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{"created":"2022-01-31T15:36:24.331155+00:00","id":"lit38519","links":{},"metadata":{"alternative":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft","contributors":[{"name":"Baley, Stefan","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft 8: 1-16","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"fLXVII. 261]\n1\n(Ans dem Psychologischen Institut der Universit\u00e4t Berlin.)\nUber den Zusammenklang einer gr\u00f6fseren Zahl wenig verschiedener T\u00f6ne.1\nVon\nDr. Stefan Baley.\nWenn zwei T\u00f6ne gleichzeitig erklingen, die in ihrer H\u00f6he sehr wenig voneinander differieren, so h\u00f6rt man bekanntlich statt zweier T\u00f6ne nur einen Ton, der seiner H\u00f6he nach zwischen den beiden Prim\u00e4rt\u00f6nen liegt (Zwischenton, Stumpe). R\u00fccken die T\u00f6ne weiter auseinander, so tritt ein neues Stadium auf, wo man beide Prim\u00e4rt\u00f6ne schon getrennt h\u00f6rt und neben ihen auch den Zwischenton. Schliefslich kommt das dritte Stadium, wo nur die Prim\u00e4rt\u00f6ne wahrgenommen werden und der Zwischenton verschwindet.\nDurch einen einfachen, von Melde angegebenen Versuch l\u00e4fst sich die Bildung des Zwischentones aus zwei Prim\u00e4rt\u00f6nen demonstrieren. Man ziehe zwei benachbarte Kn\u00f6pfe am Tonmesser heraus und lasse die ihnen entsprechenden T\u00f6ne gleichzeitig erklingen. Man h\u00f6rt dann nur einen Ton; wenn nun einmal der dem tieferen und andermal der dem h\u00f6heren Prim\u00e4rtone entsprechende Knopf zur\u00fcckgedr\u00fcckt wird, so findet im ersten Falle eine Erh\u00f6hung und im zweiten eine Ver-tiefung des Tones statt. Es folgt also, dafs der Zwischenton seiner H\u00f6he nach zwischen den beiden Prim\u00e4rt\u00f6nen liegt.\nAls ich im Laufe der hier demn\u00e4chst zu besprechenden Untersuchung \u00fcber das dichotische H\u00f6ren am Tonmesser arbeitete, bemerkte ich, dafs der eben beschriebene Versuch auch dann zu gelingen scheint, wenn man anstatt zweier vier\n1 Aus der Zeitschrift f\u00fcr Psychologie mit einigen Korrekturen und einer Schlufsbemerkung abgedruckt.\tC. Stumpf.\nStumpf, Beitr\u00e4ge VIII.\t1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nStefan Baley.\n[LXVII. 262]\nbenachbarte Tonmesserzungen zum Versuche heranzieht. L\u00e4fst man alle vier Zungen gleichzeitig erklingen, so scheint dabei nur ein Ton zu resultieren, und wenn man weiter entweder die zwei links oder die zwei rechts befindlichen Kn\u00f6pfe zur\u00fcckdr\u00fcckt, so h\u00f6rt man die Erh\u00f6hung resp. die Vertiefung der Tonlage. Es ist so, als ob auch in diesem mehr komplizierten Falle sich aus dem Prim\u00e4rt\u00f6nen etwas Zwischentonartiges bildete. Sogar mit sechs oder acht Zungen des Tonmessers scheint sich ein \u00e4hnliches Ph\u00e4nomen hervorrufen zu lassen, nur bekommt der resultierende Ton bei der immer weitergehenden Vergr\u00f6fserung der Anzahl der Prim\u00e4rt\u00f6ne einen mehr schreienden Charakter.\nEinmal auf die Erscheinung aufmerksam gemacht, versuchte ich ihr weiter nachzugehen, da ich in ihr wenigstens eine partielle L\u00f6sung des Problems zu finden meinte, welches durch die theoretischen Erw\u00e4gungen \u00fcber den Zwischenton nahegelegt wird. Es seien zwei T\u00f6ne a und b gegeben, deren H\u00f6henunterschied die Unterschiedsschwelle f\u00fcr gleichzeitige T\u00f6ne nicht \u00fcberschreitet; sie ergeben also, wenn sie gleichzeitig erklingen, einen Zwischenton von einer gewissen H\u00f6he m. Nun l\u00e4fst sich aber leicht ein anderes Tonpaar a\u00ef b\u2018 finden, welches beim Zusammenklingen ebenfalls den Zwischenton m bildet, wobei die T\u00f6ne a\u2018b\u2018 auch die Bedingung erf\u00fcllen, dafs sie in bezug aufeinander und auf die T\u00f6ne ab unterhalb der Unterschiedsschwelle liegen. Es l\u00e4fst sich vielleicht noch ein drittes Tonpaar a\"b1' und ein viertes a,ub,u ausfindig machen, welches zu den ersten Tonpaaren in dasselbe Verh\u00e4ltnis tritt, in welchem a\u2018b\u2018 zu ab stand. Wenn nun alle die Tonpaare f\u00fcr sich genommen denselben Zwischenton ergeben, so fragt sich, was sich herausstellen wird, wenn man sie alle gleichzeitig erklingen l\u00e4fst. Vereinigen sie sich auch in diesem Fall zu einem Zwischenton m, oder kommt dabei ein einfacher resultierender Ton \u00fcberhaupt nicht zustande?\nDa man wenig Hoffnung haben kann, auf Grund blofs theoretischer Erw\u00e4gungen eine sichere L\u00f6sung des Problems zu erlangen, so war es um so mehr geboten, es einer experimentellen Pr\u00fcfung zu unterziehen. Von den Apparaten, an denen man die diesbez\u00fcglichen Versuche anstellen k\u00f6nnte, scheint von vornherein der Tonmesser das am meisten geeig-","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"[LX VIL 263] Zusammenklang einer gr\u00f6\u00dferen Zahl wenig verschied. T\u00f6ne. 3\nnete Instrument zu sein. Gibt er doch die M\u00f6glichkeit, T\u00f6ne, die um eine konstante, kleine Schwingungszahl differieren, in beliebiger Anzahl gleichzeitig erklingen zu lassen. Leider aber entsprechen wenigstens bei dem hiesigen Instrument die T\u00f6ne der einzelnen Zungen den bei ihnen angegebenen Zahlen im allgemeinen nicht und geben keine gen\u00fcgend gleichf\u00f6rmigen Differenzen, weshalb er stets nur mit einer Korrektionstabelle benutzt wird. Dadurch wurde er aber f\u00fcr exakte Durchf\u00fchrung der Versuche in unserem Falle unbrauchbar.\nIch versuchte also mit Stimmgabeln zu experimentieren, deren einige ich mittels Laufgewichten entsprechend stimmte. Bei dieser Anordnung konnte die Stimmung in beliebiger Weise exakt gemacht werden ; es verklingen aber die Stimmgabeln zu rasch, auch ist es schwer, bei ihren T\u00f6nen die gleiche Intensit\u00e4t zu erreichen.\nWeiter experimentierte ich auch auf Vorschlag des Herrn Geheimrat Stumpe mit Flaschen, die mittels passend angebrachter Mundst\u00fccke durch ein elektrisch getriebenes Gebl\u00e4se zum T\u00f6nen gebracht wurden. Man stimmte sie, indem man Wasser in passender Menge hineingofs. Obwohl nun die auf solche Weise erzeugten T\u00f6ne ziemlich obertonfrei waren und die jedesmal gew\u00fcnschten Intervalle sich leicht hersteilen liefsen, so blieb w\u00e4hrend l\u00e4ngerer Dauer infolge der Schwankungen des Luftstromes die H\u00f6he der einzelnen T\u00f6ne nicht so konstant, wie es f\u00fcr unsere Zwecke n\u00f6tig w\u00e4re; und das war nat\u00fcrlich ein sehr st\u00f6render Umstand.\nSchliefslich griff ich wieder zu einem Zungeninstrumente zur\u00fcck und zwar benutzte ich diesmal ein zweites Exemplar, bei dem eine ganze Zungenreihe den Ton 600 mit minimalen zuf\u00e4lligen Differenzen gab1 ; ich konnte sie nun, dank dem liebensw\u00fcrdigen Entgegenkommen des Herrn Geheimrat Stumpe, in passender Weise abstimmen. So war es mir m\u00f6glich, die n\u00f6tigen H\u00f6henabstufungen der T\u00f6ne auf die Dauer herzustellen. Dafs es aber dabei unumg\u00e4nglich war, an jedem Versuchstage die Stimmung nachzupr\u00fcfen und zu kor-\n1 Diese Einrichtung wurde fr\u00fcher zu Reinheitsversuchen von C. Stumpf benutzt; s. Stumpf u. M. Meyer, Mafsbestimmungen usw. Z. f. Ps. 18.\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nStefan Baley.\n[LXVIL 264]\nrigieren, ist selbstverst\u00e4ndlich. Die Kontrolle wurde in der Weise durchgef\u00fchrt, dafs f\u00fcr jede zwei in der Reihe folgenden T\u00f6ne diejenige Zeit, in welcher der beabsichtigten Stimmung gem\u00e4fs eine gewisse Anzahl von Schwebungen erfolgen sollte, mit derjenigen Zeit verglichen wurde, welche zu ihrer Abfolge wirklich n\u00f6tig war. Ich begn\u00fcgte mich immer mit der Stimmung, wenn der Unterschied dieser Zeiten f\u00fcr 20 Sek. nicht mehr als 1I2 Sek. betrug. Die kleinsten H\u00f6henunterschiede, mit denen ich meistens arbeitete, waren zwei bis vier Schwebungen pro Sekunde. Somit ist nun auch die Genauigkeit der Abstimmung, mit der immer operiert wurde, angegeben.\nIn meinen Versuchen hatte ich die Absicht, den Zusammenklang mehrerer der H\u00f6he nach einander nahestehender T\u00f6ne in bezug auf seine Einheitlichkeitsbedingungen zu pr\u00fcfen, ohne die dabei sich ergebenden SchwebungsVerh\u00e4ltnisse n\u00e4her zu verfolgen. Da aber diese f\u00fcr den qualitativen Charakter des Zusammenklanges von ausschlaggebender Bedeutung sind, so sind wir gezwungen, zun\u00e4chst \u00fcber sie einige Bemerkungen zu machen.\nWenn mehrere T\u00f6ne (bei der hier immer festzuhaltenden Bedingung kleiner H\u00f6hendifferenz) zusammenklingen, so gilt im allgemeinen die Regel, dafs im resultierenden Geh\u00f6rseindruck alle die Schwebungsrhythmen herauszuh\u00f6ren sind, die je zwei beliebige von diesen T\u00f6nen miteinander kombiniert aufserhalb des Zusammenklanges erzeugen w\u00fcrden. Das Gesetz der Erhaltung der einzelnen Schwebungsrhythmen im Zusammenklang scheint hier zu walten. Dennoch erleidet es manche Einschr\u00e4nkungen, von denen wir sogleich zwei besprechen m\u00fcssen.\nNehmen wir zuerst den Fall, wo drei T\u00f6ne a, b, c gleichzeitig gegeben sind (b mag dabei h\u00f6her als a und tiefer als c sein). Dann l\u00e4fst sich im Zusammenklang sowohl der den T\u00f6nen ab, wie auch der den T\u00f6nen bc und aufserdem noch der den T\u00f6nen ac entsprechende Rhythmus vernehmen. Es lassen sich aber dabei durch Beobachtung folgende Tatsachen konstatieren :\n1. Die Deutlichkeit, mit welcher die einzelnen Rhythmen h\u00f6rbar sind, ver\u00e4ndert sich sehr mit dem Standpunkte, den man der Tonquelle gegen\u00fcber einnimmt. Es gibt Stellen, die","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"[LXVII. 265] Zusammenklang einer gr\u00f6\u00dferen Zahl wenig verschied T\u00f6ne. 5\nder Wahrnehmung eines Rhythmus g\u00fcnstiger sind als des anderen. Es wird sogar an manchen Stellen nur ein einziger von den drei Rhythmen h\u00f6rbar, w\u00e4hrend die anderen dabei unmerklich bleiben.\n2. Die St\u00e4rke, mit welcher die einzelnen Rhythmen sich dem Ohre auf dr\u00e4ngen, ist weiter auch von der absoluten Frequenz der Schwebungen der Tonpaare ab, be, a c abh\u00e4ngig. Betr\u00e4gt der Unterschied der T\u00f6ne ab z. B. vier bis sechs Schwebungen pro Sekunde und n\u00e4hert sich der Unterschied bc der Doppelzahl davon oder geht er noch weiter dar\u00fcber hinaus, so dringt im Gesamteindruck das dem Unterschied ab entsprechende Schwebungstempo am st\u00e4rksten durch, und die Rhythmen bc, ac treten dabei zur\u00fcck.\nBei diesem Verh\u00e4ltnis der Intervalle findet also Pr\u00e4valenz des langsamsten Schwebungsrhythmus statt. Im allgemeinen sind die langsameren Schwebungen (bis zu einer gewissen Grenze) den rascheren gegen\u00fcber im Vorteil, indem sie leichter dem Ganzen ihren Rhythmus aufdr\u00e4ngen.\nAlles, was wir \u00fcber die Schwebungen dreier T\u00f6ne gesagt haben, beh\u00e4lt auch f\u00fcr mehr als drei gleichzeitige T\u00f6ne seine G\u00fcltigkeit. Es wechselt auch hier das H\u00f6rbarwerden der einzelnen Rhythmen mit der der Tonquelle gegen\u00fcber eingenommenen Stelle. Auch hier kommt die relative Pr\u00e4valenz der langsamsten Rhythmen zum Vorschein. Ein Spezialfall ist der, wo die zusammenklingenden T\u00f6ne ihrer Schwingungszahl nach eine arithmetische Reihe bilden, wo also die H\u00f6hendifferenzen der n\u00e4chsten T\u00f6ne untereinander gleich sind; es schweben dann je zwei benachbarte T\u00f6ne alle in demselben Rhythmus, der auf diese Weise im Zusammenklange mehrere Male sich wiederholt. Die Folge davon ist, dafs dieser \u2014 der langsamste \u2014 Rhythmus verst\u00e4rkt wird und in dem resultierenden Geh\u00f6rseindruck mit um so gr\u00f6fserer Eindringlichkeit sich bemerkbar macht. Das Ganze, aus einiger Entfernung geh\u00f6rt, scheint nur in diesem einzigen Rhythmus zu schweben.\nNach diesen Bemerkungen \u00fcber die Schwebungen werden wir nun den eigentlichen Toneindruck ins Auge fassen, der bei dem mehrfachen Zusammenklange entsteht. Es mufs hier zuerst konstatiert werden, dafs die Gestaltung der Rhythmenverh\u00e4ltnisse dabei von ausschlaggebender Bedeutung ist. Jedem","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nStefan Baley.\n[LXVII. 266]\nim Zusammenklange enthaltenen Schwebungsrhythmus von zwei beliebigen T\u00f6nen entspricht ein Zwischenton, der eben durch diese T\u00f6ne erzeugt wird. Und was vordem \u00fcber die Schwebungsrhythmen galt, das gilt mit gewissen Einschr\u00e4nkungen von diesen Zwischent\u00f6nen. Der Regel der Erhaltung der einzelnen Schwebungsrhythmen steht also innerhalb gewisser Grenzen die Regel der Erhaltung der einzelnen Zwischent\u00f6ne zur Seite. Wie aber je nach der eingenommenen Stelle und nach dem Verh\u00e4ltnis der Intervalle bald dieser bald jener Rhythmus in den Vordergrund tritt, so ist es auch mit den im Zusammenklang enthaltenen Zwischent\u00f6nen.\nMan h\u00f6rt nicht alle die Zwischent\u00f6ne zu gleicher Zeit, sondern je nach der Stellung, in der man sich befindet, nur gewisse von ihnen. Oft ist es nur ein Ton, der deutlich hervortritt ; im Falle, wo zwei oder drei sich bemerkbar machen, k\u00f6nnen sie entweder nebeneinander bestehen oder sie wechseln in einem bestimmten Tempo ab. Wird die Zahl der Prim\u00e4rt\u00f6ne immer mehr vergr\u00f6fsert, so bekommt dadurch der Zusammenklang einen immer mehr wirren Charakter, und es bildet sich neben dem deutlich auftretenden, in einem bestimmten Tempo schlagenden Zwischentone (ev. einigen Zwischent\u00f6nen) eine ger\u00e4uschartige Klangmasse von schwer zu bestimmender H\u00f6henlage.1\nWir gehen nun zu dem interessantesten Fall \u00fcber, und zwar zu dem, wo mehrere Prim\u00e4rt\u00f6ne der Reihe nach um gleiche Schwingungszahl voneinander differieren. Bei ihrem Zusammenklingen kommt, wie wir schon fr\u00fcher dargelegt haben, der dieser Differenz entsprechende Schwebungsrhythmus zu einer bedeutenden Verst\u00e4rkung, was dem Gesamteindruck eine verh\u00e4ltnism\u00e4fsig grofse Einheitlichkeit verschafft. Denn dieser Rhythmus haftet dem Ganzen unver\u00e4ndert an, auch\n1 Obwohl nach dem bisher Gesagten eine Korrespondenz zwischen den im Zusammenklange heraush\u00f6rbaren Rhythmen einerseits und den Zwischent\u00f6nen andererseits zu bestehen scheint, so l\u00e4fst sie sich nicht als eine ausnahmslose Regel statuieren. So hatte ich oft den Eindruck, dafs im Falle des Dreiklanges abc, -wo bc doppelt so grofs war wie ab, an gewissen Stellen, an denen der Rhythmus ab pr\u00e4valierte. er nicht die H\u00f6he des ihm entsprechenden Zwischentones ab, sondern die H\u00f6he des Zwischentones bc annahm.","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"(LXVII. 267] Zusammenklang einer gr\u00f6\u00dferen Zahl wenig verschied. T\u00f6ne. 7\nw\u00e4hrend man seine Stellung zum Tonmesser \u00e4ndert, was, wie wir wissen, bei anderen Arten von Zusammenkl\u00e4ngen nicht der Fall ist. Diese Einheitlichkeit greift aber auch auf den qualitativen Charakter des Eindruckes \u00fcber, n\u00e4mlich auf seine H\u00f6henlage. Wir m\u00fcssen gem\u00e4fs dem Prinzip der Erhaltung der Zwischent\u00f6ne im Zusammenklang annehmen, dafs auch in diesem Fall die einzelnen Zwischent\u00f6ne irgendwie im ganzen eingeschlossen sind ; und zwar scheinen wenigstens alle die, welche durch je zwei benachbarte Prim\u00e4rt\u00f6ne gebildet sind, gleiches Recht auf das Geh\u00f6rtwerden erheben zu k\u00f6nnen, da sie gleichzeitig gebildet werden und ihre Maxima und Minima zusammenfallen. Dennoch werden sie nicht alle gleichzeitig geh\u00f6rt. Es bekommen n\u00e4mlich die mittleren T\u00f6ne den \u00e4ufseren gegen\u00fcber den Vorzug, auf Grund dessen sie in diesem Kampfe ums Dasein den Sieg davon tragen. Wenn man sich (bei sechs bis zehn gleichzeitig erklingenden Prim\u00e4rt\u00f6nen) so aufstellt, um alle die Prim\u00e4rt\u00f6ne m\u00f6glichst gleich auf das Ohr wirken zu lassen, so h\u00f6rt man selbst der fr\u00fcher erw\u00e4hnten ger\u00e4uschartigen Masse von unbestimmten Charakter nur einen Ton, der in bezug auf die Prim\u00e4rt\u00f6ne die mittlere Tonh\u00f6he besitzt. H\u00f6rt man ihm aus verschiedenen Entfernungen l\u00e4ngere Zeit zu, so bemerkt man zwar Schwankungen der H\u00f6he dieses Tones, was wohl damit zusammenh\u00e4ngt, dals die Stimmung keine absolute genaue ist und dafs deshalb w\u00e4hrend einer Periode die Zeitpunkte der Maxima einzelner Zwischent\u00f6ne sich etwas gegeneinander verschieben. Dieser Umstand macht die genaue Bestimmung der H\u00f6he des resultierenden Tones schwer. Die \u00fcberwiegende Anzahl der von mir daraufhin gemachten Sch\u00e4tzungen f\u00fchrt mich aber zur \u00dcberzeugung, dafs er der Mitte der Prim\u00e4rt\u00f6ne sehr nahe kommt. Bei gerader Anzahl von Prim\u00e4rt\u00f6nen scheint er meistens mit dem durch die beiden mittleren Prim\u00e4rt\u00f6ne erzeugten Zwischentone zusammenzufallen. Bei der ungeraden, wobei die Sch\u00e4tzung mir schwerer vorkam, scheint er dem in der Mitte stehenden Prim\u00e4rtone nahe zu liegen ev. mit ihm zusammenzufallen.\nWenn man sich von der G\u00fcltigkeit der hier ausgesprochenen Behauptung \u00fcberzeugen will, so ist es gut, dabei in einer bestimmten Weise vorzugehen. Nachdem man eine Anzahl (sechs","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nStefan Baley.\n[LXVII. 268]\nbis zehn) aufeinanderfolgender Zungen des Zungenapparates der Reihe nach um gleiche Differenz (ungef\u00e4hr 4 Schwingungen in der Sekunde) abgestimmt hat, lasse man zuerst die zwei mittleren gleichzeitig erklingen und achte genau auf den dadurch erzeugten Zwischenton. Dann lasse man, indem diese zwei Zungen weiter klingen, die zwei n\u00e4chsten (eine rechts und eine links) gleichzeitig ert\u00f6nen und h\u00f6re weiter zu; dabei ist es gut, die fr\u00fchere Stellung des Kopfes nicht zu \u00e4ndern. Man bemerkt nun im Momente, wo die zwei neuen Zungen in Wirkung zu treten beginnen, einen gewissen Choc, es gl\u00e4ttet sich aber der Eindruck bald aus, und man bemerkt, dafs die Tonh\u00f6he des Zusammenklanges der fr\u00fcheren gleich geblieben ist. Nun ziehe man, indem diese vier Zungen ert\u00f6nen, noch die zwei weiteren hinzu: es wiederholt sich jetzt dasselbe, nur dafs der \u201eChoc\u201c jetzt auffallender wird und l\u00e4nger dauert. Man hat zuerst einen Augenblick den Eindruck, als ob die zwei neuen T\u00f6ne sich nicht in das Ganze hineinf\u00fcgen wollten und mit ihm dissonierten. Bald aber treten sie zur\u00fcck in die den Ton begleitende \u201eMasse\u201c und wieder konstatiert man das Gleichbleiben seiner H\u00f6he. Dasselbe kommt auch wieder beim Hinzutreten des vierten und des f\u00fcnften Paares der Prim\u00e4rt\u00f6ne. Dann kehre man den Versuch um, indem man von den sechs bis zehn zusammenklingenden Prim\u00e4rt\u00f6nen ausgeht und der Reihe nach immer je zwTei \u00e4ulserste zugleich zum Verstummen bringt. Man gewahrt auch in diesem Fall das Erhaltenbleiben der Tonh\u00f6he. Die Einheitlichkeit des resultierenden Tones und die ihm zukommende Tonh\u00f6he wird im allgemeinen auch dann aufrecht erhalten, wenn man beim Zuh\u00f6ren seinen Standpunkt der Tonquelle gegen\u00fcber \u00e4ndert, dabei aber darauf acht gibt, alle T\u00f6ne m\u00f6glichst gleich m\u00e4fsig auf das Ohr wirken zu lassen.\nEs mufs aber dabei folgendes hinzugef\u00fcgt werden : Nehmen wir an, man befinde sich in einer etwas gr\u00f6lseren Entfernung (einige Meter) von dem Tonmesser und h\u00f6re beim Ert\u00f6nen des achtfachen Zusammenklanges einen einheitlichen Ton, der sich deutlich von der \u201eMasse\u201c abhebt. Tritt man nun einige Schritte weiter vor oder wendet pl\u00f6tzlich den Kopf, dann nimmt man den fr\u00fcher erw\u00e4hnten Choc wahr und die H\u00f6he des Ganzen scheint sich zu ver\u00e4ndern ; wenn man aber auf der","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"[LXVIL 269] Zusammenklang einer gr\u00f6\u00dferen Zahl wenig verschied. T\u00f6ne. 9\nneuen Stelle den Zusammenhang einige Zeit ruhig auf sich wirken l\u00e4fst, dann gl\u00e4ttet sich der Eindruck bald aus, indem sich wiederum die Trennung vollzieht in die der H\u00f6he nach unbestimmte ger\u00e4uschartige Masse und einen im bestimmten Tempo schlagenden Ton, dessen H\u00f6he der fr\u00fcher angenommenen gleich sich zeigt. Obwohl ich hier den einheitlichen Charakter eines solchen Zusamenklanges konstatiere, so mufs ich zugeben, dals man beim systematischen Beobachten an verschiedenen Stellen um den Tonmesser herum auch Standpunkte findet, wo die beschriebene Einheitlichkeit nicht so deutlich zutage tritt; so scheint sich an einzelnen Stellen das Ganze in zwei T\u00f6ne zu zerlegen oder die H\u00f6he des Zusammenklanges bleibt nicht seiner Mitte gleich, sondern sie wird h\u00f6her gesch\u00e4tzt. Was den letzten Punkt anbetrifft, so kann die ungleiche St\u00e4rke der einzelnen Prim\u00e4rt\u00f6ne und k\u00f6nnen vielleicht auch die reichen Obert\u00f6ne der Zungen die Erscheinung bedingen. Da, wie wir es schon fr\u00fcher angenommen haben, der bei solchem Zusammenklange entstehende Eindruck, wenn er auch einheitlich erscheint, doch in der Wirklichkeit aus mehreren Zwischent\u00f6nen besteht, so ist es nat\u00fcrlich, dafs sich auch spezielle Bedingungen bilden k\u00f6nnen, die einzelnen von ihnen in diesem Kampfe ums Dasein zum Siege verhelfen. Es scheint mir aber eine unbestreitbare Tatsache zu sein, dafs im allgemeinen die mittlere Partie der den Zusammenklang konstituierender T\u00f6ne einen Vorrang hat, der ihr ceteris paribus leichter macht im Gesamteindruck sich geltend zu machen, ihn zu vereinheitlichen und ihm ihr Gepr\u00e4ge aufzudr\u00fccken.\nAls Beispiel entnehme ich den Protokollen folgende vier Tabellen; jede von ihnen gibt die H\u00f6he der Prim\u00e4rt\u00f6ne an, die einer Reihe von Sch\u00e4tzungen zugrunde liegen und die angen\u00e4herte H\u00f6henlage des resultierenden Tones. Diese wurde \u00f6fters so bestimmt, dafs eine mit Laufgewichten versehene Stimmgabel auf den geh\u00f6rten Ton abgestimmt wurde.\nTabelle I. (6 T\u00f6ne).\na = 610 b = 613,06 c == 616,06 d = 619,19 e = 622,11 / = 625,21\nDiff. ab \u2014 3,06 \u201e bc = 3,00 \u201e cd \u2014 3,13 \u201e de = 2,92 \u201e cf = 3,10","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nStefan Baley.\n[LXVII. 270]\nDie H\u00f6he des resultierenden Tones lag zwischen 616 und 619 Schw., d. h. innerhalb dieser Grenzen fielen die einzelnen an verschiedenen Stellen wiederholten Sch\u00e4tzungen der Tonh\u00f6he.\nAn einzelnen Stellen (2\u20143 Meter vom Apparat) wurde der resultierende Ton auch h\u00f6her als 619 gesch\u00e4tzt, aber tiefer als 622.\nTabelle II (6 T\u00f6ne).\na \u2014 600 b = 604,13 c = 608,23 d = 612,23 e = 616,29 f = 620,45\nDiff. ab \u2014 4,13 \u201e bc = 4,10 \u201e cd \u2014 4,00 \u201e de \u2014 4,06 \u201e ef\u2014 4,16\nDer resultierende Ton : 608 bis 612.\nEs kamen auch \u00fcber 612 belaufende Sch\u00e4tzungen vor. An manchen Stellen schienen zwei T\u00f6ne auseinandergehalten werden zu k\u00f6nnen; der h\u00f6here etwa 620, der tiefere wurde nicht genauer bestimmt.\nTabelle III (8 T\u00f6ne).\na \u2014 600 b = 604,13 c = 608,23 d = 612,23 e = 616,29 f = 620,39 g \u2014 624,35 h = 628,51\nDiff. ab = 4,13 \u201e bc = 4,10 \u201e cd = 4,00 \u201e de = 4,06 \u201e ef = 4,10 \u201e fg = 3,96 \u00bb 9h = 4d6\nDer resultierende Ton: 612 bis 618.\nDie Einheitlichkeit war am deutlichsten an den vom Apparat weiter entfernten Stellen (8\u201410 Meter). An ung\u00fcnstigen Stellen zwei Tonh\u00f6hen bemerkbar.\nTabelle IV (10 T\u00f6ne).\nT\u00f6ne \u00f6f, 6, c, d, e, f, g, h, dieselben wie in Tabelle III ; dazu\ni = 632,54 k = 636,64\nDiff. hi = 4,03 \u201e ik = 4,00\nDer resultierende Ton: 616 bis 620.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"[LXVIL 271] Zusammenklang einer gr\u00f6\u00dferen Zahl wenig verschied. T\u00f6ne. H\nAuch hier die Einheitlichkeit bei gr\u00f6fserer Entfernung deutlicher auf tretend. An ung\u00fcnstigen Stellen zwei oder drei Tonh\u00f6hen im Zusammenklange bemerkbar; davon die eine, und zwar die h\u00f6here, vorherrschend.\nDafs sich hier eine starke Tendenz zur Vereinheitlichung entwickelt, das ist eine Tatsache f\u00fcr sich, die auch dann bemerkenswert bliebe, wenn als Produkt ihrer Wirkung nicht immer dieselbe, das Ganze beherrschende Tonlage, sondern nach den Umst\u00e4nden einmal diese und ein andermal wiederum eine andere hervortr\u00e4te. Denn 6\u201410 um je 4 Schwingungen differierende T\u00f6ne der mittleren Region decken zusammen ein Intervall, das die Unterschiedsschwelle f\u00fcr gleichzeitige T\u00f6ne weit \u00fcberholt und bis zum Umfang eines Halbtones reicht. Die T\u00f6ne 600 und 620 Schwingungen pro Sekunde ergeben beim Zusammenklingen eine Dissonanz, in der beide Prim\u00e4rt\u00f6ne deutlich auseinander gehalten werden k\u00f6nnen. F\u00fcgt man aber zu diesen T\u00f6nen noch die dazwischenliegenden 604, 608, 612, 616 hinzu, so schwindet die Zweiheit, um einer Einheit Platz zu machen. Es schwindet dabei auch die Dissonanz und an ihre Stelle tritt die Ger\u00e4uschmasse. Es ist so, als ob durch die dazwischentretenden T\u00f6ne eine Br\u00fccke zwischen den beiden \u00e4ufseren T\u00f6nen geschlagen w\u00fcrde, die sie zu einer Einheit verbindet. Wie wir sehen, kann solche Br\u00fccke auch zwischen zwei um einen Halbton differierenden T\u00f6nen mit Erfolg geschlagen werden.\nEtwas paradox klingt das Ergebnis, dafs die Dissonanz bzw. Unreinheit des aus zwei T\u00f6nen bestehenden Klanges durch die eingef\u00fcgten weiteren T\u00f6ne nicht vergr\u00f6fsert, sondern im Gegenteil verringert oder aufgehoben wird. Es ist dem aber wirklich so, auch dann, wenn die neuen T\u00f6ne das fr\u00fchere Intervall nicht in gleiche, sondern in beliebige Abst\u00e4nde teilen. Ich will dabei nicht behaupten, dafs der Eindruck dadurch in jedem Fall angenehmer gemacht wird. Je mehr T\u00f6ne hinzukommen, desto wirrer und ger\u00e4uschartiger und insofern auch unangenehmer wird der Eindruck, die eigentliche Dissonanz ev. Unreinheit tritt aber dabei zur\u00fcck.\nWas zun\u00e4chst die Dissonanz betrifft, so begreift sich dies aus dem Umstand, dafs zur Wahrnehmung einer Dissonanz","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nStefan Baley.\n[LXVII. 272]\nebenso wie einer Konsonanz die Unterscheidung der beiden T\u00f6ne geh\u00f6rt (Stumpf, Kons. u. Diss., Beitr\u00e4ge I, 93, Kons. u. Konkordanz daselbst VI, 125). Schalte ich aber zwischen c und des eine Anzahl von T\u00f6nen ein, so werden c und des selbst nicht mehr deutlich auseinandergehalten. Aber auch der blofse Eindruck der Unreinheit wird verringert oder (bei kleinerem Abstand der \u00e4ufseren T\u00f6ne) aufgehoben, weil man auch die blofse Unreinheit aus Erfahrungsmotiven als gest\u00f6rte Einheit oder beginnende Einheit aufzufassen geneigt ist, durch den \u00fcberaus kr\u00e4ftigen Zwischenton aber (bei konstanten Differenzen) ein einheitlicher Charakter hineinkommt, oder (bei ungleichen Differenzen) die Mannigfaltigkeit der ausstehenden Schwebungsrhythmen und wechselnden Zwischent\u00f6ne die Aufmerksamkeit von der Erfassung der Tonh\u00f6he \u00fcberhaupt abzieht.\nDie Frage der Unreinheit ist der Punkt, wo unser Problem auch mit der musikalischen Praxis eine F\u00fchlung bekommt. Wenn mehrere Instrumente \u201eunisono\u201c spielen sollen, so l\u00e4fst sich dies nat\u00fcrlich nur mit einer gewissen Ann\u00e4herung durchf\u00fchren. (Im Orchester, wo z. B. mehrere Violinen \u201edenselben\u201c Ton nehmen, ist das Unsiono physikalisch sicherlich oft ziemlich weit von der Exaktheit.) Je mehr Instrumente dabei beteiligt sind, desto weiter werden dann die Grenzen sein, innerhalb welcher alle die T\u00f6ne ihrer H\u00f6he nach zu liegen kommen. Es werden also auch die Chancen der Unreinheit dadurch scheinbar gr\u00f6fser. Da aber das dissonierende Intervall geteilt ist, so entsteht dadurch ein Moment, welches nach dem Vorhergesagten im entgegengesetzten Sinne wirkt. Dauert aufser-dem der Zusammenklang nur eine kurze Zeit, und befindet sich der Zuh\u00f6rer in einer ruhigen Lage, so sind auch Chancen vorhanden, dafs die eventuellen Fluktuationen, denen der Zusammenklang periodisch unterliegt, dem Ohre vorenthalten bleiben. Auf diese Weise kann die theoretisch im \u201eUnisono-Klange\u201c bestehende Unreinheit dem Zuh\u00f6rer verdeckt sein.\nEs fragt sich nun, wie das hier besprochene Ph\u00e4nomen der Vereinheitlichung, welcher der mehrfache Zusammenklang beim geringen H\u00f6henunterschiede der Prim\u00e4rt\u00f6ne unterliegt, erkl\u00e4rt werden kann.\nWas zun\u00e4chst die physikalischen Verh\u00e4ltnisse betrifft, so","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"[LXVIL 273] Zusammenklang einer gr\u00f6\u00dferen Zahl wenig verschied. T\u00f6ne. 13\nhatte Herr Geheimrat Dr. M. Planck die G\u00fcte, mir folgende Berechnung zur Verf\u00fcgung zu stellen:\n\u201eWenn eine beliebige Anzahl z von gleichstarken T\u00f6nen, deren Schwingungszahlen eine konstante Differenz auf weisen, mit gleicher Phase zusammenklingen, so wird die resultierende Schwingung durch folgenden Ausdruck dargestellt:\na sin 2 7t n t \u2014[\u2014 a sin 2 n (n \u2014f- d) t + \u00ab sin 2 7t (n + 2 d) t + . . . 1 \u2014\tg\u201c\"\t~\t3\n-f- \u00ab sin 2 7t (n -f- (z \u2014 T)d)t\nHier bedeutet t die Zeit, a die Amplitude, n die Schwingungszahl des tiefsten Tones, d die Differenz der Schwingungszahlen zweier benachbarter T\u00f6ne.\nDieser Ausdruck ist mathematisch gleich dem folgenden:\nsin z 7t d t sin 7tdt\n\u2022 sin 2 7t\nn + Z-~^d)t\nIst nun d klein gegen n, so stellt dieser Ausdruck einen ein-\n^ 2\nzigen Ton dar mit der Schwingungszahl n -j- \u2014-\u2014 e?, d. h. dem\narithmetischen Mittel aller z Schwingungszahlen. Die St\u00e4rke dieses resultierenden Tones, dessen Amplitude durch den eingeklammerten Ausdruck gegeben wird, variiert periodisch, und zwar gibt es in der Zeiteinheit d Maxima der St\u00e4rke (Schwebungsst\u00f6fse), deren Intensit\u00e4t proportional dem Quadrat von z ist, also mit wachsendem z stark zunimmt.\u201c\nDieses physikalische Verhalten stimmt, wie man sieht, mit der Beobachtung, oder die Beobachtung mit jener ziemlich gut \u00fcberein. Aber man w\u00fcrde doch nicht ohne weiteres aus dem einen auf das andere schliefsen d\u00fcrfen. Denn dazwischen liegen die Vorg\u00e4nge in der Schnecke und im Nervensystem. Dafs \u00fcberhaupt Schwebungen geh\u00f6rt werden, mufs, da im allgemeinen Analyse in Sinusschwingungen durch das Ohr stattfindet, schon auf besonderen physiologischen Gr\u00fcnden beruhen. Helmholtz hat es aus dem gemeinschaftlichen Mitschwingen der durch beide T\u00f6ne miterregten Fasern erkl\u00e4rt. Durch weiteres Verfolgen des Prinzips hat Stumpe auch den","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nStefan Baley.\n[LXVII. 274]\nZwischenton verst\u00e4ndlich gemacht. Ist nun hiernach der Vorgang unter den benachbarten Schneckenfasern dem physikalischen bei der Kombination der Luftschwingungen analog, so findet auch die PLANCKsche Ableitung hier Anwendung. Insofern k\u00f6nnen meine Beobachtungen als eine weitere Best\u00e4tigung der Resonanzhypothese angesehen werden; ja man k\u00f6nnte versuchen, daraus Schl\u00fcsse \u00fcber den Umfang des Mitschwingens bei den Schneckenteilchen zu ziehen.\nAuch direkt l\u00e4fst sich in folgender Weise durch Fortsetzung der STUMPFschen \u00dcberlegungen aus dem Mitschwingen entfernterer Teilchen die Entstehung des gemeinschaftlichen Mitteltones begreifen :\nWenn jeder dieser sich schneidenden Kreise die Breite des Mitschwingens der Schneckenteilchen f\u00fcr einen der benachbarten T\u00f6ne bedeutet, so sieht man, dafs die mittleren Fasern der ganzen erregten Region, die dem schraffierten Teil entsprechen, von s\u00e4mtlichen T\u00f6nen, also am st\u00e4rksten erregt werden, dafs also ihr Ton pr\u00e4valieren mufs. Vorausgesetzt ist nur eben, dafs der Erregungsprozefs \u00fcberhaupt in einem Mitschwingen besteht und dafs eine nicht unerhebliche Breite des Mitschwingens der Resonatoren stattfindet.\nEs ist einleuchtend, dafs die Ursachen, welche die Pr\u00e4valenz der mittleren Fasernregion bei gleichen Abst\u00e4nden der Prim\u00e4rt\u00f6ne bewirken, zum Teil auch dann t\u00e4tig sein m\u00fcssen, wenn die Abst\u00e4nde zwar nicht ganz gleich sind, aber auch nicht so verschieden, dafs eine gleichm\u00e4fsige Zusammenwirkung der Prim\u00e4rt\u00f6ne ganz unm\u00f6glich gemacht wTird. Es wird auch in diesem Fall die mittlere Region der \u00e4ufseren gegen\u00fcber einen Vorzug aufweisen. Auf diesem Grunde scheint es zu beruhen, dafs, wenn man an einem nicht speziell zum Versuchszwecke","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"[LXVIL 275] Zusammenklang einer gr\u00f6\u00dferen Zahl wenig verschied. T\u00f6ne. 15\ngenauer abgestimmten Tonmesser (also bei ziemlich grober Ann\u00e4herung der Tonh\u00f6hedifferenzen an die Gleichheit) 10\u201420 Zungen zusammen erklingen l\u00e4fst, sich trotz der Schwankung eine \u00fcberwiegende H\u00f6henlage des Zusammenklanges bemerkbar macht, welche den mittleren Prim\u00e4rt\u00f6nen nahe liegt. Es l\u00e4fst sich dies auch wohl aus dem Grunde erwarten, dais auch eine genauere Abstimmung schliefslich nur eine angen\u00e4herte sein wird. Was also bei genauerer Stimmung deutlicher auf-tritt, wird wahrscheinlich auch bei einer weniger genauen versp\u00fcrbar sein.\nFassen wir jetzt das Ergebnis der Untersuchung kurz zusammen, so w\u00fcrde es, abgesehen von den die Schwebungen betreffenden Bemerkungen, folgendermafsen lauten:\nMehrere, um kleine, gleiche Schwingungsanzahlen voneinander differierende T\u00f6ne haben beim Zusammenklingen die Tendenz, im subjektiven Eindruck zu einem einzigen Tone zusammenzu-fliefsen. So k\u00f6nnen acht bis zehn T\u00f6ne, die sich \u00fcber das Intervall eines Halbtones erstrecken, einen einzigen resultierenden Ton ergeben.\nDie H\u00f6he des resultierenden Tones entspricht beim gleichm\u00e4fsigen Af f iziertsein der Ohren durch alle Prim\u00e4rt\u00f6ne dem arithmetischen Mittel ihrer Schwingungszahlen oder liegt diesem nahe.\nDas Ph\u00e4nomen des Zusammenfliefsens stellt sich im Fall einer gr\u00f6fseren Anzahl von Prim\u00e4rt\u00f6nen erst nach einem Momente ruhigen Zuh\u00f6rens deutlich ein. Es ist auch an die Stellung des Zuh\u00f6rers der Tonquelle gegen\u00fcber in dem Mafse gebunden, als es auch Stellungen gibt, wo dieses Zusammen-fliefsen nicht vollkommen zustande kommt. Aber auch dann wird im Eindruck eine geringere Anzahl von Tonh\u00f6hen auseinander gehalten werden k\u00f6nnen, als sie objektiv vorhanden sind.\nBei kleinen Intervallen wird durch das Hinzutreten neuer, innerhalb seiner Grenzen gelegenen T\u00f6ne der Eindruck der Unreinheit nicht vergr\u00f6fsert, sondern vermindert oder aufgehoben; das Unangenehme des Eindrucks liegt dabei mehr an der Wirrheit und Ger\u00e4uschartigkeit des Zusammenklanges als an der Dissonanz.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nStefan Baley.\n[LXVII. 276]\nDas hier angegebene Resultat gilt vorl\u00e4ufig nur f\u00fcr die T\u00f6ne der Zungeninstrumente von ca. 600 Schwingungen pro Sekunde und f\u00fcr H\u00f6henunterschiede von 3\u20144 Schwingungen. Die Gestaltung des Ph\u00e4nomens f\u00fcr andere Tonh\u00f6hen und andere Arten von T\u00f6nen w\u00e4re noch zu erforschen.\nMan k\u00f6nnte eine Einschr\u00e4nkung der Ergebnisse auch daraus herleiten wollen, dafs die Zungen des Tonmessers alle auf einem gemeinsamen Windkasten sitzen. Dadurch ist die M\u00f6glichkeit gegeben, dafs sie beim Zusammenklingen einander beeinflussen, indem sie ihre Schwingungsphasen gegenseitig regulieren und angleichen. Die Folge davon w\u00e4re, dafs die nebeneinander bestehenden Schwebungsrhythmen gleichzeitig einsetzten und die gleich raschen auch v\u00f6llig zusammenfielen. Die Herausbildung eines gemeinsamen Grundrhythmus bei gleichen Differenzen der Prim\u00e4rt\u00f6ne, womit die Entstehung des Mitteltons zusammenzuh\u00e4ngen scheint, k\u00f6nnte auf diese Weise zustande kommen. Es w\u00e4re also die Frage, ob sieh die Erscheinung auch bei getrennter Erregung der Klangquellen einstellt. Tats\u00e4chlich ist dies nach meinen Versuchen an Flaschen und Stimmgabeln der Fall. Insbesondere ergaben 5 Stimmgabeln auf Resonanzk\u00e4sten, die alle beil\u00e4ufig c2 an-gaben, aber um je 4 Schwingungen voneinander differierten, einen pr\u00e4valierenden Rhythmus von 4 Maximis per Sekunde und einen deutlichen Mittelton. Es ist also der gemeinsame Windkasten keine wesentliche Bedingung der Erscheinung.","page":16}],"identifier":"lit38519","issued":"1915","language":"de","pages":"1-16","startpages":"1","title":"\u00dcber den Zusammenklang einer gr\u00f6\u00dferen Zahl wenig verschiedener T\u00f6ne","type":"Journal Article","volume":"8"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:36:24.331161+00:00"}