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{"created":"2022-01-31T14:56:14.234576+00:00","id":"lit39472","links":{},"metadata":{"alternative":"Bericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie","contributors":[{"name":"Goldstein, Kurt","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Bericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie, edited by Karl B\u00fchler, 118-120. Jena: Verlag von Gustav Fischer","fulltext":[{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nKurt Goldstein.\nmungen, Hirnverletzungen, Geisteskrankheiten), endlich den Isolierungsversuch, d. h. die methodische Einengung der Arbeitshand des Gesunden durch zwangsm\u00e4\u00dfige Ma\u00dfnahmen (Tempogebung, Verbinden der Augen, Ausschaltung eines Arms, Injektionen usw. (Proben in Tabellen)). Derartige Forschungen haben starke theoretische Interessen zugleich: etwa durch Beziehung zur Theorie der Ambidextrie, der Anthropoidenleistungen, der \u201eAusdruckshand\u201c bei graphologischen und tanzplastischen Fragestellungen.\n\u00dcber den Einflu\u00df von Sprachst\u00f6rungen auf das\nVerhalten gegen\u00fcber Farben.\nVon\nKurt Goldstein.\nIn der klinischen Medizin wird zur Pr\u00fcfung des Farbensinnes gew\u00f6hnlich das Sortieren von Wollproben benutzt, Dabei geht man von der Ansicht aus, da\u00df es sich beim Sortieren um eine reine, vor allem von der Sprache und so auch von St\u00f6rungen derselben unabh\u00e4ngige Leistung der Wahrnehmungsvorg\u00e4nge handelt. Untersuchungen an amnestisch-Aphasischen, die die F\u00e4higkeit, Farben zu bezeichnen, verloren haben, ergeben aber, da\u00df sie, auch wenn sie bei meiner genauen Pr\u00fcfung des Farbensinnes an Farbenmischapparaten eine v\u00f6llige Intaktheit des Farbensinnes aufweisen, St\u00f6rungen beim Sortieren zeigen. Ebenso findet sich bei ihnen eine Beeintr\u00e4chtigung der F\u00e4higkeit, zu Gegenst\u00e4nden aus der Vorstellung die Farbe anzugeben oder sie unter vorgelegten Farben zu zeigen. Besonders die letztere St\u00f6rung hat im Anschlu\u00df an einen Fall von Lewandowski zu lebhaften Diskussionen Veranlassung gegeben. L. glaubte, da\u00df die St\u00f6rung unabh\u00e4ngig von der Sprachst\u00f6rung sei, da\u00df es sich um eine Abspaltung der intakten Farberlebnisse von den intakten Formerlebnissen handele. Diese Anschauung ist verschiedentlich kritisiert worden, so besonders von G. E. M\u00fcller, der zur Erkl\u00e4rung des Falles neben der Sprachst\u00f6rung (\u201eFarbennamenamnesie\u201c) eine abnorm starke \u201eVerblassungstendenz\u201c f\u00fcr Farben annehmen zu m\u00fcssen glaubt (Farbenamnesie). Da\u00df die Annahme einer abnormen Verblassungstendenz nicht gen\u00fcgt, das geht daraus hervor, 1. da\u00df diese die St\u00f6rung des Sortierens nicht erkl\u00e4ren kann, 2. da\u00df die St\u00f6rungen unabh\u00e4ngig von der G\u00fcte des optischen Visualisationsverm\u00f6gens f\u00fcr Farben sind, wie eigene Beobachtungen zeigen. Ein Patient mit ausgesprochen gutem","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einflu\u00df von Sprachst\u00f6rungen auf das Verhalten gegen\u00fcber Farben. H9\nVisualisationsverm\u00f6gen f\u00fcr Farben hatte auch die erw\u00e4hnten St\u00f6rungen, w\u00e4hrend ein Patient mit v\u00f6llig fehlendem optischen Vorst\u00e8llungs-verm\u00f6gen sich beim Sortieren usw. normal erwies. Nimmt man hinzu, da\u00df in allen F\u00e4llen, wo die St\u00f6rungen vorhanden waren, eine amnestische Aphasie bestand, in dem Falle mit intaktem Sortieren und Fehlen optischer Vorstellungen die Sprache v\u00f6llig intakt war, so liegt es nahe, anzunehmen, da\u00df die St\u00f6rungen durch die Sprachst\u00f6rung bedingt sind. Selbstbeobachtungen und Versuche an Kindern, wie sie Peters angestellt hat, ergeben auch deutlich eine Abh\u00e4ngigkeit des Sortierens von der Sprache. Wir gehen beim Sortieren gew\u00f6hnlich nicht in der Weise vor, da\u00df wir zu der vorgelegten Farbe die zugeh\u00f6rigen heraussuchen, sondern, indem wir den Namen der vorgelegten Farbe merken und die zugeh\u00f6rigen vom Namen her heraussuchen.\nEbenso wie beim Sortieren spielt auch beim Finden der Farbe .zu einem vorgestellten Gegenstand der Name eine wesentliche Polle. Allerdings kann bei Menschen mit au\u00dferordentlich gutem Vorstellungsverm\u00f6gen (wie an einem derartige Patienten demonstriert wird), das Herausfinden auf einem rein optischen Wege vor sich gehen. Der Kranke stellt sich den Gegenstand mit seiner Farbe vor (etwa Blutrot) und sucht die Farbe heraus, wobei ein optisches Wiedererkennen stattfindet und das unmittelbare Erlebnis der Bekanntheit eine Rolle spielt. Menschen mit schwachem Vorstellungsverm\u00f6gen k\u00f6nnen das nicht, sie versagen deshalb bei der Pr\u00fcfung wie der Lewandowskische Fall. Eine abnorme Verblassungstendenz anzunehmen, ist zur Erkl\u00e4rung des negativen Ausfalls nicht n\u00f6tig, auch eine schwache Vorstellung gen\u00fcgt zum Hervorrufen des Wortes, von dem aus die Farbe gefunden wird. Bei amnestischer Aphasie versagen solche Personen nicht nur deshalb, weil das Wort sich nicht einstellt, sondern wahrscheinlich auch, weil bei ihnen die normalerweise durch das einfallende Wort bedingte Verst\u00e4rkung der Vorstellung (weil das Wort fehlt) fortf\u00e4llt, die das Finden sonst wahrscheinlich mit beg\u00fcnstigt.\nDie gute optische Vorstellungsf\u00e4higkeit vermag nicht beim Sortieren zu helfen, weil es psychologisch etwas ganz anderes ist zu einem vorgestellten Gegenstand eine Farbe herauszusuchen, als zu einer Woll-probe die \u00e4hnlichen. Im einen Falle suchen wir zu einem Gegenst\u00e4nde die mit ihm innigst verkn\u00fcpften Farben (tats\u00e4chlich werden auch nur ganz \u00e4hnliche eben zum Gegenstand passende Farben heraus gesucht wie beim gew\u00f6hnlichen Sortieren alle Nuancen) im anderen beim Sortieren \u2014 suchen wir zu einer Farbe, die nicht die innige Verkn\u00fcpfung zu einem Gegenstand hat, entsprechende; erstere\u00bb geht","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nA. A. Gr\u00fcnbaum.\ndirekt auf optischem Wege vor sich, letzteres eben meist nur mit Unterst\u00fctzung der Sprache. Deshalb hat auch unser Patient eine schwere Sortierst\u00f6rung.\nBeide St\u00f6rungen k\u00f6nnen bis zu einem gewissen Grade auf dem Umwege \u00fcber das Beihensprechen verdeckt werden, z. B. kann der Kranke mit dem Worte des Gegenstandes reihenm\u00e4\u00dfig, d. h. durch gel\u00e4ufige Sprachverbindungen, einen Namen verbinden (z. B. Blut ist rot) also die Farbe angeben, eventuell auch zeigen, indem er die ge-seheue Farbe verm\u00f6ge der mit ihr auftauchenden optischen Vorstellung des Blutes als \u201erot wie Blut\u201c bezeichnet. Dieses Aussprechen des Namens in der Reihe ist ein prinzipiell anderer Vorgang als das Wortfinden, das bei der amnestischen Aphasie gest\u00f6rt ist. Es ist ein rein sprachlicher Vorgang des Reihensprechens. Kranke mit keiner besonderen optischen Vorstellungsf\u00e4higkeit werden zwar auch zu der Vorstellung einen Namen der Farbe, n\u00e4mlich, zu dem zugeh\u00f6rigen Worte, aussprechen k\u00f6nne, sie werden die Farbe aber nicht zeigen k\u00f6nnen, weil nicht zu der gesehenen Farbe die Vorstellung eines Gegenstandes auftaucht, an dessen Namen sich reihenm\u00e4\u00dfig das Wort der Farbe anschlie\u00dfen kann. Es ergeben sich so sehr verschiedene Ergebnisse bei derselben Grundst\u00f6rung in verschiedenen F\u00e4llen, ohne da\u00df man deshalb verschiedene St\u00f6rungen anzunehmen braucht. Sie finden alle durch die Wirkung der amnestischen Aphasie bei Individuen mit verschiedener St\u00e4rke des Visualisationsverm\u00f6gens f\u00fcr Farben ihre Erkl\u00e4rung.\nDiese Ausf\u00fchrungen d\u00fcrften f\u00fcr die Normalpsychologie interessant sein durch die innige Beziehung, die sie zwischen den sprachlichen Leistungen und den Wahrnehmungsleistungen dartun. F\u00fcr die praktische Verwertung der Sortierprobe ist hervorzuheben, da\u00df in Zukunft dabei immer auf die Sprachleistungen des zu Untersuchenden zu achten ist.\nEinige Gesichtspunkte zur Psychologie der\nReaktionsvorg\u00e4nge.\nVon\nA. \u00c0. Gr\u00fcnbaum.\nDie fast durchg\u00e4ngige Orientierung der bisherigen Fragestellungen und Methodik der Reaktionspsychologie ist das Schema : einfacher, f\u00fcr die Vp. indifferenter Reiz und die Reaktionsbewegung, die blo\u00df die","page":120}],"identifier":"lit39472","issued":"1922","language":"de","pages":"118-120","startpages":"118","title":"\u00dcber den Einflu\u00df von Sprachst\u00f6rungen auf das Verhalten gegen\u00fcber Farben","type":"Book Section"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:56:14.234582+00:00"}
