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{"created":"2022-01-31T12:32:30.647211+00:00","id":"lit39473","links":{},"metadata":{"alternative":"Bericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie","contributors":[{"name":"Gr\u00fcnbaum, A. A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Bericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie, edited by Karl B\u00fchler, 120-122. Jena: Verlag von Gustav Fischer","fulltext":[{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nA. A. Gr\u00fcnbaum.\ndirekt auf optischem Wege vor sich, letzteres eben meist nur mit Unterst\u00fctzung der Sprache. Deshalb hat auch unser Patient eine schwere Sortierst\u00f6rung.\nBeide St\u00f6rungen k\u00f6nnen bis zu einem gewissen Grade auf dem Umwege \u00fcber das Beihensprechen verdeckt werden, z. B. kann der Kranke mit dem Worte des Gegenstandes reihenm\u00e4\u00dfig, d. h. durch gel\u00e4ufige Sprachverbindungen, einen Namen verbinden (z. B. Blut ist rot) also die Farbe angeben, eventuell auch zeigen, indem er die ge-seheue Farbe verm\u00f6ge der mit ihr auftauchenden optischen Vorstellung des Blutes als \u201erot wie Blut\u201c bezeichnet. Dieses Aussprechen des Namens in der Reihe ist ein prinzipiell anderer Vorgang als das Wortfinden, das bei der amnestischen Aphasie gest\u00f6rt ist. Es ist ein rein sprachlicher Vorgang des Reihensprechens. Kranke mit keiner besonderen optischen Vorstellungsf\u00e4higkeit werden zwar auch zu der Vorstellung einen Namen der Farbe, n\u00e4mlich, zu dem zugeh\u00f6rigen Worte, aussprechen k\u00f6nne, sie werden die Farbe aber nicht zeigen k\u00f6nnen, weil nicht zu der gesehenen Farbe die Vorstellung eines Gegenstandes auftaucht, an dessen Namen sich reihenm\u00e4\u00dfig das Wort der Farbe anschlie\u00dfen kann. Es ergeben sich so sehr verschiedene Ergebnisse bei derselben Grundst\u00f6rung in verschiedenen F\u00e4llen, ohne da\u00df man deshalb verschiedene St\u00f6rungen anzunehmen braucht. Sie finden alle durch die Wirkung der amnestischen Aphasie bei Individuen mit verschiedener St\u00e4rke des Visualisationsverm\u00f6gens f\u00fcr Farben ihre Erkl\u00e4rung.\nDiese Ausf\u00fchrungen d\u00fcrften f\u00fcr die Normalpsychologie interessant sein durch die innige Beziehung, die sie zwischen den sprachlichen Leistungen und den Wahrnehmungsleistungen dartun. F\u00fcr die praktische Verwertung der Sortierprobe ist hervorzuheben, da\u00df in Zukunft dabei immer auf die Sprachleistungen des zu Untersuchenden zu achten ist.\nEinige Gesichtspunkte zur Psychologie der\nReaktionsvorg\u00e4nge.\nVon\nA. \u00c0. Gr\u00fcnbaum.\nDie fast durchg\u00e4ngige Orientierung der bisherigen Fragestellungen und Methodik der Reaktionspsychologie ist das Schema : einfacher, f\u00fcr die Vp. indifferenter Reiz und die Reaktionsbewegung, die blo\u00df die","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Gesichtspunkte zur Psychologie der Reaktionsvorg\u00e4nge. 121\nAuffassung dieses Reizes anweist und mit ihm nur durch die Instruktion, nicht sinnvoll verbunden ist (konventionelle Bewegung).\nIn Abweichung davon haben wir eine Anzahl der Untersuchungen angeregt, bei welchen einerseits als Reaktionsbewegungen echte Handlungen auftreten, die auf Festhalten, Abwehr oder Modifikation des Reizes gerichtet sind (nat\u00fcrliche Bewegungen). Andererseits wurde nach Reizungen gesucht, die f\u00fcr die Yp. von selbst schon bedeutsam sind und darum die Reaktionsbewegung aus biologischen Gr\u00fcnden spontan hervorrufen (z. B. ein unerwarteter Induktionsschlag auf den Arm, infolgedessen der letztere von der Elektrode zur\u00fcckgezogen wird).\nEinige verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig einfache Konstruktionen erlaubten dabei neben den Reaktionszeiten auch den Verlauf der Bewegung (Gr\u00f6\u00dfe, Geschwindigkeit, Form, Arbeitsenergie) graphisch zu registrieren.\nIn den ersten unserer Untersuchungen haben wir die nat\u00fcrlichen Bewegungen noch nicht als Handlungen, sondern als Anweisebewegungen im bisherigen Sinne verwandt. Aber schon der Vergleich der Reaktionen mit konventionellen und mit nat\u00fcrlichen Bewegungen ergibt auch bei biologisch indifferenten Reizen den Vorrang der letzteren Reaktionsreihe : sie sind mit relativ k\u00fcrzeren, stabileren Reaktionszeiten und minder gezwungener Einstellung der Aufmerksamkeit verbunden (Qu er id o).\nBeim Vergleich der konventionellen Bewegung der Anweisung mit dem Zeigefinger und der nat\u00fcrlichen Abwehrbewegung ergab sich an vielen Befunden, da\u00df die biologisch wichtigere und minder differenzierte, auch mehr energische Bewegung der Abwehr sich vornehmlich sensorisch einstellt; so da\u00df die Aufmerksamkeit sich zweckm\u00e4\u00dfigerweise ganz dem Reiz zuwenden kann \u2014 auch wenn der Reiz indifferent ist und f\u00fcr die Vp. keinen tats\u00e4chlichen Anla\u00df zur Abwehr bietet. Dagegen finden die differenzierten, subtilen, biologisch sekund\u00e4ren Bewegungen des Fingers ihre nat\u00fcrliche Funktion bei motorischer Einstellung (R o 1 d e r).\nDer Vergleich der Flucht- und Abwehrbewegung (Flexion und Extension) des Armes hat f\u00fcr die Flucht kleinere Reaktionszeiten und energischere Bewegungen ergeben. Dieselbe Fluchtbewegung, wenn sie mit dem Reiz im wirklichen, sinnvollen Verband steht (die Befreiung von dem unangenehmen Reiz), wird mit k\u00fcrzeren Reaktionszeiten und schneller ausgef\u00fchrt, als bei dem Reiz, der die Bewegung nur auf Grund der Instruktion \u2014 sobald als m\u00f6glich und so schnell als m\u00f6glich zu reagieren \u2014 provoziert (van de Belt).\nDer nat\u00fcrliche Zusammenhang von Geschwindigkeit mit der K\u00fcrze","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nA. Guttmann.\nder Reaktionszeit wurde aufgedeckt auch bei der willk\u00fcrlichen Intention schneller oder langsamer Drehbewegungen (Bramson).\nDie Bedeutung dieser biologischen Orientierung der Reaktionspsychologie f\u00fcr die wissenschaftliche Begr\u00fcndung der Psychotechnik, ebenso wie f\u00fcr die Methodik der Willenspsychologie sei hier nur erw\u00e4hnt.\nDie Ergebnisse der Arbeiten des Vortragenden und seiner Mitarbeiter sind zum Teil und werden noch in Archives N\u00e9erlandaises de Physiologie publiziert.\nZur Lokalisation des Farbensinns.\nVon\nA. Guttmann.\nAuf Grund der Tatsache, da\u00df der Farbenkontrast der sog. anomalen Trichromaten (oder Farbenschwachen) gegen den des Normalen gesteigert ist, wurde der Versuch gemacht, die beiden, einander kontrastiv beeinflussenden Farben nicht zugleich nebeneinander darzubieten, sondern den mittels binokularer Farbendarbietung und stereoskopisch erfolgender Vereinigung der beiden Farbenfelder unter Umgehung der Netzhaut (weiter zentral vom Chiasma) entstehenden Kontrast zu studieren. Messende Parallelversuche zwischen normalen und anomalen Trichromaten ergaben, da\u00df der Farbenkontrast des letzteren dann nicht nur nicht gesteigert war, sondern \u00fcberhaupt nicht in die Erscheinung trat. Dadurch lie\u00df sich beweisen, da\u00df dieser Farbenkontrast in der Netzhaut zustande kommt. Weitere (kompliziertere) Experimente zeigten, da\u00df selbst das Zustandekommen einer Gr\u00fcn-Empfindung beim anomalen Trichromaten an die gleichzeitige Erregung der Netzhaut durch eine den Gr\u00fcn-Kontrast beg\u00fcnstigende Farbe gebunden ist.\nZugeh\u00f6rige Untersuchungen \u00fcber Abweichungen im zeitlichen Ablauf der Nachbilder bei verschiedenen Typen des Farbensinns ergaben gleichfalls einen Beitrag zur Lokalisationsfrage im selben Sinne. Auch in diesen Versuchen zeigte sich, da\u00df die (schon fr\u00fcher von Vortr. gefundene) gr\u00f6\u00dfere Erm\u00fcdbarkeit des Anomalen farbigen Reizen gegen\u00fcber in der Funktion der Netzhaut zu suchen ist. \u2014 Beide Untersuchungsreihen st\u00fctzen die vom Vortr. 1906 zuerst aufgestellte Theorie, da\u00df die Erscheinungen der Farbenschw\u00e4che beim anomalen Trichromaten weder allein auf einem zentralen Defekt, noch ausschlie\u00dflich auf einer Netzhautanomalie beruht. (Beide Arbeiten sind in der Zeitschr. f. Sinnesphysiologie* Band 51, erschienen.)","page":122}],"identifier":"lit39473","issued":"1922","language":"de","pages":"120-122","startpages":"120","title":"Einige Gesichtspunkte zur Psychologie der Reaktionsvorg\u00e4nge","type":"Book Section"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:32:30.647216+00:00"}
