00e4nge wurden so dicht vor dem Ohr erzeugt, wie es die optische Einrichtung nur gestatten wollte, aber stets ohne Schallrohr oder dergleichen.\nDas f\u00fchrt uns auf die Frage, was wir \u00fcberhaupt von unserer Methode zu erwarten haben. Dafs auch das Trommelfell, wie jede Membran, seine Eigenschwingungen haben m\u00fcsse, ist ein Einwand, der mir im Anfang mehrmals gemacht wurde, aber nat\u00fcrlich deshalb nicht stichhaltig ist, weil wir ja auch diese h\u00f6ren mtifsten und es mir ja gerade auf den geh\u00f6rten Klang ankommt. \u00dcbrigens sagen selbst Forscher, die so lebhaft das Studium der objektiven Schwingung empfehlen, wie L. Hermann, \u201edafs das Trommelfell den wahren Vorgang unzweifelhaft in aller Strenge, oder wenigstens in mafsgebendster Weise zur Darstellung bringt.\u201c 1\nAber wie, wenn Hermann, vor ihm Helmholtz, Politzer, Hensen und heute noch die grofse Mehrzahl der Ohren\u00e4rzte und Physiologen, im Irrtum w\u00e4ren, und die Meinung Johannes M\u00fcllers sich bewahrheitete, dafs der Schall in der Regel als longitudinale Welle durch Trommelfell und Geh\u00f6rkn\u00f6chelchenkette laufe und\n1 Pfl\u00fcgers Archiv 47, S. 369. 1890.","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Akustische Untersuchungen. I.\n143\nUV. 250]\ntransversale Schwingungen nur bei exzessivem Reiz vork\u00e4men? \u00c4hnliche Ansichten sind in neuester Zeit gerade von einigen Otiatern ge\u00e4ufsert worden, und wenn nach einer Autorit\u00e4t wie Bezold \u201ein der Aufnahme (nur) der tiefen T\u00f6ne aus der Luft . . . die Haupt-, ja wahrscheinlich die einzige Funktion des Schallleitungsapparates besteht\u201c1, so mufs man sich doch sagen : Schwingungen, die wir nicht h\u00f6ren, kann das Trommelfell nicht machen \u2014 vielleicht aber macht es nicht einmal alle mit, die wir h\u00f6ren ?\nDaraus ergab sich die Aufgabe, zun\u00e4chst \u00fcber die Funktionsweise des Trommelfells das N\u00f6tigste festzustellen. Und nicht allein f\u00fcr das Ziel dieser Untersuchungen, auch f\u00fcr die Physik, die Physiologie der Sinnesorgane und nicht zum wenigsten die Ohrenheilkunde mufste ja jede gesicherte Auskunft hier\u00fcber von bedeutendem Interesse sein.\nII. \u00dcber die Funktion des Trommelfells und des Tensor\ntympan L\nVon Ed. Weber, Mach und PIelmholtz r\u00fchrt im wesentlichen die Theorie der Mittelohrfunktion her, von der ich ausging. In ihren Grundz\u00fcgen kurz und klar pr\u00e4zisiert, findet man sie von K. L. Schaeeer: \u201eDas Trommelfell schwingt mit dem fortzuleitenden Tone oder Klange als resonierende Membran mit. Bei seiner Einw\u00e4rtsbewegung geht die Hammergriffspitze mit nach innen und, da die Bewegung des Hammers im wesentlichen eine Drehung um das Achsenband ist, der Hammerkopf nach aufsen. Dabei nimmt letzterer den Kopf des Ambofs, der sich seinerseits um seinen kurzen Fortsatz als Achse dreht, mit und veranlafst so eine Plebung und Einw\u00e4rtsbewegung des langen Ambofsfort-satzes, durch welche der Steigb\u00fcgel in den Vorhof gedr\u00fcckt wird. Beim Ausw\u00e4rtsschwingen des Trommelfells verlaufen die Bewegungen der Kn\u00f6chelchen umgekehrt.\u201c 2 3\nPolitzer 3 war der erste, der am Pr\u00e4parat den experimentellen Nachweis erbrachte, dafs wirklich die Geh\u00f6rkn\u00f6chelchen als Ganzes schwingen. Nach \u00d6ffnung des Teginen tympani\n3 M\u00fcnchener medizinische Wochenschrift 19/20. 1900.\n2\tNagels Handbuch der Physiologie des Menschen. 3, II.\n3\tArch. f. Ohrenheilk. 1.\t1864.","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nWolfgang Koliler.\n[LIV. 251\nbefestigte er am Hammerkopf ein F\u00e4hnchen, und dieses schrieb auf einer berufsten Fl\u00e4che die zierlichsten Kurven auf, sobald das Trommelfell von intensivem Schall getroffen wurde. Lucae 1 konnte diese Resultate mehrfach best\u00e4tigen, Buck2 3 und andere sie durch mikroskopische Beobachtung erg\u00e4nzen. Endlich machte Beethold 3 den \u00e4ufseren Geh\u00f6rgang des lebenden Menschen zur manometrischen Kapsel, wobei das Trommelfell die von K\u00f6nig verwandte Membran vertrat, und erhielt auch Flammenkurven im rotierenden Spiegel, wenn er eine t\u00f6nende Stimmgabel auf den Kopf setzte. Auch diese Angaben sind bei Wiederholung durch Nagel und Samojloef4 best\u00e4tigt worden.\nTrotzdem habe ich lange Zeit die wiedergegebene Theorie bezweifelt und vergeblich nach Erkl\u00e4rungen f\u00fcr die Versuchsergebnisse der genannten Forscher gesucht. Wir haben n\u00e4mlich Wochen hindurch keine Schwingungen des Trommelfells konstatieren k\u00f6nnen. Ich erw\u00e4hne das f\u00fcr diejenigen, die etwa meine Angaben nachpr\u00fcfen wollen, und denen es zun\u00e4chst ebenso gehen k\u00f6nnte. Ganz aufgekl\u00e4rt ist dieser anf\u00e4ngliche Mifserfolg noch nicht. Da er auch jetzt noch auf tritt, sobald der Spiegel nicht absolut fest am Trommelfell anliegt, w\u00e4re es m\u00f6glich, hierin den Fehler zu sehen, zumal wir damals, um Herrn Professor Br\u00fchl nicht zu sehr zu beanspruchen, das Aufkleben des Winkelchens selbst besorgten, nat\u00fcrlich mit einer sch\u00fcchternen Vorsicht, die der ge\u00fcbte Ohrenarzt dieser z\u00e4hen, wenn auch sehr d\u00fcnnen Membran gegen\u00fcber nicht anzuwenden braucht. Man mufs ferner in solchen F\u00e4llen nicht vergessen, den Spalt um seine Mitte zu drehen. Die Beobachtungen geschehen an einem weifsen Schirm, auf den der Trommelfellspiegel das Bild des Spaltes wirft. F\u00e4llt nun die Schwingungsrichtung zuf\u00e4llig ganz oder nahezu mit seiner L\u00e4ngsrichtung zusammen, so wird es besonders, solange man noch keine Erfahrung hat, schwer, die Verbreiterung, die Schwingungen anzeigt, zu konstatieren, nat\u00fcrlich . weil die absolute Unterschiedsempfindlichkeit dann zu gering ist.\nUm die Ausschl\u00e4ge durch Verl\u00e4ngerung des Lichthebels\n1\tZuerst Arch. f. Ohrenheilk. 1.\t1864.\n2\tArch. f. Augen- u. Ohrenheilk. 1 (2). 1870.\n3\tMonatsschr. f. Ohrenheilk. 1872.\n4\tArch. f. Anatomie u. Physiologie. Phys. Abteilung. 1898.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"LIV. 252]\nAkustische Untersuchungen. I.\n145\nvielleicht doch noch sichtbar zu machen, hatten wir schliefslich das durch sehr schwache Linsen entworfene Bild erst in 12 m Entfernung (nach mehrmaliger Reflexion durch Spiegel an den Zimmer w\u00e4nden) aufgefangen, wobei es nat\u00fcrlich selbst vergr\u00f6fsert und zu einem Lichtbande wurde. Als deshalb auch dies Mittel selbst bei lautem Schreien versagte, beschlofs ich, um ganz sicher zu gehen, doch noch einen Bildpunkt w\u00e4hrend der Schalleinwirkung zu photographieren; es konnte ja sein, dafs sich dabei noch kleine Bewegungen konstatieren liefsen, die uns bei direkter Beobachtung entgangen waren. Dazu mufste das Bild sch\u00e4rfer und feiner gemacht, also gen\u00e4hert werden. Und als dies nach Linsenaustausch geschehen war, bemerkte Herr Becker beim Rufen eines Vokals eine deutliche Verbreiterung, \\Ton deren Vorhandensein wie von der Richtigkeit aller weiter folgenden Angaben ich mich \u00fcberzeugen konnte, wenn das Bild mittels des drehbaren Spiegels auf einen Schirm vor mir (der Versuchsperson) geworfen wurde. Sp\u00e4ter zeigte sich, dafs diese Verbreiterungen auch sehr gut erzeugt werden konnten, wenn ich selber (nach Entfernung der Gipsmaske) laut sang, und wenn mir an einem Spafs gelegen h\u00e4tte \u2014 der Aufnahmeapparat konnte in den Bereich meines Armes gestellt und ein Vokal der eigenen Stimme vom eigenen Trommelfell eigenh\u00e4ndig photographiert werden. Es schwingt seit jener Zeit immer, an der von uns benutzten Stelle merklich und so, dafs Aufnahmen m\u00f6glich werden, freilich nur bei ziemlich lautem Schall. Diese Stelle ist der Teil der Membran, dem von innen der Grift des Hammers anliegt; sie wurde gew\u00e4hlt, weil man nicht im voraus wissen kann, ob alle Teile des Trommelfells gleichm\u00e4fsig auf alle T\u00f6ne reagieren, sicher aber jedes Klangelement, das \u00fcberhaupt auf dem Weg der Geh\u00f6rkn\u00f6chelchenkette ins innere Ohr gelangt, Komponente der Hammergriftschwingungen werden mufs. Da ich vor allem meinem Hauptziel zustrebte, mufste ich auf diesen Umstand Gewicht legen und die Untersuchung der \u00fcbrigen Membranteile einstweilen beiseite lassen; diese Arbeit wird mit einer zuf\u00e4lligen Beobachtung abschliefsen, die vielleicht auf Eigenschaften eben jener anderen Trommelfellteile hin weist.\nF\u00fcnf Arten von Bewegungen macht das vom Ohr kommende Spaltbild. Von Zeit zu Zeit verschiebt es sich ohne akustischen Anlafs ein wenig in irgendeiner Richtung, und wenn auch die Versuchsperson es nicht selbst ang\u00e4be, so k\u00f6nnte doch der ge\u00fcbte\nStumpf, Beitr\u00e4ge IV.\t10","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nWolfgang Kohler.\n[LIV. 253]\nBeobachter, der sozusagen das Bild kennt, diese Verschiebungen gew\u00f6hnlich als Kopfbewegungen ohne weiteres von anderen unterscheiden. Sie kommen nat\u00fcrlich bisweilen vor, wenn die Versuchsperson schon l\u00e4ngere\u2019 Zeit eingeschnallt ist, sind aber auch dann noch mit Sicherheit f\u00fcr wichtige Minuten vollst\u00e4ndig auszuschliefsen, zumal wenn die Versuchsperson die eigene Haltung durch Beobachtung des Reflexes pr\u00fcfen kann. Erst wenn \u2014 besonders bei unbequemer Kopfhaltung \u2014 die Halsmuskeln krampfartig zu vibrieren beginnen, kann auch der festeste Wille nicht mehr viel helfen. Die zweite Bewegung ist die beim Schlucken; dabei beschreibt der Reflex eine lange Schleife nach unten. Die dritte ist die vom Puls im Trommelfell herr\u00fchrende : als ein kleines Zucken nach oben ist sie jederzeit dem aufmerksam beobachtenden Auge sichtbar, und dafs ihr mit Recht diese Ursache zugeschrieben wird, zeigt sich sofort beim Vergleich mit dem Handgelenkpuls. Auf akustische Einwirkung reagiert das Bild zweifach : es wechselt seine Lage sofort nach Einsetzen des Schalles, und es verbreitert sich, dies wegen der Hammeroszillationen, jenes durch die Reflexbewegung des ber\u00fchmten Musculus tensor tympani. Vor allem ist erforderlich zu wissen, welche Rolle dieser spielt, und deshalb soll an dieser Stelle berichtet werden, was sich \u00fcber ihn feststellen liefs.\nWovon der Reflex des Tensor tympani abh\u00e4ngt, wie er sich abspielt, das sind nicht ganz gel\u00f6ste Fragen. Demgem\u00e4fs schwanken die Theorien und die Auslegungen seiner Wirksamkeit in teleologischer Hinsicht. Johannes M\u00fcller hielt ihn f\u00fcr ein Schutzmittel: die Sehne des Muskels greift am Manubrium mallei au, und da dieses mit dem Trommelfell verwachsen ist, so dachte er sich bei \u00fcberm\u00e4fsiger Schalleinwirkung den Muskel kontrahiert und die Oszillationen von Membran und Hammer durch Spannung reduziert.\n\u00c4hnlich stellte sich wohl Helmholtz zu der Frage, ganz anders eine Zeitlang Mach 1, welcher vermutete, der Tensor akkommodiere das Trommelfell f\u00fcr die verschiedenen Tonh\u00f6hen, jeder derselben korrespondiere eine bestimmte Anspannung des Muskels \u2014 wir nennen dies im folgenden Akkommodationstheorie \u2014, und eigentlich seien es die verschiedenen Spannungsempfindungen, welche uns Tonh\u00f6hen erkennen liefsen. Stumpf\n1 Sitzungsber. d. W. Akad. Math. phys. Kl. 1863.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"[LIV. 254]\nAkustische Untersuchungen. 1.\n147\nhat bereits in dem ersten Band der \u201eTonpsychologie\u201c die wichtigsten Bedenken gegen die skizzierte Ansicht ge\u00e4nfsert, und aus Mangel an experimentellen Nachweisen gab der ber\u00fchmte Physiker seine Meinung auf. Sp\u00e4ter aber stellten Hexsex 1 und Bockexdahl 2 am lebenden Tiere Versuche an, wobei auf verschiedene Tonh\u00f6hen verschiedene Zuckungen des Muskels erfolgten, nur konnten die Kieler Physiologen nicht dar\u00fcber eins werden, ob der Tensor w\u00e4hrend dauernder Schalleinwirkung kontrahiert bleibe oder nur im Beginn eine Zuckung ausf\u00fchre. Hexsek h\u00e4lt auf seine Untersuchungen hin bis in die neueste Zeit daran fest, der Tensor sei ein Akkommodationsmuskel mit der besonderen Aufgabe, die Konsonanten abzuschw\u00e4chen, damit die wichtigen Vokale mehr hervortreten.1 2 3 4 Ebenfalls auf Grund von Versuchen an Hunden hat Pollak (Medizinische Jahrb. N. F. 1886) die Akkommodationstheorie verteidigt; er hatte \u00fcbrigens anhaltenden Ausschlag gefunden, aufserdem \u201eUnterschiede, welche sich durch die verschiedene Intensit\u00e4t der angeschlagenen T\u00f6ne ergeben\u201c. \u2014 Und wie schon die genannten Forscher bemerkten, dafs auch bei gleicher Tonh\u00f6he st\u00e4rkerem Schall ein st\u00e4rkerer Reflex folgte, so haben mehrere Mediziner, zuerst wohl Politzek, am Pr\u00e4parat eine Abnahme der Schwingungen bei Tensorspannung konstatiert, ein Befund, durch den eine Abh\u00e4ngigkeit der Reaktion von der Intensit\u00e4t des einwirkenden Schalles und die Annahme einer Schutzfunktion im Sinne Johaxxes M\u00fclleks recht nahegelegt wurde. Kessel vollends machte an Patienten die erg\u00e4nzende Beobachtung, dafs die Schwingungen des Hammerkopfes nach Durchschneidung des Tensors um Zunahmen. Trotz dieser Befunde hat Ostmahx 4 die Annahme eines Apparates, welcher in dein Moment, wo das Sinnesorgan in Aktion tritt, die Sch\u00e4rfe des Sinnsorganes vermindert, f\u00fcr paradox erkl\u00e4rt. Wer weifs? Die Natur scheint bisweilen kaprizi\u00f6s, und statt immer recht viel Licht auf die Netzhaut fallen zu lassen, verengert sie paradox genug bei wachsender Reizintensit\u00e4t die Pupille, wobei denn, wenn man es so auffassen will, die \u201eSch\u00e4rfe des Sinnesorganes vermindert wird\u201c.\n1\tHermanns Handb. d. Phys. III. 2.\n2\tDiss. Kiel 1880.\n3\tPfl\u00fcgers Arch. 87. 1801. Ergebnisse d. Phys. I, 2. S. 860 ff.\n4\tArch. f. Anatomie u. Physiologie. 1898.\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nWolfgang K\u00f6hler.\n[LIV. 255]\n\u00dcber die Reflexbahnen des Tensor tympani bei Hunden und Katzen hat dann Hammerschlag eine aufserordentlich klare Arbeit ver\u00f6ffentlicht. Es gelang ihm zun\u00e4chst, Pollaks Versuche zu best\u00e4tigen, wonach der Reflex in zentripetaler Phase im Akustikus verl\u00e4uft, und zwar schien der H\u00f6rnerv nur bei ad\u00e4quater Reizung die Reaktion auszul\u00f6sen. Da (wie fr\u00fcher in PoLiTZERschen Untersuchungen) bei Reizung des peripheren Trigeminusstumpfes der Muskel in Kontraktion geriet, so ist auch \u00fcber die zentrifugale Bahn ein Zweifel nicht mehr m\u00f6glich. Wichtig sind nun folgende Feststellungen : wie schon Gelle und Stricker behauptet haben, ist n\u00e4mlich der Reflex konsensorielh Wenn Hammerschlag Schnecke und Nervus acusticus rechts v\u00f6llig zerst\u00f6rte, so brachten T\u00f6ne von einiger Intensit\u00e4t vor dem linken Ohr den rechten Hammer zu kr\u00e4ftiger Bewegung. Die Reaktionen unterblieben nat\u00fcrlich nach Durchschneidung auch des linken Akustikus, und der Autor kann den Satz aufstellen: \u201eNeben der zweifellos bestehenden Reflexbahn zwischen dem Akustikuskern und dem motorischen Trigeminuskern derselben Seite besteht . . . eine zweite Reflexbahn, die von dem Akustikuskern der einen Seite zum motorischen Kern des Trigeminus der anderen Seite verl\u00e4uft,\u201c \u2014 Es gelang sogar (wenigstens f\u00fcr Katzen), den Verlauf dieser zweiten Reflexbahn n\u00e4her zu bestimmen.\nDie zweite wichtige Tatsache ist, dafs der Reflex ohne Beteiligung des Grofshirns erfolgen kann: die Reaktion erfolgte unver\u00e4ndert nach beiderseitiger totaler Schl\u00e4fenlappenexstirpation, ebenso wenn durch einen Schnitt unter dem Hinterhauptslappen hindurch das Grofshirn von Medulla, Br\u00fccke und Kleinhirn vollst\u00e4ndig getrennt wurde. Die n\u00e4heren Angaben m\u00fcssen wir bitten, in der Originalarbeit1 selbst nachzulesen. Wir werden noch einmal auf sie zur\u00fcckkommen.\nVor wenigen Jahren \u2014 und wir sind erst nach Abschlufs unserer Untersuchungen darauf aufmerksam geworden \u2014 hat endlich W. Heinrich 2, der die Akkommodationstheorie vertritt, an Tierpr\u00e4paraten Versuche gemacht, unter Anwendung einer der unseren \u00e4hnlichen Methode. Aber leider hat er sie durch das MiCHELSOxsche Interferenzverfahren kompliziert, und da der angewandte Spiegel gar zu klein war, konnten keine Aufnahmen\n1\tArch. f. Ohrenheilkunde 47. 1899.\n2\tBulletin der Krakauer Akad. Math.-naturwissenschaftl. Kl. 1903.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"LI Y. 256]\nAkustische Untersuchungen. I.\n149\ngemacht und trotz der gr\u00f6fsten Anstrengungen sichere Resultate nicht erzielt werden; der Autor scheint selbst nicht befriedigt, und wenn er doch meint, an der Akkommodationstheorie fest-halten zu sollen, so m\u00fcssen wir auf Grund der Tatsachen widersprechen, die in folgendem zusammengestellt sind.\nDer Tensorreflex wurde gleich beim Beginn unserer Versuche von Herrn stud. med. Stumpf bemerkt. Wenn man vor dem \u201earmierten\u201c Ohre ruft, springt das Spaltbild auf dem Schirm an eine andere Stelle. Wir verwandten in allen F\u00e4llen das rechte Ohr, und da war die Bewegung nach hinten unten gerichtet, bald mehr horizontal, bald mehr nach unten, je nachdem wir den Kopf fixiert hatten und wo der Spiegel aufgeklebt war. Diese Richtung entspricht denn auch den anatomischen Verh\u00e4ltnissen: der Tensor greift etwa in der Mitte der Gesamtl\u00e4nge des Hammers (von der Spitze des Manubrium bis zum Caput mallei gerechnet), also an einer Stelle an, die in der H\u00f6he des oberen Trommelfellrandes (Membrana flaecida) liegt, und nimmt seinen weiteren Verlauf nach vorw\u00e4rts, wo er in der Wand der Tuba verschwindet. Bei Kontraktion mufs also die Spitze des Manubrium mit dem Umbo nach vorne einw\u00e4rts gezogen werden, so dafs die beschriebene Bewegung des Spaltbildes nicht ausbleiben kann.\nIn wenigen Versuchen konnte schon festgestellt werden, dafs der Reflex nicht eine momentane Zuckung ist, dafs vielmehr der Tensor tetanisch gespannt bleibt, solange die Intensit\u00e4t des Reizes dieselbe ist; in einzelnen F\u00e4llen zwar schien er \u00fcber das Ziel hinausgeschossen zu sein und kehrte um einen ganz geringen Bruchteil des ersten Ausschlages zur\u00fcck, aber da auch diese Erscheinung immer unterblieb, wenn recht sorgf\u00e4ltig auf m\u00f6glichst konstante St\u00e4rke des Klanges geachtet wurde, so ist sie wohl auf Intensit\u00e4tsschwankungen zur\u00fcckzuf\u00fchren. Sobald wir zu photographieren begannen, war eigentlich jede Aufnahme eine Best\u00e4tigung dieses Befundes; denn bevor irgend ein Klang photographiert werden konnte, mufste das Bild des ersten Spaltes so weit seitlich von dem zweiten 1 (am Aufnahmeapparat) entworfen werden, dafs es der Reflex des Tensor tympani bei der beabsichtigten St\u00e4rke gerade auf die richtige Stelle brachte. Und w\u00e4hrend es sich hier befand, wurde es photographiert. Nun h\u00f6ren freilich diejenigen, welche den Tensor willk\u00fcrlich zu inner-\n1 Und oberhalb der gew\u00fcnschten H\u00f6he.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nWolfgang K\u00f6hler.\n[LIV. 257J\nvieren verm\u00f6gen, bei dieser tetanischen Kontraktion \u201eein tiefes, schnurrendes Muskelger\u00e4usch, welches wir beim H\u00f6ren niemals wahrnehmen\u201c (Ostmann) , aber der Otiater, der daraufhin behauptet hat, beim gew\u00f6hnlichen H\u00f6ren trete unzweifelhaft keine tetanische Kontraktion auf, wird zugeben, dafs sich die Verh\u00e4ltnisse in beiden F\u00e4llen nicht wohl vergleichen lassen, schon, weil vermutlich die willk\u00fcrliche Anspannung, die den Muskelton ergibt, weit st\u00e4rker ist, als die in der Regel vorkommenden reflektorischen. An der Tatsache der dauernden Anspannung ist jedenfalls nicht mehr zu zweifeln.\nAus dem Gesagten ist schon zu entnehmen, dafs die Gr\u00f6fse der Ausschl\u00e4ge von der Intensit\u00e4t abh\u00e4ngt. Keineswegs aber darf man dabei nur an lautes Schreien und Knalle denken. Wird das zu beobachtende Bild etwas weiter entfernt aufgefangen, so erkennt man, dafs jedes Sprechen, ja R\u00e4uspern im Zimmer zu sichtbaren Reaktionen von je nach der Intensit\u00e4t \\Terschiedener Gr\u00f6fse f\u00fchrt; bei einer Entfernung des Schirmes von mehreren Metern kann man Ausschl\u00e4ge von Bruchteilen eines Millimeters und von halben Dezimetern bekommen, z. B. indem man eine t\u00f6nende Stimmgabel bald dem Ohr n\u00e4hert, bald entfernt.\nDamit ist eigentlich jede Akkommodationstheorie schon unm\u00f6glich geworden. Nach ihr soll ja (z. B. bei W. Heineich) den verschiedenen Tonh\u00f6hen ein verschiedener Spannungszustand des Tensors entsprechen und dadurch der Eigenton des Trommelfells der Fl\u00f6he des jeweiligen Klanges angepafst werden. Nun entsprechen aber schon ein und demselben Ton, je nachdem wie stark er ist, ganz verschiedene Anspannungen und also Trommelfelleigent\u00f6ne, es ist also nichts mit der qualitativen Anpassung.\nDas kann man auch direkt beweisen und durch diesen Be\u00bb weis eine andere Frage gleich mitentscheiden, n\u00e4mlich ob die Gr\u00f6fse des Ausschlages von dem jeweilig st\u00e4rksten Ton abh\u00e4ngt oder von der Gesamtenergie der gleichzeitig wirkenden Schallwelle. Da der Reflex in zentripetaler Phase durch die Schnecke verl\u00e4uft, W), wie wir wissen, irgendwie der Schall in seine Sinuskomponenten zerlegt wird, so ist die Antwort nicht selbstverst\u00e4ndlich. Wir verfuhren nun so, dafs zu einem von einer M\u00e4nnerstimme nach Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t unver\u00e4nderlich festgehaltenen Tone f\u00fcr k\u00fcrzere Zeiten eine zweite andere T\u00f6ne bald tiefer, bald h\u00f6her hinzuf\u00fcgte. Wie immerhin zu erwarten war, ist der Ausschlag w\u00e4hrend des Zusammenklanges entsprechend gr\u00f6fser und","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Akustische Untersuchungen. I.\n151\n[LIV. 258]\n\u2014 damit kommen wir auf die Akkommodationsfrage zur\u00fcck \u2014 es ist f\u00fcr Richtung und Betrag des Zuwachses v\u00f6llig gleichg\u00fcltig, ob der hinzukommende Ton \u00fcber oder unter dem ersten liegt, der Betrag zeigt sich vielmehr wieder nur von der Intensit\u00e4t abh\u00e4ngig und ist immer positiv, nach jener Hypothese m\u00fcfste er in einem Falle positiv, im anderen negativ sein. Wenigstens sollte man denken, dafs sich der Tensor, einmal dazu bestimmt, das Trommelfell qualitativ zu akkommodieren, f\u00fcr eine Mittelstellung entscheide, wenn man ihm mit zwei gleichzeitigen T\u00f6nen kommt. In welche Verlegenheit aber m\u00fcfste er geraten, sobald der eine aus der Subkontra-, der andere aus der f\u00fcnfgestrichenen Oktave gew\u00e4hlt wird, oder vollends, wenn der reichhaltige Akkord eines modernen Orchesters mit Eigent\u00f6nen des Trommelfells versorgt sein will!\nOb der Reflex \u00fcberhaupt f\u00fcr verschieden hohe T\u00f6ne bei gleicher Intensit\u00e4t irgend verschieden ausf\u00e4llt, dar\u00fcber k\u00f6nnen wir eine endg\u00fcltige Entscheidung noch nicht geben, weil das Desiderat aller Akustiker, ein Instrument, das die Skala reiner T\u00f6ne in mefsbaren St\u00e4rken herzustellen erlaubt, vorl\u00e4ufig noch Desiderat ist und bleiben wird. Beobachtet wurde bisher vom Anfang der kleinen bis zu dem der f\u00fcnfgestrichenen Oktave. Wenn Unterschiede vorhanden sind, beschr\u00e4nken sie sich auf eine geringe Abnahme der Tensorbewegung bei den h\u00f6chsten T\u00f6nen, aber die waren zwar unangenehm, doch (mit der Galtonpfeife) nicht so laut zu bekommen, wie die der mittleren und tiefen Regionen. Was helfen \u00fcbrigens subjektive Absch\u00e4tzungen objektiver Intensit\u00e4ten in einem Falle, wo vielleicht die letzteren durch die Wirksamkeit eben des Tensors f\u00fcr den Urteilenden modifiziert werden? Als sehr wahrscheinlich kann indessen gelten, dafs in den mittleren Oktaven die Reflexgr\u00f6fse \u00fcberhaupt nicht Funktion der Tonh\u00f6he ist. Wenn fr\u00fchere Autoren angeben, die Vokale a e i o u erzielten in dieser Reihenfolge bei gleicher Tonh\u00f6he (?) und St\u00e4rke immer schw\u00e4chere Reaktionen, so d\u00fcrften wohl doch Intensit\u00e4tsunterschiede zur Erkl\u00e4rung heranzuziehen sein (vgl. Stumpe, \u201eTonpsychologie\u201c II, S. 299f.). Wir k\u00f6nnen nichts davon bemerken, wenn wdr uns M\u00fche geben, die Vokale gleich stark zu singen oder zu sprechen. Aufserdem w\u00fcrde die Akkommodationstheorie mit einer solchen Tatsache nichts anfangen k\u00f6nnen; denn die charakteristischen Tonh\u00f6hen der Vokale, auf die es doch wohl abgesehen ist, liegen, wie sich","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nWolfgang K\u00f6hler.\nLIY.\n259]\nzeigen l\u00e4fst, bestimmt nicht in dieser Reihenfolge auf der Skala verteilt.\nUm die Versuche Hammeiischlags best\u00e4tigen zu k\u00f6nnen, welche bei Katzen den Reflex als konsensoriell erwiesen, wandten wir folgendes Verfahren an: Aus einem Raum, der von dem Versuchszimmer durch einen dritten getrennt war, wurde m\u00f6glichst schalldicht eine R\u00f6hrenleitung bis neben die Versuchsperson gelegt und mit deren linkem Ohr durch einen ebenfalls v\u00f6llig abschliefsenden H\u00f6rschlauch verbunden. War der Schlauch zugedr\u00fcckt, so konnte ein draufsen in die R\u00f6hre gesungener Ton nur eben schwach geh\u00f6rt werden, und der rechte Tensor machte keine merkliche Bewegung. Sowie aber der Schlauch ge\u00f6ffnet wurde, fand eine heftige Kontraktion, nat\u00fcrlich wieder bleibender Art und in genau der Richtung, wie bei Schall vor dem rechten Ohr, statt. An Kopfknochenleitung ist gar nicht zu denken, weil die Reaktion reichlich so stark auftrat wie bei Versuchen mit direkter Einwirkung auf das rechte Ohr, bekam doch das linke Impulse zugeleitet, die wegen der schalldichten Zuleitung \u00e4ufserst intensiv w^aren. Eine Verbreiterung des Spaltbildes war bei diesem Versuch nicht sicher festzustellen, womit nicht bewiesen ist, dafs die Kopfknochenleitung nicht sehr geringe Schwingungen auch am Trommelfell hervorzubringen verm\u00f6chte.1 Jedenfalls aber ist die Reflex\u00fcbertragung auch beim Menschen gesichert, wofern wir \u00fcberhaupt aus den Feststellungen an einer Versuchsperson solche Schl\u00fcsse ziehen d\u00fcrfen.\n\u00dcber die Vorg\u00e4nge bei willk\u00fcrlicher Kontraktion konnte ich nichts ausmachen, weil ich nicht zu denen geh\u00f6re, deren Tensor Willensimpulsen folgt. Dagegen konnten wir einiges \u00fcber die Geschwindigkeit ermitteln, mit der der Muskel Intensit\u00e4ts\u00e4nderungen folgt. Metronomschl\u00e4ge begleitet das Spaltbild auf dem Schirm durch Verschiebungen in gleichem Tempo, jedoch kehrt der Muskel schon bei dem Tempo 200 (etwas \u00fcber 3 Schl\u00e4ge pro Sekunde) zwischen den einzelnen Schl\u00e4gen nicht mehr v\u00f6llig in seine Ruhelage zur\u00fcck ; z\u00e4hlt man etwas lauter, als das Metronom schl\u00e4gt, und in demselben Tempo, so bekommt man auch jetzt noch sehr deutlich voneinander geschiedene Reaktionen f\u00fcr jede Zahl, und w\u00fcrde die Geschwindigkeit auf diesem Wege wrohl noch etwas steigern k\u00f6nnen, ohne dafs Tetanus ein tritt. An\n1 Vgl. \u00fcber diese Frage Lucae. Arch. f. Ohrenheilk. 1.\t1864.","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"[LIV. 260]\nAkustische Untersuchungen. I.\n153\nPhotographien werden wir sp\u00e4ter sehen, dafs der Reflex den Intensit\u00e4tsschwanknngen von etwa 30 Schwebungen in der Sekunde gar nicht mehr folgt. Immerhin arbeitet er sonst wacker genug, und es ist \u00e4ufserst spafshaft anzusehen, wie das Bild auf dem Schirm Tempo und Rhythmus eines Studentenliedes ins Optische \u00fcbersetzt. Dabei m\u00f6chten wir doch f\u00fcr die Theoretiker des Rhythmus eines bemerken : es scheint, dafs die zentrifugale Phase des Reflexes bei den meisten, wenn nicht allen Menschen durch eine Empfindung vertreten ist. Die Ostmann sch en Versuchspersonen haben \u00f6fters angegeben: \u201eEs zuckt etwas im Ohr\u201c, und wenn wir die Reaktion durch irgend welche kurzen und nicht zu schwachen Schl\u00e4ge hervorriefen, konnten wir bisher alle darauf aufmerksam gemachten Versuchspersonen zur Beobachtung des (mit akustischen Eindr\u00fccken gar nicht zu verwechselnden) kurzen Ruckes im Ohr bringen. Bei manchen Personen ist diese begleitende Empfindung sogar abnorm stark und unangenehm, schon wenn sie ein Metronom schlagen h\u00f6ren. Als Mach 1 fr\u00fcher einmal auf die M\u00f6glichkeit einer Verbindung von Tensor und Rhythmus in psychologischer Plinsicht hinwies, entgegnete Meu-mann 2, dafs der Akkommodationsmuskel nach MACHscher Auffassung dann auch Melodieempfindungen vermitteln m\u00fcsse. Wenn wir Mach recht verstehen, w\u00fcrde er in gewissem Sinne gerade dies vom Tensor urspr\u00fcnglich behauptet haben. Mit den Melodieempfindungen ist\u2019s nun freilich nichts, aber da die objektiven Bedingungen eines akustischen Rhythmuserlebnisses erweislich Zustands\u00e4nderungen in einem Muskel zur Folge haben, die in der Regel von Empfindungen begleitet zu sein scheinen, so k\u00f6nnen wir die Tensorbewegung wohl unter die Begleiterscheinungen des psychologisch-physiologischen Rhythmus rechnen : dafs die in Frage stehenden Empfindungen von der grofsen Mehrzahl der Menschen nicht bemerkt werden, ist kein Argument, das uns schwer treffen k\u00f6nnte, haben wir doch wahrscheinlich Gelenk-und vollends Lageempfindungen genug, die wir nicht bemerken und die trotzdem von der gr\u00f6fsten Wichtigkeit sind. Ausdr\u00fccklich aber stellen wir fest, dafs wir nicht daran denken, das Rhvthmuserlebnis auf Tensorkontraktion \u201ezur\u00fcckzuf\u00fchren\u201c.\nEbenso vorsichtig m\u00fcssen wir uns \u00fcber den naheliegenden Gedanken \u00e4ufsern, die Tensorbewegung k\u00f6nne mit der immer noch r\u00e4tselhaften Lokalisation von akustischen Empfindungen zu\n1 Wiener Sitz.-Ber. 1865.\t2 Philosophische Studien 10.\t1894.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nWolfgang K\u00f6h 1er.\n[LIV. 261]\ntun haben: statt einer unmittelbaren, d. i. auf Unterschiede akustischer Intensit\u00e4ten gegr\u00fcndeten Auffassung der Richtung, von der der Schall herkommt, w\u00fcrde es sich darum handeln, in welchem Ohr der Tensor st\u00e4rker zuckt oder angespannt ist, und so w\u00fcrden strenggenommen Muskelempfindungen lokalisiert. Aber der obige vom linken Ohr her konsensoriell ausgel\u00f6ste Reflex war so grofs, dafs wir im Zweifel sind, ob die Reflexe links und rechts sich viel oder \u00fcberhaupt an Gr\u00f6fse unterscheiden, wenn die Schallwelle das eine Ohr st\u00e4rker trifft als das andere. Wenn freilich ein Forscher wie Hammerscblao sich dahin ausspricht, man m\u00fcsse die Intensit\u00e4t steigern, um von links her den Reflex rechts zu erzeugen, so wird es sich verlohnen, sowohl nach unserer Methode weitere Nachforschungen anzustellen, wie auch gut lokalisierenden Hunden die Tensoren vorsichtig zu durchschneiden und ihre F\u00e4higkeit im Erkennen von Schallrichtungen nachher zu pr\u00fcfen.\nMit etwas gr\u00f6fsercr Sicherheit dagegen k\u00f6nnen wir uns schon jetzt daf\u00fcr aussprechen, dafs Johannes M\u00fcllers Hypothese, nach der der Tensor als Schalld\u00e4mpfer dient, das Richtige getroffen hat, nur mit der Erweiterung, dafs nicht allein extreme Intensit\u00e4ten seine Reaktion hervorrufen, vielmehr allen St\u00e4rkegraden bestimmte Tensorkontraktionen zugeordnet sind. Es scheint nichts anderes theoretisch m\u00f6glich, als dafs bei Spannung die elastischen Kr\u00e4fte im Trommelfell zunehmen, bei gleicher Intensit\u00e4t der physikalischen Schallwelle also die Amplituden von Membran und Hammer verringert werden. Einen Schutz f\u00fcr die Membran selbst gibt das freilich nicht, die zerspringt so eher,, als wenn sie schlaff ist, wie bereits Hensen betont hat1, aber er wird nicht gegen die Schutztheorie \u00fcberhaupt geltend machen d\u00fcrfen, \u201edafs man Knall und sonstige Explosionen in der Regel nicht im voraus wissen k\u00f6nne\u201c. Die waren noch gar nicht \u00fcblich, als sich in der Tierreihe der Tensor ausbildete, und deshalb sind Kanonen in diese Frage nicht hineinzuziehen. Der ber\u00fchmte Kieler Physiologe meint freilich, der Tensor zucke blofs momentan, da aber die Kontraktion tetanisch ist, so kann sie doch viel n\u00fctzen, wenn die Schalleinwirkung l\u00e4nger dauert : der Schaden, den grofse Amplituden in der Geh\u00f6rkn\u00f6chelchenkette und in der Schnecke anrichten d\u00fcrften, w\u00fcrde ja wohl auch mit der Zeit wachsen. Endlich darf man hier ebensowenig einen Schutzengel\n1 a. a. O.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"[LIV. 262]\nAkustische Untersuchungen. 1.\n155\nverlangen, der die rechtzeitige Kontraktion v'eranlafst, wie er in den gar nicht seltenen F\u00e4llen vorhanden ist, wo erst der Anfang einer Zerst\u00f6rung von lebender Substanz zur reflektorischen Schutzbewegung f\u00fchrt.\nEine weitere theoretische Konsequenz ist folgende: W\u00e4hrend in der bisherigen Literatur fast immer von d e m Eigenton des Trommelfells gesprochen wird und nur von wenigen (z. B. neuerdings von Waetzmann, Annalen d. Phys. 1909, Nr. 5) betont wird, es d\u00fcrfte deren mehrere haben oder vollends in Teilen schwingen k\u00f6nnen, ergibt sich aus den mitgeteilten Beobachtungen, dafs man schlechterdings nur von Eigent\u00f6nen bei einer bestimmten Intensit\u00e4t sprechen kann; denn jede Spannungs\u00e4nderung mufs ja die Eigenfrequenzen eines schwingungsf\u00e4higen elastischen K\u00f6rpers \u00e4ndern. So kommen wir am Ende in den schroffsten Gegensatz zur Akkommodationstheorie; denn w\u00e4hrend diese lehrt, jeder Tonh\u00f6he werde der Eigenton des Trommelfells durch Spannung gen\u00e4hert, m\u00fcssen wir umgekehrt schliefsen : sobald ein Ton das Ohr trifft, der einer der momentanen Abstimmungen der Membran nahe liegt, m\u00fcssen die resonierenden Schwingungen so PTofs werden, dafs der Tensor sich kontrahiert; dadurch werden nicht nur die Schwingungen kleiner, sondern auch der Eigenton verschoben und also auch auf diesem Wege die Amplituden vermindert. Vielleicht ist es besser so: wer weifs, wie lange das Trommelfell ein fortw\u00e4hrendes Mitschwingen in maximaler Resonanz aushielte?\nAber der Folgerungen sind noch mehr: Die Kontraktion des Muskels fanden wir abh\u00e4ngig von der Gesamtenergie der einwirkenden Schallwelle. Nehmen wir also an, zwei verschiedene T\u00f6ne bildeten den wirksamen Reiz, so wird die resultierende Anspannung gr\u00f6fser, als wenn jeder der beiden T\u00f6ne einzeln erklingt (vgl. S. 1501): folglich mufs in einem Zusammenklang jede der Komponenten schw\u00e4cher vertreten sein, als wenn sie bei unver\u00e4nderter physikalischer St\u00e4rke allein vorhanden w\u00e4re, und besonders m\u00fcssen schw\u00e4chere T\u00f6ne von der Gegenwart st\u00e4rkerer zu leiden haben. An Zusammenkl\u00e4ngen gemachte unmittelbare Beobachtungen, die eine Verifikation bilden, liegen l\u00e4ngst vor bei Mach1 und bei Stumpf.2 Auf dem angegebenen Wege erkl\u00e4rt sich auch h\u00f6chst ungezwungen die Beobachtung,\nSitzungsber. d. W. Akad. 1865, und sonst mehrfach.\n- Tonpsych. II, S. 418 ff.","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nWo If gang Kohle i \\\nLIV. 263]\ndie Hens bn zugunsten seiner Akkommodationstheorie deutet: Wenn eine Stimmgabel (etwa 400 v. d.) t\u00f6nt, w\u00e4hrend ein Metronom schl\u00e4gt, so bemerkt man ein Anschwellen des Stimmgabeltones kurz nach jedem Schlage. Ich kann das best\u00e4tigen ; aber der Ton wird w\u00e4hrend des Metronomschlages unterdr\u00fcckt und, h\u00f6rt man genau zu, so bekommt er wohl nach dem Schlage seine Intensit\u00e4t nur wieder und beh\u00e4lt sie bis zum n\u00e4chsten, wie man besonders deutlich konstatiert, wenn die Schl\u00e4ge recht langsam aufeinander folgen. In allen solchen F\u00e4llen aber, wo ein Ton durch gleichzeitige andere geschw\u00e4cht wird, sind sicherlich noch wichtigere Faktoren aufser dem Tensorreflex wirksam, die man im Labyrinth oder gar in. subkortikalen und zentralen Gebieten zu suchen hat.\nUnsere Versuche regen endlich auch aufs neue zum Nachdenken \u00fcber die wahre Deutung des WEBER-FECHNEBschen Gesetzes f\u00fcr Schallintensit\u00e4ten an, ohne freilich schon die Entscheidung zu bringen. Solange man mit dem Schallpendel arbeitet, kommt freilich der Reflex zu sp\u00e4t, um etwa die Intensit\u00e4ten zu modifizieren, sowie es sich aber um die Absch\u00e4tzung und Vergleichung der St\u00e4rke dauernder T\u00f6ne handelt, m\u00fcfsten wieder aus unseren Beobachtungen allerlei Ver\u00e4nderungen des objektiven Materials schon an der Peripherie des K\u00f6rpers gefolgert werden. Der Muskel spannt sich f\u00fcr verschiedene Intensit\u00e4ten verschieden an ; wenn seine Kontraktion \u00fcberhaupt die Schallst\u00e4rken beeinflufst, so kommt es uns sehr unwahrscheinlich, ja unm\u00f6glich vor, dafs er sie alle mit demselben Bruch multiplizieren oder dividieren sollte. Die Proportionalit\u00e4t zwischen Reizst\u00e4rke und physiologischer St\u00e4rke w\u00fcrde also schon am Trommelfell zerst\u00f6rt werden.\n\u00dcbrigens d\u00fcrfen wir hierbei eins nicht \u00fcbersehen : der ganze Binnenohrapparat ist bekanntlich derart angelegt, dafs Schwingungen von relativ grofser Amplitude und geringer Kraft in solche von kleinerer Amplitude und gesteigerter Kraft verwandelt werden, besonders durch die Hebelwirkung der Geh\u00f6rkn\u00f6chelchen. Ganz die gleiche Wirkung muls auch, wenn wir recht sehen, die Tensorkontraktion haben. Nehmen unter ihrem Einflufs die Amplituden ab, so wachsen andererseits die Drucke, die der Hammer an den Ambofs weitergibt, infolge der gesteigerten Spannung. Zu gleicher Zeit d\u00fcrfte aber wieder Energie (lurch die vermehrte D\u00e4mpfung verloren gehen, so dafs schwer","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Akustische Untersuchungen. I.\n157\n[LIV. 264\nzu ermessen ist, wie die Bilanz f\u00fcr unsere Empfindung ausf\u00e4llt. Aber gerade, weil diese Dinge noch ungekl\u00e4rt sind, halten wir Vorsicht dem oben genannten (an sich schon unsicheren) Gesetz gegen\u00fcber f\u00fcr geboten.\nVon unseren Photographien der Tensorbewegung geben die erste bis dritte das Einsetzen des Vokals o, die vierte das eines a in der Tonh\u00f6he von etwa 250 bis 275 v. d. wieder. Nur bei 1 und 2 ist es gelungen, den eigentlichen Beginn der Bewegung auf die Platte zu bekommen. Man sieht, wie die Schwingungen in der Ruhelage anfangen, wie nach etwa 30 a (bei 1 ; die Zacken der o-Kurven geben die Oktave, nicht den Grundton) die Verlegung der Abszisse beginnt und andauert, bis das Wechselspiel zwischen reflexausl\u00f6sendem Reiz und Hemmungen irgend welcher Art zum Gleichgewichtszustand f\u00fchrt; wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir die kleinen Schwankungen der Abszisse, die an den Kurven, nachdem das Minimum erreicht ist, zu bemerken sind, eben auf die Ann\u00e4herung an dieses Gleichgewicht deuten; die von Vokalen und Instrumenten erhaltenen Photographien, die immer erst einige Zeit nach Einsetzen des Tones aufgenommen wurden, zeigen dergleichen eigentlich niemals. Jedenfalls aber leiden die Aufnahmen an einem Fehler, der es verbietet, aus ihnen viel zu schliefsen. In unserer etwas primitiven Versuchsanordnung konnte die Photographie gerade w\u00e4hrend der Tensorbewegung noch am besten gelingen, wenn S\u00e4nger und Experimentator ein und dieselbe Person waren. Dies hat aber dazu gef\u00fchrt, dafs, wie auch die Kurven zeigen, die Intensit\u00e4t der gesungenen Vokale im ganzen rasch zunahm, wodurch denn die Wirksamkeit des Tensor tympani verschleiert wird. Dem wird ja in Zukunft leicht abzuhelfen sein.\nWir fassen zusammen: Die Tensorkontraktion erfolgt reflektorisch als Funktion der Gesamtenergie einfallender Schallwellen (inkl. Ger\u00e4usche), von Tonh\u00f6henunterschieden dagegen ist sie innerhalb der untersuchten Skalenteile fast unabh\u00e4ngig. Sie mufs, soweit wir sehen, zur Folge haben, dafs die Amplituden relativ vermindert werden, kann Adelleicht zur Herabsetzung geh\u00f6rter Intensit\u00e4ten f\u00fchren. Als Best\u00e4tigung finden wir von den ersten Ohren\u00e4rzten folgende Beobachtungen angegeben: Nach Spannung des Tensor tympani werden die Amplituden der Hammerschwingungen (also auch des Trommelfells) geringer (P\u00f6litzeb, Lucjae, Kessel, Bezold), bei willk\u00fcrlicher Kontraktion","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nWolfgang K\u00f6hler.\n[LIV. 265]\nwird die geh\u00f6rte St\u00e4rke, besonders der tieferen T\u00f6ne, herabgesetzt (Bezolij u. a.) nach Durchschneidung des Tensors nehmen die Hammerkopfschwingungen zu (Kessel).\nDemnach halten wir eine Schutzfunktion des Tensors analog der Pupillenbewegung f\u00fcr wahrscheinlich. Ein ganz zutreffendes Bild von den besprochenen Vorg\u00e4ngen wird man sich erst machen k\u00f6nnen, wenn genauere Daten auch \u00fcber den zweiten Binnenohrmuskel, den Stapedius, vorliegen.\nDie Tensorbewegung hat f\u00fcr unsere Aufnahmen allein dadurch Bedeutung, dafs sie das experimentelle Verfahren erschwert : es kommt vor, dafs bei falscher Absch\u00e4tzung ihrer Gr\u00f6fse zwrei Kurven, die \u00fcbereinander auf derselben Platte gemacht werden sollen, ein wenig ineinander greifen, oder nur ein seitlicher lichtschwacher Teil des Spaltbildes die empfindliche Schicht trifft; das veranlafst dann grofse Bl\u00e4sse oder gar das Fehlen von Kurven. Von der wesentlichsten Bedeutung sind dagegen die Oszillationen des Trommelfells oder, worauf wir vorl\u00e4ufig uns einschr\u00e4nkten, des Hammers.\nEs ist \u00fcblich, neue Aufnahmeapparate auf ihre Wiedergabe von Sinusschwingungen hin zu pr\u00fcfen. Die abgebildete Kurve r\u00fchrt von einer K\u00f6xioschen Stimmgabel c2 (512 v. d.) her, und gegen ihre Sinusform ist wohl nichts einzuwenden, soweit die nicht sehr gelungene Aufnahme dar\u00fcber urteilen l\u00e4fst. Bei gr\u00f6fserer Intensit\u00e4t gab dieselbe Gabel eine Kurve mit deutlich zugespitzten Maximis und Minimis entsjjrechend den st\u00e4rker hervortretenden Obert\u00f6nen.\nDafs Schwebungen auf dem Trommelfell nicht anders vor sich gehen wie auf anderen Membranen, zeigt die n\u00e4chste Figur, welche das Zusammenklingen der eben erw\u00e4hnten Gabel mit dem benachbarten ms- (542,5 v. d.) wiedergibt. Es finden also 301/2 Schwebungen pro Sekunde statt, und \u2014 worauf schon hingewiesen wurde \u2014 auf so schnelle Intensit\u00e4tsschwankungen hat der Tensor nicht mehr reagiert, die Abszissenachse bleibt f\u00fcr Maxima und Minima der Schwebungen dieselbe.\nBesonderes Interesse hat die Frage, wie grofs die akustischen Bewegungen des Hammers sind, wurden doch alle bisherigen Bestimmungen unter abnormen Verh\u00e4ltnissen (an Pr\u00e4paraten, fast immer durch einseitige konstante Steigerung des Luftdruckes nicht akustischer Provenienz) gewonnen. Um die gr\u00f6fsten erreichbaren Amplituden bequem zu bestimmen, setzten wir die","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Akustische Untersuchungen. I.\n159\nLIV. 269]\nLinse in den Strahlenweg zwischen Lampe und Ohr. Dann ergab sich bei sehr lautem Schreien der Vokale o und a vor dem Ohr, dafs in einer Entfernung von etwm 96 cm vom Trommelfellspiegel die Schwingungen 6 mm breit waren. Dabei hatte offenbar der Tensor ann\u00e4hernd seine maximale Spannung erreicht; denn der obere Rand des Lichtbandes w7ar nur 1 mm von der Ruhelage entfernt, und weil bei geringeren Intensit\u00e4ten die Tensorbewegung schon meist \u00fcber diesen Betrag hinausgeht, so ist der Vorgang ann\u00e4hernd so aufzufassen, dafs die Tensorbewegung die Abszisse um 4 mm verlegt, und dafs um diese Schwingungsmitte Oszillationen von 3 mm nach beiden Seiten erfolgend Es ist hierbei schon stillschweigend vorausgesetzt, dafs die Tensorbewegung um ungef\u00e4hr dieselbe Achse und in derselben Ebene erfolgt wie die Schwingungen. Das war bei dieser und den meisten der vorgekommenen Spiegellagen auch ann\u00e4hernd der Fall.\nNennen wTir 2 cp den Winkel, den ein zentraler Strahl des konvergenten Lichtb\u00fcschels zwischen seinen extremen Lagen einschliefst, so ergibt sich aus den angegebenen Massen f\u00fcr die Gesamtbewegung :\n9 cp \u2014\t^ \u2014 25'\n> acu\\ o\t\u2022\n12,0.\nDer Spiegel dreht sich also w\u00e4hrend des Vorgangs um cp = Ferner sei o die lineare Bewegung der Hammergriffspitze am Umbo und die Entfernung der Drehungsachse von diesem Punkt 5 mm (wie es wohl den anatomischen Verh\u00e4ltnissen entspricht2), so folgt f\u00fcr die maximale Exkursion des Umbo:\n2\no =\n7t \u2022 0\n360 \u2022\n12,5\n60\n= 0,018 = V&5 mm.\nIn der ber\u00fchmten Arbeit, mit der das Pfl\u00fcg er sehe Archie er\u00f6ffnet wurde, hat Helmholtz am Pr\u00e4parat Verschiebungen der Hammerspitze von 1 2/.28 mm durch einseitige Druckerh\u00f6hung erhalten. Wenn wir fast genau die H\u00e4lfte finden, so mag der Unterschied darin liegen, dafs am Pr\u00e4parat die reduzierende Tensorwirkung fehlt, und dafs er eben nicht die Ausschl\u00e4ge bei akustischen Schwingungen mafs. Bezold hat sp\u00e4ter 0,76 mm\n1\tDabei setze ich der Einfachheit wegen voraus, dafs die Exkursionen symmetrisch zur Mittellage erfolgen, was vermutlich nicht der Fall, aber f\u00fcr die obige Berechnung irrelevant ist.\n2\tHelmholtz nimmt Alj2 mm an.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nWolfgang K\u00f6hler.\n[LIV. 267]\nunter \u00e4hnlichen Umst\u00e4nden gefunden4, Hensen 2 (schon 1867) 0,103 mm st\u00e4rkste Schwingung, also etwa das Zehnfache, aber nat\u00fcrlich am Pr\u00e4parat. Sicherlich k\u00f6nnen ja auch die Schwingungen des lebenden Trommelfells noch vergr\u00f6fsert werden, aber ich scheue den Versuch, weil das Ohr schon bei den angewandten Intensit\u00e4ten zu schmerzen beginnt.\nWichtiger noch als die behandelte ist die Frage, \u00fcber welchen Bezirk der Tonreihe sich die Funktion des Trommelfells erstreckt; denn w\u00e4hrend der popul\u00e4rphysiologische Schriftsteller demselben alles zutraut, ist der Arzt seit einiger Zeit recht skeptisch, und schon oben mufste zitiert werden, dafs Bezold die Funktion des Trommelfells als Membran auf die untere H\u00e4lfte des Tongebietes beschr\u00e4nkt. Genau vergleichende Untersuchungen w\u00fcrden ja wieder die Mefsbarkeit der objektiven Intensit\u00e4ten voraussetzen, ich habe mich darauf beschr\u00e4nkt zu bestimmen, bis zu welcher Tonh\u00f6he noch Schwingungen des Flammers photographisch nachzuweisen sind. c\u00ae l\u00e4fst sich noch bequem erhalten (die Abbildung z. B. gibt den Klang der betreffenden K\u00f6EiGschen Gabel wieder; es sei bemerkt, dafs bei gleicher Plattengeschwindigkeit c1 2 aufgenommen und die Schwingungszahlen auf gleichen Strecken abgez\u00e4hlt und als genau im Verh\u00e4ltnis 1 : 2 stehend gefunden wurden), c4 von Gabeln ist schon mehrmals mifslungen, aber sicher durch unsere Schuld; denn meine Kurven des Vokals e zeigen den verst\u00e4rkten Teilton. der nach den meisten bei c4 liegt, \u00fcber die tieferen Partialt\u00f6ne gelagert. Die Abz\u00e4hlung der Z\u00e4ckchen ergibt in der Tat Schwingungszahlen, die sich um c4 gruppieren.\nIndessen kann ich mich des Eindrucks nicht erw-ehren, dals es immer schwerer wird, Verbreiterungen des Spaltbildes zu erhalten, je h\u00f6here T\u00f6ne man w\u00e4hlt. Und da ja feststeht, dafs die Wellen hoher Frequenz in betr\u00e4chtlichem Mafse direkt aus der Luft auf die Kopfknochen \u00fcbergehen und Personen ohne Trommelfell die h\u00f6heren T\u00f6ne noch recht gut h\u00f6ren, so ist es wohl sicher, dafs Aufnahmen nach meiner Methode von der physikalischen wie physiologischen St\u00e4rke der h\u00f6chsten Partialt\u00f6ne kein zutreffendes Bild geben, so dafs wir unseren Hauptzweck, die Kontrolle bisheriger Aufnahmen mit physikalischen Apparaten, an Kl\u00e4ngen vornehmen m\u00fcssen, von denen feststeht, dafs ihre charakteristischen Elemente nicht zu hoch liegen.\n1\tArch. f. Ohrenheilk. 16. 1880.\n2\tArbeiten des Kieler Phys. Inst. Kiel 1867. (Von mir nicht eingeselien.)","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"I LI V. 268]\tAkustische Untersuchungen. I.\t|0]\nEin anderer Grund hat mich veranlafst, die seit Helmholtz immer wieder (so neuerdings von L. Hermann) er\u00f6rterte Frage, ob das Trommelfell der Entstehungsort der sogenannten subjektiven Kombinationst\u00f6ne sei, vorl\u00e4ufig ununtersucht zu lassen. Der Weg, auf dem man vorzugehen h\u00e4tte, w\u00e4re nat\u00fcrlich der, dafs der Zusammenklang zweier Prim\u00e4rt\u00f6ne etwa vom Frequenzverh\u00e4ltnis 3 : 4, der von zwei Differenzt\u00f6nen mit den relativen Schwingungszahlen 1 und 2 begleitet wird, aufgenommen und die photographische Kurve wie ein Klang vom Grundton 1 nach Fourier analysiert w\u00fcrde, wobei sich heraussteilen m\u00fclste, ob 1 und 2 durch nennenswerte Amplituden vertreten werden. Bei der Analyse von anderen Kurven ist es mir jedoch immer klarer geworden, dafs man auf die Resultate eines solchen Verfahrens gar keine Schl\u00fcsse st\u00fctzen kann, solange die Photographien nicht viel sch\u00e4rfer ausfallen, als alle, die wir mit den uns zur Verf\u00fcgung stehenden Mitteln hersteilen konnten. Unter dem Mikroskop werden auch die besten der vorhandenen Kurven graue B\u00e4nder, deren Rand zu verschwommen ist, als dafs eine genaue Einstellung des Fadenkreuzes m\u00f6glich w\u00e4re. An den Spitzen besonders und allen anderen Stellen, wo die Geschwindigkeit geringer wird, sind diese B\u00e4nder recht breit, und wer die Messungen kennt, wird zugeben, dafs auch die Feststellung der Band mitten, die man wohl anzuwenden pflegt, zu sehr unsicheren Ergebnissen f\u00fchrt, wenn die Kurven photographisch auf genommen sind. So gibt denn die Fourieranalyse, auf unsicheres Messungsmaterial aufgebaut, zu tr\u00fcgerischen Resultaten Anlafs gerade f\u00fcr Klangkomponenten geringerer Intensit\u00e4t, und um solche w\u00fcrde es sich bei den Differenzt\u00f6nen handeln. Die Entscheidung der Frage bleibt also denjenigen Vorbehalten, die eine \u2014 sicherlich m\u00f6gliche \u2014 Verbesserung des Verfahrens durch vermehrte physikalische Hilfsmittel vornehmen. Die Interferenzmethode freilich d\u00fcrfte eine derartige Fixation des Kopfes voraussetzen, wie sie beim Lebenden unm\u00f6glich ist.\nIII. \u00dcber die Klangfarben.\n\u00a7 1. Physik der Klangfarben.\nWenn Helmholtz die Farbe eines Instrumentklanges auf die Zahl und St\u00e4rke der in ihm enthaltenen Teilt\u00f6ne zur\u00fcckf\u00fchrt, so ist die einfache Konsequenz die, dafs die Komponenten der Stumpf, Beitr\u00e4ge IV.\t11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nWolfgang K\u00f6hler.\n[LIV. 269J\nverschieden hohen Kl\u00e4nge eines Instrumentes solange diese die gleiche Farbe behalten, in gleichen Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnissen stehen. Diese Lehre wird in hinterlassenen Papieren Meissnebs 1 und in einer Dissertation von Herrmann-Goldap 2 auf Grund experimenteller Untersuchungen f\u00fcr unrichtig erkl\u00e4rt, Beide sind zu dem Resultat gekommen, dafs \u2014 wie nach Helmholtz bei den Vokalen der menschlichen Stimme \u2014 Teilt\u00f6ne von etwa konstanter H\u00f6he und deshalb wechselnder Ordnungszahl in den Kl\u00e4ngen eines und desselben Instrumentes dominieren und ihm die charakteristische F\u00e4rbung verleihen. Es w\u00e4re t\u00f6richt, die M\u00f6glichkeit der behaupteten Tatsachen von vornherein f\u00fcr alle Instrumente zu bestreiten. Weshalb sollte zwischen Instrumentkl\u00e4ngen und Vokalen eine Kluft befestigt sein? Auch Helmholtz konnte irren, und es unterliegt ja keinem Zweifel, dafs seine Untersuchungsmethode in diesem Fall primitiv war. Da ich nicht alle Instrumente genauer untersucht habe, auf deren Pr\u00fcfung sich die beiden Forscher st\u00fctzen, so werde ich auch nicht versuchen, die Streitfrage f\u00fcr alle zu entscheiden. Aber ich glaube zeigen zu k\u00f6nnen, dafs der HEBBMANN-GoLDAPschen Lehre schwere Bedenken gegen\u00fcberstehen und dafs nicht wenige davon zugleich Meissnebs Darstellung treffen. Zu einem allgemeinen Urteil \u00fcber die letztere aber wird man weitere Befunde abwarten m\u00fcssen.\nDer Satz von Hehbmann-Goldap lautet so: \u201eNach den vorliegenden Untersuchungen besteht physikalisch das einem einzelnen Instrumentklang Charakteristische in der Existenz eines oder mehrerer, dem einzelnen Instrument eigent\u00fcmlicher, fester Resonanzmaxima\u201c (S. 103). Diese sollen bei Blasinstrumenten durch die Form der Ansatzr\u00f6hren und Schallbecher, bei den Streichinstrumenten durch die Gr\u00f6fse und Form der Resonanzk\u00e4sten bedingt sein. Man wird bereits stutzig, wenn man findet (Tabelle S. 89), dafs von 6 derartigen Resonanzmaximis oder \u201eFormanten\u201c gleich 4 am Ende der dreigestrichenen Oktave auf-einanderfallen, und Anh\u00e4nger der MiLLschen \u00dcbereinstimmungsmethode k\u00f6nnten auf den Gedanken kommen, da immer derselbe Phonograph zur Aufnahme der Kurven benutzt wurde, die untersuchten Instrumente aber wechselten, so sei das Resonanzmaximum zwar vorhanden, aber in der Phonographenmembran. Gegen den Einwurf, diese Instrumente m\u00fcfsten seiner Lehre nach alle nahezu\n1 A. a. 0.\t2 A. a. 0","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Akustische Untersuchungen. I.\n163\n[L1V. 270]\ngleich klingen, sch\u00fctzt sich der Autor, indem er auf die jeweils verschiedene St\u00e4rke des Grundtones hinweist oder ein zweites Resonanzmaximum (z. B. beim Waldhorn) heranzieht. Wenn es schon allen, die das W7aldhorn kennen, schwer fallen wird, anzugeben, wo in ihm die Resonatoren mit den beiden angegebenen \\ erst\u00e4rkungsbereichen liegen sollen, so wird die Schwierigkeit doch noch erh\u00f6ht dadurch, clafs diese Resonatoren, die ja nur fest begrenzte R\u00e4ume innerhalb der Instrumente sein k\u00f6nnen, imstande sein m\u00fcfsten, T\u00f6ne, die um Quarten (Oboe (f\u2014 P) und Quinten (Klarinette e:;\u20141U) auseinander liegen, zu den st\u00e4rksten Obert\u00f6nen der betreffenden Kl\u00e4nge zu machen. Das wird doch ein Physiker nicht behaupten wollen.\nAber wir haben die Resonanzbreiten noch viel zu eng eingesch\u00e4tzt, Bei der Anwendung der Schwerpunktsmethode, einem von L. Hermann herr\u00fchrenden praktischen Verfahren zur Ermittlung der H\u00f6he starker Teilt\u00f6ne, das ich hier nicht schildern kann, werden als zugleich verst\u00e4rkt angesehen : einmal eine ganze Duodezime, einmal eine Dezime, dann die T\u00f6ne, welche in das Intervall 3: 7 fallen, und immerfort Oktaven. Das ist nat\u00fcrlich nur ein Versehen des Autors. Fr\u00fcher (.Annalen d. Phys. 23, 1907) ist er der Meinung gewesen, es klinge ein starker Ton konstanter H\u00f6he bald unharmonisch, bald mit einem harmonischen Teilton zusammenfallend im, Instrumentklange mit und charakterisiere denselben. Einem solchen Ton gegen\u00fcber kann sich die Fourieranalyse nur dadurch helfen, dafs sie seine Intensit\u00e4t auf die der harmonischen Nachbarn verteilt, und es l\u00e4fst sich dar\u00fcber streiten, wie weit da bei der Schwerpunktsmethode die Verteilung nach oben und unten zu rechnen ist; handelt es sich aber um einen Resonator, der harmonische Teilt\u00f6ne verst\u00e4rkt, so gibt die Fourieranalyse (bei idealer Messung und Rechnung) jedem, was ihm geb\u00fchrt, und man darf in die Schwerpunktsberechnung nur Teilt\u00f6ne aufnehmen, deren Amplitude man sich durch Resonanz wirklich verst\u00e4rkt denkt, Seine Rechnungen hat der Autor aber zur Zeit der fr\u00fcheren Theorie gemacht, und beim \u00dcbergang zur neuen ist es ihm entgangen, dafs sie zu dieser gar nicht passen.\nDamit bekommen die HERMANNschen Resultate ein ganz anderes Aussehen: Man kann aus seinen Amplitudenzahlen schlechterdings nicht mehr auf Resonanzmaxima der Instrumente\n1L*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"Wolfgang K\u00f6hler.\n16-1\n[LIV. 271]\nschliefsen, es m\u00fcfsten denn verschiebbare sein, und dar\u00fcber wird die neue Lehre nicht fortkommen.\nDie greise Fl\u00f6te, die Violine und das Cello hat Herrmann-Gold ap mit Hilfe des Wnissschen Phonoskops, in dem ein Seifenh\u00e4utchen die Membran vertritt, aufgenommen. Der Apparat soll von der gr\u00f6fsten Empfindlichkeit sein. Aber wie ist es dann m\u00f6glich, dafs die Analyse der von ihm aufgeschriebenen Violin-kurven gar so wenig Partialt\u00f6ne ergibt? Die vortrefflichen Photographien der schwingenden Seite, die wir Krigar-Menzel und Raps verdanken, zeigen Kurvenformen, die nur aus dem Zusammenwirken sehr vieler Obert\u00f6ne zu erkl\u00e4ren sind; Herr Geheimrat Stumpf und ich h\u00f6ren denn auch recht starke Partialt\u00f6ne der Geige, deren Stelle in Herrmann-Goldaps Tabelle ein lakonischer Strich ausf\u00fcllt.\nEs w\u00fcrde zu weit f\u00fchren, wollten wir alles anf\u00fchren, was die neue Theorie so v\u00f6llig unwahrscheinlich macht. Es trifft sich g\u00fcnstig, dafs gerade von einer Autorit\u00e4t, der Herrmann-Gold AP sein Versuchs verfahren und im Anfang seine Theorie nachgebildet hat, Versuche vorgenommen worden sind, die die neue Lehre unm\u00f6glich machten, noch bevor sie das Lieht der Welt erblickt hatte. Um n\u00e4mlich seine Lehre, die Vokale seien durch einen \u201eFormanten\u201c von etwa konstanter H\u00f6he charakterisiert, durch schlagende Experimente zu st\u00fctzen, hat L. Hermann gepr\u00fcft, wie sich Vokale und Instrumente verhalten, wenn man durch telephonische und mikrophonische \u00dcbertragungen mit eingeschalteten Induktionsrollen und bestimmter Wahl der Leitungs-widerst\u00e4nde die Amplituden gr\u00fcndlich ver\u00e4ndert. Ich darf zitieren, was er (.Pfl\u00fcgers Arch. 61, 1895] selbst dar\u00fcber berichtet: \u201eUnter solchen Umst\u00e4nden, dafs die Amplitudenverh\u00e4ltnisse sich total \u00e4ndern, werden, wie ich gezeigt habe, die Kl\u00e4nge g\u00e4nzlich deformiert, die Vokale behalten aber ihren Charakter.\n. . . Ich schlofs hieraus, dafs es f\u00fcr den Vokalcharakter . . . nicht auf das Amplitudenverh\u00e4ltnis der Partialt\u00f6ne ankommt, wie bei musikalischen Kl\u00e4ngen, deren Charakter sich bei diesen Versuchen in unbeschreiblichem Grade \u00e4ndert.\u201c Seinem Gegner Pipping empfiehlt Hermann noch, die Versuche zu wiederholen; \u201eer w\u00fcrde dann sich \u00fcberzeugen, wie ungeheuer verschieden der Einflufs auf musikalischen Klang und auf Vokale ist\u201c. Diese Stelle ist Herrmann-Goldap offenbar entgangen. Da weder er noch ich an der Richtigkeit der Angaben L. Hermanns zweifeln","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Akustische Untersuchungen. I.\n165\n[LIV. 272]\nk\u00f6nnen, so sind die Amplitudenverh\u00e4ltnisse keineswegs gleichg\u00fcltig f\u00fcr die Kl\u00e4nge von Instrumenten.\nTrotz der als verfehlt anzusehenden Theorie ist jedoch die Arbeit Herrmann-Goldaps wertvoll wegen der beigegebenen Kurven. Er bemerkt selbst: \u201eDer blofse Anblick der Kurven sagt vieles, was die Rechnung und die Wahrnehmung mit dem Ohre nicht ohne weiteres ergeben k\u00f6nnen.\u201c Ganz richtig, es kommt nur darauf an, dafs die Dispositionen, mit denen man an die Betrachtung herangeht, g\u00fcnstig sind. Man kann z. B. an den \u00dcERRMANNschen Kurven von Waldhorn und Trompete, die ich leider nicht ab bilden kann, folgendes sehen : F\u00fcr jedes der beiden Instrumente sind s\u00e4mtliche Kurven gar nicht sehr stark voneinander abweichende Variationen eines Grundtypus, und es zeigt sich obendrein, dafs die beiden Waldhornkurven, die noch am meisten aus der Reihe herausfallen, geringeren Intensit\u00e4ten des Instrumentes entsprechen (siehe die Kurven selbst S. 67 und die best\u00e4tigende Angabe der Maximalamplituden S. 85, Tabelle), weshalb denn die kr\u00e4ftigen Zacken der h\u00f6heren Obert\u00f6ne hier nur eben leise angedeutet sind. Bei der Trompete liegen die Dinge noch g\u00fcnstiger, und ich kann fast nicht begreifen, dafs dieser Umstand dem K\u00f6nigsberger Forscher entgangen ist. Aber er sagt selbst, was ihn auf \u201eFormanten\u201c gebracht hat: \u201eMan bemerkt, dafs die Zackenzahi bei diesen Kurven nicht dieselbe bleibt, wie es der Fall sein m\u00fcfste, wenn ein festes Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnis der Partialt\u00f6ne f\u00fcr die Klangfarbe mafsgebend w\u00e4re, sondern dafs sie mit zunehmender Notenh\u00f6he des Grundtones immer geringer wird.\u201c Indessen, wenn ein Resonanzmaximum die Kurvenform bestimmte, m\u00fcfste zugleich der n\u00e4chst niedrigere Oberton oder (bei grofser Dichte der Obert\u00f6ne) die n\u00e4chsten verst\u00e4rkt hervortreten. Dafs das nicht der Fall ist, zeigt die gleichbleibende Gestalt der Welle. Wir m\u00fcssen uns also nach einer anderen Erkl\u00e4rung umsehen, und sie liegt nahe genug. Bei der modernen Trompete wird die Erh\u00f6hung des Grundtons durch \u00d6ffnen von Seitenklappen erreicht, wobei denn die schwingende Lufts\u00e4ule immer k\u00fcrzer wird. Und wie Saiten immer schwerer ihre Obert\u00f6ne geben, je k\u00fcrzer sie sind, so ist es um so schwerer, eine Lufts\u00e4ule in Knoten und B\u00e4uche zu Zerf\u00e4llen, je n\u00e4her die Stellen maximaler Druck- und Bewegungsunterschiede einander r\u00fccken, d. i. bei h\u00f6heren T\u00f6nen. Deshalb","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"Wolfgang K\u00f6hler.\n166\n[LIV. 273]\nfallen die h\u00f6chsten Obert\u00f6ne einer nach dem anderen allm\u00e4hlich aus, je h\u00f6her der Grundton r\u00fcckt.\nBevor ich nun von meinen Kurven spreche, mufs ich noch einmal auf mein Versuchsverfahren zur\u00fcckkommen. Wie die Aufnahmen bisher gemacht wurden, ist zun\u00e4chst an die Untersuchung von Instrumenten schwachen Tones, wie Fl\u00f6te, Violine und Cello kaum zu denken. Ein anderer Mangel besteht darin, dafs \u2014 zumal wenn die Lampe gleich der unserigen recht un-gleichm\u00e4fsig brennt \u2014 immer wieder Kurven auf einer Platte fehlen oder zu lichtschwach sind, woran einmal die Lampe, dann kleine Kopfbewegungen zwischen den Aufnahmen, die die Breite des Lichtweges einschr\u00e4nken, endlich, wie gesagt, unrichtige Berechnung der zu erwartenden Tensorbewegung die Schuld tragen. In vielen F\u00e4llen, wo infolgedessen die Kurven schlecht erkennbar sind, habe ich noch nicht Ersatz geschafft. Zun\u00e4chst mochte ich Herrn Professor Be\u00fchl und meinem Freunde Beckes, der in der ganzen letzten Zeit Experimentator war, eine so m\u00fchsame T\u00e4tigkeit wie die ihre bisweilen war, vorderhand nicht mehr zumuten, und dann ist\u2019s auch eine andere Sache, mit einem physikalischen Instrument und mit einem lebenden Menschen als Apparat zu arbeiten. Die optische Einstellung dauert, wenn der Spiegel etwas ung\u00fcnstiger sitzt, bisweilen doch eine Viertelstunde und dar\u00fcber und mufs noch dazu von Zeit zu Zeit aufgebessert werden. Inzwischen wird die Lage der Versuchsperson unerfreulich: ist das Stirnband etwas fest angezogen, so stellt sich sehliefslich durch den starken Druck auf Stirn und Hinterkopf ein wenig \u00dcbelbefinden ein, und \u00fcber diesen Zeitpunkt hinaus haben wir gew\u00f6hnlich die Versuche nicht ausgedehnt. Das ist ein Schatten auf dem Bilde, das ich oben von dem Verfahren zu zeichnen versucht habe. Noch konnte er nicht beseitigt werden, sp\u00e4ter wird er vielleicht verschwinden.\nNur von drei Instrumenten habe ich Aufnahmen, die mich einigermafsen befriedigen, von der Trompete, dem Waldhorn und der Tenorposaune. Die Trompetenkurven \u2014 sie geben die Tonleiter von b bis d'2 wieder \u2014 k\u00f6nnen, meine ich, nur in einem Sinn gedeutet werden : eine charakteristische Wellenform mit starker Oktave und Duodezime wird, je h\u00f6her der Grundton steigt, ihrer ausgezeichneten Partialschwingungen immer mehr beraubt. Langsam nimmt die Duodezime an St\u00e4rke ab und h\u00f6rt nach der vierten Tonstufe auf, die Wellenform sichtlich zu be-","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"[LIV. 274]\nAkustische Untersuchungen. 1.\n167\neinfiussen. Inzwischen scheint sich die Oktave kaum ver\u00e4ndert zu haben \u2014 von einer Verst\u00e4rkung ist bei ihr nicht die Rede, die vierte Kurve, wo es so scheinen k\u00f6nnte, ist, wie man sieht, das Bild eines \u00fcberhaupt st\u00e4rkeren Klanges \u2014, aber nun beginnt auch sie, langsam zu weichen, und bei der letzten Kurve ist sie nur eben noch durch ein verschwindendes Z\u00e4ckchen sichtbar angedeutet.1\nVielleicht wird man mir einwenden, die Herrmann Goldap-schen Trompetenkurven h\u00e4tten in gleichen Notenh\u00f6hen viel mehr Zacken als die meinigen, das Trommelfell gebe offenbar die h\u00f6chsten Partialt\u00f6ne geschw\u00e4cht oder gar nicht wieder, f\u00fcr diese erfolge die Leitung durch die Kopfknochen. Ich r\u00e4ume die M\u00f6glichkeit, ja Wahrscheinlichkeit dieses Umstandes ein, aber man wird andererseits mir zugeben, dafs wenigstens f\u00fcr die tieferen Partialt\u00f6ne in diesen Kurven von nur ganz allm\u00e4hlich und immer in demselben Sinn sich \u00e4ndernder Form eine starke St\u00fctze der PIuLMHOL\u00efzschen Ansicht \u00fcber die Instrumentfarben vorliegt. Und wird denn jemand ernstlich behaupten wollen, dafs f\u00fcr tiefere Obert\u00f6ne die \u00dcELMHOLTzsche, f\u00fcr h\u00f6here eine andere, etwa die Herrmannsche Theorie gelte? Dazu verhalten sich die bei mir nicht vertretenen Teilschwingungen in den PIeeemANNschen Kurven genau so wie bei mir die tieferen. Wenn endlich das Trommelfell die h\u00f6heren Partialt\u00f6ne hat zur\u00fccktreten lassen, dann hat es wohl auch schon die der Ordnungszahl nach tieferen, die es noch Aviedergibt, im Verh\u00e4ltnis ihres Emporr\u00fcckens beeintr\u00e4chtigt, und das Abnehmen derselben geht in Wirklichkeit noch langsamer vor sich, die ganz korrekten Kurven m\u00fcfsten einander noch \u00e4hnlicher sein. \u2014 Demnach l\u00e4fst sich behaupten, dafs durch Herrmann-G old aps Aufnahmen wie durch meine die HEMHOi.TZsche Theorie recht gut sei best\u00e4tigt worden \u2014 vorl\u00e4ufig f\u00fcr die Trompete.\nIndessen brauchen wir uns nicht auf diese zu beschr\u00e4nken. Die Tenorposaune hat \u00e4hnliche Klangfarbe, wenn man sie stark anbl\u00e4st ; \u00e4hnlich sind denn auch ihre Kurven (es Avurden die Noten g a d1 e1 f1 aufgenommen) denen der Trompete, nur dals der oben f\u00fcr diese geschilderte Vorgang des Ausfalls von Partialt\u00f6nen sich bei der Posaune tiefer abspielt. Herrmann bildet\n1 Nat\u00fcrlich ist\u2019s damit noch lange keine Sinussclrwingung, die Obert\u00f6ne sind nur recht schwach geworden.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nWolfgang K\u00f6hler.\nLI V. 275\nseine Aufnahmen von diesem Instrument nicht ab, weil sie nicht so gut gelungen sind wie die \u00fcbrigen, aber gl\u00fccklicherweise berichtet er (S. 83), dafs diese Kurven \u201eim Gegensatz zu denen der Holzinstrumente untereinander sehr \u00e4hnlich sind\u201c. Mehr verlangt die HelmholtzscIic Lehre nicht: die Amplituden und sogar die Phasenverh\u00e4ltnisse m\u00fcssen ann\u00e4hernd konstant geblieben sein, und da nach dem Autor selbst die Zackenzahl der h\u00f6chsten Obert\u00f6ne sehr langsam, n\u00e4mlich \u201evon drei Erh\u00f6hungen bei f bis zu zwei bei flu abnimmt, so scheinen die Posaunenkl\u00e4nge noch gleichm\u00e4fsigere Klangfarbe zu haben als die der Trompete.\nVon Heremanns Waldhornaufnahmen war schon die Rede. Die meinen (c1 es1 f1 gx cts1) best\u00e4tigen aufs beste, was wir schon an jenen sahen, nur dafs, wie bei der Trompete, meine Kurven das reiche Gekr\u00e4usel nicht zeigen, das die Grundform der Hebe-MANNschen umspielt, nur auf der Originalplatte vermag bei der tiefsten Note ein scharfes Auge Spuren davon zu erkennen.\nUber die Holzblasinstrumente hoffe ich im Lauf der n\u00e4chsten Zeit noch Aufschlufs bekommen zu k\u00f6nnen. Die Klarinettenaufnahmen vom Trommelfell sind zu blafs geraten, als dafs man sie wiedergeben k\u00f6nnte. Bis zur Mitte der eingestrichenen Oktave scheint in diesen Kurven, die denen der Blechinstrumente ebenso un\u00e4hnlich wie einander \u00e4hnlich sind, der dritte und f\u00fcnfte Oberton \u00fcber einem recht schwachen Grundton zu liegen, von etwa g1 ab tritt der Grundton deutlicher hervor, und \u00fcber seine Welle lagern sich die drei Zacken einer starken Duodezime. Ich will an dieser Stelle nur darauf hinweisen, dafs auch bei Hebemann von a1 ab die Duodezime in jedem Klange der st\u00e4rkste Oberton ist, von einem Herabsinken der gr\u00f6fsten Intensit\u00e4t auf Partialschwingungen immer tieferer Ordnungszahl also gar nicht die Rede sein kann.\nWahrscheinlich indessen wird er sich \u2014 wenigstens f\u00fcr die \u00fcbrigen Instrumente \u2014 auf die Resultate der Fourieranalyse berufen. Die Amplitudentabellen geben in der Tat keinen deutlichen Hinweis auf die HELMHOLTzsche Lehre, die neue Theorie beg\u00fcnstigen sie freilich auch nur scheinbar. Ich habe die Fourierrechnung bei einer Anzahl meiner Instrumentkurven ebenfalls durchgef\u00fchrt, und die Resultate seien mitgeteilt in Tafeln, die in ihrer Anordnung genau den HEEEMANNschen entsprechen.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Akustische Untersuchungen. 1.\n169\n[LIV. 276]\nTrompete :\n\t1\t9\t3\t4\t5\t6\t7\t8\t9\t10\nh\t19\t58\t100\t29\t12\t12\t10\t12\t11\t8\ncl\t36\tICO\t75\t20\t18\t11\t11\t7\t2\t7\n(V\t34\t100\t46\t11\t14\t2\t/*\t7\t3\t4\nes1\t34\t100\t26\t14\t16\t8\t4\t6\t2\t1\nTenorposaune:\n; j, i\t2\t3\t4\t5\t6\t7\t8\t9\t10\nff ! 17\t33\t100\t36\t10\t10\t10\t7\t4\t2\na\t! \u2019 28\t100\ti 56\t25\t9\t10\t4 Sb\t4\t6\t3\ndl\t27\t100\t! 22\t11\t11\t5\to O\t1\t1\t0\ne1\t!l 10\t100\t17\t14\t7\t8\t2\t3\t3\t1\nf1 j 36\t100\t15\t12\t4\t7\t3\t2\t0\t1\nWaldhorn :\n\t1\t2\t3\t4\t5\t6 1 '\t7\t8\t9\t10 ! i\nc1\t\\ 14\t100\t40\t6\t9\t2 i\t1\t2\t1 2\nes1\t22\tICO\t3\t15\t4\t2\t2\t1\t1 2\nfl\t46\t100\t5\t9\t4\t6\t2\t2\t5\t;\t2\n9l\t52\t100\t9\t17\t2\t2\t1\t1\to ; 2\nasl\t159\t100\t12\t21\t11\t5\t1\t3\t1\t4\nDas sind ann\u00e4hernd ebenso wunderliche Ergebnisse, wie sie sich in der K\u00f6nigsberger Arbeit finden. Dafs die Fourieranalyse oberhalb etwa des 6. Partialtones keine verl\u00e4fslichen Zahlen mehr liefert*, batten mir Physiker schon fr\u00fcher gesagt, und die h\u00f6chsten Schwingungen, deren Amplitude ich der Sicherheit halber auch berechnete, sind auf dem Trommelfell kaum oder nur schwach vertreten, so dafs auf die rechts stehenden Amplituden von vornherein nicht viel Gewicht gelegt wurde; aber dafs Kurven\n1 Falls nicht die hohen Schwingungen, wie bei den Vokalen e und i, sehr stark sind.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nWolfyang K\u00f6hler.\n[LIV. 2771\nvon so grofser \u00c4hnlichkeit wie die zwei tiefsten der Trompete in der Fouriertabelle derartige Unterschiede der Amplitudenverh\u00e4ltnisse zeigen k\u00f6nnten, das hatte ich nicht gedacht, und keinesfalls entspricht es dem wahren Tatbestand. Nat\u00fcrlich ist es nicht das mathematische Verfahren, welches die Fehler hinein-bringt, gegen\u00fcber analytisch gegebenen Funktionen ist dieses ja vielmehr ein vielfach unentbehrliches Hilfsmittel, nur gegen\u00fcber empirisch gewonnenen Kurven versagt es meistens, weil die Messungen nicht pr\u00e4zis genug vorgenommen werden k\u00f6nnen; schon oben wurde von dieser Schwierigkeit gesprochen. Nun ist es freilich m\u00f6glich, photographische Kurven von gr\u00f6fserer Feinheit aufzunehmen, als es uns bei der Schwierigkeit des'Verfahrens gelungen ist, aber wenn selbst bei so zarten, scharfen Wellenlinien, wie die letzten von L. Heumahn1 gewesen sind, die Fourieranalyse nicht weit voneinander liegender Perioden der selben Aufnahme nach dem Autor selbst gleiche Amplituden und Phasen nur f\u00fcr die allerst\u00e4rksten Teilschwingungen ergibt, so wird man doch bedenklich. \u2014 Die letzte in der Trompetentabelle mitgeteilte Amplitudenreihe (f\u00fcr es1) habe ich deshalb dadurch kontrolliert, dafs ich die betreffende Messung nach Umkehrung der Kurve auf dem Objekttischchen an eben derselben Periode noch einmal vornahm. Das Resultat der darauf basierten Rechnung war folgendes :\nTrompete :\n! 1\t1 2\t3\t4\t5\t6\t\t7\t8\t9\t10\n1 es1 1\t50\t100 j\t19\t16\t10\t5\t5\t2\t2\t2\nSeitdem habe ich keine von meinen Kurven mehr analysiert, steht doch offenbar die Zeit und M\u00fche, die das Verfahren selbst bei Anwendung aller \u00fcblichen Vereinfachungen kostet, in v\u00f6lligem MifsVerh\u00e4ltnis zu der Genauigkeit der Ergebnisse. Ich freue mich aufserordentlich, auch einen Gelehrten, wie F. Auerbach, der Meinung zu finden, \u201edafs die Analyse vielfach zu geradezu paradoxen Ergebnissen f\u00fchrt\u201c 2, zu denen er denn auch die von\n1\tPfl\u00fcgers Arch. 61. 1895.\n2\tWinkelmanns Handb. d. Pliysik, Bd. II. Akustik, v. F. Auerbach. S. 692. 1909.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"[LIV. 278]\nAkustische Untersuchungen. I.\n171\nHeremann - Goldap z\u00e4hlt, und \u201edafs die Fourieraufl\u00f6sung zusammengesetzter graphischer Tonkurven mit grofser Vorsicht gedeutet werden mufs, da diese Analyse \u00e4ufserst labil ist, d. h. schon hei kleinen \u00c4nderungen grofse \u00c4nderungen in den Koeffizienten der Glieder ergibt\u201c.1\nWir fassen zusammen: Da zum Gl\u00fcck bei den drei besprochenen Blasinstrumenten \u2014- wir lassen die Verh\u00e4ltnisse bei anderen vorl\u00e4ufig aus dem Spiel \u2014 die Phasenrelationen der Partialt\u00f6ne in verschiedener Fl\u00f6he der Kl\u00e4nge dieselben bleiben, so k\u00f6nnen wir aus den Kurven, die vom Phonographen und vom Trommelfell erhalten wurden, sofort auf die Amplitudenrelationen der Teilschwingungen schliefsen. Die Kurvenformen aber sind, gleiche Intensit\u00e4t der Kl\u00e4nge vorausgesetzt, Modifikationen eines Grundtypus, welche durch den physikalisch selbstverst\u00e4ndlichen Ausfall der h\u00f6chsten Komponenten bei steigender Grundtonnote hervorgerufen werden. Demnach bleiben die Verh\u00e4ltnisse der Partialtonamplituden mit der angegebenen Beschr\u00e4nkung dieselben , und die Helmholtzsche Klangfarbentheorie ist, wie \u00fcbrigens jedes physikalische Gesetz, der zutreffende Ausdruck idealer Verh\u00e4ltnisse, die in Wirklichkeit durch die Mitwirkung untergeordneter Faktoren mehr oder weniger getr\u00fcbt werden.\n\u00a7 2. Versuch einer psychologischen Theorie der\nKlangfarbe.\nWir kommen endlich zu unserem ersten Ziel, der psychologischen Theorie der Klangfarbe. Aber damit ist es uns so ergangen, wie \u2014 wir werden es sehen \u2014 mit der psychologischen Erkl\u00e4rung der Vokalcharaktere auch: Konsequenzen, denen wir gar nicht answeichen konnten, glauben wir in beiden F\u00e4llen durch Tatsachen vollst\u00e4ndig verifizieren und so die Richtigkeit des Gedankenganges nachweisen zu k\u00f6nnen. Aber mit dem Augenblick tun sich eine Reihe von Aufgaben auf, die nicht so schnell zu erledigen sind. Erst wenn sie gel\u00f6st sind, k\u00f6nnen beide Theorien v\u00f6llig zu Ende gef\u00fchrt werden, und deshalb beschr\u00e4nken wir uns vorl\u00e4ufig auf das Notwendigste. Dessen Nachweis wollen wir im folgenden in einem analytischen Verfahren zu erbringen suchen.\nDer vorige Abschnitt f\u00fchrte zu dem Ergebnis zur\u00fcck, dafs\n1 A. a. O. S. 6-42.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nWolfgang Kohler.\n[LIV. 279]\nf\u00fcr die betrachteten Instrumente im physikalischen Idealfall gleiche Klangfarbe auf gleichen Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnissen der Partialschwingungen beruht. Nun kann die Physik den Begriff der Klangfarbe eigentlich erst durch eine Definition auf Grund dieses Umstandes in ihr System einf\u00fchren. An sich gibt es gleiche und ungleiche Klangfarben nat\u00fcrlich nur f\u00fcr ein Bewufstsein, dem eben das Sinnesorgan Reihen von T\u00f6nen zuf\u00fchrt, die die angegebene Eigenschaft besitzen oder nicht. Aber der Physiker spricht nicht nur davon, dafs Kl\u00e4nge eines und desselben Instrumentes bei verschiedener Frequenz der Grundschwingung dasselbe Verh\u00e4ltnis der Partialamplituden zeigen, sondern er ist durch einen Schlufs von \u00fcberw\u00e4ltigender Wahrscheinlichkeit berechtigt, das Gemeinsame, das jene Kl\u00e4nge f\u00fcr unser Empfinden haben, als eine Wirkung jener physikalischen Konstanz aufzufassen. Umgekehrt sind wir genau so berechtigt, anzunehmen, dafs jenem Idealfall der Physik ein zweiter in unserem Sinnesmaterial entspricht, in welchem also die Intensit\u00e4tsrelationen der Partialempfindungen etwa konstant bleiben m\u00fcssen, sollen die geh\u00f6rten Kl\u00e4nge die gleiche Farbe haben.\nAber damit sind wir noch nicht viel weiter. Nunmehr tragt es sich, wie \u00fcberhaupt Partialempfind\u00fcngen, sobald sie unanalysiert zusammenfiiefsen, die verschiedenartigen Klangtarben ergeben k\u00f6nnen, die wir h\u00f6ren, und wie es ferner m\u00f6glich ist, dafs diese Farben unter Umst\u00e4nden bei betr\u00e4chtlicher Verschiebung s\u00e4mtlicher Komponenten in der Tonskala dieselben bleiben. Es liegt nahe und mufs zun\u00e4chst versucht werden, eben die Eigenschaften dieser Komponenten zur Erkl\u00e4rung heranzuziehen; Stumpf hat diesen Weg in der Tat eingeschlagen1 und den Versuch gemacht, die Klangfarbe im engeren Sinn aus der Farbe der einzelnen T\u00f6ne abzuleiten. Indessen kann ich die Theorie meines hochverehrten Lehrers, ohne dessen Anleitung ich \u00fcberhaupt nicht akustisch zu arbeiten verst\u00fcnde, und ohne dessen andauernde g\u00fctige Unterst\u00fctzung ich diese Untersuchung gar nicht h\u00e4tte ausf\u00fchren k\u00f6nnen, nicht f\u00fcr ausreichend halten. Von welcher Wichtigkeit sie ist, werden wir erst sehen, wenn von den Fokalen und ihrer Charakteristik die Rede ist; zur Erkl\u00e4rung der Klangfarbe von Instrumenten kann die Tonfarbe, wie ich glaube, deshalb den Hauptbeitrag nicht liefern, weil sie nach der Meinung\n1 Tonpsyeh. II, S. 520 ff.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"[LIV. 280]\nAkustische Untersuchungen. I.\n178\nvon Stumpf selbst parallel der Tonh\u00f6he ver\u00e4nderlich ist. Die Kl\u00e4nge eines Instrumentes, wie z. B. der Tenorposaune, h\u00e4lt aber in grofsen Gebieten ihres Umfanges etwas Farbiges zusammen das, in dieser Weise bei anderen nicht oder nur ann\u00e4hernd vorhanden, in jenen immer wiederkehrt, bei recht erheblichen H\u00f6heverschiebungen und deshalb Farben\u00e4nderungen s\u00e4mtlicher Teilt\u00f6ne.\nDafs nicht die Erzeugungsger\u00e4usche, die freilich ann\u00e4hernd konstant bleiben, die geforderte Gleichartigkeit hervorrufen, wird man uns zugeben, wenn man die Posaune mehrmals langsam die Skala hinaufblasen h\u00f6rt; man wird sich \u00fcberzeugen, dafs es immer eine gewisse Art von Farbigkeit ist, etwas, wras im eigentlich Musikalischen des Klanges liegt, worin die verschiedenen geh\u00f6rten Kl\u00e4nge \u00fcbereinstimmen. Ger\u00e4usche und andere Nebenbedingungen werden gewifs bei weitem in ihrem Einflufs auf die Klangfarbe (das Wort in weiterem Sinn genommen) untersch\u00e4tzt, aber die restlose Erkl\u00e4rung geben sie auch nicht.\nBesser hoffen wir auf einem analytischen Umwege zum Ziel zu kommen und werfen die Frage auf: Wodurch unterscheidet sich unser Idealklang \u2014 er sei z. B. aus 10 Teilt\u00f6nen von ein f\u00fcr allemal festgelegter Intensit\u00e4t aufgebaut \u2014 wodurch unterscheidet er sich von einem Akkord, der auch aus einfachen T\u00f6nen und zwar derselben Intensit\u00e4t zusammengesetzt sei, welche die Intervallreihe 1 : 2 : 3 : 4 usw\\ bilden? Dafs, wenn wir einmal an die Erzeugungsart denken wollen, Phasenunterschiede hier und dort f\u00fcr unsere Empfindung v\u00f6llig gleichg\u00fcltig sind, braucht kaum erw\u00e4hnt zu werden, und dafs die vollkommenere Koh\u00e4renz der Schallstrahlen im ersten Falle nur ein Grund schwererer Analyse, \u00fcbrigens aber ohne Bedeutung ist, d\u00fcrfte ebenfalls ohne weiteres zugegeben werden. Die Folge ist, dafs es einen wesentlichen Unterschied beider F\u00e4lle \u00fcberhaupt nicht gibt, dafs demnach der Akkord, wenn er irgendwo in der Skala ruht, eine gewisse F\u00e4rbung haben mufs, die genau der Farbe des Instrumentklanges entspricht, und dafs der in der Skala verschobene Akkord diese F\u00e4rbung wie der Klang beibehalten mufs.\nWie wir fortfahren m\u00fcssen, ist leicht zu sehen. Was ist an Klang und Akkord, wenn wir sie analysiert denken, bei der Verschiebung sich gleich geblieben? Nichts als die Delationen der Partialt\u00f6ne nach Intervall und Intensit\u00e4t. Irgendwie von den Delationen mufs also die ebenfalls konstant gebliebene F\u00e4rbung","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nWolfgang K\u00f6hler.\n[LIV. 281]\nabh\u00e4ngen, die der Nichtanalysierende h\u00f6rt. Aber wir k\u00f6nnen die Betrachtung vereinfachen: Die Fl\u00f6te z. B. hat nur sehr wenige Obert\u00f6ne, vielleicht 3 oder 4, und die beiden h\u00f6chsten pflegen \u00e4ufserst schwach zu sein. Wir ahmen also den Fl\u00f6tenklang durch einen Akkord der oben angegebenen Art nach, und wieder gilt von diesem, was von jenem. Endlich nehmen wir dem schon verarmten Klange und Akkorde die Obert\u00f6ne bis zum ersten, der Oktave, weiche bleibt. Dann sind zwei F\u00e4lle m\u00f6glich : entweder hat der unanalysierte Zusammenklang von Grundton und Oktave, wenn man ihn \u00fcber die Skala hin verschiebt, in den verschiedenen H\u00f6hen nichts Gemeinsames derart wie die Kl\u00e4nge, oder es findet sich ein solches. Im zweiten Fall sind wir schon am Ziel. Im ersten Falle haben wir das Gemeinsam-Farbige der Fl\u00f6tenkl\u00e4nge, von dessen Vorhandensein wir \u00fcberzeugt sind, in dem n\u00e4chst h\u00f6heren Intervall, der Quinte zwischen Oktave und Duodezime, zu suchen, und von dem aus k\u00f6nnten wir wegen der Schw\u00e4che der nun folgenden Obert\u00f6ne schon kaum mehr weiter rekurrieren. Da wir aber doch irgendeinem un-analysierten Intervall auf diese Weise ein Merkmal zuschreiben m\u00fcssen, welches sich nicht ver\u00e4ndert, wenn das Intervalls eine H\u00f6he wechselt, so ist unsere Aufgabe schon gel\u00f6st; denn nun k\u00f6nnen wir wieder aufsteigen, und wie ja ohne weiteres einleuchtet, beweisen, dafs einem jeden der Intervalle eine bestimmte Farbigkeit zukommt, die es bei wechselnder Lage in der Skala beh\u00e4lt. Aus diesen Intervallfarben, wie sie heifsen m\u00f6gen, setzt sich demnach die Klangfarbe zusammen.\nMan wird mir nicht einwerfen, alle Klangfarben m\u00fcfsten nunmehr gleich sein, da ja die harmonischen Obert\u00f6ne aller Instrumente in denselben Intervallen st\u00fcnden. Vorausgesetzt war bei unserem Verfahren, dafs auch die Intensit\u00e4tsrelationen konstant bleiben m\u00fcfsten, und man sieht, von welcher Bedeutung das ist, wenn wir noch die eigentlich selbstverst\u00e4ndliche Annahme machen, dafs Intervallfarben sich um so mehr in einer simultanen Gesamtheit akustischer Eindr\u00fccke geltend machen, je lauter die das Intervall bildenden T\u00f6ne sind. Wenn die Intervalle verschiedene Farben haben \u2014 und das ist der Fall \u2014, so kommen eben bei verschiedener Intensit\u00e4t der Partialt\u00f6ne verschiedene Intervallfarben am st\u00e4rksten zur Geltung und dominieren in der Klangfarbe.\nSoweit die Skizze meiner Theorie. Umst\u00e4ndlich und langsam","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"[LIA7. 282]\nAkustische Untersuchungen. I.\n175\nbin ich bei der hoffentlich stringenten Ableitung der Intervallfarben zu Werke gegangen, und zwar, weil ja \u00fcber \u201eATorfindliche\u201c Komplexqualit\u00e4ten schon etwas hastig und so geschrieben worden ist, dafs man sich nach Dingen umsehen mufs, die nicht unter diese Kategorie fallen. \u2014 Der Akkord w\u00e4re wohl auch entbehrlich gewesen; indessen haftet f\u00fcr alle die, welche nicht ge\u00fcbt sind, Kl\u00e4nge mit dem Ohr zu analysieren, an der Klangfarbe etwas Geheimnisvolles ; eben das wollte ich gr\u00fcndlich beseitigen. Bei diesem Anlafs k\u00f6nnten sehr genaue Kritiker noch einwerfen, der Akkord liefse sich in Wirklichkeit gar nicht hersteilen, weil die dazu ben\u00f6tigten Stimmgabeln praktisch niemals obertonfrei w\u00e4ren. Indessen durch einen grofsen Apparat von Interferenzr\u00f6hren liefse sich das Gew\u00fcnschte doch mit so grofser Ann\u00e4herung erreichen, wie man nur verlangen kann.\nWas endlich die Beobachtung von Intervallfarben anbetrifft, so m\u00f6chte ich zun\u00e4chst jeden auf das eigene Geh\u00f6r, \u00fcberdies aber auf Mach1 und Kr\u00fcger'2 hin weisen, ohne dafs ich freilich weifs, ob ich ganz das gleiche meine wie der letztere \u2014 denn mit Differenzt\u00f6nen kann schon nach der obigen Ableitung die Intervallfarbe nichts zu tun haben \u2014, und ohne mich ferner irgend f\u00fcr die physiologisch-psychologische Theorie der Zusatz-'empfindungen auszusprechen, die der ber\u00fchmte Wiener Physiker zu ihrer Erkl\u00e4rung beibringt. Jedenfalls sind die Intervallfarben nicht meine Entdeckung, vielleicht aber ist der Versuch neu, auf sie die Klangfarbe zur\u00fcckzuf\u00fchren.\nEs versteht sich von selbst, dafs wir damit nur den Ausgangspunkt neuer Untersuchungen erreicht haben. Welcher der Gattungen von Bewufstseinsph\u00e4nomenen ist die Intervallfarbe unterzuordnen, in welchen Beziehungen stehen die Farben verschiedener Intervalle zueinander, welche Gesetze gelten f\u00fcr ihre Kombination und vor allem, welche Rolle spielt die analysierende Aufmerksamkeit ihnen gegen\u00fcber? Leicht sind wir oben besonders an der schwierigen Frage der beiden Phasen des Analysiertseins und des Zusammenfliefsens vor\u00fcbergeglitten, die Tonmehrheiten in unserem Bewufstsein haben k\u00f6nnen, und ehe alle diese Probleme nicht der L\u00f6sung n\u00e4her gebracht sind, wird sich auch die Klangfarbe nicht v\u00f6llig aus den Intervallfarben erkl\u00e4ren\n1\tAnalyse der Empfindungen. 4. Aufl. S. 218 ff.\n2\tWundts Psych. Stud. 1. 1906. 2. 1907.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nWolfgang K\u00f6hler.\n[LIV. 283]\nlassen. F\u00fcr die letzteren selbst aber eine Erkl\u00e4rung zu geben, sind wir heute, wahrscheinlich auch noch lange, aufserstande.\n\u00dcbrigens liegen die Wege f\u00fcr die angedeuteten Untersuchungen und andere, die sich anzuschliefsen h\u00e4tten, offen vor uns, und bei manchen ist die Aufgabe nicht einmal schwer. In nicht langer Zeit hofft auch der Verfasser neue Arbeiten aus diesem Gebiet vorlegen und die angegebene Theorie durch eine Reihe von Belegen st\u00fctzen zu k\u00f6nnen.\nIV. Von den Vokalen.\nDie Vokalkurven, die ich erhalten habe, sind denen von Pipping, Hermann und Samojloff gr\u00f6fstenteils zum Verwechseln \u00e4hnlich. Nur a und o, u und e sind meinem Freund Becker und mir bisher gegl\u00fcckt, und auch von den beiden letzteren w\u00fcrde ich gern mehr und bessere Aufnahmen haben, i ist vielleicht wegen der H\u00f6he seiner wichtigen Teilt\u00f6ne nicht gut vom Trommelfell zu erhalten. Aber schon aus einem Vergleich des bisher vorliegenden Materials mit dem von den drei genannten Forschern gesammelten ergibt sich die vollkommen gesicherte Folgerung, dafs nicht nur die Kurven, die sie gewannen, ein recht getreues Abbild dessen geben, was wir h\u00f6ren, sondern dafs wir \u2014 wegen der grofsen Verschiedenheit des Wesentlichen der Methoden \u2014 auch der Kenntnis der streng objektiven akustischen Vorg\u00e4nge au\u00dferordentlich nahe gekommen sind. Die vonToEPLER und Boltzmann entworfene, von Raps verbesserte Methode der direkten Aufnahme von Luftdruckschwankungen mit Hilfe der optischen Interferenz bleibt freilich f\u00fcr den Physiker die vollkommenste; aber schon nach den Resultaten, die bisher mit ihr gewonnen wurden, kann man Voraussagen, dafs sie bei weiterer Steigerung ihres technischen Teiles die Ergebnisse der genannten Forscher best\u00e4tigen wird. Keinem Zweifel unterliegt ferner, dafs diese Ergebnisse speziell den alten Streit der Vokaltheorien zugunsten des sogenannten absoluten Momentes entscheiden: Teilt\u00f6ne in f\u00fcr jeden Vokal ganz bestimmten Gegenden der Skala beherrschen, auf welchen Grundton man auch singen oder sprechen mag, durch \u00fcberwiegende Intensit\u00e4t den ganzen Klang. Wie das auch kommen mag \u2014 und die Theorien dar\u00fcber liegen im Kampf miteinander \u2014 die Tatsache selbst ist* so gesichert, wie die Forderung unabweislich, aus ihr in der Hauptsache das Charakteristische der Vokale zu erkl\u00e4ren.","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"[LIY. 284]\nAkustische Untersuchungen. 1.\n177\nDas alles ging mir freilich erst allm\u00e4hlich auf: nach einem ersten u, welches als erste \u00fcberhaupt photographierte Trommelfellschwingung abgebildet werden mag, waren die Vokalkurven, die wir aufnahm en, zun\u00e4chst solche des o. Ich war damals auf die angegebenen Anf\u00e4nge einer psychologischen Theorie der Klangfarben gekommen, und hoffte im stillen, sie werde sich auch auf die Vokale ausdehnen lassen. Als deshalb von den sieben gut geratenen o-Kurven der Platte V \u2014 sie beginnen bei einer Grundtonh\u00f6he von 175 Schwingungen und steigen in Stufen von 25 Schwingungen bis zu 325 empor \u2014 die f\u00fcnf (in der Tonreihe) oberen einander recht \u00e4hnlich waren, meinte ich die tieferen ihnen dadurch \u00e4hnlich machen zu k\u00f6nnen, dafs ich den S\u00e4ngern einsch\u00e4rfte, recht deutliche Vokale zu singen, und genau auf die Befolgung dieser Vorschrift achtete. Aber damit war nichts gewonnen; im Gegenteil, Aufnahmen des o von einer Bafsstimme, die noch tiefer hinab in der Skala die erforderliche St\u00e4rke besafs, zeigten, dafs je tiefer der Vokal gesungen wurde, sein Wellenbild immer verwickelter ward, und dafs Teilt\u00f6ne, die an demselben in h\u00f6heren Lagen gar nicht zu bemerken waren, tiefer unten mit starken Zacken die Periode fast \u2018allein ausf\u00fcllten. Und ganz arg wurde es beim a. Bei der Betrachtung der a-Aufnahmen von Platte VH konnte ich an der Wichtigkeit des absoluten Momentes, an der mafsgebenden Bedeutung bestimmter Tonh\u00f6hen f\u00fcr die einzelnen Vokale nicht mehr zweifeln. Ich versuchte, jene Theorie der Klangfarben so zu formen, dafs sie auch auf diesen Fall pafste, aber es ging nicht und war ja auch unm\u00f6glich. Demnach mufste entweder die Theorie falsch und eine andere zu suchen sein, oder die Vokale waren nach einem anderen psychologischen Prinzip zu erkl\u00e4ren als die Klangfarbe der Instrumente. Da ich ferner keine L\u00fccke in dem Beweisgang entdecken konnte, der zu jener Meinung f\u00fchrte, so mufste ich zu einem n\u00e4heren Verst\u00e4ndnis der Vokale von ihnen allein aus zu kommen suchen. In der Literatur, die ich damals kannte, fand ich keine Hilfe, viele Bestimmungen zwar jener charakteristischen Tonh\u00f6hen, aber kein Wort dar\u00fcber, was diese mit den von uns geh\u00f6rten Vokalen zu tun haben. Um weiter zu kommen, stellte ich mir also eben diese Frage: Welche Eigenschaften mufs derjenige Ton (dasjenige Tongebiet) haben, welcher, mit ganz besonderer Intensit\u00e4t in Kl\u00e4ngen sehr verschiedener H\u00f6he immer wiederkehrend, ihnen allen das Gemeinsame verleiht, sich z. B.","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nWolfgang K\u00f6hler.\n[L1V. 285]\nwie a anzuh\u00f6ren? So schon kam ich zu der Konsequenz, dafs der betreffende Ton selbst wie a klingen m\u00fcsse, und wenn ich weiter \u00fcberlegte, dafs bei allm\u00e4hlichem Aufsteigen in der Skala ein Augenblick kommen m\u00fcsse, wo die Grundtonnote mit dieser wunderlichen Tonh\u00f6he zusammenfiele, so wurde, da nach den vorliegenden Kurven die \u00fcbrigen Partialt\u00f6ne sehr schwach und also ohne wesentliche Bedeutung waren, diese Folgerung noch unausbleiblicher. Aber daf\u00fcr schien sie mir auch vollkommen absurd, ich d a c h t e zun\u00e4chst nicht daran, sie zu pr\u00fcfen. Endlich aber \u2014 ich gestehe, im \u00c4rger \u2014 ergriff ich eine Stimmgabel von 384Q Schwingungen \u2014 so hoch ganz ungef\u00e4hr mufste ja der charakteristische Ton des i liegen \u2014, schlug sie an und h\u00f6rte ein lautes i. Als ich dann hinabsteigend ungef\u00e4hr in den von L. Hermann angegebenen Tonh\u00f6hen (oder, wo er zwei \u201eFormanten\u201c angibt, in der H\u00f6he des einen von ihnen) ein e, a, o und u m\u00fchelos finden konnte, wufste ich freilich, woher die Vokale wie Vokale klingen. Der Diener des Instituts \u2014 v\u00f6llig unbekannt mit Vokaltheorien \u2014 gab auf die Frage: welchem Vokal klingt das \u00e4hnlich? bei allen sofort die entsprechende Antwort, oder als z. B. das a ihm etwas nach o hin verdunkelt vorkam, fand sich in unmittelbarer Nachbarschaft dar\u00fcber eine Gabel, die ihn durch ihren a-Charakter vollauf befriedigte. Auch andere Personen, denen ich sp\u00e4ter, ohne ihnen meine Absicht im voraus mitzuteilen, die gleiche Frage bei den gleichen T\u00f6nen stellte, verhielten sich \u00e4hnlich, und ich bin nunmehr der Ansicht, dafs bei Anwendung von Stimmgabeln mit Laufgewicht Versuchspersonen imstande sein werden, bei Ann\u00e4herung von oben wie von unten ein f\u00fcr sie optimales a e i o u zu finden ; soweit sich aus den bisherigen Erfahrungen schliefsen l\u00e4fst, d\u00fcrften die gefundenen Schwingungszahlen beim auf- wie beim absteigenden Verfahren, sowie f\u00fcr verschiedene Personen gleichen Dialekts nicht zu weit auseinanderliegen. Inzwischen ist mir \u00fcbrigens eine Stelle aus den \u201eTonempfindungen\u201c von Helmholtz eingefallen, wo gewissen T\u00f6nen ein u-Charakter zugeschrieben wird. Er aber wie Grassmann 3, den nicht fr\u00fcher gelesen zu haben ich lebhaft bedauere, weil ich dann rascher zum Ziele gekommen w\u00e4re, haben sich von der Verfolgung solcher gelegentlichen Beobachtungen dadurch abbringen lassen, dafs ihnen als Physikern\n1 Wied. Annalen 1.\t1877.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"[LIV. 286]\nAkustische Untersuchungen. I.\n179\nein einfacher Ton keine Merkmale als Frequenz und Amplitude haben konnte. Auch Hensen 1 sagt nur : \u201eSelbst gewisse Stimmgabeln singen ziemlich deutlich Vokale\u201c, ohne der Erscheinung weiter nachzugehen.2 Neuerdings ist aus dem angegebenen physikalischen Motiv heraus von einem hoch gesch\u00e4tzten Physiker ein Angriff auf die STUMPEsche Lehre von den Tonfarben gemacht worden. Wir kommen darauf ein andermal zur\u00fcck und bemerken vorl\u00e4ufig nur, dafs es doch spezifische Heiligkeiten von Farben und ein endogenes Schwarz gibt, f\u00fcr die eine physikalische Parallelerscheinung durchaus fehlt. Die geschilderten Tatsachen lassen sich ohne Tonfarben gar nicht verstehen, sind sie doch nichts als deren Nachweis. Da aber nat\u00fcrlich die Reihe der Tonfarben (besser vielleicht \u201eTonhelligkeiten\u201c) an sich keine ausgezeichneten Punkte besitzt, so hat hier die Er\u00f6rterung psychologischer Faktoren zu beginnen, die wir im zweiten Teil dieser Untersuchungen ansteilen wollen. \u00dcbrigens sind die mit gew\u00f6hnlichen Stimmgabeln bestimmten Vokalt\u00f6ne durch die gr\u00f6fsere Helligkeit der freilich schwachen Obert\u00f6ne vermutlich etwas zu niedrig.\nWir sind, wie im vorigen Abschnitt bereits angedeutet wurde, auch mit diesem Fund erst recht in Probleme hineingeraten. Die Umlaute \u00f6 und \u00fc z. B. (vielleicht auch \u00e4) finden sich bei einzelnen Stimmgabeln nicht, und wir haben noch keine Zeit gefunden, die naheliegenden Vermutungen \u00fcber ihre Entstehung nachzupr\u00fcfen. Es ist ferner zu untersuchen, welche Bedeutung den zweiten \u201eFormanten\u201c oder Verst\u00e4rkungsgebieten zukommt, die bei einigen Vokalen auch nach den Trommelfellkurven vorhanden sind; dann, wie es mit allen \u00fcbrigen Teilt\u00f6nen, vor allem dem Cfrundton steht, und endlich ist ja f\u00fcr die psychologische Er\u00f6rterung eine Grundlage gewonnen und ihre Probleme lassen sich nunmehr pr\u00e4ziser formulieren, aber daf\u00fcr sind sie auch um so zahlreicher geworden. Ich hoffe, wie auf die ungel\u00f6sten R\u00e4tsel der Klang- und Intervallfarbe auf diese anderen in betreff der Tonfarben recht bald wreiter eingehen zu k\u00f6nnen, und dann vor allem das Verh\u00e4ltnis beider Erscheinungen zueinander klarstellen zu k\u00f6nnen.\nIn der psychologischen Theorie, das glaube ich schon jetzt\n! Zeitschr. f. Biologie 28. 1801.\n2 Vgl. jedoch den Nachtrag am Schlufs.","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nWolfgang K\u00f6hler.\n[LIY. 287]\nsagen zu k\u00f6nnen, sind sie vollst\u00e4ndig voneinander zu trennen, und die Konstanz eines Vokales bei verschiedener Tonh\u00f6he wird allein aus der einen von beiden, die eines der besprochenen Instrumente aus der anderen abzuleiten sein, wenngleich beide Faktoren in allen unanalysierten Kl\u00e4ngen eine gewisse Rolle spielen m\u00fcssen.\nIch habe nichts \u00fcber die Entstehung der Vokale in der menschlichen Mundh\u00f6hle gesagt, weil ich noch nicht alles Material sammeln konnte, das zur Entscheidung dieser Frage unentbehrlich ist. Wer die Entwicklung der betreffenden Theorien kennt und sich jetzt von den oben angegebenen Tatsachen zu \u00fcberzeugen vermag, wird schon vermuten, welches das Endresultat sein mufs. Aber es empfiehlt sich, mit dieser Er\u00f6rterung zu warten, bis die Kette der Beweismittel geschlossen ist.\nWenn die Theorie der Klang- und Vokalfarben, ebenso wie die Mechanik des Trommelfells hier nur in einzelnen Punkten aufgehellt werden konnte, so darf man doch die Hoffnung hegen, dafs auf diesem Wege weitere Fortschritte m\u00f6glich sein werden. Eine Beobachtung, die Herr Becker ganz zuletzt beim Einstellen der Versuchsanordnung machte, und die ein anderer Anwesender und ich bei genauer Pr\u00fcfung nur best\u00e4tigen konnten, zeigt, wie man fortfahren mufs : Die Spaltbildverbreiterung zeigte sich, w\u00e4hrend der Spiegel wahrscheinlich nur am freien Trommelfell, nicht mehr am Hammergriff klebte, stark vergr\u00f6fsert und fand (bei gleich bleibender Richtung der Tensorbewegung) f\u00fcr T\u00f6ne verschiedener H\u00f6he in verschiedener Richtung statt, derart, dafs bei dem Vokal o (dessen bei weitem st\u00e4rkster Teilton etwa bei b1 liegt) die Schwingungen fast senkrecht erfolgten zu denen des Vokals a (st\u00e4rkster Teilton etwa eine Oktave h\u00f6her). Da der erste Spalt \u2014 der in der Wand \u2014-senkrecht auf der Schwingungsrichtung stehen soll, mufste er also um etwa 900 wie ein Nikol gedreht werden. Die grofse Amplitude war nach Helmholtz zu erwarten, sobald der Spiegel auf der freien Membran safs, das zweite Ph\u00e4nomen legt unvorsichtige Hypothesen so gef\u00e4hrlich nahe, dafs wir es vorziehen, nicht weiter darauf einzugehen, bis der Spielraum m\u00f6glicher Erkl\u00e4rungen durch weiteres Tatsachenmaterial ein wenig eingeschr\u00e4nkt ist.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"[LIV. 288]\nAkustische Untersuchungen. I.\n181\nAufrichtigen Dank mufs ich zum Schlufs noch einmal meinen drei g\u00fctigen Helfern und dann vor allem Herrn Geheimrat Stumpf sagen, der mich zur Untersuchung der Klangfarbe ver-anlafst, als ich mein experimentelles Verfahren vorschlug, ohne weiteres die Erlaubnis gegeben und so lange Zeit hindurch, obwohl die Versuche immer wieder fehlschlugen, die Geduld mit mir nicht verloren hat. Endlich d\u00fcrfen Fr\u00e4ulein Gollmer und die Herren Dipl.-Ing. Hemme, stud. phil. Richter und stud, phil. Planck, welche mir ihre sch\u00f6nen Stimmen freundlichst zur Verf\u00fcgung stellten, meiner dankbaren Gesinnung versichert sein.\nNachtrag zu S. 179: Erst nach Abschlufs dieser Arbeit erfahre ich von Herrn Geheimrat Stumpf, dafs schon im Jahre 1832 Willis in einer Untersuchung \u201e\u00dcber Vokalt\u00f6ne und Zungenpfeifen\u201c (Po g g end or ff s Ann. d. Physik 24) fast die gleiche Beobachtung gemacht hat wie ich. Er sagt n\u00e4mlich (S. 415 f.): \u201eDer Vokallaut l\u00e4fst sich bis zu einem gewissen Grade an einfachen musikalischen T\u00f6nen wahrnehmen. Die hohen T\u00f6ne der Orgel oder Geige geben offenbar ein 1 an, die Bafst\u00f6ne ein 27, und wenn man schnell die ganze Tonreihe hinauf und hinab durchl\u00e4uft, glaubt man die Reihe UOAE1IEAO U usw. zu h\u00f6ren, so dafs es den Anschein hat, als sei in einfachen T\u00f6nen ein jeder Vokallaut unzertrennlich von einer gewissen Tonh\u00f6he.\u201c (Dabei sind noch unter einfachen T\u00f6nen solche gemeint, die durch Schwingungen eines einzigen K\u00f6rpers entstehen, z. B. die T\u00f6ne der Labialpfeifen, die nur durch Schwingungen der Luft hervorgebracht werden.)\nSchon der Bericht, den Helmholtz (\u201eTonempfindungen\u201c4 189 f.) \u00fcber die WiLLissche Untersuchung gibt, l\u00e4fst die Meinung des englischen Forschers nicht mehr deutlich hervortreten. Stumpf freilich hat sie in der \u201eTonpsychologie\u201c (II, 543) wiedergegeben. Indessen ist es wohl den meisten Vokaltheoretikern wie mir gegangen : die einen haben diese Stelle \u00fcbersehen und die \u00fcbrigen die Beobachtung ohne weitere Pr\u00fcfung f\u00fcr irrt\u00fcmlich gehalten. Anders l\u00e4fst es sich nicht erkl\u00e4ren, dafs sie in der reichen Vokalliteratur der letzten Jahrzehnte meines Wissens \u00fcberhaupt nicht erw\u00e4hnt wird, obwohl sie wie keine andere die am meisten vertretene Theorie des \u201eabsoluten Moments\u201c zu st\u00fctzen und zu kl\u00e4ren geeignet ist.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nWolfgang K\u00f6hler.\n[LIV. 289]\nDafs die Beobachtung den Tatsachen entspricht, wird nat\u00fcrlich nur noch wahrscheinlicher dadurch, dafs ich sie ohne Kenntnis der WiLLisschen Arbeit aufs neue gemacht habe, ferner dadurch, dafs ich vortreffliche Stimmgabeln verwenden konnte, die gewifs einfachere T\u00f6ne geben als Willis herzustellen vermochte.\nEs freut mich ganz besonders, von diesem Forscher auch die Konsequenz gezogen zu finden, die ich auf Grund meiner Versuche f\u00fcr zwingend halte, n\u00e4mlich: \u201edafs Vokallaute eine von der Tonh\u00f6he und dem Klang (quality \u2014 Klangfarbe) ganz verschiedene Modifikation des Schalles sind, die man sorgf\u00e4ltig von. den beiden letzteren unterscheiden mufs.\u201c\nBerichtigung zu Heft III.\nYon C. Stumpf.\nHerr Dr. y. Hornbostel hat mich aufmerksam gemacht, dafs in meiner Abhandlung \u201eTonsystem und Musik der Siamesen\u201c S. 86 ein Mifsverst\u00e4ndnis in Hinsicht der LAN\u00fcschen Tabelle vorliegt. Die Tabelle gibt nicht, wie ich annahm, die Resultate mehrerer voneinander unabh\u00e4ngiger Messungsreihen in verschiedenen Oktaven, sondern nur die einer einzigen Messungsreihe in einer Oktave. Die erhaltenen Werte sind aber von Land unter Zugrundelegung verschiedener Anfangst\u00f6ne viermal umgerechnet und so in 5 Rubriken nebeneinandergesteilt. Das von mir berechnete vermeintliche Mittel aus Lands Messungen mufste daher selbstverst\u00e4ndlich genau mit den durch das Prinzip der gleichstufigen F\u00fcnftonskala geforderten Werten \u00fcbereinstimmen. Dafs die \u00dcbereinstimmung beim letzten Ton nicht genau ist, r\u00fchrt nur daher, dafs Land selbst sich hier verrechnet oder verschrieben hat (die 2 ersten Werte seiner 3. Kolumne m\u00fcssen 7-18 und 9-69 sein statt 6-88 und 9-39). Mein Mifsverst\u00e4ndnis mag dadurch entschuldigt werden, dafs der Tabelle Lands keine Erl\u00e4uterung, wohl aber die Bemerkung beigef\u00fcgt ist, auf anderen Instrumenten wiederhole sich die Skala in mehreren Oktaven, und dafs ich selbst im Berliner Museum die Fortsetzung der Tonleiter eines Saron auf einem anderen Exemplar in h\u00f6herer Oktave beobachtet hatte. In meiner Zusammenstellung a. a. 0. ist infolge dieses Mifsverst\u00e4ndnisses die 3. Kolumne (Land, Mittel) zu streichen. In der 1. Kolumne \u201eEllis, Mittel\u201c streiche man nur das Wort \u201eMittel\u201c. Denn hier ist tats\u00e4chlich nur die erste (und einzige) Oktave mit den von Ellis angegebenen Werten zugrunde gelegt. Alles \u00dcbrige bleibt unver\u00e4ndert, und die \u00dcbereinstimmung der Beobachtungen mit den theoretischen Werten der gleichstufigen F\u00fcnftonleiter ist auch so noch eine gl\u00e4nzende zu nennen.\nLippert & Co. (GL P\u00e4tz\u2019sche Buchdr.), Naumburg a. S.","page":182},{"file":"p0182s0002table3.txt","language":"de","ocr_de":". 158. \u201eK\u00d6NiGsche Gabel","page":0}],"identifier":"lit38494","issued":"1909","language":"de","pages":"134-181","startpages":"134","title":"Akustische Untersuchungen. I","type":"Journal Article","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:08:42.573667+00:00"}