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Über das Formensehen

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{"created":"2022-01-31T15:33:39.237815+00:00","id":"lit39477","links":{},"metadata":{"alternative":"Bericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie","contributors":[{"name":"Hofmann, F. B.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Bericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie, edited by Karl B\u00fchler, 126-131. Jena: Verlag von Gustav Fischer","fulltext":[{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"F. B. Hofmann.\nWeiter wird die Bedeutung des Ultraviolett insbesondere f\u00fcr die Frage eines Farbensehens bei Gliederf\u00fc\u00dfern er\u00f6rtert und unter anderem gezeigt, da\u00df die viel er\u00f6rterten \u201eDressur\u201c-Versuche bei Bienen in der \u00fcblichen Form f\u00fcr die Farbensinnfrage schon deshalb nicht in Betracht kommen k\u00f6nnen, weil sie von der Voraussetzung ausgehen, da\u00df 2 Fl\u00e4chen, die sich f\u00fcr unser Auge nur durch die Farbe unterscheiden, auch f\u00fcr das Arthropodenauge nur durch die Farbe voneinander verschieden sein k\u00f6nnten; diese Voraussetzung hat aber v. He\u00df in eingehenden Versuchen als unrichtig erwiesen. So k\u00f6nnen z. B. schon verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig geringe Unterschiede im Ultraviolettgehalte zweier uns gleich erscheinender Fl\u00e4chen gen\u00fcgen, um diese den Bienen verschieden erscheinen zu lassen.\nDer Vortragende zeigt einige neuerdings von ihm angegebene besonders einfache Versuchsanordnungen, bei welchen zum Hellen gehende Baupen sich lebhaft bei einer relativ ultraviolettreichen blauen Fl\u00e4che sammeln, auch wenn diese betr\u00e4chtlich dunkler ist als die Umgebung, so da\u00df bei fl\u00fcchtiger Beobachtung leicht der Anschein einer \u201eBlauvorliebe\u201c entstehen kann, w\u00e4hrend naheliegende Kontroll-versuche erkennen lassen, da\u00df von einer solchen keine Bede ist.\n\u00dcber das Formensehen.\nVon\nF. B. Hofmann.\nZeichnet man mit scharfrandig begrenzten schwarzen Strichen auf glattes wei\u00dfes Papier einen stumpfen Winkel, dessen Scheitel einen ganz fehlerlos scharfen Knick bildet, und deckt nun mit Hilfe eines dreieckig ausgeschnittenen Kartons die Schenkel des Winkels bis auf kurze Strecken ab, so verschwindet gleichzeitig mit dem Eindruck der geraden Striche auch der scharfe Knick am Scheitel und statt dessen sieht man einen abgerundeten Bogen. Erst wenn man durch Zur\u00fcckziehen des deckenden Kartons die Schenkel wieder um einen gewissen Betrag verl\u00e4ngert, dessen Gr\u00f6\u00dfe von der Winkelgr\u00f6\u00dfe abh\u00e4ngt, erkennt man die geraden Striche und dann erscheint auch der optische Eindruck des scharfen Knicks am Scheitel wieder. Das Experiment l\u00e4\u00dft sich auch so ausf\u00fchren, da\u00df man, wie bei der Untersuchung des Aufl\u00f6sungsverm\u00f6gens die Entfernung bestimmt, bis zu welcher man ein gleichseitiges Polygon vom Kreis unterscheiden kann. Jede kleinste Fl\u00e4che, sei sie kreisf\u00f6rmig oder gleichseitig-polygonal,","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Formensehen.\n12?\nerscheint unter kleinem Gesichtswinkel kreisrund. Die Erscheinung der geraden Linie und der scharfen Knicke kommt immer erst durch das Zusammenwirken einer gr\u00f6\u00dferen Zahl erregter Sehfeldstellen zustande.\nEine \u00e4hnliche Beobachtung macht man, wenn man an der Her ing-B est sehen Anordnung zur Bestimmung des eben merklichen seitlichen Lageunterschiedes (sogenannte Noniusmethode) die beiden seitlich gegeneinander verschobenen Grenzlinien soweit abdeckt,, da\u00df nur ein kleiner Best ihrer aneinander ansto\u00dfenden Teile sichtbar bleibt. Man sieht dann bei kleinen Verschiebungen statt einer Stufe wie sie in Wirklichkeit besteht, eine schr\u00e4ge gerade Linie : Die beiden in Wirklichkeit senkrechten geraden Linien, die nur seitlich etwas gegeneinander verschoben sind, erscheinen nicht mehr senkrecht und nicht gegeneinander verschoben, sondern in einer Bichtung, aber schr\u00e4g gestellt.\nIch habe zu diesen Versuchen, um einen gleichm\u00e4\u00dfig hellen Hintergrund von \u00fcberall gleicher und konstanter Lichtst\u00e4rke herzustellen, einen mir zur Verf\u00fcgung stehenden Kugelprojektionsapparat f\u00fcr Photogramme von Schmidt und Haensch benutzt, den ich um eine horizontale Achse drehbar an einem passenden Gestell anbrachte. An der Stelle, wo im urspr\u00fcnglichen Apparat das zur Projektion bestimmte photographische Negativ eingeschoben wird, setzte ich eine Milchglasscheibe ein, die von dem halbkugeligen wei\u00dfen Hintergrund her gleichm\u00e4\u00dfig beleuchtet wird. Vor ihr wurde ein abnehmbarer Holzrahmen mit Nuten befestigt, in die man beliebig farbige oder Rauchgl\u00e4ser oder auch Blechscheiben mit ausgeschnittenen Sehproben usf. einschieben kann. Auf der Vorderfl\u00e4che des Rahmens l\u00e4\u00dft sich ferner die Her ing-B estsche Anordnung aufschrauben. Das oben erw\u00e4hnte Ausschneiden des mittleren Teils derselben erfolgt durch eine dahinter in eine Nut eingeschobene Blechscheibe mit einem mittleren horizontalrechteckigen Ausschnitt. F\u00fcr diese Versuche k\u00f6nnte man nat\u00fcrlich auch ohne den Kugelprojektionsapparat auskommen, wenn man den Nutenrahmen in einen gro\u00dfen schwarzen Schirm einsetzen w\u00fcrde, und ihn von hinten her durch einen wei\u00dfen Schirm oder unter Zwischenschaltung einer Milchglasscheibe durch gespiegeltes Himmelslicht durchleuchtete. Dabei m\u00fc\u00dfte man freilich die Variationen des Tageslichts mit in Kauf nehmen. Sehr bequem ist der Apparat insbesondere auch bei Untersuchungen \u00fcber den Licht- und Farbensinn zu verwenden, z. B. bei der Heringschen F\u00fcnfpunkte-Anordnung zum Nachweis des zentralen Skotoms im dunkeladaptierten Auge.\nWie ich mir das Verschwinden der Stufe im Hering-Best-schen Versuch erkl\u00e4re, habe ich anderenorts (Baumsinn des Auges, 1. Teil, S. 98 ff.) schon auseinandergesetzt. Offenbar handelt es sich dabei zum Teil um die Produktion scharfer Umrisse aus dem verwaschenen Netzhautbild unter Mithilfe des Simultankontrastes. Den Zusammenhang mit anderen bekannteren Erscheinungen erkennt man","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nP. B. Hofmann.\nam besten, wenn man sich die Stufe wiederholt denkt, oder wenn man statt der einmaligen stufenf\u00f6rmigen Kontur ein Laubs\u00e4geblatt verwendet, das man in den beschriebenen Apparat vor den hellen Hintergrund einschiebt. Auch diese wiederholten Zacken ergeben aus gr\u00f6\u00dferem Abstand betrachtet eine ganz glatte Grenzlinie.\nAber die Kontrastwirkung kann doch nicht der einzig ma\u00dfgebende Kaktor sein, denn an der Hering-Bestschen Anordnung verschwindet ja nicht blo\u00df die schmale Stufe, sondern es wird auch die Lokalisation der viel l\u00e4ngeren, an sie ansetzenden vertikalen Grenzlinien ver\u00e4ndert, und in dem zuerst beschriebenen Versuche mit dem Winkel tritt der scharfe Knick erst dann auf, wenn man die geraden Schenkel des Winkels so weit verl\u00e4ngert, da\u00df ihre Gesichtswinkel die Grenze des Aufl\u00f6sungsverm\u00f6gens um ein Mehrfaches \u00fcberschreitet. Es handelt sich also hier um eine gegenseitige Beeinflussung der optischen Lokalisation bei gleichzeitiger Beizung mehrerer Netzhautstellen, die ich allerdings im \u00fcbrigen der Wechselwirkung der Sehfeldstellen in bezug auf die Farbenqualit\u00e4t an die Seite stellen m\u00f6chte. Mindestens erscheint es mir vorl\u00e4ufig als geboten, sie von den ihr \u00e4hnlichen Erscheinungen der \u201eGestaltauffassung\u201c und deren modifizierendem Einflu\u00df auf die Lokalisation des Gesehenen grunds\u00e4tzlich zu trennen.\nDas Wirksame bei der Gestaltauffassung ist die geistige Einstellung auf den Sinn des Gesehenen, welche die Erregungen so modifiziert, da\u00df sie in bestimmten Kombinationen, unter Umst\u00e4nden auch in ver\u00e4nderter Form, ins Bewu\u00dftsein eintreten. Die Ab\u00e4nderung der Erregungen beruht in diesem Falle offenbar auf einer im individuellen Leben erworbenen Organisation der Zentren. Beim reinen Formensehen handelt es sich aber meiner Meinung nach um Vorg\u00e4nge, die an sich von der geistigen Einstellung unabh\u00e4ngig ablaufen, die also auch auf eine weit urspr\u00fcnglichere Anlage der Sehzentren zur\u00fcckzuf\u00fchren sind, als die Gestaltauffassung.\nAllerdings glaube ich, da\u00df auch derartige in der urspr\u00fcnglichen Anlage der Sehzentren begr\u00fcndete Prozesse durch Vorg\u00e4nge in anderen \u00fcbergeordneten Zentren sekund\u00e4r abge\u00e4ndert werden k\u00f6nnen. So erkl\u00e4re ich mir z. B. die Angabe von Winch, da\u00df die \u00dcbersch\u00e4tzung der Vertikalen gegen\u00fcber der Horizontalen bei Schulkindern unter dem Einflu\u00df des Zeichenunterrichts allm\u00e4hlich abnimmt (vgl. Baumsinn des Auges, S. 190). Beim Formensehen selbst finde ich etwas Analoges bei der Betrachtung der von mir (1. c. S. 136) angegebenen T\u00e4uschungsfigur, die aus einem geraden Strich mit abwechselnd rechts","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Uber das Formensehen.\n129\nund links angeh\u00e4ngten dreieckigen Zacken besteht. Je nachdem, oh ich mit meiner Aufmerksamkeit mehr den geraden durchgehenden Strich heraushebe, oder mehr den Eindruck der schr\u00e4gen Konturen auf mich einwirken lasse, kann ich hier beliebig die Form der Figur vom geraden Strich mit zackigen Anh\u00e4ngseln zum Zickzackstrich ab\u00e4ndern. Allerdings gibt es dabei jedesmal eine Grenze f\u00fcr den Abstand der Figur vom Auge, jenseits welcher zwingend entweder der eine oder der andere Eindruck entsteht. Ich m\u00f6chte gerade diesen Versuch als Beispiel f\u00fcr die Kombination zweier \u00fcbereinander geordneter Prozesse betrachten, von denen der eine in einer urspr\u00fcnglicheren Organisation des Sehorgans begr\u00fcndet ist, die im extremen Falle ganz zwingend wirkt, w\u00e4hrend der andere, dar\u00fcber gelagerte, nur unter gewissen Voraussetzungen wirksam wird, und wie bei der Gestaltwahrnehmung von der geistigen Einstellung abh\u00e4ngt. Diese angenommene Staffelung zweier \u00fcbereinander geordneter Prozesse scheint mir in derselben Richtung zu liegen, in der z. B. Herr Jaensch die Erkl\u00e4rung f\u00fcr das Aubert-Forstersehe Ph\u00e4nomen erblickt, wenn er f\u00fcr die Sehsch\u00e4rfe der exzentrischen Netzhautstellen neben der anatomischen Besonderheit der Netzhautperipherie auch noch einen zentralen Faktor mitwirken l\u00e4\u00dft.x)\nMeine Anschauungen beruhen zum Teil auch auf morphologischen \u00dcberlegungen. Wir k\u00f6nnen uns die Kette der Sinnesleitungen zerlegen in die einzelnen Glieder der \u00fcbereinander geschalteten Neurone, die aber nicht nur in der Leitungsrichtung von der Peripherie nach dem Zentrum zu aneinander angeschlossen sind, deren einzelne Schichten vielmehr auch durch Querverbindungen, wie sie z. B. in der Netzhaut unzweideutig vorliegen, miteinander in Verbindung treten und sich gegenseitig beeinflussen. F\u00fcgen wir nun noch hinzu, wie ich dies anderenorts (Naturwissenschaften, 1921, S. 169) schon angedeutet habe, da\u00df den Neuronen h\u00f6herer Ordnung auch Erregungen spezifischer Art zukommen k\u00f6nnen, zu denen sie durch die von der Peripherie her zugeleiteten Erregungen angeregt werden, so kommen wir zu folgender Gesamtauffassung. Die Sehbahn ist in mehrere \u00fcbereinander geordnete Staffeln von parallel nebeneinander gestellten Neuronen gegliedert. In jeder dieser Staffeln kann infolge gegenseitiger Beeinflussung der einzelnen Elemente durch\n1) Die von Poppelrenter (Psychische Sch\u00e4digungen durch Kopfsch\u00fcsse usf., S. 75) getroffene Unterscheidung von Empfindung, Bemerken, Formauffassung, Dingauffassung usf. ist mit dem obigen kaum direkt vergleichbar, weil Poppel-reuter damit die fortschreitende geistige Verwertung der optischen Eindr\u00fccke im Bewu\u00dftsein meint.\nBericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df.\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nF. B. Hofmann.\nQuerleitungen eine gewisse Ordnung und gegenseitige Abstimmung der Erregungen aufeinander zustande kommen, die nun an die H\u00f6here Staffel weitergeleitet werden. Diese braucht aber die zugeleiteten Erregungen von der niederen Staffel nicht unver\u00e4ndert zu \u00fcbernehmen und weiterzugeben, sondern kann sie ebenfalls wieder auf dem Wege der gegenseitigen Beeinflussung modifizieren. Damit aber noch nicht genug. Ich habe bez\u00fcglich der Gestaltwahrnehmungen schon auseinander-gesetzt (Baumsinn des Auges, S. 151 und Naturwissenschaften, 1921, S. 171), da\u00df wir annehmen m\u00fcssen, da\u00df von dem Organ des Bewu\u00dftseins her eine r\u00fcckl\u00e4ufige Beeinflussung der niederen Zentren stattfinden mu\u00df, die es bewirkt, da\u00df die Gestaltwahrnehmungen als solche fertig ins Bewu\u00dftsein eintreten, ganz in Analogie mit der allm\u00e4hlichen Mechanisierung urspr\u00fcnglich m\u00fchsam erlernter komplizierter Handlungen. Wenn wir nun diese ganze Auffassungsweise zugrunde legen, so kann ich mich jetzt pr\u00e4ziser so ausdr\u00fccken: Ich halte die elementaren Prozesse des Formensehens f\u00fcr Vorg\u00e4nge, die sich in so niederen Zentren abspielen, da\u00df eine direkte Beeinflussung derselben durch die bewu\u00dfte geistige Einstellung nicht mehr m\u00f6glich ist, w\u00e4hrend sich die Vorg\u00e4nge, die zur Gestaltwahrnehmung f\u00fchren, in h\u00f6her gelegenen, durch die geistige Einstellung beeinflu\u00dfbaren Zentren vollziehen.\nDie Annahme einer solchen Staffelung mehrerer \u00fcbereinander geordneter Prozesse scheint aber auch auf anderen Gebieten des optischen Baumsinnes die M\u00f6glichkeit einer gewissen Kl\u00e4rung zu bieten. Zun\u00e4chst w\u00fcrde die Sonderung, wie ich sie oben im ebenen Sehfeld f\u00fcr das Formensehen und die Gestaltwahrnehmung durchgef\u00fchrt habe, auch auf das Tiefensehen \u00fcbertragbar sein. Das dem Formensehen entsprechende, auf einer tieferen, urspr\u00fcnglicheren \u2014 wie man gew\u00f6hnlich sagt, angeborenen \u2014 Anlage beruhende Tiefensehen w\u00fcrde durch die binokularen Tiefenempfindung dargestellt werden, die auf Grund der Quer disparation zustande kommt. Dar\u00fcber w\u00fcrde aber dann die Tiefenwahrnehmung auf Grund empirischer Motive gelagert sein, welche das Ergebnis des binokularen Tiefensehens sekund\u00e4r modifizieren kann, und die, wie besonders deutlich die umkehrbaren perspektivischen Zeichnungen dartun, durchaus in das Gebiet der Gestaltwahrnehmungen herein geh\u00f6rt.\nFerner ist es wahrscheinlich, da\u00df wir in der normalen Korrespondenz der beiden Netzh\u00e4ute wieder eine solche angeborene Anlage vor uns haben, w\u00e4hrend die von Schielenden erworbene \u201eanomale Sehrichtungsgemeinschaft\u201c beider Augen einen anderen Typus dar-","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber psychophysische Konstitutionstypen.\t131\nstellt, dessen Zugeh\u00f6rigkeit zur Gestaltwahrnehmung allerdings noch besonderer Untersuchung bedarf.\nEin letztes Gebiet endlich, auf das wir die angef\u00fchrte Scheidung zweier \u00fcbereinander gelagerter Organisationen anwenden k\u00f6nnen, betrifft das Sehen yon Bewegungen. Ich habe fr\u00fcher (Der Baumsinn des Doppelauges, Ergehn, d. Physiol., Bd. 15, S. 329 ff., 1916) das Bewegungssehen zur Gestaltwahrnehmung in Beziehung gesetzt, aber schon damals starke Vorbehalte gemacht. Ich glaube heute, da\u00df es richtiger ist, das reine Bewegungssehen als eine urspr\u00fcnglich fundierte Grundfunktion des Sehorgans dem reinen Formensehen und dem binokularen Tiefensehen analog zu setzen. Aber auch hier steht \u00fcber der Grundfunktion eine \u00fcbergeordnete Stufe, auf der Bewegungsformen miteinander kombiniert werden zum Aufbau komplexer \u201eBewegungsgestalten\u201c. Beispiele daf\u00fcr erblicke ich in den T\u00e4uschungsfiguren, die ich seinerzeit (1. c. S. 338) aus dem \u201ePrometheus\u201c \u00fcbernommen habe, und auf die ich hier verweise.\n\u2022 \u2022\nIch bin mir bewu\u00dft, da\u00df alle diese \u00dcberlegungen vorl\u00e4ufig nur einen Anfang bedeuten und erst noch weiterer Ausarbeitung bed\u00fcrfen. Wohl aber glaube ich, da\u00df die angegebene reinliche Scheidung geeignet ist, manche heute un\u00fcberwindlich erscheinende Gegens\u00e4tze zu \u00fcberbr\u00fccken.\nSchlu\u00dfwort : Ich gebe zu, da\u00df ein strenger experimenteller Beweis f\u00fcr die Unabh\u00e4ngigkeit des reinen Formensehens von der geistigen Einstellung heute noch nicht erbracht ist. Es schien mir aber heuristisch richtiger, den Gegensatz zwischen dem Formensehen und der Gestaltwahrnehmung in der Darstellung des optischen Baumsinns scharf herauszuarbeiten, anstatt von vornherein beide Prozesse in eins zusammenzuwerfen. Auch glaube ich, da\u00df die neueren Befunde an Hirnverletzten eher f\u00fcr die Scheidung der beiden Prozesse als f\u00fcr ihre Identit\u00e4t sprechen.\n\u00dcber psychophysische Konstitutionstypen.\n(Mit Vorf\u00fchrung von Lichtbildern.)\nVon\nWalther Jaensch.\nI.\nIndividuen mit optischen Anschauungsbildern (\u201eEidetiker\u201c) haben\ndie F\u00e4higkeit, einen vorher betrachteten Gegenstand im buchst\u00e4blichen\n9*","page":131}],"identifier":"lit39477","issued":"1922","language":"de","pages":"126-131","startpages":"126","title":"\u00dcber das Formensehen","type":"Book Section"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:33:39.237821+00:00"}

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