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{"created":"2022-01-31T12:29:40.213020+00:00","id":"lit39471","links":{},"metadata":{"alternative":"Bericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie","contributors":[{"name":"Giese, F.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Bericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie, edited by Karl B\u00fchler, 116-118. Jena: Verlag von Gustav Fischer","fulltext":[{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nF. Gie\u00dfe.\nAuch verschiedene Erscheinungen aus der Hirnpathologie erhalten so ihre Erkl\u00e4rung, vor allem die sog. R\u00f6hrenf\u00f6rmigkeit des Gesichtsfeldes.\nZum Schlu\u00df berichtet der Vortragende \u00fcber merkw\u00fcrdige \u201eVerzerrungen\u201c, die manche Patienten mit (organisch bedingten) Gesichtsfeldeinengungen an den Sehdingen beobachten, wenn man durch besondere Versuche eine weitere Einengung des Gesichtsfeldes hervorruft.\nZur Psychologie der Arbeitshand.\nVon\nF. Giese.\nDie Arbeitshand \u2014 durchaus auf gef a\u00dft als komplexes Arbeits-glied, also einschlie\u00dflich des Arms und des gesamten K\u00f6rpers \u2014 hat praktische Bedeutung z. B. im System der Arbeitsschule, des Prothesenbaues, der psychotechnischen Berentung nach L\u00e4hmung, Kopfschu\u00df usw., in den Taylor-Gilbrethschen Bewegungsstudien, der Regelung von Lohntarifen. Es sind rein physiologische und rein psychologische Komponenten in der Arbeitst\u00e4tigkeit der Hand gemischt zu beobachten. Zu den physiologischen rechnen insbesondere die verschiedenen Ausgangsstellungen der Ruhehand (stabiles Prinzip; dargestellt im Lichtbild) und der sog. Fingerschlu\u00df. Hiervon werden die wichtigsten Modifikationen erl\u00e4utert. Ferner treten die durch die sog. \u201eBahnkugeln\u201c festzulegenden Bewegungsformen der Arbeitshand nebst Arm in Rechnung. Die phoronometrischen Ergebnisse des Kunstarmbaus haben einige psychologisch wichtige Tatsachen erwiesen, so insbesondere den erheblichen Einflu\u00df der Mitbewegungen des gesamten K\u00f6rpers (Hals, Schulter, Becken, Wirbels\u00e4ule) bei Greif-, B\u00fcck-, Hubbewegungen der Hand und des zugeordneten Arms. Ais labile Grundbewegungsfolgen der \u2014 isoliert aufgefa\u00dften \u2014 Arbeitshand kommen psycho-technisch vor allem in Betracht: Druck, Zug \u2014 Sto\u00df, Schub, Wurf \u2014 Schleudern, Greifen, Halten, Drehen und F\u00fchltasten. Eine Schwierigkeits- und zugleich Wertigkeitsskala derartiger Grundbewegungsfolgen wird kurz entwickelt, auf die Beziehungen zum sog. Tastsinn verwiesen, die Drehbewegungen in ihren Modifikationen Umrissen. Bilder mit praktischen Beispielen erl\u00e4utern das Gesagte. \u2014 Die rein psychologischen Elemente der Arbeitshand umfassen teils singul\u00e4re, teils komplexere Funktionsbestandteile. Zu den singul\u00e4ren rechnet alles, was popul\u00e4r \u201eHandgeschicklichkeit\u201c genannt wird.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychologie der Arbeitshand.\n117\nN\u00e4here Analysen zeigen, da\u00df in erster Linie bei allen Handarbeitst\u00e4tigkeiten beteiligt sind: Kraft, R\u00fcbe und lokomotoriscbe Qualit\u00e4ten (so Treffsicherheit, Aktivit\u00e4tstempo, Impulsabstufung u. a. m.). Die mehr physiologisch bedingten Handelemente \u2014 Tastsinn, Temperaturwahrnehmung, Druck-, Schmerzempfindung \u2014 haben nur spezialberufliche Bedeutung, sind nicht gleich allgemeinwertig, wie jene anderen. \u2014 Als komplexe Hauptfunktionen sind in jeder Handarbeitst\u00e4tigkeit zu finden: 1. Die \u201eSinnf\u00e4lligkeit\u201c, gerichtet auf ein Bezugssystem, das als Mittelpunkt das arbeitende Individuum (nicht die Maschine etwa) hat und insbesondere auf die K\u00f6rperebenen, auf mediale, laterale, proximale, distale, oben-unten u. a. Richtungen einzustellen ist (Proben sinnf\u00e4lliger Bezugsbewegungen im Bilde. \u2014 Beispiele aus dem Einflu\u00df der Bewegungssinnf\u00e4lligkeit auf Reaktionsgeschwindigkeiten aus vorl\u00e4ufigen Studien mitgeteilt). \u2014 2. Die \u201eAutonomie der Arbeitshand\u201c. Es ist (wie im Bilde vorgef\u00fchrt) zu trennen nach Leit- und Hilfshandt\u00e4tigkeiten, nach koordinierten, synergistischen, antagonistischen Arbeitsfolgen. Zu trennen nach Simultan- und Sukzessivarbeitsarten. 8. Die \u201eSerienhandlung\u201c, d. h. die in Reihengruppen in sich abgeschlossene Folge von komplexen Handlungen, welche insgesamt einen einfachen Arbeitsvorgang ausmacht (nicht zu verwechseln mit kinematographischer Bewegungsstudie oder gro\u00df-abschnittlichen Arbeitsabfolgen wie bei Taylor). Die Serienhandlung wird geleitet teils durch den Gegensatz von Kontrast-Angleichung, teils durch das Prinzip der Wiederholung, die Abl\u00f6sung rein manueller mit komplexen Bestandteilen, endlich eine teleologische Rhythmisierung der Serienhandlungsabfolge selbst (vorgef\u00fchrt Modell des Serienhandlungspr\u00fcfers, als ein Beispiel; desgleichen weitere Tabellen). Die Rhythmisierung bewirkt zugleich eine \u00d6konomisierung des Kr\u00e4fteverbrauchs der Arbeitshand. 4. Die \u201eDominanzfunktion\u201c der arbeitenden Hand. An Beispielen und Probeversuchen wird demonstriert, wie man auf dem Wege der Komponentenisolierung bei Arbeiten feststellen kann, welche und wieviel Funktionen in der Handt\u00e4tigkeit betroffen werden; inwieweit z. B. Auge, Ohr, Atem, Intelligenz, Ged\u00e4chtnis, Aufmerksamkeit entscheidend wirken. Kurze Andeutung einer Wertigkeitsskala derartiger Dominanzfunktionen zumal aus hirnpathologischem Material.\nDie Methodologie der Erforschung der Arbeitshand umfa\u00dft drei psychologische Richtungen: das entwicklungspsychologische Verfahren \u2014 z. B. dargestellt durch genetische Pr\u00fcfungen beim Kind, beim Alter \u2014, die pathologische oder Ausfallsrichtung (z. B. bei L\u00e4h-","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nKurt Goldstein.\nmungen, Hirnverletzungen, Geisteskrankheiten), endlich den Isolierungsversuch, d. h. die methodische Einengung der Arbeitshand des Gesunden durch zwangsm\u00e4\u00dfige Ma\u00dfnahmen (Tempogebung, Verbinden der Augen, Ausschaltung eines Arms, Injektionen usw. (Proben in Tabellen)). Derartige Forschungen haben starke theoretische Interessen zugleich: etwa durch Beziehung zur Theorie der Ambidextrie, der Anthropoidenleistungen, der \u201eAusdruckshand\u201c bei graphologischen und tanzplastischen Fragestellungen.\n\u00dcber den Einflu\u00df von Sprachst\u00f6rungen auf das\nVerhalten gegen\u00fcber Farben.\nVon\nKurt Goldstein.\nIn der klinischen Medizin wird zur Pr\u00fcfung des Farbensinnes gew\u00f6hnlich das Sortieren von Wollproben benutzt, Dabei geht man von der Ansicht aus, da\u00df es sich beim Sortieren um eine reine, vor allem von der Sprache und so auch von St\u00f6rungen derselben unabh\u00e4ngige Leistung der Wahrnehmungsvorg\u00e4nge handelt. Untersuchungen an amnestisch-Aphasischen, die die F\u00e4higkeit, Farben zu bezeichnen, verloren haben, ergeben aber, da\u00df sie, auch wenn sie bei meiner genauen Pr\u00fcfung des Farbensinnes an Farbenmischapparaten eine v\u00f6llige Intaktheit des Farbensinnes aufweisen, St\u00f6rungen beim Sortieren zeigen. Ebenso findet sich bei ihnen eine Beeintr\u00e4chtigung der F\u00e4higkeit, zu Gegenst\u00e4nden aus der Vorstellung die Farbe anzugeben oder sie unter vorgelegten Farben zu zeigen. Besonders die letztere St\u00f6rung hat im Anschlu\u00df an einen Fall von Lewandowski zu lebhaften Diskussionen Veranlassung gegeben. L. glaubte, da\u00df die St\u00f6rung unabh\u00e4ngig von der Sprachst\u00f6rung sei, da\u00df es sich um eine Abspaltung der intakten Farberlebnisse von den intakten Formerlebnissen handele. Diese Anschauung ist verschiedentlich kritisiert worden, so besonders von G. E. M\u00fcller, der zur Erkl\u00e4rung des Falles neben der Sprachst\u00f6rung (\u201eFarbennamenamnesie\u201c) eine abnorm starke \u201eVerblassungstendenz\u201c f\u00fcr Farben annehmen zu m\u00fcssen glaubt (Farbenamnesie). Da\u00df die Annahme einer abnormen Verblassungstendenz nicht gen\u00fcgt, das geht daraus hervor, 1. da\u00df diese die St\u00f6rung des Sortierens nicht erkl\u00e4ren kann, 2. da\u00df die St\u00f6rungen unabh\u00e4ngig von der G\u00fcte des optischen Visualisationsverm\u00f6gens f\u00fcr Farben sind, wie eigene Beobachtungen zeigen. Ein Patient mit ausgesprochen gutem","page":118}],"identifier":"lit39471","issued":"1922","language":"de","pages":"116-118","startpages":"116","title":"Zur Psychologie der Arbeitshand","type":"Book Section"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:29:40.213025+00:00"}
