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{"created":"2022-01-31T15:52:46.723756+00:00","id":"lit38513","links":{},"metadata":{"alternative":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft","contributors":[{"name":"Fillmore, John Comfort","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft 3: 1-5","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"Indianerges\u00e4nge.\nVon\nJohn Comfort Fillmore,\nDirector der Musikschule von Pomona College, .Claremont, Californien.1\nDie Indianerlieder, die hier zum ersten Male ver\u00f6ffentlicht werden, sind von mir niedergeschrieben, nachdem die Indianer sie mir vorgesungen. Nur Nr. 1 macht eine Ausnahme. Dieses wurde mir von Senor Arturo Bandini aus Pasadena mitgetheilt, der eine Hazienda an der mexikanischen Grenze in der N\u00e4he der Yaqui\u2019s im Staat Sonora besitzt. Sein Bruder verweilte als Gefangener von fr\u00fchester Kindheit bis zum Alter von 35 Jahren unter den Yaqui\u2019s. Ich zweifle nicht, dafs dieses Lied eben so authentisch ist, als wenn ich es selbst von den Yaqui\u2019s geh\u00f6rt h\u00e4tte.\nWie viele andere unter den Indianerliedern, die ich gesammelt habe, besteht dieses erste ausschliefslich aus Accord-t\u00f6nen und zwar denen des G-Moll-Dreiklanges. Nur am Schlufs kommt ein A, den Dominantaccord vertretend, vor. Dagegen hat es eine Eigenth\u00fcmlichkeit, die ich fr\u00fcher bei keinem Indianerlied gefunden: dafs bei der Wiederholung eine zweite Stimme dazu von den Frauen gesungen wird. Diese zweite Stimme besteht freilich nur aus einem einzigen lang ausgehaltenen Ton, hebt aber den harmonischen Charakter der Melodie mit besonderem\n1 Der Verfasser ist leider seit der Einsendung dieses Beitrages verstorben. Ich hatte ihn gebeten, denselben als Beispiel f\u00fcr seine im 1. Heft S. 68 f. erw\u00e4hnten Studien, die zumeist in amerikanischen Musikzeitschriften erschienen und den meisten deutschen Lesern unzug\u00e4nglich sind, hier zu ver\u00f6ffentlichen. Allerdings kann ich mich auch jetzt noch nicht \u00fcberzeugen, dafs die Experimente mit den Indianern ganz einwandfrei w\u00e4ren. \u2014\nInzwischen ist uns auch von dem ausgezeichneten Ethnologen F. Boas ein neues Werk geschenkt, das viele Indianermelodien enth\u00e4lt: The social organisation and the secret societies of the Kwakiutl Indians. Report of the U. S. National Museum. 1897. S. 311\u2014737.\tC. Stumpf.\nStumpf, Beitr\u00e4ge III.\n1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nJohn Comfort Fillmore.\nNachdruck hervor, da dieser Ton die Oberquinte der Tonica und der Grundton des Dominant-Dreiklanges ist.\nAuch bei den Liedern der Coahuilla\u2019s, die ich im August 1897 in deren Heimat im San-Jacinto-Gebirge gesammelt habe, ist der harmonisch-diatonische Bau nicht zu verkennen. Nr. 2 ist pentatonisch. Nr. 3 hat nur zwei T\u00f6ne, die Tonica und ihre kleine Unterterz. In den Gebirgen hatte ich nat\u00fcrlich kein Instrument; aber k\u00fcrzlich hatte ich Gelegenheit, alle diese Lieder einem jungen Coahuilla (der, beil\u00e4ufig gesagt, Englisch spricht, so dafs ich keinen Dolmetsch n\u00f6thig hatte) auf dem Clavier vorzuspielen. Ich spielte sie zuerst ohne Accorde, dann mit den nat\u00fcrlichen sehr leicht zu erkennenden Harmonien. Der junge Indianer hat sie immer harmonisirt vorgezogen, wie dies auch sonst meinen Erfahrungen entspricht. Nr. 3 harmonisirte ich mit dem Tonica- und dem Subdominant-Accord.\nNr. 4 ist wieder pentatonisch. Nr. 5 l\u00e4fst sich leicht mit Tonica-, Subdominant- und Dominant-Accord harmonisiren. Die Cadenz ist plagalisctu Nr. 6 beginnt mit dem C-Moll-Accord, steht aber deutlich in der R-Dur-Tonart. Nr. 7 steht in G-Dur und l\u00e4fst sich leicht mit den obigen drei Accorden harmonisiren. Nr. 8 und 9 in G-Moll. Nr. 10 und 11 wieder pentatonisch. Nr. 12, das ich Indianern vielmals vorgespielt habe, ist unleugbar harmonisch empfunden, aus lauter Accordt\u00f6nen bestehend.\nIch m\u00f6chte noch erw\u00e4hnen, dafs ich fr\u00fcher Hunderte von Indianerliedern niedergeschrieben und aber Hunderte kenne, die von Anderen phonographirt wurden: sie haben alle ohne Ausnahme denselben harmonisch-diatonischen Zug. Auch habe ich Hunderte mit und ohne Harmonien verschiedenen Indianern vorgespielt und jedesmal mit demselben Resultat': dafs sie ihre Lieder harmonisirt vorziehen und dafs sie stets dieselben Accorde als nat\u00fcrlich und befriedigend anerkennen, die meinem musikalischen Gef\u00fchl passend erschienen.\nEs ist wohl wahr, dafs die Indianer oft mit unreiner Intonation singen. Aber dies findet sich nicht blos bei Indianern und anderen Naturv\u00f6lkern. Aufserdem habe ich beobachtet, dafs ein Indianer, wenn er mit anderen zusammen singt, besser singt als wenn allein. Auch wenn sie mit Begleitung des Claviers und speciell mit harmonischer Begleitung singen, intoniren sie reiner, erkl\u00e4ren die vorher unreinen Intervalle nun f\u00fcr richtig und finden grofses Vergn\u00fcgen daran.","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Indianerges\u00e4nge.\n3\nWenn wir zur Musik von V\u00f6lkern wie Chinesen, Japanern, Indern \u00fcbergehen, handelt es sich nicht mehr um primitive Musik, auch nicht bei ihren Volksges\u00e4ngen, da sie ein ausgearbeitetes Musiksystem besitzen. Sobald Instrumente erfunden sind, beginnt die Verdrehung (sophistication) des nat\u00fcrlichen musikalischen Sinnes. Unvollkommen gebaute Instrumente leiten das Ohr auf falsche Bahnen, und Instrumente, die nach irgendeiner akustischen Theorie statt nach den nat\u00fcrlichen Intervallen gebaut sind, tyrannisiren die musikalische Auffassung. So wird z. B. die pythagoreische Terz, die man durch reine Quinten auf Instrumenten herstellt, bewirken, dafs ein Theil der S\u00e4nger die Terz falsch intonirt oder aber dafs man dieses Intervall als Dissonanz vermeidet. Immerhin habe ich in den chinesischen Quartieren von Los Angelos und San Francisco Melodien geh\u00f6rt, die so correct innerhalb einer f\u00fcnfstufigen Leiter gespielt wurden, wie man sie nur immer von einer schottischen Sackpfeife h\u00f6ren kann; und ich kann nicht zweifeln, dafs die n\u00e4mlichen grundlegenden Principien das n\u00e4mliche Ergebnifs bei allen diesen verschiedenen Rassen erzeugt haben.\nKurz, ich bin tief \u00fcberzeugt, dafs die Erfassung der harmonischen Beziehungen das gestaltende Princip in aller Volksmusik der Welt ist. Sicherlich kann es keine Musik geben ohne Erfassung irgendwelcher Beziehungen zwischen den T\u00f6nen, und eben so sicher sind die harmonischen Beziehungen diejenigen, die in der Volksmusik vorwiegen.\nNo. 1. Sehr altes religi\u00f6ses Lied der Yaquis, Mexico.1\nM\u00e4nner:\ny: .:> 2 *\t'\t\t\t\tFt-' Ff\t-pr~:\n4 1\u20141\u2014!\u2014\tP\t\t4\t1-\u2014\t' \u2022 * -\t- 1 b 1 --\t\nPahaino we we,\twe-we we-we-shu me, o we we shu me.\nFrauen:\ni\n\t\ti :\u2022!\t\t\t\t\u20143^1\nTTc\t\t\t\t\t\nM\u00e4nner: f f j\u00bb -\t-f\u2014\t\u20143\u2014\t\tr r if-1\t\ny r 4\u2014l=-\t\t-4\u2014\tH===b=\t\t\nPa hai no we we,\twe-we we-we-shu me, o we we shu me.\n1 Die Texte sind englisch auszusprechen. Uebersetzung ist nicht beigef\u00fcgt. St.\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nJohn Comfort Fillmore.\nNo. 2. Lieder der Coahuilla-Indianer, S\u00fcd-Californien.\nrv*\t\u2022\t\u00ab\u2022\t\u00bb\t\t\t\n* 1. \" *\tr\tr * * m\t'\t0 \u00df \u00ae\tm m\t. m 0\t0\tJ J \t\n-J\u2014H f P p-^\ti\tr r P\t! f r P p \u2022\t; r r* \u00e9 \u00ea J\t\n\tL 1\ti\t1\t\t\ti\ti\tr\ti\u2014i\t\t: snJ=1=L^L T -\t\t\nTri-ma-la ma-la, Tri-ma-la ma - la, Tri-ma-la ma - la, Tri-ma-la\nrv*\t\t\t\t;\u2014\t\u2014i\u2014\t\t\nJ \u2022\tA -\t.\tA\ti\ti\ti n i\t\t\t\t\u2014j\t\u2022\t- Wiederholen ad lib.\nz? P : P. w 1\tP Plg * ^\t\t\t\t\u2014~\u00e9 %\t\u2022 \u2022\t\nr.\t\u00bb - l\t\u00bb\t..\t-\t\t\t\t\t\t\t\nma-la, wi-o-ya we-ni, wi-o-na wa-na. Nachher in h\u00f6herer Tonart, etwa so:\nTri-ma-la ma - la, Tri-ma-la ma - la\nNo. 3. JLf \u00bb*,\tr t- %\t| i. \t| 2. 1 p=p^pA\\- er.0 -\t\ni \u00ff <\t: * 1\t\t\t\u2014V\u20141\u2014MN-4\u2014k*'-\t-h\u2014J-^=\u2014\nA loyo to yo, Ayo tri-no, tri - no. A - yo tri - no.\nNo. 4.\nrv*\to\ti\t*|\t**'0 .\tp-0\u2014\tSE\t\t\tf?\tAA\t'\tA\t\to r r\n\u00ab\u00a3\t\ti-fcL\t\t\t\t\t2 P\u2019P 0 .\t\t\t1 # | -\t\tTt\u2014I- 1\t\t\n7 5 A\t\t\t\t\ti\t\t\t\tJ PJ\t\tJ\u00e0-\n\t\t\t\t\tA 1 \u2122|\t| -\t\t\t\t- 1\t\"Ht\nO ho, o-yo na ho, o yo na ho, o yo na - ho.\tO yo o yo\n1\t1\u2014\t-Zr-f\u00e2\u2014P^-\t\tFffr~ F-\t-H*-\t\u2014\u2022\u2022\t\t\u2014\t\u2014(9\u2014T\n\u2014b\t na - ho,\t4\u2014\u201c=\u2014C o yo na\tr f\u20141 ho,\tisS- 1\t\t o yo na\tt= ho,\t\t|*j\t0\t o yo na\tho.\nNo. 5.\nWiederholen ad lib.\n4 '\t\u20187\t\u00df\tp\u2014\tP\u2014\tf\u2014f -f p\t\t\u00bb\t\n\t\t1\t\t\t\t\u00df 0\tm\ta\n\t\t\tU\u00ab\t\t\tr *. . -\nHt\tr\t1\t^\tr\t\t\t\t\tL.\u00a3=t-\tF=P =\nEi o no na we ni, ei o no na we ni.\nNo. 6.\nWiederholen ad lib.\n<jHr2-a-V-\t\t.0 Z? P-\tp 0 f-\t-fs-^\t\t\t~0^S\t\n\t-t\u2014V ' -\t-M;-\ty-H-P-\t\t\t\t\tH=:\nHe meh cho mi, he meh cho mi kah, o yo we ni, o yo wa na.\nNo. 7.\nWiederholen ad lib.\n\t-Yis\tffi\tFr^F^l\t\t*\u2014\tP\tP\tS-\t-p*\u2014\t0.\t;\n\t::: 1\u2014^\t^ p :\t\t\t11\u2014\tt=h=pd\t4=\t\u2022 -\nA - ha ' na ho me no ki no, A-ha na ho me no ki no.","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Indianerges\u00e4nge.\n5\nNo. 8. Trauerlied.\n\t\tpf\u2014\trl*\u2014i\tf*\u2014r\tm\t#\u2022\trH\t*\t\tf*\tm\t* \u25a0 i\n\tV\u2014i%\tBL-\t-j u n\t\ti n\t\ti\tn \u2014\t\t\t\tt\tn . r\t\tj v\t1\n\u25a0 f?\t\u00e4 r\t1 v V -\ti\u2014\t\t\t-\u2014F\t\t\t\tE^F\t\nNe mo ne je mo tne, Ne mo no je mo tne je mo\nNo. 9. Trauerlied. (Sehr alt.)\nFine.\tD. C. al Fine.\nb\u2014\t\u00c7\u2014C-\t^=7^\tg=j\t*\tF\u2014?\tP\u2014S~T\t\n\t>\t^\tV\t\u2014\t\u20141\t1\u2014y\t\u2014b\u2014i\th\t1\t1\tP=\\\t\u2014\nHem - a - a yag i - wi cheh meh - eh - eh no kis\nNo. 10. Bruchtheil eines alten Sonnen-Tanzliedes.\nt\tP\u2014t-\u00ca-2\t=\t=\t\t\tr \t\n\u2014fr\u2014S\u2014 \t^\u25a0\t*\t(* t\tF=\tU- - \u00eb\u2014i\t(*JL\t\n\t\th\th.\tt\tp\u2014\t\u2014J\t\t^\t\\\u2014\n?\ttf\t^\u2014\t\t^ \u2014t=t=\t\t\t\nNo. 11. Sehr altes religi\u00f6ses Tanzlied der Serrano-Indianer in S\u00fcd-Californien. (Von den Coahuillas erhalten.)\n\t. ....\t4\t?\u2014 f\t\u2022 #\t\u2014f\t\t\t*\t. i\t\n~b b4\u20144-i\tP~\u2014-w\u2014\t=M\tt\u2014t\tduz\tt=^F=\u2014\u00a3=*=\t\t\tEE\nPa - ra hai - bi - ta, Pa -ra hai-bi-ta, -bi-ta, Mo - mo mo-\n\n\n\nno - wo, Mo-mo mo - no - wo, Pa-ra hai-bi-ta, Pa-ra hai - bi-ta.\nNo. 12. Kriegs-Tanzlied der Sioux.\n-^1\t\" \t^ \u2018\t\t\u2014? \u25a0 ^\t\u25a0 i\"\t\nPauken- f (* f f . Schl\u00e4ge:\t\u2018\t*\t\t\u2022\t\t\t:\u2014\u00ab>\u2014H:","page":5}],"identifier":"lit38513","issued":"1901","language":"de","pages":"1-5","startpages":"1","title":"Indianerges\u00e4nge","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:52:46.723761+00:00"}