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Über die subjektiven Anschauungsbilder (mit Vorführung von Versuchen)

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{"created":"2022-01-31T12:36:08.371262+00:00","id":"lit39457","links":{},"metadata":{"alternative":"Bericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie","contributors":[{"name":"Jaensch, E. R.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Bericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie, edited by Karl B\u00fchler, 3-49. Jena: Verlag von Gustav Fischer","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"A. Sammelreferate.\nBericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df.\n1","page":1},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder (mit Vorf\u00fchrung von Versuchen).1)\nVon\nE. R. Jaensch.\nMit 7 Abbildungen im Text.\nFranz Baco stellte in seiner Einteilung der Wissenschaften neben die \u201eHistoria generationum\u201c eine besondere \u201eHistoria praeter-generationum\u201c, neben die Geschichte der normalen Bildungen eine solche der abnormen. In dieser Hervorhebung der \u201epraetergenerationes\u201c zeigt sich die allgemeine Tendenz des menschlichen Geistes, sich bei der Erforschung jedes neuen Gebietes zun\u00e4chst von dem Rarit\u00e4tenoder Kuriosit\u00e4teninteresse leiten zu lassen. So er\u00f6ffnete z. B. die Lehre von den Sinnest\u00e4uschungen die normale Wahrnehmungspsychologie. Die weitere Forschung ergibt dann gew\u00f6hnlich, da\u00df die vermeintliche \u201epraetergeneratio\u201c oder Mi\u00dfbildung nur Sonderfall einer normalen Bildung ist. Auch die Lehre von den subjektiven Anschau-ungsbildern nahm diesen Entwicklungsgang.\nIndividuen, die die F\u00e4higkeit zu optischen Anschauungsbildern besitzen, wTollen wir hier kurz \u201eEidetiker\u201c nennen. Der Eidetiker kann ein Bild oder ein anderes anschauliches Objekt nicht nur als Vorstellung, sondern anschaulich mit dem Charakter der Empfindung reproduzieren, also z. B. ein fr\u00fcher dargebotenes Bild sp\u00e4ter nach der Wegnahme des Bildes nicht nur vorstellen, sondern im buchst\u00e4blichen Sinne Wiedersehen. Au\u00dfer diesen Anschau- i ungsbildern des Gesichtssinnes gibt es auch solche im Bereiche des Geh\u00f6rssinnes und der Hautempfindungen. Letztere sind etwa ebenso\n*) Wegen der K\u00fcrze der Zeit und im Interesse der Vorf\u00fchrungen mu\u00dften beim m\u00fcndlichen Vortrag einige Ausf\u00fchrungen wegbleiben, die doch im Zusammenhang des Ganzen nicht unwesentlich sind. Auf mehrfach ge\u00e4u\u00dferten Wunsch wird hier der urspr\u00fcngliche Entwurf wiedergegeben ; einige erl\u00e4uternde und erweiternde Anmerkungen sind hinzugef\u00fcgt.\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nE. R. Jaensch.\nh\u00e4ufig wie die optischen, die Anschauungsbilder des Geh\u00f6rs sind ungef\u00e4hr lOmal seltener. Aus \u00e4lterer Zeit liegen schon verschiedene Selbstschilderungen von Eidetikern vor, so von Goethe, dem Physiologen JohannesM\u00fcller, dem Sprachforscher Lazarus und vielen anderen. Lange erschienen die Anschauungsbilder als eine individuelle Eigent\u00fcmlichkeit einzelner Pers\u00f6nlichkeiten. Sie wurden als Kuriosa beschrieben, aber man wandte sich ihnen nicht in systematischer Forschung zu, und man erwartete von ihnen, mit Ausnahme vielleicht von Lazarus und Urbantschitsch, kaum je Aufkl\u00e4rung f\u00fcr die Fragen der allgemeinen Psychologie. Von eben dieser Erwartung geleitet, habe ich selbst seit Beginn meiner Lehrt\u00e4tigkeit unter den Studierenden nach Eidetikern Ausschau gehalten. Jene Erwartung best\u00e4tigte sich, als sich mit einem Male ein ungeahnt gro\u00dfes Beobachtungsmaterial erschlo\u00df durch die Entdeckung meines Mitarbeiters und Freundes K r o h, wonach sich die Eigent\u00fcmlichkeit auf einer gewissen jugendlichen Entwicklungsstufe bei etwa 40 \u00b0/0 aller Individuen findet. Diese Zahl gilt f\u00fcr hiesige Verh\u00e4ltnisse; denn die \u00f6rtliche Verschiedenheit in den Prozentzahlen der st\u00e4rker ausgepr\u00e4gten F\u00e4lle ist gro\u00df, wie Mitglieder unseres Instituts durch Untersuchung an verschiedenen Orten und in verschiedenen Landesteilen feststellten. Hier sind die Bedingungen f\u00fcr derartige Untersuchungen g\u00fcnstig zu nennen, aber an einer ganzen Reihe von Orten, an denen bisher untersucht wurde, sind die ausgepr\u00e4gten F\u00e4lle ebenso h\u00e4ufig wie hier, an einzelnen Orten sind sie h\u00e4ufiger, an anderen dagegen seltener. Diese \u00f6rtliche Verschiedenheit mag erstaunlich erscheinen, konnte aber durch die psychophysischen Konstitutionsuntersuchungen von Walther Jaensch teilweise auf gehellt werden. Seit den Steinach sehen Mitteilungen ist ja genugsam \u2014 eher schon zu viel \u2014 die Bede davon, da\u00df die Ent-wicklungs-, Beifungs- und B\u00fcckbildungsvorg\u00e4nge zu innersekretorischen Vorg\u00e4ngen in allerengster Beziehung stehen 1). Unbeeinflu\u00dft durch die Steinach sehen Befunde und schon vor ihrem Bekanntwerden hatte W. Jaensch festgestellt, da\u00df auch die eidetische Jugendanlage zu den sog. innersekretorischen Vorg\u00e4ngen in Beziehung steht2). Nun\n0 Eine Bearbeitung auf exakter Grundlage, wobei sich Wahrheit und Irrtum scheiden, erfuhren die gleichen Probleme seit langer Zeit \u2014 und zwar schon vor Steinach \u2014 im hiesigen Zoologischen Institut durch Herrn Kollegen W. Harms.\n2) Erwiesen ist nur das tats\u00e4chliche Bestehen einer Korrelation zwischen der eidetischen Jugendanlage und denjenigen Funktionskomplexen, die heute unter dem Namen \u201einnersekretorische Vorg\u00e4nge\u201c zusammengefa\u00dft werden, aber auch ihrerseits durchaus noch weiterer Kl\u00e4rung bed\u00fcrfen. Allein auch die Frage, wie jene Beziehung zu deuten ist, mu\u00df zun\u00e4chst offen bleiben. Die Anschauungsbilder","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\n5\nist aber der Medizin l\u00e4ngst bekannt, da\u00df in dem Zusammenspiel der \u201einneren Dr\u00fcsen\u201c weitgebende \u00f6rtliche Verschiedenheiten Vorkommen; konnte doch H. Eppinger daran denken, f\u00fcr die H\u00e4ufigkeit und Verteilung eigentlicher St\u00f6rungen der \u201einneren Sekretion\u201c geradezu Landkarten zu entwerfen. Ich m\u00f6chte die Eigent\u00fcmlichkeit zun\u00e4chst an einem gut mittelstark ausgepr\u00e4gten Fall vorf\u00fchren. Wir bieten diesem jugendlichen Beobachter zur aufmerksamen Betrachtung ein Bild dar, welches er noch nie gesehen hat. Damit wir dessen ganz sicher sind, hat Herr Dr. Ko Hath die Freundlichkeit gehabt, uns eigens f\u00fcr diese Vorf\u00fchrung eine Zeichnung zu entwerfen. Wir nehmen dann nach einiger Zeit die Vorlage weg; der Beobachter erblickt nun das Bild auf dem homogenen dunkelgrauen Schirm, den wir vor ihm aufstellen, und zwar in der urspr\u00fcnglichen F\u00e4rbung. Ausdr\u00fccklich sei betont, das das Bild nicht nur vor gestellt, sondern in buchst\u00e4blichem Sinne gesehen wird. In den ausgepr\u00e4gtesten F\u00e4llen ist der Deutlichkeitsgrad des Bildes so hoch, da\u00df auch sehr eindringliche Objekte davon verdeckt werden, wenn wir sie an den Ort des Bildes bringen. Ich kann z. B. als Projektionsfl\u00e4che diesen gewi\u00df sehr eindringlichen Hintergrund ben\u00fctzen. Er besteht, wie Sie sehen, aus breiten schwarzen und wei\u00dfen Streifen, \u00e4hnlich wie die Wandverkleidung eines Schilderhauses. In unseren ausgepr\u00e4gtesten F\u00e4llen wird dieser Hintergrund an der Stelle, wo sich das Bild befindet, verdeckt und unsichtbar. In solchen stark ausgepr\u00e4gten F\u00e4llen gen\u00fcgt auch eine fast momentane Betrachtung zur Erzeugung des Bildes. Bei diesem jungen Eidetiker hier wird eine etwas l\u00e4ngere Betrachtung erforderlich sein, da er durchaus nicht zu den ausgepr\u00e4gtesten F\u00e4llen geh\u00f6rt. Ich w\u00e4hlte ihn, weil er das Gesehene gut schildert. Damit Sie seine Schilderung kontrollieren k\u00f6nnen, projizieren wir die Vorlage hinter seinem R\u00fccken und hinter dem Schirm, vor dem er sitzt, an die Wand. (Auf mehrfach ge\u00e4u\u00dferten Wunsch ist in Beilage I eine im Stenogramm festgehaltene Bildschilderung wiedergegeben.)\nJe neuartiger das Gebiet ist, um so vorsichtiger mu\u00dfte zu Werke gegangen werden. Insbesondere mu\u00dfte durch objektive Kontrollen jeder Verdacht ausgeschlossen werden, da\u00df es sich hier nur um Vorstellungen handelt, jeder Verdacht auch der Irref\u00fchrung und Suggestion. Von den mannigfachen Kontrollen, die im Laufe unserer S1^ j\u00e4hrigen\nscheinen die Folge der hier in Betracht kommenden innersekretorischen Vorg\u00e4nge zu sein, aber ganz ebenso liegt es im Bereiche der M\u00f6glichkeit, da\u00df beide Korrelationsglieder \u2014 Anschauungsbilder und gewisse innersekretorische Vorg\u00e4nge \u2014 die Folge einer dritten unbekannten Ursache sind (W. Ja en sch).","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nE. R. Jaensch.\nUntersuchungen angewandt wurden, erw\u00e4hne ich hier nur eine. L\u00e4\u00dft man von einem farbigen Objekt ein Anschauungsbild erzeugen und dieses dann auf ein anderes farbiges Objekt projizieren, so kann sich bei Einhaltung gewisser Versuchsbedingungen die Farbe des Anschauungsbildes dem wirklichen Objekt zumischen. Wir erzeugen nun z. B. ein Anschauungsbild von einem blauen Quadrat und projizieren es auf ein wirkliches gelbes Quadrat. Fragt man nun die jugendlichen Versuchspersonen vor demVersuch, was ihrer Meinung nach entstehen m\u00fc\u00dfte, wenn man Gelb und Blau mischt, so antworten sie \u201eGr\u00fcn\u201c. Sie erwarten also auch bei dem anzustellenden Versuch als Ergebnis der Mischung \u201eGr\u00fcn\u201c, indem sie sich von ihren Tuschkastenerfahrungen leiten lassen; denn sie wissen, da\u00df Gr\u00fcn entsteht, wenn man gelbe und blaue Tuschfarbe mischt. Bekanntlich ergibt nun aber das Durcheinanderr\u00fchren gelber und blauer Tuschfarben gar keine Farbenmischung im eigentlichen Sinne. Eigentliche Farbenmischung von Gelb und Blau liefert gar nicht Gr\u00fcn, sondern Grau oder eine grau\u00e4hnliche Farbe. Das ist nun aber in der Tat das Mischungsresultat, wenn man das blaue Anschauungsbild auf das wirkliche gelbe Objekt projiziert. Es m\u00fcssen in vielen F\u00e4llen nur einige besondere Versuchsbedingungen erf\u00fcllt sein, wenn \u00fcberhaupt eine Vereinigung der beiden Farben stattfinden soll. Bei diesen Versuchen, \u00fcber die eine Arbeit von Herwig und Jaensch berichtet, trat die Vp., wie gesagt, mit einer ganz bestimmten vorgefa\u00dften Meinung an die Beobachtung heran. Das Beobachtungsergebnis ist aber dann ganz abweichend und f\u00fcr die Vp. \u00fcberraschend, kann also sicher nicht auf Suggestion beruht haben.\nWir haben uns im Beginn unserer Untersuchungen aus methodischen Gr\u00fcnden absichtlich auf den Standpunkt einer hartn\u00e4ckigen Skepsis gestellt, mu\u00dften uns aber der eindringlichen Stimme immer in gleicher Form wiederkehrender Tatsachen schlie\u00dflich f\u00fcgen. Ich kann auf andere Kontrollen hier nicht eingehen und brauche es wohl auch nicht, da der weitere Gang der Untersuchung durch den gesetzm\u00e4\u00dfigen und zusammenstimmenden Charakter der Erscheinungen eine fortgesetzte Kontrolle darstellte. Beispiele daf\u00fcr liefert der unten folgende Bericht \u00fcber das Ph\u00e4nomen der sog. Horopterabweichung im Anschauungsbilde und der Vortrag von Herrn Dr. Ko Hath \u00fcber das Pur kin j esche Ph\u00e4nomen im eidetischen Sehen. Das sind Ph\u00e4nomene, von denen die Vpn. schlechterdings nichts wissen konnten, deren Auftreten im Anschauungsbild darum von den Beobachtern mit Erstaunen vermerkt wird, und deren strenge Analogie zu bekannten","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\t7\nWahrnehmungsgesetzen f\u00fcr die Zuverl\u00e4ssigkeit der Beobachtungen b\u00fcrgt.\nF\u00fcr den Fall, da\u00df man an der ausgiebigen Verwendung jugendlicher Vpn. Ansto\u00df nehmen sollte, sei bemerkt, da\u00df so gut wie alle Ergebnisse an erwachsenen Eidetikem nachgepr\u00fcft wurden, die zwar in l\u00e4ngst nicht so gro\u00dfer, aber immerhin gen\u00fcgender Zahl zur Verf\u00fcgung stehen. Jugendliche sind \u00fcbrigens f\u00fcr derartige Untersuchungen im allgemeinen durchaus geeignet. Ausgepr\u00e4gtere junge Eidetiker befinden sich bei derartigen Beobachtungen ganz in ihrem Element; sie geben bestimmt und \u2014 wie sich in vielen F\u00e4llen kontrollieren l\u00e4\u00dft \u2014 genau Auskunft, nach dem allgemeinen Eindruck besser und genauer als Erwachsene zumeist bei Untersuchungen \u00fcber Vorstellungen. Wenn wir an jugendlichen Eidetikern Versuche mit Anschauungsbildern anstellen, so ist eben der jetzt vielfach betonten methodischen Forderung gen\u00fcgt, da\u00df psychologische Untersuchungen tunlichst der normalen Umwelt des untersuchten Individuums angepa\u00dft sein sollen. Denn die Anschauungsbilder geh\u00f6ren in mehr oder weniger ausgepr\u00e4gter Form zu der Welt der Jugendlichen. Da\u00df die eidetische Anlage eine Jugendeigent\u00fcmlichkeit ist, geht schon aus den H\u00e4ufigkeitszahlen hervor, die K r o h f\u00fcr die einzelnen Altersstufen erhielt. Da\u00df die Verbreitung der Erscheinung so lange verborgen bleiben konnte, hat verschiedene Gr\u00fcnde. Einer besteht darin, da\u00df selbst die ausgepr\u00e4gtesten F\u00e4lle nicht von dieser ihrer Eigent\u00fcmlichkeit zu sprechen pflegen, weil sie gew\u00f6hnlich annehmen, alle Menschen seien so veranlagt.\nStatistik \u00fcber die Oberrealschule und das Real gymnasium zu Marburg (Kroh).\nAlter\tAnzahl der Sch\u00fcler\tDavon haben \u00fcberhaupt Anschauungsbilder\tProzent\tDeutliche Bilder haben\tProzent\n19 Jahre\t3\t0\t0\t0\t0\n18 \u201e\t20\t7\t35\t1\t5\n17\t\u201e\t41\t21\t51\t7\t17\n16 \u201e\t57\t37\t65\t20\t35\n15\t\u201e\t43\t31\t72\t19\t44\n14\t\u201e\t44\t29\t66\t20\t45\n13\t\u201e\t49\t27\t55\t19\t40\n12 \u201e\t45\t31\t69\t20\t44\n11\tn\t57\t37\t65\t23\t40\n10 \u201e\t17\t10\t59\t8\t47\nSumme (bzw. Durch-\t376\t230\t61\t137\t36\nschnittswert)\t\t\t\t\t","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nB. R. Jaensch.\nDie vorgef\u00fchrten Zahlen nehmen nach den h\u00f6heren Altersstufen hin ab. W\u00e4hrend unserer mehrj\u00e4hrigen Untersuchungen konnten wir diese Abnahme der eidetischen Anlage auch unmittelbar beobachten. Manche, * die anfangs zu unseren besten Beobachtern geh\u00f6rt hatten, verloren die Eigent\u00fcmlichkeit um die Pubert\u00e4t herum ganz und wurden f\u00fcr die Versuche unbrauchbar. Dieser R\u00fcckgang der eidetischen Anlage mit dem Altersfortschritt zeigt sich auch im Charakter der Bilder. Es mu\u00df hier vorausgeschickt werden, da\u00df es au\u00dfer urbildm\u00e4\u00dfig gef\u00e4rbten, \u201epositiven\u201c Anschauungsbildern auch komplement\u00e4r gef\u00e4rbte, \u201enegative\u201c gibt, die aber von dem gew\u00f6hnlichen negativen Nachbildern durch besondere Methoden zu unterscheiden sind;1). Die positiven Bilder stellen nun sozusagen einen h\u00f6heren Grad dar als die negativen. Die Erzeugung positiver Bilder setzt eine st\u00e4rkere eidetische Anlage voraus als die Erzeugung negativer. Das geht unter anderem schon daraus hervor, da\u00df die negativen AB den gew\u00f6hnlichen negativen NB, wie wir sie alle erzeugen k\u00f6nnen, mehr oder weniger verwandt und durch gleitende \u00dcberg\u00e4nge mit ihnen verkn\u00fcpft sind. Es zeigt sich nun, da\u00df der h\u00f6here Grad, also das positive AB, auf den j\u00fcngeren Altersstufen \u00fcberwiegt, der niedere Grad \u2014 das negative AB \u2014 bei den \u00e4lteren Jahrg\u00e4ngen, und auch hierin verr\u00e4t sich der Altersr\u00fcckgang der eidetischen Anlage. In einer Untersuchung von Dr. Herwig wurde z. B. von dem bekannten Herin g sehen Earbenkreis, der in kreisf\u00f6rmiger Anordnung die Farbent\u00f6ne der Spektralfarben wiedergibt, ein Anschauungsbild erzeugt, und zwar von allen Versuchspersonen unter ganz gleichen Bedingungen. Einige erhielten ein positives, andere ein komplement\u00e4r gef\u00e4rbtes Anschauungsbild. In der Tabelle, die ich hier vorzeige, stehen links die Eidetiker, welche ein positives Bild erhielten, rechts die, welche es negativ sahen, und daneben die Altersangaben. Die erwachsenen Versuchspersonen sind weggelassen. Das Durchschnittsalter der jugendlichen Eidetiker mit positivem Bild ist niedriger als das der Eidetiker mit negativem Bild (13,4 gegen 15,2 Jahr), ein Ergebnis, das sich auch sp\u00e4ter bei den verschiedensten Untersuchungen immer wieder best\u00e4tigte. Auch hierin also verr\u00e4t sich das allm\u00e4hliche Zur\u00fccktreten der eidetischen Anlage, da das positive Bild einen h\u00f6heren Grad darstellt, seine Erzeugung eine st\u00e4rkere eidetische Anlage voraussetzt. Wo die An-\nx) Wir bezeichnen im folgenden die Anschauungsbilder ohne R\u00fccksicht darauf, ob sie urbildm\u00e4\u00dfig oder komplement\u00e4r gef\u00e4rbt sind, als \u201eAB\u201c, die physiologischen Nachbilder als \u201eNB\u201c, die Vorstellungsbilder als \u201eVB\u201c. Zusammenfassend bezeichnen wir alle drei Arten von Bildern als \u201eGed\u00e4chtnisbilder\u201c (\u201eGB\u201c).","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\n9\nschauungsbilder lebensl\u00e4nglich besteben bleiben, da handelt es sieb offenbar um die Persistenz eines Jugendtypus, wozu es auch somatische Parallelen gibt. Unsere erwachsenen Eidetiker haben \u00fcbrigens keinerlei Grund, in dieser Konstatierung eine Zur\u00fccksetzung zu erblicken.\nNachdem sieb gezeigt batte, da\u00df die eidetisebe Anlage im Jugendalter so sehr verbreitet ist, erhob sieb die weitere Frage, ob sie hier in rudiment\u00e4rer Form vielleicht durchweg nachweisbar sei, also eine regul\u00e4re Jugenderscheinung darstelle. Wir zeigten soeben, da\u00df die Bilder bei schwacher eidetischer Anlage komplement\u00e4r gef\u00e4rbt, also den gew\u00f6hnlichen negativen NB verwandt sindx). Eben diese Ver- 1 wandtschaft der schwach ausgepr\u00e4gten AB mit den gew\u00f6hnlichen NB gibt Methoden an die Hand, die Budiment\u00e4rf\u00e4lle unter den Eidetikern aufzudecken. Projiziert man ein gew\u00f6hnliches physiologisches NB auf einen Schirm und r\u00fcckt man diesen dann in die Ferne, so wachsen die linearen Dimensionen des NB genau proportional zum Abstand. Dieses Gesetz, das Emmertsche Gesetz, ist f\u00fcr die gew\u00f6hnlichen physiologischen NB in voller geometrischer Strenge erf\u00fcllt. Macht man nun den entsprechenden Versuch mit AB, auch mit komplement\u00e4r gef\u00e4rbten, so folgt hier die Gr\u00f6\u00dfe im allgemeinen durchaus nicht dem \u00cbmmertsehen Gesetz. Wir bieten diesem jungen Eidetiker ein farbiges Quadrat von 5 cm Seitenl\u00e4nge dar, 50 cm von seinen Augen entfernt. Er erh\u00e4lt davon ein positives AB, wenn er es aufmerksam betrachtet und sich einpr\u00e4gt. Dabei hat er nicht n\u00f6tig, einen Punkt der Vorlage zu fixieren, ja wir gehen ihm die Instruktion, das Quadrat ganz ungezwungen zu betrachten, weil bei Fixation eines Punktes statt des AB ein gew\u00f6hnliches negatives NB auf treten k\u00f6nnte. Wir bringen nun den Projektionsschirm, auf dem er das AB erblickt, in verschiedene Entfernungen von seinen Augen, wobei wir die Seitenl\u00e4nge des quadratischen Bildes nach den Angaben des Beobachters mit dem Zirkel messen. Wie Sie sehen, kann keine Bede davon sein, da\u00df die Seitenl\u00e4nge proportional mit der Entfernung w\u00fcchse. Mit derselben Vorlage machen wir nun einen zweiten Versuch, indem wir\n0 Die Erzeugung des AB erfolgt bei ungezwungenem Verhalten, also im allgemeinen wanderndem Blick, die des NB bei strenger Fixation eines Punktes. Aufmerksame Betrachtung liefert bei manchen ohne weiteres ein AB, bei anderen ist eine besondere Intention n\u00f6tig, das Bild festzuhalten. \u2014 Eine weitere wichtige Bedingung f\u00fcr das Auftreten eines reinen NB, im Unterschied zum AB, ist die optische Homogenit\u00e4t der Vorlage (Farbenquadrat). Au\u00dferdem beg\u00fcnstigen lange Fixation und m\u00f6glichst gedankenloses \u201eHinstarren\u201c das Auftreten des reinen NB und seiner Unterscheidungsmerkmale gegen\u00fcber dem AB.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nE. B. Jaensch.\nden Schirm mit dem Quadrat wieder in 50 cm Augenabstand aufstellen, nun aber den bezeichneten Mittelpunkt des Quadrats l\u00e4ngere Zeit hindurch fixieren lassen. Nach Wegnahme der Vorlage sieht der Beobachter ein negatives NB, dessen Gr\u00f6\u00dfe wir wieder bei verschiedenen Schirm Stellungen messen. Wie Sie bemerken, ist die Seitenlange des NB bei dem doppelten Schirmabstand ziemlich genau doppelt so gro\u00df wie in der Ausgangsstellung, beim dreifachen Schirmabstand dreimal so gro\u00df. Das NB dieses Beobachters folgt also genau dem Emmertschen Gesetz. Nat\u00fcrlich sind nur solche Beobachtungen verwertbar, bei denen der Band in voller Sch\u00e4rfe gesehen wird. Man findet nun einen gro\u00dfen Prozentsatz von Jugendlichen, bei denen die direkte Pr\u00fcfung auf Anschauungsbilder keinen Befund ergibt, wo aber das Gr\u00f6\u00dfenverhalten der negativen Nachbilder vom Emmertschen Gesetz abweicht, wenigstens bei nicht zu langer Fixation. Bei gen\u00fcgend langer Fixation werden die Werte des Emmertschen Gesetzes in diesen Budiment\u00e4rf\u00e4llen meist doch noch erreicht *). Die negativen NB verhalten sich also in diesen F\u00e4llen \u00e4hnlich wie die komplement\u00e4r gef\u00e4rbten AB der Eidetiker: sie sind bereits rudiment\u00e4re AB. Dies best\u00e4tigte sich darin, da\u00df sie dann auch bei anderen Tests gew\u00f6hnlich ein entsprechendes Verhalten wie komplement\u00e4re AB zeigen, wie Fr\u00e4ulein Dr. G o 11 h e i 1 in ihrer Arbeit \u201e\u00dcber das latente .Sinnenged\u00e4chtnis der Jugendlichen\u201c erweisen konnte.\nDeckt man nun mit Hilfe dieser indirekten Methoden auch die F\u00e4lle von latentem Sinnesged\u00e4chtnis auf, so ergibt sich, da\u00df die eidetische Anlage in einer gewissen jugendlichen Altersstufe nahezu durchg\u00e4ngig ist. Besonders viel ausgepr\u00e4gte F\u00e4lle fanden wir in den Klassen Quinta und Quarta. Dahingestellt bleiben mu\u00df, ob sich der H\u00f6hepunkt in dieser Altersstufe befindet, oder ob er schon in fr\u00fcherem Lebensalter liegt und sich hier nur verbirgt, weil sich mit j\u00fcngeren Individuen schwer arbeiten l\u00e4\u00dft. Auf Grund unserer Untersuchungen vollzogen wir eine Einteilung in Stufen, wie sie hier auf dieser Tafel angegeben ist. Die Tafel berichtet \u00fcber den Befund an einer ganzen Quarta der Oberrealschule, die von mir und meinem Bruder gemeinsam untersucht wurde, und einen Teil des Materials bildet, das1\nl) Um den Unterschied von AB und NB deutlich hervortreten zu lassen, habe ich hier mit Absicht einen Fall vorgef\u00fchrt, bei dem das NB schon bei verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig kurzer Fixation dem Emmertschen Gesetz genau folgt, w\u00e4hrend das AB weit davon abweicht. Nicht immer aber ist, wie schon aus Obigem hervorgeht, das Gr\u00f6\u00dfenverhalten des NB von dem des AB so scharf unterschieden wie in dem vorgef\u00fchrten Falle.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\n11\ndas den Konstitutionsuntersuchungen von W. J a e n s c h zugrunde liegt. Ich benutze diese Gelegenheit, den Leitern und Kollegien der Schulen, mit denen wir arbeiteten, nicht zuletzt auch den Eltern unserer jungen Mitarbeiter und ihnen selber zu danken. Wir konnten infolge dieses freundlichen Entgegenkommens von allen Seiten im Laufe der Jahre mehr als 200 Beobachter heranziehen, und zwar zu teilweise recht eingehenden Untersuchungen.\nStufen der eidetischen Anlage.\nStufe 0: Nichts nachweisbar.\nStufe I : AB direkt nicht nachweisbar, latente eidetische Anlage\nnur auf dem Umweg \u00fcber das NB festzustellen, das Z\u00fcge des AB zeigt, z. B. Abweichung vom E m m e r t sehen Gesetz. Stufe II: \u00c4u\u00dferst schwache AB direkt nachweisbar (aber nur bei\neinfachen Objekten, wie homogenes Farbenquadrat) mit einigen ihrer Stigmen (Abweichung vom E m m e r t sehen Gesetz, Gr\u00f6\u00dfen- und Form\u00e4nderungen bei Pfiff); komplizierte Objekte im allgemeinen nicht gesehen.\nStufe III: Schwache AB von einfachen Objekten (Farbenquadrat);\nauch von komplizierten Objekten (Bildervorlagen) mindestens Einzelheiten sichtbar, sei es nach Vorlage oder in spontanen Bildern.\nStufe IV: Mitteldeutliche AB auch von komplizierten Objekten,\ndabei ausgiebige Stigmen der AB.\nStufe V: \u00c4u\u00dferst deutliche AB, die ein gutes und allseitiges Experimentieren mit den Bildern gestatten.\nBeispiel: Klasse IV der Oberrealschule, 38 Sch\u00fcler, Durchschnittsalter 12,35 Jahr. Stufe 0: 5 Sch\u00fcler, Stufe I: 3, Stufe II: 12, Stufe III: 5, Stufe IV: 7, Stufe V: 6.\nNach den eben erw\u00e4hnten Befunden war kaum noch daran zu zweifeln, da\u00df die eidetische Anlage in einer gewissen Entwicklungsphase und in gewissen Grenzen etwas ganz Normales ist. Handelte es sich um etwas Pathologisches, so m\u00fc\u00dfte der gr\u00f6\u00dfere Teil unserer hiesigen Schuljugend als pathologisch gelten. Damit aber war von vornherein wahrscheinlich, da\u00df eine so verbreitete Jugendeigent\u00fcmlichkeit f\u00fcr den Aufbau der normalen Wahrnehmungs- und Vorstellungswelt bedeutsam sein werde. In welchem Ma\u00df die n\u00e4here Untersuchung diese Erwartung best\u00e4tigt hat, kann hier wieder nur an einzelnen Beispielen dargetan werden, zun\u00e4chst an dem der Sehgr\u00f6\u00dfe, d. i. die","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nE. R. Jaensch.\nGr\u00f6\u00dfe, in der wir die Dinge der Au\u00dfenwelt sehen. Entferne ich z. B. einen Gegenstand yom Auge, so \u00e4ndert sich die Gr\u00f6\u00dfe des Netzhautbildes proportional der Entfernung; trotzdem bleibt die scheinbare Gr\u00f6\u00dfe des Gegenstandes ann\u00e4hernd konstant. Dies kann nur auf Einfl\u00fcssen der Erfahrung und des Ged\u00e4chtnisses beruhen, wie besonders Helmholtz dargetan hat. Aber es kann doch nicht das gew\u00f6hnliche Ged\u00e4chtnis unserer Vorstellungs- und Wissensinhalte sein, das unsere Wahrnehmungen so entscheidend beeinflu\u00dft. Ich kann z. B. genau wissen, da\u00df zwei Meterst\u00e4be, die ich in verschiedener Entfernung aufstelle, gleich gro\u00df sind; dieses Wissen wird doch nie bewirken k\u00f6nnen, da\u00df ich sie auch gleich gro\u00df sehe. Unsere Untersuchungen berechtigen uns nun zu der Behauptung, da\u00df das von Helmholtz postulierte Ged\u00e4chtnis das eben aufgewiesene Sinnenged\u00e4chtnis des Jugendalters ist. Ich mu\u00df mich hier damit begn\u00fcgen zu zeigen, da\u00df das Vorhandensein des Sinnenged\u00e4chtnisses in ausgepr\u00e4gten B\u00e4llen auch die Sehgr\u00f6\u00dfe wirklicher Gegenst\u00e4nde in entscheidendem Ma\u00dfe beeinflussen kann, eine Tatsache, die mein Mitarbeiter Dr. Freiling erstmals konstatiert und dann in eingehenden Untersuchungen weiterverfolgt hat. Wir bieten diesem Eidetiker ein Quadrat dar und lassen wieder ein AB davon erzeugen. Alsdann r\u00fccken wir den Schirm, ganz wie vorhin, in die Ferne, nehmen aber das Quadrat dabei nicht ab, sondern lassen es h\u00e4ngen; denn wir wollen jetzt untersuchen, in welcher Gr\u00f6\u00dfe dem Beobachter das wirkliche Quadrat erscheint. Die Ausmessung erfolgt wieder mit Hilfe des Zirkels. Sie sehen bei der Durchf\u00fchrung des Versuchs, da\u00df die Zirkelspitzen betr\u00e4chtlich \u00fcber das wirkliche Quadrat hinausragen, und zwar um so mehr, je gr\u00f6\u00dfer der Abstand des Objektes ist; das an dem Schirm h\u00e4ngende Quadrat scheint also unserem Beobachter mit zunehmender Entfernung zu wachsen (Fig. 1). \u2014 Nunmehr legen wir die Spitzen des Zirkels an den wirklichen Rand des Quadrates und fragen den Beobachter wieder, wo er die Spitzen sieht. Sie h\u00f6ren, da\u00df er die Spitzen nun im Innern des Quadrates erblickt. \u2014\u25a0 Gleich der angen\u00e4herten Gr\u00f6\u00dfenkonstanz ist auch die angen\u00e4herte Farbenkonstanz der Sehdinge ein Erwerb, der sich unter entscheidender Mitwirkung des Sinnenged\u00e4chtnisses vollzogen hat, wie meine Mitarbeiter Dr. Herwig und Dr. Feyerabend in ihren Untersuchungen zeigen konnten.\nUm das, was eben f\u00fcr den Fall der Sehgr\u00f6\u00dfe vorgef\u00fchrt wurde, zu erkl\u00e4ren, mu\u00df vorerst eine besondere Eigent\u00fcmlichkeit der Anschauungsbilder Erw\u00e4hnung finden. Die Anschauungsbilder k\u00f6nnen","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"13\n\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\nmit den reizbestimmten Empfindungen verschmelzen, so da\u00df ein Mittelwert aus beiden gesehen wird. Bei diesem Eidetiker nun w\u00e4chst das AB, wenn es in die Ferne r\u00fcckt, ziemlich stark an (auf die Gr\u00f6\u00dfe I, I' in Fig. 2). Das Netzhautbild dagegen nimmt ab mit der Entfernung (II, II') ; gesehen wird ein Mittelwert der Gr\u00f6\u00dfe (III, IIP). Wenn ich hier von \u201eVerschmelzung\u201c sprach, so soll damit nur die Tatsache zum Ausdruck gebracht werden, da\u00df solche Mittelwerte aus Wahrnehmungen und AB gesehen werden. Dagegen bitte ich von allen Theorien dar\u00fcber, wie solche \u201eVerschmelzungen\u201c oder Mittelwerte wohl zustande kommen, vorl\u00e4ufig abzusehen, da unsere Untersuchungen eben zu einer Revision der Anschauung hier\u00fcber n\u00f6tigenx).\nFig. 1.\nFig. 2.\nGerade die Analyse des Zustandekommens solcher Mittelwerte f\u00fchrt uns tiefer hinein in den Aufbau unserer Wahrnehmungswelt. Ich kann diese Analyse wieder nur an einem Beispiel durchf\u00fchren, an der sog. \u201eabathischen Fl\u00e4che\u201c des Sehraums, die in den physiologischen und psychologischen Baumtheorien eine nicht unwichtige Bolle spielt. Abathische Fl\u00e4che, oft auch Kernfl\u00e4che genannt, ist diejenige Fl\u00e4che, die keine Tiefendifferenzen zeigt, also bei symmetrisch geradeaus gerichtetem Blick des Beobachters B parallel zur Stirn zu liegen scheint (Fig. 3 a). Wir wollen jetzt einem Eidetiker eine solche abathische Fl\u00e4che darbieten, indem wir hinter diesem Schirm mit schmalem rechteckigem Ausschnitt 3 F\u00e4den so aufh\u00e4ngen\n*) N\u00e4heres in der demn\u00e4chst erscheinenden Arbeit von J. Schweieher: \u201eDie Streitfrage zwischen klassischer Assoziationspsychologie und Funktionspsychologie, gepr\u00fcft nach eidetischer Methode.\u201c","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nE. B. Jaensch.\nund einstellen, da\u00df sie dem Beobachter aus bestimmter Entfernung (z. B. 100 cm) genau in einer Ebene erscheinen. Nachdem er das Bild der 3 F\u00e4den eingepr\u00e4gt hat und die F\u00e4den wieder abgenommen sind, lassen wir das Anschauungsbild beobachten und zwar aus verschiedenen Entfernungen, zun\u00e4chst etwa aus der Einpr\u00e4gungsentfernung 100 cm. Alsdann bringen wir den Beobachter n\u00e4her an den Schirm heran, z. B. erst 50, dann 25 cm von der Stelle entfernt, wo sich vorher die wirk\u00bb* liehen F\u00e4den befunden hatten. Umgekehrt lassen wir nun auch Beobachtungen aus gr\u00f6\u00dferem Abstand, z. B. bei 150 cm anstellen, am besten, nachdem wir die F\u00e4den noch einmal hingeh\u00e4ngt und bei 100 cm\n\t\t\u2022 mt50\t\t\t\u2022 m 150\t\n\t\u2022 Sj50\t\u2022 S*50\t\u2022 S\u00ee50\t\u2022 \u2022 m!50 Sl50\t* S150\t\u2022 S150\n\u2022\t\u2022\t\u00ab s\tm\ts\t\u2022 \u2022 \u2022 $too rn\u00ee00 Sjco\t\t# StOO\t\u2022 # mioo S100\t\u2022 \u00ab S100 \u2122i00\t\u2022 S100\n\t\u2022 S50\t* S50 \u00ab\t\u2022 S50\t\u2022 \u2022 m50\tS50\t\u2022 S50\t\u2022 m5Q\t\u2022 S50\n\t\u2022 S25\t* S25 \u2022\t\u2022 S25\t*25 S25\t\u2022 Sz 5 \u2022\t\u2022 S 25\n\t\tm25\t\t\tm25\t\nB\t\tB\t\tB\tB\t\nFig. 3 a.\tFig. 3 b.\t\tFig. 3 c.\t\tFig. 3d.\t\n\t\t\t\t\tV\t\nvon neuem haben einpr\u00e4gen lassen. W\u00e4hrend dieser Beobachtungen ermitteln wir die Stellung der Bildf\u00e4den, indem wir \u201ePr\u00fcflote\u201c\u00bb in\u00fflie Anordnung hineinbringen und diese Pr\u00fcf lote so lange verschiebend bis sie mit den wirklichen F\u00e4den zur Deckung kommen. Das \u00carglbip ist nun, wie Sie bei der tats\u00e4chlichen Durchf\u00fchrung des Yersu.^isig^ sehen haben, folgendes (vgl. Fig. 3 b). Aus einer gewissen mittleren Entfernung, die bei dem vorgef\u00fchrten Kommilitonen etwa bei dem Ein-pr\u00e4gungsabstand 100 cm liegt, ist das Bildfadentripel eben, also abathisch. N\u00e4hert sich der Beobachter von dieser \u201eabathischen Region\u201c aus dem Schirm, so tritt in dem Bildfadentripel, das er immer \u2014 wie vorher die wirklichen F\u00e4den \u2014 hinter dem Schirmausschnitt sieht, der mittlere Faden stark vor; entfernt sich der Beobachter von der abathischen Region aus, so tritt umgekehrt der mittlere Bildfaden erheblich zur\u00fcck. Bei dem eben vorgef\u00fchrten Ver-","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\n\nsuch erschien der mittlere Bildfaden 12 cm vor der Ebene der seitlichen Bildf\u00e4den, wenn der Beobachtungsabstand 50 cm betrug, 24 cm vor den Seitenf\u00e4den, wenn aus 25 cm Abstand beobachtet wurde; dagegen befand sich der mittlere Bildfaden bei 150 cm Beobachtungsabstand 35 cm hinter den seitlichen Bildf\u00e4den. J a e n s c b und Reich untersuchten diese Erscheinung an 19 Eidetikern mit durchweg sehr deutlichen AB. Der in dem vorgef\u00fchrten Beispiel verwirklichte Fall, da\u00df bei Ann\u00e4herung aus einer gewissen Region der Mittelfaden stet& vortritt, bei Entfernung stets zur\u00fccktritt, ist der h\u00e4ufigste. Wir nennen ihn I. Typus oder Normalfall. Daneben kommt nach den angef\u00fchrten Untersuchungen ein II. Typus vor. Er ist dadurch charakterisiert, da\u00df die Verlagerung der F\u00e4den bei der Entfernungs\u00e4nderung gelegentlich, d. h. in manchen Versuchsreihen oder an manchem Versuchstagen, auch ausbleiben kann. Die F\u00e4den bleiben hier zuweilen in einer Ebene, w\u00e4hrend sie an anderen Versuchstagen ganz in der Art des Normalfalls ihre Lage \u00e4ndern; es kommt bei diesem II. Typus aber keine Verlagerung vor, die der des Normalfalls entgegengesetzt w\u00e4re. Beim III. Typus nun kommen vereinzelt auch solche Verkehrtheiten vor. Niemals aber kam es vor, da\u00df das dem Normalfalle entgegengesetzte Verhalten in einem Falle zur Regel wurde. Erst nachdem diese Versuche an AB abgeschlossen waren1), haben wir mit unseren Vpn. die ganz entsprechenden Versuche an wirklichen F\u00e4den, also im gew\u00f6hnlichen Sehen, angestellt. Hierbei ergeben sich ebenfalls jene 3 Typen, obwohl das Vor- und Zur\u00fccktreten der F\u00e4den hier im allgemeinen sehr viel geringer ist. Es ergibt sich, da\u00df dieselbe Vp. im eidetischen Sehen, d. h. im AB, und im gew\u00f6hnlichen Sehen ein entsprechendes Verhalten zeigt. Eine Versuchsperson, dio beim eidetischen Sehen zum I. Typus geh\u00f6rt, geh\u00f6rt hierzu auch im gew\u00f6hnlichen Sehen, und so fort. Im \u201eNormalfalle\u201c scheint, wie gesagt, der Mittelfaden bei Ann\u00e4herung von einer gewissen Region her vorzutreten, bei Entfernung zur\u00fcckzutreten. Diese Erscheinung des Normalfalls ist f\u00fcr das gew\u00f6hnliche Sehen schon lange bekannt,, und zwar unter dem Namen \u201eHering-Hillebrandsche Horopterabweichung\u201c. Reich zog auch eine gr\u00f6\u00dfere Zahl gew\u00f6hnlicher, nicht-eidetischer Versuchspersonen heran, und fand hier ebenfalls jene 3 Typen vertreten. Somit ergibt sich bei Untersuchung der Horopter-\nx) Die Einhaltung dieser Vorsichtsma\u00dfregel ist bei diesen, wie bei vielen anderen eidetischen Untersuchungen n\u00f6tig, um dem Einwand vorzubeugen, die Erscheinungen im Anschauungsbild k\u00f6nnten durch vorang\u00e4ngige Beobachtungen am wirklichen Objekten beeinflu\u00dft sein.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nE. R. Jaensch.\nabweichung eine i\u00eal,%e Beziehung zwischen dem eidetischen Sehen unserer Versuchspersonen und ihrem gew\u00f6hnlichen Sehen, und weiter auch zwischen dem Verhalten unserer Versuchspersonen und dem der Nichteidetiker. Ausdr\u00fccklich sei betont, da\u00df die Versuche im eidetischen Sehen unserer Versuchspersonen den Versuchen im gew\u00f6hnlichen Sehen stets vorangingen. Unsere Versuchspersonen batten nicht etwa die im gew\u00f6hnlichen Sehen gemachten Erfahrungen auf das eidetische Sehen \u00fcbertragen, keiner unserer Eidetiker kannte das Ph\u00e4nomen der Horopterabweichung im gew\u00f6hnlichen Sehen, als die entsprechenden eidetischen Versuche mit ihm angestellt wurden. Dies sei bemerkt, um den Verdacht auszuschlie\u00dfen, das Ph\u00e4nomen im eidetischen Sehen sei vielleicht ein Kunstprodukt. Das ist ja auch von vornherein schon unwahrscheinlich darum, weil das eidetische Ph\u00e4nomen \u00abo viel ausgepr\u00e4gter ist und das Ph\u00e4nomen im gew\u00f6hnlichen Sinn um das 10\u2014100 fache \u00fcbertrifft. E\u00fcr die genauere Analyse der sog. Horopter-Abweichung im gew\u00f6hnlichen und eidetischen Sehen mu\u00df auf die eben in der Zeitschrift f\u00fcr Psychologie erscheinende Arbeit von Jaensch und Dr. Beich verwiesen werden. Die dort durchgef\u00fchrte Analyse gibt auch Aufschlu\u00df dar\u00fcber, wie das Ph\u00e4nomen zustande kommt und welche Faktoren die Lokalisation im eidetischen Sehen bestimmen * *).\nHierauf soll nicht n\u00e4her eingegangen werden ; nur angedeutet sei im Vor\u00fcbergehen, da\u00df sich jene Analyse der Lokalisationsfaktoren im eidetischen Sehen auf das gew\u00f6hnliche Sehen \u00fcbertragen l\u00e4\u00dft, weil nach den Ergebnissen unserer Versuche eine \u00fcberaus enge Beziehung besteht zwischen dem eidetischen und dem gew\u00f6hnlichen Sehen, d. h. \u2022der normalen Baumwahrnehmung. Diese Beziehung ist f\u00fcr unseren gegenw\u00e4rtigen Zweck am wichtigsten und soll darum noch etwas n\u00e4her verfolgt werden.\nWir sagten schon, da\u00df ein genauer Parallelismus besteht zwischen \u2022dem Verhalten unserer Versuchspersonen im gew\u00f6hnlichen und eidetischen Sehen. Dieser Parallelismus aber geht noch weiter. Die \u2018Tiefendifferenzen zwischen dem Mittelfaden und den Seitenf\u00e4den bei der sog. Horopterabweichung sind bei gew\u00f6hnlichen Vpn., die keine AB haben, au\u00dferordentlich gering (vgl. Fig. 3 c). Im AB der Eidetiker sind sie, wie erw\u00e4hnt, unvergleichlich gr\u00f6\u00dfer, 10\u2014100 mal so gro\u00df. Nun fanden wir, da\u00df unsere Eidetiker oft schon im\n0 Die Fortf\u00fchrung dieser Analysen gibt wichtige Aufschl\u00fcsse \u00fcber Zustandekommen und Wesen der Raumwahrnehmung \u00fcberhaupt (vgl. auch meine Abhand-\n\u2022 \u2022\nhingen \u201eUber Raumverlagerung\u201c und \u201eDer Umbau der Wahrnehmungslehre und die Probleme der Philosophie\u201c).","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\t17\ngew\u00f6hnlichen Sehen die Horopterab? chung in ganz abnormer Auspr\u00e4gung zeigten, da\u00df also die Tiefendifferenzen zwischen dem Mittelfaden und den Seitenf\u00e4den hier oft viel gr\u00f6\u00dfer waren als bei den Nichteidetikern (Fig. 3d). Besonders wenn man etwas l\u00e4nger auf das Fadentripel darauf sehen, es \u201evertieft\u201c betrachten l\u00e4\u00dft, wie wir es nennen, nehmen die Tiefendifferenzen mehr und mehr zu und erreichen oft schlie\u00dflich denselben hohen Betrag wie im AB. Bei unseren Eidetikern steht also schon dieWahrnehmung desgew\u00f6hnlichenSehensden AB nahe. Sie verh\u00e4lt sich \u00e4hnlich wie ein AB, was \u00fcbrigens auch noch auf anderem Wege gezeigt werden konnte. Diese Verwandtschaft zwischen dem gew\u00f6hnlichen und eide-tischen Sehen unserer Vpn. trat ja auch schon hei den vorhin beschriebenen Gr\u00f6\u00dfenversuchen hervor. Auch hier verhielten sich die gew\u00f6hnlichen Wahrnehmungen \u00e4hnlich wie AB. Es konnte schlie\u00dflich sogar gezeigt werden, da\u00df auch noch die Wahrnehmungen des normalen, nichteidetischen Erwachsenen eine enge Beziehung zu den AB erkennen lassen, worauf aber hier der K\u00fcrze der Zeit wegen nicht n\u00e4her eingegangen werden kann. \u00dcberhaupt kann ich in diesem kurzen Referat nur einige allgemeinere Ergebnisse herausarbeiten, die unsere Untersuchungen geliefert haben. Es ist nicht m\u00f6glich, auf die n\u00e4heren Einzelheiten des ziemlich weitschichtigen Versuchsmaterials n\u00e4her einzugehen, und ebenso m\u00fcssen ganze Problemkreise, die wir in den Bereich unserer Untersuchungen einbezogen, hier wegbleiben.\nHalten wir uns nun gegenw\u00e4rtig, da\u00df der eidetische Typus eine normale Entwicklungsphase zu sein scheint und da\u00df in dieser Phase auch die Wahrnehmungen wichtige Eigent\u00fcmlichkeiten mit den AB teilen, dann erkl\u00e4rt sich auch die Rationalit\u00e4t unserer Wahrnehmungswelt, die Helmholtz durch seine schwerlich befriedigende Annahme \u201eunbewu\u00dfter Schl\u00fcsse\u201c verst\u00e4ndlich zu machen suchte. Die Wahrnehmungen^sind, wie Helmholtz darlegte, nicht einfach eindeutige Zuordnungen zu den Reizen, wie seine hypothetisch angenommenen \u201ereinen Empfindungen\u201c es sein sollten; die Wahrnehmungen zeigen vielmehr bereits eine sinnvolle, rationelle Verarbeitung \u00e4hnlich den Vorstellungen, wie wir dies im obigen Beispiel der Sehgr\u00f6\u00dfe zeigen konnten. Diese Sehgr\u00f6\u00dfe gibt ja in gewissem Umfange die Gr\u00f6\u00dfenverh\u00e4ltnisse der wirklichen Objekte richtig wieder, und sie ist nicht etwa bestimmt duich die Gr\u00f6\u00dfe des Netzhautbildes, wie dies von einer sog. \u201ereinen\u201c, psychisch unverarbeiteten Empfindung zu erwarten w\u00e4re.\nIn unserer Vorstellungswelt gilt uns eine solche sinnvolle ratio-\nBericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df.\t2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nE. B. Jaensch.\nnelle Verarbeitung als ganz selbstverst\u00e4ndlich. Der Rationalit\u00e4t der Vorstellungswelt entspricht nun eine zwar geringere, aber doch gleichfalls vorhandene Rationalit\u00e4t der Wahrnehmungswelt, eine Tatsache,, die ja das Grundthema des zweiten Teils von Helmholtz\u2019 physiologischer Optik bildet, und die Helmholtz aus den unbewu\u00dften Schl\u00fcssen erkl\u00e4rt. Diese Rationalit\u00e4t der Wahrnehmungswelt wird viel verst\u00e4ndlicher, wenn wir jetzt sehen, da\u00df in der eidetischen Entwicklungsphase der urspr\u00fcngliche Reizerfolg gar nicht eine \u201ereine Empfindung\u201c im Helmholtzschen Sinne ist, sondern schon ein AB, oder, sagen wir vorsichtiger, ein dem AB nahestehendes Ph\u00e4nomen. Das AB nimmt ja seinem ganzen Verhalten nach eine Mittelstellung ein zwischen den Empfindungen und Vorstellungen, es hat somit auch Anteil an den Eigenschaften der Vorstellungen. DieStrukturdereidetischen Welt istaufs engsteverwandtmitder Struktur der Vorstellungswelt. Nun ist aber die eidetische Welt, wie wir (hier nur an einem Beispiel) zeigten, die ontogenetische Fr\u00fchform der Wahrnehmungswelt. Darum mu\u00df notwendig die Wahrnehmungswelt eine \u00e4hnliche Struktur besitzen wie die Vorstellungswelt.\nHiermit ist die Frage ber\u00fchrt, wie sich die AB zu den VB verhalten, oder allgemeiner, wie sich die Ged\u00e4chtnisstufen \u00fcberhaupt zueinander verhalten: die NB zu den AB, und diese zu den VB. Ich berichte hier wieder \u00fcber die Ergebnisse rein experimenteller Untersuchungen, ausgef\u00fchrt von mir selbst, Dr. Busse, Dr. Schweicher und Dr. Krellenberg. Die etwas allgemeinere Vorbemerkung, die ich vorausschicken mu\u00df, ist. nicht etwa konstruktiver Art, sondern soll nur dazu dienen, nachher eine zusammenfassende und klare Formulierung unserer Versuchsergebnisse zu erm\u00f6glichen. Ich darf hier wohl die allgemein-psychologische Seite unserer Experimentaluntersuchungen um so eher in den Vordergrund r\u00fccken, als die medizinische, praktische und psychotechnische von meinem Bruder, die physiologische Seite von Herrn Dr. Kollath in seinem Vortrag \u00fcber das Purkin j esche Ph\u00e4nomen noch ber\u00fchrt werden wird.\nDas durch unsere Wahrnehmungen vermittelte Weltbild ist, wie seit den Tagen der antiken Skepsis bekannt, durchaus keine Invariante, d. h. keine unver\u00e4nderliche Gr\u00f6\u00dfe. Das Weltbild unserer Wahrnehmungen ist vielmehr abh\u00e4ngig vom Standort des Beobachters, von den spezifischen Energien und der Stimmung seiner Sinnesorgane, \u00fcberhaupt von der Relation zwischen ihm und den Au\u00dfendingen. So ist es in der Welt der Wahrnehmungen. Neben dieser Wahr-","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\t19\nnehmungswelt nun errichtet unser Geist eine Welt des Vorstellens und Denkens. Diese strebt in immer zunehmendem Ma\u00dfe darnach von allen jenen .Relationen zwischen Subjekt und Objekt unabh\u00e4ngig, ihnen gegen\u00fcber eine Invariante zu werden. Das Raumbild unserer Wahrnehmung z. B. ist, wie E. Mach einmal darlegte, durchaus abh\u00e4ngig von unserem Standort, von der Blickrichtung, von der Beschaffenheit und den psychophysischen Gesetzen unserer Sinnesorgane; \u2014 die euklidische Raumvorstellung ist von allen jenen Relationen zwischen Subjekt und Objekt ganz unabh\u00e4ngig, sie ist ihnen gegen\u00fcber invariant. So l\u00e4\u00dft sich ganz allgemein zeigen, da\u00df das Weltbild unseres Vorstellens und Denkens mehr und mehr darnach strebt, invariant zu werden gegen\u00fcber der Relation zwischen Subjekt und Objekt. In der physikalischen Optik und Akustik z. B. sind alle Abh\u00e4ngigkeiten vom auffassenden Sinnesorgan, seiner zuf\u00e4lligen Stimmung und Beschaffenheit, getilgt. E. Mach, auch die sog. empirio-kritizistische Schule um Avenarius, deren erkenntnistheoretischen Standpunkt ich sonst nicht teilen kann, hat jenem Tatbestand schon zutreffenden Ausdruck gegeben. J. Petzoldt insbesondere kn\u00fcpfte an die Lehre unseres G. Th. Fechner an, nach der der organische Entwicklungsfortschritt von der zunehmenden Tendenz zur Stabilit\u00e4t beherrscht wird. Ein Sonderfall dieses allgemeinen Entwicklungsprinzips sei es, da\u00df die Welt unserer Vor Stellungen, also unser Weltbild, mehr und mehr darnach strebe, eine Invariante zu werden.\nIn eben dieser kurzen Formel lassen sich auch die Ergebnisse unserer Experimentaluntersuchungen \u00fcber den Unterschied der niederen und der h\u00f6heren Ged\u00e4chtnisstufen zusammenfassen. Wir bezeichnen NB, AB, VB zusammenfassend als \u201eGed\u00e4chtnisbilder\u201c (GB), die reinen NB als die \u201eniederste\u201c Ged\u00e4chtnisstufe, die reinen VB als die \u201eh\u00f6chste\u201c. Die AB bilden nach Untersuchungen, \u00fcber die ich hier nicht eingehender berichten kann, einen breiten Mittelbereich und k\u00f6nnen in ihrem Verhalten bald mehr den NB, bald mehr den VB nahe stehen, obwohl sie immer im buchst\u00e4blichen Sinne gesehen werden, selbst wenn sie sonst in ihrem Verhalten wichtige Eigent\u00fcmlichkeiten mit den VB teilen. Auch bei ein- und derselben Vp. kann sich das AB in der Reihe der Ged\u00e4chtnisstufen bald mehr nach unten, bald mehr nach oben verschieben, je nach dem Verhalten bei der Einpr\u00e4gung. Die Reihe der Ged\u00e4chtnisstufen besteht also nicht aus diskreten Punkten, sondern bildet ein Kontinuum, eine aufsteigende Grade. Von dieser auf steigenden Reihe der GB gilt der Satz: Der Invarianz-\ngrad der Ged\u00e4chtnisbilder steigt mit der Ged\u00e4chtnis-\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nE. R. Jaensch.\nstufe. Die Methoden, die Gr. E. M\u00fcller f\u00fcr die Untersuchung des Vorstellungslebens ausgebildet hatte, konnten hier in weitem Umfang \u00fcbernommen werden. Ich kn\u00fcpfe dabei an Beobachtungen an, die ich an meinen Vpn. \u00fcber den Einflu\u00df von Kopfneigungen gemacht hatte. Fri. Dr. Busse stellte dann weitere Untersuchungen an \u00fcber den Einflu\u00df von Kopfneigungen auf die Ged\u00e4chtnisbilder, die von mir und anderen Untersuchern an wieder neuem Beobachtungsmaterial nachgepr\u00fcft und best\u00e4tigt wurden. Ein horizontales Objekt, z. B. ein horizontaler mit Schrift bedruckter Streifen, wird dargeboten und von ihm ein GB erzeugt, einmal ein m\u00f6glichst reines VB, das noch in keiner Weise AB sein darf, sp\u00e4ter ein AB und schlie\u00dflich durch Fixation ein NB. Nach jeder einzelnen Einpr\u00e4gung wird der Kopf der Versuchsperson um einen bestimmten Winkel zur Seite geneigt und das GB \u2014 sei es nun ein VB, AB oder NB \u2014 beobachtet. Hierbei dreht sich nun das NB mit dem Kopf und den Augen mit, wenn man die physiologische Gegenrollung ber\u00fccksichtigt. Das AB dreht sich im allgemeinen auch mit, aber weniger weit ; das reine VB dreht sich am wenigsten mit und beh\u00e4lt meist geradezu die Orientierung, die es im Vorbild hatte. Das AB, welches also eine Zwischenstellung einnimmt, dreht sich um so mehr mit, je n\u00e4her es seiner ganzen Struktur nach dem NB steht, und um so weniger, je n\u00e4her es dem VB verwandt ist. Wir k\u00f6nnen das auch umgekehrt dahin ausdr\u00fccken: Das VB bleibt gegen\u00fcber einer Kopfneigung am vollkommensten un-ge\u00e4ndert oder invariant, das AB in geringerem Ma\u00dfe und das NB in noch geringerem Ma\u00dfe ; m. a. W. das Ged\u00e4chtnisbild bleibt gegen\u00fcber der Drehung des Kopfes in um so h\u00f6herem Ma\u00dfe invariant, je h\u00f6her die Ged\u00e4chtnisstufe ist.\nBei diesem Versuch wurde die Relation zwischen Beobachter und\n\u2022 \u2022\nObjekt ge\u00e4ndert, und zwar durch \u00c4nderung auf seiten des Beobachters. Wir wollen nun die \u00c4nderung auf seiten des Objekts vornehmen und k\u00f6nnen dabei an die fr\u00fcheren Versuche mit dem Projektionsschirm ankn\u00fcpfen. Wir lassen ein Objekt, z. B. ein Quadrat, aus bestimmter Entfernung einpr\u00e4gen, wieder als VB, als AB und endlich als NB. Alsdann bringen wir, ganz wie oben, den Schirm in verschiedene Entfernungen und messen mit dem Zirkel die Gr\u00f6\u00dfe des Ged\u00e4chtnisbildes. Hierbei \u00e4ndert sich das NB sehr stark, n\u00e4mlich genau proportional der Entfernung, das AB \u00e4ndert sich im allgemeinen weniger, bleibt also in h\u00f6herem Ma\u00dfe unge\u00e4ndert oder invariant, und das VB zeigt gew\u00f6hnlich' eine noch viel st\u00e4rkere Tendenz invariant zu bleiben. Diese Ergebnisse wurden an einfachsten Objekten, insbe-","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\t21\nsondere farbigen Quadraten erhalten. Auf gewisse scheinbare Ausnahmen bei Versuchen mit diesen und anderen Objekten kann ich hier nicht eingehen ; die genauere Analyse solcher Ausnahmen best\u00e4tigt nur das Gesetz, da\u00df der Invarianzgrad mit der Ged\u00e4chtnisstufe steigt.\nWas f\u00fcr die Gr\u00f6\u00dfe dargetan wurde, gilt auch f\u00fcr die Gestalt. Von mir selbst und Frl. Busse wurden folgende Versuche angestellt, die dann Herr Krellenberg an wieder anderem Material nachpr\u00fcfte. Es wird eine stehende Ellipse dargeboten und von ihr ein GB erzeugt ; wieder ein VB, dann ein AB, darauf ein NB. Das GB wird auf einen Schirm projiziert, der um eine vertikale Achse drehbar ist. War das GB eine NB, dann wird es, wie nach den Versuchen von Volkmann und Poppelreuter bereits bekannt, zum Kreis, wenn man den Schirm um einen bestimmten Winkel cp dreht. Das AB dagegen wird dann bei einer Drehung um cp noch nicht zum Kreis ; man mu\u00df hier um einen gr\u00f6\u00dferen Winkel cp\u2019 drehen : cp\u2019}cp. Beim reinen Vorstellungsbild mu\u00df man abermals um einen gr\u00f6\u00dferen Winkel drehen, ja es ist hier sehr oft \u00fcberhaupt durch keine Drehung zu erreichen, da\u00df die stehende Ellipse zum Kreis wird. Also auch hier wird das GB durch die Drehung um so weniger beeinflu\u00dft, je h\u00f6her die Stufe ist; der Invarianzgrad der GB w\u00e4chst mit der Ged\u00e4chtnisstufe.\nDiese verschiedenen Ged\u00e4chtnisstufen sind andeutungsweise auch noch beim normalen, nichteidetischen Erwachsenen nachweisbar. Je nach dem inneren Verhalten bei der Einpr\u00e4gung und bei der Reproduktion steigt oder sinkt auch hier die Ged\u00e4chtnisstufe. Beachtet man diesen Tatbestand, da\u00df je nach dem inneren Verhalten verschiedene Ged\u00e4chtnisstufen in Wirksamkeit treten, dann kommt in die schwer entwirrbaren Erscheinungen des Vorstellungslebens ein recht hohes Ma\u00df von Ordnung. Nach den Untersuchungen von Dr. Kobusch z. B. sinkt die Ged\u00e4chtnisstufe, wenn man sehr fest visuell einpr\u00e4gt oder sich bei der Reproduktion bem\u00fcht, sehr deutlich visuell vorzustellen. Das Verhalten des VB n\u00e4hert sich dann dem eines AB an, z. B. bei den Versuchen mit verschieden weit entferntem Projektionsschirm. Dasselbe zeigte sich bei Stimulierung der visuellen Sph\u00e4re auf pharmakologischem Wege, mittelst kleiner Dosen von Anhalonium Lewinii. \u2014 Wir kehren nun zu den an letzter Stelle beschriebenen Versuchen mit Eidetikern zur\u00fcck. Hier wurde das GB der Ellipse auf einen Gegenstand der Wahrnehmung projiziert, n\u00e4mlich auf einen drehbaren Schirm. Wir sehen nun, da\u00df bei diesen Versuchen die GB der h\u00f6chsten Stufe sehr wenig oder gar nicht be-","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nE. \u00df. Jaensch.\neinflu\u00dft werden von den gleichzeitig vorhandenen Wahrnehmungsinhalten, und da\u00df diese Beeinflussung um so st\u00e4rker wird, je niedriger die Ged\u00e4chtnisstufe ist. Die Erkl\u00e4rung daf\u00fcr gibt die Untersuchung von Dr. G\u00f6sser, die die Aufgabe verfolgte, dem tieferen Grund f\u00fcr das verschiedene Verhalten der Ged\u00e4chtnisstufen nachzusp\u00fcren.\nHierbei ergab sich, da\u00df die verschiedenen GB in einer verschieden engen Beziehung zu den gleichzeitig vorhandenen Wahrnehmungsinhalten stehen ; die NB, AB und VB sind verschieden eng, bzw. verschieden locker mit den gleichzeitig vorhandenen Wahrnehmungsinhalten verkn\u00fcpft, die NB am engsten, die AB lockerer und die VB abermals lockerer. Dies zeigt sich z. B. bei Farbenmischung; so wenn man von einem roten Quadrat ein GB erzeugen und dieses auf ein wirkliches blaues Quadrat projizieren l\u00e4\u00dft. Hatte man von dem ersten Quadrat ein NB erzeugt, so mischt sich dessen Farbe ganz von selbst und ohne weiteres mit der Farbe des wirklichen Quadrats, auf das es projiziert wird. Hatte man dagegen von dem ersten Quadrat ein AB erzeugt, so vereinigt sich dieses AB nicht so leicht und m\u00fchelos mit der Farbe des wirklichen Quadrats. Das AB erscheint meist als ein durchsichtiger farbiger Schleier vor dem wirklichen Quadrat, und die Farbe des wirklichen Quadrats ist h\u00f6chstens etwas in der Bichtung des AB verschoben, aber nicht entscheidend dadurch beeinflu\u00dft. Durch besondere technische Kunstgriffe gelingt dann allerdings auch hier die Farbenmischung, die beim NB ohne weiteres eintritt. Das VB endlich mischt sich dem wirklichen in der Wahrnehmung gegebenen Quadrat gar nicht zu. Wir k\u00f6nnen darum von einem verschieden engen \u201eKoh\u00e4renzgrad\u201c zwischen den GB und den gleichzeitig vorhandenen Wahrnehmungsinhalten sprechen.\nDieser zeigt sich u. a. auch in der verschieden starken Los-l\u00f6sungstendenz der GB vom Hintergrund. Projizieren wir das NB auf einen Schirm und r\u00fccken wir diesen dann in die Ferne, so bleibt das NB immer auf dem Schirm, wie wenn es darauf gezeichnet w\u00e4re. Das AB dagegen hebt sich gew\u00f6hnlich etwas von der Schirmfl\u00e4che ab, wenn diese eine gewisse Entfernung vom Auge erreicht hat, und das VB kann zuweilen \u00fcberhaupt nur schwer auf die Schirmfl\u00e4che projiziert werden. Ganz entsprechend ist eine absichtliche Losl\u00f6sung des NB vom Hintergrund fast unm\u00f6glich, beim AB ist sie m\u00f6glich, beim VB leicht. Das AB konnte bei den Versuchen von G\u00f6sser durch besonderen Willensakt oft bis in Augenn\u00e4he an den Beobachter herangezogen werden, w\u00e4hrend das NB","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 #\nUber die subjektiven Anschauungsbilder.\t28\nh\u00f6chstens in geringen Abstand vom Projektionsschirm gebracht werden konnte.\nDer verschiedene Koh\u00e4renzgrad zeigt sich auch in der verschieden starken Beeinflussung durch den Hintergrund. Dr. G\u00f6sser lie\u00df die GB auf verschieden gestaltete Fl\u00e4chen projizieren, z. B. auf eine Zylinderfl\u00e4che, auf ein Paar von Ebenen, die in stumpfem Winkel zusammensto\u00dfen und dgl. Das NB wurde hierdurch stark ver\u00e4ndert, das AB weniger, das YB meist gar nicht.\nDiese und verwandte Versuche ergeben, da\u00df die reinen NB in allerengster Beziehung zu den gleichzeitig vorhandenen Wahrnehmungsinhalten stehen. Sie sind gleichsam in die Wahrnehmungsinhalte und den Wahrnehmungsraum eingetragen, so da\u00df sie ein Bestandst\u00fcck desselben bilden. Die reinen YB sind ohne engere Beziehung zu diesen Wahrnehmungsinhalten. Die AB nehmen eine Zwischenstellung ein. \u2014 Dieses Ergebnis steht in bestem Einklang mit einer Anschauung, die St\u00f6rring \u00fcber das Verh\u00e4ltnis von Empfindungen und Vorstellungen vertreten hat. Danach sind die Empfindungen in den Wahrnehmungsraum eingeordnet, die reinen VB dagegen von ihm getrennt. Unsere Untersuchung der AB f\u00fcgt dem nur hinzu, da\u00df es Grade eines solchen Getrenntseins gibt.\nAuf Grund dieser und \u00e4hnlicher Untersuchungen hat sich uns die Anschauung aufgedr\u00e4ngt, da\u00df der eidetische Sehtypus die urspr\u00fcngliche undifferenzierte Einheit (E) ist, aus der sich Wahrnehmungen (W) und visuelle Vorstellungen (V) gleichsam als getrennte Aste erst herausdifferenzieren (Fig. 4). Diese Arbeitshypothese gr\u00fcndet sich zun\u00e4chst auf die Verbreitung, die der eidetische Typus in der Jugend zeigt und vielleicht auch bei Naturv\u00f6lkern besitzt, wie man nach dem Bericht verschiedener Beisenden wenigstens vermuten kann. Auf letzteres w\u00fcrde bei k\u00fcnftigen Forschungsreisen besonders zu achten sein. Dieser zeitlich urspr\u00fcngliche eidetische Typus erscheint nun im Vergleich mit den Wahrnehmungen und Vorstellungen wie eine undifferenzierte Einheit beider; denn in der eidetischen Phase stehen auch die gew\u00f6hnlichen Wahrnehmungen, wie wir sahen, den AB nahe. Wir zeigten dies ja am Beispiel der scheinbaren Gr\u00f6\u00dfe und der sog. Horopterabweichung. Aber nicht nur die Wahrnehmungen sind in dieser Phase den AB verwandt, sondern auch dieVB. In sehr ausgesprochenen F\u00e4llen werden die visuellen Vorstellungen, wenn die Versuchsperson vor ein homogenes\nFig. 4.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nE. R. Jaensch.\nFeld gesetzt wird, ganz von selbst zu AB, und eine Versuchsperson von Herrn Krellenberg sagte geradezu, \u201edas Sehen der Bilder ist doch Denken\u201c. In einer betr\u00e4chtlichen Zahl sehr ausgesprochener F\u00e4lle lie\u00df es sich noch direkter experimentell aufzeigen, da\u00df das AB die noch undifferenzierte Einheit ist, aus der sich NB, AB und VB erst herausentwickeln. In diesen \u201eEinheitsf\u00e4llen\u201c, die Dr. Krellenberg untersuchte, wird auch das VB, wenn die Versuchsperson yor eine homogene Fl\u00e4che gesetzt wird, sofort zum AB, und unter den Bedingungen, die sonst ein negatives NB auftreten lassen, entsteht gleichfalls ein positives AB. Negative NB sind hier zuweilen \u00fcberhaupt nicht zu erzeugen, selbst nicht bei l\u00e4ngster Fixation. Die drei Arten von Bildern VB, AB, NB verhalten sich, nach den verschiedenen Methoden untersucht, in ganz \u00fcbereinstimmender Weise, bilden also in der Tat noch eine undifferenzierte Einheit. Nun ist eine bestimmte gro\u00dfe Gruppe der Eidetiker (T-Typus), wor\u00fcber mein Bruder berichten wird, durch Kalkzufuhr entscheidend beeinflu\u00dfbar. In solchen F\u00e4llen kann man nun beobachten, wie unter Kalkzufuhr die undifferenzierte Einheit der Ged\u00e4chtnisbilder in k\u00fcrzester Zeit sich spaltet, wie die Vorstellungen nicht mehr sofort zu Bildern werden, und die negativen NB mit ihrem abweichenden Verhalten oft erstmals auftreten. Die Kalkzufuhr ruft hier im Verlauf von Wochen oder gar Tagen ganz entsprechende Ver\u00e4nderungen hervor, wie wir sie unvergleichlich langsamer mit dem Altersfortschritt ganz von selbst auftreten sehen.\nEs w\u00fcrde nun die weitere Frage auftauchen, in welcher Weise sich jene urspr\u00fcngliche eidetische Einheit differenzieren mag. Dar\u00fcber geben vielleicht einigen Aufschlu\u00df Versuche \u00fcber die Wirkung von St\u00f6rungsreizen, die von mir und Dr. Busse und dann an einem gr\u00f6\u00dferen Material von mir und Dr. Schweicher angestellt worden sind, und die durch zuf\u00e4llige Gelegenheitsbeobachtungen angeregt worden waren. Wir ma\u00dfen ja vorhin die Gr\u00f6\u00dfe der GB bei verschiedenen Entfernungen des Projektionsschirms und erhielten dabei die Gr\u00f6\u00dfe als Funktion der Entfernung. Wir nennen die Gr\u00f6\u00dfe der Nachbilder gn, die der Anschauungsbilder ga, die der Vorstellungsbilder gv. Diese Gr\u00f6\u00dfenwerte sind Funktionen, und zwar verschiedene Funktionen der Entfernung e:\ngn = fl (e)\nga = f3 (e)\ngy = f5 (\u00a9)\u2022\nErsetzt man nun den homogenen Projektionsschirm durch einen","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\n25*\ninhomogenen, den man rasch genau an die Stelle des homogenen, bringt, so erh\u00e4lt man im allgemeinen beim A\u00df, und meist auch beim NB, eine Gr\u00f6\u00dfen\u00e4nderung. Eine entsprechende Gr\u00f6\u00dfen\u00e4nderung erf\u00e4hrt das AB durch andere St\u00f6rungsreize, z. B. durch einen w\u00e4hrend der Beobachtung ert\u00f6nenden Pfiff. Man erh\u00e4lt f\u00fcr das AB unter St\u00f6rungsreiz also einen anderen Funktionswert g'a, und dieser liegt,.\nSchema H.\nSchema I.\nAB.o.Pf.\nSchema IV (seiten).\nSchema M.\nDie Schemas geben die verschiedenen vorkommenden F\u00e4lle wieder. In jedem Schema ist links (VB) das Gr\u00f6\u00dfenverhalten des VB, rechts (AB) das des AB als Funktion der Entfernung dargestellt (o. Pf., m. Pf. = ohne, bzw. mit Pfiff). Die Entfernung des Projektionsschirmes ist als Abszisse, die gemessene Gr\u00f6\u00dfe des GB als Ordinate eingetragen, bei \u00ab die Einpr\u00e4gungsentfernung und der zugeh\u00f6rige Gr\u00f6\u00dfenwert ; die Pfeile geben die Richtung an, in der sich die Gr\u00f6\u00dfe auf St\u00f6rungsreiz hin \u00e4ndert. Auf einige \u201einverse\u201c F\u00e4lle, die aber durch genauere Analyse aufgekl\u00e4rt werden konnten, kann hier nicht eingegangen werden.\nwie die Figuren zeigen, im allgemeinen zwischen f3 und f5 (vgl. Fig. 5). Es ist jetzt g'a = f4 (e). Durch den St\u00f6rungsreiz wird m. a. W. das AB dem reinen YB angen\u00e4hert, also auf eine h\u00f6here Ged\u00e4chtnisstufe gehoben. Wir erkl\u00e4ren uns dies vorbehaltlich weiterer Untersuchungen so, da\u00df durch den St\u00f6rungsreiz, der ja in dem Wahr-","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nE. R. Jaensch.\nnehmungsraum wirkt und auch in ihn lokalisiert wird, Wahrnehmungs-raum und Yorstellungsraum sich sch\u00e4rfer sondern und die AB sich infolgedessen in ihrem Verhalten mehr dem YB ann\u00e4hern. Es liegt nahe, sich nach Anleitung dieser Versuche auch den Vorgang jener Differenzierung vorzustellen : AB die mit den schon vorhandenen Wahrnehmungskomplexen m\u00fchelos \u201everschmelzen\u201c k\u00f6nnen, bleiben anschauungsm\u00e4\u00dfig und werden darum zu Wahrnehmungsbestandteilen1), AB dagegen, die mit den Wahrnehmungen nicht verschmelzen k\u00f6nnen, sondern auf einen St\u00f6rungsreiz sto\u00dfen, werden zu Vorstellungen. AB, die ich etwa von Einzelheiten meines Schreibtisches h\u00e4tte, k\u00f6nnten mit dem schon vorhandenen Wahrnehmungskomplex dieses Schreibtisches immer wieder verschmelzen, AB von einem beliebigen Phantasiegegenstand dagegen nicht. AB der ersteren Art w\u00fcrden bei jeder neuen Wahrnehmung des Gegenstandes immer wieder reproduziert werden; nur sie, nicht aber die AB eines beliebigen Phantasiegegenstandes, w\u00fcrden auf diesem Wege eine immer erneute Wiederholung erfahren. Je \u00f6fter aber das AB eines bestimmten Gegenstandes erzeugt wurde, um so leichter kann es nach Erfahrungen, die man hei Versuchen macht, wiedererweckt werden, um so gr\u00f6\u00dfer ist seine Deutlichkeit und Intensit\u00e4t. So kommt es nach unserer Arbeitshypothese zu dem neuerdings wieder von Stumpf betonten Intensit\u00e4tsunterschied zwischen Wahrnehmungs- und Vorstellungsinhalten.\nWegen der Beziehung der AB zu den Wahrnehmungen konnten -die eidetischen Untersuchungen in den Dienst der Wahrnehmungspsychologie gestellt werden2). Sie sind aber auch ein Hilfsmittel der\n*) Das Zustandekommen der hier vorausgesetzten, schon vorhandenen Wahrnehmungskomplexe h\u00e4tte man sich entsprechend zu denken.\n2) Diese eidetischen Untersuchungen ordnen sich als Teil einem weiteren Gebiet von wahrnehmungs- und denkpsychologischen Arbeiten ein, die im hiesigen Institut zur Durchf\u00fchrung gelangen. Wenn man den Entstehungsbedingungen der ausgebildeten Wahrnehmungs Vorg\u00e4nge nachforscht, mu\u00df deren unmittelbare Yorform in der eidetischen Jugendphase ins Auge gefa\u00dft werden. Ausblicke, die eine so betriebene Wahrnehmungspsychologie f\u00fcr die allgemeineren Fragen der Naturphilosophie er\u00f6ffnet, sind in Beilage II kurz angedeutet und geh\u00f6ren an diese Stelle unseres Berichtes. Die dort gegebenen kurzen Andeutungen wollen dartun, da\u00df die Jugendpsychologie nicht etwa nur als vielgeschm\u00e4hte \u201eexperimentelle P\u00e4dagogik\u201c der Praxis dient, sondern auch das Interesse des Philosophen sehr wohl beanspruchen kann. Gleichsam in einem h\u00f6heren Sinn kommt aber selbst dieser rein theoretische Zweig der Jugendpsychologie der Praxis zu gute, und zwar auch abgesehen davon, da\u00df er f\u00fcr die angewandte Psychologie eine unerl\u00e4\u00dfliche Grundlage ist. Eindringlicher denn je wird gegenw\u00e4rtig dar\u00fcber Klage gef\u00fchrt, da\u00df das Hochschulstudium des k\u00fcnftigen Lehrers bei allem reichen Inhalt doch so wenig Interesse erweckt","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\n27\nPsychologie des Vorstellens und des Denkens. Die Beziehung der AB zu den Vorstellungen ist ja nicht minder eng wie die zu den \"Wahrnehmungen; k\u00f6nnen sich doch beim \u201eEinheitstypus\u201c Vorstellungen, wie wir sahen, unmittelbar in AB umsetzen. Die Schwierigkeiten der Selbstbeobachtung, mit denen die Psychologie des Vorstellens und Denkens sonst zu k\u00e4mpfen hat, kommen hier in Wegfall. Ferner iinden sich die Eigent\u00fcmlichkeiten des Vorstellungslebens und seiner Verarbeitung bei den AB und ihrer Verarbeitung in deutlicherer Form wieder, so da\u00df die eidetische Methode eine Art mikroskopischer Untersuchung der Vorstellungsprozesse gestattet. Weil die AB mehr oder weniger bestimmt in die Au\u00dfenwelt lokalisiert werden, ist auch eine experimentelle Einflu\u00dfnahme hier in viel weiterem Umfange m\u00f6glich. Das mehr beobachtende Verfahren, auf das sich die Vor-stellungs- und Denkpsychologie sonst in weitem Umfang beschr\u00e4nkt sieht, kann hier in h\u00f6herem Ma\u00dfe durch das experimentelle ersetzt werden.\nBei der K\u00fcrze der Zeit ist es nicht m\u00f6glich, hier vorzuf\u00fchren, wie und mit welchen Ergebnissen die Problemgruppe des K\u00fclpe-schen Arbeitskreises und die Stumpf sehe Fragestellung nach dem Verh\u00e4ltnis von Funktions- und Assoziationspsychologie mit diesen Methoden neu aufzunehmen ist. Bez\u00fcglich dieser nahe verwandten Fragestellungen, die wir noch gegenw\u00e4rtig bearbeiten, gen\u00fcge der Hinweis auf das oben erw\u00e4hnte, parallellaufende Steigen von \u201eGe-d\u00e4chtnisstufe\u201c und \u201eInvarianzgrad\u201c. Damit ist f\u00fcr eine besondere Form der psychischen Vorstellungsverarbeitung, f\u00fcr die Befreiung der Residuen von der zuf\u00e4lligen Belation zwischen Subjekt und Objekt, dargetan, da\u00df diese Form der psychischen Verarbeitung zunimmt, in dem Ma\u00dfe als sich die Ged\u00e4chtnisbilder (mit steigender Stufe) von\nf\u00fcr den wichtigsten Gegenstand seiner sp\u00e4teren T\u00e4tigkeit, f\u00fcr den jugendlichen Menschen. Nach meinen akademischen Lehrerfahrungen ist der Einblick in die fast ungeahnt neue Welt, die die exakte Jugendpsychologie erschlie\u00dft, in h\u00f6chstem Ma\u00dfe geeignet, jenes Interesse zu erwecken. K\u00f6nnen wir nun unseren Studierenden zeigen, da\u00df dieses Gebiet zu den h\u00f6chsten Fragen des Denkens in Beziehung steht, und an seinem Teile mitwirkt, eine philosophische Synthese unseres Gesamtwissens herbeizuf\u00fchren, so beleben wir nicht nur dieses Interesse weiter, sondern entgehen auch ganz sicher der oft bef\u00fcrchteten Gefahr, durch psychologische Studien das Interesse vom Fachstudium ab- und vorzeitig der Praxis zuzuwenden. Ganz im Gegenteil liefert dieses mit so vielen Natur- und Geisteswissenschaften verkn\u00fcpfte Gebiet einen weiteren \u201eKonzentrationspunkt\u201c der Lehrerbildung, von dem aus die gesamte Berufsvorbereitung, einschlie\u00dflich der speziellen Fachstudien, Belebung erfahren kann (vgl. meine kleine Schrift : \u201eDas Schicksal und die Wege der neuen Psychologie\u201c. Cassel, Weber und Weidemeyer 1921).","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nE. R. Jaensch.\nder sinnlichen Lebhaftigkeit und Deutlichkeit der Empfindung entfernen. Die Frage, ob wir bei der Erkl\u00e4rung dieser psychischen Verarbeitung im Sinne der klassischen englischen Assoziationspsychologie *) mit bildm\u00e4\u00dfigen Reproduktionen auskommen, oder ob hierbei psychische Funktionen wesentlich beteiligt sind, wird durch die Untersuchung von Herrn Dr. Schweicher im Sinne der letzteren Alternative entschieden. \u2014 Ein anderes, nicht ganz so verwickeltes Gebiet will ich etwas n\u00e4her skizzieren: die Bildung der Allgemeinbegriffe.\nIn der Psychologie herrscht immer noch sehr stark eine Anschauung vor, die in der englischen Assoziationspsychologie vertreten wurde, gew\u00f6hnlich bis auf Aristoteles zur\u00fcckgef\u00fchrt wird und sich am besten durch den Hinweis auf die G alt on sehen Typenphotographien erl\u00e4utern l\u00e4\u00dft. Man konnte Rassen- und V\u00f6lkertypen in der Weise darstellen, da\u00df man die Bilder mehrerer einzelner Rassevertreter \u00fcbereinander druckte, z. B. mehrere Negerk\u00f6pfe. Die gemeinsamen Z\u00fcge verst\u00e4rken sich, die individuell verschiedenen l\u00f6schen sich gegenseitig aus, so da\u00df schlie\u00dflich nur die gemeinsamen \u00fcbrig bleiben. Ganz \u00e4hnlich soll nach jener verbreiteten Theorie der Allgemeinbegriff zustande kommen: Die \u00fcbereinstimmenden Z\u00fcge verst\u00e4rken sich, und nur die gemeinsamen bleiben \u00fcbrig. Gegen diese Begriffstheorie, oder wenigstens gegen ihre Allgemeing\u00fcltigkeit ist nun lebhaft Einspruch erhoben worden, vor allem von dem neukanti-schen Kreis \u2014 von Natorp und Cassirer \u2014, aber auch von der axiologischen, der ph\u00e4nomenologischen und der intuitionistischen Schule in der Erkenntnistheorie.\nUnserer eidetischen Methode erw\u00e4chst aus dem Problem des Allgemeinbegriffs folgende experimentelle Fragestellung: Was f\u00fcr ein AB entsteht, wenn mehrere individuell verschiedene Individuen des gleichen Gattungstypus nacheinander dargeboten und eingepr\u00e4gt werden ? Bildet sich eine Synthese, und von welcher Art ist sie ? \u2014 Als Resultat ausgedehnter Versuchsreihen, die ich selbst gemeinsam mit Dr. Schweicher angestellt habe, kann folgend es gesagt werden.\n*) Diese ist konsequenter philosophischer Ph\u00e4nomenalismus, l\u00e4\u00dft also ausschlie\u00dflichPh\u00e4nomene, d. h. bildm\u00e4\u00dfige Elemente des Denkens gelten. Mit der neueren, auf empirischer Grundlage, z. B. von G. E. M\u00fcller, vertretenen Assoziationspsychologie, die auch Funktionen anerkannt (vor allem die der \u201eAufmerksamkeit\u201c), stehen unsere Ergebnisse sehr wohl in Einklang. Die Verwechslung des Assoziationstheorems als empirisch begr\u00fcndeter Arbeitshypothese mit dem klassischen Assoziationsphilosophem gab zu vielen Mi\u00dfverst\u00e4ndnissen Anla\u00df.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\n29\nF\u00e4lle, die sich allenfalls nach Art der Galt on sehen Typenphotographien auffassen lassen, sind so vereinzelt und so wenig eindeutig, da\u00df ich auf Grund unserer Versuche kaum wagen w\u00fcrde, auch nur das Vorkommen dieser Synthesenform zu behaupten. Durchaus im \u00dcbergewicht stehen vielmehr zwei andere Synthesenformen, die wir als \u201eFluxion\u201c und als \u201esinngem\u00e4\u00dfe Komposition\u201c bezeichnen. Wir ben\u00f6tigen bei den Versuchen Objekte von \u00fcbereinstimmendem Gattungstypus, also gleicher Grundstruktur, aber individueller Differenzierung. Solche sind z. B. in der Natur die Bl\u00e4tter des Schneebeerstrauches. Sie kommen glattrandig vor, aber auch mit verschieden tiefen und verschieden zahlreichen Kerben. Auch die menschlichen Wirbelknochen zeigen solche individuelle Abweichungen bei \u00fcbereinstimmender\nFig. 6.\nGrundstruktur und dienten darum als geeignete Versuchsobjekte. Wir legen nun unseren Eidetikern solche Objekte vor, z. B. eine Beihe von Bl\u00e4ttern, deren Kerben immer tiefer und zahlreicher werden (Fig. 6). Das erste Blatt der Beihe wird kurze Zeit mit gro\u00dfer Aufmerksamkeit betrachtet, wie bei der Erzeugung eines AB; dann in derselben Weise das zweite und so fort bis zum letzten. Bei einer \u00abehr gro\u00dfen Zahl von Eidetikern erscheint dann am Schl\u00fcsse eine eigenartige Synthese, die die einzelnen Bilder zusammenfa\u00dft; aber es ist gar kein ruhendes Bild, sondern ein Bild, das sich in st\u00e4ndiger Bewegung und Ver\u00e4nderung befindet. Zuerst erscheint etwa das glatt-randige Blatt, dieses kerbt sich immer tiefer und an immer mehr Stellen ein, bis die st\u00e4rkste im Urbild vorkommende Kerbung erreicht oder \u00fcberschritten ist. Alsdann flachen sich die Kerben ebenso wieder kontinuierlich ab, bis die glattrandige Anfangsform wiederhergestellt ist. Diese \u201eFluxion\u201c, wie wir den Vorgang nennen, wiederholt sich oft noch mehrere Male. Sie war auch im Vorstellungsleben verschiedener Eidetiker nachweisbar und konnte hier durch ihren hohen Grad u. U. geradezu l\u00e4stig sein. Mit der Fluxion sind oftmals starke","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nE. R. Jaensch.\nEinf\u00fchlungen verbunden; ausdehnende und zusammenziehende Kr\u00e4fte werden in das fluierende Bild hineinverlegt. Die Fluxion erscheint dann dem Beobachter wie eine Wirkung von Kr\u00e4ften, die im Objekt t\u00e4tig sind; diese Einf\u00fchlungen waren zuweilen bei lebenden Objekten st\u00e4rker als bei toten, bei frischen Bl\u00e4ttern ausgesprochener als bei Blattattrappen, damit auch der ganze Fluxionsvorgang lebhafter und eindringlicher. Wir stie\u00dfen auch gelegentlich auf erwachsene Eide-tiker, die dieser Fluxion eine reale Bedeutung beima\u00dfen. Sie nahmen an, da\u00df die Gegenst\u00e4nde der Natur so auseinander hervorgehen, wie sie sie in der Fluxion auseinander hervorgehen sehen, und infolge der Kr\u00e4fte, die sie hier durch Einf\u00fchlung wahrzunehmen glauben. Zu diesen Eidetikern, die ihrer Fluxion eine reale Bedeutung beima\u00dfen, geh\u00f6rte auch Goethe. Goethe war Eidetiker, und er hat die Fluxion beschrieben fast mit den Worten unserer eigenen Beobachter. Seine Lehre von der Metamorphose der Pflanze, seine Osteologie, der gr\u00f6\u00dfere Teil seiner naturwissenschaftlichen Arbeiten \u00fcberhaupt ruht darauf, da\u00df die Fluxion die vorherrschende Form seiner Begriffsbildung ist, und da\u00df er dieser Fluxion reale Bedeutung beima\u00df.\nEr vertraute der Anschauung; wie er die Objekte auseinander hervor-\n\u2022 \u2022\ngehen sah, so waren sie seiner \u00dcberzeugung nach auch in der Natur auseinander hervorgegangen, z. B. die einzelnen Organe der Pflanze durch Ausdehnungen und Zusammenziehungen aus der Grundform des Blattes, der Sch\u00e4del und die Wirbelknochen aus einer einheitlichen Grundform usw.\nGerade an diesem Beispiel Goethes l\u00e4\u00dft sich zeigen, da\u00df die eidetische Anlage mit ihren eigent\u00fcmlichen Denkformen u. U. einen hohen geistigen Wert darstellen kann. Goethe stimmte lebhaft zu, als Heinroth sein Denken als ein \u201eanschauliches\u201c bezeichnete, d. h. als ein Denken, das sich von der Anschauung nicht losl\u00f6st, sondern aufs engste mit ihr verbunden bleibt. Die Fluxion, die nicht nur die AB, sondern auch das Vorstellungsleben vieler Eidetiker beherrscht, ist eine anschauliche Synthesenform oder Begriffsbildung, und zwar die, mit der Goethe als Wissenschaftler vorwiegend arbeitete. Helmholtz und neuerdings besonders der Botaniker H a n s e n haben nachzuweisen versucht, da\u00df diese Art der Begriffsbildung bei Goethe in den biologischen Disziplinen einst bahnbrechend war, wie sehr seine wissenschaftlichen Einzelergebnisse auch heute \u00fcberholt sind. Diese Begriffsbildung, die wir als Fluxion bezeichneten und die sich so besonders gut in den AB studieren l\u00e4\u00dft, ist die anschauliche Form des Reihenbegriffs. Nach den Darlegungen Cassirers","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\n31\nist der Reihenbegriff eine der wichtigsten Formen des wissen-schaftlichen Allgemeinbegriffs. Als Beispiel eines Reihenbegriffs kann etwa die allgemeine Kegelschnittgleichung dienen. In dem Typenbegriff der englischen Assoziationspsychologie sind die Individuen und die individuellen Z\u00fcge getilgt ; in dem Reihenbegriff dagegen sind die einzelnen Individuen enthalten. Variiert man in der Kegelschnittgleichung die Parameter, so erh\u00e4lt man die Gesamtheit der Kegelschnitte. Ganz entsprechend ist die Fluxion eine Synthesenform, in der die einzelnen Individuen nicht untergehen, sondern vielmehr zu einem einheitlichen Vorgang aneinandergereiht werden. Die Fluxion vertritt den Reihenbegriff im Gebiet des anschau liehen Denkens; sie ist eine der h\u00e4ufigsten und zugleich die einfachste der Synthesenformen, die hier Vorkommen. \u2014 Ich mu\u00df es mir versagen, auf andere Synthesenformen, vor allem auf die gleichfalls sehr h\u00e4ufige und im anschaulichen Denken besonders wichtige \u201esinngem\u00e4\u00dfe Komposition\u201c der AB n\u00e4her einzugehen. Wie die Fluxion zum Reihenbegriff der Neukantianer, so steht die sinngem\u00e4\u00dfe Komposition in enger Beziehung zu der intuitiven Begriffsbildung und Intuition, deren Bedeutung die franz\u00f6sische Psychologie jetzt in allerdings wohl nur halbrichtigen Lehren so sehr hervorhebt, und deren st\u00e4rkere Ber\u00fccksichtigung in der menschlichen Geisteskultur sie fordert.\nEs konnte hier nur an einigen wenigen Beispielen angedeutet werden, wie das Sinnenged\u00e4chtnis schon hochwertige Funktionen aus\u00fcbt, und wieso es gelegentlich sogar zu historisch bedeutsamen Leistungen f\u00fchren konnte. Dieser Tatbestand n\u00f6tigt dazu, in ganz vorsichtiger Form die Frage aufzuwerfen, ob nicht vielleicht unter der jahrhundertelangen Herrschaft des Rationalismus der Pflege des anschaulichen Denkens im allgemeinen und des eidetischen Jugendtypus im besonderen etwas zu kurz gekommen ist. Diese Frage wird nahegelegt, wenn man sieht, wie unsere erwachsenen Eidetiker ihre Anlage bei der Arbeit benutzen, und wie sie sie oft als einen kostbaren Besitz betrachten, den sie keinenfalls missen m\u00f6chten. Unter meinen Beobachtern hatte ich einen jungen Mathematiker, der erkl\u00e4rte ^bei seiner Arbeit die Anschauungsbilder und das anschauliche Denken gar nicht entbehren zu k\u00f6nnen. Wir arbeiteten viel mit einem Anglisten, dessen allgemeinger\u00fchmte Aussprache einfach daher r\u00fchrte, da\u00df er sich seinen Londoner Sprachlehrer und die Art seiner Aussprache im optischen und akustischen Anschauungsbild jederzeit ver-gegenw\u00e4rtigen konnte. \u00c4hnliches l\u00e4\u00dft sich auch in der Geschichte der Wissenschaft, besonders der Naturwissenschaft, aufzeigen. Eng","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nE. R. Jaensch.\nist aber auch die Beziehung der eidetischen Anlage zur k\u00fcnstlerischen. So konnte Kr oh das Vorhandensein der eidetischen Anlage bei verschiedenen bedeutenden Dichtern wahrscheinlich machen, und einen eidetischen Schriftsteller, einen eidetischen Maler habe ich unter meinem eigenen Beobachtungsmaterial. Die Bedeutung der Anschauungsbilder f\u00fcr die \u00c4sthetik erhellt nicht nur aus dem anscheinend h\u00e4ufigen Vorkommen eidetischer Veranlagung bei K\u00fcnstlern1), sondern auch aus der ph\u00e4nomenologischen Struktur der Bilder selbst. Inhaltlich den realen Objekten gleichend, werden sie doch meist von solchen unterschieden und als blo\u00dfe \u201eBilder\u201c erkannt. Somit haben sie einen rganz \u00e4hnlichen Bealit\u00e4tscharakter wie den, welche der \u00c4sthetiker Konrad Lange als wesentlich f\u00fcr das Kunstwerk ansieht, wenn er \u25a0die \u201ebewu\u00dfte Selbstt\u00e4uschung\u201c als Quelle des k\u00fcnstlerischen Schaffens und Genie\u00dfens betrachtet. Die Zwischenstellung der AB zwischen Wahrnehmung und Vorstellung erinnert auch an die Lehren Konrad Fiedlers, Hans v. Mar\u00e9es, Adolf Hildebrands, nach denen das Kunstwerk eine nach au\u00dfen verlegte Vorstellung festh\u00e4lt. Diese Beziehung zur Kunst wird noch verst\u00e4ndlicher, wenn man das Pers\u00f6nlichkeitsbild derer ins Auge fa\u00dft, die die Eigent\u00fcmlichkeit zeitlebens bewahren. Wo immer die moderne Psychologie ihren ^Gegenstand schon etwas tiefer zu erkennen beginnt, wird sie \u00fcber den Standort hinausgef\u00fchrt, auf dem sie \u201ePsychologie ohne Seele\u201c hie\u00df. Bei der Einheit und Verflechtung alles geistigen Lebens w\u00e4re unser Bem\u00fchen unvollst\u00e4ndig geblieben ohne den Versuch, auch die \u2018Gesamtpers\u00f6nlichkeit unserer Beobachter nachforschend und einf\u00fchlend zu verstehen. Die eidetische Anlage erw\u00e4chst bei einer .gro\u00dfen Gruppe der Eidetischen und wahrscheinlich bei allen, die es bleiben, auf dem Boden einer emotionalen und intellektuellen Pers\u00f6nlichkeitsstruktur, die ihren sch\u00e4rfsten, wenn auch einseitigsten Ausdruck in der Bomantik fand, und es ist kein Zufall, da\u00df unter Krohs \u201eeidetischen Dichtern\u201c gerade Ti eck die eindeutigste Diagnose gestattete. Die romantische Pers\u00f6nlichkeitsart stellt aber nach den Untersuchungen meines anglistischen Kollegen Deutschbein2), nicht eine Erscheinung dar, die auf eine bestimmte Zeit beschr\u00e4nkt ist,\nx) Eine Untersuchung von Herrn Po litt \u00fcber die Beziehung der AB zur Zeichenf\u00e4higkeit l\u00e4\u00dft erkennen, da\u00df durchaus nicht alle Eidetiker ihre AB nachzeichnen k\u00f6nnen, und erkl\u00e4rt damit die zun\u00e4chst befremdliche Tatsache, da\u00df man der F\u00e4higkeit zum erscheinungstreuen Zeichnen bei den Jugendlichen so selten begegnet.\n2) M. Deutschbein, Das Wesen des Romantischen. C\u00f6then 1921.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die subjektiven Anschauungsbilder.\n38\nsondern einen gewissen bleibenden Typus, der immer wiederkehrt und der \u00fcberall dort, wo er sich nicht in Sackgassen verliert, eines der wichtigsten Fermente k\u00fcnstlerischer Kultur und Leistung x) bildet Aus dem Zusammenhang zwischen dieser Geistesart und demjenigen eidetischen Jugendtypus, der lebensl\u00e4nglich bleibt und darum f\u00fcr die Kultur der wichtigste ist, erkl\u00e4rt sich auch die oft hervorgehobene Affinit\u00e4t von Romantik und Jugend. Innerlich verr\u00e4t sie sich in der r\u00fcckw\u00e4rts gewandten Sehnsucht der Romantik, f\u00fcr die das Leben des Menschen und der Menschheit kein Fortschreiten ist, sondern nur ein st\u00e4ndiges Niedersteigen von den leuchtenden H\u00f6hen der Jugend, und der sogar, \u2014 nimmt man den zugespitztesten Ausdruck in der Bergsonschen Neuromantik hinzu \u2014 der gr\u00f6\u00dfte Teil des Naturgeschehens als eine r\u00fcckw\u00e4rts gerichtete Bewegung erscheint, \u201ewie ein fallendes Gewicht\u201c, wie ein Absinken von dem sch\u00f6pferischen \u201eElan vital\u201c des Anfangs. Aeu\u00dferlich tritt diese Affinit\u00e4t darin hervor, da\u00df die Kultur \u00fcberall dort, wo die Jugend st\u00e4rkeren Einflu\u00df \u00fcbt, einen Einschlag von Romantik gewinnt, der freilich \u00f6fter abwegig als zielsicher ist; denn noch entspringt die Forderung der \u201eJugendkultur\u201c meist gef\u00fchlsm\u00e4\u00dfigen W\u00fcnschen, noch fehlt es ihr an verst\u00e4ndnisvoller Leitung und Beratung, die die menschlichen Anlagen auf die darin schlummernden Werte durchforscht, n\u00f6tigenfalls aber auch z\u00fcgelt und vor Verirrungen bewahrt, namentlich vor der, sich selbst, die ungereifte Entelechie, vorschnell an den Platz bew\u00e4hrter und gereifter Formen zu setzen. \u201eReif sein ist\u201c \u2014 viel, aber nicht \u201ealle s\u201c, und die Psychologie darf auch an den eigent\u00fcmlichen Werten der Jugend nicht achtlos vor\u00fcbergehen.\nDa\u00df die eidetische Anlage einen gewissen Wert darstellt, erkennt man am deutlichsten, wenn man den eben betrachteten Gegenstand in sehr verkleinertem Ma\u00dfstab ins Auge fa\u00dft und die schriftstellerischen Erzeugnisse jugendlicher Eidetiker und Nichteidetiker vergleicht, wie es Kr oh bei Quartanern tat, die noch keinen Aufsatzunterricht gehabt hatten. Da findet sich auf der einen Seite vorwiegend eine anschauungsges\u00e4ttigte Darstellung, auf der anderen \u00fcberwiegend die konventionelle Sch\u00fclermanier. Das Thema lautete : \u201eMeine Lieblingsbesch\u00e4ftigung\u201c. Wir stellen als Beispiel die Bearbeitung je eines Eidetikers und eines Nichteidetikers nebeneinander.\n*) Auch der wissenschaftlichen k\u00f6nnen wir hinzuf\u00fcgen. Die deutsche Romantik trieb sogar ihre feinste Bl\u00fcte im Scho\u00dfe der Preu\u00dfischen Akademie \u2014 wie man aus Harnacks Darstellung ihrer Geschichte entnehmen kann \u2014 in der Ara der Schleiermacher, Banke, Savigny und Grimm, die die historischen Geisteswissenschaften begr\u00fcndet hat.\nBericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df.\n3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nE. R. Jaensch.\n\u201eIch will schnell zuerst einen Sonntag erz\u00e4hlen, wo ich meiner Lieblingsbesch\u00e4ftigung nachging. Es schlug 5% Uhr. Mein Wecker rasselt. Schnell ist man in den Kleidern, hat das Notizbuch, Bleistift alles ist zur Hand. Nun hinaus in die Natur. Der Nebel l\u00e4\u00dft keine drei Schritte weit sehen. Heute geht es in eine feuchte Waldlichtung. Lord mein Hund wird an die Kette genommen, um ihm das Jagdfieber zu vertreiben. Schnell haben wir uns an einen Weidenbusch h\u00e4uslich niedergelassen. Blutrot ist der Himmel und die Lerche weckt die Schl\u00e4fer. In der Stadt mag jetzt auch das Leben beginnen. \u201eMorgen Herr Schulze\u201c, \u201eMorgen Herr M\u00fcller, sch\u00f6n Tagche heute\u201c. Aber weiter wird vom jungen Tag nichts wargenommen. Nichts von der Herrlichkeit, die er weckt. Aber nun wieder zu unserer Lichtung. Eine Seite nach der andern wird gef\u00fcllt. Einiges hiervon will ich aufz\u00e4hlen: Ein Rotkelchen fliegt hinzu, um zu trinken. Ein schmuckes Weibchen. Da, ein Lockruf und ein M\u00e4nnchen h\u00fcpft herzu. Sie Schn\u00e4beln sich, tanzen herum und pl\u00f6tzlich sitzt das M\u00e4nnchen auf ihrem R\u00fccken. Da f\u00e4hrt Lord, der Hund, auf das P\u00e4rchen zu und sie fliegen in den Wald. Ringelnattern, K\u00e4fern und viele andere Tiere habe ich da beobachtet. Nun aber ist Mittag. Das Leben erstirbt und wir wandern nach Hause. Dies war meine Lieblingsbesch\u00e4ftigung. Wenn ich aber dies nicht kann, so lese ich, lese alles, was ich erreichen kann, am liebsten \u00fcber Natur. Und das ist und bleibt mein Steckenpferd, wie man zu sagen pflegt. Ich halte mir deshalb auch Aquarien. Auch liebe ich die Landwirtschaft \u00fcber alles.\u201c \u2014\n\u201eMeine Lieblingsbesch\u00e4ftigung in der Schule ist Zeichnen, Franz\u00f6sisch, Geschichte, Rechnen und Turnen. Sobald die Schule aus ist, begebe ich mich nach Hause. Ich esse zu Mittag und mache meine Schulaufgaben. Wenn ich die Aufgaben gemacht habe, dann gehe ich spazieren. Am liebsten aber mache ich einen Spaziergang. Ich lege mich jeden Mittag eine viertel Stunde in mein Bett. Eine Indianergeschichte ist eine Besch\u00e4ftigung f\u00fcr mich. Sobald es aber Abend wird, begebe ich mich nach Hause. Wenn ich gegessen habe, lege ich mich zu Bett. Dies ist meine Lieblingsbesch\u00e4ftigung.\u201c\nSelbst f\u00fcr das anscheinend fernliegende Gebiet des sprachlichen Ansdrucks ist der eidetische Typus von Bedeutung ; denn wir konnten immer wieder beobachten, wie selbst sprachlich Ungewandten ganz von selbst die Zunge sich l\u00f6st, wenn sie die AB schildern. Diese dr\u00e4ngen gleichsam nach Ausdruck und f\u00fchren eben darum bei sonst geeignet Veranlagten zu k\u00fcnstlerischem Schaffen.\nAber wie \u00fcberall, so m\u00fc\u00dfte auch hier bei praktischen Anwendungen und Folgerungen gr\u00f6\u00dfte Vorsicht obwalten. Schon Krohs Aufsatzbefunde lassen zuweilen erkennen, da\u00df der Wert der eidetischen Anlage auch zu einem relativen Unwert werden kann, z. B. dann, wenn sich nur noch Bild an Bild reiht, der logische Zusammenhang gelockert und das Thema aus den Augen verloren wird. Ganz besonders aber mahnen hier zur Vorsicht die psychophysischen Konstitutionsuntersuchungen, wie sie W altherJaensch durchgef\u00fchrt hat. Diese","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022\u2022\nUber die subjektiven Anschauungsbilder.\t35\nergeben, da\u00df die Eidetiker zu ganz bestimmten psychophysischen Konstitutionstypen geh\u00f6ren, die im allgemeinen nur eine individuelle Charakteristik der jugendlichen Pers\u00f6nlichkeit darstellen, in den ausgesprochensten Grenzf\u00e4llen aber pathologisch sind und zu bekannten klinischen Zustandsbildern in Beziehung stehen. Ganz allgemein erscheint ein enges Zusammenarbeiten zwischen psychologisch gerichteter P\u00e4dagogik und wissenschaftlicher Schulmedizin als ein dringendes Erfordernis, zumal sich gezeigt hat, da\u00df die physische und psychische Konstitution auf internem Wege so weitgehend umgestimmt werden kann, wenn die psychophysische Konstitution fr\u00fch genug gepr\u00fcft und erkannt wird. Die oben angedeutete Kalziumbeeinflussung ist daf\u00fcr nur ein Beispiel. Nur in dem Zusammenwirken von Psychologie und Medizin kann auch der Frage n\u00e4hergetreten werden, inwieweit der eidetische Jugendtypus und das anschauliche Denken \u00fcberhaupt etwa der Pflege bedarf.\nDiese Frage ordnet sich einem weiteren Kreise von Kulturproblemen ein, die zu den meist er\u00f6rterten der Gegenwart geh\u00f6ren, und bei denen Psychologie und Anthropologie im weitesten Sinne entscheidend mitzusprechen haben. In der Anthropologie hat besonders Klaatsch in seinem ausgedehnten Lebenswerk den Nachweis versucht, die Vorzugsstellung der h\u00f6heren Organismen und des Menschen r\u00fchre daher, da\u00df sie uranf\u00e4ngliches Eigentum sich bewahrten und nicht durch einseitige Anpassungen verk\u00fcmmern lie\u00dfen, wie es bei anderen Wesen vielfach geschehen ist. Somit w\u00e4re es Aufgabe, dar\u00fcber zu wachen, da\u00df von den urspr\u00fcnglichen Anlagen der Menschennatur nichts Wertvolles durch einseitige Anpassungen verloren gehe. Den Kultur- und Bildungser\u00f6rterungen der Gegenwart liegt fast durchweg die instinktive \u00dcberzeugung zugrunde, da\u00df der Bationalismus der letzten Jahrhunderte und das vorwiegend technische Kultursystem wertvolle Seiten des Menschenwesens verk\u00fcmmern lie\u00dfen. \u00dcberall begegnen wir heute darum einem tiefen Verlangen nach der Wiederherstellung des urspr\u00fcnglichen harmonischen Menschenwesens. Dieses Verlangen ist das Gemeinsame in der gegenw\u00e4rtigen Neuromantik, in den Jugendbewegungen und den oft \u00fcber das Ziel gehenden Jugendkulturforderungen, in dem Kampfe gegen das einseitig technische Kultursystem bei den Gesinnungsgenossen Bergsons und Schelers, bei den Anh\u00e4ngern der nachkantischen idealistischen Philosophie und in den Kreisen, die auf den Wert der \u00e4lteren Kulturen hinweisen. Es gibt in dieser Hinsicht jedenfalls zu denken, wenn unsere Untersuchung an einem deutlichen und greifbaren Beispiel zeigt, da\u00df der\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nE. R. Jaensch.\njugendliche Mensch nicht in jeder Hinsicht nur ein depotenzierter Erwachsener ist, sondern Anlagen besitzt, die wir im sp\u00e4teren Leben im allgemeinen verk\u00fcmmern lassen. Zu welchen Ergebnissen und praktischen Forderungen die weitere Untersuchung auch f\u00fchren mag, schon durch das Bisherige d\u00fcrfte erwiesen sein, da\u00df die Psychologie berufen ist, an der wichtigsten Aufgabe aller philosophischen Disziplinen mitzuarbeiten, die seit den Tagen des Sokrates immer darin bestand, die Welt nicht nur im intellektuellen Sinne zu verstehen, sondern auch dem Leben und der Kultur eine F\u00fchrerin zu sein, ihnen den Weg nach oben zu weisen.\nBeilagen.\nI. Stenogramm einer Bildbesehreibung (zu S. 5).\nAuf ausdr\u00fccklichen Wunsch mehrerer Kongre\u00dfteilnehmer folgt hier die stenographische Wiedergabe einer Bildbeschreibung. Ich glaube diesem freundlichen Ersuchen, auch die Vorf\u00fchrungen in jener Sitzung festgehalten zu sehen, immerhin am genauesten zu entsprechen, wenn ich denselben Beobachter und dieselbe Vorlage wie damals w\u00e4hle (Fig. 7). Wissenschaftlich \u00fcberzeugend kann allerdings nur die e rs t -malige Beschreibung eines Bildes sein; aber durch Vergleich der nachfolgenden Schilderung mit ihrer Erinnerung werden die, deren freundliche Bitte ich hiermit erf\u00fclle, leicht feststellen k\u00f6nnen, da\u00df damals die Schilderung auf Grund der erstmaligen Darbietung der Vorlage nicht wesentlich anders verlief.\nBeobachter: Untersekundaner Georg Wolf, 14 Jahr. Darbietungszeit der Vorlage: etwa 1 Minute. Stenogramm, auf genommen von Herrn cand. rer. nat. Eugen Buhlmann (zeitweiligem Parlamentsstenographen) am 26. V. 21, also 5 Wochen nach der Sitzung1); einige belanglose Korrekturen aus der Erinnerung des Versuchsleiters.\n\u201eDa ist zun\u00e4chst vorn ein Haus. Davor ist ein B\u00fcrgersteig, und an der Ecke dieses B\u00fcrgersteiges ist ein Eckstein, und von links kommt ein Bedienter von einem Hotel angefahren. Der hat einen zweir\u00e4drigen Karren, und auf dem Karren liegen verschiedene Gep\u00e4ckst\u00fccke, und da er auf die Stra\u00dfe hinguckt und nicht aufpa\u00dft, rennt er mit dem Karren gegen den Eckstein, und dabei fliegen zwei Gep\u00e4ckst\u00fccke\n1) Die Vorlage war dem Beobachter in der Zwischenzeit nat\u00fcrlich nicht zu Gesicht gekommen.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\t37\nheraus\u201c. \u2014 \u201eKannst Du die einzelnen St\u00fccke, die herausfallen, genauer schildern?\u201c \u2014 \u201eDa ist oben ein Koffer. Aus dem Koffer sind verschiedene Sachen herausgefallen.\u201c \u2014 \u201eKannst Du sie der Reihe nach, wie sie herausgefallen sind, auf z\u00e4hlen ? \u201c \u2014 \u201eZuletzt herausgefallen ist ein Handspiegel mit einem Griff, dann eine Bretzel, zwei K\u00e4mme, ein Handschuh, eine Schere und auf dem Boden ein zusammengebundenes Paket mit W\u00e4sche. Auf der Stra\u00dfe liegt ein Apfel mit einem Blatt.\nFig. 7.\n(Verkleinert auf 2/3 der Original Vorlage.)\nDann liegen auf dem Boden zwei Flaschen. Die rechte, eine gr\u00f6\u00dfere, ist entzweigesprungen, und der Inhalt flie\u00dft heraus. Die linke ist etwas kleiner. Sie ist nicht entzweigesprungen. Es flie\u00dft aber der Inhalt heraus. Nun ist da ein unliebsamer Vorgang; denn die Frau, gegen die die Gep\u00e4ckst\u00fccke gekommen sind, hat ihren Schirm erhoben und damit einen Mann getroffen, der hinter ihr steht. Der andere Mann, der direkt neben der Frau steht, hat einen Hut auf, eine Art Filzhut mit einer Feder darauf.\u201c \u2014 \u201eWie steht die Feder?\u201c \u2014 \u201eDie","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nE. R. Jaensch.\nFeder steht nach hinten und ist gebogen.44 \u2014 \u201eKannst Du noch weitere\nEinzelheiten an der Kleidung des Mannes schildern ?44 \u2014 \u201eDer Mann\nist nicht ganz glatt angezogen. Die Hose hat viele Falten. Die\nSchuhe scheinen vorn durchbrochen zu sein. Man wei\u00df nicht,\nob es Sandalen sind.44 \u2014 \u201eKannst Du die Frau noch etwas genauer\nschildern?44 \u2014 \u201eDie Frau hat zwei bis drei Federn an ihrem\nHut. Sie scheint eine Brille zu tragen; vielleicht ist es auch ein\nZwicker, man sieht\u2019s nicht genau. Um den Hals hat sie ein Medaillon\nh\u00e4ngen. Sie tr\u00e4gt einen G\u00fcrtel mit zwei bis drei Kn\u00f6pfen.44 \u2014\n\u201eWieviel Kn\u00f6pfe siehst Du genau?44 \u2014 \u201eDrei Kn\u00f6pfe. Der Mann,\nder von dem Schirm getroffen ist, der hat einen Strohhut auf mit\neinem Band.44 \u2014 \u201eHat er den Hut auf?44 \u2014 \u201eNein, er ist in der\nLuft, weil der Mann den Kopf nach hinten bewegt hat. Der Hut\n__ \u2022\u2022\ntr\u00e4gt zwei Federn.\u201c \u2014 \u201eWie stehen die Federn?\u201c \u2014 \u201e\u00c4hnlich wie vorhin bei dem Hut, nach hinten.\u201c \u2014 \u201eSind sonst noch Einzelheiten an dem Aussehen des Mannes zu erkennen ?44 \u2014 \u201eEr hat in der linken Hand eine Zigarre. Die hat er nicht mehr in der Hand, sondern die ist hingefallen und brennt, und zwar ist sie ziemlich frisch angebrannt. In der rechten Hand h\u00e4lt er einen Handschuh.\u201c \u2014 \u201eWas ist \u00fcber die Stellung der Beine zu sagen?\u201c \u2014 \u201eDas rechte Bein steht auf dem Boden und ist etwas gekr\u00fcmmt. Das linke Bein ist nicht ganz gerade und ist gekr\u00fcmmt\tin der\tLuft\tetwas \u00fcber\tdem\nBoden.\u201c\t\u2014 \u201eWas hat der Mann f\u00fcr\tSchuhe\tan?44\t\u2014 \u201eHalbschuhe.\nMan sieht auch vorn Kn\u00f6pfe daran oder vielleicht auch Schnallen.44 \u2014 \u201eSiehst Du die Flaschen noch?\u201c \u2014 \u201eJa\u00bb\u201c \u2014 \u201eKannst Du n\u00e4her schildern, wie die Fl\u00fcssigkeit herausflie\u00dft?44 \u2014 \u201eBei der rechten Flasche flie\u00dft die Fl\u00fcssigkeit mitten aus der Flasche heraus und breitet sich nach vorn aus.\u201c \u2014 \u201eWie denn?\u201c \u2014 \u201eDreieckig.\u201c \u2014 \u201eWie flie\u00dft der Inhalt aus der anderen Flasche heraus ?44 \u2014 \u201eDie Fl\u00fcssigkeit ist\tnicht so breit wie bei der\tandero\tFlasche, sondern\tganz\nschmal.\tSie macht zun\u00e4chst einen\tBogen\tnach\tlinks und\tdann\nwieder nach rechts.44\n\u201eSind auch Tiere auf dem Bild zu sehen?\u201c \u2014 \u201eEs sind vorn drei Hunde.\u201c \u2014 \u201eDer rechte scheint ein Dackel zu sein. Der hat den Kopf nach links, parallel mit dem B\u00fcrgersteig. Man sieht nur drei Beine von ihm, und zwar zwei Vorderbeine und ein Hinterbein. Sein Schwanz steht gerade nach hinten. In der Mitte ist noch ein kleiner Hund. Das ist ein Mops, ein kleiner dicker. Von dem sieht man auch nur drei Beine. Sein Schwanz ist eingezogen. Links ist ein etwas gr\u00f6\u00dferer Hund, auch ein Dackel, der bellt.44 \u2014 \u201eIst das","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\n39\nwirklich auch ein Dackel? Sieh Dir mal seinen Schwanz an!\u201c \u2014 \u201eDer Dackel rechts hat einen glatten Schwanz. Bei diesem Hund ist er behaart.\u201c \u2014 \u201eHat er einen Kopf wie ein Dackel?\u201c \u2014 \u201eDer Kopf ist nicht genau dem eines Dackels gleich. Der Dackel hat einen mehr spitzen Kopf.\u201c \u2014 \u201eWieviel Beine siehst Du bei diesem Hund?\u201c \u2014 \u201eVon dem sieht man vier Beine. Die Vorderbeine sind hoch, als ob er springen wollte. Um den Hals tr\u00e4gt er ein Halsband. Es sieht so aus, als ob es mit kleinen Metallst\u00fccken besetzt w\u00e4re. Er hat das Maul offen. Es sieht so aus, als ob von der Oberlippe Haare herunterhingen.\u201c x) \u2014 \u201eSieht man nicht die Zunge vom Hund? \u201c\n\u2014\t\u201eJa. Die Zunge ist erst gerade und dann nach unten gebogen, S-f\u00f6rmig gebogen.\u201c\n\u201eSchildere mal noch weitere Einzelheiten auf dem Bild!\u201c *-\u2014 \u201eDa ist ganz hinten eine Kirche zu sehen und davor ein kleiner Park. Links stehen zwei Buchen und rechts eine Pappel.\u201c \u2014 \u201eBeschreibe mal die Pappel noch n\u00e4her!\u201c \u2014 \u201eDie Pappel ist ziemlich lang und schmal, erreicht die H\u00f6he der Kirche. Von den Buchen ist die eine kleiner.\u201c \u2014 \u201eSieht man an der Pappel \u00c4ste?\u201c \u2014 \u201eJa.\u201c \u2014 \u201eViele?\u201c\n\u2014\t\u201eNein.\u201c \u2014 \u201eGeht die Pappel in eine Spitze aus?\u201c \u2014 \u201eIn eine gr\u00f6\u00dfere und kleinere.\u201c\n\u201eWas siehst Du auf dem Wege, der an der Pappel vorbeif\u00fchrt?\u201c \u2014 \u201eVorn ist ein Wagen, mit einem Pferd bespannt. Der Wagen f\u00e4hrt nach links. Darauf ist ein Kutscher. Er hat eine Art Zylinderhut auf und eine Peitsche in der Hand.\u201c \u2014 \u201eWie sitzt der Kutscher ? \u201c \u2014 \u201eEr sitzt ein klein wenig nach vorn \u00fcbergeneigt.\u201c \u2014 \u201eWie steht das Pferd?\u201c \u2014 \u201eDer eine Vorderfu\u00df des Pferdes ist hochgehoben. Man kann durch den Wagen hindurchsehen. Er ist oben geschlossen. Vorn auf der Wiese sind zwei Jungen. Ob sie spielen oder Ernst machen, wei\u00df man nicht; denn der eine, der hinter dem andern herl\u00e4uft, hat einen Kn\u00fcppel in der Hand.\u201c\n\u2014\t\u201eWie h\u00e4lt er den Kn\u00fcppel? \u201c \u2014 \u201eEr h\u00e4lt ihn mit der rechten Hand in die H\u00f6he, und er ist nach hinten geneigt.\u201c \u2014 \u201eLaufen die beiden Knaben \u00fcber die Stra\u00dfe? \u201c \u2014 \u201eNein, sie sind auf die Wiese gelaufen.\u201c\n\u2014\t\u201eWelche anderen Personen sind noch auf dem Bilde zu sehen?\u201c.*\n\u2014\t\u201eGanz links ist ein G\u00e4rtner.\u201c \u2014 \u201eIn welcher Stellung ? \u201c \u2014 \u201eDer G\u00e4rtner sieht nach rechts, nach der Szene vorn mit dem Hoteldiener., Er hat einen Spaten in der Hand. Der Mann neben ihm sieht aus wie ein Tagedieb. Er hat beide H\u00e4nde in den Hosentaschen und\nl) Es sind wohl Z\u00e4hne; zur Not kann man sie aber auch als Haare auffassen. Der Verf.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nE. E. Jaensch.\neine gefleckte Weste an. Er scheint auch eine Uhr zu haben; dehn-man sieht das Uhrband.\u201c \u2014 \u201eWie h\u00e4ngt die Uhrkette?\u201c \u2014 \u201eDer Riemen h\u00e4ngt nach unten.\u201c \u2014 \u00bbWie ist die Weste?\u201c \u2014 \u201eSie ist gefleckt und wei\u00df.\u201c \u2014 \u00bbWie sieht sein Schlips aus?\u201c \u2014 \u201eEr hat einen gro\u00dfen Schlips. Er sieht aus wie ein breites Tuch.\u201c -\u2014 \u201eSind seine Hosen ganz ? \u201c \u2014 \u201eDas ist nicht ganz zu sehen. Er hat beide H\u00e4nde in den Taschen. Er hat am Hals einen Schlips, so eine Art Taschentuch, ganz breit.\u201c \u2014 \u201eWas steht links neben dem G\u00e4rtner?\u201c \u2014 \u00bbEin Schubkarren mit zwei Spaten darauf, die im Sand eingesteckt sind.\u201c\n\u2014\t\u00bbWie stehen die beiden Spaten?\u201c \u2014 \u00bbDer eine nach rechts, der linke nach oben.\u201c \u2014 \u201eKannst Du die Griffe von den Spaten genauer beschreiben ? \u201c \u2014 \u00bbDie Griffe sind in einem St\u00fcck gearbeitet, und aus diesem St\u00fcck ist so etwas \u00e4hnliches wie ein Dreieck herausgenommen.\u201c \u2014 \u201eWelcher Griff ist das?\u201c \u2014 \u201eDer rechte.\u201c \u2014 \u201eWas f\u00fcr einen Griff hat der andere Spaten ? \u201c \u2014 \u201eDer Griff sieht aus wie ein Kreuz.\u201c\n\u201eSchildere noch andere Einzelheiten auf dem Bilde!\u201c \u2014 \u201eVom steht eine Bogenlampe. Sie ist nach rechts geneigt. Ganz rechts steht noch eine Gaslampe.\u201c \u2014 \u201eSchildere die Kirche im Hintergrund etwas genauer!\u201c \u2014 \u201eVorn an der Kirche sieht man etwas wie ein kleines Fenster. Es sieht aus wie eine Uhr, ist aber ein Fenster. Es ist in vier Teile geteilt. Oben am Turm sind noch Fenster.\u201c \u2014 \u201eWieviel?\u201c \u2014 \u201eZwei.\u201c \u2014 \u201eHat die Kirche nur einen Turm?\u201c \u2014 \u201eNein, zwei. Vorn ist ein ganz hoher und dahinter ein kleiner Turm.\u201c\n\u2014\t\u201eSind an der Vorderfront auch noch T\u00fcrmchen?\u201c \u2014 \u201eJa, ganz kleine, rechts und links, nur kleine Verzierungen.\u201c \u2014 \u201eWas ist noch rechts auf dem Bilde Bemerkenswertes zu sehen?\u201c \u2014 \u201eGanz rechts ist noch so etwas wie ein Haus zu sehen. Man sieht eine T\u00fcr. Die scheint ge\u00f6ffnet zu sein, und dar\u00fcber steht das Wort \u201eEingang.\u201c \u2014 \u201eIst das Wort \u201eEingang\u201c ganz zu sehen?\u201c \u2014 \u201eNein, es ist: ganz komisch. Das letzte \u201eg\u201c am Ende sieht man \u00fcberhaupt nicht. Das \u201eE\u201c am Anfang ist ganz dick gedruckt und das \u201ei\u201c; das erste \u201eg\u201c und \u201ea\u201c wieder ganz d\u00fcnn. Links an dem Haus ist noch ein Plakat zu sehen.\u201c \u2014 \u201eWelche Aufschrift hat das Plakat?\u201c \u2014 \u201eIn der ersten Reihe steht \u201eFu\u00dfball\u201c, dann kommt ein Gedankenstrich, darunter \u201eWettspiel\u201c, darunter \u201eGermania\u201c und darunter wieder \u201eFu\u00dfball\u201c und darunter \u201eClub\u201c. \u2014 \u201eIst alles deutlich zu sehen?\u201c \u2014 \u201eIn der ersten Reihe ist oben links in der Ecke von dem Blatt ein St\u00fcck umgeschlagen. Das \u201eF\u201c und \u201eu\u201c von \u201eFu\u00dfball\u201c sind nicht zu sehen. Unten rechts ist etwas abgerissen. Man kann aber doch noch alles lesen.\u201c","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\n41\n^Du hast bis jetzt alle Tiere und alle Personen auf der Erde geschildert. Sind noch weitere Tiere in der Luft zu sehen?\u201c \u2014 \u201eLinks hinter der Kirche sind zwei V\u00f6gel, ein gr\u00f6\u00dferer und ein kleinerer.\u201c \u2014 \u201eKannst Du die n\u00e4her schildern?\u201c \u2014 \u201eDas scheinen Haben zu sein.\u201c \u2014 \u201eIn welcher Richtung fliegen sie?\u201c \u2014 \u201eNach vorn.\u201c \u2014 \u201eWelche Einzelheiten kannst Du noch weiter erkennen?\u201c \u2014 \u201eGanz hinten sieht man verschiedene Berge. Auf dem einen ist ein kleiner Aussichtsturm. Ganz links stehen noch zwei H\u00e4user. Sie sind durch eine Stra\u00dfe getrennt. Links auf dem Hause sind zwei Figuren und rechts auf dem Hause ist eine Fahne.\u201c \u2014 \u201eWieviel B\u00e4ume stehen vor dem Hause links?\u201c \u2014 \u201eDrei B\u00e4ume, und zwar scheinen es Buchenb\u00e4ume zu sein.\u201c \u2014 \u201eWieviel B\u00e4ume stehen vor dem Hause rechts?\u201c \u2014 \u201eAcht St\u00fcck.\u201c \u2014- \u201eKannst Du genauer angeben, wie man zur Kirche gelangt?\u201c \u2014 \u201eLinks sind H\u00e4user, und da geht ein Weg rechts zur Kirche hin.\u201c \u2014 \u201eVon welcher Stra\u00dfe aus f\u00fchrt der Weg zur Kirche?\u201c \u2014 \u201eVon rechts und links. Der Weg ist durchgehend. Er f\u00fchrt an der Kirche vorbei\u201c 1). \u2014 \u201eKannst Du an dem Hoteldiener noch Einzelheiten erkennen ? \u201c \u2014 \u201eDer Hoteldiener hat eine Flasche in der-'Tasche. Man sieht einen Flaschenhals.\u201c \u2014 \u201eWie stehen seine Beine?\u201c \u2014 \u201eDas linke ist vor dem rechten.\u201c \u2014 \u201eSind beide auf dem Boden?\u201c \u2014 \u201eNein.\u201c \u2014 \u201eWie h\u00e4lt er die F\u00fc\u00dfe?\u201c \u2014 \u201eSie sind nicht ganz gerade durchgedr\u00fcckt, sondern etwas eingedr\u00fcckt.\u201c \u2014 \u201eIst noch alles deutlich?\u201c \u2014 \u201eNein, nicht mehr ganz\u201c 2).\nDauer der Bildbeschreibung: 17 Minuten, 25 Sekunden.\nII. Beziehung der eidetischen und wahrnehmungspsychologischen Untersuchungen zu Fragen der Naturphilosophie (zu S. 26).\nEs ist hier der Ort, den allgemeineren Ertrag dieser Untersuchungen wenigstens kurz zu ber\u00fchren und anzudeuten, welche Bei-\n*) Dies ist die einzige Unkorrektheit. Als dem Beobachter nach Abschlu\u00df des Versuchs die Vorlage gezeigt wurde, gab er an, da\u00df ihm die untere Begrenzungslinie der Kirchenfront als eine nach links hin gehende Fortsetzung des in die Kirchent\u00fcr hineinf\u00fchrenden Weges erschienen sei. Dieser Bildteil war schon etwas undeutlich geworden.\n2) Als Beispiel f\u00fcr praktisch unbegrenzt dauernde und beliebig erneuerbare Bilder diene Folgendes: Der Quartaner Fritz M\u00fcller (Wiesbaden, Gymnasium) betrachtete obige Vorlage IV2 Minuten uud schilderte sie alsdann auf Grund des AB. Bei einem neuerlichen Besuch in Wiesbaden, nach 8 Wochen, forderten wir ihn auf, das Bild wieder zu erzeugen, worauf er eine Schilderung gab, die an Genauigkeit etwa der obigen entsprach, ohne da\u00df er die Vorlage vorher oder in der Zwischenzeit noch einmal zu Gesicht bekommen hatte.","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nE. R. Jaensch.\ntr\u00e4ge zur Erforschung des Verh\u00e4ltnisses yon Natur und Geist sie liefern k\u00f6nnen. Der Einfachheit halber kn\u00fcpfen wir an das gew\u00f6hnliche negative Nachbild an, von dessen Zustandekommen seit den Arbeiten Herings und G. E. M\u00fcllers die wohlgegr\u00fcndete physiologische \u201eTheorie der Gegenfarben\u201c Rechenschaft gibt, die mit physiologisch-chemischen Vorstellungen arbeitet und sich dabei auch auf treffende physikalisch-chemische Analogien berufen kann. Gleichzeitig aber und unabh\u00e4ngig davon unterliegt das Nachbild, wie unsere Untersuchung durchweg zeigt, gleich Anschauungs- und Vorstellungsbildern noch einer ganz anderen Betrachtungsweise. Unserem psychologischen Forschungsweg enth\u00fcllt sich das Nachbild als unterste Stufe einer kontinuierlich aufsteigenden Reihe von Ged\u00e4chtnisstufen, deren Fortschrittsprinzip einen bestimmten \u201eSinn\u201c hat, n\u00e4mlich auf die zunehmend ad\u00e4quate Reproduktion des Gegebenen gerichtet ist. Diese \u201eintentionale\u201c oder \u201eSinnbezogenheit\u201c, die die engere und weitere Brentanoschule, einschlie\u00dflich des ph\u00e4nomenologischen Kreises, als einen Grundzug der seelischen Wirklichkeit ansieht, tritt besonders deutlich darin hervor, da\u00df dieses selbe Fortschrittsprinzip des zunehmenden Invarianzgrades unserer Vorstellungswelt bis zur letzten H\u00f6he intellektuellen Lebens hinauf ein leitendes Prinzip unserer Wirklichkeitserkenntnis und ihres Fortschritts ist; denn auch noch in der Wissenschaft ist es herrschend, wie wir oben in Einklang mit verbreiteten Lehren der Logik feststellten. Die Strukturgleichheit des hier betrachteten niederen mit dem sog. h\u00f6heren Seelenleben verr\u00e4t sich auch darin, da\u00df schon das unwillk\u00fcrlich arbeitende Sinnenged\u00e4chtnis bei der Festhaltung des dargebotenen Materials nicht wahllos verf\u00e4hrt, auch keineswegs nur von der Dauer der Darbietung abh\u00e4ngt, sondern unter der Herrschaft gewisser Gesichtspunkte oder Selektionsprinzipien eine Auslese trifft. Dieser Tatbestand steht mit der st\u00e4rkeren Betonung des \u201eWertes\u201c in der neueren Erkenntnistheorie (Rickert) in Einklang, ist aber zugleich jenen verbreiteten Lehren entgegenzuhalten, die die \u201esinnvolle\u201c Bezogenheit auf \u201eWerte\u201c nur dem h\u00f6chsten Geistesleben zuzuschreiben, insbesondere scharf \u201edas vom Willen geleitete absichtliche Denken\u201c dem \u201enat\u00fcrlichen, durch psychologische Gesetze bedingten Vorstellungsverlauf\u201c gegen\u00fcberstellen. F\u00fcr beides pflegt man hier ganz verschiedene Erkl\u00e4rungsprinzipien anzunehmen, indem man z. B. die Struktur des wissenschaftlichen Denkens durch eine ph\u00e4nomenologische oder Sinnkl\u00e4rungsuntersuchung aus der sinnvollen Bezogenheit auf gewisse Werte ableitet, den nat\u00fcrlichen Vorstellungsverlauf dagegen von der Psychologie \u201erein mechanisch\u201c","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\t43\nerkl\u00e4rt zu sehen w\u00fcnscht; und in der so auf das Vorbild der Mechanik verwiesenen Psychologie soll der Begriff einer sinnvollen Bezogen-heit auf Werte \u00fcberhaupt keine Stelle haben. Diese axiologische Wissenschaftslehre ist vor allem an den Kulturwissenschaften orientiert, in denen der Begriff des Wertes nach den Sinnkl\u00e4rungsuntersuchungen Bickerts eine grundlegende Bolle spielt. Allein die Methode der Geschichte, aus dem Gegebenen unter Wertgesichtspunkten eine Auslese zu vollziehen, ist auch ohne die von Bickert geforderte Umstellung der erkenntnistheoretischen Grundanschauungen verst\u00e4ndlich, wofern ber\u00fccksichtigt wird, da\u00df die Geschichte, nur in logisch vollendeter Form, die ged\u00e4chtnism\u00e4\u00dfige Bepro-duktion vergangener Ereignisse ist. Die Eigenschaft, unter Selektionsprinzipien eine Auswahl zu vollziehen, zeigt sich ja nach unseren experimentellen Untersuchungen schon bei jenen elementarsten, dem bewu\u00dften Wollen entr\u00fcckten Formen des (Sinnen-) Ged\u00e4chtnisses, die den Gegenstand dieser Arbeiten bilden, und jene Eigenschaft mu\u00df darum zur Grundstruktur des Ged\u00e4chtnisses geh\u00f6ren. \u2014 Die den Wert betonende Wissenschaftslehre ist an den Intentionen der Geschichte orientiert, w\u00e4hrend die Intentionen der Naturwissenschaft jene (fr\u00fcher erw\u00e4hnten) Lehren wiedergeben wollen, die die steigende \u201eInvarianz\u201c unserer Vorstellungswelt als das Ziel alles wissenschaftlichen M\u00fchens hinstellen. Die beiden wichtigsten Sinn-bezogenheiten, die auf der H\u00f6he des intellektuellen Lebens \u2014 der Geschichte einerseits, der Naturwissenschaft andererseits \u2014 so klar hervortreten, sind nach unseren Untersuchungen schon in den elementaren Vorstellungsprozessen, ja in ihrer dem Willen meist entzogenen eidetischen Vorform angelegt und nachweisbar.\nSinnermittlungs- und Sinnkl\u00e4rungsuntersuchungen bilden den Gegenstand einer jetzt viel genannten philosophischen Disziplin, der sog. Ph\u00e4nomenologie, deren Arbeitsgebiet heute noch auf das h\u00f6chste Geistesleben, besonders Logik und Ethik, beschr\u00e4nkt ist1), aber durch solche Untersuchungen im Grenzgebiet von Natur und Geist nach unten hin, wie es scheint, erweitert werden kann so da\u00df die Hoffnung wieder auflebt, wir k\u00f6nnten dem von L o t z e der Philosophie gesteckten Ziel \u2014 den Weltlauf nicht nur zu berechnen, sondern auch zu verstehen \u2014 wenigstens in etwas n\u00e4her kommen, und dieses nicht\n1) Man wird obigen Ausf\u00fchrungen unschwer entnehmen, da\u00df der oft betonte, aber nur scheinbare Gegensatz zwischen Ph\u00e4nomenologie und Psychologie haupts\u00e4chlich dem Pseudoideal einer \u201emechanistischen\u201c oder \u00fcberhaupt wesentlich an der anorganischen Naturwissenschaft orientierten Psychologie entstammt.","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nE. K. Jaensch.\nmit Hilfe einer besonderen, von den Forschungsmitteln der exakten Einzelwissenschaften abweichenden, mit ihr vielleicht in Konflikt geratenden Methode, sondern mit diesen exakten Forschungsmitteln selbst\nDenn nicht nur f\u00fcr das NB, AB und YB, sondern bereits f\u00fcr einen viel gr\u00f6\u00dferen Teil der Farbenerscheinungen lie\u00df sich diese durch den psychologischen Forschungsweg er\u00f6ffnete zweiseitige Betrachtungsweise durchf\u00fchren1). In unserer Serie \u201eZur Grundlegung der Farbenpsychologie\u201c (soeben erscheinend in der Zeitschr. f. Psychol, u. d. Zeitschr. f. Sinnesphysiol.) kn\u00fcpfen wir an die allbekannten Arbeiten der Heringschule an und k\u00f6nnen hierbei an den Gesetzen der Farbenempfindung eine bis ins einzelne gehende Analogie zu den Gesetzen der sog. \u201eBer\u00fccksichtigung der Beleuchtung\u201c (der oben erw\u00e4hnten \u201eFarbenkonstanz\u201c) experimentell erweisen. Wir waren uns bewu\u00dft, in den ersten Abhandlungen (Jaensch-M\u00fcller, Jaensch, Kr oh) jenes Serienwerkes eine die Geduld des Lesers beanspruchende und z. T. recht schwierige Materie vorzulegen, nicht nur wegen der durch den Gegenstand geforderten, teilweise schon sehr subtilen Experimentiertechnik, sondern auch darum, weil die zun\u00e4chst in der physiologischchemischen Terminologie der \u201eValenzen\u201c ausgedr\u00fcckten, \u00fcbrigens mathematisch exakt formulierbaren Gesetze in dieser Sprache schon ein sehr verwickeltes Aussehen gewinnen, wofern man, wie wir taten, die Versuchsbedingungen noch weiter variiert und kompliziert, als in den klassischen Grundversuchen der Heringschule bereits geschehen ist. Gleichwohl f\u00fchren diese recht verwickelten S\u00e4tze zu einem sehr einfachen Gesamtergebnis, aus dem sie sich, selbst bis auf Konstanten exakt, ableiten lassen 2) : Die elementaren Farbengesetze sind s o gebaut, da\u00df die angen\u00e4herte Farbenkonstanz der Sehdinge gew\u00e4hrleistet wird. Diese angen\u00e4herte Farbenkonstanz aber kommt nach der Arbeit von Feyerabend in ganz \u00e4hnlicherWeise zustande, wie dies oben f\u00fcr die angen\u00e4herte Gr\u00f6\u00dfenkonstanz geschildert worden ist3) (S. 12).\nA) Auch der Psychologe wird es begr\u00fc\u00dfen, wenn A. v. Tschermak (Allgem. Physiologie 1916) von den allgemeinen Grundgedanken des Hering sehen Arbeitskreises aus die \u201ehohe, ja f\u00fchrende Bedeutung\u201c der Empfindungs- und Wahrnehmungslehre f\u00fcr allgemein-biologische Fragen hervorhebt, \u201eda die Ergebnisse der Lehre von den subjektiven Reizeffekten weitgehende Schl\u00fcsse und Anregungen f\u00fcr das Gebiet der objektiven Reizwirkung darbieten\u201c.\n2)\tZ. B. das erweiterte Gesetz von He\u00df u. Pretori, die Gesetze von Pretori u. Sachs, samt den von Kr oh gegebenen Erg\u00e4nzungen.\n3)\tNaheliegende Einw\u00e4nde, etwa auf Grund von Tierversuchen, wie sie R\u00e9v\u00e9sz dem Kongre\u00df vorlegte, bitten wir zur\u00fcckzustellen. Nach Vorlegung der Arbeit von Feyerabend wird erhellen, da\u00df ihre Ergebnisse mit solchen Versuchen nicht in Widerspruch stehen.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\n45\nDie Farbenkonstanz der Sehdinge ist das urspr\u00fcngliche Ph\u00e4nomen, Grundgesetze des Farbensehens, wie z. B. die Kontrastgesetze, leiten sich aus ihr ab. In dieses verwickelte und un\u00fcbersichtliche System der mit mathematischer Exaktheit ausdr\u00fcckbaren Kontrastformeln kommt mit einem Schlage Ordnung und Zusammenhang, wenn man immer nur die Bedingung daf\u00fcr ausdr\u00fcckt, da\u00df unter den jeweiligen Versuchsumst\u00e4nden die Farbenkonstanz der Sehdinge gewahrt wird. Aus dieser Bedingung l\u00e4\u00dft sich das ganze, so verwickelte System der Kontrastformeln, und noch anderes, selbst in speziellen Einzelheiten genau, ableiten. Wir erhalten so das ganze System der Kontrastgesetze wieder; nur ist es jetzt in anderen Terminis ausgedr\u00fcckt. Das Formelsystem ist lediglich in einer anderen Sprache wiedergegeben, ganz so wie man in der Mathematik eine Kurvengleichung auf sehr verschiedene Art ausdr\u00fccken kann, einmal etwa in Kartesischen oder Polarkoordinaten, dann in PI \u00dccker sehen oder M\u00f6bius sehen Koordinaten. Die Sprache, in der wir die Lichtsinnsgesetze ausdr\u00fccken, ist nun nicht mehr die physiologisch-chemisch orientierte Sprache der Valenzen, sondern die Sprache der Ged\u00e4chtnislehre, also die Sprache der Psychologie. Die Konstanz oder \u201eInvarianz\u201c der Farbenerscheinungen kommt gleich der Invarianz der Gr\u00f6\u00dfe nicht ohne entscheidende Mitwirkung des Sinnenged\u00e4chtnisses zustande, und diese Wahr n ehmungsin variant en sind nur ein Spezialfall derjenigen Invarianten, die das Ged\u00e4chtnis mit steigender Stufe in immer vollkommener Weise hervorbringt. Es ist eines der gr\u00f6\u00dften Verdienste Herings, gegen\u00fcber den vorher herrschenden Anschauungen x) gezeigt zu haben, da\u00df die Grundbegriffe der Physik und Chemie an das restlose Verst\u00e4ndnis der Lebenserscheinungen nicht heranreichen, und besonders seine Darlegung, da\u00df sich Grundtatsachen der Biologie am einfachsten als Ged\u00e4chtniserscheinungen auffassen lassen, war ein Mitanla\u00df f\u00fcr wichtige physiologische Entdeckungen der Neuzeit, besonders f\u00fcr diejenigen Pawlows. Hering ist, wie die Mehrheit der Mitforschenden, davon \u00fcberzeugt, da\u00df sich die Lebensvorg\u00e4nge allerdings auch in der Sprache einer vollendet gedachten physiologischen Chemie\nausdr\u00fccken und von dieser Seite her mit h\u00f6chstem Erfolg bearbeiten\n\u2022 \u2022\nlassen; aber die Erscheinungen, die in der Bede \u201eUber das Ged\u00e4chtnis als eine allgemeine Funktion der organisierten Materie\u201c beschrieben sind, w\u00fcrden, ebenso wie die Pawlowschen Versuchsergebnisse, in der Sprache der physiologischen Chemie jedenfalls einen viel ver-\n*) Bezeichnend hierf\u00fcr war E. Du Bois-Beymonds Lieblingsausdruck \u201esogenannte Lebensvorg\u00e4nge\u201c.","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nE. R. Jaensch.\nwickelteren Anblick gew\u00e4hren, als dann, wenn man sie als Ged\u00e4chtnis-erscheinungen auffa\u00dft. Verb\u00f6ten unsere h\u00f6chstbescheidenden Farbenuntersuchungen nicht den anspruchsvollen Vergleich, so k\u00f6nnte man sagen, da\u00df die Umformung der Lichtsinnsgesetze in die Sprache der Psychologie auf diesem engen Sondergebiet eine \u00e4hnliche Vereinfachung bedingt, wie auf dem weiten kosmischen Gebiet die Ersetzung der Epicyklentheorie durch das Kopernikanische System. Best\u00e4tigte sich dieses im Bereich des Lichtsinns gewonnene Ergebnis noch auf zahlreicheren Gebieten, so w\u00fcrde dies darauf hinweisen, da\u00df von den beiden m\u00f6glichen Formulierungen (oder perspektivischen Ansichten der Wirklichkeit) die psychologische tiefer in die hier tats\u00e4chlich wirksamen Kausalverh\u00e4ltnisse eindringt als die physiologisch-chemische Formulierung1); denn die Formel, aus der sich die meisten Gesetze eines Gebietes deduktiv ableiten lassen, liefert f\u00fcr dieses Gebiet auch die tiefste Erkl\u00e4rung. Da\u00df sie die Unerl\u00e4\u00dflichkeit psychologischer Denk- und Forschungskategorien wieder st\u00e4rker betonten, betrachten wir als ein gro\u00dfes Verdienst von Driesch und Becher; und in dieser st\u00e4rkeren Betonung der psychologischen Denkkategorien, die auch den Ansto\u00df zum Ausbau unserer eigenen Anschauungen gab, und die von der Annahme besonderer psychischer Bichtkr\u00e4fte ganz unabh\u00e4ngig ist, befindet sich der Psychovitalismus auch mit Hering in bestem Einklang. Unsere Experimentaluntersuchungen \u00fcber den Lichtsinn, zusammen mit den Lehren von Driesch und Becher, legten uns zuerst eine Ansicht nahe, die wir in Analogie zu dem Psychovitalismus, aber doch in Unterscheidung von ihm, \u201ePsycho-naturalismus\u201c nennen k\u00f6nnen und seit l\u00e4ngerer Zeit auszubauen bem\u00fcht sind. Gew\u00f6hnlich nimmt ja der Psychovitalismus besondere Bichtkr\u00e4fte an. die in den Organismen das physikalisch - chemische\nx) Die Abneigung mancher Naturforscher gegen alle nicht rein physikalische oder chemische Kausalbetrachtung ist zum Teil in der unleugbaren Tatsache begr\u00fcndet, da\u00df wir von der physikalischen und chemischen Seite her das Lebensgeschehen am allerdurchgreifendsten beeinflussen k\u00f6nnen, teilweise sogar auch das psychische Lebensgeschehen, wie gerade die hiesigen Untersuchungen zeigen (Kalziumzuf\u00fchrung, Thyreoidinbehandlung; vgl. den Vortrag W. Jaensch). Darum kann in den angewandten Naturwissenschaften unter Umst\u00e4nden selbst der Materialismus ein sog. \u201efruchtbarer Irrtum\u201c sein, indem er nachdr\u00fccklich auf die unserer Einflu\u00dfnahme zug\u00e4nglichen Kausalverh\u00e4ltnisse hinweist. Indes dem erw\u00e4hnten Vorurteil liegt die stillschweigende und ganz unerwiesene Voraussetzung zugrunde, da\u00df nur solche Kausalzusammenh\u00e4nge bestehen, in die wir eingreifen k\u00f6nnen, und nur solche Kausalfaktoren, die wir nachzumachen imstande sind. Aber nichts berechtigt uns zu solchem Sch\u00f6pferd\u00fcnkel.","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder.\t47\nGeschehen leiten, von diesem also in sch\u00e4rfster Trennung gedacht sind. Nun gelangen wir aber in unseren Lichsinnuntersuchungen zum Aufweis des psychologischen Kausalzusammenhanges schon dadurch, da\u00df wir die in der Sprache der photochemischen Theorie ausgedr\u00fcckten Formeln einfach in eine andere Terminologie umschreiben, d. h. durch eine rein formale Transformation im Sinne der Mathematik. Um von der photochemischen zur psychologischen Erkl\u00e4rung zu gelangen, ben\u00f6tigen wir in diesen Falle nur eine mathematische Transformation des Ausdrucks jener Naturgesetze. Wie \u00fcberall, wo wir einen Tatbestand in solchen nur scheinbar verschiedenen, in Wahrheit aber \u00fcbereinstimmenden, durch rein mathematische Transformation ineinander \u00fcberf\u00fchrbaren Ausdr\u00fccken darstellen, handelt es sich um dieselbe Realit\u00e4t, aber unter zwei verschiedenen Betrachtungsweisen, die in unserem Falle allerdings nicht beide gleich tief in die wirksamen Kausalzusammenh\u00e4nge eindringen 1). Dann aber sind die naturhaften Vorg\u00e4nge, von denen die photo chemische Theorie Rechenschaft gibt, gleichzeitig auch der psychologischen Kausalbetrachtung zug\u00e4nglich. Es ist an dieser Stelle nicht der Ort, diese uns unmittelbar aus den\n*) Hierdurch unterscheidet sich die skizzierte Arbeitshypothese von der des psychophysischen Parallelismus im herk\u00f6mmlichen Sinne, der dazu neigt, die beiden Seiten entweder einander gleichzustellen oder die psychische nur als eine Art begleitendes \u201eEpiph\u00e4nomen\u201c zu betrachten. Nur f\u00fcr eine solche Epiph\u00e4nomentheorie besteht die von Liebmann hervorgehobene Schwierigkeit, wie sich die Natur im Gehirn ein \u201eAutomaton logicum\u201c schaffen konnte. Ein Ausgleich zwischen obiger Arbeitshypothese und dem Psychovitalismus d\u00fcrfte um so eher m\u00f6glich sein, als auch von dieser Seite, besonders von Becher, die M\u00f6glichkeit einer Erweiterung der psycho-vitalistischen Ansicht auf die anorganische Natur schon angedeutet worden ist.-Sagen wir daf\u00fcr \u201edie M\u00f6glichkeit, auch die anorganische Natur in den an der Psychologie orientierten Kategorien exakt auszudr\u00fccken\u201c, so sind wir bei der hier angedeuteten Ansicht. Entwicklungen angesehener Mathematiker und Physiker ber\u00fchren sich mit dieser Ansicht entweder unmittelbar oder lassen sich ihr leicht einordnen. \u2014 Dagegen steht unsere auf dem Boden empirisch psychologischer Forschung erwachsene Anschauung mit dem Physibalismus derDuBois-Keymond-schen \u00c4ra, den W. K\u00f6hler f\u00fcr die Gestaltwahrnehmung j\u00fcngst erneuerte, nicht in Einklang. Unsere Untersuchungen erweisen, da\u00df das seelische Leben eine geschichtete Struktur besitzt, und da\u00df der jeweils h\u00f6hern Stufe ein jeweils h\u00f6herer, aus der niederen Stufe also nicht restlos ableitbarer Grad von Sinn-erf\u00fcllung entspricht. Ebensowenig als es bei unseren Untersuchungen m\u00f6glich ist, die h\u00f6heren Ged\u00e4chtnisstufen mit ihrer h\u00f6heren Sinnerf\u00fcllung aus den niederen zu erkl\u00e4ren, ebensowenig ist es ang\u00e4ngig, die psychologischen Gestalten auf physikalische Gestalten zur\u00fcckzuf\u00fchren, d. h. sie durch eine mit rein physikalischchemischen Vorstellungen arbeitende Theorie entsprechender Gehirn Vorg\u00e4nge restlos aufzuhellen.","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nE. B. Jaensch.\nmitgeteilten Experimentaluntersuchungen erwachsene Anschauung hier n\u00e4her zu begr\u00fcnden. Diese Begr\u00fcndung kann nur mit Hilfe des Nachweises erfolgen, da\u00df entsprechende Transformationen, wie wir sie hier auf Anregung unserer Versuche bei den Lichtsinnsgesetzen vornehmen mu\u00dften, auch bei elementaren Gesetzen der anorganischen Natur m\u00f6glich sind, eine Aufgabe, die vom Gegenstand abf\u00fchren und auch die Anwendung h\u00f6herer mathematischer Hilfsmittel erfordern w\u00fcrde.\nEine zusammenfassende Bibliographie der \u00fcberaus zahlreichen Einzelbeobachtungen \u00fcber Anschauungsbilder ist hier nicht m\u00f6glich. Joh. M\u00fcller, Lazarus, Henle, Eechner w\u00e4ren hier zu nennen, auch Goethe, 0. Ludwig sowie Selbstschilderungen vieler anderer Dichter und K\u00fcnstler; aus neuester Zeit dann besonders Urbantschitsch, Groos, Ebbecke, Gr\u00fcnbaum, Hoche, Frieda\u00dfeichmann. Auch manches Angrenzende w\u00fcrde Erw\u00e4hnung fordern, so vor allem Ziehens Befund \u00fcber die Konkretheit des kindlichen Vorstellens, auch Ch. und K. B\u00fchlers Anschauung \u00fcber die VorstellungsWucherung im M\u00e4rchenalter, W- Wundts Deutung primitiver Kunsterzeugnisse, Katz\u2019 Beobachtungen \u00fcber die Erziehbarkeit des absoluten Geh\u00f6rs.\nDie Untersuchungen, die obigem Bericht zugrunde liegen, sind in folgenden Serien niedergelegt, die zun\u00e4chst in der Zeitschr. f. Psychologie (Z. f. Ps.), der Zeitschr. f. Sinnesphysiologie (Z. f. S.) und der Zeitschr. f. angewandte Psychologie zur Ver\u00f6ffentlichung gelangen und dann auch als Sonderausgaben erscheinen sollen :\n\u201e\u00dcber die Vorstellungswelt der Jugendlichen und den Aufbau des intellektuellen Lebens. Eine Untersuchung \u00fcber Grundfragen der Psychologie des Vorstellens und Denkens, herausg. von E. K. Jaensch. \u2014 Davon in der Z. f. Ps. bisher erschienen: I. P. Busse, \u00dcber die Ged\u00e4chnisstufen und ihre Beziehung zum Aufbau der Wahrnehmungswelt. Bd. 84. \u2014 II. E. Gottheil, \u00dcber das latente Sinnenged\u00e4chtnis der Jugendlichen und seine Aufdeckung. Bd. 87. \u2014 III. E. \u00df. und W. Jaensch, \u00dcber die Verbreitung der eidetischen Anlage im Jugendalter. Bd. 87. \u2014 IV. A. G\u00f6sser, \u00dcber die Gr\u00fcnde des verschiedenen Verhaltens der einzelnen Ged\u00e4chtnisstufen. Bd. 87. \u2014 V. P. Krellenberg, \u00dcber die Herausdifferenzierung der Wahrnehmungs- und Vorstellungs weit aus der origin\u00e4ren eidetischen Einheit. Bd. 88.\n\u201e\u00dcber den Aufbau der Wahrnehmungswelt und ihre Struktur im Jugendalteij. Herausg. von E. \u00df. Jaensch. Davon bisher erschienen: I. E. \u00df. Jaensch, Zur Methodik experimenteller Untersuchungen an optischen Anschauungsbildern. Z. f. Ps. Bd. 85. \u2014 II. E. \u00df. Jaensch und F. \u00dfeich, \u00dcber die Lokalisation im Sehraum. Bd. 86. \u2014 III. K. Kr\u00d6ncke, Zur Ph\u00e4nomenologie der Kernfl\u00e4che des Sehraums. \u2014 IV. E. B. Jaensch, \u00dcber den Nativismus in der Lehre von der Baumwahrnehmung. Z. f. S. Bd. 52.\n\u201e\u00dcber, Grundfragen der Farbenpsychologie (zugleich ein Beitrag zur Theorie der Erfahrung). Herausg. von E. \u00df. Jaensch. Davon bisher erschienen: I. E. \u00df. Jaensch und E. A. M\u00fcller, \u00dcber die Wahrnehmung farbloser Helligkeiten und den Helligkeitskontrast. \u2014 II. \u00dcber das Verhalten der Beizschwellen bei Kontrast und Transformation. Z. f. Ps. Bd. 88. \u2014 III. E. \u00df. Jaensch,","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Erfahrungen an Amputierten.\n49\n\u00dcber den Farbenkontrast und die sog. Ber\u00fccksichtigung der farbigen Beleuchtung. \u2014 IV. 0. Kr oh, \u00dcber Farbenkontrast und Farbentransformation. Z. f. S. Bd. 52. \u2014\nV.\tB. Herwig, \u00dcber den inneren Farbensinn der Jugendlichen und seine Beziehung zu den allgemeinen Fragen des Lichtsinns. \u2014 VI. E. B. Ja en sch, \u00dcber Kontrast im optischen Anschauungsbilde. \u2014 VH. B. Herwig und E. R. Jaensch, \u00dcber Mischung von objektiv dargebotenen Farben und Farben des Anschauungsbildes. Z. f. Ps. Bd. 87. \u2014 Ferner ein (1928 erscheinender) Erg.-Bd. der Z. f. Ps. \u201eZur Grundlegung der Psychologie des Denkens\u201c, herausg. von E. E. Jaensch und eine die p\u00e4dagogische Seite behandelnde Monographie von 0. Kr oh (G\u00f6ttingen 1922). \u2014 0. Kr oh, Eidetiker unter deutschen Dichtern. Z. f. Ps. Bd. 85.\nVgl. auch E. E. Jaensch, Sitzungsber. d. Ges. z. Bef. d. ges. Naturw. z. Marburg. Dez. 1917. \u2014 \u201e\u00dcber neue Probleme der Ged\u00e4chnisforschung, in \u201eDie Westmark\u201c. M\u00e4rz 1921. \u2014 Einige allgemeinere Fragen zur Psychologie und Biologie des Denkens, erl\u00e4utert an der Lehre vom Vergleich (mit Bemerkungen \u00fcber die Krisis in der Philosophie der Gegenwart). Leipzig, J. A. Barth 1920. \u00dcber die psychophysischen Konstitutionsuntersuchungen von\nW.\tJaensch vgl. dessen demn\u00e4chst erscheinende Monographie. Vorl\u00e4ufige Mitteilungen: Zeitschr. f. d. ges. Neurol, u. Psychiat. 59, 1920. \u2014 Sitzungsber. d. Ges. z. Bef. d. ges. Naturw. z. Marburg. Nov. 1920. \u2014 Sitzungsber. d. Ges. f. Kinder-heilk. Tagung Jena 1921. \u2014 M\u00fcnchener med. Wochenschr. 1921.\nPsychologische Erfahrungen an Amputierten1).\nVon\nD. Katz.\nDie Nutzbarmachung der Psychologie f\u00fcr den Amputierten ist eine der neuen Anwendungen, welche unsere Wissenschaft w\u00e4hrend des Krieges gefunden hat. Man kann hier von zwei allerdings nicht ganz scharf zu trennenden Aufgaben sprechen, zu deren L\u00f6sung die praktische Psychologie herangezogen werden kann und in bescheidenem Umfang auch herangezogen worden ist: die eine, mehr zentraler Natur, betrifft die Wiederherstellung des infolge des Gliedverlusts bedrohten geistigen Gleichgewichts des Amputierten, die andere die Psychologisierung des Prothesenbaus. Was die zuerst genannte Aufgabe angeht, so hat sie es einerseits zu tun mit der Ausarbeitung arbeitstherapeutischer und anderer Methoden mit dem Ziel, dem Amputierten \u00fcber seinen Verlust hinwegzuhelfen, das Vertrauen zu sich selbst zu st\u00e4rken und den Arbeitswillen unter Bek\u00e4mpfung der\nBentenangst zu wecken, andererseits mit der Berufsberatung des\n----------- /\nb Die im Text in Klammern beigef\u00fcgten Zahlen geben die Nummern des am Schl\u00fcsse befindlichen Literaturverzeichnisses an, welches die wichtigsten dem Sammelreferat zugrunde gelegten Untersuchungen enth\u00e4lt.\nBericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df.\n4","page":49}],"identifier":"lit39457","issued":"1922","language":"de","pages":"3-49","startpages":"3","title":"\u00dcber die subjektiven Anschauungsbilder (mit Vorf\u00fchrung von Versuchen)","type":"Book Section"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:36:08.371267+00:00"}

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