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{"created":"2022-01-31T17:00:36.465933+00:00","id":"lit38497","links":{},"metadata":{"alternative":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft","contributors":[{"name":"Schaefer, Karl L.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft 6: 83-101","fulltext":[{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"[Char.-Ann. 658]\n88\n\u00dcber Variations- und Unterbrechungst\u00f6ne in ihrer Beziehung zur Theorie des H\u00f6rens.1\nVon\nKarl L. Schaefer.\nDie Variationst\u00f6ne und die Intermittenz- oder Unterbrechungst\u00f6ne fallen in jenes Gebiet der physiologischen Akustik, welches ich in meinem Artikel \u201eGeh\u00f6rssinn\u201c in Nagels Handbuch der Physiologie 2 als das der sekund\u00e4ren Klangerscheinungen bezeichnet habe. Es sind darunter diejenigen akustischen Ph\u00e4nomene zu verstehen, welche beim Zusammenklang zweier (oder mehrerer) einfacher T\u00f6ne neben letzteren, den sogenannten Prim\u00e4rt\u00f6nen, eben als Folge von deren Zusammenwirken, also sekund\u00e4r, auf treten. Zu den sekund\u00e4ren Klangerscheinungen geh\u00f6ren aufser den hier in Rede stehenden T\u00f6nen noch die Schwebungen sowie die Kombinationst\u00f6ne, welche ihrerseits wieder in die Unterabteilungen Summations- und Differenzt\u00f6ne zerfallen.\nIn den grundlegenden und bahnbrechenden akustischen Untersuchungen, die Helmholtz in seinem klassischen Werke \u201eLehre von den Tonempfindungen\u201c niedergelegt hat, sind zwar die Schwebungen und Kombinationst\u00f6ne soweit behandelt, als sie dem grofsen Forscher f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der Tatsachen des H\u00f6rens und namentlich f\u00fcr die Theorie der Konsonanz und Dissonanz wichtig erschienen, die Variationst\u00f6ne aber nur gelegentlich gestreift und die Unterbrechungst\u00f6ne ganz unbeachtet gelassen worden. Dagegen hat Rudolf Koenig, der r\u00fchmlichst\n1\tAus den Charit\u00e9 - Annalen, 34. Jahrgang (Jubil\u00e4umsband), 1910, abgedruckt.\n2\tBand III. Braunschweig 1905.\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nKarl L. Schaefer.\n[Char.-Ann. 658/659]\nbekannte, vor einigen Jahren verstorbene Pariser Akustiker und Instrumentenmacher, der letzteren Gruppe von T\u00f6nen besonderes Interesse zugewandt, und im Anschlufs an seine Versuche ist es dann in den letzten Dezennien zur Entwicklung einer eigenen Literatur \u00fcber diesen Gegenstand gekommen.\nDie Unterbrechungst\u00f6ne entstehen nur unter ganz speziellen Versuchsbedingungen, sozusagen in Ausnahmef\u00e4llen. Ihre praktische Bedeutung ist daher gering. Um so wichtiger sind sie aber f\u00fcr die Theorie des H\u00f6rens geworden, insofern man bis vor wenigen Jahren ganz allgemein der Ansicht huldigte, dafs ihre Existenz einen unl\u00f6sbaren Widerspruch gegen die im \u00fcbrigen so plausible, elegante und befriedigende HELMHOLTzsche Resonanzhypothese bedeute. Wenn eine n-rnal pro Sekunde in regel-m\u00e4fsigen Zeitabst\u00e4nden erfolgende Unterbrechung eines einfachen Prim\u00e4rtones zu der Wahrnehmung eines sekund\u00e4ren Tones von der Schwingungszahl n Veranlassung gibt \u2014 dies eben ist der \u201eUnterbrechungston\u201c \u2014, dann ist damit bewiesen, so argumentierte man, dafs die blofse Zerlegung eines Tones in periodische Abschnitte die Ursache einer neuen Tonempfindung werden kann, w\u00e4hrend der Resonanzhypothese zufolge das Ohr lediglich solche T\u00f6ne wahrzunehmen vermag, welche als physikalische Komponenten, in Form von Pendelschwingungen, in der die Basilar-membran von aufsen her treffenden Klangwelle enthalten sind. So hat schon im Jahre 1876 Rudolf Koenio in seiner Abhandlung \u201e\u00dcber den Zusammenklang zweier T\u00f6ne\u201c 1 auf Grund von Experimenten die Behauptung auf gestellt, dafs periodische Intermittenzen eines Tones bei gen\u00fcgender Frequenz und St\u00e4rke ganz ebenso wie prim\u00e4re Impulse in einen Ton \u00fcbergingen ; es w\u00e4ren dazu nicht einmal vollst\u00e4ndige Pausen n\u00f6tig, vielmehr gen\u00fcge schon ein gleichf\u00f6rmiges Auf- und Abschwanken der Intensit\u00e4t des prim\u00e4ren Tones, um die Wahrnehmung eines \u201eIntermittenztones\u201c hervorzurufen. Ganz \u00e4hnlich hat sich L. Hermann sp\u00e4ter ge\u00e4ufsert, der bekanntlich seine Vokaltheorie in Beziehung zu den Unterbrechungst\u00f6nen bringt.2 Ein Vokal ist nach Hermann nur ein intermittierender oder oszillierender Mund\u201c ton; erfolgt die Oszillation beispielsweise 131 mal in der Sekunde,\n1\tFoggendorffs Annalen 157, S. 177 ff.\n2\tVgl. die verschiedenen Abhandlungen Hermanns zur Lehre von den Vokalen in Pfl\u00fcgers Archiv 45 ff.","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"[Char.-Ann. 659/660] \u00dcber Variations- und Unterbrechungst\u00f6ne usic. 85\nso hat der Vokal die Note c\u00b0. Das Wesentliche w\u00e4re also ein intermittierendes oder oszillierendes Anblasen des Mnndtones durch die Stimme. Hebmann verkennt zwar die seiner Theorie entgegenstehende Schwierigkeit nicht, die darin besteht, dafs wir beim Singen eines Vokals auf die Note c\u00b0 den Ton c\u00b0 bei weitem am st\u00e4rksten h\u00f6ren, w\u00e4hrend er bei der Analyse des Vokal-phonogramms \u201eso gut wie vollkommen fehlt\u201c, meint jedoch, seine Auffassung der Vokale sei leicht verst\u00e4ndlich, \u201ewenn das Ohr jede Art von Periodik mit einer Tonempfindung beantwortete , also auch das schwebungsartige Intermittieren eines Tones als einen Ton von der Schwingungszahl des Intermittierens h\u00f6rte\u201c. Und schliefslich hat unter den Psychologen, die ja auch die Theorie der Gesichts- und Geh\u00f6rswahrnehmungen wie der Sinnesempfindungen \u00fcberhaupt als zum Bereiche ihrer Spezialwissenschaft geh\u00f6rig betrachten, kein Geringerer als W. Wundt neben anderen akustischen Erscheinungen gerade die Intermit-tenzt\u00f6ne zum Anlafs genommen, eine neue Theorie des H\u00f6rens aufzustellen1, nach welcher jeder Ton, den unser Ohr empf\u00e4ngt, auf einem doppelten Wege ins Zentralorgan gelangt, indem er einmal ganz im Sinne der Resonanzhypothese auf das CoBTische Organ wirkt und zweitens \u00fcberdies durch Knochenleitung direkt auf den Nervenstamm \u00fcbertragen wird, wobei dann jede Akusti-kusfaser jeden beliebigen Ton weiter zu leiten f\u00e4hig und das Entstehen von akustischen Interferenzerscheinungen noch innerhalb der nerv\u00f6sen Substanz m\u00f6glich sein soll.\nMerkw\u00fcrdigerweise haben die hier genannten Autoren und ihre nicht wenigen Anh\u00e4nger es immer stillschweigend f\u00fcr selbstverst\u00e4ndlich gehalten, dafs die Unterbrechungst\u00f6ne als exquisit subjektive T\u00f6ne erst im inneren Ohre oder gar erst in der nerv\u00f6sen Substanz entst\u00e4nden. H\u00e4tte gleich der erste Beobachter derselben sich unbefangen die Frage vorgelegt und zu beantworten versucht, ob die Intermittenzt\u00f6ne nicht etwa als regelrechte Teilt\u00f6ne des Gesamtklanges bereits in der Luft nachweisbar oder sonst irgendwie mit der Resonanzhypothese in Einklang zu bringen seien, so w\u00fcrde man zweifellos schon damals ihre wahre Natur erkannt haben und gar nicht erst darauf gekommen sein, aus ihrer Existenz der HELMHOLTzschen Resonanzhypothese sozusagen einen Fallstrick zu drehen.\n1 Ist der H\u00f6rnerv direkt durch Tonschwingungen erregbar? Philosoph. Studien 8. 1898.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nKarl L. Schaefer.\n[Char.-Ann. 660/661]\nEs ist aber einer Reihe von Untersuchungen, die ich vor etlichen Jahren im Psychologischen Institut der Berliner Universit\u00e4t in Gemeinschaft mit dem aufsergew\u00f6hnlich musikalischen und durch den Besitz des absoluten Tonbewufstseins zur Klanganalyse hervorragend bef\u00e4higten sowie darin ge\u00fcbten Herrn Dr. Otto Abraham ausf\u00fchren konnte, Vorbehalten geblieben, den in vielen F\u00e4llen \u00fcberaus einfachen Nachweis zu f\u00fchren, dafs die Unterbrechungst\u00f6ne keinerlei Handhabe zu Angriffen gegen die HELMHOLTzsche H\u00f6rtheorie liefern, insofern sie teils rein physikalisch aufserhalb des Ohres entstehen, teils gew\u00f6hnliche Differenzt\u00f6ne sind. Ja, man darf sagen, dafs die Lehre von den Variations- und Unterbrechungst\u00f6nen in ihrer gegenw\u00e4rtigen Gestalt sogar in gewissen Punkten eine neue und feste St\u00fctze der Resonanzhypothese darstellt. Um zu diesem Resultate zu gelangen, war es freilich unerl\u00e4fslich, die verschiedenen Arten, in welche die Unterbrechungst\u00f6ne nach ihrer Entstehungsweise zerfallen, einzeln aufs sorgf\u00e4ltigste vorurteilslos und systematisch zu untersuchen.\nDie einfachste Methode, um Unterbrechungst\u00f6ne zu erzeugen, d\u00fcrfte die Benutzung der sogenannten SEEBECKschen Sirene zu dem genannten Zwecke sein. Es ist dies eine d\u00fcnne, kreisf\u00f6rmige Scheibe aus Holz, Metall oder Pappe, die vertikal auf einer durch ihren Mittelpunkt gehenden horizontalen Achse befestigt und mit mindestens einem Kreise von gleichgrofsen, gleichweit voneinander abstehenden L\u00f6chern versehen ist. Wird die Scheibe mittels eines an der Achse angreifenden Schnurlaufes in Rotation versetzt und der L\u00f6cherkreis (dessen Mittelpunkt das Zentrum der Scheibe ist) dabei durch eine R\u00f6hre mit dem Munde oder sonst einer Blasevorrichtung angeblasen, so dafs jedesmal, wenn eines der L\u00f6cher an der R\u00f6hrenm\u00fcndung vorbeikommt, ein Luftstofs durch die Scheibe dringt, so h\u00f6rt man einen Ton, dessen Schwingungszahl gleich der Anzahl der in einer Sekunde stattfindenden Luftst\u00f6fse oder, was auf dasselbe hinausl\u00e4uft, gleich der Anzahl der pro Sekunde die Anblaser\u00f6hre passierenden L\u00f6cher ist. Dieser Ton ist der Prim\u00e4rton. Werden nun in regelm\u00e4fsiger Anordnung eine Anzahl L\u00f6cher des Kreises verklebt oder verstopft, so dafs Gruppen von offenen und verschlossenen L\u00f6chern miteinander alternieren, so entsteht beim Anblasen der rotierenden Sirene neben dem Prim\u00e4rton ein mehr oder weniger lauter Unter-","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"[Char.-Ann. 661/662] \u00dcber Variations- und \u00dcnterbrechungst\u00f6ne usw. 87\nbrechungston. Ein Beispiel m\u00f6ge dies verdeutlichen. Nehmen wir an, der Kreis habe 300 L\u00f6cher, von denen immer 30 freie mit 30 verschlossenen abwechseln, so haben wir 5 Unterbrechungsperioden von 30 L\u00f6chern, und gesetzt den Fall, die Scheibe mache 5 Umdrehungen pro Sekunde, so h\u00f6ren wir einen Prim\u00e4rton von 5 X 300 \u20141500 und einen Intermittenzton von 5 X 5 = 25 Schwingungen.\nAbbaham und ich1 haben nun in einer Reihe von Versuchen dieser Art, bei denen der Unterbrechungston allerdings zweckm\u00e4fsigerweise erheblich h\u00f6her genommen wurde als in dem eben gegebenen Beispiel, gezeigt, dafs der Intermittenzton durch einen in das Ohr eingef\u00fchrten kugelf\u00f6rmigen oder zylindrischen HELMHOLTzschen Resonator merklich verst\u00e4rkt wird, also objektiv physikalisch in der Luft vorhanden sein mufs. Die Zunahme der Intensit\u00e4t im Resonator war stets so erheblich, dafs jede T\u00e4uschung ausgeschlossen war. Es wurde vielmehr wiederholt an dem pl\u00f6tzlichen Versagen des Resonators zuerst erkannt, wenn die Geschwindigkeit der Scheibe und damit die H\u00f6he des Unterbrechungstones sich infolge der Schwankungen des treibenden Elektromotors hinsichtlich der Tourenzahl ge\u00e4ndert hatte. Eine noch instruktivere und zugleich zur Demonstration vor einem gr\u00f6fseren Auditorium geeignete Form des Versuches besteht darin, den Resonator des Unterbrechungstones der Anblaser\u00f6hre gegen\u00fcber dicht an die rotierende Scheibe zu halten. Der Unterbrechungston wird dadurch m\u00e4chtig verst\u00e4rkt. Diese Wirkung tritt andererseits nicht ein, wenn man einen falschen Resonator nimmt oder die H\u00f6he des Unterbrechungstones wesentlich \u00e4ndert.\nRudolf Koenig2 hat bei seinen Versuchen \u00fcber Intermit-tenzt\u00f6ne auch Sirenenscheiben benutzt, auf welchen die L\u00f6cher zwar gleichen Abstand untereinander hatten, aber periodisch an Gr\u00f6fse zu- und abnahmen, so dafs also ein Ton von periodisch wechselnder Intensit\u00e4t in das Ohr des Beobachters gelangte, wenn die L\u00f6cher mit einer R\u00f6hre von dem Durchmesser der gr\u00f6fsten L\u00f6cher angeblasen wurden. Es wurde hierbei neben dem Prim\u00e4rton noch ein Ton geh\u00f6rt, dessen Schwingungszahl mit der An-\n1\tStudien \u00fcber Unterbrechungst\u00f6ne. Erste Mitteilung. Pfl\u00fcgers Archiv 88, S. 207 ff. 1901.\n2\tQuelques exp\u00e9riences d\u2019acoustique. Paris 1882. S. 140 f.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"Karl L, Schaefer.\n[Char.-Ann. 662/663]\nzahl der periodischen Intensit\u00e4tsschwankungen in einer Sekunde \u00fcbereinstimmte. Auch diese Art von Intermittenzt\u00f6nen ist rein physikalischen Ursprungs. Sie werden durch passende Resonatoren, wie Abeaham und ich a. a. 0. nachgewiesen haben, aufs Deutlichste verst\u00e4rkt.\nWie zur Tonbildung \u00fcberhaupt, so kann man auch zur Erzeugung von Unterbrechungst\u00f6nen Zahnr\u00e4der benutzen. Es ist zu diesem Zwecke nur n\u00f6tig, in regelm\u00e4fsigen Abst\u00e4nden einzelne der L\u00fccken durch Ausf\u00fcllen zu beseitigen oder eine Anzahl Z\u00e4hne fortzunehmen. Wurde ein solches Rad auf einer elektrisch getriebenen Achse zentrisch befestigt und der Rand eines Kartenblattes, etwa einer gew\u00f6hnlichen Visitenkarte, w\u00e4hrend der Rotation gegen die Z\u00e4hne gehalten, so erhielten Abeaham und ich1 wiederum eine lebhafte Verst\u00e4rkung des Unterbrechungstones durch seinen zugeh\u00f6rigen Resonator, die gelegentlich noch betr\u00e4chtlicher war als bei den L\u00f6chersirenen. Man kann \u00fcbrigens auch das Zahnrad in derselben Weise benutzen wie eine L\u00f6cherscheibe. \u00dfl\u00e4st man n\u00e4mlich einen senkrecht zur Fl\u00e4che des Rades gerichteten Luftstrom aus einer feinen \u00d6ffnung gegen den Zahnkranz, so wird ebenfalls der Prim\u00e4rton mit seinem Unterbrechungston , wenn auch leiser, geh\u00f6rt und durch den entsprechenden Resonator eine merkliche Intensit\u00e4tszunahme des letzteren erzielt.\nIn der soeben zitierten zweiten Mitteilung \u00fcber unsere Studien betreffs der Unterbrechungst\u00f6ne haben Abeaham und ich auch die sogenannten Phasenwechselt\u00f6ne untersucht. L. Heemann hatte in einer Abhandlung \u201eBeitr\u00e4ge zur Lehre von der Klangwahrnehmung\u201c 2 \u00fcber Experimente an Zahnr\u00e4dern berichtet, die so geschnitten wTaren, dafs sich die Phase des Prim\u00e4rtones in gewissen gleichen Zeitintervallen fortw\u00e4hrend umkehrte. Ein solcher Prim\u00e4rton wurde begleitet von einem tieferen Tone, dessen Schwingungszahl mit der Anzahl der in der Sekunde stattfindenden Phasenwechsel \u00fcbereinstimmte. Hee-mann selbst hat keine bestimmte Ansicht \u00fcber den \u2014 f\u00fcr den Gang seiner Untersuchung \u00fcbrigens auch gleichg\u00fcltigen \u2014 Ursprung dieser T\u00f6ne ausgesprochen. Wir haben die Versuche\n1\tStudien \u00fcber Unterbrechungst\u00f6ne. Zweite Mitteilung. Pfl\u00fcgers Archiv 85, S. 536 ff. 1901.\n2\tPfl\u00fcgers Archiv 58, S. 489 ff. 1894.","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"[Char,-Ann. 663] \u00dcber Variations- and Unterbreclmngst\u00f6ne usw.\nwieder aufgenommen und dabei aufser Zahnr\u00e4dern auch Lochscheiben benutzt, da sich mit Hilfe der letzteren die notwendigen Variationen in der Konfiguration der L\u00f6cherperioden bequemer hersteilen lassen. Es ergab sich, dafs die Phasenwechsel an und f\u00fcr sich keine Veranlassung zur Bildung eines besonderen Tones geben, der Name Phasenwechselt\u00f6ne also ganz unberechtigt ist, und dafs in solchen F\u00e4llen, wo ein phasenwechselnder Prim\u00e4rton von einem zweiten Tone begleitet wird, dessen Schwingungszahl gleich derjenigen der Phasenumkehrungen ist, dieser letztere einen einfachen Unterbrechungston von physikalischer Herkunft darstellt.\nHie bisher angef\u00fchrten Methoden, Unterbrechungst\u00f6ne zu erzeugen, haben das gemeinsam, dafs die Unterbrechungst\u00f6ne gleich den Prim\u00e4rt\u00f6nen von der Klangquelle selbst hervorgerufen und durch die Luft auf das Ohr \u00fcbertragen werden. Neben dieser Art von Intermittenzt\u00f6nen existiert nun noch eine zweite Gruppe, n\u00e4mlich solche Unterbrechungst\u00f6ne, welche nicht mittels Resonatoren als bereits in der Luft vorhanden nach ge wiesen werden k\u00f6nnen, welche indessen alle Eigenschaften von Differenzt\u00f6nen besitzen, d. h. von T\u00f6nen, die nach neueren Untersuchungen von mir und anderen im Trommelfell oder vielleicht auch in den Kopfknochen entstehen, jedenfalls aber als objektive, pendelf\u00f6rmige Komponenten in der die Basilarmembran treffenden Schallwelle enthalten sind und somit f\u00fcr die Theorie des H\u00f6rens keinerlei Schwierigkeit bieten. Diese zweite Gruppe von Unterbrechungst\u00f6nen steht in nahem Zusammenh\u00e4nge mit den Variationst\u00f6nen, weshalb wir zun\u00e4chst auf letztere etwas n\u00e4her ein gehen m\u00fcssen.\nVariationst\u00f6ne treten dann auf, wenn die Amplitude eines einfachen Tones nicht konstant gehalten, sondern periodischen Schwankungen unterworfen wird. Schon im Jahre 1844 ist von Seebeck in seiner Abhandlung \u00fcber die Definition des Tones eine \u00dcberlegung dar\u00fcber angestellt worden, was aus einem einfachen Tone von der Schwingungszahl n wird, wenn seine Amplitude, also seine Intensit\u00e4t, m-mal pro Sekunde pendelperiodisch auf und ab schwankt. Seebeck kam zu dem Resultat, dafs dann neben dem Tone n noch zwei T\u00f6ne mit den Schwingungszahlen n -j- m und n \u2014 m auftreten m\u00fcfsten, verfolgte aber den Gegenstand nicht experimentell. Dies hat zuerst PIelmholtz getan,","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nKarl L. Schaefer.\n[Char.-Ann. 663/664]\nder dar\u00fcber folgendes mitteilt1 : \u201eDer untere Kasten meiner Doppelsirene klingt stark mit, wenn die Gabel a1 vor seine untere \u00d6ffnung gehalten wird und die L\u00f6cher alle gedeckt sind, nicht aber, wenn die L\u00f6cher einer Reihe offen sind. L\u00e4fst man nun die Sirenenscheibe rotieren, so dafs die L\u00f6cher abwechselnd offen und gedeckt sind, so erh\u00e4lt man eine Resonanz der Stimmgabel von periodisch wechselnder St\u00e4rke. Ist n die Schwingungszahl der Gabel, m die Zahl, welche angibt, wie oft ein einzelnes Loch des Kastens ge\u00f6ffnet wird, so ist die St\u00e4rke der Resonanz eine periodische Funktion der Zeit, also im einfachsten Falle zu setzen gleich\n1 \u2014 sin mt\nDie Schwingungsbewegung der Luft erh\u00e4lt also dann die Form2 (1 \u2014 sin 2 7t mt) sin 2 7t nt \u2014 sin 2 7t nt1/2 cos 2 Tt (m-\\-n)t \u2014 ^ cos 2 7t {n \u2014 m) t und man h\u00f6rt deshalb aufser dem Tone n auch noch die T\u00f6ne n + m und n \u2014 m. Dreht sich die Sirenenscheibe langsam, so ist m sehr klein, und die genannten T\u00f6ne sind einander sehr nahe, so dafs sie Schwebungen geben. Bei rascher Drehung dagegen trennt sie das Ohr.\u201c\nDer Name \u201eVariationst\u00f6ne\u201c f\u00fcr solche T\u00f6ne von der Form n -|- m und n \u2014 m stammt von dem bekannten \u00e4lteren Akustiker Radau3, der in \u00e4hnlicher Weise wie Seebeck und Helmholtz berechnete, dafs der Ton einer rotierenden Klangplatte sich unter gewissen Bedingungen in einen h\u00f6heren und einen tieferen spalten m\u00fcsse. Steean4 best\u00e4tigte Radaus rein theoretische Deduktion durch Versuche folgender Art. Dreht man eine t\u00f6nende Klangplatte vor dem Ohre, so dafs nacheinander ihre vier Abteilungen demselben gegen\u00fcber zu stehen kommen, so h\u00f6rt man den Ton bei jeder Umdrehung viermal anschwellen und verl\u00f6schen. Bei langsamer Drehung schwebt der Ton, bei schnellerer tritt allm\u00e4hlich die Spaltung ein. Dieselbe Erscheinung zeigt sich, wenn man eine Stimmgabel in eine Zentrifugalmaschine oder Drehbank einspannt, anstreicht und vor dem Ohre rotieren l\u00e4fst. Desgleichen kann auch eine Glocke zu diesem Zwecke\n1\tLehre v. d. Tonempfindungen. 1. Aufl. 1863, S. 597. 4. Aufl. S. 661.\n2\tIm Original steht irrt\u00fcmlicherweise am Schl\u00fcsse der Formel: [m-\\-ri)t.\n3\tMoniteur scientifique. 1865, S. 430 und 1866, S. 792.\n4\tSitzungsber. d. Wiener Akademie, math.-naturw. Kl. Bd. 53 (2) 696 und Bd. 54 (2) 598. 1866.","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"[Char.-Ann. 664/665] \u00dcber Variations- und Unterbrechungst\u00f6ne usiv. 91\nbenutzt werden. Die bequemste Methode zur Erzielung von Variationst\u00f6nen ist aber ein ziemlich gleichzeitig von Mach und Stefan1 gefundenes und benutztes Verfahren, welches darin besteht, dafs man vor einer t\u00f6nenden Stimmgabel eine Scheibe mit einem L\u00f6cherkranz, also eine SEEBECKsche Sirene, rotieren l\u00e4fst. Jedesmal, wenn eine der \u00d6ffnungen die Gabel passiert, wird deren Ton lebhaft verst\u00e4rkt; eine Intensit\u00e4tssteigerung, die auch eintritt, wenn man die Gabel bei ruhender Scheibe einem der L\u00f6cher n\u00e4hert, und offenbar auf der St\u00f6rung der bekanntlich bei allen freischwingenden Stimmgabeln auftretenden, die Tonst\u00e4rke herabsetzenden Interferenzerscheinungen beruht. Rotiert die Scheibe vor der klingenden Gabel, so erh\u00e4lt man in der Sekunde so viele gleich Tonst\u00f6fsen wirkende Verst\u00e4rkungen, wie L\u00f6cher an der Gabel vor\u00fcbergehen, und kann also die Anzahl derselben durch Wechsel der Umdrehungsgeschwindigkeit leicht beliebig variieren.\nWenn die mathematische Ableitung der hier in Rede stehenden Variationst\u00f6ne richtig ist, und man wird schwerlich daran zweifeln d\u00fcrfen, so sind dieselben physikalisch bedingte, objektive T\u00f6ne. In der Tat bringen sie denn auch Resonatoren zum Mitt\u00f6nen, wie schon von Stefan und Beetz in vereinzelten F\u00e4llen und neuerdings in gr\u00f6fserem Umfange von Abraham und mir2 gezeigt worden ist. Unter diesen Umst\u00e4nden haben die Variationst\u00f6ne an sich keine besondere Bedeutung f\u00fcr die Theorie des H\u00f6rens; wohl aber gilt dies von jenen gewissen T\u00f6nen, welche die Variationst\u00f6ne unter geeigneten Bedingungen im Gefolge haben und denen nach unserer oben gew\u00e4hlten Schwingungszahlenbezeichnung die Tonh\u00f6he m zukommt.\nWoher kommen diese T\u00f6ne? Am n\u00e4chsten liegt es meines Erachtens, sie als Kombinationst\u00f6ne, genauer gesagt als Differenzt\u00f6ne, anzusehen. Sowohl der h\u00f6here Variationston n-\\-m und der Prim\u00e4rton n einerseits als auch der Prim\u00e4rton und der tiefere Variationston n \u2014 m andererseits ergeben m als Differenz ihrer Schwingungszahlen und der Differenzton der beiden Variationst\u00f6ne ist gleich (n -{- m)\u2014 (n \u2014 m) oder 2 m. Wenn daher ein Prim\u00e4rton mit seinen beiden Variationst\u00f6nen zusammen erklingt,\n1\tA. a. 0. (Anm. 4 auf nebenstehender Seite.)\n2\tStudien \u00fcber Unterbrechungst\u00f6ne. Dritte Mitteilung. Pfl\u00fcgers Archiv 88, S. 482. 1901.","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nKarl L. Schaefer.\n[Char.-Ann. 665/666]\nso wird man, der Differenztonbildung g\u00fcnstige Bedingungen selbstverst\u00e4ndlich vorausgesetzt, geradezu mit Bestimmtheit erwarten m\u00fcssen, dafs der zweifach bedingte und eventuell durch seine Oktave 2 m verst\u00e4rkte Differenzton m h\u00f6rbar sei ; eine Auffassung, die auch bereits A. M. Mayer 1 gelegentlich bei Beobachtungen \u00fcber intermittierende Gabelkl\u00e4nge ohne irgendwelche Bedenken vertreten hat.\nDagegen haben Koenig und seine Anh\u00e4nger, diese sozusagen nat\u00fcrlichste Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeit \u00fcbersehend oder ignorierend, Gewicht darauf gelegt, dafs m gleich der Anzahl der St\u00f6fse pro Sekunde ist, in welche der Prim\u00e4rton durch die Versuchsanordnung zerlegt wird, und den Ton m dahin interpretiert, dafs er ein nach der HELMHOLTzschen Resonanzhypothese unm\u00f6glicher \u201eUnterbrechungston\u201c sui generis sei.\nR. Koenig konstatierte1 2, als er nacheinander verschieden hohe Gabeln vor eine rotierende L\u00f6cherscheibe hielt, dafs der ,.Intermittenzton\u201c bei den tieferen Gabeln schwach war und neben den Variationst\u00f6nen sehr zur\u00fccktrat, bei den h\u00f6chsten und sehr starken Gabeln (c4 und c5) aber eine grofse Intensit\u00e4t hatte, w\u00e4hrend hier die Variationst\u00f6ne kaum oder gar nicht h\u00f6rbar waren. Abraham und ich konnten die Richtigkeit dieser Beobachtung best\u00e4tigen.3 Dieselbe widerspricht auf den ersten Blick scheinbar der Auffassung des Tones in als eines Differenztones, aber auch nur scheinbar. Tiefe Gabeln geben n\u00e4mlich entsprechend tiefe Variationst\u00f6ne, und die Differenzt\u00f6ne tiefer T\u00f6ne sind erfahrungsm\u00e4fsig viel schw\u00e4cher als solche hoher Prim\u00e4rt\u00f6ne. Wenn also m bei der Anwendung tieferer Gabeln nur leise neben den relativ lauten Variationst\u00f6nen geh\u00f6rt wird, so ist das gewifs kein Beweis gegen seine Differenztonnatur. Wenn andererseits die Gabeln c4 und c5 bei m\u00e4fsiger Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe keine Variationst\u00f6ne h\u00f6ren lassen, so kommt dies einfach daher, dafs die Variationst\u00f6pe dem Gabeltone zu nahe liegen, um durch das Ohr analytisch von ihm getrennt zu werden. Vorhanden sind sie darum doch, und dann ist kein Grund da, den hier kr\u00e4ftigen Ton m nicht als ihren Differenzton zu betrachten. Machen doch auch zwei gleich-\n1\tAmer. Journ. of Science and Arts. April 1875.\n2\tKoggendorffs Annalen 157, S. 228 ff. 1876.\n3\tPfl\u00fcgers Archiv 88, S. 486. 1901.","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"[Char.-Arm. 666/667] tiher Variations- und Unterbrechungstme usiv. 93\nzeitig klingende Gabeln von den Schwingungszahlen 3200 und 3800 oder \u00e4hnliche Tonpaare durchaus den Eindruck eines einzigen Tones, w\u00e4hrend man daneben sehr laut den Differenzton h\u00f6rt. W\u00e4re m tats\u00e4chlich ein \u201eIntermittenzton\u201c, wirkte also mit anderen Worten jeder der m Tonst\u00f6fse, in die der Ton n durch die periodischen Intensit\u00e4tsschwankungen zerlegt wird, wie eine einzelne, das Ohr treffende Luftverdichtung, so sollte man erwarten, dafs diejenigen Gabeln, welche die lautesten Tonst\u00f6fse geben, auch die st\u00e4rksten \u201eUnterbrechungst\u00f6ne\u201c produzierten. In Wirklichkeit ist indessen eher das Gegenteil der Fall. Gerade die tieferen Gabeln erfahren durch die vor\u00fcberpassierenden L\u00f6cher der rotierenden Scheibe die kr\u00e4ftigste Verst\u00e4rkung, und gerade sie liefern die schw\u00e4chsten \u201eIntermittenzt\u00f6ne\u201c. Demnach d\u00fcrfte die Ansicht, dafs die hier in Rede stehenden sogenannten Unterbrechungst\u00f6ne faktisch Differenzt\u00f6ne sind, entschieden das Richtige .treffen.\nAbkaham und ich haben aber auch noch die M\u00f6glichkeit erwogen, dafs der \u201eUnterbrechungston\u201c m aus irgendeinem Grunde nicht blofs als physiologischer Differenzton, sondern nebenher zugleich als physikalischer, von der Klangquelle erzeugter Ton in die Erscheinung treten k\u00f6nnte, und die akustische Pr\u00fcfung des Ger\u00e4usches, welches die Scheibe an sich, also ohne Beteiligung einer t\u00f6nenden Gabel, lediglich durch ihre Rotation hervorbringt, ergab, dafs es sich wirklich so verh\u00e4lt. Denn wenn man, w\u00e4hrend die Scheibe gedreht wird, das freie Ende eines gegabelten, in beiden Ohren steckenden H\u00f6rschlauches in die N\u00e4he der L\u00f6cherreihe bringt, so h\u00f6rt man einen Ton, dessen Schwingungszahl mit der Anzahl der in der Sekunde vor der Schlauch \u00d6ffnung vor\u00fcberkommenden L\u00f6cher \u00fcbereinstimmt. Wir haben diesen Ton als Scheibenton bezeichnet. Er ist im allgemeinen nur mittels des Schlauches und in n\u00e4chster N\u00e4he der Scheibe zu h\u00f6ren, kann aber dadurch auch gelegentlich f\u00fcr das blofse Ohr in gr\u00f6fserer Entfernung vernehmlich gemacht werden, dafs man w\u00e4hrend der Rotation einen K\u00f6rper mit glatter Oberfl\u00e4che der L\u00f6cherreihe m\u00f6glichst nahe bringt. Wir haben hierzu beispielsweise eine grofse, massige K\u00d6Niusche Gabel mit Erfolg benutzt, wobei es gleichg\u00fcltig war, ob sie t\u00f6nte oder nicht. Wurde bei diesem Versuche die Gabel durch einen kr\u00e4ftigen Bogenstrich zu maximal lautem Erklingen gebracht, so h\u00f6rte man den Scheibenton und den \u201eUnterbrechungston\u201c trotz ihrer","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nKarl L. Schaefer.\n[Char.-Ann. 667/668]\ngleich hohen Schwingungszahl nebeneinander. Sie liefsen sich dadurch unterscheiden, dafs die Klangfarbe des ersteren heller, die des letzteren dumpfer und weicher, sowie dadurch, dafs ihre Lokalisation eine verschiedene war: der Scheibenton kam aus der Gegend der Scheibe, w\u00e4hrend der andere Ton von den Beobachtern in den eigenen Hinterkopf verlegt wurde, ein Umstand, der, nebenbei bemerkt, schon allein f\u00fcr die Differenztonnatur der die Variationst\u00f6ne begleitenden vermeintlichen Unterbrechungst\u00f6ne sprechen w\u00fcrde.1\nGleichwie wir gesehen haben, dafs bei den angeblasenen SEEBECKschen Sirenen mit periodisch zu- und abnehmenden Lochdurchmessern und dementsprechend periodischem An- und Abschwellen der Tonintensit\u00e4t eben durch diese St\u00e4rkeschwankungen ein physikalischer Unterbrechungston entsteht, mufste man ferner daran denken, dafs auch die vor rotierender L\u00f6cherscheibe t\u00f6nende Gabel unabh\u00e4ngig von Scheibenton und Variationst\u00f6nen durch die blofsen Oszillationen der Intensit\u00e4t die Bildung eines physikalischen Tones von der Schwingungszahl m veranlassen m\u00f6chte. Nat\u00fcrlich haben Abkaham und ich mit Hilfe von Resonatoren versucht, hier\u00fcber nach M\u00f6glichkeit Aufkl\u00e4rung zu schaffen; indessen liefs sich \u00fcber die Existenz eines solchen Tones neben dem gleich hohen, selbst physikalischen und durch den zugeh\u00f6rigen Resonator deutlich lauter werdenden Scheibenton nichts sicheres ermitteln.\nNoch eine andere Frage ist von Ebbinghaus im Anschlufs an unsere Studien \u00fcber die Beziehung zwischen Variations- und Unterbrechungst\u00f6nen aufgeworfen worden. Ebbinghaus schreibt in seinem bekannten Werke \u201eGrundz\u00fcge der Psychologie\u201c2: \u201eAllerdings ist durch die Untersuchungen von Schaefer und Abraham nachgewiesen worden, dafs diese Unterbrechungst\u00f6ne in gewissen F\u00e4llen ihres Zustandekommens durch Resonatoren verst\u00e4rkt werden, also objektiv vorhanden sind. In anderen F\u00e4llen, wo eine solche Verst\u00e4rkung nicht festzustellen ist, k\u00f6nnen sie als Differenzt\u00f6ne anderer objektiv existierender T\u00f6ne auf-gefafst werden. Wenn n\u00e4mlich ein Ton von der Schwingungs-\n1\tVgl. Karl L. Schaefer, \u00dcber die Wahrnehmung und Lokalisation von Schwebungen und Differenzt\u00f6nen. Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorgane 1, S. 81 ff. 1890.\n2\t2. Aufl., Bd. 1, S. 329 f. Leipzig 1905.","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"[Char.-Ann. 668] \u00dcber Variations- und Unterbrechungst\u00f6ne asiv.\t95\nzahl p in gleichen Intervallen w-mal in der Sekunde unterbrochen oder abgeschw\u00e4cht wird, so entstehen, wie Berechnung und Beobachtung \u00fcbereinstimmend lehren, zwei neue objektiv nachweisbare T\u00f6ne mit den Schwingungszahlen p -f- u und p \u2014 u, die sogenannten Variationst\u00f6ne. Jeder von diesen aber differiert von dem gegebenen Ton p um die Schwingungszahl u und mufs also mit p den Differenzton u liefern, d. h. eben den Unterbrechungston. Nat\u00fcrlich ist aber damit noch nicht bewiesen, dafs dieser nur auf solche Weise und nicht auch direkt durch die Einwirkung der Unterbrechungen auf das Ohr zustande komme. Eine gewisse Unabh\u00e4ngigkeit der Unterbrechungsund Variationst\u00f6ne voneinander scheint sogar daf\u00fcr zu sprechen, dafs es sich so verh\u00e4lt: Trotz gr\u00f6fserer Deutlichkeit der Variationst\u00f6ne ist n\u00e4mlich unter Umst\u00e4nden der Unterbrechungston sehr schwach, dagegen bei sehr geringer Deutlichkeit der Variationst\u00f6ne der Unterbrechungston oft verh\u00e4ltnism\u00e4fsig stark.\u201c\nSchon vor der Ver\u00f6ffentlichung der zweiten Auflage seiner \u201eGrundz\u00fcge der Psychologie\u201c hatte \u00fcbrigens Herr Prof. Ebbinghaus sich mir gegen\u00fcber in einer schriftlichen Mitteilung in \u00e4hnlicher Weise ge\u00e4ufsert. Er meinte: \u201eZur vollen Kl\u00e4rung der Frage fehlt nun noch ein Versuch. Bei der w-maligen Unterbrechung des Tones durch eine L\u00f6cherscheibe m\u00fcfsten die Variationst\u00f6ne p -J- u und p \u2014 u durch Interferenz ausgeschlossen und dann zugesehen werden, ob nicht, bei gen\u00fcgender St\u00e4rke von p, u doch auftritt. Ich zweifle n\u00e4mlich nicht, dafs das Ohr, wie es gleich anderen akustischen Apparaten Kombinationst\u00f6ne mit seinen eigenen Mitteln erzeugt, so auch Unterbrechungst\u00f6ne direkt bildet, unbeschadet ihrer gleichzeitigen Erzeugung durch geeignete Apparate.\u201c Abbaham und ich haben alsbald und gerne dieser Anregung Folge gegeben und Ende 1904 die gew\u00fcnschten Versuche im Psychologischen Institut der Berliner Universit\u00e4t ausgef\u00fchrt. Sie sind allerdings bisher nicht publiziert worden, da uns hierzu das Material zu geringf\u00fcgig und die Fragestellung allzusehr spezialisiert erschien; doch d\u00fcrfte nunmehr die vorliegende Abhandlung, insofern sie einen zusammenfassenden Gesamt\u00fcberblick \u00fcber die Beziehung zwischen den Variations- und Unterbrechungst\u00f6nen einerseits und der Theorie des H\u00f6rens andererseits geben soll, der geeignete Ort sein, die wichtigsten Beobachtungsergebnisse mitzuteilen.\nDie Versuchsanordnung war die folgende: Im H\u00f6rsaale des","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nKarl L. Schaefer.\n[Char.-Ann. 668/669]\ngenannten Institutes wurde eine grofse L\u00f6cherscheibe aus Pappe ganz nahe der Wand vor der \u00d6ffnung einer von hier durch einen zweiten Raum hindurch in das Beobachtungszimmer f\u00fchrenden R\u00f6hre aufgestellt, vvelcher letzteren im Beobachtungszimmer ein Interferenzapparat vorgeschaltet war. Die den Prim\u00e4rton liefernde Gabel wurde vor der Rohrm\u00fcndung im Saale so aufgestellt, dafs die Zinkenenden von dieser nur durch die Scheibe getrennt waren. Sobald ein Loch der Scheibe vor der R\u00f6hren\u00f6ffnung vorbeiging, drang der Ton direkt und voll in die R\u00f6hre und weiter in den Interferenzapparat, aus dem er dann in das Ohr des Beobachters gelangte. Beim ersten Versuche wurde die Scheibe mit der Hand so rasch gedreht, dafs 200 L\u00f6cher pro Sekunde die Gabel passierten. Die Rotation liefs sich mit gen\u00fcgender Gleichm\u00e4fsigkeit erzielen, was durch \u00f6fter wiederholtes Anblasen der L\u00f6cherreihe und Vergleichen des dadurch entstehenden Tones mit einer Gabel von 200 Schwingungen kontrolliert wurde. Die Schwingungszahl des Prim\u00e4rtones war 1000. Der Interferenzapparat wurde auf Ausl\u00f6schung der beiden Variationst\u00f6ne 1200 und 800 und des Scheibentones 200 eingestellt. Alsdann vernahm man im Beobachtungszimmer, am Interferenzapparat horchend, weder etwas von den Variationst\u00f6nen noch von dem \u201eUnterbrechungston\u201c, sondern nur das von der Scheibe herr\u00fchrende unbestimmte sausende Ger\u00e4usch und den Prim\u00e4rton, der sehr ged\u00e4mpft und mit eigent\u00fcmlich ver\u00e4nderter Klangfarbe zu h\u00f6ren war (eine Erscheinung, die sich dadurch erkl\u00e4rt, dafs der Prim\u00e4rton hinsichtlich seiner Schwingungszahl ein ungerades Multiplum des Scheibentones darstellte und daher mit von der Interferenz geschw\u00e4cht wurde). Mit der M\u00f6glichkeit rechnend, dafs ein Unterbrechungston im Sinne von Ebbinghaus trotz der Beseitigung der Variationst\u00f6ne und des Scheibentones vorhanden und nur zu schwach sein m\u00f6chte, um neben dem Prim\u00e4rton herausgeh\u00f6rt zu werden, haben wir auch noch das \u00fcbliche Mittel, allzu leise T\u00f6ne durch eine \u201eschwebende Hilfsgabel\u201c zu verst\u00e4rken und so \u00fcber die Schwelle der Empfindung zu heben, angewendet, jedoch auch damit keinen Erfolg erzielt. In einem anderen Versuche, bei dem wir als Schwingungszahl f\u00fcr den Prim\u00e4rton 1000 und f\u00fcr den Scheibenton 250 w\u00e4hlten, damit die St\u00e4rke des Prim\u00e4rtons nicht durch die Interferenz mit herabgesetzt w\u00fcrde, war ebenfalls im Beobachtungszimmer nach Ausl\u00f6schung des Scheibentons","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Char.-Ann. 669/670] \u00dcber Variations- und Unterbrechungst\u00f6ne usw. 97\nund der Variationst\u00f6ne auf keine Weise etwas von einem \u201eUnterbrechungston\u201c zu h\u00f6ren. Noch einige weitere Experimente gleicher Art, bei denen gelegentlich auch Herr Geheimrat Stumpf mit zu beobachten die G\u00fcte hatte, ergaben das gleiche Resultat, so dafs wir also auf dem Standpunkt beharren m\u00fcssen, dafs die mit den Variationst\u00f6nen verbundenen Unterbrechungst\u00f6ne abgesehen von der Beimischung des Scheibentones \u2014 der ja \u00fcbrigens in denjenigen F\u00e4llen, wo die Variationst\u00f6ne mittels einer rotierenden Gabel, Klangplatte oder Glocke erzeugt werden, \u00fcberhaupt fortf\u00e4llt \u2014 reine Differenzt\u00f6ne sind.\nDen Gedanken, Tonunterbrechungen und damit Unterbrechungst\u00f6ne auf elektro-akustischem Wege hervorzurufen, hat Zwaardemaker 1 in einer neueren Arbeit \u00fcber Intermittenzt\u00f6ne verfolgt. Er verband ein BLAKEsches Mikrophon mit einem oder zwei LECL\u00c0XCH\u00c9-Elementen und der prim\u00e4ren Spirale einer kleinen Induktionsspule zu einem Stromkreise, w\u00e4hrend die sekund\u00e4re Spirale zu einem Telephon f\u00fchrte. Diese sekund\u00e4re Kette konnte durch eine elektrisch getriebene Stimmgabel 64 mal in der Sekunde ge\u00f6ffnet und geschlossen werden. War sie dauernd geschlossen, w\u00e4hrend durch das Mikrophon ein Ton auf das Telephon \u00fcbertragen wurde, so h\u00f6rte man nur diesen Ton, den Prim\u00e4rton. Funktionierte aber w\u00e4hrend seiner Beobachtung die Unterbrechungsvorrichtung, so vernahm man \u201eungemein sch\u00f6n einen kr\u00e4ftigen Unterbrechungston\u201c von 64 Schwingungen. War die Unterbrechungsvorrichtung im. Gange, ohne dafs das Mikrophon erregt wurde, so war von dem Tone 64 so gut wie nichts zu h\u00f6ren. Zwaardemaker ist nicht zu voller Klarheit dar\u00fcber gelangt, ob sein \u201eIntermittenzton\u201c physikalisch oder physiologisch bedingt war. Abraham und ich1 2 haben seine Versuche in gr\u00f6fserem Umfange und teilweise in etwas ver\u00e4nderter Form wieder aufgenommen, wobei vor allem daf\u00fcr gesorgt ward, dafs die Schwingungszahlen der Prim\u00e4rt\u00f6ne und die Frequenz der Unterbrechungen in m\u00f6glichst weiten Grenzen variiert werden konnten. Es ergab sich, dafs die Angaben Zwaardemakers ungenau sind und die Verh\u00e4ltnisse folgendermafsen liegen. Der Prim\u00e4rton wird durch die Intermittenzen im allgemeinen ge-\n1\tArchiv f. Anat. u. Physiol.; Physiolog. Abteil. Supplemented. 1800.\nS. 60.\n2\tDrudes Annalen d. Physik 13, S. 996. 1904.\nStumpf, Beitr\u00e4ge VI.\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nKarl L. Schaefer.\n[Char.-Ann. 670/671]\nschw\u00e4cht oder ganz zum Verschwinden gebracht und an seiner Stelle ein mehr oder weniger komplizierter Klang im Telephon geh\u00f6rt. Die Teilt\u00f6ne dieses Klanges sind, wenn wir wieder die Schwingungszahl des Prim\u00e4rtones mit p, die Zahl der Unterbrechungen pro Sekunde mit u bezeichnen, von der Form: p, p \u2014 w, p + m, p \u2014 2u, p -[- 2m, p \u2014 3 m, p -f 3 m usw. Ein Ton von der Schwingungszahl u wird nur in ganz speziellen F\u00e4llen geh\u00f6rt, n\u00e4mlich dann, wenn p gleich u oder gleich einem Mul-tiplum von m ist, und zwar erweist er sich dann ausnahmslos ebenso wie auch jeder der T\u00f6ne p, p + m, p + 2m, p + 3m usw. als durch seinen Resonator deutlich verst\u00e4rkbar, d. h. als physikalisch bedingter Ton.\nDiese von Abeaham und mir zum ersten Male experimentell beobachteten T\u00f6nep + n-u sind als Variationst\u00f6ne h\u00f6herer Ordnung gegen\u00fcber den bisher allein bekannten Variationst\u00f6nen erster Ordnung p -f- u und p \u2014 m zu bezeichnen, worauf vor kurzem F. A. Schulze 1 aufmerksam gemacht hat, indem er darauf hinwies, dafs die mathematische Berechnung diese T\u00f6ne ergibt, wenn man in der Formel f\u00fcr die Tonbewegung: A-sin (2 rtpt-\\- e) die Amplitude A als FouEiEKsche Reihe von der Form\nA = \u00abo -J- ax sin (2 7t ut -f-\t) -J- a2 sin (2 u \u2022 2 ut -j- d.2)\nansetzt. Ist p gleich einem Vielfachen von m, etwa p = m-M, so erhalten die Variationst\u00f6ne die Form m-M + n-M, es entsteht dann also u nebst harmonischen Obert\u00f6nen von u.\nMithin ist in solchen F\u00e4llen, wo die ZwAA\u00c9DEMAKEEsche Versuchsanordnung speziell den Ton u ergibt, dieser nichts weniger als ein mit der HELMHOLTZschen Resonanzhypothese unvereinbarer \u201eIntermittenzton\u201c. Vielmehr stehen, wie Schulze in der eben erw\u00e4hnten Arbeit bis ins Einzelne nachweist, alle Befunde von Abeaham und mir so vorz\u00fcglich in Einklang mit der Helm-HOLTZschen Theorie des H\u00f6rens, dafs diese nicht nur nicht ersch\u00fcttert sondern im Gegenteil gekr\u00e4ftigt aus dem Streite um die Unterbrechungst\u00f6ne hervorgeht.\nDas gilt auch f\u00fcr die Versuche mit den w\u00e4hrend der Rotation angeblasenen L\u00f6cherscheiben und den Zahnr\u00e4dern. Schulze sagt hier\u00fcber w\u00f6rtlich1 2: \u201eBesonders hervorgehoben sei schliefs-\n1\tAnnalen d. Physik (4. Folge) 26, S. 217. 1908.\n2\tA. a. O. S. 233.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"[Char.-Ann. 671/672] t\u00efber Variations- und Unterbrechungst\u00f6ne usiv. 99\nlieh noch, dafs diejenigen \u201eUnterbrechungst\u00f6ne\u201c, die bei rotierenden Lochscheiben oder Zahnr\u00e4dern beobachtet werden, wenn in periodischer Weise einige von den L\u00f6chern verstopft oder Zahnl\u00fccken ausgef\u00fcllt sind, nichts f\u00fcr die Ansicht beweisen, es entstehe subjektiv im Ohr bei Unterbrechungen eines gegebenen Tones in periodischer Weise der entsprechende \u201eUnterbrechungston\u201c. Es ist ja dabei verm\u00f6ge der getroffenen Anordnung die dem Ton u zukommende Zeit einer Schwingung die l\u00e4ngste Periode des ganzen Schwingungsvorganges ; es mufs also nach der OHM-HELMHOLTzschen Theorie des H\u00f6rens und der Klanganalyse durch FouEiEBsche Reihe in dem geh\u00f6rten Klang der Ton u mit seinen harmonischen Obert\u00f6nen enthalten sein. Sind z. B. 60 L\u00f6cher auf dem ganzen Scheibenumfang und werden immer nach 6 offengelassenen L\u00f6chern 6 darauffolgende verstopft, so bilden diese 6 -j- 6 = 12 L\u00f6cher die Grundperiode, die sich immer wiederholt. Der entstehende Klang gibt also den Ton 60 :12 = 5 mit seinen harmonischen Obert\u00f6nen, die objektiv in der Klangmasse vorhanden sind. Zu diesen geh\u00f6rt auch der Ton 60, der auch intermittierend von den 6 offenen L\u00f6chern erzeugt wird. Der Ton 5 kann offenbar dann nicht als Unterbrechungston bezeichnet werden. Es ist auch ohne weiteres klar, dafs die offenen und verstopften L\u00f6cher nicht immer nebeneinander zu liegen brauchen. Wenn nur immer nach je 12 von den 60 L\u00f6chern sich die Anordnung periodisch wiederholt, so mufs stets der Ton 5 entstehen. . . Dafs in der Tat bei allen diesen Anordnungen die T\u00f6ne 60 und 5 objektiv im Klang enthalten und durch Resonatoren nachweisbar sind, also 5 nicht als subjektiver Unterbrechungston zu bezeichnen ist, ist von K. L. Schaefer und O. Abraham experimentell nachgewiesen. . .\u201c Vor einigen Jahren haben Ewald und J\u00e4derholm eine Untersuchung publiziert1, in der sie zu dem Resultat gelangten, dafs auch alle Ger\u00e4usche, wenn dieselben nach dem Zwaardemaker-schen Verfahren intermittiert werden, \u201eIntermittenzt\u00f6ne\u201c liefern. Ewald m\u00f6chte dieses Ergebnis zugunsten seiner bekannten Schallbildertheorie und gegen Helmholtz verwerten. Aber auffallenderweise hat er gleich Rudolf Koenih und den anderen Gegnern der Resonanzhypothese es unterlassen zu pr\u00fcfen, ob die fraglichen T\u00f6ne entotische oder ektotische sind. Nur im ersteren\n1 Pfl\u00fcgers Archiv 115. 1906.\n7*","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nKarl L. Schaefer.\n[Char.-Ann. 672/673]\nFalle w\u00fcrden sie nat\u00fcrlich \u00fcberhaupt f\u00fcr die Theorie des H\u00f6rens in Betracht kommen. Ich bin bisher freilich noch nicht in der Lage gewesen, die Versuche zu wiederholen und die dabei auftretenden Schallerscheinungen mit Resonatoren analytisch zu studieren, halte es jedoch von vornherein f\u00fcr unbezweifelbar, dafs die oben angef\u00fchrten Darlegungen Schulzes auch auf die Ewald-j\u00c4DERHOLMschen Unterbrechungen anzuwenden und die dabei entstehenden Unterbrechungst\u00f6ne objektive T\u00f6ne sind.\nUm das Problem der Unterbrechungst\u00f6ne nach allen Richtungen hin vollst\u00e4ndig zu er\u00f6rtern, bliebe schliefslich noch eine kritische Betrachtung der HERMANNschen Vokaltheorie \u00fcbrig. Wie schon erw\u00e4hnt wurde, fiel es Hermann auf, dafs der Grundton des Vokals, also die Note, worauf der Vokal gesungen wird, im Phonogramm aufserordentlich schwach oder gar nicht zum Ausdruck kommt, f\u00fcr das Ohr aber sehr deutlich wahrnehmbar ist, und er suchte diese Erscheinung mit der Annahme zu erkl\u00e4ren, dafs der Grundton als subjektiver Unterbrechungston sui generis im Ohr entst\u00e4nde. Irgendeinen besonderen Beweis hierf\u00fcr hat er nicht erbracht. Seine Annahme ist eine reine Plypothese, die zu einer Zeit, wo man allgemein an subjektive Unterbrechungst\u00f6ne als T\u00f6ne spezifischer Gattung zu glauben geneigt war, berechtigt sein mochte, gegenw\u00e4rtig aber, nachdem alle anderen Arten von \u201eUnterbrechungst\u00f6nen\u201c sich als physikalisch erzeugte oder als Kombinationst\u00f6ne erwiesen haben, schon aus diesem Grunde einiges Mifstrauen erwecken mufs. Man wird sie getrost fallen lassen d\u00fcrfen, sobald sich f\u00fcr das \u2014 nach neueren Untersuchungen anscheinend von Hermann \u00fcbersch\u00e4tzte \u2014 Mifsverh\u00e4ltnis zwischen der Empfindungsst\u00e4rke des Vokalgrundtones und seiner Amplitude in der Klangkurve eine andere, auf dem sichereren Boden der tlELMHOLTzschen Resonanztheorie fufsende Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeit darbietet. Eine solche erblicke ich aber in dem Zusammentreffen der jederzeit mit gr\u00f6fster Leichtigkeit festzustellenden Tatsache, dafs der Grundton eines gesungenen Vokales gleichgestimmte Resonatoren oder auch Stimmgabeln auf Resonanzkasten zum Mitschwingen bringt, mithin mindestens zum Teil sicher objektiv ist, und des Umstandes, dafs je zwei der Ordnungszahl nach aufeinanderfolgende harmonische Obert\u00f6ne des Grundtones den letzteren als subjektiven Kombinationston ergeben m\u00fcssen oder wenigstens ergeben k\u00f6nnen. Wieviel von der Empfindungsintensit\u00e4t des","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"[Char.-Ann. 673] \u00dcber Variations- und Unterbrechungst\u00f6ne usiv. 101\nGrundtones im einzelnen Falle auf Rechnung seiner objektiven und wieviel auf Rechnung seiner subjektiven Quote kommt, wird sich schwerlich genau bestimmen lassen, aber selbst bei erheblichem \u00dcberwiegen der letzteren d\u00fcrfte zu ihrer Erkl\u00e4rung stets eine hinreichend grofse Zahl von Teiltonpaaren, die den Grundton als Differenzton liefern, vorhanden und daher die Zuhilfenahme eines hypothetischen Unterbrechungstones sui generis durchaus \u00fcberfl\u00fcssig sein.\nSomit kommen wir denn, das Vorstehende zusammenfassend, zu dem Resultate, dafs \u00fcberhaupt nirgendwo auf dem Gebiete der sekund\u00e4ren Klangerscheinungen ein akzeptabler, geschweige denn zwingender Grund vorliegt, die Existenz derartiger \u201eUnterbrechungst\u00f6ne\u201c zu behaupten. Es w\u00e4re darum auch empfehlenswert, diese Bezeichnung aus der akustischen Nomenklatur g\u00e4nzlich auszumerzen.","page":101}],"identifier":"lit38497","issued":"1911","language":"de","pages":"83-101","startpages":"83","title":"\u00dcber Variations- und Unterbrechungst\u00f6ne in ihrer Beziehung zur Theorie des H\u00f6rens","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:00:36.465939+00:00"}