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{"created":"2022-01-31T16:05:22.299073+00:00","id":"lit39486","links":{},"metadata":{"alternative":"Bericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie","contributors":[{"name":"Lewin, Kurt","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Bericht \u00fcber den VII. Kongre\u00df f\u00fcr experimentelle Psychologie, edited by Karl B\u00fchler, 146-148. Jena: Verlag von Gustav Fischer","fulltext":[{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nKurt Lewin.\nst\u00e4rkeren Graden der Ablenkung das Bewu\u00dftwerden und Bewu\u00dftbleiben dieser Einstellung auf Zeit und damit der Auffassung der Zeit erheblich gest\u00f6rt, so da\u00df entweder gar keine Zeit erlebt wurde oder nur ein l\u00fcckenhaftes Zeiterleben sich einstellte oder etwas qualitativ sehr verschiedenes von dem Zeiterleben der NZ, etwas mattes unklares undifferenziertes ; aber unter dem Zwang der Einstellnng auf ein Zeiturteil wurde dieses unmittelbar als kleine Zeit angesprochen.\nEine experimentelle Methode zur Erzeugung von Affekten.\nVon\nKurt Lewin.\nDie bisherigen Versuche experimenteller Erzeugung von Gef\u00fchlen benutzen in der Hauptsache irgendwelche k\u00f6rperliche Beize, die Einf\u00fchlung in heitere oder traurige Bilder, Geschichten, Erinnerung an fr\u00fchere Gef\u00fchle usw. Die zur Sprache gebrachte Methode will demgegen\u00fcber Gef\u00fchle erzeugen, die nicht als nur unselbst\u00e4ndige Elemente an bestimmten Empfindungen auftreten, sondern die jenes relativ selbst\u00e4ndige Leben zeigen, das den intensiveren Gem\u00fctsbewegungen gew\u00f6hnlich eigen ist, und zwar mit rein psychologischen Mitteln. \u2014 Es ist nicht beabsichtigt, m\u00f6glichst \u201eunvermischte Gef\u00fchlselemente\u201c zu erzeugen, sondern Gef\u00fchle im nat\u00fcrlichen Verb\u00e4nde zu studieren. \u2014 Eine wesentliche methodische Schwierigkeit besteht hierbei darin, da\u00df man ernsthaft in das Leben der Vp. eingreifende Ereignisse zur Erzeugung solcher Gef\u00fchle gar nicht oder nicht in willk\u00fcrlich wiederholbarer Weise benutzen kann.\nDie Durchf\u00fchrung beruht auf folgendem Gedanken : L\u00e4\u00dft man ein an und f\u00fcr sich wenig intensives Gef\u00fchl nicht zur Entwicklung kommen, z. B. durch eine intensive Besch\u00e4ftigung der Vp. mit einer aufgegebenen T\u00e4tigkeit, so bringen weitere an und f\u00fcr sich ebenfalls nicht besonders starke Gef\u00fchlsreize \u00e4hnlicher Art unter Umst\u00e4nden eine betr\u00e4chtliche Steigerung des Gef\u00fchls mit sich und k\u00f6nnen zu lebhaften Affekten f\u00fchren.\nDie Technik der Versuche ist folgende : Eine absichtlich gleichg\u00fcltige fortlaufende T\u00e4tigkeit, z. B. das B\u00fcckw\u00e4rtslesen (Umstellen) visuell sukzessiv in Beihen gleicher oder verschiedener L\u00e4nge","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Eine experimentelle Methode zur Erzeugung von Affekten.\n147\ndargebotenen Silben, wird durch die Wahl eines \u201eeben zu raschen\u201c Darbietungstempos so schwierig gemacht, da\u00df sie zu Fehlern f\u00fchrt. Schon nach dem 1. Fehler pflegt ein Unlustgef\u00fchl aufzutreten, das sich beim 2, und 3. Fehler rasch zu intensivem Arger steigern und das recht betr\u00e4chtliche Gef\u00fchlsausbr\u00fcche nach sich ziehen kann. Es kommt zu \u00e4rgerlichen Ausrufen, Auf-den-Tisch-schlagen, Verlegenheitslachen u. a. m. Das Argergef\u00fchl kann in ein Gef\u00fchl des L\u00e4cherlich e n Umschl\u00e4gen und als solches durch weitere Fehler bis zu intensivster Heiterkeit und heftigen Lachausbr\u00fcchen gesteigert werden.\nAls starke Gef\u00fchlsreize lassen sich Tempover\u00e4nderungen innerhalb einer Reihe benutzen, sowie Tempo\u00e4nderungen von Reihe zu Reihe. Nach l\u00e4ngerer Darbietung rascher Reihen pflegen langsame Reihen starke Langeweilegef\u00fchle auszul\u00f6sen.\nF\u00fcr die Erzeugung und Erkl\u00e4rung der einzelnen Gef\u00fchlsreaktionen ist die Ber\u00fccksichtigung der voraufgegangenen Versuche und der herrschenden Grundstimmung \u00e4u\u00dferst wichtig. Sie f\u00fchrt zu einer systematischen Gestaltung der Versuchsstunde als Ganzem, und zwar durch bestimmte Anordnungen der in \u201eeben zu raschem\u201c Tempo, in \u201e\u00fcberraschem\u201c, in \u201ezu langsamen\u201c oder in \u201eraschem, aber nicht zu raschem\u201c Tempo dargebotenen Reihen. Auf diese Weise l\u00e4\u00dft sich sowohl die momentane Stimmung, wie die momentane Gef\u00fchlslabilit\u00e4t \u2014 ein f\u00fcr die Versuche sehr wesentlicher Faktor \u2014 in gewissem Grade beeinflussen. Endlich l\u00e4\u00dft sich zur Erzeugung von Affekten die bewu\u00dfte T\u00e4uschung der Vp. \u00fcber das gew\u00e4hlte Tempo benutzen: Fordert man die Vp. z. B. nach einer Anzahl schlecht gegl\u00fcckter Reihen auf, sich noch einmal intensiv anzuspannen, um bei dem raschen Tempo mitzukommen, und bietet der Vp. in Wirklichkeit eine langsamere Reihe dar, so glaubt die Vp., die nun \u00fcber Erwarten gute Leistung ,sich selbst* zusprechen zu k\u00f6nnen \u2014 die Tempo Verlangsamung selbst bleibt bei geeigneten Geschwindigkeitsverh\u00e4ltnissen unbemerkt \u2014 und reagiert unter Umst\u00e4nden mit sehr intensiven Stolz- oder Freudengef\u00fchlen.\nZur Registierung der Gef\u00fchlsausbr\u00fcche wird die phono-graphische Aufnahme herangezogen, die die Gef\u00fchlsverschiebung w\u00e4hrend der Reihe durch den Tonfall des Sprechenden z. T. ausgezeichnet zum Ausdruck bringt. Zur Feststellung der tats\u00e4chlich aufgetretenen Gef\u00fchle wird die Selbstbeobachtung ausgiebig benutzt. Sie liefert bei geeignetem Verhalten des VI. nach kurzer \u00dcbung recht gute und genaue Beschreibungen, vor allem \u00fcber den\nzeitlichen Verlauf der Gef\u00fchle, der f\u00fcr die Kausalforschung ja be-\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nKurt Le win.\nsonders wichtig ist. Man erh\u00e4lt Aufschlu\u00df, z. B. \u00fcber den kontinuierlichen oder ruckweisen Anstieg und Abfall des Gef\u00fchls, \u00fcber die Lage und Breite des Maximus, das Parallelgehen verschiedener Gef\u00fchle, die Schnelligkeit des Umschlagens in andere Gef\u00fchle usw. Sie gestattet auch einen quantitativen Vergleich der Gef\u00fchlsintensit\u00e4t z. T. anscheinend selbst zwischen qualitativ verschiedenen Gef\u00fchlen. Als objektives Ma\u00df f\u00fcr die Gef\u00fchlsintensit\u00e4t l\u00e4\u00dft sich unter Umst\u00e4nden die St\u00e4rke der Hemmung der T\u00e4tigkeit durch das betreffende Gef\u00fchl heranziehen.\nVon einer Registrierung der Puls- und Atemkurven wurde bisher abgesehen.\nAbgesehen von den Problemen der Bedingungen und des Verlaufs einer ganzen Reihe von Affekten, der Wirkung der Erm\u00fcdung, des Grades der \u00d6ffentlichkeit der Versuche u. a. m. wird durch die geschilderte Methode gut zug\u00e4nglich: Erstens die Erscheinung der unwillk\u00fcrlichen Gef\u00fchlsausbr\u00fcche, bei der man \u201e\u00e4u\u00dfere\u201c und \u201einnere (gedankliche)\u201c Gef\u00fchlsausbr\u00fcche zu unterscheiden hat; ferner der Vorgang der Gef\u00fchlsunterdr\u00fcckung, bei der sich die eigentliche teils aktive, teils unwillk\u00fcrliche Gef\u00fchlsbeseitigung, die\nblo\u00dfe Gef\u00fchls\u00fcb erd eck un g und der Gef\u00fchlsumschlag z. B. eines \u2022 \u2022\n\u00c4rgers in Heiterkeit unterscheiden lassen. Endlich l\u00e4\u00dft sich die f\u00fcr die Selbstbeobachtung wichtige Frage der Erinnerung an Gef\u00fchle untersuchen, z. B. die Beziehung von wirklich wiederaufgetauchten Gef\u00fchlen zu den blo\u00dfen Gef\u00fchlsvorstellungen einerseits und zu dem wirklichen Verlauf des ersten Gef\u00fchls andererseits u. a. m. \u00dcberall lassen sich dabei sowohl die allgemeinen Gesetze \u00fcber die Bedingungen und den Verlauf bestimmter Gef\u00fchlsvorg\u00e4nge untersuchen wie die individuellenUnterschiede der Gef\u00fchlslabilit\u00e4t, des Gef\u00fchlsverlaufs usw.\nAn affektartigen Vorg\u00e4ngen, die zu \u00e4u\u00dferen Gef\u00fchlsausbr\u00fcchen f\u00fchrten, lie\u00dfen sich durch die angegebene Methode vor allem erzeugen: Arger, Heiterkeit, Zufriedenheit, Stolz, Freude, Unbefriedigtsein, Gef\u00fchl des Staunens, des ekelhaft Unangnehmen. An sonstigen intensiven Gef\u00fchlen traten u. a. auf: Gef\u00fchl des Erl\u00f6stseins, der Befriedigung, der Aufregung, Verwirrung, Gef\u00fchl des Bequemen, der Annehmlichkeit, der Verwunderung, des Vergn\u00fcgens, der Lustigkeit, der Interessiertheit, der Unlust, Entt\u00e4uschung, des Zwiespalts, der Spannung, Langeweile.","page":148}],"identifier":"lit39486","issued":"1922","language":"de","pages":"146-148","startpages":"146","title":"Eine experimentelle Methode zur Erzeugung von Affekten","type":"Book Section"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:05:22.299079+00:00"}
