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{"created":"2022-01-31T15:46:31.422469+00:00","id":"lit38505","links":{},"metadata":{"alternative":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft","contributors":[{"name":"Baley, Stefan","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft 8: 57-82","fulltext":[{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 321]\n57\n(Aus dem Psychologischen Institut der Universit\u00e4t Berlin.)\nVersuche \u00fcber den dichotischen Zusammenklang wenig verschiedener T\u00f6ne.\nVon\nDr. Stefan Baley.\n\u00a7 1. Vorbemerkungen.\nDafs die Untersehiedsempfindlichkeit nicht nur gegen\u00fcber aufeinanderfolgenden, sondern auch, wenngleich schwerer, gegen\u00fcber gleichzeitigen T\u00f6nen bestimmt werden kann und dafs die Schwelle hier ganz bedeutend gr\u00f6fser ist als im ersten Falle, hat bereits 1890 Stumpf gegen Wundt hervorgehoben.1 Systematische Versuchsreihen dar\u00fcber haben dann K. L. Schaefer und A. Guttmann ver\u00f6ffentlicht.2 Sie bestimmten die Schwelle f\u00fcr einige ge\u00fcbte Beobachter in der Region von 90 bis 1200 Schwingungen. Die zu unterscheidenden T\u00f6ne wurden dabei monotisch geh\u00f6rt, und zwar so, dafs das gepr\u00fcfte Ohr von beiden T\u00f6nen m\u00f6glichst gleich stark affiziert wurde.\nMan kann aber das gleichzeitige Wahrnehmen beider T\u00f6ne auch in der Weise zustande bringen, dafs man sie an zwei Ohren verteilt. Da hierbei die Schwebungen viel weniger st\u00f6ren und Kombinationst\u00f6ne nur unter ganz besonderen Bedingungen auftreten, kann man leichter zu sicheren Ergebnissen zu kommen hoffen. Daher hat Stumpf zu seinen vorl\u00e4ufigen Beobachtungen haupts\u00e4chlich gerade dieses \u201edicho-\n1\tTonpsychologie II, 319 ff.\n2\t\u00dcber die Untersehiedsempfindlichkeit f\u00fcr gleichzeitige T\u00f6ne. Zeitschr. f. Psychol 32, S. 87 ff. (1903). Diese Beitr. 4, S. 51 ff.","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nStefan Baley.\n[70, 322]\ntische\u201c 1 H\u00f6ren gew\u00e4hlt. Er fand mit verteilten Stimmgabeln, dafs unterhalb der grofsen Oktave Terzen (mit 11 Schwingungen Differenz) nicht auseinander gehalten werden konnten. In der grofsen Oktave betrug die Schwelle etwa 8 Schwingungen, bei c1 gleichfalls 8 Schwingungen, in der Gegend von c2 lag sie zwischen 12 und 20 Schwingungen, und schliefslich in der dreigestrichenen Oktave durchschnittlich bei 100 Schwingungen. Selbstverst\u00e4ndlich brauchen die f\u00fcr das dichotische H\u00f6ren erhaltenen Werte nicht mit denen bei monotischem zusammenzufallen.\nStumpf unterscheidet aber eine \u201eEmpfindungsschwelle\u201c und eine \u201eWahrnehmungsschwelle\u201c. Bei der ersten haben wir nur eine einzige Empfindung, bei der zweiten bleiben die T\u00f6ne als verschiedene Empfindungen nebeneinander bestehen, k\u00f6nnen aber wegen zu geringer Differenz nicht voneinander unterschieden werden. Die dichotische Schwelle bei verteilten Gabeln h\u00e4lt er nur f\u00fcr eine Wahrnehmungs- bzw. Unterscheidungsschwelle, die monotische dagegen f\u00fcr eine Emp-findungs- bzw. Unterschiedsschwelle. Der Grund liegt f\u00fcr Stumpf darin, dafs es im ersten Fall ungeachtet der scheinbaren Einheit des resultierenden Tones dem Beobachter schwer f\u00e4llt, dessen H\u00f6henverh\u00e4ltnis zu den beiden Primart\u00f6nen anzugeben. Das Urteil dar\u00fcber ist schwankend und subjektiv unsicher. Einmal scheint der resultierende Ton in der Mitte zu liegen, ein andermal wiederum mit dem tieferen Prim\u00e4rtone zusammenzufallen oder sogar tiefer als beide zu sein. Dieser Umstand l\u00e4fst die Vermutung aufkommen, dafs die Einheit des resultierenden Tones eine unechte, nur scheinbare ist.2\nAuf die Ausf\u00fchrungen Stumpfs nimmt vielfach Bezug die Arbeit von Melati \u00fcber das binaurale H\u00f6ren3, die aber zu\n1\tDen Ausdruck \u201edichotisch\u201c hat Stumpf sp\u00e4ter (Z. f. Ps. 39, 1905, S. 276; diese Beitr. 4, S. 97) vorgeschlagen. Der gew\u00f6hnliche Ausdruck \u201ediotisch\u201c soll die F\u00e4lle bezeichnen, wo jedes Ohr die n\u00e4mlichen, der H\u00f6he nach gleichen, T\u00f6ne empf\u00e4ngt; wobei es sich nat\u00fcrlich auch um einen einzigen Ton handeln kann. \u201eDichotisch\u201c dagegen die F\u00e4lle, wo jedes Ohr einen anderen, der H\u00f6he nach verschiedenen, Ton empf\u00e4ngt.\n2\tTonps. II, 325 f.\n3\tGino Melati, \u00dcber binaurales H\u00f6ren. Wundts Philos. Studien 17, 431 ff. (1901).","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 323] Vers. \u00fcb. d. dichoiischen Zusammenklang wenig versch. T\u00f6ne. 59\nanderen Resultaten kommt. Melati experimentierte ebenso wie Stumpe mit Stimmgabeln. Diese befanden sich bei seiner Versuchsanordnung in zwei getrennten R\u00e4umen und wurden elektrisch zum Schwingen gebracht; ihre T\u00f6ne wurden dann durch Schl\u00e4uche den Ohren zugef\u00fchrt. Durch diese Einrichtung wollte er die \u00dcberleitung der T\u00f6ne von einem Ohre zum anderen durch die Luft oder durch die \u201e\u00e4ufsere Knochenleitung\u201c ausschliefsen (S. 448). Die T\u00f6ne, mit denen operiert wurde, waren im allgemeinen sehr leise.\nDas Ergebnis der Beobachtungen \u00fcber die gegenseitige qualitative Beeinflussung dichotisch wahrgenommener T\u00f6ne formuliert Melati folgendermafsen : \u201eDas wichtigste und charakteristischste Merkmal des Gesamteindrucks liegt darin, dafs die T\u00f6ne beim binauralen H\u00f6ren auch bei sehr geringen Intervallen, selbst wenn sie beinahe unisono erklingen, getrennt erscheinen, wie im monotischen H\u00f6ren.\u201c 1 Und weiter sagt er: \u201eDie Beobachter nahmen die mit einem einzigen Ohre geh\u00f6rten Intervalle wie eine wirkliche Einheit wahr, und es war eine Arbeit von willk\u00fcrlicher Analyse n\u00f6tig, um den einen Ton von dem anderen zu unterscheiden ; binaural dagegen erschienen die T\u00f6ne f\u00fcr sich selbst, d. h. einer unabh\u00e4ngig vom anderen, und die Schwebungen erscheinen gewissermafsen aufserhalb der T\u00f6ne selbst, lokalisiert an verschiedenen Orten.\u201c 2\nDie Behauptung Melatis geht also, soweit ich sie verstehe, dahin, dafs es eigentlich keine dichotische Schwelle gibt, oder dafs sie \u00e4ufserst gering ist, kleiner als die monotische ; so mufs es ja sein, wenn wirklich, wie Melati behauptet, zwei \u201ebeinahe unisono\u201c erklingende T\u00f6ne dichotisch getrennt\n1\ta. a. 0. S. 449. Der Sinn dieser, mir nicht ganz klar erscheinenden Behauptung wird wohl der folgende sein : die T\u00f6ne erscheinen beim dichotischen H\u00f6ren so getrennt, wie sie monotisch beim sukzessiven H\u00f6ren erscheinen.\n2\tS. 454. Melati berichtet daselbst weiter, dafs, um \u201eeine deutliche Vorstellung der zwei T\u00f6ne\u201c bei kleinen H\u00f6hendifferenzen zu erhalten, die Aufmerksamkeit nicht auf diese T\u00f6ne selbst, sondern auf die Schwebungen gerichtet werden mufste, und dafs, wenn man ausschliefs-lich auf die T\u00f6ne selbst achtete, diese nicht gleichzeitig wahrnehmbar waren, sondern best\u00e4ndig alternierten. Es ist sehr schwer, aus diesen Beschreibungen ein klares Bild der Beobachtungen zu erhalten.","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nStefan Baley.\n[70, 324]\nwahrgenommen werden. Dies w\u00e4re ein Ergebnis, welches mit STUMPFschen Beobachtungen im vollen Widerspruch steht.\nEinen weiteren Beitrag liefern die Beobachtungen, die Stumpf 1889 in einem Falle des pathologischen \u201eDoppelth\u00f6rens\u201c an sich selbst anstellte und 1899 ver\u00f6ffentlichte.1 Das linke Ohr war nach einer Parazentese des Trommelfells mehrere Tage lang in der Region zwischen c und c4 verstimmt. Die Verstimmung erreichte in der Zone e1\u2014c2 3/4 Ton. Eine \u00f6d-Gabel klang links gut 3/4 Ton tiefer, bei einem cP-Stimm-pfeifchen h\u00f6rte er links ein fast reines g1 mitklingen. Er beobachtete nun, dafs eine auf den Scheitel gesetzte Stimmgabel einen zwischen dem normalen und dem Pseudoton liegenden, doch mehr nach dem letzteren hin verstimmten und mehr links lokalisierten Ton ergab. Weiter rechts aufgesetzt, spaltete sich der Ton in die beiden Prim\u00e4rt\u00f6ne. Auf dem rechten Tragus wurde nur der Normalton geh\u00f6rt, nahe am linken Ohre nur der Pseudoton, usf. Schwebungen waren nicht vorhanden, wohl aber in den F\u00e4llen der Tonspaltung eine abscheuliche Dissonanz.\nHier entstand also tats\u00e4chlich bei ann\u00e4hernd gleicher Intensit\u00e4t der Erregung beider Ohren ein Mittelton, der bei Aufsetzung der Gabel an bestimmten Stellen des Sch\u00e4dels auch nicht einmal eine Beimischung von Unreinheit zeigte. Dafs er in der Tonreihe zwischen beiden Prim\u00e4rt\u00f6nen lag, liefs sich durch Vergleichung mit dem Ton, den die Gabel vor jedem Ohre gab, feststellen.\nDer Ausdruck \u201eMittelton\u201c, der an die von Stumpf fr\u00fcher untersuchte Bildung eines monotischen Zwischentons erinnert, deutet darauf hin, dafs, er in diesem Falle nicht blofs den Mangel einer Unterscheidung, sondern eine wirkliche physiologische Resultantenbildung annimmt, was auch durch eine m\u00fcndliche \u00c4ufserung best\u00e4tigt wird.2\nEndlich haben v. Liebermann und R\u00e9v\u00e9sz in den \u201eNachrichten der G\u00f6ttinger Gesellschaft der Wissenschaften\u201c (Mathematisch-physikalische Klasse) 1912 eine vorl\u00e4ufige Mitteilung\n1\tZeitschr. f. Psychol. 21, 117 ff.\n2\tYgl. ferner den Bericht \u00fcber den 6. Kongrefs d. Ges. f. exper.\nPsychologie S. 326.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 325] Vers. \u00fcb. d. dichotischen Zusammenklang wenig ver sch. T\u00f6ne, \u00dfl\n\u201e\u00dcber binaurale Tonmischung\u201c ver\u00f6ffentlicht, auf welche auch in der Abhandlung derselben Autoren \u201eExperimentelle Beitr\u00e4ge zur Orthosymphonie und zum Falschh\u00f6ren\u201c1 und in dem Buche von R\u00e9v\u00e9sz \u201eZur Grundlegung der Tonpsychologie\u201c 1913, S. 63ff. Bezug genommen wird. Ganz k\u00fcrzlich ist auch der ausf\u00fchrliche Bericht erschienen.2 Die Untersuchung bezieht sich gleichfalls auf einen Fall einer pathologischen Verstimmung. Bei v. Liebermann sind beide Ohren verstimmt, aber in ungleichem Mafse, so dafs eine Tonquelle rechts und links ungleich geh\u00f6rt wird. Die Verfasser sprechen hierbei allerdings nicht von ungleicher H\u00f6he, sondern von ungleicher Qualit\u00e4t, w\u00e4hrend die H\u00f6he unver\u00e4ndert und normal geblieben sei. Sachlich liegt aber der Fall im wesentlichen ebenso wie bei Stumpf. Denn auch v. Liebermann beobachtete an sich, wenn ein gemeinschaftlicher Ton beiden Ohren zugef\u00fchrt wurde (was hier nicht durch Aufsetzen einer Gabel auf den Sch\u00e4del, sondern durch Zuf\u00fchren von aufsen geschah), die Bildung eines Mitteltones, und zwar entsprach seine \u201eQualit\u00e4t\u201c bei gleicher St\u00e4rke der Prim\u00e4rt\u00f6ne, d. h. des rechten und linken Pseudotones, der arithmetischen Mitte der beiden Schwingungszahlen. War ein Ton st\u00e4rker, so n\u00e4herte sich der Mittelton diesem st\u00e4rkeren Ton. Die Verfasser bezeichnen dies als eine binaurale Mischung der Tonqualit\u00e4ten, die sie mit der Farbenmischung in Parallele setzen.\nGerade mit R\u00fccksicht auf diese pathologischen Beobachtungen wurde ich von Herrn Geheimrat Stumpf veranlafst, aufs neue die Unterschiedsschwelle f\u00fcr gleichzeitige, an beide Ohren verteilte T\u00f6ne im normalen Zustande, und zwar f\u00fcr die mittlere Tonregion, die Gegend von c2, unter Anwendung m\u00f6glichst exakter Versuchseinrichtungen zu pr\u00fcfen. Ich habe mich auf diese Tonh\u00f6he beschr\u00e4nkt, weil es f\u00fcr den vorliegenden Zweck nicht darauf ankam, etwa das WEBERsche Gesetz oder \u00fcberhaupt das Verhalten der Unterschiedsschwelle in verschiedenen Tonregionen bei dichotischem H\u00f6ren nachzupr\u00fcfen, sondern nur das Verhalten verschiedener, normal\n1\tZeitschr. f. Psychol. 68, S. 304 (1913).\n2\tEbenda 69, S. 234 (1914). Die vorliegende Abhandlung ist vor dem Erscheinen dieser ausf\u00fchrlichen Darstellung eingereicht, doch ist keine Veranlassung, etwas hinzuzuf\u00fcgen oder zu \u00e4ndern.","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nStefan Baley.\n[70, 326]\nh\u00f6render Personen in Hinsicht der dichotischen Unterscheidung der T\u00f6ne in dieser mittleren Gegend festzustellen und mit den vorher erw\u00e4hnten Ergebnissen zu vergleichen.\n\u00a7 2. Versuche.\nAls Tonquellen wurden bei den Versuchen die Flaschenorgel des Berliner Instituts und der Tonvariator benutzt. Die beiden Instrumente befanden sich in zwei verschiedenen Zimmern und ihre T\u00f6ne wurden durch getrennte R\u00f6hren in ein drittes Zimmer her\u00fcbergef\u00fchrt, wo die Beobachtungen gemacht wurden. Der eine Ton, und zwar derjenige der Flaschenorgel, wurde konstant gehalten; seine H\u00f6he betrug ungef\u00e4hr 500 Schwingungen pro Sekunde; bei dem anderen, welcher vom Tonvariator kam, wurde die H\u00f6he entsprechend ge\u00e4ndert. Die Intensit\u00e4t beider T\u00f6ne war nach ihrem Durchgang durch die R\u00f6hren so gering, und ihre Zuleitung so eingerichtet, dafs ein Her\u00fcberwandern des Tones von Ohr zu Ohr durch die Luft um den Kopf herum nicht in Betracht kam. Der Beobachter \u00fcberzeugte sich immer davon in der Weise, dafs beim Zudr\u00fccken eines Ohres die aus den offen gelassenen Leitungen kommenden T\u00f6ne keine merklichen Schwebungen ergaben. Dennoch war die von mir gebrauchte Intensit\u00e4t der T\u00f6ne wahrscheinlich gr\u00f6fser als diejenige, mit welcher Melati operierte. Meine Versuchsanordnung war im allgemeinen ungeeignet dazu, Beobachtungen an aufserordent-lich schwachen bis an die Intensit\u00e4tsschwelle heruntergehenden T\u00f6nen anzustellen. Die T\u00f6ne der Orgel und des Tonvariators sind zwar arm an Obert\u00f6nen, aber nicht ganz frei von einem schwachen Ger\u00e4usch, das bei minimalen Intensit\u00e4ten der T\u00f6ne st\u00f6rend wirkt. Es war aber meine Absicht nie, die Verh\u00e4ltnisse bei minimalen Intensit\u00e4ten zu studieren, sondern eben bei solchen, die hoch genug \u00fcber der Schwelle lagen, um alle den \u00e4ufserst schwachen T\u00f6nen anhaftenden T\u00e4uschungsm\u00f6glichkeiten anzuschliefsen. Wir wrollen damit keineswegs behaupten, dafs die mit minimalen Intensit\u00e4ten angestellte^ Versuche ohne Wert w\u00e4ren, wir bestreiten aber, dafs man mit ihnen operieren mufs, um die dichotische Schwelle richtig zu bestimmen.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 327] Vers. \u00fcb. d. dichotischen Zusammenklang wenig versch. T\u00f6ne. 63\nDem Vorwurf gegen\u00fcber, dafs bei etwas lauteren T\u00f6nen ihre Her\u00fcberleitung durch die Kopfknochen beg\u00fcnstigt werde, und dafs infolgedessen das dichotische H\u00f6ren sich in ein diotisches verwandle, ist folgendes zu konstatieren: 1. Zahlreiche Versuche \u00fcber dichotische Schwebungen beweisen, dafs ein vollst\u00e4ndiger Ausschlufs der \u00dcberleitung der Schallenergie auf dem Wege der Knochenleitung von Ohr zu Ohr bei Schwebungen von geringer Frequenz auch durch Anwendung minimaler Intensit\u00e4ten nicht zu erreichen ist.1 Man kann also beim dichotischen H\u00f6ren auch sehr leiser T\u00f6ne bei geringer Schwebungsfrequenz nur von dem \u00dcbergewicht je eines Tones auf jedem Ohr, und nicht von ihrer absoluten Trennung sprechen. 2. Die spezifischen Merkmale des dichotischen H\u00f6rens, und zwar das Ausbleiben von Kombinationst\u00f6nen (abgesehen von gewissen Ausnahmef\u00e4llen) und das rasche Verschwinden der Schwebungen bei Vergr\u00f6fserung der H\u00f6hendifferenz, treten auch da deutlich zutage, wo nicht nur die \u00dcberleitung durch die Kopfknochen sondern auch das Herumgehen der T\u00f6ne von Ohr zu Ohr durch die Luft stattfindet. Man kann sich davon leicht \u00fcberzeugen, wenn man zum Experimente zwei gr\u00f6fsere Stimmgabeln mit Resonanzk\u00e4sten nimmt, die man nach m\u00e4fsig starkem Anschlag an beide Ohren hinh\u00e4lt. Es treffen auch unter solchen Bedingungen beide erw\u00e4hnten Merkmale zu, obwohl da von einer vollst\u00e4ndigen Trennung der T\u00f6ne nicht die Rede sein kann. Was aber auch bei dieser Anordnung vorhanden ist und das charakteristische Verhalten der T\u00f6ne bedingt, das ist das \u00dcberwiegen je eines Tones an jedem Ohr.\nWir haben also, gleichviel ob wir sehr schwache oder etwas st\u00e4rkere T\u00f6ne zu dichotischen Untersuchungen nehmen, immer nur mit dem \u00dcberwiegen einer Art von Schallenergie zum entsprechenden Ohre zu tun, und eben diese Pr\u00e4valenz bildet den wirklichen Grund der beim dichotischen H\u00f6ren auftretenden Erscheinungen. Es bleibt aber eine offene Frage, ob diese Pr\u00e4valenz vollkommener mit gr\u00f6fseren oder mit geringeren Intensit\u00e4ten der T\u00f6ne zu erzielen ist. Werden also\n1 Vgl. Rostosky, \u00dcber binaurale Schwebungen. Wundts Phil. Stud. 19, 572.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nStefan Baley.\n[70, 328]\ngewisse spezifische Erscheinungen des dichotischen H\u00f6rens auch bei gr\u00f6fserer Intensit\u00e4t der T\u00f6ne erhalten, so ist es ohne n\u00e4here Angabe der Gr\u00fcnde nicht statthaft, die unter diesen Bedingungen bestehende Unterschiedsschwelle nicht als dicho-tische, sondern als monotische zu bezeichnen.\nDer Verlauf des einzelnen Versuches gestaltete sich folgendermafsen : Zuerst wurde durch sukzessives Vergleichen die St\u00e4rke beider T\u00f6ne bei gleicher H\u00f6he reguliert. Dann wurde eine gewisse H\u00f6hendifferenz eingestellt. Nun brachte auf ein gegebenes Zeichen der Beobachter beide an ihren Enden mit Oliven versehenen Schl\u00e4uche gleichzeitig an die Ohren heran, so, dafs die M\u00fcndungen der Oliven an den unteren R\u00e4ndern der Geh\u00f6reing\u00e4nge zu liegen kamen, ohne aber fest anzuliegen oder ganz hineingeschoben zu werden. Jetzt richtete der Beobachter seine Aufmerksamkeit darauf, ob im Gesamteindruck zwei T\u00f6ne auseinander gehalten werden konnten, oder ob nur ein Ton h\u00f6rbar war. Wurde nur ein Ton geh\u00f6rt, so versuchte er dann noch durch Vergleich mit den Prim\u00e4rt\u00f6nen seine H\u00f6he zu bestimmen. Die einzelnen, von Versuch zu Versuch variierenden Differenzen wurden zur Beurteilung in einer Ordnung dargeboten, die vom Beobachter nicht erraten werden konnte. Es war ihm aber immer m\u00f6glich, nach dem Tempo der auch dichotisch auftretenden leisen Schwebungen sich \u00fcber die Gr\u00f6fse der Differenz bis zu einem gewissen Grade zu orientieren. Insofern war ein unwissentliches Verfahren hier nicht vollkommen zu erreichen.\nAls Beobachter fungierten vier musikalische Personen. Aufserdem wurden, obwohl weniger systematisch, einige unmusikalische zu den Versuchen herangezogen. In der Anzahl der Musikalischen bin auch ich mitbegriffen, da ich mich an den Versuchen auch als Beobachter beteiligte. Die Namen der drei anderen Personen sind: A. Soltys, stud, mus., N. Czaj-kowskyj, Dr. phil. und W. Peezynski, stud. phil.\n\u00a7 8. Ergebnisse.\nAls erstes Ergebnis der Versuche mufs festgestellt werden, dafs bei allen zu den Versuchen herangezogenen Personen das Bestehen einer Schwelle konstatiert werden konnte. Innerhalb","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 329] Vers. \u00fcb. d. dichotischen Zusammenklang wenig versch. T\u00f6ne. 05\ngewisser Grenzen erschien der Eindruck einheitlich trotz der objektiven Ungleichheit der T\u00f6ne. Bis zur Differenz von 6\u20147 Schwingungen pro Sekunde behielt er diesen Charakter bei allen Beobachtern. Erst dar\u00fcber hinaus begann die Zweiheit sich geltend zu machen. Das Versp\u00fcren der Zweiheit mufste aber dabei nicht gleichbedeutend sein mit einem deutlichen Wahrnehmen zweier T\u00f6ne, sondern es bildete sich ein \u00dcbergangsstadium, welches in drei verschiedenen Formen auftrat: 1. Der Gesamteindruck wurde unrein, ohne dafs zwei T\u00f6ne geh\u00f6rt wurden. 2. Ohne eigentlich unrein zu sein, erwies sich der Eindruck als zwiesp\u00e4ltig dadurch, dafs er sozusagen plastisch war und nach der Willk\u00fcr des Beobachters \u00abinmal h\u00f6her, einmal tiefer erschien; in der Weise konnten beide T\u00f6ne, wenn nicht gleichzeitig, so doch sukzessive aus dem Gesamteindruck herausgeh\u00f6rt werden. 3. W\u00e4hrend eines Zeitabschnittes nach dem Anlegen der Oliven an die Ohren wurden zwei T\u00f6ne geh\u00f6rt, die aber bald in eine Einheit zusammenfl\u00f6ssen. Die L\u00e4nge dieses Zeitabschnittes hing von der Gr\u00f6fse der H\u00f6hendifferenz der T\u00f6ne ab; sie nahm zu, wenn die Differenz wuchs. Die so zusammengeflossenen T\u00f6ne konnte man oft dadurch wiederum zur Trennung bringen, dafs man die Schl\u00e4uche miteinander vertauschte, so also, dafs der zuerst rechts zugef\u00fchrte Ton nun das linke Ohr affizierte, und der fr\u00fcher von links kommende das rechte.\nDie Stadien der Unreinheit ohne Wahrnehmung der Zweiheit und der undeutlichen Zweiheit treten auch bei der mo-notischen Schwelle auf. Dagegen scheinen die erw\u00e4hnte Plastizit\u00e4t des Eindrucks und das Verschmelzen nach einem kurzen Zeitabschnitte Ph\u00e4nomene zu bilden, die nur der dichotischen Schwelle Vorbehalten sind. Liegen also bei der dichotischen Schwelle die Verh\u00e4ltnisse insofern einfacher, als hier die Schwebungen weniger st\u00f6rend sind, so wTird dagegen durch die erw\u00e4hnten Ph\u00e4nomene die Sachlage bei dem dichotischen H\u00f6ren wiederum komplizierter.\nJenseits dieses \u00dcbergangsstadiums kam schliefslich der Bereich der deutlichen, simultan wahrnehmbaren Zweiheit; aber auch in diesem Bereich schienen sich noch Stufen unterscheiden zu lassen, indem die zwei T\u00f6ne als irgendwie zu\nStumpf, Beitr\u00e4ge 8.\t5","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"\u00df\u00df\tStefan Baley.\t[70, 330j\neinem Ganzen zusammenh\u00e4ngend, oder als voneinander getrennt aufgefafst wurden.\nDas oben erw\u00e4hnte \u00dcbergangsstadium war nicht immer deutlich ausgepr\u00e4gt, indem manche Personen die Tendenz aufwiesen, vorwiegend entweder die deutliche Einheit oder die deutliche Zweiheit zu konstatieren. So w7ar es namentlich, bei Soltys. Bei Czajkowskyj dagegen war die unter 3. angegebene Form des \u00dcbergangsstadiums sehr oft vorhanden und zog sich durch ein relativ grofses Intervall hin. Auch bei dem unmusikalischen, aber in psychologischen Beobachtungen sehr ge\u00fcbtem Dr. v. Allesch war die Sph\u00e4re, innerhalb welcher er an dem Eindruck merkte, dafs dieser nicht einheitlich war, ohne doch in ihm zwei T\u00f6ne deutlich unterscheiden zu k\u00f6nnen, weit ausgedehnt.\nAus dem Gesagten geht hervor, dafs, obwohl die Schwelle unbestreitbar vorhanden ist, ihre Bestimmung eigent\u00fcmlichen Schwierigkeiten begegnet. Da das Stadium der deutlichen Einheit in dasjenige der deutlichen Zweiheit oft kontinuierlich durch mehrere Stufen hindurchgeht, so scheint das Setzen einer Grenze nicht frei von einer Willk\u00fcr zu sein. Am richtigsten w\u00e4re es, jede Stufe f\u00fcr sich zu pr\u00fcfen und so die totale H\u00f6henschwelle in eine Anzahl von Partialschwellen zu zerlegen. Freilich waren meine Versuche nicht geeignet, den Umfang jeder einzelnen dieser Stufen bei allen Beobachtern genau festzustellen. Ich arbeitete mit der Konstanzmethode, und da es dem Ziel der Versuche entsprach, sich \u00fcber den Verlauf der totalen Schwelle zu orientieren, so mufsten die dargebotenen Reize \u00fcber ein ziemlich ausgedehntes Intervall verteilt werden. Dies wiederum zwang mich, die Reizabst\u00e4nde nicht zu klein zu machen, da es sonst unm\u00f6glich w\u00e4re,, w\u00e4hrend eines Versuchstages das ganze Gebiet durchzupr\u00fcfen. Dabei handelte es sich nicht blofs um die Zeit, welche die umst\u00e4ndliche Einstellung der darzubietenden H\u00f6hendifferenz am Tonvariator in Anspruch nahm, sondern vor allem darum,, die Erm\u00fcdung zu vermeiden, die sich bei diesen Versuchen leicht bemerkbar machte. Zur genauen Abgrenzung aller Stufen w\u00fcrde es n\u00f6tig sein, die Reizabst\u00e4nde viel kleiner zu machen, wozu aber erforderlich w\u00e4re, jeder Stufe eine besondere Versuchsserie zu widmen. Meine Versuche begn\u00fcgen","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 331] Vers. \u00fcb. d. dichotiscken Zusammenklang wenig versch. T\u00f6ne. 67\nsich damit, die Arten dieser \u00dcbergangsstufen aufznweisen und die dadurch erm\u00f6glichte betr\u00e4chtliche Ausdehnung der Schwelle zu konstatieren, ohne den Umfang jedes einzelnen \u00dcbergangsstadiums genau feststellen zu wollen.\nFolgende Tabelle gibt eine \u00dcbersicht \u00fcber die Verteilung der Einheits- und Zweiheitsurteile bei den Beobachtern S., P. und B. ; die angegebenen Zahlen beziehen sich nur auf die F\u00e4lle, wo noch reine Einheit, bzw. zwei T\u00f6ne deutlich wahrgenommen wurden. Die Gesamtzahl der F\u00e4lle betrug f\u00fcr jede dargebotene Differenz 12.\nTabelle der Urteile f\u00fcr die Beobachter S., P. und B.\n\tDifferenz in Schw.\t4 \t\t6\t7\t8\t10\t! 12\t14\t16\t18\t20\n. 7\t2 T\u00f6ne\t0\t0\t1\t5\t8\t11\t11\t12\t12\t12\nBeob. S. <\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nl\t1 Ton\t12\t12\t7\t4\t0\t0\t0\t0\t0\t0\nc\t2 T\u00f6ne\t0\t0\t0\t0\t0\t3\t7\t10\t10\t12\nBeob. P. {\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\\\t1 Ton\t12\t12\t12\t10\t6\t0\t2\t0\t0\t0\n{\t2 T\u00f6ne\t0\t0\t0\t0\t0\t3\t6\t8\t12\t12\nBeob. B. {\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nl\t1 Ton\t12\t12\t12\t9\t4\t0\t0\t0\t0\t0\nWie aus der Tabelle zu ersehen ist, war die Differenz, bei der schon zwei T\u00f6ne deutlich geh\u00f6rt wurden, durchschnittlich am geringsten bei Soltys; bei 10 Schwingungen Differenz gibt er in mehr als 50 \u00b0/0 F\u00e4llen ein Zweiheitsurteil, w\u00e4hrend bei 8 Schwingungen Differenz diese Prozentzahl noch nicht erreicht ist. Die Schwelle liegt also zwischen 8 und 10 Schwingungen pro Sekunde. Bei zwei anderen Beobachtern liegt die Schwelle etwas h\u00f6her, wobei ihre Lage f\u00fcr beide Personen ziemlich \u00fcbereinstimmt ; sie ist zwischen den Grenzen 12\u201414 Schwingungen pro Sekunde eingeschlossen. Man sieht auch, dafs bei diesen Beobachtern im Vergleich mit Soltys das Gebiet gr\u00f6fser ist, wo h\u00e4ufig die Urteile auftreten, die weder eine deutliche Einheit noch deutlich zwei T\u00f6ne angeben. Das Gebiet, innerhalb dessen die Urteile dieser Kategorie zum Vorschein kommen, umfafst ungef\u00e4hr 8 Schwingungen.\nEtwas paradox verhielt sich die Sache mit Czajkowskyj.\n5*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nStefan Baley.\n[70, 332]\nW\u00e4hrend bei S. P. und B. mit Fortschritt der Versuche eine Verkleinerung der Schwelle aufzutreten schien, zeigte sich bei ihm im Laufe der Versuche eine Vergr\u00f6fserung. W\u00e4hrend er bei den Vorversuchen und am Anfang der eigentlichen Versuchsreihe bei 15 Schwingungen Differenz meistens zwei T\u00f6ne h\u00f6rte, berichtete er sp\u00e4ter bei dieser und bei noch h\u00f6heren Differenzen, dafs es ihm nur im ersten Moment gelinge zwei T\u00f6ne zu unterscheiden, dafs diese aber bald zusammenfliefsen; erst bei 25\u201430 Schwingungen Differenz tritt die Zweiheit deutlich auf die Dauer auf. Es ist nicht anzunehmen dafs die sinnliche Erscheinung bei der gleichen Schwingungsdifferenz sich ver\u00e4nderte, weder in unserem, noch in seinem Falle. Aber w\u00e4hrend bei uns einfach die \u00dcbung das Urteil verfeinerte, scheint bei ihm der Mafsstab f\u00fcr das, was man noch einen und was man schon zwei T\u00f6ne zu nennen habe, sich verschoben zu haben, und zwar im Sinne einer strengeren Anforderung an den Begriff der Tonzweiheit. Dafs dieser musikalische Beobachter (er hat vielfach Ch\u00f6re dirigiert) f\u00fcr sukzessive T\u00f6ne eine normale Unterschiedsempfindlichkeit besitzt, haben besondere Versuche dargetan.\nWas nun den Ton anbetrifft, der bei unterschwelligen Differenzen der Prim\u00e4rt\u00f6ne aus ihnen resultiert, so ist die Tatsache vielleicht nicht uninteressant, dafs er, wie wir schon erw\u00e4hnten, oft erst nach einer Weile einsetzt, w\u00e4hrend zun\u00e4chst eine Zweiheit bemerkbar ist. Dieser Vorgang scheint etwas Analoges mit dem zu haben, was man oft beim stereoskopischen Betrachten der Bilder erlebt: auch da sp\u00fcrt man zuerst eine Zweiheit der Eindr\u00fccke, bis es den Augen gelingt, die getrennten Bilder zu vereinigen. Das dichotische H\u00f6ren scheint f\u00fcr die Ohren etwas Ungew\u00f6hnliches zu sein, woran sie sich erst anpassen m\u00fcssen. Eben aus dem Grunde w\u00e4re es unrichtig, im Erlebnis des ersten Momentes alle charakteristischen Merkmale des dichotischen H\u00f6rens finden zu wollen, und danach etwa die dichotische Unterscheidungsf\u00e4higkeit zu bestimmen.\nEin weiteres Analogon zu binokularen Erscheinungen bestand bei unseren Beobachtungen in dem f\u00fcr eine Form des \u00dcbergangsstadiums charakteristischen Alternieren der Empfin-","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 333] Vers. \u00fcb. d. dichotischen Zusammenklang wenig ver sch. T\u00f6ne. 69\nd\u00fcngen; nur war hier der Wechsel niemals so zwangsm\u00e4fsig und so rasch, wie er oft beim binokularen Wettstreit und zuweilen auch bei den Inversionsfiguren eintritt. Haupts\u00e4chlich schien die willk\u00fcrliche Aufmerksamkeit mafsgebend.\nDie Urteile, die \u00fcber die H\u00f6he des resultierenden Tones abgegeben wurden, waren zu schwankend, als dafs sie sich zu einem eindeutigen Ergebnis zusammenfassen liefsen. Ich erw\u00e4hne nur, dafs dieser Ton in der Regel als zwischen den Prim\u00e4rt\u00f6nen liegend gesch\u00e4tzt wurde. Bei kleinen Differenzen erschien er zuweilen tiefer als beide Prim\u00e4rt\u00f6ne. In vielen F\u00e4llen lag er dem tieferen n\u00e4her, obwohl \u00fcber ihm. Bei gr\u00f6fseren Differenzen kamen auch Urteile vor, die den resultierenden Ton als dem h\u00f6heren n\u00e4her liegend sch\u00e4tzten. Bei Soltys, der ein guter und zuverl\u00e4ssiger Beobachter ist, kamen vereinzelt auch F\u00e4lle vor, wo er ihn h\u00f6her als beide taxierte.\n\u00a7 4. Bemerkungen zu den Resultaten.\nDas Ergebnis der beschriebenen Versuche in bezug auf die H\u00f6he der dichotischen Schwelle stimmt mit den Angaben Stumpes, die er mit Stimmgabeln an sich selbst gewonnen hatte (\u201ezwischen 12 und 20 Schwingungen Differenz\u201c), im allgemeinen \u00fcberein. Eine genauere Vergleichung ist deshalb unm\u00f6glich, weil Stumpf die bei unseren Beobachtungen unterschiedenen Stufen des Urteils nicht gesondert behandelt.\nDagegen stehen meine Resultate mit den Ergebnissen Melatis in Widerspruch. Woran dies liegt, kann ich nicht mit Sicherheit erkennen. Ein Umstand, der vielleicht die Diskrepanz erkl\u00e4ren k\u00f6nnte, kommt sp\u00e4ter (S. 81) zur Besprechung.\nDie Vergleichung mit den oben erw\u00e4hnten pathologischen F\u00e4llen ergibt, dafs die in diesen F\u00e4llen gefundenen Grenzen, innerhalb deren zwei verschiedene T\u00f6ne noch einen Mittelton ergeben, im normalen Zustande durchschnittlich etwas engere sind als im pathologischen \u2014 bei v. Liebebmann und R\u00e9v\u00e9sz konnte die Differenz etwa bis zu 20 Schwingungen gehen, bei Stumpf im pathologischen Fall etwa bis 40. Doch scheint mir kein Grund vorzuliegen, hier einen von den bisher beobach-","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"Stefan Baley.\n70\n[70, 334J\nteten Erscheinungen wesentlich verschiedenen Vorgang anzu-n eh in en.\nIn bezug auf die von Stumpe aufgeworfene Frage, ob beim normalen dichotischen H\u00f6ren eine wirkliche Zwischentonbildung wie beim monotischen H\u00f6ren oder nur ein Versagen der Unterscheidungsf\u00e4higkeit stattfinde, m\u00f6chten wir uns der Entscheidung enthalten. Doch l\u00e4fst sich soviel sagen, dafs die Schwierigkeit, die H\u00f6he des Mitteltones gegen\u00fcber den Prim\u00e4rt\u00f6nen genauer zu bestimmen, welche Stumpf als Grund f\u00fcr die letztere Annahme geltend macht, sich auch hier gefunden hat. Andererseits w\u00e4re eine wirkliche Zwischentonbildung beim dichotischen H\u00f6ren nicht etwa rein physiologisch ausgeschlossen. Man k\u00f6nnte sich hier\u00fcber folgende Vorstellungen machen:\nMit Helmholtz und Stumpe nehmen wir an, dafs der in die Schnecke eindringende physikalische Ton nicht nur die ihm genau entsprechenden Fasern reizt, sondern auch in abnehmendem Mafse die benachbarten. Es ist also klar, dafs bei kleinen Differenzen dichotisch zugeleiteter T\u00f6ne auch diejenigen Fasern, welche den zwischen den beiden T\u00f6nen gelegenen Tonh\u00f6hen entsprechen, in beiden Ohren mitgereizt werden. Man k\u00f6nnte nun annehmen, dafs diese Erregungen, im Zentralorgan angelangt, sich dort addieren und so die Kraft gewinnen, die den beiden T\u00f6nen ad\u00e4quat entsprechenden physiologischen Prozesse zur\u00fcckzudr\u00e4ngen oder eventuell in ihre eigene Energie hineinzuziehen. Das beim dichotischen H\u00f6ren unvermeidliche Her\u00fcberfliefsen der Schallenergie durch die Kopfknochen von Ohr zu Ohr w\u00fcrde nat\u00fcrlich auch in demselben Sinne wirken, indem es dazu beitr\u00e4gt, die Miterregung der zwischenliegenden Fasern zu verst\u00e4rken. Auf Grund einer solchen Hypothese k\u00f6nnte das Entstehen des resultierenden Tones verst\u00e4ndlich sein. Bei der grofsen Labilit\u00e4t zentraler Prozesse w\u00fcrden auch die von uns beobachteten Schwankungen in der Lage des Mitteltones nicht unbegreiflich sein.\nDas gilt zun\u00e4chst nur f\u00fcr normale Verh\u00e4ltnisse; es l\u00e4fst sich aber von vornherein nicht behaupten, dafs eine solche Erkl\u00e4rung nicht auch f\u00fcr die pathologischen F\u00e4lle m\u00f6glich w\u00e4re, \u00fcber die Stumpe und R\u00e9v\u00e9sz berichten. Man k\u00f6nnte z. B. annehmen, dafs infolge des krankhaften Zustandes der","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 335J Vers. \u00fcb. d. dichotischen Zusammenklang wenig versch. T\u00f6ne. 71\nnerv\u00f6sen Endorgane in der Schnecke die D\u00e4mpfung der Resonatoren geringer und die Zahl der miterregten Fasern entsprechend gr\u00f6fser w\u00fcrde, so dafs im Vergleich mit den normalen Verh\u00e4ltnissen mehr Fasern als gew\u00f6hnlich miterregt w\u00fcrden, wobei diese Miterregung von einer Faser zu der anderen nicht so stark in ihrer Intensit\u00e4t herabgemindert w\u00e4re, wie es im gesunden Ohre der Fall ist. Macht man diese Annahme, so ist damit, wie leicht einzusehen ist, die M\u00f6glichkeit gegeben, den Mittelton beim Doppelth\u00f6ren \u00e4hnlich durch die Summierung der Reize im Zentrum zu erkl\u00e4ren, wie wir es f\u00fcr den dichotisch resultierenden Ton in normalen Verh\u00e4ltnissen angedeutet haben.\nMan kann auch die Ergebnisse unserer Untersuchungen \u00fcber den Zusammenklang mehrerer wenig differierender T\u00f6ne hier heranziehen.1 Sie haben uns gezeigt, dafs die Uber-deck\u00fcng von Prim\u00e4rt\u00f6nen durch den Zwischenton unter gewissen Umst\u00e4nden ziemlich weit gehen kann; nur mufs eine gen\u00fcgend starke Erregung der dazwischenliegenden Fasern, welche die \u00dcberdeckung bewirken sollen, vorhanden sein. Eine solche denken wir uns aber in unserem Fall des pathologischen Falschh\u00f6rens durch die \u00fcber das Normale hinausgehende Diffusion der Erregungen verursacht.\nIn der Weise w\u00fcrde sich vielleicht die Bildung des Mitteltones unter normalen und pathologischen Bedingungen des dichotischen H\u00f6rens verst\u00e4ndlich machen lassen, ohne dafs man dabei mit R\u00e9v\u00e9sz auf die Abtrennung der Qualit\u00e4t der T\u00f6ne von ihrer H\u00f6he und auf die Analogie mit der Farbenmischung rekurriert. Wir betonen aber ausdr\u00fccklich: unsere letzten Bemerkungen haben nicht den Zweck gehabt zu beweisen, dafs die Trennung von Qualit\u00e4t und H\u00f6he, wie sie v. Liebermann und R\u00e9v\u00e9sz bef\u00fcrworten, nicht aus irgendwelchen Gr\u00fcnden aufrecht erhalten werden kann. Wir meinen nur, dafs die hier besprochenen Tatsachen uns vorl\u00e4ufig nicht zwingen, von der Hypothese der Abtrennbarkeit der Qualit\u00e4t von der Tonh\u00f6he und der dadurch erm\u00f6glichten Mischung der Qualit\u00e4ten Gebrauch zu machen.\n1 s. o. S. Iff.","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nStefan Baity.\n[70, 336]\n\u00a7 B.\nDie Erscheinungen der simultanen H\u00f6henschwelle bei mehr als zwei dichotisch geh\u00f6rten T\u00f6nen.\nMeine Versuche \u00fcber den Zusammenklang einer gr\u00f6fseren Anzahl wenig verschiedener T\u00f6ne haben gezeigt, dafs diese unter gewissen Bedingungen einen gemeinsamen Zwischenton eventuell Mittelton ergeben k\u00f6nnen, \u00e4hnlich wie es bei zwei T\u00f6nen der Fall ist. Es lag nun nahe zu probieren, ob auch bei dichotischer Verteilung mehrerer T\u00f6ne eine analoge Erscheinung Zustandekommen kann. Meine Proben beschr\u00e4nkten sich haupts\u00e4chlich auf drei zusammenklingende T\u00f6ne, von denen der eine gleichzeitig beiden Ohren zugef\u00fchrt wurde,, w\u00e4hrend zwei andere auf beide Ohren verteilt waren. Am klarsten gestalten sich die Verh\u00e4ltnisse in dem Spezialfall, wo der beiden Ohren zugef\u00fchrte Ton seiner H\u00f6he nach der mittlere unter den dreien ist. Bezeichnen wir diese drei T\u00f6ne mit R\u00fccksicht auf ihre Schwingungszahlen entsprechend durch \u00ab, (a-\\-x), [a\u2014x\\ so ist also das eine Ohr durch die T\u00f6ne a und {a-\\-x), das andere durch a und (a \u2014 x) affiziert. Ist nun x gering, dann bilden sich an beiden Ohren zwei ihrer H\u00f6hn nach verschiedene Zwischent\u00f6ne, wie man bei sukzessivem H\u00f6ren mit je einem Ohr leicht feststellen kann. Beim gleichzeitigen H\u00f6ren k\u00f6nnen dagegen weder diese Zwischent\u00f6ne noch die einzelnen Prim\u00e4rt\u00f6ne auseinander gehalten werden^ man hat dann den Eindruck, nur eine Tonh\u00f6he wahrzunehmen,, und zwar die mittlere. Es liegt nat\u00fcrlich ganz nahe, die Erscheinung ihre Erkl\u00e4rung darin finden zu lassen, dafs der Ton a sozusagen doppelt so oft gegeben ist und dadurch eben imstande ist, die zwei \u00fcbrigen T\u00f6ne zu verdr\u00e4ngen. Aber diese Erkl\u00e4rung hat nur dann einen Sinn, wenn man eine gegenseitige Beeinflussung (periphere oder zentrale) der dichotisch vermittelten T\u00f6ne zugibt; sonst w\u00e4re es nicht abzusehen, warum die beim sukzessiven H\u00f6ren rechts und links auftretenden verschiedenen Zwischent\u00f6ne sich nicht auch beim gleichzeitigen H\u00f6ren erhalten k\u00f6nnten.\nWas die Schwebungen anbetrifft, so ist es bemerkenswert,, dafs der Zusammenklang im Rhythmus x und nicht im Rhyth-","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 337] Vers. \u00fcb. d. dichotischen Zusammenklang wenig versch. T\u00f6ne. 73\nmus 2 x schwebt, dafs also die Schwebungen zwischen dem Tone (a-\\-x) und (a\u2014 x) nicht zum Vorschein kommen.\nWie grofs x noch sein kann, wenn die hier beschriebene Erscheinung stattfinden soll, habe ich nicht untersucht; bei x = vier Schwingungen pro Sekunde ist sie jedenfalls gut zu beobachten.\nIst der beiden Ohren zugef\u00fchrte Ton nicht genau der mittlere, sind also die drei T\u00f6ne a, (a-\\-x) und (a \u2014 x'), wo x und xf voneinander wenig verschieden sind, so sind auch in diesem Fall die einzelnen T\u00f6ne im Zusammenklang nicht unterscheidbar; die beiden Schwebungsrhythmen x und x\u2018 bestehen gleichzeitig nebeneinander, bei ungleicher St\u00e4rke kann aber der eine von ihnen verdr\u00e4ngt werden und zwar leichter der schnellere.\nIst x klein und x\u2018 etwas gr\u00f6fser (z. B. x = l, x\u2018 = 3), dann h\u00f6rt man sehr deutlich die dem langsamen Schwebungsrhythmus entsprechende Anschwellung des Tones, die viel st\u00e4rker ist als dann, wenn die das schnellere Schwebungstempo erzeugenden T\u00f6ne nicht erklingen, wenn also das eine Ohr objektiv frei ist. Dieser Umstand beweist, dafs an dem Eindruck beide Ohren sich beteiligen, obwohl der jedem von ihnen dabei zukommende Anteil sich nicht isolieren l\u00e4fst. Dagegen lassen sich die am rechten und am linken Ohr entstehenden Schwebungen (bei gleicher St\u00e4rke) nicht nur voneinander trennen, sondern auch richtig nach rechts und links lokalisieren. Es zeigen also die Schwebungen im Vergleich mit den T\u00f6nen eine gr\u00f6fsere Erhaltungskraft beim dichotischen H\u00f6ren. Freilich gilt dies nur, wenn die T\u00f6ne nicht zu stark die Ohren affizieren. Denn sonst h\u00f6rt man im Kopfe ein Dr\u00f6hnen, in welchem nicht nur die einzelnen T\u00f6ne, sondern auch die von rechts und links kommenden Schwebungsrhythmen ihre Selbst\u00e4ndigkeit verlieren.\n\u00a7 6. Erg\u00e4nzende Versuche \u00fcber r\u00e4umliche Erscheinungen bei dichotischer Zuleitung wenig verschiedener T\u00f6ne.\nIn den bis jetzt besprochenen Versuchen handelte es sich darum, die dichotische H\u00f6henschwelle zu bestimmen. Dem-","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nStefan Baley.\n[70, 338]\nentsprechend war die Aufmerksamkeit der Beobachter haupts\u00e4chlich darauf gerichtet, ob der dichotisch vermittelte Eindruck seiner Tonh\u00f6he nach eine Einheit oder eine Zweiheit bilde. Die Beobachter kamen aber von selbst oft darauf, den Eindruck auch nach seinen r\u00e4umlichen Eigent\u00fcmlichkeiten zu beschreiben; es liefsen sich danach gewisse Beziehungen zwischen den qualitativen und den r\u00e4umlichen Merkmalen des dichotischen Eindrucks vermuten. Es war mir aber damals unm\u00f6glich, das Problem nach dieser Richtung weiter zu verfolgen. Erst ein Jahr sp\u00e4ter, als zum Zweck anderer Experimente eine f\u00fcr dichotische Versuche passende Einrichtung im Institut hergestellt wurde, ergriff ich die Gelegenheit, um mit der g\u00fctigen Erlaubnis von Herrn Geheimrat Stumpf die Beobachtungen in der eben angedeuteten Richtung weiter fortzusetzen. Leider konnten sich mir die bei vorigen Versuchen fungierenden Beobachter nicht wiederum zur Verf\u00fcgung stellen, ich war also gezwungen, andere Personen als Beobachter heranzuziehen. Diejenigen drei Personen, die sich am meisten an den Versuchen beteiligten, waren: Kuet Lewin, stud, phil., Dr. phil. Riefeeet und Dr. Rupp, Assistent des psychologischen Instituts. Gelegentlich beobachteten noch mehrere andere Personen, musikalische und unmusikalische.\nDie Versuchsanordnung blieb im wesentlichen dieselbe, wie sie in den vorigen Versuchen angewendet wurde, nur kam jetzt eine Einrichtung hinzu, die es erm\u00f6glichte, beiden Ohren die T\u00f6ne genau gleichzeitig zuzuf\u00fchren.1 Eine \u00c4nderung im Vergleich mit den vorigen Versuchen bestand auch darin, dafs der Kopf der Beobachter w\u00e4hrend der Versuche mittels passender Einrichtung fixiert wurde, um die durch etwaige Bewegung des Kopfes erm\u00f6glichten Kriterien der Unterscheidung auszuschalten.\nW\u00e4hrend nun \u00e4hnlich wie vorher zwei T\u00f6ne, deren H\u00f6henunterschied innerhalb gewisser Grenzen variiert wurde, dichotisch dargeboten waren, versuchten die Beobachter nicht nur die qualitative Seite des Eindrucks zu beschreiben, sondern\n1 Sie ist beschrieben in meiner unmittelbar folgenden Arbeit \u00fcber Lokalisation mehrerer T\u00f6ne beim dichotischen H\u00f6ren.","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 339] Vers. \u00fcb. d. dichotischen Zusammenklang wenig versch. T\u00f6ne. 75\nauch seine Lokalisationseigent\u00fcmlichkeiten zu beobachten und zu Protokoll zu geben.\nAls erstes Ergebnis dieser Versuche ist vor allem die Best\u00e4tigung der Resultate der vorigen Versuchsreihe zu verzeichnen. Auch diesmal liefs sich bei allen Beobachtern eine Schwelle nachweisen, unterhalb welcher die dichotisch zugeleiteten T\u00f6ne eine qualitative Trennung nicht zuliefsen, obgleich unter diesen Beobachtern auch Dr. v. Hornbostel und Dr. Abraham waren. Ihr ausgezeichnetes musikalisches Geh\u00f6r und ihre grofse \u00dcbung in akustischen Beobachtungen leisten eine gen\u00fcgende B\u00fcrgschaft daf\u00fcr, dafs das Nichtunterscheidenk\u00f6nnen nicht etwa nur die Folge einer mangelnden Geh\u00f6rsausbildung sei.\nDer Umstand, dafs diesmal bei den Beobachtungen der Kopf fixiert war und die T\u00f6ne den Ohren genau gleichzeitig zugef\u00fchrt wurden, erweist zugleich die Hinf\u00e4lligkeit eines etwaigen Einwandes, der die Richtigkeit der Resultate der vorigen Versuchsreihe eben wegen Fehlens dieser Anordnungsdetails beanstanden w\u00fcrde.\nEs mufs aber folgendes erw\u00e4hnt werden. Bei ganz kleiner H\u00f6hendifferenz der Prim\u00e4rt\u00f6ne (etwa eine Schwingung pro Sekunde), wo sich der Verlauf des An-und Abschwellens beim resultierenden Tone deutlich verfolgen liefs, hatten manche Beobachter den Eindruck, dafs die H\u00f6he des resultierenden Tones w\u00e4hrend der einzelnen Schwebung nicht konstant bleibe, sondern parallel mit der sich \u00e4ndernden Tonst\u00e4rke hinauf- und hinabgehe. Es schien also so, als ob die Resultante zwischen zwei H\u00f6hengrenzen hin und her pendelte, die vielleicht, was sich aber schwer konstatieren liefs, mit beiden Prim\u00e4rt\u00f6nen zusammenfielen. M\u00f6glich ist es, dafs die Schwankung der Tonh\u00f6he durch die Schwankung der Tonst\u00e4rke nur vorget\u00e4uscht wurde, m\u00f6glich aber auch, dafs die bekannte Vertiefung eines Tones durch Verst\u00e4rkung dabei mitspielte. Wird der Schwebungsrhythmus etwas schneller, dann verlieren sich diese H\u00f6henschwankungen. Der resultierende Ton scheint nun dem Beobachter ein eindeutiger, echter Ton zu sein.1 Interessant\n1 Der Vollst\u00e4ndigkeit halber darf ich vielleicht noch erw\u00e4hnen, dafs einer von meinen Beobachtern an manchen Versuchstagen die Ten-","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nStefan Baley.\n[70, 340j\nist dabei die Aussage von Dr. v. Hornbostel, dem der dicho-tische Ton im Unterschied von den Prim\u00e4rt\u00f6nen etwas eigenartiges zu besitzen scheint, das er als dessen \u201eBreite\u201c* 1 bezeichnet; ein Ausdruck, welcher den Angaben mancher Beobachter \u00fcber die \u201eVollheit\u201c des dichotischen Eindrucks zur Seite tritt.\nUm nun den Lokalisationsverh\u00e4ltnissen des dichotischen H\u00f6rens n\u00e4her zu treten, m\u00fcssen -wir von dem Grenzfall ausgehen, der noch unter den Begriff des diotischen H\u00f6rens f\u00e4llt, dem Falle, wo die beiden getrennt zugeleiteten Prim\u00e4rt\u00f6ne ihrer H\u00f6he und ihrer Intensit\u00e4t nach gleich sind, oder, was auf dasselbe hinauskommt, wo ein Ton mit gleicher St\u00e4rke auf beide Ohren verteilt wird. Es ist bekannt, dafs sich unter diesen Umst\u00e4nden eine sogenannte \u201eintrakranielle\u201c Lokalisation des Toneindrucks ausbilden kann, wobei der Ton im Inneren des Kopfes bald mehr nach vorne, bald mehr hinten (dieses ist \u00f6fters der Fall) geh\u00f6rt wird. Auch kommt es vor, dafs der Ton nach aufsen (vorne oder hinten) verlegt wird; es kommt auch vor, dafs der Ton gleichzeitig im Kopf und in dem den Kopf umgebenden Raum lokalisiert wird.\nWelche von diesen Formen die Lokalisation des Tones annimmt, h\u00e4ngt zum Teil von der Intensit\u00e4t des Tones ab, l\u00e4fst sich aber nicht ohne Rest auf diesen Faktor zur\u00fcckf\u00fchren. Die urspr\u00fcngliche Veranlagung der Person spielt dabei eine bedeutende Rolle. Die individuellen Unterschiede betreffen dabei nicht nur den Ort, wohin der Ton verlegt wird, sondern auch dasjenige Moment am Tone, was man dessen Materialisierung nennen k\u00f6nnte. Der Ton kann n\u00e4mlich zum Raume nicht nur dadurch in Beziehung treten, dafs er irgendwo geh\u00f6rt wird; sondern er kann auch unter gewissen Umst\u00e4nden r\u00e4umliche Dimensionen anzunehmen scheinen, so\ndenz zeigte, bei allen, auch den kleinsten Differenzen der Prim\u00e4rt\u00f6ne eine Zweiheit herauszuh\u00f6ren. Diese Zweiheit schien aber auch dann zu bestehen, wenn nur ein Ton dichotisch zugef\u00fchrt wurde. Lag nicht eine solche T\u00e4uschung den Aussagen mancher Versuchspersonen Melatis zugrunde, die bei ganz minimalen H\u00f6hendifferenzen zwei T\u00f6ne zu h\u00f6ren glaubten ?\n1 Vergleiche dazu Stumpf, Tonpsychologie II, 538 (Anmerkung), wo er \u00fcber die \u201eVerbreiterung\u201c der T\u00f6ne beim zweiohrigen H\u00f6ren spricht.","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 341] Vers. \u00fcb. d. dichotischen Zusammenklang wenig versch. T\u00f6ne. 77\ndafs er dann eine umgrenzte Gestalt bekommt, die er mit einer gewissen Dichtigkeit ausf\u00fcllt. Eben diese letzte Art von r\u00e4umlicher Tonauffassung ist es, zu der verschiedene Personen in einem sehr ungleichen Mafse neigen. Wenn ein in dieser Hinsicht stark disponierter unter meinen Beobachtern (Herr Lewin) in einem speziellen Fall angibt, dafs der von ihm geh\u00f6rte eine Ton ungef\u00e4hr die Form einer Kugel von ca. 3 cm Durchmesser besitzt, die er dicht ausf\u00fcllt, und dafs er dabei von einem anderen Ton umgeben ist, der im Raum diffus ausgedehnt ist, so wird eine solche Aussage manchen ziemlich unverst\u00e4ndlich erscheinen, w\u00e4hrend sie f\u00fcr andere einen guten Sinn haben mag. Uns interessiert hier diese Art des r\u00e4umlichen H\u00f6rens insofern, als eben das diotische H\u00f6ren eines beiderseits durch Schl\u00e4uche gesondert zugef\u00fchrten Tones bei gen\u00fcgender Intensit\u00e4t desselben eine solche \u201eMaterialisation\u201c des Tones beg\u00fcnstigt.\nBemerkenswert ist diese \u201eMaterialisierung\u201c der T\u00f6ne unter anderem auch aus dem Grunde, weil sich an ihr manches Analoge zu den auf dem optischen Gebiete als Raumund Fl\u00e4chenfarben bezeichneten Erscheinungen zeigt. Dem Beobachter L. dr\u00e4ngten sich diese \u00c4hnlichkeiten w\u00e4hrend der Versuche von selbst auf, so dafs er sich dar\u00fcber spontan \u00e4ufserte. Die Art, wie der Ton einen Raum auszuf\u00fcllen scheint, hat etwas \u00c4hnliches mit der Art, wie die Raumfarbe den Raum erf\u00fcllt; und wiederum die Art, wie ein solcher \u201eRaumton\u201c gegen den tonfreien Raum abgegrenzt ist, scheint oft durch seine eigenartige Unbestimmtheit ein Analogon der Fl\u00e4chenfarbe zu bilden.\nWir haben schon oben bemerkt, dafs diese \u201eMaterialisation\u201c des Tones sich erst bei einer gen\u00fcgenden Intensit\u00e4t einstellt; ist seine Intensit\u00e4t geringer, so tritt dann leicht das Stadium der unbestimmten Lokalisation ein. Auf die Frage: wo ist der Ton ? antworten in diesem Stadium die Beobachter, er sei eigentlich nirgends, oder, wie sich andere aus-dr\u00fccken, er sei in einem Raum, der mit dem wirklichen, den Beobachter umgebenden Raum nichts zu tun habe. Wird die Aufmerksamkeit auf die Ohren konzentriert, so glauben manche Beobachter etwas von dem Ton dort zu h\u00f6ren,","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nStefan Baley.\n[70, 342]\nw\u00e4hrend andere angeben, dafs sie an den Ohren selbst nichts merken. Der zweite Fall l\u00f6st auch oft von selbst den ersten ab, wenn man den Eindruck etwas l\u00e4ngere Zeit auf sich ruhig wirken l\u00e4fst. Sind die Intensit\u00e4ten des von rechts und links kommenden Tones nicht gleich, so wird, wie bekannt, der Eindruck auf die Seite der st\u00e4rkeren Komponente verlegt, es wird, wie sich manche ausdr\u00fccken, der schw\u00e4chere Ton \u201everdr\u00e4ngt\u201c.\nKommen wir jetzt zu dem Fall, wo die beiden getrennt zugeleiteten T\u00f6ne ihrer H\u00f6he nach etwas differieren, so lassen sich die nun auftretenden r\u00e4umlichen Eigent\u00fcmlichkeiten des Eindrucks folgen derm afsen charakterisieren : Der aus zwei verschiedenen Prim\u00e4rt\u00f6nen resultierende dicho-tische \u201eZwischenton\u201c verh\u00e4lt sich in r\u00e4umlicher Beziehung \u00e4hnlich wie der diotisch zugef\u00fchrte einfache Ton. Auch er wird also entweder im Kopf oder im Raum aufserhalb des Kopfes oder unbestimmt lokalisiert. Ebenso ist es auch bei ihm m\u00f6glich, das Stadium herbeizuf\u00fchren, wo der ganze Toneindruck nur auf der einen Kopfseite lokalisiert wird, wo also die schw\u00e4chere Komponente r\u00e4umlich \u201everdr\u00e4ngt\u201c erscheint. Es existiert also beim dicho-tischen H\u00f6ren neben und infolge einer qualitativen Schwelle auch eine r\u00e4umliche Schwelle; die wenig verschiedenen von rechts und links kommenden T\u00f6ne k\u00f6nnen nicht richtig nach rechts und links lokalisiert werden, weil sie im Eindruck qualitativ nicht differenziert sind.\nDie Frage ist nun die, ob beide Schwellen ihrer Gr\u00f6fse nach zusammenfallen, ob also die T\u00f6ne, die schon qualitativ als zwei richtig unterschieden werden, gleichzeitig auch richtig ihre Lokalisation nach rechts und links erhalten. Wie meine Versuche zeigen, verh\u00e4lt sich die Sache im grofsen und ganzen auch wirklich so; zwei T\u00f6ne, die deutlich gleichzeitig dichotisch als verschieden perzipiert werden, werden in der Regel auch richtig nach rechts und links lokalisiert. Immerhin sind Ausnahmen m\u00f6glich (und zwar auch bei musikalischen), die in dem an die qualitative Schwelle grenzenden Gebiet Vorkommen. So wird in dem Stadium, wo es m\u00f6glich ist, aus dem dichotischen Ein-","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 343] Vers. \u00fcb. d. dichotischen Zusammenklang wenig versch. T\u00f6ne. 79\ndruck sukzessive zwei Tonh\u00f6hen herauszuh\u00f6ren, von den Versuchspersonen manchmal angegeben, sie k\u00f6nnen diese Tonh\u00f6hen in keine Beziehung zu rechts und links bringen. Solche Aussagen kamen bei Dr. Rupp vor, der auch einmal angegeben hat, beide T\u00f6ne zugleich h\u00f6ren zu k\u00f6nnen, ohne sie rechts und links zu lokalisieren; daf\u00fcr sah er sie vorne vor sich in Notenzeichen optisch gegeben. Bei Herrn Lewiu zeigten sich zuweilen Schwankungen und subjektive Unsicherheit in bezug auf die Lokalisation sukzessiv heraush\u00f6rbarer T\u00f6ne; auch hatte er einmal angegeben, die T\u00f6ne h\u00e4tten ihre Lage inbezug auf rechts und links ge\u00e4ndert, was objektiv nicht der Fall war. F\u00e4lle einer solchen Unsicherheit bei zwei nur schwer zu unterscheidenden T\u00f6nen habe ich zuweilen auch an mir selbst beobachtet. Dafs es also eine Zone gibt, wo die qualitive und die r\u00e4umliche Schwelle nicht immer genau Schritt halten m\u00fcssen, halte ich f\u00fcr sicher; eine feste Regel liefs sich aber daf\u00fcr nicht aufstellen. Abgesehen von diesen Ausnahmen gehen beide Schwellen parallel und die qualitative Unterscheidung findet oft in der r\u00e4umlichen ihre St\u00fctze. So gelingt es zuweilen im ersten Moment nicht, im Eindruck zwei der H\u00f6he nach verschiedene T\u00f6ne zu h\u00f6ren; wandert man aber mit der Aufmerksamkeit von einem Ohr zum anderen, so wird bemerkt, \u201edafs es an einem Ohr etwas h\u00f6her, am anderen etwas tiefer klingt\u201c. Bei den den Toneindruck \u201ematerialisierenden\u201c Personen, wobei dieser ihnen oft den Kopf in der Form eines Ringes oder Halbringes zu umgeben scheint, kommt vor, dafs sie innerhalb der diffusen Tonmasse zwei mehr nach rechts bzw. links gelegene Dichtig-keitszentra bemerken, die als Quellen zweier verschiedenen Tonh\u00f6hen erscheinen. Das Parallelgehen der qualitativen und der r\u00e4umlichen Trennung kommt auf eine interessante Art bei Beobachter Riee. zum Vorschein. Solange der Ton qualitativ noch einheitlich ist, erscheint er ihm seiner r\u00e4umlichen Beschaffenheit noch als eine undifferenzierte Masse, die sich von einem Ohr zum anderen teils innerhalb, teils aufserhalb des Kopfes hinzieht. Bei wachsender Pl\u00f6hendifferenz der Prim\u00e4rt\u00f6ne zerf\u00e4llt diese Masse in drei Teile, von denen der eine median gelegen ist, w\u00e4hrend die zwei \u00fcbrigen rechts und links von ihm in der N\u00e4he der Ohren ihre Stellung nehmen und zur","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nStefan Baley.\n[70, 344]\nQuelle zweier verschiedenen im Eindruck enthaltenen Tonh\u00f6hen werden. Je gr\u00f6fser die Differenz der Prim\u00e4rt\u00f6ne, desto weniger r\u00e4umlich ausgedehnt wird der mittlere Teil und zwar zugunsten der beiden seitlichen, die unterdessen immer wachsen; allm\u00e4hlich verwandelt er sich in eine d\u00fcnne, die beiden rechts und links gelegenen T\u00f6ne trennende Schicht, um schliefslich bei noch gr\u00f6fserer H\u00f6hendifferenz g\u00e4nzlich zu verschwinden.\nWenn bei einem dichotischen Tonpaar schon beide Schwellen, sowohl die qualitative als auch die r\u00e4umliche, \u00fcberschritten sind, das heifst also, wenn beide T\u00f6ne schon deutlich simultan als verschieden geh\u00f6rt und richtig nach rechts und links lokalisiert werden, so h\u00f6ren dann die T\u00f6ne noch lange nicht auf, einander in ihren r\u00e4umlichen Eigenschaften zu beeinflussen. Wie mehrere meiner Versuchspersonen einstimmig angeben, erscheinen beide T\u00f6ne, wenn dichotisch geh\u00f6rt, bei gen\u00fcgender Intensit\u00e4t ziemlich breit an der einen und der anderen Kopfseite ausgedehnt, so dafs sie sich in der Medianebene zu ber\u00fchren scheinen; dabei sind sie zwar richtig nach rechts und links lokalisiert, sie sitzen aber nicht in den Ohren. Wird nun der eine von den T\u00f6nen weggenommen, dann scheint in demselben Moment der zweite, alleinbleibende zusammenzuschrumpfen, klein zu werden, und sich in das Ohr zur\u00fcckzuziehen.\n\u00a7 7. Die Erscheinungen bei verschiedener Klangfarbe der beiden T\u00f6ne.\nAlles, was bis jetzt sowohl \u00fcber die simultane H\u00f6henschwelle wie auch \u00fcber die Lokalisationsph\u00e4nomene gesagt wurde, gilt f\u00fcr die T\u00f6ne, die zwar nicht ganz obertonfrei, immerhin aber arm an Obert\u00f6nen und in ihrer Klangfarbe einander \u00e4hnlich sind. Sind die Klangfarben un\u00e4hnlich, dann kommen alle die fr\u00fcher beschriebenen Erscheinungen nicht zum Vorschein oder werden wenigstens sehr ab geschw\u00e4cht. F\u00fchrt man z. B. den Ton einer Flasche und den eines Zungenapparates getrennt beiden Ohren zu, so verschmelzen die Kl\u00e4nge nicht zu einer qualitativen Einheit, sondern werden auch bei kleinsten H\u00f6hen-","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"[70, 345] Vers. \u00fcb. d. dichotischen Zusammenklang ivenig versch. T\u00f6ne, gl\nunterschieden, ja bei H\u00f6hengleichheit deutlich voneinander unterschieden.1 Es ist also nicht statthaft, Ergebnisse, die man mit einer gewissen Art von T\u00f6nen bekommen hat, ohne weiteres auf die T\u00f6ne mit beliebiger Klangfarbe auszudehnen. In dieser Hinsicht erfordern die elektrisch getriebenen Stimmgabeln eine besondere Vorsicht; da sie starke Obert\u00f6ne geben, so l\u00e4uft man, wenn man mehrere von ihnen gleichzeitig gebraucht, immer Gefahr, dafs ihr Klangcharakter ungleich sein kann. Unter diesen Umst\u00e4nden w\u00e4re es nach dem oben Gesagten erkl\u00e4rlich, dafs die Versuche mit ihnen in bezug auf die dichotische Schwelle negative Resultate geben k\u00f6nnen. Ich halte es f\u00fcr nicht ausgeschlossen, dafs die Ergebnisse Melatis zum Teil wenigstens durch diesen Umstand bedingt sind.\nDie Verh\u00e4ltnisse liegen hier also beim dichotischen H\u00f6ren \u00e4hnlich wie beim gew\u00f6hnlichen diotischen, ja sogar beim monotischen H\u00f6ren, wo, wie Stumpe hervorgehoben hat, auch eine solche Trennung klangverschiedener T\u00f6ne vorkommt. 2 Mit der qualitativen Trennung geht beim dichotischen und diotischen H\u00f6ren auch die r\u00e4umliche einher, indem solche auf Grund ihrer Klangun\u00e4hnlichkeit auseinandergehaltene T\u00f6ne als rechts und links lokalisiert erscheinen.\nZum Schlufs will ich noch die Frage ber\u00fchren, ob nicht zwei klangun\u00e4hnliche aber ihrer H\u00f6he nach wenig verschiedene, getrennt zugeleitete T\u00f6ne einander in dem Sinne beeinflussen k\u00f6nnen, dafs sie, trotzdem sie als zwei klangverschiedene T\u00f6ne erkannt werden und auch r\u00e4umlich auseinandertreten, dennoch ihre Tonh\u00f6hen gegenseitig zu einer gemeinsamen Resultante ausgleichen. Das Problem ist schon f\u00fcr das monotische H\u00f6ren nicht leicht zu entscheiden. Aus theoretischen Gr\u00fcnden mufs unter diesen Umst\u00e4nden die Bildung eines Zwischentones postuliert werden. Bei der Beobachtung scheint aber der sch\u00e4rfere Ton (z. B. des Tonmessers) durch das Hinzutreten eines\n1\tDie Trennung klangun\u00e4hnlicher T\u00f6ne durch ihre Verteilung nach rechts und links erw\u00e4hnt schon Stumpf, Tonpsychol. II, 546 f.\n2\tTonpsychol. II, 396 Anm. Es k\u00f6nnten hierher auch die F\u00e4lle geh\u00f6ren, in denen von Ohrenkranken ein sog. Echo, im Ohre lokalisiert, vernommen wird. Vgl. daselbst I, 273 den Fall des Kaufmanns.\nStumpf, Beitr\u00e4ge 8.\t6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"Stefan Baley.\n[70, 346]\nungleich hohen milderen Tones (z. B. einer Flasche) in seiner Tonh\u00f6he unge\u00e4ndert zu bleiben, wogegen der weichere Ton seine Tonh\u00f6he derjenigen des sch\u00e4rferen Tones anzun\u00e4hern scheint. Beim dichotischen H\u00f6ren bzw. getrennter Zuleitung scheinen die Verh\u00e4ltnisse \u00e4hnlich zu liegen (systematisch habe ich dieses Problem nicht untersucht, sondern nur gelegentlich einige diesbez\u00fcgliche Beobachtungen gemacht). Eine qualitative Beeinflussung dichotisch geh\u00f6rter, wenig verschiedener T\u00f6ne w\u00e4re also in diesem Sinne auch im Fall ihrer klanglichen Un\u00e4hnlichkeit vorhanden; aber sie f\u00e4nde nicht im Sinn einer Mitteltonbildung statt, sondern im Sinn einer (scheinbaren oder wirklichen) einseitigen Assimilation.","page":82}],"identifier":"lit38505","issued":"1915","language":"de","pages":"57-82","startpages":"57","title":"Versuche \u00fcber den dichotischen Zusammenhang wenig verschiedener T\u00f6ne","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:46:31.422474+00:00"}