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{"created":"2022-01-31T14:22:49.655608+00:00","id":"lit39509","links":{},"metadata":{"alternative":"Allgemeine Encyklop\u00e4die der Physik","contributors":[{"name":"Helmholtz, Hermann von","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Leipzig: L. Voss","fulltext":[{"file":"a0007.txt","language":"de","ocr_de":"HANDBUCH\nDER\nPHYSIOLOGISCHEN OPTIK.\nBEARBEITET\nH. HELMHOLTZ,\nPROFESSOR DER PHYSIOLOGIE ZU HEIDELBERG.\nMIT 213 IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSCHNITTEN UND 11 TAFELN.\nLEIPZIG,\nLEOPOLD VOSS. 1867.","page":0},{"file":"a0008.txt","language":"de","ocr_de":"\u00ab","page":0},{"file":"a0009introduction.txt","language":"de","ocr_de":"V o r r e cl e,\nDie erste Abtheilung des vorliegenden Handbuches ist schon im Jahre 1856 erschienen, die zweite 1860, die dritte theils Anfang, theils Ende 1866. Die lange Verz\u00f6gerung der Herausgabe des letzten Theils war theils durch \u00e4ussere Gr\u00fcnde, zweimaligen Wechsel des Wohnortes und Wirkungskreises, sich zwischendr\u00e4ngende andere wissenschaftliche Arbeiten, theils durch innere Gr\u00fcnde veranlasst. Die Lehre von den Gesichtswahrnehmungen ist gerade im Laufe der letzten Jahre sehr vielf\u00e4ltig bearbeitet worden, und hat eben angefangen ihren reichen Inhalt und das tiefgreifende Interesse, was sie besitzt, zu entfalten. Es k\u00f6nnte billiger Weise auch jetzt noch einem Zweifel unterliegen, ob es schon m\u00f6glich ist, mit einiger Aussicht auf Erfolg einen, wenn auch nur vorl\u00e4ufigen, Abschluss eines so jungen und gleichsam noch g\u00e4hrenden Zweiges der Wissenschaft geben zu wollen, wie es doch der allgemeine Plan dieses Buches und der Encyklop\u00e4die, zu der es geh\u00f6rt, erfordert. Andererseits ist bei der eigenth\u00fcmlichen Natur dieses Gebiets ein schneller Fortschritt zu einer endgiltigen Beantwortung der noch offenen Fragen nicht gerade zu erwarten. Theils ist dasselbe eng verflochten mit den schwierigsten psychologischen Problemen, theils ist die Zahl der Beobachter gering, die es f\u00f6rdern k\u00f6nnen, da immer eine lange Uebung in der Beobachtung subjective!- Erscheinungen und in Beherrschung der Augenbewegungen vorhergehen muss, ehe","page":0},{"file":"a0010.txt","language":"de","ocr_de":"VI\nVORREDK.\nman auch nur sieht, was die Vorg\u00e4nger schon gesehen haben, und Mancher, der diese Uebungen nicht vorsichtig genug anstellt, schon dann gen\u00f6thigt ist, eine sorgf\u00e4ltige Schonung seiner Augen eintreten zu lassen. Dazu kommt, dass gerade hier, wo psychische Processe eingrcifen, auch der Spielraum der individuellen Abweichungen viel gr\u00f6sser zu sein scheint, als in anderen Gebieten der Physiologie.\nDennoch musste am Ende der Versuch gemacht werden, Ordnung und Zusammenhang in dieses Gebiet hineinzubringen und es von den auff\u00e4lligen Widerspr\u00fcchen zu befreien, die sich bis jetzt durch dasselbe hinzogen. Ich habe dies gethan in der Ueberzeugung, dass Ordnung und Zusammenhang, selbst wenn sie auf ein unhaltbares Princip gegr\u00fcndet sein sollten, besser sind als Widerspr\u00fcche und Zusammenhanglosigkeit. Ich habe deshalb das Princip der empiristischen Theorie, wie ich es im 26. und 38. Paragraphen auseinandergesetzt habe, und von dem ich mich immer mehr \u00fcberzeugt habe, je l\u00e4nger ich arbeitete, dass es das einzige ist, welches ohne Widerspr\u00fcche durch das Labyrinth der gegenw\u00e4rtig bekannten Thatsachen hindurchf\u00fchrt, zum Leitfaden genommen. Es sind mir auf diesem Wege schon andere Forscher voran-gegangen, deren Arbeiten, vielleicht wegen einer der materialistischen Neigung der Zeit entsprechenden Vorliebe zu unmittelbar mechanischen Erkl\u00e4rungen, im Ganzen nicht den Beifall gefunden haben, den sie wohl verdient h\u00e4tten. Der Grund davon kann darin gelegen haben, dass diese meine Vorg\u00e4nger immer nur einzelne Kapitel der Lehre von den Gesichtswahrnehmungen bearbeitet haben, und hier eigentlich nur der Zusammenhang des Ganzen der Ansicht, in welcher er gewonnen wird, \u00fcberzeugende Kraft .verschaffen kann. Ich habe mich deshalb bem\u00fcht, diesen Zusammenhang vollst\u00e4ndig zu entwickeln.\nDen Uebelst\u00e4nden, welche durch die Verz\u00f6gerung der Herausgabe des Ganzen f\u00fcr die ersten beiden Abtheilungen entstanden sind, habe ich dadurch abzuhelfen gesucht, dass ich in einem Nachtrage die neuere Literatur zusammengestellt und kurz wenigstens die wichtigsten der seit Herausgabe jener Abtheilungen neu gefundenen Thatsachen besprochen habe. Gl\u00fccklicher Weise befindet sich unter diesen keine, welche eine wesentliche Ver\u00e4nderung der aufgestellten Schl\u00fcsse und Ansichten bedingt h\u00e4tte.","page":0},{"file":"a0011.txt","language":"de","ocr_de":"VORREDE.\nTU\nWas die literarischen Uebersichten betrifft, die nach dem Plane der Ency-klop\u00e4die verlangt wurden, so habe ich sie so gut gegeben, als ich bei den mir zu Gebot stehenden Hilfsmitteln konnte. Die neuere Literatur wird ziemlich vollst\u00e4ndig sein; die \u00e4ltere habe ich vielfach aus secund\u00e4ren Quellen Zusammentragen m\u00fcssen und kann f\u00fcr ihre Genauigkeit keine Garantie \u00fcbernehmen. Die Ausarbeitung einer wirklich zuverl\u00e4ssigen Geschichte der physiologischen Optik w\u00fcrde eine Arbeit sein, die die Zeit und Kraft eines Forschers f\u00fcr lange Jahre in Anspruch n\u00e4hme, und das entsprechende Diteresse w\u00fcrde sie doch erst haben, wenn der Zustand der Wissenschaft selbst ein reiferer w\u00e4re, als er jetzt ist.\nMein Hauptstreben bei der Ausarbeitung des vorliegenden Buches ist es gewesen, mich durch eigenen Augenschein und eigene Erfahrung von der Richtigkeit aller, nur einigermassen wichtigen Thatsachen zu \u00fcberzeugen. Die Methoden der Beobachtung habe ich stets in derjenigen Ausf\u00fchrungsweise beschrieben, welche mir die zuverl\u00e4ssigste zu sein schien, und wo dieselben von der Methode des Entdeckers abweichen, bitte ich darin nicht eine unmotivirte Sucht nach Neuerungen zu sehen.\nM\u00f6gen sachverst\u00e4ndige Richter die Schwierigkeit und Weitl\u00e4uftigkeit der Aufgabe, die zu l\u00f6sen war, ber\u00fccksichtigen, wo sie das ihnen hier \u00fcbergebene Buch zu tadeln finden sollten.\nHeidelberg, im December 1866.\nH. Helmholtz.","page":0},{"file":"a0012.txt","language":"de","ocr_de":"\n\n","page":0},{"file":"a0013.txt","language":"de","ocr_de":"Verzeichniss einiger Abk\u00fcrzungen,\nwelche in den Citaten gebraucht sind.\nDer Dand des betreffenden Werkes ist jedes Mal mit r\u00f6mischer Ziffer, die Seite mit arabischer bezeichnet: wo eine Zeitschrift mehrere Serien von B\u00e4nden umfasst, ist die arabische Nummer der Serie, eingeklammert (,...), der r\u00f6mischen Zahl des Bandes vorausgesetzt worden.\n1.\tBericht \u00fcber die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der K\u00f6nigl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. \u2014 Berl. Monatsber.\n2.\tAbhandlungen der mathematisch-physikalischen Klasse der K\u00f6nigl. Bair. Akademie der Wissenschaften. \u2014 Abh. d. M\u00fcnch. Ak.\n3.\tAbhandlungen der K\u00f6nigl. Gesellschaft der Wissenschaften zu G\u00f6ttingen. \u2014 Abh. d. K\u00f6n. Ges. zu G\u00f6ttingen.\n4.\tG\u00f6ttingische gelehrte Anzeigen unter Aufsicht der K\u00f6nigl. Gesellschaft der Wissenschaften. \u2014 G\u00f6tting. gel. Anz.\n\u00f6. Abhandlungen der Leipziger Akademie. Abh. d. Sachs. Ges. d. Wiss.\n6.\tBerichte der S\u00e4chsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. \u2014 Leipz. Ber.\n7.\tAnnalen der Physik und Chemie, herausgegeben von J. C. Poggendorff. \u2014 Pogg. Ami.\n8.\tJournal f\u00fcr reine und angewandte Mathematik, herausgegeben von A. L. Crelle. \u2014 Crelle\u2019s J.\n9.\tNotizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, lierausgegeben von Froriep und Schleiden. \u2014 Fror. Not.\n10.\tPolytechnisches Journal, herausgegeben von J. G. Dingler und E. M. Dingler. \u2014 Dingler\u2019s pol. J.\n-1 1. Archives des sciences physiques et naturelles par de la Rive, Marignac et Pictet. \u2014 Arch. d. sc. ph. et nat. oder Arch, de Gen\u00e8ve.\n12.\tPhilosophical transactions of the Royal Society of London. \u2014 Phil. Trans.\n13.\tTransactions of the Royal Society of Edinburgh. \u2014 Eclinb. Trans.\n14.\tProceedings of the .... meeting of the British Association. \u2014 Rep. of Brit. Associa. The London, Edinburgh and Dublin philosophical Magazine and Journal of science, conducted by Brewster, Taylor, Phillips, Kane. \u2014 Phil. Mag.\n16.\tThe Edinburgh new philosophical Journal, cond. by R. Jameson. \u2014 Edinb. J.\n17.\tThe American Journal of science and arts, cond. Si/Silliman, B. Silliman and Bana. \u2014 Sillim. J.\n18.\tM\u00e9moires pr\u00e9sent\u00e9s a l\u2019Acad\u00e9mie Royale de Bruxelles. \u2014 M\u00e9m. (le Brux.\n19.\tBulletin de l\u2019Acad\u00e9mie Royale des sciences et belles lettres de Rruxelles. \u2014 Bull, de Brux.\n20.\tComptes rendus hebdomadaires des s\u00e9ances de l\u2019Acad\u00e9mie des Sciences de Paris. \u2014 C. R.\n21.\tL\u2019Institut, journal universel des sciences et des soci\u00e9t\u00e9s savantes en France et \u00e0 l\u2019\u00e9tranger. \u2014 Inst.\n22.\tM\u00e9moires de l\u2019Acad\u00e9mie des Sciences a Paris. \u2014 M\u00e9m. de Paris.\n23.\tM\u00e9moires des savants \u00e9trangers, pr\u00e9sent\u00e9s \u00e0 l\u2019Acad\u00e9mie des Sciences \u00e0 Paris. \u2014 M\u00e9m. d. Sav. \u00e9tr.\n24.\tAnnales de chimie et de physique par MM. Gay-Lussac, Arago, Chevreul, Dumas, Pelo\u00fcze, Boussingault et R\u00e9gnault. \u2014 Ann. de ch. et de ph.","page":0},{"file":"a0014.txt","language":"de","ocr_de":"X\nVERZEICHNISS EINIGER ABK\u00dcRZUNGEN.\n2\u00f6. Bulletin de la soci\u00e9t\u00e9 d\u2019encouragement pour l\u2019industrie nationale. \u2014 Bull, de la Soc d\u2019enc.\n26.\tBulletin de la classe physico-math\u00e9matique de l\u2019Acad\u00e9mie imp\u00e9riale des Sciences de St P\u00e9tersbourg. \u2014 Bull, de St. Pet.\n27.\tM\u00e9moires pr\u00e9sent\u00e9s \u00e0 l\u2019Acad\u00e9mie imp\u00e9riale de St. P\u00e9tersbourg. \u2014 M\u00e9m. de P\u00e9tersb.\n28.\tArchiv fur Ophthalmologie, herausgegeben von F. Arlt, F. G. Donders und A v Graefe \u2014 , Arch. f. Ophthalm.\n29.\tSitzungsberichte der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse. \u2014 Wien. Ber.\n30.\tCosmos, revue encyclop\u00e9dique hebdomadaire des progr\u00e8s des Sciences, rediq\u00e9e par Moigno Paris. \u2014 Cosmos.\n31.\tArchiv fur die holl\u00e4ndischen Beitr\u00e4ge zur Natur- und Heilkunde, herausgegeben von F. C. Bonders und W. Berlin. \u2014 Arch, f\u00fcr d. holl. Beitr.\n32.\tNederlandseh Archief voor Genees- en Natuurkunde, uitgegeven door F C Donders en\nW. Koster. \u2014 Nederl. Arch.\t.............\n33.\t. . . . Jaarlijksch Verklag betrekkelijk de verpleging en het onderwijs in het Nederlandseh Gasthuis voor Ooglijders. \u2014 Jaarl. Versl. in het Nederl. Gasth.\n34.\tHenle und Pfeuffer Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin. \u2014 Henle u. Pfeuffer Ze it sehr oder Zeitschr. f\u00fcr rat. Med.\n35.\tArchiv f\u00fcr Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin, herausgegeben fr\u00fcher von J. M\u00fcller, jetzt von G. B. Reichert und E. du Bois-Reymond. \u2014\"j. Muller\u2019s Archiv oder Reichert und du Bois Archiv.\n36.\tJahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. \u2014 Jahresber d Frankf\nVer.\t'\n37.\tAthenaeum, journal of litt\u00e9rature, science and the fine arts. \u2014 Athen.","page":0},{"file":"a0015contents.txt","language":"de","ocr_de":"Inlialtsverzeichniss.\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG DES AUGES.\nSeite\n\u00a7.\t1.\tFormen des Sehorgans\tim\tAllgemeinen................................. 1\n\u00a7.\t2.\tSehnenhaut und Hornhaut............................................... 4\nMessungen der Dimensionen des Augapfels und der Hornhautkr\u00fcmmung. Beschreibung des Ophthalmometers 6 \u2014 41.\n\u00a7.\t3.\tDie Uvea............................................................. 12\nDie Iris der Linse anliegend. Methode, ihre Entfernung von der Hornhaut zu messen 14 \u201419.\n\u00a7.\t4.\tDie Netzhaut........................................................ 19\nIhre Structur, Messungen ihrer Elemente 22.\n\u00a7.\t5.\tDie Krystallinse..................................................... 23\n\u00a7.\t6.\tW\u00e4sserige Feuchtigkeit\tund\tGlask\u00f6rper............................... 25\nBefestigung der Linse 26 \u2014 27.\n\u00a7.\t7.\tUmgebung des Auges................................................... 27\nAugenmuskel 28; Augenlider, Thr\u00e4nenorgane 29-\nPHYSIOLOGISCHE OPTIK.\n\u00a7. 8. Eintheilung des Gegenstandes...................................... 3 0\nAllgemeine physikalische Eigenschaften des Lichts 30.\nErster Abschnitt.\nDie Dioptrik des Auges.\n\u00a7. 9. Gesetze der Brechung in Systemen kugeliger Fl\u00e4chen................ 35\nBrechungsgesetz 38 \u2014 36. Brechung an kugeligen Fl\u00e4chen 37 \u2014 38. Eigenschaften der Cardinalpunkte 39\u201444. Mathematische Theorie der Brechung an einer Kugelfl\u00e4che 42 \u2014 50. Die Theoreme von Gauss f\u00fcr die Brechung in centrirten Systemen von Kugelfl\u00e4chen 50\u201460. Anwendung von Linsen 60\u201464.\n\u00a7. 10. Brechung der Strahlen im Auge.................................... 64\nDas Netzhautbildchen 64 \u2014 66. Das Gesichtsfeld 66 \u2014 67. Die Cardinalpunkte des Auges 67\u201468. Schematisches und reducirtes Auge 68 \u2014 70. Brechung","page":0},{"file":"a0016.txt","language":"de","ocr_de":"XII\nINHALT.\nSt.'ile\niii der Hornhaut 70 \u2014 71; in der Krystallinse 72 \u2014 7fi. Methoden zur Messung der lirecliungsverli\u00e4ltnisse 70 \u2014 79; zur Bestimmung de*, optischen Con-x tan ten der isolirten Krystallinse 79 \u2014 82; zur Bestimmung ihrer Lage im leitenden Auge 82 \u2014 8.'i; Discussion der Genauigkeit in der Bestimmung der Gardinalpunkte, 8.\u2019! \u2014 87. Geschichte 87 \u2014 90.\n\u00a7. I I. Zcrstrcuurigsbilder auf der Netzhaut.................................... 90\nBegriff der Accommodation 90 \u2014 93; Scheiseh\u2019s Versuch 93 \u2014 97. Verschiedenheit der Sehweiten 97 \u201498. Berechnung der Gr\u00f6sse der Zerstreuungskreise. und Visiren 98 \u2014 100: Optometer 100\u2014102.\n\u00a7. 12. Mechanismus der Accommodation............................................ 103\nDie Ver\u00e4nderungen der Iris 103\u2014104; der Linsenreflexe 103\u2014107; Mechanismus derselben 107\u2014111; schematisches Auge fernsehend und nahsehend 111\t112; .Messungen der Armierungen 112\u201411\u00f6; Ansatz der Iris- und\ndes Ciliarmuskels 11\u00f6\u2014HO; verschiedene Theorien der Accommodation 1 10 \u2014 123.\n\u00a7. Hi. Von der Farbenzerstreuung iin Auge....................................... 12\u00e4\nSehweiten in \\ersehiedeneu Farben 125\u2014127; farbige R\u00e4nder der Zer-slrenungskreise 127\u2014131; die Dispersion im redueirten Auge berechnet 131: Berechnung der Helligkeit der Zerstreuungskreise, welche fehlerhafte Accommodation und Farbenzerstreuuug gehen 132 \u2014130.\n\u00a7. 1'i. Monochromatische Abweichungen (Astigmatismus)........................... 137\nStrahlenf\u00f6rmige Zerstreuungskreise 137\u2014140; Verschiedenheit der Sehweite f\u00fcr verschiedene Meridiane 140\u2014142; Theorie f\u00fcr ellipsoidische Form der Hornhaut 142 \u2014143; Diffraction des Lichts im Auge 144\u2014145; Messungen an individuellen Augen und Geschichte 143\u2014l 47.\n\u00a7. In. Die ent,optischen Erscheinungen.......................................... I48\nBeobachtungsweise 148 \u2014130; feste Objecte I\u00f60\u2014152; fliegende M\u00fccken 133 \u2014 130; .Netzhautgef\u00e4sse 130 \u2014101; Theorie der entoptischen Parallaxe 101 -102; Bestimmung der lichtempfindlichen Schicht mittels der Gef\u00e4ss-ligur 102- 103.\n\u00a7. II). Das Augcnlcuchtcn und der Augenspiegel.................................. 164\nBedingungen des Augenleuchtens 104\u2014I08; mathematische Theorie des Augenspiegels 108 \u2014183; Formen der Augenspiegel 183 \u2014187; Beobachtungen mit denselben 187 \u2014 189 Geschichte 189 \u2014 190.\nZweiter Abschnitt.\nDie Lehre von den Gesiclitsemplindungen.\n\u00a7. 17. Von der Heizung des Sehnervenapparats.................................... 191\nlicizbarkeit und specifische Energie der Nerven 191 \u2014 194; Reizung durch Licht 194\u2014193; mechanische Reizung 195 \u2014 200; Reizung durch innere Ursachen 200 \u2014 202; elektrische Reizung 202 \u2014 207. Geschichte 207\u2014209.\n\u00a7. IS. Von der Reizung durch Licht.............................................. \"209\nDie Substanz des Sehnerven selbst ist unempfindlich gegen Licht 209 \u2014 213; die hintern Schichten der Netzhaut sind empfindlich 213\u2014215; davon abh\u00e4ngig die Gr\u00f6sse der kleinsten wahrnehmbaren Objecte 215 \u2014 222. Ge-.schichtc 222 \u2014 224.\n\u00a7. 19. Die einfachen Farben..................................................... 22 4\nDas prismatische Spectrum 224 \u2014 227; seine Farben und Grenzen 227 \u2014 231.\nUrsache, der Unsichtbarkeit der \u00dcberrothen und \u00fcbervioletten Strahlen 231 \u2014\n235; Farbenstufen des Spectrum verglichen mit der Tonleiter 235 \u2014 237;\nTheorie der prismatischen Brechung 237\u2014201 ; Methoden f\u00fcr die Herstellung reiner Spectra 201 \u2014207. Geschichte der Farbentheorie 267 \u2014 272.","page":0},{"file":"a0017.txt","language":"de","ocr_de":"INHALT.\nxni\n\u00a7. 20. Die zusammengesetzten Farben........................................ 272\nMischung der Farben und der Pigmente \"272 \u2014 276 ; Qualit\u00e4ten der Mischfarben 276 \u2014 282; Construction der Farbentafel 282 \u2014 289; die drei Grundfarben und Th. Young\u2019s Theorie 289\u2014294; Farbenblindbeit 294 \u2014 299; Abh\u00e4ngigkeit der Farbenunterscheidung von der r\u00e4umlichen Ausdehnung 300 \u2014\n301 ; andere Theorien der Mischung 301 \u2014 302 ; Methoden der Mischung\n303\u2014306. Geschichte 306 \u2014 309.\n\u00a7. 2t. Von der Intensit\u00e4t der Lichtempflndung.............................. 309\nPas psychophysische Gesetz f\u00fcr die Helligkeit 309\u2014316; verschiedenes Gesetz f\u00fcr verschiedene Farben 3I6 \u2014 321; Irradiation 321 \u2014327; Photometric 327 \u2014 334. Geschichte 334 \u2014 330.\n\u00a7. 22. Die Dauer der Lichtempfindung....................................... 33G\nDie scheinbar continuirliche Helligkeit intermittirenden Lichts 336 \u2014 344;\nHauer des Eindrucks gemessen 344\u2014346; Einrichtung der Farbenscheiben \u2022\tund Farbenkreisel 346\u2014 349; stroboskopische Scheiben 349\u2014362; Anortho-\nskop 332 \u2014 355.\n\u00a7. 23. Die Ver\u00e4nderungen der Reizbarkeit.......................................... 356\nPositive Nachbilder 356 \u2014 300; negative Nachbilder 360 \u2014 366; complemen-t\u00e4re Nachbilder farbiger Objecte 307 \u2014371; farbiges Abklingen 371 \u2014 379; dasselbe von iutermittirendem Licht 380 \u2014 383; Theorien der Nachbilder\n383 \u2014 387.\n\u00a7. 24. Vom Contraste........................................................ 388\nSuccessiver Contrast 388 \u2014 392; simultaner Contrast 392 \u2014 400; F\u00e4lle gleichnamiger inducirter Farbe 400 \u2014 403; Contrast auf kleinen Feldern 404 \u2014 414; Theorien und Geschichte 414 \u2014 418.\n\u00a7. '25. Verschiedene subjective Erscheinungen............................... 418\nErscheinungen des gelben Flecks 418 \u2014 421 ; Haidinger\u2019s Polarisationsb\u00fcschel 421 \u2014424; verschiedene andere Erscheinungen 424 \u2014 426.\nDritter Abschnitt.\nDie Lehre von den Gesichts Wahrnehmungen.\n\u00a7. 26. Von den Wahrnehmungen im Allgemeinen............................. 427\nDie Sinnest\u00e4uschungen 427 \u2014 431; Schwierigkeit der Beobachtung subjectiver Empfindungen 431 \u2014434; Einfluss der Erfahrung 435 \u2014 441 ; Uebereinstim-mung der Anschauungsbilder und der Objecte 441 \u2014 447; die inductiven Schl\u00fcsse 447\u2014-457.\n\u00a7. 27. Die Augenbewegungen.............................................. 457\nDer Drehpunkt des Auges 457 \u2014 459; Gesetz der Raddrehung 459 \u2014 468;\nEinfluss der Convergenz 408 \u2014 469; Wirkungsweise der Augenmuskeln 470 \u2014\n471. Art der Willk\u00fchr bei den Augenbewegungen 471 \u2014479; Bedeutung des Bewegungsgesetzes f\u00fcr die Orientirung 479 \u2014 486; geometrische Betrachtung der Drehungen 486 \u2014 497; Ableitung des Drehungsgesetzes aus dem Principe der leichtesten Orientirung 497 \u2014 516; Beobachtungsmethoden f\u00fcr die Constatirung des Drehungsgesetzes 516.\u2014 524. Abmessungen der Muskelans\u00e4tze und Ophthalmotrope 524 \u2014 527.\n\u00a7 28. Das monoculare Gesichtsfeld....................................... 529\nDie fl\u00e4chenhafte Anordnung der Objecte im Gesichtsfeld 529\u2014541. Das Augenmaass im directen Sehen 541 \u2014550; das Augenmaass im indirecten Sehen 550 \u2014 562; T\u00e4uschungen des Augenmaasses durch besondere Bilder 562 \u2014 573; Ausf\u00fcllung des blinden Flecks 573 \u2014 583; Berechnung der Parallaxe des indirecten Sehens 585 \u2014 586: Beobachtungen an Blindgeborenen 586 \u2014 593. Geschichte 593\u2014598.","page":0},{"file":"a0018.txt","language":"de","ocr_de":"XIY\nINHALT.\nSeite\n\u00a7. 29. Die Richtung des Sehens.................................................. 598\nBas Innervationsgef\u00fchl der Augenmuskeln, controllirt durch die Bilder 698-\u2014\n607; Centrum der Sehrichtungen 607 \u2014 613; Localisation der subjectiven Erscheinungen 613\u2014620.\n\u00a7. 30. Wahrnehmung der Tiefendimension.......................................... 622\nMonoculare Wahrnehmung der Tiefendimension 622 \u2014 635 ; Binoculare Tiefenwahrnehmung 636\u2014649; die unvollkommene Beurtheilung der Convergenz und ihre Folgen 649 \u2014 664; Geometrische Darstellung der stereoskopischen Projection 664\u2014674; Recklinghausen\u2019s Normalfl\u00e4che 675\u2014679; Verschiedene Formen des Stereoskops 679 \u2014 688. Geschichte 688 \u2014 695.\n\u00a7. 31. Das binoculare Doppelsehen.............................................. 695\nBestimmung der correspondirenden Punkte beider Sehfelder 695 \u2014 712; Der Horopter 713 \u2014 719; Genauigkeit der Tiefenwahrnehmung 720 \u2014 725; Trennung und Verschmelzung der Doppelbilder 725 \u2014 745; Geometrische Darstel-\nlung der correspondirenden Punkte und des Horopters 745 \u2014761. Geschichte 762\u2014766.\t\"\n\u00a7. 32.\tWettstreit\tder\tSehfelder................................................ 766\nWettstreit der Contoure 766 \u2014 773; Wettstreit der Farben 774\u2014782: Glanz 782 \u2014 785; Contrast 785 \u2014 793. Geschichte 793 \u2014796.\n\u00a7. 33.\tKritik der\tTheorien..................................................... 796\nDie Grundlagen der empiristischen Theorie recapitulirt 796 \u2014 804; Panum\u2019s Theorie 804 \u2014 809; E. Hering\u2019s Theorie 809 \u2014 819.\nNachtr\u00e4ge. ............................................................. 820\t\u2014\t856\nSachregister............................................................ 857\t\u2014\t865\nNamenregister........................................................... 866\t\u2014\t874\nBerichtigungen................................................................. 875","page":0},{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"Anatomische Beschreibung des Auges.\n\u00a7. 1. Formen des Sehorgans im Allgemeinen.\nDie Augen der Thiere unterscheiden:\nEntweder nur Hell und Dunkel. Dies ist wahrscheinlich hei den sogenannten Augenpunkten der niedersten Thierformen (Ringelw\u00fcrmer, Eingeweidew\u00fcrmer, Seesterne, Seeigel, Quallen, Infusionsthier dien) der Fall. Ein lichtempfindender Nerv, dessen peripherisches Ende dem Lichte zug\u00e4nglich unter durchsichtigen Decken liegt, gen\u00fcgt zu diesem Zwecke. Das peripherische Ende des Nerven scheint meistens von verschiedenfarbigem Pigment umgeben zu sein, und ver-r\u00e4th sich dadurch dem Beobachter. Doch wissen wir durchaus noch nicht, ob alle pigmentirten sogenannten Augenpunkte der niederen Thierformen wirklich zur Lichtempfindung dienen. Andererseits m\u00fcssen wir aus der Empfindlichkeit , welche niedere Thiere ohne Augenpunkte f\u00fcr das Licht zeigen, sehliessen, dass auch lichtempfindende Nerven in durchsichtigen Thieren ohne Pigment Vorkommen, die nur der Beobachter in keiner Weise als solche ernennen kann.\nOder die Augen unterscheiden nicht blos Hell und Dunkel, sondern auch Gestalten. Um das zu k\u00f6nnen, muss Licht, welches von gesonderten leuchtenden Punkten ausgeht, gesondert, d. h. mittels verschiedener Nervenfasern wahrgenommen werden. Es darf dann nicht mehr jede einzelne Nervenfaser von allen Seiten des Raums her Licht empfangen, sondern nur von einem beschr\u00e4nkten Theile des Raums. Jeder einzelnen Nervenfaser entspricht dann ein gewisses Gesichtsfeld, und es wird in der Wahrnehmung unterschieden werden k\u00f6nnen. in welchen dieser elementaren Gesichtsfelder leuchtende K\u00f6rper liegen, in welchen nicht. Je kleiner jedes einzelne Gesichtsfeld ist und je gr\u00f6sser ihre Gesammtzahl, desto kleinere Theile der uns umgebenden K\u00f6rper k\u00f6nnen unterschieden werden, bis bei der h\u00f6chsten Vollendung des Gesichtsorgans die einzelnen elementaren Gesichtsfelder gegen das Gesannntgesichts-feld verschwindend klein werden. F\u00fcr ein solches Organ k\u00f6nnen wir die\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz . Physiol. Optik.\t'","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG DES AUGES.\n\u00a7\u2022 t-\nBedingung des deutlichen Sehens so aussprechen : Licht, welches von einem leuchtenden Punkte der Aussenwelt kommt, darf nur auf einen Punkt der liehtemptindenden Nervenmasse (Netzhaut) fallen.\nDie Scheidung des Lichts, welches von verschiedenen Seiten des Raums kommt, geschieht\nentweder durch trichterf\u00f6rmig gestellte, undurchsichtige Scheidew\u00e4nde (zusammengesetzte Augen der Wirbellosen), oder durch Brechung des Lichts an gekr\u00fcmmten brechenden Fl\u00e4chen (einfache Augen der Wirbellosen und Augen der Wirbelthiere).\nDie Trennung der Augen, welche nur Licht und Dunkel, und derer, welche auch Gestalten wahrnehmen, ist keine scharfe. Schon bei den niedersten Thierformen bewirken die Pigmentscheiden der lichtempfindenden Nervenfasern, dass Licht nur von der freien Seite auf das Ende der Faser fallen kann, und mit H\u00fclfe von Bewegungen seines K\u00f6rpers wird ein Thier mit solchen Augenpunkten schon ermitteln k\u00f6nnen, von welcher Seite das meiste Licht kommt, ebenso wie der Mensch durch sein Hautgef\u00fchl die Richtung einstrahlender W\u00e4rme wahrnimmt, oder ein Kranker mit vollst\u00e4ndig getr\u00fcbter Krystallinse den Ort der Fenster eines Zimmers ermittelt. In dieser Beziehung haben die Pigmentscheiden der Augenpunkte offenbar einen sehr wesentlichen Nutzen. Wo, wie bei den Blutegeln und Planarien, vor der Nervensubstanz noch ein durchsichtiger kugeliger oder kegelf\u00f6rmiger K\u00f6rper liegt, k\u00f6nnen schon verschiedene Theile der Netzhaut von dem aus verschiedenen Richtungen einfallenden Lichte verschieden stark getroffen werden. Von diesen findet ein allm\u00e4liger Fortschritt der Ausbildung statt durch die einfachen Augen der Crustaceen, Arachniden und Insekten, welche meist hinter der Hornhaut noch eine Linse und einen Glask\u00f6rper unterscheiden lassen, zu denen der Mollusken und namentlich der Cephalopoden, welche letzteren denen der Wirbelthiere schon sehr \u00e4hnlich sehen. Da die mikroskopischen Elemente der thierisehen Gewebe, namentlich auch die des Nervensystems, in allen Klassen ziemlich gleiche Gr\u00f6sse besitzen, und die Genauigkeit des Sehens wesentlich zusammenh\u00e4ngt mit der Menge einzelner empfindender Elemente, die Zahl dieser aber nahehin proportional sein muss der hinteren Oberfl\u00e4che des Glask\u00f6rpers der einfachen Augen, so ist im Allgemeinen wohl anzunehmen, dass die Genauigkeit des Sehens dieser Augen ihren linearen Dimensionen direct proportional ist.\nZusammengesetzte Augen kommen bei Crustaceen vor, wo sie sich oft noch wie ein Aggregat kegelf\u00f6rmig verl\u00e4ngerter einfacher Augen verhalten. Am meisten entwickelt sind sie bei den Insekten. Ihre \u00e4ussere Oberfl\u00e4che ist kugelf\u00f6rmig, und nimmt oft mehr als die H\u00e4lfte, selbst zwei Drittel einer Kugelfl\u00e4che ein. Im Centrum der Kugel liegt eine kolbige Anschwellung des Sehnerven, von welcher aus radial nach allen Seiten Fasern gegen die kegelf\u00f6rmigen und ebenfalls radial gestellten Glask\u00f6rper hin auslaufen. Die Basis dieser Glask\u00f6rper ist gegen die Hornhaut gewendet, welche in der Regel jedem Kegel entsprechend \u00e4usserlich eine ziemlich ebene sechs- oder viereckige Facette darbietet, nach innen aber oft linsenf\u00f6rmige Vorspr\u00fcnge macht, Die einzelnen durchsichtigen Kegel sind durch trichterf\u00f6rmige Pigmentscheiden, in denen sie stecken, von einander ge-","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"FORMEN DES SEHORGANS IM ALLGEMEINEN.\n3\n\u00a7\u25a0 i-\ntrennt. Ich gebe hier die Abbildung einer Anzahl solcher Kegel aus dem Auge eines Nachtschmetterlings nach Jon. M\u00fcller '. Es sind mit a die Facetten der Hornhaut bezeichnet, mit b die durchsichtigen Kegel, mit c die Sehnervenfasern, mit d das Pigment zwischen ihnen.\nWenn zu jedem Kegel sich nur eine Nervenfaser begiebt, w\u00fcrde das Gesichtsfeld nur in so viel Theile zerfallen, als Kegel da sind. Doch hat Gottsche 2 neuerdings nachgewiesen, dass an den inneren Enden der Kegel ein optisches Bild der vor dem Auge liegenden Gegenst\u00e4nde entworfen wird, so dass auch in jedem Kegel noch eine Sonderung einzelner Eindr\u00fccke stattfinden k\u00f6nnte, wenn mehrere empfindende Nervenelemente da w\u00e4ren. Sollte in jedem Kegel nur ein solches vorhanden sein, so w\u00fcrde die Brechung des Lichts doch dadurch noch n\u00fctzlich sein, dass das der Axe des Kegels parallel einfallende Licht auf das Ende der Nervenfaser con-centrirt und das von anderen benachbarten Punkten des Gesichtsfeldes kommende besser davon abgehalten wird, als es die Scheidew\u00e4nde allein tliun w\u00fcrden.\nVom Auge des Menschen habe ich in Fig. I. Taf. 1. einen horizontalen Querdurchschnitt abgebildet in f\u00fcnfmaliger Vergr\u00f6sserung; das Auge der Wirbelthiere ist dem menschlichen im Wesentlichen \u00e4hnlich gebaut. Diese Augen scldiessen folgende durchsichtige Theile ein :\n1)\tdie w\u00e4ssrige Feuchtigkeit in der vorderen Augenkammer B.\n2)\tdie Krystallinse A.\n3)\tden Glask\u00f6rper C.\nUmschlossen sind diese Theile von drei in einander liegenden Systemen von H\u00e4uten.\n1)\tSystem der Netzhaut i und Zonula Zinnii e, schliesst zun\u00e4chst den Glask\u00f6rper ein und heftet sich vorn an die Linse A.\n2)\tSystem der Uvea, besteht aus der durch einen st\u00e4rkeren schwarzen Strich angedeuteten Aderhaut (Chorioideq,) g, dem Ciliark\u00f6rper h und der Regenbogenhaut (Iris) b. Es umschliesst das vorige System mit der Linse und hat nur an der vorderen Seite vor der Linse eine Oeffnung, die Pupille.\n3)\tDie feste Kapsel des Augapfels, welche in ihrem gr\u00f6sseren hinteren Theile aus der undurchsichtigen weissen Sehuenhaut (Sclerotica) und in dem kleineren vorderen aus der durchsichtigen knorpeligen Hornhaut (Cornea) gebildet wird. Am lebenden Auge .sieht man zwischen den Augenliedern den vorderen Theil der Sehnenhaut (das Weisse) und hinter der durchsichtigen und hervorspringenden Hornhaut die braun- oder blaugef\u00e4rbte ringf\u00f6rmige Iris, in deren Mitte die Pupille.\nEine Linie, welche durch den Mittelpunkt der Hornhaut und durch den Mittelpunkt des ganzen Auges geht, nennt man die Axe des Auges, weil das Auge\n1 Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes. Leipzig 1826. S. 84-9. Taf. VII. Fig. 5. - J. M\u00fcller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. u. Physiol. 1852. S, 483.\nFig. 4.\ni","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 *.\nwenigstens ann\u00e4hernd einem Rotationsk\u00f6rper mit dieser Axc entspricht. Eine darauf senkrechte Ebene, welche durch die gr\u00f6sste Weite des Augapfels geht, nennt man dagegen die Aequatorialebene.\nIch werde im Folgenden eine Beschreibung der einzelnen Theile des Auges geben, dabei aber nat\u00fcrlich nur so weit in Einzelnheiten gehen, als es fur das Verst\u00e4ndniss der Functionen des Auges nothwendig ist.\nF\u00fcr die vergleichende Anatomie und Physiologie des Sehorgans sind die Hauptwerke :\nJ. .M\u00fcller zur Physiologie des Gesichtssinnes. Leipzig -1820. S. 815.\nR. Wagner Lehrhuch der vergleichenden Anatomie. I 835.\nJ. M\u00fcller Handbuch der Physiologie, des Menschen. Coblenz 1810. Rd. IL S. 305.\nR.\tWagner Lehrbuch der speciellen Physiologie. 1813. S. 383.\nv. Siebold und Stannius Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. Berlin 1818.\nBergmann und Leuckart Anatomisch-physiologische Uebersieht des Thierreichs. Stuttgart 1852.\nAls allgemeine Lehrb\u00fccher f\u00fcr den Bau des menschlichen Auges :\nTh. S\u00f6mjierring Abbildungen des menschlichen Auges. Frankfurt a. M. 1801. - Lateinisch\nebenda.\nC. F. Tu. Krause Handbuch der menschlichen Anatomie. Hannover 181-2. Bd. 1. Th. 11.\nS.\t511\u2014551. \u2014 Hie \u00e4ltere Literatur der Anatomie des Auges ebenda. S. 733 \u2014 7 75.\nE. Br\u00fccke Anatomische Beschreibung des menschlichen Augapfels. Berlin 1847.\nW. Bowman Lectures on the ports concerned in the operations on the eye and on the structure\nof the retina and the vitreous humour. London 1849.\nA. K\u00f6lliker Mikroskopische Anatomie oder Gewebelehre des Menschen. Leipzig I854. Bd. II.\nS. 605. \u2014 Neuere Literatur ebenda. S. 734 \u2014 736.\n\u00a7. 2. Sehnenhaut und Hornhaut.\nDie Sehnenhaut des Auges (cxVrjjov, tunica albuginea, sclerotica, dura, harte Haut) umsehliesst den gr\u00f6sseren Theil des Augapfels, bedingt seine Gestalt und sch\u00fctzt ihn vor \u00e4usseren Einwirkungen. Ihre \u00e4ussere Form weicht merklich von der einer Kugel ab; ihre hintere Seite ist n\u00e4mlich abgeplattet, und int Aequator wird sie oben und unten, rechts und links durch den Druck der geraden Augenmuskeln etwas eingedr\u00fcckt, w\u00e4hrend sie sich zwischen diesen Stellen st\u00e4rker hervorw\u00f6lbt. Der gr\u00f6sste Durchmesser liegt bei den meisten Individuen von der Nasenseite und oben nach der Schl\u00e4fenseite und unten. Vorn nimmt die Selmenhaut die st\u00e4rker gew\u00f6lbte Hornhaut in sich auf, hinten und etwas nach der Nase her\u00fcber ist sip durchbohrt, um den Sehnerven (Nervus opticus) Fig. /. d eintreten zu lassen, und geht hier in dessen sehnigen Ueber-zug \u00fcber. Die Sehnenhaut ist hinten und vorn dicker als in dem Aequator des Auges, wie dies die Figur zeigt. Die vordere Verdickung wird dadurch bedingt, dass die Sehnen der Augenmuskeln sich an die Sehnenhaut anlegcn und mit ihr verschmelzen. Bei m ist der Ansatzpunkt des inneren, bei n der des \u00e4usseren geraden Augenmuskels.\nDas Gewebe der Sehnenhaut ist Sehnengewebe; es ist weiss, wenig durchscheinend, biegsam, fast unausdehnbar. Seiner chemischen Beschaffenheit nach geh\u00f6rt es zu den leimgebenden Stoffen. Mikroskopisch besteht es aus einem \u00e4usserst dichten und straffen Geflechte von Bindegewebsfasern, welche meist der Oberfl\u00e4che parallel verlaufen, und daher eine unvollkommene Spaltbarkeit der Haut in Lamellen zulassen. Dazwischen liegt, wie in anderen Sehnen, ein Netzwerk \u00e4usserst feiner elastischer Fasern, welche an den Stellen, wo sieh urspr\u00fcnglich ihre Bildungszellen befanden, Verdickungen mit Kernrudimenten zeigen.","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"SEHNENHAUT UND HORNHAUT.\n\n\u00a7\u2022 2.\nDie Hornhaut ist vorn in die Sehnenhaut eingesetzt, und hat im Allgemeinen die Form eines starkgekr\u00fcmmten Uhrglases. Ihre vordere Fl\u00e4che schliesst sich ziendich nahe einem Abschnitte eines Rotationsellipsoides an, welches um seine l\u00e4ngere Axe gedreht ist. Das Ende dieser Axe liegt in dem Mittelpunkte der Hornhaut. Die Form der hinteren Fl\u00e4che ist nicht sicher bekannt. Bei Erwachsenen ist die Hornhaut in der Mitte etwas d\u00fcnner als am Rande.\nDie Hornhaut besteht aus folgenden Schichten von aussen nach innen:\n1)\tEin Epithelium, aus geschichteten platten Zellen von Hornsubstanz gebildet (Pflasterepithelium), in der Figur angedeutet durch die gebrochene Linie ff. Es setzt sich auf die Bindehaut der Augenlider fort. Die vordere Fl\u00e4che dieses Epitheliums wird durch die fortdauernd zufliessende Thr\u00e4nenfeuchtigkeit feucht und glatt erhalten.\n2)\tDie faserige Schicht der Hornhaut (Substantia propria corneae) ist die m\u00e4chtigste von allen, in der Figur weiss gelassen. Sie geh\u00f6rt nach ihrer chemischen Zusammensetzung den Knorpeln an, indem sie beim Kochen Chondrin giebt. Sie besteht aus einem \u00e4hnlichen Gewebe von Fasern wie die Sehnenhaut, nur sind die Fasern zu platten B\u00fcndeln vereinigt, deren Fl\u00e4che der Oberfl\u00e4che der Hornhaut parallel l\u00e4uft, daher auch die Hornhaut sich unvollkommen in Schichten trennen l\u00e4sst. Beim Erwachsenen enth\u00e4lt die Hornhaut keine blutf\u00fchrenden Gef\u00e4sse. wohl aber zwischen den Faserb\u00fcndeln ein System ver\u00e4stelter kernhaltiger Zellen, wie sie als unentwickeltes elastisches Gewebe in manchen bindegewebigen Organen sich finden, und vielleicht unterhalten diese den zur Ern\u00e4hrung der Hornhaut n\u00f6thigen Austausch von Fl\u00fcssigkeiten durch die Substanz hin. Die Substanz der Hornhaut erscheint bei der gew\u00f6hnlichen Beleuchtung vollkommen durchsichtig. Concentr\u00e2t man aber viel Licht durch eine Sammellinse auf einen Punkt der Hornhaut, so erscheint sic tr\u00fcb, indem nun das von den Grenzfl\u00e4chen ihrer mikroskopischen Elemente zur\u00fcckgeworfene Licht reichlich genug wird, um wahrgenommen zu werden.\n3)\tDie \u00dcESCEMET'sche Haut (Wasserhaut, glasartige Lamelle der Hornhaut, auch Membrana Demo\u00fcrsii) ist eine structurlose, durchsichtige, br\u00fcchige Membran v*bn 0,007 Mm. bis 0,015 Mm. Dicke. Wenn man sie von der Hornhaut trennt, rollt sie sich auf. Sie schliesst sich durch ihre Resistenz gegen kochendes Wasser, S\u00e4uren und Alkalien dem elastischen Gewebe an. Auf ihrer der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit zugewendeten Fl\u00e4che tr\u00e4gt sie eine Schicht grosser polygonaler Epithelialzellen, welche durch die punktirte Linie auf der inneren Seite der Hornhaut angedeutet ist.\nDie Grenzfl\u00e4che zwischen Hornhaut und Sehnenhaut ist nicht senkrecht gegen die Oberfl\u00e4che des Augapfels, sondern aussen greift die Sehnenhaut, innen die Hornhaut weiter \u00fcber. Auf der inneren Fl\u00e4che ist die Grenze der Hornhaut ein ziemlich regelm\u00e4ssiger Kreis, von aussen erscheint die Hornhaut dagegen queroval, weil oben und unten die Sehnenhaut etwas mehr \u00fcbergreift als an den Seiten. Die Fasern der Hornhaut gehen an dieser Grenze unmittelbar in die der Sehnenhaut \u00fcber.\nEigenth\u00fcmlieh verh\u00e4lt sich dagegen die DESCEMET\u2019sche Haut an der Grenze der Hornhaut. In Taf. I. Fig. 2 ist ein Querschnitt dieser Gegend dargestellt.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG DES AUGES.\n\u00a7\u2022 2.\nDarin ist S die Sehnenhaut, C die Hornhaut, c ihr \u00e4usseres Epithelium, welches auf die Bindehaut D \u00fcbergeht, d die Descemet\u2019scIic Haut. Von f ab entspringt zwischen dieser und der Substanz der Hornhaut ein Netzwerk elastischer Fasern, w\u00e4hrend die DESCEMET\u2019sche Haut selbst mit einem zugesch\u00e4rften Rande zu enden scheint. Indem sich die Schicht elastischer Fasern von der Sehnenhaut trennt, und weiter hinten sich an eine Lamelle a derselben ansetzt, entsteht hier an der Grenze zwischen Sehnenhaut und Hornhaut ein ringf\u00f6rmiger Kanal, der Schlemm\u2019sehe Kanal. Nach aussen ist derselbe von der Sehnenhaut begrenzt, seine innere Wand besteht dagegen vorn aus elastischem Gewebe, hinten aus Sehnengewebe. An dieser inneren Wand sind die muskul\u00f6sen Theile der Uvea befestigt. Der genannte Kanal scheint Blut zu f\u00fchren.\nDie Messungen der Dimensionen des Auges sind f\u00fcr die physiologische Optik von der gr\u00f6ssten Wichtigkeit, aber meist mit vielen Schwierigkeiten verbunden, weil die Gestalt des ganzen Augapfels und seiner einzelnen Theile einmal bei verschiedenen Augen ausserordentlich verschieden ist, und zweitens nach dem Tode den mannigfachsten Ver\u00e4nderungen unterliegt. Die individuellen Verschiedenheiten sind so gross, dass man Mittelwerthe aus Beobachtungen verschiedener Augen nur mit grosser Vorsicht anwenden darf. Wo es auf genaue und sichere Resultate ankommt, m\u00fcssen alle wichtigeren Gr\u00f6ssen durchaus an demselben Auge gemessen sein.\nWas zun\u00e4chst die \u00e4ussere Form des Augapfels anlangt, so h\u00e4ngt dieselbe vom Druck der Fl\u00fcssigkeiten ab, die er einschliesst. Unmittelbar nach dem Tode entleert sich ein grosser Theil seiner Blutgef\u00e4sse, wobei sich der Druck nat\u00fcrlich verringert; dann vermindert sich allm\u00e4lig die innere Fl\u00fcssigkeitsmenge auf endosmotischem Wege noch mehr, so dass der Augapfel schlaff wird, und die H\u00e4ute, namentlich die Hornhaut, sich falten. Messungen \u00fcber die Form des Augapfels m\u00fcssen daher entweder an sehr frischen Augen angestellt werden, oder man muss, wie Br\u00fccke 1, den Druck k\u00fcnstlich wiederherstellen, indem man durch den Sehnerven eine Canule einst\u00f6sst und diese mit einer senkrechten, eine Wassers\u00e4ule von etwa 0,4 Mt. enthaltenden R\u00f6hre in Verbindung bringt. Diese Methode gen\u00fcgt, um die verschiedenen Durchmesser des Augapfels zu messen. Aber f\u00fcr eines der wichtigsten optischen Elemente des Auges, die Hornhautkr\u00fcmmung, gen\u00fcgt es nicht, den Druck nur ann\u00e4hernd herzustellen. Der Kr\u00fcmmungsradius des Scheitels der Hornhaut wird, wie ich durch eine unten beschriebene Messungsmethode gefunden habe, desto gr\u00f6sser, je gr\u00f6sser der Druck. Der Grund hiervon ist wohl darin zu suchen, dass eine membran\u00f6se H\u00fclle, welche Fl\u00fcssigkeit umschliesst, sich desto mehr der Form einer Kugel n\u00e4hern muss, je gr\u00f6sser der Druckader Fl\u00fcssigkeit ist, weil die Kugel unter den K\u00f6rpern mit gleich grosser Oberfl\u00e4che das gr\u00f6sste Volumen hat. Wenn dies beim Auge eintritt, wird namentlich die einspringende Rinne zwischen Hornhaut und Sehnenhaut herausgedr\u00e4ngt werden m\u00fcssen, und dadurch die Hornhaut weniger gew\u00f6lbt werden.\nUnter diesen Umst\u00e4nden ist es offenbar ein wesentliches Bediirfniss, dass so viel als m\u00f6glich alle wichtigeren Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse des Augapfels an lebenden Augen bestimmt werden.\nDie \u00e4lteren Messungen des Auges sind meist nur mit dem Cirkel ausgef\u00fchrt. C. Krause. welcher ein sehr ausgedehntes System von Messungen ausgef\u00fchrt hat, hat die \u00e4usseren Dimensionen des Auges mit dem Cirkel abgemessen, dann hat er die Augen, nachdem er sich die Schnittlinie vorher bezeichnet hatte, halbirt, und zwar Hornhaut, Iris und Linse durch einen Schnitt des Rasirmessers, die Sehnenhaut mit der Seheere, die H\u00e4lften dann in ein Sch\u00e4lchen voll Eiweissl\u00f6sung gelegt, so dass die Schnittfl\u00e4che sich dicht unter der Oberfl\u00e4che der Fl\u00fcssigkeit befand. So mass er die Dimensionen des Querschnitts theils mit dem Cirkel, theils mit einem gegitterten Glasmikrometer im Oculare eines schwach vergr\u00f6ssernden Mikroskops. theils mit einem quadratischen Drathnetze, welches auf die Oberfl\u00e4che der Fl\u00fcssigkeit gelegt wurde. Er hatte vielfach Gelegenheit, sehr frische Augen anzuwenden; bei diesen\nAnat. Beschreibung des menschl. Augapfels. S, 4.","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"ABMESSUNGEN DES AUGAPFELS.\n7\n\u00a7\u2022 2.\nk\u00f6nnen die \u00e4usseren Messungen der Sclerotica als hinreichend zuverl\u00e4ssig angesehen werden, die W\u00f6lbung der Hornhaut, deren Gr\u00f6sse vom Drucke der Fl\u00fcssigkeiten abh\u00e4ngt, ist aber wohl an den durchschnittenen Augen betr\u00e4chtlich ver\u00e4ndert gewesen.\nIch gebe hier Krause\u2019s Tafel f\u00fcr die Form von 8 Aug\u00e4pfeln. Es ist Nr. I von einem 30j\u00e4hrigen ertrunkenen Manne, Nr. 11 das rechte Auge eines 00j\u00e4hrigen Mannes, durch einen Schnitt in den Hals get\u00f6dtct, Nr. Hl und IV das linke und rechte Auge eines 40j\u00e4hrigen Mannes, erh\u00e4ngt, Nr. V und VI das linke und rechte Auge eines 29j\u00e4hrigen, Nr. VII und VIII dieselben eines 2-1 j\u00e4hrigen Mannes, die beiden letzten mit dem Schwerte hingerichtet. Die Maasse sind in Pariser Linien angegeben.\nNr.\tAxe des Auges\t\tDurchmesser\t\t\t\t\t\n\t\t\t\tsenkrechter\t\tdiagonaler\t\t\n\t\t\tversah\t\t\tgro\tsser\tkleiner\n\t\u00e4ussere\tinnere\t\t\u00e4usserer\tinnerer\t\u00e4usserer\tinnerer\t\nI.\t10,9\t9,83\t10,9\t10,8\t9,9\t11,25\t10,3\t\nII.\t11,03\t10.0\t\t10,3\t9,4\t11,1\t10,2\t11,05\n(III.\t10,7\t9,8\t10,7\t10,5\t9,6\t11\t10,2\t10,6\nliv.\t10,5\t9,5\t10,6\t10,3\t9,5\t10,9\t10,1\t10,7\nV.\t10,8\t9,55\t10,9\t10,55\t9,6\t11,3\t10,35\t11\n(VI.\t10,8\t9,55\tI 1\t10,6\t9,45\t11,3\t10,2\t1 1,1\ni VII.\t10,63\t9,4\t10,75\t10,3\t9,45\t10,75\t9,0\t10,75\n(VIII.\t10,65\t9,45\t.10,75\t10,3\t9,45\t10,9\t9,75\t10,7\nBr\u00fccke hat Messungen an Augen angestellt, welche durch einen Wasserdruck von 4 Decimeter gespannt waren, und giebt an, dass die Axe des Augapfels zwischen 23 und 26 Mm. betrage, der gr\u00f6sste horizontale Durchmesser zwischen 22,8 und 26 Mm., der gr\u00f6sste vertikale zwischen 21,3 und 23 Mm.\nC. Krause vergleicht die innere W\u00f6lbung der Sclerotica mit der Fl\u00e4che eines Rotations-ellipsoides; die Axen, welche er berechnet hat, und seine Angaben \u00fcber Dicke der Hornhaut und Sclerotica an verschiedenen Stellen f\u00fchre ich hier noch an.\n\tDicke\tder Sehnenhaut\t\tHalbe Axen des\t\tDicke\t\nNr.\tin der\tam\tam\tEllipso\u00efdes der inneren W\u00f6lbunff.\t\tder Hornhaut.\t\n\tAugen-\tAequa-\tvorderen\t\t\t\t\n\taxe.\ttor.\tRande.\tgrosse\tkleine\tMitte\tRand\nI.\t0,55\t0,45\t0,35\t5,12\t4,45\t0,4\t0,5\nII.\t0,5\t0,35\t\t5,05\t4,15\t0,35\t0,5\n(III.\t0,45\t0,4\t0,35\t5,12\t4,23\t0,4\t0,5\nUV.\t0,5\t0,4\t0,3\t5,07\t4,41\t0,4\t0,45\nV.\t0,65\t0,4\t0,3\t5,14\t4,58\t0,5\t0,55\n(VI.\t0,65\t0,5\t0,3\t5,05\t4,43\t0,48\t0,55\n1 VII.\t0,55\t0,5\t0,4\t5,05\t4,41\t0,53\t0,63\n1V1II.\t0,6\t0,5\t0,4\t4,93\t4,19\t0,5\t0,62\nDie Messungen von C. Krause \u00fcber die Form der Hornhaut \u00fcbergehe ich hier, weil deren Methode f\u00fcr ein so wichtiges Element nicht zuverl\u00e4ssig genug erscheint. Ich bemerke nur, dass er die vordere W\u00f6lbung der Hornhaut f\u00fcr eine Kugelfl\u00e4che, die hintere f\u00fcr den Scheitel eines Rotationsparaboloides erkl\u00e4rt. Betrefls der Dicke fand ich an einigen Hornh\u00e4uten, die ich untersuchte, dass die Dicke in den mittleren zwei Vierteln des Querschnitts fast constant war, und erst gegen den Rand hin schnell zunahm, so dass in der Mitte die Kr\u00fcmmungskreise der beiden Fl\u00e4chen nahe concentrisch zu sein scheinen.","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG UES AUGES.\n\u00a7\u2022 2.\nKohlrausch hat an lebenden Augen den Kr\u00fcmmungsradius der Hornhaut dadurch zu messen gesucht, dass er die Gr\u00f6sse der Spiegelbilder auf der Hornhaut bestimmte. Der, dessen Auge untersucht werden sollte, sass auf einem sehr massiven Stuhle mit hoher Lehne. Sein Kopf wurde durch eine besondere Vorrichtung gehalten, wodurch es ihm leicht wurde, vollkommen ruhig zu sitzen. Er fixirt einen kleinen weissen Punkt, der auf dem Mittelpunkte des Objectivs eines auf 2 bis 3 Fuss Entfernung zu gebrauchenden KrPLER\u2019schen Fernrohrs angebracht ist. Das Fernrohr ist auf das Auge gerichtet, und zwar so, dass der besagte weisse Punkt in derselben Horizontalebene mit dem Mittelpunkte der Hornhaut liegt. In dem Brennpunkte des Oculars sind zwei Spinnf\u00e4den parallel gespannt, welche, ohne ihren Parallelismus zu verlieren, durch Schraubenbewegung einander gen\u00e4hert werden k\u00f6nnen. Auf jeder Seite, wieder in derselben Horizontalebene, steht ein Licht, dessen Schein durch eine runde Oelfnung in einem kleinen Schirme auf das Auge f\u00e4llt und von diesem reflectirt wird, so dass im Fernrohre zwei kleine Bilder der leuchtenden Punkte erscheinen. Nachdem die Spinnf\u00e4den auf diese genau gerichtet sind, wird an die Stelle des Auges ein woldgetheilter Maassstab gebracht, und auf diesem die Entfernung der spiegelnden Stellen der Hornhaut abgelesen. Aus dieser Entfernung, aus dem Abstande des Auges von den Oeffnungen in den Lichtschirmen und dem Mittelpunkte des Objectivs, und endlich aus der Entfernung der letztgenannten Punkte von einander wurde der Radius der Hornhaut ann\u00e4herungsweise berechnet.\nKohlrausch fand aus Messungen an 12 Augen im Mittel 3,493 Par. Lin. (7,87 Mm.), als kleinsten Werth 3,35, als gr\u00f6ssten 3,62, und berechnet den wahrscheinlichen Fehler der einzelnen Bestimmungen auf 0,02.\nSenff hat nach einer \u00e4hnlichen, aber nicht genauer beschriebenen Methode nicht blos die Kr\u00fcmmungshalbmesser, sondern auch die Ellipticit\u00e4t der Hornhaut bestimmt und giebt folgende Resultate an :\n\tKr\u00fcmmungshalbmesser im Sclieilel.\tQuadrat der Kxcenlricit\u00e4t.\tGrosse Axe.\tKleine Axe.\t(X\nRechtes Auge. Vertical.\t7,796\t0,1753\t9,452\t8,583\t3U,0\nRechtes Auge. Horizontal.\t7,794\t0,2531\t10,435\t9,019\t2\u00bb, 9\nLinkes Auge. Vertical.\t7,740\t0,4492\t11,243\t8,344\t1 u,6\nDen Winkel a nennt Senff den Winkel zwischen dem Scheitel der Ellipse und dem Endpunkte der Augenaxe. Jener liegt von diesem in den verticalen Durchschnitten nach unten, in dem horizontalen nach aussen. Wahrscheinlich versteht Senff hier unter Augenaxe dasselbe, was wir sp\u00e4ter als Gesichtslinie definiren werden.\nDie gr\u00f6sste Schwierigkeit bei diesen Messungen ist die, das Auge und den Kopf des Untersuchten geh\u00f6rig zu befestigen. Bei einer jeden Messungsmethode der Bilder, wobei man erst abzulesen hat, mit welchem Theilstriche der gew\u00e4hlten Scale der eine Rand des Hornhaut-mildes, und dann, mit welchem der andere zusammentrifft, wird jede kleinste Verschiebung des Kopfes zwischen den beiden Ablesungen zur Gr\u00f6sse des Bildes addirt oder davon subtrahirt werden. Ich habe deshalb ein Messinstrument construirt, welches diese und andere Messungen am Auge genau auszuf\u00fchren erlaubt, ungest\u00f6rt durch die kleinen Schwankungen des Kopfes, und es eben deshalb Ophthalmometer genannt, obgleich es auch zu einer grossen Menge anderer Messungen, namentlich zu Messungen optischer Bilder mit Vortheil anzuwenden ist. Wenn wir durch eine planparallele Glasplatte, die wir schr\u00e4g \u00abgegen die Gesichtslinie halten, nach einem Gegenst\u00e4nde blicken, sehen wir diesen in seiner nat\u00fcrlichen Gr\u00f6sse, aber um ein wenig seitlich verschoben, und diese Verschiebung ist desto gr\u00f6sser, je kleiner der Winkel zwischen den Lichtstrahlen und den Fl\u00e4chen der Platte wird. Das Ophthalmometer ist im Wesentlichen ein Fernrohr, zum Sehen auf kurze Distanzen eingerichtet, vor dessen Objectiv-glase neben einander zwei Glasplatten stehen, so dass die eine H\u00e4lfte des Objectivglases durch die eine, die andere durch die andere Platte sieht. Stehen beide Platten in einer gegen die Axe des Fernrohrs senkrechten Ebene, so erscheint nur ein Bild des betrachteten Objects,","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"KR\u00dcMMUNG DER HORNHAUT.\n9\n\u00a7\u2022 2.\ndreht man aber beide Platten ein wenig und zwar nach entgegengesetzten Seiten, so theilt sich das einfache Bild in zwei Doppelbilder, deren Entfernung desto gr\u00f6sser wird, je gr\u00f6sser der Drehungswinkel der Glasplatten. Diese Entfernung der Doppelbilder aber kann aus den Winkeln, welche die Platten mit der Axe des Fernrohrs machen, berechnet werden. Stellt man die beiden Doppelbilder einer zu messenden Linie so auf einander ein, dass sie sich gerade mit ihren Enden ber\u00fchren, so ist die L\u00e4nge der Linie gleich der Entfernung ihrer beiden Doppelbilder von einander und wie diese zu berechnen.\nDas Instrument selbst ist auf Taf. II. Fig. 1 in einer verticalen Ansicht gezeichnet, in Fig. 2 in einem horizontalen Durchschnitte, in halber nat\u00fcrlicher Gr\u00f6sse. Der viereckige Kasten \u00df, \u00dfj B2 \u00df2, welcher die ablenkenden Glasplatten enth\u00e4lt, ist am vorderen Ende des Fernrohrs .4 befestigt. In Fig. I ist die vordere Wand des Kastens weggenommen, und ausserdem sind alle Theile der unteren H\u00e4lfte in der Mittelebene durchschnitten gedacht. Die Grundlage des Kastens bildet ein starker viereckiger Rahmen, den man in Fig. 1 rings um den Kasten laufen sieht; an diesen sind d\u00fcnne Messingplatten als W\u00e4nde befestigt, wie namentlich in Fig. 2 sichtbar ist. In der Mitte der horizontalen Theile des Rahmens sind konische Durchbohrungen vorhanden, in denen die Drehungsaxen CC der beiden Gl\u00e4ser laufen. Jede der Axen tr\u00e4gt ausserhalb des Kastens eine Scheibe d, deren cylindrischer Umfang in Winkelgrade getheilt ist; bei a ist ein Nonius angebracht, mittels dessen Zehntheile eines Grades abgelesen werden k\u00f6nnen. Innerhalb des Kastens tr\u00e4gt jede Axe zun\u00e4chst ein Zahnrad ee und einen Metallrahmen g, in welchem die Glasplatte f befestigt ist. Der Rahmen jeder Platte hat aber nur drei Seiten, die der anderen Glasplatte zugekehrte Seite desselben fehlt. Die beiden Glasplatten bildeten urspr\u00fcnglich eine planparallele Platte. F\u00fcr diese wurde ein vollst\u00e4ndiger Metallrahmen gemacht und zwischen den Fl\u00e4chen der beiden Zahnr\u00e4der befestigt, dann die Axen abgedreht und endlich der Rahmen in der Mitte durchschnitten. Eben so wurde das Glas durchschnitten, jede H\u00e4lfte in der entsprechenden H\u00e4lfte des Rahmens befestigt. So wurde eine genau \u00fcbereinstimmende Stellung der Platten auf den beiden Axen erreicht. Bewegt werden die Zahnr\u00e4der durch die Triebe und c,, die an den Axen h, c, und b2 c2 befestigt sind. Jede dieser Axen tr\u00e4gt ausserdem in ihrer Mitte einen Trieb h. Dreht man den Knopf bei b,, so wird mittels des Triebes Cj das untere Zahnrad mit der unteren Glasplatte bewegt. Ausserdem greift der Trieb h{ in den Trieb h.,, und dreht die zweite Axe b2 c2 um eben so viel in der entgegengesetzten Richtung, ln Folge davon wirkt auch der Trieb c2 auf das obere Zahnrad, und dreht dieses mit der oberen Glasplatte um einen nahe eben so grossen Winkel wie die untere Platte. Gemessen wird die. Drehung jeder Platte mittels der ausserhalb des Kastens auf die Drehungsaxe aufgesetzten getheilten Scheiben.\nEs ist nothwendig, zwei Platten anzubringen, welche um nahe gleiche Winkel gedreht werden, weil die Bilder der durch die Platten gesehenen Objecte nicht blos seitlich verschoben, sondern auch ein wenig gen\u00e4hert werden, und wenn die N\u00e4herung f\u00fcr die beiden Bilder desselben Gegenstandes ungleich gross ist, man das Fernrohr nicht gleichzeitig auf beide genau einstellen kann.\nIn das vordere Ende des Fernrohrs sind zwei Objectivlinsen einzusetzen, fc und l. Die achromatische Doppellinse k allein wird gebraucht, wenn man entferntere Objecte zu betrachten hat. Ihre biconvexe Crownglaslinse wird wie gew\u00f6hnlich dem Objecte zugekehrt. Will man dagegen sehr nahe Objecte betrachten, so giebt eine einzelne Linse kein gutes Bild mehr, weil diese Linsen darauf berechnet sind, parallel einfallende Strahlen in einen Punkt zu vereinigen. Deshalb setze ich dann eine zweite achromatische Doppellinse l ein, deren Crown-glas der anderen zugekehrt wird. Steht dann das Object im vorderen Brennpunkte dieser zweiten Linse, so macht sie die Strahlen parallel, die erste Linse vereinigt die parallelen Strahlen in ihrem hinteren Brennpunkte. Dadurch erh\u00e4lt man sch\u00e4rfere Bilder. Die Brennweite von k ist bei meinem Instrumente 6 Zoll, die von l 16 Zoll. Das Fernrohr ruht auf auf einer S\u00e4ulen, in der ein Cylinder gedreht, so wie auch auf- und abbewegt werden kann. Auf diesem ist mittels des Charniergelenks i das Fernrohr befestigt. So kann man der Fern-rohraxe beliebige Stellungen geben. Ausserdem ist auch der Kasten mit den Gl\u00e4sern drehbar um das vordere Ende des Fernrohrs.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 2.\nZun\u00e4chst will ich nachweisen, wie die Verschiebung der Bilder aus dem Drehungswinkel der Glasplatten zu finden ist.\n\u00a3\nEs sei in Fig. 2 .4j Ay 42 A2 eine der Glasplatten, at c, der einfallende, e, c2 der gebrochene, c, a2 der hinjlurchgegangene Strahl ; ft, c, d2 das erste, ft2 c2 dt das zweite Einfallsloth. Der Einfallswinkel ft, c, fl], welcher dem Winkel ft2 c2 a2 gleich ist, werde mit a, der Brechungswinkel d2 c, c2, welcher gleich ist mit c, c2 d,, mit \u00df bezeichnet und die Dicke der Platte mit ft. Wird der Strahl \u00ab2 c, r\u00fcckw\u00e4rts verl\u00e4ngert, so scheint der leuchtende Punkt \u00ab, f\u00fcr ein unterhalb der Platte befindliches Auge in dieser Verl\u00e4ngerung von a2 e2 zu liegen. F\u00e4llt man von o, ein Loth a, f, dessen L\u00e4nge wir x nennen wollen, auf die genannte Verl\u00e4ngerung, so ist dies x die scheinbare seitliche Verschiebung des leuchtenden Punktes. Es ist x \u25a0 c, c2 . sin l_ Cy c2 f\nL c\\ \u00b02 f \u2014 L di c2 f \u2014 L <?i ci ci\n\u2014 \u201c \u2014\u00df\nF'9'\tX SS ft sin (jLulj\ncos \u00df\nDer Winkel a wird durch das Instrument gemessen ; die Dicke der Glasplatte ft muss bekannt sein, ebenso ihr \u00dfrechungsverh\u00e4ltniss n gegen Luft. Dann ist\nsin a = n . sin \u00df.\nAus dieser Gleichung ist \u00df zu finden, und dann sind alle St\u00fccke zur Berechnung von x bekannt. Benutzt man zwei drehbare Platten, wie in dem Instrumente, welches ich beschrieben habe, geschieht, so ist die Entfernung E zweier beobachteten Punkte, deren Bilder man auf einander gestellt hat, doppelt so gross als x, also\nE = oft (\u00ab \u2014 \u00df) cos \u00df\nDie Werthe von n und ft kann man, wenn andere Bestimmungen derselben fehlen, durch Messungen, die mit dem Instrumente selbst gemacht werden, finden, indem man misst, um welchen Winkel man die Platten drehen muss, um jeden Theilstrich eines genauen Maassstabes auf den n\u00e4chsten oder den je zweiten, je dritten u. s. w. einzustellen. Man bekommt dadurch eine Reihe zusammengeh\u00f6riger Werthe von x und a, aus denen man durch ein passendes Eliminationsverfahren ft und n bestimmen kann. Will man viele Beobachtungen machen, so ist es rathsam, sich eine Tafel von ft f\u00fcr die ganzen Grade von 0 0 bis GO u zu berechnen.\nDieselbe Stellung der Doppelbilder, welche bei einer Drehung um a Grade stattfindet, tritt auch ein bei einer Drehung um\u2014a, um 180 \u2014 a und um a-\u2014180 Grade. Um Fehler der Theilung und des Parallelismus der Glasplatten zu eliminiren, ist es rathsam, bei diesen vier Stellungen jede Messung zu wiederholen und aus den vier gefundenen Zahlen das Mittel zu nehmen.\nEiner der wichtigsten Vortheile des Ophthalmometers ist, dass die lineare Gr\u00f6sse der scheinbaren Entfernung seiner Doppelbilder unabh\u00e4ngig ist von dem Abstande des Objects. Man braucht also den letzteren nicht zu kennen, um die Messungen auszuf\u00fchren.\nWenn man das beschriebene Instrument zur Messung eines Hornhautbildes anwendet, wird man von kleinen Schwankungen des Kopfes des Beobachteten durchaus nicht gehindert, da beide Doppelbilder immer in derselben Weise sich mitbewegen, und ihre Stellung zu einander nicht ge\u00e4ndert wird. Ist gleichzeitig das Object des Hornhautbildes weit genug entfernt, dass die kleinen Schwankungen des Kopfes gegen seine Entfernung verschwinden, so wird auch die Gr\u00f6sse des Bildes nicht merklich durch die Schwankungen ver\u00e4ndert, und es gen\u00fcgt daher zur Befestigung des Kopfes, dass man das Kinn leicht aufst\u00fctzen l\u00e4sst.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"KR\u00dcMMUNG DER HORNHAUT.\n11\n\u00a7\u25a0 2.\nAls Object f\u00fcr das Hornhautbild w\u00e4hlt man entweder ein helles Fenster. Wenn man die parallelen Grenzen zweier Doppelbilder einer solchen hellen Fl\u00e4che im Ophthalmometer auf einander einstellt, ist das Auge des Beobachters sehr empfindlich f\u00fcr jedes Uebereinander-greifen oder Auseinanderweichen der beiden Bilder, was sich sogleich durch eine weisse oder schwarze Linie zwischen den beiden gleichm\u00e4ssig erhellten Feldern zu erkennen giebt. Oder man benutzt als Object einen fern genug vom Auge aufgestellten Maassstab, und bezeichnet einen seiner Theilpunkte durch eine kleine Lichtflamme, einen andern am besten durch zwei eben solche Flammen, die neben einander stehen. Bei der Messung stellt man das eine Bild der einen Flamme gerade mitten zwischen die der beiden anderen. Es ist diese Art der Einstellung sehr genau auszuf\u00fchren, wie schon Bessel bei der Messung der Sternparallaxen mit dem Heliometer bemerkt hat.\nDie Berechnung des Kr\u00fcmmungsradius der Hornhaut ist sehr einfach, wenn das gemessene Spiegelbild verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig klein gegen den Radius ist. Es verh\u00e4lt sich dann die Gr\u00f6sse des Objects zur Entfernung des Objects vom Auge wie die Gr\u00f6sse des Bildchens zum halben Kr\u00fcmmungsradius, und der letztere ist aus dieser Proportion zu berechnen. Auch die El-lipticit\u00e4t der Hornhaut kann auf diese Weise bestimmt werden, wenn man das Auge durch passende Verlegung seines Fixationspunktes sich nach einander um verschiedene bekannte Winkel nach den Seiten oder nach oben und unten wenden l\u00e4sst, und f\u00fcr jede solche Stellung die Gr\u00f6sse des Spiegelbildchens misst. Dann findet man durch Rechnung zun\u00e4chst die verschiedene Gr\u00f6sse der Kr\u00fcmmungsradien an den verschiedenen spiegelnden Stellen der Hornhaut und aus diesen wieder die Elemente des Ellipso\u00efdes, dem sich die Hornhaut n\u00e4hert.\nIch gebe hier die Elemente des horizontalen Durchschnitts der Hornhaut f\u00fcr drei weibliche Individuen zwischen 25 und 30 Jahren, an deren Augen ich ein System von Messungen durchgef\u00fchrt habe.\nBezeichnung des Auges.\t0. H.\tB. P.\tJ. II.\nKr\u00fcmmungsradius im Scheitel\t\t7,338\t7,646\t8,154\nQuadrat der Excentricit\u00e4t\t\t0,4367\t0,2430\t0,3037\nHalbe grosse Axe\t\t13,027\t10,100\t11,711\nHalbe kleine Axe \t\t9,777\t8,788\t9,773\nWinkel zwischen der grossen Axe und der Gesichtslinie\t4\u00b0 19'\t6\u00b0 43'\t7\u201c 35'\nHorizontaler Durchmesser des Umfangs \t\t11,64\t11,64\t12,092\nAbstand des Scheitels von der Basis \t\t2,560\t2,531\t2,511\nDer Mittelpunkt der \u00e4usseren Fl\u00e4che der Hornhaut f\u00e4llt in allen drei Augen fast genau mit dem Scheitel der Ellipse zusammen. Die Gesiehtsliuie liegt auf der Nasenseite des vorderen Endes der grossen Axe des Hornhautellipsoides.\nMessungen des Augapfels sind zu finden bei\n1723\u201430. Petit in Mein, de l\u2019Acad. des sciences de Paris. 1723. p. 54. \u2014 1725. p. 18. \u2014 1726. p. 375. \u2014 1728. p. 408. \u2014 1730. p. 4.\n1738.\tJurin Essay upon distinct and indistinct vision, p. 141 in Smith\u2019s complete System of Optics.\n1739.\tHelsiiam a Course of Lectures on Natural Philosophy. London 1739.\n1740.\tWintringham Experimental Inquiry on some parts of the animal structure. London 1740.\n1801. Th. Young Philos. Transact. 1801. p. 23.\n1S18. D. W. Soemmering de oculorum hominis animaliumque sectione horizontali. G\u00f6ttingen 1818. p. 79*.\n1819. Brewster in Edinburgh Philosoph. Journal. 1819. No. I. p. 47.\n1828. G. R. Treviranus Beitr\u00e4ge zur Anat. und Physiol, der Sinneswerkzeuge. Bremen 1828. Heft I. S. 20*. \u2014 Hier sind auch die Resultate der \u00e4lteren Beobachter zusammengestellt.\n1832. C. Krause Bemerkungen \u00fcber den Bau und die Dimensionen des menschlichen Auges, in Meckel\u2019s Archiv f\u00fcr Anatomie und Physiol. Bd. VL S. 86* [Beschrei-","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG DES AUGES.\n\u00a7\u2022 3.\nbang der Methode und Messungen an zwei Augen]. Auszug davon in Poggendorff\u2019s Ann. T. XXXI. p. 93*.\n1836. C. Krause in Poggendorff\u2019s Ann. T. XXXIX. p. S*29* [Messungen an 8 menschlichen Augen].\n1839. Kohlrausch \u00fcber die Messung des Radius der Vorderfl\u00e4che der Hornhaut am lebenden menschlichen Auge, in Oken\u2019s Isis. Jahrg. 1840. S. 886*.\n1846.\tSenff in R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch der Physiol. Bd. III. Abtli. 1. Art.: Sehen. S. 271 *.\n1847.\tE. Br\u00fccke Beschreibung des menschl. Augapfels. S. 4 u. 45*.\n1854. H. Helmholtz in Graefe\u2019s Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. II. S. 3.\n\u00a7. 3. Die Uvea.\nDas System der Uvea tr\u00e4gt seinen Namen von dem Vergleiche mit einer dunklen Weinbeere, die man von ihrem Stiele getrennt hat. Die Stiel\u00f6ffnung entspricht der Pupille. S\u00e4nnntliche Thcile dieses Systems zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf ihrer inneren Fl\u00e4che mit einer Lage von Pigmentzcllen bedeckt sind, theilweise auch solche in ihrer Substanz vertheilt zeigen, denen sie ihre dunkle Farbe verdanken. Die Uvea ist an zwei Stellen fest mit der Sehnenhaut verbunden, n\u00e4mlich hinten an der Eintrittsstelle des Sehnerven Taf. I. Fig. 1. d und vorn an der inneren Wand des ScHLEMivi\u2019sehen Kanals a. Den Theil ab b a, welcher nach vorn und innen von dieser letzteren Befestigung und zun\u00e4chst hinter der Hornhaut liegt, nennt man Iris (Blendung); den hinteren Theil, welcher die innere Fl\u00e4che der Sehnenhaut bekleidet, Aderhaut (Chorioidea).\nIm hinteren Theile des Augapfels bildet die Aderhaut eine d\u00fcnne dunkle Membran, gr\u00f6sstentheils aus Blutgef\u00e4ssen zusammengesetzt, die durch ein eigen-tli\u00fcmliches Gewebe verbunden sind. Dieses Gewebe, welches K\u00fclliker als unentwickeltes elastisches Gewebe bezeichnet, besteht aus in einander geflochtenen strahligen, zum Theil mit Pigment gef\u00fcllten Zellen, deren Ausl\u00e4ufer \u00e4usserst fein ver\u00e4stelt sind. Dies eigenth\u00fcmliche Stroma verbindet zun\u00e4chst die Arterien und Venen der Aderhaut, die Schicht der Capillargef\u00e4sse (membrana chorio-ca-pillaris) liegt ihm nach innen lockerer auf, und diese wird nach innen, gegen die Betina hin endlich von den Pigmentzellen bedeckt. Letztere bilden auf den\nhinteren Theilen der Aderhaut eine einfache, auf dem Ciliartheile dagegen eine mehrfache Lage. Ihr Kern ist meist durch seine Durchsichtigkeit zwischen dem schwarzen Pigment erkennbar. In Fig. 5 stellt a diese Zellen von der Fl\u00e4che, b von der Seite nach K\u00fclliker dar, c Pigmentk\u00f6rner, kleine plattgedr\u00fcckte, l\u00e4nglich runde K\u00f6rnchen von 0,0016 Mm. L\u00e4nge, welche durch Chlor und kaustisches Kali zerst\u00f6rt werden.\ner\n6\nFig. 3.\nVorn legt sich an die \u00e4ussere Fl\u00e4che der Aderhaut ein Muskel, der Ciliar-muskel (Tensor Chorioideae, Musculus Br\u00fcckianus) , von ihrer inneren Fl\u00e4che dagegen erheben sich faltenf\u00f6rmige, durch ein Convolut von Gef\u00e4ssst\u00e4mmen ausgef\u00fcllte Hervorragungen, die Ciliarforts\u00e4tze (Processus ciliares). In Fig. 1. Taf. I. ist angenommen, dass der dargf stellte Durchschnitt auf der .linken Seite durch einen Ciliarfortsatz c hindurchgeht, auf der rechten Seite dagegen zwischen zwei","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"DIE UVEA.\n13\n\u00a7. 3.\nsolchen Forts\u00e4tzen, daher hier allein der Ciliarmuskel h in dem Schnitte sichtbar ist. Die Fasern des Ciliarmuskels entspringen von der inneren Wand des ScHLEMMSchcn Kanals, da wo sich deren elastischer und sehniger Theil mit einander verbinden, bei a Taf. I. Fig. / und Fig. 2, laufen dann an der \u00e4usseren Seite der Aderhaut nach hinten, und heften sich an diese Membran. Die Fasern dieses Muskels geh\u00f6ren zu den sogenannten organischen, wie wir sie in den meisten nicht willk\u00fchrlich bewegten Muskeln antrefifen; sie sind mit l\u00e4ngsovalen Kernen versehen und nicht quergestreift. Br\u00fccke, der den Muskel entdeckte, nimmt an. dass er die Aderhaut (und die mit dieser bei g engverbundene Netzhaut und Glashaut) um den Glask\u00f6rper anspanne, Donders dagegen, dass die Aderhaut sein fester Ansatzpunkt sei, und er im Gegentheil den elastischen Theil der iimeren Waiid des Schlemm'sehen Kanals verl\u00e4ngere und so den Ansatz der Iris nach hinten r\u00fccke. Vielleicht verbinden sich beide Wirkungen mit einander V\nDie Ciliarforts\u00e4tze sind Mutige Falten der Aderhaut, welche in Richtung der Meridianlinien des Auges verlaufen, 70 bis 72 an der Zahl. Sie erheben sich in der Gegend des vorderen Endes der Netzhaut (Taf. I. Fig. L g), verlaufen allm\u00e4lig ansteigend nach vorn, wo sie in der Gegend des \u00e4usseren Linscn-randes ihre gr\u00f6sste H\u00f6he erreichen, und senken sich dann schnell, indem die vorderen Ausl\u00e4ufer der meisten noch auf die Hinterseite der Iris \u00fcbergehn. Ihre hervorstehenden scharfen R\u00e4nder sind oft von Pigment entbl\u00f6sst, und zeichnen sich als weisse Linien ab, wenn man die Ciliargegend durch den Glask\u00f6rper von hinten betrachtet. Die Ciliarforts\u00e4tze enthalten eine grosse Menge von Gef\u00e4ss-st\u00e4nnnen, durch ein \u00e4hnliches Stroma verbunden, wie es in der Aderhaut vorkommt.\nDie Iris, der vorderste Theil der Uvea, bildet f\u00fcr das Auge eine bewegliche Blendung. Sie entspringt mit dem Ciliarmuskel gemeinschaftlich an der inneren Wand des ScuLEMM\u2019schen Kanals, und zwar an der Grenze des hinteren sehnigen Theils dieser Wand, ist aber (Taf. I. Fig. 2. b) durch ein Netzwerk elastischer Fasern, welche frei durch die w\u00e4ssrige Feuchtigkeit verlaufen, mit dem elastischen Theile dieser immeren Wand verbunden. Man nennt diese elastischen Fasern das Ligamentum Iridis pectinatum. Von da verl\u00e4uft die Iris, sich an die vordere Fl\u00e4che der Linse legend, nach innen bis zu ihrem inneren oder Pupillarrande, und ist dabei leicht nach vorn gew\u00f6lbt. Sie enth\u00e4lt organische Muskelfasern, welche zu zwei Muskeln zusammengefasst werden k\u00f6nnen.\n1)\tDer Ringmuskel der Pupille (Musculus Contractor sive Sphincter Pupillae) umgiebt in Form eines Ringes von 1 Mm. Breite den Pupillarrand ; er liegt vor der Pigmentschicht und hinter der Hauptmasse der zum Pupillarrande verlaufenden Gef\u00e4sse und Nerven. Seine Fasern verlaufen in concentrischen Ringen, und verengern deshalb bei ihrer Zusammenziehung die Pupille.\n2)\tDer Erweiterer der Pupille (Musculus Dilatator Pupillae). Seine Fasern entspringen von der inneren Wand des ScHLEMM\u2019schen Kanals und wohl auch von den Fasern des Ligamentum pectinatum, und verlaufen an der hinteren Seite\n1 S. unten \u00a7. 12.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG DES AUGES.\n\u00a7\u2022 3.\nder Iris netzf\u00f6rmig mit einander verbunden nach innen, wo sie sich in den Ringmuskel verlieren.\nDas Stroma der Iris ist Bindegewebe ; hinten ist sie von der Piginentzellen-schicht, vorn von einem Epithelium bedeckt. Auch ihr Stroma enth\u00e4lt oft Pigmentzellen; dann ist ihre Farbe braun, sonst erscheint sie als ein tr\u00fcbes Medium vor dem dunklen Pigmente blau.\nDas Verhalten der Gef\u00e4sse der Uvea bietet vieles Eigenth\u00fcmliche. Ich habe schon angef\u00fchrt, dass die Gef\u00e2ss\u00e8 den gr\u00f6ssten Theil der Masse dieses Systems aus-machen. Ihre zuf\u00fchrenden Arterien ( Arteriae ciliares posticae breves f\u00fcr die Aderhaut und Ciliarforts\u00e4tze, posticae Inngae und anticae f\u00fcr die Iris) treten durch die Sclerotica ein, und communiciren mit den Venen nicht blos, wie es in anderen Theilen des K\u00f6rpers der Fall ist, durch ein feines Capillargef\u00e4ssnetz, sondern auch durch ziemlich weite Verbindungsr\u00f6hren, welche auf der Aderhaut in zierlich geordneten B\u00f6gen wedelf\u00f6rmig aus den Arterien entstehen, und sich wieder zu Venen ( Venae vorticosae) sammeln. Die Arteriae ciliares posticae breves, efwa 20 Aestchen, durchbohren die Sclerotica an ihrem hinteren Theile, laufen, sich fortdauernd gabelf\u00f6rmig spaltend, nach vorn, und geben ihr Blut theiis durch das Capillargef\u00e4ssnetz, welches, so weit die Netzhaut reicht, an der inneren Seite der Aderhaut unter den Pigmentzellen liegt, theiis durch die weiten Verbindungs\u00e4ste der Vortices an die Venen ab, welche theiis (Vasa vorticosa) am Aequator des Augapfels, theiis (Venae ciliares posticae) am hinteren Theile durch die Sclerotica austreten. Ein grosser Theil der Aeste dieser Arterien l\u00e4uft aber nach vorn in die Ciliarforts\u00e4tze und bildet in diesen ein Gef\u00e4sskn\u00e4uel, dessen r\u00fcckkehrende Aeste in die vorderen B\u00f6gen der Vortices \u00fcbergehen. Das Gef\u00e4ssnetz der Iris h\u00e4ngt theiis mit dem der Ciliarforts\u00e4tze zusammen, zum gr\u00f6ssten Theile empf\u00e4ngt es aber sein Blut aus besonderen St\u00e4mmen, die theiis hinten durch die Sclerotica treten (Art. ciliares posticae longae) und zwischen Aderhaut und Sehnenhaut nach vorn bis zum Ciliarmuskel verlaufen, theiis auch vorn eintreten (Art. ciliares anticae). Sie \"bilden in der Iris zwei anastomosirende Gef\u00e4sskr\u00e4nze, den einen (Circulus arteriosus Iridis major) am peripherischen Rande, den anderen (Circ. arter. minor) nahe dem Pupillarrande. An der Stelle des letzteren ist die Iris am dicksten, und bildet auf ihrer vorderen Fl\u00e4che einen Vorsprung.\nAm unverletzten Auge sieht man die Iris durch die Hornhaut. Durch die Wirkung der Strahlenbrechung erscheint sie der Hornhaut n\u00e4her, also mehr nach vorn gew\u00f6lbt, als sie es in Wirklichkeit ist. Wenn man dagegen das Auge einer Leiche unter Wasser bringt, dessen Brechungsverm\u00f6gen dem der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit ziemlich gleich ist, so f\u00e4llt die Strahlenbrechung an der Hornhaut fast ganz weg, und man sieht die Iris in ihrer nat\u00fcrlichen Lage, wo sie schwach oder nur wenig gew\u00f6lbt erscheint. Um am lebenden Auge eine richtige Anschauung von der Iris zu erhalten, hat J. Czerjiak 1 ein Instrument angegeben unter dem Namen Orthoskop, welches im Wesentlichen eine kleine Wanne mit Glasw\u00e4nden ist, die an das Gesicht so angesetzt wird, dass das Auge die Hinterwand derselben bildet, und dann voll Wasser gegossen wird. Das in Fig. 4 abgebildete Instrument hat eine untere Wand fcl) und eine innere (der Nase zugekehrte) gab aus Metallblech gebildet. Beide sind am freien Rande passend ausgeschnitten, um sie au das Gesicht ansetzen zu k\u00f6nnen. Die vordere Wand a l> c d und die \u00e4ussere c cl e f sind aus ebenen Glasplatten gebildet. Um den Rand des Instruments wasserdicht an das Gesicht ansetzen zu k\u00f6nnen, empfiehlt Czerjiak geknetete Brodkrume an das Gesicht anzulegen und den Rand des Instruments hineinzudr\u00fccken. Das Auge\n1 Prager Vierteljahrsschrift f\u00fcr prakt. Heilkunde. 1851. Bd. XXXII. S. loi.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"LAGE UND FORM DER IRIS.\n15\n\u00a7. 3.\nwird nun zun\u00e4chst geschlossen, Wasser von 23 bis 26\u00b0 R. in das K\u00e4stchen gegossen, und dann das Auge ge\u00f6ffnet. Die Hornhaut tritt von der Seite gesehen als eine durchsichtige gew\u00f6lbte Blase hervor, die Iris tritt als ein fast ebener Vorhang von ihr zur\u00fcck.\nEs k\u00f6nnten hei dieser Methode Zweifel \u00fcbrig bleiben, ob das Bild der Iris durch die Brechung zwischen Hornhaut und Wasser einerseits, Hornhaut und w\u00e4ssriger Feuchtigkeit andererseits nicht noch ein wenig ver\u00e4ndert sei, und da die Frage nach der Form und Lage der Iris f\u00fcr die Lehre von der Accommodation des Auges von grosser Wichtigkeit ist, so will ich hier noch andere Untersuchungsmethoden beschreiben. Eine leicht auszuf\u00fchrende Art, um an lebenden Augen das Relief der Iris kennen zu lernen, ist die folgende. Man stelle seitlich und etwas nach vorn von dem beobachteten Auge ein Licht auf, und concentrire durch eine Sammellinse von etwa 2 Zoll Brennweite und m\u00f6glichst grosser Oeffnung dessen Strahlen auf einen Punkt der Hornhaut, so dass auf dieser ein Bild des Lichts entworfen wird. Die Hornhaut sieht an der starkbeleuchteten Stelle tr\u00fcbe aus. Der Brennpunkt auf der Hornhaut bildet nun gleichsam eine neue Lichtquelle, deren Strahlen, ohne weiter gebrochen zu werden, geradlinig auf die Iris fallen, und, wenn sie schief auffallen, Schlagschatten verschiedener L\u00e4nge auf ihr entwerfen, aus denen man leicht beurtheilen kann, wie viel ihre einzelnen Theile hervorspringen oder zur\u00fcckweichen. Bei der angegebenen Untersuchungsmethode findet man die Iris kurzsichtiger Augen oft so platt, dass gar kein Schlagschatten auf ihr entsteht. Bei normalen Augen dagegen sieht man nahe um die Pupille herum den dem Circulus arteriosus minor entsprechenden Wulst, der deutliche Schlagschatten wirft. Wenn der lichtgebende Brennpunkt etwa 1 Mm. vom Rande der Hornhaut absteht, verl\u00e4ngert sich dieser Schlagschatten meist bis zum peripherischen Rande der Iris.\nUm sich an lebenden Augen von dem sehr wichtigen Umstande zu \u00fcberzeugen, dass die Iris der Linse dicht anliegt, kann man dasselbe Verfahren gebrauchen, mit dem Unterschiede, dass man den Brennpunkt der Sammellinse ein wenig von der Seite her auf die vordere Linsenfl\u00e4che fallen l\u00e4sst. Bei so starker Beleuchtung erscheint dann die Substanz der Linse weisslich tr\u00fcbe, und man sieht, dass von der Iris kein Schlagschatten geworfen wird. Noch besser geschieht dies mittels der Reflexe, welche die vordere Fl\u00e4che der Linse von einfallendem Lichte giebt. Wenn in Fig. S Cj C2 ein convexer Kugelspiegel ist, DE ein\ndavorstehender dunkler Schirm mit\t/\neiner Oeffnung F G, das Auge des\t!\nBeobachters sich in ,4 befindet und\t/\nein Licht in B, und der am Rande &\tff\nder Oeffnung bei F vorbeigehende Lichtstrahl B F in II nach H A zur\u00fcckgeworfen wird, so wird das Auge von den zwischen II und C, gelegenen Punkten der Spiegelfl\u00e4che kein zur\u00fcckgeworfenes Licht erhalten k\u00f6nnen, diese werden vielmehr die dunkle Hinterseite des Schirms spiegeln m\u00fcssen. So wird in der Richtung 4 J Licht gespiegelt werden, welches von dem Punkte K des Schirms ausgegangen ist. Zwischen F und H wird also das Auge einen dunklen Theil der Spiegeloberfl\u00e4che so oft erblicken m\u00fcssen, als nicht der Rand des Schirms der spiegelnden Fl\u00e4che ganz dicht anliegt. Man kann sich von der Richtigkeit des Gesagten an jeder spiegelnden convexen Fl\u00e4che, z. B. eines gew\u00f6lbten metallenen Knopfes, \u00fcberzeugen, f\u00fcr welche man sich ein passendes dunkles Diaphragma mit runder Oeffnung gemacht hat. Nur wenn der Rand der Oeffnung dicht an der Fl\u00e4che liegt, reichen die Spiegelbilder, welche sie von \u00e4usseren Gegenst\u00e4nden entwirft, bis an den Rand des Diaphragma. Ist dagegen zwischen letzteren und der spiegelnden Fl\u00e4che ein kleiner Zwischenraum, so sieht man an dem dem\nE","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG DES AUGES.\n\u00a7\u2022 3.\nAuge gegen\u00fcberliegenden Rande der Oeffnung eine dunkle Linie sich zwischen die Spiegelbilder und den Rand der Oeffnung einseineben.\nDie Fl\u00e4chen der Linse reflectiren ebenfalls Liebt, aber sehr wenig. Man siebt diese Reflexe1, wenn sich das Auge in einem dunklen Zimmer befindet, in welchem nur ein Licht enthalten\u2019ist. Man stellt das Licht vor dem Auge, etwas seitlich von der nach vorn verl\u00e4ngerten Augenaxe, auf. Der Beobachter sieht von der anderen Seite her in das Auge, so dass seine Gesichtslinie etwa denselben Winkel mit der Augenaxe macht, wie das einfallende Licht. Neben dem bekannten hellen Reflexe der Hornhaut sieht er dann zwei andere sehr viel schw\u00e4chere. Der gr\u00f6ssere von beiden bildet ein aufrechtes, ziemlich verwaschenes Bild der Flamme und r\u00fchrt von der vorderen Linsenfl\u00e4che her, der kleinere bildet ein sch\u00e4rferes umgekehrtes Bildchen und wird von der hinteren Linsenfl\u00e4che entworfen. Von den Augen\u00e4rzten werden diese Reflexe die Sanson\u2019sehen Bildchen genannt. Wenn man die Stellung des Lichts oder des eigenen Auges ver\u00e4ndert, w\u00e4hrend man sie beobachtet, ver\u00e4ndert sich auch die Stellung der Bildchen, und so gelingt es leicht, das erstgenannte derselben, das der vorderen Linsenfl\u00e4che, bis an jede beliebige Stelle des Randes der Pupille zu f\u00fchren. Man sieht es dann stets, auch an dem dem Beobachter gegen\u00fcberliegenden Rande der Pupille, bis dicht an die Iris r\u00fccken, ohne zwischenliegende schwarze Linie. Wenigstens ist dies unter normalen Umst\u00e4nden ohne k\u00fcnstliche Erweiterung der Pupille, so viel ich gefunden habe, stets der Fall, und daraus folgt mit Bestimmtheit, dass der Pupillarrand der Iris der Linse anliege.\nDie Entfernung der Pupillenfl\u00e4che von dem Scheitel der Hornhaut ist von C. Krause an durchschnittenen Augen gemessen worden. Indessen ist die Verbindung der Linse mit der Sclerotica durch die Ciliarforts\u00e4tze keine so straffe, dass nicht nach der Durchschneidung be-\ntr\u00e4chtliche Verschiebungen eintreten sollten.\nDavon, dass die Pupillarfl\u00e4che hinter einer durch den \u00e4usseren Rand der Hornhaut gelegten Ebene liegt, kann man sich am lebenden Auge \u00fcberzeugen, wenn man es so von der Seite ansieht, dass die Pupille hinter dem Rande der Sclerotica zu verschwinden beginnt.\nFig. 6.\nder\nMan sieht alsdann, wie in Fig. 6, perspectiviscli vor der Pupille einen helleren Streifen, ein verzogenes Bild der Iris, und vor diesem am Rande der Hornhaut einen dunkleren Streifen, den jenseitigen \u00fcber die Hornhaut greifenden Rand der Selmenhaut. Bewegt der Beobachter sein Auge noch weiter zur\u00fcck, so verschwindet ihm die Pupille und Iris ganz, und hinter dem noch sichtbaren Theile der Hornhaut erscheint nur noch der jenseitige Scleroticalrand. Da die Lichtstrahlen, welche einmal durch die Hornhaut in die w\u00e4ssrige Feuchtigkeit eingetreten sind, geradlinig durch diese fortgehen, so folgt daraus, dass die Iris weiter zur\u00fcck liegt als eine die \u00e4usseren R\u00e4nder der Hornhaut verbindende Linie.\nKennt man den Kr\u00fcmmungsradius im Scheitel der Hornhaut, so kann man die Distanz Pupillenfl\u00e4che vom Scheitel der Hornhaut am lebenden Auge ziemlich genau bestimmen,\nindem man die scheinbare Lage der Iris im Ver-h\u00e4ltniss zur scheinbaren Lage eines von der Hornhaut gespiegelten Lichtpunktes bestimmt. Das Spiegelbild eines entfernten Lichtpunktes liegt ein wenig hinter der Fl\u00e4che der Pupille, wovon man sich leicht \u00fcberzeugen kann, wenn man von verschiedenen Seiten das Auge ansieht, und die per-spectivische Lage des Lichtspunktes zu den R\u00e4ndern der Pupille sich merkt.\nIst ab die Pupille, c der scheinbare Ort des gespiegelten Lichtpunktes, sind clc und fc\n1 Entdeckt von Purkinje. S. dessen Abhandlung: De examine physiologico organi visus et syst, cutanei. Vratisl. 1823. Zur Diagnose von Krankheiten benutzt von Sanson (Le\u00e7ons sur les maladies des yeux. Paris. 1830 ihr Ursprung ist genauer bestimmt durch H. Meyer (IIenle\u2019s und Pfeufer\u2019s Zeitschrift -1846. lid. V).","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"ABSTAND DER PUPILLE VON DER HORNHAUT.\n17\n\u00a7\u25a0 3.\n\nzwei verschiedene Richtungen, aus denen der Beobachter nach dem Punkte c hinblickt, so wird dieser Punkt von d aus gesehen hinter dem Punkte g der Pupillarebene, also scheinbar n\u00e4her an a, von f aus hinter'dem Punkte h scheinbar n\u00e4her an b liegen ; wie es auch in Wirklichkeit der Fall ist. Man w\u00fcrde nun die Lage des Punktes c am einfachsten genau bestimmen k\u00f6nnen, wenn man seine scheinbare perspectivische Entfernung von den beiden R\u00e4ndern der Pupille misst, was mit dem Ophthalmometer ausf\u00fchrbar w\u00e4re. Aber hierbei sind die fast fortdauernden Schwankungen der Weite der Pupille hinderlich.\nIch fand es deshalb vortheilhafter, etwas anders zu verfahren. Es seien an dem betreffenden Auge die elliptischen Axen der Hornhaut gemessen worden, und die Lage der Gesichtslinie zu ihnen bekannt. Steht dann vor dem Auge ein Licht, dessen Stellung in Bezug auf die Gesichtslinie ebenfalls bekannt ist, so l\u00e4sst sich aus den bekannten Gesetzen der kugeligen spiegelnden Fl\u00e4chen leicht der scheinbare Ort des von der Hornhaut entworfenen Spiegelbildes berechnen. Wir nehmen also im Folgenden die Lage dieses Spiegelbildes immer als bekannt an. Sucht man nun eine solche Stellung des Lichts, des Fixationspunktes und des Ophthalmometers, dass man von den durch letzteres erblickten Doppelbildern des Lichtpunktes auf der Hornhaut gleichzeitig das eine mit dem einen Rande der Pupille, das andere mit dem anderen zum Decken bringen kann, so folgt daraus, dass von dem Orte des Ophthalmometers aus gesehen der gespiegelte Lichtpunkt perspectivisch Pupille liegt. Es seien in Fig. 8 die beiden Linien e d und e 8 parallel der Fernrohraxe des Ophthalmometers, ab und a\u00df die beiden Doppelbilder des horizontalen Durchschnitts der Pupille.\nWir nehmen an, dass der Mittelpunkt der Pupille, das Licht, die Axe des Fernrohrs, die Gesichtslinie des beobachteten Auges alle in derselben Horizontalebene liegen. Nach der oben' in \u00a7. 2 gegebenen Theorie dieses Instruments m\u00fcssen alle Verbindungslinien entsprechender Punkte der beiden Doppelbilder gleich lang und senkrecht gegen die Axe des Fernrohrs, die beiden Doppelbilder selbst aber congruent sein. Danach ist also a a gleich und parallel b \u00df, und ab gleich und parallel a\u00df. Es seien nun d und 8 die entsprechenden Doppelbilder des Lichtpunktes, und es sei eine solche Stellung des Auges gefunden, hei der d von a gedeckt wird und 8 von y, d. h. wo die der Fernrohraxe parallele Linie de durch a. und 8c durch b geht Aus der Theorie der Parallellinien ergiehf .-ach run-\nd S : h\u00df = ay : y\u00df d S : a a \u2014 c b : a c\nDa nun aber die Entfernungen entsprechender Punkte der Doppelbilder gleiche \u25a0 !..\t- ,\ndS = aa = ft\u00df,\nfolglich auch\na y = y \u00df und cb \u2014 a c\nDie Punkte c und y. hinter welchen die Lichtpunkte d und 8 perspectivisch ersehne also die Mittelpunkte der Pupillen.\nEs ist nun leicht, durch passende Abmessungen zu ermitteln, welchen Winkel die Linie ed oder die Axe des Fernrohrs mit der Gesichtslinie des beobachteten Auges macht. Dann ist die Lage der Linie e d im Horizontalschnitt des Auges gegeben durch einen Punkt und den Winkel, den sie mit einer anderen Linie von bekannter Richtung, der Gesichtslinie, bildet. In dieser Linie e d liegt auch der Mittelpunkt der Pupille.\nNun braucht man nur noch eine zweite Beobachtung derselben Art zu machen, wobei man von einer anderen Richtung her in das beobachtete Auge sieht. Man bekommt dann eine zweite gerade Linie von bekannter Lage, in welcher der Mittelpunkt der Pupille liegt. Dieser muss also dort liegen, wo die beiden betreffenden Linien sich schneiden, und seine Entfernung von der Hornhaut kann dann durch Construction oder Rechnung leicht gefunden werden.\nEncvldop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\nhinter dem Mittelpunkte der\ne\tS-\nFig. 8.\n2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG I'ES AUGES.\n\u00a7. 3.\nDie Beobachtungsmethode war nun folgende: .4 (Fig. 9) ist das Auge, an welchem die Messung vorgenommen werden soll; es sieht durch die Hoffnung eines Schirms, um seine\nLage ann\u00e4hernd festzustellen. C\tIn einiger Entfernung von ihm\nbefindet sich eine horizontale Scale CD. Denkt man sich vom Auge A ein Loth auf die Scale gef\u00e4llt, so befindet sich an dessen Fusspunkte \u00df ein Schirm mit einer kleinen Oeff-nung, hinter der eine Lampen flamme steht, deren Licht durch die Oelfnung auf das Auge f\u00e4llt, und von der Hornhaut gespiegelt wird. Bei F befindet sich ein verschiebbares Zeichen, welches als Gesichtspunkt dient. Bei G, und G2 sind die Stellungen angedeutet, die man dem Ophthalmometer nach einander giebt. beide gleichweit von S entfernt. F\u00fcr die drei\nFiisse des Fernrohrs macht man Marken auf dem Tische, da die Stellung des Fernrohrs w\u00e4hrend des Versuchs gewechselt wird. Das'Auge .4 wird nun angewiesen, fortdauernd nach dem Zeichen F hinzusehen und allen Bewegungen desselben zu folgen. Der Beobachter, welcher zuerst von G, aus beobachten m\u00f6ge, dreht die Glasplatten des Ophthalmometers so weit, bis von den Doppelbildern des hellen P\u00fcnktchens auf der Hornhaut das eine mit dem einen Pupillar-rande zusammentrifft. Trifft dann das andere nicht gleichzeitig auf den anderen Rand, so verschiebt er das Zeichen F so lange an der Scale, bis dies der Fall ist, und merkt den Theil-stricli der Scale, wo F steht. Dasselbe Verfahren wird wiederholt bei der zweiten Stellung des Ophthalmometers in G2.\nDie L\u00e4nge AD ist in Scalentheilen zu messen; daraus ist der Winkel FAD zu finden.\nFD\n--- \u2014 lang.\nAB\tJ\nF A B.\nIst A H die grosse Axe des Hornhautellipsoides und der Winkel FA II schon bekannt, so ergiebt sich daraus BAU. welchen Winkel man braucht, um die Lage des Spiegelbildes der Hornbaut zu bestimmen. Eben so bestimmt man den Winkel C, ID, welcher die Richtung bestimmt, in welcher der Beobachter in das Auge gesehen hat. Der Mittelpunkt der scheinbaren Pupille ( d. h. wie diese durch die Hornhaut erscheint) liegt dann also in einer mit G, A parallelen Linie, welche durch den scheinbaren Ort des Hornhautbildchens gelegt ist.\nWie aus der scheinbaren Lage des Mittelpunktes der Pupille seine wirkliche Lage be rechnet werden kann, wird sich in \u00a7. 0 und 10 ergeben '.\nDie Resultate f\u00fcr die drei Augen, f\u00fcr deren Hornh\u00e4ute ich die Abmessungen mit dem Ophthalmometer bestimmt habe, waren folgende:\n\t\t0. II.\tB. P.\tJ. H.\nAbstand der Pupillarebene vom Scheitel der Hornhaut Abstand des Mittelpunktes der Pupille von der Hornhautaxe nach der Nasenseite\t\tt scheinbar j wirklich (scheinbar ) wirklich\t3,485 4,02 \u00ee 0,037 0,032\t3,042 3,597 0,389 0,333\t3,4 51 3,739 0,355 0,304\nHelmholtz in Graefe's Archiv f\u00fcr Ophthalmologie, ltd. t. Abth. 3. S. lit.","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"DIE NETZHAUT.\n19\n\u00a7\u25a0 *\u25a0\nDass die iris der Linse anliege und nacli vorn gew\u00f6lbt sei, ist von den Anatomen vielfach bestritten worden. Die \u00e4lteren Anatomen nahmen es an, bis namentlich Petit, auf Grund seiner Untersuchungen an gefrorenen Augen, das Gegentheil behauptete und zwischen Iris und Linse die sogenannte hintere Augenkammer annahm. In gefrorenen Augen findet man bald d\u00fcnne Eisbl\u00e4tter zwischen Iris und Linse, bald nicht. Der Meinung von Petit folgten fast alle sp\u00e4teren Anatomen, bis in der neuesten Zeit Stellwag von Carion und Cramer sich wieder f\u00fcr die enge Anlagerung der Iris an die Linse erkl\u00e4rten. Ich selbst fand es m\u00f6glich, in der obenbeschriebenen Weise directe Beobachtungen daf\u00fcr zu liefern, welche mir keinen Zweifel \u00fcbrig zu lassen scheinen. Neuerdings vertheidigt dagegen Budge wieder die Ansicht von Petit.\n1728. Pftit in Me'm. de l\u2019Acacl. Boy. des sciences. 1728. p. 206 u. 289.\n1850. Stellwag von Carion in Zeitschrift d. Wiener Aerzte. 1850. Heft 3. S. 125.\n1852.\tCramer in Tijdschrift der Nederl. Maatschappij tot bevord. der Geneeskunst 1852. Jan.\n1853.\tDerselbe. Het Accommodatievermogen der Oogen. Haarlem, bl. 61*.\n1855. J. Budge \u00fcber die Bewegung der Iris. Braunschweig. S. 5\u201410 (giebt auch die \u00e4ltere Literatur der Streitfrage).\nHelmholtz in v. Graefe\u2019s Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. Bd. I. Abth. 2. S. 30.\n\u00a7. 4. Die Netzhaut.\nDie Netzhaut (Retina) ist eine fl\u00e4chenf\u00f6rmige Ausbreitung von Nerven -masse, im Hintergr\u00fcnde des Auges zwischen Aderhaut und Glask\u00f6rper gelegen. Sie ist frisch ziemlich durchsichtig, an todten Augen weisslich tr\u00fcbe. Im Hintergr\u00fcnde des Auges ist sie am dicksten (0,22 Mm.); man bemerkt hier etwas nach der Nasenseite zu die weisse Eintrittsstelle des Sehnerven (d in Taf. 1. Fig. 1) und etwas nach der Schl\u00e4fenseite hin\u00fcber (bei p) einen gelben Fleck (Macula lutea Retinae), die Stelle des deutlichsten Sehens. Nach vorn zu wird die Netzhaut d\u00fcnner (am vorderen Rande 0,09 Mm.) und endet da, wo die Ciliarforts\u00e4tze beginnen, mit einem gezackten Rande (Oru serrata Retinae), wenigstens h\u00f6ren hier ihre nerv\u00f6sen Elemente auf. Sie ist an dieser Stelle eng verbunden mit der Aderhaut und Glashaut (der H\u00fclle des Glask\u00f6rpers), und die membran\u00f6sen Gebilde, welche hier ihre anatomische Fortsetzung bilden (Pars ciliaris Retinae und Zonula Zinnii), haben eine ganz andere Structur und physiologische Bedeutung.\nDie Netzhaut besteht theils aus den gew\u00f6hnlichen mikroskopischen Bestand-theilen des Nervensystems, Nervenfasern, Ganglienk\u00f6rpern, Kernen, theils aus eigenth\u00fcmlichen, den St\u00e4bchen (Bacilli) und Zapfen (Coni). Taf. I. Fig. 5 stellt einen Durchschnitt der Schichten der Retina vom Aequator des Auges nach K\u00f6lliker dar ; Fig. ^einzelne Elemente in ihrem Zusammenh\u00e4nge. Die Schichten sind folgende in der Reihenfolge von aussen nach innen :\n1) St\u00e4bchenschicht (Fig. S, 1), gebildet aus den St\u00e4bchen a und Zapfen b. Die ersteren sind Cylinder, 0,063 bis 0,081 Mm. lang und 0,0018 Mm, dick, von einer stark lichtbrechenden Substanz gebildet. Sie stehen palissaden-f\u00f6rmig neben einander gedr\u00e4ngt, sind am \u00e4usseren Ende quer abgestutzt, am inneren laufen sie in einen feinen Faden aus, der in die n\u00e4chste Schicht eintritt. Zwischen ihnen stehen die Zapfen (Fig. 4. b); diese sind dicker (0,0045 bis 0,0065 Mm.) und k\u00fcrzer als die St\u00e4bchen, aus \u00e4hnlicher Substanz gebildet; ihr \u00e4usseres Ende l\u00e4uft in ein gew\u00f6hnliches St\u00e4bchen aus (Zapfenst\u00e4bchen), am inneren Ende h\u00e4ngen sie mit einem bimf\u00f6rmigen, kernhaltigen K\u00f6rper c zusammen, der durch eine leichte Einschn\u00fcrung von ihnen getrennt ist, und schon\n2 *","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG DES AUGES.\n\u00a7. 4.\nin der folgenden Schicht liegt (Zapfenkorn nach K\u00f6lliker, Kern der Zapfen nach Vintschgau).\nDie Zapfen stehen zwischen den St\u00e4bchen zerstreut, an der Peripherie der Netzhaut sparsamer, nach dem gelben Fleck zu dichter. In diesem Flecke fehlen\ndie St\u00e4bchen ganz. In Fig. 10 zeigt A eine Fl\u00e4chenansicht der St\u00e4bchenschicht vom Aequa-tor des Auges, B vom Rande des gelben Flecks, C vom gelben Flecke. Die kleineren Kreise entsprechen den St\u00e4bchen, die gr\u00f6sseren den Zapfen, in ihnen sieht man den Querschnitt des Zapfenst\u00e4bchens. Wahrscheinlich ist diese Schicht diejenige, welche den Eindruck des Lichts wahrnimmt.\nDie darauf folgenden Schichten der Netzhaut :\n2) die \u00e4ussere K\u00f6rnerschicht (Fig. 3, 2)\n3} die Zwischenk\u00f6rnerschicht (Fig. 3, 3)\n4)\tdie innere K\u00f6rnerschicht (Fig. 3, i)\n5)\tdie feingranulirte Schicht (Fig. 3, 5)\nbestehen aus den feinen Fasern (Fig. 4. e), welche von den St\u00e4bchen und Zapfen ausgehen (radi\u00e4re Fasern, M\u00dcLLER\u2019sche Fasern), eingebettet in eine feink\u00f6rnige Substanz und mannigfach ver\u00e4stelt, Zwischen ihnen liegen die K\u00f6rner (Fig. 4. f \u00e4ussere, g innere K\u00f6rner), 0,004 bis 0.009 Mm. im Durchmesser, mit den M\u00dcLLER'schen Fasern verbunden.\n6)\tDie Nervenzellenschicht (Fig.3, 6), bestehend aus grossen, mit vielen Ausl\u00e4ufern versehenen Nervenzellen oder Ganglienk\u00f6rpern, von denen in Fig. 11 eine aus dem Auge des Elephantcn nach Corti abgebildet ist. Jede enth\u00e4lt einen Kern (Fig. 11. a). Die Ausl\u00e4ufer gehen zum Theil \u00fcber in Sehnervenfasern (Taf. I. Fig. 4 ), die Zelle, m eine Sehnervenfaser), zum Theil scheinen sie auch mit M\u00dcLLER'schen Fasern in Verbindung zu stehen. Diese Schicht ist im gelben Flecke am dicksten, sie enth\u00e4lt hier 8 bis 10 Zellen hinter einander; nach der Peripherie der Netzhaut hin wird sie d\u00fcnner, und die Zellen bilden hier keine zusammenh\u00e4ngende Lage mehr.\n7)\tDie Ausbreitung des Sehnerven. Die Sehnervenfasern verbreiten sich von der Eintrittsstelle des Nerven aus radial \u00fcber die\nganze Netzhaut, mit Ausnahme des gelben Flecks, den sie umgehen. In der Umgebung des Nervenstamms ist diese Faserschicht nat\u00fcrlich am st\u00e4rksten (0,2 Mm.), nach den Grenzen der Netzhaut hin wird sie d\u00fcnner (am Rande 0,004 Mm.). Die Fasern geh\u00f6ren zu den sehr feinen Nervenfasern, welche\nV\nV\nFig. 11.\nFig. 10.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"DIE NETZHAUT.\n21\n\u00a7\u2022 \u2019*\u25a0\nnach dem Tode gew\u00f6hnlich perlschnurartig auftreiben. Ihre Dicke ist sehr verschieden (0,0005 bis 0,0045 Mm.); \u00fcber ihre Endigungen weiss man noch nichts Bestimmtes. Einige verbinden sich mit den Ausl\u00e4ufern der Nervenzellen, wahrscheinlich ist das mit allen der Fall.\nZwischen den Nervenfasern dieser Schicht laufen auch noch die inneren Enden der M\u00dcLLER'schen Fasern hindurch, welche sich hier baumf\u00f6rmig ver\u00e4steln. Ihre letzten Enden heften sich an eine glashelle Membran, welche die Netzhaut von innen abschliesst, die Membrana limit ans.\nDer gelbe Fleck, f\u00fcr das Sehen der wichtigste Theil der ganzen Netzhaut, unterscheidet sich von den \u00fcbrigen Theilen durch seine gelbe Farbe, welche von einem alle Theile mit Ausnahme der St\u00e4bchenschicht durchdringenden Pigmente herr\u00fchrt. Ihm fehlt die Nervenfaserschicht, und in der St\u00e4bchenschicht finden sich nur Zapfen. In seiner Mitte befindet sich eine sehr durchsichtige vertiefte Stelle, die Netzhautgrube (Fovea centralis), welche leicht einreisst und daher zuweilen f\u00fcr eine Oeffnung gehalten wurde. Die Nervenzellenschicht ist am Umfang des gelben Flecks st\u00e4rker als in s\u00e4mmtlichen \u00fcbrigen Theilen der Netzhaut, in der Fovea centralis wird sie aber wieder d\u00fcnner, und enth\u00e4lt nur wenige Lagen von Zellen \u00fcber einander; die granul\u00f6se Schicht fehlt vielleicht in der Mitte ganz. Die innere K\u00f6rnerschicht und Zwischenk\u00f6rnerschicht nehmen gegen den gelben Fleck hin bedeutend zu, w\u00e4hrend die \u00e4ussere K\u00f6rnerschicht d\u00fcnner wird, ln der Netzhautgrube verd\u00fcnnt sich nach H. M\u00fcller auch die innere K\u00f6rnerschicht. Nach Remak und K\u00f6lliker fehlen in der Fovea centralis alle Schichten ausser den Nervenzellen und Zapfen. Zwischen letzteren und der Aderhaut soll nach Remak hier eine intensiv gelbe glashelle Substanz liegen.\nDie Verh\u00e4ltnisse des gelben Flecks sind trotz ihrer Wichtigkeit doch noch in vieler Beziehung nur unsicher bekannt, weil er bisher nur im menschlichen Auge gefunden worden ist, und die zarten Theile bald nach dem Tode zerreissen, so dass alle feineren Untersuchungen dieser Stelle an den Augen von Hingerichteten angestellt werden mussten, wozu nat\u00fcrlich nur selten Gelegenheit ist.\nAuch bei der Untersuchung mit dem Augenspiegel markirt sich die Netzhautgrube durch einen besonderen Lichtrefiex (s. \u00a7. 16). Sie enth\u00e4lt den Punkt des directen Sehens, d. h. auf ihr wird der Punkt des Gesichtsfeldes abgebildet, auf welchen wir den Blick richten.\nDie Gef\u00e4sse der Netzhaut treten in der Mitte des Sehnerven in das Auge (Arteria und Vena centralis Retinae) und ver\u00e4steln sich von da aus baumf\u00f6rmig nach allen Richtungen. Anfangs liegen sie nahe unter der Membrana limitans, in der Schicht der Sehnervenfasern, sp\u00e4ter dringen sie auch in die der Nervenzellen\nFig. 12.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG DES AUGES.\nund in die feingranulirte Schicht ein, und ver\u00e4steln sich in diesen beiden Schichten in ein weitmaschiges Capillargef\u00e4ssnetz. Die Lage und Form dieses Gef\u00e4ss-baums ist f\u00fcr gewisse optische Erscheinungen wichtig1 ; ich gebe deshalb in Fig. 12 eine Abbildung desselben, welche von Donders nach einem Injections-pr\u00e4par\u00e4te gefertigt worden ist. Die Arterien sind hell, die Venen dunkel. In den gelben Fleck treten keine st\u00e4rkeren Gef\u00e4sse, in die Netzhautgrube auch keine Capillargef\u00e4sse ein. Die letztere ist von einem Kranz von Endschlingen capillarer Gef\u00e4sse umgeben.\nAn dem vorderen Rande (Ora serrata) geht die Netzhaut in eine Lage von Zellen \u00fcber (Pars ciliaris Retinae), welche zugleich mit der sich ebenfalls fortsetzenden Membrana limitans die Ciliarforts\u00e4tze und die hintere Fl\u00e4che der Iris, wo sie in Pigmentzellen \u00fcberzugelien scheinen, \u00fcberziehen, und diesen Theilen fest anhaften.\nDa die Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse der Netzhaut und ihrer Elemente fiir sein- viele optische Erscheinungen von grosser Wichtigkeit sind, gebe ich hier eine Zusammenstellung darauf bez\u00fcglicher Messungen verschiedener Beobachter, auf Millimeter reducirt. Ich bezeichne die Messungen von C. Krause mit Kr., von E. H. Weber mit IC., von Br\u00fccke mit B.. von K\u00f6lliker mit Ko., von Vintschgau mit 1'.\nDurchmesser der Eintrittsstelle des Sehnerven Kr. 2,7 und 2.14.\t\\V. 2,00 und 1,71.\nDurchmesser des Gefdssstrangs darin W. 0,704 und 0,63.\nEntfernung der Mitte des Sehnerven von der Mitte des gelben Flecks II. 3.8. Kr. 3,28 und 3,6. Vom inneren Ende des gelben Flecks Ko. 2,25 bis 2,7.\nHorizontaler Durchmesser des gelben Flecks Kr. 2,25. W. 0,76. Ko. 3,24.\nVerticaler desgl. Ko. 0,81.\nDurchmesser der Netzhautgrube Ko. 0.18 bis 0,223.\nEntfernung der Ora serrata vom Rande der Iris an der Nasenseite B. 6, an der Schl\u00e4fenseite 7.\nDicke der Netzhaut am Umfang des Sehnerven Ko. 0,22.\nDesgl. an der hinteren Seite des Augapfels Kr. 0,164. Ko. 0,133.\nDesgl. am Aequator Kr. 0,084.\nDesgl. am vorderen Rande Ko. 0.09.\nDicke der Schichten im gelben Flecke. Ko. : Nervenzellen 0.101 bis 0,117: feink\u00f6rnige Schicht 0,045; innere K\u00f6rnerschicht 0,058 ; Zwischenk\u00f6rnerschicht 0,086 ; \u00e4ussere K\u00f6rnerschicht 0,058; Zapfen 0,067.\nDurchmesser der Nervenzellen B. 0.01 bis 0,02. Ko. 0,009 bis 0,036. in der Regel zwischen 0,013 und 0,022.\nDurchmesser der K\u00f6rner B. 0.006 bis 0,008. Ko. 0,004 bis 0,009. Der Zapfenkern V. 0,0068.\nDurchmesser der St\u00e4bchen B. und Ko. 0,0018. V. 0,0010.\nL\u00e4nge der St\u00e4bchen B. 0,027 bis 0,030. Ko. 0,063 bis 0,081.\nDurchmesser der Zapfen Ko. 0,0045 bis 0,0067. V. 0,0034 bis 0,0068. Im gelben Flecke Ko. 0,0045 bis 0,0054.\nL\u00e4nge der Zapfen V. 0,015 bis 0,020.\nDie neueren Hauptwerke \u00fcber Structur der Netzhaut sind :\n1845. F. Pacini in Kuovi Annali dette scienze nat. di Bologna. I845.\n1851.\tH. M\u00fcller in Siebold und K\u00f6lliker\u2019s Zeitschrift fiir wiss. Zoologie. 1831 S. 234. \u2014 Verhandl. der W\u00fcrzburger med. Ges. 1852. S. 216. Ibid. III. 330 und IV. 96.\n1850. Corti in J. M\u00fcller\u2019s Archiv. 274. \u2014 Zeitschr. fiir wissensch. Zoologie. V, \u2014 .1. Henle in Zeitschr. fiir ration. Medicin. N. F. II. 304 u. 309.\n1852.\tA. K\u00f6lliker Verhandl. der W\u00fcrzburger med. Ges. in. S. 316*.\nS. unten \u00a7. 13.","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"DIF, KRYSTALLINSE.\n23\n\u00a7\u2022 5.\n1853.\tA. K\u00f6lliker u. H. M\u00fcller C. R. de VAcad. d. Sc. 1853. Septb. 23. \u2014 \u2018Von denselben die Retinatafel in Ecker leones physiologicae *.\nR. Remak in C. It. de VAcad. d. Sc. 1853. Oct. 31. und Allg. med. Centralz. 1855. Nr. 1*. Prager Vierteljahrsschr. XLI1I. S. 103.\n*M. di Vintschgau in Sitzber. d. Wiener Akad. XI. 943*.\n1854.\t* A. K\u00f6lliker Mikroskopische Anatomie. Leipzig 1854. H. 648 \u2014 703*.\nEinige Messungen sind entnommen aus :\nC. Krause Handbuch der menschlichen Anatomie. Hannover 1842. I. 2. S. 535*.\nE. Br\u00fcche Anat. Besclir. d. menschl. Augapfels. Berlin 1847. S. 23.\nE. H. Weber in Sitzber. d. Sachs. Ges. d. Wiss. 1852. S. 149\u2014152.\n\u00a7. 5. Die Krystallinse.\nDie Krystallinse ist ein durchsichtiger, farbloser, biconvexer K\u00f6rper, dessen vordere Fl\u00e4che weniger gew\u00f6lbt ist als die hintere. Sie wird umschlossen von einer structurlosen glashellen Membran (Linsenkapsel), welche in allen Eigenschaften der DESCEMET\u2019schen Membran entspricht; auch tr\u00e4gt sie, wie diese, vorn, wo sie von der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit besp\u00fclt wird, nach Br\u00fccke ein Epithelium, welches Henle und K\u00f6lliker dagegen l\u00e4ugnen. Ihre hintere H\u00e4lfte ist mit der Glashaut verwachsen. Die Substanz der Linse ist in den \u00e4usseren Schichten von gallertartiger Consistenz, in der Mitte oder dem Kerne der Linse dagegen consistent\u00ab\u2019. Das Ganze bildet in frischem Zustande einen elastischen K\u00f6rper, der jeder \u00e4usseren Gewalt zwar leicht nachgiebt, aber auch schnell und vollkommen seine fr\u00fchere Form wieder annimmt.\nDie Substanz der Linse ist doppeltbrechend. Wenn man sie zwischen zwei gekreuzten NicoL'schen Prismen betrachtet, sieht man das schwarze Kreuz mit farbigen Ringen, welches senkrecht zur optischen Axe geschnittene einaxige Krystalle zeigen.\nDie Masse der Linse besteht aus einem eigenth\u00fcmliclien Proteink\u00f6rper, dem Globulin oder Krystallin. Ihre mikroskopischen Elementartheile sind Fasern von sechsseitigem Querschnitt, 0,0056 bis 0,0112 Mm. breit, 0,02 bis 0,0038 Mm. dick, im Kerne fester und schmaler als in den \u00e4usseren Schichten. Ihre breitere Fl\u00e4che liegt der Oberfl\u00e4che der Linse parallel, daher die Linse auch leicht in dieser Richtung in zwiebelartig \u00fcber einander liegende Schichten spaltet. Fig. 15 zeigt die Querschnitte der Fasern in ihrer Zusammenlagerung, Fig. 14 zeigt die Richtung der Schichten in einem Durchschnitte der Linse. Die Fasern haben im Allgemeinen in jeder einzelnen Schicht die Richtung von der Axe der Linse nach ihrer Peripherie hin. Nur in den der Axe n\u00e4heren Theilen bilden sie, indem sie umbiegen, eigenth\u00fcmliche sternf\u00f6rmige Figuren, wie eine solche aus den \u00e4usseren Linsenschichten in Fig. 15 abgebildet ist, In den Kernschichten hat der Stern nur drei Strahlen, welche mit einander Winkel von 120\u00b0 machen. Die Sterne der hinteren und vorderen Fl\u00e4che sind um 60\u00b0 gegen einander gedreht.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG DES AUGES.\n\u00a7\u2022 \u00f6.\nIn (len \u00e4usseren Schichten spalten sich dagegen die drei Hauptstrahlen der Sterne vielfach in Nebenstrahlen, so dass viel verwickeltere und unregelm\u00e4ssigere Figuren entstehen.\nDicht unter der Kapsel liegt statt der Fasern eine Zellenschicht, welche nach dem Tode zerfliesst und dann den Liquor Morgagnii bildet. Aehnliche Zellen verbinden nach Br\u00fccke auch die Faserenden in den Strahlen der Sterne wenigstens in den \u00e4usseren Schichten, w\u00e4hrend Bowman und K\u00f6lliker hier eine strueturlose Substanz annehmen. Letzterer erkl\u00e4rt auch die zellen\u00e4hnlichen Gebilde an der hinteren Linsenfl\u00e4che fiir geschwollene und sich gegenseitig abplattende Enden der Linsenfasern, welche sich hier an die Kapsel hefteten. In jeder H\u00e4lfte der Linse existiren also drei durch die Axe gehende Ebenen, die den Hauptstrahlen der Sterne entsprechen (central planes, bowman), in denen die Structur der Linse abweichend ist; in den oberfl\u00e4chlichen Schichten theilen sich diese Fl\u00e4chen noch weiter. Es h\u00e4ngen damit wahrscheinlich gewisse Unregelm\u00e4ssigkeiten in der Brechung der Lichtstrahlen zusammen.\nUeber den Faserverlauf in der Linse sind wir noch keineswegs im Klaren. Thomas 1 hat eigenth\u00fcmliche Figuren beschrieben, welche die Faserenden auf Durchschnittsfl\u00e4chen getrockneter Linsen bilden, und welche meist aus zwei Systemen concentrischer Kreise bestehen. Diese lassen sich aus dem, was bisher \u00fcber den Faserverlauf der Linse bekannt ist, noch nicht erkl\u00e4ren.\nKrause erkl\u00e4rt in Folge seiner Messungen an der Linse ihre Vorderfl\u00e4che f\u00fcr ein St\u00fcck eines abgeplatteten Rotationsellipsoides, die hintere fiir ein Rotationsparaboloid. Er giebt folgende Werthe der einzelnen Constanten f\u00fcr die acht in \u00a7. 2 erw\u00e4hnten Augen in Pariser Linien :\n\t\tAxe\t\tV\torderfl\u00e4che.\t\tHinterfl\u00e4che.\t\t\nNr.\tder gan-\tder\tder\tHalbe Axe der\t\tEntfer-\t\tEntfer-\tDurch-\n\tzen\tvorderen\thinteren\tEllipse.\t\tnung von der Hornhaut.\tPara-\tnung von\tmesser.\n\tLinse.\tH\u00e4lfte.\tH\u00e4lfte.\tgrosse\tkleine\t\tmeter.\tder Netzhaut.\t\nI.\t2\t0,85\t1,15\t2,05\t0,95\t1,2\t4,49\t6.05\t4,1\nII.\t1,9\t0,78\t1,1\t2\t0.91\t1,35\t4.99\t6.8\t4\n(III.\t2,4\t0,98\t1,42\t2\t1,14\t1,25\t4,99\t6,1\t4,1\njiv.\t2,2\t0,95\t1,25\t2,05\t1,10\t1,35\t4.51\t5,9\t4,1\ni V.\t1,85\t0,65\t1,2\t2,03\t0,83\t1.25\t4,83\t6,4\t4\n/VI.\t2,35\t0,8\t1,55\t1,95\t0,98\t1,2\t4,53\t6,0\t4,1\n) VIII.\t1,8\t0,78\t1,02\t2,03\t0,95\t1\t4,09\t6,65\t4\n1 VII.\t1,85\t0,85\t1\t2\t0,94\t1\t3,79\t6,55\t4\nIch habe Krause\u2019s Angaben \u00fcber die Entfernung der Linsenfl\u00e4chen von der Hornhaut und Netzhaut hier mit angegeben, habe aber schon fr\u00fcher bemerkt, dass ich ihre Richtigkeit fiir\n1 Tr\u00e4ger medic. Vierteljahrsschr. 18tj4. Bd. I. Ausserord. Beilage S. 1.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"W\u00c4SSRIGE FEUCHTIGKEIT UND GLASK\u00d6RPER.\n25\n\u00a7\u25a0 6.\nsehr zweifelhaft halte. Auch in Beziehung auf die Dicke der Linse stimmen meine an lebenden Augen angestellten Messungen nicht mit denen an todten Linsen. Da die Dicke der Linse \u00fcbrigens beim Sehen in die N\u00e4he und Ferne sich ver\u00e4ndert, werde ich meine darauf bez\u00fcglichen Untersuchungen erst bei der Lehre von der Accommodation \u00a7. 12 auseinandersetzen.\nUeber den Bau der Linse :\n1845.\tA. Hannover in J. Muller\u2019s Archiv. 1848. S. 478*.\n1846.\tHarting in van de Hoeven en de Vriese Tijdschrift XII. S. 1.\n1847.\t*E. Br\u00fccke Beschr. d. menschl. Augapfels. Berlin. S. 27 \u2014 30*.\n1849. W. Bowman Lectures on the parts concerned in the oper. on the eye. London.\n1881.\tH. Meyer in J. Muller\u2019s Archiv 1851. 202*.\n1882.\tGros in C. R. de t\u2019Acad. d. Sciences\u25a0\t1852. Avril.\n1854. *A. K\u00f6lliker Mikroskopische Anatomie. Leipzig. II. 703 \u2014 713*.\nThomas in Prager medic. Vierteljahrsschrift. 1854. Bd. I. Ausserord. Beil. S. I*.\n\u00a7. 6. W\u00e4ssrige Feuchtigkeit und Glask\u00f6rper.\nDie w\u00e4ssrige Feuchtigkeit (Humor aqueus) f\u00fcllt den Raum zwischen der Hornhaut, Iris und Linse aus. Den Raum, welcher zwischen der hinteren Fl\u00e4che der Hornhaut, der vorderen Fl\u00e4che der Iris und der Pupillarebene liegt, nennt man die vordere Augenkammer. Den Raum dagegen, den man zwischen der Pupillarebene, der hinteren Fl\u00e4che der Iris und der vorderen Fl\u00e4che der Linse vorhanden glaubte, nannte man hintere Augenkammer; indessen ist dies in der That im normalen Zustande nur eine capillare Spalte, indem die hintere Fl\u00e4che der Iris der vorderen der Linse dicht anliegt. Nur bei starker k\u00fcnstlicher Erweiterung der Pupille durch Relladonna scheint sich die Iris von der Linse zu entfernen.\nDie w\u00e4ssrige Feuchtigkeit f\u00fcllt also die vordere Augenkammer. Sic ist klar, farblos und besteht aus Wasser, welches etwa 2 Proe. fester Stoffe, n\u00e4mlich Kochsalz und Extractivstoffe, enth\u00e4lt. Sein Rrechungsverh\u00e4ltniss ist kaum von dem des Wassers unterschieden.\nDer Raum des Augapfels, welcher zwischen der Linse und der Netzhaut liegt, ist vom Glask\u00f6rper (Corpus vitreum, Humor vitreus) ausgef\u00fcllt, welcher von der Glashaut (Membrana hyaloidea) umschlossen wird. Der Glask\u00f6rper bildet eine gallertartige Masse von wenig Zusammenhang. Wenn man ihn zerschneidet, tropft eine d\u00fcnne, nicht Faden ziehende Fl\u00fcssigkeit aus. Diese reagirt. alkalisch, und enth\u00e4lt 1,69 bis 1,98 Proc, feste Theile, von denen die H\u00e4lfte aus unorganischen Stollen (Kochsalz, wenig kohlensaures Natron,- Spuren von Kalk, Schwefels\u00e4ure und Phosphors\u00e4ure) besteht, Der organische Theil des Inhalts scheint haupts\u00e4chlich Schleimstoff zu sein, und enth\u00e4lt Spuren einer Proteinverbindung. Auch das Rrechungsverh\u00e4ltniss des Glask\u00f6rpers unterscheidet sich kaum von dem des Wassers, ist aber etwas h\u00f6her als das der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit.\nGei Embryonen hat der Glask\u00f6rper einen zelligen Bau, sp\u00e4ter aber findet man von den Zellen nur einzelne Reste, Membranen, K\u00f6rnerchen, k\u00f6rnige Massen, welche sich darin, wenn auch nicht ganz frei, bewegen. Seine Consistenz verdankt der Glask\u00f6rper wahrscheinlich einer geringen Menge einer stark aufgequollenen organischen Substanz (Schleimstoff oder Faserstoff). Geringe Mengen Faserstoff, welche sich aus hydropischen Fl\u00fcssigkeiten abscheiden, geben oft \u00e4hnliche leicht bewegliche Gallerten, aus denen die Fl\u00fcssigkeit ausl\u00e4uft, wenn man","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"ANATOMISCHE BESCHREIBUNG DES AUGES.\n26\n\u00a7. 6.\nden Zusammenhang des Gerinnsels mechanisch zerst\u00f6rt. L\u00e4sst man den Glask\u00f6rper in Reagentien, welche den Schleimstoff niederschlagen, z. B. in L\u00f6sungen von essigsaurem Bleioxyd oder Chroms\u00e4ure erh\u00e4rten, so findet man auf Durchschnitten zuweilen regelm\u00e4ssige Streifungen, von denen es aber noch h\u00f6chst zweifelhaft ist, ob sie Membranen entsprechen, welche sich durch den Glask\u00f6rper hinziehen.\nHannover nimmt auf Grund dieser Streifungen an, dass im menschlichen Glask\u00f6rper ebene Membranen Vorkommen, und sich alle in einer Linie schneiden, die von der Eintrittsstelle des Sehnerven nach der hinteren Fl\u00e4che der Linse hin\u00fcbergeht, und dass die Membranen sich von dieser Linie nach dem \u00e4usseren Umfang des Glask\u00f6rpers hin\u00fcberziehen und dort ansetzen, so dass der Bau des Glask\u00f6rpers \u00e4hnlich dem einer Apfelsine sein w\u00fcrde.\nBei den entoptisehen Erscheinungen werde ich die Schl\u00fcsse besprechen, welche man daraus auf die Structur des Glask\u00f6rpers machen kann.\nDie Glashaut ist eine sehr feine, glashelle, structurlose Membran, welche im hinteren Theile des Auges der Membrana limitons der Netzhaut anliegt, und ihr im Leben \u00fcberall 1, nach dem Tode nur an der Eintrittsstelle des Sehnerven und an der Ora serrata fest anhaftet. Von der Ora serrata setzt sie sich, d\u00fcnner geworden, fort bis zur hinteren Fl\u00e4che der Linsenkapsel, mit der sie verschmilzt ( Taf. 1. Fig. I. k), w\u00e4hrend sich zwischen sie und den Ciliartheil der Netzhaut noch eine andere Membran einschiebt, die Zonula Zinnii (Ligamentum Suspensorium lentis), welche von manchen Anatomen als ein vorderes Blatt der Glashaut bezeichnet wird.\nDie Zonula ist wie eine Halskrause gefaltet, so dass sie der Oberfl\u00e4che der Ciliarforts\u00e4tze folgt, Der vordere oder \u00e4ussere Rand ihrer Falten liegt fest mit der Membrana limitons verbunden in der Tiefe zwischen den Falten der Ciliarforts\u00e4tze , der hintere oder innere Rand ihrer Falten, welcher den Gipfeln der\nCiliarforts\u00e4tze entspricht, n\u00e4hert sich der Glashaut. In Taf. I. Fig. I ist die Zonula durch die Linie e bezeichnet. Rechts f\u00e4llt sie zwischen zwei Ciliarforts\u00e4tze, links zieht sie \u00fcber den Gipfel eines solchen Fortsatzes hin. In dieser Weise gelangt sie zum Rande der Linse, und setzt sich in einer gewellten Linie an deren Kapsel fest. In Fig. 16 ist ein Quadrant der Linse, projicirt auf eine durch die Axe \u00ab b der Linse gelegte Ebene, dargestellt. Die Ansatzlinie der Glashaut ist mit c d bezeichnet. Davor sieht man die gezackte Ansatzlinie der Zonula.\nDer spaltenf\u00f6rmige Raum zwischen der Zonula und Glashaut wird Can a lis Petiti genannt. Wenn man ihn aufbl\u00e4st, nachdem man die Zonula von vorn frei gelegt hat, treten die eingest\u00fclpten Falten der Zonula gew\u00f6lbt heraus, und das Ganze bekommt das Ansehn einer jonischen Eierleiste ; daher nannte ihn sein Entdecker Petit auch Canal godronn\u00e9. Bei st\u00e4rkerem Blasen zerreissen die\nVINTSCHGAU in Sitzber. d. Wiener Akad. XI. 943. u. Burow in l M\u00fcller's Archiv. 1840.","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"UMGEBUNG DES AUGES.\n27\n\u00a7\u2022 7.\nhervorgest\u00fclpten Theile der Membran, und es bleiben nur die vorderen Faltenr\u00e4nder wegen ihrer gr\u00f6sseren Festigkeit als Str\u00e4nge stehen, welche die Linse an den Glask\u00f6rper anheften. Diese vorderen Faltenr\u00e4nder sind \u00fcbrigens fest verbunden mit dem Ciliartheile der Netzhaut, der in der Tiefe zwischen den Ciliarforts\u00e4tzen hinzieht, und letzterer haftet wieder der Pigmentschicht fest an. Hier finden sich auch Faserz\u00fcge vor, welche nach Br\u00fccke aus den Fasern herstammen, zwischen welche die Nervenzellen der Netzhaut eingebettet sind. Diese dr\u00e4ngen sich in der Or a serrata an den Stellen zusammen, die den Zwischenr\u00e4umen je zweier Ciliarforts\u00e4tze entsprechen, und ziehen im Grunde dieser Zwischenr\u00e4ume nach vorn. Die Zonula selbst erkl\u00e4rt Br\u00fccke f\u00fcr eine structur-lose Membran, w\u00e4hrend Hence und K\u00f6lliker sie selbst f\u00fcr faserig erkl\u00e4ren. Gegen Reagentien sind die Zonula und ihre Fasern so resistent wie elastisches Gewebe.\nDie Zonula sichert die Stellung der Linse, indem sie diese an den Ciliark\u00f6rper heftet, und kann auch, wenn sie gespannt ist, auf den Aequatorialrand der Linse einen Zug ausiiben, welcher die Aequatorialdurclnnesser der Linse verl\u00e4ngert, ihre Dicke in der Axe verringert, und ihre Fl\u00e4chen abplattet.\nGeber den Bau des Glask\u00f6rpers :\nPappenheim Specielle Gewebelehre des Auges. 1842. S. 181.\nE. Br\u00fccke in J. M\u00fcller\u2019s Archiv. 1813. S. 343 u. 1843. S. 130.\nHannover ebendas. 1845. S. 467 und in: Das Auge. Leipzig 1832.\nBowman in Dublin Quarterly Journal of Med. Science. 1848. Aug. ; auch in Lectures on the Parts cone, in the oper. on the eye. London 1849. p. 94.\n*E. Br\u00fccke Beschr. d. menschl. Augapfels. Berlin 1847.\nVirchow in Verhandl. d. W\u00fcrzburger phys. med. Ges. II. 1831. 317 und in Archiv f\u00fcr pathol. Anat. IV. 468 u. V. 278.\n\u2018K\u00f6lliker Mikrosk. Anatomie II. 713.\nDonders en Jansen in Nederlandsch Lancet 1846. II. 434.\n* A. Doncan De corporis vitrei structura. Dissert. Utrecht 1854. Abgedr. in Onderzoekingen ged. in het physiol. Laborat. der Utrechtsche Iloogeschool. Jaar VI. S. 172.\n\u00a7. 7. Umgebung des Auges.\nDer Augapfel liegt, in lockeres Fettzellgewebe eingebettet, in der kn\u00f6chernen Augenh\u00f6hle {Orbita). Diese hat eine nahehin kegelf\u00f6rmige Gestalt, Die Grundfl\u00e4che des Kegels ist die vordere Oeffnung der Orbita in der Gesichtsfl\u00e4che, die Spitze des Kegels liegt nach hinten und etwas nach einw\u00e4rts. In Fig. 17 ist die Lage der Augen in den beiden Augenh\u00f6hlen dargestellt. Aus der hinteren Seite des Augapfels rechts sieht man den Sehnerven n hervortreten, welcher durch ein in der Spitze der Augenh\u00f6hle gelegenes Loch o (Foramen opticum) in die Sch\u00e4delh\u00f6hle eintritt, um sich hier bei m im Chiasma nervorum opticorim mit dem der anderen Seite zu vereinigen und zu kreuzen. Die Fortsetzungen der Sehnerven vom Chiasma bis zum Gehirn nennt man die Tr actus optici. Die Fasern eines jeden Tractus opticus gehen theils in den Sehnerven derselben, theils in den der entgegengesetzten Seite \u00fcber, ein kleiner Theil auch durch den Tractus opticus der anderen Seite nach dem Gehirne zur\u00fcck. Auch haben einige Beobachter Fasern gefunden, welche von dem einen Sehnerven durch das Chiasma in den anderen \u00fcbergehen.","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nANATOMISCHE BESCHREIBUNG BES AUGES.\nIn der Augenh\u00f6hle liegen ferner sechs zur Bewegung des Augapfels bestimmte Muskeln, n\u00e4mlich\n1)\tder innere gerade i und\n2)\tder \u00e4ussere gerade a, Beide entspringen am Umfange des Foramen oplicum in der Spitze der Augenh\u00f6hle, und setzen sich an die innere und \u00e4ussere Seite des Augapfels. Sie drehen ihn um seine verticale Axe.\nFig. 17.\n3)\tDer obere gerade in Fig. 17 rechts weggenommen, um den Sehnerven zu zeigen, links mit s bezeichnet, und\n4)\tder untere gerade, welcher ebenso auf der unteren Seite der Orbita liegt, wie der obere hier auf der oberen sichtbar ist. Sie entspringen ebenfalls vom Umfange des Foramen optician und heften sich an die obere und untere Seite des Augapfels. Sie drehen ihn um eine horizontale Axe, welche von der Nasenseite und etwas nach vorn her\u00fcbergeht nach der Schl\u00e4fenseite und etwas nach hinten, und in Fig. 17 mit DD bezeichnet ist. Diese Axe bildet einen Winkel von etwa 70\u00b0 mit der Axe des Auges A.\n5)\tDer obere schiefe Muskel t entspringt vom Rande des Foramen optician, l\u00e4uft an der inneren oberen Seite der Augenh\u00f6hle nach vorn, seine Sehne geht durch eine kleine Schleife u (trochlea), die am oberen vorderen Rande der Augenh\u00f6hle befestigt ist, biegt hier um und heftet sich an die obere Seite des Augapfels, bei C. Der Muskel \u00fcbt einen Zug in Richtung seiner Sehne aus.\n6)\tDer untere schiefe Muskel, in der Figur nicht sichtbar, entspringt vom inneren vorderen Umfange der Augenh\u00f6hle, l\u00e4uft unter dem Augapfel nach der Schl\u00e4fenseite her\u00fcber und befestigt sich am \u00e4usseren hinteren Umfange des","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"AUGENH\u00d6HLE.\n29\n\u00a7\u2022 7-\nAugapfels bei v Fig. 17. Die Drehungsaxe B B f\u00fcr die schiefen Augenmuskeln l\u00e4uft ebenfalls horizontal von aussen und vorn nach innen und hinten, und macht mit der Drehungsaxe des oberen und unteren geraden Muskels einen Winkel von etwa 75, mit der Axe des Auges einen von 35\u00b0.\nDurch verschiedenartig combinirte Wirkung dieser sechs Muskeln kann die Augenaxe nach jeder beliebigen Richtung gewendet , und auch der Augapfel um die Augenaxe gedreht werden. Wenn wir hier f\u00fcr je zwei Muskeln eines Paares eine gemeinschaftliche Drehungsaxe angenommen haben, so scheint diese Annahme wenigstens vorl\u00e4ufig als erste Ann\u00e4herung erlaubt zu sein, und vereinfacht die Uebersicht der Bewegungen, welche die Augenmuskeln auszuf\u00fchren haben, ungemein.\nNach vorn ist der Augapfel gesch\u00fctzt durch zwei Deckplatten, die Augenlider (Palpebrae). Jedes von ihnen schliesst ein Knorpelpl\u00e4ttchen ein, welches auf der \u00e4usseren Seite von der \u00e4usseren Haut \u00fcberzogen ist, auf der inneren von einer Schleimhaut, die von dort auf den Augapfel \u00fcbergeht, Bindehaut des Auges (Conjunctiva). Sie ist an die weisse Sehnenhaut des Augapfels locker angeheftet, nur am Rande der Hornhaut verschmilzt sie fast mit ihr. Die Oberfl\u00e4che der Bindehaut und die vordere Fl\u00e4che der Hornhaut werden von drei verschiedenen Secreten fortdauernd befeuchtet. Diese sind 1) das Secret der MEiBOM\u2019schen Dr\u00fcsen, welche an der inneren Fl\u00e4che der Augenlider unter der Bindehaut liegen. Ihre Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge \u00f6ffnen sich l\u00e4ngs der hinteren Kante der Augenlidr\u00e4nder. Dieses fettige Secret haftet meistens wohl nur an den R\u00e4ndern der Lider, und verhindert das Ueberfliessen der w\u00e4ssrigen Thr\u00e4nen; es kann sich aber auch in \u00f6ligen Tropfen \u00fcber die Hornhaut verbreiten, namentlich bei starken Bewegungen der Lider. 2) Der Schleim der Schleimdriischen der Bindehaut, welche am zahlreichsten am Rande der Falten zwischen den Lidern und dem Augapfel sich vorfinden. 3) Die Thr\u00e4nenfl\u00fcssigkeit, abgesondert von den Thr\u00e4nendr\u00fcsen, von denen je zwei auf jeder Seite im oberen \u00e4usseren Theile der Augenh\u00f6hle liegen. Sie ergiessen ihr w\u00e4ssriges Secret, welches nur etwa 1 Proc. feste Substanzen enth\u00e4lt, durch 7 bis 10 feine Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge oberhalb des \u00e4usseren Augenwinkels zwischen das obere Lid und den Augapfel. Von hier verbreitet es sich \u00fcber die ganze Fl\u00e4che der Conjunctiva, und wird am inneren Augenwinkel durch zwei feine Oeffnungen, die Thr\u00e4nenpunkte, aufgenommen, die M\u00fcndungen der beiden Thr\u00e4nenkan\u00e4lchen, welche es in einen weiteren Kanal, Ductus nasolacrymalis, und endlich in die Nase f\u00fchren.\nDie Bindehaut des Auges ist ausserordentlich empfindlich. Jede leiseste Ber\u00fchrung eines fremden K\u00f6rpers erregt Schmerz und eine unwillk\u00fchrliche Bewegung der Augenlider, das Blinzeln. Dadurch und durch die fortdauernd \u00fcber die Bindehaut hinsickernde Thr\u00e4nenfeuehtigkeit wird die vordere Fl\u00e4che der Hornhaut stets rein und gl\u00e4nzend erhalten, was ein nothwendiges Erforderniss f\u00fcr ein deutliches Sehen ist. Gr\u00f6ssere in der Luft schwebende Staubtheilchen, Insekten u. s. w. werden ausserdem durch die Wimpern abgefangen.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nPHYSIOLOGISCHE OPTIK.\n\u00a7. 8.\nPhysiologische Optik.\n\u00a7. 8. Eintheilung des Gegenstandes.\nDie physiologische Optik ist die Lehre von den Wahrnehmungen durch den Gesichtssinn. Wir sehen die Objecte der Aussenwelt durch Vermittelung des Lichts, welches von ihnen her in unser Auge f\u00e4llt, Dies Licht trifft die Netzhaut, einen empfmdungsf\u00e4higen Theil unseres Nervensystems, und regt in ihr Empfindungen an. Die Empfindungen, durch den Sehnerven dem Gehirne zugeleitet, werden die Veranlassung, dass unser Bewusstsein die Vorstellung von gewissen im Raume vertheilten Gegenst\u00e4nden fasst.\nDemgem\u00e4ss zerf\u00e4llt die Lehre von den Gesichtswahrnehmungen in drei Abschnitte :\n1)\tDie Lehre von den Wegen des Lichts im Auge. Da wir darin haupts\u00e4chlich mit Brechungen der Lichtstrahlen und nur ausnahmsweise mit spiegelnder oder diffuser Reflexion zu thun haben, k\u00f6nnen wir diesen Theil auch die Dioptrik des Auges nennen.\n2)\tDie Lehre von den Empfindungen des Sehnervenapparats, in welcher die Empfindungen behandelt werden, ohne Bezug zu nehmen auf die M\u00f6glichkeit, \u00e4ussere Objecte durch sie zu erkennen.\n3)\tDie Lehre von dem Verst\u00e4ndnisse der Gesichtsempfindungen, welche von den Vorstellungen handelt, die wir auf Grund der Gesichtsempfindungen \u00fcber die Objecte der Aussenwelt uns bilden.\nDie physiologische Optik unterscheidet sich also von der physikalischen Optik dadurch, dass erstere die Eigenschaften und Gesetze des Lichts nur in so fern behandelt , als sie zu den Gesichtswahrnehmungen in Beziehung stehen, w\u00e4hrend die physikalische Optik die Eigenschaften und Gesetze des Lichts untersucht, welche ihm unabh\u00e4ngig vom menschlichen Auge zukommen. Wenn die letztere auf das Auge R\u00fccksicht nimmt, so benutzt sie es nur als experimentelles H\u00fclfsmittel, als das bequemste Reagens, um das Dasein und die Verbreitung des Lichts zu erkennen und Licht verschiedener Art zu unterscheiden.\nF\u00fcr diejenigen meiner Leser, welchen die Resultate der physikalischen Optik nicht vollst\u00e4ndig gel\u00e4ufig sind, schalte ich hier einen kurzen Abriss der wesentlichen Eigenth\u00fcmlichkeiten des Lichts ein, welche f\u00fcr die physiologische Optik von Wichtigkeit sind, und gebe die Definitionen der physikalischen Begriffe, mit denen wir in der Folge zu thun haben werden.\nDas Licht wird von der Mehrzahl der Physiker als eine eigent\u00fcmliche Bewegungsform eines hypothetischen Mediums, des Licht\u00e4thers, angesehen, und wir wollen uns dieser Ansicht, der Undulationstheorie, die sehr vollst\u00e4ndig von allen Erscheinungen Rechenschaft giebt, anschliessen.\nDie Art der Bewegung der Aetherthcilchen l\u00e4ngs eines Lichtstrahls, welche die Undulationstheorie ihren Folgerungen zu Grunde legt, versinnlicht man sich am leichtesten, wenn man einen nassen Faden oder eine feine Kette A B","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"DIE EIGENSCHAFTEN DES LICHTS.\n31\n\u00a7\u2022 8-\n\nB\nFig. 18.\nFig. iS, indem man sie am oberen Ende bei A mit der Hand fasst,\ta\nsenkrecht herabh\u00e4ngen l\u00e4sst, und nun die Hand seitlich hin und her bewegt. Der Faden biegt sich dann zu einer Wellenlinie, wie sie durch die gestrichelte Linie der Figur angedeutet ist, welche Wellenlinie fortdauernd vom oberen zum unteren Ende herabl\u00e4uft. Bei den Wellen, die sich l\u00e4ngs des Fadens von oben nach unten fortpflanzen, bleibt jedes einzelne Theilchen des Fadens immer in gleicher H\u00f6he \u00fcber dem Boden, wobei es entweder in geraden Linien von rechts nach links, oder von'vorn nach hinten hin und her schwanken, oder in horizontalen, kreisf\u00f6rmigen oder elliptischen Bahnen um seine mittlere Gleichgewichtslage sich bewegen, kann, je nachdem sich die Hand, welche den Faden h\u00e4lt, von rechts nach links, oder von vorn nach hinten, oder in geschlossenen krummen Linien bewegt.\nGanz \u00e4hnlich der Bewegung der einzelnen Theile des Fadens w\u00fcrde die Bewegung einer Reihe von Aethertheilehen sein, l\u00e4ngs welcher sich ein Lichtstrahl fortpflanzt. Jedes einzelne Theilchen des Aethers bleibt fortdauernd in der N\u00e4he seiner urspr\u00fcnglichen Ruhelage, und bewegt sich in geraden oder gekr\u00fcmmten Bahnen um diese. Was sich als Licht fortbewegt, sind nicht die Aethertheilehen selbst, sondern nur die Wellenform, in welche sie sich w\u00e4hrend ihrer Bewegung ordnen, mit ihren verschiedenen Abwechselungen (Phasen) von Ausweichung und Geschwindigkeit.\nDie Bahnen der Aethertheilehen bei der Lichtbewegung liegen in Ebenen, welche senkrecht gegen die Fortpflanzungsrichtung der Wellen sind, ganz wie bei unserem Faden, wo die Wellen in verticaler Richtung nach dem Boden hin laufen, und jeder einzelne Theil des schwingenden Fadens stets in gleicher H\u00f6he \u00fcber dem Boden eine horizontale Bahn beschreibt. Dadurch unterscheiden sich die Lichtwellen von den Wellen elastischer Fl\u00fcssigkeiten, z. B. von der Schallbewegung der Luft, bei welcher die Theilchen parallel der Fortpflanzungsrichtung oscilliren.\nWenn die Bahn der schwingenden Aethertheilehen in einem Lichtwellenzuge geradlinig ist, nennt mau das Licht geradlinig polarisirt, wenn die Bahn kreisf\u00f6rmig oder elliptisch ist, nennt man das Licht dagegen kreisf\u00f6rmig oder elliptisch polarisirt, wobei die Drehung rechts oder links herum geschehen kann. Zwei geradlinig polarisirte Strahlen, deren Schwingungsrichtungen auf einander senkrecht stehen, nennt man senkrecht gegen einander polarisirt. Das nat\u00fcrliche Licht, wie es von leuchtenden K\u00f6rpern ausgeht, verh\u00e4lt sich meist wie eine gleichm\u00e4ssige Mischung von allen Arten verschieden polarisirten Lichts; man nennt solches unpolarisirt. Erst durch die Brechung und Spiegelung des Lichts erh\u00e4lt man Licht, in welchem eine Art der Polarisation \u00fcberwiegt, oder allein vorkommt.\nWenn jedes Aethertheilehen bei der Lichtbewegung immer genau in derselben Zeit denselben Weg mit derselben Geschwindigkeit wiederholt durchl\u00e4uft, nennt man das Licht einfach, einfarbig oder homogen, und die Zeit, in der es seinen Weg einmal zur\u00fccklegt, heisst die Schwingungsdauer. Die auffallendste Eigen-th\u00fcmlichkeit, durch welche sich Licht verschiedener Schwingungsdauer von einander unterscheidet, ist die Farbe. Das nat\u00fcrliche Licht der leuchtenden K\u00f6rper ist meistens nicht einfaches Licht von constanter Schwingungsdauer, sondern enth\u00e4lt Wellenz\u00fcge von einer unendlichen Menge continuirlich in einander \u00fcbergehender Werthe der Schwingungsdauer. Man nennt solches Licht gemischtes oder zusammengesetztes Licht. Das weisse Licht der Sonne ist gemischtes Licht. Einfaches Licht kann man am besten durch Brechung in durchsichtigen Prismen aus dem ge-","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nPHYSIOLOGISCHE OPTIK.\n\u00a7\u2022 8.\nmischten ausscheiden, indem nach der Brechung die Wellenz\u00fcge verschiedener Schwingungsdauer in verschiedenen Richtungen sich fortpflanzen. Wir k\u00f6nnen also die Bewegung in einem Strahle nat\u00fcrlichen Lichts vergleichen mit der Bewegung, welche unser Faden annehmen w\u00fcrde, wenn die Hand, welche ihn h\u00e4lt, unregelm\u00e4ssige Bewegungen sowohl der Dauer als der Richtung nach ausf\u00fchrt, bei denen sie sich aber nie weit von ihrer mittleren Lage entfernt.\nDie Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Lichtwellen ist ausserordentlich gross. F\u00fcr den Weltenraum ist sie durch astronomische Beobachtungen bestimmt worden, und betr\u00e4gt hier 310177,5 Kilometer (41179 preussische Meilen) in der Seconde. In durchsichtigen K\u00f6rpern ist sie geringer, und in diesen meistens, mit einziger Ausnahme der Gasarten, nicht ganz gleich f\u00fcr Licht verschiedener Schwingungsdauer.\nIn krystallisirten K\u00f6rpern, oder solchen, deren moleeul\u00e4rer Bau nach verschiedenen Richtungen hin verschieden ist (doppeltbrechenden K\u00f6rpern), ist die Fortpflanzungsrichtung auch f\u00fcr verschiedene Richtungen der Fortpflanzung und der Polarisation verschieden.\nWenn l\u00e4ngs der Linie A B Fig. IS ein einfacher, geradlinig polarisirter Lichtstrahl sich fortpflanzt, so ordnen .sich die Aethertheilchen, welche anfangs in der geraden Linie AB lagen, in eine Wellenlinie \u00abo ai a2< welche sich mit gleichf\u00f6rmiger Geschwindigkeit fortschiebt, und wechselnde Ausbiegungen nach rechts und nach links von gleicher L\u00e4nge zeigt. Die L\u00e4nge von zwei solchen Ausbiegungen, c0 Cj, oder \u00fcberhaupt die Entfernung je zweier entsprechender Punkte auf zwei n\u00e4chst auf einander folgenden, nach gleicher Richtung hin gebogenen Theilen der Wellenlinie nennt man die Wellenl\u00e4nge. W\u00e4hrend nun der Gipfel des Wellenbergs von a0 bis sich fortschiebt, muss bei .1 ein neuer Gipfel der Linie angekommen sein, und das Aethertheilchen bei A muss eine ganze Schwingungsdauer vollendet haben. W\u00e4hrend der Zeit einer Schwingungsdauer pflanzt sich also das Lieht um eine Wellenl\u00e4nge fort, d. h. die Wellenl\u00e4nge ist gleich der Schwingungsdauer, multiplient mit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit. Daraus folgt, dass bei Licht von gleicher Schwingungsdauer in durchsichtigen Mitteln verschiedener Art die Wellenl\u00e4nge der Fortpflanzungsgeschwindigkeit proportional sein muss, und dass die Wellenl\u00e4ngen in dichteren durchsichtigen Medien im Allgemeinen kleiner sind als im leeren Raume.\nDie Wellenl\u00e4ngen kann man mit H\u00fclfe der Ph\u00e4nomene der Interferenz messen und daraus die Schwingungsdauer des betreffenden Lichts berechnen. Die Ph\u00e4nomene der Interferenz beruhen darauf, dass zwei Lichtstrahlen sich gegenseitig verst\u00e4rken, wenn sie gleichgerichtete Aetherbewegungen, sich aber aufheben, wenn sie entgegengesetzt gerichtete hervorbringen. Zwei Theile eines Lichtstrahls, welche nach verschiedenen Wegen sich wieder vereinigen, verst\u00e4rken sich also, wenn ihre Wege gar nicht, oder um ein, zwei, mehrere ganze Wellenl\u00e4ngen unterschieden sind, und sie heben sich auf, wenn die Wege um eine ungerade Zahl halber Wellenl\u00e4ngen unterschieden sind. Aus solchen Ph\u00e4nomenen der Interferenz hat man nun gefunden, dass die Lichtwellenl\u00e4ngen im leeren Raume 14 bis 25 Milliontheile eines Pariser Zolls (0,00039 bis 0,00069 Mm.) betragen, und daraus f\u00fcr die Zahl der Schwingungen in der Secunde 451 bis 789 Billionen gefunden.\nDie Ersch\u00fctterungen, welche ein leuchtender Punkt in einem einfach brechenden Mittel dem umgebenden Aether mittheilt, pflanzen sich von ihm aus gleiehm\u00e4ssig und mit gleicher Geschwindigkeit nach allen Richtungen fort. Dadurch entsteht eine kugelf\u00f6rmige Ausbreitung der Welle, wobei die Excursionen der schwingenden Aethertheilchen in dem Verh\u00e4ltnisse abnehmen, wie der Radius der Welle w\u00e4chst. Die Intensit\u00e4t des Lichts aber, welche dem Quadrate der Excursionen proportional zu setzen ist, verh\u00e4lt sich demnach in verschiedenen Entfernungen umgekehrt wie das","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"DIE EIGENSCHAFTEN DES LICHTS.\n33\n\u00a7\u2022 8.\nQuadrat der Entfernung vom leuchtenden Punkte. Bei einer solchen r\u00e4umlichen Ausbreitung der Lichtbewegung nennt man eine Fl\u00e4che, in der Aethertheilchen liegen, die alle in derselben Phase der Schwingung begriffen sind, eine Wellenfl\u00e4che.\nIch habe noch den Begriff des Lichtstrahls zu er\u00f6rtern. Seine mathematische Definition ist die, dass er eine auf den Wellenfl\u00e4chen senkrechte Linie sei; haben wir es also mit kugelig sich verbreitenden Wellen zu thun, so ist er ein Radius der concentrischen Kugelfl\u00e4chen, und beh\u00e4lt seine Richtung so lange bei, als die Lichtbewegung in demselben durchsichtigen Medium ungest\u00f6rt fortschreitet. Wenn wir nun die Bewegung der l\u00e4ngs eines Strahls gelegenen Aethertheilchen betrachten, so ist dieselbe streng genommen allerdings nicht unabh\u00e4ngig von der Bewegung der Theilchen in benachbarten Strahlen. Indessen haben St\u00f6rungen in diesen benachbarten Bewegungen durch dunkle K\u00f6rper u. s. w. unter den gew\u00f6hnlich stattfindenden Bedingungen, mit denen wir es auch namentlich im Auge allein zu thun haben, keinen betr\u00e4chtlichen Einfluss auf die Bewegungen der Theile des ersten Strahls. Wir k\u00f6nnen also in solchen F\u00e4llen die Bewegung der Aethertheilchen innerhalb eines Strahls ann\u00e4hernd als ein abgeschlossenes mechanisches Ganze ansehen, welches unabh\u00e4ngig von den Bewegungen der benachbarten Strahlen von Statten geht. Dadurch wird die theoretische Untersuchung der Lichtbewegungen ausserordentlich vereinfacht und erleichtert. So sind wir denn auch im t\u00e4glichen Leben gew\u00f6hnt vorauszusetzen, dass jeder Lichtstrahl geradlinig fortschreite, ungehindert durch das, was seitlich von ihm geschieht, und in der That sind die Abweichungen von dieser Regel in den gew\u00f6hnlich vorkommenden F\u00e4llen ganz unmerklich. Diese Aufl\u00f6sung der kugelf\u00f6rmigen Ausbreitung' der Lichtwellen in linear sich fortpflanzende Strahlen ist aber namentlich dann nicht mehr erlaubt, wenn das Licht durch so kleine Oeffnungen hindurch geht, dass die Wellenl\u00e4ngen des Lichts nicht mehr verschwindend klein gegen deren Dimensionen sind. Dann breiten sich sehr merkliche' Quantit\u00e4ten des Lichts seitlich aus. Ueberhaupt sind Ablenkungen kleiner Theile des Lichts von dem geraden Wege (Diffraction) \u00fcberall da zu bemerken, wo Licht an dem Rande undurchsichtiger K\u00f6rper vorbeigeht. In solchen F\u00e4llen muss man auf die Bewegung der ganzen Lichtwellen zur\u00fcckgehen, um die Ph\u00e4nomene zu erkl\u00e4ren. F\u00fcr die Physik des Auges k\u00f6nnen wir dagegen die Bewegung des Lichts unbedenklich als geradlinig betrachten, so lange es in einem homogenen Medium sich fortpflanzt.\nLieht und Schall unterscheiden sich in dieser Beziehung sehr auffallend, wenn auch eigentlich nur relativ, von einander. Die Dimensionen der uns umgebenden K\u00f6rper sind meist so gross, dass die Lichtwellenl\u00e4ngen dagegen als verschwindend klein zu betrachten sind ; deshalb bewegt sich die bei weitem gr\u00f6sste Menge des Lichts nur geradlinig fort, und es erfordert die Herstellung besonderer Apparate, um die seitliche Ausbreitung kleinerer Theile desselben wahrzunehmen. Die Schallwellen sind dagegen mehrere Zoll oder Fuss lang, und zeigen deshalb, wenn sie zwischen festen K\u00f6rpern hindurchgehen, meist eine sehr bedeutende Seitenausbreitung. Wir wissen deshalb .aus den allt\u00e4glichen Wahrnehmungen, dass wir nur in gerader Linie sehen, aber um Ecken herum h\u00f6ren k\u00f6nnen. Eben deshalb d\u00fcrfen wir aber auch die Schallbewegung nicht in Schallstrahlen aufl\u00f6sen wollen, wir w\u00fcrden uns dadurch zu weit von den wirklichen Verh\u00e4ltnissen entfernen, und dasselbe ist der Grund, dass die Theorie des Schalls bis jetzt noch so wenig ausgebildet werden konnte, im Vergleiche zu der des Lichts. Demselben Umstande verdankt unser Auge die M\u00f6glichkeit, aus der Richtung der einfallenden Lichtstrahlen sehr genau auf den Ort des leuchtenden K\u00f6rpers schliessen zu k\u00f6nnen, was beim Schall nur h\u00f6chst unvollkommen m\u00f6glich ist. Andererseits wird auch das Auge durch jeden in den Weg tretenden dunklen K\u00f6rper verhindert zu sehen, was hinter ihm vorgeht, w\u00e4hrend das Ohr sehr wohl T\u00f6ne vernehmen kann, die hinter ihm erregt werden. So h\u00e4ngen Encyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nPHYSIOLOGISCHE OPTIK.\n\u00a7. 8.\nmit der seitlichen Ausbreitung der Wellenz\u00fcge eigenth\u00fcmliche Vortheile und Nachtheile beider Sinne zusammen.\nWenn Licht auf die Grenzfl\u00e4che zweier verschiedenartiger durchsichtiger Mittel f\u00e4llt, wird in der Regel ein Theil zur\u00fcckgeworfen (reflectirt), und bleibt in dem Mittel, in welchem er war, ein anderer Theil geht in das andere Medium \u00fcber, wird dabei aber in der Regel von seiner bisherigen Richtung abgelenkt, d. h. gebrochen (refrangirt). Ist die Trennungsfl\u00e4che glatt (polirt), sind beide Mittel einfach brechend, so wird ein auffallender Lichtstrahl nur nach einer Richtung hin zur\u00fcckgeworfen (spiegelnde Reflexion), und nur nach einer Richtung hin gebrochen. Ist die Trennungsfl\u00e4che rauh, so wird das Licht, auch wenn es nur aus einer Richtung herkommt, nach vielen oder allen Richtungen hin zur\u00fcckgeworfen und gebrochen, es wird zerstreut (diffuse Reflexion und Refraction).\nW\u00e4hrend das Licht in einem k\u00f6rperlichen Mittel sich fortbewegt, kann es entweder ungeschw\u00e4cht bleiben, so weit es auch gehen mag; dann nennen wir das Mittel durchsichtig. Absolut durchsichtige Mittel giebt es vielleicht nicht ausser dem leeren Raume. Oder es kann das Licht allm\u00e4lig geschw\u00e4cht werden, und zwar auf zweierlei Weise. Entweder n\u00e4mlich wird es von kleinen fremden K\u00f6rpern, Spr\u00fcngen, Stellen mit ge\u00e4ndertem Gef\u00fcge u. s. w. diffus zur\u00fcckgeworfen und gebrochen (falsche innere Dispersion), dabei erscheint das Mittel tr\u00fcbe, und in seinem Inneren selbst erleuchtet. Oder das Licht verschwindet, ohne von seinem Wege abgelenkt zu werden (Absorption). Da die Absorption meistentheils die Strahlen von verschiedener Schwingungsdauer verschieden schnell verschwinden macht, so wird weisses Licht, wenn es durch absorbirende Mittel geht, meistens farbig, und das Mittel selbst erscheint gef\u00e4rbt. Farblose durchsichtige Mittel sind solche, welche alle leuchtenden Strahlen ungeschw\u00e4cht durchgehen lassen. Dieselben k\u00f6nnen dabei aber nicht leuchtende Strahlen absorbiren, z. B. W\u00e4rmestrahlen oder die brechbarsten Strahlen des Sonnenlichts, sich gegen solche also noch wie gef\u00e4rbte Mittel gegen die leuchtenden Strahlen verhalten.\nBei der Absorption der Lichtstrahlen entstehen oft chemische Wirkungen ; zuweilen wieder Licht, und wahrscheinlich immer W\u00e4rme. Wenn wieder Licht entsteht, so sendet jeder Theil des beleuchteten Mittels Licht nach allen Seiten aus, welches sich aber in der Farbe und Zusammensetzung von dem absorbirten Lichte unterscheidet , die Substanz wird selbstleuchtend. Man nennt dieses Selbstleuchten Phosphorescenz, wenn es l\u00e4nger dauert als die Bestrahlung, Fluorescenz oder wahre innere Dispersion, wenn es nur so lange dauert als die Bestrahlung. Bei der Fluorescenz ist das von der Substanz entwickelte Licht immer von gr\u00f6sserer Schwingungsdauer als das einstrahlende, seine Farbe und Zusammensetzung meist unabh\u00e4ngig von der des letzteren, es tindet also eine Ver\u00e4nderung der Schwingungsdauer (Brechbarkeit) statt, und es wird dadurch m\u00f6glich, das dem Auge nicht sichtbare oder kaum sichtbare Licht, dessen Schwingungsdauer kleiner ist als die des gew\u00f6hnlich sichtbaren, dem Auge sichtbar zu machen, indem man es auf eine fluorescirende Substanz (saures schwefelsaures Chinin, Uranglas', Aufguss von Rosskastanienrinde , Bernstein u. s. w. ) fallen l\u00e4sst.\nIch lasse hier eine Aufz\u00e4hlung von Werken folgen, welche die physiologische Optik im Allgemeinen betreffen :\n1600. Fabricius ab Aquapendente de visione. Yen. Fol.\n1604.\t.1. Kepler Paralipomena ad Vitellionem, Frankf. Cap. 5.\n\u25a01013. Francisci Aquilonii opticorum libri sex. Antwerpiae.\n1619. Sciieixer Oculus sive fundamentum opticum, in quo radius visualis eruitur, sive visionis in oculo sedes cernitur et anguli visorii ingenium reperitur. Oenip.\n1738. R. Smith a complete system of optics with. J. Jurins essay upon distinct and indistinct vision. Cambridge 1738. \u2014 Deutsch v. K\u00e4stner. Altenb. 1755.\n1740. Le Cat Traite des sens. Rouen.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"BRECHUNG AN EINER EBENEN FL\u00c4CHE.\n35\n\u00a7\u2022 9.\n1746.\n1759.\n1766.\n1819.\n18-25.\n1826.\n1828.\n1830.\n1831. 1834.\n1836.\n1837. 1839. 1842.\n1844.\n1845.\n1846.\n1852.\n1847\u201453.\nP. Camper dissert, de visu. Lugd. Batav.\nPorterfield Treatise on the eyes, the manner and phaenomena of vision. Edinb. Haller Elementa physiologiae hum. Lausanne 1757. Bern 1766.\nJ. Purkinje Beitr\u00e4ge zur Kemitniss des Sehens in subjectiver Hinsicht. Prag.\n.1. Purkinje Beobachtungen und Versuche zur Physiologie der Sinne. Bd. II. Neue Beitr\u00e4ge zur Kenntniss des Sehens. Berlin.\nLeiiot Nouvelle th\u00e9orie de la vision. Paris.\nJ. M\u00fcller Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes. Leipzig.\nMuncke Artikel: Gesicht und Sehen in Geiiler\u2019s physikalischem W\u00f6rterbuche. Leipzig.\nA. Hueck Das Sehen seinem \u00e4usseren Processe nach. Dorpat u. G\u00f6ttingen.\nD. Brewster a treatise on optics.\nC. M. N. Bartels Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtssinnes. Berlin.\nA. W. Volcioiann Neue Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtssinns.\nJ. Muller\u2019s Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Coblenz. Bd. IT. S. 276 \u2014 393. F. W. G. Radicke Handbuch der Optik. Bd. IL S. 211\u2014281.\nBurow Beitr\u00e4ge zur Physiologie und Physik des menschlichen Auges. Berlin. Moser \u00fcber das Auge in Dove\u2019s Repertorium der Physik. Berlin. Bd. V.\nTh. Ruete Lehrbuch der Ophthalmologie.\nVolckmann Artikel: Sehen in R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch d. Physiologie. Braunschweig.\nC. Ludwig Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Heidelberg. Bd. I. S. 192\u2014263. Br\u00fccke Berichte \u00fcber physiologische Optik in Fortschritte der Physik. Bd. I bis V.\nErster Abschnitt.\nDie Dioptrik des Auges.\n\u00a7. 9. Gesetze der Brechung in Systemen kugeliger Fl\u00e4chen.\nDer Gang der Lichtstrahlen im menschlichen Auge wird haupts\u00e4chlich durch Brechung ver\u00e4ndert. Es ist aber nicht blos eine einzelne brechende Fl\u00e4che vorhanden, sondern eine Reihe von solchen. Ich werde also die allgemeinen Gesetze der Lichtbrechung in einfach brechenden Mitteln und namentlich auch der Brechung in einer Reihe von gekr\u00fcmmten Fl\u00e4chen, welche die Grundlage des vorliegenden Abschnitts bilden, vorausschicken.\nAn einer einzelnen brechenden Fl\u00e4che ist die Lage des zur\u00fcckgeworfenen und gebrochenen Strahls in folgender Weise bestimmt. In Fig. 19 sei a b die Grenzfl\u00e4che beider Medien, welche man die brechende Fl\u00e4che nennt; fc sei einer der darauf fallenden Lichtstrahlen, d e die im Punkte c auf a b senkrecht stehende Linie, welche man das Einfallsloth nennt, c h der zur\u00fcckgeworfene und c g der gebrochene Strahl. Die Ebene, welche durch das Einfallsloth und den einfallenden Strahl zu legen ist, nennt man Einfalls\u00e0bene, den Winkel zwischen dem einfallenden Strahle und dem Einfallslothe den Einfallswinkel (in der Figur ist es der Winkel dcf, mit <x bezeichnet), den Winkel zwischen dem Einfallslothe und dem zur\u00fcck-\n3 *\ne\nFig. 19.","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 \u00fc.\ngeworfenen Strahle den Reflexionswinkel (in der Figur heil) und denjenigen zwischen dem Einfallslothe und dem gebrochenen Strahle {gce oder \u00df) den Brechungswinkel. Bei einfach brechenden Medien ist dann die Lage des zuriiekgeworfenen und gebrochenen Strahls dadurch gegeben, dass erstens beide ebenfalls in der Einfallsebene liegen, und dass zweitens der Reflexionswinkel gleich dem Einfallswinkel ist, der Brechungswinkel aber von dem Einfallswinkel in der Weise abh\u00e4ngt, dass ihre Sinus sich verhalten wie die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten des Lichts in den betreffenden beiden Medien. Das Verh\u00e4ltniss der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts im Vacuum zu der in einem gegebenen Mittel nennt man das Brechungsverh\u00e4ltniss oder Brechungsverm\u00f6gen dieses Mittels. Ist also c die Fortpflanzungsgeschwindigkeit im Vacuum, c1 in dem ersten, c.2 in dem zweiten Mittel, /), das Brechungsverh\u00e4ltniss des ersten, m2 das des zweiten Mittels, so ist\nc\n\u00ab2 = -----\nC2\nsin a. sin \u00df ----- =-------- oder\n% sin a \u2014 n.z sin \u00df.\nIn der letzteren Form pflegt man gew\u00f6hnlich das Brechungsgesetz auszusprechen. F\u00fcr das Vacuum ist das Brechungsverh\u00e4ltniss nach der gegebenen Definition = 1 , f\u00fcr die Luft bei gew\u00f6hnlichem Drucke so wenig davon unterschieden (n\u00e4mlich 1,00029 bei 0\u00b0 und 0,76 Mm. Druck), dass man in den meisten F\u00e4llen den Unterschied vernachl\u00e4ssigen kann. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten der verschiedenen einfachen farbigen Strahlen sind im Vacuum und in den Gasarten nicht von einander verschieden, wohl aber in den durchsichtigen tropfbaren und festen K\u00f6rpern. In diesen pflanzen sich die Strahlen von kleinerer Schwingungsdauer (die blauen und violetten) langsamer fort als die von l\u00e4ngerer Schwingungsdauer (gelbe und rothe), es sind also auch die Brechungsverh\u00e4ltnisse f\u00fcr die ersteren gr\u00f6sser als f\u00fcr die zweiten, und man bezeichnet deshalb auch jene (die violetten) als die brechbareren Strahlen, letztere (die rothen) als die weniger brechbaren. Wegen dieser Verschiedenheit der Brechbarkeit schlagen denn auch die verschiedenen farbigen Theilc des weissen Lichts nach einer Brechung in tropfbaren oder festen K\u00f6rpern im Allgemeinen verschiedene Wege ein, und es giebt dies ein Mittel ab, sie zu trennen. In der Fig. 19 ist vorausgesetzt, dass oberhalb der brechenden Fl\u00e4che sich ein d\u00fcnneres, unterhalb derselben ein dichteres Medium befinde. Kommt das Lieh# aus dem ersteren von f her, so wira der gebrochene Strahl c g dem Einfallslothe c e gen\u00e4hert werden. F\u00fcr die violetten Strahlen ist die Ablenkung st\u00e4rker als f\u00fcr die rothen. Wenn also die violetten etwa den Weg cg einschlagen, geht das rothe Licht des Strahls f c in der Richtung c g, fort, und trennt sich somit von den brechbareren Farben.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"BRECHUNG AN KUGELIGEN FL\u00c4CHEN.\n37\n\u00a7. 9.\nIm Auge haben wir es mit der Brechung des Lichts an kugeligen oder nahehin kugeligen Fl\u00e4chen zu thun. Die Gesetze der Brechung vereinfachen sich f\u00fcr eine jede solche Fl\u00e4che ausserordentlich, wenn das Licht nur unter sehr kleinen Einfallswinkeln, d. h. nahe senkrecht auf sie f\u00e4llt. Sie vereinfachen sich auch f\u00fcr ein System solcher Fl\u00e4chen, wenn die Mittelpunkte der Kugelfl\u00e4chen alle in einer geraden Linie, der Axe des Systems, liegen. Systeme von kugeligen Fl\u00e4chen, in denen diese letzte Bedingung erf\u00fcllt ist, nennt man centrirt. Licht, welches urspr\u00fcnglich von einem Punkte ausgegangen ist, oder allgemeiner, Licht, dessen Strahlen hinreichend verl\u00e4ngert alle durch einen Punkt gehen, d. h. homo centrisches Licht, wird, nachdem es durch ein solches System gegangen ist, und alle brechenden Fl\u00e4chen nur unter kleinen Einfallswinkeln getroffen hat, entweder sich in einen Punkt wieder vereinigen, oder so fortgehen, als k\u00e4me es alles von einem leuchtenden Punkte her, also wieder homocentrisch sein. Den Convergenz-punkt der Lichtstrahlen nennt man in beiden F\u00e4llen das optische Bild des urspr\u00fcnglich leuchtenden Punktes, oder da Lichtstrahlen, welche von dem Orte des Bildes ausgehen w\u00fcrden, an der Stelle des urspr\u00fcnglich leuchtenden Punktes wieder vereinigt werden w\u00fcrden, nennt man den Ort des leuchtenden Punktes und den seines Bildes auch conjugirte Vereinigungspunkte der Strahlen. Man nennt ferner das optische Bild reell, wenn die Lichtstrahlen, welche von dem leuchtenden Punkte ausgegangen sind, in ihm wirklich zur Vereinigung kommen. Dies kann nur geschehen, wenn das Bild hinter den brechenden Fl\u00e4chen liegt. Man nennt es virtuell, wenn der Vereinigungspunkt der Lichtstrahlen in ihren r\u00fcckw\u00e4rts gezogenen Verl\u00e4ngerungen vor der letzten brechenden Fl\u00e4che liegt. Im letzteren Falle schneiden sich also nicht die Lichtstrahlen selbst, sondern nur ihre Verl\u00e4ngerungen.\nConvexe Glaslinsen (Brenngl\u00e4ser oder Sammellinsen) geben von entfernten Gegenst\u00e4nden reelle Bilder, wie Fig. 20 zeigt ; c d ist die Linse, a der leuchtende Punkt, die einfallenden Lichtstrahlen ac und ad werden in die Richtungen c f und d e gebrochen, vereinigen sich\nwirklich in dem Punkte b, dem Punkte des reellen Bildes, und gehen nach der Schneidung wieder divergirend auseinander, gerade als w\u00e4re b ein urspr\u00fcnglich leuchtender Punkt.\nConcave Glaslinsen (Zerstreuungsgl\u00e4ser) geben virtuelle Bilder wie in Fig. 21. wo die Bezeichnungen dieselben sind wie in Fig. 20. Hier schneiden sich die Lichtstrahlen nicht wirklich, wohl aber ihre Verl\u00e4ngerungen in b, und gehen hinter der Linse weiter, als k\u00e4men sie von b, so dass ein hinter der Linse zwischen f und e stehendes Auge glauben w\u00fcrde, den leuchtenden Punkt in b zu sehen.\tFig. 21.\nFig. 20.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 9.\nWenn mehrere leuchtende Punkte in einer gegen die Axe des brechenden Systems senkrechten Fl\u00e4che liegen, und der Axe nahe genug sind, dass ihre Strahlen auf s\u00e4mmtliche brechende Kugelfl\u00e4chen unter sehr kleinen Einfallswinkeln treffen, so liegen ihre reellen oder virtuellen Bilder auch alle in einer auf die optische Axe senkrechten Ebene, und ihre Vertheilung in dieser Ebene ist geometrisch \u00e4hnlich der Vertheilung der leuchtenden Punkte, und geh\u00f6ren die leuchtenden Punkte einem Objecte an, so ist das optische Bild dieses Objects ihm selbst \u00e4hnlich.\nEin Beispiel reeller Bilder von Objecten, welches zugleich den Verh\u00e4ltnissen des Auges h\u00f6chst \u00e4hnlich ist, giebt unter den physikalischen Instrumenten die Camera obscurci. Ein innen geschw\u00e4rzter Kasten A enth\u00e4lt in seiner vorderen Wand eine verschiebbare R\u00f6hre, in welche eine oder mehrere Glaslinsen l eingesetzt sind. Die R\u00fcckseite des Kastens g besteht aus einer matten Glastafel. Wenn man die Gl\u00e4ser / gegen entfernte erleuchtete Objecte wendet, und die matte Tafel g beschattet, so sieht man auf ihr ein umgekehrtes, nat\u00fcrlich gef\u00e4rbtes Bild der Objecte entworfen, welches auch bei einer richtigen Stellung der Linsen / sehr scharf gezeichnet erscheint. Die Linsen m\u00fcssen zu dem Ende so gew\u00e4hlt und gestellt sein, dass die Strahlen, welche von einem jeden einzelnen Punkte des abgebildeten Gegenstandes ausgegangen sind, sich in einem Punkte der matt-geschliffenen Glasfl\u00e4che wieder vereinigen. Dann empf\u00e4ngt dieser Punkt der Glasfl\u00e4che alles Licht, welches von dem entsprechenden Punkte des abgebildeten Gegenstandes her in das Instrument gefallen ist, und wird von ihm in derselben Farbe und entsprechender Helligkeit erleuchtet, wie sie dem Punkte des Objects zukommen. Dagegen f\u00e4llt auf diese Stelle der Glastafel kein Licht, welches von irgend einem anderen Punkte des Gegenstandes ausgegangen w\u00e4re, weil solches Licht eben in anderen Punkten der Tafel sich vereinigt.\nBei diesen Beobachtungen bemerkt man zun\u00e4chst, dass die Bilder ungleich von dem Instrumente entfernter Gegenst\u00e4nde nicht gleichzeitig deutlich auf der\nFic,. 22.\nmatten Tafel entworfen werden, dass man vielmehr die R\u00f6hre mit den Linsen etwas herausziehen muss, um n\u00e4here Gegenst\u00e4nde abzubilden, f\u00fcr entferntere dagegen mehr hineinschieben. Der Grund davon ist der, dass die Bilder ungleich entfernter Punkte auch selbst verschiedene Entfernung von den Linsen haben, also nicht gleichzeitig genau in der Ebene der matten Glastafel liegen k\u00f6nnen.\nMan bemerkt ferner, wenn die Linsen einen grossen Durchmesser im Ver-h\u00e4ltniss zur L\u00e4nge des Kastens haben, dass die R\u00e4nder heller Fl\u00e4chen in dein Bilde farbige, meist blaue oder gelbrothe S\u00e4ume zeigen. Wegen der verschie-\ndenen Brechbarkeit des verschiedenfarbigen Lichts liegen die Vereinigungspunkte verschiedenfarbiger Strahlen nicht genau in derselben Entfernung hinter der Linse, und die Bilder f\u00fcr die verschiedenen Farben decken sich nicht genau. Man nennt dies die chromatische Abweichung. Sie kann fast vollst\u00e4ndig aufgehoben werden durch eine passende Verbindung von Linsen, die aus verschiedenem Stoffe","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. g.\tDEFINITIONEN DER CARDINALPUNKTE.\t39\nbestehen. Dergleichen optische Instrumente, in welchen so die chromatische Abweichung beseitigt ist, nennt man achromatisch.\nAber auch bei der Beleuchtung mit einfarbigem Lichte zeigen die Bilder der Camera obscura und anderer optischer Instrumente mit brechenden Kugelfl\u00e4chen bei grossen Oeffnungen der Linsen eine gewisse Ungenauigkeit der Umrisse, welche daher entsteht, dass die durch eine kugelige Fl\u00e4che gebrochenen Strahlen des abgebildeten Punktes zwar nahehin, aber doch nicht absolut genau in einen Punkt wieder vereinigt werden. Nur bei verschwindend kleinen Einfallswinkeln werden sie genau vereinigt. Diese zweite Art der Abweichung nennt man die sph\u00e4rische oder die Abweichung wegen der Kugelgestalt. Instrumente, in denen sie durch passende Zusammenstellung der brechenden Fl\u00e4chen m\u00f6glichst verringert ist, nennt man aplanatisch. Vollst\u00e4ndige Aplanasie ist durch Kugelfl\u00e4chen im Allgemeinen nicht zu erreichen, sondern dazu w\u00fcrde man andere gekr\u00fcmmte Fl\u00e4chen und zwar Rotationsfl\u00e4chen des zweiten oder vierten Grades anwenden m\u00fcssen, welche aber an optischen Instrumenten bisher noch nicht ausgef\u00fchrt werden k\u00f6nnen.\nDie Lage und Gr\u00f6sse der optischen Bilder, welche centrirte Systeme von kugeligen brechenden Fl\u00e4chen entwerfen, so wie auch der Gang eines jeden durch sie hindurchgegangenen Lichtstrahls, der s\u00e4mmtliche brechende Fl\u00e4chen unter sehr kleinen Einfallswinkeln passirt hat, ist nach verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig einfachen Regeln zu bestimmen, wenn man gewisse Punkte, die optischen Cardinalpunkte des Systems kennt. Es giebt drei Paare von solchen Punkten, n\u00e4mlich die beiden Brennpunkte, die beiden Hauptpunkte und die beiden Knotenpunkte.\nMan nenne die Seite des Systems, von der das Licht herkommt, die erste, die, nach der es hingeht, die zweite Seite, das Brechungsverh\u00e4ltniss des ersten Mittels sei n, , das des letzten n2.\nDer erste Brennpunkt ist dadurch bestimmt, dass jeder Strahl, der vor der Brechung durch ihn geht, nach der Brechung parallel mit der Axe wird.\nDer zweite Brennpunkt ist dadurch bestimmt, dass durch ihn jeder Strahl geht, der vor der Brechung parallel der Axe ist.\nDer zweite Hauptpunkt ist das Bild des ersten, d. h. Strahlen, welche im ersten Mittel durch den ersten Hauptpunkt gehen, geh\u00e9n nach der letzten Brechung durch den zweiten. Ebenen, senkrecht zur Axe durch die Hauptpunkte gelegt, heissen Hauptebenen. Die zweite Hauptebene ist das optische Bild der ersten, und zwar sind es die einzigen zusammengeh\u00f6rigen Bilder, welche gleich gross und gleich gerichtet sind. Durch diese Bedingung ist die Lage der Hauptpunkte bestimmt.\nDer zweite Knotenpunkt ist das Bild des ersten. Ein Strahl, der im ersten Medium nach dem ersten Knotenpunkte gerichtet ist, geht nach der Brechung durch den zweiten Knotenpunkt, und die Richtungen des Strahls vor und nach der Brechung sind einander parallel.\nDie Entfernung des ersten Hauptpunkts vom ersten Brennpunkte ist die erste Hauptbrennweite. Sie wird positiv gerechnet, wenn der erste Hauptpunkt im Sinne der Fortbewegung des Lichts hinter dem ersten Brennpunkte liegt.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nERSTER ARSCHMITT. DIE DIOPTRIK DES AUGES.\n\u00a7. 9.\n\t\t\u00c4js\ttes/\t-f\"\n^7\t4\t\t-\t3\u2014\nFia-\nIst also in Fig. 25 A B die Axe, und A die Richtung, B wo das Licht herkommt , f, der erste, f\u201e der zweite Brennpunkt, h, der erste, A/; der zweite\nHauptpunkt, /c, der erste, der zweite Knotenpunkt, so ist f,li, die positive erste Hauptbrennweite. Dagegen fn h\u201e, als die Entfernung des zweiten Brennpunkts vom zweiten Hauptpunkte, ist die zweite Hauptbrennweite, positiv gerechnet, wenn, wie in der Figur, der Brennpunkt hinter dem Hauptpunkte liegt.\nDie Entfernung des ersten Knotenpunkts vom ersten Brennpunkte ist gleich der zweiten Hauptbrennweite, die des zweiten Knotenpunkts vom zweiten Brennpunkte gleich der ersten Hauptbrennweite. Also:\nf, k, = fn K )\nfA^fuK i.............................\nDaraus folgt, dass der Abstand der gleichnamigen Haupt- und Knotenpunkte von einander gleich dem Unterschiede der beiden Brennweiten sei :\nk, h, = K h\u201e = fn lln \u2014 f,h, \\\t.............\u00df)\nund dass ausserdem der Abstand der beiden Hauptpunkte von einander gleich sei dem Abstande der beiden Knotenpunkte von einander :\nkj k/, kikn \\..........................Y)*\nEndlich verhalten sich die beiden Hauptbrennweiten zu einander wie die Brechungsverh\u00e4ltnisse des ersten und letzten Mittels :\na).\n[A\nn,\nfn K\nn\u201e\n5).\nIst also das letzte Mittel dem ersten gleichartig und nt = nh, wie es bei den meisten optischen Instrumenten, nicht aber beim Auge der Fall ist, so sind die beiden Hauptbrennweiten gleich, und es fallen die gleichnamigen Hauptpunkte und Knotenpunkte zusammen, nach Gleichung \u00df).\nDie ersten Brenn-, Haupt- und Knotenpunkte beziehen sich nach den gegebenen Definitionen stets auf den Gang der Strahlen im ersten Medium, die zweiten auf den Gang im letzten Medium.\nLegt man senkrecht zur Axe Ebenen durch die beiden Brennpunkte, so heissen diese Brennebenen. Lichtstrahlen, welche von einem Punkte der ersten Brennebene ausgegangen sind, sind nach der Brechung unter einander parallel, und da nach der Definition der Knotenpunkte der vom leuchtenden Punkte nach dem ersten Knotenpunkte gerichtete Strahl nach der Brechung seiner urspr\u00fcnglichen Richtung parallel sein soll, so m\u00fcssen alle Strahlen, die von einem leuchtenden Punkte in der ersten Brennebene ausgegangen sind, jenem Strahle nach der Brechung parallel sein.","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"NUTZEN DER CARDINALPUNKTE.\n41\n9.\nStrahlen, welche im ersten Mittel unter einander parallel sind, vereinigen sich in einem Punkte der zweiten Brennebene, und da derjenige von den parallelen Strahlen, welcher durch den ersten Knotenpunkt geht, nach der Brechung vom zweiten Knotenpunkte aus seiner fr\u00fcheren Richtung parallel weiter geht, so muss der Vereinigungspunkt der parallelen Strahlen da liegen, wo dieser letztere Strahl die zweite Brennebene schneidet.\nBiese Regeln gen\u00fcgen, um in jedem Falle, wenn der Weg eines Strahls im ersten Medium gegeben ist, seinen Weg nach der letzten Brechung zu finden, und wenn ein leuchtender Punkt im ersten Medium gegeben ist, den Ort seines Bildes nach der letzten Brechung zu linden.\nFhj. 24.\nEs sei ab der Weg eines Strahls im ersten Medium; man soll seinen Weg im\nletzten Medium finden.\nEs sei a der Punkt, wo er die erste Brennebene schneidet, b der Punkt, wo er die erste Hauptebene schneidet, wobei im Allgemeinen die beiden Punkte a und b nicht in einer Ebene mit der Axe des Systems A B liegen werden. Das Bild des Punktes b liegt in der zweiten Hauptebene, da die eine Hauptebene das Bild der anderen ist ; und da ferner in diesem Falle das eine Bild dem anderen gleich und gleich gerichtet sein soll, so liegt das Bild des Punktes b der ersten Hauptebene in c, dem Fusspunkte des von b auf die zweite Hauptebene gef\u00e4llten Lothes b c. Jeder Lichtstrahl, der von b ausgeht, oder durch b hindurchgeht, muss also nach der Brechung durch c gehen, als dem Bilde von b. So auch die Fortsetzung des Strahls a b.\nZweitens geht der Strahl a b durch den Punkt a der ersten Brennebene. Jeder Strahl, welcher von einem Punkte der ersten Brennebene ausgeht, ist nach den oben hingestellten Regeln nach der Brechung parallel dem Strahle, welcher von jenem Punkte a nach dem ersten Knotenpunkte geht. Also muss der Strahl a b nach der Brechung durch c gehen und parallel a kl sein. Man ziehe c d parallel a so ist c d der gebrochene Strahl.\nNach dem, was ich vorher \u00fcber die Eigenschaft der zweiten Brennebene gesagt habe, k\u00f6nnen wir auch so verfahren. Man f\u00e4lle das Loth b c auf die zweite Hauptebene , ziehe kn e parallel a b, welches in e die zweite Brennebene schneidet, so ist c e der gebrochene Strahl. Dass dieser mit c d zusammenf\u00e4llt, l\u00e4sst sich leicht zeigen.\nFig. 2S.","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 9.\nEs sei a ein leuchtender Punkt; es soll sein Bild gefunden werden.\nMan braucht nur zwei Strahlen von a aus nach der ersten Hauptebene zu ziehen, und deren Weg nach der Brechung zu construiren. WTo sie sich schneiden, liegt das Bild von a. Wenn a ausserhalb der Axe liegt, ist es am bequemsten, den mit der Axe parallelen Strahl a c und den nach dem ersten Knotenpunkte gehenden a kf zu benutzen. Wenn c der Punkt ist, wo der erstere Strahl die zweite Hauptebene schneidet, so ziehe man c fn und verl\u00e4ngere es r\u00fcckw\u00e4rts oder vorw\u00e4rts hinreichend, bis es die durch ku mit \u00abI; gelegte Parallele in e schneidet. Der Ort des Bildes ist e.\nDass der Strahl ac nach'der Brechung l\u00e4ngs ce und akl l\u00e4ngs kHe geht, cr-giebt sich leicht aus der vorigen Aufgabe und den obigen Definitionen.\nLiegt der Punkt a in der Axe, so geht einer seiner Strahlen in der Axe selbst ungebrochen fort. Man braucht dann nur irgend einen anderen Strahl zu construiren, der ausserhalb der Axe verl\u00e4uft. Wo letzterer nach der Brechung die Axe wieder schneidet, ist der Ort des Bildes.\nNachdem ich so die Resultate der mathematischen Untersuchung f\u00fcr diejenigen meiner Leser vorausgeschickt habe, denen es nur auf die Kenntniss der Resultate ankommt, lasse ich die vollst\u00e4ndige mathematische Entwickelung derselben hier folgen.\nBrechung an einer Kugelfl\u00e4che.\nEs sei a der Mittelpunkt der Kugelfl\u00e4che c b, und p ein ausserhalb der Kugel liegender leuchtender Punkt. Ein von p ausgehender Lichtstrahl, welcher in der\ngeraden Linie p a auf den Mittelpunkt der Kugel zugeht, trifft die Kugelfl\u00e4che normal, und geht deshalb ungebrochen weiter in der Verl\u00e4ngerung von ap nach q hin. Ein anderer Lichtstrahl p c treffe die Kugelfl\u00e4che in c und werde hier gebrochen. Unsere n\u00e4chste Aufgabe ist, seinen Weg nach der Brechung zu bestimmen. Nach dem oben angef\u00fchrten Brechungsgesetze muss derselbe zun\u00e4chst in der Einfallsebene bleiben, d. h. in der durch den einfallenden Strahl und das Einfallsloth gelegten Ebene. Da der Radius stets auf demjenigen Thcile der Kugeloberfl\u00e4che, zu welchem er hingeht, senkrecht steht, so ist in diesem Falle das Einfallsloth cd die Verl\u00e4ngerung des Radius a c, und die Einfallsebene die durch p c und a d gelegte, ln derselben liegt auch die ganze Linie pq, da zwei ihrer Punkte p und a darin liegen. Der gebrochene Strahl muss also die Linie pa, wenn sie nach beiden Seiten in das Unendliche verl\u00e4ngert gedacht wird, in irgend einem Punkte q schneiden, dessen Entfernung von b zun\u00e4chst bestimmt werden soll. Sollte der Strahl der Linie p a parallel sein, so k\u00f6nnen wir den Durchschnittspunkt q als unendlich entfernt betrachten.\nDie Lage des Punktes q wird nun durch die Bedingung gegeben, dass\nn, sin (pcd) \u2014 n\u201e sin (qca) ^\t...............1),\nwo m( das Brechungsverh\u00e4ltniss des Mediums ist, aus welchem das Licht kommt, nn desjenigen, in welches es eintritt.\nDa sich in geradlinigen Dreiecken die Sinus der Winkel wie die gegen\u00fcberliegenden Seiten verhalten, ist in dem Dreiecke apc\nsin (pea) ap\nsin (cpa)\tac","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"GESETZE DER BRECHUNG IN SYSTEMEN KUGELIGER FL\u00c4CHEN.\n43\n\u00a7\u2022 9.\nund in dem Dreiecke a q c\nsin (qca)\n(iq ac\nsin (cqu)\nWenn wir die erste dieser Gleichungen durch die zweite dividiren, und dabei bemerken, dass der Sinus des Winkels pca gleich dem seines Nebenwinkels pccl\nist, so erhalten wir\nsin (p cd) sin(cqa) sin (qca) sin (cjca)\nap\naq\nNach Gleichung 1 ) ist\nund in dem Dreieck p c q ist\nsin (pcd) sin (qca)\nsin (cqa)\nsin (cpa)\nDie drei letzten Gleichungen geben daher\nn\u201e .cp ap\nnt . cq\taq\ncp\ncq\n%).\n!a),\n1.\nF\u00fcr ap = oo wird daraus\nn, . cq \u2014 nu . aq\nda alsdann bis auf unendlich kleine Gr\u00f6ssen\ncp ap\nMan kann die Gleichung 2) leicht benutzen, um den Gang der Lichtstrahlen durch Construction zu finden, wobei man denn, da im Allgemeinen der Punkt q seine Lage \u00e4ndert, wenn dem Punkte c eine andere Lage gegeben wird, findet, dass die Lichtstrahlen sich nicht genau in einem Punkte, sondern in einer krummen Linie (kaustischen Linie) schneiden, von der Art, wie sie in Fig. 27 f\u00fcr parallel auffallende Strahlen dargestellt ist. B B ist hier die brechende Kugelfl\u00e4che, C sind die einfallenden Strahlen,\nG F G die kaustische Linie, welche durch die Durchschnittspunkte je zweier zun\u00e4chst auf einander folgender gebrochener Strahlen gebildet wird.\nDie mittelsten Strahlen vereinigen sich in der Spitze dieser Linie bei F.\nWenn wir uns auf diejenigen Strahlen beschr\u00e4nken, welche nahe senkrecht auf die brechende Fl\u00e4che, also sehr nahe der Axe auf sie fallen, so sehen wir aus der Fig. 26, dass, wenn der Punkt c sehr nahe an b r\u00fcckt, das Verh\u00e4ltniss cp\tbp\n\u2014 \u00fcbergeht in \u2014 \u2022 Die Gleichung 2) wird dann also cq\tb q\t\u00b0 \u2019","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 9.\nBezeichnen wir den Radius ab der brechenden Fl\u00e4che mit r, die Entfernung\nb p mit f,, b q mit f\u201e , a p mit g,, a q mit g\u201e ,\nso dass also\nso wird die Gleichung 2 b)\nf, \u25a0+- r = 9, fu\t9H\nf, + \u00bb\u2022\noder\nn\u201e f,\n*\u00bbi fn\tfn\nK (9, \u2014 ?') _ II.\nn, (g\u201e + r) g\u201e\nDaraus erh\u00e4lt man durch eine leichte Umformung:\nJ _j_ !hi \u2014 Vz!1\nf,\nL\noder\nr!h,\tJ\n9 !\t9 n\nr\nn\u201e \u2014 n,\n2 c),\n4),\naus denen die gesuchte Gr\u00f6sse (\u201e oder g\u201e zu bestimmen ist.\nNennen wir die Werthe von f\u201e und g\u201e, welche einer unendlichen Entfernung des leuchtenden Punkts entsprechen, beziehlich F\u201e und G\u201e, so erhalten wir, da f = ex: und g, = oo\nF ... . JJL_\n\" n\u201e \u2014 n,\n3 a).\nn, r\nSetzen wir f\u201e und g \u201e unendlich gross, und bezeichnen f\u00fcr diesen Fall f, und g, mit F, und G,, so ist\nF, =\t\u2014 = G\u201e I\n\u00ab\u00ab \u2014 n, (\nG, =\nn\u201e r\n= F\u201e\n3 b)\n1\n3 c).\nn\u201e \u2014 n,\nund nun k\u00f6nnen wir den Gleichungen 3) die einfache Form geben\nF, , Fj,\nf,\tL\nGi +\n9i\t9u\nDie erste dieser Gleichungen giebt, nach f, und nach f\u201e aufgel\u00f6st, folgende Formeln zur Berechnung dieser Gr\u00f6ssen\nF f\nM11 n\nf, =\nL =\nfn\tFI,\nFJ,\nfi Fi\n3 d).","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"GESETZE DER BRECHUNG IN SYSTEMEN KUGELIGER FL\u00c4CHEN.\n45\n\u00a7. 9.\nFindet man negative Wcrthe dieser Gr\u00f6ssen, so bedeutet es, dass sie auf der entgegengesetzten Seite der brechenden Fl\u00e4che liegen, als in Fig. 26 angenommen ist.\nBemerkungen. 1) Wenn das Licht nicht von p im ersten Medium, sondern von q in zweiten ausgeht, wird f\u00fcr den Strahl cq Fig. 26, der vorher der gebrochene Strahl, jetzt der einfallende ist, cp der zugeh\u00f6rige gebrochene sein, welcher vorher der einfallende war. Sind also die nahe senkrecht von p auf die brechende Fl\u00e4che fallenden Strahlen in q vereinigt, so werden die von q nahe senkrecht auffallenden in p vereinigt werden. Daraus ergeben sich nun sogleich die Formeln f\u00fcr den Fall, dass die Lichtstrahlen auf die concave Seite der Kugelfl\u00e4che fallen. Man braucht nur das erste Medium jetzt das zweite zu nennen und umgekehrt, und dem entsprechend alle Indices der Buchstaben zu vertauschen. Die Grundgleichungen 3) werden alsdann\nfa\n!h_\nf,\n3. +\t_ n, \u2014 n\u201e\n9\u201e\t9,\tr\nMan braucht also f\u00fcr eine concave brechende Fl\u00e4che nur den Kr\u00fcmmungsradius r negativ zu setzen, so gilt auch f\u00fcr sie die Formel 3), und nat\u00fcrlich gelten eben so auch die daraus abgeleiteten 3a), 3b), 3c) und 3d).\n2)\tWenn q das Bild von p ist, ist auch p das Bild von q. Um diese gemeinsame Beziehung auszudr\u00fccken, nennt man sie conjugirte Vereinigungspunkte, wobei man es zweifelhaft l\u00e4sst, von welchem beider Punkte das Licht ausgeht. Eben so ist es f\u00fcr die Brechungsgesetze einerlei, ob der Licht aussendende Punkt ein materieller, Licht erzeugender oder auffallendes Licht zerstreuender Punkt sei, oder nur der Vereinigungspunkt von gebrochenen Strahlen. Daher kann der leuchtende Punkt auch ein virtueller Vereinigungspunkt solcher Strahlen sein, und in der Verl\u00e4ngerung der Strahlen hinter der brechenden Fl\u00e4che liegen.\n3)\tIch bemerke noch, dass auch die Gesetze der Reflexion der Strahlen an gekr\u00fcmmten Spiegeln aus den gegebenen Formeln 3) hervorgehen, wenn man nn = \u2014 nl setzt. Wir werden dergleichen Formeln f\u00fcr die Spiegelbilder, welche die brechenden Fl\u00e4chen im Auge geben, zuweilen brauchen. Gew\u00f6hnlich zieht man es jedoch vor, f\u00fcr solche Spiegel die Bezeichnung anders zu w\u00e4hlen. Setzen wir in der ersten Gleichung 3) statt nn \u00fcberall \u2014nn so erhalten wir\n\\___J_ _ _ !\nT ~ L ~ ~ ^\nIst r nach unserer bisherigen Bezeichnung positiv, d. h. der Spiegel convex,\nr\nso w\u00fcrde f\u00fcr f( = oo der Werth von fn werden gleich \u2014-, also positiv, d. h. der\n2\nVereinigungspunkt der Strahlen liegt hinter der spiegelnden Fl\u00e4che, ist nur virtuell. W\u00e4re der Spiegel concav, r also negativ, so wird auch f negativ, das Bild des leuchtenden Punktes liegt vor dem Spiegel und ist reell. Gew\u00f6hnlich zieht man vor, die Entfernungen der reellen Bilder vom Spiegel positiv zu nennen. Man giebt also dem fn und dem Radius der spiegelnden Fl\u00e4che r entgegengesetzte Vorzeichen als bei brechenden Fl\u00e4chen, und schreibt demnach die Grundgleichung","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 9.\n4) Wenn r unendlich gross, d. h. die brechende Fl\u00e4che eben wird, so werden nach 3 a) auch die Brennweiten unendlich gross, und die erste der Gleichungen 3) verwandelt sich in\noder\n1l\ti ''la\nf, f\u201e\nL\n\n3e).\nDas Bild liegt also auf derselben Seite von der brechenden Fl\u00e4che, aber in einer anderen Entfernung.\nAbbildung von Objecten durch eine brechende Kugelfl\u00e4che.\nWenn im Folgenden die Bede von Objecten ist, deren Bilder durch gekr\u00fcmmte brechende Fl\u00e4chen entworfen werden, so sind darunter stets ebene Objecte verstanden, deren Fl\u00e4che senkrecht steht gegen die Axe des optischen Systems, und von denen nur solche Lichtstrahlen ausgehen, die erstens nahe senkrecht auf die brechenden Fl\u00e4chen fallen, und zweitens mit der Axe sehr kleine Winkel ein schliessen.\nWenn eine kugelige brechende Fl\u00e4che von einem leuchtenden Punkte ein Bild entwirft, so k\u00f6nnen wir die Verbindungslinie dieses Punktes mit dem Mittelpunkte als Axe betrachten. Wenn ein Object von der beschriebenen Art da ist, m\u00fcssen wir das von dem Mittelpunkte auf die Ebene des Objects gef\u00e4llte Loth als die Axe betrachten.\nEs sei in Fig. 28 p r die Axe, s p senkrecht zu p r ein Durchschnitt der Ebene\ndes Objects, s ein leuchtender, seitlich neben der Axe liegender Punkt, a der Mittelpunkt der brechenden Fl\u00e4che, t das Bild von s. Es soll die Lage von t bestimmt werden durch zwei rechtwinkelige Coordinaten r a und rt, jenes parallel, dieses senkrecht zur Axe.\nAbstraliiren wir zun\u00e4chst von p, r und den \u00fcbrigen vorhandenen leuchtenden Punkten des Objects s p, so muss das Bild von s, wie aus der bisherigen Untersuchung hervorgeht, zun\u00e4chst in der Verl\u00e4ngerung der Verbindungslinie von s und \u00ab liegen, so dass also s a und a t eine gerade Linie bilden.\nBezeichnen wir s a mit y( und a t mit y\u201e, so ist nach Gleichung 3 c)\nT, Y\u00ab\nBezeichnen wir ferner pa mit gn ar mit x und den Winkel sup mit a, so ist\nFig- 2F\nX\ncos a\nDie Werthe von y/ und yu in die Gleichung 4) gesetzt ergeben :\nG, G\u201e 1","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"GESETZE DER BRECHUNG IN SYSTEMEN KUGELIGER FL\u00c4CHEN.\n47\n\u00a7\u2022 9.\nDa nach der vorangeschickten Voraussetzung \u00fcber die Gr\u00f6sse der abzubildenden Objecte\tder\tWinkel\ta\tsehr\tklein sein\tsoll,\tso\tunterscheidet\tsich\tcos a\tvon\t1\tnur\num ein\tKleines\tzweiter\tOrdnung,\tund\tkann\tdaher ann\u00e4hernd\t~\t\\\tgesetzt\twerden.\nDann erhalten wir\n\u00a3 + \u00a3 = 1.\n9,\tx\n1st gL die Entfernung des Bildes von p von a, so ist\nG' I\t=\tI,\n9,\tg\u201e\nalso\t\u00e6\t=\t9 \u201e\tf.................5).\nDer Fusspunkt des Lothes tr ist also das Bild von p.\nDie Bilder der Punkte, welche in einer durch p gegen die Axe senkrecht gelegten Ebene liegen, liegen also auch ann\u00e4hernd in einer gegen die Axe senkrechten Ebene, welche durch das Bild von p gelegt ist.\nHat man also zuerst das Bild r von p gesucht, und durch r eine gegen die Axe senkrechte Ebene gelegt, so findet man die Orte der Bilder aller einzelnen Punkte des leuchtenden Objects leicht, indem man durch den betreffenden Punkt des Objects und den Mittelpunkt der brechenden Kugelfl\u00e4che eine gerade Linie legt; wo diese die durch r gelegte Ebene schneidet, ist der Ort des Bildes.\nAus dieser Construction folgt nach bekannten geometrischen S\u00e4tzen, dass das Bild dem Objecte geometrisch \u00e4hnlich ist.\nDaraus ergiebt sich ferner leicht das Verh\u00e4ltnis der entsprechenden Lineardimensionen des Objects zu denen des Bildes. Nennen wir z. B. sp als eine solche Dimension des Objects \u00df,, und tr als die zugeh\u00f6rige des Bildes \u2014\u00df (negativ, weil sie an der entgegengesetzten Seite der Axe liegt), so ist:\n_ A -3 II\n\u00df//\tfl n\noder in Verbindung mit 2 c), 3 a), 3 b) und 3 c)\n\u00df\" \u2014 G-\t__ g,\u20149\u201e\n\u00df,\noder\nG, \u2014 9, F.\n\u00df, \u2018 F-f'\nG,\nFmZZ\u00ce\u00bb\nF\u201e\n. 6)\n6 a) 6 b).\nWenn die brechende Fl\u00e4che eben ist, werden die Brennweiten unendlich gross, und die Gleichung 6 b) verwandelt sich in\nI = *\n\u00df/\n6 c).\nDas Bild, welches eine ebene brechende Fl\u00e4che entwirft, ist also so gross wie sein Object.\nVerallgemeinerung der bisher gewonnenen Formeln. Wir wollen zun\u00e4chst die oben definirten Begriffe der Brennpunkte, Hauptpunkte und Knotenpunkte auf unseren Fall anwenden.\nDie Brennpunkte sind diejenigen, in denen sich Strahlen vereinigen, die im ersten oder zweiten Mittel parallel der Axe verlaufen. Die Entfernungen der beiden Brennpunkte F; und Fn von dem Scheitel der brechenden Fl\u00e4che, und G, und G\u201e","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 9.\nvon deren Mittelpunkte sind schon oben in den Gleichungen 3 a) und 3 b) gefunden, und dadurch ist die Lage der Brennpunkte bestimmt.\nDie Brennebenen sind senkrecht durch die Brennpunkte gelegte Ebenen. Da das Bild jedes Brennpunktes in unendlicher Entfernung liegt, so muss dasselbe auch f\u00fcr solche Punkte der Brennebenen der Fall sein, welche der Axe nahe genug sind, um regelm\u00e4ssige Bilder geben zu k\u00f6nnen. Strahlen, die von einem Punkte einer Brennebene ausgehen, werden also nach der Brechung parallel sein.\nDie Hauptpunkte und die durch sie senkrecht zur Axe gelegten Hauptebenen sind dadurch charakterisirt, dass Bilder in den Hauptebenen liegend gleich gerichtet und gleich gross seien. F\u00fcr die Hauptebenen muss also \u00df; = \u00df/( sein. Das kann nach den Gleichungen 6b) nur der Fall sein, wenn f,\u2014 0 und f\u201e = 0, was laut der Gleichungen 3 d) stets gleichzeitig der Fall sein muss. Beide Hauptpunkte fallen also in unserem Falle zusammen in den Punkt, wo die Axe die brechende Fl\u00e4che schneidet, und dieser Hauptpunkt ist sein eigenes Bild.\nDie Knotenpunkte sind dadurch defmirt, dass jeder Strahl, der vor der Brechung durch den ersten geht, nach der Brechung durch den zweiten geht, und dabei seiner ersten Richtung parallel bleibt. Auch diese beiden fallen in einen Punkt, n\u00e4mlich den Mittelpunkt der Kugel zusammen. Denn ein Strahl, der im ersten Mittel auf den Mittelpunkt der Kugel zugeht, geht ungebrochen durch die Fl\u00e4che, geht also auch im zweiten Mittel durch den Mittelpunkt, und ist seiner fr\u00fcheren Richtung parallel.\nDie Constructionen der Richtung der Strahlen, welche oben aus den Definitionen der genannten Ebenen und Punkte hergeleitet -sind, lassen sich also auch auf eine einzelne brechende Fl\u00e4che anwenden, und die Constructionen vereinfachen sich noch dadurch, dass erstens jeder Punkt in der ersten Hauptebene sein eigenes Bild ist, und man nicht erst den zugeh\u00f6rigen in der zweiten Hauptebene zu suchen hat, und zweitens dadurch, dass der nach dem ersten Knotenpunkte gehende Strahl unmittelbar in seiner eigenen Verl\u00e4ngerung weiter geht, und man nicht erst eine Parallele mit ihm durch den zweiten Knotenpunkt zu legen hat.\nWir haben unter 3c) zwei Gleichungen ganz \u00e4hnlicher Form aufgestellt, hei denen aber die Entfernungen der Bilder von verschiedenen Punkten aus gemessen waren. Gleichungen von derselben einfachen Form erhalten wir immer, wenn wir die Entfernungen der Vereinigungspunkte, welche dem ersten Mittel angeh\u00f6ren,\nvon einem beliebigen Punkte s Fig. 29 der Centrallinie ap an messen , und von dem Bilde t dieses Punktes aus die Entfernungen der Ver-Fig. 29.\teinigungspunkte, die dem\nIst also t das\tBild von s, q das Bild\t\tvon p.\t\u2022 Pl\tder erste\nHauptbrennpunkt,\tund bezeichnen wir\t\t\t\t\n\ts a\tmit /i ,\tP1 a\tmit\tFi,\n\tt a\tmit jf2,\tP-2 a\tmit\tF\n\tp a\tmit \u00abpj ,\t\t\t\n\tq a\tmit <p2\u2019\t\t\t\n\tp S\tmit\t,\tqt\tmit\t^2\u2019\n\tl\\s\tmit \u2014 //,,\t<1 P\u20182\tmit\t\u2014 //2,\n/\u20182 der zweite\nso ist","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"GESETZE DER BRECHUNG AN EINER KUGELIGEN FL\u00c4CHE.\n49\n\u00a7\u2022 9-\n*)\tFi fi\t+ 3 -U '\t= 1\n\u00df)\tFx\tFn\t\n\t\tI\t~ \u2014\t= I\n\t<Pi\t92\t\n7)\t9i\t\u2014 fl \u2014\tAi,\nS)\t9z\tfl =\tA2,\n\u00bb\ts)\tFi\t-fl =\tUl\n0\tF2\tft \u2014\th2.\naus y und 8 die\tWerthe von ox\t\tund\nFi\nK + fi\nFi (Aa \u2014f-/\u2019s) + F2 (Aj\nA 2 + fl ~F fi) =\n= 1 : (Ax ~|\noder\nTi) (V\n-/*)\u2022\nSubtrahirt man hiervon die aus ec abzuleitende Gleichung\nAA + F*u = uu,\nso erh\u00e4lt man als Rest\nFi h-2 -+\u25a0 F-2 hx = Ax A2 + Aj /\"2 + A2 fx (Fx \u2014 /\"x) A2 H- (F2 \u2014 f2) Aj = Aj A2.\noder\nwas verm\u00f6ge der Gleichungen s und \u00c7 sich verwandelt in Hx A2 - |- //.2 Aj = Aj A2 oder\n7).\nWenn man also als Ausgangspunkte f\u00fcr die Messung der Abst\u00e4nde irgend ein Paar zusammengeh\u00f6riger Vereinigungspunkte von Lichtstrahlen benutzt, kommt man immer wieder zu derselben einfachen Formel zur\u00fcck. Da in der brechenden Fl\u00e4che selbst und in ihrem Mittelpunkte der leuchtende Punkt mit seinem Gegenst\u00e4nde zusammenf\u00e4llt, sind diese beiden Punkte ihre eigenen Bilder, und die Formeln 3c) bilden deshalb nur specielle F\u00e4lle von 7).\nWenn man den Punkt s in den ersten Brennpunkt verlegt, wird die Gleichung 7) unbrauchbar, weil //2 und Aa unendlich gross werden. Man findet aber die entsprechende Gleichung leicht aus der ersten der Gleichungen 3 d)\nZieht man von beiden Seiten F, ab, so erh\u00e4lt man\nf, - f, =\ti.......................7a)-\nSetzen wir hier /, \u2014 F,.= /y, und fn \u2014 FH = lu, wobei l, die Entfernung des leuchtenden Punktes vom ersten Brennpunkte aus nach vorn gerechnet, ln die Entfernung seines Bildes vom zweiten Brennpunkte aus nach hinten sein w\u00fcrde, so erhalten wir die einfachste Form, in der sich das Gesetz f\u00fcr die Lage der\nBilder darstellen l\u00e4sst :\nl,L = F, F\u201e\t\\.............................7 b).\nEncyklop. d. Physik. \u00cfX. Helmholtz , Physiol. Optik,\t4","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 9.\nIn derselben Bezeichnungsweise Gleichung 6 b)\nfc. =\nwird das Gesetz fiir die Gr\u00f6sse der Bilder, die\nBeziehung zwischen der GV\u00f6sse der Bilder und Converg^nz der Strahlen.\nEs sei in Fig. 50 pq die Axe, sp ein Object und qr sein Bild. Wir wollen die Winkel ax und a2 bestimmen, welche einer der von p ausgehenden Strahlen p c vor\nund nach der Brechung mit der Axe macht, und diese Winkel positiv rechnen, wenn der Strahl sich in Richtung der als 1' positiv gerechneten Bilder von der Axe entfernt. Es ist also [_ cp a = (Xj , l_ c q a = \u2014 a2 \u2022 Es sei ferner, wie bisher,\ns P = \u00df, , q r = \u00dfa-ap = f1, aq=zf\u00b1. Da die Einfallswinkel der Strahlen an der brechenden Fl\u00e4che immer sehr klein bleiben sollen, muss ca ein sehr kleiner Bogen sein, den wir ann\u00e4hernd als eine gegen die Axe senkrechte gerade Linie betrachten k\u00f6nnen. WTir k\u00f6nnen also setzen\nac = ft tg a,,\na c = \u2014 /2 t(j a.2, also\nfi tg\u00abi = \u2014 U tg a2 i..............................a.\nFig. 50.\nWir haben ferner nach 3d) und 6b)\nfZ\t^2\t_ fi fjt\nfi fi \u2014Fi\tFi\n\u00dfa __ Fi_________ ___ f 2\t/2\n\u00dfi F1\u2014f1\tF.,\nF\t71\nund \u2014 = \u2014 nach 3 a) und 3 b). Daraus folgt :\n'i\tni\nfi ^2\t\u00dfi\nfi ~~\t\u00ab1\t\u00dfi\nDies in die Gleichung A gesetzt, giebt\n% \u00dfj Uj \u00abi = n.2 \u00df2 tg a2 \\.........................7 d).\nDiese Gleichung spricht ein wichtiges Gesetz aus, welches die Gr\u00f6sse der Bilder mit der Divergenz der Strahlen verkn\u00fcpft, unabh\u00e4ngig von der Entfernung und der Brennweite der brechenden Fl\u00e4che.\nBrechung in Systemen von Kugelfl\u00e4chen.\nWir wollen jetzt die Gesetze der Brechung in centrirten optischen Systemen untersuchen, d. h. solchen, welche eine Reihe von brechenden Kugelfl\u00e4chen enthalten, deren Mittelpunkte alle in einer geraden Linie, der optischen Axe des Systems, liegen.","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 9.\nGESETZE DER BRECHUNG IN SYSTEMEN KUGELIGER FL\u00c4CHEN.\n51\nVorn nennen wir in Bezug auf das System die Seite, von der das Licht herkommt, hinten die, wo es hingeht. Die brechende Fl\u00e4che, welche das Licht zuerst trifft, ist die erste, das Medium, welches vor der ersten brechenden Fl\u00e4che gelegen ist, das erste, das zwischen der ersten und zweiten gelegene das zweite, das hinter der letzten, das letzte. Wenn wir m brechende Fl\u00e4chen haben, so haben wir m -+- 1 brechende Medien. Es sei \u00bb, das Brechungsverh\u00e4ltniss des ersten, n2 des zweiten, nm+,\\ des letzten brechenden Mittels. Wie bisher nehmen wir die Radien der brechenden Fl\u00e4chen positiv, wenn deren Convexit\u00e4t nach vorn, negativ, wenn sie nach hinten sieht. Auch bemerke ich hier gleich ein f\u00fcr alle Mal, dass, wenn von einem Strahlcncentrum oder Bilde gesprochen wird, welches in einem gewissen brechenden Mittel liege, oder diesem angeh\u00f6re, darunter auch stets der Fall mitverstanden ist, wo das Bild potentiell ist, und erst durch Verl\u00e4ngerung der Strahlen \u00fcber die Grenzen des Mittels hinaus entstehen w\u00fcrde.\nZun\u00e4chst wissen wir aus der bisherigen Untersuchung, dass homocentrische Strahlen, welche unter kleinen Einfallswinkeln auf kugelige brechende Fl\u00e4chen fallen, homocentrisch bleiben. Daraus folgt, dass homocentrische Strahlen, welche unter kleinen Winkeln gegen die Axe in das optische System eintreten, nach jeder Brechung homocentrisch bleiben, und eben so aus der letzten brechenden Fl\u00e4che wieder heraustreten. Wenn das einfallende Licht einer Anzahl von Vereinigungspunkten angeh\u00f6rt, welche alle in einer auf der optischen Axe senkrechten Ebene liegen, so wissen wir ferner, dass nach der ersten Brechung die Vereinigungspunkte wieder alle in einer auf der optischen Axe senkrechten Ebene liegen, und ihre Vertheilung der fr\u00fcheren geometrisch \u00e4hnlich ist. So wird es daher auch nach jeder folgenden Brechung sein, und auch das letzte Bild wird dem urspr\u00fcnglichen geometrisch \u00e4hnlich sein, und wie dieses in einer auf die optische Axe senkrechten Linie liegen.\nIndem man nun das Bild, welches von der ersten brechenden Fl\u00e4che entworfen ist, als den Gegenstand f\u00fcr die zweite betrachtet, das Bild der zweiten als den Gegenstand der dritten u. s. w., kann man ohne besondere Schwierigkeit schliesslich Gr\u00f6sse und Lage des letzten Bildes berechnen. Allerdings werden aber die Formeln schon bei einer m\u00e4ssigen Zahl brechender Fl\u00e4chen bald sehr weitl\u00e4ufig.\nHier kommt es uns nur darauf an, einige allgemeine Gesetze zu beweisen, welche f\u00fcr jede beliebige Zahl brechender Fl\u00e4chen g\u00fcltig sind, was uns f\u00fcr das Auge desto wichtiger ist, da dieses in den verschiedenen Schichten der Krystal-linse unendlich viele brechende Fl\u00e4chen enth\u00e4lt, die Rechnung auf dem angedeuteten Wege also doch nicht zu Ende zu f\u00fchren sein w\u00fcrde. .\n1. Zuerst will ich zeigen, dass das in Gleichung 7) f\u00fcr eine Fl\u00e4che ausgesprochene Gesetz auch f\u00fcr beliebig viele gilt.\nEs sei in Fig. 51 die mit 1 bezeichnete brechende Fl\u00e4che die erste, die mit (m\u2014I) bezeichnete die vorletzte, die mit m bezeichnete die letzte Fl\u00e4che des\nFig. si.\nSystems. Wenn s der Vereinigungspunkt der eintretenden Strahlen ist, sei u der der austretenden, wenn p der der eintretenden ist, sei r der der austretenden. Wir bezeichnen p s mit /fj , u r mit hm+1, so will ich beweisen, dass\n4","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 9.\nwo Hy der Abstand des ersten Hauptbrennpunktes von s, //2 der des zweiten von u ist.\nUm das Gesetz allgemein zu beweisen, werde ich zeigen, dass, wenn es f\u00fcr ein System von (m-\u20141) Fl\u00e4chen richtig ist, es auch f\u00fcr m Fl\u00e4chen gilt. Da es nun f\u00fcr eine Fl\u00e4che bewiesen ist, folgt dann, dass es auch f\u00fcr zwei, und wenn f\u00fcr zwei, auch f\u00fcr drei u. s. w. in infinitum richtig sei.\nDas System der (m\u2014I) ersten Fl\u00e4chen entwerfe von dem Punkte s das Bild t, und von dem Punkte p das Bild q, und t q werde bezeichnet mit hm. Die Entfernungen der Hauptbrennpunkte des Systems der (m\u2014I) Fl\u00e4chen von den Punkten s und t seien bcziehlich Ly und L.2, die Entfernungen der Hauptbrennpunkte der letzten mten Fl\u00e4che von den Punkten / und n seien beziehlieh My und M2, wobei alle diese Entfernungen immer von den Punkten s, t und u aus in der Richtung positiv gerechnet werden, in welcher das brechende Medium, dem die betreffenden Strahlenb\u00fcndel angeh\u00f6ren. von den betreffenden brechenden Fl\u00e4chen oder Systemen liegt. Nun haben wir nach der Voraussetzung\nh\n>h\nAI,\n+\niu\nm-f- 1\nWenn wir die erste dieser Gleichungen mit L2, die zweite mit .1/, dividiren, und beide addiren, erhalten wir\nh\n/\u25a02\n^1 Ly My -h L,\nJ_ M.z 1\t_ I\nj1/i Ki+1 Lz\n_L , h 1\nhy\tMy -h L.2\th ,\ni\ti\tz\tm-f-1\n1\nMy\n\\.\noder\nSetzen wir hy = oo, wobei Am+1 = If.2 werden muss, so ergiebt diese Gleichung\n//2 =\nM* L 2\nMy -I- L.y\nund setzen wir Am h i = oc, wobei hx = Hy werden muss, so ergiebt sich\nalso schliesslich\nHy\nIly Ly\nMy -|- L.,\nhy\nHi\n8),\nwie zu beweisen war.\nDiese Gleichung liefert f\u00fcr jeden reellen Werth zwischen + oo und \u2014 oo von hy einen und nur einen von hm+y, und eben so f\u00fcr jeden der letzteren Gr\u00f6sse einen und nur einen von hy. Der erste wie der letzte Vereinigungspunkt k\u00f6nnen also an jeder Stelle der Axe liegen, und sobald der eine gegeben ist, ist auch die Lage des anderen eindeutig bestimmt.\n2. Jedes optische System hat zwei und nur zwei zusammengeh\u00f6rige Vereinigungspunkte der Lichtstrahlen, in denen die Gr\u00f6sse eines auf die Axe senkrechten ebenen Bildes der des zugeh\u00f6rigen Gegenstandes gleich wird. Wir nennen die","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"GESETZE DEE BRECHUNG IN SYSTEMEN KUGELIGER FL\u00c4CHEN.\n53\n\u00a7. 9.\nEbene eines solchen Gegenstandes die erste und die des zugeh\u00f6rigen Bildes die zweite Hauptebene des Systems, und die beiden Punkte, wo sie die optische Axe schneiden, bcziehlich den ersten und zweiten Hauptpunkt. Die zu den Hauptpunkten geh\u00f6rigen Hauptbrennweiten sind den zugeh\u00f6rigen Brechungsverh\u00e4ltnissen des ersten und letzten Mittels proportional.\nEs sei sp der abgebildete Gegenstand, p ein Punkt desselben in der Axe, s ein anderer seitlich davon. Wenn wir den Gegenstand l\u00e4ngs der Axe verschieben,\nFig. 32.\nso dass er immer sich selbst parallel bleibt, so wird sich der Punkt s in der mit der Axe parallelen Linie s t bewegen. Der Lichtstrahl s t wird also stets dem Punkte s angeh\u00f6ren, welches auch die Entfernung p q sein m\u00f6ge. Die der Axe parallelen Lichtstrahlen werden nun durch das brechende System so gebrochen, dass sie schliesslich durch den zweiten Hauptbrennpunkt P.2 gehen. Es sei rw der Gang des Lichtstrahls s t nach der letzten Brechung. Da s t stets dem leuchtenden Punkte s angeh\u00f6rt, muss rw stets dem Bilde dieses Punktes angeh\u00f6ren, d. h. das Bild von s muss in rw liegen. Es sei fg das Bild von sp, welches nach dem Vorausgeschickten senkrecht gegen die Axe uv sein muss. Wenn p sich l\u00e4ngs der Axe verschiebt, wird sich auch f l\u00e4ngs uv, und g l\u00e4ngs rw verschieben, und es ist ersichtlich, dass die Gr\u00f6sse des Bildes fg sich hierbei proportional dem Abstande P2 f \u00e4ndern muss, wie dasselbe f\u00fcr eine einfache brechende Fl\u00e4che oben in den Gleichungen 6 a) und 6 b) ausgesprochen ist. Da ferner aus Gleichung 8) zu ersehen ist, dass die Entfernung P2 f jeden beliebigen Werth zwischen -f- oo und \u2014 oo annehmen kann, so wird auch die Gr\u00f6sse des Bildes, wenn wir die eines umgekehrten Bildes negativ bezeichnen, jeden zwischen diesen Grenzen liegenden Werth annehmen k\u00f6nnen, und einen jeden nur einmal annehmen k\u00f6nnen. Es wird also auch seinem Gegenst\u00e4nde s p an einer und nur an einer Stelle gleich werden m\u00fcssen ; es sei c, b2 in diesem Falle der Gegenstand und c2 b2 das ihm gleiche Bild, so bezeichnen diese beiden Linien die Lage der sogenannten Hauptebenen des Systems.\nBezeichnen wir nun\nso ist\nsp \u2014 c2b2 = $ i,\nfg \u2014 \u2014 \u00dfz>\nIhP,\t=\tFl,\tW p\t=\t/i,\nb-z P%\t\u2014\tF%,\tb2 f\t.\u2014\tf j,\n62 b2\tb2 P2\n= -f-j oder\nfg\tP\u2018i f\n\u00dfi _ Fa\n\u00dfa\tf%\tP\u2018i\n8 a),\nund da nach Gleichung 8)","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nERSTER ABSCHNITT. DIE DI01TRIK DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 9.\nso erh\u00e4lt man entsprechend der f\u00fcr eine brechende Fl\u00e4che geltenden Gleichung 6 b)\n\u00ca1 -\tF\u00ab\t= F> ~ f'\n\u00df2 Fa \u2014 U\tFi\nNennen wir die Entfernung der zusammengeh\u00f6rigen Bilder von den Brennpunkten lt und ?2, so dass also\n8b).\nk\nl.\nfi\nf*l\n\nso erhalten wir aus der Gleichung 8 a) in derselben Weise die einfachste Form f\u00fcr das Gesetz der Lage der Bilder eines zusammengesetzten Systems, wie wir f\u00fcr die einer einzelnen Fl\u00e4che aus Gleichung 3d) die 7b) erhalten haben, n\u00e4mlich\nk 1-2 \u2014 F1 /'2 \u00dfi _ __ l\n\u00df2\n\u00df\u20182 _____\n\u00dfl\nFi\n1-2\nF,\n8 c),\n8 d).\nUm endlich das Verh\u00e4ltniss der Gr\u00f6ssen Fl und F2 zu finden, wenden wir das in der Gleichung 7 d) ausgesprochene Gesetz auf den Strahl an, welcher vor der Brechung durch s und bl, nach der Brechung also durch i2 und <j geht.\nNennen wir die Gr\u00f6sse eines in der ersten Hauptebene enthaltenen Bildes y(, die Reihe der Bilder, welche bei den einzelnen Brechungen in dem Systeme gebildet werden, y;;, y/(( etc. und ym+i das in der zweiten Hauptebene nach der letzten Brechung entworfene. Nach der Definition der Hauptebenen ist y; = ym+1. Nennen wir ferner a, den Winkel zwischen dem Strahl s b: und der Axe im ersten Mittel, a\u201e, a//( u. s. w. in den folgenden Mitteln, am + j im letzten Mittel, so dass\nL\t*b1p\t=\t\u2014\ta,,\nL\t0Kf\t=\t\u2014\t+ r\nNach der Gleichung 7 d) ist\n\u00ab, T, l!) h n\u201e hi 19 \u00ab\u25a0\u201e u. s. w.\nn, h tg \u00ab,\n= y\u00bbl H 1 , SO ist\nn tq a, = n . tu a . i .\nFerner ist mit Ber\u00fccksichtigung der oben aufgestellten Bezeichnungen sp\t=\t\u00dfx\t=\t\u2014\tfi\ttg a,.\nfg\t=\t\u2014 \u00df2\t=\t\u2014\th\tt(J am+r folglich\nn,\n= h.h.tghr\n= h,, hu fg hi, woraus folgt\ntq a\nm -+-1 lffl + 1\noder da\n9),\n9 a).\n\u00ab, \u00dfi\nm-t-l\nfl\tfl\nSetzt man in diese Gleichung aus 8 a) den Werth von f2, so erh\u00e4lt man \u00bb,\u00df.i\t\u00bb\u00ab + i\u00dfa\nfi - Fi","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"GESETZE DER BRECHUNG IN SYSTEMEN KUGELIGER FL\u00c4CHEN,\n55\n\u00a7. 9,\nund nach 8 b) ist\nBeide Gleichungen durch\nwas zu beweisen war.\n\u00dfr = _\u00dfs fi-Fi\tfi\neinander dividirt geben\n9 c),\n3. In jedem optischen Systeme giebt es ein und nur ein Paar von Knotenpunkten, wefche die Eigenschaft haben, dass alle Lichtstrahlen, deren Richtung im ersten Mittel durch den ersten Knotenpunkt geht, nach der letzten Brechung eine ihrer fr\u00fcheren parallele Richtung haben, und durch den zweiten Knotenpunkt gehen. Die durch die Knotenpunkte senkrecht gegen die optische Axe gelegten Ebenen heissen die Knotenebenen. Da die im ersten Knotenpunkte sich schneidenden Lichtstrahlen sich also nach der letzten Brechung im zweiten schneiden, so ist der zweite offenbar das Bild des ersten. Die zu ihnen geh\u00f6rigen Brennweiten verhalten sich umgekehrt wie die Brechungsverh\u00e4ltnisse des ersten und letzten Mediums.\nWir gehen von der in der vorigen Nummer gefundenen Gleichung 9) aus :\n\", Y, tg <*/ =\t+1 Tm-M trJ \u00b0Wl \\..................9)-\nWenn wir diese auf die Knotenpunkte beziehen, soll a, \u2014 am+1 werden. Dies wird der Fall sein, wenn\n\", Y, = nm Im-\nDie Lineardimensionen zweier zusammengeh\u00f6riger in den Knotenebenen liegender Bilder verhalten sich also umgekehrt wie die zugeh\u00f6rigen Brechungsverh\u00e4ltnisse des ersten und letzten Mittels.\nDa die Bilder desselben Gegenstandes y, sich verhalten wie ihre Abst\u00e4nde vom zweiten Hauptbrennpunkte, so l\u00e4sst sich dieser Abstand aus der Gr\u00f6sse des Bildes bestimmen. F\u00e4llt das Bild des Gegenstandes y, in die zweite Hauptebene, so ist seine Gr\u00f6sse auch gleich y;, sein Abstand vom Brennpunkte F2; f\u00e4llt es in die zweite Knotenebene, so ist seine Gr\u00f6sse, wie eben bewiesen,\nYm+1 n\tY /\u2022\nSein Abstand vom Brennpunkte sei G.2, so ist\nY\u2014 = ~, also (9 c)\nYm + 1\n=\t= j..........................10a).\nnm+1\t)\nDer Abstand zwischen der zweiten Haupt- und Knotenebene ist danach\n0 -2 - F2\t\u25a0\tG' 2\n=\tF9\t\u2014\tF1.\nDie erste Knotenebene soll das Bild der zweiten sein. Nennen wir ihren Abstand von der ersten Hauptebene al. so dass\nUi -\u2014\tGj\tFj,","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"66\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 9.\nso ergiebt die Gleichung 8 a\nF F\n\u2014 _i _j_ _? \u2014 | , daher \u25a0\u2014: u>2 \u25a0\u2014 F2 frx\nGx = f2 und ?...............................10 b)\n Tim-1-1 G2 nx\n10c).\nMethoden, die Brenn-, Haupt- und Knotenpunkte eines aus zwei anderen zusammengesetzten centrirten Systems brechender Kugelfl\u00e4chen zu finden.\nEs seien gegeben zwei eentrirte optische Systeme A und B, welche dieselbe Axe haben. Es seien p, und p\u201e, Fig. 55, die beiden Brennpunkte, a, und a\u201e die\nFig. SS.\nbeiden Hauptpunkte des Systems A, 7t, und 7t\u201e die Brennpunkte, a, und a\u201e die Hauptpunkte von II. Der Abstand des ersten Hauptpunktes a, des zweiten vom zweiten a\u201e des ersten Systems sei d, und dies werde positiv gerechnet, wenn, wie in Fig. 53, a, hinter \u00ab,, liegt. Die Hauptbrennweiten des ersten Systems a, p und a\u201ep\u201e bezeichnen wir mit /, und fu, die des zweiten a,7t, und oc\u201e 7t\u201e mit <p, und <p\u201e.\nDer erste Brennpunkt des combinirten Systems ist offenbar das Bild, welches das System A vom ersten Brennpunkte 7t, des Systems B entwirft. Ist /, dieser Punkt, so ist klar, wie auch durch den in der Figur von <, ausgehenden Strahl angedeutet ist, dass Strahlen, welche von t, ausgehen, nach der Brechung im ersten Systeme A in 7t, sich vereinigen und nach der Brechung im zweiten parallel der Axe werden m\u00fcssen, so dass also t, der Definition des vorderen Brennpunkts entspricht. Die Entfernung a\u201e 7t, ist gleich d \u2014 cp, ; daraus ergiebt sich f\u00fcr a, <, der Werth\nci. t\n(d~9<) f,\nd \u2014 <? , \u2014 f\u201e\n11 a).\nEben so ist der zweite Brennpunkt des combinirten Systems das Bild, welches das zweite System B von dem zweiten Brennpunkte pn des ersten Systems entwirft. Es sei f\u201e der Ort dieses Bildes, so ist\na/, K\n(d \u2014 fj 9\u00bb\n\u20149 , \u2014 f\u00bb\n11b).\nDie beiden Hauptpunkte des combinirten Systems sollen jeder des anderen Bild sein, und zwar bezieht sich der erste auf den Gang der Lichtstrahlen im ersten Medium, der zweite auf den im letzten. Die beiden Hauptpunkte m\u00fcssen daher ein beiden gemeinsames Bild in dem mittleren Medium haben, was zwischen den beiden optischen Systemen vorhanden ist. Es sei dieses Bild s in Fig. 33, r, und ru dagegen die Hauptpunkte des combinirten Systems. Wenn * das Bild von r,, und ru das Bild von s ist, ist auch r\u201e das Bild von r , und der ersten Bedingung f\u00fcr die beiden Hauptpunkte geschieht dadurch Gen\u00fcge. Die zweite Bedingung f\u00fcr diese Punkte","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"GESETZE DER BRECHUNG IN SYSTEMEN KUGELIGER FL\u00c4CHEN.\n57\n\u00a7. 9.\nist die, dass zusammengeh\u00f6rige Bilder in den Hauptebenen gleich gross und gleich gerichtet seien. Es sei nun a die Gr\u00f6sse eines Objects in s, \u00df; sein Bild entworfen vom System A in rn \u00df/; sein Bild entworfen vom System B in r/;, und x gleich der L\u00e4nge ans, y gleich so.,, so ist nach 8b)\nSoll \u00df' = \u00df/7 sein,\nso muss\noder\nft = u\na\t/a \u2014 ac\nft/ _\t9/\na\t9, \u2014\nA _\t9/\nf2 \u2014 \u0153\t9, \u2014\ty\nx _y_\t)\nU\t'9/\t\u00ce\nan s ___ a, s\nanVn ~~\noder\nMc)\nUm also den Punkt im mittleren Medium zu finden, dessen Bilder die beiden Hauptpunkte sind, theile man die Entfernung zwischen dem zweiten Hauptpunkte des ersten und ersten Hauptpunkte des zweiten Systems in zwei Theile, welche sich verhalten wie die zu diesen Hauptpunkten geh\u00f6rigen Hauptbrennweiten der beiden Systeme.\nDa x -f- y \u2014 d ist nach 11 c)\nx __ d \u2014 x\nJ\u201e _\t9,\nd \u2014 y\ty\n\u2014\u2014- = \u2014. Daraus folgt\nf\u201e\t9/\ndf\u201e\n9/ + ///\ny =\nd 9/\n9/ -I- f,, '\nAus dem Werthe von x findet man die Entfernung alrl \u2014 hl des ersten Hauptpunktes des combinirten Systems vor dem ersten Hauptpunkte des Systems A,\nh, = h, =\nxf,\nx \u2014 L\ndf,\n11 d).\nEbenso die Entfernung allrll\u2014hn des zweiten Hauptpunktes des combinirten Systems hinter dem zweiten Hauptpunkte des Systems B,\nh\u201e\n9 \u201ey\ny \u2014 9/\nh\u201e -\td&\nd 9/\t1 fn\n\\ \\ e).","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nERSTER ABSCHNITT. DJE DIOPTRIE DES AUGES.\t\u00a7\u2022 9-\nDaraus ergeben Systems :\nsich die Werthe F und F\u201e der Hauptbrennweiten des combinirten\na, t, \u2014 a, r, ' 9,f,\n9/ \u25a0+\"/\u2019//' d\nv-n t\u201e \u2014 r,\n9\u00bb f\u201e\n9/ + fn \u2018 d\n\\ 1 f).\nHat man die Haupt- und Brennpunkte gefunden, so findet man die Knotenpunkte sehr leicht, da der Abstand des ersten Knotenpunktes vom ersten Brennpunkte gleich ist der zweiten Hauptbrennweite, der Abstand des zweiten Knotenpunktes vom zweiten Brennpunkte der ersten Hauptbrennweite.\nWill man nur die Knotenpunkte, nicht die Hauptpunkte suchen, so kann man 9 ein \u00e4hnliches Verfahren einsclilagen wie f\u00fcr die Hauptpunkte, wobei man die Bedingung benutzt, dass die linearen Dimensionen zusammengeh\u00f6riger Bilder in den Knotenebenen sich umgekehrt wie die Brechungsverh\u00e4ltnisse der betreffenden Media verhalten.\nEs seien in Fig. 55 jetzt a, und an, a, und a\u201e nicht mehr die Hauptpunkte, sondern die Knotenpunkte der beiden Systeme A und B, rt und rn die Knotenpunkte des combinirten Systems, ihr gemeinsames Bild im mittleren Medium der Punkt s, so dass nun\na,P, - f\u201e\n(,ll Pu\tf I\nan s = x\nEs ist\na,r, =\na\u00bb J a\nIst nun c die lineare Gr\u00f6sse eines Objects im Punkte s des mittleren Mediums, \u00df die seines vom System A in r( entworfenen Bildes, \u00df/( die seines vom System B in r entworfenen Bildes, so ist nach den bekannten Eigenschaften der Knotenpunkte\n\u00df, _\t_ f\u00bb\na\tx\tx \u2014\u25a0 f\\\n\u00df\u00ab _ ^nZlL _\t9/\t.\na\ty\ty \u2014 9\u00bb\nDa nun in den Knotenebenen, wenn n, das Brechungsverh\u00e4ltniss des ersten, nn des letzten, v des mittleren Mittels ist, sein muss\nn/\u00df, = w//\u00df\u00ab> so folSt> dass\nn, fn _ nu 9/\n* \u2014 f.\na, tu, = cp\u201e a//\t9/\n<*/ s = y-xf\u201e\nX \u2014 f, i/9/\ny \u2014 9//\ny \u2014 9\u00ab","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"GESETZE DER BRECHUNG IN SYSTEMEN KUGELIGER FL\u00c4CHEN.\n59\n\u00a7. 9.\nNun ist aber\nn, fn = v f,\n\u00ab\u00ab 9/ = v > f, __\t9\u00ab\nx~f,\nX\n1, a\u201e s\nalso und\nV ~ 9n\n.\u2014 \u2014 oder 9n\n___ a, s\n\u00abnF\u00ab _ <X,TC,\nDiese selbe Gleichung hatten wir aber auch gefunden in 11c), als wir angenommen hatten, dass die Punkte an au, oc(, a\u201e, r, und ru Hauptpunkte seien. Zur Auffindung der Knotenpunkte des combinirten Systems verf\u00e4hrt man also ganz wie zur Auffindung seiner Hauptpunkte, nur dass man dabei von den Knotenpunkten der einzelnen Systeme, nicht von den Hauptpunkten ausgeht.\nWir wollen hier noch die Formeln f\u00fcr den einfachsten Fall hinschreiben, wo jedes der beiden verbundenen Systeme nur aus einer einzelnen Kugelfl\u00e4che besteht. Es sei ry der Radius der ersten, r.2 der der zweiten Fl\u00e4che, d ihr Abstand von einander, nt das Brechungsverh\u00e4ltniss des ersten, n2 des zweiten, n3 des dritten Mittels. Dann ist nach 3 a) und 3 b)\nfl\nfi\nn, r.\ni-2 \u2014 %\n\u00ab\u25a02 r,\n9x\n9-2\nSetzen wir der K\u00fcrze wegen\n\u00aba (\u00bb3\n2) rl + \u00ab2 (\u00bb2 \u2014 \u00abl) r2 \u2014 (\u00ab3 \u2014\u00ab2) (\u00bb2 \u2014 \u00abl) d = N,\nso sind die Hauptbrennweiten :\nFi\n% \u00bb2 rl r2\nN\n\u00ab2 \u00bb3 fi r2\niV\n12).\nDie Entfernungen der Hauptpunkte ht und /i2 von den Fl\u00e4chen\n \u00ab1 C\u00ab2 \u2014 w3) d r,\n1\tiV\nm3 (\u00ab, \u2014 n2) d r2 N\nDie Entfernung der Hauptpunkte von einander II\nK =\n12a).\nF\u00fcr d -\nH\n: 0 wird /lj :\n\n(w.2 \u2014 wj (w3 \u2014 Mg) Qy \u2014 r.2 \u2014 rf) )\n:/*2\u2014H =\n^ =\niV\nMi r, r.,\n(\u00ab3 \u2014- %) ri + (\u00ab2 \u2014 %)\nm3 n r<z\n(\u00ab3 \u2014 n2) ry -(- (n-2 \u2014 \u00bbJ r2\n12b).","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 9.\nSetzen wir hierin r2 = r,, so erhalten wir\nw, r,\n\u00abs r.\nn3 \u00bb,\nDie Brennpunkte und Hauptpunkte sind dann also genau dieselben, als w\u00e4re nur eine brechende Fl\u00e4che vorhanden; das Resultat ist unabh\u00e4ngig von \u00bb2, Daraus folgt :\nIn einem Systeme von brechenden Kugelfl\u00e4chen k\u00f6nnen wir uns an jeder brechenden Fl\u00e4che eine unendlich d\u00fcnne, durch concentrische Kugelfl\u00e4chen begrenzte Schicht von beliebigem Brechungsverh\u00e4ltnisse eingeschoben denken, ohne die Brechung der Strahlen dadurch zu \u00e4ndern.\nEs wird uns dieser Satz sp\u00e4ter zur Vereinfachung- mancher Betrachtungen dienen.\nEndlich will ich noch die Formeln f\u00fcr Linsen' mit zwei kugeligen Begrenzungs-tl\u00e4chen hersetzen, bei denen das erste und letzte Mittel einander gleich sind,\nalso \u00bb,\n\n\u00abi m2 r, r2\n(\u00aba \u2014 \u00abl ) [>h 0-2 \u2014 >Y) -+- (\u00bba \u2014 Hi) f/J\n13).\nDie Entfernungen der Hauptpunkte, welche in diesem Falle mit den Knotenpunkten zusammenfallen, von den Linsenfl\u00e4chen sind\n\u00bb, d rL\nh% = \u20147\u2014\nm2 (r2\nfin ----- ----\n1\\) H- (\u00ab2 \u2014 Wj)\n\u00bb, d r2\n\u00ab2 (r2 \u2014rj + (Wa-Die Entfernung der Hauptpunkte von einander\n\u25a0 \u00abi) d\nH = d .\n\u2014\t(d-j-r.2 \u2014 r1)\t)\nw2 (r2 \u2014 r,) -I- (n2 \u2014 \u00bb, ) d S\n13 a).\n13b).\nDie beiden ersten sind postiv gerechnet, wenn sie ausserhalb der Linse liegen.\nDen Punkt in der Linse, dessen Bilder die beiden Knotenpunkte sind, nennt man in diesem Falle das optische Centrum der Linse. Es liegt in der optischen Axe, und seine Entfernungen von den beiden Fl\u00e4chen verhalten sich zu einander wie die Radien dieser Fl\u00e4chen.\nDa die Resultate der Brechung in einem optischen Systeme, was Gr\u00f6sse und Lage der Bilder betrifft, nur von der Lage der Brennpunkte und Hauptpunkte (oder Knotenpunkte) abh\u00e4ngen, so kann man ohne Aenderung der Lage und Gr\u00f6sse der Bilder zwei optische Systeme f\u00fcr einander substituiren, deren Brennpunkte und Hauptpunkte dieselbe Lage haben. Da das Verh\u00e4ltniss des Brechungsverm\u00f6gens des ersten und letzten Mittels nicht ge\u00e4ndert werden kann, ohne das Verh\u00e4ltniss der Hauptbrennweiten zu einander zu \u00e4ndern, wollen w7ir voraussetzen, dass das erste und letzte Mittel bei einer solchen Substitution unge\u00e4ndert bleibe. Dann braucht nur die eine Hauptbrennweite und der Abstand der Hauptpunkte von einander in dem einen System gleich den entsprechenden Gr\u00f6ssen des anderen gemacht zu werden, um die beiden Systeme f\u00fcr einander substituiren zu k\u00f6nnen. In einem Systeme von nur zwei brechenden Fl\u00e4chen w\u00fcrde man zur Erf\u00fcllung dieser Bedingungen \u00fcber 4 Gr\u00f6ssen, r,, r2, n2 und d, bestimmen k\u00f6nnen. Es kann daher f\u00fcr jedes centrirte System brechender Kugelfl\u00e4chen ein System von nur zwei solchen Fl\u00e4chen gesetzt werden, welches eben so grosse und","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"GESETZE DER BRECHUNG IN LINSEN.\n61\n\u00a7\u2022 fl-\nehe n so gelegene Bilder entwirft wie jenes, und im Allgemeinen kann man dabei sogar noch immer zwei andere Bedingungen f\u00fcr das System von zwei Fl\u00e4chen aufstellen, z. B. dass es aus einem bestimmten Stoffe zu bilden sei u. s. w., und diese gleichzeitig erf\u00fcllen.\nF\u00fcr den Fall, wo das erste und letzte Mittel identisch sind, beide ein kleineres Brechungsverm\u00f6gen haben als das mittlere Mittel, und der Abstand der brechenden Fl\u00e4chen kleiner ist als die Kr\u00fcmmungsradien, also f\u00fcr die sogenannten Linsen, will ich hier noch die einzelnen F\u00e4lle durchgehen, weil wir auf dergleichen Linsen oft zur\u00fcckkommen werden.\nMan unterscheidet nach der Gestalt 1) biconvexe Linsen, bei denen beide Fl\u00e4chen convex, also r1 positiv, r2 negativ ist; die Brennweite ist immer positiv\nnach Gleichung 13). Die Abst\u00e4nde der Hauptpunkte von den Fl\u00e4chen sind negativ, d. h. diese Punkte liegen innerhalb der Linse, und\n___, der Abstand der Hauptpunkte von einander ist\nPi positiv, d. h. der erste liegt vor dem zweiten. In Fig. o\u00ef ist die Lage der Brennpunkte px p.2 und Hauptpunkte und h2 einer biconvexen Fig. 34.\tLinse dargestellt. Die erste und zweite Fl\u00e4che\nder Linse sind mit i und 2 bezeichnet. Ein Grenz fall der biconvexen Linsen sind die planconvexen, bei denen einer der Radien unendlich gross wird, und ein Hauptpunkt in die gekr\u00fcmmte Fl\u00e4che der Linse f\u00e4llt.\n2)\tBiconcave Linsen mit zwei concaven Fl\u00e4chen ; rx ist negativ, r2 positiv. Die Brennweiten sind negativ, die Abst\u00e4nde der Hauptpunkte von den Fl\u00e4chen beide\nnegativ, d. h. die Hauptpunkte liegen innerhalb der Linse. Ihr Abstand ist positiv, d. h, der erste liegt vor dem zweiten. Fig.5\u00e4 stellt die Lage der Hauptpunkte h\u00b1 und h2, so wie der Brennpunkte p1 und p2 einer biconvexen Linse dar. Einen Grenzfall bilden die planconcaven Linsen, bei denen einer Fig. 3s.\tder Radien unendlich wird und einer der\nHauptpunkte in die gekr\u00fcmmte Fl\u00e4che f\u00e4llt.\n3)\tConeavconvexe Linsen, beide Radien entweder positiv oder negativ. Wir wollen das erstere annehmen; der zweite Fall ergiebt sich aus diesem sogleich, wenn wir nachher die erste Seite der Linse zur zweiten machen. Die Brennweite wird positiv, wenn\nn2 (r2-M\u2014 rt) > Wj d ;\n\tw\tIs\n* .\tIM\t\\\nsie wird unendlich, wenn beide Seiten der Gleichung gleich sind; sie wird negativ, wenn der Ausdruck links kleiner als der rechts ist. Der Ausdruck r2 A \u2014 r\u00b1 ist der Abstand des Kr\u00fcmmungsmittelpunkts der zweiten Fl\u00e4che von dem der ersten nach hinten gerechnet. Liegt der zweite Mittelpunkt hinter dem ersten, so wird die Linse von ihrer Mitte nach dem Rande zu d\u00fcnner; liegt jener vor dem ersten, so wird sie dicker. Mau kann also sagen : Wird eine concavconvexe Linse nach dem Rande zu dicker, so ist ihre Brennweite negativ, und soll ihre Brennweite positiv sein, so muss sie nach dem Rande hin d\u00fcnner werden. Aber man darf beide S\u00e4tze nicht umkehren, wie es oft geschieht.\nDer erste Hauptpunkt liegt vor der convexen Fl\u00e4che (d. h. an ihrer convexen Seite), wenn die Brennweite positiv ist, entfernt sich sehr weit, bis in das Unendliche, wenn die Brennweite selbst sehr gross und unendlich wird. Wird die Brennweite negativ, so liegt der erste Hauptpunkt hinter der convexen Fl\u00e4che der","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 9.\nLinse, d. h. auf ihrer concaven Seite, ebenfalls unendlich weit entfernt, wenn die Brennweite unendlich sein sollte.\nDer zweite Hauptpunkt liegt vor der concaven Fl\u00e4che der Linse, d. h. auf ihrer convexen Seite, wenn die Brennweite der Linse positiv, er liegt hinter dieser Fl\u00e4che, wenn die Brennweite negativ ist, und r\u00fcckt ebenfalls in das Unendliche hinaus, wenn die Brennweite unendlich gross wird. Bei einer positiven Brennweite liegt der zweite Hauptpunkt immer hinter dem ersten, d. h. der Linse n\u00e4her. Bei einer negativen liegt er hinter dem ersten, d. h. der Linse ferner, wenn die Linse nach ihrem Rande zu dicker wird ; er liegt dagegen vor dem ersten, wenn die\n/'/\nFig. 36.\nMitte nach dem Rande d\u00fcnner wird ; er f\u00e4llt mit ihm zusammen, wenn die beiden Linsenfl\u00e4chen concentrischen Kugeln angeh\u00f6ren , und zwar liegen beide Hauptpunkte dann in dem gemeinschaftlichen Centrum der Kugeln. Fig. 56 stellt eine concavconvexe Linse von positiver Brennweite dar, Fig. 57 eine solche von negativer Brennweite, die nach dem Rande zu dicker wird, Fig. 58 eine solche von negativer Brennweite, welche nach dem Rande zu d\u00fcnner wird. Der Kr\u00fcmmungsmittelpunkt der ersten Fl\u00e4che ist mit c, , der der zweiten\nmit r2 bezeichnet. Ich bemerke noch, dass die Brennpunkte nie in die Linse und\n*\t% ,\t7b\nK\t1\t\\\\As e*\t\nFig. 37.\nJ,\nF\nFz\nFig. 38.\nSeiten derselben fallen. Was die Lage der Bilder betrifft, so verwandelt sich die Gleichung 8 a) und 8 b), wenn die beiden Brennweiten gleich werden, in folgende:\nt \u25a0+\u25a0 ^ = 7? oder !\t.................. 14)\n\\\nf-l ------\nF fi\nfi-F\nund\nF-k\n\u00dfi F-U\n. . . . 14 a)\n. . . . 14b).\nBei Linsen mit positiver Brennweite (Sammellinsen, Collectivlinsen) liegen nach diesen Formeln die Bilder unendlich weit entfernter reeller Objecte, f\u00fcr welche also fj=oo, im zweiten Brennpunkte hinter der Linse und sind im Ver-h\u00e4ltniss zum Objecte unendlich klein und umgekehrt. Wenn das Object sich der Linse n\u00e4hert, entfernen sich die Bilder von ihr, bleiben reell, umgekehrt und nehmen an Gr\u00f6sse zu, bis /j = F geworden, das Object also in den vorderen Brennpunkt ger\u00fcckt ist, wo die Entfernung und Gr\u00f6sse des Bildes unendlich werden. Man ersieht dies leicht aus Gleichung 14), die man so schreiben kann:\n2\nU\n2\nF\n2\nfi","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"GESETZE DER BRECHUNG IN LINSEN.\n63\n\u00a7. 9.\nWenn /j abnimmt von oo bis F, nimmt \u2014 zu von 0 bis \u2014, und \u2014 nimmt ab von -~\nli\t''\t/2\tF\nbis 0, d. h. f2 nimmt zu von F bis oo. Die Gr\u00f6sse des Bildes\nist immer negativ, so lange /j > F. Wenn f\\ von oo abnimmt bis F, nimmt der Nenner des Bruchs ab von oo bis 0, und \u00df2 geht \u00fcber von 0 bis \u2014 oo.\nEben so findet man nun weiter, dass, wenn das Object vom ersten Brennpunkte zum ersten Hauptpunkte fortr\u00fcckt, /2 von \u2014oo bis 0 geht, d. h. das Bild, welches nun meist virtuell ist und auf derselben Seite der Linse mit dem Objecte liegt, aus unendlicher Entfernung bis zum zweiten Hauptpunkte heranr\u00fcckt und dabei eine positive Gr\u00f6sse hat, d. h. aufrecht steht und von -f- oo bis zu einer dem Objecte gleichen Gr\u00f6sse abnimmt.\nEndlich kann ft auch negativ werden, wobei meist das Object virtuell wird; dann ist f2 stets positiv und kleiner als , das Bild aufrecht und kleiner als das Object. W\u00e4hrend f1 von 0 bis \u2014oo, geht f2 von 0 bis F, \u00df2 von \u00dfj bis 0.\nMan kann also sagen: Sammellinsen machen parallel eintretende Strahlen convergent und vereinigen sie in der Brennebene ; sie machen convergente Strahlen noch convergenter und divergente Strahlen weniger divergent oder auch convergent, ersteres, wenn sie von einem Punkte jenseits des Brennpunktes divergiren, letzteres, wenn von einem solchen diesseits des Brennpunktes.\nLinsen von negativer Brennweite nennen wir dispansive oder Zerstreuungslinsen, weil parallel eintretende Strahlen durch sie divergent gemacht, zerstreut werden, divergente noch mehr divergent, convergente weniger convergent oder divergent werden.\nSetzen wir den absoluten Werth der negativen Brennweite der Linse gleich P, so dass P = \u2014 F, so wird\n1 _ _ i_l\nP fi\nDaraus folgt, dass f\u00fcr jeden positiven Werth von f\\ jetzt f2 negativ ist, und dass, w\u00e4hrend ft von oo bis 0 abnimmt, f2 von \u2014 F bis 0 sich ver\u00e4ndert, \u00df2 von 0 bis \u00dfj. Dispansive Linsen entwerfen also von reellen Objecten, die vor dem ersten Hauptpunkte liegen, virtuelle Bilder, welche vor dem zweiten Hauptpunkte liegen, kleiner, n\u00e4her und aufrecht sind.\nF\u00fcr negative Werthe von f1, welche absolut kleiner als P sind, wird f,l positiv, und w\u00e4hrend fl von 0 bis \u2014 P geht, steigt f2 von 0 bis -H oo, \u00df2 von \u00df, bis oo. Convergent einfallende Strahlen werden also weniger convergent, wenn sie nach einem vor dem hinteren Brennpunkte gelegenen Punkte convergiren.\nF\u00fcr negative Werthe von /', , welche absolut gr\u00f6sser sind als P, werden /2 und \u00df2 negativ, es entstehen also umgekehrte virtuelle Bilder vor dem Glase. W\u00e4hrend fx sich \u00e4ndert von \u2014P bis \u2014oo, \u00e4ndert sich f2 von \u2014oo bis \u2014P, und \u00df2 von \u2014 oo bis 0. Convergente Strahlen werden von dispansiven Linsen also divergent gemacht, wenn sie nach einem jenseits des hinteren Brennpunktes gelegenen Punkte convergiren.\nDie Entfernung e zweier zusammengeh\u00f6riger Bilder von einander ist ft -f- a -f- f2, wenn a der Abstand der Hauptpunkte von einander ist, und diese Entfernung positiv","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 10.\ngerechnet wird, falls das zweite Bild hinter dem ersten liegt. Setzen wir statt seinen Werth, so erhalten wir als Ausdruck f\u00fcr die Entfernung:\n\u201e \u2014 JjlL______L_ \u201e\n~ fl \u2014F\n12\nUiffercntiircn wir diese Gleichung nach fl, so erhalten wir\nde __ /i2\u2014 2/i F dfi (fi-F)* '\nHiernach wird de= 0, d. h. e ein Maximum oder Minimum, wenn entweder ft \u2014 0 oder /j = 2F, und zwar wird es sowohl f\u00fcr positive wie negative Brennweiten ein Minimum f\u00fcr f1 = %F, und ein Maximum f\u00fcr f1 \u2014 0, wie man leicht aus dem Ausdruck f\u00fcr e erkennt.\nWerke, in welchen die Brechung der Lichtstrahlen in centrirten Systemen kugeliger Fl\u00e4chen behandelt wird, sind folgende:\n1738. Cotes in Smith a complete system of optics. Cambridge. Vol. II. 76.\n1757 U.61. Euler in Histoire de l\u2019Acad. roy. de Berlin pour 1757. p. 283. \u2014 Ibid, pour 1761. p. 201.\n1765. Euler Pr\u00e9cis d\u2019une th\u00e9orie g\u00e9n\u00e9rale de la dioptrique in Hist, de l\u2019acad. roy. des sc. de Paris. 1765. p. 555.\n1778U.1803. Lagrange in Nouv. M\u00e9m. de l\u2019acad. roy. de Berlin pour 1778. p. 162. \u2014 Ibid. 1803. p. 1.\n1822. Piola in Effemeridi astron. di Milano per 1822.\n1830. M\u00f6bius in Crelle\u2019s Journal f\u00fcr Mathematik. Bd. V. S. 113.\n1841. * Bessel in Astronom. Nachrichten. Bd. XVIII. S. 97.\n* Gauss Dioptrische Untersuchungen. G\u00f6ttingen. \u2014 Abdruck aus Abhandl. d. K\u00f6n. Ges. d. Wiss. zu G\u00f6ttingen. Th. 1. von den Jahren 1838 \u2014 43.\n1844. Encke De formulis dioptricis. Ein Programm. Berlin.\nMoser Ueber das Auge, in Dove\u2019s Repert. d. Physik. Bd. V. S. 289.\n1851. Listing Art. Dioptrik des Auges, in R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch d. Physiologie. Bd. IV. S. 451.\n\u00a7. 10. Brechung der Strahlen im Auge.\nDas Auge verh\u00e4lt sich gegen das einfallende Licht im Wesentlichen wie eine Camera obscura. Das von einem leuchtenden Punkte ausgegangene Licht muss, wenn dieser Punkt deutlich gesehen werden soll, durch die brechenden Mittel des Auges so gebrochen werden, dass alles auch wieder auf einem Punkte der Netzhaut vereinigt wird. Auf der Fl\u00e4che dieser Haut wird daher ein reelles optisches Bild der \u00e4usseren gesehenen Gegenst\u00e4nde entworfen. Dasselbe ist umgekehrt und verkleinert. Man kann es an frisch ausgeschnittenen Augen sichtbar machen, wenn man vorsichtig den hinteren mittleren Theil der Sclerotica und Chorioidea entfernt, die Netzhaut aber stehen l\u00e4sst, und nun die Hornhaut eines so pr\u00e4parirten Auges gegen helle Gegenst\u00e4nde kehrt. Das Bild erscheint alsdann klein, hell, scharf und, wie angegeben, umgekehrt auf der stehengebliebenen Netzhaut. Noch besser ist das Bildchen nach der Methode von Gerling 1 zu sehen, wenn man die Elemente der Netzhaut mit einem Pinsel entfernt, und dann ein T\u00e4felchen von Glas oder Glimmer in die Oeffnung einschiebt. Ohne, viele Miihe kann man die Netzhautbildchen auch in den Augen weisser Kaninchen sehen, denen das Pigment der Aderhaut fehlt. Bei diesen braucht man nicht einmal die\nPoggen'dokff Ann. XLVI. 243.","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. to.\nDIE STELLE DES DI REGTEN SEHENS.\n65\nharte Haut zu entfernen, sondern sieht das Bild durch sie hindurchscheinen, allerdings nicht so scharf wie bei freigelegter Netzhaut, aber doch deutlich genug, um seine Stellung, Gr\u00f6sse u. s. w. zu erkennen. Auch ist es bei lebenden Menschen, namentlich bei blonden Personen mit hellblauen Augen, welche wenig Pigment in der Aderhaut zu haben pflegen, zuweilen m\u00f6glich, das Bild durch die harte Haut hindurch zu sehen. Man l\u00e4sst einen solchen in einem verdunkelten Zimmer das Auge so drehen, dass die Hornhaut im \u00e4usseren Augenwinkel steht, und in dem gr\u00f6sseren mittleren und inneren Theile der Augenlidspalte daher die innere Seite der weissen Sehnenhaut erscheint. H\u00e4lt man dann noch weiter seitlich, als die seitlich gekehrte Sehaxe steht, eine Kerzenflamine, so erscheint deren Bild auf der inneren Seite der Netzhaut, und schimmert oft so deutlich durch die weisse Sehnenhaut hindurch, dass man die umgekehrte Stellung des Bildes, die Spitze der Flamme und den Ort des Dochtes erkennen kann\nDie genaueste Untersuchung der Netzhautbildchen im lebenden Auge des Menschen ist mittels des in \u00a7. 16 zu beschreibenden Augenspiegels m\u00f6glich. Mit diesem Instrumente kann man von vorn in das Auge hineinblicken, und die Netzhaut selbst mit ihren Gef\u00e4ssen, sowie die auf ihr entworfenen optischen Bilder deutlich sehen. Man \u00fcberzeugt sich leicht davon, dass von hinreichend hellen Objecten, welche das beobachtete Auge deutlich sieht, sehr scharfe und genau begrenzte optische Bilder auf der Fl\u00e4che der Netzhaut entworfen werden.\nBei der Beschreibung der Netzhaut habe ich schon erw\u00e4hnt, dass im Hintergr\u00fcnde des Auges sich eine eigenth\u00fcmlich gebaute Stelle der Netzhaut finde, der gelbe Fleck. In seiner Mitte, der sogenannten Netzhautgrube, verschwinden die Gef\u00e4sse ganz, welche sich in den \u00fcbrigen Theilen der Netzhaut ver\u00e4steln, hier finden sich nur nerv\u00f6se Elemente vor, und zwar von den Schichten der Netzhaut, wie es scheint, nur Nervenzellen und Zapfen. Diese Stelle ist in physiologischer Hinsicht von der gr\u00f6ssten Wichtigkeit als die Stelle des directen Sehens. Derjenige Punkt des Gesichtsfeldes, welchen wir direct betrachten, oder mit dem Blicke fixiren, wird jedes Mal an dem Orte der Netzhautgrube abgebildet. Mittels des Augenspiegels kann dieser Satz, von dessen Richtigkeit man sich schon l\u00e4ngst wegen der besonderen Structur des gelben Flecks \u00fcberzeugt hielt, auch durch directe Beobachtungen erwiesen werden. Den Ort des gelben Flecks erkennt man mit dem Augenspiegel, wenn die ganze Netzhaut erleuchtet ist, an dem Mangel der Gef\u00e4sse. In der Mitte der gef\u00e4sslosen Stelle, entsprechend dem Orte der Netzhautgrube, findet sich eine eigenth\u00fcmlich helle Stelle, welche Coccius1 2 3 zuerst beschrieben hat, und deren Helligkeit er einem Reflexe der Netzhautgrube zuschreibt. Donders 3 hat ferner gezeigt, dass dieser helle Reflex stets an derjenigen Stelle des optischen Bildes erscheint, welche das beobachtete Auge im Gesichtsfelde flxirt, und ich habe mich von der Richtigkeit dieser Angabe \u00fcberzeugt. Man kann nach der Stellung des sogenannten Reflexes der Netz-\n1\tVolckmann, Artikel: Sehen in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch d. Physiologie. S. 286 \u2014 289.\n2\tUeber die Anwendung des Augenspiegels. Leipzig 1853. S. 64.\n3\tOnderzoekingen gedaan in het Phvsiolog. Laborat. d. Utrechtsche Hoogeschool. Jaar VI. S. 133.\nEncvklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t5","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"t>6\nERSTEH ABSCHNITT. HIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7.\nhautgrube dem beobachteten Individuum genau bezeichnen, welchen Punkt es flxirt, und wenn man ihm Anweisung giebt, bald diesen, bald jenen Punkt des Gegenstandes zu fixiren, sieht man den Reflex immer auf den entsprechenden Punkt des Bildes sich einstellen. Die Ausf\u00fchrung dieser Versuche wird in \u00a7. 1 6 beschrieben werden.\nNur in der Gegend der Augenaxe pflegt das optische Bild auf der Netzhaut seine volle Sch\u00e4rfe zu haben, von ihr entfernter ist es weniger gut begrenzt. Wir sehen deshalb im Gesichtsfelde in der Regel nur den einen Punkt deutlich, welchen wir fixiren, alle \u00fcbrigen undeutlich. Diese Undeutlichkeit im indirecten Sehen scheint \u00fcbrigens auch durch eine geringere Empfindlichkeit der Netzhaut bedingt zu sein; sie ist schon in geringer Entfernung von dem fixirten Punkte viel bedeutender als die objective Undeutlichkeit der Netzhautbilder. Das Auge stellt ein optisches Werkzeug von sehr grossem Gesichtsfelde dar, aber nur an einer kleinen, sehr engbegrenzten Stelle dieses Gesichtsfeldes sind die Bilder deutlich. Das ganze Feld entspricht einer Zeichnung, in der nur der wichtigste Theil des Ganzen sorgf\u00e4ltig ausgef\u00fchrt, die Umgebungen aber nur skizzirt, und zwar desto roher skizzirt sind, je weiter sie von dem Hauptgegenstande abstehen. Durch die Beweglichkeit des Auges wird es aber m\u00f6glich, nach einander jeden einzelnen Punkt des Gesichtsfeldes genau zu betrachten. Da wir zu einer Zeit doch nur einem Gegenst\u00e4nde unsere Aufmerksamkeit zuwenden k\u00f6nnen, ist der eine deutlich gesehene Punkt ausreichend, sic vollst\u00e4ndig zu besch\u00e4ftigen, so oft wir sie auf Einzelheiten lenken wollen, und wiederum ist das grosse Gesichtsfeld trotz seiner Undeutlichkeit geeignet, die Hauptz\u00fcge der ganzen Umgebung mit einem schnellen Blicke aufzufassen, und neu auftauchende Erscheinungen an den Seiten des Gesichtsfeldes sogleich zu bemerken.\nDas Gesichtsfeld eines einzelnen Auges wird bestimmt durch die Weite der Pupille und ihre Lage zum Rande der Hornhaut. Ich finde, dass ich in einem dunklen Zimmer, wenn ich mein Auge in einem Spiegel besehe, und seitlich ein Licht aufstelle, die Anwesenheit des Lichts so lange noch wahrnehme, als Strahlen von dem Lichte auf den gegen\u00fcberliegenden Rand der Pupille und in diese selbst fallen. Alles Licht also, was durch die Hornhaut in die Pupille f\u00e4llt, wird noch empfindliche Theilc der Netzhaut treffen. Die Pupille liegt zwar etwas weiter zur\u00fcck als der \u00e4ussere Hornhautrand, aber wegen der Brechung in der Hornhaut k\u00f6nnen selbst noch Strahlen in sie einfallen, welche senkrecht gegen die Augenaxe verlaufend auf den Rand der Hornhaut fallen, so dass das Gesichtsfeld eines einzelnen Auges etwa einer halben Kugel entspricht, eine Gr\u00f6sse, welche keinem k\u00fcnstlichen optischen Instrumente zukommt. Individuelle Verschiedenheiten m\u00fcssen darin Vorkommen, abh\u00e4ngig von der Weite und Lage der Pupille. Da beim Sehen f\u00fcr die N\u00e4he die Pupille sich der Hornhaut n\u00e4hert, wird das Gesichtsfeld dabei etwas gr\u00f6sser, wie ich an meinen Augen wenigstens leicht erkennen kann, wenn ich am \u00e4ussersten Rande des Gesichtsfeldes ein recht helles Licht anbringe.\nEin Theil des Gesichtsfeldes jedes einzelnen Auges nach innen, oben und unten wird durch Theile des Antlitzes, Nase, Augenbrauenrand, Wangen, eingenommen, nur nach aussen hin ist es ganz frei. Beide Augen zusammen \u00fcber-","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 10.\nCAR\u00dc1NALPUNKTE DES AUGES.\n67\nschauen aber, wenn ihre Axen parallel in die Ferne gerichtet sind, einen horizontalen Bugen von 180 oder mehr Graden. Vergr\u00f6ssert wird das \u00fcberschaubare Feld noch durch die Bewegungen der Augen, auf welche wir sp\u00e4ter zur\u00fcckkommen.\nDie Lichtstrahlen, welche von einem entfernteren leuchtenden Punkte auf das Auge fallen, werden zuerst von der Hornhaut gebrochen, und zwar so, dass sie ungest\u00f6rt weitergehend sich etwa 10 Mm. hinter der Netzhaut in einem Punkte vereinigen w\u00fcrden. Indem sie somit convergirend durch die vordere Augenkammer gehen, treffen sie auf die Krystallinse, werden von dieser noch convergenter gemacht, und k\u00f6nnen in Folge dessen nun schon auf der Netzhaut zur Vereinigung gelangen.\nDie st\u00e4rksten Brechungen der Lichtstrahlen geschehen an der Hornhaut, demn\u00e4chst an der vorderen und hinteren Fl\u00e4che der Krystallinse. Aber auch im Inneren der Krystallinse finden an den Grenzen ihrer einzelnen Schichtfl\u00e4chen Brechungen statt, da diese Schichten von verschiedener Dichtigkeit sind. Wir k\u00f6nnen diese verschiedenen brechenden Fl\u00e4chen ann\u00e4hernd gleichsetzen einem System von Rotationsfl\u00e4chen, deren Axen alle in eine gerade Linie zusammenfallen. Wenn auch kleine Abweichungen in der Lage der Axen der einzelnen Fl\u00e4chen bei den meisten menschlichen Augen vorzukommen scheinen, so sind diese doch so gering, dass wir sie in Bezug auf die Lage und Gr\u00f6sse der optischen Bilder vernachl\u00e4ssigen und das Auge als ein centrirtes optisches System betrachten k\u00f6nnen.\nDie Axe dieses Systems, deren vorderes Ende etwa mit dem Mittelpunkte der Hornhaut zusammenf\u00e4llt, w\u00e4hrend das hintere zwischen dem gelben Flecke und der Eintrittsstelle des Sehnerven hindurchgeht, nennen wir die Augenaxe.\nDie Lage der Brennpunkte, Hauptpunkte und Knotenpunkte des Auges unterliegt wohl ziemlich bedeutenden individuellen Verschiedenheiten, da \u00fcberhaupt die meisten Abmessungen des Auges und seiner einzelnen brechenden Fl\u00e4chen bei verschiedenen Menschen so von einander abweichen, wie man es bei einem Organe, dessen Wirkungen eine so grosse Genauigkeit der Construction zu verlangen scheinen, kaum erwarten sollte. Ausserdem werden wir weiter unten sehen, dass auch in jedem einzelnen Auge diese Punkte ihre Lage \u00e4ndern, wenn das Auge nach einander Gegenst\u00e4nde in verschiedener Entfernung betrachtet. Man kann \u00fcber die Lage der genannten Punkte im normalen, fernsehenden Auge nur etwa so viel sicher aussagen : Der erste Hauptpunkt ist dem zweiten Hauptpunkte sehr nahe, ebenso der erste dem zweiten Knotenpunkte. Die beiden Hauptpunkte des Auges liegen etwa in der Mitte der vorderen Augenkammer, die beiden Knotenpunkte sehr nahe der hinteren Fl\u00e4che der Linse, der zweite Brennpunkt dicht vor oder auf der Netzhaut.\nDa es bei sehr vielen Gelegenheiten nothwendig ist, wenigstens angen\u00e4herte Werthe f\u00fcr die einzelnen optischen Constanten des Auges zu kennen, so will ich hier die Werthe anf\u00fchren, welche Listing f\u00fcr ein schematisches mittleres Auge gewonnen hat, indem er, den bis dahin ausgef\u00fchrten Messungen sich m\u00f6glichst anschliessend, einfache abgerundete Zahlen f\u00fcr die hier in Betracht kommenden Gr\u00f6ssen w\u00e4hlte.\n5*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. IO.\nListing nimmt an\n1)\tdas Brechungsverm\u00f6gen der Luft gleich........\n2)\tdas Brechungsverm\u00f6gen der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit\n1\n103\n77\n3)\tBrechungsverm\u00f6gen der Krystallinse......................\n4)\tBrechungsverm\u00f6gen des Glask\u00f6rpers.......................\n5)\tKr\u00fcmmungshalbmesser der Hornhaut........................\n6)\tKr\u00fcmmungshalbmesser der vorderen Linsenfl\u00e4che ..........\n7)\tKr\u00fcmmungshalbmesser der hinteren Linsenfl\u00e4che...........\n8)\tEntfernung der vorderen Hornhaut- und vorderen Linsenfl\u00e4che\n9)\tDicke der Linse ........................................\ni6.\nTT\n103\n77\n8 Mm.\n10\n6\n4\n4\nEr berechnet aus diesen Annahmen :\n1)\tDer erste Brennpunkt liegt 12,8326 Mm. vor der Hornhaut, der zweite Brennpunkt 14,6470 Mm. hinter der Hinterfl\u00e4che der Linse.\n2)\tDer erste Hauptpunkt liegt 2,1746 Mm., der zweite 2,5724 Mm. hinter der Vorderfl\u00e4che der Hornhaut, ihr gegenseitiger Abstand betr\u00e4gt 0,3978 Mm.\n3)\tDer erste Knotenpunkt liegt 0,7580 Mm., der zweite 0,3602 Mm. vor der Hinterti\u00e4che der Linse,\n4)\tDie erste Hauptbrennweite des Auges betr\u00e4gt hiernach 15,0072 Mm., die zweite 20,0746 Mm.\nDie Lage der Hauptpunkte h, und hH, Knotenpunkte kt und kin Brennpunkte b) und Fn nach Listing ist in Fig. 39 angegeben. Unter den von Listing der Berechnung zu Grunde gelegten Werthen k\u00f6nnten allein die des Brechungsverm\u00f6gens und der Kr\u00fcmmungsradien der Linse zweifelhaft erscheinen. Doch stimmt die daraus berechnete\nIF G,\nBrennweite der Linse so gut mit directen Messungen, die ich selbst aus-gefuhrt habe, dass die optische Wirkung der Linse in Listing\u2019s sche-\nFig. 59.","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 '10.\nSCHEMATISCHES CNH REDUCIRTES AUGE.\n69\nmatischem Auge jedenfalls nicht wesentlich von der des nat\u00fcrlichen Auges abweicht. Die Werthe, welche f\u00fcr die Brechung in der Hornhaut wichtig sind, sind durch Messungen hinreichend begr\u00fcndet. Wir brauchen also nicht zu zweifeln, dass Listing\u2019s Schema mit dem nat\u00fcrlichen Verh\u00e4ltnisse wirklich so gut \u00fcbereinstimmt, als es bei der grossen Breite der individuellen Unterschiede m\u00f6glich ist.\nVermittelst der angegebenen Cardinalpuncte des Auges l\u00e4sst sich der Weg eines gegebenen einfallenden Strahls nach der letzten Brechung verm\u00f6ge der in \u00a7. 9 vorgeschriebenen Constructionen finden; ebenso der Ort des Bildes eines beliebigen, in der N\u00e4he der Augenaxe liegenden leuchtenden Punktes. Da \u00fcbrigens sowohl die beiden Hauptpunkte des Auges, als auch die beiden Knotenpunkte einander sehr nahe liegen, so kann man ohne erhebliche Beeintr\u00e4chtigung der Genauigkeit des Resultats die beiden Hauptpunkte in einen Punkt zusammenziehen und ebenso die beiden Knotenpunkte. Man erh\u00e4lt dadurch ein noch mehr vereinfachtes Schema des Auges, welches Listing das reducirte Auge nennt. Er legt den einfachen Hauptpunkt eines solchen Auges 2,8448 Mm. hinter die Vorderfl\u00e4che der Hornhaut, den Knotenpunkt x Fig. 59 0,4764 Mm. vor die hintere Fl\u00e4che der Linse, die Brennpunkte bleiben unver\u00e4ndert. Die Wirkung des reducirten Auges w\u00fcrde durch eine brechende Kugelfl\u00e4che hervorgebracht werden k\u00f6nnen, deren Mittelpunkt der Knotenpunkt w\u00e4re, und deren Scheitel im Hauptpunkt l\u00e4ge, w\u00e4hrend sich vor ihr Luft, hinter ihr w\u00e4ssrige Feuchtigkeit oder Glask\u00f6rper bef\u00e4nde. Der Kr\u00fcmmungshalbmesser einer solchen Fl\u00e4che w\u00fcrde 5,1248 Mm. betragen. Bei vielen theoretischen Betrachtungen, wo es nur auf die Gr\u00f6sse und Lage der Bilder ankommt, kann man sich durch Anwendung dieses reducirten Schemas des Auges die Untersuchung sehr erleichtern. In Fig. 59 ist die brechende Kugelfl\u00e4che des reducirten Auges durch den gestrichelten Bogen l L ihr Mittelpunkt bei x angegeben.\nIn dem sehr h\u00e4ufig vorkommenden Falle, wo man weiss, dass genaue optische Bilder auf der Netzhaut entworfen werden, und es nur darauf ankommt, den Ort des Bildes f\u00fcr einen bestimmten Punkt des Gegenstandes zu finden, gen\u00fcgt die Kenntniss der Knotenpunkte. Erlaubt man sich dabei die Vereinfachung, nur einen Knotenpunkt anzunehmen, so findet man den Ort des Bildes, wenn man von dem leuchtenden Punkte eine gerade Linie nach dem Knotenpunkte zieht, und diese bis zur Netzhaut verl\u00e4ngert; wo sie die Netzhaut trifft, ist der Ort des Bildes. Eine solche gerade Linie nennt man Richtungslinie des Sehens. Der einfach gedachte Knotenpunkt ist also der Kreuzungspunkt der Richtungslinien. Das vor der Hornhaut und das hinter der Linse liegende St\u00fcck einer solchen Linie w\u00fcrde zugleich dem Wege eines gewissen Strahls angeh\u00f6ren, den man Richtungsstrahl nennen kann. Nur zwischen der vorderen Hornhaut- und hinteren Linsenfl\u00e4che f\u00e4llt der Richtungsstrahl nicht nothwendig mit der Richtungslinie zusammen.\nWill man die genauere Construction machen, wobei man beide Knotenpunkte als getrennt betrachtet, so hat man zwei Richtungslinien zu unterscheiden. Die erste geht vom leuchtenden Punkte zum ersten Knotenpunkte, und die zweite ist parallel mit der ersten durch den zweiten Knotenpunkt zu legen.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIK DES AUGES.\n\u00a7. 10.\nWo letztere die Netzhaut schneidet, ist der Ort des Bildes. Das ausserhalb des Auges liegende St\u00fcck der ersten Richtungslinie und das im Glask\u00f6rper liegende St\u00fcck der zweiten geh\u00f6ren wieder dem Wege eines Lichtstrahls an, des Richtungsstrahls.\nIch nenne den Richtungsstrahl, welcher die Stelle des directen Sehens trifft, die Gesichtslinie. Der vordere gerade Theil der Gesichtslinie geht also von dem fixirten Punkte des Gesichtsfeldes in der Richtung des ersten Knotenpunktes, der hintere gerade Theil von dem zweiten Knotenpunkte her nach der Netzhautgrube. Da man fr\u00fcher den gelben Fleck meist in dem hinteren Ende der optischen Axe des Auges gelegen glaubte, hielt man die Gesichtslinie auch f\u00fcr identisch mit der Augenaxe, und nannte diese Linie auch wohl S eh axe oder Gesichtsaxe. Nach meinen Untersuchungen sind aber beide merklich von einander unterschieden. Vor dem Auge liegt die Gesichtslinie nach innen und meist etwas nach oben von der Augenaxe, die Netzhautgrube also nach aussen und meist etwas nach unten von der Axe. Ich habe in Fig. 59 die Lage der Gesichtslinie G, G\u201e im horizontalen Durchschnitte des Auges angegeben, sowie ich sie in einem gut gebildeten Auge im Verh\u00e4ltniss zur Augenaxe /\u2022', Fu liegen fand. Die obere Seite der Figur ist die Schl\u00e4fenseite, die untere die Nasenseite.\nUm die Brechung der Lichtstrahlen in den einzelnen Mitteln des Auges zu berechnen, theilen wir uns das optische System des Auges in zwei Theile, deren ersten die Hornhaut, deren zweiten die Krystallinse ausmacht, so dass das erste Mittel des ersten Systems Luft, das Mittel zwischen beiden Systemen, oder das letzte des ersten, das erste des zweiten Systems w\u00e4ssrige Feuchtigkeit, das letzte Mittel des zweiten Systems Glask\u00f6rper ist.\nWir beginnen mit der Hornhaut. Die Untersuchung der Brechung in dieser wird wesentlich vereinfacht durch den Umstand, dass die Hornhaut sehr d\u00fcnn ist, fast gleichgekr\u00fcmmte Fl\u00e4chen hat, und ihr Brechungsverm\u00f6gen nur wenig das der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit \u00fcbertrifft. Ich habe \u00a7. 9 bei den Gleichungen 12), 12a), 12 b) nachgewiesen, dass man an jeder brechenden Fl\u00e4che eine unendlich d\u00fcnne Schicht von beliebigem Brechungsverm\u00fcgen und gleichgekr\u00fcmmten Fl\u00e4chen einschieben k\u00f6nne, ohne die Brechung zu ver\u00e4ndern. Man denke sieh somit vor der Hornhaut eine unendlich d\u00fcnne Schicht w\u00e4ssriger Feuchtigkeit ausgebreitet, wie sich denn sogar in Wahrheit dort eine \u00e4hnliche Schicht befindet, n\u00e4mlich die Schicht der die Hornhaut netzenden Thr\u00e4nen. Dann k\u00f6nnen wir nachher die Hornhaut selbst als eine uhrglasf\u00f6rmige Linse betrachten, welche auf beiden Seiten von dem gleichen Medium, w\u00e4ssriger Feuchtigkeit, umgeben ist. Eine solche Linse hat eine sehr grosse oder unendliche Brennweite, d. h. sie ver\u00e4ndert den Gang der Lichtstrahlen nicht merklich. Daraus folgt, dass die Brechung der Lichtstrahlen in der Hornhaut fast dieselbe sein wird, als wenn die w\u00e4ssrige Fl\u00fcssigkeit bis an die vordere Fl\u00e4che der Hornhaut reichte. Diese Annahme ist daher bis jetzt auch fast immer bei der Berechnung des Ganges der Lichtstrahlen in der Hornhaut gemacht worden, und sie ist um so nothwendiger zu machen, da wir bisher zwar gute Messungen der \u00e4usseren Ilorn-hautkr\u00fcmmung, aber keine gen\u00fcgend zuverl\u00e4ssigen f\u00fcr die innere besitzen.\nSollte die bezeichnete Annahme streng gerechtfertigt sein, so m\u00fcsste nach \u00a7. 9 Gleichung 13) sein\nn<2 (ra \u2014 t'i) -+- (?i2 \u2014 nj d \u2014 0,\nwo % das Brechungsverm\u00f6gen der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit, n.2 das der Hornhaut, d die Dicke, ry den Kr\u00fcmmungshalbmesser der vorderen, r2 der hinteren Fl\u00e4che","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 10.\nBRECHUNG IN DER HORNHAUT.\n71\nder Hornhaut bezeichnet. Diese Gleichung kann nun in der That auf die Hornhaut nicht wohl passen. Wenn wir sie schreiben :\n(r2 \u25a0+- d) \u2014 ri \u25a0\u2014 ~ d,\n\u00ab2\nso ist (r2-i-rf) der Abstand des Kr\u00fcmmungsmittelpunktes der hinteren Fl\u00e4che vom Scheitel der vorderen, und die Gleichung w\u00fcrde aussagen, dass der Kr\u00fcmmungsmittelpunkt der hinteren Fl\u00e4che hinter dem der vorderen liege. Dann m\u00fcsste die Hornhaut von der Mitte nach dem Rande zu an Dicke abnehmen, w\u00e4hrend in der Regel das Umgekehrte der Fall ist. Die Hornhaut wird also den Folgerungen gem\u00e4ss, welche am Ende des \u00a7. 9 f\u00fcr concavconvexe Linsen aus der Gleichung 13) gezogen sind, in der Regel als Linse in w\u00e4ssriger Feuchtigkeit aufgeh\u00e4ngt eine negative, aber sehr grosse Brennweite haben.\nNehmen wir r1 \u2014 8 Mm., r2 = 7 Mm., d= 1 Mm. und nach W. Krause n.2\u2014 1,3507, ?i( = 1,3420, so wird nach \u00a7. 9 Gleichung 13) die Brennweite der in w\u00e4ssriger Feuchtigkeit befindlichen Hornhaut gleich \u2014 8,7 Meter, eine Gr\u00f6sse, welche wir im Verh\u00e4ltnisse zu den Dimensionen des Auges als unendlich gross betrachten k\u00f6nnen.\nDasselbe wurde best\u00e4tigt durch Versuche mit dem Ophthalmometer, mittels welches Instrumentes ich die Gr\u00f6sse eines Objects mass, welches sich hinter einem Glasgef\u00e4sse mit parallelen W\u00e4nden befand. Brachte ich in das Wasser eine frische Hornhaut einer menschlichen Leiche, so dass ich das Object nur durch die Hornhaut erblickte, so war durch das Ophthalmometer keine Verkleinerung des Bildes zu entdecken. Diese war also so gering, dass die leichte Tr\u00fcbung des Bildes durch die eingef\u00fchrte Hornhaut hinreichte, sie unwahrnehmbar zu machen.\nUm berechnen oder sch\u00e4tzen zu k\u00f6nnen, um wie viel sich die wirkliche Brechung am Auge von derjenigen unterschiede, welche eintreten w\u00fcrde, wenn das Brechungs-verm\u00f6gen der Hornhaut wirklich dem der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit gleich w\u00e4re, wollen wir die optischen Constanten der Hornhaut nach der Formel \u00a7. 9 Nr. 12) bestimmen, und dabei setzen nt = 1, n3 = n, ra\u201e. - n-j- An, rt \u2014r, r2 = r\u2014Ar, wobei wir die Gr\u00f6ssen /\\n, /\\r und die Dicke der Hornhaut d als sehr klein gegen n und r ansehen k\u00f6nnen. Wenn wir diese Bezeichnungen in \u00a7. 9 Gleichungen 1 2) einsetzen, und die h\u00f6heren Dimensionen der kleinen Gr\u00f6ssen vernachl\u00e4ssigen, erhalten wir die Brennweiten.\n( n \u2014 1 ) o \u2014 n Ar n (n-,\u2014 1) r\n1).\nDer Unterschied der Brennweiten von dem Werthe -------------,\nra \u2014 1\nden wir durch die Annahme\nAn = 0 erhalten, ist eine kleine Gr\u00f6sse zweiter Dimension ; ebenso die Entfernung x des ersten Hauptpunktes, von der vorderen Hornhautfl\u00e4che nach vorn gerechnet,\nd . An n (n\u2014 1)\n1a).\nDie Entfernung der beiden Hauptpunkte von einander a wird sogar dritter Dimension :\nA =\ncP An\neine kleine Gr\u00f6sse\n1 b).\nF\u00fcr die Berechnung der Bilder wird es daher gen\u00fcgen, nur eine Brechung an der vorderen Fl\u00e4che der Hornhaut in Betracht zu ziehen, und dabei das Brechungsverm\u00f6gen der Hornhaut gleich dem der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit zu setzen.\nDer zweite Theil des optischen Systems des Auges besteht aus der Krystal-linse. Vor dieser befindet sich die w\u00e4ssrige, hinter ihr die Glasfeuchtigkeit. Da","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 10.\ndas Brechungsverm\u00f6gen dieser beiden Stoffe nur \u00e4usserst geringe Unterschiede zeigt, so wollen wir diesen Unterschied vernachl\u00e4ssigen. In optischen Systemen, deren erstes und letztes Mittel identisch ist, fallen die Hauptpunkte mit den Knotenpunkten zusammen. Wir k\u00f6nnen also f\u00fcr die Krystallinse im Auge, wie bei den gew\u00f6hnlichen Glaslinsen unserer optischen Instrumente, beide Arten von Punkten identificiren. Die Krystallinse unterscheidet sich aber dadurch wesentlich von unseren Glaslinsen, dass die Dichtigkeit ihrer Substanz nicht constant ist, sondern von aussen nach innen zunimmt. Da wir das Gesetz dieser Zunahme nicht genau kennen, sind wir auch ausser Stande, den Gang der Lichtstrahlen durch die Linse vollst\u00e4ndig zu berechnen, und den Ort ihrer Brennpunkte und Hauptpunkte genau zu bestimmen. Wir m\u00fcssen uns begn\u00fcgen, Grenzen f\u00fcr die Lage dieser Punkte zu finden. In dieser Beziehung lassen sieh folgende S\u00e4tze aufstellen.\n1) Die Brennweiten der Krystallinse sind kleiner, als sie sein w\u00fcrden, wenn ihre ganze Masse das Brechungsverm\u00f6gen ihres Kerns h\u00e4tte.\nUm diesen wichtigen Satz zu beweisen, denken wir uns die Krystallinse nach ihrer nat\u00fcrlichen Schichtung zerlegt in den Kern, der eine fast kugelige biconvexe Linse von positiver Brennweite darstellt, und in die einzelnen ihn umschliessenden Schichten, deren zun\u00e4chst der Augenaxe gelegene Theile concavconvexen Linsen entsprechen. Und zwar sind dies Linsen, die nach dem Bande zu dicker oder wenigstens nicht d\u00fcnner werden, bei denen also > r., -|- d (s. Ende von \u00a7. 9), wenn wir mit i\\ den Radius der convexen, mit r2 den der eoncaven Fl\u00e4che, und mit d die Dicke der Linse bezeichnen. Nach \u00a7. 9 Gleichung 13) ist unter diesen Umst\u00e4nden die Brennweite negativ. Die Lage der Hauptpunkte ht und h2 und Brennpunkte pL und p2 solcher Linsen ist dargestellt in \u00a7. 9 Fig. 37.\n,\tEs seien in Fig. 40. aj und an die Scheitel-\n/ y\tpunkte, c, und cu die Mittelpunkte der beiden\n/ /\tGrenzfl\u00e4chen, hJ und A/( die Hauptpunkte einer\n\u0153 I ( /K\tsolchen Linse. Von einem Objecte b, vor der ersten\nf f\t[ n_______<\u2022\u00bb t (convexen) Fl\u00e4che befindlich, entwirft die Linse\nfO'\\a\t/\tc\u2019 ein verkleinertes aufrechtes virtuelles Bild, wie in\n\\ \\\t\u00a7.9 gezeigt ist, und, k\u00f6nnen wir hier hinzusetzen,\n\\ \\\tdies Bild \u00df liegt nicht nur vor dem zweiten Haupt-\n\\\t'\tpunkte, sondern auch stets vor der zweiten Linsen-\nFig l0_\tfl\u00e4che. Denn wenn das Object b von h, weiter\nentfernt ist als der Scheitel der ersten brechenden Fl\u00e4che an so muss sein Bild weiter von hn entfernt sein als cc, das Bild von ar Das Bild von at wird aber nur durch eine Brechung an der Hinterfl\u00e4che der Linse entworfen, und da die Brennweite dieser Fl\u00e4che negativ ist, wird das Bild a von a ihr n\u00e4her und vor der Fl\u00e4che liegen. Daher muss \u00df, welches noch vor a liegU jedenfalls vor der Hinterll\u00e4che der Linse liegen.\nEs l\u00e4sst sich ferner zeigen, dass das Bild \u00df eines vor a; liegenden Objects b der hinteren Fl\u00e4che der Linse desto n\u00e4her r\u00fcckt, je gr\u00f6sser das Brechungsverm\u00f6gen der Linse. Zun\u00e4chst ergiebt sich leicht, dass das Bild oc von a; der hinteren Fl\u00e4che der Linse desto n\u00e4her r\u00fcckt, je st\u00e4rker das Brechungsverm\u00f6gen. Wenn a das Bild von al ist, und wir die Entfernung a an mit q bezeichnen, so haben wir nach den Gleichungen \u00a7. 9 Nr. 3\n\u00abz _ %\t__ \u00abi \u2014 \u00ab2\nd q\tr2\nq\n% r2 d\nn2 r.2 -1- (n2 \u2014 nj d\noder","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 10.\nBRENNWEITEN DER KRYSTALLINSE.\n73\nDa der Nenner des Werthes von q gr\u00f6sser wird, wenn n2 gr\u00f6sser wird, so wird q kleiner.\nWenn nun gezeigt werden kann, dass, wenn \u00ab2 gr\u00f6sser wird, auch das Bild von b n\u00e4her an a r\u00fcckt, so folgt dann, dass unter dieser Bedingung das Bild von 6 sich auch der zweiten Fl\u00e4che der Linse n\u00e4hert.\nUm dies zu zeigen, bezeichnen wir die Entfernung des Objects b vom ersten Hauptpunkte, also die Linie b hl, mit fn die des Punktes a( von demselben Hauptpunkte, also die Linie a, hl, welche in den Gleichungen 13 a) des \u00a7. 9 der L\u00e4nge \u2014 /i, entspricht, mit p, die Brennweite der Linse mit F, so ist die Entfernung des Bildes \u00df vom zweiten Hauptpunkte, oder die L\u00e4nge\n\u00df ^2\nf,F\nF-f,\nund die Entfernung des Bildes a des Punktes a; von demselben Hauptpunkte\nDie zweite Gleichung von der ersten subtrahirt, giebt die gesuchte Entfernung der beiden Bilder von einander :\n(,f,~P)F2\nCF-fi) (F-p)\nf\u2014v\t\nF p\tf\u2014p]\tF\u2014 p\nVF\tF J\tF\nWenn wir n2 ver\u00e4ndern,\nbleibt in diesem Ausdrucke\nft \u2014 p unver\u00e4ndert.\nSetzen wir\nund hierin f\u00fcr F und p \u2014\u2014 /t, aus den Gleichungen 13) und 13 a) \u00a7. 9 ihre Werthe, so erhalten wir\nSetzen wir ferner den absoluten Werth des in unserem Falle negativen F gleich P, also nach \u00a7.9 13)\nP = \u2014F =\nHx >\\\nso. wird\n\u00df a\n(' \u2014 ^ K (n \u2014 r2 \u2014 d) \u00bb, d]\n(f,\u2014P)\n\nWenn wir nun n.2 gr\u00f6sser machen, wird C gr\u00f6sser, P kleiner, wie sich aus der Form, in der wir ihre Werthe geschrieben haben, leicht ergiebt, und f;\u2014p bleibt unge\u00e4ndert. Wenn C gr\u00f6sser wird, wird \u00dfa kleiner, und wenn P kleiner wird, wird \u00dfa ebenfalls kleiner. Folglich wird \u00dfa kleiner, und endlich auch \u00df a2 kleiner, wenn \u00ab2 gr\u00f6sser wird.\nWir haben bisher die Eigenschaft einer einzelnen solchen Linse untersucht, wie sie durch Zerlegung des Krystallk\u00f6rpers nach seinen Schichten entstehen w\u00fcrden.","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 10.\nFig. 41.\nDenken wir uns nun alle die concavconvexen Linsen, welche auf einer Seite des Kerns im Krystallk\u00f6rper liegen, in w\u00e4ssrige Feuchtigkeit getaucht, und wieder in ihre nat\u00fcrliche Lage gebracht, oder denken wir uns, mit anderen Worten, zwischen jede zwei Lagen ungleicher Dichtigkeit im Krystallk\u00f6rper eine unendlich d\u00fcnne Schicht w\u00e4ssriger Feuchtigkeit eingeschaltet, und den Theil derselben isolirt, welcher auf einer Seite des Kerns liegt, so erhalten wir ein optisches System, welches wir eine zusammengesetzte convexconeave Linse nennen k\u00f6nnen.\nEs sei dies System in Fig. 41 dargestcllt; ab sei die Axe, g der Scheitel der \u00e4ussersten convexen, h der concaven Fl\u00e4che des Systems. Vor der convexen Seite des Systems liege\n---------6 e|u leuchtender Punkt a. Nach dem, was wir\nin Bezug auf eine einzelne solche Linse bewiesen haben, folgt, dass die erste Linse ein Bild von a entwirft, welches vor ihrer zweiten Fl\u00e4che, also auch vor der ersten Fl\u00e4che der zweiten Linse liegt. Daraus folgt weiter, dass auch diese Linse und so jede folgende ein Bild von a entwirft, welches vor ihrer zweiten Fl\u00e4che liegt. Das ganze System wird also ein Bild von a entwerfen, welches vor seiner letzten brechenden Fl\u00e4clic liegt, etwa in a.\nFerner ergiebt sich leicht, dass, wenn o n\u00e4her nach g r\u00fcckt, auch a sich dem Punkte h n\u00e4hern muss. Denn einfache Linsen mit negativer Brennweite entwerfen von n\u00e4heren reellen Objecten, welche vor ihnen liegen, auch n\u00e4here Bilder. N\u00e4hert sich also a der ersten Linse, so entwirft diese auch ein n\u00e4heres Bild, welches wieder Object der zweiten Linse wird, und so fort.\nEndlich ergiebt sich, dass, wenn wir das Brechungsverm\u00f6gen einer der Schichten erh\u00f6hen, das Bild a n\u00e4her an h fallen wird. Bis zu der ver\u00e4nderten Schicht hin bleibt der Gang der Lichtstrahlen und die Lage der Bilder unver\u00e4ndert, die Schicht mit erh\u00f6htem Brechungsverm\u00f6gen entwirft aber jetzt ein n\u00e4heres Bild von a, welches ein n\u00e4heres Object f\u00fcr die folgenden Schichten wird, und dem ein n\u00e4her an h gelegenes letztes Bild a entsprechen muss.\nWenn also das Bild a dieselbe Lage behalten soll, w\u00e4hrend wir das Brechungs-verm\u00f6gen einer der Schichten erh\u00f6hen, m\u00fcssen wir die Entfernung a g entsprechend vergr\u00f6ssern.\nDie ganze Krystallinse k\u00f6nnen wir nun zusammengesetzt denken ans zwei solchen Systemen concavconvexer Linsen B und C und ihrem biconvexen Kerne A, wie in\nFia. 42. Wenn die Krystallinse als\nX'lfN\n\\\n\tp\\\t*\n\tCU/\t\nGanzes von einem vor ihr gelegenen Punkte a ein reelles umgekehrtes Bild in b entwirft, so wird das Schichtensystem B ein Bild a vor der vorderen Fl\u00e4che des Kerns entwerfen m\u00fcssen, und dem Bilde b wird ebenso ein Bild \u00df hinter der hinteren Fl\u00e4che des Kerns entsprechen m\u00fcssen, welches die Strahlen nach der Brechung im Kerne und mg' **'\tvor der Brechung im Systeme C bilden.\nDer Kern muss also nach Art von biconvexen Linsen ein umgekehrtes Bildchen von a in \u00df entwerfen. Er thut dies, wenn a vor seinem vorderen Brennpunkte liegt.\nR\u00fcckt a in unendliche Entfernung, so wird b im hinteren Brennpunkte der ganzen Krystallinse liegen m\u00fcssen.","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 10.\nHAUPTPUNKTE DER KRYSTALLINSE.\n75\nErh\u00f6hen wir nun das Brechungsverm\u00f6gen einer der Schichten in B, so wird a n\u00e4her an die Vorderfl\u00e4che von A r\u00fccken, folglich das Bild \u00df, welches A von a, und das Bild b, welches C Von \u00df entwirft, sich nach hinten entfernen.\nErh\u00f6hen wir ebenso das Brechungsverm\u00f6gen einer der Schichten von C, so wird dem Bilde \u00df, welches seinen Platz beh\u00e4lt, ein entfernteres Bild b entsprechen.\nErh\u00f6hen wir also das Brechungsverm\u00f6gen einzelner Schichten der Systeme B und C, so entfernt sich der hintere Brennpunkt der Krystal-linse von ihrer hinteren Fl\u00e4che.\nWir k\u00f6nnen das Brechungsverm\u00f6gen s\u00e4mmtlicher Schichten der Krystallinse bis zu dem des Kerns wachsen lassen, ohne dass der Brennpunkt in unendliche Entfernung hinausr\u00fcckt, da ja schliesslich, wenn die Beschaffenheit aller Schichten der des Kerns gleich geworden ist, die Krystallinse eine einfache homogene biconvexe Linse darstellt, deren Brennweite positiv und endlich sein muss.\nWas f\u00fcr den hinteren Brennpunkt der Linse gilt, gilt nat\u00fcrlich auch f\u00fcr den vorderen, und somit ist bewiesen, dass die Brennpunkte der Krystallinse ihr n\u00e4her liegen, als sie es thun w\u00fcrden, wenn alle ihre Schichten die Dichtigkeit und das Brechungsverm\u00f6gen des Kerns h\u00e4tten.\n2) Die Entfernung der Hauptpunkte von einander ist in der Krystallinse kleiner als in einer Linse, welche dieselbe Form und das Brechungsverm\u00f6gen des Kerns h\u00e4tte.\nDie Hauptpunkte sind die von der Linse selbst entworfenen Bilder eines in ihr liegenden Punktes, n\u00e4mlich ihres sogenannten optischen Mittelpunktes. Wo dieser auch liegen mag, so l\u00e4sst sich in ganz \u00e4hnlicher Weise, wie es eben zur Bestimmung der Brennpunkte geschehen ist, nachweisen, dass die Bilder des optischen Mittelpunktes desto n\u00e4her den Oberfl\u00e4chen der Linse r\u00fccken werden, je mehr das Brechungsverm\u00f6gen der einzelnen Schichten der Krystallinse steigt, dass dabei also auch die Entfernung der beiden Bilder von einander algebraisch gr\u00f6sser wird. Wenn nun s\u00e4mmtliche Schichten der Linse schliesslich das Brechungsverm\u00f6gen des Kerns erreicht haben, wird im Allgemeinen der optische Mittelpunkt der Krystallinse nicht mehr mit dem optischen Mittelpunkte dieser neuen gleichartigen Linse zusammenfallen. Da aber bei einer Linse mit positiven Brennweiten die Entfernung der Hauptpunkte ein Maximum ist unter den Entfernungen zusammengeh\u00f6riger Bilder, so ist die Entfernung der Hauptpunkte dieser neuen gleichartigen Linse jedenfalls gr\u00f6sser als die Entfernung der von ihr entworfenen Bilder des optischen Mittelpunktes der unver\u00e4nderten Krystallinse, folglich auch gr\u00f6sser als die Entfernung der Hauptpunkte der unver\u00e4nderten Krystallinse von einander.\nEs l\u00e4sst sich ferner nachweisen, dass die Entfernung der Hauptpunkte der Krystallinse einen positiven Werth hat, d. h. dass der zweite Hauptpunkt hinter dem ersten liegt, wenn wir annehmen, wie dies aus der Form der Linsenschichten hervorzugehen scheint, dass die Kr\u00fcmmungsradien der in der Axe gelegenen Theile der Schichtfl\u00e4chen gr\u00f6sser sind als die Entfernungen dieser Fl\u00e4chen vom Kerne der Linse. Brechende Kugelfl\u00e4chen entwerfen von Punkten, welche zwischen ihnen und ihrem Mittelpunkte liegen, Bilder, die der brechenden Fl\u00e4che n\u00e4her sind als das Object. Folglich wird das Bild des Mittelpunktes des Linsenkerns, welches die vordere Linsenh\u00e4lfte entwirft, vor seinem Objecte, das, welches die hintere Linsenfl\u00e4che entwirft, hinter seinem Objecte liegen. Die beiden zusammengeh\u00f6rigen Bilder des Mittelpunktes des Linsenkerns haben also eine positive Entfernung. Da der Abstand der Hauptpunkte algebraisch gr\u00f6sser ist als der aller anderen zusammengeh\u00f6rigen Bilder, so ist dieser Abstand jedenfalls positiv.\nDie Hauptpunkte einer Linse, welche die Gestalt der menschlichen Krystallinse und das Brechungsverm\u00f6gen ihres Kerns h\u00e4tte, w\u00fcrden nur etwa y4 Mm. von einander","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIK DES AUGES.\n\u00a7. io.\nentfernt sein ; dadurch ist die Entfernung der Hauptpunkte der Krystallinse von einander also in sehr enge Grenzen eingesehlossen.\nDie Brechungsverh\u00e4ltnisse der durchsichtigen Mittel des menschlichen Auges sind fr\u00fcher von Chossat 1 und Brewster 2 bestimmt worden; neuerdings ist eine grosse Zahl solcher Messungen von W. Krause 3 ausgef\u00fchrt worden, w\u00e4hrend die erstgenannten Beobachter, wie es scheint, nur wenige Augen untersucht haben. Brewster brachte die zu untersuchende Substanz zwischen die krumme Fl\u00e4che einer Convexlinse, welche als Objectiv eines Mikroskops diente, und ein gegen die Axe des Mikroskops senkrecht gestelltes Planglas. Dadurch wird die Brennweite des Mikroskops ver\u00e4ndert. Brewster mass den Objectabstand des Mikroskops vor und nach der Einbringung der brechenden Substanz und nach der Einbringung von reinem Wasser, dessen Brechungscoefficient bekannt war. Cahours und Becquerel 4 schlugen vor, die Gr\u00f6sse der Bilder des Mikroskops zu messen, und dieser Methode ist auch W. Krause gefolgt. Ich lasse hier die Beschreibung des Verfahrens folgen, welches der Letztere angewendet hat.\nEin gew\u00f6hnliches Kellner\u2019scIics Mikroskop, dessen unterer Theil auf Taf. II. Fig. 3 abgebildet ist, wurde f\u00fcr die Messungen auf folgende Art eingerichtet. An die Stelle des Objectivs wurde eine biconvexe Linse von Crownglas von etwa 30 Mm. Brennweite gebracht, indem die Fassung b in das Rohr des Mikroskops a eingeschraubt wurde. Die Linse befand sich in einer concaven, geschw\u00e4rzten Vertiefung, und wurde darin durch die H\u00fclse d, die in der Mitte mit einer Oeffnung von '2,6 Mm. Durchmesser versehen war, festgeschraubt. Die Linse lag luftdicht auf dem Rande dieser Oeffnung an. Unter ihr wurde eine plane Glasplatte e, ebenfalls von Crownglas, angebracht, vermittelst eines Ringes f, dessen Innenraum konisch ausgeschliffen war und auf die H\u00fclse d, die ebenfalls konisch zugeschliffen war, passte, jedoch nicht so genau, dass nicht Luft langsam dazwischen hindurchdringen konnte.\nDas zu pr\u00fcfende Augenmedium wurde in den Ring f auf die Mitte der ebenen Platte gebracht, und dann der Ring so fest auf die H\u00fclse d aufgedr\u00fcckt, dass die letztere auf den vorspringenden Rand g aufstiess, um dadurch das Planglas sicher vertical gegen die Axe des Mikroskops zu stellen. Nach jeder Messung konnte die Objectivlinse herausgenommen und gereinigt werden.\nIm Oculare des Mikroskops war ein Glasmikrometer, getheilt in Vso Wiener Linien, befestigt; auf den Objecttisch wurde ein eben solches, getheilt in ]/10 Linien, gelegt, und das Mikroskop so gestellt, dass beide Theilungcn gleichzeitig deutlich gesehen wurden, und bestimmt, wie viel Theilstrichen des oberen Mikrometers einer des unteren entsprach. Eben solche Messungen wurden angestellt, wenn blos Luft zwischen der Objectivlinse und der ebenen Platte, und wenn destillirtes Wasser dazwischen war.\nZur Rerechnung der Resultate k\u00f6nnen wir die Gleichungen \u00a7. 9. Nr. 12) benutzen; zwar beziehen sich diese nur auf zwei brechende Fl\u00e4chen und in dem Objectivsystem von Krause\u2019s Apparate haben wir vier, n\u00e4mlich die erste und zweite Fl\u00e4che des Planglases, die erste und zweite Fl\u00e4che der biconvexen Linse. Wenn wir uns aber das System in zw'ei zerlegen, von denen das erste die beiden ebenen Fl\u00e4chen umfasst, das zweite die beiden Fl\u00e4chen der Linse, so sind die Brennweiten des ersten Systems unendlich. Bezeichnen wir die erste (untere) Brennweite des Planglases entsprechend der Bezeichnung in \u00a7. 9 Gleichung I I a) bis f) mit f], die zweite des Planglases mit fln die erste (untere) der Linse mit <p(, die zweite mit cp/;, den Abstand des zweiten Hauptpunkts des Planglases vom ersten der Linse mit d, so giebt die letzte der Gleichungen llf), wenn wir fu unendlich gross setzen, f\u00fcr die zweite (obere) Brennweite des ganzen Systems :\nFn = 9h-\n\u2022\tBulletin des sc. par la Soci\u00e9t\u00e9 philom. de Paris. A. 1818. Juin. p. 294.\n2 Edinburgh Philos. Journal. 1819. No. 1. p. 47.\n*\tDie Brcchungsindices der durchsichtigen Medien des menschl. Auges von Dr. YV. Krause. Hannover 1855. 4 L\u2019Institut. Scienc. math., phys. et nalur. 1840. p. 399.","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"MESSUNGEN DER BRECHUNGSVERH\u00c4LTNISSE.\nS. <0.\n77\nDie erste Brennweite des ganzen Systems ist dieser gleich, da das erste und letzte Mittel (Luft) identisch sind.\nF\u00fcr die Entfernung des zweiten Hauptpunktes des ganzen Systems vom zweiten Hauptpunkte der Linse giebt die Gleichung \\le) den Werth 0, wenn wir f\u201e = oo setzen. Der zweite Hauptpunkt und zweite Brennpunkt sind also in diesem Falle dieselben, als wenn das zwischen der ebenen Platte und der Linse eingeschlossene Mittel nach vorn unbegrenzt w\u00e4ren.\nWir nennen also, entsprechend der Bezeichnung des \u00a7. 9 Gleichung 12), das Brechungs-verh\u00e4ltniss der zu pr\u00fcfenden Substanz \u00bb, , das der Glaslinse \u00bb2, das der Luft n3 k\u00f6nnen wir = 1 setzen; dann entspricht der Werth von P2 der genannten Gleichungen der Brennweite F unseres Objectivsystems :\np _ _____________________'h r, r2__________________\nn2 (1 \u2014 b2) r, 4- [n2 r2 \u2014 (1 \u2014 n2) d\\ (\u00ab2 \u2014-\u00bb,) '\nNennen wir P\u201e die Brennweite des Objectivsystems f\u00fcr den Fall, dass destillirtes Wasser zwischen die Platte und Linse eingebracht ist, \u00bb0 das Brechungsverm\u00f6gen des destillirten Wassers, und \u2018I* die Brennweite f\u00fcr den Fall, wo sich Luft zwischen der Platte und Linse befindet, so erhalten wir noch zwei \u00e4hnliche Gleichungen, welche wir mit der vorigen in folgender Form schreiben k\u00f6nnen:\nFA\t\u2014\t\u00ab2 r\\\tr2\t=\tnt\tFB\t\\\n.4\t\u2014\tn2 r,\tr2\t=\t\u00bb\u201e\tF\u201e \u00df\tt...........................2),\n$ A\t\u2014\tn2 r,\tr2\t=\t\u00a9\t\u00df\t;\nwenn wir der Abk\u00fcrzung wegen setzen :\nA \u2014 \u00ab2 [(I -\u2014zz2)\t+ n2r2 \u2014 (1\u2014n2) d]\nB =. n2 r2 \u2014 (1 \u2014\u00bb2) (l.\nWenn wir die zweite der Gleichungen 2) von der ersten, und die dritte von der zweiten abziehen, erhalten wir :\n(P\u2014P0)A = (\u00bb,P \u2014\u00bb0P\u201e)\u00df (F\u201e \u2014<3>)d = (\u00bb0P0-\u00a9)\u00df.\nDiese beiden Gleichungen durch einander dividirt geben :\nDaraus folgt endlich :\nF \u2014 Pp _ \u00bb, F\u2014 n\u201e F, P0 \u2014\u00a9\t\u00bb0PO\u2014\u00a9\n\u00bb,\n1 H- (\u00bbo \u2014 1)\nPqW-\u00a9) Fi (Po-\u00a9)\n2 a).\nWir k\u00f6nnen also das Brechungsverh\u00e4ltniss der zu pr\u00fcfenden Substanz \u00bb, berechnen, wenn wir das Brechungsverh\u00e4ltniss des destillirten Wassers \u00bb\u201e kennen und die drei Brennweiten des Objectivsystems F, F0 und \u00a9. Diese Brennweiten lassen sich aber aus der Messung der Bilder berechnen. Ist b die Gr\u00f6sse eines Theilstrichs des unteren Mikrometers, und \u00df die absolute Gr\u00f6sse seines in der Ocularblendung des Mikroskops entworfenen Bildes, ohne R\u00fccksicht auf seine umgekehrte Stellung, P die Brennweite des Objectivsystems und f2 die Entfernung des Bildes \u00df vom zweiten Hauptpunkte des Objectivsystems, so ist nach \u00a7. 9 Gleichung 8 b) :\ni\nb\n\u2014 oder F\n)..................................\nWenn man b und \u00df gemessen hat, w\u00fcrde man also f2 noch kennen m\u00fcssen, um F zu finden. Vorausgesetzt aber, dass f2 in allen F\u00e4llen dasselbe bleibt, was in Krause\u2019s Apparat mit grosser Ann\u00e4herung der Fall ist, w\u00fcrde sich dessen Werth aus der Gleichung f\u00fcr \u00bb, fort-","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. io.\nheben, braucht also dann nicht gekannt zu sein. Lassen wir den drei Brennweiten F, F0 und <D entsprechen die drei Werthe \u00df, \u00dfu und b, so wird der Werth von \u00bb,\nb \u2014 \u00f6 I\nn\u2018 ~ 1 + | .............................................2c)'\nZur Berechnung von \u00bb, braucht man also unter diesen Umst\u00e4nden nicht einmal die Gr\u00f6sse des Objects b zu kennen, welches man unter das Mikroskop gelegt hat, sondern es gen\u00fcgt, irgend ein beliebiges Object zu nehmen, wenn es nur immer dasselbe bleibt.\nDer Werth von f2 ist in diesen Messungen constant, wenn sich die Stellung des Mikrometers im Oculare, und die des zweiten Hauptpunktes des Objectivsystems nicht \u00e4ndert. Die letztere ist bei Einschaltung verschiedener Fl\u00fcssigkeiten zwischen der ebenen Platte und Linse nur dann streng constant, wenn die obere Fl\u00e4che der Linse eben ist. In \u00a7. 9 Gleichung 12a) ist h2 die Entfernung des zweiten Hauptpunktes von der hinteren Fl\u00e4che der Linse, Wenn r2 nicht unendlich ist, ist diese Entfernung von \u00bb, , dem Brechungsverm\u00f6gen der eingeschalteten Substanz, abh\u00e4ngig. Wenn man r.2 unendlich gross setzt, nachdem man Z\u00e4hler und Nenner des Ausdrucks f\u00fcr ft2 dadurch dividirt hat, wird\n\u00e42 =\nn,\nalso unabh\u00e4ngig von \u00bb,. Es m\u00f6chte daher besser sein, bei solchen Messungen statt der bicon-vexen eine planconvexe Linse zu nehmen, die plane Seite nach oben gewendet. Indessen ist der Fehler, welcher durch Anwendung einer biconvexen entstehen kann, jedenfalls \u00e4usserst unbedeutend, wenn nur die Dicke der Linse gegen die L\u00e4nge des K\u00f6rpers des Mikroskops vernachl\u00e4ssigt werden kann.\nBrewster hat bei seinen Messungen den Brechungscoefficienten des destillirten Wassers = 1,3358 gesetzt, was nach Fraunhofer\u2019s Messungen etwa der Linie E im Gr\u00fcn, also den Strahlen mittlerer Brechbarkeit entsprechen w\u00fcrde. Krause zieht auf Listing\u2019s Rath vor, als Grundlage den intensivsten Strahl des Spoctrums zu nehmen, welcher nach Fraunhofer den Brechungsindex 1,33424 hat. Ich gebe in der folgenden Tafel die Resultate, welche Chossat, Brewster und Krause f\u00fcr das menschliche Auge erhalten haben. W. Krause hat 20 Augen > on 10 Indiv iduen untersucht und sehr betr\u00e4chtliche individuelle Abweichungen gefunden.\nTabelle der Brechuiigsindiees menschlicher Augen.\nBeobachter.\t\tHornhaut.\tW\u00e4ssrige Feuchtig- keit.\tGlas- k\u00f6rper.\tAeussere Schicht.\tirystallinse Mittlere Schicht.\tKern.\nChossat.\t\t1,33\t1,338\t1,339\t1,368\t1,395\t1,420\nBrewster. \u00abo = 1,3358.\t\t\t1,3366\t1,3394\t1,3767\t1,3786\t1,3839\nW. Krause. n0 =i 1,3342.\t( Max. ] Min. ( Mittel.\t4,3569 4,3434 4,3507\t1,3557 1,3349 1,3420\t1,3569 1,3361 1,3485\t1,4743 1,3431 1,4053\t1,4775 1,3523 1,4294\t1,4807 1,4252 1,4541\nHelmholtz. \u00bb\u201e = 1,3354.\t\t\t1,3365\t1,3382\t1,4189\t\t\nDie von mir selbst angestellten Messungen sind in folgender Weise ausgef\u00fchrt : Es wurden Proben der zu untersuchenden Fl\u00fcssigkeit zwischen einer ebenen Glasplatte und der coneaven Fl\u00e4che einer kleinen planconcavcn Linse eingeschlossen ; Bilder dieses optischen Systems wurden mit dem Ophthalmometer gemessen, daraus die Brennweiten berechnet. Ausserdem konnte der Radius der coneaven Linsenfl\u00e4che direct mit dem Ophthalmometer bestimmt werden, \u00e4hnlich wie dies in \u00a7. 2 f\u00fcr den Kr\u00fcmmungsradius der Hornhaut geschehen ist. Unter diesen Umst\u00e4nden war es nicht n\u00f6tliig, auch mit destillirtem Wasser zwischen den Gl\u00e4sern zu beobachten , und dessen Brechungsverh\u00e4ltniss als bekannt vorauszusetzen. Das Brechungsverh\u00e4ltniss","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 4 0.\nMESSUNGEN DER OPTISCHEN CONSTANTEN DER KRYSTALLINSE.\n79\ndes destillirten Wassers fand sich auf diese Weise 1,3351, was zwischen Brewster\u2019s und Krause\u2019s Zahl liegt.\nKrause hat noch eine Reihe von Brechungsverh\u00e4ltnissen an Kalbsaugen untersucht namentlich in der Absicht, um zu ermitteln, ob die Brechungsverh\u00e4ltnisse in den ersten 24 Stunden nach dem Tode sich merklich ver\u00e4ndern, indem er 20 solcher Augen unmittelbar nach dem Tode untersuchte, 20 andere, nachdem sie 24 Stunden hei 15 \" R. aufbewahrt worden waren. Er fand folgende Mittelzahlen :\nHornhaut .............\nW\u00e4ssrige Feuchtigkeit\nGlask\u00f6rper ...........\nAeussere Linsenschicht Mittlere Linsenschicht Linsenkern ...........\nfrische Augen\tnach 24 Stunden\n.\t1,3467\t1,3480\n.\t1,3421\t4,3415\n.\t1,3529\t1,3528\n.\t1,3983\t1,4013\n.\t4,44 94\t1,4241\n.\t4,4520\t4,4512.\nDaraus geht hervor, dass sich die BrechungsVerh\u00e4ltnisse der Kalbsaugen in den ersten 24 Stunden nach dem Tode nicht merklich ver\u00e4ndern, und- es l\u00e4sst sicli demnach dasselbe f\u00fcr die menschlichen annehmen.\nDa aus der Gestalt und den Brechungsverh\u00e4ltnissen der einzelnen Schichten der Krystallinse deren Brennweite nicht unmittelbar zu berechnen ist, so will ich hier die Resultate von directen Messungen der optischen Constanten zweier menschlichen Linsen anf\u00fchren, welche ich etwa 12 Stunden nach dem Tode untersuchen konnte.\nAn der Luft trocknet und faltet sich die Oberfl\u00e4che einer aus dem Auge genommenen Linse sehr bald, in Wasser quillt sie auf und wird tr\u00fcbe. Ich habe deshalb die todten Linsen w\u00e4hrend ihrer Untersuchung mit Glasfeuchtigkeit umgeben. Ausserdem sind die Linsen ausserordentlich nachgiebig gegen jeden Zug und Druck; so lange sie aber von ihrer elastischen und sie sehr prall umschliessenden Kapsel umgeben sind, sind diese Formver\u00e4nderungen vor\u00fcbergehend. Man muss die Linsen w\u00e4hrend der Untersuchung also so lagern, dass sie keinem \u00e4usseren Zuge oder Drucke ausgesetzt sind. Ich that das auf folgende Weise. In Fig. iS ist ein\nDurchschnitt des kleinen Apparates, den ich dazu brauchte, in nat\u00fcrlicher Gr\u00f6sse dargestellt. In der Mitte befindet sich ein hohles cylindrisches St\u00fcck aus Messing, welches im Inneren bei b b eine horizontale, auf der oberen Seite concave und in der Mitte mit einer runden Oelfnung versehene Scheidewand hat. Ich benutzte dazu die Fassung eines der Objectivgl\u00e4ser eines \u00e4lteren Mikroskops. Der untere Rand dieses Messingst\u00fccks wird auf die planparallele Glasplatte cc aufgekittet, aber so, dass sich keine Schicht Kitt von merklicher Dicke zwischen die unterste Rundung des Randes und die Glasplatte einschiebt. Nun f\u00fcllt man erst den unteren Hohlraum des Messingcylinders mit Glasfeuchtigkeit, legt dann die Krystallinse, welche man vorsichtig und ohne Verletzung oder harte Ber\u00fchrung aus dem Auge genommen hat, mit ihrer platteren Seite auf das Diaphragma b b. Dann f\u00fcllt man oben noch etwas Glasfeuchtigkeit nach, bis sie bis zum oberen Rande des Messinggef\u00e4sses steht, und deckt die zweite planparallele Glasplatte dd dar\u00fcber, so dass diese auch oben der Glasfeuchtigkeit eine gerade Oberfl\u00e4che giebt. Da ich mein Ophthalmometer nicht bequem vertical stellen konnte, so setzte ich auf die Glasplatte dd noch ein rechtwinkeliges, gleichschenkeliges Glasprisma f, welches das von unten her durch die Linse kommende Licht horizontal reflectirte. Das Ganze setzt man dann bequem auf den K\u00f6rper eines Mikroskops, von dem man alle Gl\u00e4ser und die enge Blendung am unteren Theile entfernt hat, und bringt eine Messingplatte mit GRAVESAND\u2019schen Schneiden, deren Zwischenraum als optisches Object f\u00fcr die Krystallinse gebraucht werden soll, einmal auf den Objecttisch des Mikroskops, und dann wieder dicht unter die Glasplatte cc,\nFig. 43.","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nERSTER ABSCHNITT. HIE DIOPTRIK DES AUGES.\n\u00a7\u2022 10.\nzwischen sie und den oberen Rand des K\u00f6rpers des Mikroskops. Zur Beleuchtung gebraucht man den Spiegel des Mikroskops, indem man ihn von unten her Licht durch den zwischen den Schneiden gelegenen Ausschnitt der Messingplatte werfen l\u00e4sst. Mittels des Ophthalmometers misst man nun die Gr\u00f6sse des Bildes, welches die Krystallinse von dem Ausschnitte der Messingplatte entwirft.\nZur Rechnung muss man die Entfernung des Ausschnitts zwischen den GRAVESAND\u2019schen Schneiden von der unteren Fl\u00e4che der Platte c c kennen. Diese Gr\u00f6sse sei , wenn der Schirm auf dem Tische des Mikroskops liegt, und \u00ab2, wenn er dicht unter der Platte liegt. Je gr\u00f6sser man <z, und je kleiner man a2 machen kann, desto bessere Resultate giebt der Versuch. Ferner muss man die Dicke der Platte c c kennen, welche wir c nennen wollen, und wenigstens ann\u00e4hernd ihr Brechungsverm\u00f6gen \u00bbc, endlich die Entfernung b zwischen der oberen Fl\u00e4che der Platte cc und dem oberen Rande der OelFnung bb, und das Brechungs-verh\u00e4ltniss des Glask\u00f6rpers gegen Luft n2. Ferner sei h, die Entfernung der GRAVESAND\u2019schen Schneiden von einander zu der Zeit, wo sie auf dem Tische des Mikroskops um at entfernt von der Platte c lagen, \u00df, die Breite des von der Krystallinse entworfenen Bildes, ihres Zwischenraums, welche in diesem Falle eine negative Gr\u00f6sse ist wegen der Umkehrung des Bildes, b2 und \u00df2 die entsprechenden Gr\u00f6ssen bei der anderen Lage des Schirms, f die gesuchte Brennweite der Linse in Glasfeuchtigkeit, und x der Abstand ihres ersten Knotenpunktes von der Ebene des oberen Randes der Oeffnung bb. So ergiebt sich aus dem, was \u00fcber die Brechung in ebenen Platten \u00a7. 9 Gleichung 3e) und 6c) gefunden ist, dass die Lichtstrahlen, wenn sie in der Glasfeuchtigkeit vor der Krystallinse angekommen sind, einem Bilde von der\nGr\u00f6sse h, oder f>2 entsprechen, welches in der Entfernung beziehlich 'n a, -+- \u2014 c -+- b -f- x'j\noder /n \u00ab2 -f-c -I- b H- x\\ liegt. Die Gr\u00f6sse des Bildes \u00df, oder \u00df2 wird nachher durch die\n\\\tnc\t!\nBrechung an den ebenen Fl\u00e4chen der oberen Glasplatte nicht weiter ver\u00e4ndert. Wir haben also die Gleichungen :\n\u00dfi \u2014 h\n\u00dfi\nna, -1----t + J + i\n\u00df2 --- fr2 \n\u00df2\nDurch Subtraction erh\u00e4lt man :\nna2 -F- \u2014 c b x n..\nf\n\u00dfi ffi \u00df2 b2 __________ n (#! ff2)\n\u00dfi\t\u00df2 \u201c\t?\t\u2019\nworaus f zu finden ist :\n n \u00dfi \u00df2 (\u00abi \u2014\u25a0 a2)\n\u2022\tb2 \u00dfi \u2014 *i \u00df2\nund dann erh\u00e4lt man aus einer der beiden fr\u00fcheren Gleichungen auch x. Man vergesse bei der Rechnung nicht, dass \u00df,, wenn gr\u00f6sser als die Brennweite ist, ein umgekehrtes Bild, also negativ ist. Die Gr\u00f6sse x ist nicht unmittelbar gleich dem Abstande des Knotenpunktes von der vorderen Fl\u00e4che der Linse zu setzen, sondern bedarf dazu noch einer kleinen Correction, weil die gekr\u00fcmmte Fl\u00e4che der Linse sich etwas unter die Ebene der Oeffnung, auf deren R\u00e4ndern sie ruht, herabw\u00f6lbt. Wenn man den Durchmesser der Oeffnung und den Kr\u00fcmmungsradius der Linse kennt, ist die H\u00f6he des betreffenden Kugelabschnitts leicht zu berechnen.\nDen Abstand des zweiten Knotenpunktes von der hinteren Fl\u00e4che der Linse erh\u00e4lt man in derselben Weise, nachdem man die Linse umgekehrt hat.\nDie kleine Gr\u00f6sse ~ kann man durch Beobachtungen mit dem Ophthalmometer bestim-","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 10.\nDICKE DER KRYSTALLINSE IN LEBENDEN AUGEN.\n81\nmen, indem man die Glasplatte ce, \u00e4hnlich wie sie hier zwischen dem Spalt und der Krystal-linse angebracht ist, zwischen diesen und eine kleine Glaslinse yon bekannter Brennweite und bekannter Lage der Knotenpunkte bringt. In \u00e4hnlicher Weise kann auch die Gr\u00f6sse b ermittelt werden. Dieselben Gleichungen, welche wir f\u00fcr die Ermittelung von x und f aufgestellt haben,\nk\u00f6nnen bei bekanntem x und f auch dienen, b oder \u2014 zu ermitteln.\nno\nDie Kr\u00fcmmungshalbmesser f\u00fcr die Scheitel der Linse k\u00f6nnen entweder, wie oben angegeben ist, durch Spiegelung ermittelt werden, oder auch durch Brechung. Zu dem Ende l\u00e4sst man die Linse in ihrem Messinggeh\u00e4use liegen, und entfernt nur den Theil der Glasfeuchtigkeit, welcher ihre obere Fl\u00e4che bedeckt, und stellt nun entweder den Ausschnitt zwischen den GRAVESAND\u2019schen Schneiden vor dem Prisma f, etwas seitlich von der Gesichtslinie des Ophthalmometers auf, und misst die Gr\u00f6sse seines Spiegelbildes, oder man l\u00e4sst den Messingschirm mit den Schneiden auf dem Objecttische des Mikroskops liegen, und misst das dioptrische Bild, welches jetzt entworfen wird. Wie die Messung des Spiegelbildchens zur Bechnung zu benutzen ist, ist schon oben angegeben. F\u00fcr die dioptrische Messung m\u00f6gen bt , \u00df, und f die bisherige Bedeutung behalten, \u00df3 die Gr\u00f6sse des Bildes bezeichnen, nachdem man die gl\u00e4serne Feuchtigkeit von der oberen Fl\u00e4che der Linse entfernt hat, und y der Abstand des oberen Knotenpunktes von der oberen Fl\u00e4che sein. (Dieser Abstand bezieht sich immer auf den Fall, wo die Linse in Glasfeuchtigkeit liegt.) Endlich sei R der Kr\u00fcmmungsradius im Scheitel der oberen Fl\u00e4che. Dann kann R aus der Gleichung gefunden werden :\n\u00bb (\u00dfi \u2014 \u00dfa)\n(\u00bb \u2014 1) \u00df3\nf \u25a0\nb, \u2014 f\nbi\nIch habe f\u00fcr den eigenthiimlichen Bau der Linse erwiesen, dass ihre Brennweite k\u00fcrzer sei, als wenn sie ganz und gar die Dichtigkeit und das Brechungsverm\u00f6gen ihres Kerns h\u00e4tte. Wollte man also eine homogene Linse von gleicher Gestalt und Gr\u00f6sse und gleicher Brennweite, wie der Krystallk\u00f6rper ist, herstellen, so w\u00fcrde man dieser ein noch h\u00f6heres Brechungsverm\u00f6gen geben m\u00fcssen, als selbst sein Kern hat. Dieses Brechungsverm\u00f6gen einer imagin\u00e4ren gleichgestalteten und gleichwerthigen homogenen Linse hat Senff das totale Brechungsverm\u00f6gen genannt. Es ist wohl zu unterscheiden von dem mittleren Brechungsverm\u00f6gen, welches dem arithmetischen Mittel s\u00e4mmtlicher Schichten entspricht. Das totale ist im Gegen-theile h\u00f6her als das h\u00f6chste Brechungsverm\u00f6gen der dichtesten Theile der Linse. Ich gebe hier zun\u00e4chst eine Zusammenstellung der von mir f\u00fcr menschliche Linsen gefundenen Werthe, die Lineardimensionen in Millimetern. Brennweite und Hauptpunkte beziehen sich auf den Fall, wo die Linse von Glasfeuchtigkeit umgeben ist. Die Kr\u00fcmmungshalbmesser sind durch Spiegelung bestimmt.\n1)\tBrennweite.......................................... 45,144\t47,433\n2)\tAbstand des ersten Hauptpunktes von\tder vorderen Fl\u00e4che\t2,258\t2,8IO\n3)\tAbstand des zweiten Hauptpunktes von\tder hinteren Fl\u00e4che\t1,546\t1,499\n4)\tDicke der Linse.................................... 4,2\t4,314\n5)\tKr\u00fcmmungshalbmesser im Scheitel der\tvorderen Fl\u00e4che. .\t10,162\t8,865\n6)\tKr\u00fcmmungshalbmesser im Scheitel der\thinteren Fl\u00e4che . .\t5,860\t5,889\n7)\tTotales Brechungsverm\u00f6gen.......................... 1,4519\t1,4414.\nOh aber Form und Brennweite todter Linsen denen des lebenden fernsehenden Auges gleich sind, ist mir durch Messungen, die ich an lebenden Augen ausgef\u00fchrt habe, zweifelhaft geworden. Ich habe n\u00e4mlich die Dicke der Linse an drei lebenden Personen zum Theil um mehr als ]/2 Mm. kleiner gefunden, als die kleinsten Werthe der Dicke sind, die man an todten Linsen findet l. Wie man die Entfernung der Pupille von der vorderen Hornhautfl\u00e4che findet, ist in \u00a7. 3 beschrieben. Dicht am Pupillarrande der Iris befindet sich auch die vordere Linsenfl\u00e4che. Um die Dicke der Linse zu bestimmen, muss man also noch die Entfernung der hinteren Linsenfl\u00e4che von der Hornhaut zu ermitteln suchen.\n1 v. Graefe\u2019s Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. Bfl. \u00cf. Ahth. 2. S. 56. Encyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\n6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 40.\nEs\tsei\tin\tFig.\tU\tA\tA\tdie\tHornhaut,\tB die Linse. Es falle in der\tRichtung C c Licht in\ndas \u00c4uge,\twerde\tgebrochen an\tder\tHornhaut und vorderen Linsenfl\u00e4che,\tdann an der hinteren\nLinsenfl\u00e4che in i reflectirt. Der zur\u00fcckgeworfene Strahl trete bei d aus der Hornhaut und gehe fort in der Richtung dB, wo er\tdas Auge des Beobachters trifft. Jetzt bringe\tder Beobachter sein\nAuge nach C genau an die Stelle des Lichts und das Licht nach D genau an die fr\u00fchere Stelle seines Auges, so wird ein Lichtstrahl wieder genau auf demselben Wege, nur in umgekehrter Richtung D di c C vom Lichte zum Auge des Beobachters gehen, und es wird bei dieser zweiten Stellung wieder genau dieselbe Stelle der hinteren Linsenfl\u00e4che das Licht zur\u00fcckwerfen, wie bei der ersten. Indem man den Ort des Lichts und des Auges des Beobachters, den Ort des\tbeobachteten Auges,\nso wie den Fixationspunkt des letzteren durch passende Abmessungen bestimmt, erh\u00e4lt man die Winkel, welche die Linien Cc, Dd und die Gesichtslinie des beobachteten Auges G g mit einander bilden. Um die Punkte c und d auf der Hornhaut zu finden, bringt man, wenn das Auge des Beobachters in D steht, ein kleines Licht entfernt vom Auge in E so an, dass f\u00fcr den Beobachter der von der Hornhaut entworfene Reflex dieses Lichts mit dem von der hinteren Linsenfl\u00e4che entworfenen Reflexe des Lichts C zu-sammenfdllt. Dies geschieht, wenn der Strahl E d nach D zur\u00fcckgeworfen wird, wenn also die Halbirungslinie des Winkels E dB senkrecht auf der Hornhautfl\u00e4che steht. Es sei e d diese Halbirungslinie. Hat man durch passende Abmessungen den Winkel E d D oder E d G bestimmt, so berechnet sich daraus leicht der Winkel, den e d mit G g bildet, und daraus, wenn man die Form und Kr\u00fcmmung der Hornhaut schon gemessen hat, die L\u00e4nge des Hornhautbogens, der zwischen beiden liegt, oder die Lage des Punktes d auf der Hornhaut. Eben so wird die Lage des Punktes c bestimmt.\nJetzt kennt man also die Lage der Punkte c und d, die Richtung der Linien C c und D d ; man verl\u00e4ngere beide, bis sie sich in h schneiden, so ist h der scheinbare Ort des spiegelnden Punktes der hinteren Linsenfl\u00e4che, d. h. der Ort, wie er durch die Substanz der Linse und Hornhaut hin erscheint.\nZur Ausf\u00fchrung der Messung werden die Lichter C und E, von denen das erstere m\u00f6glichst gross und hell, das zweite klein sein muss und durch ein blaues Glas zur besseren Unterscheidung seines Reflexes gef\u00e4rbt werden kann, an einem vom beobachteten Auge mehrere Fuss entfernten horizontalen Maassstabe angebracht. Der Beobachter blickt durch ein kleines Fernrohr, dessen Objectivglas sich ebenfalls dicht an dem Maassstabe befindet, um seinen Ort an diesem bestimmen zu k\u00f6nnen. Dieses Fernrohr wird dann mit dem Lichte C vertauscht '.\nEs ergab sich dabei f\u00fcr drei Augen \u00fcbereinstimmend, dass der scheinbare Ort der hinteren Linsenfl\u00e4che nahe vor dem Kr\u00fcmmungsmittelpunkte der Hornhaut liegt. Wie viel dieser Ort durch die Brechung in der Hornhaut verschoben sei, k\u00f6nnen wir berechnen. Da kugelige brechende Fl\u00e4chen den scheinbaren Ort solcher Objecte, die ihrem Mittelpunkte nahe liegen, sehr wenig ver\u00e4ndern, so haben individuelle Abweichungen in der brechenden Kraft der\u2019w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit hier wenig Einfluss auf das Resultat der Rechnung. Eben so verh\u00e4lt es sich mit der scheinbaren Lagenver\u00e4nderung des Orts der hinteren Linsenfl\u00e4che durch die Linse selbst, da diese Fl\u00e4che jedenfalls dem hinteren Hauptpunkte der Linse sehr nahe ist. Da meine Messungen an todten Linsen \u00fcber die Distanz der Hauptpunkte nichts Sicheres ergeben\n1 Das Detail der Ausf\u00fchrung ist beschrieben in Graefe\u2019s Archiv. I. 2. p. 51.","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 10.\nGRENZEN DER GENAUIGKEIT F\u00dcR DIE LAGE DER CARDINALPUNKTE.\n83\nhatten, weil sich hei dieser sehr kleinen Gr\u00f6sse die Fehler s\u00e4mmtlicher \u00fcbrigen Messungen zusammenh\u00e4ufen, so entnahm ich die Correction, welche \"wegen der Brechung in der Linse n\u00f6thig ist, von Listing\u2019s schematischem Auge. Durch die Brechung in der Linse erscheint deren hintere Fl\u00e4che um etwas weniger, als der Abstand der Hauptpunkte der Linse betr\u00e4gt, vorger\u00fcckt. Da nun, wie ich vorher bewiesen habe, der Abstand der Hauptpunkte in der nat\u00fcrlichen Linse kleiner ist, als in einer von derselben Form und homogener Substanz, deren Brechungsverm\u00f6gen der des Kerns gleich ist, so ist die nach Listing\u2019s Linse berechnete Correction etwas zu gross, und vergr\u00f6ssert im Resultate der Rechnung die Dicke der Linse um ein wenig.\nIch fand f\u00fcr die drei gemessenen Augen im Mittel zweier gut \u00fcbereinstimmender Versuchsreihen :\n\t0. H.\tB. P.\tJ. H.\nKr\u00fcmmungsradius der Hornhaut\t Scheinbare Entfernung der hinteren Linsenfl\u00e4che vom\t7,338\t7,646\t8,154\nScheitel der Hornhaut\t\t6,775\t7,003\t6,658\nWahre Entfernung\t Entfernung der Pupillarebene vom Scheitel der\t7,172\t7,232\t7,141\nHornhaut\t\t4,024\t3,597\t3,739.\nWenn man die Pupillarebene auch als Ort der vorderen Linsenfl\u00e4che betrachtet, ergeben sich daraus folgende Werthe f\u00fcr die Dicke der Linse im lebenden fernsehenden Auge:\n3,148\t3,635\t3,402.\nWenn man dazu auch noch eine Correction anbringt , wegen der Hervorw\u00f6lbung der vorderen Linsenfl\u00e4che vor dem Pupillarrande, und dem Pupillarrande selbst keine merkliche Dicke beilegt, erh\u00e4lt man die Werthe\n3,414\t3,801\t3,555.\nEs sind zur Berechnung dieser Correction Werthe f\u00fcr die Pupillarweite und die Kr\u00fcmmung der vorderen Linsenfl\u00e4che benutzt, welche an den betreffenden Augen selbst durch Messung erhalten waren. Auch diese letzten Werthe sind noch kleiner als die kleinsten Werthe. der Dicke, welche man bisher an todten Linsen erhalten hat. Diese schwanken nach dem \u00e4lteren Krause zwischen 4 Mm. und 5,4 Mm.\nDa der j\u00fcngere Krause die Brechungsverh\u00e4ltnisse von Kalbslinsen unmittelbar nach dem Tode und 24 Stunden sp\u00e4ter merklich gleich gefunden hat, so ist es unwahrscheinlich, dass die Linse durch Aufnahme von Wasser sich verdicke. Dann m\u00fcssten wir n\u00e4mlich eine Abnahme des Brechungsverm\u00f6gens erwarten. Dagegen erscheint es m\u00f6glich, dass dieser Unterschied mit den Ver\u00e4nderungen der Linse beim Fern- und Nahesehen zusammenh\u00e4ngt, worauf wir unten in \u00a7. 12 noch zur\u00fcckkommen werden.\nEs bleibt noch \u00fcbrig, auseinander zu setzen, in wie weit sich bis jetzt die optischen Cardinalpunkte des Auges bestimmen lassen. Ich werde mich dabei an Listing\u2019s schematisches Auge anschliessen, welches jedenfalls von dem wahren Mittel nicht weit abweichen kann, wie dies auch durch meine eigenen Messungen zum Theil wieder best\u00e4tigt wird. Wenigstens, wo man hei physiologisch - optischen Berechnungen \u00fcberhaupt Mittelwerthe gebrauchen muss und darf, und nicht die Werthe f\u00fcr das besondere individuelle Auge ermitteln kann, auf welches sich die Berechnungen beziehen, wird man in Betracht der sehr grossen individuellen Verschiedenheiten eben, so gut die Werthe von Listing\u2019s schematischem Auge gebrauchen k\u00f6nnen, als die wirklichen Mittelwerthe der menschlichen Augen, wenn man letztere auch kennte. Ich werde deshalb im Verlauf des Werkes Listing\u2019s Constanten gebrauchen, wo es n\u00f6thig ist, will aber hier anf\u00fchren, in welchem Sinne diese von dem wahren Mittel mir abzuweichen scheinen.\nDen Radius der Hornhaut setzt Listing gleich 8 Mm. ; er scheint nach Senff\u2019s und meinen Messungen meist etwas kleiner zu sein. Das Brechungsverm\u00f6gen der Hornhaut ist nach W. Krause im Durchschnitt etwas h\u00f6her als der von Listing nach Brewster angenommene Werth \u2014 = 1,3379. Durch beide Umst\u00e4nde werden die Brennweiten der Hornhaut bei 77","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 10.\nListing wohl etwas gr\u00f6sser als das Mittel. Nennen wir r den Kr\u00fcmmungsradius der Hornhaut, und ii das Brechungsverm\u00f6gen der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit, so ist die vordere Brennweite der Hornhaut nach \u00a7. 9 Gleichung 3 a) und 3 b):\ndie hintere Brennweite derselben :\nF.2 \u2014\nNach Listing\u2019s Annahmen wird :\nn r\nn \u2014 1\nFi\nF>\nNehmen wir nach den Beobachtungen von Senff r \u2014 7,8, was auch ungef\u00e4hr mit dem Mittel meiner Beobachtungen stimmt, und nach W. Krause n \u2014 1,342, so wird:\nFl \u2014 22,81, F2 = 30,61.\n16\nListing gieht der Linse seines schematischen Auges das Brechungsverh\u00e4ltniss \u2014, eine\nDicke von 4 Mm. und Kr\u00fcmmungsradien von 10 und 6 Mm. Nach den Gleichungen \u00a7. 9. 13, 13a und 13b giebt dies f\u00fcr den Fall, wo die Linse in w\u00e4ssriger Feuchtigkeit liegt, die Brennweite 43,796 Mm., den Abstand der Hauptpunkte von einander 0,2461 Mm., den Abstand des vorderen Hauptpunktes von der vorderen Linsenfl\u00e4che 2,3462, und den des hinteren von der hinteren Fl\u00e4che 1,4077. Diese Annahmen stimmen sehr nahe \u00fcberein mit den vorher angef\u00fchrten Werthen, welche ich selbst an zwei Krystallinsen menschlicher Leichen durch directe Messung gefunden habe. Weiter sind mir keine directen Messungen der Brennweite an menschlichen Augen bekannt geworden. Dass es bisher unm\u00f6glich sei. aus der Form und den Brechungsindices der verschiedenen Linsenschichten die Brennweite zu berechnen, ist oben auseinandergesetzt, und namentlich geht aus dem \u00fcber diese Brennweite aufgestellten Theoreme hervor, dass es unrichtig ist, die Krystallinse durch eine homogene Linse ersetzen zu wollen, welche die Form und das mittlere Brechungsverm\u00f6gen derselben habe, wie das von den \u00e4lteren Optikern meistens geschah, sondern dass im Gegentheile einer solchen Linse ein h\u00f6heres Brechungsverm\u00f6gen als das ihrer dichtesten Theile beigelegt werden m\u00fcsse. F\u00fcr die Linse eines Ochsen fand Senff 1 f\u00fcr dieses totale Brechungsverm\u00f6gen 1,539, w\u00e4hrend Grenzschicht und Kerntheil die Werthe 1,374 und 1,453 ergaben. Die aus meinen Messungen folgenden Werthe des totalen Brechungsverm\u00f6gens sind niedriger (1,4519 und 1,4414), und entsprechen etwa nur dem Mittel der Werthe, welche W. Krause f\u00fcr das Brechungsverh\u00e4ltniss des Kerns gefunden hat (Max. 1,4807, Min. 1,4252; Mittel 1,4541 ). Listing hat vor meinen\n16\nund W. Krause s Untersuchungen damit sehr \u00fcbereinstimmend \u2014 = 1,4545 gew\u00e4hlt.\n11\nSollte sich der Unterschied zwischen todten und lebenden Linsen, den meine Messungen ergaben, als constant herausstellen, so w\u00fcrde Listing\u2019s schematisches Auge wahrscheinlich nur einem nahesehenden Auge entsprechen, und wir w\u00fcrden der Linse eines fernsehenden Auges eine gr\u00f6ssere Brennweite und geringere Dicke beilegen m\u00fcssen.\nDie Entfernung der vorderen Linsenfl\u00e4che von der vorderen Hornhautfl\u00e4che hat Listing gleich 4 Mm. gesetzt, was dem von mir untersuchten kurzsichtigen Auge O. H. entspricht. Bei kurzsichtigen Augen pflegt \u00fcberhaupt die vordere Augenkammer tiefer, die Iris flacher zu sein. Bei den \u00fcbrigen beiden normalsichtigen Augen war die Entfernung geringer. Bei allen dreien lag die hintere Linsenfl\u00e4che vor dem Kr\u00fcmmungsmittelpunkte der Hornhaut. Ich ver-muthe deshalb, dass bei normalsichtigen Augen die Linse im Allgemeinen etwas n\u00e4her der Hornhaut liegt, als Listing angenommen hat. Jedenfalls w\u00fcrde aber auch der Einfluss dieser Abweichung sehr gering sein.\nVomcmann Artikel Selien in R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch d. Physiologie. Rd. III. S. 290.","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 10.\nGRENZEN RER GENAUIGKEIT F\u00dcR DIE LAGE DER CARDIN ALPUNKTE.\n85\nWenn die Brennweiten der Hornhaut, die Lage der Hauptpunkte und die Brennweite der Linse gegeben sind, sind die Cardinalpunkte des ganzen Auges nach \u00a7.9. Gleichung 41a) bis 11 fj zu finden. Die Werthe, welche Listing aus seinen Angaben berechnet hat, sind schon oben angegeben.\nVon den Cardinalpunkten der Linse am wichtigsten f\u00fcr die Bestimmung der Lage der Bilder auf der Netzhaut sind uns die Knotenpunkte des Auges. Gl\u00fccklicher Weise kann deren Lage jetzt nicht mehr vielem Zweifel unterworfen sein.\nDerjenige Punkt, dessen Bilder die beiden Knotenpunkte sind, liegt nach den in \u00a7. 9 angegebenen Methoden zur Auffindung dieser Punkte zwischen dem Knotenpunkte der Hornhaut, d. h. ihrem Kr\u00fcmmungsmittelpunkte und dem ersten Hauptpunkte der Linse, und seine Abst\u00e4nde von diesen beiden Punkten verhalten sich wie die kleinere Brennweite der Hornhaut zu der der Linse, also nahe wie 4 zu 2. In Listing\u2019s schematischem Auge betr\u00e4gt der Abstand des vorderen Hauptpunktes der Linse vom Mittelpunkte der Hornhaut, der bei ihm in die hintere Linsenfl\u00e4che f\u00e4llt, 1,627 Mm., nach meinen Messungen an lebenden Augen kann die hintere Linsenfl\u00e4che bis zu I Mm. vor dem Mittelpunkte der Hornhaut liegen ; jene Entfernung w\u00fcrde also bis etwa 2,6 steigen k\u00f6nnen. Der Punkt also, dessen Bilder die beiden Knotenpunkte sind, w\u00fcrde 0,54 bis 0,87 Mm. vor dem Kr\u00fcmmungsmittelpunkte der Hornhaut liegen, ein, wie man sieht, sehr enges Intervall f\u00fcr seine Lage. Der erste Knotenpunkt ist sein durch die Hornhaut entworfenes Bild. Bilder von Objecten, die sehr nahe vor dem Kr\u00fcmmungs-mittelpunkte einer kugeligen brechenden Fl\u00e4che liegen, liegen sehr wenig vor ihrem Objecte. Nehmen wir Listing\u2019s Werthe f\u00fcr die Brennweiten der Hornhaut und Linse, so liegt bei seinen Annahmen der vordere Knotenpunkt 0,758 Mm. vor dem Mittelpunkte der Hornhaut. Wenn dagegen der Punkt, dessen Bild er ist, 0,87 Mm. vor dem Mittelpunkte der Hornhaut l\u00e4ge, w\u00fcrde der erste Knotenpunkt etwa 1,16 Mm. vor diesem liegen.\nWir werden daher schwerlich fehlen, wenn wir annehmen, dass in normalen Augen der vordere Knotenpunkt 3/4 bis 6/4 Mm. vor dem Mittelpunkte der Hornhaut liegt.\nZu erw\u00e4hnen ist hier noch ein Versuch von Volkmann 1, auf experimentellem Wege am menschlichen Auge die Lage des Knotenpunktes zu finden. Ich habe oben erw\u00e4hnt, dass, wenn die Strahlen eines Lichts von der \u00e4usseren Seite her in das Auge fallen, das Flammenbildchen namentlich bei blonden Personen im inneren Augenwinkel sichtbar werden kann. Er mass den Abstand dieses Bildes von der Hornhaut, w\u00e4hrend zugleich die Richtung der einfallenden Strahlen und der Gesichtslinie passend bestimmt wurde. Er zeichnete dann den horizontalen Querschnitt des menschlichen Auges, bestimmte in der Zeichnung den Punkt, wo das Netzhautbild durch die Sclerotica erschienen war, und legte durch diesen Punkt eine Linie, welche die Augenaxe unter demselben Winkel schnitt, welchen die einfallenden Strahlen mit der Gesichtslinie gebildet hatten. Den Durchschnittspunkt sah er als Knotenpunkt an. Er findet im Mittel von f\u00fcnf Personen, dass die Knotenpunkte 3\"',97 (8,93 Mm.) hinter der Hornhaut liegen. Jedenfalls ist dieser Werth etwas zu gross, weil die Knotenpunkte nach dieser Bestimmung hinter dem Kr\u00fcmmungsmittelpunkte der Hornhaut liegen w\u00fcrden, w\u00e4hrend sie nothwendig vor ihm liegen m\u00fcssen. Die Abweichung in Voi.kmann\u2019s Resultate erkl\u00e4rt sich einmal daraus, dass er den Unterschied zwischen Augenaxe und Gesichtslinie noch nicht kannte, und daraus, dass die Lichtstrahlen bei diesem Versuche die brechenden Fl\u00e4chen des Auges unter sehr grossen Einfallswinkeln treffen, und die auf die Knotenpunkte und Hauptpunkte bez\u00fcglichen S\u00e4tze streng genommen nur f\u00fcr nahe senkrechte Incidenz gelten. Auch Burow 2 bemerkte deshalb bei der Wiederholung von Volkmann\u2019s Versuchen \u00fcber den Knotenpunkt in weissen Kaninchenaugen, dass bei sehr schiefen Incidenzen die Netzhautbilder der Augenaxe n\u00e4her fallen, als sie es sollten, wenn alle Richtungslinien sich in einem Punkte schnitten. Beide Ursachen m\u00fcssen dazu beitragen, bei Volkmann\u2019s Versuch den Abstand des Knotenpunktes von der Hornhaut etwas gr\u00f6sser erscheinen zu lassen, als er wirklich ist.\n1\tR. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch d. Physiologie. Art. Sehen. S. 286*.\n2\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie d. menschl. Auges. S. 56\u201460.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 IO.\nEndlich will ich hier noch beschreiben, wie man die Centrirnng des Auges, die Lage der Augenaxe und der Gesichtslinie untersuchen kann. Es dienen dazu die Spiegelbilder, welche die Hornhaut und die beiden Linsenfl\u00e4chen von einem vor dem Auge befindlichen hellen Lichte entwerfen.\nUeber das Aussehen dieser Spiegelbilder, und die Art, sie am besten zu beobachten, s. \u00a7. 12. Es sei in Fig. iS c d die Axe eines genau centrirten Auges, bei a das Auge des\nBeobachters, bei b ein Licht, es 6ei ac \u2014 cb und ao senkrecht auf c d. Unter diesen Umst\u00e4nden w\u00fcrden, wie leicht ersichtlich ist, die in der Axe gelegenen Scheitel der drei reflectirenden Fl\u00e4chen, der Hornhaut, der vorderen und hinteren Linsenfl\u00e4che, Licht, welches von b auf sie f\u00e4llt, von b nach a reflectiren, da alles auf beiden Seiten symmetrisch sein soll, und wenn das Auge und Licht ihren Platz tauschten, w\u00fcrde dasselbe wieder der Fall sein m\u00fcssen, und dabei w\u00fcrden die drei reflectirenden Punkte in derselben perspecti-vischen Stellung zu einander bleiben. Namentlich w\u00fcrde in beiden Stellungen der Reflex von der vorderen Linsenfl\u00e4che etwa in der Mitte zwischen den beiden anderen erscheinen m\u00fcssen, da der scheinbare ( durch die Hornhaut gesehene ) Ort der vorderen Linsenfl\u00e4che etwa in der Mitte zwischen der Hornhaut und dem scheinbaren Orte der hinteren Linsenfl\u00e4che sich befindet.\nDie Untersuchung des Auges in dieser Weise ist nun leicht auszuf\u00fchren. Es sei a b ein horizontaler Maassstab, an dessen Enden passende Oeflhungen f\u00fcr das Auge und das Licht angebracht sind. Dem untersuchten Auge d werde ein Platz in der Linie cd angewiesen, welche auf der Mitte von ab senkrecht steht, und man gebe ihm einen Fixationspunkt an einem beweglichen K\u00f6rper g, den man so lange verschiebt nach oben und unten, nach rechts und links, bis der Beobachter den Reflex der vorderen Linsenfl\u00e4che zwischen dem der Hornhaut und dem der hinteren Linsenfl\u00e4che erblickt. Dann vertausche er den Ort des Lichts und seines Auges, und versuche, ob er bei derselben Stellung des Fixationspunktes auch von der anderen Seite her die drei Reflexe in der angegebenen Stellung erblicken kann. Ist das beobachtete Auge richtig centrirt, so muss es offenbar m\u00f6glich sein, eine Stellung des Fixationspunktes zu finden, welche die angegebene Forderung erf\u00fcllt.\nIch habe noch kein menschliches Auge gefunden, welches dem entsprochen h\u00e4tte. Wenn von der einen Seite gesehen die drei Reflexe die richtige Stellung hatten, war dies nicht mehr der Fall von der anderen Seite her ; man musste dann das Fixationszeichen mehr oder weniger verschieben, um die richtige Stellung wieder hervorzubringen.\nBei den drei Augen, f\u00fcr welche ich das System von Messungen angestellt habe, musste der Fixationspunkt sich immer etwas oberhalb der Ebene ab d befinden. Die Gesichtslinie lag immer auf der Nasenseite der Linie c d. Ihre horizontale Projection bildete mit der Linie c d unter den angegebenen Umst\u00e4nden folgende Winkel:\nAuge.\tLicht von der Nasenseite. .\tvorrimt von der Schl\u00e4fenseite.\n0. H.\t3\u00b0 47'\t4\u00b0 87'\nB. P.\t5\u00b0 6'\t8\u00b0 12'\nJ. H.\t5\u00b0 43'\t7\u00b0 44'\nDaraus folgt, dass das menschliche Auge nicht genau centrirt sei. Da jedocli die Unterschiede der zusammengeh\u00f6rigen Winkel verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig klein sind, so erf\u00fcllt die Linie\nFig. iS.","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 10.\nGESCHICHTE DER THEORIE DES SEHENS.\n87\nc d f\u00fcr die in den Versuchen gefundenen Stellungen der beobachteten Augen wenigstens ann\u00e4hernd die Anspr\u00fcche, welche man an eine Augenaxe zu machen hat, und man mag als Winkel zwischen\u2019der horizontalen Projection der Gesichtslinie und der Linie, welche einer Augenaxe am besten entspricht, das arithmetische Mittel aus den angef\u00fchrten Winkeln nehmen. Diese Linie f\u00e4llt nach meinen Untersuchungen auch nahe genug mit der Hornhautaxe zusammen, und geht durch den Mittelpunkt des Hornhautumfangs.\nDerjenige, welcher zuerst eine klare Vorstellung von der Brechung der Strahlen im Auge und von der Entstehung und Lage des Netzhautbildchens gehabt hat, ist Kepler. Vor ihm hatte allerdings schon Maurolycus die Krystallinse des Auges mit einer Glaslinse verglichen , und behauptet, dass sie die Strahlen nach der Axe hin breche, aber er l\u00e4ugnete, dass auf der Netzhaut ein umgekehrtes Bild entworfen werde, weil wir ja sonst Alles verkehrt sehen m\u00fcssten. Auch Porta, der Erfinder der Camera obscura, verglich das Auge mit einer solchen, meinte aber, dass die Bilder auf der Krystallinse entworfen w\u00fcrden. Erst Kepler, der \u00fcberhaupt die Grunds\u00e4tze der Theorie der optischen Instrumente aufgefunden hat, l\u00e4sst auf der Netzhaut ein umgekehrtes optisches Bild entstehen, und stellt als Bedingung des deutlichen Sehens hin, dass die Strahlen eines leuchtenden Punktes auf einen Punkt der Netzhaut vereinigt werden. Kepler\u2019s Theorie wurde noch weiter ausgef\u00fchrt durch den ber\u00fchmten Jesuiten Scheiner 1, der den Bau des Auges, die Brechung in den Feuchtigkeiten weiter untersuchte. Er bewies, dass die optischen Bilder auf der Netzhaut entworfen werden, indem er an Augen von Thieren die Netzhaut hinten frei legte. An einem menschlichen Auge stellte er diesen Versuch 162-5 zu Rom an. Die brechende Kraft der w\u00e4ssrigen Fl\u00fcssigkeit setzt er der des Wassers gleich, die Linse dem Glase, den Glask\u00f6rper zwischen beide. Huygens 2 endlich verfertigte eine k\u00fcnstliche Nachbildung des Auges, an der er die wesentlichsten Vorg\u00e4nge des Sehens, den Nutzen der Brillen u. s. w. auseinandersetzte.\nDie Theorie Kepler\u2019s behielt von nun an ziemlich allgemeine Anerkennung, wenn auch noch einzelne Liebhaber paradoxer Theorien sich in Widerspr\u00fcchen dagegen gefielen. So N. Th. M\u00fchlbach 3 und Campbell 4 5, welche die Existenz des Netzhautbildchens l\u00e4ugnen, Lehot 6 7, der im Glask\u00f6rper ein r\u00e4umliches Bild der Gegenst\u00e4nde entstehen l\u00e4sst. Plagge 6 l\u00e4sst das Auge wie einen Spiegel wirken, und h\u00e4lt das durch Spiegelung auf der Hornhaut entstehende Bildchen f\u00fcr das Object des Sehens. J. Reade 7 stimmt ihm bei und l\u00e4sst es durch die Nerven der Hornhaut empfinden. Mayer 8 9 widerlegt die Ansicht von Plagge , stellt aber eine eben so wunderliche auf, dass die Netzhaut als Hohlspiegel wirke. Eben so l\u00e4sst Andrew Horn 9 das Bild gegen den Glask\u00f6rper reflectiren und von hier aus auf den Sehnerven wirken.\nWas die Lage der optischen Cardinalpunkte betrifft, so erhob sich zun\u00e4chst eine Schwierigkeit f\u00fcr den hinteren Brennpunkt, weil nach der Rechnung, die auf die gemessenen Dimensionen und Brechungsverh\u00e4ltnisse des Auges gest\u00fctzt w'ar, dieser Punkt hinter die Netzhaut zu fallen schien. Der Grund davon lag darin, dass man f\u00fcr die Krystallinse das mittlere Brechungsverh\u00e4ltniss ihrer einzelnen Schichten w\u00e4hlen zu m\u00fcssen glaubte 10 11. Vall\u00e9e 11 glaubte deshalb annehmen zu m\u00fcssen, dass das Brechungsverh\u00e4ltniss des Glask\u00f6rpers von vorn nach hinten zunehme. Pappenheim 12 will wirklich solche, wenn auch sehr kleine Unterschiede durch den Versuch gefunden haben. Ueber die Lage der Knotenpunkte des Auges herrschte vor den theoretischen Arbeiten von Gauss einige Verwirrung unter Physikern und Physiologen, weil die Theorie der optischen Instrumente bis dahin sich ausschliesslich mit Systemen brechender Fl\u00e4chen besch\u00e4ftigt hatte, deren Entfernung von einander vernachl\u00e4ssigt werden konnte, wie das z. B. bei den Objectivgl\u00e4sern der Fernr\u00f6hre der Fall war. Im Auge ist die\n1\tOculus. Inspruck 1619.\n2\tDioptrica in Opera posthuma. Lugduni 1704. p. 112.\n3\tInquisitio de visus sensu. Yindob. 1816.\n4\tAnnals of philosophy. X. 17. \u2014 Deutsches Archiv. IV. 110.\n5\tNouvelle Theorie de la Vision. Paris 1825.\n6\tHecker\u2019s Annalen. 1830. S. 404.\n7\tAnnals of philos. XV. 260.\n8\tMuncke Art. Gesicht in Gehler\u2019s W\u00f6rterbuch. Das dortige Cit\u00e2t ist falsch.\n9\tThe seat of vision determined. London 1813.\n10\tMoser in Dove\u2019s Repertorium. V. 337 \u2014 349*. \u2014 Forbes Proc. Edinb. Roy. Soc. 1849. Decb. p. 251.\n11\tComptes rendus. 1845. XIV. 481.\n>2 3 Ibid. XXV. 901.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 IO.\nEntfernung der brechenden Fl\u00e4chen von einander im Vergleich zur Brennweite des ganzen Systems aber ziemlich betr\u00e4chtlich, und wegen der mangelnden Ausbildung der Theorie wusste man sich die Fragen, auf die es ankam, nicht scharf zu stellen. Man suchte lange nach dem Punkte, der im Auge dem optischen Mittelpunkte der Glaslinsen entspr\u00e4che und dadurch cha-rakterisirt w\u00fcrde, dass der durch ihn gegangene Strahl ungebrochen durch die Augenmedien ginge. Wenn wir uns beide Knotenpunkte in einen zusammenzuziehen erlauben, so w\u00fcrde dieser dem gesuchten Punkte entsprechen. Alan verwechselte namentlich auch diesen Punkt mit demjenigen Punkte, in welchem sich Linien schneiden, welche durch die im Gesichtsfelde sich deckenden Punkte verschieden entfernter Gegenst\u00e4nde gelegt sind. Der letztere, den wir Kreuzung spun kt der Visirlinien nennen wollen, ist, wie wir im n\u00e4chsten Paragraphen zeigen w'erden, der Mittelpunkt des von der Hornhaut entworfenen Bildes der Pupille, und wesentlich vom Knotenpunkte verschieden. Muncke 1 identiflcirt beide Punkte und verlegt sie in die Mitte der Linse, Barteis 2 dagegen in das Centrum der Hornhaut. Volkmann 3 nennt den Punkt, wo sich Linien, die von einzelnen Punkten der Netzhautbilder nach den entsprechenden Punkten des Objects gezogen werden, schneiden, Kreuzungspunkt der Richtungsstrahlen, sp\u00e4ter, nach Mile\u2019s Einwendungen, der Richtungslinien. Er zeigt experimentell an Augen weisser Kaninchen, dass wirklich alle Richtungslinien in einem Punkte sich schneiden, und bestimmt die Lage dieses Punktes, welcher zwischen beide Knotenpunkte fallen muss, f\u00fcr das Kaninchenauge. Er findet, dass derselbe hinter die Linse f\u00e4llt. Er versuchte denselben Punkt nach einer anderen Methode am lebenden menschlichen Auge zu finden. Zwei 6 Zoll vom Auge entfernte Haarvisire werden durch zwei dem Auge n\u00e4here Diopter betrachtet, und letztere so eingestellt, dass die Haare gleichzeitig in der Mitte der Diopter-\u00d6ffnungen erscheinen. Jedes Haar mit der zugeh\u00f6rigen Diopter\u00f6ffnung, durch eine gerade Linie verbunden, giebt eine Visirlinie. Volkmann w\u00fcrde also den Kreuzungspunkt der Visirlinien im Auge haben finden k\u00f6nnen, wenn die von ihm beobachteten Personen im Stande gewesen w\u00e4ren, gleichzeitig und ohne Bewegung des Auges beide Haare in ihren Dioptern zu sehen. Dies ist aber ausserordentlich schwer, weil man dann nur eines direct sehen kann, und das andere durch indirectes Sehen auf den Seitentheilen der Netzhaut erkennen muss. Die Experi-mentirenden haben deshalb ohne Zweifel die beiden Diopter nach einander direct betrachtet, und ihre Visirlinien schnitten sich im Drehungspunkte des Auges, den Volkmann demzufolge fiir identisch mit dem Kreuzungspunkte der Richtungslinien erkl\u00e4rte.\nMile 1 2 3 4 5 6 * * 9, Knochenhauer 6 und Stamm 6 stritten gegen Volkmann\u2019s Folgerungen. Ersterer zeigte, dass Richtungslinien und Visirlinien nicht nothwendig identisch seien, und erkl\u00e4rte den Mittelpunkt der Hornhaut f\u00fcr den Kreuzungspunkt der Richtungslinien, weil er die Brechung in der Linse glaubte vernachl\u00e4ssigen zu d\u00fcrfen. Daraus folgert er denn, dass die Richtungslinien nicht nothwendig durch die Mitte eines Zerstreuungskreises zu gehen brauchen, welcher im Auge von einem nicht deutlich gesehenen Objecte entworfen wird. Knociienauer suchte Mile\u2019s Beweis, dass das Decken der Bilder im Gesichtsfelde unabh\u00e4ngig sei von den Richtungslinien, zu vereinfachen, und vermeidet dabei Mile\u2019s bei dem damaligen Stande der theoretischen Kenntnisse allerdings bedenkliche und in der That nur ann\u00e4hernd richtige Voraussetzung, dass der Kreuzungspunkt der Richtungslinien f\u00fcr verschiedene Objectabst\u00e4nde gleich sei. Auch Burow 7 widerlegte Volkmann\u2019s Folgerungen, benutzte dessen Methode, um den Drehpunkt des Auges zu bestimmen, und schlug einen neuen Weg ein, den Kreuzungspunkt der Richtungslinien zu bestimmen, der aber aus einem von Listing sp\u00e4ter aufgedeckten Grunde auch nicht zum Ziele f\u00fchrte.\t,\nAToser 8 war der Erste, der die theoretischen Arbeiten von Gauss 9 und Bessel 10 auf das Auge anwendete, und aus den bis dahin ausgef\u00fchrten Bestimmungen der Form der brechenden Fl\u00e4chen und der Brechungsverh\u00e4ltnisse die Lage der beiden Knotenpunkte, die er \u00fcbrigens Hauptpunkte nennt, berechnete. Die Werthe, welche er f\u00fcr die Entfernung dieser Punkte von der Hornhaut fand, waren 3,19 und 3,276 Par. Lin. (7,18 und 7,37 Mm.). Da er aber als Brechungsverh\u00e4ltniss der Krystallinse Brewster\u2019s Mittelwerth 1,3839 angenommen\n1\tGehler\u2019s physik. W\u00f6rterbuch neu bearb. Leipzig 1828. Art. Gesicht, \u00dfd. IV. 2. S. 1434*.\n2\tBeitr\u00e4ge zur Physiol, d. Gesichtssinns. Berlin 1834. S. 61.\n3\tNeue Beitr\u00e4ge zur Physiol, d. Gesichtssinns. Leipzig 1836. Kap. IV. \u2014 Poggendorff\u2019s Ann. XXXVII. 342.\n4\tPoggenborff\u2019s Ann. XLII. 37 \u2014 71. 235 \u2014 263*. Dagegen Volkmann ibid. XLV. 207\u2014226*.\n5\tIbid. XLVI. 218\u2014 258*.\n6\tIbid. LVII. 346\u2014 382*.\n1 Beitr\u00e4ge zur Physiologie u. Physik d. menschl. Auges. Berlin 1841. S. 26 \u2014 93.\n\" Dove Repertorium der Physik. V. 337 u. 373.\n9 Dioptrisehe Untersuchungen. G\u00f6ttingen 1841.\nIn Astronomische Nachrichten. XVIII. Nr. 415. \"","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 10.\nLITERATUR F\u00dcR DIE THEORIE DES SEHENS.\n89\nhatte, und die Strahlen ferner Lichtpunkte sich dabei erst hinter der Netzhaut vereinigten glaubte er den Radius der Hofnhaut verkleinern zu m\u00fcssen von 3\"',39 auf 2\"',88, und berechnete danach noch andere Werthe f\u00fcr den Abstand der Knotenpunkte von der Hornhaut n\u00e4mlich 2'\",835 und 2\"',890 (6,38 und 6,50 Mm.).\nListing 1 er\u00f6rterte die Eigenschaften der Haupt- und Knotenpunkte (welchen letzteren er den Namen gab) in ihrer Beziehung zum Auge, gab angen\u00e4herte Werthe f\u00fcr ihre Lage, und hob namentlich hervor, dass der Brechungscoefficient der Linse, wenn man diese sich homogen denke, h\u00f6her gesetzt werden m\u00fcsse als der ihres dichtesten Tbeils. Volkmann 1 2 machte dann noch den schon oben erw\u00e4hnten Versuch, die Lage der Knotenpunkte im lebenden menschlichen Auge experimentell zu bestimmen. Endlich gab Listing 2 neben einer vollst\u00e4ndigen mathematischen Theorie eine Berechnung der Zahlenwerthe nach den besten bis dahin ausgef\u00fchrten Messungen.\n1575. Fr. Maurolyci Photismi de lumine et umbra ad Perspectivam et radiorum inci-dentiam facientes Venetiis 1575. Messinae 1613. \u2014 Eine sp\u00e4tere Gesammtausgabe seiner optischen Abhandlungen f\u00fchrt den Titel: Fr. Maurolyci, Abbatis Messanensis, theoremata de lumine et umbra, ad Perspectivam et radiorum incidentiam facientia ; Diaphanorum partes seu libri tr\u00e8s, in quorum primo de perspicuis corporibus, in secundo de Iride, in tertio de organi visualis structura et conspicillorum formis agitur : Problemata ad Perspectivam et Iridem pertinentia. His accesserunt Christoph. Clavii e. S. J. notae. Lugduni 1613.\n1583. Jo. Bapt. Portae Neap, de refractione Optices parle libri. novem. Neapoli 1583 Liber III \u2014 VIII.\n1602. * Jo. Kepler ad Vitellionem paralipomena, quibus astronomiae pars optica traditur. Francofurti 160t. Cap. V.\n1611. Kepler Dioptrice, seu demonstratio eorum, quae visui et visibilibus, propter conspicilla non ita pridem inventa, accidunt. Augustae Vindelicorum 1611.\n1619. C. Scheiner Oculus, sive fundamentum opticum. Innspruck 1619. London 1652. 1695. Huygens (f 1695) Opera posthuma. Dioptrica. Lugduni 1704. p. 112.\n1759. W. Porterfield a treatise on the eye. Edinb. 1759. Vol. I. Book 3. Chapt. 2*. 1776. J. Priestley\u2019s Geschichte der Optik; \u00fcbers, von G. S. Kluegel. Leipzig 1776 (Aeltere Geschichte; Berechnung der Brennweite S. 465)*.\nRumball Annals of Philos. IL 376.\n1813. Andrew Horn the seat of vision determined. London 1813.\n1816.\tN. Th. M\u00fchlbach Inquisitio de visus sensu. Vindobonae 1816.\nMagendie Precis \u00e9l\u00e9mentaire de Physiologie. Paris. Vol. I. p. 59.\n1817.\tCampbell Annals of Philos. X. 17.\nDeutsches Archiv. IV. 410.\nJ. Read Annals of Philos. XV. 260.\n1825. C. J. Lehot Nouvelle Th\u00e9orie de Vision. Paris 1825.\n1828. G. R. Treviranus Beitr\u00e4ge zur Anatomie und Physiologie der Sinneswerkzeuge. Bremen 1828. Kap. I*.\nMuncke in Gehler\u2019s physikalischem W\u00f6rterbuch; neu bearbeitet. Leipzig 4 828. Art. Gesicht. IV. 2. S. 4364*.\n1830. Plagge Hecker\u2019s Annalen 1830. S. 404.\n1834. Bartels Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtssinns. Berlin 1834. S. 64.\n4 836. A. W. Volkmann Untersuchung \u00fcber den Stand des Netzhautbildchens. Poggd. Ann. XXXVII. 342*. \u2014 Neue Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtssinns. Leipzig 1836. Kap. IV.\n1837.\tJon. Mile \u00fcber die Richtungslinien des Sehens. Poggd. Ann. XLII. 37 u. 235*.\n1838.\tVolkmann Poggd. Ann. XLV. 207*. (Erwiderung gegen den Vorigen.)\n1839.\tGerling \u00fcber die Beobachtung von Netzhautbildern. 'Poggd. Ann. XLVI. 243*. Knochenhauer \u00fcber die Richtungsstrahlen oder Richtungslinien beim Sehen. Poggd. Ann. XLVI. 248*.\n1841.\tA. Br row Beitr\u00e4ge zur Physiologie und Physik des menschlichen Auges. Berlin 4841. S. 16 \u2014 93*.\n1842.\tVall\u00e9e Comptes rendus. XIV. 481.\nW. Stamm \u00fcber Volkmann\u2019s Richtungslinien des Sehens. Poggd. Ann. LVII. 346*.\n1\tBeitrag zur physiologischen Optik. G\u00f6ttingen 1845.\n2\tR. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch d. Physiologie. Art. Sehen. S. 286*. 2 tibenda Art. Dioptrik des Auges.","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 10.\n1843. A. W. Volkmann J. Muller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. u. JPhysiol. 4843. S. 9 (gegen Burow).\n4844. * L. Moser \u00fcber das Auge in Dove\u2019s Repertorium d. Physik. S. 337 \u2014 349*.\n4 84b. J. B. Listing Beitrag zur physiologischen Optik. G\u00f6ttingen 4845 [abgedr. aus d. G\u00f6ttinger Studien], S. 7 \u2014 24*.\nL. L. Vall\u00e9e Comptes rendus. XX. 4 338. \u2014 Institut. No. 393. p. 166.\n1846.\t*A. W. Volkmann Artikel Sehen in R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch der Physiologie.\n111. I. S. 281 \u2014 290*.\n1847.\tF. C.Donders Holl\u00e4ndische Beitr\u00e4ge zu den anat. u. physiol.Wissensch. I. S. 4 67\u2014142*. 4849. J. D. Forbes Note respecting the dimensions and refracting pmver of the eye. Proceedings Edinb. Roy. Soc. Detb. 3. 4849. p. 251. \u2014 Silliman Journal. (2.) XIII. 413.\n4851 *J. B Listing Artikel Dioptrik des Auges in R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch d. Physiol. IV. 451\u2014504*.\n1855. H. Helmholtz Graefe\u2019s Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. I. 2. S. 1\u201474*.\nMessungen der Brechungsverh\u00e4ltnisse:\n1710. Hawksbee Phil. Transact. 1 74 0. p. 204.\n4785. A. Monro II. On the structure and physiology of fishes, p. 60.\n1801. Th. Young Phil. Transact. 1801. I. 40*.\n1818. Chossat Bulletin des sc. par la Soci\u00e9t\u00e9 philomat. de Paris. A. 1818. Juin. p. 294. \u2014 Ann. de ch. et de ph. VIII. p. 217.\n1849. D. Brewster Edinb. Philos. Journ. 1819. Nr. 1. p. 47.\n1840.\tCaiiours et Becquerel\tInstitut.\t1840. p. 399.\n1847.\tS. Pappenheim Comptes\trendus.\tXXV.\t901. \u2014 Arch, d,\tsc. ph. et naher.\tVII. 78.\nQuesnel revue scient. XXXII. 4 44.\n1849.\tBertin Comptes rendus.\tXXVIII.\t447. \u2014 Institut.\t4 849.\tNo. 796.\tp.\t105.\t\u2014\tAnn.\nd. ch. et de ph. XXVI.\t288. \u2014\tArch.\td. sc. ph.\tet ml.\tXII. 45.\t\u2014\tPoggd.\tAnn.\nLXXVI. 611.\n1850.\tEngel Prager Vierteljahrsschrift f\u00fcr pract. Heilk. 1850. I. 152.\nII. Mayer ebenda. 1850. IV. Beilage und 1851. IV. 92.\n1852. Ryba ebenda. 4 852. II. 95.\n1855. W. Krause Die Brechungsindices der durchsichtigen Medien d. menschl. Auges. Hannover 4 855*.\n\u00a7. 11. Zerstreuungsbilder auf der Netzhaut.\nWenn Licht von einem leuchtenden Punkte in das Auge f\u00e4llt, so bildet dasjenige, welches durch die kreisf\u00f6rmige Pupille hindurchgegangen ist, hinter der Pupille einen Strahlenkegel, dessen Basis kreisf\u00f6rmig und nach vorn, dessen Spitze nach hinten gekehrt ist, und dem Bilde des leuchtenden Punktes entspricht. Jenseits ihres Vereinigungspunktes divergiren die Strahlen wieder. Es\nsei in Fig. 46 a der leuchtende Punkt, b, hu die Pupille, c der Convergenzpunkt der Strahlen, c d, die Verl\u00e4ngerung des Strahles b,c, ebenso cdn die Verl\u00e4ngerung von bnc. Wenn der Vereinigungspunkt der Strahlen gerade auf die Fl\u00e4che der Netzhaut trifft, so beleuchtet der einzelne leuchtende Punkt a nur einen einzelnen Punkt c der Netzhaut, und es wird ein deutliches Bild des leuchtenden Punktes entworfen. Wenn aber die Netzhaut vor oder hinter dem Vereinigungspunkte der Strahlen, etwa in f; fn oder in gl gu von dem Strahlenkegel getroffen w\u00fcrde, so w\u00fcrde nicht blos ein einzelner Punkt, sondern eine dem kreisf\u00f6rmigen Durchschnitte","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 M.\nZERSTREUUNGSKREISE IM AUGE.\n91\ndes Strahlenkegels entsprechende Kreisfl\u00e4che der Netzhaut erleuchtet werden. Man nennt einen solchen von dem Licht eines leuchtenden Punktes ausserhalb des Auges beleuchteten Kreis der Netzhaut einen Zerstreuungskreis. Die Kreisform entspricht, wie aus dem Gesagten erhellt, der kreisf\u00f6rmigen Gestalt der Pupille. Wird deren Form oder die Grundfl\u00e4che des einfallenden Lichtkegels ge\u00e4ndert, was namentlich auch dadurch geschehen kann, dass man einen Schirm mit einer beliebig gestalteten kleinen Oeffnung von kleinerem Durchmesser als die Pupille dicht vor die Hornhaut bringt, so erhalten auch die Zerstreuungsfelder eine entsprechende andere Form, welche, auf den mittleren Theilen der Netzhaut wenigstens, der Grundfl\u00e4che des Strahlenkegels immer geometrisch \u00e4hnlich ist. Sehr kleine Zerstreuungsbilder im Auge, welche in geringer Entfernung vom Vereini-gungspunkte der Strahlen auf der Netzhaut entworfen werden, zeigen auffallende Abweichungen von diesen Regeln, wovon wir in \u00a7.14 weiter handeln werden.\nObjectiv kann man das Entstehen der Zerstreuungsbilder leicht nachahmen, indem man eine Sammellinse aufstellt, vor ihr in einiger Entfernung ein kleines Licht, oder besser einen Schirm mit einer engen Oeffnung, durch welche ein Licht scheint, und das Bild dieses Lichtes hinter der Linse auf einem weissen Papiere auff\u00e4ngt, welches man der Linse bald n\u00e4hert, bald von ihr entfernt. Dabei sieht man, dass nur in einer gewissen Entfernung von der Linse das Bild des Lichtpunktes scharf gezeichnet und punktf\u00f6rmig ist, sonst sich zu lichten Kreisen ausdehnt.\nBringt man vor der Linse als Object eine helle Linie an, z. B. einen schmalen Spalt in einem dunklen Schirme, hinter welchem ein Licht steht, so decken sich die Zerstreuungskreise der einzelnen hellen Punkte dieser Linie, wie in Fig. 47. b angedeutet ist, theilweis, und es erscheint statt der scharfen Linie a eine helle Figur \u00e4hnlich der c.\nWird eine scharf begrenzte gleichm\u00e4ssig helle Fl\u00e4che in einem Zerstreuungsbilde abgebildet, so bleibt die Mitte der Fl\u00e4che in unver\u00e4nderter Helligkeit, die R\u00e4nder aber erscheinen verwaschen, so dass an ihnen die Helligkeit der Mitte der Fl\u00e4che allm\u00e4lig in die Helligkeit des umgebenden Grundes \u00fcbergeht.\nDergleichen Zerstreuungsbilder k\u00f6nnen nun auch im Auge entworfen werden. Allerdings k\u00f6nnen wir nicht die Netzhaut willk\u00fcrlich hin- und herr\u00fccken gleich dem Papierschirme bei der beschriebenen objectiven Darstellung der Zerstreuungsbilder , aber wir k\u00f6nnen den leuchtenden Punkt dem Auge n\u00e4hern und ihn davon entfernen, so dass sein Bild im Glask\u00f6rper vor- und zur\u00fcckweicht. Wie bei einem jeden optischen Systeme von kugeligen brechenden Fl\u00e4chen liegen die Bilder verschieden entfernter Gegenst\u00e4nde auch beim Auge in verschiedenen Entfernungen von den brechenden Fl\u00e4chen. Das Bild eines unendlich weit entfernten hellen Punktes liegt in der hinteren Brennebene des Auges, das Bild eines n\u00e4heren leuchtenden Punktes hinter der Brennebene. Wenn also eines von diesen Bildern auf die Netzhaut f\u00e4llt und scharf gezeichnet ist, so bildet das andere nothwendig einen Zerstreuungskreis. Daraus folgt :\nWir k\u00f6nnen verschieden weit vom Auge entfernte Gegenst\u00e4nde nicht gleichzeitig deutlich sehen.\nFig. 47.","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nERSTER ABSCHNITT. HIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 H.\nUni sich davon zu \u00fcberzeugen, halte man in der Entfernung von etwa 6 Zoll vor dem Auge einen Schleier oder anderes durchsichtiges Gewebe, und dahinter in etwa 2 Fuss Entfernung ein Buch, und schliesse ein Auge, so wird man sich leicht \u00fcberzeugen, dass man es in seiner Gewalt hat, nach einander bald die F\u00e4den des Schleiers, bald die Buchstaben des Buches zu betrachten und deutlich zu sehen, dass aber die Buchstaben undeutlich werden, w\u00e4hrend man die F\u00e4den des Schleiers betrachtet, und dass der Schleier nur noch als eine leichte gleich-m\u00e4ssige Verdunkelung des Gesichtsfeldes erscheint, w\u00e4hrend man die Buchstaben fixirt. Wenn man, ohne die Richtung des Auges zu ver\u00e4ndern, bald den n\u00e4heren, bald den ferneren Gegenstand betrachtet, f\u00fchlt man bei jedem solchen Wechsel, dass das Auge eine gewisse Anstrengung macht, um den Wechsel zu Stande zu bringen.\nDenselben Versuch kann man mannigfach variiren. Man wende sich nach einem Fenster und halte etwa 6 Zoll vor dem Auge senkrecht eine Nadel, so dass sie einen der horizontalen St\u00e4be des Fensters kreuzt, so kann man entweder die Nadel fixiren, w\u00e4hrend dabei der Stab des Fensterkreuzes als verwaschener dunkler Streifen erscheint, oder das Fensterkreuz und die Gegenst\u00e4nde der Landschaft draussen fixiren, w\u00e4hrend die Nadel nur noch als ein verwaschener dunkler Streifen im Gesichtsfelde erscheint. Ebenso, wenn man durch ein Loch von 1 bis 2 Linien Durchmesser nach fernen Gegenst\u00e4nden sieht, kann man bald diese, bald die R\u00e4nder des Loches scharf sehen, nie aber beide zugleich. Indessen ist der Versuch in seiner ersten Gestalt am \u00fcberraschendsten, und dabei zugleich jeder Verdacht, dass eine Aenderung in der Richtung der Sehaxe von Einfluss sei, am besten beseitigt.\nBei allen diesen Versuchen \u00fcberzeugt man sich, dass, wenn man auch nicht gleichzeitig zwei verschieden entfernte Gegenst\u00e4nde deutlich sehen kann, es doch gelingt, indem man sie nach einander betrachtet, und dass man willk\u00fcrlich bald den einen, bald den anderen deutlich, mit scharf begrenzten Umrissen erblicken kann.\nDie eigenth\u00fcmliche Ver\u00e4nderung, welche im Zustande des Auges vor sich geht, um bald ferne, bald nahe Gegenst\u00e4nde deutlich zu sehen, nennt man die Accommodation oder Adaptation des Auges f\u00fcr die Entfernung des Objects.\nF\u00fcr sehr ferne Objecte kann sich die Entfernung des Objects sehr betr\u00e4chtlich ver\u00e4ndern, ohne dass die Entfernung seines optischen Bildes von den Hauptpunkten des Auges sich merklich \u00e4ndert. Wenn ein Auge f\u00fcr unendliche Entfernung accommodirt ist, so sind die Zerstreuungskreise auch f\u00fcr Objecte von etwa 12 Meter Entfernung immer noch so klein, dass keine merkliche Undeutlichkeit des Bildes entsteht. Ist aber das Auge f\u00fcr einen nahen Gegenstand accommodirt, so erscheinen Gegenst\u00e4nde in sehr kleinen Distanzen vor oder hinter jenem schon undeutlich. Den Theil der Gesichtslinie, in welchem die bei einem gegebenen Acconnnodationszustande des Auges ohne merkliche Undeutlichkeit sichtbaren Objecte liegen, hat J. Czermak die Accommodationslinie genannt, Die L\u00e4nge dieser Accommodationslinien ist desto gr\u00f6sser, je weiter ihr Abstand vom Auge ist, und f\u00fcr einen sehr grossen Abstand unendlich gross.\nVon dem angegebenen Verhalten kann man sich leicht \u00fcberzeugen, wenn","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 11-\nACCOMMODATION.\n93\nman vor einem bedruckten Blatte in der Entfernung eines oder einiger Zolle eine Spitze als Fixationspunkt befestigt. N\u00e4hert man sich mit dem Auge der Spitze, so weit man sie deutlich sehen kann, und accommodirt das Auge f\u00fcr die Spitze so erscheinen die Buchstaben undeutlich; je weiter man sich aber entfernt, immer das Auge f\u00fcr die Spitze accommodirend, desto deutlicher werden sie.\nEben weil die Zerstreuungskreise ferner Gegenst\u00e4nde sehr klein sind, wenn das Auge f\u00fcr andere ferne Gegenst\u00e4nde accommodirt ist, ist es auch m\u00f6glich zu visiren, d. h. zu erkennen, ob verschieden entfernte Punkte an einer Stelle des Gesichtsfeldes liegen. Streng genommen kann man immer nur einen der beim Visiren betrachteten Punkte deutlich sehen, die anderen in gr\u00f6sseren und kleineren Zerstreuungskreisen. Eine genaue Deckung zweier Punkte nehmen wir an, wenn der deutlich gesehene Punkt in der Mitte des Zerstreuungsbildes des anderen liegt. Eine Linie, welche durch zwei sich deckende Punkte gezogen ist, nennen wir Visirlinie. Die Visirlinien kreuzen sich in einem Punkte des Auges, n\u00e4mlich im Mittelpunkte des von der Hornhaut entworfenen Bildes der Pupille, dem Kreuzungspunkte der Visirlinien.\nDass bei der Accommodation nicht blos, wie mehrere Physiologen fr\u00fcher annahmen, die Art, wie das Netzhautbildchen empfunden wird, sich ver\u00e4ndere, sondern dass das optische Bild auf der Netzhaut selbst Ver\u00e4nderungen erleide, l\u00e4sst sich am unzweifelhaftesten bei der Untersuchung eines lebenden Auges mit dem Augenspiegel nachweisen. Durch dieses Instrument, welches in \u00a7.16 beschrieben werden wird, kann man den Hintergrund des Auges, also die Netzhaut mit ihren Gef\u00e4ssen und die auf ihr entworfenen Bilder, deutlich sehen. L\u00e4sst man das beobachtete Auge einen Gegenstand in einer gewissen Entfernung fixiren, so findet man, dass das Bild eines Lichtes, welches in derselben Entfernung steht, auf der Netzhaut ganz scharf entworfen wird, w\u00e4hrend man in dem hellen Grunde des Bildes auch die Gef\u00e4sse und sonstigen anatomischen Einzelnheiten der Netzhaut deutlich sieht. Wenn man aber das Licht sehr n\u00e4hert, wird sein Bild undeutlich, w\u00e4hrend die Einzelnheiten des Gewebes der Netzhaut deutlich bleiben. Die Versuche, die. Ver\u00e4nderungen der Bilder an todten Augen, denen man den hinteren Theil der Sclerotica und Chorioidea weggenommen hatte, zu sehen, oder an Augen weisser Kaninchen, deren Sclerotica sehr durscheinend ist, sind meist gescheitert, weil unter diesen Umst\u00e4nden die Bilder \u00fcberhaupt nicht mehr genau genug sind, um kleine Ver\u00e4nderungen an ihnen wahrzunehmen. Auch f\u00fcr das lebende Auge sind nur an verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig feinen Gegenst\u00e4nden die Ver\u00e4nderungen des Bildes bei ver\u00e4nderter Adaptation auff\u00e4llig. Gr\u00f6ssere Gegenst\u00e4nde erkennen wir auch bei unpassender Accommodation noch ihrer Form nach. In dem Netzhautbilde eines todten Auges erscheinen aber \u00fcberhaupt nur noch gr\u00f6ssere Objecte, die feineren sind verwischt, wie man sogleich erkennt, wenn man es k\u00fcnstlich vergr\u00f6ssert, so dass die Bilder dem Beobachter in \u00e4hnlicher Gr\u00f6sse erscheinen, wie sie dem beobachteten Auge, als es lebte, erschienen waren.\nEine noch n\u00e4here Erl\u00e4uterung der Adaptationserscheinungen und der verschiedenen Lage des Vereinigungspunktes der Strahlen zur Netzhaut giebt der ScHEiNER\u2019sche Versuch. Man steche durch ein Kartenblatt mit einer Nadel zwei","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\nL\u00f6cher, deren Entfernung kleiner ist als der Durchmesser der Pupille, und blicke nun durch die beiden L\u00f6cher nach einem feinen Gegenst\u00e4nde hin, der sich dunkel auf hellem Grunde oder hell auf dunklem Grunde scharf abzeichnet, z. B. nach einer Nadel, die man vor den hellen Hintergrund des Fensters h\u00e4lt, und zwar vertical, wenn die L\u00f6cher des Kartenblatts horizontal neben einander liegen, dagegen horizontal, wenn letztere vertical \u00fcbereinander stehen. Fixirt man nun die Nadel selbst, so sieht man sie einfach, flxirt man dagegen einen n\u00e4heren oder ferneren Gegenstand, so erscheint sie doppelt. Schiebt man dann von der Seite her einen Finger \u00fcber das Kartenblatt, so dass er eines der L\u00f6cher verdeckt, so findet man in dem Falle, wo das Bild der Nadel einfach ist, keine andere Ver\u00e4nderung, als dass das Gesichtsfeld dunkler wird. Sieht man dagegen die Nadel doppelt, so verschwindet beim Verdecken der Oeffnung eines der Doppelbilder, w\u00e4hrend das andere unver\u00e4ndert stehen bleibt, und zwar verschwindet, wenn man einen ferneren Gegenstand, als die Nadel ist, fixirt, das linke Bild der Nadel beim Verdecken des rechten Loches; wenn man aber das Auge f\u00fcr einen n\u00e4heren Gegenstand eingerichtet hat, verschwindet das rechte Bild beim Verdecken des rechten Loches. Hat man sich noch nicht gen\u00fcgend ge\u00fcbt, das Auge f\u00fcr die N\u00e4he und Ferne zu accommodiren, ohne dass man einen entsprechenden Fixationspunkt hat, so stelle man zwei Nadeln hinter einander vor einem hellen Hintergr\u00fcnde auf, die eine in 6 Zoll, die andere in 2 Fuss Entfernung, die eine horizontal, die andere vertical, und fixire die eine, um die Doppelbilder der anderen zu sehen, wobei man nat\u00fcrlich die L\u00f6cher des Kartenblatts stets quer gegen die Richtung der Nadel stellen muss, welche doppelt erscheinen soll.\nMacht man drei L\u00f6cher in ein Kartenblatt, welche nahe genug zusammenstehen, um gleichzeitig vor die Pupille gebracht zu werden, so erscheinen drei\nBilder der Nadel. Haben die L\u00f6cher die Stellung wie in Fig. 48. a, so erscheinen bei der Accommodation f\u00fcr einen n\u00e4heren Gegenstand drei Nadeln in der Stellung wie bei b, so dass ihre K\u00f6pfe die Stellung der L\u00f6cher in gleichem Sinne wiedergeben. Bei der Accommodation f\u00fcr einen ferneren Gegenstand erscheinen die Nadeln in der Stellung c, so dass ihre K\u00f6pfe ein umgekehrtes Bild von der Stellung der L\u00f6cher geben. Ganz dieselben Doppelbilder zeigen sich, wenn man einen hellen Gegenstand auf dunklem Grunde, eine Oeffnung eines dunklen Schirms, durch welche Licht f\u00e4llt, oder ein Nadelk\u00f6pfchen, welches Sonnenlicht reflectirt, betrachtet.\nDie Erkl\u00e4rung dieser Versuche ergiebt sich leicht aus entsprechenden Versuchen mit Glaslinsen. Es sei Fig. 49 b eine Sammellinse, vor welcher ein undurchsichtiger Schirm mit zwei Oeffnungen e und f angebracht ist; n sei ein leuchtender Punkt und c der Vereinigungspunkt f\u00fcr seine Strahlen, nachdem sie durch die Linse gegangen sind. Es werden demgem\u00e4ss alle Strahlen der beiden Strahlenb\u00fcndel, welche durch die beiden Oeffnungen des Schirms e und f gehen, sich im Punkte c schneiden, und ein weisser Schirm, welcher in c angebracht ist, wird nur eine helle Stelle als Bild des Lichts zeigen. Ein Schirm aber, der","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. M.\nSCHEMER'S VERSUCH.\n95\nvor dem Vereinigungspunkte in mm, oder hinter ihm in 11 angebracht ist, wird die den beiden Oeffnungen entsprechenden Strahlenbiindel gesondert auffangen\nFig. 49.\nund zwei helle Stellen zeigen. Denkt man sich statt der Glaslinse die brechenden Mittel des Auges, statt des Schirms die Retina gesetzt, so ergiebt sich analog, dass ein Punkt der Retina vom Lichte getroffen wird, wenn ihre Fl\u00e4che durch den Vereinigungspunkt der Strahlen geht, zwei Punkte dagegen, wenn sie sich vor oder hinter dem Vereinigungspunkte der Strahlen befindet. Die Stellung des Schirms in m entspricht dem Falle, wo das Auge f\u00fcr einen ferneren, die bei l, wo es f\u00fcr einen n\u00e4heren Gegenstand accommodirt ist. Nur ein scheinbarer Widerspruch zeigt sich, Wenn man n\u00e4mlich in dem Versuche mit der Glaslinse die obere Oeffnung e des durchbrochenen Schirms verdeckt, verschwindet bei der Stellung des Schirms in m das gleichseitige obere Bild, bei dem fernsehenden Auge aber das entgegengesetzte. Bei der Stellung des Schirms in l verschwindet umgekehrt bei der Glaslinse das entgegengesetzte, in dem nahsehenden Auge dagegen das gleichseitige Bild. Der Widerspruch erkl\u00e4rt sich dadurch, dass die Bilder auf der Netzhaut stets umgekehrt sind, also einem tiefer liegenden lichten Gegenst\u00e4nde ein h\u00f6her stehendes Bild auf der Netzhaut entspricht. Wird also die in m stehende Netzhaut bei p und q von Licht getroflen, so schliesst der Sehende von dem oberen Punkte p auf einen im Gesichtsfelde unterhalb des wirklichen leuchtenden Punktes bei P liegenden Gegenstand, und aus dem unteren Punkte q auf einen oberhalb bei Q liegenden. Wird die Oeffnung e verdeckt, so verschwindet demnach der obere helle Punkt p auf der Netzhaut, und der Experimentirende glaubt deshalb den Gegenstand P verschwinden zu sehen, welcher der verdeckten Oeffnung entgegengesetzt ist. Umgekehrt beim Fixiren eines nahen Gegenstandes, wo die Netzhaut dem Schirme in l entspricht.\nBringt man vor der Glaslinse einen Schirm mit drei Oeffnungen, wie in a Fig. 48, an, so entstehen auch drei lichte Punkte auf dem in m oder l gestellten Schirme, und zwar in m gleich, in l dagegen entgegengesetzt gerichtet als auf dem vorderen Schirme ; also wieder umgekehrt', als es scheinbar im Auge der Fall ist, was sich in derselben Weise erkl\u00e4rt, wie eben geschehen ist.\nBringt man vor die Glaslinse einen Schirm mit einer Oeffnung, und bewegt ihn hin und her, so bleibt das Bild des lichten Punktes unbeweglich, wenn (siehe in Fig. 49) der Vereinigungspunkt c der Lichtstrahlen in den auffangenden Schirm f\u00e4llt. Steht dieser Schirm aber vor c in m, so bewegt sich das Bild in demselben Sinne wie die Oeffnung vor dem Glase. Steht der auffangende Schirm in l hinter dem optischen Bilde, so bewegt es sich in entgegengesetzter Richtung.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\nEntsprechendes findet beim Auge statt. Sieht man durch eine kleine Oeffnung eines Kartenblatts nach einer Nadel, fixirt einen fernen Gegenstand und bewegt das Kartenblatt, so bewegt sich die Nadel scheinbar in entgegengesetztem Sinne. Fixirt man dagegen einen n\u00e4heren Punkt, so bewegt sie sich in gleichem Sinne wie das Kartenblatt. Die Erkl\u00e4rung dieser Versuche ergiebt sich leicht aus dem Vorausgeschickten, wenn man f\u00fcr Fig. 49 annimmt, dass der Schirm nicht zwei Oeffnungen, sondern nur eine hat, die sich bald in e, bald in f befindet.\nMan kann einen Schirm mit enger Oeffnung, welche man vor das Auge bringt, auch benutzen, um Gegenst\u00e4nde deutlich zu sehen, f\u00fcr welche man das Auge nicht accommodiren kann. Die Grundfl\u00e4che des in das Auge eindringenden Strahlenkegels wird dadurch kleiner, und in demselben Verh\u00e4ltnisse auch alle seine Querschnitte, zu denen auch der Zerstreuungskreis auf der Netzhaut geh\u00f6rt.\nWenn man einen nahe vor dem Auge befindlichen Gegenstand, der deshalb im Zerstreuungsbilde erscheint, durch eine feine Oeffnung betrachtet, erscheint er aus dem angef\u00fchrten Grunde deutlich und ausserdem vergr\u00f6ssert. Ja, er erscheint sogar gr\u00f6sser, als wenn man ihn ohne Oeffnung bei derselben Entfernung im Zerstreuungsbilde betrachtet. Seine Vergr\u00f6sserung wird um so bedeutender, je mehr man die Oeffnung vom Auge entfernt. Diese Ercheinungen erkl\u00e4ren sich auf folgende Weise. Es seien in Fig. SO a und b zwei leuchtende\nPunkte des Objects, S der Schirm, A das Auge. Vom Punkte a f\u00e4llt durch die Oeffnung des Schirms nur der Lichtstrahl u m, in das Auge, von b b m.2. Ist \u00df a das dem Objecte a b entsprechende Bild, welches die Augenmedien entwerfen, so geht der Strahl a m\u00b1 nach der Brechung nach a und\nFig. SO.\nschneidet die Netzhaut in f; der Strahl h m., geht dagegen nach \u00df und trifft die Netzhaut in g. Zieht man von f und g aus die Linien f 9 und g y durch den Knotenpunkt des Auges k, so geben diese die Richtungen an, in welchen leuchtende Punkte beim gew\u00f6hnlichen deutlichen Sehen liegen m\u00fcssten, um sich in f und g abzubilden. In diese Linien verlegt unser Urtheil deshalb auch die Punkte a und b.\nWenn der Schirm sich vom Auge entfernt und dem Objecte n\u00e4hert, ist leicht ersichtlich, dass die Punkte ml und m2 und ebenso die Linien ml a und w2 \u00df mit den Punkten f und g sich von der Augenaxe entfernen m\u00fcssen. Das Netzhautbild wird in diesem Falle also gr\u00f6sser.\nNehmen wir den Schirm weg, so entwirft jeder lichte Punkt des Objects einen Zerstreuungskreis. Die Mittelpunkte der Zerstreuungsbilder von a und b sind dann auf der Netzhaut weniger von einander entfernt als die Punkte f und g, wo diese Punkte bei vorgehaltenem Schirme sich abbilden. Der Mittelpunkt der","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 H-\nACCOMODATIONSDISTANZE\u00cef.\n97\nZerstreuungskreise wird bestimmt durch den Axenstrahl des Strahlenkegels, d. h. durch den Strahl, welcher durch den Mittelpunkt der Pupille gegangen ist. Es sei l dieser Punkt. Der von a durch l nach oc gehende Strahl trifft dann die Netzhaut in i, der von h durch l nach \u00df gehende in h. Die Punkte h und i sind also die Mittelpunkte der Zerstreuungsbilder, wenn der Schirm entfernt wird. Sie liegen einander n\u00e4her als die Punkte f und g.\nSieht man dagegen durch eine enge Oeffnung nach entfernten Gegenst\u00e4nden, w\u00e4hrend man das Auge f\u00fcr die N\u00e4he accommodirt, so erscheinen die Gegenst\u00e4nde kleiner, und desto kleiner, je weiter man die Oeffnung vom Auge entfernt.\nDie Entfernungen, f\u00fcr welche sich das menschliche Auge accommodiren kann, sind bei verschiedenen Individuen sehr verschieden. Man nennt den dem Auge n\u00e4chsten Punkt, f\u00fcr den eine vollst\u00e4ndige Accommodation ausgefiihrt werden kann, den N\u00e4hepunkt, den entferntesten den Fernpunkt der Accommodation. Bei normalen Augen pflegt der N\u00e4hepunkt in 4 bis 5 Zoll Entfernung zu liegen, der Fernpunkt in sehr grosser, vielleicht zuweilen unendlicher Entfernung. Eine unendliche Entfernung des Fernpunktes scheint aber doch, selbst bei Leuten, die im Freien leben und nur ferne Gegenst\u00e4nde zu betrachten haben, mindestens eine grosse Seltenheit zu sein, da ganz allgemein eine strahlige Figur von den Menschen als Stern bezeichnet zu werden pflegt, und die Allgemeinheit dieses Sprachgebrauchs darauf hinweist, dass sie die Sterne strahlig sehen, was wiederum ein Zeichen ist, dass sie nicht f\u00fcr unendliche Ferne adaptiren, wie in \u00a7. 14 auseinandergesetzt werden wird.\nKurzsichtige oder myopische Augen nennt man solche, deren Fernpunkt in geringer Entfernung, oft nur wenige Zolle vom Auge liegt; der N\u00e4hepunkt r\u00fcckt dabei gew\u00f6hnlich ebenfalls sehr viel n\u00e4her. Weitsichtige oder presbyopische Augen nennt man dagegen solche, deren N\u00e4hepunkt weiter entfernt ist, oft mehrere Fuss vom Auge absteht. Der Fernpunkt dieser Augen scheint im Allgemeinen nicht in demselben Verh\u00e4ltnisse in die Ferne zu r\u00fccken, vielmehr stehen zu bleiben, so dass die Breite ihrer Accommodation \u00fcberhaupt eine geringere wird, und die F\u00e4higkeit einer Ver\u00e4nderung des brechenden Apparates auch wohl ganz verloren geht. Nur als seltenere krankhafte Verbildung und nach der Entfernung der Krystallinse durch Staaroperationen kommen so weitsichtige Augen vor, welche im Stande sind, convergirend in das Auge fallende Strahlen auf der Netzhaut zu vereinigen, also z. B. unendlich entfernte Gegenst\u00e4nde durch schwache Sammellinsen deutlich zu sehen. Kurzsichtigkeit pflegt die Folge solcher Besch\u00e4ftigungen zu sein, bei denen nahe Gegenst\u00e4nde anhaltend und scharf betrachtet werden. Weitsichtigkeit pflegt im h\u00f6heren Alter zu entstehen, daher der griechische Name Presbyopie (von jtpsc\u00dfu?, der Greis); auch kommt bei Schiffern, Hirten, J\u00e4gern und anderen Personen, welche meist nur auf ferne Gegenst\u00e4nde ihre Aufmerksamkeit zu richten haben, eine Unf\u00e4higkeit, das Auge f\u00fcr nahe Gegenst\u00e4nde zu accommodiren, vor, welche durch Mangel an Uebung bedingt zu sein scheint. Das bekannte Mittel, den Beschwerden dieser Zust\u00e4nde abzuhelfen, ist der Gebrauch von Brillen. Kurzsichtige gebrauchen concave Linsen, welche von fernen Gegenst\u00e4nden n\u00e4here Bilder entwerfen, die bis an den Fern-\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Oplik,\t*","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 11.\npunkt des betreffenden Auges herangeriickt werden m\u00fcssen. Weitsichtige gebrauchen convexe Linsen, welche von nahen Gegenst\u00e4nden entferntere Bilder entwerfen, f\u00fcr welche ein solches Auge sich acconnnodiren kann.\nWenn man das Auge in Wasser taucht, f\u00e4llt die Brechung der Lichtstrahlen an der Hornhaut fast ganz fort, und es bleibt nur die in der Krystallinse wirksam, welche nicht hinreicht, um deutliche Bilder auf der Netzhaut zu entwerfen. Das Auge verh\u00e4lt sich dann wie ein \u00fcberweitsichtiges, und braucht eine stark convexe Linse als Brille, um irgend etwas zu erkennen.\nUm die Gr\u00f6sse der Zerstreuungskreise berechnen zu k\u00f6nnen, bemerke man zun\u00e4chst, dass alle Strahlen, die ausserhalb des Auges auf die scheinbare (d. h. durch die Hornhaut gesehene) Pupille hinzielen, nach der Brechung in der Hornhaut die wirkliche Pupille treffen, und dass sie im Glask\u00f6rper so verlaufen, als k\u00e4men sie von dem Bilde der Pupille her, welches die Linse nach hinten zu entwirft. Es ergiebt sich dies sogleich aus dem Begriffe des optischen Bildes. Ein gewisser Punkt der wirklichen Pupille und der correspondirende Punkt ihres Hornhautbildes sind in R\u00fccksicht auf die Brechung an der Hornhaut correspondirende Vereinigungspunkte der Lichtstrahlen. Strahlen, die von dem Punkte der wirklichen Pupille aus nach vom gehen, scheinen vor dem Auge von dem Bilde dieses Punktes zu kommen, und umgekehrt, Strahlen, welche in der Luft nach einem Punkte der scheinbaren Pupille convergiren, m\u00fcssen sich nach der Brechung an der Hornhaut in dem entsprechenden Punkte der wirklichen Pupille vereinigen.\nListing nimmt f\u00fcr sein schematisches Auge an, dass die Iris ^ Mm. vor der vorderen Linsenfl\u00e4che liege, und berechnet, dass alsdann ihr von der Linse entworfenes Bild um yls vergr\u00f6ssert und um 0,05\u00f6 Mm. nach hinten ger\u00fcckt sei. Verlegt man dagegen die Pupille dicht an die Vorderfl\u00e4che der Linse, was naturgem\u00e4sser ist, so betr\u00e4gt die Vergr\u00f6sserung nur etwa Vlg (genauer 3/53), und sie wird um 0,113 Mm. nach\thinten ger\u00fcckt.\tBeh\u00e4lt man\tdie \u00fcbrigen Data von\tListing\u2019s schematischem Auge\tbei, so w\u00fcrde\tder Abstand\tdes Linsenbildes der\tPupille von der\nNetzhaut gleich\t18,534 Mm. zu\tsetzen sein.\tDurch die Hornhaut\tw\u00fcrde dieselbe\nPupille dagegen\tum % (genauer\t13/90) vergr\u00f6ssert und um 0,578\tMm. vorger\u00fcckt\nerscheinen.\nDie Gr\u00f6sse der Zerstreuungskreise auf dem mittleren Theile der Netzhaut l\u00e4sst sich auf folgende Weise berechnen. Es sei Fig. Sl gf die Augenaxe, q g ein vor\ndem Auge liegendes Object, und die Linie qg senkrecht gegen fg. Es sei ferner p das Bild von q und f von g ; a d die Netzhaut, welche wir als eine auf die Augenaxe senkrechte Ebene\nbetrachten, da nur Bilder auf der Mitte der Netzhaut in Betracht gezogen werden sollen; ab sei das Linsenbild der Pupille, AB das Hornhautbild, beide senkrecht gegen die Augenaxe, die von ihren Ebenen in den Punkten c und C geschnitten wird. Die von dem Rande der Pupille ausgehenden Strahlen a p und b p schneiden die Netzhaut in a und \u00df, so dass a\u00df ein Durchmesser des Zerstreuungskreises ist, dessen Gr\u00f6sse berechnet werden soll. Da a b parallel a d ist, ist nach bekannten geometrischen S\u00e4tzen :","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"g. H\nTHEORIE DES VISIRENS.\n99\nap : a p \u2014 a p : a p \u2014\na \u00df =\na b : a \u00df cf : elf, ab . df\n' '7'\nalso auch\n1 a).\nF\u00e4llt die Ebene der Netzhaut mit der hinteren Brennebene des Auges zusammen, und ist D der vordere Brennpunkt des Auges, so k\u00f6nnen wir wie in \u00a7. 9 Gleichung 8) bezeichnen CD mit lf1, cd mit ff2, Cg mit hL, cf mit h2 (statt hm f) und haben dann wie dort\nHi + H*\n>h\nHi\nK\nh,2\nh 2 \u2014 H2\n1 oder\nh.2\na\u00df = ab\nHi\nhi\ndf\ner\nalso\n1 b).\nWenn c der Mittelpunkt des Linsenbildes der Pupille ist, also ac = bc, und der Strahl cp die Netzhaut in y schneidet, so ist y der Mittelpunkt des Zerstreuungskreises. Denn wegen des Parallelismus von a b und a \u00df verh\u00e4lt sich\na c : b c = a y : \u00df y a c \u2014 bc, folglich ay = \u00dfy.\nDer Strahl also, welcher die Mitte des Zerstreuungskreises trifft, geht im Glask\u00f6rper verl\u00e4ngert durch den Mittelpunkt des Linsenbildes der Pupille. Wir k\u00f6nnen hinzusetzen, er geht in der vorderen Kammer in der That durci\u00bb den Mittelpunkt der wirklichen Pupille und in der Luft verl\u00e4ngert durch den Mittelpunkt des Hornhautbildes der Pupille.\nDaraus folgt, dass, wenn die Mittelpunkte der Zerstreuungskreise f\u00fcr zwei ungleich vom Auge entfernte Punkte auf einander fallen, der nach diesem gemeinsamen Mittelpunkte von dem Mittelpunkte des Linsenbildes der Pupille gehende Strahl beiden Strahlensystemen gemeinsam sein muss. Die Fortsetzung dieses gemeinsamen Strahls vor dem Auge muss also auch beide leuchtende Punkte treffen, und wird verl\u00e4ngert durch den Mittelpunkt des Hornhautbildes der Pupille gehen. Dasselbe wird der Fall sein, wenn das eine Zerstreuungsbild sich auf einen Punkt reducirt, der im Mittelpunkte des anderen Zerstreuungskreises liegt.\nBeim Visiren decken sich zwei ungleich entfernte Punkte, wenn das Bild des einen in die Mitte des Zerstreuungsbildes des anderen f\u00e4llt, oder die Mittelpunkte beider Zerstreuungsbilder auf einander fallen, falls beide undeutlich gesehen werden. Die sie verbindende gerade Linie haben wir Visirlinie genannt. Sie muss nach der eben gemachten Auseinandersetzung mit dem Strahle zusammenfallen, der nach dem Mittelpunkte des Hornhautbildes der Pupille geht, und dieser letztere Punkt wird deshalb der Kreuzungspunkt aller Visirlinien sein.\nDer Begriff des Gesichtswinkels h\u00e4ngt hiermit nahe zusammen. Wenn man sagt, dass Objecte, die unter gleichem Gesichtswinkel erscheinen, gleiche scheinbare Gr\u00f6sse haben, so muss man den Scheitel des Gesichtswinkels in den Kreuzungspunkt der Visirlinien legen. Gew\u00f6hnlich hat man ihn aber in den Kreuzungspunkt der Richtungslinien (den ersten Knotenpunkt) verlegt, und wenn es sich um F\u00e4lle handelt, wo die beiden gesehenen Punkte nach einander direct gesehen werden, w\u00fcrde man ihn in den Drehpunkt des Augapfels legen m\u00fcssen. F\u00fcr sehr weit ent-\nL","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\tERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\t\u00a7. M.\nlernte Punkte wird die Gr\u00f6sse des Gesichtswinkels dadurch nicht ver\u00e4ndert, f\u00fcr nahe aber allerdings.\nIch f\u00fcge hier noch eine kleine Tafel bei, welche Listing f\u00fcr sein schematisches Auge unter der Annahme berechnet hat, dass die Netzhaut in der zweiten Brennebene des Auges liege, und die Pupille 4 Mm. Durchmesser habe. Es sind darin angegeben unter /, die Entfernungen des leuchtenden Punktes von dem vorderen Brennpunkte nach vorn, unter hz die des Bildes von der Netzhaut nach hinten, unter z der Durchmesser des Zerstreuungskreises. Die Rechnung ist ausgef\u00fchrt nach der Gleichung \u00a7. 9. 8 c)\n?i l2 \u2014 F\u00b1 F.2\nund \u00a7. 11. la). Das Product Fl Fz ist f\u00fcr Listing\u2019s schematisches Auge gleich 301,26 Quadratmillimeter. (Als runde Zahl gen\u00fcgt 300.)\nh\tG\t*\nOO\t0 Mm.\t0 Mm.\n65 Meter.\t0,005\t0,001 1\n25\t0,012\t0,0027\n12\t0.025\t0,0056\n6\t0,050\t0,0 1 12\n3\t0.100 \u2022\t0,0222\n1,5\t0,200\t0,0443\n0,75\t0,40\t0,0825\n0,375\t0,80\t0,1616\n0,188\t1,60\t0,3122\n0,094\t3,20\t0,5768\n0,088\t3,42\t0,6484\nMan sieht aus dieser Tabelle auch, wie wenig sich die Lage des Bildchens \u00e4ndert, wenn die sich \u00e4ndernde Entfernung des Objects noch sehr gross ist, und wie schnell das Bildchen sich von der Netzhaut entfernt, wenn das Object in geringerer Entfernung vom Auge sich mehr und mehr n\u00e4hert.\nUm zu ermitteln, fiir welche Entfernungen sich ein Auge acconnnodiren kann, sind verschiedene Instrumente, Optometer, vorgeschlagen worden.\nDie zuerst sich darbietende Methode, nach welcher wir im t\u00e4glichen Leben Kurzsichtigkeit und Weitsichtigkeit zu unterscheiden pflegen, ist die, zu beobachten, in welcher Entfernung kleinere Gegenst\u00e4nde, z. B. Buchstaben, am besten gesehen werden. Indessen ist dabei keine grosse Genauigkeit der Angaben m\u00f6glich. Einmal sind gedruckte Buchstaben nie so klein, um nicht auch bei ziemlich betr\u00e4chtlichen Abweichungen der Accommodation noch gelesen werden zu k\u00f6nnen. So kann ich eine Druckschrift, wie die vorliegende, in 13 Zoll Entfernung noch lesen, w\u00e4hrend mein Auge f\u00fcr seinen Fernpunkt, 3 Fuss Entfernung, accom-modirt ist. Und ebenso kann ich sie in 2,7 Zoll Entfernung lesen, obgleich ich das Auge nur auf 3,6 Zoll accommodiren kann. Ausserdem ist zu bemerken, dass die Gegenst\u00e4nde, wenn man sie dem Auge n\u00e4hert, unter einem gr\u00f6sseren Gesichtswinkel erscheinen, und deshalb unter \u00fcbrigens gleichen Umst\u00e4nden deutlicher erkannt werden als in gr\u00f6sserer Entfernung. Sehr kleine, schwer zu erkennende Gegenst\u00e4nde werden deshalb dem Auge zuweilen n\u00e4her gebracht, als die Accommodationsdistanz ist, weil man bei geringer Ungenauigkeit des Bildes und gr\u00f6sserem Sehwinkel zuweilen mehr erkennt, als bei genauer Accommodation und geringerem Sehwinkel. Will man also die Accommodationsweiten auf diese Art ermitteln, so muss man","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 11.\nOPTOMETER.\n101\nf\u00fcr verschiedene Abst\u00e4nde verschiedene Gesichtsobjecte w\u00e4hlen, und alle so fein, dass sie in der betreffenden Entfernung von einem gut accommodirten Auge nur eben noch erkannt werden k\u00f6nnen.\nPorterfield 1 hat zuerst den SciiEiNER\u2019schen Versuch zur Untersuchung der Sehweiten empfohlen, und darauf ein Optometer gegr\u00fcndet, welches Th. Young 2 verbesserte. Letzterer empfiehlt einen feinen weissen Faden auf dunklem Grunde auszuspannen, so dass sein eines Ende nahe unter dem Auge sich befindet, und dann durch einen Schirm mit zwei L\u00f6chern nach dem Faden zu sehen. Er erscheint dann nur an der Stelle, f\u00fcr welche das Auge^ccom-modirt ist, einfach, an allen \u00fcbrigen Stellen doppelt. Die einfach erscheinende Stelle kann leicht bezeichnet werden. Ihre Entfernung vom Auge entspricht der beim Versuche stattfindenden Sehweite des Auges. Uebrigens kann man auch andere feine Objecte benutzen, welche man in verschiedene Entfernung vom Auge bringt. Man muss die Objecte f\u00fcr diese Versuche so fein w\u00e4hlen, dass sie durch die L\u00f6cher des Schirms eben noch deutlich gesehen werden k\u00f6nnen, z. B. feine Nadeln auf hellem Grunde, oder feine L\u00f6cher und Spalten in dunklen Schirmen. Auch muss man darauf achten, dass man das Object durch beide L\u00f6cher gleichzeitig erblickt, sonst ist man Irrungen leicht ausgesetzt. Das Gesichtsfeld reducirt sich bei diesen Versuchen auf die verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig breiten Zerstreuungs-bilder der beiden L\u00f6cher des Schirms, welche zum Theil in einander greifen m\u00fcssen, wie Fig. S2 a und b darstellt. Nur in dem mittleren gemeinsamen Theile c, welcher zugleich am hellsten ist, k\u00f6nnen Doppelbilder erscheinen wie die Nadelspitzen g, nicht aber in den seitlichen Theilen, welche nur je einem Zerstreuungsbilde angeh\u00f6ren.\nIn den letzteren erscheinen die Bilder stets einfach, wie die Nadel h.\nDieser Umstand macht f\u00fcr unge\u00fcbte Personen das Gelingen des Versuchs oft schwierig.\nEine \u00e4hnliche Methode, um die Accommodationsdistanzen, namentlich den Fernpunkt zu bestimmen, schien mir in der Ausf\u00fchrung noch gr\u00f6ssere Genauigkeit zu geben als das Sehen durch zwei L\u00f6cher. Man l\u00e4sst durch eine kleine Oeffnung eines Schirms Licht des Himmels oder einer Kerzenflamme fallen. Solch ein kleiner Lichtpunkt erscheint einem Auge, welches nicht genau f\u00fcr ihn adaptirt ist, als ein f\u00fcnf- oder sechsstrahliger Stern (s. unten \u00a7. 1i), w\u00e4hrend er bei passender Accommodation als ein ziemlich gut begrenzter, wenn auch nicht ganz regelm\u00e4ssig runder Lichtpunkt erscheint. Schiebt man nun einen Schirm von der Seite her vor die Pupille, so sieht man die Lichtfigur, welche der Punkt bildet, in der Regel von einer Seite her sich verdunkeln, und zwar von derselben Seite, wo der Schirm vorgeschoben wird, wenn das Object weiter entfernt ist, als die Accommodationsdistanz betr\u00e4gt; von der entgegengesetzten Seite dagegen, wenn cs n\u00e4her ist. Bei richtiger Accommodation dagegen wird das Object entweder in allen seinen Theilen gleichzeitig dunkler, oder es wird in unregelm\u00e4ssiger Weise verl\u00f6scht, so dass es z. B. oben und unten an zu schwinden f\u00e4ngt, w\u00e4hrend man den Schirm von einer Seite her vor die Pupille schiebt.\nEin anderes Mittel, die Sehweite zu bestimmen, welches namentlich f\u00fcr Unge\u00fcbte leichter ausf\u00fchrbar ist als der ScHEiNER\u2019sche Versuch, ist von der F\u00e4rbenzerstreuung im Auge hergenommen, und wird in \u00a7. 13 beschrieben werden.\nRuete\u2019s Optometer ist bestimmt, sich gegen absichtliche T\u00e4uschungen durch den Untersuchten zu sichern. Es ist ein kastenartiger Schirm, durch welchen eine R\u00f6hre geht. Der zu untersuchende Mensch blickt durch diese R\u00f6hre auf ein Buch, von dem er nur einige Worte sieht, und dessen Entfernung zu beurtheilen er kein Mittel hat (als die Adaption des Auges selbst). Man h\u00e4lt ihm bald kleinere, bald gr\u00f6ssere Druckschrift in verschiedenen Entfernungen vor; bei beabsichtigter T\u00e4uschung wird er schwer vermeiden, sich in Widerspr\u00fcche zu verwickeln.\nHasner\u2019s Optometer ist ein horizontales Brett auf Stativ, an einem Ende mit einer Maske\nFig. Si.\n1\tOn the eye. Vol. I. p. 423. \u2014 Edinh. medical Essays. IV. 185,\n2\tPhil. Transactions. 1801. P. I. p. 34.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nERSTEH ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. M.\nf\u00fcr den oberen Theil des Gesichts versehen, um die Lage der Augen dadurch zu fixiren. Auf dem Brette sind Theilungen angebracht, um die Entfernung von den Augen zu messen; es sind ausserdem die Convergenzwinkel der Augenaxen f\u00fcr die verschiedenen Punkte der Mittellinie darauf verzeichnet. Das Instrument ist dazu bestimmt, die verschiedenen Versuche \u00fcber Accommodationsdistanzen, \u00fcber Einfachsehen und Doppeltsehen mit beiden Augen bequem ausf\u00fchren zu lassen.\nK\u00fcnstliche Augen zur Erl\u00e4uterung von Kepler\u2019s Theorie des Sehens und der Wirkung der Brillen sind beschrieben worden von Haller ', Huygens * 2, Wolf 3 *, Adams 4 und Kries 5 6.\nKepler \u00b0, welcher zuerst richtige Begriffe von der Brechung des Lichts im Auge hatte, sah auch die Notliwendigkeit einer Accommodation des Auges f\u00fcr verschiedene Entfernungen ein, und erkl\u00e4rte die bei unpassender Accommodation auftretenden Zerstreuungskreise. Scheiner 7 beschrieb die Erscheinungen, welche bei unpassender Accommodation eintreten, wenn man durch einen Schirm mit zwei Oeffnungen sieht. Erkl\u00e4rungen dieses Versuchs gaben de la Hire 8 *, der aller dabei die M\u00f6glichkeit der Accommodation f\u00fcr verschiedene Entfernungen l\u00e4ugnete, sp\u00e4ter J. DF la Motte 9 und Porterfield 10 *, welcher Letztere zugleich die irrigen, von de la Hire aus dem Versuche gezogenen Schl\u00fcsse berichtigte. Die scheinbaren Bewegungen eines ausser der Sehweite liegenden Gegenstandes, wenn man ihn durch eine enge Oeffnung erblickt und diese selbst bewegt, erw\u00e4hnt Mile 11 zuerst, und beschrieb sp\u00e4ter H. Mayer 12 ausf\u00fchrlicher, mit Beziehung auf die Theorie der Accommodation.\nEine ausf\u00fchrliche Darstellung des Entstehens der Zerstreuungskreise, ihres Uebereinander-greifens u. s. w. gab Jurin 13 *.\nWas den Gebrauch der Brillengl\u00e4ser betrifft, so kommt bei Plinius 14 eine Stelle vor, welche darauf hinzudeuten scheint. Er berichtet, dass concave Smaragde vork\u00e4men, welche das Gesicht sammelten (visum colligere), und deshalb nicht geschnitten werden d\u00fcrften. Der Kaiser Nero, welcher kurzsichtig war (Plinius 1. II. c. 34), sah durch einen solchen Smaragd den K\u00e4mpfen der Gladiatoren zu. Sp\u00e4ter findet man wieder Nachrichten aus dem Anf\u00e4nge des 14. Jahrhunderts, wo die Brillen als eine neue Erfindung betrachtet wurden. Ein Florentiner Edelmann, Salvinus Armatus, gestorben 1317, wird in seiner Grabschrift als Erfinder der Brillen genannt15. Alexander de Spina, ein M\u00f6nch aus Pisa, gestorben 1313, soll ein Paar Brillen bei Jemandem gesehen haben, der ein Geheimniss daraus machte, solche nachgemacht und an viele Leute vertheilt haben15. Maurolycus (1494 bis 1878) versuchte sp\u00e4ter eine Erkl\u00e4rung der Wirkung zu geben, die aber entsprechend seiner Theorie vom Sehen unrichtig war. Er l\u00e4sst n\u00e4mlich die Sehestrahlen, d. h. Strahlen, von denen je einer von je einem Punkte des Objects ausgeht, durch die Gl\u00e4ser convergenter oder divergenter werden, so wie es in der That nur mit den von einem einzigen Punkte ausgegangenen Lichtstrahlen der Fall ist. Erst Kepler 17 gab die vollst\u00e4ndige und richtige Theorie von dem Nutzen der Brillen.\nLiteratur.\n157S. Fr. Maurolycus de lumine et umbra. Lib. III.\n1883. J. B. Porta de refractione. Lib. VIII.\n\u25a0 Elem. Physiolog. V. 469.\n7\tDioptrica. Lugduni 1704. p. 112.\n3 N\u00fctzliche Versuche. III. 4SI.\n3 Essay on vision. London 1792.\n5\tUebersetzung des vorigen. Gotha 1794.\n6\tParalipomena. p. 200.\n7\tOculus. p. 37 u. 41. Aehnliche Versuche p. 32 u. 49.\n8\tJournal des S\u00e7avans. 1685 und in Accidens de la vue. 1693.\n9\tVersuche und Abhandl. der Gesellschaft in Danzig, \u00dfd. II. S. 290.\n10\tOn the eye. Vol. I. Book 3. Chapt. 3.\n11\tPoggendorff Ann. XLII. 40.\n17 Prager Vierteljahrsschrift. 1851. Bd. IV. S. 92.\n13\tEssay on distinct and indistinct vision. Smith\u2019s Optics. Cambridge 1738.\n14\tL. XXXVII. c. 5.\n13 Volkmann\u2019s Nachrichten von Italien. Bd. I. S. 542. Die Grabschrift in der Kirche Maria maggiore zu Florenz wurde sp\u00e4ter weggenommen und hiess:\nQui giace Salvino dcgli Armait Inventore degli Occhiali.\nDio gli perdoni le peccata.\nIe Smith\u2019s Optics. Remarks p. 12.\n*\u2019 Paralipomena. p. 200.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"SICHTBARE \u00c4NDERUNGEN BEI DER ACCOMMODATION.\n103\n4604. J. Kepler Paralipomena ad Vitellionem. p. 200.\n4619. Scheiner Oculus. p. 32 \u2014 49.\n1685. de la Hire Journal des S\u00e7avans. Ann. 1685. \u2014 Accidens de la vue 4 693. \u00a7. II. (Folgerungen aus dem ScHEiNER\u2019schen Versuch.)\n1709. de la Hire M\u00e9m. de l\u2019Acad. de Paris. An. 4709. p. 95 (Sehen im Wasser).\n....\tde la Motte Versuche und Abhandlungen der Gesellschaft in Danzig. Bd. II. S. 290.\n(Theorie des SciiEiNER\u2019sclien Versuchs.)\n1738. Jurin Essay on distinct and indistinct vision in Smith system of optics. Cambridge 4738.\n4759. Porterfield on the eye. p. 389\u2014423*. (Theorie des ScHEiNER\u2019schen Versuchs.)\n4 792. G. Adams an essay on vision. London. 2d. edition, \u00fcbersetzt yon F. Kries. Gotha 4794. (Ausf\u00fchrlich \u00fcber Brillen.)\n4 800. J. Bisch\u00f6fe praktische Abhandlung der Dioptrik. Stuttgardt. 2. Aufl. (\u00fceber Brillen. )\n4801. Th. Young Philos. Transact. P. I. p. 34. (Optometer.)\n4810. Gilbert in seinen Annalen d. Physik. XXXIV. 34 u. XXXVI. 375. (Sehen im Wasser.)\n.... Wollaston Improved periscopic spectacles. Phil. Mag. XVII. Nicholson\u2019s Journal.\n\u2022 VII. 4 43. 244.\n.... Jones on Wollaston\u2019s spectacles. Nicholson\u2019s Journal. VII. 492 u. VIII. 38.\n4 821. G. Tauber Anweisung f\u00fcr ausw\u00e4rtige Personen, wie dieselben aus dem optisch-oculistischen Institute zu Leipzig Augengl\u00e4ser bekommen k\u00f6nnen. Leipzig. 3. Aufl.\n4 824. Muncke \u00fcber Sehen unter Wasser. Poggendorff Ann. II. 257. Gehler\u2019s physik. W\u00f6rterbuch, neu bearb. Leipzig 1828. Art. Gesicht. S. 4 383 \u2014 4 386*. Ueber Brillen ebenda 4403\u20141410*.\n1825. Purkinje zur Physiologie der Sinne. IL S. 428*.\n4830. Holke disquisitio de ac.ie oculi dextri et sinistri in mille ducentis hominibus. Lipsiae.\n1837. J. Mile in Poggend. Ann. XLII. S. 51*.\n4840. Henle in J. Muller\u2019s Lehrbuch der Physiologie. Bd. IL S. 339 \u2014 344 *.\n4 845. O. Young\u2019s optometer. Phil. Mag. XXVI. 436.\n4 850. J. Czermak Verhandl. d. W\u00fcrzburger physik. Gesellschaft. Bd. I. S. 4 84.\n4 851. Peytal Nouvel instrument \u00e0 l\u2019usage de la vue myope. Institut. No. 841. p. 53, No. 857. p. 4 80.\nH. Mayer Prager Vierteljahrsschrift f\u00fcr prakt. Heilkunde. XXXII. S. 92*. v. IIasner ebenda. S. 166. (Optometer.)\n1852. Tii. Ruete Der Augenspiegel und das Optometer. G\u00f6ttingen. S. 28*.\n4854. Jo. Czermak Wiener Sitzungsberichte. Bel. XII. S. 322*.\n\u00a7. 12. Mechanismus der Accommodation.\nDie Ver\u00e4nderungen, welche man bei Accommodations\u00e4nderungen am Auge eines Anderen beobachten kann, sind folgende:\n1)\tDie Pupille verengert sich bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he, erweitert sich bei der f\u00fcr die Ferne. Diese Ver\u00e4nderung ist leicht zu beobachten, und am l\u00e4ngsten bekannt. Man bemerkt sie an jedem Auge, welches man ab-wechselnd einen nahen und einen in derselben Richtung fern liegenden Gegenstand betrachten l\u00e4sst, Man hat nur darauf zu achtcii, dass die Pupille nicht durch zu starkes einfallendes Licht dauernd sehr verengt wird.\n2)\tDer Pupillarrand der Iris und die Mitte der vorderen Linsenfl\u00e4che verschieben sich bei eintretender Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he etwas nach vorn. Um dies zu beobachten, w\u00e4hle man einen scharf bestimmten fernen Fixationspunkt, und stelle als n\u00e4heren eine Nadelspitze hin. Der Beobachtete bedeckt das eine Auge, und bringt das andere in eine solche Stellung, dass die Nadelspitze ihm den ferneren Fixationspunkt genau deckt. Er muss darauf achten, dass sein Auge diese Stellung nicht verl\u00e4sst, und darf es auch nicht auf seitlich liegende Gegenst\u00e4nde abschweifen lassen, weil es bei diesem Versuche wesentlich darauf ankommt , dass die Richtung des Auges nicht ver\u00e4ndert wird. Der Beobachter stellt sich so, dass er die Hornhaut des beobachteten Auges von der Seite und","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. l'2.\netwas von hinten sieht, und dass er die schwarze Pupille dieses Auges etwa noch zur H\u00e4lfte vor dem Hornhautrande der Sclerotica hervorragen sieht, so lange das beobachtete Auge in die Ferne sieht. Nun lasse er den n\u00e4heren Gesichtspunkt, die Nadelspitze, fixiren; sogleich wird er bemerken, dass das schwarze Oval der Pupille und auch wohl ein Theil des ihm zugekehrten Irisrandes voider Sclerotica sichtbar werden. Fig. 33. a stellt dar, wie das fernsehende Auge\nhierbei erscheint, Fig. 33. b das nahesehende. Die Ver\u00e4nderung in der Stellung des schwarzen Flecks wird am auffallendsten, wenn man auf die Breite des hellen Zwischenraums zwischen ihm und einem am vorderen Rande der Hornhaut erscheinenden dunkleren Streifen c, c.2 achtet. Dieser Streifen ist das durch die Brechung in der Hornhaut verzerrte Bild des \u00fcber die Iris hervorragenden jenseitigen Randes\n7\nder Sclerotica, der an seiner inneren Seite gew\u00f6hnlich beschattet ist, und daher dunkler als die von vorn erleuchtete Iris erscheint. Wenn die Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he eintritt, sieht man den Zwischenraum zwischen diesem Streifen Cj c.> und der dunklen Pupille schmaler werden. Versch\u00f6be sich der Pupillarrand nicht nach vorn, so m\u00fcsste beim Nahesehen dieser Zwischenraum umgekehrt breiter werden, weil sich die Pupille von allen Seiten gleichm\u00e4ssig verengert, und ebenso w\u00fcrde er breiter werden, wenn das Hervortreten der Pupille durch eine zuf\u00e4llige Wendung des beobachteten Auges gegen den Beobachter hin entst\u00e4nde. Indem man also auf den genannten Streifen achtet, kann man sich vor jeder T\u00e4uschung sichern. Dass die vordere Linsenll\u00e4che stets dicht hinter der Pupille bleibt, ist in \u00a7. 3 erwiesen.\n3) Die vordere Fl\u00e4che der Krystallinse wird gew\u00f6lbter beim Nahesehen, flacher beim Sehen in die Ferne. Man kann sich davon durch das an der vorderen Fl\u00e4che der Linse zur\u00fcckgeworfene Licht \u00fcberzeugen. Man gebe, wie beim vorigen Versuche, dem beobachteten Auge wieder zwei scharf bestimmte, in einer Linie vor ihm liegende Gesichtspunkte. Das Zimmer muss vollst\u00e4ndig verdunkelt sein, und ausser einer grossen und hellen Lampenflamme, welche man seitw\u00e4rts von der Gesichtslinic in gleicher H\u00f6he mit dem Auge aufstellt, darf sich kein gr\u00f6sserer heller Gegenstand vor dem beobachteten Auge befinden, um alle st\u00f6renden Horn-\nFig. Hi.\nhautreflexe zu vermeiden. In Fig. 34 sei A das beobachtete Auge, C die Flamme im Grundrisse, n der n\u00e4here, f der fernere Gesichtspunkt. Der Beobachter muss nun sein Auge in gleicher","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"GESTALT\u00c4NDERUNG DER KRYSTALL1NSE BEI DER ACCOMMODATION.\n105\nH\u00f6he mit dem beobachteten Auge und der Lampe anbringen, so dass der Winkel BAf ungef\u00e4hr gleich CAf ist, und so lange sein Auge in der N\u00e4he von B hin und her bewegen, bis er die Reflexe von beiden Linsenfl\u00e4chen sieht. Diese beiden Reflexe F\u00fcg. S3 b und c sind sehr viel lichtschw\u00e4cher als der Reflex der Hornhaut a. Der von der vorderen Linsenfl\u00e4che b bildet ein aufrechtstehendes Bildchen der Flamme, etwas gr\u00f6sser als das von der Hornhaut entworfene, aber meist so verwaschen, dass man die Gestalt der Flamme nicht genau erkennen kann. Sein scheinbarer Ort ist weit (8 bis 12 Mm.) hinter der Pupille. Es verschwindet daher auch schon bei leichten Bewegungen des beobachtenden Auges oder des Lichts hinter dem Irisrande. Wir wollen es das erste Linsenbild nennen, das von der hinteren Fl\u00e4che entworfene dagegen das zweite. Dieses letztere Fig. S3 c ist umgekehrt und viel kleiner als das Hornhautbild und das erste Linsenbild, erscheint daher als ein helles, ziemlich gut begrenztes P\u00fcnktchen. Sein scheinbarer Ort ist nahe hinter der Fl\u00e4che der Pupille, etwa 1 Mm. von ihr entfernt; es verschiebt sich daher verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig wenig gegen die Pupille und das Hornhautbild, wenn der Beobachter die Stellung seines Kopfes \u00e4ndert.\nWenn das beobachtete Auge sich f\u00fcr die N\u00e4he accommodirt, wird das erste Linsenbild betr\u00e4chtlich kleiner, und n\u00e4hert sich in der Regel auch der Mitte der Pupille. Die Verkleinerung des Bildes bemerkt man besten, wenn man statt einer Flamme einen Schirm mit zwei senkrecht \u00fcber einander stehenden Oeff-nungen angewendet hat, durch deren jede eine Flamme ihr Licht wirft, oder wenn man etwas unterhalb der einen Flamme einen horizontalen Spiegel anbringt, in dem sich die Flamme spiegelt. Das Spiegelbild der Flamme vertritt dann die zweite Flamme. Jedes der reflectirten Bilder besteht dann aus zwei lichten Stellen, und man sieht leicht und deutlich, wie die der vorderen Linsenfl\u00e4che angeh\u00f6rigen sich einander n\u00e4hern, wenn das Auge in die N\u00e4he, aus einander treten, wenn es in die Ferne sieht. In Fig. 36 stellt A die Reflexe beim Fernsehen, B beim Nahesehen dar; a ist der Reflex an der Hornhaut, b an der vorderen, c an der hinteren Linsenfl\u00e4che Als Lichtquelle sind zwei Flammen angenommen, welche durch rechtwinkelige Ausschnitte eines Schirms Licht senden.\nDa nun ein convexer Spiegel unter \u00fcbrigens gleichen Umst\u00e4nden desto kleinere Bilder entwirft, je kleiner sein Radius, so folgt aus dieser Beobachtung, dass die vordere Fl\u00e4che der Krystallinse bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he sich st\u00e4rker w\u00f6lbt. Allerdings w\u00fcrde eine sehr geringe Verkleinerung des Spiegelbildchens auch wegen der Brechung der Strahlen in der Hornhaut entstehen, wenn die vordere Fl\u00e4che der Krystallinse sich nur der Hornhaut n\u00e4herte, ohne ihre W\u00f6lbung zu ver\u00e4ndern. Doch ergiebt die Rechnung, dass die Verkleinerung des Bildchens aus dieser Ursache \u00e4usserst unbedeutend sein w\u00fcrde im Vergleich zu der wirklich beobachteten.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 12.\n4) Auch das Spiegelbildchen, welches die hintere Fl\u00e4che der Krystallinse entwirft, wird bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he etwas kleiner. Um dies zu constatiren, muss man genauere Beobachtungsmethoden anwenden, welche im Anh\u00e4nge dieses Paragraphen beschrieben werden sollen. Durch eben solche Methoden findet man, dass der scheinbare (durch Linse und Hornhaut gesehene) Ort der hinteren Linsenfl\u00e4che sich nicht merklich ver\u00e4ndert. Da der scheinbare Ort der hinteren Linsenfl\u00e4che sich nur sehr wenig von ihrem wirklichen Orte unterscheidet, und die Ver\u00e4nderungen der Cardinalpunkte des Auges bei Aceom-modations\u00e4nderungen, wie unten gezeigt werden wird, der Art sind, dass sie einen sich wenigstens theilweis gegenseitig aufhebenden Einfluss auf diesen scheinbaren Ort aus\u00fcben w\u00fcrden, k\u00f6nnen wir annehmen, dass der wahre Ort der hinteren Linsenfl\u00e4che bei der Accommodation sich nicht merklich \u00e4ndert. Auch auf die Gr\u00f6sse des Spiegelbildchens der hinteren Linsenfl\u00e4che \u00fcben die Ver\u00e4nderungen der Cardinalpunkte einen theilweis entgegengesetzten Erfolg aus. Doch l\u00e4sst sich zeigen, dass auch bei den g\u00fcnstigsten Annahmen, welche f\u00fcr die Ver\u00e4nderung der optischen Constanten m\u00f6glicher Weise gemacht werden k\u00f6nnen, um die Verkleinerung des Bildchens beim Nahesehen zu erkl\u00e4ren, die Verkleinerung nicht ganz so gross ausfallen k\u00f6nnte, als sie wirklich beobachtet wird. Daraus kann also geschlossen werden, dass jedenfalls auch die hintere Linsenfl\u00e4che beim Nahesehen sich st\u00e4rker w\u00f6lbt, aber nur in geringem Grade.\nDa somit den Beobachtungen nach die vordere Fl\u00e4che der Linse vorr\u00fcckt, die hintere ihren Ort nicht verl\u00e4sst. wird die Linse beim Nahesehen in der Mitte dicker. Da sie andererseits ihr Volumen nicht ver\u00e4ndern kann, m\u00fcssen wir daraus schliessen, dass sich die Durchmesser ihrer Aequatorialebene verk\u00fcrzen.\nIn dem Querschnitte des vorderen Theils des menschlichen Auges Taf. I. Fig. o habe ich Hornhaut und Linse nach den Maassen eines der von mir untersuchten lebenden Augen in f\u00fcnfmaliger Vergr\u00f6sserung eonstruirt, und zwar auf der mit F bezeichneten Seite in der Accommodation f\u00fcr die Ferne, auf der mit N be-zeichneten in der f\u00fcr die N\u00e4he. Die Ciliarforts\u00e4tze sind in dieser Figur so gezeichnet, als wenn man sie durch die zwischen sie eingeschobene Falte der Zonula hindurch s\u00e4he, so dass man den Verlauf der Zonula erkennt. Mit a a ist der vordere Rand ihrer Falten, mit b b der hintere bezeichnet.\nDurch die st\u00e4rkere W\u00f6lbung der Oberfl\u00e4chen der Linse wird ihre Brennweite verk\u00fcrzt, w\u00e4hrend ihre Hauptpunkte sich gleichzeitig nach vorn verschieben, theils weil die vordere Fl\u00e4che der Linse vorr\u00fcckt, theils weil die vordere Fl\u00e4che im Verh\u00e4ltniss zur hinteren sich st\u00e4rker w\u00f6lbt. Beide Umst\u00e4nde tragen dazu bei, die von der Hornhaut convergent auf die Linse fallenden Strahlen \u00e4usserer leuchtender Punkte eher zur Vereinigung zu bringen, als dies in dem fernsehenden Auge geschieht. Die Gr\u00f6sse der an der Linse beobachteten Ver\u00e4nderungen scheint auch auszureichen, um die Breite der Accommodation des lebenden Auges zu erkl\u00e4ren.\nAndere Ver\u00e4nderungen an den brechenden Theilen des Auges, welche auf die Accommodation bezogen werden k\u00f6nnten, sind bisher am Auge nicht nachgewiesen worden. Namentlich bleibt die Kr\u00fcmmung der Hornhaut durchaus unver\u00e4ndert, Dagegen w\u00e4re es m\u00f6glich, dass zur Unterst\u00fctzung der Accommodation","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 12.\nMECHANISMUS DER FORM\u00c4NDERUNG DER LINSE.\n107\nf\u00fcr die N\u00e4he eine Verl\u00e4ngerung des Augapfels durch gleichzeitige Spannung aller sechs Augenmuskeln entstehen k\u00f6nnte. Doch ist bisher eine solche weder nachgewiesen, noch scheint sie noting zu sein, so wie auch meine in \u00a7. 2 berichteten Versuche dagegen sprechen, wonach bei ver\u00e4ndertem Drucke im Auge die Kr\u00fcmmung der Hornhaut sich \u00e4ndert, da doch bei der Accommodation keine Ver\u00e4nderung dieser Kr\u00fcmmung zu beobachten ist. Ausserdem ist dagegen geltend zu machen, dass schon ein geringer dauernder Druck auf das Auge die Blutmenge in den Gef\u00e4ssen der Netzhaut verringert und die Netzhaut selbst unempfindlich gegen das Licht macht.\nUeber die Art und Weise, wie die Formver\u00e4nderung der Linse bewirkt wird, l\u00e4sst sich noch nicht mit Sicherheit aburtheilen. Aeltere Forscher, wie Th. Young, nahmen an, dass die Linse aus Muskelfasern zusammengesetzt sei, und nannten sie deshalb Musculus crystallinus. Allein wenn die Fasern der Linse auch m\u00f6glicher Weise mit Muskelfasern verglichen werden k\u00f6nnten, deren man gegenw\u00e4rtig \u00e4usserst verschiedenartige Formen kennt, so gehen doch keine Nerven zu ihr hin, deren Dasein in den durchsichtigen Gebilden, um die es sich hier handelt, kaum h\u00e4tte den Beobachtern entgehen k\u00f6nnen. Ausserdem sind bisher alle Versuche missgl\u00fcckt, an frischen thierischen Linsen durch intermittirende elektrische Str\u00f6me, welche alle bekannten muskul\u00f6sen Gebilde in Zusannnen-ziehung versetzen, Formver\u00e4nderungen hervorzubringen. Dergleichen Versuche sind unter Anderen von Cramer 1 angestellt worden an Augen von frisch ge-t\u00f6dteten Seehunden und V\u00f6geln, welche die Formver\u00e4nderung der Linse noch zeigten, so lange die Iris und der Ciliarapparat unverletzt waren, w\u00e4hrend die freigelegte Linse sich niemals ver\u00e4nderte. Ich selbst habe mit v. Wittich dergleichen Versuche an Linsen frisch get\u00f6dteter Kaninchen und Fr\u00f6sche vorgenommen mit demselben negativen Erfolge.\nDagegen hat Cramer 1 gefunden, dass Acconnnodationsver\u00e4nderungen an ausgeschnittenen Augen hervorgebracht werden k\u00f6nnen, wenn man durch den vorderen Theil des Auges intermittirende elektrische Str\u00f6me gehen l\u00e4sst. Die Versuche sind folgende : Auf den Objecttisch eines Mikroskops mit ebenem Beleuchtungsspiegel wurde ein passender h\u00f6lzerner Ring, und auf diesen, die Hornhaut nach unten, das Auge eines kurz zuvor durch Erh\u00e4ngung get\u00f6dteten, 5 Wochen alten Seehunds (Phoca littorea) gelegt. Der Augapfel war von Muskeln, Fett und anderen umgebenden Theilen frei gemacht, und an seiner hinteren Seite ein Theil der Sclerotica, Chorioidea und Netzhaut sorgf\u00e4ltig, ohne Verletzung des Glask\u00f6rpers, abpr\u00e4parirt. Bei richtiger Stellung des Mikroskops und seines Spiegels konnte Cramer nun das Bild einer etwa 35 Centimeter entfernten Kerzenflamme sehr deutlich auf der Hinterfl\u00e4che des Glask\u00f6rpers abgebildet wahrnehmen mit 80maliger Vergr\u00f6sserung. Sobald der Strom eines magnetelektrischen Rotationsapparates an zwei Seiten der Hornhaut eingeleitet wurde, wurde das Bild undeutlicher und breiter.\nAlsdann stiess Cramer eine Staarnadel an dem Rande der Hornhaut ein, f\u00fchrte ihre Spitze durch die Pupille hinter die Iris, und durchschnitt beim Zur\u00fcck-\n1 Het Accommodatievermogen. p. 08 u. 86.","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 12.\nziehen die Iris, so dass diese eine radiale Spalte bekam, die von ihrem Ans\u00e4tze bis zur Pupille ging. Danach brachte der elektrische Strom keine Ver\u00e4nderung des Bildchens mehr hervor.\nAn Augen von Hunden und Kaninchen gelangen diese Versuche nicht, weil unmittelbar nach dem Tode die Pupille sich betr\u00e4chtlich verengerte, und st\u00e4rkere elektrische Str\u00f6me die Linse (wahrscheinlich durch Elektrolyse) undurchsichtig machten.\nAn Augen von Tauben fand er, dass bei Einwirkung elektrischer Str\u00f6me sich das Bild der vorderen Linsenfl\u00e4che ver\u00e4nderte, nicht aber das Hornhautbildchen. Die Ver\u00e4nderung des ersteren konnte an solchen ausgeschnittenen Augen noch besser beobachtet werden, nachdem die Hornhaut weggenommen war. Die st\u00e4rkere Kr\u00fcmmung der Linse dauerte, so lange die Str\u00f6me des In-ductionsapparates einwirkten, und verschwand nachher wieder. Sie trat nicht mehr ein, sobald die Iris fortgenommen wurde.\nCramer schliesst hieraus, zun\u00e4chst dass die Form der Linse durch contractile Tlieilc, welche im Auge selbst liegen, ver\u00e4ndert werde, und ferner betrachtet er die Iris speciell als dasjenige Organ, welches diese Ver\u00e4nderung haupts\u00e4chlich hervorbringe. Er schreibt der Iris eine betr\u00e4chtliche W\u00f6lbung zu, indem er ihren Ursprung auf die innere Fl\u00e4che des Musculus ciliaris, weiter zur\u00fcckverlegt, als es bisher die Anatomen gethan hatten. Bei der Accommodation des Auges f\u00fcr die N\u00e4he sollen sich nach seiner Annahme gleichzeitig die Kreis- und Radialfasern der Iris verk\u00fcrzen. Erstere g\u00e4ben dadurch den letzteren auch an ihrem centralen Ende einen festen Anheftungspunkt, und die gespannten radialen Fasern \u00fcbten nun auf die hinter ihnen liegenden Theile (Rand der Linse und Glask\u00f6rper) einen Druck aus, welcher bewirkte, dass der mittlere Theil der sehr nachgiebigen elastischen Linse durch die Pupille, wo allein kein Druck auf die Linse stattf\u00e4nde, herauszuquellen strebte, und so die st\u00e4rkere W\u00f6lbung bek\u00e4me. Durch die Zusammenziehung des Ringmuskels der Pupille, welche noth-wendig ist, um den radialen Fasern der Iris am inneren Ende einen Widerhalt zu geben, w\u00fcrde sich dann auch die beim Nahesehen eintretende Verengerung der Pupille erkl\u00e4ren.\nDonders machte darauf aufmerksam, dass das an der inneren Wand des Canalis Schj.emmii gelegene elastische Gewebe, an welches sich die Peripherie der Iris zun\u00e4chst anheftet, von Bedeutung f\u00fcr den Accommodationsvorgang sein k\u00f6nnte. Da die Iris und der Ciliarmuskel zusammen von dieser Wand des Kanals entspringen, und die Fasern des Muskels nach r\u00fcckw\u00e4rts verlaufen, um sich an der Aderhaut festzusetzen, so wird durch eine Zusammenziehung des Muskels, wenn man die Aderhaut als seinen festen Ansatzpunkt betrachtet, das elastische Gewebe in der Wand des SciiLEMM\u2019schen Kanals gedehnt, und der Ansatz der Iris nach hinten gezogen werden k\u00f6nnen, wodurch sie in eine g\u00fcnstigere Lage kommt, um auf die hinter ihr liegenden Theile einen Druck aus\u00fcben zu k\u00f6nnen.\nIn der That ist leicht einzusehen, dass die peripherischen Theile der Iris zur\u00fcckweichen m\u00fcssen, wenn die Mitte der Linse und der Pupillarrand der Iris sich nach vorn bewegen. Denn das Volumen der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit, welche in der vorderen Augenkammer eingeschlossen ist, ist unver\u00e4nderlich; wenn ihr","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 12.\nMECHANISMUS DER FORM\u00c4NDERUNG DER LINSE.\n109\ndurch das Vordringen der Linse in der Mitte Raum genommen wird, muss dieser an den Seiten wieder gewonnen werden, dadurch dass die peripherischen Theile der Iris zur\u00fcckweichen.\nCramer hat bemerkt, dass man bei Kindern mit blossem Auge beobachten k\u00f6nne, wie sich die vordere Kammer beim Nahesehen erweitert. Ich selbst habe gefunden, dass man dies auch bei Erwachsenen mittels einer besonderen Art der Beleuchtung des Auges erkennen k\u00f6nne. Wenn man n\u00e4mlich Licht ganz von der Seite her auf das Auge fallen l\u00e4sst, so dass die Iris gr\u00f6sstentheils beschattet ist, so bildet sich bei einer richtigen Stellung des Auges auf der dem Lichte gegen\u00fcberliegenden Seite der Iris ein gekr\u00fcmmter heller Streifen, eine kaustische Linie. In Fig. 37 ist\nin der unteren H\u00e4lfte c----------------------\nder Gang der gebrochenen Strahlen f\u00fcr eine Kugel von dem Brechungsverm\u00f6gen der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit dargestellt, auf welche parallele\nStrahlen fallen. F sei c-------------------- \u2014\n\u00f6\nder Brennpunkt der\t,,,\nCentralstrahlen. Die\nRandstrahlen weichen erheblich von dem Brennpunkte der Centralstrahlen ab, und schneiden sich mit den n\u00e4chst benachbarten Strahlen in einer kaustischen Fl\u00e4che, deren Durchschnitt durch die Curven G F angegeben ist. Der \u00e4usserste Strahl ist CB, er wird gebrochen nach BII; in dem Halbirungspunkte der Sehne des Kreises, welche der gebrochene Strahl bildet, in G, ist das Ende der kaustischen Linie G F. Nun denke man sich im Inneren der brechenden Kugel Ebenen gelegt, die \u00e4hnlich der Iris in der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit liegen. Legen wir eine solche Ebene senkrecht zur Ebene der Zeichnung durch q0 P0, so wird ihre ganze Vorderll\u00e4che vom Lichte getroffen und beleuchtet werden. Legen wir die Ebene durch q, I\\ , so liegt ein Theil derselben vor dem \u00e4ussersten gebrochenen Strahle B G, dieser wird beleuchtet werden; ein anderer liegt dahinter und bleibt dunkel. Legen wir die Ebene durch q2 P2, so schneidet sie die kaustische Fl\u00e4che. Es bleibt wieder ein Theil hell, einer dunkel, aber die Grenze zwischen dem beleuchteten und nicht beleuchteten Theile wird jetzt durch eine helle Linie bezeichnet, welche der Linie entspricht, in welcher die Ebene \u00e72 P2 die kaustische Fl\u00e4che schneidet. Aus der Figur ist leicht ersichtlich, dass, wenn der Theil der Fl\u00e4che </2P2, welcher die kaustische Fl\u00e4che schneidet, sich r\u00fcckw\u00e4rts bewegt, also von der brechenden Fl\u00e4che entfernt, die helle Linie dem Rande n\u00e4her r\u00fccken muss.\nDies kann man nun an der Iris beobachten, wenn sich das Auge f\u00fcr die N\u00e4he accommodirt. Beleuchtet man das Auge eines Anderen, welcher abwechselnd einen n\u00e4heren und ferneren Fixationspunkt betrachtet, die sich genau decken, so von der Seite, dass die kaustische Linie nahe am Ciliarrande der Iris er-","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 12.\nscheint, so sieht man sie bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he sich dem Rande n\u00e4hern, bei der f\u00fcr die Ferne sich davon entfernen. In Fig. 68 ist diese Beleuchtung- der Iris dargestellt; das Licht f\u00e4llt von der Seite in der Richtung des Pfeils auf das Auge : auf der Iris sieht man an der dem Lichte zugekehrten Seite b den Hornhautreflex des Lichts, auf der anderen nach a hin die kaustische Linie, deren Licht zum Theil noch durch den vorspringenden Rand der Sclerotica hind ur ch s ch eint.\nNach Cramer\u2019s und Donders' Annahme w\u00fcrden die Iris und der Ciliarmuskel dadurch die Gestalt\u00e4nderung der Linse bewirken, dass sie den Druck im Glask\u00f6rper und auf die Randtheile der Linse erh\u00f6hen, wobei nur die Mitte ihrer vorderen Fl\u00e4che hinter der Pupille von dem erh\u00f6hten Drucke befreit bleibt. Auch kann dadurch in der That die vermehrte W\u00f6lbung der vorderen Linsenfl\u00e4che, welche Cramer zun\u00e4chst beobachtet hatte, erkl\u00e4rt werden.\nDie Gestaltver\u00e4nderung der Linse dagegen, welche aus meinen Messungen sich ergiebt, m\u00f6chte sich, ohne eine andere Kraft noch zu H\u00fclfe zu nehmen, nicht erkl\u00e4ren lassen. Durch den hydrostatischen Druck, der auf die hintere Seite und die R\u00e4nder der Linse einwirkt, kann diese nicht wohl in der Mitte dicker werden. Ein solcher Druck w\u00fcrde streben, die Aequatorialebene der Linse nach vorn zu w\u00f6lben, und dabei ihre hintere Seite flacher zu machen.\nEine Annahme, welche diese Schwierigkeit zu beseitigen geeignet erscheint, ist die, dass die Linse im ruhenden, fernsehenden Zustande des Auges durch die an ihren Rand befestigte Zonula gedehnt wird. Die Falten der Zonula laufen von ihrem Ansatz an der Linsenkapsel nach aussen und hinten, wobei sie Scheiden f\u00fcr die Ciliarforts\u00e4tze bilden, und verschmelzen endlich am hinteren Ende dieser Forts\u00e4tze und des Ciliarmuskels mit der Glashaut, Netzhaut und Aderhaut. Wenn der Ciliarmuskel sich zusammenzieht, kann er das hintere Ende der Zonula nach vorn der Linse n\u00e4hern und die Spannung der Zonula vermindern. Durch die gespannte Zonula muss aber die Linse nach ihren Aequatorialdurchmessern gedehnt, in der Axe verk\u00fcrzt, ihre Fl\u00e4chen m\u00fcssen flacher gemacht werden. Wenn der Zug der Zonula bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he nachl\u00e4sst, wird die Aequatorialfl\u00e4che der Linse kleiner, ihre Mitte dicker werden, beide Fl\u00e4chen werden sich st\u00e4rker w\u00f6lben. Kommt dazu nun noch der Druck der Iris, so wird diese die Aequatorialebene der Linse nach vorn w\u00f6lben, und dadurch wird die W\u00f6lbung der vorderen Fl\u00e4che verst\u00e4rkt, die der hinteren vermindert werden, so dass sie der urspr\u00fcnglichen W\u00f6lbung der fernsehenden Linse wieder nahehin gleich werden kann.\nAuf diese Weise scheint sich die Gestalt\u00e4nderung der Linse erkl\u00e4ren zu lassen. Uebrigens ist es an todten Augen leicht, durch Zerren an der Zonula Gestaltver\u00e4nderungen der Linse hervorzubringen. Hiermit w\u00fcrde auch der Umstand in Verbindung stehen, dass ich an lebenden fernsehenden Augen die Linsendicke geringer gefunden habe, als sie an todten Linsen je gefunden wird. Von einer Aufquellung der todten Linsen durch Wasser kann dieser Unterschied wohl\n--------\u00abSSf-\nFig. 38.","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 12.\nSCHEMATISCHES ACCOMMODIRTES AUGE.\n111\nkaum hergeleitet werden, da nach den Beobachtungen von W. Krause die Brechungsverh\u00e4ltnisse der \u00e4usseren, mittleren und innersten Schichten von Kalbslinsen 24 Stunden nach dem Tode genau dieselben sind, wie unmittelbar nach dem Tode, w\u00e4hrend man bei einer 'Wasseraufnahme eine Verminderung des Brechungsverm\u00f6gens erwarten m\u00fcsste.\nUm eine Uebersiclit \u00fcber die wahrscheinliche Ver\u00e4nderung der optischen Constantes! und Cardinalpunkte des Auges zu geben, welche bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he eintritt, und zugleich nachzuweisen, dass die beobachtete Aenderung der Form der Linse gen\u00fcgend ist, die Accommodation zu erkl\u00e4ren, habe ich f\u00fcr zwei Acconnnodationen eines schematischen Auges, welches den von snir untersuchten nahehin entspricht, die optischen Constanten berechnet. Das fernsehende Auge unterscheidet sich von Listing\u2019s schematischem Auge nur dadurch, dass die Linsenfl\u00e4chen etwas nach vorn ger\u00fcckt und die Linse d\u00fcnner angenommen ist. Das Brechungsverm\u00f6gen der w\u00e4ssrigen und gl\u00e4sernen Feuchtig-\nkeit habe ich, wie Listing, gleich -y-, dass der Krystallinse gleich \u2014 genommen. Die L\u00e4ngen sind in Millimetern gemessen. Als Ort eines Punktes ist seine Entfernung von der vorderen Hornhautfl\u00e4che angegeben.\n\tAccomn f Ferne.\tiodation ir N\u00e4he.\nAngenommen :\t\t\nKr\u00fcmmungsradius der Hornhaut\t\t8,0\t8,0\nDesgl. der vorderen Linsenfl\u00e4che\t\t1 0,0\t6,0\nDesgl. der hinteren Linsenfl\u00e4che \t\t6,0\t5,5\nOrt der vorderen Linsenfl\u00e4che\t\t3,6\t3,2\nOrt der hinteren Linsenfl\u00e4che\t\t7,2\t7,2\nBerechnet :\t\t\nVordere Brennweite der Hornhaut\t\t23,692\t23,692\nHintere desgl. . . \u2022\t\t31,692\t31,692\nBrennweite der Linse\t\t43,707\t33,785\nAbstand des vorderen Hauptpunktes der Linse von der\t\t\nvorderen Fl\u00e4che\t\t2,1073\t1,9745\nAbstand des hinteren von der hinteren\t\t1,2644\t1,8100\nAbstand der beiden Hauptpunkte der Linse von einander\t0,2283\t0,2155\nHintere Brennweite des Auges \t\t19,875\t17,756\nVordere desgl\t\t14,858\t13,274\nOrt des vorderen Brennpunktes\t\t\u2014 12,918\t\u2014 11,241\nOrt des ersten Hauptpunktes \t\t1,9403\t2,0330\nOrt des zweiten Hauptpunktes\t\t2,3563\t2,4919\nOrt des ersten Knotenpunktes\t\t6,957\t6,515\nOrt des zweiten Knotenpunktes\t\t7,373\t6,974\nOrt des hinteren Brennpunktes\t\t22,231\t20,248","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 12.\nNimmt man an, dass bei der Accommodation f\u00fcr die Ferne dieses schema- |l tische Auge in unendliche Ferne blicken k\u00f6nne, so w\u00fcrde die Netzhaut in der Axe des Auges 22,231 Mm. von der vorderen Hornhautfl\u00e4che entfernt sein, und bei dem anderen berechneten Accommodationszustande ein Gegenstand deutlich gesehen werden, welcher 118,85 Mm. vor dem vorderen Brennpunkte, oder 130,09 Mm. vor der Hornhaut liegt. Es w\u00fcrde dies der Acconnnodationsbreite eines normalen Auges gut entsprechen.\nVer\u00e4nderungen der Hornhautkr\u00fcmmung wollten einige \u00e4ltere Beobachter 1 bei ungenaueren Untersuchungsmethoden gefunden haben. Neuere genauere Messungen dieser Kr\u00fcmmung mit H\u00fclfe der reflectirten Bilder haben ergehen, dass sie ganz unver\u00e4ndert bleibt. Solche sind von Senff 2 3, Gramer 3 und mir selbst angestellt worden. Das Ophthalmometer l\u00e4sst eine sehr genaue Ausf\u00fchrung dieser Versuche zu, wobei Aenderungen des Radius um y200 seiner Gr\u00f6sse wahrzunehmen sein w\u00fcrden, w\u00e4hrend ein Wechsel der Sehweite zwischen 5 Zoll und unendlicher Entfernung einen Wechsel des Kr\u00fcmmungshalbmessers von 6,8 bis 8 Mm. erfordern w\u00fcrde, wenn eine solche Ver\u00e4nderung die Accommodation bewirken sollte. Ich habe aber durchaus negative Resultate erhalten. Zu erw\u00e4hnen ist hier noch ein sehr sinnreicher Versuch von Th. Young, welcher dasselbe beweist. Er beschreibt ihn folgendermassen : \u201eIch nehme aus einem kleinen botanischen Mikroskope eine biconvexe Linse von 8/10 (Zoll) Radius und Brennweite, befestigt in einer beckenf\u00f6rmigen Fassung von 1/6 Zoll Tiefe, und mache ihre Kante mit Wachs wasserdicht.\nIch tr\u00f6pfle ein wenig m\u00e4ssig kaltes Wasser hinein, bis es zu drei Vierteln damit angef\u00fcllt ist, und bringe es dann an das Auge, so dass die Hornhaut in das Becken hineinragt und \u00fcberall mit dem Wasser in Ber\u00fchrung ist. Mein Auge wird dadurch sogleich weitsichtig, und das Brechungsverm\u00f6gen der Glaslinse, welches durch das Wasser auf etwa 1,6 (Zoll) Brennweite zur\u00fcckgef\u00fchrt ist, ist nicht hinreichend, die Stelle der Hornhaut zu vertreten, welche durch das Wasser unwirksam geworden ist; aber die Hinzuf\u00fcgung einer anderen Linse von 5y2 Zoll Brennweite bringt mein Auge zu seinem nat\u00fcrlichen Zustande zur\u00fcck, und noch etwas dar\u00fcber hinaus.\nIch wende dann das Optometer an, und finde dieselbe Ungleichheit in der horizontalen und verticalen Brechung wie ohne Wasser, und ich habe in beiden Richtungen eine Accommodationsf\u00e4higkeit bis zu einer Sehweite von 4 Zollen wie vorher. Im ersten Augenblicke erschien mir die Accommodation allerdings etwas geringer und nur im Stande, das Auge von dem f\u00fcr parallele Strahlen geeigneten Zustande zu einer Sehweite von 5 Zoll zu bringen, und dies Hess mich glauben, dass die Hornhaut eine kleine Wirkung im nat\u00fcrlichen Zustande haben k\u00f6nnte ; indem ich aber \u00fcberlegte, dass die k\u00fcnstliche Hornhaut ungef\u00e4hr yi0 Zoll vor der Stelle der nat\u00fcrlichen Hornhaut sich befand, berechnete ich die Folgen dieses Unterschiedes und fand ihn genau ausreichend, um die Verringerung des Spielraums der Sehweite zu erkl\u00e4ren.\u201c\nUm wie viel sich beim Nahesehen der Pupillarrand der Iris nach vorn verschiebt, l\u00e4sst sich wenigstens ann\u00e4hernd bestimmen, nachdem man die Dimensionen und Kr\u00fcmmung der Hornhaut und die Entfernung der Pupillenfl\u00e4che von der Hornhaut bestimmt hat. Es sei C Fig. S9 die Hornhaut, c und d ihr \u00e4usserer Rand, ab die Pupille beim Fernsehen. Hat sich nun der Beobachter gegen dieses Auge\n,ugd. Batav. 1742. p. 119. \u2014 Home Philos. Transact. 1796. p. 1.\n* Wagner Handw\u00f6rterbuch der Physiologie. Art. Sehen.\n3 Het Accommodatievermogen der Oogen. Harlem 1853. p. 45.\nFig. 59.\n1 J. P. Lob\u00e9 \u00fciss. de oculo humano. I","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 12.\nVERSCHIEBUNG DES PUPILLARMNDES.\n113\nso gestellt, dass ihm die ganze Pupille gerade verdeckt wird, so muss c'b die Gesichtslinie des Beobachters in der w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit sein. Wird nun beim Nahesehen die ganze Pupille vor dem Rande der Sclerotica eben sichtbar, und kennt man ihre Breite a\u00df, so muss sie ganz vor der Linie cb liegen, und doch an diese anstossen, so wie in Fig. Si angegeben ist, und dadurch findet man wenigstens angen\u00e4hert die Gr\u00f6sse ihrer Verschiebung. Diese betrug unter den von mir untersuchten Augen bei dem Auge 0. II. 0,36 Mm., bei dem Auge B. P. 0,44 Mm. Tritt die Pupille beim Nahesehen nicht ganz vor, sondern nur die H\u00e4lfte, zwei Drittel u. s. w. derselben, so muss man die Gr\u00f6sse des hervortretenden Theils sch\u00e4tzen und danach die Berechnung anstellen.\nDer Kr\u00fcmmungsradius der vorderen Fl\u00e4che der Linse kann mit H\u00fclfe der von ihr entworfenen Spiegelbilder gemessen werden. Doch sind diese Bilder zu lichtschwach und verwaschen, als dass man eine genaue Messung ihres Abstands mit dem Ophthalmometer ausf\u00fchren k\u00f6nnte. Wenn man dagegen neben dem Linsenspiegelbild ein Hornhautspiegelbild von ver\u00e4nderlicher Gr\u00f6sse erzeugt, so kann man die Gr\u00f6sse beider Bilder leicht mit blossem Auge vergleichen und sie gleich gross machen. Die Gr\u00f6sse des Hornhautbildes findet man dann leicht durch Messung oder Rechnung. So liess ich z. B. zwei vertical \u00fcber einander stehende helle Flammen von der Linse spiegeln, zwei kleinere schw\u00e4chere Flammen von der Hornhaut, stellte die letzteren so, dass ihre Spiegelbilder dicht neben den Linsenspiegelbildern der grossen Flammen erschienen, und deren gegenseitiger Abstand dem der letzteren gleich wurde. Statt eines jeden Paars von Flammen kann man auch bequemer eine Flamme und ihr von einem horizontalen Spiegel entworfenes Spiegelbild gebrauchen L\nSo mass ich also die Gr\u00f6sse der von der vorderen Linsenfl\u00e4che beim Nahesehen und beim Fernsehen entworfenen Bilder. Es fand sich, dass in gut acconnnodirenden Augen das von der vorderen Linsenfl\u00e4che entworfene Bild beim Nahesehen etwa nur % der Gr\u00f6sse hat, welche ihm beim Fernsehen zukommt. Dies Bild wird von einem aus einer brechenden und einer spiegelnden Fl\u00e4che zusammengesetzten optischen Systeme entworfen. Die Brennweite dieses Systems kann man zun\u00e4chst aus der Gr\u00f6sse des Bildes, Gr\u00f6sse und Entfernung des Objects nach \u00a7. 9 Gleichung 8b) berechnen, welche auch fiir spiegelnde Systeme gilt, aus der Brennweite dann den Radius der spiegelnden Fl\u00e4che. Es sei jj die erste, f2 die zweite Brennweite des brechenden Systems, welches vor der spiegelnden Fl\u00e4che liegt, r der Kr\u00fcmmungsradius dieser Fl\u00e4che, positiv gerechnet, wenn sie concav, negativ, wenn sie convex ist, d der Abstand des Scheitels der spiegelnden Fl\u00e4che vom zweiten Hauptpunkte des brechenden Systems, so ist die Brennweite des zusammengesetzten spiegelnden Systems :\n*\t2 (A \u2014 d) (ft \u2014 d-t-r) 5.........................\nNach dieser Formel wird q kleiner, wenn d kleiner wird, d. h. wenn die vordere Linsenfl\u00e4che der Hornhaut n\u00e4her r\u00fcckt. Wenn q kleiner wird, wird auch das Spiegelbild entfernter Gegenst\u00e4nde in demselben Verh\u00e4ltnisse kleiner. Da jedoch die Ver\u00e4nderung von d etwa nur 0,4 Mm. betr\u00e4gt, und f2\u2014 d etwa 28 Mm., f2 \u2022\u2014d-Fr etwa 38 Mm., so ist die Ver\u00e4nderung von q h\u00f6chst gering und betr\u00e4gt etwa nur y,0 seiner Gr\u00f6sse, w\u00e4hrend die directe Beobachtung der Bilder etwa % giebt. Die Verkleinerung der Bilder kann also nicht durch das Verschieben der vorderen Linsenfl\u00e4che, sondern in der That nur. durch vermehrte Kr\u00fcmmung dieser Fl\u00e4che erkl\u00e4rt werden.\nDurch die Beobachtung an lebenden Augen ergab sich in dieser Weise\nAuge.\tKr\u00fcmmungshalbmesser der vorderen Linsenfl\u00e4che fernsehend. | nahsehend.\t\tVerschiebung der Pupille bei Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he.\n0. H.\t41,9\t8,6\t0,36\nB. P.\t8,8\t5,9\t0,44\nJ. H.\t10,4\t\t\n\n1 Graefe\u2019s Archiv f. Ophth. Bt\u00ee. I. Abth. 2. S. 45. Encyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 12.\nUm die Kr\u00fcmmungsradien der vorderen Linsenfl\u00e4che nach der obigen Gleichung berechnen zu k\u00f6nnen, muss man den Kr\u00fcmmungsradius der Hornhaut und die Entfernung der vorderen Linsenfl\u00e4che (Pupille) von der Hornhaut kennen. Beide Gr\u00f6ssen waren an den angef\u00fchrten Augen schon vorher gemessen.\nDas Spiegelbild, welches die hintere Linsenfl\u00e4che von fernen Gegenst\u00e4nden entwirft, ver\u00e4ndert seine Gr\u00f6sse ebenfalls bei ge\u00e4nderter Accommodation des Auges, aber in sehr unbedeutendem Grade. Ich beobachtete diese Ver\u00e4nderung durch das Ophthalmometer, indem ich zwei Flammen senkrecht \u00fcber einander seitlich vom Auge hinter den Oeffnungen eines Schirms aufstellte und deren von der hinteren Linsenfl\u00e4che gespiegelte Bilder beobachtete. Ich stellte die Doppelbilder der beiden Lichter, so wie Ficj. 60 zeigt, neben einander. Hier sind \u00ab0 und \u00bb, die Doppelbilder des unteren, ft0 und bt die\nZ.~\nFig. 60.\ndes oberen Lichts. Die einander gen\u00e4herten Bilder \u00ab, und ft0 deckten sich nicht, sondern standen dicht neben einander, so dass ich sie gesondert erkennen konnte. Bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he verschob sich b\u201e etwas in der Richtung nach und \u00bb, in der Richtung nach ft, hin. Ich sch\u00e4tzte die Breite der Verschiebung etwa gleich der H\u00e4lfte der Breite eines jeden lichten Flecks, und da die Entfernung der Mittelpunkte der Oeffnungen, durch welche das Licht fiel, gleich sechsmal der Breite der Oeffnungen war, so war die Verkleinerung des Bildes etwa 1/12 seiner Gr\u00f6sse.\nEndlich suchte ich noch zu ermitteln, ob die hintere Linsenfl\u00e4che sich bei der Adaptation f\u00fcr die N\u00e4he in der Richtung von hinten nach vorn versch\u00f6be. Ich verfuhr dabei in derselben Weise, wie ich die scheinbare Entfernung der hinteren Linsenfl\u00e4che von der Hornhaut bestimmt hatte. Bei derselben Anordnung des Apparates untersuchte ich, ob der Lichtreflex der hinteren Linsenfl\u00e4che bei ver\u00e4nderter Adaptation und unver\u00e4nderter Richtung der Augenaxe seinen Platz \u00e4nderte, wobei abwechselnd das Fernrohr rechts und das Licht links, dann wieder das Fernrohr links und das Licht rechts stand. Indessen habe ich keine Ortsver\u00e4nderung dieses Bildchens bemerken k\u00f6nnen. Die scheinbare Entfernung der hinteren Linsenfl\u00e4che von der Hornhaut wird also bei den Adaptations\u00e4nderungen nicht merklich ver\u00e4ndert.\nWas d\u00fcrfen wir nun aus diesen Ver\u00e4nderungen des Spiegelbildchens und des scheinbaren Ortes der hinteren Linsenfl\u00e4che auf die wirklichen Ver\u00e4nderungen derselben f\u00fcr Schl\u00fcsse ziehen? Der scheinbare Ort dieser Fl\u00e4che wird durch die Brechung in der Linse \u00fcberhaupt sehr wenig ge\u00e4ndert, da sie dem hinteren Knotenpunkte der Linse ziemlich nahe liegt, und wir k\u00f6nnen daraus schliessen, dass auch die Unterschiede ihrer Verschiebung durch die Brechung bei verschiedenen Accommodationszust\u00e4nden des Auges jedenfalls so klein sein werden, dass wir sie vernachl\u00e4ssigen k\u00f6nnen. So wird z. B. in den beiden schematischen Augen, deren optische Constanten wir in diesem Paragraphen als Beispiel berechnet haben, in dem fernsehenden Auge die hintere Linsenfl\u00e4che scheinbar um 0,191 Mm., in dem nahesehenden um 0,113 Mm. nach vorn verschoben, w\u00fcrde also, w\u00e4hrend sie in Wirklichkeit an ihrer Stelle bleibt, sobald das Auge sich f\u00fcr die N\u00e4he accommodirt, scheinbar um 0,088 Mm. nach hinten r\u00fccken. Dies ist aber zu wenig, um wahrgenommen zu werden. Uebrigens kann diese Rechnung eben nur dazu dienen, zu zeigen, dass die Verschiebungen und ihre Unterschiede \u00fcberhaupt klein sind, keineswegs um den Sinn dieses Unterschiedes in der wirklichen Krystallinse zu zeigen, weil hierbei wesentlich die Entfernung der Hauptpunkte der Linse von einander in Betracht kommt, welche in der Krystallinse jedenfalls geringer ist als in den schematischen homogenen Linsen.\nWir k\u00f6nnen also nur sagen, dass der wahre Ort der hinteren Linsenfl\u00e4che bei den Ac-commodations\u00e4nderungen nicht merklich ge\u00e4ndert werde.\nUm zu ermitteln, wie das von der hinteren Linsenfl\u00e4che entworfene Spiegelbild sich bei Aenderungen der Augenmedien ver\u00e4ndere, denken wir uns die spiegelnde Fl\u00e4che durch eine unendlich d\u00fcnne Schicht Glask\u00f6rper von der letzten brechenden Fl\u00e4che des Auges getrennt. Dann k\u00f6nnen wir f\u00fcr die Cardinalpunkte des brechenden Systems die Cardinalpunkte des Auges nehmen. Es sei n das Brechungsverh\u00e4ltniss des Glask\u00f6rpers; ferner nennen wir p die Entfernung des hinteren Brennpunktes des Auges von der hinteren Linsenfl\u00e4che nach hinten gerechnet, \u00a3 die des zweiten Knotenpunktes des Auges von derselben Fl\u00e4che nach vorn ge-","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 12.\nVER\u00c4NDERUNG DER HINTEREN LINSENFL\u00c4CHE.\n115\nrechnet. In der Gleichung 1 ), welche die Brennweite eines zusammengesetzten brechenden und spiegelnden Systems giebt, haben wir zu setzen\nf = P + \u20ac ft \u2014 n (p + s) ft \u2014 d = p.\nDann wird der Werth der Brennweite des brechenden und spiegelnden Systems :\nnr (p -+- s) 2 i\n7\t2 \u2022 \u201e il-i ri |..................................8>'\nBei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he wird e jedenfalls gr\u00f6sser, weil bei der Gestaltver\u00e4nderung der Linse die Knotenpunkte des Auges vorr\u00fccken m\u00fcssen; dadurch w\u00fcrde auch, wenn sieh r und p gar nicht ver\u00e4nderten, der Werth von q und die Gr\u00f6sse des Spiegelbildes zunehmen m\u00fcssen. Dagegen wird p bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he kleiner, und dadurch kann der Werth von q auch kleiner werden, unter den Verh\u00e4ltnissen dieser Gr\u00f6ssen im Auge. Differentiirt man q nach p, so erh\u00e4lt man\nri q ri p\nn r\nin\np-\nIpr \u2014 (2 p -+- r) e].\np'1 (P -f- r)2\nVon den Factoren dieses Ausdrucks kann nur der letzte, in der eckigen Klammer eingeschlossene negativ werden, wird es aber wohl im normalen Auge nicht, da e gegen p und r sehr\nklein ist. Es wird also positiv sein. d. h. q wird mit p zugleich gr\u00f6sser und kleiner\nwerden. Es w\u00fcrde also hei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he, wobei p kleiner wird, wenn wir vorl\u00e4ufig von der Ver\u00e4nderung von e absehen und r constant setzen, auch q und das Spiegelbild der hinteren Linsenfl\u00e4che kleiner werden k\u00f6nnen, und man k\u00f6nnte vermuthen, die beobachtete Verkleinerung dieses Bildes sei dadurch hervorgebracht. Die Rechnung nach der Gleichung 2) indessen ergiebt das Gegentheil. Nehmen wir aus Listing\u2019s schematischem Auge die Werthe p = 14,6i-7, c = 0,3601, r\u2014 6, so w\u00fcrde p auf 10,597 verkleinert werden m\u00fcssen, um q um '/,2 seines Werthes zu verringern. Der hintere Brennpunkt des Auges m\u00fcsste also i Mm. vor die Netzhaut r\u00fccken, was jedenfalls schon die m\u00f6gliche Ver\u00e4nderung der Lage dieses Punktes \u00fcberschreitet. Aber da ein Theil der hierdurch bewirkten Verkleinerung des Bildes durch das Vorr\u00fccken der Knotenpunkte, die Vergr\u00f6sserung von s, wieder aufgehoben werden w\u00fcrde, wie vorher auseinandergesetzt ist, so k\u00f6nnen wir nicht zweifeln, dass die, Verkleinerung des Bildchens auf der hinteren Linsenfl\u00e4che ohne eine, wenn auch geringe Vermehrung der Kr\u00fcmmung dieser Fl\u00e4che nicht die beobachtete Gr\u00f6sse haben k\u00f6nne.\nBerechnet man die Brennweiten q f\u00fcr die beiden schematischen Augen dieses Paragraphen, so findet man f\u00fcr das fernsehende 5,6051, f\u00fcr das nahesehende 5,3562, welche Gr\u00f6ssen nur um y21 ihres Werthes unterschieden sind, w\u00e4hrend die dazu geh\u00f6rigen Kr\u00fcmmungsradien (6 und 5,5 Mm.) um yi2 difleriren. Hier verdeckt also die Aenderung der brechenden Mittel die des Kr\u00fcmmungsradius zum Theil, und l\u00e4sst sie kleiner erscheinen, als sie wirklich ist. Wir schliessen daraus, dass die hintere Fl\u00e4che der Linse bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he sieh st\u00e4rker w\u00f6lbt.\nF\u00fcr den Mechanismus der Accommodation ist es wichtig, den Ursprung der Iris genau zu kennen. Ich habe den Canalis Schlemmh mit Umgebung, wie er sich auf feinen Querschnitten der Augenh\u00e4ute darstellt, in Taf. I. Fig. 2 abgebildet. A ist der Querschnitt des Kanals, der wohl auch im lebenden fernsehenden Auge eine l\u00e4ngliche Spalte bildet, C die Cornea, S die Sclerotica, D die Bindehaut, h die Aderhaut, E ein Ciliarfortsatz, J die Iris. Die innere Wand des Kanals ist aus verschiedenen Geweben zusammengesetzt. Der hinterste Theil dieser Wand bei a besteht ganz deutlich aus demselben Gewebe eng durchflochtener Sehnenfasern wie die Sclerotica, von der er ausgeht. Der vordere Theil besteht dagegen aus einem anderen Gewebe, welches undurchsichtiger ist als das Sehnengewebe, aus st\u00e4rker sich abzeichnenden, gegen Essigs\u00e4ure und Kali sehr resistenten Fasern besteht, und daher wohl f\u00fcr elastisches Gewebe zu halten ist. Nach vorn schiebt es sich zwischen Membrana Descemetii und die Knorpelsubstanz der Hornhaut ein, nach hinten heftet es sich theils an den hinteren\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 12.\nsehnigen Theil der Wand, theils verbindet es sich mit den Faserziigen des Spannpmskels der Aderhaut. Das System der Aderhaut h\u00e4ngt nur mit der hinteren H\u00e4lfte der inneren Wand des ScHLEMM\u2019schen Kanals fest zusammen, wo der sehnige und elastische Theil sich verbinden. Doch entspringt auch von dem vorderen Theile der Kanalwand ein lockeres Netzwerk von Fasern, die die Charaktere der elastischen an sich tragen, welche sich an den Anfang der Iris anheften. Die Fasermassen, welche dem Spannmuskel und der Iris angeh\u00f6ren, sieht man zum Theil von der Wand des Kanals entspringen, zum Theil m\u00f6gen sie aber auch direct von der Aderhaut auf die Iris \u00fcbergehen. In dem Gewebe der Ciliarforts\u00e4tze sieht man eine grosse Zahl weiter Lumina durchschnittener Blutgef\u00e4sse, auf ihrem dem Glask\u00f6rper zugekehrten Rande die Lage des schwarzen Pigments.\nUm sich von der Richtigkeit der hier gegebenen Darstellung des Ansatzes der Iris zu \u00fcberzeugen, muss man einerseits feine Schnitte von getrockneten Augenh\u00e4uten untersuchen, dabei aber beachten, dass das Trocknen sehr starke Verzerrungen hervorbringen kann, und dass die elastischen Fasern vor dem Ans\u00e4tze der Iris sehr leicht reissen oder brechen, wenn man die Iris von der Hornhaut abzieht. Andererseits muss man frische Pr\u00e4parate untersuchen, wobei man am besten eine Borste in den ScHLEMM\u2019schen Kanal einf\u00fchrt, ebenfalls aber sehr sorgf\u00e4ltig jedes Ziehen an der Iris oder Chorioidea vermeiden muss, denn dadurch kann man der Muskelmasse, durch welche diese Theile befestigt sind, jede beliebige Gestalt geben. Hebt man die Iris leise auf, und legt sie auf die Ciliarforts\u00e4tze zur\u00fcck, so bemerkt man die feinen elastischen F\u00e4den, welche sich zum vorderen Rande des Kanals hin\u00fcberspannen. Zieht man dann die Borste nach vorn, so erkennt man leicht die elastische Dehnbarkeit des vorderen Theils der Kanalwand. Schl\u00e4gt man dagegen Iris und Chorioidea nach vorn \u00fcber, und zieht die Borste nach hinten an, so zeigt sich der hintere Theil der Wand als unausdehnsam.\nDie beschriebene Art des Ansatzes scheint mir f\u00fcr das Zur\u00fcckweichen der Seitentheile der Iris beim Nahesehen wichtig zu sein. Ist die Iris n\u00e4mlich erschlafft, so wird sie durch das Netzwerk der elastischen Fasern bei b bis zum vorderen Rande des ScHLEMM\u2019schen Kanals an dessen innerer Wand festgehalten. Spannen sich dagegen die circul\u00e4ren und radialen Fasern der Iris gleichzeitig, so bietet erst die Sehnenmasse am hinteren Rande des Kanals ihrem Zuge einen gen\u00fcgend festen Widerstand, und man kann daher sagen, die erschlaffte Iris setzt sich an den vorderen, die gespannte an den hinteren Rand des ScHLEMM\u2019schen Kanals, welche im Mittel 0,45 Mm. aus einander liegen. In Taf. I. Fig. 3 habe ich das verschiedene Verhalten des Ansatzes der Iris beim Fernsehen (Seite F) und Nahesehen (Seite A der Figur) darzustellen gesucht. Der ScHLEMM\u2019sche Kanal ist auf beiden Seiten mit s bezeichnet.\nEin anderer Theil des Auges, dessen Wirkungen bei der Accommodation noch in Betracht kommen k\u00f6nnten, sind die Ciliarforts\u00e4tze. L. Fick 1 hat nachgewiesen, dass sie unter dem Einfl\u00fcsse des elektrischen Stromes sich zusammenziehen, und ihr Blut entleeren, welches durch ziemlich weite Gef\u00e4ssverbindungen leicht in die Vasa vorticosa der Aderhaut abfliessen kann. Er nimmt an, dass durch diesen Uebergang des Blutes in dem Theile des Auges, welcher hinter der durch die Linse und Zonula gebildeten Scheidewand liegt, der hydrostatische Druck vermehrt, vorn vermindert werde. Dadurch werde die Mitte der Linse nach vorn gedr\u00e4ngt, ihre vordere Fl\u00e4che w\u00f6lbe sich deshalb mehr. Dagegen behauptet Fick folgerichtig, dass die hintere Fl\u00e4che dabei flacher werde, was meinen Beobachtungen nicht entspricht. Auch .1. Czermak 2 hat in einem Versuche, den Mechanismus der Accommodation zu erkl\u00e4ren, neben der von Cramer angenommenen Spannung der Iris und des Ciliarmuskels eine Anschwellung der Ciliarforts\u00e4tze zu H\u00fclfe genommen, wodurch ein Druck auf den Rand der Linse ausge\u00fcbt werden k\u00f6nnte.\nGegen die Ansicht, dass die Augenmuskeln durch ihren Druck auf den Augapfel dessen Gestalt ver\u00e4nderten, ihn namentlich in Richtung der Augenaxe verl\u00e4ngerten, und dadurch die Netzhaut weiter von der Linse entfernten, eine Ansicht, die vor der Entdeckung der Form\u00e4nderung der Linse viel gewichtige Freunde hatte, ist anzuf\u00fchren, erstens, dass, wie ich durch\n1 J. M\u00fcllea\u2019s Archiv. 1853. S. 449.\n? Prager Vierteljahrsschr. XL\u00cfII. S. 109.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. -12.\nCONSTANTE L\u00c4NGE DER AUGENAXE.\n117\nMessungen mit dem Ophthalmometer gefunden habe, jede Steigerung des hydrostatischen Drucks im Auge die Hornhaut flacher macht, was man an lebenden Augen w\u00fcrde beobachten k\u00f6nnen, wenn es der Fall w\u00e4re, und zweitens, dass bei einem geringen Drucke mit dem Finger auf den Augapfel durch den Augenspiegel beobachtet werden kann, w-ie die Gef\u00e4sse der Netzhaut enger werden, nur noch intermittirende Blutstr\u00f6me bei den Pulswellen hindurchlassen, endlich ganz collabiren. Sobald die intermittirende Bewegung (sichtbare Pulsation der Schlagadern) beginnt *, verschwindet die Empfindlichkeit der Netzhaut, wahrscheinlich wegen ungen\u00fcgender Blutzufuhr, und das Gesichtsfeld wird vollkommen schwarz.\nEndlich sind noch die Versuche von Th. Yo\u00fcng anzufiihren, welche wohl kaum einen Zweifel dar\u00fcber bestehen lassen k\u00f6nnen, dass auch nicht die geringste Verl\u00e4ngerung der Augen-axe beim Nahesehen eintritt. Man kann die Fl\u00e4che der Bindehaut des Auges zwischen den Augenlidern mit einem glatten, gut polirten St\u00fccke Metall ohne erhebliche Beschwerde ber\u00fchren. Man setze in den inneren Augenwinkel auf die Bindehaut einen glatten eisernen Ring (eines Schl\u00fcssels) auf, den man fest gegen den inneren Rand der Augenh\u00f6hle anstemmt, und wende das Auge nach der inneren Seite her\u00fcber, so dass man durch den Ring und an dem Nasenr\u00fccken vorbei in die Ferne sieht. Dabei kommt der innere Umfang der Hornhaut ganz dicht an den Schl\u00fcssel zu liegen, und es wird somit verhindert, dass der Augapfel bei der Accommodation sich nach vorn verschieben k\u00f6nne. Nun dr\u00e4nge man den Ring eines ganz kleinen Schl\u00fcssels am \u00e4usseren Augenwinkel zwischen den Augapfel und Knochen ein. Dabei wird durch den Druck auf den Augapfel die Netzhaut gereizt, und es erscheint im Gesichtsfelde scheinbar vor dem Nasenr\u00fccken ein dunkler, anfangs auch wohl heller Fleck, ein Druckbild. Dieses reichte bei Young bis auf die Stelle des deutlichsten Sehens, und er konnte erkennen, dass gerade Linien im Bereiche dieses Druckbildes eine leichte Kr\u00fcmmung erhielten, welche von einer durch den Druck veranlassten leichten Einbiegung der Sclerotica herzur\u00fchren schien. Da das Druckbild an der Stelle des deutlichsten Sehens entstand, musste der kleine Schl\u00fcssel die Gegend des gelben Flecks an der Hinterseite des Augapfels treffen. Unter diesen Umst\u00e4nden kann eine Verl\u00e4ngerung der Augenaxe offenbar nicht eintreten, ohne die Schl\u00fcssel von ihrer Stelle zu dr\u00e4ngen. W\u00e4re also die Accommodation mit einer Verl\u00e4ngerung der Augenaxe verbunden, so m\u00fcsste sie unter diesen Umst\u00e4nden entweder ganz unm\u00f6glich sein, oder es m\u00fcssten die Schl\u00fcssel verdr\u00e4ngt werden, und es m\u00fcsste dabei das Druckbild wegen st\u00e4rkerer Einbiegung der Hinterwand des Augapfels an Umfang ausserordentlich zunehmen. Nichts von allem diesem ist der Fall. Das Auge kann vollst\u00e4ndig so gut wie sonst accommodirt werden, und das Druckbild bleibt bei ver\u00e4nderter Accommodation ganz dasselbe.\nTh. Young scheint etwas hervorstehende Augen gehabt zu haben, wie auch aus anderen Versuchen, welche er beschreibt, hervorgeht. In meinem eigenen Auge reicht nur der eine Rand des Druckbildes bis zur Stelle des deutlichsten Sehens; \u00fcbrigens konnte auch ich mich vollst\u00e4ndig von der M\u00f6glichkeit der Accommodation und der Unver\u00e4nderlichkeit des Druckbildes \u00fcberzeugen.\nAus diesem Versuche folgt zun\u00e4chst unmittelbar, dass die Entfernung des inneren Umfangs der Hornhaut von dem gefijen Flecke oder einem Punkte der Hinterwand etwas nach aussen vom gelben Flecke vollst\u00e4ndig unver\u00e4nderlich sei. Es w\u00fcrde aber die Entfernung der Hornhaut von dem gelben Flecke ohne auffallende Asymmetrie des Auges sich nicht ver\u00e4ndern k\u00f6nnen, wenn nicht die genannte Entfernung ihres Randes sich ebenfalls \u00e4nderte.\nForbes meinte, dass bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he das innere Auge unter einen st\u00e4rkeren Druck gesetzt werde, und die Linse, weil sie wegen der verschiedenen Form und Dichtigkeit ihrer Schichten nach verschiedenen Richtungen hin verschieden elastisch sei, ihre Form \u00e4ndere. De Haldat hat dagegen keine Ver\u00e4nderung der Brennweite des brechenden Apparates des Auges und einzelner Linsen finden k\u00f6nnen, welche er im Wasser comprimirte 1 2.\nUeber keinen anderen Gegenstand der physiologischen Optik sind so viel widersprechende Ansichten aufgestellt worden, als \u00fcber die Accommodation des Auges, weil erst in der aller-\n1\tDonders in Nederl. Lancet. 1854. Novb. S. 275.\n2\tComptes rendus. XX. p. 61, 458 u. 1561.","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\nneuesten Zeit entscheidende Beobachtungsthatsachen gefunden wurden, und man bis dahin fast nur einem Spiel von Hypothesen \u00fcberlassen gewesen war. Um die Uebersicht zu erleichtern, werde ich die chronologische Ordnung verlassen, welche \u00fcberdies in der nachfolgenden Zusammenstellung der Literatur beibehalten werden wird, und werde die verschiedenen Ansichten vielmehr nach ihren wesentlichen Z\u00fcgen zusammengruppiren.\n1) Ansichten, welche die Nothwendigke i t und das Vorhandensein einer Aenderung des brechenden Apparates ganz l\u00e4ugnen. Mehrere Naturforscher glaubten, dass das thierische und menschliche Auge die F\u00e4higkeit habe, abweichend von den k\u00fcnstlich gefertigten Linsen die Bilder verschieden entfernter Gegenst\u00e4nde an gleichem oder wenigstens unmerkbar verschiedenem Orte zu entwerfen. Magendie 1 behauptete, sich davon an den Augen von weissen Kaninchen \u00fcberzeugt zu haben, bei denen das Pigment der Aderhaut fehlt, und daher das Bild durch den hinteren Theil der Sehnenhaut gesehen werden kann. In der That kann aber das Bild nicht scharf genug durch die Sehnenhaut gesehen werden, um die geringen Unterschiede, welche bei der Accommodation in Betracht kommen, zu bemerken. Dasselbe, wie Magendie, behaupteten Ritter1 2 3, Haldat 3 und Adda4 *. F\u00fcr die Krystallinse allein genommen, behaupteten Haldat und Engel 6 dasselbe. Wenn man die Krystallinse aus den Augenfl\u00fcssigkeiten herausnimmt, und sie von Luft umgeben untersucht, wird ihre Brennweite ausserordentlich kurz, und dann folgt aus den allgemeinen optischen Gesetzen, dass die Abst\u00e4nde der Bilder f\u00fcr unendlich oder 7 Zoll entfernte Objecte nicht merklich unterschieden seien. Dadurch erkl\u00e4ren sich die von Engel erhaltenen Resultate 6.\nDurch genauer angestellte Versuche haben sich dagegen Hueck 7, Volkmann 8, Gerling 9, Mayer 6 und Cramer 10 experimentell \u00fcberzeugt, wor\u00fcber die Theorie schon keinen Zweifel lassen konnte, dass auch thierische und menschliche Augen Bilder verschieden entfernter Gegenst\u00e4nde in verschiedenen Entfernungen entwerfen.\nTreviranus 11 glaubte auch eine theoretische Erkl\u00e4rung f\u00fcr die vermeintliche Thatsache geben zu k\u00f6nnen, dass die Lage der Bilder unabh\u00e4ngig von der Lage des Gegenstandes sei, indem er ein besonderes Gesetz f\u00fcr die Zunahme der Dichtigkeit in der Linse zu diesem Ende annahm. Seine mathematische Beweisf\u00fchrung ist durch Kohlrauscii 12 widerlegt worden.\nSturm 13 glaubte die Abweichungen, welche die brechenden Fl\u00e4chen des Auges verglichen mit genauen Rotationsfl\u00e4chen zeigen, benutzen zu k\u00f6nnen, um die Accommodation f\u00fcr verschiedene Abst\u00e4nde zu erkl\u00e4ren. Er untersucht zun\u00e4chst den Gang homocentrischer Strahlen, wenn sie durch eine krumme Fl\u00e4che gebrochen sind, welche nicht eine Rotationsfl\u00e4che ist, und findet, dass sie dann nicht in einen Brennpunkt vereinigt werden, sondern dass zwei Brennebenen f\u00fcr die gebrochenen Strahlen existiren. ln der einen dieser Brennebenen findet die Vereinigung der Strahlen nach einer Richtung statt, in der anderen nach der darauf senkrechten. Wenn der Querschnitt des Strahlenb\u00fcndels in der einen Brennebene eine kurze horizontale gerade Linie bildet, so geht er durch eine Ellipse mit horizontaler gr\u00f6sster Axe in einen Kreis \u00fcber, wenn man sich der anderen Bennebene n\u00e4hert, und dann durch eine Ellipse mit senkrechter grosser Axe in eine senkrechte gerade Linie, wenn man bis zur anderen Brennebene fortschreitet. Zwischen den beiden Brennebenen h\u00e4lt Sturm den Querschnitt des Strahlenb\u00fcndels im Auge f\u00fcr klein genug, um deutliche Bilder zu geben. Wird der leuchtende Punkt dem Auge gen\u00e4hert, so werden beide Brennebenen sich von der Linse entfernen, so lange aber die Netzhaut sich zwischen beiden Brennebenen befindet, w\u00fcrden die Bilder doch hinreichend deutlich bleiben.\nAbweichungen der Art, wie sie Sturm annimmt, scheinen in der That bei den meisten menschlichen Augen vorzukommen, und wir werden die davon abh\u00e4ngigen Erscheinungen in \u00a7.14 beschreiben, ebenda uns aber auch \u00fcberzeugen, dass das Intervall der beiden Brennebenen lange\n1\tPr\u00e9cis \u00e9l\u00e9mentaire de Physiologie. I. p. 73.\n2\tGraefe und Waither's Journal. 1832. LU. VIII. S. 347.\nI\tComptes rendus. 1842.\n4\tAnn. d. Ch. et de Phys. S\u00fbr. 3. Tom. XII. p. 94.\n5\tJ. Engel Prager Viertcljahrsschr. 1830. Bd. I. S. 167.\n0 S. ihre Widerlegung durch Mayer ebenda. 1830. Bd. IV. Ausserord. Beilage.\n7\thiss, do mutationibus oculi intends. Dorpati 1826. p. 17. \u2014 Die Bewegung der Krystallinse. Leipzig 1841.\n8\tNeue Beitr\u00e4ge zur Physiol, d. Gesichtssinnes. 1836. 8. 109.\n3\tPoggendoree\u2019s Ann. XLVI. 243.\n10\tHet Accommodatievermogen. Haarlem 1853. S. 9.\nII\tBeitr\u00e4ge zur Anat. u. Physiol, der Sinneswerltzeuge. 1828. Heft I.\n12\tUeber Treviranus\u2019 Ansichten vom deutlichen Sehen in der N\u00e4he und Ferne. Rinteln 1836.\n13\tComptes rendus. XX. 554. 761 u. 1238. S. die Widerlegungen von C\u00e4ahay Bull. de Bruxelles. XII. 2. 311\nBr\u00fccke Berl. Berichte. I. 207.","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 12.\nGESCHICHTE HER ACCOMMODATIONSLEHRE.\n119\nnicht so bedeutend ist, wie Sturm voraussetzt, und dass die erw\u00e4hnte Abweichung des Auges keineswegs die Deutlichkeit des Sehens vermehrt, im Gegentheil vermindert.\nDe la Hire 1 behauptete, dass es nur einen Abstand des deutlichen Sehens gebe, und dass in einer gewissen Entfernung vor ihm und hinter ihm die Gegenst\u00e4nde noch nicht so undeutlich erschienen, um nicht erkannt zu werden; sonst gebe es keine Accommodation. Haller 2 ist im Wesentlichen derselben Meinung, und meint nur, dass auch die Verengerung der Pupille ein Hiilfsmittel sei, um die Zerstreuungskreise naher Gegenst\u00e4nde kleiner zu machen; ebenso in neuester Zeit Besio * * 3 *.\nAlle diese Ansichten, welche die Nothwendigkeit und das Vorhandensein einer inneren Ver\u00e4nderung des Auges ganz l\u00e4ugnen, werden am einfachsten widerlegt durch die Thatsache, dass wir einen in unver\u00e4nderlicher Entfernung vor dem Auge liegenden Punkt willk\u00fcrlich bald deutlich, bald undeutlich sehen k\u00f6nnen. Sie werden ferner widerlegt durch den ScHEiNER\u2019schen Versuch, da wir einen solchen Punkt durch ein Kartenblatt mit zwei Oeffnungen willk\u00fcrlich bald einfach, bald doppelt sehen k\u00f6nnen, und endlich durch die schon in \u00a7. M erw\u00e4hnten Beobachtungen mit dem Augenspiegel, wobei die Ver\u00e4nderungen des optischen Bildes auf der Netzhaut auch objectiv sichtbar gemacht werden.\n2)\tAnsichten, wonach die Verengerung der Pupille zur Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he gen\u00fcgen sollte. Die Thatsache, dass sich die Pupille beim Nahesehen verengt, war von Scheiner 4 gefunden worden. W\u00e4re das Auge f\u00fcr die Ferne accommodirt, so w\u00fcrden die Zerstreuungskreise, in welchen nahe leuchtende Punkte auf der Netzhaut sich abbilden, durch Verengerung der Pupille allerdings verkleinert werden k\u00f6nnen. Indessen \u00fcberzeugt man sich durch einen einfachen Versuch leicht davon, dass die Verengerung der Pupille nicht gen\u00fcgend ist, um das Auge f\u00fcr die N\u00e4he zu accommodiren. Man braucht nur durch ein Kartenblatt mit einer Oelfnung zu sehen, die enger als die Pupille ist, und welches gleichsam eine k\u00fcnstliche unbewegliche Pupille vertritt, um sich zu \u00fcberzeugen, dass man auch dann beim Fernsehen nahe Gegenst\u00e4nde undeutlich sieht, beim Nahesehen ferne. Anh\u00e4nger einer solchen Ansicht waren ausser Haller, den ich schon genannt habe, le_ Roy 5, Hall 6, Morton 7. Die Beweise gegen diese Meinung brachten vor Olbers 8, Duois 9, Hueck und Donders 10 *. Eine eigenth\u00fcmliche Ansicht \u00fcber den Erfolg der Verengerung der Pupille, die aber durch den schon genannten Versuch ebenfalls widerlegt wird, stellte J. Mile 11 auf, nahm sie aber selbst sp\u00e4ter wieder zur\u00fcck 12 * *. Er glaubte, dass beim Fernsehen die Randstrahlen des Lichtb\u00fcndels, welche vor der Netzhaut die Augenaxe schneiden w\u00fcrden, durch Diffraction am Rande der Pupille von der Augenaxe abgelenkt w\u00fcrden, und sie deshalb erst sp\u00e4ter schnitten. Die Diffraction des Lichts besteht aber keineswegs in einer solchen einfachen Ablenkung der ganzen Strahlen.\n3)\tAnsichten, welche eine ver\u00e4nderte Kr\u00fcmmung der Hornhaut voraussetzen. Lob\u00e9 13 scheint der Erste gewesen zu sein, der eine Ver\u00e4nderung der Hornhautkr\u00fcmmung wahrgenommen zu haben meinte. Olbers 14 wagt nach seinen eigenen Beobachtungen nicht bestimmt zu behaupten, dass die Convexit\u00e4t beim Nahesehen zunehme. Home 15, Englefield und Ramsden dagegen wollten eine Vermehrung der Kr\u00fcmmung bestimmt wahrgenommen haben. Jemand, der ein gutes Accommodationsverm\u00f6gen besitzt, wurde mit dem Kopf in den Ausschnitt eines festen Brettes befestigt, so dass sein Kopf m\u00f6glichst unbeweglich war. An dem Brette, in einem kleinen Abstande vom Auge, war eine Platte mit einer kleinen Oelfnung befestigt (als Fixationspunkt), w\u00e4hrend ebenfalls an dem Brette zur Seite des Auges ein bewegliches Mikroskop angebracht war, durch welches man die vorderste Kr\u00fcmmung der Hornhautfl\u00e4che wahrnehmen konnte. Das Mikroskop seihst war mit einem Ocularmikrometer versehen. Beim Nahesehen sollte die Hornhaut st\u00e4rker gekr\u00fcmmt werden, so dass ihre Mitte um y8u0\n1\tJournal des S\u00e7avans. 1683. p. 398.\n2\tElemente Physiologiae. 1743. Tom. V. p. 516.\n3\tGiornale Arcad. CV. p. 3.\n3 Oculus. p. 31.\n5\tMarti, d. l\u2019Acad. d. Sciences. 1735. p. 594.\n6\tMeckel's Archiv. Bd. IV. S. 611.\n7\tAmerican Journal of med. Sciences. 1831. Nov.\n8\tDe oculi mutationibus intends. Gotting. 1780. p. 13.\n8 Institut 1834. No. 73.\n10\tRuete Leerbock der Ophthalmologie. 1846. bl. 110.\n11\tMagendie Journal de Physiologie. VI. p. 166.\n12\tPoggendokff\u2019s Ann. XLII.\n13\tAlbinus Dissert, de oculo humano. Lugd. Bat. 1742. p. 119.\n14\tDe oculi mut\u00e2t, int. p. 39.\n15\tPhilosoph. Transact. 1795. p. 13 u. 1796. p. 2.","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 12.\neines englischen Zolles vorr\u00fcckte. Messung der Spiegelbildchen auf der Hornhaut, welche Home sp\u00e4ter ausf\u00fchrte, ergab zweifelhaftere Resultate. Wahrscheinlich ist er in beiden F\u00e4llen durch sehr kleine, regelm\u00e4ssig eintretende Verschiebungen des Kopfes der beobachteten Person von hinten nach vorn get\u00e4uscht worden. Th. Young 1 fand, indem er die Spiegelbilder der Hornhaut der Messung unterwarf, keine solche Unterschiede, und widerlegte namentlich die Hypothese der ver\u00e4nderten Hornhautkr\u00fcmmung sehr schlagend in der oben beschriebenen Weise dadurch, dass er die unver\u00e4nderte Existenz des Accommodationsverm\u00f6gens nachwies, auch wenn das Auge unter Wasser gebracht ist. Hueck 2 fand bei der Wiederholung von Home\u2019s Versuchen \u00e4hnliche Resultate, meint aber ermittelt zu haben, dass die Athmungs-bewegungen regelm\u00e4ssige Schwankungen des Kopfes hervorbringen, indem wir beim Nahesehen gew\u00f6hnlich einathmen, beim Fernsehen ausathmen. Sobald er den Athem anhalten liess, traten gar keine oder nur sehr unregelm\u00e4ssige Schwankungen der Mitte der Hornhaut ein. Diese unregelm\u00e4ssigen Schwankungen schienen durch Contractionen des Schliessmuskels der Augenlider hervorgebracht zu sein, da bei jeder Ber\u00fchrung der Cilien der Augapfel etwas zur\u00fcckgedr\u00e4ngt wurde. Burow 3 fand bei einer sorgf\u00e4ltigen Wiederholung von Home\u2019s Versuchen keine regelm\u00e4ssigen Schwankungen der Hornhautfl\u00e4che. Ebenso Valentin 4. Senff 5 * stellte Messungen der Spiegelbildchen mit einem Fernrohr an, wodurch seine Messungen von kleinen Verschiebungen des Auges unabh\u00e4ngig wurden, und fand, dass der Kr\u00fcmmungshalbmesser der Hornhaut sich nicht um 0,01 Par. Linie ver\u00e4nderte, w\u00e4hrend das Auge bald auf 4, bald auf 222 Zoll accommodirt wurde. Auch Cramer 6 erhielt negative Resultate bei einer Messung der Spiegelbilder auf der Hornhaut mit H\u00fclfe seines Ophthalmoskops. Sehr leicht und genau l\u00e4sst sich diese Art von Messungen mittels des von mir construirten Ophthalmometers 7 ausf\u00fchren, und gab mir ebenfalls stets negative Resultate.\nAls Anh\u00e4nger der Ansicht, wonach die Accommodation durch Aenderung der Hornhaut-kr\u00fcmmung bewirkt werde, sind aus neuerer Zeit noch anzuf\u00fchren Fries 8 *, Vall\u00e9e 9 und Pappeniieim 10 * *. Der Letztere nimmt an, dass die Contraction der Iris beim Nahesehen die Hornhaut convexer mache.\n4) Ansichten, nach welchen die Accommodation durch Verschiebung der Linse bewirkt wird. Diese Annahme war die \u00e4lteste, denn schon Kepler n, aus dessen Theorie des Sehens sich zuerst auch die Nothwendigkeit der Accommodation ergab, stellte sie auf, und sie hat zu jeder Zeit viele Anh\u00e4nger gehabt. Ihm folgten Sciieiner ri, Plempius 13, Sturm 14, Conradi 15, Porterfield 16, Plattner I7 *, Jacobson 48, Brewster 19, J. M\u00fcller 20, Moser 21, Burow 22, Ruete 23 *, William Clay Wallace 2J, C. Weber 25. Die meisten dieser M\u00e4nner hielten es f\u00fcr wahrscheinlich, dass der Ciliark\u00f6rper durch willk\u00fcrlich hervorgebrachte Zusammenziehungen die Linse vor- und r\u00fcckw\u00e4rts bewegen k\u00f6nne. Um bei der Berechnung der Gr\u00f6sse, um welche die Linse verschoben werden m\u00fcsste, um das Auge zu accommodiren, nicht unm\u00f6gliche Gr\u00f6ssen zu finden, war man gezwungen, der Hornhaut eine gr\u00f6ssere, der Linse eine geringere Brennweite beizulegen, als diese Theile wirklich besitzen. Unterst\u00fctzt\n1 Philosoph. Transact. 1801. I. p. 55.\n8 Die Bewegung der Krystallinse. S. 40.\n3\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie und Physik des menschl. Auges. Berlin 1842. S. 115.\n4\tLehrbuch der Physiologie. 1848. Bd. IL S. 122.\n5\tWagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch der Physiologie. Art. Sehen. S. 303.\n6\tIlet Accommodatievermogen. bl. 45.\n7\tGraefe's Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. Bd. 1. Abtb, II. S. 24.\n8\tUeber den optischen Mittelpunkt im menschl. Auge. Jena 1839. S. 21.\n8 C. li. de l'Acad. d. Sciences. 1847. Oct. p. 501.\n10 Specielle Gewebelehre des Auges, Breslau 1842.\nJl Dioptrice. Propos. 64.\n12\tOculus. Oeniponti 1619. Lib. III. p. 163.\n13\tOphthalmographia. Lovanii 1648. B. III.\n14\tDissertatio visionem ex obscurae camerae tenebris illustrans. Altdorfii 1693. p. 112.\n15\tFroriep\u2019s Notizen. Bd. 45.\n16\tOn the eye. Edinburgh 1759. Vol. I. p. 450.\n17\tDe motu ligamenti ciliaris. Lipsiae 1138. p. 5.\n18\tSuppl, ad. Ophthalm. Copenh. 1821.\n18 Edinb. Journal of Science. I. 77. \u2014 Poggendorff\u2019s Ann. II. 271.\n80\tZur vergleichenden Physiologie des Gesichtsinns. Leipzig 1826. S. 212.\n81\tRepertor. d. Physik. Berlin 1844. Bd. V. S. 364.\n88 Beitr\u00e4ge zur Physiol, u. Physik des menschl. Auges. Berlin 1842.\n83\tLehrbuch der Ophthalmologie.\n84\tThe accommodation of the eye to distances. New York 1850.\n83 Disquisitiones quae ad facultatcm oculum accommodandi spcctant. Marburgi 1850. p. 31","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 12.\nGESCHICHTE DER ACCOMMODATIONSLEHRE.\n121\nwurde diese Ansicht in neuerer Zeit auch namentlich durch Beobachtungen am lebenden Auge, welche bewiesen, dass die Pupille sich beim Nahesehen der Hornhaut n\u00e4hert. Bei V\u00f6geln hat Bidloo 1 schon die st\u00e4rkere W\u00f6lbung der Iris beim Nahesehen bemerkt, was f\u00fcr den Menschen sp\u00e4ter Hueck 2, Burow 3 und Ruete best\u00e4tigten. C. Weber zeigte auf mechanischem Wege, dass bei Hunden die Vorderfl\u00e4che der Linse sich nach vorn bewegt, sobald der vordere Theil des Auges durch elektrische Str\u00f6me gereizt wird. Er machte zu dem Ende an dem Auge eines lebenden, durch Opium bet\u00e4ubten Hundes in der Mitte der Cornea eine runde Oeffnung, f\u00fchrte ein passend befestigtes St\u00e4bchen ein, bis es die vordere Fl\u00e4che der Linse ber\u00fchrte. Das andere Ende des St\u00e4bchens st\u00fctzte sich gegen den k\u00fcrzeren Arm eines F\u00fchlhebels, der das Vordr\u00e4ngen der vorderen Linsenfl\u00e4che in vergr\u00f6ssertem Maassstabe anzeigte.\nHannover 4 nahm dagegen die M\u00f6glichkeit an, dass die Linse in ihrer Kapsel sich nach vorn und hinten bewegen k\u00f6nnte, wozu ihr der sogenannte Liquor Morgacnii Platz lassen sollte. Dass eine solche Fl\u00fcssigkeit in der normalen Linsenkapsel nicht existirt, ist schon erw\u00e4hnt worden.\nS) Ansichten, welche eine Formver\u00e4nderung der Linse annehmen. Diese Annahme, welche sich endlich als die richtige erwiesen hat, wurde ebenfalls schon sehr fr\u00fch gemacht und von Vielen vertheidigt, ohne dass sie aber das Stattfinden einer solchen Ver\u00e4nderung durch wirkliche Beobachtungen h\u00e4tten erweisen k\u00f6nnen. Der erste war Descartes 5, es folgten Pemberton \", Camper 7, Hunter 8, Th. Young 9, Purkinje io, Graefe n, Th. Smith 12, Hueck i3, Stell wag von Carion 14, Forbes i5. Aeltere Anatomen, wie Leeuwenhoek, Pemberton, nannten die Linse deshalb auch wohl Muscnlus crystallinus, weil sie voraussetzten, dass ihre Fasern contractil seien. Tu. Young st\u00fctzte diese Ansicht auf Versuche, welche nicht jedem Auge gelingen, f\u00fcr ihn selbst aber vollst\u00e4ndig beweisend waren. Wenn man durch ein feines Gitter von geraden Dr\u00e4hten das Zerstreuungsbild eines Lichtpunktes betrachtet, ist das Bild von geraden dunklen Linien, Schattenbildern der Dr\u00e4hte, durchzogen. Diese waren vollst\u00e4ndig gerade, wenn Young\u2019s Auge f\u00fcr die Ferne accommodirt war, an den Seiten des Zerstreuungskreises dagegen nach aussen convex, wenn er in die N\u00e4he sah. Die Erscheinung blieb dieselbe, wenn er das Auge unter Wasser brachte, und so den Einfluss der Hornhaut eliminirte. Die Kr\u00fcmmung der vorher geraden Schattenlinien konnte nur durch eine ver\u00e4nderte Kr\u00fcmmung der Linsenfl\u00e4chen bedingt sein. Zur Ausf\u00fchrung des Versuchs geh\u00f6rt eine weite Pupille. Wollaston konnte die Erscheinung nicht sehen (auch Referent nicht), wohl aber ein anderer Freund Young\u2019s, Koenig. Dem entsprechend fand Young mittels seines Optometers, dass beim Sehen durch vier neben einander liegende Spalten die vier Bilder des Fadens sich in einem Punkte schnitten, wenn er f\u00fcr die Ferne, aber nicht, wenn er f\u00fcr die N\u00e4he ac-commodirte.\nDie Ver\u00e4nderung der Linsenreflexe bei Accommodations\u00e4nderungen beobachtete zuerst Max Langenbeck 1S, und schloss auch richtig daraus, dass die vordere Linsenfl\u00e4che beim Nahesehen gew\u00f6lbter wird. Seine Beobachtungsweise ist aber ung\u00fcnstig, indem er den Beobachteten direct in die Flamme blicken Hess, wobei die drei Spiegelbildchen dem Beobachter sehr nahe an einander zu stehen scheinen, und das \u00fcberwiegend helle Hornhautbild die Wahrnehmung der beiden anderen erschwert. Dies mag der Grund sein, weshalb Langenbeck\u2019s Beobachtung die Aufmerksamkeit der Physiologen nicht erregte. Cramer beobachtete dasselbe, verbesserte aber die Methode der Beobachtung namentlich dadurch, dass er die Lichtstrahlen von der Seite her in das Auge fallen und den Beobachter von der anderen Seite hineinblicken liess. Auch beschrieb er ein Instrument, welches er Ophthalmoskop nannte, um die Beobachtungen leichter und sicherer zu machen. Es ist dies im Wesentlichen ein Gestell, an welchem eine\nI\tObserv. de oculis et visu variorum animalium. Lugd. Bat. 1715.\n-, Bewegung der Krystallinse. S. 60.\n3\tBeitr\u00e4ge zur Physiol, u. s. \\v. S. 136.\n4\tBidrag til Oiets Anatomie. Kj\u00f6benliavn 1850. p. 111.\n5\tCartesius Dioptrice. Lugd. Bat. 1637.\n6\tDissert, de facilitate oculi, qua ad diversas distantias se accommod\u00e2t. Lugd. Bat. 1719.\n7\tDissert, physiol, de quibusdam oculi partibus. Lugd. Bat. 1746. p. 23.\n8\tPhilosoph. Transact. 1794. p. 21.\n9\tIbid. 1801. P. I. p. 53.\n10\tBeobachtungen u. Versuche zur Physiol, d. Sinne. Berlin 1825.\nII\tReil\u2019s Archjv f\u00fcr Physiologie. Bd. IX. S. 231.\n12\tPhilosophical Magazine. 1833. T. V. 3. No. 13. \u2014 Schmidt\u2019s Jahrb\u00fccher. 1834. Bd. I. S. 6.\n13\tBewegung der Krystallinse. Leipzig 1841.\n14\tZeitschrift der k. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien. 1850. Heft 3 u. 4.\n15\tComptes rendus. XX. p. 61.\n16\tKlinische Beitr\u00e4ge. G\u00f6ttingen 1849.","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 4 2.\nLampe, ein Fadenkreuz als Gesichtszeichen, ein Mikroskop von ungef\u00e4hr <10 bis 20maliger Vergr\u00f6sserung und ein hohles kegelf\u00f6rmiges St\u00fcck mit den n\u00f6thigen Ausschnitten, an welches der Beobachtete sein Auge fest anlegt, angebracht sind. Der Beobachter stellt die Flamme so, dass er durch das Mikroskop in der Pupille des beobachteten Auges den Reflex der mittleren Linsenfl\u00e4che zwischen den beiden anderen Reflexen erscheinen sieht. Indessen ist die wesentlichste Thatsache, die Verkleinerung des von der vorderen Linsenfl\u00e4che entworfenen Bildes, auf diese Weise nicht so bequem zu beobachten, als wenn man das Spiegelbild von zwei leuchtenden Punkten mit blossem Auge beobachtet, wie ich es oben beschrieben habe. Die Verschiebung des Reflexes des vorderen Linsenfl\u00e4che dagegen, welche durch Cramer\u2019s Ophthalmoskop leicht und sicher zu beobachten ist, ist wegen der von Cramer noch nicht gekannten Asymmetrie des Auges f\u00fcr sich allein nicht beweisend, wenn man sich nicht, was leicht aus-zuf\u00fchren ist, durch eine Reihe von Versuchen \u00fcberzeugt, dass von jeder Stelle der Pupille aus das genannte Bild sich stets der Mitte der Pupille n\u00e4hert.\nOhne von den beiden genannten Forschern zu wissen, und zu einer Zeit, wo Cramer\u2019s Entdeckung erst durch kurze Notizen J, die er selbst und Donders gegeben hatte, ver\u00f6ffentlicht war, ehe noch seine von der Holl\u00e4ndischen Gesellschaft der Wissenschaften gekr\u00f6nte Abhandlung erschienen war, fand ich selbst dieselbe Thatsache * 2, und ermittelte weiter dasjenige, was ich oben \u00fcber das Verhalten der hinteren Fl\u00e4che der Linse bei der Accommodation angef\u00fchrt habe 3.\nGegen die Abh\u00e4ngigkeit des Accommodationsverm\u00f6gens von Verschiebungen und Form\u00e4nderungen der Linse wurden vielfach F\u00e4lle geltend gemacht, in denen das Auge sich noch sollte accommodiren k\u00f6nnen, nachdem die Linse durch die Staaroperation entfernt war. Indessen ist dabei zu bedenken, dass eine Regeneration der Linse m\u00f6glich ist, und dass die Kranken auch bei unpassender Accommodation aus Zerstreuungsbildern mancherlei erkennen k\u00f6nnen. Dass Jemand, der mit der Staarhrille Druckschrift liest, mit derselben Brille auch ferne Menschen, Fensterkreuze und dergleichen erkennen kann, berechtigt noch nicht, ihm Accommodationsverm\u00f6gen zuzuschreiben. Ein Jeder kann sich leicht \u00fcberzeugen, dass, wenn er einen Finger in etwa -I Fuss Entfernung fixirt, er dabei doch eine Menge Einzelnheiten an weit entfernten Gegenst\u00e4nden .wahrnehmen kann. Zum Beweis des Vorhandenseins von Accommodation geh\u00f6rt, dass der Kranke mit derselben Brille einen Gegenstand in bestimmter Entfernung willk\u00fcrlich deutlich und undeutlich sehen kann, je nachdem er sein Auge f\u00fcr dieselbe oder eine andere Entfernung einzurichten strebt. Szokalskv will einen solchen Fall wirklich beobachtet haben ; aber das betreffende Auge konnte ohne Staarhrille in 17 Zoll Entfernung deutlich sehen, was ohne Ersatz der Linse nicht m\u00f6glich ist. Um bei operirten Augen w\u00e4hrend des Lebens zu erkennen, ob die Linse hergestellt sei, schl\u00e4gt Donders vor, die entoptischen Erscheinungen zu benutzen.\n6) Ansichten, welche eine Formver\u00e4nderung des Augapfels annehmen. Wenn die Netzhaut sich von den brechenden Fl\u00e4chen entfernen, der Augapfel sich also verl\u00e4ngern k\u00f6nnte, w\u00fcrde das Auge sich dadurch f\u00fcr die N\u00e4he accommodiren. Die Anh\u00e4nger dieser Ansicht nahmen meistentheils an, dass die Augenmuskeln, entweder die rechten allein, oder die schiefen allein, oder alle zusammen, oder auch der Schliessmuskel der Augenlider, durch Druck auf den Augapfel dessen Gestalt ver\u00e4ndern k\u00f6nnten. Hierzu geh\u00f6ren Sturm 4 *, le Moine 6, Buffon 6, Boerhave 7, Molinetti 8 *, Olbers s, IIaeseler 10 *, Walther n, Monro 12 Himlv 13 * *, Meckel u, Parrot i6, Poppe i6, Schroeder van der Kolk 17, Arnold i8, Serre 19,\n1\tTvdschrift der Maatschappv vor Geneeskunde. 1851. W. 11. bl. 115. und Nederlandsch Lancet. 2. Serie W. 1. bl. 529. 1851\u201452.\n2\tMonatsberichte der Berliner Akad. 1853. Februar. S. 137.\n3\tGraefe\u2019s Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. Bd. I. Abth. II. S. 1 \u2014 74.\n3 Dissert. de presbyopia et myopia. Alldorfii 1697.\n5\tQuaestio an obliqui musculi retinam a crystallino removeant. Parisiis 1743\n6\tHistoire naturelle. Paris 1749. T. III. p. 331.\nT Praelectiones academ. Taurini 1755. Vol. III. p. 121.\n8\tHaller Elemente Physiologiae. 1763. T. V. p. 511.\n9\tLiissert. de oculi mut\u00e2t, int. Gottingae 1780. \u00a7. 43.\n10\tBetrachtungen \u00fcber das menschliche Auge.\n11\tDissert. de lente crystallina. \u00a7. 1.\n12\tAltenburger Annalen f. d. 1. 1801. S. 97.\n13\tOphthalmologische Beobachtungen und Untersuchungen. Bremen 1801.\n14\tCuvier Vorlesungen \u00fcber vergl. Anat. Uebers. von Meckel. Leipzig 1809. Bd. H. S 369\n16 Entretiens sur la physique. Dorpat 1820. T. III. p. 434.\n16 Die ganze Lehre vom Sehen. T\u00fcbingen 1823. S. 153.\nlT Luchtmans Diss. de mutatione axis oculi. Traject. ad Rhenuin 1832.\n18 Untersuchungen \u00fcber das Auge des Menschen. Heidelberg 1832. S. 38.\n15\tBulletin de th\u00e9rapie. 1835. T. 8. L. 4.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 12.\nLITERATUR DER ACCOMMODATION.\n123\nBonnet1, Henle 2, Szokalsky 3, Listing4 *. Dass die Augenmuskeln nicht nur die Form des Augapfels \u00e4ndern k\u00f6nnen, sondern auch mittelbar die Hornhaut gew\u00f6lbter machen und die Linse nach vorn verschieben, nimmt Clavee 6 an. Die Gr\u00fcnde, aus denen eine solche Gestalt\u00e4nderung des Augapfels unwahrscheinlich erscheint, habe ich schon oben angef\u00fchrt.\nDie angef\u00fchrten Ansichten sind die wichtigeren, welche \u00fcber diesen schwierigen Gegenstand aufgestellt worden sind; daneben wurden von Einzelnen noch mancherlei andere Erkl\u00e4rungsweisen hervorgesucht, welche sich mit Recht geringeren Beifalls zu erfreuen hatten. Ich erw\u00e4hne v. Grimm 6, welcher annahm, das Brechungsverm\u00f6gen der Augenmedien k\u00f6nnte sich \u00e4ndern; Weller 7, welcher die Accommodation nicht durch eine Ver\u00e4nderung des Auges, sondern durch einen psychischen Process erkl\u00e4ren wollte u. s. w.\nLiteratur.\n16 11. Kepler Dioptrice. Propos. 26.\n1619. Scheiner Oculus. Oeniponti 1619. Lib. III. p. 163.\n1637. Cartesius Dioptrice. Lugd. Batav.\n1648. V. F. Plempius Ophthalmographia. Lovanii. B. III.\nI68\u00f6. De la Hire Journal des S\u00e7avans. 4685. p. 398.\n1693. St\u00fcrm Dissertatio visionem ex obscurae camerae tenebris illustrans. Altdorfii. p. 172. I697. Sturm Dissert, de presbyopia et myopia. Altdorfii.\n1712. A. F. Walther Diss. de lente crystallina oculi humani. Lipsiae. Auch in Haller Disput, anat. Vol. IV.\n1715.\tBidloo Observationes de oculis et visu variorum animalium. Lugd. Batav.\n1719. Pemberton Dissert, de facilitate oculi, qua ad diversas distantias se accommod\u00e2t. Lugd. Batav.\n1738. J. J. Platner de motu ligamenti ciliaris in oculo. Lipsiae. p. 5.\n1742.\tJ. P. Lob\u00e9 (Albinus) Diss. de oculo humano. Lugd. Batav. p. 119. Auch in Haller Disput, anat. Vol. VII.\n1743.\tHaller Elementa Physiologiae. T. V. p. 516.\nLe Moine Qnaestio an obliqui musculi retinam a crystallino removeant. Paris.\n1716.\tP. Camper Dissert, physiologica de quibusdam oculi partibus. Lugd. Batav. p. 23. Auch in Haller Disput, anat. Vol. IV.\n1749. Buffon Histoire naturelle. Paris. T. III. p. 331.\n1755. Le Roy M\u00e9moires de l\u2019Acad. de Paris. 1755. p. 594.\nBoerhave Praelectiones academicae, edit, et not. add. Alb. a Haller. Taurini. Vol. III. p. 121.\n1758.\tv. Grimm Diss. de visu. Gottingae.\n1759.\tPorterfield on the eye. Edinburgh. Vol. I. p. 450. \u2014 Mint), meet. Essays. Vol. IV. p. 124.\n1763.\tMolinetti\tin Haller Elementa physiologiae\tV. p. 511.\n1783.\tOlbers Diss. de oculi mutationibus\tinternis.\tGottingae.\n1793.\tTh. Young Observations on vision. Phil. Trans. 1793. P. II. p. 169.\n1794.\tHunter Phil. Trans. 1794. p. 21.\n1795.\tHome Phil.\tTrans. 1795. P. 1. p.\t1. (Accommodation nach Staaroperation. )\n1796.\tHome Phil.\tTrans. 1796. P. I. p.\t1.\nTh. Young de corporis humani viribus conservatricibus. Gottingae. \u2014 Phil. Transact, for 1800, p. 146.\n1797.\tKl\u00fcgel in Reil\u2019s Archiv. Bd. II. S. 51. (Gegen Home.)\n1801. Monro Altenburger Annalen f. d. J. 1801. S. 97.\nHimly Ophthalmologische Beobachtungen und Untersuchungen. Bremen.\n*Th. Young On the mechanisme of the eye. Phil. Trans. 1801. P. I. p. 23*. (Eine Arbeit von bewunderungsw\u00fcrdigem Scharfsinn und Erfindungskraft, welche vollst\u00e4ndig geeignet Avar, schon zu ihrer Zeit den Streit \u00fcber die Accommodation zu entscheiden, aber durch ihre K\u00fcrze oft schwer verst\u00e4ndlich wird, und ausserdem die vollst\u00e4ndigste Kenntniss der mathematischen Optik voraussetzt.)\n1 Froriep's N. Notizen. 1841. S. 233.\n- Canstatt's Jahresbericht f\u00fcr 1849. Bd. 1. S. 71.\n* Archiv f\u00fcr physiologische Heilkunde. VII. 1849. 7.-8. lieft.\n1 Wagner's Handw\u00f6rterbuch d. Physiologie. IV. 498.\ns Comptes rendus. XXXIII. p. 2o9.\n\u2018 Dissert, de visu. Gottingae 1738. S. auch Olbers de oculi mutationibus internis. p. 29\n7 Di\u00e4tetik f\u00fcr gesunde und schwache Augen. Berlin 1821. S. 226.","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 12.\n1802. Home Phil. Trans. 1802. P. I. p. 1. (Adaptation bei Staaroperirten.)\nAlbers Beitr\u00e4ge zur Anatomie und Physiologie der Thiere. Heft I. Bremen.\n1804. Graefe in Reil\u2019s Archiv f\u00fcr Physiologie. Bd. IX. S. 231.\n1809. Cuvier Vorlesungen \u00fcber die vergleichende Anatomie, \u00fcbers, von Meckel. Leipzig. Bd. II. S. 369.\n1811. Wells Phil. Tracts. 1811. P. II. Auch in Gilbert\u2019s Annalen XLIII. 129 u. 141. 1816. Magendie Pr\u00e9cis \u00e9l\u00e9mentaire de Physiologie I. p. 73. Paris. Uebers. von Els\u00e4sser. T\u00fcbingen 1834. I. 54.\n1820.\tG. Parrot Entretiens sur la physique. Dorpat. T. III. p. 434.\n1821.\tJacobson Suppl, ad Ophthalm. Copenhagen.\nC. H. Weller Di\u00e4tetik f\u00fcr gesunde und schwache Augen. Berlin. S. 225.\n1823.\tJ. Poppe Die ganze Lehre vom Sehen. T\u00fcbingen. S. 153.\nRudolphi Grundriss der Physiologie. Berlin. Bd. II. Abth. 1. S. 9.\nLehot Nouvelle th\u00e9orie de la vision. Paris.\nPurkinje de examine physiologico organi visus et systematis cutanei. Vratislaviae. (Entdeckung der Linsenreflexe.)\n1824.\tBrewster Edinb. Journal of Science I. p. 77. \u2022\u2014 Poggendorff Annalen II. S. 271. Simonoff in Magendie Journal de Physiologie. T. IV.\n1825.\tPurkinje Beobachtungen und Versuche zur Physiol, der Sinne. Berlin. S. 128*.\n1826.\tJ. M\u00fcller zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinns. Leipzig. S. 212. Hueck Diss. de mutationibus oculi intends. Dorpati.\nMile in Magendie Journal de Physiologie VI. p. 166.\n1828. Treviranus Beitr\u00e4ge zur Anatomie und Physiologie der Sinneswerkzeuge des Menschen und der Thiere. Heft I.\n1831.\tMorton in American Journal of med. Sciences. 1831. Nov.\n1832.\tRitter in Graefe u. Walther\u2019s Journal. VIII. S. 347.\nFr. Arnold Untersuchungen \u00fcber das Auge des Menschen. Heidelberg. S. 38.\nG.\tJ. Luchtmans Diss. de mutatione axis oculi secundum diversam distantiam objecti ejusque causa. Traject. ad Rhenum.\n1833.\tTu. Smith Philos. Magazine V. 3. No. 13. \u2014 Schmidt\u2019s Jahrb\u00fccher der Medicin.\n1834.\tBd. I. S. 6.\n1834.\tDug\u00e9s Institut. No. 73.\n1835.\tSerre Bulletin de Th\u00e9rapie. T. VIII. L. 4.\n1836.\tVolkmann Neue Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtssinns. S. 109.\nR.\tK. Kohlrausch \u00fcber Tp.eviranus\u2019 Ansichten vom deutlichen Sehen in der N\u00e4he und Ferne. Rinteln.\n1837.\tSanson Le\u00e7ons sur les maladies des yeux, publi\u00e9es par Bardinot et Pigne. Paris. (Ueber die Reflexe der Krystallinse.)\nMile in Poggendorff\u2019s Annalen XLII. S. 37 u. 235.\n1838.\tPasquet in Froriep\u2019s Notizen. Bd. VI. Nr. 2.\n1839.\tJ. F. Fries \u00fcber den optischen Mittelpunkt im menschlichen Auge, nebst allgemeinen Bemerkungen \u00fcber die Theorie des Sehens. Jena. S. 27.\n1840.\tNeuber in Osann\u2019s Zeitschrift. Heft 7 \u201412. S. 42.\n1841.\tHueck die Bewegung der Krystallinse.\nBonnet in Froriep\u2019s Neue Notizen. 1841. S. 233.\n1842.\tIIaldat in Comptes rendus. 1842.\nAdda in Annales de Chimie et de Phys. Ser. III. T. XII. p. 94.\nBurow Beitr\u00e4ge zur Physiol, u. Physik des menschl. Auges. S. 94\u2014'177*.\nS.\tPappenheim Die specielle Gewebelehre des Auges. Breslau.\n1844.\tMoser Repertor. d. Physik V. S. 364.\n1845.\tSturm sur la th\u00e9orie de la vision. Comptes rendus. XX. p. 554, 761, 1238; Poggendorff Annalen LXV. 116.\nForres Comptes rendus. XX. p. 61 ; Institut. No. 576. p. 15; No. 578. p. 32.\nDe Haldat Comptes rendus. XX. p. 458 u. 1561 ; Institut. No. 596. p. 90 (gegen Forbes).\n1846.\tDonders in Ruete Leerboek der Ophthalmologie, bl. 110.\nH.\tMeyer in Henle u. Pfeuffer Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin. Bd. V. (Ursprung der Linsenreflexe.)\nSenff in R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch der Physiologie, Art. : Sehen von Volkmann. S. 303.\nBesio Giorn. Arcad. CV. 3 ; Institut. No. 666. p. 338.\nJ. G. Crahay Bulletin de Bruxelles. XII. 2. 311; Institut. No. 644. p. 151.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 13.\nFARBENZERSTREUUNG IM AUGE.\n125\n1847.\tL. L. Vall\u00e9e Comptes rendus. XXV. p. 501.\n1848.\tValentin Lehrbuch der Physiologie. Bd. II. Abth. 2. S. 122.\nSzokalsky in Griesinger Archiv f\u00fcr physiol. Heilkunde. VII. S. 694.\n1849.\tMax. Langenbeck Klinische Beitr\u00e4ge aus dem Gebiete der Chirurgie und Ophthalmologie. G\u00f6ttingen.\nBonders in Nederlandsch Lancet. 1849. hl. 146.\n1850.\tJos. Engel Prager Viertel^ahrsschrift XXV. S. 167 u. 208.\nII. Mayer ebenda Bd. XXVIII. Ausserord. Beilage, und Bd. XXXII. S. 92*.\nHenle in Canstatt\u2019s Jahresbericht f\u00fcr 1849. Erlangen. S. 71.\nWilliam Clay Wallace The accommodation of the eye to distances. New York.\nC. Weber Nonnullae disquisitiones quae ad faeultatem oculum rebus longinquis et propinquis accommodandi spectant. Marburgi.\nC. Stellwag von Carion Wiener Zeitschrift der Ges. d. Aerzte. VI. S. 125 138. A. Hannover Bidrag til Oiets Anatomie, Physiologie og Pathologie. Kj\u00f6benhavn.\np. III.\n1851.\tH. Helmholtz Beschreibung eines Augenspiegels zur Untersuchung der Netzhaut im lebenden Auge. Berlin. S. 37*.\nListing in B. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch der Physiologie. Art. : Dioptrik des Auges. Bd. IV. S. 498*.\nCramer Tydschrift der Maatschappy vor Geneeskunde. 1851. W. 11. bl. 115; Nederlandsch Lancet. Ser. 2. W. 1. bl. 529.\nClavel Comptes rendus. XXXIII. p. 259 ; Archives des sciences pliys. et natur. XIX. p. 76.\n1852.\tDonders Nederl. Lancet. 1852. Febr. bl. 529.\n1853.\tH. Helmholtz Monatsberichte d. Akad. zu Berlin. Febr. S. 137.\n* A. Cramer het Accommodatievermogen der Oogen physiologisch toegelicht. Haarlem. Uebersetzt von Hoden. Leer 1855.\nL. und A. Fick in J. M\u00fcllee\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. u. Physiol. 1853. p. 449*.\n1854.\tBonders in Onderzoekingen gedaan in lief Physiologisch Laborat. der Utrechtsche Hoogeschool. Jaar VI. p. 61.\nJ. Czermak in Prager Vierteljahrsschrift XLIII. S. 109.\n1855.\t* H. Helmholtz \u00fcber die Accommodation des Auges in v. Graefe Archiv f\u00fcr Ophthalmo-\nlogie. Bd. L Abth. IL S. 1.\n\u00a7. 13. Von der Farbenzerstreuung im \u00c4uge.\nDass die Lichtstrahlen, welche von einem gesehenen leuchtenden Punkte ausgegangen sind, durch die brechenden Mittel des Auges wieder in einen Punkt vereinigt werden, ist nur ann\u00e4hernd richtig. Wir wenden uns jetzt zum Studium der Abweichungen von dem genannten Gesetze, und wollen zun\u00e4chst die chromatische Abweichung betrachten, welche daher entsteht, dass die Lichtstrahlen von verschiedener Schwingungsdauer auch verschiedene Brechbarkeit in tropfbaren und festen durchsichtigen Mitteln haben. Da die Gr\u00f6sse der Brennweiten gekr\u00fcmmter brechender Fl\u00e4chen von dem Brechungsverh\u00e4ltnisse abh\u00e4ngig ist, so liegen die Vereinigungspunkte von Strahlen verschiedener Farbe bei Systemen solcher Fl\u00e4chen im Allgemeinen an verschiedenen Orten, und nur durch besondere Combinationen verschiedenartiger brechender Mittel l\u00e4sst es sich erreichen, dass die Brennpunkte verschiedenfarbiger Strahlen in optischen Apparaten zusammenfallen, so dass diese dadurch achromatisch werden.\nDas Auge ist nicht achromatisch, obgleich beim gew\u00f6hnlichen Sehen die Farbenzerstreuung sich fast gar nicht merklich macht. Dass der brechende Apparat des Auges verschiedene Brennweiten f\u00fcr verschiedenfarbige einfache Strahlen habe, zeigte Fraunhofer folgendermassen. Er beobachtete ein prismatisches Spectrum durch ein achromatisches Fernrohr, in dessen Oculare ein sehr feines Fadenkreuz angebracht war, und bemerkte, dass er die Ocularlinse dem","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 13.\nFadenkreuze n\u00e4her schieben musste, um dies deutlich sehen zu k\u00f6nnen, wenn er den violetten Theil des Spectrum im Gesichtsfelde hatte, als wenn er den rothen betrachtete. Indem er mit einem Auge einen \u00e4usseren Gegenstand fixirte, mit dem anderen den Faden im Fernrohre betrachtete, stellte er die Ocularlinse so, dass ihm der Faden ebenso deutlich wie dag \u00e4ussere Object erschien, und mass, um wie viel die Linse verschoben werden musste, um den Faden in zwei verschiedenen Farben gleich deutlich zu sehen. Mit Ber\u00fccksichtigung der schon vorher gemessenen chromatischen Abweichung der Ocularlinse selbst konnte er dann berechnen, welches die entsprechenden Sehweiten des Auges seien. Er fand bei diesen Versuchen, dass ein Auge, welches ein unendlich entferntes Object deutlich sieht, dessen Licht der Linie C des Sonnenspectrum, also der Grenze zwischen Roth und Orange entspricht, bei demselben Accommodations-zustande ein Object, dessen Licht der Farbe der Linie G (Grenze von Indigblau und Violett) entspr\u00e4che, auf 18 bis 24 Par. Zoll n\u00e4hern m\u00fcsste, um es deutlich zu sehen.\nIch habe an meinen eigenen Augen \u00e4hnliche Resultate erhalten. Ich liess verschiedenfarbiges, mittels eines Prisma isolirtes Licht durch eine punktf\u00f6rmige Oeffnung eines dunklen Schirms fallen, und suchte dann die gr\u00f6sste Entfernung auf, aus der ich die kleine Oeffnung noch punktf\u00f6rmig sehen konnte. Die gr\u00f6sste Sehweite meines Anges f\u00fcr rothes Licht betr\u00e4gt gegen 8 Fuss, f\u00fcr violettes I '/2 Fuss und f\u00fcr das brechbarste \u00fcberviolette Licht der Sonne, welches durch Abblendung des helleren Lichts des Spectrum sichtbar gemacht werden kann, nur einige Zolle.\nAuffallend bemerkt man die Verschiedenheit der Sehweiten, wenn man ein regelm\u00e4ssig rechteckiges, auf einen weissen Schirm projicirtes prismatisches Spectrum aus einiger Entfernung betrachtet. W\u00e4hrend man das rothe Ende noch ziemlich gut in seiner wirklichen Form erkennt, erscheint das violette als eine Zerstreuungsfigur (die f\u00fcr meine Augen schwalbenschwanzf\u00f6rmig ist).\nDas im Vergleiche mit k\u00fcnstlichen optischen Instrumenten ziemlich geringe Zerstreuungsverm\u00f6gen des menschlichen Auges erkl\u00e4rt sich daraus, dass die Dispersion des Wassers und der meisten w\u00e4ssrigen L\u00f6sungen \u00fcberhaupt viel geringer ist als die des Glases. Da die Brechungsverh\u00e4ltnisse der optischen Medien des Auges meist nicht betr\u00e4chtlich von dem des Wassers abweichen, so scheint es wahrscheinlich zu sein, dass wenigstens die w\u00e4ssrige Feuchtigkeit und der Glask\u00f6rper auch nahezu dasselbe Zerstreuungsverm\u00f6gen wie das Wasser haben werden. Ich habe deshalb die Dispersion f\u00fcr Listing\u2019s reducirtes Auge mit einer brechenden Fl\u00e4che berechnet unter der Annahme, dass Wasser darin als brechende Substanz gebraucht sei. F\u00fcr die von Fraunhofer bei seinen Versuchen gebrauchten Strahlen sind die Brechungsverh\u00e4ltnisse des Wassers folgende : f\u00fcr das rothe Licht der Linie C 1,331705 f\u00fcr das violette der Linie G 1,341285.\nDer Radius der einen brechenden Fl\u00e4che von Listing\u2019s reducirtem Auge ist 5,1248 Mm. Daraus ergeben sich die Brennweiten im Innern des Auges:\nim Roth 20,574 Mm. im Violett 20,140 Mm.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 13.\nGROSSE DER FARBENZERSTREUUNG.\n127\nIst das Auge im Roth f\u00fcr unendliche Ferne accommodirt, steht also die Netzhaut im Brennpunkte der rothen Strahlen, so liegt der Brennpunkt der violetten 0,434 Mm. vor ihr, woraus folgt, dass in violettem Lichte dieses Auge f\u00fcr eine Entfernung von 713 Mm. (26 Zoll) accommodirt sein w\u00fcrde. Fraunhofer fand f\u00fcr sein eignes Auge 18 bis 24 Zoll, woraus folgt, dass die Farbenzerstreuung in einem aus destillirtem Wasser gebildeten Auge selbst noch etwas geringer sein w\u00fcrde, als sie im menschlichen Auge sich findet. Nimmt man dagegen an, dass das reducirte Auge wie meines im Roth f\u00fcr 8 Fuss (2,6 Meter) accommodirt sei. so w\u00fcrde die Netzhaut noch 0,123 Mm. hinter dem Brennpunkte der rothen Strahlen liegen m\u00fcssen, und im Violett das Auge f\u00fcr 20% Zoll (360 Mm.) accommodirt sein, w\u00e4hrend meines in der That f\u00fcr 18 Zoll accommodirt war. Auch Matthiessen 1 berechnet aus seinen Versuchen den Abstand des rothen und violetten Brennpunktes im menschlichen Auge auf 0,38 bis 0,62 Mm., w\u00e4hrend er in einem Auge aus destillirtem Wasser nur gleich 0,434 Mm. ist, Matthiessen hat seine Messungen in der Weise angestellt, dass er den k\u00fcrzesten Abstand mass, in welchem eine Glastheilung von rothem oder violettem Lichte beleuchtet deutlich gesehen werden konnte. Alle diese nach verschiedenen Methoden aus-gef\u00fchrten Untersuchungen stimmen darin \u00fcberein, dass das menschliche Auge in Bezug auf Farbenzerstreuung mit einem Auge aus destillirtem Wasser sehr nahe \u00fcbereinstimmt, wahrscheinlich aber eine etwas st\u00e4rkere Dispersion hat, Wir d\u00fcrfen daraus wohl vermuthen, dass die Krystallinse ein im Verli\u00e4ltniss zu ihrem Brechungsverm\u00f6gen etwas st\u00e4rkeres Zerstreuungsverm\u00f6gen als reines Wasser hat.\nIch will hier noch die Beschreibung einiger Versuche anreihen, bei denen sich die Farbenzerstreuung im Auge merklich macht. Im Allgemeinen sind die hierhergeh\u00f6rigen Erscheinungen viel auffallender, wenn man dabei nicht weisses Licht, sondern Licht braucht, welches aus nur zwei prismatischen Farben von m\u00f6glichst verschiedener Brechbarkeit zusammengesetzt ist. Am leichtesten erh\u00e4lt man solches Licht, wenn man Sonnenlicht durch die gew\u00f6hnlichen violettgef\u00e4rbten Gl\u00e4ser gehen l\u00e4sst, Diese Gl\u00e4ser absorbiren die mittleren Strahlen des Spectrum ziemlich vollst\u00e4ndig, und lassen nur die \u00e4ussersten Farben Roth und Violett hindurch. Will man mit Lampenlicht experimentiren, welches wenig blaue und violette Strahlen enth\u00e4lt, so wendet man besser die gew\u00f6hnlichen blauen (durch Kobalt gef\u00e4rbten) Gl\u00e4ser an, welche ebenfalls vom Orange, Gelb und Gr\u00fcn nur wenig, reichlich dagegen das \u00e4usserste Roth, das Indigblau und Violett hindurchlassen.\nMan mache eine enge Oeffnung in einen dunklen Schirm, befestige hinter derselben ein gef\u00e4rbtes Glas von der erw\u00e4hnten Art, und stelle ein Licht dahinter, dessen Strahlen durch das Glas und die Oeffnung iu das Auge des Beobachters fallen. Die Oeffnung im Schirme k\u00f6nnen wir unter diesen Umst\u00e4nden als einen leuchtenden Punkt, der rothe und violette Strahlen aussendet, betrachten. Dem Beobachter erscheint dieser Punkt in verschiedener Weise, je nach der Entfernung, f\u00fcr welche sein Auge accommodirt ist. Ist es f\u00fcr die rothen Strahlen accommodirt, so geben die violetten einen Zerstreuungskreis,\n1 Comptes rendus. T. XXIV. p. 87;>.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 13.\nund es erscheint ein rother Punkt mit violettem Lichthofe. Oder das Auge ist f\u00fcr die violetten Strahlen accommodirt, dann geben die rothcn einen Zerstreuungskreis, und es erscheint ein violetter Punkt mit rothem Hofe. Auch ist ein Re-fractionszustand des Auges m\u00f6glich, wobei der Vereinigungspunkt der violetten Strahlen vor, der der rothen hinter der Netzhaut liegt, und beide gleich grosse Zerstreuungskreise geben. Nur in diesem Falle erscheint der Lichtpunkt einfarbig. Bei diesem Refractionszustande des Auges w\u00fcrden diejenigen einfachen Strahlen auf der Netzhaut vereinigt werden, deren Brechbarkeit die Mitte zwischen der der'rothen und violetten h\u00e4lt, also die gr\u00fcnen.\nDeshalb geben diese Gl\u00e4ser ein Mittel von ziemlich grosser Empfindlichkeit ab, um die Entfernungen zu bestimmen, innerhalb welcher das Auge sich f\u00fcr die mittleren Strahlen des Spectrum accommodiren kann. Das sind n\u00e4mlich die Entfernungen, innerhalb welcher das Auge das gemischte roth-violette Licht einfarbig sehen kann. Die Farbendifferenz der R\u00e4nder wird sehr leicht bemerkt, auch von einem Unge\u00fcbten, viel leichter als die Ungenauigkeit eines weissen Bildes. Ist das Auge f\u00fcr Licht jeder Brechbarkeit auf gr\u00f6ssere Entfernungen als die des leuchtenden Punktes accommodirt, so geben die rothen Strahlen einen gr\u00f6sseren Zerstreuungskreis als die violetten, es erscheint also eine violette Scheibe mit rothem Saum. Ist das Auge f\u00fcr beide Farben auf kleinere Entfernungen als die des leuchtenden Punktes eingestellt, so erscheint umgekehrt ein rother Zerstreuungskreis mit blauem Saume.\nAehnliche Erscheinungen wie die der roth-violetten Gl\u00e4ser treten \u00fcberall ein. wo ein Gegenstand zweierlei Arten verschiedenfarbigen Lichts von sehr unterschiedener Brechbarkeit aussendet. Sehr auffallend zeigen sie sich zum Beispiel auch bei den Versuchen \u00fcber Mischung von Spectralfarben, welche ich sp\u00e4ter bei der Lehre von der Farbenmischung beschreiben werde.\nBei weisser Beleuchtung tritt nat\u00fcrlich ebenfalls eine Zerlegung des zusammengesetzten einfachen Lichts ein, aber sie ist unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden wenig merklich. Die Beobachtung lehrt in dieser Beziehung, dass weisse Fl\u00e4chen, welche weiter entfernt als der Accommodationspunkt des Auges liegen, mit einem schwachen blauen Rande umgeben erscheinen, weisse Fl\u00e4chen, welche n\u00e4her als der Accommodationspunkt liegen, mit einem schwachen rothgelben Rande, weisse Fl\u00e4chen dagegen, f\u00fcr welche das Auge genau accommodirt ist, lassen keine farbigen R\u00e4nder sehen, so lange die Pupille vollst\u00e4ndig frei ist, zeigen aber solche R\u00e4nder, sobald man dicht vor das Auge den Rand eines undurchsichtigen Blattes schiebt, und dadurch der einen H\u00e4lfte der Pupille das Licht abschneidet. Und zwar erscheint die Grenze zwischen einem weissen und schwarzen Felde gelb ges\u00e4umt, wenn man das Blatt von der Seite her vor die Pupille schiebt, wo das schwarze Feld liegt, blau ges\u00e4umt dagegen, wenn man es von der Seite des weissen Feldes her vorschiebt.\nDie eben beschriebenen Farbenzerstreuungserscheinungen im menschlichen Auge erkl\u00e4ren sich sehr leicht aus dem Umstande, dass der hintere Brennpunkt der violetten Strahlen vor dem der rothen liegt.\nEs sei Fig. 61 A der leuchtende Punkt, bx die vordere Hauptebene des Auges, v der Vereinigungspunkt der violetten, r der der rothen Strahlen, cc die","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 13.\nERSCHEINUNGEN VON FARBENZERSTREUUNG.\n129\nEbene, in welcher sich die \u00e4ussersten rothen Strahlen des gebrochenen Strahlenkegels b, k, r und die \u00e4ussersten violetten b1 b2 v schneiden. Der Anblick der Figur ergiebt sogleich,\t\u2022\tc\ndass, wenn die Netzhaut vor der Ebene j c c sich befindet, d. h. wenn das Auge fiir fernere Gegenst\u00e4nde als A accommodirt ist, sie am Rande des Strahlenkegels nur von rothem Lichte, in der Axe aber von gemischtem getroffen werde. Steht sie in der Ebene c c, ist das Auge also fiir das Licht mittlerer Brechbarkeit von A accommodirt, so wird sie \u00fcberall von gleichm\u00e4ssig gemischtem Lichte getroffen. Endlich, wenn die Netzhaut sich hinter der Ebene cc befindet, das Auge also fiir n\u00e4here Gegenst\u00e4nde als A accommodirt ist, so trifft sie am Rande des Strahlenb\u00fcndels nur violettes, in der Mitte gemischtes Licht,\nIst das Auge f\u00fcr A accommodirt, befindet sich die Netzhaut also in der Ebene cc, und wird der untere Theil der Apertur bx b2, durch welche der Strahlenkegel einf\u00e4llt, bis f hin verdeckt, so fallen die violetten Strahlen zwischen b2v und fv, sowie deren Verl\u00e4ngerungen zwischen v m;, und v r fort, und die rothen zwischen b2 r und fr. Es verschwindet dann also in der Ebene cc oberhalb der Axe das violette, unterhalb der Axe das rothe Licht, und es wird sich auf der Retina statt des Bildes des Punktes A ein kleiner oben rother, unten violetter Zerstreuungskreis bilden.\nBefindet sich in A statt eines einzelnen leuchtenden Punktes eine gleichm\u00e4ssig rothes und violettes Licht aussendende Fl\u00e4che, deren Bild auf der Retina entworfen wird, so wird gleichzeitig ein rothes und ein violettes Bild der Fl\u00e4che entworfen werden, von denen mindestens eines ein Zerstreuungsbild sein muss. Zerstreuungsbilder von Fl\u00e4chen haben, wie in \u00a7. M auseinandergesetzt ist, in ihrer Mitte, wo die Zerstreuungskreise der Punkte des Randes nicht hinreichen dieselbe Helligkeit wie ein scharfgesehenes Bild. Ihre R\u00e4nder sind dagegen verwaschen und fliessen so weit \u00fcber das Bild der Umgebung \u00fcber, als die Zerstreuungskreise der Randpunkte reichen. Wenn sich nun ein rothes und ein violettes Bild einer Fl\u00e4che decken, so wird sich in der Mitte, so weit beide die normale Helligkeit haben, die Mischfarbe zeigen, an den R\u00e4ndern aber diejenige Farbe allein erscheinen, deren Zerstreuungskreise die gr\u00f6ssten sind, f\u00fcr welche also der Rand des Bildes am weitesten \u00fcber die Umgebung greift.\nWird das Bild der Fl\u00e4che in der Ebene c c aufgefangen, wo die rothen und violetten Zerstreuungskreise gleich gross sind, so werden die Farben bis zum Rande gleichm\u00e4ssig gemischt sein. Zerstreuungsbilder verschieben sich aber scheinbar, wie wir aus \u00a7. 11 wissen, wenn man einen Schirm vor die Pupille schiebt, und zwar nach entgegengesetzten Richtungen, wenn sie, wie in unserem Falle das rothe und violette, das eine durch zu nahe, das andere durch zu weite Accommodation entstehen. Daher h\u00f6rt die Congruenz der farbigen Bilder auf, und es werden farbige R\u00e4nder sichtbar.\nEncyklop. (1. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\nFig. 61.\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 13.\nF\u00fcr das rothe Licht verh\u00e4lt sich die Fl\u00e4che wie ein Gegenstand, der dem Auge zu nahe ist ; eiii solcher bewegt sich dem die Pupille verdeckenden Schirme scheinbar entgegen. F\u00fcr das violette Licht verh\u00e4lt es sich umgekehrt. Verdeckt man also z. B. von unten her die Pupille, so verschiebt sich die rothe Fl\u00e4che scheinbar nach unten, die violette nach oben; unten wird ein rotlier, oben ein violetter Rand sichtbar. Betrachtet man eine schmale roth-violette Linie durch einen schmalen Spalt, den man vor der Pupille hin und her bewegt, so gelingt es auch leicht, das rothe von dem violetten Bilde ganz getrennt sichtbar zu machen.\nWenn von dem leuchtenden Punkte A Fig. 61 nicht bios rothes und violettes Licht, sondern aus allen Farben zusammengesetztes weisses Licht ausgeht, so schaltet sich das der \u00fcbrigen Farben zwischen dem Roth und Violett ein, und die Wirkungen der Farbenzerstreuung sind weniger auffallend, als wenn zwei Farben allein da sind. Wo wir in diesem Falle einen violetten Saum um ein purpurnes Feld hatten, erscheint jetzt das weisse Feld ges\u00e4umt mit weisslichem Blau, Indigblau, Violett, und da die weisslichen T\u00f6ne des inneren Randes dieses Saumes sich nicht merklich vom Weiss der Mitte unterscheiden, erscheint der farbige Saum \u00fcberhaupt schm\u00e4ler. Wo bei dem Versuche mit den zwei Farben ein rother Saum um das purpurne Feld erschien, haben wir jetzt um das weisse Feld herum zuerst weissliches Gelb, Orange, Roth, und wieder unterscheidet sich das weissliche Gelb fast gar nicht von dem Weiss des Grundes.\nEine besondere Betrachtung verdient die Dispersion des weissen Lichts noch f\u00fcr den Fall, wo die Netzhaut sich in der Ebene cc befindet, wo das Strahlenb\u00fcndel seinen kleinsten Durchmesser hat, Roth und Violett bilden hier gleich grosse Zerstreuungskreise. Das mittlere Gr\u00fcn ist ganz in der Axe concentrirt, die \u00fcbrigen Farben bilden kleinere Zerstreuungskreise. Der Zerstreuungskreis auf der Retina w\u00fcrde also am Rande gemischt aus Roth und Violett, d. h. purpur-roth, in der Mitte gr\u00fcnlich erscheinen m\u00fcssen. Indessen ist davon im Auge nichts zu sehen. Es sind n\u00e4mlich gerade die lichtst\u00e4rksten Farben Gelb und Gr\u00fcn bei dieser Stellung der Retina fast genau in einen Punkt vereinigt, und der purpurne Rand ist zu schmal und verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig zu lichtschwach, um wahrgenommen zu werden.\n\u00fcebrigens kann man alle die beschriebenen Erscheinungen ganz ebenso wie bei dem Auge, nur noch augenf\u00e4lliger, an einem nicht achromatisirten Fernrohr wahrnehmen, wenn man eine st\u00e4rkere Vergr\u00f6sserung mit demselben erzeugt, als mit der Deutlichkeit des Bildes vertr\u00e4glich ist. In einem solchen Fernrohre wird das von der Objectivlinse entworfene Bild nicht auf einem Schirme aufgefangen, wie im Auge auf der Netzhaut, sondern durch die vergr\u00f6ssernden Ocularlinsen vom Beschauer betrachtet. Eine Vergr\u00f6sserung des vom Objectiv-glase entworfenen Bildes muss man aber anwenden, weil sonst die Farbens\u00e4ume meist zu schmal sind, um deutlich gesehen zu werden. Auch hier sieht man, wenn das Fernrohr f\u00fcr einen entfernteren Gesichtspunkt eingerichtet ist, weisse Fl\u00e4chen roth und gelb ges\u00e4umt, ist es f\u00fcr einen n\u00e4heren eingestellt, dagegen blau ges\u00e4umt. Bei der Einstellung, welche die sch\u00e4rfsten Bilder giebt, erscheinen dagegen sehr schmale purpurne R\u00e4nder. Verdeckt man eine H\u00e4lfte des Objectivs, so erscheinen an gegen\u00fcberliegenden R\u00e4ndern der weissen","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 13.\n\u00abROSSE DER CHROMATISCHEM ZERSTREUUNGSKREISE.\n131\nFl\u00e4chen blaue und gelbe R\u00e4nder u. s. w., ganz wie unter analogen Verh\u00e4ltnissen im Auge.\nUm die Gr\u00f6sse der durch Dispersion im Auge erzeugten Zerstreuungskreise zu berechnen, k\u00f6nnen wir Listing\u2019s reducirtes Auge und darin Wasser als brechende Fl\u00fcssigkeit zum Grunde legen, da nach Fraunhofer\u2019s Messungen die farbenzerstreuende Kraft eines solchen Auges von der des menschlichen wenig abweichen w\u00fcrde. Es verh\u00e4lt sich (Fig. 61)\nY Y ____ 8 r ___ 5 t;\nWK ~~ fr \u2014 fv\u2019\nY\t\u00cf \u2022 fr \u2014 bi bz \u25a0 hr\nY\tY \u25a0 fv \u2014 bj b2 \u2022 8 v.\nalso ist\nBeides addirt\ngiebt\nY y [fr -+- fv] \u2014\nYY =\nbi b3 \u25a0 [8 r bi b2 [fr -\nb, b.2 /V\n4- 8 t\u2019J fr) fv\nfr-hfv\nSetzen wir 6, b2, entsprechend dem mittleren Durchmesser der Pupille normaler Augen, gleich 4 Mm., und setzen, wie oben gefunden ist,\nfr = 20,574 Mm. fv = 20,140 Mm., so wird YY = 0,0426 Mm.\nNach der in \u00a7. 11 gegebenen Tafel f\u00fcr die Gr\u00f6sse der Zerstreuungskreise von Objecten, f\u00fcr welche das Auge nicht accommodirt ist, w\u00fcrde daher der Durchmesser y Y der durch die Dispersion bedingten Zerstreuungskreise ebenso gross sein, wie der, den ein leuchtender Punkt in 1,5 Meter (i3/4 Fuss) Entfernung in einem f\u00fcr unendliche Entfernung acconnnodirten Auge giebt. Eine solche Abweichung der Accommodation giebt bei der Betrachtung feinerer Gegenst\u00e4nde schon eine recht merkliche Ungenauigkeit des Bildes, wie man bei Anstellung eines entsprechenden Versuches leichterkennt. Um zu erkl\u00e4ren, warum die Dispersion des weissen Lichts im Auge trotz der gleichen Gr\u00f6sse der Zerstreuungskreise keine merkliche Ungenauigkeit des Bildes hervorbringt, muss man nicht blos die Gr\u00f6sse der Zerstreuungskreise, sondern auch die Vertheilung des Lichts in denselben ber\u00fccksichtigen.\nWenn ein Lichtkegel von einem einfarbig leuchtenden Punkte in das Auge f\u00e4llt, und die Netzhaut sich vor oder hinter dem Vereinigungspunkte der Strahlen befindet, so wird ein Zerstreuungskreis gebildet, der in allen seinen Theilen gleiche Helligkeit hat.\nWenn dagegen das Auge von einem Kegel weissen Lichts getroffen wird, und sich im Vereinigungspunkte der gr\u00fcngelben Strahlen, welche die lichtst\u00e4rksten sind, befindet, so werden diese auf einen Punkt der Netzhaut vereinigt, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen Strahlen Zerstreuungskreise bilden, welche um so gr\u00f6sser werden, je mehr ihre Brechbarkeit von der der mittleren Strahlen abweicht.\nW\u00e4hrend also der Mittelpunkt des beleuchteten Kreises von Strahlen aller Art gleichzeitig getroffen wird, und namentlich auch von den lichtstarksten und am meisten concentrirten Strahlen, fallen auf die dem Bande n\u00e4her liegenden Theile des Kreises nur Strahlen von den \u00e4ussersten Farben des Spectrums, welche erstens an und f\u00fcr sich schon lichtschw\u00e4cher sind als die mittleren, und zweitens dadurch, dass sie ihr Licht \u00fcber gr\u00f6ssere Zerstreuungskreise vertheilen, noch mehr geschw\u00e4cht sind. Die Rechnung ergiebt, dass unter diesen Umst\u00e4nden die Helligkeit im Mittel-\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIK DES AUGES.\n\u00a7\u2022 4 3.\npunkte des Zerstreuungskreises unendlich gross sein muss gegen alle anderen Punkte des Kreises.\nDa wir f\u00fcr das Gesetz der Helligkeit der einzelnen Farben des Spectrums noch keinen mathematischen Ausdruck angeben k\u00f6nnen, wollen wir die Rechnung unter der Annahme durchf\u00fchren, dass alle Farben des Spectrums gleiche Helligkeit haben. Dabei werden wir allerdings die Helligkeit der R\u00e4nder der Zerstreuungskreise gr\u00f6sser finden, als sie in Wahrheit ist, aber es wird sich auch unter dieser f\u00fcr unseren Zweck ung\u00fcnstigen Annahme zeigen, warum die durch Farbenzerstreuung bedingten Zerstreuungskreise eine weit geringere Undeutlichkeit des Hildes geben, als die durch mangelnde Accommodation bedingten von gleicher Gr\u00f6sse.\nBerechnung der Helligkeit in einem durch Dispersion erzeugten Zerstreuungskreise eines einzelnen leuchtenden Punktes.\nEs sei in Fig. 62 b b die Hauptebene des reducirten Auges vom Radius R ; in ihr m\u00f6ge, wie das beim Auge nahehin der Fall ist, die Blendung liegen, welche\ndas Strahlenb\u00fcndel begrenzt, so dass b b ein Durchmesser der Blendung ist, deren Halbmesser wir in der Rechnung mit b bezeichnen wollen. Die Strahlen, welche in das Auge fallen, m\u00f6gen parallel sein. Es sei ferner v der Brennpunkt f\u00fcr die \u00e4ussersten violetten, io der f\u00fcr die \u00e4ussersten rothen Strahlen. Diese \u00e4ussersten Strahlen schneiden sich in g, so dass g g der Durchmesser des ganzen Zerstreuungskreises und h sein Mittelpunkt ist. Die Netzhaut muss sich in der Ebene g g befinden, wenn sie aufnehmen soll. Das Brechungsverh\u00e4ltniss der mittleren Strahlen, nennen wir N, ihre Brennweite a h sei F. Dann ist nach\ndas deutlichste Bild die sich in h vereinigen\n9 Gleichung 3 a)\nNR N\u2014 \\\nla).\nDas Brechungsverh\u00e4ltniss irgend einer anderen Art von Strahlen, welche ihren Brennpunkt in x haben, sei n, die zugeh\u00f6rige Brennweite ax gleich f. Dann ist\n,, n R )\nI \u2014 ^-77\t........................1b).\nDen Radius des Zerstreuungskreises, den diese Strahlen geben, h y nennen wir p. Er ist gegeben durch die Gleichung\n1 \u2014 t'\u2014P\nb\tf \u2019\nwenn f^> F, also n<^N, oder durch\nwenn f <^F, also n N. so erhalten wir\nwenn n <; JV, und\nwenn n > N.\np _ l=L\nb f. \u2019\nSetzen wir hierin die Werthe von F und f aus I a) und i b).\np N-\u2014 n\n~b ~ n ( AT\u2014 1)\np n \u2014 N\nb n (N\u2014 \\)\n2 a),\n2b),","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 13.\nUNDEUTLICHKEIT WEGEN FARBENZERSTREUUNG.\n133\nDie Helligkeit H nun, mit welcher die Farbe von dem Brechungsverh\u00e4ltniss n die Netzhaut beleuchtet, ist\nH\n=\nP2\n3),\nwenn wir die Helligkeit mit A bezeichnen, mit welcher das betreffende Licht die\nFl\u00e4che hb beleuchtet. Setzen wir in 3) statt \u2014 seinen Werth aus 2 a) oder 2 b), so\np\nerhalten wir \u00fcbereinstimmend :\nIl \u2014 A\nn2 (N\u2014 1)2 (n \u2014 N)2\n3 a).\nDie Helligkeit J irgend eines Punktes im Zerstreuungskreise wird nun werden\nJ \u2014\nA\nIl d n\n4),\nwobei wir das Integral \u00fcber alle diejenigen Werthe von n auszudehnen haben, deren zugeh\u00f6rige Farben auf jenen Punkt fallen.\nIn dem Ausdrucke f\u00fcr II ist der Factor A in Wirklichkeit eine Function von n, deren mathematischen Ausdruck wir aber nicht kennen. Der Factor n~ ver\u00e4ndert in der ganzen Ausdehnung des Spectrums seinen Werth sehr wenig. Wir wollen deshalb setzen\nAn2(N \u2014 I)2 = B\nund B als constant ansehen, d. h. annehmen, dass die Helligkeit der Speetralfarben durch die ganze Ausdehnung des Spectrums nahehin constant sei, und nur wenig vom rothen zum violetten Ende hin abnehme. Diese Annahme ist f\u00fcr unseren Zweck jedenfalls ung\u00fcnstiger als die Wirklichkeit. Dann wird nach 4)\nB d n\nJ =\nJ (N\n4 a)\n(N\u2014n)2\nzwischen den geh\u00f6rigen Grenzen genommen. Es fallen aber auf jeden Punkt des Zerstreuungskreises erstens Strahlen von dem rothen und zweitens Strahlen von dem violetten Ende des Spectrums. Die Grenzen der Brechbarkeit f\u00fcr die ersteren seien nt und n2, so dass\nN > m2 > \u00abj,\ndie Grenzen f\u00fcr die letzteren seien n3 und n4, so dass\n\u00ab4 > \u00ab3 > Ar-\nDann wird die Gleichung 4 a)\nB\nB\nn,\nA\nd n\n(N\u2014n)*\n+ B\njl'i\nr di\nJ (N \u2014\n\u25a0 n)2\n\\\nI\nN\u2014 n~\nN-\nN-\niV\u2014 n.\n\\\n41.)\nIst nun p0 die Entfernung des Punktes, dessen Helligkeit wir bestimmen wollen, vom Mittelpunkte des Zerstreuungskreises, so wird dieser Punkt von allen denjenigen Farben getroffen, f\u00fcr welche die Radien der Zerstreuungskreise gr\u00f6sser sind als p0, also zwischen p0 und r liegen. Nun ist f\u00fcr die weniger brechbaren Farben, wenn wir aus Gleichung 2 a) den Werth von N\u2014n bestimmen,\n1\t1\t1\tb\nN\u2014n \u2014 N + N(N\u2014\\) ' p'","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 13.\nF\u00fcr % ist p \u2014 r, f\u00fcr \u00ab2 ist p = p0, also\n'I\t1\tI\tb\t\\\nN\u2014 Mj\t__\tN\t+\t(N \u2014\tI)\tN\t'\tr\t(\n1\tI\tt\t1\th\t|\nN \u2014 n2\tN\t{N \u2014 I ) N po )\nF\u00fcr die Bestimmung von n3 und \u00ab4 m\u00fcssen wir den Werth Gleichung 2 b) entnehmen.\n1\t__ 1\tI b\nN\u2014n N N (.N\u2014 1) p '\nF\u00fcr n = n4 wird p \u2014 r, und f\u00fcr n \u2014 n3 wird p = p0, also\n-1__ ___ \\__________\\ b_ \\\nN \u2014 n4\tN\tN {N \u2014 I) r I\n\\\tI\t1\tb\tl\t'\niV \u2014\u00ab3\t\u201c\tN\t~\tjV (N \u2014\tI)\t'\tp^\t)\n4 c).\nvon N\u2014 n aus\nid).\nSetzen wir die Werthe aus 4 c) und 4 d) in 4 b), so erhalten wir endlich\n2 B 1 b b )\t)\n_ N(N\u2014 1)\t_ r| i.........................3)-\nDieser Werth von J wird in der Mitte des Zerstreuungskreises f\u00fcr p0 = 0 unendlich gross, am Rande, wo p0 = r, gleich 0.\n^4\nBerechnung der Helligkeit am Rande einer gleichm\u00e4ssig erleuchteten Fl\u00e4che. Es sei in Fig. 65 AB die Grenzlinie der leuchtenden Fl\u00e4che, und\nangenommen, dass jeder Punkt derselben als Zerstreuungskreis erscheine. Es sei ferner p der Punkt, dessen Helligkeit bestimmt werden soll, und pq~r der Radius der Zerstreuungskreise. Es wird auf p Licht gelangen aus allen denjenigen Punkten der Fl\u00e4che, welche innerhalb des mit dem Radius r um p geschlagenen Kreises liegen. Wenn s einer dieser Punkte ist, und wir die L\u00e4nge sp mit p, den Winkel spq mit m, und die Helligkeit des Zerstreuungskreises eines einzelnen Punktes in der Entfernung p vom Centrum mit J bezeichnen, so wird die Helligkeit II im Punkte p werden :\nH \u2014 J\u00e7 du dp\n6),\nFiQ- 63-\tdieses Integral ausgedehnt \u00fcber alle Theile der Fl\u00e4che,\nwelche innerhalb des um p geschlagenen Kreises liegen. Wenn der Rand der Fl\u00e4che eine gerade Linie und der Abstand des Punktes s von diesem Rande gleich x ist, so ist f\u00fcr die am Rande gelegenen Punkte der Fl\u00e4che\np cos w = cc,\nund wenn wir den Ausdruck f\u00fcr II zuerst nach o integriren, und aus der letzten Gleichung den Werth f\u00fcr die Grenzen von o entnehmen,\n6 a).","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 13.\nUNDEUTLICHKEIT WEGEN FARBENZERSTREUUNG.\n135\nWenn die Zerstreuungskreise durch unpassende Accommodation entstehen, k\u00f6nnen wir J als unabh\u00e4ngig von p betrachten und erhalten dann :\nH\narc. cos I \u2014\n(\")\nX\nV :\n\u25a0 X*\n7),\nwelche Gleichung f\u00fcr diesen Fall die Helligkeit in der N\u00e4he des Randes der Fl\u00e4che als Function des Abstandes vom Rande giebt. F\u00fcr x = r wird H = 0, f\u00fcr x \u2014 \u2014r wird H =./ r- ~ und geht hier in die constante Helligkeit der Fl\u00e4che \u00fcber.\nWenn die Zerstreuungskreise durch Dispersion entstanden sind, k\u00f6nnen wir in Gleichung 6a) den Werth von J aus Gleichung 5) setzen, und erhalten durch Ausf\u00fchrung der Integration :\nH ;\n2 Bb\nN (N\u2014 I )\nr arc. cos\n\u00a9\nX\n-Vr\n-x\u201c\nx log. nat (\u2014 V-\n- Vr2\n-x\n- V i\n-x\nr)\n8).\nF\u00fcr x~r wird H\u20140, f\u00fcr x\u2014 \u2014 r wird\n2 B b r re H = N (N\u2014 I)\nund geht hier in die constante Helligkeit des mittleren Theils der Fl\u00e4che \u00fcber.\nUm den Gang dieser Functionen \u00fcbersichtlicher darzustellen, habe ich in Fiy. 6i die beiden Curven construirt. A entspricht der Gleichung 7), B der Gleichung 8).\nFig. 6t.\nIn beiden sind die Werthe von x in horizontaler, die Werthe der Helligkeit II in verticaler Richtung aufgetragen. Die Ordinate a b entspricht der Helligkeit in der Mitte der Fl\u00e4che, c bezeichnet den Ort des Randes, so dass die Linie a de die Helligkeit eines ganz scharfen Bildes bezeichnen w\u00fcrde. Die Grenzen des Zerstreuungskreises von c sind b und g. Die Curve B zeichnet sich dadurch vor der anderen aus, dass sie in ihrer Mitte bei f, entsprechend dem wirklichen Orte des Randes, ganz senkrecht abf\u00e4llt. Es wird hier f\u00fcr x = 0 n\u00e4mlich der Differentialquotient\ndH d b\n%Bb\nN {N\u2014 1)\n\u2014 x1 + log. nat.\nr \u2014 Vr2 \u2014 x2\u2018 1 r -+- V \u00ee\u20192 \u2014\t-\n9)\nunendlich gross. Dieser pl\u00f6tzliche Abfall der Helligkeit am Rande der Fl\u00e4che macht f\u00fcr das Auge die Lage des Randes erkennbar, wenn auch eine gewisse Menge Licht sich noch weiter verbreitet, w\u00e4hrend in der Curve A die Abnahme der Helligkeit ziemlich gleichm\u00e4ssig stattfindet, und der Ort des Randes durch kein besonderes Kennzeichen ausgezeichnet ist.\nWenn man die nach den Enden des Spectrums abnehmende Helligkeit der Farben","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nERSTER. ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 13.\nin Rechnung ziehen k\u00f6nnte, so w\u00fcrde die Curve B etwa die Form der punktirten Linie bekommen m\u00fcssen. Die Helligkeit innerhalb der Grenzen der Fl\u00e4che w\u00fcrde sich der normalen noch mehr n\u00e4hern, und ausserhalb dieser Grenzen w\u00fcrde sie noch geringer werden.\nAus diesen Verh\u00e4ltnissen erkl\u00e4rt es sich, warum die Farbenzerstreuung der Bilder im Auge der Sch\u00e4rfe des Sehens so wenig Eintrag thut. Ich habe mir Linsen zusammengestellt, welche im Stande waren, das Auge achromatisch zu machen, aber nicht gefunden, dass die Sch\u00e4rfe des Gesichts dadurch merklich erh\u00f6ht wurde. Ich fand zu dem Ende eine concave Flintglaslinse von 15,4 Mm. Brennweite, von einem Objectivglase eines Mikroskops genommen, passend. Diese setzte ich zusammen mit convexen Crownglaslinsen, so dass dadurch ein System von etwa 3ya Fuss negativer Brennweite entstand, wie es f\u00fcr mein Auge passte, um ferne Gegenst\u00e4nde gut zu erkennen. Wenn ich durch dieses System sah, und die halbe Pupille verdeckte, entstanden keine farbigen R\u00e4nder an der Grenze dunkler und heller Gegenst\u00e4nde mehr. Ebenso wenig entstanden dergleichen bei unpassender Accommodation des Auges, so dass das Auge durch dieses Linsensystem wirklich achromatisch gemacht war. Ich konnte aber nicht finden, dass die Sch\u00e4rfe des Sehens in irgend merkbarer Weise zugenommen hatte.\nNewton kannte schon die Farbenzerstreuung im Auge; er erw\u00e4hnt die Farbenr\u00e4nder, welche bei halbverdeckter Pupille erscheinen Es ist bekannt, dass Newton, weil er irr-th\u00fcmlich voraussetzte, die Dispersion aller durchsichtigen Mittel sei ihrer Brechkraft proportional, zu dem Schl\u00fcsse kam, dass es keine achromatischen Linsensysteme geben k\u00f6nne. Wunderlicher Weise fand Euleb 2 in dieser Beziehung das Richtigere, indem er jedoch dabei von der anderen falschen thats\u00e4chlichen Voraussetzung ausging, dass das Auge achromatisch sei, und daraus folgerte, dass Newton\u2019s Annahme \u00fcber die Dispersion falsch sein m\u00fcsse. Ihm widersprach in dieser Beziehung d\u2019Alejibebt 1 2 3, indem er nachwies, dass im Auge die Farbenzerstreuung. nicht merklich zu werden brauche, selbst wenn sie ebenso gross wie in Glasern sei. Ebenso widersprach Dollond 4 5 * *, welcher behauptete, dass trotz der Anwendung verschiedener brechender Substanzen im Auge es nicht achromatisch sein k\u00f6nne, da alle einzelnen Brechungen der Lichtstrahlen nach der Axe zu gingen. Wenn wir die bisher stets durch die Erfahrung best\u00e4tigte Thatsache als allgemeing\u00fcltig ansehen, dass bei jeder Brechung des Lichts an der Grenzfl\u00e4che von beliebigen zwei Substanzen die violetten Strahlen st\u00e4rker gebrochen werden als die rothen, so ist Dollond\u2019s Beweisf\u00fchrung g\u00fcltig. Dann muss n\u00e4mlich im Auge jedenfalls bei jeder Brechung das violette Licht sich der Axe mehr n\u00e4hern als das rothe. Maskelyne 6 hat auch Messungen der Farbenzerstreuung gemacht und gefunden, dass das Intervall der Brennpunkte 0,02 Zoll (0,61 Alm.) betrage, was einem Gesichtswinkel von 15 Sec. entspreche, w\u00e4hrend man in Fernrohren sie noch bis zu einem Gesichtswinkel von 57 Sec. zul\u00e4ssig linde. J\u00fcrin 6 hat die farbigen R\u00e4nder unbestimmt gesehener Objecte bemerkt. Wollaston 7 machte auf das eigenth\u00fcmliche Aussehen des prismatischen Spectrums aufmerksam, welches von der Unf\u00e4higkeit des Auges, sich f\u00fcr alle Farben gleichzeitig zu accom-modiren, herr\u00fchrt. Eine vollst\u00e4ndige Theorie der Erscheinungen bei halbverdeckter Pupille gab Mollweide 8 * 10, eine vollst\u00e4ndige Bearbeitung s\u00e4mmtlicher hierher geh\u00f6rigen Erscheinungen Toubtual. Die ersten genauen Messungen der Farbenzerstreuung des Auges .stellte Fbaun-hofeb 9 an, mit Ber\u00fccksichtigung der von Wollaston und ihm entdeckten festen Linien im Spectrum, sp\u00e4tere Mattiiiessen lu.\nTrotz aller dieser Untersuchungen hielten manche Naturforscher doch bis in die letzte\n1\tOptice. Lib. I. P. II. Prop. VIII.\n2\tJournal Encyclop. 176S. II. p. 146. \u2014 Man. de l\u2019Acad. de Berlin. 1747.\n3\tMem. de l\u2019Acad. de Paris. 1767. p. 81.\n4\tPhilos. Trans. T. LXXIX. p. 256.\n5\tPhilos. Trans. LXXIX. 258.\n* Smith\u2019s Optics. 96.\n1 Philos. Trans. 1801. P. I. p. 50.\n8 Gilbert\u2019s Annalen. XVII. 328. XXX. 220.\n8 Gilbert\u2019s Annalen. LVI. 304. \u2014 Schuiimacher\u2019s astronom. Abhandlungen, lieh II. 8. 39.\n10 Comptes rendus. XXIV. 875.","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"BEGRIFF DER MONOCHROMATISCHEN ABWEICHUNG.\n\u00a7. 14.\n137\nZeit die Idee von der absoluten Vollkommenheit des Auges und somit auch seiner mehr oder weniger vollkommenen Achromasie fest, wie Forbes Vall\u00e9e 1 2.-\n1704. J. Newton Optics. B. I. P. II. Prop. VIII*.\n1747. L. Euler Mein, de Berlin. 1747. p. 285. \u2014 1753. p. 249. \u2014\u2022 1754. p. 200.\n1767. d\u2019Alembert Mem. de l\u2019Acad. de Paris. 1767. p. 8 i *.\n1789. Maskelyne Phil. Trans. LXXIX. 256*.\n1798. Comparetti observationes de coloribus apparentibus. Patavini.\n1801. Tii. Young Phil. Trans. 1801. P. I. p. 50*.\n1805. Mollweide in Gilbert\u2019s Annalen. XVII. 328. u. XXX. 220.\n1814. \u2018Fraunhofer in Gilbert\u2019s Annalen. LVI. 304. \u2014 Sciiuhmacher\u2019s astronom. Abhandlungen. Altona 1823. Heft II. S. 39.\ti\n1826. J. M\u00fcller zur vergl. Physiol, des Gesichtssinns. Leipzig. S. 195. 414*.\n1830. * Tourtual \u00fcber Chromasie des Auges. Meckel\u2019s Archiv. 1830. S. 129*.\n1837. Mile Poggd. Ann. XL1I. 64.\n1847. A. Matthiessen Comptes rendus. XXIV. 875; Institut. No. 698. p. 162; Poggendorff\u2019s Ann. LXXI. 578*; Froriep\u2019s Notizen. III. 341; Archive d. sciences phys. et natur. V. 221; Berl. Berichte. 1847. S. 183*.\nL. L. Vall\u00e9e Comptes rendus. XXIV. 1096; Berl. Ber. 1847. S. 184*.\n1849. J. D. Forbes Proceed. Edinburgh Roy. Soc. Dech. 3. 1849. p. 251; Silliman\u2019s Journ.\n(2) XIII. 413; Berl. Ber. 1850. p. 492*.\n1852. L. L. Vall\u00e9e Comptes rendus. XXXIV. 321; Berl. Ber. 1852. S. 308*.\n\u00a7. \\ 4. Monochromatische Abweichungen.\nAusser der Ungenauigkeit des Bildchens, welche durch die ungleiche Brechung verschiedenfarbiger Lichtstrahlen bedingt ist, kommt bei den optischen Instrumenten, welche Glaslinsen mit sph\u00e4rischen Fl\u00e4chen enthalten, noch eine zweite Art der Abweichung vor, die Abweichung wegen der Kugelgestalt oder sph\u00e4rische Aberration, welche darin besteht, dass auch Lichtstrahlen von gleicher Farbe, die von einem Punkte ausgehen, von krummen Fl\u00e4chen im Allgemeinen nicht genau, sondern nur ann\u00e4hernd in einen Punkt wieder vereinigt werden. Es giebt allerdings gewisse krumme Fl\u00e4chen, welche die Lichtstrahlen, die von einem bestimmten leuchtenden Punkte ausgehen, ganz genau in einen Punkt wieder vereinigen (aplanatische Fl\u00e4chen). Es sind dies Rotationsfl\u00e4chen, deren Erzeugungscurve im Allgemeinen durch eine Gleichung vierten Grades gegeben wird. In gewissen F\u00e4llen aber, z. B. wenn der leuchtende Punkt in unendlicher Entfernung liegt, ist die Erzeugungscurve eine Ellipse. Auch kann in Systemen von kugeligen brechenden Fl\u00e4chen durch eine passende Combination der Kr\u00fcmmungsradien und Abst\u00e4nde der Fl\u00e4chen die Kugelabweichung auf ein Minimum gebracht werden. Auch solche Systeme nennt man aplanatisch. Uebrigens ist nat\u00fcrlich der Zerstreuungskreis, den da^Bild eines in der optischen Axe eines solchen Systems liegenden leuchtenden Punktes bildet, rings um die Axe symmetrisch. Er bildet einen hellen Fleck, dessen Helligkeit in der Axe am st\u00e4rksten ist, und von da nach allen Seiten hin schnell abnimmt.\nDie im Auge vorkommenden monochromatischen Abweichungen sind nicht, wie die sph\u00e4rische Aberration der Glaslinsen, symmetrisch uni eine Axe, sie siud vielmehr unsymmetrisch und von einer Art, wie sie bei gut gearbeiteten\n1\tProc. Roy. Edinb. Soc. Decb. 3. 1849. p. 251.\n2\tComptes rendus. XXIY. 1096. XXXIV. 321.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\noptischen Instrumenten nicht Vorkommen darf. Diese Art der Abweichung, f\u00fcr welche in Bezug auf Kugelfl\u00e4chen der Name sph\u00e4rische Aberration, in Bezug auf andere krumme Fl\u00e4chen der Name Abweichung wegen der Gestalt der brechenden Fl\u00e4che gebraucht wird, wollen wir, da auch die letztere Bezeichnung f\u00fcr das Auge nicht allgemein genug ist, monochromatische Abweichung nennen, da sie einfaches (monochromatisches) Licht ebenso gut betrifft, wie das zusammengesetzte weisse, und sich dadurch von der im vorigen Paragraphen behandelten chromatischen Abweichung unterscheidet.\nDie Erscheinungen sind folgende: 1) Man w\u00e4hle zuerst als Object einen sehr kleinen leuchtenden Punkt (ein mit einer Nadel gestochenes L\u00f6chelchen in schwarzem, undurchsichtigem Papier, durch welches Licht f\u00e4llt) und bringe ihn in eine etwas gr\u00f6ssere Entfernung, als die gr\u00f6sste Accommodationsdistanz betr\u00e4gt, so dass auf der Netzhaut ein kleiner Zerstreuungskreis entsteht. Man sieht alsdann statt des hellen Punktes nicht, wie es in einem schlecht eingestellten Fernrohre der Fall ist, eine kreisf\u00f6rmige Fl\u00e4che, sondern eine stralilige Figur von vier bis acht unregelm\u00e4ssigen Strahlen, welche in beiden Augen verschieden zu sein pflegt und auch f\u00fcr verschiedene Menschen verschieden ist,\nIch habe in Fig. 63 a die aus meinem rechten, in b die aus meinem linken Auge abgebildet. Die nach der Peripherie gekehrten R\u00e4nder der hellen Partien eines von weissem Lichte entworfenen Zerstreuungsbildes dieser Art sind blau ges\u00e4umt, die dem Centrum zugekehrten rothgelb. Die Figur scheint bei den meisten Menschen in der Richtung von oben nach unten l\u00e4nger zu sein als von rechts nach links. Ist das Licht schwach, so kommen nur die hellsten Stellen der Strahlenfigur zur Wahrnehmung, und man sieht mehrere Bilder des hellen Punktes, von denen gew\u00f6hnlich eines heller ist als die anderen. Ist das Licht dagegen sehr stark, l\u00e4sst man z. B. directes Sonnenlicht durch eine feine Oeffnung fallen, so fliessen die Strahlen des Sterns in einander, rings umher entsteht ausserdem ein aus unz\u00e4hligen, \u00e4usserst feinen und bunt gef\u00e4rbten Linien bestehender Strahlenkranz von viel gr\u00f6sserer Ausdehnung, den wir unter dem Namen des Haarstrahlenkranzes von dem sternf\u00f6rmigen Zerstreuungsbildc unterscheiden wollen.\nHat man die sternf\u00f6ipige Figur oder bei schw\u00e4cherem Lichte die mehrfachen Bilder des leuchtenden Punktes vor sich, und schiebt ein undurchsichtiges Blatt von unten her vor das Auge, so schwindet zuerst der scheinbar untere Theil des Zerstreuungsbildes, also der obere Theil des entsprechenden Netzhautbildchens. Schiebt man das Blatt von oben, von rechts oder links vor das Auge, so schwindet dem entsprechend immer der obere, rechte oder linke Theil des Zerstrcuungsbildes.\nAnders verh\u00e4lt sich der ausgedehntere Haarstrahlenkranz, den sehr intensives Licht erregt. Wenn man die Pupille von unten her verdeckt, verschwindet keineswegs der untere Theil dieses Kranzes, sondern nur der untere Theil des","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"STERNF\u00d6RMIGE ZERSTREUUNGSKREISE UND MEHRFACHE LINIENBILDER.\n139\n\u00a7\u2022 H.\ncentralen hellen Sterns. Die Erscheinung wird aber dadurch gest\u00f6rt und ver\u00e4ndert, dass sehr lebhafte Diffractionsbilder sich entwickeln, welche von der verengerten lind ver\u00e4nderten Gestalt der Pupille bedingt sind.\nDie strahlige Gestalt der Sterne und ferner Laternen geh\u00f6rt mit zu diesen Erscheinungen.\n2)\tIst das Auge fiir eine gr\u00f6ssere Entfernung als die des leuchtenden Punktes aceommodirt (zu welchem Zwecke man bei fernen leuchtenden Punkten eine schwache Concavlinse vor das Auge bringen kann), so erscheint eine andere strahlenf\u00f6rmige Figur (Fig. 65 c aus meinem rechten, d aus meinem linken Auge), deren gr\u00f6ssere Ausdehnung meist horizontal ist. Verdeckt man die Pupille von einer Seite her, so schwindet die entgegengesetzte Seite des vom Beobachter gesehenen Zerstreuungsbildes, d. h. die der verdeckten H\u00e4lfte der Pupille gleichseitigen Theile des Netzhautbildes. Diese Figur wird also von Strahlen gebildet, welche die Axe des Auges noch nicht geschnitten haben. Wenn sich Thr\u00e4nenfliissigkeit \u00fcber das Auge verbreitet hat, oder durch h\u00e4ufiges Blinzeln mit den Lidern Fetttr\u00f6pfchen aus den MEinoM\u2019schen Dr\u00fcsen auf die Hornhaut gekommen sind, ist die Strahlenfigur meist gr\u00f6sser, unregelm\u00e4ssiger, wird durch Blinzeln bedeutend ver\u00e4ndert, und wenn man die Pupille von der Seite her verdeckt, verschwindet dadurch nicht blos eine Seite der Strahlenfigur.\n3)\tBringt man den leuchtenden Punkt in eine solche Entfernung, dass man das Auge f\u00fcr sie accommodiren kann, so sieht man bei massigem Lichte einen kleinen rundlichen hellen Fleck ohne Unregelm\u00e4ssigkeiten. Bei st\u00e4rkerem Lichte dagegen bleibt sein Bild bei jeder Weise der Accommodation strahlig, und man findet bei allm\u00e4ligen Accommodations\u00e4nderungen nur, dass die vertical verl\u00e4ngerte Strahlenfigur, welche bei k\u00fcrzerer Sehweite vorhanden ist, sich verkleinert, rundlicher wird und dann in die horizontal verl\u00e4ngerte Strahlenfigur \u00fcbergeht, die einer gr\u00f6sseren Sehweite angeh\u00f6rt.\n4)\tWenn man eine feine Lichtlinie betrachtet, kann man sich die Erscheinungen, welche entstehen, leicht dadurch im Voraus entwickeln, dass man die strahligen Zerstreuungsbilder f\u00fcr alle einzelnen Punkte der Linie construirt denkt, die sich nun zum Theile decken. Die helleren Theile der Zerstreuungsbilder fliessen dann zu Lichtlinien zusammen, welche als mehrfache Bilder der hellen Linie erscheinen. Die meisten Augen sehen zwei, manche in gewissen Lagen f\u00fcnf oder sechs solche Doppelbilder.\nUm den Zusammenhang der Doppelbilder von Linien mit den strahligen Bildern von Punkten gleich durch den Versuch anschaulich zu machen, schneide man in ein dunkles Papierblatt eine feine gerade Spalte, und ein wenig von deren Ende entfernt, in Richtung ihrer Verl\u00e4ngerung, steche man ein rundes L\u00f6chelchen ein, wie Fig. 66 a.\nVon Ferne sehend, bemerkt man dann, dass die Doppelbilder der Linie genau denselben Abstand von einander haben, wie die hellsten Stellen der strahlenf\u00f6rmigen Zerstreuungsfigur des Punktes, und dass letztere in der Verl\u00e4ngerung der ersteren liegen, wie in Fig. 66 b , wo in der Zerstreuungsfigur des hellen Punktes nur die hellsten Theile des Sterns, Fig. 65 a, sichtbar sind.\nFia. 66.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 14.\nHierher geh\u00f6ren die mehrfachen Bilder, welche die meisten Augen von den H\u00f6rnern der Mondsichel sehen.\nAn den Grenzen heller Fl\u00e4chen, f\u00fcr welche das Auge nicht ganz vollkommen accommodirt ist, machen sich die Doppelbilder auch mitunter dadurch be-merklich, dass am Rande der hellen Fl\u00e4che der Uebergang von Helligkeit zu Dunkel in zwei oder drei Abs\u00e4tzen geschieht.\nWeitere hierher geh\u00f6rige Erscheinungen folgen unten bei der Lehre von der Irradiation.\n5) Das Auge ist im Allgemeinen nicht gleichzeitig f\u00fcr horizontale und verticale Linien, welche in gleicher Entfernung von ihm sich befinden, accommodirt. Man betrachte aufmerksam eine Anzahl gerader Linien, die sieh in einem Punkte schneiden, wie Taf. II. Fig. 3, in einer Entfernung, f\u00fcr welche man gut accom-modiren kann. Man wird bemerken, dass man sie nach einander alle scharf begrenzt und dunkel schwarz sehen kann, w\u00e4hrend man aber eine von ihnen scharf sicht, sind im Allgemeinen die anderen nicht scharf. Ist man darin ge\u00fcbt, sich der Accommodations\u00e4nderungen seines Auges bewusst zu werden, so bemerkt man, dass das Auge eine gr\u00f6ssere Sehweite annimmt, um die seinem horizontalen Durchmesser parallelen Linien deutlich zu sehen, mehr f\u00fcr die N\u00e4he dagegen accommodirt, um die senkrechten zu sehen.\nMan muss deshalb eine verticale Linie weiter vom Auge entfernen als eine horizontale, wenn man sie beide zu gleicher Zeit deutlich sehen will. Ad. Fick sah verticale Linien in 4,6 Mt, Entfernung deutlich, und zugleich horizontale in 3 Mt., ich selbst zu verticalen in 0,65 Mt., horizontale in 0,54 Mt. Entfernung.\nZeichnet man eine grosse Zahl feiner concentrischer Kreislinien in gleichen Abst\u00e4nden von einander auf Papier, wie in Taf. II. Fig. 4, und betrachtet sie in einer Entfernung, f\u00fcr die man gut accommodiren kann, so erscheinen eigen-th\u00fcmliche strahlige Scheine auf der Figur. Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass in den lichteren Radien die schwarzen und weissen Linien scharf von einander geschieden sind, dazwischen aber liegen hellgraue wolkige Stellen, in denen die schwarzen Linien mehr verwaschen erscheinen. L\u00e4sst man die Accommodation des Auges oder die Entfernung der Figur vom Auge etwas wechseln, so werden andere Stellen der Figur klar, und es entsteht dadurch der Anschein, als ob die klaren Strahlen sich sehr schnell hin und her bewegten. Richtet man das Auge f\u00fcr eine betr\u00e4chtlich weitere Entfernung ein, als in der die Figur liegt, so sieht man 8 bis IO Sectoral mit deutlichen Linien; wo diese an einander stossen, sind sie nebelig, aber man erkennt, dass die schwarzen Linien des einen Sectors nicht mit denen des n\u00e4chsten zusammenpassen. Die innersten Kreise bekommen dadurch ein seltsam verzerrtes Ansehen.\nDass die beschriebenen Erscheinungen von einer Asymmetrie des Auges herr\u00fchren, ist zun\u00e4chst klar. Ein optisches Instrument, welches um seine Axe ringsum symmetrisch gebaut ist, kann f\u00fcr einen in der Axe liegenden Lichtpunkt allerdings Zerstreuungsfiguren entwerfen, die aber selbst symmetrisch gegen die Axe und kreisf\u00f6rmig gebildet sein m\u00fcssen.\nWas zun\u00e4chst die strahlige Bildung der kleinen Zerstreuungskreise betrifft, so m\u00fcssen wir trennen, was davon dauernd ist und jeder Zeit bei reiner Horn-","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 14.\nASYMMETRIE DES AUGES.\n141\nhaut wieder erscheint, und andererseits den Theil der Erscheinung, der durch Thr\u00e4nenfluss und Blinzeln der Augenlider ver\u00e4ndert wird. Der letztere Theil r\u00fchrt offenbar her von Tropfen w\u00e4ssriger oder fetter Fl\u00fcssigkeit, oder von Unreinigkeiten, die sich auf der Hornhaut angesammelt haben. Man kann diese Erscheinungen nachahmen, wie A. Fick gezeigt hat, wenn man mit einer Glaslinse, auf deren Oberfl\u00e4che man Wassertropfen ausgebreitet hat, das Bild eines hellen Punktes entwirft.\nDergleichen verg\u00e4ngliche Erscheinungen kommen in den Strahlenfiguren meiner eigenen Augen seltener vor, vielmehr sehe ich gew\u00f6hnlich immer dieselben Figuren wieder, welche ich oben in Fig. 63 a bis d abgcbildet habe, und welche durch ihre strahlige Form wohl zun\u00e4chst an den strahligen Bau 1 2 der Linse erinnern. In der That konnte ich mich \u00fcberzeugen, dass die wesentlichsten Z\u00fcge dieser Strahlenfiguren von Unregelm\u00e4ssigkeiten der Linse herr\u00fchrten, indem ich die feine Oeffnung, durch welche das Licht fiel, sehr nahe an das Auge brachte; dann sieht man in dem Zerstreuungskreise die sogenannten entoptischen Erscheinungen, welche im n\u00e4chsten Paragraphen beschrieben werden sollen. Dort wird auch gezeigt werden, in welcher Weise man eine sichere Kenntniss von dem Orte der Objecte im Auge erhalten kann, welche diese Erscheinungen veranlassen. Es fand sich nun, dass gewisse helle und dunkle Streifen, welche dem entoptischen Bilde der Linse angeh\u00f6rten, bei allm\u00e4lig steigender Entfernung der Oeffnung vom Auge \u00fcbergingen in die hellen und dunklen Flecken und Streifen der in Fig. 63 c und d abgebildeten Sternfiguren. Abbildungen dieses Uebergangs hat schon Th. Young 2 gegeben.\nWas die zweite Klasse der oben beschriebenen Erscheinungen betrifft, welche sich auf die verschiedene Vereinigungsweite der Strahlen nach der verticalen und horizontalen Richtung beziehen, so l\u00e4sst sich deren Grund noch nicht mit gleicher Bestimmtheit angeben. Im Allgemeinen muss eine solche Art der Abweichung eintreten, so oft Licht an krummen Fl\u00e4chen gebrochen wird, deren Kr\u00fcmmung nach verschiedenen Richtungen hin verschieden ist, oder auch an Kugelfl\u00e4chen, so oft es schief auf die Fl\u00e4che f\u00e4llt. An beiderlei Ursachen kann man im Auge denken. Horizontale und verticale Meridianschnitte der brechenden Fl\u00e4chen des Auges haben vielleicht nicht dieselben Kr\u00fcmmungsradien; und wir wissen ausserdem, dass das menschliche Auge nicht ganz genau centrirt ist, und dass der Ort'des directen Sehens nicht in der Linie liegt, welche dem Begriffe einer Augenaxe am n\u00e4chsten kommt.\nAnzufiiliren ist, dass Th. Young 3, in dessen Auge die beiden Vcrcinigungs-weiten ziemlich betr\u00e4chtlich differirten, durch einen Versuch ermittelt hat, dass seine Hornhaut diese Differenz nicht bewirke. Er brachte n\u00e4mlich das Auge unter Wasser, wrobei die Brechung in der Hornhaut fast vollst\u00e4ndig aufgehoben ward, und fand, dass die Differenz der Vereinigungsweiten noch in gleichem Maasse fortbestand.\nMan kann \u00fcbrigens, wie Tff. Yodng ebenfalls bemerkt hat, diesen Fehler\n1\tS. oben Seite 24.\n2\tPhilos. Transact. 1801. I. pi. VI.\n3\tIWos. transact. 1801. P. I. p. 40.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 I i-\ndes Auges aufheben, wenn man Linsengl\u00e4ser unter einer gewissen Neigung gegen die Augenaxe vor das Auge bringt. Ich fand, dass der Versuch leicht gelingt, und dass ich es durch eine passende Haltung eines schwachen Concavglases dahin bringen konnte, ein System feiner senkrechter Linien gleichzeitig mit einem daneben befindlichen von horizontalen Linien gleich deutlich zu sehen.\nSchliesslich ist noch die unvollkommene Durchsichtigkeit der Augenmedien als Grund monochromatischer Abweichungen anzuf\u00fchren. Die Fasern der Hornhaut und Linse scheinen allerdings durch eine Zwischensubstanz von ziemlich gleichem Brechungsverm\u00f6gen verbunden zu sein, so dass bei massiger Lichtst\u00e4rke diese Theile vollkommen homogen und klar erscheinen. Wenn man aber starkes Licht durch eine Brennlinse auf sie concentrirt, wird das an den Grenzen ihrer Elementarbestandtheile reflectirte Licht stark genug, um sie weisslich triibe erscheinen zu lassen. Von dem durch sie gehenden Lichte wird also, wie dieser Versuch zeigt, ein Theil diffus zerstreut, und muss ahcli andere Theile der Netzhaut treffen, auf welche das regelm\u00e4ssig gebrochene Licht nicht f\u00e4llt. In der That bemerkt man, wenn man ein intensives Licht vor einem ganz dunklen Grunde betrachtet, den Grund mit einem nebeligen weissen Scheine \u00fcbergossen, der in der N\u00e4he des Lichts am hellsten ist. Sowie man das Licht verdeckt, erscheint der umgebende Grund in seiner nat\u00fcrlichen Schw\u00e4rze. Ich glaube diese Erscheinung durch zerstreutes Licht erkl\u00e4ren zu m\u00fcssen 1.\nIch will die Theorie der Brechung an nicht kugeligen Fl\u00e4chen und der Brechung bei schiefem Einfall an Kugelfl\u00e4chen hier nicht vollst\u00e4ndig entwickeln, weil sie vorl\u00e4ufig f\u00fcr die Untersuchung der Brechung im Auge nur von geringem Nutzen sein w\u00fcrde, solange wir nicht genauere Bestimmungen f\u00fcr die Form der brechenden Fl\u00e4chen haben. Es gen\u00fcge hier, eine derartige Brechung in zwei einfachen F\u00e4llen zu betrachten, aus denen die betreffenden Verh\u00e4ltnisse anschaulich werden.\nWir betrachten zuerst die Brechung im Scheitel eines ungleichaxigen Ellipsoides. Es sei in Fig. 67 die Linie g b eine Axe des Ellipsoides, in deren Verl\u00e4ngerung\nbei p der leuchtende Punkt liegt. Die Ebene der Zeichnung sei ein Hauptschnitt des Ellipsoides, so dass auch noch eine zweite Axe des Ellipsoides g h in dieser Ebene liegt. Da nun die Normalen solcher Punkte der ellipsoidischen Fl\u00e4che, welche in einem Hauptschnitte liegen, auch in demselben Hauptschnitte diesem Falle in der Ebene der Zeichnung. Wenn von p aus ein Strahl auf den Punkt c f\u00e4llt, so liegt der gebrochene Strahl in der durch den leuchtenden Punkt und das Einfallsloth gelegten Ebene, d. h. in der Ebene der Zeichnung, und schneidet also die Axe bg in irgend einem ihrer Punkte q. Dies w\u00fcrde nicht der Fall sein, wenn die Ebene der Zeichnung nicht eben ein Hauptschnitt w\u00e4re.\nIst ad die Normale im Punkte c, so wird die Lage des gebrochenen Strahls nun weiter durch die Bedingung bestimmt, dass\nsin [_ p c d \u2014 n sin /_ a c q -\n1 Helmholtz in Poggd. Ann. LXXXVI. 509.\nFig. 67.\nliegen, so liegen die Normalen der Curve bch in","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"BRECHUNG AN ELLIPSOIDFL\u00c4CHEN.\n143\nsei\u00bb muss, wenn n das Breehungsverh\u00e4ltniss bezeichnet. Diese Bedingung ist also dann ganz dieselbe wie f\u00fcr Rotationsfl\u00e4chen. Die nahe senkrecht bei b auffallenden Strahlen werden dann also einen gemeinschaftlichen Vereinigungspunkt in der Axe haben, dessen Entfernung von dem Kr\u00fcmmungsradius rt der Curve bch in b abh\u00e4ngt. Ist p unendlich entfernt, so ist die Vereinigungsweite der Strahlen, d. h.\ndie Brennweite in dem vorliegenden Hauptschnitte gleich - \u2014.\nn \u2014 1\nF\u00fcr die Strahlen von p, welche in dem anderen Hauptschnitte verlaufen, der durch b q und die dritte Axe gelegt ist, verh\u00e4lt sich wieder Alles ebenso, nur hat der Kr\u00fcmmungsradius im Scheitel der Fl\u00e4che einen anderen Werth rn, und die\nBrennweite der Strahlen in diesem zweiten Hauptschnitte ist gleich \u201d \" '.\nDer Strahl p q wird also von den Strahlen, die in der Ebene der Zeichnung unmittelbar neben ihm liegen, in einem Punkte, etwa q, geschnitten; von den Strahlen dagegen, die in einer durch ihn senkrecht zur Ebene der Zeichnung gelegten Ebene ihm unmittelbar benachbart sind, nicht in demselben Punkte q, sondern in einem anderen Punkte, etwa in s.\nL\u00e4sst man unter diesen Umst\u00e4nden die Strahlen von p durch eine kleine kreisf\u00f6rmige Oeffnung, deren Mittelpunkt sich in der Axe bei b befindet, auf die brechende Fl\u00e4che fallen, so ist der Querschnitt des Strahlenb\u00fcndels unmittelbar bei 6 ein Kreis, zwischen b und q eine Ellipse, deren senkrecht zur Ebene der Zeichnung gestellte Axe gr\u00f6sser ist als die in der Ebene liegende. Die Ellipse wird immer kleiner und zugleich gestreckter, je mehr wir uns dem Punkte q n\u00e4hern. In q ist der Querschnitt des Strahlenb\u00fcndels eine zur Ebene der Zeichnung senkrechte Linie. Weiterhin wird er wieder eine Ellipse, deren gr\u00f6ssere Axe senkrecht zur Ebene der Zeichnung steht, die schnell einem Kreise \u00e4hnlicher wird, ungef\u00e4hr in der Mitte zwischen q und s wirklich ein Kreis wird und sich dann in eine Ellipse verwandelt, deren l\u00e4ngere Axe in der Ebene der Zeichnung liegt, die sich gegen s hin immer mehr streckt, in s selbst sich in eine gerade Linie zusammenzieht und jenseits s allm\u00e4lig wieder breiter wird und sich immer mehr der Kreisform n\u00e4hert.\nAehnlich verh\u00e4lt es sich mit Strahlenb\u00fcndeln, welche schief auf eine kugelige Fl\u00e4che fallen. Nehmen wir an, in Fig. 67 sei bch eine Kugelfl\u00e4che und p c ein solcher schief auffallender Strahl. Wir wissen 3, dass die Strahlen, welche in der Ebene der Zeichnung unmittelbar neben c auf die Fl\u00e4che fallen, sich mit dem Strahle p c nach der Brechung nicht im Brennpunkte und in der Centrallinie p q, sondern in einem seitw\u00e4rts von der Axe liegenden Punkte der kaustischen Fl\u00e4che schneiden. Es sei dieser Punkt t. Denken wir uns dagegen die ganze Figur um die Linie ap gedreht, so tritt der Strahl p c allm\u00e4lig an die Stelle anderer Strahlen, welche mit ihm gleich weit von dem Punkte b entfernt auf die Fl\u00e4che fallen, und der gebrochene Strahl c q tritt an die Stelle der dazu geh\u00f6rigen gebrochenen Strahlen. Diese Strahlen schneiden sich also alle nur im Punkte q.\nW\u00e4hrend also die in der Ebene der Zeichnung dem Strahle p c unmittelbar benachbarten Strahlen ihn in t schneiden, schneiden ihn diejenigen benachbarten Strahlen, die vor und hinter der Ebene der Zeichnung in gleicher Entfernung von b einfallen, in q, und endlich k\u00f6nnen wir hinzusetzen, dass ihn diejenigen Strahlen, welche weder in der Ebene der Zeichnung noch in gleicher Entfernung von 6, wie bc ist, auffallen, gar nicht schneiden.\nEs ist noch zu er\u00f6rtern, inwiefern die Diffraction des Lichts in der Pupille von Einfluss auf die monochromatischen Abweichungen des Lichts sein kann. Zu-\nS. olion S. 43. Fig. 27.","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIK DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 14.\nn\u00e4chst d\u00fcrfte wohl die Frage aufgeworfen werden, ob die strahlige Form der kleinen Zerstreuungsfiguren nicht von den kleinen Einschnitten des Pupillarrandes veranlasst sei. In der That sieht man eine ausgedehntere strahlige Figur, wenn man nach einem sehr hellen Lichtpunkte durch eine Oeffnung sieht, welche kleiner als die Pupille ist, und deren R\u00e4nder nicht ganz feinpolirt sind; doch besteht eine solche Strahlenfigur in der Regel aus sehr feinen, mehr haarf\u00f6rmigen Strahlen mit lebhaften Farben, \u00e4hnlich dem schon oben beschriebenen Haarstrahlenkranze des Auges, der sehr helle Lichtpunkte umgiebt, auch wenn man sie nicht durch eine k\u00fcnstliche Oeffnung betrachtet. Dreht man die Oeffnung dann um ihren Mittelpunkt, so dreht sich der ganze Strahlenkranz mit ihr, woraus sich eben ergiebt, dass dieser Strahlenkranz von den R\u00e4ndern der Oeffnung herr\u00fchrt.\nVon dem Vorhandensein einer Diffraction des Lichts, welche durch die feine Faserung der Krystallinse veranlasst w\u00e4re, konnte ich mich an meinem eigenen Auge nicht \u00fcberzeugen. Wenn ich durch eine glatt gebohrte Oeffnung einer Metall-scheibc nach einem kleinen lichten Punkte sehe, so dreht sich immer die ganze Diffractionsfigur, wenn ich die Scheibe drehe. Geh\u00f6rten einzelne Z\u00fcge der Diffractions-figur den Fasern der Hornhaut oder Linse an, so m\u00fcssten diese stehen bleiben. Dagegen beschreibt Beer1 aus seinem Auge Diffractionserscheinungen, welche er von einer Faserung der Augenmedien herleitet.\nDiese Diffractionsph\u00e4nomene unterscheiden sich aber von denen der kleinen Zerstreuungskreise wesentlich durch den Umstand, dass letztere beim Verdecken der Pupille von einer Seite her auch von einer Seite her verschwinden, w\u00e4hrend die andere Seite ungest\u00f6rt bleibt. Wenn ein feines F\u00e4serchen oder ein feiner Einschnitt dagegen Dif-fractionsstrahlen bildet, so erstrecken sich diese niemals blos nach einer Richtung, sondern stets auch nach der entgegengesetzten, weil jede Unterbrechung einer Lichtwelle stets nach entgegengesetzten, meist nach allen Seiten hin ihren Einfluss aus\u00fcbt. Die Haarstrahlenfiguren zeigen nun wirklich diesen Charakter; sobald man die Pupille anf\u00e4ngt zu bedecken, werden mehr oder weniger alle Theile der Figur gest\u00f6rt und ver\u00e4ndert.\nAusser der Diffraction, welche Unregelm\u00e4ssigkeiten des Randes der Pupille bewirken, kommt aber auch noch in Betracht, dass die ganze Pupille als enge kreis f\u00f6rmige Oeffnung Diffraction hervorrufen kann. Jedes Mal, wo Strahlen eines leuchtenden Punktes durch eine oder mehrere brechende Fl\u00e4chen von begrenzter Apertur, die \u00fcbrigens vollkommen achromatisch und aplanatisch sein m\u00f6gen, gebrochen werden, entsteht im Vereinigungspunkte der Lichtstrahlen kein punktf\u00f6rmiges Bild, sondern wegen der Diffraction am Rande der Apertur eine kleine lichte Figur, die abwechselnd helle und dunkle Stellen zeigt, deren Form und Lage im Allgemeinen von der Gr\u00f6sse und Gestalt der Oeffnung abh\u00e4ngig sind. Ist die letztere kreisf\u00f6rmig, wie bei den optischen Instrumenten und im Auge gew\u00f6hnlich der Fall ist, so besteht die Diffractionsfigur aus einer hellen Kreisscheibe, umgeben von mehreren dunklen und hellen Ringen von schnell abnehmender Helligkeit. Ist d der Durchmesser der Apertur des brechenden Systems, r der Abstand des Bildes von derselben, l die Wellenl\u00e4nge des Lichts, so ist der Durchmesser S der mittleren Kreisscheibe nach der durch die Versuche best\u00e4tigten Theorie dieser Erscheinungen\nS = 2,440 4\u2019-d\nSetzen wir f\u00fcr mittleres Licht y2000 Mm. und r f\u00fcr das Auge gleich 20 Mm., so wird, wenn S und d in Millimetern ausgedr\u00fcckt werden,\n5 \u2014 0,0244 \u2022\ncl\n1 Poggendorff's Ann. 1,XXXIV. 818.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. H.\nDIFFRACTION IM AUGE.\n145\nBei der kleinsten Pupillenweite, die wir gleich 2 Mm. setzen wollen, w\u00fcrde 5 = 0,0 122 Min. werden. Diese Gr\u00f6sse des Zerstreuungskreises entspricht einem Gesichtswinkel von 2 Min. 6 See., und ist gleich der Gr\u00f6sse des Zerstreuungskreises, den in einem f\u00fcr unendliche Entfernung adaptirten Auge ein 25 Mt. entfernter Lichtpunkt entwirft. Da der Gesichtswinkel der kleinsten wahrnehmbaren Distanzen etwa 2 Min. betr\u00e4gt, so muss bei engster Pupille die Diffraction eben anfangen, die Genauigkeit des Sehens zu beeintr\u00e4chtigen.\nZu den monochromatischen Abweichungen geh\u00f6ren auch noch die Lichtstreifen, welche nach oben und unten von einem lichten K\u00f6rper ausgehen, wenn man die Augenlider halb schliesst. Sie r\u00fchren von der Brechung des Lichts in dem con-caven Fl\u00fcssigkeitsrande her, der sich an den Lidern erhebt. Dieser Rand wirkt wie ein kleines Prisma oder eine Reihe kleiner Prismen von ver\u00e4nderlichem Winkel, und lenkt das ihn treffende Licht stark von seinem Wege ab.\nDie Messungen, welche von verschiedenen Physikern Uber die Ungleichheit der Brennweite horizontal und vertical divergirender Strahlen ausgef\u00fchrt worden sind, haben ergehen, dass verschiedene Individuen sieh in dieser Beziehung sehr verschieden verhalten. Bei einigen fehlen diese Abweichungen ganz und gar, wie z. B. bei Br\u00fccke 1, und wo sie Vorkommen, zeigen sie sich in entgegengesetztem Sinne.\nTh. Young giebt an, dass sein Auge zu einem Focus sammele vertical divergirende Strahlen eines 10 engl. Zoll (304 Mm.) entfernten leuchtenden Punktes, und horizontal divergirende eines 7 Zoll (213 Mm.) entfernten. Um die Gr\u00f6sse dieses Unterschieds unabh\u00e4ngig von den Sehweiten seines Auges auszudr\u00fccken, berechnet er die Brennweite eines Glases, welches im Stande w\u00e4re, als Brille gebraucht, die eine Entfernung auf die andere zu reduciren, und findet 23 engl. Zoll (700 Mm.). Um den Fehler seines Auges zu corrigiren, w\u00fcrde er ein Brillenglas mit einer convexen Cylinderfl\u00e4che von vertical\u00ab' Axe oder ein solches mit einer concaven Cylinderfl\u00e4che und horizontaler Axe von der angegebenen Gr\u00f6sse der Brennweite gebraucht haben. A. Fick fand, dass er 4,6 Mt. entfernte Verticallinien und 3 Mt. entfernte Horizontallinien gleichzeitig deutlich gesehen habe. Ich selbst sehe gleichzeitig deutlich 0,65 Mt. entfernte Verticallinien und 0,54 Mt. entfernte Horizontallinien. Der Sinn der Abweichung ist in diesen beiden F\u00e4llen der entgegengesetzte wie bei Th. Young, die Gr\u00f6sse eine viel geringere. Durch die Foeall\u00e4nge einer cylindrischen Linse ausgedr\u00fcckt, entspricht die Abweichung in Fick\u2019s Auge einer Brennweite von S,6 Mt. und in meinem Auge 3,19 Mt. Dergleichen Messungen sind leicht auszuf\u00fchren, indem man etwa % Zoll \u00fcber einem horizon-len, hinreichend langen Brettchen eine feine N\u00e4hnadel horizontal befestigt, und indem man sie vom Ende des Brettchens her betrachtet , eine verticale Nadel vor ihr oder hinter ihr in solcher Entfernung einsticht, dass beide gleich deutlich erscheinen.\nA. Fick findet, dass ein unbefangen blickendes Auge sich meist f\u00fcr Verticallinien accom-modirt. Um ann\u00e4hernd die Entfernung der beiden Brennebenen berechnen zu k\u00f6nnen, wollen wir annehmen, dass Listing\u2019s schematisches Auge f\u00fcr Verticallinien accommodirt sei. Machen wir die Abweichung der horizontal und vertical divergirenden Strahlen darin ebenso gross wie bei den genannten drei Beobachtern, so w\u00fcrde liegen der Brennpunkt f\u00fcr horizontale Strahlen nach den Angaben von\nTh. Young . . 0,422 Mm. A. Fick . . . 0,035 Mm. H. Helmholtz 0,094 Mm.\nvor dem anderen, j hinter dem anderen.\nDiese Abweichungen sind, wie man sieht, kleiner als die des rothen und violetten Brennpunktes (0,6 Mm.). Sie beeintr\u00e4chtigen die Sch\u00e4rfe des Sehens auch so lange nicht sehr wesentlich, als es darauf ankommt, Linien von einander zu unterscheiden, die irgend einer Hauptrichtung folgen. Nur wo gekreuzte Linien gleichzeitig scharf gesehen werden sollen, treten sie hindernd auf.\n1 Fortschritte der Physik im fahre 1845. Bd. I. S. 211. Encvklop'. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\nio","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nERSTEH ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 U.\nDie mehrfachen Bilder eines Punktes oder einer Linie bei ungenauer Accommodation haben schon de la Hire 1 und Turin 2 erw\u00e4hnt, ohne aber die richtige Erkl\u00e4rung zu finden. Sp\u00e4ter beschrieb und bildete Tn. Young 3 die Form der Zerstreuungsfiguren ab bei ver-schiedener Entfernung des leuchtenden Punktes, und spricht die Yermuthung aus, dass die Strahlen von leichten Ungteichf\u00f6rmigkeiten der vorderen Linsenfl\u00e4che herr\u00fchren m\u00f6chten. Sp\u00e4ter erw\u00e4hnt sie Hassenfratz \\ welcher denselben Grund voraussetzt und sie als Schnittlinien von zwei kaustischen Fl\u00e4chen bezeichnet. Purkinje 6 beschreibt die Erscheinungen der mehrfachen Bilder, ferner die, welche beim Anschauen feiner paralleler Linien eintreten, und bildet die Sternfigur ab; er glaubt sie am besten von Hornhautfacetten ableiten zu k\u00f6nnen. Mehrfache Bilder einer hellen Linie hat auch P\u00e9clet \u00b0) gesehen und erkannt, dass sie durch eine besondere Structur der brechenden Fl\u00e4chen veranlasst sein m\u00fcssten. Ebenso Niedt 7, Gu\u00c9RARb s, Fliedner \". Letzterer hat die hierher geh\u00f6rigen Erscheinungen ausf\u00fchrlich in ihrem Zusammenh\u00e4nge beschrieben. Trouessart iu glaubt einen netzf\u00f6rmigen dunklen Schirm hinter den brechenden Fl\u00e4chen des Auges annehmen zu m\u00fcssen, dessen mehrfache Oeffnungen nach dem Principe des ScHEiNER\u2019schen Versuchs die mehrfachen Bilder veranlassten. Die Ansicht \u00fcber ihre Entstehung von A. Fick 11 ist oben schon erw\u00e4hnt. Erw\u00e4hnt werden hierher geh\u00f6rige Erscheinungen noch von Aim\u00e9e 12 und Cranmore 13. Eine ganz eigenthiimliche Ansicht \u00fcber den Ursprung der mehrfachen Bilder, die Polyopia monophthalmica der Augen\u00e4rzte, hat Stellwag von Carion 11 aufgestellt. Er glaubte beobachtet zu haben, dass dieverschiedenen Bilder nach verschiedenen Richtungen polarisirtes Licht erhalten. Indessen ist dies nicht richtig ; Herr Carion ist bei seinen Versuchen wahrscheinlich durch eine schlecht geschliffene Turmalinplatte mit schwach gew\u00f6lbten Fl\u00e4chen oder Streifen im Innern get\u00e4uscht worden. Eine schwach cylindrische Fl\u00e4che einer solchen Platte w\u00fcrde, vor das Auge gehalten, bald in horizontaler, bald in verticaler Richtung die Strahlen zur Vereinigung bringen und dadurch einzelne der Doppelbilder beseitigen k\u00f6nnen. Um den Einfluss solcher M\u00e4ngel der Platte auf-zuheben, stelle man sie zwischen das Licht und einen Schirm mit enger Oeffnung, so dass polarisirtes Licht durch die Oeflnung f\u00e4llt, w\u00e4hrend der Beobachter diese Oeffnung. aus hinreichender Entfernung betrachtet, um sie sternf\u00f6rmig zu sehen. Man lasse nun die potan-sirende Platte herumdrehen, so dass die Polarisationsrichtung des Lichts wechselt. Dann ist nicht der geringste Einfluss der Polarisationsrichtung auf die Doppelbilder zu erkennen. Uebrigens lassen sich die von Carion angeblich gewonnenen Resultate auch nicht mit den bekannten Gesetzen der Doppelbrechung vereinigen. Widerlegt w'orden ist er durch Gut lf>. Die medicinische Literatur \u00fcber das pathologische Vorkommen auffallenderer Diplopia monophthalmica findet sich in dem Aufsatze von Carion zusammengestellt.\nUeber Diflractionserscheinungen des Auges sind Beobachtungen gemacht von Baudri-mont 16, Wallmark 17, Beer 18. \"Die Lichtstreifen, welche bei halb vorgeschobenen Augenlidern durch den concaven Thr\u00e4nenrand an ihren R\u00e4ndern entstehen, hat Meyer 17 (in Leipzig) besprochen.\nDie Asymmetrie des Auges in seinen verschiedenen Meridianebenen finde ich zuerst von Th. Young 2u besprochen, welcher dabei anf\u00fchrt, dass ein Herr Cary ihm als Thatsac.he angef\u00fchrt habe, dass viele Personen ihre Brillengl\u00e4ser schief gegen das Auge halten m\u00fcssten, um gut durch sie zu sehen. Weitere darauf bez\u00fcgliche Beobachtungen finden sich von Airy21,\n1\tAccidens de la vue. p. 400.\n2\tSmith\u2019s Optics. Essay on distinct and indistinct vision, p. 156.\n3\tPhilos. Transactions. 1801. 1. p. 43. PI. \"VI.\n4\tAnn. de Chimie. 1809. T. LXXIL p. 5.\n5\tBeitr\u00e4ge zur Kenntniss des Sehens. S. 113\u2014119. Neue Beitr\u00e4ge i. Kenntniss d. Sehens. S. 139\u2014146. 173.\n6\tAnn. d. Chimie et d. Phys. LIV. 379. \u2014 Poggendorff\u2019s Ann. XXXIV. S. 557.\n7\tDe dioptricis oculi coloribus ejusque Polyopia. Dissert. Berolini 1842.\n8\tInstitut. 1845. No. 581. p. 64.\n9\tPoggendorff\u2019s Ann. LXXXV. S. 321. 460. LXXXVI. 336. Cosmos, I, 333.\n,0 C. R. de l\u2019Acad, d. sciences. XXXV. 134 \u2014 136, 398. Archive de Gen\u00e8ve. XX. 305. Institut. 1852. p. 304\n11\tHenle u. Pfeuffer Zeitschrift. N. Folge V. S. 2T7.\n12\tAnn. d. Chimie et d. Physique. LVI. 108. Poggendorff\u2019s Ann. XXXIII. S. 479.\n13\tPhilos. Magazine. (3) XXXVI. 483.\n14\tWiener Sitzungsberichte. VIII. 82. Denkschriften cl. k. k. Akad. V. 2. p. 172.\n15\tUeber Diplopia monophthalmica. Dissert. Z\u00fcrich 1854.\n16\tC. II. d. VAcad. d. sc. XXXIII. 496; Institut. No. 931; Phil. Magaz. (4) II. 575.\n17\tPoggendorff\u2019s Ann. LXXXII. 129.\n18\tPoggendorff\u2019s Ann. LXXXIV. 518.\n19\tPoggendorff\u2019s Ann. LXXXIX. 429.\n20\tPhil. Transact. 1801. I. p. 39.\n21\tEdinb. Journal of Sc. XIV. p. 322.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 14.\nMONOCHROMATISCHE ABWEICHUNGEN.\n147\nFischer1 2 3 4 5 6, Crallis s, Heineren *, Hamilton1, Schuyder\", welcher Letztere Cylinder-linsen dagegen verfertigen liess, endlich A. Fick r\u2019. Eine vollst\u00e4ndigere Zusammenstellung der Beobachtungen findet sich in Fechner\u2019s Centralblatt (Jahrgang ! 853. p. 73 \u2014 85. 96 \u2014 9h. 374 \u2014 379. S58\u2014561. ).\nDie Frage nach der sph\u00e4rischen Abweichung des Auges in dem Sinne, wie dieser Ausdruck f\u00fcr k\u00fcnstliche Instrumente gebraucht wird, verliert neben den beschriebenen viel gr\u00f6beren Abweichungen, die im Auge Vorkommen, ihre Wichtigkeit. Ausser der im vorigen Paragraphen schon erw\u00e4hnten Beobachtung von Th. Young mit seinem Optometer, wonach dessen Faden, durch vier Oeffnungen gesehen, vierfach erschien und sich die vier scheinbar vorhandenen F\u00e4den bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he nicht in einem Punkte kreuzten, hat auch Volkmann 7 sich bem\u00fcht, durch Versuche \u00fcber die Frage zu entscheiden, ob das Auge sph\u00e4rische Aberration besitze. Er und einige andere Personen blickten durch einen Schirm mit vier Oeffnungen, die in einem Bogen standen, nach einer Nadel, die in verschiedene Entfernungen vom Auge gebracht wurde. Wenn das Auge die mittleren Strahlen eher vereinigt als die Randstrahlen, werden sich bei dem Versuche, indem man die Nadel vom Auge entfernt und dem Punkte des deutlichen Sehens n\u00e4hert, die Bilder der Nadel, welche den mittleren Oeffnungen angeh\u00f6ren, eher vereinigen als die der seitlichen Oeffnungen. Werden die Randstrahlen eher vereinigt als die Centralstrahlen, so wird es umgekehrt sein. Volkmann fand bei verschiedenen Individuen in dieser Beziehung ein entgegengesetztes Verhalten. Bei regelm\u00e4ssig gebildeten brechenden Rotationsfl\u00e4chen w\u00fcrden die angegebenen Versuche- von Young und Volkmann in der That \u00fcber die Art und Gr\u00f6sse der sph\u00e4rischen Abweichung des Auges Aufschluss geben. Indessen wilden in den meisten Meridianebenen der meisten Augen die Punkte, wo die gebrochenen Strahlen den Centralstrahl treffen, gar keine continuirliche Reihe bilden, so dass der Regriff der sph\u00e4rischen Abweichung hier gar nicht passt.\n1694. de la Hire Accidens de la vue in den Mein, de l\u2019Acad. de Paris. -1694. p. 400.\n1738. .Turin Essay on distinct and indistinct vision, p. 136 in R. Smith\u2019s Optics.\n1801. Th. Young in Philos. Transactions for 1801. I. p. 43*.\n1809. Hassenfratz Ann. de Chimie. T. LXXII. p. 3.\n1818.\tFischer Berliner Denkschriften f\u00fcr -1818 u. 1819. S. 46.\n1819.\tPurkinje Beitr\u00e4ge zur Kenntniss des Sehens. Prag. S. 1 13\u2014119*.\n1824.\tP\u00e9clet Ann. d. Chimie et d. Phys. L1V. 379; Poggendorff\u2019s Ann. XXXIV. S. 8S7.\nAim\u00e9e Ann. d. Chim. et d. Phys. LVI. p. 108.\n1825.\tPurkinje Neue Beitr\u00e4ge zur Kenntniss des Sehens. Berlin. S. 139\u2014146. 173*.\nBrewster Edinb. Journal of Science. XIV. p. 322. (Ueber Airy\u2019s Auge).\n1842. Niedt de dioptricis oculi coloribus ejusque Polyopia. Dissert, Berolini. *\n1845.\tGu\u00e9rard Institut. No. 381. p. 64.\n1846.\tVolkmann, Artikel: Sehen, in R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch f\u00fcr Physiologie.\n1847.\tCiiallis in Phitos. Magazine. ( 3) XXX. p. 366; Transact, of the Cambridge Phil. Soc. H.\n1848.\tH. Meyer in Henle u. Pfeuffer Zeitschr. f\u00fcr rat. Med. V. 368.\nHeineken Philos. Magazine. (3) XXXII. p. 318.\nHamilton in Froriep\u2019s Notizen. VII. 219.\nSchnyder Verhandl. d. schweizer, naturf. Gesellsch. 1848. p. 15.\n1849.\tWallmark Oefvers. af Akad. f\u00f6rhandlingar. 1849. p. 41 ; Poggendorff\u2019s Ann.\nLXXX1I. -129.\n1830. Cranmore in Philos. Magaz.\t(3) XXXVI. p. 485.\nRaudrimont Comptes rend, de l\u2019Acad. tl. sc. XXXIII. 496 ; Institut. No. 931 : Philos.\nMagaz. (4) II. 578.\n1851.\tReer Poggd. Ann. LXXXIV. S. 518.\nA. Fick de errore optico quodam asymmetria bulbi oculi effecto. Marburg. Auszug\nin Henle u. Pfeuffer Zeitsehr. f\u00fcr rat. Med. Neue Folge. II. S. 83.\n1852.\t* Fliedner Beobachtungen \u00fcber Zerstreuungsbilder im Auge, sowie \u00fcber die Theorie des\nSehens. Poggendorff\u2019s Ann. LXXXV. S. 321*. 460*. LXXXVI. 336* ; Moigno Cosmos. I. 333.\n1\t\u00dferl. Denkschriften 1818 u. 1819. S. 46.\n2\tTransact, of the Cambridge Phil. Soc. IT. ; Phil. Magaz. (3) XXX. 366.\n3\tPhil. Magaz. XXXII. 318.\n4\tFroriep\u2019s Notizen. VII. 219.\n5\tVerhandl. d. schweizer, nalurf. Ges. 18i-8. p. 15; Froriep\u2019s Notizen. X. 346; Arch, de Gen\u00e8ve. X. 302.\n6\tDe errore quodam optico asymmetria bulbi effecto. Marburgi 1851 ; Henle u. Pfeuffer Zeitschrift. N. Folge. Bd. II. S. 83.\n7\tR. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch f\u00fcr Physiol. Artikel; Sehen.\n10","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 15.\n1852.\t\" Trouessart Comptes rend. d. l\u2019Acad. d. sc. XXXV. p. 134\u2014136. 398; Archive de\nGen\u00e8ve. XX.-305; Institut. 1852. p. 304.\nStellwag von Carion Wiener Sitzungsber. VIII. 82 ; Denkschr. d. k. k. Akad. V. 2. . S. 172; Zeitschrift d. Aerzte zu Wien. 1853. Heft 10 u. 11; Fechner\u2019s Centralblatt. 1854. 281\u2014292.\n1853.\tMeyer (in Leipzig) Poggd. Ann. LXXXIX. S. 429.\n1854.\tA. Fick in Henle u. Pfeuffer Zeitschr. N. Folge. V. 277.\nGut \u00fcber Diplopia monophthalmica. Dissert. Z\u00fcrich.\n\u00a7. 15. Die entoptischen Erscheinungen.\nDas in das Auge einfallende Licht macht unter gewissen Bedingungen eine Reihe von Gegenst\u00e4nden sichtbar, welche sich im Auge selbst befinden. Solche Wahrnehmungen nennt man en toptische. Unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden werfen kleine dunkle K\u00f6rper, die im Glask\u00f6rper oder der Linse und w\u00e4ssrigen Feuchtigkeit schweben, keinen sichtbaren Schatten, und werden deshalb nicht bemerkt. Der Grund davon ist, dass durch jeden Theil der Pupille meist gleich-m\u00e4ssig Licht eindringt, und somit f\u00fcr die Beleuchtung der hinteren Augenkammer die. ganze Pupille gleichsam die leuchtende Fl\u00e4che bildet. Es ist aber bekannt, dass, wenn Licht von einer sehr breiten Fl\u00e4che ausgeht, nur breite Gegenst\u00e4nde, oder solche Gegenst\u00e4nde, welche der den Schatten auffangenden Fl\u00e4che sehr nahe sind, einen sichtbaren Schatten werfen.\nNun gieht es im Auge allerdings Gegenst\u00e4nde, n\u00e4mlich die Gef\u00e4sse der Netzhaut, welche sehr nahe vor der lichtempfindenden Fl\u00e4che des Auges sich befinden, und daher immer einen Schatten auf die dahinter liegenden Theile der Netzhaut werfen. Aber eben weil diese Theile der Netzhaut hinter den Gef\u00e4ssen immer beschattet sind, und der beschattete Zustand f\u00fcr sie der normale ist, nehmen sie ihn nur unter besonderen Umst\u00e4nden wahr, welche wir weiter unten n\u00e4her besprechen wollen.\nZun\u00e4chst wende ich mich zu den in den durchsichtigen Mitteln des Auges enthaltenen kleinen schattengebenden K\u00f6rpern. Um sie wahrzunehmen, muss man Licht von einer sehr kleinen leuchtenden Stelle, welche sich sehr nahe vor dem Auge befindet, in das Auge fallen lassen. Zu dem Zwecke kann man entweder das im Focus einer kleinen Sammellinse entworfene Bild einer fernen Lichtflamme nahe vor das Auge bringen, oder ein kleines gut polirtes metallisches Kn\u00f6pfchen, welches von der Sonne oder einer Lampe beschienen wird, oder einen Schirm von dunklem Papier, welcher Licht durch eine sehr kleine Oeffnung einfallen l\u00e4sst.\nAm zweckm\u00e4ssigsten ist es, eine Sammellinse von grosser Apertur und kleiner Brenn-J\tweite a Fig. 68 aufzustellen; vor ihr in\neiniger Entfernung eine Lichtflamme b, von der die Linse in ihrem Brennpunkte ein verkleinertes Bild entwirft. Dann stellt man hier einen undurchsichtigen dunklen Schirm c mit kleiner Oeffnung so auf, dass das Bild Fio- 68 \u25a0\tder Flamme auf diese Oeffnung f\u00e4llt. Durch\ndie Oeffnung dringt dann ein breiter Kegel divergirender Strahlen. Ein Auge o, welches der Oeffnung sehr gen\u00e4hert wird, erblickt durch sie hindurch die breite,","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 15.\nEXTOPTISCHE ERSCHEINUNGEN.\n149\ngleichin\u00e4ssig erleuchtete Fl\u00e4che der Linse, auf welcher sich nun mit grosser Deutlichkeit die entoptisch wahrzunehmenden Gegenst\u00e4nde darstellen. Wenn wie in Fig. 69 der leuchtende Punkt a zwischen dem Auge und seinem vorderen Brennpunkte f liegt, entwerfen die Augenmedien ein entfernteres, vor dem Auge liegendes Bild a von a, und die Strahlen durchdringen den Glask\u00f6rper in Richtungen, welche von a aus divergiren. Unter diesen Umst\u00e4nden wird von einem im Glask\u00f6rper befindlichen dunklen K\u00f6rper b ein Schatten \u00df auf der Netzhaut entworfen, welcher gr\u00f6sser ist als b.\nWenn wie in Fig. 70 der leuchtende Punkt a im vorderen Brennpunkte des Auges liegt, werden die von a ausgegangenen Strahlen im Glask\u00f6rper parallel sein, und von einem im Glask\u00f6rper befindlichen dunklen K\u00f6rperchen b wird ein Schatten \u00df von gleicher Gr\u00f6sse entworfen. Liegt endlich der leuchtende Punkt vom Auge weiter entfernt als der vordere Brennpunkt des Auges f, wie in Fig. 71. so f\u00e4llt das Bild von a hinter das Auge nach a, und die Strahlen convergiren im Glask\u00f6rper nach oc hin.\nDer Schatten \u00df von b ist dann kleiner als b.\nFig. 71.\nDem entsprechend bemerkt man, dass die entoptisch sichtbar gewordenen Gegenst\u00e4nde sich scheinbar vergr\u00f6ssern, wenn man das Auge dem leuchtenden Punkte n\u00e4hert; sich verkleinern, wenn man es von ihm entfernt.\nDie bei diesen Versuchen beleuchtete Stelle der Netzhaut ist der Zerstreuungskreis des leuchtenden Punktes. Auf diesem werden die Schatten der entoptisch wahrgenommenen Gegenst\u00e4nde entworfen. Diese Schatten sind zwar scharf genug, dass man die Gestalt der Objecte ziemlich gut erkennen kann, wenn die Lichtquelle klein genug ist, aber sie bilden doch niemals ganz vollkommen scharfe Bilder, weil das Licht in Wirklichkeit doch nicht von einem einzigen Punkte, sondern stets von einer, wenn auch kleinen, leuchtenden Fl\u00e4che kommt. Das von den Augenmedien entworfene Bild dieser Fl\u00e4che ist f\u00fcr die auf der Netzhaut zu entwerfenden Schatten die Lichtquelle, welche nat\u00fcrlich stets einige Ausdehnung haben wird. W\u00e4hrend punktf\u00f6rmige Lichtquellen scharf gezeichnete Schatten entwerfen w\u00fcrden, entwerfen ausgedehntere Lichtquellen Schatten, deren Umrisse allm\u00e4lig durch Halbschatten in die helle Fl\u00e4che \u00fcbergehen, und die deshalb minder scharf gezeichnet sind. Im Allgemeinen werden deshalb die","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nERSTER ABSCHNITT. DIE DI0PTR1K DES AUGES.\nentoptischen Wahrnehmungen desto sch\u00e4rfer gezeichnet, je feiner die Oeffnung ist, durch welche das Licht dringt, und ausserdem je n\u00e4her der schattengebende K\u00f6rper der Netzhaut sich befindet. Aber nat\u00fcrlich muss man bei engeren Oeff-nungen auch intensiveres Licht zur Beleuchtung benutzen. Ausserdem kommt bei sehr engen Oeffnungen noch eine andere Erscheinung zum Vorschein, welche die Deutlichkeit der Zeichnung beeintr\u00e4chtigt. Es bilden sich n\u00e4mlich durch die Diffraction am Rande des schattengebenden K\u00f6rpers Diffractionsfransen, helle und dunkle Linien, welche dem Umrisse des Schattens folgen. Dergleichen Diffractions-fransen entstehen \u00fcberall, wo punktf\u00f6rmige, hinreichend intensive Lichtquellen Schatten werfen. Bei den gew\u00f6hnlichen Lichtquellen von gr\u00f6sserer Breite verschwinden diese Fransen im Halbschatten.\nWenn das Auge oder der leuchtende Punkt seine Stellung ver\u00e4ndert, so verschieben sich die Schatten der K\u00f6rper, welche verschieden weit von der Netzhaut abstehen, in verschiedener Weise, und nehmen dadurch eine verschiedene gegenseitige Lage an. Man kann, wie Listing gezeigt hat, diesen Umstand benutzen, um den Ort im Auge ungef\u00e4hr zu bestimmen, wo sich die schattengebenden K\u00f6rperchen befinden. Das entoptische Gesichtsfeld ist begrenzt durch den kreisf\u00f6rmigen Schatten der Iris. Wenn wir nach einander verschiedene Punkte des kreisf\u00f6rmigen Feldes fixiren, verschieben sich die Schatten aller K\u00f6rper, welche nicht in der Ebene der Pupille liegen, gegen die kreisf\u00f6rmige Begrenzung des Gesichtsfeldes. Diese Bewegung der Schatten in dem entoptischen Gesichtsfelde nennt Listing die relative entoptische Parallaxe; er nennt sie positiv, wenn die Bewegung des betreffenden Schattens die gleiche Richtung hat mit der Richtung des Visirpunktes, negativ, wenn sie entgegengesetzte Richtung hat. Die relative entoptische Parallaxe ist Null f\u00fcr Objecte, welche in der Ebene der Pupille liegen, positiv f\u00fcr Objecte hinter der Pupille, negativ f\u00fcr Objecte vor der Pupille. F\u00fcr Objecte, welche der Netzhaut sehr nahe liegen, ist die Verschiebung der Schatten fast ebenso gross wie die des Visirpunktes, so dass diese den Visirpunkt bei seinen Bewegungen \u00fcberall hin begleiten, wenn sie nicht durch wirkliche Bewegungen in der Fl\u00fcssigkeit des Glask\u00f6rpers aus der Gesichtslinie entfernt werden.\nDer Schatten auf der Netzhaut ist ebenso gerichtet wie der schattenwerfende K\u00f6rper; da aber, was auf der Netzhaut oben ist, im Gesichtsfelde unten erscheint, so erscheinen die entoptisch gesehenen Gegenst\u00e4nde im Gesichtsfelde stets verkehrt.\nWas man entoptisch wahrnehmen kann, ist Folgendes:\n1)\tBegrenzt ist das helle Feld durch den Schatten der Iris; es ist deshalb nahe kreisrund, entsprechend der. Form der Pupille. Hat der Pupillarrand der Iris Einschnitte, Falten oder Vorspr\u00fcnge, wie dies in vielen Augen der Fall ist, so sind dergleichen auch in dem entoptischen Bilde zu erkennen. Auch die Erweiterung und Verengerung der Pupille kann man entoptisch beobachten, am leichtesten, wenn man das andere Auge abwechselnd mit der Hand verdeckt und wieder frei l\u00e4sst. Sobald Licht in dieses Auge f\u00e4llt, verengern sich die Pupillen beider Augen, und man erkennt diese Verengerung leicht im entoptischen Bilde.\n2)\tVon den Fl\u00fcssigkeiten herr\u00fchrend, welche die Hornhaut \u00fcberziehen (Thr\u00e4-","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7, 4 5.\n151\nENTOPTISCHt: OBJECTE.\nnenfeuchtigkeit, Secret der Augenliderdr\u00fcsen), nimmt man oft im entoptischen Gesichtsfelde Streifen wahr, wolkig-helle oder lichtere Stellen, tropfen\u00e4hnliche Kreise mit heller Mitte, welche durch Blinzen mit den Augenlidern schnell verwischt und ver\u00e4ndert werden. Dergleichen sind dargestellt in Fig. 72 1. Sie sind meist in schnellem Zerfiiessen begriffen und haben eine selbst\u00e4ndige Bewegung von oben nach unten. Die Streifen sind am st\u00e4rksten ausgepr\u00e4gt dicht am Rande der Augenlider, wenn man die Lider vor die Pupille treten i\u00e4sst, und sind der Ausdruck der capillaren con-caven Fl\u00fcssigkeitsschicht, welche sich von der Hornhaut auf den Rand der Augenlider her\u00fcberzieht.\nDie Tropfen entstehen wohl durch capill\u00e4re Anh\u00e4ufungen der feuchten Schicht um Schleimkl\u00fcmpchen,\nStaubtheile u. dgl. Die helle Stelle in der Mitte der Tropfen bildet oft ein unvollkommenes optisches Bild von der Lichtquelle, ist z. B. dreieckig,, wenn das Licht durch eine dreieckige Oeffnung in das Auge f\u00e4llt, Dies Bild der Lichtquelle steht scheinbar aufrecht im entoptischen Gesichtsfelde, w\u00e4hrend es auf der Netzhaut verkehrt sein muss. Die Ansammlungen von Fl\u00fcssigkeit auf der Hornhaut bilden hierbei kleine Convexlinsen, welche hinter sich ein umgekehrtes Bild der vor ihnen liegenden Gegenst\u00e4nde entwerfen. Der Bewegung dieser Gebilde im Gesichtsfelde von oben nach unten entspricht eine wirkliche Bewegung nach oben, welche wohl dadurch bedingt wird, dass das obere Augenlid, w\u00e4hrend es gehoben wird, die z\u00e4hen Sclileimtheile nachzieht.\n3) Die kraus gewordene Vorderfl\u00e4ehe der Hornhaut, nachdem man eine Zeit lang das geschlossene Auge mit den Fingern gedr\u00fcckt oder gerieben hat. Man sieht ziemlich gleichf\u00f6rmig vertheilt gr\u00f6ssere, unbestimmt begrenzte, wellige oder netzartig geordnete Linien und getigerte Flecken, die sich eine Viertelstunde bis zu einigen Stunden halten. Es sind dergleichen dargestellt in Fig. 73. Zuweilen bleiben auch in dem Netze dieser Linien einzelne unver\u00e4nderte glatte Stellen stehen, welche darauf schlies-sen lassen, dass hier die Hornhaut eine andere Art der Consistenz habe.\nAusserdem finden sich, von der Hornhaut her-r\u00fchrend, zuweilen constante dunkle Flecken und Linien vor, welche sich nicht \u00e4ndern und wohl meist Reste von Entz\u00fcndungen und Verletzungen sind.\ni) Von der Linse, namentlich der vorderen Kapselwand, und dem vorderen Theile des Krystallk\u00f6rpers r\u00fchren mannigfache Erscheinungen her. Listing beschreibt folgende vier Formen :\n1 Wegen der Unm\u00f6glichkeit, diese und die folgenden Figuren im Holzschnitte gen\u00fcgend auszuf\u00fchren , werden sp\u00e4ter auf einer der Tafeln bessere Copien davon geliefert werden.","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 15.\na)\tPeiifleckcii, runde oder rundliche Scheibchen, innen hell, mit scharfem, dunklem Rande. Sie sehen bald Luftbl\u00e4schen, bald Oeltropfen, bald Krystallchen \u00e4hnlich, welche man durch das Mikroskop sieht (s. Fig. 74); Listing h\u00e4lt sie f\u00fcr\nSchleimmassen in der MoRGAGNi\u2019schen Feuchtigkeit.\nb)\tDunkleFleeken; unterscheiden sich von den vorigen durch den Mangel eines hellen Kerns und auch durch gr\u00f6ssere Mannigfaltigkeit der Gestalt. Sie scheinen partielle Verdunkelungen der Kapsel oder Linse zu sein (s. Fig. 76).\nc)\tHelle Streifen, meist einen unregelm\u00e4ssigen Stern mit wenig Ausl\u00e4ufern in der Mitte des Gesichtsfeldes darstellend (Fig. 76). Listing h\u00e4lt sie f\u00fcr das Bild eines nabelf\u00f6rmigen Gebildes mit naht- oder wulst\u00e4hnlichen Zweigen in der\nvorderen Kapselmembran, herr\u00fchrend von der im F\u00f6talzustande erfolgenden Trennung dieses Kapseltheils von der Innenseite der Hornhaut.\nd)\tDunkle radiale Linien (Fig. 77), welche wohl Andeutungen des strahligen Baues der Linse sind.\nEinzelne von den genannten Formen scheinen fast in jedem Auge sichtbar zu sein, wenige Augen sind ganz frei davon.\n5) Bewegliche Gebilde im Glask\u00f6rper, die sogenannten fliegenden M\u00fccken (Mouches volantes), welche theils als Perlschn\u00fcre, theils als vereinzelte oder zusammengruppirte Kreise mit hellem Centrum, theils als unregelm\u00e4ssige Gruppen sehr feiner K\u00fcgelchen, theils als blasse Streifen, \u00e4hnlich den Falten einer sehi durchsichtigen Membran, erscheinen. Da viele von ihnen sehr nahe vor der Netzhaut sich befinden, sieht man sic oft ohne weitere H\u00fclfsmittel, indem man nach einer breiten, gleichm\u00e4ssig erleuchteten Fl\u00e4che, z. B. dem hellen Himmel, blickt. Dass sie sich nicht blos scheinbar, sondern wirklich bewegen, bemerkt man leicht, wenn man bei aufrechter Haltung des Kopfes, z. B. durch eine Fensterscheibe, nach dem Himmel blickt, und einen mit einem Merkzeichen versehenen Punkt des Glases fixirt. Dann sieht man die entoptischen Erscheinungen meistens langsam im Gesichtsfelde herabsinken. Senkt man den Blick und hebt ihn wieder, so folgen die M\u00fccken dieser Bewegung des Visirpunktes, schiessen aber","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 15.\nEN TOPTISCHE OBJECTE.\n153\ngew\u00f6hnlich etwas \u00fcber das Ziel hinaus und sinken dann wieder. Nach einer Bewegung des Auges dagegen, welche von oben nach unten gerichtet ist, tritt ein solches Schwanken \u00fcber das Ziel hinaus nicht ein, auch nicht bei seitlichen Bewegungen. Beobachtet man dagegen bei senkrecht nach unten oder oben gerichteter Gesichtslinie, so liegen die M\u00fccken ziemlich ruhig. Sehr leicht l\u00e4sst man sich aber bei diesen Beobachtungen verleiten, den Blick nach einer solchen dem Gesichtspunkt naheliegenden M\u00fccke richten zu wollen, um sie durch directe Fixation deutlicher zu sehen. Dann fliegt die entoptische Erscheinung vor dem Visirpunkte einher, ohne nat\u00fcrlich je von ihm erreicht werden zu k\u00f6nnen. Gerade auf diese Eigent\u00fcmlichkeit der Erscheinung bezieht sich wohl der Name der Mouches volantes. Man verwechsle diese scheinbare Bewegung nicht mit einer wirklichen, und achte bei den Beobachtungen der letzteren darauf, einen \u00e4usseren Gesichtspunkt ganz fest zu fixiren.\nUm solche bewegliche Objecte mit Ruhe betrachten zu k\u00f6nnen, w\u00e4hlt man am besten eine Lage des Kopfes, wo das Auge vertical nach unten oder nach oben sieht, weil dann die Bewegungen der schwimmenden K\u00f6rperchen aufh\u00f6ren. Uebrigens kann man M\u00fccken, welche seitlich im Gesichtsfelde liegen, zwingen, nach der Stelle des deutlichsten Sehens heranzuschwimmen, wenn man das Auge erst recht schnell in der Richtung bewegt, nach welcher sie vom Visirpunkt aus liegen, und dann langsam z\u00fcr\u00fcckbewegt.\nD\u00f6nders und Doncan 1 unterscheiden folgende Formen dieser Objecte :\na) Gr\u00f6ssere i'solirte Kreise, bald mit dunkleren, bald mit bl\u00e4sseren Umrissen, in der Mitte heller, meist noch mit einem schmalen Lichtkreis umgeben. Sie haben zwischen y28 und %20 Mm. Durchmesser, und sind % bis 3 oder 4 Mm. von der Netzhaut entfernt, kommen aber auch in der N\u00e4he der Linse vor. Ist das Auge lange ruhig gewesen, so zeigen sich nur wenige; sie kommen namentlich, und zwar scheinbar von unten her, zum Vorschein durch eine schnelle Bewegung des Auges von unten nach oben, der pl\u00f6tzlicher Stillstand folgt, und senken sich dann wieder langsam nach unten. Ihre Bewegung kann f\u00fcr die dunkelsten in einer Ausdehnung von 1 ]/2 Mm. direct beobachtet werden, und ist wahrscheinlich viel ausgedehnter. Ihre seitlichen Bewegungen bei seitlichen Bewegungen des Auges findet Doncan beschr\u00e4nkt. In meinen eigenen Augen kann ich einen solchen Unterschied nicht wahrnehmen. Wenn ich den Kopf auf die Seite lege, so finde ich, dass die M\u00fccken jetzt ebenso schnell und weit scheinbar nach dem Erdboden zu sinken, in Wirklichkeit nach dem aufw\u00e4rts gewendeten Augenwinkel emporsteigen, wie bei aufrechter Haltung des Kopfes. Bei der letzteren Haltung erscheinen die seitlichen Bewegungen der M\u00fccken allerdings beschr\u00e4nkter als die absteigenden, weil sie seitlich eben nur die Bewegungen des Visirpunktes mitmachen. Eine Bewegung derselben parallel der Gesichtslinie gelang nicht zu constatiren. Viele, obgleich scheinbar von einander getrennt, scheinen sich immer in gleichem Abstande zu begleiten, oder bleiben in derselben Beziehung zu anderen Formen, so dass man berechtigt ist,\n1 Andreas Doncan Dissert, de corporis vitrei struct. Trajccti ad Rhenum 1834. \u2014 Onderzockingen gedaan in het physiologisch Laborat. der Ulrechtsche lloogeschool. Jaar VI. 171.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 46.\nFig- 78.\nFig. 79.\nauf einen unsichtbaren Zusammenhang zu schliessen. Ihnen entsprechend fand Donc an bei mikroskopischer Untersuchung des freigeleg-fgg /\" ten und unverletzten Glask\u00f6rpers von seiner Oberfl\u00e4che \\\taus darin blasse Zellen, welche in der Verwandlung in\nSchleimstoff begriffen zu sein schienen, wie in Fig. 78 abgebildet sind.\nh) Perlschn\u00fcre kommen in den meisten Augen vor ; Doncan konnte jedoch keine sehen. Ihre Breite betr\u00e4gt y33 bis Vioo Mm., ihre L\u00e4nge I bis 4 Mm. Die schm\u00e4lsten liegen gew\u00f6hnlich dichter bei, die breiteren und dunkleren entfernter von der Netzhaut, in y4 bis 3 Mm. Abstand. Ihre Bewegungsart ist meist dieselbe wie der vorher beschriebenen V. Kreise, doch sind sie zuweilen auch befestigt. Ein-\u2018 \\ zelne sind isolirt, andere h\u00e4ngen mit anderen Ge-bilden zusammen. Sie entsprechen Fasern, die mit K\u00f6rnern besetzt sind {Fig. 79), welche durch das Mikroskop im Glask\u00f6rper gefunden werden.\nc) Die zusammenh\u00e4ngenden Gruppen von gr\u00f6sseren und kleineren, theils blassen, tlieils dunklen Kreisen, welche den mikroskopisch gefundenen K\u00f6rnerhaufen (Fig. 80) entsprechen, sind meist undurchscheinender als die \u00fcbrigen Formen, weil mehrere K\u00f6rner in der Richtung der Gesichtsaxe hinter einander liegen. Diese sind es, die am h\u00e4ufigsten beim gew\u00f6hnlichen Sehen als Mouches volantes wahrgenommen werden. Nicht selten scheinen einige von ihnen in der N\u00e4he der Gesichtslinie einen Gleichgewichtszustand einzunehmen ; aber sie kommen doch auch bei Bewegungen des Auges auf gleiche Weise und in gleicher Richtung, mit denselben Bewegungen wie die Perlschn\u00fcre, in gr\u00f6sserer Menge zum Vorschein, um das Gesichtsfeld in der Folge wieder zu verlassen, d) Die Falten zeigen sich in Gestalt hellerer B\u00e4nder, von zwei dunkleren, nicht scharf gezeichneten Linien begrenzt, Doncan unterscheidet davon noch wieder zwei Formen. Einige zeigen sich n\u00e4mlich entweder \u00e4hnlich einer stark gefalteten Faser, oder wie verschiedene kleine B\u00e4nder, einander sehr nahe, auf unsichtbare Weise mit einander verbunden, oder als ein unregelm\u00e4ssig aufgerolltes, in den verschiedensten Richtungen gefaltetes H\u00e4utchen, das seine ' ,\tForm constant beh\u00e4lt, wie das nach\neiner mikroskopischen Beobachtung in Fig. 81 dargestellte. Diese bewegen sich wie die Perlschn\u00fcre und liegen nur S1/, bis 4 Mm. von der Netzhaut entfernt. \u2014 Davon unterscheiden sich sehr ausgebreitete H\u00e4ute, die theils Fig. si.\tdicht hinter der Linse liegen, theils\n0\nr~ \u2022< \\/\nC\nFig. 80.\n; \u00c0 \u25a0","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 4 a.\nEN TO [\u2019TISCHE OBJECTE.\n155\nmir 2 bis 4 Mm. von der Netzhaut entfernt, w\u00e4hrend zwischen 4 und 10 Mm. Entfernung von der Netzhaut keine getroffen werden. In den ersteren zeigen sich Falten von nicht weniger als x/23 Mm. Breite, in den letzteren haben sie selten mehr als %() Mm. Sie kommen zum Vorschein, wenn die Gesichtslinie seitw\u00e4rts bewegt wird, aber namentlich auch durch eine kr\u00e4ftige, pl\u00f6tzlich abgebrochene Bewegung von oben nach unten. Scheinbar steigen hierbei die dicht hinter der Linse gelegenen Falten nach oben, w\u00e4hrend umgekehrt die in der N\u00e4he der Netzhaut gelegenen nach unten sinken, so dass sie sich in der Gesichtslinie an einander vorbei schieben. Meist sieht man nun die gefalteten H\u00e4ute mehr und mehr undeutlich werden, ohne dass sie doch aus dem Gesichtsfelde sich entfernten, und doch kommen sie durch Wiederholung der Bewegung aufs Neue deutlicher zum Vorschein. Dongan schliesst daraus, dass diese H\u00e4ute nur scheinbar eine so ausgebreitete Bewegung haben, und dass nicht die H\u00e4ute sich fortbewegen, sondern nur Faltungen sich fortpflanzen, welche sich bei der pl\u00f6tzlich unterbrochenen Bewegung des Auges an der Peripherie formen und sich bis an das andere Ende der H\u00e4ute ausstrecken, wobei sie ihre Sch\u00e4rfe verlieren und minder sichtbar werden. Die Ursache der verschiedenen Richtung, worin die Bewegung dieser H\u00e4ute und die Fortpflanzung der Falten stattfindet, ist darin zu suchen, dass die einen vor, die anderen hinter dem Drehpunkte des Auges liegen. Wenn man die Pupille durch Atropin erweitert, oder den leuchtenden Punkt sehr nahe an das Auge bringt, so dass man ziemlich weit zur Seite der Gesichtslinie sehen kann, so bemerkt man, dass namentlich bei kr\u00e4ftigen, pl\u00f6tzlich unterbrochenen seitlichen Bewegungen des Auges noch mehr H\u00e4ute dicht hinter der Linse zum Vorschein kommen, die selten bis an die Gesichtslinie reichen, und mit einem unregelm\u00e4ssigen, zuweilen zerfetzten Rande hier endigen.\nDie Bewegungsart der frei beweglichen Objecte des Glask\u00f6rpers l\u00e4sst wohl kaum einen Zweifel, dass sie kleine K\u00f6rper sind, welche in einem vollkommen fl\u00fcssigen Medium schwimmen und specifisch leichter sind als die Fl\u00fcssigkeit. Da man sie oft durch das ganze entoptische Gesichtsfeld schwimmen sieht, und sie in meinem Auge wenigstens das Gesichtsfeld ebenso gut von oben nach unten wie von rechts nach links durchschwimmen, dieses aber bei divergircnd ein-fallendem Lichte einen gr\u00f6sseren Theil der Netzhaut umfasst, als die Pupille betr\u00e4gt, so muss das Bassin, in welchem sie sich bewegen, l\u00e4ngs der Netzhaut gemessen, jedenfalls gr\u00f6sser sein als die Pupille. Dagegen scheinen die schwimmenden K\u00f6rper sich nicht von der Netzhaut entfernen zu k\u00f6nnen, denn auch bei aufw\u00e4rts gerichteter Gesichtslinie, wo die Objecte wegen ihrer specifisclien Leichtigkeit streben m\u00fcssen nach der Linsenseite des Glask\u00f6rpers hin zu schwimmen, sieht man dieselben Objecte sich l\u00e4ngs der Netzhaut hin bewegen, aber nicht von ihr fort. Das Hinderniss m\u00f6gen wohl die Membranen sein, deren Falten man im entoptischen Gesichtsfelde sieht und welche der Netzhaut parallel zu sein scheinen. Einige solche K\u00f6rperchen scheinen auch an der Glashaut befestigt zu sein, wie denn Donders mittheilt, dass er in der Gesichtslinie seines linken Auges eines vorfinde, welches dort seinen Gleichgewichtsstand habe, und von dort wohl sich senken (scheinbar steigen), aber nicht wirklich steigen k\u00f6nne, so dass es von","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 15.\nunten her durch eine faden\u00e4hnliche Verbindung mit der Glashaut festgehalten zu werden scheint.\nUebrigens lernt man nach einer Reihe entoptischer Beobachtungen die Gebilde des eigenen Auges einzeln kennen, und bemerkt dann, dass immer dieselbe Reihe von Formen wiederkehrt, welche sich nach Donders\u2019 Beobachtungen viele Jahre unver\u00e4ndert erhalten. Aus der mikroskopischen Untersuchung des Glask\u00f6rpers scheint hervorzugehen, dass diese Gebilde Reste des embryonalen Baues des Glask\u00f6rpers sind. Bei Embryonen besteht er aus Zellen, welche nachher meistens in Schleim zerfliessen, w\u00e4hrend ein Theil von ihren Membranen und Kernen, oder den Fasern, zu denen sie ausgewachsen sind, bestehen bleibt. Welches \u00fcbrigens der Bau des Glask\u00f6rpers bei erwachsenen Menschen sei, ist noch durchaus nicht sicher zu bestimmen.\nWir kommen jetzt zur Wahrnehmung der Netzhautgef\u00e4sse, f\u00fcr welche aber etwas andere Verfalirungsweisen nothwendig sind, als f\u00fcr die Wahrnehmung der bisher beschriebenen entoptischen Objecte. Das Gemeinsame dieser Methoden besteht darin, dass die Lage oder Breite des Schattens, den die Netzhautgef\u00e4sse auf die hintere Fl\u00e4che der Netzhaut werfen, eine ungew\u00f6hnliche wird, und dass ausserdem eine stete Bewegung dieses Schattens unterhalten wird. Man kann die Netzhautgef\u00e4sse nach folgenden drei Hauptmethoden wahrnehmen:\n1) Man concentrire starkes Licht, am besten Sonnenlicht, durch eine Sammellinse von kurzer Brennweite auf einen Punkt der \u00e4usseren Fl\u00e4che der Sclerotica m\u00f6glichst entfernt von der Hornhaut, so dass ein kleines, aber sehr lichtstarkes Bildchen der Lichtquelle auf der Sclerotica entworfen wird. Wenn dabei das\nAuge auf ein dunkles Gesichtsfeld blickt, wird dieses ihm jetzt rothgelb erleuchtet scheinen und darin ein Netz baumf\u00f6rmig ver\u00e4stelter dunkler Gef\u00e4sse erscheinen, entsprechend den in Fig. 82 nach einem Injectionspr\u00e4parate abgebildeten Netzhaut-gef\u00e4ssen. Wenn der Brennpunkt aut der Sclerotica hin und her bewegt wird, bewegt sich auch der Gef\u00e4ssbaum hin und her, und zwar bewegen sich beide gleichzeitig nach oben, oder beide gleichzeitig nach unten, oder beide nach rechts oder links. Bei solchen Bewegungen ist der Gef\u00e4ssbaum deutlicher zu sehen, als wenn man l\u00e4ngere Zeit den Brennpunkt der Linse auf einer Stelle beharren l\u00e4sst; ja im letzteren Falle verschwindet er zuletzt ganz. Doch ist bei der jetzt beschriebenen Methode der Beobachtung anhaltende Bewegung weniger n\u00f6thig als bei den anderen Methoden. Je kleiner \u00fcbrigens der helle Fleck auf der Sclerotica ist, desto sch\u00e4rfer sind auch die kleineren Zweige der Gef\u00e4ssver\u00e4stelung ausgepr\u00e4gt, so dass man bei richtiger Ausf\u00fchrung des Versuchs das feinste Capillargef\u00e4ssnetz zur Anschauung\nFig. 82-","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 15:\nWAHRNEHMUNG DER NETZHAUTGEF\u00c4SSE.\n157\nbringen kann. In der Mitte des Gesichtsfeldes, dem Fixationspunkte entsprechend, findet sich eine gef\u00e4sslose Stelle, gegen welche verschiedene gr\u00f6ssere Aeste hinlaufen, deren Capillargef\u00e4sse einen Ring mit langgezogenen Maschen um die genannte Stelle bilden. Die Stelle selbst hat in H. M\u00fcllers, sowie in meinen beiden Augen ein eigenth\u00fcmliches Aussehen, wodurch sie sich von dem \u00fcbrigen Grunde des Auges unterscheidet. Der letztere ist gleichm\u00e4ssig erleuchtet, mit Ausnahme der dunklen Gef\u00e4ssfigur, die Stelle des directen Sehens hat einen st\u00e4rkeren Glanz und sieht dabei wie chagrinirtes Leder aus. Zu bemerken ist \u00fcbrigens noch, dass, wenn man w\u00e4hrend der Beobachtung dieser Stelle einen \u00e4usseren Gegenstand fest fixirt, und nun den Brennpunkt der Linse auf der Sclerotica nach oben bewegt, der Gef\u00e4ssbaum, wie vorher erw\u00e4hnt ist, sich ebenfalls nach oben bewegt, der chagrinirte Glanz sich dagegen ein wenig in entgegengesetzter Richtung nach unten gegen den Fixationspunkt des Auges verschiebt, Meissner hat diese Stelle ebenfalls bei dieser Beobachtungsmethode heller gesehen, schreibt ihr aber einen dunklen halbmondf\u00f6rmigen Schatten am Rande zu, \u00e4hnlich wie er bei der zweiten Beobachtungsmethode sichtbar wird. Einen solchen sehe ich nicht, wenn das Licht durch die Sclerotica einf\u00e4llt.\nBei diesem Versuche dringt das Licht durch die Sehnen- und Aderhaut in das Auge. Die erstere ist durchscheinend, die letztere im hinteren Theile des Auges nicht so stark pigmentirt, dass sie alles Licht abhalten k\u00f6nnte. Vorn auf den Ciliarforts\u00e4tzen ist die Pigmentschicht st\u00e4rker, daher auch bei unserem Versuche die Erleuchtung der Netzhaut ziemlich schwach ausf\u00e4llt, wenn man den Brennpunkt auf den vorderen Theil der Sclerotica nahe der Hornhaut fallen l\u00e4sst. Die erleuchtete Stelle der Augenh\u00e4ute bildet nun die Lichtquelle f\u00fcr das Innere des Auges; von ihr gehen nach allen Seiten hin gleichm\u00e4ssig Strahlen aus, da das Licht in der nur durchscheinenden Sehnenhaut nicht regelm\u00e4ssig gebrochen, sondern nach allen m\u00f6glichen Richtungen zerstreut wird.\nW\u00e4hrend gew\u00f6hnlich das Licht nur von der Pupille her auf die Netzhaut f\u00e4llt, kommt es jetzt von einem weit seitlich gelegenen Punkte und wirft deshalb die Schatten der in den vorderen Schichten der Netzhaut gelegenen Gef\u00e4sse auf ganz andere Theile der hinteren Netzhautfl\u00e4che als sonst.\nDass der Gef\u00e4ssbaum sich scheinbar in gleichem Sinne wie der Brennpunkt der Linse bewegen muss, ist aus Fig. 83 deutlich. Es sei v der Durchschnitt eines Netzhautgef\u00e4sses, k der Knotenpunkt des Auges. Wenn der Brennpunkt des einfallenden Lichts bei a auf der Sclerotica liegt, f\u00e4llt der Schatten des Gef\u00e4sses nach a, das Auge projicirt demgem\u00e4ss einen dunklen Streifen in der Richtung a A im Gesichtsfelde. Liegt der Brennpunkt in b, so f\u00e4llt der Schatten nach \u00df, und es wird der dunkle Streifen in das Gesichtsfeld nach B verlegt. W\u00e4hrend sich also die Lichtquelle von a nach b bewegt, wird der scheinbare Gef\u00e4ssstamm im Gesichtsfelde von A nach B in gleicher Richtung wandern.\nDie chagrinirte Fl\u00e4che um den Visirpunkt herum zeigt die\n/,' JL","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 15.\nentgegengesetzte Bewegungsart; sie entsteht also jedenfalls nicht in derselben Weise, wie die Gef\u00e4ssschatten entstehen, doch ist bisher der Bau des gelben Fleckes noch zu wenig bekannt, als dass wir den Grund dieser Erscheinung anzugeben w\u00fcssten. Im Gesichtsfelde greift auf der dem Lichte abgekehrten Seite der Gef\u00e4ssbaum etwas \u00fcber den Rand der chagrinirten Stelle, oben und unten scheint er den Rand nur zu ber\u00fchren, dem Lichte zugekehrt ist ein Zwischenraum zwischen beiden, gleichviel ob das Licht vom inneren oder \u00e4usseren Augenwinkel einf\u00e4llt, Es ist dies wohl dadurch bedingt, dass die Gef\u00e4ssverzweigungen mehr nach vorn liegen als die Schicht, welche durch Brechung oder Zur\u00fcck-werfung des Lichts das chagrinirte Aussehen erzeugt, und daher bei schief einfallendem Lichte der Schatten der Gef\u00e4ssflgur auf der Hinterfl\u00e4che der Netzhaut nicht senkrecht unter den Gef\u00e4ssen liegt. Diejenige Structur, welche das chagrinirte Ansehen hervorruft, scheint demnach ziemlich genau dieselbe Ausdehnung zu haben, wie die gef\u00e4sstose Stelle der Netzhaut.\n2) Die zweite Methode zur Beobachtung der Netzhautgef\u00e4sse ist folgende : Man blicke auf einen dunklen Hintergrund hin und bewege dabei unterhalb oder seitlich vom Auge ein brennendes Licht hin und her. Man sieht dann bald den dunklen Hintergrund von einem matten weisslichen Scheine \u00fcberzogen, in welchem sich der dunkle Gef\u00e4ssbaum abzeichnet. Die Figur bleibt nur so lange deutlich, als man das Licht bewegt. Wenn man das Licht nur von rechts nach links bewegt, erscheinen haupts\u00e4chlich die von oben nach unten verlaufenden Gef\u00e4sse. wenn man es von oben nach unten bewegt, die horizontal verlaufenden. Bei den Bewegungen des Lichts bewegt sich gleichzeitig der ganze Gef\u00e4ssbaum, aber nicht in allen seinen Theilen gleichm\u00e4ssig. Meissner vergleicht sehr passend die Art der Bewegung des Gef\u00e4ssbaums hierbei mit dem Ansehen eines vom Wasser entworfenen Spiegelbildes, wenn Wellen dar\u00fcber fortlaufen. Bei n\u00e4herer Untersuchung der Erscheinung zeigt sich, dass, wenn abwechselnd das Licht gegen die Gesichtslinie hin und von ihr weg bewegt wird, der Gef\u00e4ssbaum im Gesichtsfelde sich in gleicher Richtung wie das Licht verschiebt. Wenn aber das Licht in Richtung eines Kreisbogens bewegt wird, dessen Mittelpunkt in der Gesichtslinie liegt, verschiebt sich der Gef\u00e4ssbaum in entgegengesetzter Richtung. Wird\nalso z. B. das Licht unter dem Auge gehalten und vertical nach oben und unten bewegt, so bewegt sich auch der Gef\u00e4ssbaum im Gesichtsfelde mit dem Lichte zugleich nach oben und nach unten; wird es horizontal unter dem Auge von rechts nach links bewegt, so geht der Gef\u00e4ssbaum nach rechts, wenn das Licht nach links, und umgekehrt.\nDie inneren Aeste des Gef\u00e4ssbaums erscheinen nicht in so grosser Feinheit der Zeichnung wie bei den beiden anderen Methoden.\nIn der Mitte, dem Vlsirpunkte entsprechend, beschreiben mehrere Beobachter eine helle kreisf\u00f6rmige oder elliptische Scheibe. Fig. 84 ist die","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 IS-\nWAHRNEHMUNG DER NETZHAUTGEF\u00c4SSE.\n159\nAbbildung, welche B\u00fcrow davon gegeben hat. Sie ist an dem der Flamme zugewendeten Rande durch einen dunklen halbmondf\u00f6rmigen Schatten ges\u00e4umt, in der Mitte am hellsten. H. M\u00fcller sieht diese Scheibe gar nicht, und ich selbst sehe immer nur den halbmondf\u00f6rmigen Schatten, welcher die dem Lichte zugekehrte Seite ihrer Peripherie bildet, w\u00e4hrend die andere Seite keine entschiedene Begrenzung darbietet. Auch diese centrale Scheibe bewegt sich bei Bewegungen des Lichts. Man \u00fcberzeugt sich davon, wenn man, w\u00e4hrend man die Erscheinung wahrnimmt, einen \u00e4usseren Punkt fixirt. Bei mir liegt der Fixationspunkt immer an dem dem Lichte zugewendeten Theile des Randes der hellen Scheibe, wenn ich den halbmondf\u00f6rmigen Schatten meines Auges zur Scheibe erg\u00e4nzt denke.\nDie vollst\u00e4ndige Theorie dieser Erscheinungen ist von H. M\u00fcller gefunden worden, und ist folgende : Die Lichtquelle f\u00fcr die Beleuchtung des inneren Auges ist in diesem Falle das Netzhautbildchen der Lichtflamme, welches, da das Licht weit vom Centrum des Gesichtsfeldes absteht, auf dem Seitentheile der Netzhaut entworfen wird. Da das Licht sich \u00fcbrigens dem Auge sehr nahe befindet, kann sein Netzhautbild ziemlich gross sein und gen\u00fcgend viel Licht in den Glask\u00f6rper hinein zur\u00fcckwerfen, um eine merkliche Liclitperception in der ganzen Netzhaut anzuregen. Die Art der Beleuchtung ist also \u00e4hnlich derjenigen der ersten Methode, nur dadurch unterschieden, dass die Licht aussendende Stelle der Augenwand ihr Licht nicht von aussen durch die Sclerotica, sondern von vorn durch die Pupille empfangt. Da die Bilder auf den Seitentheilen der Netzhaut nicht scharf sind, das Bildchen der Flamme in diesem Falle, um hinreichend Licht zu geben, auch ziemlich ausgedehnt sein muss, so erkl\u00e4rt es sich leicht, dass man die Einzelnheiten der feineren Gef\u00e4ssverzweigungen nicht so gut wahrnimmt wie bei der ersten Methode. Die Art der Bewegung des Gef\u00e4ssbaums erkl\u00e4rt sich vollst\u00e4ndig aus H. M\u00fcller\u2019s Theorie. Es sei\tg\nin Fig. 83 k der Knotenpunkt des Auges und v ein Netz- x \\\t//\nhautgef\u00e4ss. Wenn die Lichtquelle in a sich befindet, f\u00e4llt ihr Netzhautbild nach b, das von b ausgehende Licht wirft den Schatten des Gef\u00e4sses v nach c, und wenn wir c k ziehen und verl\u00e4ngern, ist diese Verl\u00e4ngerung k d die Richtung, in welcher der Schatten des Gef\u00e4sses v im Gesichtsfelde erscheint. Bewegen wir den Lichtpunkt von a nach a, so r\u00fcckt b nach \u00df, c nach y, d nach 8; es verschiebt sich also d in gleichem Sinne wie a. Wenn hingegen \u00ab sich senkrecht gegen die Ebene der Zeichnung bewegt, ist es umgekehrt. Wenn a vor der genannten Ebene steht, liegt b dahinter, c wieder davor, d dahinter. Wenn also a sich nach vorn (vor die Ebene der Zeichnung) bewegt, bewegt sich d nach hinten, und umgekehrt, ganz wie es den Beobachtungen entspricht.\nDie Erscheinung der hellen Scheibe in der Mitte des Gesichtsfeldes mit dem halbmondf\u00f6rmigen Schatten erkl\u00e4rt H. M\u00fcller nicht ohne Wahrscheinlichkeit f\u00fcr den Schatten der Netzhautgrube. Wenn in Fig. 86 bei c die Netzhaut-\noc\nFig. 86","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. IS.\ngr\u00fcbe sich befindet, und in ihrer Tiefe die Stelle des directen Sehens, das Licht bei a steht, sein Netzhautbild bei b, so wird der Schatten des nach b hingewendeten erhabenen Randes der Netzhautgrube gerade auf den Visirpunkt fallen, und der ganze Schatten der Netzhautgrube auf der Netzhaut selbst vom Yisir-punkte aus dem Lichte zugewendet, im Gesichtsfelde dem Lichte abgewendet sein, wie dies die Beobachtung lehrt. Wenn man das Licht a mehr der Gesichtslinie n\u00e4hert, und in Folge davon b n\u00e4her nach c r\u00fcckt, bemerke ich in meinem Auge einen hellen Streifen an der Aussenseite des halbmondf\u00f6rmigen Schattens, der wohl von Licht herr\u00fchrt, welches von hinten, von der Netzhautseite her, auf die Oberfl\u00e4che der Netzhautgrube gefallen und dort reflectirt ist, wie es in Fig. 86 durch den punktirten Strahl a\u00df y angedeutet ist. Bei Personen, deren Netzhautgrube weniger steil ansteigende Seiten hat, kann dagegen ein solcher Schatten ganz fehlen.\n3) Die dritte Methode zur Beobachtung der Netzhautgef\u00e4sse besteht darin, dass man durch eine enge Oeffnung nach einem breiten lichten Felde, z. B. dem hellen Himmel, blickt und die Oeffnung vor der Pupille schnell hin und her bewegt. Die Netzhautgef\u00e4sse erscheinen sehr fein gezeichnet, dunkel auf dem hellen Grunde, und bewegen sich im Gesichtsfelde gleichsinnig mit der Oeffnung. In der Mitte, entsprechend dem Visirpunkte, sieht man die gef\u00e4sslose Stelle, die mir ein fein granulirtes Ansehen zu haben scheint, und in welcher sich ein runder Schatten bei den Bewegungen der Oeffnung herumbewegt. Bei horizontalen Bewegungen der Oeffnung sieht man nur die verticalen Gef\u00e4sse, bei verticalen Bewegungen die horizontal verlaufenden. Dieselbe Gef\u00e4ssfigur sieht man auch, wenn man in ein zusammengesetztes Mikroskop hineinblickt, ohne ein Object unterzulegen, so dass man nur den gleiclnn\u00e4ssig hellen Kreis der Blendung sieht. Wenn man das Auge \u00fcber dem Mikroskope etwas hin und her bewegt, erscheinen in der Blendung des Mikroskops die Gef\u00e4sse der Netzhaut sehr fein und scharf gezeichnet, und zwar besonders deutlich immer die Gef\u00e4sse, welche senkrecht gegen die Richtung der Bewegung verlaufen, w\u00e4hrend diejenigen verschwinden, welche der Richtung der Bewegung parallel verlaufen.\nNach den beiden ersten Methoden fiel das Licht aus einer ungew\u00f6hnlichen Richtung her auf die Netzhaut, und es fiel deshalb auch der Schatten der Netzhautgef\u00e4sse auf Theile der Netzhaut, welche bei dem gew\u00f6hnlichen Sehen von diesem Schatten nicht getroffen werden, und von denen die Beschattung daher als ein ungew\u00f6hnlicher Zustand leicht empfunden wird. Bei der beschriebenen dritten Methode dagegen f\u00e4llt das Licht auf dem gew\u00f6hnlichen Wege, n\u00e4mlich durch die Pupille, in das Auge. Ist die ganze Pupille frei und das Auge nach dem hellen Himmel gewendet, so gehen von jedem Punkte der Pupillarebene nach jeder Richtung in den Hintergrund des Auges hinein Lichtstrahlen aus, ganz so als w\u00e4re die Pupille selbst die leuchtende Fl\u00e4che. Unter dem Einfl\u00fcsse dieser Beleuchtung m\u00fcssen die Netzhautgef\u00e4sse einen breiten verwaschenen Schatten auf die hinter ihnen liegenden Netzhautpartien werfen, wobei der Kernschatten etwa nur vier bis f\u00fcnf mal so lang sein wird, als der Durchmesser des Gef\u00e4sses. Da nach E. H. Weber der dickste Ast der Vena centralis 0,017 Par. Linien (0,038 Mm.) im Durchmesser hat, und die Netzhaut nach K\u00f6lliker im Hintergr\u00fcnde des Auges","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 -15.\nORTSBESTIMMUNG DER ENTOPTISCHEN OBJECTE.\n161\n0,22 Mm. dick ist, l\u00e4sst sich annehmen, dass der Kernschatten der Gef\u00e4sse nicht bis zur hinteren Fl\u00e4che der Netzhaut reichen wird. Wenn wir aber eine enge Oeffmmg vor die Pupille bringen, wird der Schatten der Gef\u00e4sse nothwendig schmaler, sch\u00e4rfer begrenzt, der Kernschatten l\u00e4nger, so dass Theile der Netzhaut, die sonst im Halbschatten lagen, theils in den Kernschatten kommen, theils mit den unbeschatteten Theilen gleich stark erleuchtet werden.\nDass wir beim gew\u00f6hnlichen Sehen die Gef\u00e4ssschatten nicht wahrnehmen, erkl\u00e4rt sich wohl daraus, dass die Empfindlichkeit der beschatteten Stellen der Netzhaut gr\u00f6sser, ihre Reizbarkeit weniger ersch\u00f6pft ist als die der \u00fcbrigen Theile der Netzhaut, Sobald wir aber den Ort des Schattens oder seine Ausbreitung ver\u00e4ndern, wird derselbe wahrnehmbar, weil die schwache Beleuchtung nun auf erm\u00fcdete, weniger reizbare Netzhautelemente f\u00e4llt. Der reizbarere, fr\u00fcher beschattete Theil der Netzhautelemente dagegen wird nun zum Theil von vollem Lichte getroffen, und empfindet dies st\u00e4rker. Daher erkl\u00e4rt sich, dass zuweilen, namentlich im Anf\u00e4nge der Versuche, der Gef\u00e4ssbaum f\u00fcr Augenblicke auch wohl hell auf dunklerem Grunde erscheint, und \u00fcberhaupt bei manchen Personen der helle Theil der Erscheinung die Aufmerksamkeit mehr auf sich lenken kann als der dunkle. Sobald der Schatten der Gef\u00e4sse indessen bei unseren Versuchen seine neue Stelle dauernd behauptet, werden die neu beschatteten Stellen allm\u00e4lig reizbarer, die fr\u00fcher beschatteten scheinen dagegen ihre erh\u00f6hte Reizbarkeit schnell zu verlieren, und die Erscheinung verschwindet wieder. Um sie dauernd zu sehen, ist es also n\u00f6thig, den Ort des Schattens stets wechseln zu lassen, und bei geradlinigen Bewegungen der Lichtquelle bleiben nur die Gef\u00e4sse sichtbar, deren Schatten den Platz wechselt. Auf diese Ver\u00e4nderungen der Reizbarkeit kommen wir in \u00a7. 25. unten noch n\u00e4her zur\u00fcck.\nUm zu entscheiden, ob die entoptisch gesehenen Objecte vor oder hinter der Pupille oder etwa nahe der Netzhaut liegen , dazu ist die Beachtung der Parallaxe nach Listing\u2019s Vorschlag ausreichend. Es sei a Fig. 87 das von den Augenmedien entworfene Bild des leuchtenden Punktes c der Punkt des directen Sehens auf der Netzhaut, f e die Ebene der Pupille oder vielmehr deren von der Linse entworfenes Bild, welches indessen nur wenig von seinem Objecte abweicht. Endlich sei d ein dunkles Object hinter der Pupille.\nWenn die Linie a c die Pupille in g schneidet, so f\u00e4llt der Schatten des Punktes g auf den Punkt des directen Sehens c, also g entspricht dem direct gesehenen Punkte des entoptischen Bildes der Pupille. Ziehen wir die gerade Linie ad, und verl\u00e4ngern sie, bis sie die Netzhaut in b schneidet, so ist b der Ort des Schattens von d. Nennen wir den Durchschnittspunkt der Linie a d mit der Pupillarebene h, so f\u00e4llt die Projection des Punktes h der Pupille gleichzeitig auf b; d und h decken sich im entoptischen Gesichtsfelde. Wenn in der Linie a b auch noch vor der Pupille ein Object i liegt, so deckt sich dieses ebenfalls mit h im entoptischen Gesichtsfelde.\nWenn nun aber das Auge oder der leuchtende Punkt so bewegt wird, dass ein anderer Punkt der Pupille, etwa f, entoptisch direct gesehen wird, der leuchtende Punkt etwa nach a in die Verl\u00e4ngerung der Linie cf r\u00fcckt, so ver\u00e4ndert sich auch die Lage des Schattens von d und i gegen den der Pupille. Ziehen wir a d und a i. Ersteres schneide die Ebene der Pupille in m, letzteres verl\u00e4ngert in e, so sind m und e die Punkte der Pupille, deren entoptische Bilder sich mit denen der Objecte d und \u00bb Encyklop. d. Physik. IX. Helmholtz , Physiol. Optik.\t1 1","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nER ST K. R ABSCHNITT. HIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 15.\njetzt decken. W\u00e4hrend also der Visirpunkt in dem entoptischen Bilde von g nach f ger\u00fcckt ist, hat das Bild des hinter der Pupille gelegenen Objects d eine Bewegung in gleichem Sinne von h nach m, das des vor der Pupille gelegenen Objects in entgegengesetztem Sinne von h nach e ausgef\u00fchrt. Nach der Bezeichnungsweise von Listing hat also d eine positive Parallaxe, und i eine negative. Es ist bei geringer Uebung immer leicht zu entscheiden, ob die entoptisch gesehenen Objecte sich im Verh\u00e4ltniss zu der kreisf\u00f6rmigen Begrenzung des Gesichtsfeldes in gleichem oder entgegengesetztem Sinne wie der Visirpunkt verschieben, und danach entscheidet man leicht, ob sie vor oder hinter der Pupille liegen.\nUm die Entfernung der im Glask\u00f6rper schwebenden Objecte genauer messen zu k\u00f6nnen, hat D. Brewster zuerst eine .Methode eingeschlagen, bei welcher er zwei B\u00fcndel homocentrischer Strahlen in das Auge dringen liess. und dadurch zwei Schatten eines jeden Objects erzeugte. Aus der Entfernung der Schatten von einander kann dann die Entfernung des Objects von der Netzhaut gefunden werden. Brewster sah zu dem Ende durch eine vor dem Auge stehende Linse nach zwei neben einander gestellten Flammen hin. Ponders hat diese Methode ge\u00e4ndert, indem er vor das Auge ein Metallpl\u00e4ttchen mit zwei kleinen. I\u2019/, Mm. von einander entfernten Oeffnungen bringt. Durch diese sieht er nach einem weissen. stark erleuchteten Papiere hin, auf welchem die entoptischen Erscheinungen projicirt erscheinen. Er misst nun den Abstand der Mittelpunkte der beiden sich gegenseitig bedeckenden kreisf\u00f6rmigen Bilder der Pupille, welcher einfach dadurch gefunden wird, dass man den Durchmesser des unbedeckten Theiles dieser Kreise misst. Ferner misst er den Abstand der Doppelbilder des betreffenden entoptischen Objects. Der letztere verh\u00e4lt sich zum Abstande der beiden Kreise wie der Abstand des Objects von der Netzhaut, welcher gefunden werden soll, zum scheinbaren Abstande der Pupille von der Netzhaut (18 Mm.). So kann der Abstand der Objecte von der Netzhaut leicht berechnet werden.\nDoncan hat die Methode von Doxders insofern ge\u00e4ndert, dass er seine Messungen nach dem Principe der mikroskopischen Messung \u00e4 double vue ausf\u00fchrt. Das eine Auge blickte durch eine oder zwei feine Oeffnungen nach einem kleinen Hohlspiegel, der das Licht des Himmels reflectirte, das andere auf eine in der Entfernung des deutlichen Sehens gelegene Tafel, und der Beobachter misst mit dem Cirkel auf dieser Tafel die Gr\u00f6sse der entoptischen Objecte und den Abstand ihrer Doppelbilder, sowie den Abstand entsprechender Punkte am Rande der Iris. Um aus der scheinbaren Gr\u00f6sse der entoptischen Objecte ihre wahre Gr\u00f6sse zu berechnen, muss man noch den Abstand der Oeffnung, durch welche man sieht, von der Hornhaut kennen. Am besten ist es. diese Oeffnung in den vorderen Brennpunkt des Auges (12 Mm. vor der Hornhaut) anzubringen, dann sind die Schatten der entoptischen Objecte so gross wie die Objecte selbst. Die mit dem Cirkel gemessene scheinbare Gr\u00f6sse dieser Objecte im Gesichtsfelde verh\u00e4lt sich aber zur wahren Gr\u00f6sse des Schattens auf der Netzhaut wie die Entfernung des messenden Cirkels vom Auge zur kleineren Hauptbrennweite des Auges ( 1\u00f6 Alm.).\nUm das Pl\u00e4ttchen mit der Oeffnung wenigstens nahehin in die vordere Brennebene des Auges zu bringen, befestigt man es am Ende eines kurzen R\u00f6hrchens von passender L\u00e4nge.\nDie scheinbare Gr\u00f6sse der Bewegung des Gef\u00e4ssbaums im Gesichtsfelde bei der ersten eben beschriebenen Alethode. ihn sichtbar zu machen, hat H. AI\u00fceler gemessen, w\u00e4hrend gleichzeitig die Gr\u00f6sse der Verschiebung des leuchtenden Brennpunktes auf der Sclerotica mit dem Cirkel gemessen wurde. Es kann daraus, wenigstens ann\u00e4hernd, durch Construction oder Rechnung die Entfernung der Schatten werfenden Gef\u00e4sse von der den Schatten wahrnehmenden Schicht der Netzhaut bestimmt werden. Man zeichne, wie in Fig. S3, den Querschnitt des Auges in nat\u00fcrlicher Gr\u00f6sse. Der Brennpunkt auf der Sclerotica sei zwischen den Punkten a und b hin und her bewegt. Es sei a der Schatten eines in der N\u00e4he des gelben Flecks gelegenen Ge-f\u00e4sses v, dessen scheinbare Bewegung man gemessen hat. f\u00fcr die\nJ! J","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 15.\nGESCHICHTE DER ENTOPTISCHEN ERSCHEINUNGEN.\n163\nLage des Lichtpunktes in a, so muss dies Gef\u00e4ss in der geraden Linie \u00aba liegen. Es sei a\u00df die aus der scheinbaren Verschiebung des Gef\u00e4sses im Gesichtsfelde berechnete wahre Verschiebung auf der Netzhaut, also \u00df der Ort des Gef\u00e4ssscliattens f\u00fcr den Fall, wo sich der Brennpunkt in b befindet. Man ziehe die gerade Linie b \u00df. Der Punkt \u00bb, wo b \u00df und a a sich schneiden, muss dann der Ort des Gef\u00e4sses sein, dessen Entfernung von der Netzhaut durch Messung oder Rechnung gefunden werden kann. H. M\u00fcller erhielt auf diese Weise in mehreren Versuchen f\u00fcr die Entfernung der Gef\u00e4sse von der empfindenden Schicht 0,17; 0,19 bis 0,21; 0,22; 0,25 bis 0,29; 0,29 bis 0,32 Mm. Bei drei anderen Beobachtern 0,19; 0,26 ; 0,36 Mm. Da nach den anatomischen Messungen desselben Beobachters die Entfernung der Gef\u00e4sse von den St\u00e4bchen und Zapfen in der Gegend des gelben Flecks zwischen 0,2 und 0,3 Mm. betr\u00e4gt, so wird es daraus wahrscheinlich, dass die Zapfen die den Schatten empfindenden Gebilde seien, worauf auch andere Verh\u00e4ltnisse hindeuten, welche ich in \u00a7. 18 auseinandersetzen werde.\nDechales J, ein Jesuit des 17. Jahrhunderts, stellte zuerst eine Ansicht \u00fcber die Entstehung der fliegenden M\u00fccken auf, und zwar die richtige, dass es Schatten seien von K\u00f6rperchen, die in der N\u00e4he der Netzhaut schwimmen. Pitcairn 2 verlegte sie dagegen auf die Netzhaut selbst, und Morgagni 1 in alle Augenmedien, obgleich Hie weiter nach vorn liegenden ohne die Anwendung schmaler Lichtquellen nicht wohl gesehen sein k\u00f6nnen. Ebenso irrt auch de la Hire 4, wenn er die festen M\u00fccken ausschliesslich auf die Netzhaut verlegt, die beweglichen in die w\u00e4ssrige Feuchtigkeit. Le Cat 5 beschreibt einen Versuch, der dem Principe nach die Methode der cntoptischen Untersuchung vollst\u00e4ndig enth\u00e4lt, indem er das umgekehrte Schattenbild einer dicht vor das Auge gehaltenen Nadel im Zerstreuungskreise eines kleinen Lichtspunktes wahrgenommen hat, Auch Aepinus 6 hat etwa zu derselben Zeit den Schatten der Iris, die Erweiterung und Verengerung der Pupille entoptisch wahrgenommen und richtig verstanden. Aber erst seit 1760 7 hat man angefangen, kleine Oeffnungen und starke Linsen anzuwenden, um die fliegenden M\u00fccken deutlicher zu sehen, welches Verfahren \u00fcbrigens auch dem Dechales nicht ganz unbekannt gewesen war.\nEine strengere Theorie der Erscheinungen, die Methoden, den Ort der K\u00f6rperchen im Auge zu beurtheilen, wurden erst viel sp\u00e4ter durch Listing 8 und Brewster 9 festgestellt, denen sp\u00e4ter Donders 10 folgte. Des Letzteren Sch\u00fcler Doncan 11 wies dann die Ueberein-stimmung der entoptisch gesehenen Gegenst\u00e4nde mit mikroskopischen Structuren des Glask\u00f6rpers nach; dasselbe versuchte James Jago 12. Beschreibungen der verschiedenen Formen entoptischer Objecte gaben ausser den eben Genannten auch Steifensand i3, Mackenzie I4, Appia 16.\nDie subjective Erscheinung der Centralgef\u00e4sse hat Purkinje 16 zuerst entdeckt und sie nach den drei oben beschriebenen Methoden sichtbar gemacht. Auch bei Erregung des Auges durch Druck und Blutandrang hat er sie wahrgenommen. Gudden 17 machte auf die f\u00fcr die Theorie der Erscheinung wichtige Bedeutung der Bewegung des Schattens aufmerksam. Die Theorie der Erscheinung bei der Anwendung homocentrischen Lichts von der Pupille aus oder eines Brennpunktes auf der Sclerotica schien keine Schwierigkeit zu haben. Wohl aber machte Meissner 18 auf die abweichenden Verh\u00e4ltnisse aufmerksam, welche bei der Bewegung\n1\tCursus seu mundus mathematicus. Lugduni 1690. T. III. p. 402.\n2\tPitcairnii opera. Lugd. Bat. p. 203. 206.\n3\tAdversaria anatomica VI. Anim. LXXV. p. 94. Lugd. Bat. 1722.\n4\tAccidents de la vue. p. 358.\n5\tTrait\u00e9 des sens. Rouen 1740. p. 298.\n6\tNovi Comment. Petropol. Vol. VII. p. 303.\n7\tHistoire de l'Acad. d. sciences. 1760. p. 57. Paris 1766.\n8\tBeitrag zur physiologischen Optik. G\u00f6ttingen 1845.\n9\tTransactions of the Roy. Soc. of Edinb. XV. 377.\n10\tINederl. Lancet. 1846\u2014 47. 2e Serie. D. II. bl. 345. 432. 537.\n11\tDe corporis vitrei structura. Diss. Utrecht 1854; Onderzoekingen ged, in het Physiol. Laborat. d. Utrechtsehe Hoogeschool. Jaar VI. p. 171.\n12\tProceed. Roy. Soc. 18. Jan. 1855.\n13\tPoggendorff\u2019s Ann. LV. p. 134 ; v. Ammon\u2019s Monatsschrift f. Med. I. 203.\n14\tEdinburgh Medical and Surgical Journal. July 1845.\n15\tDe l\u2019oeil vu par lui m\u00eame. Gen\u00e8ve 1853.\n16\tBeitr\u00e4ge zur Kenntniss des Sehens. 1819. S. 89. Neue Beitr\u00e4ge. 1825. S. 115. 117.\n17\tJ. Mui i.er's Archiv T\u00fcr Anat. u. Physiol. 1849. S. 522.\n18\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie des Sehorgans. 1854.\n1 I","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 16.\neines Lichts unterhalb des Auges eintreten, und leitete daraus Bedenken gegen die bisherige Erkl\u00e4rungsweise \u00fcberhaupt ab. Diese wurden von H. M\u00fcller 1 beseitigt, welcher die oben hingestellte Theorie dieser Art des Versuchs fand.\nSchon Purkinje erw\u00e4hnt, dass in der Mitte des Gesichtsfeldes ein heller Fleck erschiene, der einer Grube \u00e4hnlich sehe; Burow 2 beschrieb die entoptische Erscheinung des gelben Flecks genauer, deutete sie aber als die Erscheinung einer Hervorragung, nicht eines Gr\u00fcbchens, verm\u00f6ge der unrichtigen \u00e4lteren Theorie des Versuchs, die durch H. M\u00fcller verbessert wurde.\n1690. Dechales Cursus seu mundus mathematicus. Lugduni. T. III. p. 402.\n1694. de la Hire Accidens de la vue in Mein, de l\u2019Acad. d. sc. p. 3\u00f68.\nPitcairnii opera. Lugd. Bat. p. 203. 206.\n1722. Morgagni Adversaria anatomica VI. Anim. LXXV. p. 94. Lugd. Bat.\n1740. Le Cat Trait\u00e9 des sens. Rouen, p. 298.\nAepinus Novi Comment. Petrop. VII. p. 303.\n1760. Histoire de l\u2019Acad. d. sc. pour Tan. 1760. p. 57.\n1819. Purkinje Beitr\u00e4ge zur Kenntniss des Sehens. S. 89\u2019.\n1825. Derselbe. Neue Beitr\u00e4ge. S. 115. 117*.\n1842. Steifensand in Poggendorff\u2019s Ann. LV. p. 134*; v. Ammon\u2019s Monatsschrift f\u00fcr\nMedicin. I. -203.\n1845.\t* Listing Beitrag zur physiologischen Optik. G\u00f6ttingen.*\nBrewster in Transactions of the Roy. Soc. of Edinb. XV. 377.\nMackenzie Edinb. Medical and Surgical Journal. July 1845.\n1846.\tDonders in Nederlandsch Lancet. 1846 \u2014 47. 2e Serie. D. II. bl. 345. 432. 537.\n1848.\tBrewster in Phil. Magaz. XXXII. 1; Arch. d. sc.phys. et natar. de Gen\u00e8ve. VIII. 299.\n1849.\tGudden in J. M\u00fcller\u2019s Archiv. 1849. S. 522*.\n1853.\tAppia de Voeil vu par lui m\u00eame. Gen\u00e8ve.\n1854.\t* A. Doncan de corporis vitrei structura. Dissert. Trajecti ad Rhenum ; Onderzoekingen\nged. in het Physiol. Laborat. d. Utrechtsche Hoogeschool. Jaar VI. p. 171.\nBurow in J. M\u00fcller\u2019s Archiv. 1854. S. 166.\n1855.\tJames Jago in Proceedings of the Roy. Soc. 18. Jan. 1855.\n\u00a7. 16. Das Augenleuchten und der Augenspiegel.\nVon dem Lichte, welches auf die Netzhaut gefallen ist, wird ein Theil absorbirt, namentlich durch das schwarze Pigment der Aderhaut, ein anderer Theil wird diffus reflectirt, und kehrt durch die Pupille nach aussen zur\u00fcck.\nUnter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen nehmen wir nichts von dem Lichte wahr, welches aus der Pupille eines anderen Auges zur\u00fcckkehrt, diese erscheint uns vielmehr ganz dunkelschwarz. Der Grund hiervon ist haupts\u00e4chlich in den eigen-th\u00fcmlichen Brechungsverh\u00e4ltnissen des Auges zu suchen, zum Theil auch darin, dass von den meisten Stellen des Augenhintergrundes \u2022 wegen des schwarzen Pigments verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig wenig Licht zur\u00fcckgeworfen wird.\nBei allen Systemen brechender Fl\u00e4chen, welche ein genaues Bild eines leuchtenden Punktes entwerfen, k\u00f6nnen die Lichtstrahlen genau auf denselben Wegen, auf denen sie von dem leuchtenden Punkte zu dessen Bilde gegangen sind, auch r\u00fcckw\u00e4rts von dem Bilde zn dem leuchtenden Punkte zur\u00fcckgehen. Oder wenn man den leuchtenden Punkt an den Ort des Bildes bringt, wird nun das Bild an dem fr\u00fcheren Orte des leuchtenden Punktes entworfen.\nDaraus folgt : Wenn das menschliche Auge genau f\u00fcr einen leuchtenden K\u00f6rper accommodirt ist, und von diesem ein genaues Bild auf seiner Netzhaut entwirft, und wir betrachten nun die erleuchtete Stelle der Netzhaut als ein\nl yerhandl. der med.- physik. Ges. zu W\u00fcrzburg, IV. 100. V. Lief. 3. J. M\u00fcller\u2019s Archiv. 1854. S. 166","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 16.\nDIE SCHWARZE DER PUPILLE.\n165\nzweites leuchtendes Object, so wird deren von den Augenmedien entworfenes Bild genau mit dem urspr\u00fcnglich leuchtenden K\u00f6rper zusammenfallen, d. h. alles Licht, welches von der Netzhaut aus dem Auge zur\u00fcckkehrt, wird ausserhalb des Auges direct zu dem leuchtenden K\u00f6rper zur\u00fcckgehen, und nicht neben ihm vorbei. Das Auge des Beobachters w\u00fcrde sich, um etwas von diesem Lichte aufzufangen, zwischen den leuchtenden K\u00f6rper und das beleuchtete Auge ein-schieben m\u00fcssen, was ohne weitere H\u00fclfsmittel nat\u00fcrlich nicht angeht, ohne dem beleuchteten Auge das Licht abzuschneiden.\nEbenso wenig kann der Beobachter Licht aus dem Auge eines Anderen zur\u00fcckkehren sehen, wenn dies letztere f\u00fcr die Pupille des Beobachters genau accommodirt ist. Unter diesen Umst\u00e4nden wird n\u00e4mlich ein genaues dunkles Bild der Pupille des Beobachters auf der Netzhaut des beobachteten Auges entworfen werden. R\u00fcckw\u00e4rts werden die Augenmedien ein Bild dieser dunklen Stelle der Netzhaut gerade auf die Pupille des Beobachters werfen, und somit wird dieser gerade nur den Wiederschein seiner eigenen schwarzen Pupille in der fremden sehen.\nDaher kommt es, dass man unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden auch die st\u00e4rker Licht reflectirenden Theile im Hintergr\u00fcnde eines fremden Auges nicht sieht, wie z. B. die weisse Eintrittsstelle des Sehnerven, die Gef\u00e4sse. Auch bei Albinos, Personen, denen das Pigment der Chorioidea fehlt, erscheint die Pupille schwarz, sobald man durch einen dunklen, vor ihr Auge gehaltenen Schirm, der nur eine Oeffnung von der Gr\u00f6sse der Pupille zum Durchsehen hat, verhindert, dass Licht durch ihre Sclerotica in das Innere des Auges dringt1. Letzteres ist es, welches das gew\u00f6hnliche rothe Ansehen der albinotischen Pupille bewirkt. Ebenso erscheint das Objectglas einer Camera obscur a von vorn gesehen schwarz, wenn man von ihr das Bild eines einzelnen Lichts in einem dunklen Zimmer entwerfen l\u00e4sst; seihst dann, wenn man als Schirm zum Auffangen des Bildes ein weisses Blatt Papier angebracht hat.\nIst dagegen das beleuchtete Auge weder f\u00fcr den leuchtenden Gegenstand, noch f\u00fcr die Pupille des Beobachters genau accommodirt, so ist es m\u00f6glich, dass der Beobachter einiges von dem aus der Pupille zur\u00fcckkehrenden Lichte wahrnehme, die Pupille erscheint ihm dann leuchtend.\nEs ist leicht einzusehen, dass der Beobachter von allen denjenigen Punkten der Netzhaut des beobachteten Auges Licht empfangen kann, auf welche das Zerstreuungsbild seiner eigenen Pupille f\u00e4llt. Supponiren wir einen Augenblick statt der Pupille des Beobachters eine leuchtende Scheibe, deren Zerstreuungsbild in dem beobachteten Auge genau mit dem Zerstreuungsbilde jener Pupille Zusammentreffen w\u00fcrde, so gehen Lichtstrahlen von einem oder mehreren Punkten dieser leuchtenden Scheibe nach jedem Punkte ihres Zerstreuungsbildes hin, es k\u00f6nnen also auch r\u00fcckw\u00e4rts Lichtstrahlen von jedem Punkte der Netzhaut, der dem Zerstreuungskreise angeh\u00f6rt, nach einem oder mehreren Punkten der leuchtenden Scheibe, d. h. an den Ort der Pupille des Beobachters gelangen. Der Beobachter\n1 F. C. Donders in Onderzoekingen gedaan in het Physiologisch Laborat. der Utrechtsche Hoogeschool. Jaar VI. p. 153. \u2014 van Trigt in Nederlandsch Lancet. Ser. D. II. bl. 419.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 16.\nS'\nJL\nr/\nFig. 88.\nwird also das beobachtete Auge leuchten sehen, so oft in dem beobachteten Auge das Zerstreuungsbild seiner eigenen Pupille theilweise zusannnenf\u00e4llt mit dem Zerstreuungsbilde eines leuchtenden Gegenstandes.\nBlickt daher der Beobachter dicht am Rande eines Lichts vorbei, dessen Strahlen er durch einen dunklen Schirm von seinem eigenen Auge abh\u00e4lt, um nicht geblendet zu werden, nach dem Auge eines Anderen, und ist dieses Auge f\u00fcr eine n\u00e4here oder viel weitere Entfernung accommodirt, so erscheint ihm die Pupille roth leuchtend. Diese Anordnung des Versuchs ist schematisch in Fig. 88\ndargestellt. B ist das Auge des Beobachters, S der Schirm, welcher es vor den direeten Lichtstrahlen schlitzt, A der Grundriss einer Lampenflamme, C das beobachtete Auge, B C die Gesichtslinie des Beobachters, C d die des beobachteten Auges, welche beliebig gerichtet sein kann. Der Versuch gelingt auch meist, ohne dass man die Accommodation des beobachteten Auges ber\u00fccksichtigt, wenn entweder der Beobachter weit entfernt ist, weil die meisten menschlichen Augen nicht f\u00fcr gr\u00f6ssere Entfernungen sich accommodiren k\u00f6nnen, oder wenn der Beobachtete, wie in Fig. 88, seitw\u00e4rts sieht, weil dann das Bild des Lichts und der Pupille des Beobachters auf den Seitentheilen der Netzhaut entworfen werden, wo \u00fcberhaupt die Bilder nicht scharf sind. Am hellsten ist das Leuchten, wenn das einfallende Licht auf die Eintrittsstelle des Sehnerven triflt, weil dessen weisse Substanz das Licht stark reflectirt und wegen ihrer durchscheinenden Beschaffenheit keine hinreichend bestimmte Grenzfl\u00e4che darbietet, auf der sich das Bild scharf projiciren k\u00f6nnte.\nZu bemerken ist hierbei, dass bei hinreichend starker Beleuchtung auch Licht genug durch die Aderhaut zur Sclerotica dringt, und hier diffus reflectirt wieder zur\u00fcckkehrt, um wahrgenommen zu werden. Dies Licht verh\u00e4lt sich wie das der Zerstreuungskreise. Daher kann bei starker Beleuchtung auch bei genauer Accommodation des beobachteten Auges f\u00fcr die Pupille des Beobachters ein schwacher Grad von Leuchten stattfinden, namentlich bei schwach pigmentirten Augen, der sich in der angegebenen Weise erkl\u00e4rt.\nNoch besser kann das Augenleuchten beobachtet werden, wenn man nicht direct das Licht der Flamme in das Auge fallen l\u00e4sst, sondern von einem Spiegel reflectirt, und der Beobachter durch diesen Spiegel hindurchsieht. A in Fig. 89 sei das Licht, S der Spiegel, welcher aus einer unbelegten Glasplatte bestehen kann. Diese wirft das auffallende Licht so zur\u00fcck, als k\u00e4me es von einem Spiegelbilde a der Flamme. C sei das beobachtete Auge, auf dessen Hintergr\u00fcnde ein kleines Netzhautbildchen des Lichts entworfen wird. Das von der Netzhaut zur\u00fcckkehrende Licht geht nun, wenn es das Auge verlassen\n\n\nFig. SS.","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 16.\nDAS AUGENLEUCHTEN.\n167\nhat, zun\u00e4chst in der Richtung des Spiegelbildes a zur\u00fcck, trifft wieder auf die spiegelnde Platte, wo ein Theil nach dem wirklichen Lichte hin zur\u00fcckgeworfen wird, w\u00e4hrend ein anderer durch die Platte geht und seinen Weg nach dem Orte des Spiegelbildes hin fortsetzt. Hier kann es nun von dem Auge des Beobachters B aufgefasst werden. Dieser sieht bei der beschriebenen Anordnung das beobachtete. Auge leuchten.\nStatt der unbelegten Glasplatte kann auch ein belegter Glasspiegel oder Metallspiegel gebraucht werden, mit einer engen Oeffnung, durch welche der Beobachter sieht.\nWenn der Beobachter unter diesen Umst\u00e4nden nun auch den Hintergrund des beobachteten Auges erleuchtet sieht, so kann er doch in der Regel nichts im Hintergr\u00fcnde dieses Auges erkennen, weil er sein Auge f\u00fcr das Bild, welches die Augenmedien vom Hintergr\u00fcnde des Auges entwerfen, nicht acconnnodiren kann. Zu dem Ende m\u00fcssen noch passende Glaslinsen hinzugenommen werden. Die Zusammenstellung eines Beleuchtungsapparates mit solchen Glaslinsen giebt ein Instrument, Augenspiegel, mittels dessen man die Bilder auf der Netzhaut und die Theile der Netzhaut eines fremden Auges deutlich sehen und untersuchen kann.\nBr\u00fccke hat. auf einen eigenth\u00fcmlichen Nutzen aufmerksam gemacht, den die Schicht der stabf\u00f6rmigen K\u00f6rperchen bei der Zur\u00fcckwerfung des Lichts an der Netzhaut haben muss. Diese K\u00f6rperchen sind kleine Cylinder, 0,030 Mm. lang, 0,0018 Mm. dick, von einer stark lichtbrechenden Substanz gebildet, welche palissadenartig dicht neben einander gedr\u00e4ngt die der Aderhaut zugekehrte letzte Schicht der Netzhaut bilden. Die Axe derer, welche im Hintergr\u00fcnde des Auges die Netzhaut bedecken, ist gegen die Pupille hin gerichtet, und alles einfallende Licht tritt deshalb in diese K\u00f6rperchen nahehin ihrer Axe parallel ein. Da nun Licht, welches innerhalb eines dichteren Mittels fortschreitend unter einem sehr grossen Einfallswinkel auf die Grenze eines weniger lichtbrechenden Mediums trifft, total reflectirt wird, so k\u00f6nnen wir schlossen, dass das Licht, welches in ein stabf\u00f6rmiges K\u00f6rperchen einmal eingetreten ist, dieses meist nicht wieder verl\u00e4sst, sondern, wenn es irgendwo auf die cylindrische Begrenzungsfl\u00e4che des K\u00f6rperchens treffen sollte, hier gr\u00f6sstentheils nach innen reflectirt wird. Wenn wir die Brechkraft der stabf\u00f6rmigen K\u00f6rperchen beispielsweise gleich der des Oels (1,47), die ihrer Zwischensubstanz gleich der des Wassers setzen (1,33), so werden Strahlen, die unter\u00ab einem Winkel kleiner als 250 gegen ihre Fl\u00e4che fallen, total reflectirt, w\u00e4hrend die von der Pupille etwa nur unter einem Winkel von 8\u00b0 auffallen. Ist das Licht endlich an dem \u00e4usseren Ende des K\u00f6rperchens angekommen, und wird hier ein Theil von der Aderhaut diffus zur\u00fcckgeworfen, so wird dieser wieder haupts\u00e4chlich durch dasselbe K\u00f6rperehen zur\u00fcckkehren m\u00fcssen. Was von dem Lichte dann unter einem gr\u00f6sseren Winkel gegen die Axe des K\u00f6rperchens verl\u00e4uft, wird allerdings das K\u00f6rperchen auch verlassen k\u00f6nnen, aber nur nach oft wiederholten Reflexionen an den Grenzen der n\u00e4chsten K\u00f6rperchen bis in den Glask\u00f6rper dringen k\u00f6nnen. Solches Licht dagegen, welches nahe parallel der Axe der K\u00f6rperchen zuriickgeht, wird nur eine oder wenige totale Reflexionen erleiden, daher wenig geschw\u00e4cht sein, wenn es das K\u00f6rperchen verl\u00e4sst, dann aber auch die Richtung nach der Pupille haben und durch diese austreten. Diese Function der K\u00f6rperchen scheint namentlich bei denjenigen Thieren, welche statt der Schicht schwarzer Pigmentzellen auf der Aderhaut eine stark reflectirende Fl\u00e4che (Tapetuni) haben, von Wichtigkeit zu sein. Einmal wird","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 16.\ndadurch bewirkt, dass das Licht die empfindenden Netzhautelemente, welche es beim Einfallen getroffen hatte, bei seiner R\u00fcckkehr noch einmal trifft und erregt. Zweitens kann es r\u00fcckkehrend nur dieselben oder h\u00f6chstens theilweise die n\u00e4chsten Netzhautelemente treffen, und sich nur zu einem kleinen Theile im Auge diffus zerstreuen, was die Genauigkeit des Sehens erheblich beeintr\u00e4chtigen w\u00fcrde. Dass solches diffus zerstreutes Licht bei hinreichend hellen Netzhautbildern im Gesichtsfelde merkbar werden kann, zeigt die im vorigen Paragraphen beschriebene Beobachtungsweise der Aderflgur mittels eines unter dem Auge hin und her bewegten Lichts.\nIch lasse nun hier eine Reihe allgemeiner S\u00e4tze zur Begr\u00fcndung der mathematischen Theorie des Augenleuchtens und der Augenspiegel folgen, durch deren Aufstellung die Betrachtung der einzelnen F\u00e4lle sp\u00e4ter ausserordentlich vereinfacht wird.\nSatz I.\nWenn zwei Lichtstrahlen in entgegengesetzter Richtung durch beliebig viele einfach brechende Mittel gehen, und in einem dieser Medien in eine gerade Linie zusammenfallen, so fallen sie in allen zusammen.\nEs sei A B Fig. 90 der Theil der beiden Strahlen, von dem wir wissen, dass er beiden gemeinschaftlich angeh\u00f6re. Der erste Strahl sei von E l\u00e4ngs der Linie E B gekommen, in B gebrochen und nach A gegangen. Der zweite Strahl kommt von A l\u00e4ngs der Linie A B nach B, wird hier gebrochen, und gehe nach E(. Zun\u00e4chst ist zu beweisen, dass Et B mit E B zusammenf\u00e4llt. D B C sei das Einfallsloth, m das Brechungsverh\u00e4ltniss des Mittels, in welchem E und Er der Winkel EB D = oc und der Winkel Ef B D \u2014 a, liegen ; n dagegen das Brechungsverh\u00e4ltniss des Mittels, in welchem A und der Winkel ARC=\u00df liegt. F\u00fcr den ersten Strahl muss nach dem Brechungsgesetz A B in der durch D B und EB gelegten Ebene liegen, und ferner sein.\nm sin a = n sin \u00df.\nEbenso muss f\u00fcr den zweiten Strahl if, B in der durch D B und A B gelegten Ebene liegen, also in derselben, in welcher auch EB liegt, und es muss sein\nm sin oc, = n sin \u00df.\nDaraus folgt\nsin a = sin a, oder a = a,,\nda beide Winkel nur im ersten Quadranten liegen k\u00f6nnen.\nDaraus folgt, dass Et B mit EB zusammenf\u00e4llt. Somit congruiren die beiden Strahlen auch in dem Mittel, in welchem E liegt, soweit dieses reicht.\nBei der n\u00e4chsten brechenden Fl\u00e4che l\u00e4sst sich ihre Congruenz dann wieder f\u00fcr das dritte Medium folgern u. s. w.\nZus\u00e4tze, i) Auch sieht man leicht ein, dass bei Reflexionen an spiegelnden Fl\u00e4chen die Congruenz nicht gest\u00f6rt wird.\n2)\tF\u00fcr das Auge folgt, dass ein Strahl, der auf seinem Wege von der Netzhaut zur Linse mit einem anderen zusammenf\u00e4llt, der von einem leuchtenden Punkte in das Auge und auf die Netzhaut f\u00e4llt, auch ausserhalb des Auges mit diesem congruirt.\n3)\tStellt man den Satz so allgemein hin, wie es hier geschehen ist, so muss man daran denken, dass bei gewissen Polarisationsrichtungen und Einfallswinkeln die Strahlen bei einer Brechung oder Reflexion ganz verl\u00f6schen k\u00f6nnten. Bei unseren Anwendungen auf die Be-\n\nFig. 90.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 16.\nTHEORIE DES A\u00dcGENLEUCHTENS.\n169\nleuchtung des Auges treten solche Umst\u00e4nde nicht ein. Das Licht f\u00e4llt auf die brechenden Fl\u00e4chen des Auges fast senkrecht ein, wobei seine etwa vorhandene Polarisation so gut wie keinen Einfluss auf die St\u00e4rke des gebrochenen und reflectirten Antheils hat. Uebrigens k\u00f6nnen wir die Schw\u00e4chung der Strahlen durch Reflexion und Absorption an und in den Augenmedien vernachl\u00e4ssigen. Nur wenn man schr\u00e4g gestellte Glasplatten als Reflector benutzt, muss man an die Schw\u00e4chung des Lichts durch Reflexion denken.\nF\u00fcr die Intensit\u00e4t des hin und zur\u00fcck gehenden Lichtstrahls l\u00e4sst sich \u00fcbrigens ebenfalls eine ganz entsprechende Regel von sehr ausgedehnter G\u00fcltigkeit aufstellen, die ausgesprochen zu haben hier gen\u00fcgen mag, da wir bei gegenw\u00e4rtiger Anwendung das Princip in seiner allgemeineren Form nicht brauchen. Den Beweis kann sich \u00fcbrigens Jeder, der die Gesetze der Optik kennt, leicht selbst f\u00fchren. Man kann diese allgemeinere Regel folgendermassen aussprechen.\nEin Lichtstrahl gelange von dem Punkte A nach beliebig vielen Brechungen, Reflexionen u. s. w. nach dem Punkte B. In A lege man durch seine Richtung zwei beliebige, auf einander senkrechte Ebenen ax und a2, nach welchen seine Schwingungen zerlegt gedacht werden. Zwei eben solche Ebenen bx und b.2 werden durch den Strahl in B gelegt. Alsdann l\u00e4sst sich folgendes beweisen : Wenn die Quantit\u00e4t J nach der Ebene ax polarisirten Lichts von A in der Richtung des besprochenen Strahls ausgeht, und davon die Quantit\u00e4t K nach der Ebene bx polarisirten Lichts in B ankommt, so wird r\u00fcckw\u00e4rts, wenn die Quantit\u00e4t J nach bx polarisirten Lichts von B ausgeht, dieselbe Quantit\u00e4t K nach ax polarisirten Lichts in A ankommen.\nSoviel ich sehe, kann hierbei das Licht auf seinem Wege der einfachen und doppelten Brechung, Reflexion, Absorption, gew\u00f6hnlichen Dispersion und Diffraction unterworfen sein, ohne dass das Gesetz seine Anwendbarkeit verliert, nur darf keine Aenderung seiner Brechbarkeit stattfinden, und es darf nicht durch K\u00f6rper gehen, in denen der Magnetismus nach Faraday\u2019s Entdeckung auf die Lage der Polarisationsebene einwirkt.\nSatz II.\nWenn die Pupille des beobachteten Auges leuchtend erscheinen soll, so muss sich auf seiner Netzhaut das Bild der Lichtquelle ganz oder theilweise mit dem Bilde der Pupille des Beobachters decken.\nWenn von irgend einer Stelle der Netzhaut des beobachteten Auges Licht in das Auge des Beobachters dringen soll, so muss diese Stelle erstens von der Lichtquelle erleuchtet sein, also dem Bilde der Lichtquelle angeh\u00f6ren. Zweitens, wenn wir die Fiction machen, dass Licht von der Pupille des Beobachters ausgeht, so m\u00fcsste nach dem vorigen Satze ebenso gut Licht von der Pupille des Beobachters zur betreffenden Stelle der Netzhaut des beobachteten Auges wie umgekehrt gehen k\u00f6nnen. Die Netzhautstelle muss also gleichzeitig dem Netzhautbilde der Pupille des Beobachters angeh\u00f6ren, mag dieses Bild nun scharf oder ein Zerstreuungsbild sein.\nZus\u00e4tze. I) Dieser Satz gilt nicht nur f\u00fcr den Fall, wo die Strahlen auf geradem Wege von der Lichtquelle zum beobachteten Auge und von diesem zum Auge des Beobachters gehen, sondern aucli wenn beliebig viele Linsen und Spiegel dazwischen geschoben sind. Dadurch erh\u00e4lt man ein bequemes Mittel, sich experimentell die Wirkung jedes Augenspiegels am eigenen Auge deutlich zu machen. Man stelle das zur Erleuchtung dienende Licht auf und bringe das Instrument vor sein Auge in dieselbe Lage, wie es sonst vor dem Auge des Beobachteten steht; der Theil des Gesichtsfeldes, welcher alsdann hell erscheint, entspricht dem Theile der Netzhaut, welcher beleuchtet ist. Man kann erkennen, ob das helle Feld gross oder klein, ob es gleichm\u00e4ssig erleuchtet ist, oder ob sich dunkle Stellen darin befinden, und wie dunkel diese sind. Alsdann nehme man die Flamme von der Stelle weg, wo sie zur Erleuchtung des Auges dient, und bringe sie hinter das Instrument, da wo sich sonst das Auge des Beobachters befindet, so dass das Licht durch die Oeffnung scheint, welche dem","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 10.\nBeobachter zum Durchsehen dient. Was jetzt im Gesichtsfelde erleuchtet ist, ist der Kreis, den der Beobachter von der Netzhaut \u00fcbersehen kann.\nIm empfehle diesen Weg-, um bei den verschiedenen Combinationen ebener und gekr\u00fcmmter Spiegel, convexer und concaver Linsen in den Augenspiegeln sich die Wirkungen klar zu machen, ohne dass man sich auf verwickelte geometrische Constructionen einzulassen braucht, die den Unge\u00fcbten leicht mehr verwirren als aufkl\u00e4ren.\n2) Was die Wirkung der in diesem Paragraphen beschriebenen \u00dfeleuchtungsweisen betrifft, so ordnet sich deren Wirkung leicht unter die hier, aufgestellte Regel. Man erinnere sich daran, dass, wie die t\u00e4gliche Erfahrung lehrt und eine einfache Construction des Ganges der Lichtstrahlen best\u00e4tigt, das Zerstreuungsbild eines fernen Gegenstandes nicht das scharfe Bild eines deutlich gesehenen n\u00e4heren Gegenstandes bedecken kann, wohl aber das Zerstreuungsbild eines n\u00e4heren Gegenstandes das scharfe Bild eines ferneren. Bei dem Versuche mit dem durchbohrten Spiegel bedeckt das Zerstreuungsbild der Oeffnung, durch welche der Beobachter blickt und welche sich m\u00f6glichst nahe vor dem beobachteten Auge befinden muss, das entferntere, vielleicht deutlich gesehene Bild der Lichtflamme. Wenn man keinen Spiegel anwendet, sondern der Beobachter dicht an der Flamme vorbei nach dein beobachteten Auge sieht, erscheinen diesem Auge die Flamme und das Auge des Beobachters nahe neben einander, und sobald das beobachtete Auge nicht scharf f\u00fcr sie accommodirt ist, fliesscn ihre Zerstreuungskreise in einander. Bei der Beleuchtung mit einer unbelegten Glasplatte k\u00f6nnen beide Bilder scharf sein, sowohl das des Lichts, wie das der Pupille des Beobachters. Ersteres wird von der Platte gespiegelt, letzteres durch die Platte gesehen, so dass beide auf einander fallen. Der Beobachtete kann deshalb selbst am leichtesten die Glasplatte so stellen, dass dem Beobachter sein Auge leuchtend erscheint. Er muss nur darauf achten, dass ihm das Auge des Beobachters von dem Spiegelbilde der Flamme gedeckt erscheine.\nEin solches Reciprocit\u00e4tsgesetz, wie wir es eben daf\u00fcr aufgestellt haben, dass \u00fcberhaupt Licht von einem leuchtenden zu einem zu beleuchtenden Punkte hin und her gehe, l\u00e4sst sich auch f\u00fcr die Quantit\u00e4t des hin und zur\u00fcck gelangenden Lichts aufstellen. Wir erinnern in dieser Beziehung zun\u00e4chst an folgendes\nAllgemeines Gesetz der Beleuchtung.\nWenn sich in einem durchsichtigen Medium zwei verschwindend kleine Fl\u00e4chen-elemente von der Gr\u00f6sse a und b in der gegenseitigen Entfernung r befinden, ihre Normalen mit der sie verbindenden geraden Linie beziehlich die Winkel a und \u00df bilden, und a mit der Helligkeit H Licht aussendet, so ist die Lichtmenge L, welche von a auf b f\u00e4llt\nL ____ H \u25a0 ab cos a cos \u00df j\t^\nr2\ti\nEbenso gross ist auch die Lichtmenge, welche von b auf a fallen w\u00fcrde, wenn b mit der Helligkeit II Licht aussendete.\nSatz III.\nIn einem centrirten Systeme von brechenden Kugelfl\u00e4chen sei ny das Brechungs-verh\u00e4ltniss des ersten, % das des letzten brechenden Mittels.\tIn dem ersten\nbefinde sich senkrecht gegen die Axe des Systems gerichtet und der Axe nahe ein Fl\u00e4chenelement a, in dem letzten ein eben solches \u00df. Wenn a die Helligkeit n,2 II hat, und \u00df die Helligkeit w22 H, so f\u00e4llt ebenso viel Licht von a auf \u00df, wie von \u00df auf a.\nUm den Beweis nicht complicirter zu machen, als unsere beabsichtigten Anwendungen verlangen, vernachl\u00e4ssigen wir dabei die Schw\u00e4chungen, welche die Strahlen an den brechenden Fl\u00e4chen durch Reflexion erleiden, und nehmen an, dass die Einfallswinkel der Strahlen an den brechenden Fl\u00e4chen immer klein genug sind,","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 16.\nTHEORIE DES AUGENLEUCHTENS.\n171\num ihre Cosinus gleich i setzen zu k\u00f6nnen, obgleich der Satz sich auch in allgemeinerer Form beweisen l\u00e4sst.\n1) Wenn \u00df nicht am Orte des Bildes von a liegt.\nEs sei AC die optische Axe des brechenden Systems, F sein erster, G sein zweiter Hauptpunkt, <x das erste Fl\u00e4chenelement, welches wir, da es verschwindend klein sein soll, nur durch einen Punkt in der Zeichnung dargestellt haben, der\ny sein Bild, f1 f.\u00e4 Durchschnitt des einfallenden Strahlenb\u00fcndels in der ersten Hauptebene, gx g2 derselbe in der zweiten.\n\u25a092\nFig. 91.\nDie Grundfl\u00e4che des Strahlenb\u00fcndels in der ersten Hauptebene ist congruent derselben in der zweiten ; ihre gemeinsame Gr\u00f6sse s.ei <J>. Das zweite Fl\u00e4chenelement \u00df liege in der Ebene, welche in B senkrecht gegen die optische Axe steht, und ly 62 sei der Durchschnitt des Strahlenb\u00fcndels in dieser Ebene. Die Fusspunkte der von oc und y auf die optische Axe gef\u00e4llten Lothe seien A und C.\nDie Lichtmenge, welche von a auf die Grundfl\u00e4che des Strahlenkegels f\\ f\u00e4llt, ist nach Gleichung 1) gleich\n\u00abx2 H \u2022 \u00ab \u2022\nTf2 \u2019\nwenn \u00bbx2 H die Helligkeit von a ist. Dieselbe Lichtmenge f\u00e4llt auch auf die weiteren Querschnitte des Strahlenkegels in gx g.2 und ly \u00f62. Die Lichtmenge nun, welche in der letzteren Ebene auf das Fl\u00e4chenelement \u00df f\u00e4llt, verh\u00e4lt sich zu der ganzen Lichtmenge, welche die Fl\u00e4che ly b.2 trifft, wie die Oberfl\u00e4che von \u00df zu\ndem Querschnitt des Strahlenkegels in fy &2, den wir mit J3 bezeichnen wollen, ist also die ganze Lichtmenge X, welche von a auf \u00df f\u00e4llt, gleich\nX =. =\n$\tn12//\u00ab\u00df\nA F2-\nEs\n2).\nNun ist aber ferner\n$\n(9i\nCG2\ng (M2)2\tbc2\nDieser Werth, in die Gleichung 2) gesetzt, giebt\nCG2\nX = V //a\u00df\nB C2 \u2022 A F2\nDa nun nach \u00a7. 9 Gleichung 8 a) G_C __ AF \u2014\nA F \u2014 F y\nwo Fx und F2 die beiden Brennweiten des Systems sind, so ist\n^ 2 P 2\nX \u2014 H a\u00df\n2 a).\n[-4 F \u25a0 F2 -4- B G \u25a0 Fx \u2014 A F \u25a0 B GJ2\t)\t-\nEbenso bekommt man nun f\u00fcr die Lichtmenge Y, welche von \u00df, wenn es mit der Helligkeit n22 II leuchtet, auf oc f\u00e4llt, den Ausdruck\n\u201e o\tW.22Fj2\t)\taus\nH0L \u00df ' [il F \u25a0 Fa -+- B G \u25a0 Fx \u2014 A F \u25a0 B G]2'\t\\\t'\t'\nY \u2014","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 16.\nDa auf beiden Seiten Alles symmetrisch ist, braucht man, um dies zu erhalten, in dem Ausdrucke f\u00fcr X nur zu vertauschen\nA F mit B G ]<\\ mit F.y a mit \u00df\nttj2 H mit nz2 H.\nDa nun nach \u00a7. 9 Gleichung 9 c)\n\u00abi F.z = n.z F, ,\nso folgt aus 2 a) und \u201c2 b)\nA = Y,\nwas zu beweisen war.\n2) Wenn \u00df an den Ort des Bildes von a f\u00e4llt.\nWir nehmen zuerst an, dass \u00df in Gr\u00f6sse und Lage dem Bilde von a genau entspreche, dann entspricht auch oc genau dem Bilde von \u00df. Alles Licht also, was von cc aus durch die brechenden Fl\u00e4chen dringt, f\u00e4llt auf \u00df, umgekehrt, alles, was von \u00df durch die brechenden Fl\u00e4chen dringt, f\u00e4llt auf a.\nWir behalten die Bezeichnungen der Figur 9 1 bei, nur dass wir uns das Element \u00df jetzt in y liegend denken.\nEs ist die von oc bei der Helligkeit nL2 II auf die brechenden Fl\u00e4chen und also auch auf \u00df fallende Lichtmenge X\nX =\nn2H\nAF2\n3 a),\nund die von \u00df bei der Helligkeit \u00ab,22 H auf die brechenden Fl\u00e4chen und also auch auf a fallende Menge Y\nY =\na \u201e \u00df$\n3bl\nDa nun \u00df das Bild von a sein soll, so ist nach \u00a7. 9 Gleichung 8b), indem man ber\u00fccksichtigt, dass a und \u00df \u00e4hnliche Fl\u00e4chen, also dem Quadrate ihrer entsprechenden Lineardimensionen proportional sind\nund da ferner nach \u00a7. 9\nso folgt\nund da Fl :\t\u2014 nx : \u00bb2,\na\n\u00df\n/\u25a0v2\n(G c\u2014 F.2y2,\nGleichung 8 a)\nG C \u2014 F% =\nGC . F1 A F\na F2 _ \u00df F.2 AF2 \u2014 GC2' so folgt\na \u00abj2\t__ \u00df n-22 i\nTf2 ~~ cTc2 I\nAus 3 a), 3 b) und 3 c) zusammen folgt endlich\n3 c).\nX \u2014 Y,\nwas zu beweisen war.\nSollte eines der beiden Elemente, z. B. a, gr\u00f6sser sein als das Bild von \u00df, so w\u00fcrden die Theile von oc, welche nicht zum Bilde von \u00df geh\u00f6ren, weder Licht auf \u00df werfen, noch von \u00df empfangen k\u00f6nnen, es w\u00fcrde dadurch also weder A' noch Y ge\u00e4ndert werden und unser Satz richtig bleiben.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 16.\nTHEORIE DES AUGENLEUCHTENS.\n173\nZus\u00e4tze. 4) Die ganze Beweisf\u00fchrung l\u00e4sst sich ebenso gut auf centrirte Systeme brechender und spiegelnder Kugelfl\u00e4chen anwenden.\n2) Die leuchtende und beleuchtete Fl\u00e4che brauchen'auch nicht verschwindend klein zu sein, wenn sie nur klein genug sind, dass die Cosinus der Einfallswinkel der Strahlen an den brechenden Fl\u00e4chen sich nicht merklich von 1 unterscheiden. Denn da f\u00fcr jedes Paar verschwindend kleiner Fl\u00e4chenelemente der beiden Fl\u00e4chen der Satz gilt, so gilt er auch f\u00fcr die ganzen Fl\u00e4chen.\nWenn wir den eben bewiesenen Satz auf die Verh\u00e4ltnisse des Augenleuchtens anwenden und das eine Fl\u00e4chenelement in die Netzhaut des beobachteten Auges verlegen, statt des anderen die Pupille des Beobachters setzen, \u00fcbrigens den Unterschied der Brechung zwischen w\u00e4ssriger und gl\u00e4serner Feuchtigkeit vernachl\u00e4ssigen und zwischen den beiden Augen ein beliebiges System centrirter brechender oder spiegelnder kugeliger Fl\u00e4chen angebracht denken, so k\u00f6nnen wir den Satz folgendermassen aussprechen:\nSatz III a.\nDie Menge Licht, welche von einem Fl\u00e4chenelemente der Netzhaut des beobachteten Auges in das Auge des Beobachters f\u00e4llt, ist gleich der Helligkeit, mit der das Netzhautelement von der Lichtquelle erleuchtet wird, multiplicirt mit der Menge Licht, welche von der Pupille des Beobachters, wenn sie die Helligkeit = I h\u00e4tte, auf das Netzhautelement fallen w\u00fcrde.\nH sei die Helligkeit, mit der das Netzhautelement von der Lichtquelle erleuchtet wird, und k die Lichtmenge, welche von der Pupille des Beobachters, wenn diese mit der Helligkeit 1 leuchtet, auf das Netzhautelement f\u00e4llt, so w\u00fcrde nach dem eben bewiesenen Satze k auch gleich der Lichtmenge sein, welche von dem Netzhautelemente, wenn dieses die Helligkeit 1 h\u00e4tte, in die Pupille des Beobachters gelangte. Da dieses nun aber die Helligkeit H hat, so ist die Lichtmenge, welche von diesem Elemente wirklich in die Pupille des Beobachters gelangt, Hk, wie es unser Satz ausspricht.\nEs ist dieser Satz gleichsam die weitere Ausf\u00fchrung des Satzes II, indem hier die quantitativen Bestimmungen gegeben werden, welche dort fehlten. Zun\u00e4chst ist er nur erwiesen f\u00fcr Augenspiegel, an deren brechenden und spiegelnden Fl\u00e4chen die Lichtstrahlen nahe senkrecht einfallen und keinen erheblichen Verlust erleiden. Es ist aber leicht einzusehen, dass er auch f\u00fcr die Beleuchtung des Auges mit schief gestellten spiegelnden Glasplatten gilt, da unpolarisirtes Licht, vom beobachtenden zum beobachteten Auge durch eine solche Platte gehend, ebenso stark geschw\u00e4cht wird, als wenn es den umgekehrten Weg verfolgte.\nSatz IV.\nWenn ein Beobachter durch ein centrirtes System brechender und spiegelnder Kugelfl\u00e4chen ein scharfes Bild eines leuchtenden Gegenstandes erblickt und wir den Verlust von Licht an den brechenden und spiegelnden Fl\u00e4chen vernachl\u00e4ssigen k\u00f6nnen, so erscheint jede Stelle des Bildes dem Beobachter ebenso hell, wie ihm die entsprechende Stelle des Gegenstandes ohne optische Instrumente gesehen erscheinen w\u00fcrde, so oft die ganze Pupille des Beobachters von den Strahlen getroffen wird, die von einem einzelnen Punkte jener Stelle ausgehen. Ist diese letztere Bedingung nicht erf\u00fcllt, so verh\u00e4lt sich die Helligkeit des optischen Bildes zur Helligkeit des frei gesehenen Gegenstandes, wie der von Strahlen eines leuchtenden Punktes getroffene Fl\u00e4chenraum der Pupille des Beobachters zur ganzen Pupille.\nWenn das Auge direct oder durch ein centrirtes optisches System ein deutliches Bild eines Gegenstandes sieht, so k\u00f6nnen wir das Auge mit dem Vorgesetzten","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 16.\noptischen Systeme zusammen wiederum als ein optisches System betrachten, welches ein Bild des Gegenstandes auf der Netzhaut entwirft. Es sei a ein Fl\u00e4chenelement\ndes Gegenstandes, b\nBild auf der Netzhaut. So viel Licht von a nach b geht,\nw\u00fcrde auch nach Satz III dieses Paragraphen von b\nhautelemente b die Helligkeit\n(%)2\n(\u00bbi)2\nnach a gehen\nII ertheilt w\u00fcrde.\nwenn dem Netz-In diesem Ausdrucke ist H\ndie Helligkeit des Elements a, n1 das Brechungsverh\u00e4ltniss des Mediums, in dem sich a befindet, n2 das des Glask\u00f6rpers. Es l\u00e4sst sich aber leicht berechnen, wie viel Licht von b nach a unter diesen Umst\u00e4nden gehen w\u00fcrde. Ist q der Querschnitt des von einem Punkte von b nach einem Punkte von a gehenden Strahlenb\u00fcndels in der Pupille, so ist die von b nach a gehende Lichtmenge M gleich der von b nach q gehenden, und diese ist\nM\nZ_ TT 'jj>\n2 R2 \u2019\nworin R den Abstand der Pupille von der Netzhaut bedeutet. Streng genommen w\u00fcrde hier unter q der Querschnitt des Strahlenb\u00fcndels in dem von der Linse entworfenen Bilde der Pupille, und unter R die Entfernung dieses Bildes von der Netzhaut zu verstehen sein. In diesem Ausdrucke f\u00fcr die Lichtmenge, welche von dem leuchtenden Fl\u00e4chenelemente H in das Auge f\u00e4llt, sind zwei Gr\u00f6ssen, welche von der Beschaffenheit des dem Auge Vorgesetzten optischen Systems abh\u00e4ngen, n\u00e4mlich q der Querschnitt des Strahlenb\u00fcndels in der Pupille und b die Gr\u00f6sse des Bildes auf der Netzhaut.\nDie Helligkeit dieses Bildchens h\u00e4ngt nun aber nicht nur von der einfallenden Lichtmenge ab, sondern auch von der Gr\u00f6sse der Fl\u00e4che b, \u00fcber welche die Lichtmenge ausgebreitet wird, und ist der letzteren umgekehrt proportional. Setzen wir als Einheit der Beleuchtungsst\u00e4rke die Lichtmenge, welche die Einheit der Fl\u00e4che trifft, so ist die Beleuchtungsst\u00e4rke J des Netzhautelements b\nM\nb\n=\n_L\nR2\nin welchem Ausdrucke nur noch q von der Beschaffenheit des optischen Systems abh\u00e4ngig ist. Sieht das Auge frei den Gegenstand an, so f\u00fcllt das Strahlenb\u00fcndel die ganze Pupille, deren Querschnitt Q sei, und die Beleuchtungsst\u00e4rke wird\nJ =\nM2\n(%)2\nH\nQ\nr'\nGr\u00f6sser als Q kann q niemals werden; dieser letztere Ausdruck ist also das Maximum der Helligkeit; er stellt die nat\u00fcrliche Helligkeit des Bildes dar. Die Helligkeit ausgedehnter Fl\u00e4chen kann durch optische Instrumente nie gr\u00f6sser, nur kleiner werden, wenn q kleiner als Q, und verh\u00e4lt sich dann zur nat\u00fcrlichen Helligkeit wie q zu Q.\nZus\u00e4tze. 1) Nur wenn wir verschwindend kleine leuchtende Punkte durch optische Instrumente betrachten, deren Bild auch bei den st\u00e4rksten Vergr\u00f6sserungen nur die Ausdehnung der kleinsten Zerstreuungskreise auf der Netzhaut bedeckt, also immer dieselbe Fl\u00e4chenausdehnung beh\u00e4lt, k\u00f6nnen optische Instrumente die Helligkeit vergr\u00f6ssern. Dies geschieht z. B. f\u00fcr die Fixsterne, und deshalb k\u00f6nnen auch Fixsterne durch stark vergr\u00f6ssernde Fernrohre mit grossen Aperturen bei Tage sichtbar gemacht werden. Die scheinbare Helligkeit des Fixsterns steigt proportional der Lichtmenge, welche das Instrument in seinen Focus vereinigt, w\u00e4hrend die Helligkeit des Himmelsgew\u00f6lbes im Fernrohre nicht vermehrt wird.\n2) Auch wenn Zerstreuungsbilder einer leuchtenden Fl\u00e4che von gleichm\u00e4ssiger Helligkeit im Auge entworfen werden, kann die Helligkeit des Netzhautbildes nur gleich, nie gr\u00f6sser werden als die Helligkeit bei freier Betrachtung der Fl\u00e4che. Der Beweis l\u00e4sst sich ganz so","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 16.\nTHEORIE DER AUGENSPIEGEL.\n175\ndurch einen Augenspiegel eine Stelle der Netzhaut des\nf\u00fchren wie f\u00fcr scharf gesehene Bilder, da Satz III f\u00fcr scharfe Bilder und f\u00fcr Zerstreuungs-bilder gleichm\u00e4ssig gilt. Auch hier ist die Helligkeit proportional dem Querschnitt des Strali-lenb\u00fcndels in der Pupille, welches von dem entsprechenden Punkte der Netzhaut bis nach der leuchtenden Fl\u00e4che gelangen kann.\nIch erlaube mir zu bemerken, dass gegen die hier entwickelten Grunds\u00e4tze der Helligkeit dioptrischer und katoptrischer Apparate noch oft ges\u00fcndigt wird. Man glaubt noch oft, dass, wenn man Licht durch Sammellinsen oder Hohlspiegel in das Auge, in Mikroskope u. s. w. fallen l\u00e4sst, man dadurch nicht blos die scheinbare Gr\u00f6sse der leuchtenden Fl\u00e4che, sondern auch ihre scheinbare Helligkeit vermehren k\u00f6nne. Der Vermehrung des in das Auge fallenden Lichts, welches durch solche Mittel erreicht werden kann, entspricht stets eine entsprechende Vergr\u00f6sserung des Bildes, so dass das Bild eben nur gr\u00f6sser, nicht heller wird. Durch kein optisches Instrument kann man die Helligkeit einer leuchtenden Fl\u00e4che von erkennbaren Dimensionen f\u00fcr das Auge gr\u00f6sser machen, als sie dem blossen Auge erscheint. Ebenso wenig kann eine beleuchtete Fl\u00e4che jemals eine gr\u00f6ssere Helligkeit bekommen, als die leuchtende hat.\nSatz V.\nAllgemeines Verfahren, die Helligkeit zu bestimmen, mit welcher dem Beobachte\nbeobachteten Auges erscheint.\na) Wenn der Verlust, den die einzelnen Strahlen an den brechenden und reflectirenden Fl\u00e4chen erleiden, vernachl\u00e4ssigt werden kann. Es sei x ein Punkt an der betreffenden Stelle der Netzhaut; wir haben zu untersuchen, wie das Strahlenb\u00fcndel verl\u00e4uft, welches von x nach der Pupille desselben Auges geht. Nach Satz 1 und II muss ein Theil dieses Strahlenb\u00fcndels zum leuchtenden K\u00f6rper, ein anderer zur Pupille des Beobachters gehen. Es sei P der Querschnitt der Pupille des beobachteten Auges, p in dieser Pupille der Querschnitt desjenigen Theils des Strahlenb\u00fcndels, welches zum leuchtenden K\u00f6rper zur\u00fcckgelangt, H die Helligkeit, welche der betreffenden Netzhautstelle zukommen w\u00fcrde, wenn das beobachtete Auge, frei nach dem leuchtenden K\u00f6rper blickend, auf ihr ein Bild dieses K\u00f6rpers entw\u00fcrfe. Wir k\u00f6nnen diese die normale Helligkeit nennen. Sie h\u00e4ngt nat\u00fcrlich wesentlich von der Structur der Netzhaut selbst ab, ferner von der Helligkeit des leuchtenden K\u00f6rpers und der Weite der Pupille P. Bei Anwendung des Augenspiegels muss nothwendig die wirkliche Helligkeit der Netzhaiitstelle kleiner werden, n\u00e4mlich\n4 ff.\nWeiter ermittele man den Querschnitt q, den der Theil des von x ausgegangenen Strahlenb\u00fcndels, welcher in die Pupille des Beobachters gelangt, in dieser Pupille hat, deren ganzer Fl\u00e4cheninhalt Q sei, so ergiebt sich schliesslich f\u00fcr die Helligkeit der Netzhautstelle, wie sie dem Beobachter erscheint,\nq \u25a0 p\nH.\nQ p\nb) Wenn die Strahlen durch Spiegelung oder Brechung einen merklichen Verlust erleiden. Unter den bisher construirten Formen der Augenspiegel kommt ein solcher nur bei dem von mir angegebenen lhit unbelegtcn spiegelnden Platten vor. Das vom Auge zum leuchtenden K\u00f6rper gehende Strahlenb\u00fcndel wird in diesem Falle und allen \u00e4hnlichen ebenso viel verlieren als die vom Lichte wirklich zum Auge gehenden Strahlen. Man braucht also auch nur den Verlust des ersteren zu berechnen. Es m\u00f6ge von einem Strahl, der vom Licht zum beobachteten Auge geht und dessen Intensit\u00e4t 1 ist, a im Auge ankommen, und von einem eben solchen Strahle, der vom beobachteten Auge ausgeht, \u00df in dem des Beobachters","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u2022 IO-\nankommen, dann m\u00fcssen wir den obigen Ausdruck f\u00fcr die Helligkeit noch mit a und \u00df multipliciren ; er wird also\n\u00ab \u2022 \u00df \u2022 P \u25a0 g TT\nP . Q\nDurch die in den vorstehenden S\u00e4tzen vollzogene Umkehr des Problems von der Erleuchtung des Auges haben wir die Untersuchung der Helligkeit der Bilder f\u00fcr jeden Fall auf die Bestimmung des Ganges eines einzigen Strahlenb\u00fcndels reducirt, w\u00e4hrend es sonst n\u00f6thig war, die Helligkeit einer einzelnen Netzhautstelle aus der Helligkeit aller \u00fcber einander gelagerten Zerstreuungskreise, welche den einzelnen Punkten der Lichtquelle entsprechen, durch Summation zu bestimmen. Auch glaube ich, dass die Sache dadurch der Anschauung zug\u00e4nglicher wird. Den Gang der Strahlen von einem Netzhautpunkte durch die verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig einfachen optischen Systeme der Augenspiegel, von denen eines zur Beleuchtung, eines zur Beobachtung dient, einzeln genommen kann man sich leicht veranschaulichen, w\u00e4hrend die ganze Uebersicht des Ganges der Lichtstrahlen von der Lichtquelle bis zum Auge des Beobachters meist deshalb schwierig wird, weil auf der Netzhaut eine unendliche Zahl in einander greifender Zerstreuungskreise der Punkte der Lichtquelle und der Pupille des Beobachters entstehen.\nSatz VI.\nDie Mittel, ein deutliches Bild des Augenhintergrundes zu erhalten.\nA Fig. 92 sei das beobachtete Auge, a ein Punkt seiner Netzhaut, dessen Bild von den Augenmedien in b entworfen wird, in der Entfernung, wo das beobachtete Auge\ndeutlich sieht. Die beiden Pfeile, welche bei a und b gezeichnet sind, entsprechen der Gr\u00f6sse der zusammengeh\u00f6rigen Bilder. Das Bild der Netzhautstelle ist vergr\u00f6ssert und pmgekehrt. Ein Beobachter, welcher ohne weitere H\u00fclfsmittel dies Bild der Netzhaut in 6 sehen* wollte, m\u00fcsste also noch weiter entfernt vom Auge A, etwa in C sich befinden, so dass die Entfernung Cb wieder gleich der Sehweite des Beobachters w\u00fcrde. Hierbei w\u00fcrde aber das von der Pupille des beobachteten Auges begrenzte Gesichtsfeld des Beobachters so klein sein, dass er doch nichts erkennen k\u00f6nnte.\nEs sind bisher zwei Hauptmethoden angewendet worden, um die Lage des Bildes b dem Beobachter bequemer zu machen. Bei der einen wird ein virtuelles aufrechtes Bild der Netzhaut, bei der anderen ein reelles umgekehrtes entworfen.\nA. Darstellung der Netzhaut im virtuellen aufrechten Bilde.\nMan wendet dazu eine Concavlinse II in Fig. 95 an, deren Brennweite Bp kleiner ist als die Entfernung des Punktes b von ihr. Eine solche macht die von\nA nach b hin conver-girenden Lichtstrahlen wieder divergent, so dass sie von einem scheinbar bei d im R\u00fccken des beobach-","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. I(j.\nTHEORIE DER AUGENSPIEGEL.\n177\nPunkte zu kommen scheinen. Die Pfeile bezeichnen wieder Lage und Gr\u00f6sse der Netzhautstelle und ihrer Bilder.\nNennen wir p die negative Brennweite der Concavlinse, a die Entfernung B h, y die Entfernung dB, so ist\n\\_\tI\tI\na\ty\tP '\n*\nY muss gleich der Sehweite des Beobachters sein, wenn er das bei d entworfene Bild der Netzhaut deutlich sehen soll ; a h\u00e4ngt von der Accommodationsweite A b des beobachteten Auges und der Entfernung A von B ab. Hat man den Werth beider Gr\u00f6ssen festgestellt, so kann man aus der gegebenen Gleichung den Werth von p berechnen, welcher gew\u00e4hlt werden muss, um deutliche Bilder zu geben.\nW\u00e4ren beide Augen f\u00fcr unendliche Ferne accommodirt, also oc^=y \u2014 00, 80 w\u00fcrde auch p = oo werden m\u00fcssen, d. h. es w\u00e4re gar keine Linse nothwendig.\nAuch f\u00fcr die seitlich gelegenen Theile der Netzhaut ist gew\u00f6hnlich keine Linse nothwendig, weil diese vor den dorthin fallenden Vereinigungspunkten der Lichtstrahlen weit entfernter Lichtpunkte zu liegen scheinen, und die Augenmedien von ihnen daher selbst schon ein dem Beobachter passendes Bild entwerfen.\nDas Netzhautbild in d ist bei dieser Beobachtungsweise aufrecht.\nWas die Vergr\u00f6sserung betrifft, so denke man in b einen leuchtenden Gegenstand, dessen Bild auf der Netzhaut in a entworfen werden w\u00fcrde. Die r\u00fcckkehrenden Strahlen bilden ein Bild des Netzhautbildes, welches nach den vorher auseinandergesetzten Grunds\u00e4tzen des Augenleuchtens dem leuchtenden Gegenst\u00e4nde in b congruent ist. Nennt man \u00df die Gr\u00f6sse des leuchtenden Gegenstandes und des ihm gleichen Bildes in b, 8 die des vom Beobachter gesehenen Bildes in d, so ist\n3\t.\n\u00d4 ~ y\nAls Maass f\u00fcr die scheinbare Gr\u00f6sse des gesehenen Bildes k\u00f6nnen wir seine Gr\u00f6sse dividirt durch seine Entfernung von dem sehenden Auge gebrauchen. Befindet sich das Auge des Beobachters dicht hinter dem Concavglase, so w\u00e4re die scheinbare Gr\u00f6sse des Bildes\n8 = \u00df.\nY *\nNennen wir die Entfernung AB nun q, so ist die scheinbare Gr\u00f6sse des Objects b f\u00fcr das Auge a\nj\nr1\na -h q'\nalso etwas kleiner als die des Bildes 8 f\u00fcr den Beobachter. Ist die Sehweite des Auges A sehr viel gr\u00f6sser als q, so kann man q gegen oc vernachl\u00e4ssigen, und findet auch f\u00fcr das beobachtete Auge die scheinbare Gr\u00f6sse des leuchtenden Gegen-\np\nStandes gleich \u2014.\na\nDie Netzhautbilder des beobachteten Auges erscheinen also bei dieser Anordnung dem Beobachter unter gleichem oder etwas gr\u00f6sserem Gesichtswinkel als die entsprechenden Gegenst\u00e4nde dem beobachteten Auge.\nDaraus ergiebt sich nun leicht die Vergr\u00f6sserung der Netzhauttheile des beobachteten Auges. Ist x die Gr\u00f6sse des auf der Netzhaut in a entworfenen Bildes von \u00df, und y der Abstand der Netzhaut vom hinteren Knotenpunkte des Auges, so verh\u00e4lt sich\nF.ncyldop. d. Physik. \u00cfX. Helmholtz . Physiol. Optik.\t^ ^","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. io.\nx ____ y\n\u00df ot -+- q\n\u00df\n5\na\nY'\nBeides multiplicirt giebt :\nx ____ y \u25a0 a\n5 Y (a <l)\ny ist in Listing\u2019s schematischem Auge gleich 18,0072 Mm. (oder 6,694 Par. Lin.), Y ist hier nach der bei der Berechnung von Yergr\u00f6sserungen angenommenen Norm der Sehweite gleich 8 Zoll zu setzen. Daraus ergiebt sich die Vergr\u00f6sserung\n8\n14,34\noc -+- q\nX\tOL\nDa q gegen a gew\u00f6hnlich sehr klein ist, k\u00f6nnen wir die Vegr\u00f6sserung gleich 141/3 mal annehmen.\nDas Gesichtsfeld, welches man \u00fcbersieht, ist bei dieser Methode durch den undeutlich gesehenen Rand der Pupille des beobachteten Auges nicht scharf begrenzt. Um eine bestimmte Grenze passend zu w\u00e4hlen, kann man die nach dem Rande der Pupille des beobachteten Auges gezogenen Visirlini.en des Beobachters nehmen, deren Kreuzungspunkt 1 im Mittelpunkt der Pupille des Beobachters liegt. Wenn man diese Visirlinien wie Lichtstrahlen behandelt, die von dem Mittelpunkte der Pupille des Beobachters ausgehen, findet man, dass das Gesichtsfeld des Beobachters auf der Netzhaut des beobachteten Auges dem Zerstrenungsbilde entspricht, in welchem der Mittelpunkt der Pupille des Beobachters dort erscheint. Liegt dieser Mittelpunkt oder vielmehr sein durch die Concavlinse gesehenes Bild im ersten Brennpunkte des beobachteten Auges, so ist der Zerstreuungskreis, wie im vorigen Paragraphen bei den entoptischen Erscheinungen nachgewiesen ist, ebenso gross wie die Pupille des beobachteten Auges. Meist wird aber das Auge des Beobachters sich dem beobachteten Auge nicht so weit n\u00e4hern k\u00f6nnen, und dann wird der dem Gesichtsfelde gleiche Zerstreuungskreis kleiner als die Pupille des beobachteten Auges werden, um so kleiner, je weiter der Beobachter sich entfernt.\nB. Darstellung der Netzhaut im reellen umgekehrten Bilde.\nDie zweite Methode, das Bild der Netzhaut dem Beobachter bequem sichtbar zu machen, besteht darin, dass man nahe vor das beobachtete Auge eine Convexlinse von kurzer Brennweite, 1 bis 3 Zoll, h\u00e4lt. Es sei wieder in Fig. 94 a ein\nbeleuchteter Punkt der Netzhaut, b sein Bild ausserhalb des beobachteten Auges A, \u00df eine Convexlinse, auf welche die Strahlen fallen, ehe sie sich zum Bilde vereinigen. Diese entwirft ein kleineres und n\u00e4heres Bild, als b ist, in d, ebenfalls in umgekehrter Stellung, wie das in b. Das Auge des Beobachters befindet sich in C, so weit entfernt, als es zur Accommodation dieses Auges f\u00fcr das Bild nothwendig ist.\nIst p die positive Brennweite der Linse II. und wird die Entfernung \u00df b wieder mit a, Bd mit j bezeichnet, so ist\n1\t1\tI\nP\n1 s. \u00a7. 11, s. 93.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. IG.\nTHEORIE DER AUGENSPIEGEL.\n179\nDa a meist sehr viel gr\u00f6sser ist als p, so wird y nahehin gleich p, bleibt aber stets etwas kleiner.\nDie Gr\u00f6sse eines Netzhauttheiles im Punkte a sei x, die seines Bildes in b sei \u00df, die des letzten Bildes in d sei 8, und die Entfernung der Netzhaut vom hinteren Knotenpunkte des Auges sei y, die Entfernung des ersten Hauptpunktes der Linse B vom vorderen Knotenpunkte des Auges A sei q, so ist\n\u00df\ta\tA-q\n\u00a7\u25a0==\u2014. Beides multiplicirt giebt o\ty\nx ____ y \u2022 a\ty \u2022 (a-f-p)\n8\ty\t\u25a0 (a-h q)\t~ p (a + q)\nIn der Regel stellt man die Linse \u00df so, dass die Pupille von \u00c0 in ihrem einen Hauptbrennpunkte liegt, dann wird also p nahehin gleich </, und die Vergr\u00f6sserung\n- = P.\nx ij\nNehmen wir f\u00fcr y den Werth aus Listing\u2019s schematischem Auge, so ergiebt sich, dass das Bild 8\n2\tmal\tvergr\u00f6ssert ist,\twenn\tp\t\u2014\t30\tMm.\t(13,4\"')\n3\tmal\twenn\tp\t\u2014\t45\tMm.\t(2 0,1 '\")\n4\tmal\twenn\tp\t=\t00\tMm.\t(26,8\"').\nDies ist die wirkliche Vergr\u00f6sserung des objectiven Bildes. Die Vergr\u00f6sserung f\u00fcr den Beobachter, wenn die Entfernung Cd gleich c gesetzt wird, ist\nX 8 Zoll.\ny c\nDas Gesichtsfeld sieht der Beobachter bei dieser Methode begrenzt durch die Pupille des beobachteten Auges, so lange die Convexlinse diesem Auge sehr nahe steht. Je weiter man die Convexlinse aber entfernt, desto st\u00e4rker vergr\u00f6ssert erscheint die Pupille, bis sie endlich in die N\u00e4he des Brennpunktes der Glaslinse kommt, dann verschwindet der Pupillarrand ganz aus dem Gesichtsfelde, und die Ausdehnung des letzteren wird nur noch von der Apertur dieser Linse bestimmt. Um die Gr\u00f6sse des Gesichtsfeldes zu bestimmen, k\u00f6nnen wir wieder, wie in dem vorigen Falle, die Visirlinien des Beobachters wie Lichtstrahlen behandeln. Zun\u00e4chst entwirft die Linse B ein Bild vom Kreuzungspunkte der Visirlinien in der N\u00e4he ihres Brennpunktes, also nahehin in der Ebene der Pupille des beobachteten Auges. Von da divergiren die Visirlinien nach dem Hintergrund des beobachteten Auges hin. Da ihr Vereinigungspunkt in der N\u00e4he des vorderen Knotenpunktes des beobachteten Auges liegen wird, oder vielleicht auch, je nach der Stellung der Linse \u00df, ganz mit diesem Knotenpunkte zusammenfallen wird, so gehen die Visirlinien des Beobachters fast ungebrochen in das beobachtete Auge hinein. Ihr Gang ist in Fig. 94 durch die punktirten Linien angedeutet. Ist die Apertur der Linse B gleich u, der Durchmesser des Gesichtsfeldes auf der Netzhaut gleich v, so ist\nV\tu\ny p\nDa man bei so kleinen Linsen recht gut die Apertur gleich der halben Brennweite machen kann, also u\u2014l/2p, so wird alsdann\nv \u2014 1/.2y = Min\n\n12","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"ISO\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. IG.\nMan \u00fcbersieht also in diesem Falle ein gr\u00f6sseres Gesichtsfeld, als es ohne k\u00fcnstliche Erweiterung der Pupille durch Atropin bei der Beobachtung mit Concavgl\u00e4sern m\u00f6glich ist.\nVII.\nBeleuchtungsapparate der Augenspiegel.\nNach den drei oben angef\u00fchrten Methoden kann die Beleuchtung direct mit einem Lichte geschehen, oder mit einem durchbohrten undurchsichtigen Spiegel, oder mit unbelegten, also durchsichtigen Glasplatten als Spiegel.\nBeleuchtung ohne allen Spiegel l\u00e4sst sich nur f\u00fcr das umgekehrte Bild der Netzhaut anwenden, erfordert eine betr\u00e4chtliche Geschicklichkeit, und w\u00e4re etwa nur da zu empfehlen, wo gerade kein anderes Instrument als eine einfache Convexlinse von kurzer Brennweite zur Hand ist. Die Ausf\u00fchrung der Beobachtung ist folgende. Der Beobachter sieht dicht neben einem Lichte vorbei und, durch einen Schirm gegen dessen directe Strahlen gesch\u00fctzt, wie es in Fig. 88 abgebildet ist. nach dem beobachteten Auge hin, und bringt eine Convexlinse von 2 bis 4 Zoll Brennweite vor dieses Auge, wie in Fig. 9i. Um die richtige Stellung zu finden, bringt man diese Linse zuerst ganz'dicht vor das beobachtete Auge, und entfernt sie allm\u00e4lig so weit, bis man die Pupille so stark vergr\u00f6ssert erblickt, dass ihre R\u00e4nder hinter denen der Linse verschwinden. Man erblickt dann ein umgekehrtes reelles Bild der Netzhaut bei d Fig. 91. Um die Helligkeit dieses Bildes zu bestimmen, verfolgen wir nach den Vorschriften von Nr. V dieses Paragraphen das Strahlenb\u00fcndel, welches vom Netzhautpunkte a Fig. 91 ausgeht; es wird von den brechenden Fl\u00e4chen des Auges nach b hin, darauf von der Linse B nach d hin convergent gemacht, divergirt hinter d, und ist bei qq am Auge des Beobachters jedenfalls breit genug, dass die Pupille des Beobachters ganz hineintauchen und also die Netzhautstelle mit ihrer ganzen wirklichen Helligkeit sehen kann. Diese wirkliche Helligkeit verh\u00e4lt sich zur normalen oder gr\u00f6sstm\u00f6glichen Helligkeit nach V wie der Theil des Strahlenkegels qq, der die Flamme trifft, zum ganzen Strahlenkegel. Wenn nun die Flamme hinreichend gross und passend gestellt ist, so brauchen nur sehr wenig Strahlen des Kegels q q bei der Flamme vorbei zn gehen, um die Pupille des Beobachters auszuf\u00fcllen. Dann wird die wirkliche Helligkeit der Netzhautstelle a sehr wenig kleiner sein als die normale Helligkeit, und die scheinbare Helligkeit finden Beobachter gleich der wirklichen.\nSehr viel bequemer wird die Beobachtung, wenn der Beobachter einen durchbohrten undurchsichtigen Spiegel anwendet, um das Auge A zu erleuchten. Es sei in Fig. 93 wieder A das beobachtete, B das beobachtende Auge, C die Convexlinse, und S S ein durchbohrter Spiegel. Von dem Netzhautpunkte a wird ein Bild bei d entworfen, welches der Beobachter clinch die Oeffnung des Spiegels hin betrachtet. Von dem ganzen von a kommenden Strahlenkegel geht nur der schmale Theil f\u00fcr die Beleuchtung verloren, welcher durch die Oeffnung des Spiegels f\u00e4llt, der ganze \u00fcbrige Theil wird rellectirt und kann dem leuchtenden K\u00f6rper zugelenkt werden. Zu dem letzteren Ende ist entweder der Spiegel SS ein Hohlspiegel (Ruete), oder aber ein Planspiegel (Coccius) oder Coneavspiegel (Zehender), neben dem man eine Linse L angebracht hat, welche die Strahlen auf den leuchtenden K\u00f6rper vereinigt. Aus dieser Darstellung folgt schon nach Nr. V, dass die Helligkeit der Erleuchtung nahezu die normale sein kann.\nDas Gesichtsfeld f\u00fcr den Beobachter fanden wir bedingt durch die Gr\u00f6sse der Linse C, wenn die Pupille im Brennpunkte dieser Linse steht. Es fragt sieh, ein wie grosser Theil der Netzhaut erleuchtet werden kann. Da alles Lieht durch die Linse C in das Auge des Beobachters f\u00e4llt, kann nat\u00fcrlich das beleuchtete Feld der","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 16\nTHEORIE HER AUGENSPIEGEL.\n181\nNetzhaut nicht gr\u00f6sser als das Zerstreuungsbild der Linse C sein, welches selbe Zerstreuungshild auch, wie wir in VI gezeigt haben, dem Gesichtsfelde des Beobachters entspricht, Dies Zerstreuungsbild wird in allen Theilen sein Maximum der Heilig-\n/\nlug. 95.\nkeit haben, wenn von jedem Theil der Linse C Licht auf jeden Theil der Pupille f\u00e4llt. Diese Bedingung wird erf\u00fcllt sein, wenn die Pupille des beobachteten Auges gleich oder kleiner als das Bild ist, welches die Linse C in der N\u00e4he der Pupille von dem Spiegel SS (oder der Linse L) entwirft, und von jedem Punkte dieses Spiegels, mit nothwendiger Ausnahme der mittleren Durchbohrung, Licht auf jeden Theil der Linse C f\u00e4llt. Das Letztere wird aber wiederum geschehen, wenn die Linse C an dem Orte steht, wo der Spiegel das Bild der Lampenflamme D entwirft, und die Linse gleich oder kleiner als dieses Bild ist.\nUm ein Beispiel solcher Construction zu geben, wollen wir annehmen, man verlange von dem Augenspiegel eine viermalige Vergr\u00f6sserung und gebe dem entsprechend der Linse C eine Brennweite von 60 Mm. und eine Apertur von 30 Mm. Der Spiegel, welcher ein durchbohrter Convexspiegel sein m\u00f6ge, muss so weit von dem Orte des Bildes d entfernt sein, dass der Beobachter sein Auge f\u00fcr das Bild accofinnodiren kann, also etwa -1 \u00f6O Mm. Dann steht der Spiegel S von der Linse C 2 i 0 Mm. ab. Nach der Gleichung \u00a7. 9 Nr. 1ib) wird sein von der Linse entworfenes Bild = 60/15o = 2/a seiner eigenen Gr\u00f6sse sein. Da nun sein Bild der Pupille des beobachteten Auges gleich sein soll, und diese bei k\u00fcnstlicher Erweiterung bis auf 10 Mm. Durchmesser kommen kann, so m\u00fcssen wir dem Spiegel 25 Mm. Durchmesser geben.\nDie Brennweite, welche wir dem Spiegel geben m\u00fcssen, bestimmt sich nun durch die Bedingung, dass er ein Bild der Lampenflamme entwerfen muss, welches die Linse C deckt. Die Flamme gr\u00f6sserer AuGAND\u2019scher Brenner hat etwa 15 Mm. Durchmesser, Setzen wir in \u00a7. 9 Gleichung 1'\u00bb\u2022!>) f\u00fcr \u00df, den Durchmesser der Linse C 30 Mm., f\u00fcr \u00df2 den Durchmesser der Lampenflamme 15 Mm., f\u00fcr ft die Entfernung CS gleich 210 Mm., so wird die Brennweite F des Spiegels gefunden gleich 70 Mm., und die Lampenflamme muss 105 Mm. vom Spiegel entfernt sein.\nWenn man nicht einen Concavspiegel, sondern einen ebenen Spiegel und eine convexe Glaslinse wie in Fig. 93 anwenden will, muss man statt der Entfernung des Spiegels von der Linse C in der Rechnung die Summe der Entfernungen der beiden Linsen L und C von der Mitte des Spiegels nehmen.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. l\u00fc.\nWenn der Beobachter den Spiegel und die Linse frei in der Hand h\u00e4lt, wird es nat\u00fcrlich nicht m\u00f6glich sein, die Entfernungen dieser Theile., die der Rechnung zu Grunde gelegt sind, genau einzuhalten, und man wird auch bei ziemlich grossen Abweichungen davon noch gute Bilder erhalten; dennoch ist es aber wohl f\u00fcr den Beobachter vortheilhaft, die besten Bedingungen f\u00fcr die Haltung seines Instruments zu kennen.\nsoll,\nWenn mit einem durchbohrten Spiegel und einem Concavglase beobachtet werden sind die Verh\u00e4ltnisse ung\u00fcnstiger. In Fig. 96 ist wieder A das beobachtete,\nB das beobachtende Auge, S der Spiegel. Soll der Netzhautpunkt a beobachtet werden, so muss ein Theil des von ihm ausgehenden Strahlenkegels in das Auge des Beobachters fallen, wir wollen diesen Theil a nennen, ein anderer Theil ( I \u2014 a) von dem Spiegel nach dem Lichte reflectirt werden. Ist also H die normale Helligkeit der Netzhautstelle a, so wird unter diesen Umst\u00e4nden nach Nr. V dieses Paragraphen H \u2022 (1 \u2014a) ihre wirkliche Helligkeit sein. Es sei wie fr\u00fcher J der Fl\u00e4cheninhalt der scheinbaren J, R ebenderselbe von \u00df, g die Entfernung der einander, und h die Accommodationsdistanz des des Theils des Strahlenb\u00fcndels, der in das Auge\nPupille des beobachteten Auges beiden scheinbaren Pupillen von Auges A, so ist der Querschnitt des Beobachters f\u00e4llt,\na J\n{h \u2014 gV\nh-\nDieser Querschnitt wird in der Regel kleiner sein als R. Die scheinbare Helligkeit f\u00fcr den Beobachter wird dann\nH \u2022\na ( 1 \u2014 a)\n\n{h \u2014 g\u00ef2\nR l\u00ef2\nDie Grosse a (i \u2014 a) erreicht ihr Maximum, wenn\tsie wird alsdann gleich l/i.\nDie vortheilhafteste Anordnung in Bezug auf Helligkeit wird also die sein, wo die H\u00e4lfte des Strahlenkegels in das Auge des Beobachters f\u00e4llt, die H\u00e4lfte zur\u00fcckgeworfen wird. Alan erreicht dann die Helligkeit\ny* H \u25a0\nJ (h-gr2\nRh2\nUm ein m\u00f6glichst grosses Feld in dem beobachteten Auge zu beleuchten, wende man eine grosse und nahestehende Lampenflamme an, oder wenn dies nicht zureicht, kann man bei L eine Sammellinse anbringen. Entwirft diese ein Bild der Flamme, welches die Pupille ganz deckt, so wird im Auge A das ganze Zerstreuungsbild der Linse L beleuchtet.\nF\u00fcr die Beobachtung mit Convexlinsen w\u00fcrde die Beleuchtung mit unbelegten Glasplatten nur V4 der Helligkeit geben, welche man mit durchbohrten undurchsichtigen Spiegeln erreichen kann. Dagegen kann diese Beleuchtung bei der Beobachtung mit Concavlinsen unter Umst\u00e4nden mit Vortheil angewendet werden.\nAlan stelle sich n\u00e4mlich in Fig. 96 den Spiegel S S vor als nicht durchbohrt und unbelegt, bestehend aus einer oder mehreren \u00fcber einander gelegten Glasplatten. Es werde von jedem Lichtstrahl, der auf den Spiegel f\u00e4llt, der Theil a durchge-lassen, der Theil (t \u2014 a) zur\u00fcckgeworfen. Ist H die normale Helligkeit der Netzhautstelle a, bei direct einfallendem Lichte, so gicbt das von dem Spiegel reflectirte","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 16.\nTHEORIE DER AUGENSPIEGEL.\n183\nLicht nur die Helligkeit H ( I \u2014 a). Der Querschnitt von a ausgeht, ist, da wo es auf B f\u00e4llt, jetzt\n\u00df \u2014 9)2\n.1\nh2\ndes Strahlenb\u00fcndels,\nwelches\nDa nur der Theil a des Lichts durch die Platten hindurchgeht, so wird die scheinbare Helligkeit f\u00fcr den Beobachter :\nII\na ( I \u2014 a)\nJ \u25a0 (*-ff)2\nR \u25a0 h2\nDieser Ausdruck erreicht auch in diesem Falle ein Maximum, wenn a gleich l/2 ist, und wird\n1/ H . /4 n\n\u25a0i \u25a0 (h \u2014 g)'1\nR \u25a0 h2\nso lange\n\u25a0I {h \u2014 gy2\nh2\nDiese Bedingung wird bei normalen Augen in der Regel erf\u00fcllt sein, da die Pupille J des von einer grossen Liehtmenge getroffenen Auges A in der Regel enger sein wird als die Pupille R des Beobachters. Nur bei der k\u00fcnstlichen Erweiterung der Pupille J durch Atropin wird es nicht der Fall sein, und dann wird die scheinbare Helligkeit einfach gleich % II. Im letzteren Falle ist die Beobachtung mit einem durchbohrten Spiegel vortheilhafter, denn dort gilt der gegebene Ausdruck f\u00fcr die Helligkeit, so lange\nR < qt\nJ(h-gY2\n/i2\nund\n=\nWenn man normale Augen ohne Anwendung von Atropin untersucht, so w\u00fcrde man mittels beider Arten der Beleuchtung dieselbe Helligkeit erhalten k\u00f6nnen, wenn die Pupillen unbeweglich w\u00e4ren. Der belegte Spiegel wirft aber im Ganzen mehr Licht in das beobachtete Auge, blendet es st\u00e4rker, und die Pupille verengt sich mehr, so dass unter diesen Umst\u00e4nden der unbelegte Spiegel ein gr\u00f6sseres Gesichtsfeld und eine gr\u00f6ssere Helligkeit geben kann. Ausserdem beleuchtet er die gesehene Netzhautfl\u00e4che gleichm\u00e4ssig, w\u00e4hrend beim durchbohrten Spiegel das Zerstreuungsbild der Durchbohrung die Beleuchtumg ungleichm\u00e4ssig macht. Endlich ist der Hornhautreflex bei dem unbelegten Spiegel weniger st\u00f6rend, weil das vom Spiegel reflectirte Licht mehr oder weniger polarisirt ist, und von der Hornhaut ohne Aenderung seiner Polarisation zur\u00fcckgeworfen nur zu einem sehr kleinen Theile durch die Platten zur\u00fcckgeht.\nDamit der unbelegte Spiegel die H\u00e4lfte des auffallenden Lichts zur\u00fcckwerfe, kann man ihn entweder aus einer Glasplatte bestehen lassen, oder aus mehreren \u00fcbereinaudergelegten, muss aber den Einfallswinkel der reflectirten Lichtstrahlen dann passend w\u00e4hlen. Der passende Einfallswinkel f\u00fcr\neine Platte ist 70 0 drei Platten \u201e 60\u00b0 vier Platten ,, 86\u00b0.\nFormen der Augenspiegel.\nI) Augenspiegel von Helmholtz, mit reflectirenden Glasplatten und Concavlinsen. Es ist dieser Augenspiegel auf Taf. III. Fig. I im Querschnitt und nat\u00fcrlicher Gr\u00f6sse, ebenda Fig. 2 von vorn gesehen in halber Gr\u00f6sse dargestellt, mit einer Modification der urspr\u00fcnglichen","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. IO.\nForm, welche von dem Meclianicus Rekoss angebracht ist, n\u00e4mlich mit zwei beweglichen Scheiben, welche die n\u00f6thigen Concavlinsen enthalten. Die drei reflectirenden Glasplatten sind mit a a bezeichnet, sie bilden die nach vorn gekehrte Hypotenusenfl\u00e4che eines prismatischen Kastens, dessen Grundfl\u00e4che ein rechtwinkeliges Dreieck'ist, wie man im Querschnitte Firj. 1 sieht. Die \u00fcbrigen Fl\u00e4chen dieses hohlen Prismas sind aus Metallplatten gebildet und, um das Eicht m\u00f6glichst vollst\u00e4ndig zu absorbiren, innen mit schwarzem Sammet ausgelegt. Die kleinere Kathetenfl\u00e4che des Prismas ist an dem Gestell des Augenspiegels so befestigt, dass sie sich um die optische Axe des Instruments drehen kann, und hat dieser Axe entsprechend eine Oeffnung. Die Glasplatten werden durch einen rechtwinkeligen Rahmen an dem prismatischen Kasten zur\u00fcckgehalten; der Rahmen selbst ist durch zwei Schrauben ee an die dreiseitigen Grundfl\u00e4chen des Prismas befestigt. Die Glasplatten bilden einen Winkel von \u00f6G u mit der optischen Axe des Instruments.\nIn das metallene Gestell des Instruments g g ist ferner eine Axe d d eingelassen, um welche sich zwei Scheiben bb und cc drehen. Jede dieser Scheiben hat f\u00fcnf Oeffnungen. ln je vieren sind Concavgl\u00e4ser von 6 bis 13 Zoll Brennweite eingesetzt , die f\u00fcnfte ist leer. Diese Oeffnungen k\u00f6nnen nach einander in die optische Axe des Instruments gebracht werden, so dass der Beobachter, welcher sein Auge an das beckenf\u00f6rmige Ocularst\u00fcck B anlegt, durch sie 'und die Glasplatten a a hindurchsieht. In Fig. I ist die leere Oeffnung der Scheibe b b und eine mit einer Linse versehene der Scheibe c c vorgeschoben. So kann der Beobachter eine beliebige von den acht Linsen oder zwei von ihnen gleichzeitig vor sein Auge bringen. Damit die Scheiben ihre Stellung nicht ohne Willen des Beobachters ver\u00e4ndern, sind an ihrem Rande Gr\u00fcbchen angebracht, in welche sich die Enden zweier Federn h einlegen.\nF\u00fcr Beobachtungen mit Concavgl\u00e4sern, also bei starker Vergr\u00f6sserung, an Personen, deren Pupille nicht k\u00fcnstlich erweitert ist, und bei grosser Empfindlichkeit des beobachteten Auges gegen Licht, finde ich unter den beweglichen Spiegeln diese erste Form des Augenspiegels aus den Gr\u00fcnden, welche ich oben bei der Theorie der Beleuchtung durch unbelegte Glasplatten angef\u00fchrt habe, noch immer am vortheilhaftesten. Wenn ein gesundes Auge durch diesen Spiegel beobachtet wird, kann es die Erleuchtung Stunden lang, ohne geblendet zu werden, ertragen. Ich selbst habe oft 20 Studirenden hinter einander meine Netzhaut mit diesem Instrumente ohne Unbequemlichkeit gezeigt, w\u00e4hrend die Beleuchtung mit belegten Spiegeln nicht 3 Minuten ohne starke Blendung des Auges ertragen wird. Ich ziehe deshalb diesen Spiegel zu den meisten physiologischen Versuchen den anderen Formen vor. F\u00fcr die augen\u00e4rztlichen Untersuchungen dagegen wird ein gr\u00f6sseres Gesichtsfeld und gr\u00f6ssere Helligkeit bei geringerer Vergr\u00f6sserung meist vortheilhafter sein, und deshalb werden f\u00fcr dergleichen Beobachtungen meist belegte durchbohrte Spiegel mit Convexlinsen angewendet.\nWill man den Spiegel gebrauchen, so setzt sich der Beobachter dicht vor den Beobachteten, und stellt an seiner Seite eine hell brennende Lampe auf. Ein undurchsichtiger Schirm wird so aufgestellt, dass er das Gesicht des Beobachteten beschattet. Der Beobachter bringt zuerst den Spiegel, ohne hindurchzusehen, ungef\u00e4hr in die richtige Stellung vor das Gesicht des Beobachteten, und dreht ihn so, dass clie Glasplatten ihren hellen Reflex auf das zu beobachtende Auge werfen. Dann blickt er hindurch und erblickt nun die Netzhaut roth erleuchtet. Wenn er nicht sogleich sein Auge f\u00fcr die feineren Theile der Netzhaut accom-modiren kann, dreht er mit dem Zeigefinger der Hand, welche das Instrument h\u00e4lt, eine der Scheiben, welche die Linsen enth\u00e4lt, bis er die passende Concavlinse gefunden hat.\nWenn die Beleuchtung der Netzhaut verschwindet, achte man nur auf den hellen Reflex der Glasplatten im Gesichte des Beobachteten und f\u00fchre diesen wieder auf das Auge zur\u00fcck.\n2) Augenspiegel von Ruete, mit durchbohrtem Concavspiegel, auf Stativ dargestellt in Fig. 97. Auf einem runden Fusse von Holz ruht eine hohle S\u00e4ule a, in deren Axenkanalc sich ein runder Stab b von Holz befindet, der hoch und niedrig geschoben und durch eine Feder, die sich am unteren Ende desselben befindet, in jeder beliebigen H\u00f6he festgestellt werden kann. Auf diesem Stabe sitzt ein Halbkreis von Messing c, der sich mit dem Stabe hoch und niedrig, rechts und links stellen l\u00e4sst. In diesem Halbkreise ist ein in der Mitte durchbohrter Hohlspiegel cl von etwa 3 Par. Zoll Durchmesser und von einer Brennweite von","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 16.\nBESCHREIBUNG VON AUGENSPIEGELN.\n185\netwa 10 Par. Zoll durch Schrauben, die je nach dem Bed\u00fcrfnisse gel\u00fcftet oder st\u00e4rker angezogen werden k\u00f6nnen, so befestigt, dass er um seine Horizontalaxe gedreht werden kann. In der Mitte der S\u00e4ule a befinden sich zwei h\u00f6lzerne Ringe e und f, welche sich um die S\u00e4ule drehen lassen. Jeder Ring tr\u00e4gt einen horizontal auslaufenden Arm g und hl der Arm g tr\u00e4gt einen geschw\u00e4rzten Schirm, der eines-theils dazu dient, um das Licht der Lampe vom Beobachter abzuhalten, anderenteils auch dazu, um, wenn es noting ist, das vom Spiegel in das beobachtete Auge fallende Licht abzuschw\u00e4chen, was man dadurch bewirkt, dass man einen Theil des Spiegels durch den Schirm beschattet. Der Arm 7i, welcher in 12 Zolle eingetheilt ist, tr\u00e4gt zwei verticale S\u00e4ulen, i und k, die riiek- und vorw\u00e4rts geschoben werden k\u00f6nnen; in jeder verticalen S\u00e4ule steckt ein am unteren Ende mit einer Feder versehener Stift von Messing l und /\u00ab, den man auf- und abw\u00e4rts schieben kann, und der durch die Feder in jeder H\u00f6he, die man ihm giebt, festgehalten wird. Auf diese Stifte steckt man je nach den Umst\u00e4nden concave oder convexe Gl\u00e4ser, welche die aus dem beobachteten Auge zur\u00fcckkehrenden Lichtstrahlen zu einem deutlichen Bilde f\u00fcr den Beobachter vereinigen. A ist der Beobachtete, B der Beobachter. Die Zeichnung ergiebt leicht das Uebrige.\nF\u00fcr die Beobachtungen mit Concavlinsen, die in der augen\u00e4rztlichen Praxis allerdings wohl eine seltenere Anwendung finden, ist das Instrument nicht gut geeignet, weil sich die beiden Augen'nicht hinreichend n\u00e4hern k\u00f6nnen, und deshalb das Gesichtsfeld sehr klein wird.\nm 97\nF\u00fcr Beobachtungen mit Convexlinsen dagegen, die in klinischen Localen angestellt werden, erscheint das Instrument sehr bequem, namentlich, wenn man durch einen Assistenten den Kopf des Beobachteten so dirigiren l\u00e4sst, dass seine Pupille in den Focus der Lichtstrahlen kommt; auch kann durch Anbringung einer zweiten convexen \u00d6eularlinse (die dann aber wohl besser hinter dem Spiegel anzubringen w\u00e4re) eine Art kleinen Fernrohrs zusammengesetzt und eine st\u00e4rkere Vergr\u00f6sserung erreicht werden. Die Helligkeit des Instruments ist sehr gross. Gelegenheit, die Netzhautbilder zu beobachten, ist nicht gegeben.\n3) Epkens\u2019 Augenspiegel, mit durchbohrtem Planspiegel, auf Stativ, ver\u00e4ndert durch Bonders und van Trigt. Das ganze Instrument ist im Querschnitte dargestellt auf Taf. III. Fig. 5 und in einer Seitenansicht Fig. 4. Der Spiegel /), einzeln abgebildet in Fig. S, ist eine belegte Glasplatte, in deren Mitte der Beleg weggenommen ist, etwa in der Ausdehnung der Pupille; sp\u00e4ter hat Bonders den Spiegel durchbohren lassen nach dem Vorg\u00e4nge von Coccius, um zu vermeiden, dass das in das Auge des Beobachters fallende Licht durch Reflexion geschw\u00e4cht w\u00fcrde. Der Sjfiegel ist in einem w\u00fcrfelf\u00f6rmigen Kasten E E drehbar befestigt. Gedreht wird er mittels des Knopfes F. Das zu beobachtende Auge wird an die Oeffnung des Kastens bei N angelegt, das des Beobachters bei 0. Hier befindet sich eine solche Scheibe mit verschiedenen Linsen, wie die von Rekoss bei dem Augenspiegel von Helmholtz angebrachte. Bonders w\u00e4hlt dazu drei positive mit 20, 8 und 4 Ctm. Brennweite, und drei negative mit 16, 10 und C Ctm.\nMit dem kubischen Kasten hatte Epkens eine konische R\u00f6hre verbunden, an deren Ende, wo jetzt das Mikrometer M sich befindet, eine Lampe angebracht war. An das Ende der","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7\u25a0 16.-\nR\u00f6hre kann, wenn es n\u00f6thig scheint, eine positive Linse gebracht werden, deren Brennpunkt wenig von der Flamme entfernt ist, so dass Jemandem, der in den Spiegel hineinsieht, die ganze Glaslinse leuchtend erscheint, und dadurch ein gr\u00f6sserer Theii der Netzhaut beleuchtet wird. Der ganze Apparat, an dem Stabe A befestigt, kann an diesem auf und ab bewegt werden. Bei K ist eine kreisf\u00f6rmige Scheibe befestigt, mit schwarzem Zeug bezogen, um das \u00fcberfl\u00fcssige Lampenlicht abzuhalten, und am unteren Theile des Instruments ist ein St\u00fcck Wachstafft L L aufgeh\u00e4ngt an der Stange Z, um das Gesicht des Beobachters von dem des Beobachteten zu trennen.\nDa es aber schwierig war, kranke Personen immer zu richtigen Bewegungen ihres Auges zu bestimmen, wurde der Apparat von Bonders und van Trigt noch beweglicher gemacht. Es wurde die R\u00f6hre in einem Ringe C drehbar gemacht ; der W\u00fcrfel E E kann um die Axe, welche durch die Schrauben b und e bestimmt wird, gedreht werden. Die Lampe wurde vom Instrumente getrennt. Am Ende der R\u00f6hre G wurde ein Mikrometer angebracht. Die Spitzen des Mikrometers a und b werden im beobachteten Auge abgebildet, wenn dieses richtig accom-modirt ist. Deshalb wurde das Mikrometer verschiebbar gemacht, vermittelst der R\u00f6hre G, welche sich auf der R\u00f6hre B verschiebt. V ist die Mikrometerschraube, durch deren Umdrehung der Abstand der Spitzen ge\u00e4ndert und gemessen wird. 1st n der Abstand der Spitzen a und b, x ihre Entfernung vom vorderen Knotenpunkte des beobachteten Auges, und IS Mm. der Abstand des hinteren Knotenpunktes von der Netzhaut, so ist der Abstand der Spitzen im Retinabildchen y\ny = - X 15 Mm.\nx\nWenn man nun einen Zeichenapparat, wie man ihn bei Mikroskopen gebraucht, an der Oeffnung 0 anbringt, und sowohl den Abstand der Spitzen als die Gef\u00e4sse u. s. w. der Netzhaut nachzeichnet, kann man die wahre Gr\u00f6sse der Gef\u00e4sse und anderer Netzhauttheilchen bestimmen.\nSp\u00e4ter hat Bonders noch f\u00fcr sehr kurzsichtige Augen ein zweites Mikrometer hinzugef\u00fcgt, welches in die R\u00f6hre B eingeschoben wird. Ausserdem hat er f\u00fcr die Beobachtung von Augen, deren Pupille durch Belladonna erweitert ist, f\u00fcr das Ende der R\u00f6hre B eine kegelf\u00f6rmige Erweiterung mit einer Sammellinse von gr\u00f6sserer Apertur, als J hat, hinzugef\u00fcgt, um ein gr\u00f6sseres Feld im Auge zu beleuchten.\nDieser Spiegel ist namentlich f\u00fcr Untersuchung der Netzhaut mit Concavgl\u00e4sern bestimmt. Er l\u00e4sst sehr genaue und sichere Untersuchungen und Messungen der Netzhautbilder und der kleineren Theile des Augenhintergrundes zu, und ist leicht und bequem zu gebrauchen. Aehn-lich construirt ist der tragbare Augenspiegel von Saemann. Man denke sich die R\u00f6hre des\nSpiegels von Epkens bis zu einem blossen Ansatzst\u00fccke des W\u00fcrfels verk\u00fcrzt und das feste Gestell entfernt, statt der Scheibe, welche die Linsen enth\u00e4lt, eine Fassung, in welche die Linsen einzeln eingelegt werden, so hat man Saejiann\u2019s Augenspiegel.\ni) Portativer Augenspiegel von Coccius, mit durchbohrtem, belegtem, ebenem Spiegel und einer Beleuchtungslinse. Abgebildet in Fig. 9S. Das Instrument besteht aus einem kleinen viereckigen Planspiegel a von 14 Par. Lin. Seite. Die Oeffnung hat 2 Par. Lin. Durchmesser, und ihr vorderer, dem beobachteten Auge zugekehrte# Rand ist etwas abgeschliffen. Der Spiegel ist in eine d\u00fcnne Messingplatte gefasst, welche an ihrem unteren Ende in einen kleinen Fortsatz \u00fcbergeht, der an der Stange b befestigt ist. Die Beleuchtungslinse hat 5 Zoll Brennweite; um sie aber auch mit anderen vertauschen zu k\u00f6nnen, ist sie in einen geschlitzten federnden Ring f eingesetzt, von der Stange g und dem geschlitzten Querbalken d getragen. Der letztere","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 10.\nBEOBACHTUNGEN 5IIT DEM AUGENSPIEGEL.\n187\nwird durch festes Anschrauben des Griffes e festgeklemmt, um die Stellung der Linse gegen den Spiegel zu sichern, welche man gew\u00e4hlt hat. Auseinander genommen kann das Instrument in ein kleines Etui gelegt werden.\nCoccius bringt, wie Ruete, die Concavgl\u00e4ser wie die Convexgl\u00e4ser zwischen Spiegel und Licht an. Da das Erstere wegen der Reflexe unvortheilhaft ist, hat man sp\u00e4ter mehrere Hohlgl\u00e4ser in einem Schieberchen oder einzeln in Ringen an der R\u00fcckseite des Spiegels angebracht.\nWegen seiner Beweglichkeit ist dieser Spiegel f\u00fcr \u00e4rztliche Zwecke sehr brauchbar; man kann sowohl wie bei Ruete\u2019s Spiegel mit Convexlinsen, als auch wie bei Epkens\u2019 Spiegel mit Concavlinsen bequem untersuchen.\n8) Portativer Spiegel von Zehender, mit durchbohrtem convexen Metallspiegel und Beleuchtungslinse, mit \u00e4hnlicher Fassung, wie der von Coccius. Im Wesentlichen unterscheidet sich das Instrument von dem letzteren nur dadurch, dass statt des ebenen Glasspiegels ein convexer Metallspiegel von G Zoll Radius angebracht ist. Indem man die convexe Linse dem convexen Spiegel n\u00e4her oder ferner stellt, erh\u00e4lt man ein reflectirendcs System von ver\u00e4nderlicher Brennweite, was man den Umst\u00e4nden anpassen kann. Ein wesentlicher Vortheil scheint mir noch in dem Umstande zu liegen, dass der Spiegel von Metall gefertigt ist, und daher der Rand des Sehlochs d\u00fcnn, gut geschw\u00e4rzt und ohne Licht reflectirende Unebenheiten ist. Vorher habe ich nachgewiesen, dass bei den Beobachtungen mit dem durchbohrten Spiegel und der Concavlinse zur Erlangung der gr\u00f6ssten Helligkeit nur die H\u00e4lfte des von einem Punkte der Netzhaut ausgehenden Strahlenb\u00fcndels in das Auge des Beobachters fallen darf, falls nicht die Pupille des beobachteten Auges den mehr als doppelten Fl\u00e4cheninhalt von der des Beobachters hat. Der Beobachter wird daher in der Regel sich einen Theil seiner Pupille mit dem Rande der Oeffnung des Spiegels verdecken m\u00fcssen, und einen Theil dieses Randes gerade vor dem Auge haben. Es ist daher vortheilhaft, an diesem Rande Alles zu vermeiden, was Licht reflectiren k\u00f6nnte, und das ist bei Zehender\u2019s Metallspiegeln viel besser erreicht als bei Coccius\u2019 Glasspiegeln.\n6)\tPrismenspiegel von Meyerstein. Statt der metallischen Spiegel dient hierbei ein rechtwinkeliges Prisma, dessen Hypotenusenfl\u00e4che das Licht zur\u00fcckwirft. Der Beobachter sieht durch eine Durchbohrung des Prismas.\nSp\u00e4ter hat Meyerstein mit dem durchbohrten Prisma eine Beleuchtungslinse verbunden, und zwischen dem Auge des Beobachters und dem Prisma ein kleines Fernrohr angebracht, endlich der gr\u00f6sseren Wohlfeilheit wegen das Prisma durch einen durchbohrten Spiegel ersetzt; auch glaube ich, dass die Anwendung des Prismas eher Nachtheile als irgend einen Vortheil mit sich brachte. Das Ganze hat eine Fassung, mittels deren man es auf den Augenh\u00f6hlenrand des Beobachteten aufsetzen kann, und durch einen Arm mit zwei Gelenken ist auch ein Wachskerzchen mit dem Apparate verbunden, welches zur Beleuchtung dient.\nDa das \u00e4ussere Licht von dem beobachteten Auge ganz abgeschlossen wird, soll es auch in einem hellen Zimmer gebraucht werden k\u00f6nnen. Dadurch, dass man das Ocularglas des kleinen Fernrohrs heraus- oder hereinschiebt, kann man das optische System f\u00fcr Augen von jeder Sehweite passend machen.\n7)\tAugenspiegel von Ulrich. Die wesentlichen Theile von Ruete\u2019s Augenspiegel sind in einer portativen R\u00f6hre angebracht, welche seitlich auch ein Licht zur Beleuchtung tr\u00e4gt.\nVon den Beobachtungen, welche mit dem Augenspiegel an normalen Augen anzustellen sind, erw\u00e4hne ich Folgendes. Der Grund des Auges erscheint bei starker Beleuchtung (mit belegten Spiegeln und Convexlinsen) roth, nur die Eintrittsstelle des Sehnerven zeichnet sich hellweiss ab. Man sieht auf dem rotlien Grunde zun\u00e4chst die Netzhautgef\u00e4sse verlaufen, deren St\u00e4mme aus der Mitte des weissen Sehnerven hervortreten. Die Arterien sind durch ihre lichtere rothe Farbe und durch einen st\u00e4rkeren Lichtreflex an ihrer Oberfl\u00e4che zu erkennen. Zwischen den Netzhautgef\u00e4ssen erscheint der Grund des Auges je nach der Menge des Pigments bald hellroth, bald braun, und man erkennt, namentlich an den mehr zur Seite gelegenen Theilen, sehr h\u00e4ufig die Gef\u00e4sse der Aderhaut, wie es in Fit/. 99 dargestellt ist. Man sieht daselbst","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. 16.\nFig. 99.\nin der Mitte die Eintrittsstelle des Sehnerven ; aaa sind Aeste der Netzhautarterie, bb b der Netzhautvene, dazwischen sieht man die viel weiteren Gef\u00e4sse der Aderhaut. Letztere sind nicht immer gleich deutlich ; in den meisten Augen ist die Pigmentschicht \u00fcber diesen Gef\u00e4ssen so d\u00fcnn, dass sie sich dadurch von den st\u00e4rker pigmentirten Zwischenr\u00e4umen abheben.\nBei starker Beleuchtung zeigt der Augengrund keine auffallenden Unterschiede in der Helligkeit, mit Ausnahme der Eintrittsstelle des Sehnerven. Es scheint, dass dabei ver-h\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel Licht durch die Pigmentschicht der Aderhaut dringt, von der Sclerotica reflectirt wird und wieder zur\u00fcckkehrt. Dass bei den meisten Augen ziemlich viel Licht durch die Augenh\u00e4ute dringen kann, zeigt uns der Versuch (\u00a7. 10, S. 68), hei welchem das Netzhautbildchen im inneren Augenwinkel sichtbar wird, und ferner die entoptische Erscheinung der Aderfigur der Netzhaut mittels Lichts, welches die Sclerotica durchdringt. Dieser Theil des zur\u00fcckkehrenden Lichts, welcher von der Reflexion in der Aderhaut und Sehnenhaut herr\u00fchrt, bleibt nun wohl ziemlich gleich auf allen Stellen des Augengrundes, auch wenn die Helligkeit der Netzhaut seihst sein- variirt.\nBei schwacher Beleuchtung (mit reflectirenden Glasplatten) erscheinen dagegen die Theilc des Augengrundes in der N\u00e4he des Sehnerven besonders hell, und die Helligkeit nimmt von hier aus im Allgemeinen nach den R\u00e4ndern der Netzhaut hin gleichm\u00e4ssig ah, nur die Stelle des directen Sehens zeichnet sich besonders durch geringe Helligkeit und eine mehr gelbliche Farbe vor ihrer Nachbarschaft aus, was bei der st\u00e4rkeren Beleuchtung nicht der Fall ist. Der Grund davon ist wohl darin zu suchen, dass bei schwacher Beleuchtung nicht merklich viel Licht durch die Pigmentschicht hin und zur\u00fcck geht, daher der wahrnehmbare Lichtreflex haupts\u00e4chlich von den Theilen der Netzhaut, namentlich ihren Gef\u00e4ssen herr\u00fchrt. Diese fehlen an der Stelle des directen Sehens.\nDie letztere Stelle zeigt bei beiden Beobachtungsweisen ein kleines lichtes Fleckchen von querovaler Form, welches Cocci\u00fcs, der cs zun\u00e4chst bemerkte, als den Reflex der Netzhautgrube bezeichnet, w\u00e4hrend Donders sp\u00e4ter direct nachwies, dass dieser kleine Lichtreflex die Stelle des directen Sehens einnimmt.\nMan muss zu diesem Versuche einen ebenen Spiegel anwenden, hinter welchem eine Concavlinse steht (Dondf.rs-Epkens oder Helmholtz). Als Gesichtsobject benutze man eine Lichtflamme oder das Mikrometer an Bonders\u2019 Instrumente. Das beobachtete Auge sieht das gew\u00e4hlte Object im Spiegelbilde ; man sorge, dass es sich geh\u00f6rig daf\u00fcr accommodiren k\u00f6nne, und lasse es einen bestimmten Punkt des Objects fixiren. Der Beobachter erblickt dann ein ganz scharf gezeichnetes umgekehrtes Bild des Objects auf der Netzhaut des beobachteten Auges und an der direct fixirten Stelle den Reflex der Netzhautgrube. Sollte dieser zu schwach sein, um von Anfang her wahrgenommen zu werden, so geschieht dies leichter, wenn der Beobachter den Beobachteten bald auf diesen, bald auf jenen Theil des Gesichtsobjects seinen Blick zu richten heisst. Der kleine Reflex wandert dann dem entsprechend auf dem Netzhautbilde umher.\nUm die Genauigkeit des Netzhauthildes zu pr\u00fcfen, ist das von Bonders an dem Augenspiegel von Epkens angebrachte Mikrometer zweckm\u00e4ssig zu gebrauchen. F\u00fcr meinen Spiegel w\u00e4hle ich zu dem gleichen Zwecke als Gesichtsobject einen vor einem Lichte in horizontaler Richtung ausgespannten Faden. Von verticalen feinen Linien giebt mein Instrument n\u00e4mlich wegen der mehrfachen reflectirenden Fl\u00e4chen mehrfache Bilder. Sobald das beobachtete Auge","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. IC.\nGESCHICHTE DES AUGENLEUCHTENS UND DER AUGENSPIEGEL.\n189\nsich scharf f\u00fcr das betreffende Object accommodirt, erscheint cs auch im Netzhautbilde ganz scharf. Sowie sich die Accommodation \u00e4ndert, wird es verwaschen. Uebrigens braucht man gar nicht so feine Objecte, um die Ver\u00e4nderung des Bildes bei der Accommodation zu sehen. Es gen\u00fcgt, wenn das beobachtete Auge nicht kurzsichtig ist, in der Ferne ein Licht aufzustellen, dessen Netzhautbild im beobachteten Auge man betrachtet, w\u00e4hrend dieses Auge abwechselnd nach einem fernen oder nahen Gesichtspunkte, die in gleicher Richtung liegen, hinblickt. Bei der Accommodation f\u00fcr die Ferne erscheint auch das Bild des fernen Lichts deutlich, hei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he wird es verwaschen. Meistens verschwinden dem Beobachter dabei auch die Netzliauttheile des beobachteten Auges, wenn er mit der Accommodation seines Auges der neuen Lage des Bildes nicht folgen kann, und er muss dann ein anderes Concavglas gebrauchen, um sich zu \u00fcberzeugen, dass auf der deutlich gesehenen Netzhaut des beobachteten Auges ein undeutliches Bild des fernen Lichts entworfen sei. Der Versuch kann auch so abge\u00e4ndert werden, dass das beobachtete Auge fortdauernd in die Ferne sieht, das Licht aber in die N\u00e4he gebracht wird, damit sich der Beobachter \u00fcberzeuge, dass von dem nahen Lichte ein undeutliches Bild entworfen werde.\nDas Augenleuchten ist seit \u00e4ltester Zeit bekannt an den Augen von Hunden, Katzen und anderen Filieren, welche im Hintergr\u00fcnde ihres Auges ein Tiipetum, d. h. eine pigmentlose, mit stark reflectirenden d\u00fcnnen Fasern oder Lamellen belegte Stelle haben. Bei diesen ist der Lichtreflex so stark, dass er unter einigermassen g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden leicht gesehen wird. Eine sehr allgemein verbreitete alte Meinung war es, dass die sogenannten leuchtenden Thieraugen Licht entwickeln sollten, namentlich wenn die Thiere gereizt w\u00fcrden, daher man denn geneigt war, diese angeblich vorhandene Lichtentwickelung dem Einfl\u00fcsse des Nervensystems zuzuschreiben. Man sieht das Leuchten der Thieraugen in dunklen R\u00e4umen am auffallendsten, wenn Licht von der R\u00fcckseite des Beobachters dicht neben seinem Kopfe vorbei in das Auge des Thieres f\u00e4llt, und eben deshalb konnte den Beobachtern oft das wirklich einfallende Licht verborgen bleiben. Ebenso sollten die pigmentlosen Augen weisser Kaninchen und albinotischer Menschen durch eigene Lichtentwickelung leuchten. Pr\u00e9vost 1 zeigte zuerst, dass das sogenannte Leuchten der Thieraugen niemals in vollkommener Dunkelheit und weder willk\u00fcrlich noch durch Affecte hervorgebracht wird, sondern stets nur durch Reflexion von einfallendem Lichte entstehen kann. Grdithuisen 2 hat unabh\u00e4ngig hiervon dasselbe gefunden; er weist nach, dass das Tapetum daran Schuld sei, verbunden mit einer \u201eausserordentlichen Brechung\u201c der Linse. Auch in den Augen todter Thiere sah er das Leuchten. Diese That-sachen best\u00e4tigten Rudolphi 1 2 3 4, J. M\u00fcller j, Esser 5, Tiedemann 6, Hassenstein 7 8 9 10. Rudolpiii macht darauf aufmerksam, dass man in einer bestimmten Richtung in das Auge sehen m\u00fcsse, um das Leuchten wahrzunehmen, Esser erkl\u00e4rt richtig den Wechsel der Farbe daraus, dass verschieden gef\u00e4rbte Theile der Netzhaut durch die Pupille erblickt w\u00fcrden, Hassenstein endlich findet, dass das Leuchten hervortritt, wenn die Augen in Richtung ihrer Axe comprimirt werden, und vermuthete, dass auch beim lebenden Thiere das Leuchten willk\u00fcrlich erregt werde, indem durch den Druck der Muskeln die Augenaxe verk\u00fcrzt werde. Man erkannte also das Leuchten als ein Reflexph\u00e4nomen an, ohne sich aber klar zu machen, von welchen Bedingungen das Leuchten oder Nichtleuchten abhinge.\nAn menschlichen Augen war das Leuchten fr\u00fcher nur bei seltenen Krankheitszust\u00e4nden beobachtet worden, namentlich bei Geschw\u00fclsten im Hintergr\u00fcnde des Auges. Auch bei Mangel der Iris hat Beiir 8 es gesehen und gefunden, dass die Augen des Beobachters fast ganz parallel mit den einfallenden Strahlen nach den Augen der Kranken blicken mussten, welches die Grundbedingung von Br\u00fccke\u2019s Methode, das Augenleuchten zu beobachten, ist. Das Leuchten ist in solchen F\u00e4llen von Irismangel auffallender, weil die Beleuchtung der Netzhaut viel st\u00e4rker ist; ausserdem fehlt die Accommodationsf\u00e4hlgkeit des Auges.\nEndlich fanden W. Cumming 9 und Br\u00fccke 10 unabh\u00e4ngig von einander das Verfahren,\n1\tBiblioth. britannique. 1810. T. 4-5.\n2\tBeitr\u00e4ge zur Physiognosie und Eautognosie. S. 199.\n3\tLehrbuch der Physiologie. I. 197.\n4\tZur vergleichenden Physiologie d. Gesichtssinns. Leipzig 1828. S.49. \u2014 Handbuch d. Physiologie. 4. Aufl. 1.89.\n5\tKastiner\u2019s Archiv f\u00fcr die gesannnte Naturlehre. Bd. VIII. S. 399.\n11 1.ehrbuch der Physiologie. S. 509.\n7\tDe luce ex quorundam animalium oculis prodeunte atque de lapeto lucido. Jenae 1838.\n8\tDecker\u2019s Annalen. 1839. I. S. 373.\n9\tMedico-chirurgical Transactions. XXIX. p. 284.\n10\tJ. Muller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. u. Physiologie. 1847. S. 225.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nERSTER ABSCHNITT. DIE DIOPTRIE DES AUGES.\n\u00a7. IC.\ngesunde menschliche Augen leuchtend erscheinen zu machen, indem der Beobachter den einfallenden Lichtstrahlen nahe parallel hineinblickt. Letzterer hatte dieselbe Methode schon vorher auf die mit einem Tapetum versehenen Thieraugen angewendet. Endlich erw\u00e4hnt Wharton Jones ', dass Babbage ungef\u00e4hr zu derselben Zeit ihm einen belegten Glasspiegel gezeigt habe, von dessen Belegung eine kleine Stelle weggenommen war, um Licht in das Auge zu werfen und durch die Oefihung hineinzusehen. Dies erinnert schon sehr an den Augenspiegel von Coccius; aber da Babbage keine Linsen mit seinem Spiegel verbunden zu haben scheint, so hat er h\u00f6chstens ausnahmsweise von den Theilen der Netzhaut etwas erkennen k\u00f6nnen, und hat deshalb wohl seine Erfindung damals nicht ver\u00f6ffentlicht.\nDie andere Seite der Frage, warum n\u00e4mlich die Theile der Netzhaut, auch wenn sie beleuchtet sind, z. B. in Thieraugen mit Tapetum, in Augen von Albinos, dem Beobachter nicht erkennbar sind, ist \u00f6fter besprochen worden. Ihre L\u00f6sung lag mehr auf der Hand. Schon im Anf\u00e4nge des 18. Jahrhunderts hatte M\u00e9ry 2 beobachtet, dass er bei einer Katze, die er unter Wasser getaucht hatte, in den Augen, welche stark leuchtend erschienen, die Netzhautgef\u00e4sse erkennen konnte. La Hire 3 gab von diesem letzteren Umstande die richtige Erkl\u00e4rung. Dass eine ver\u00e4nderte Brechung der Strahlen nothwendig sei, um das Auge leuchtend erscheinen zu machen, sah er ein, aber eine n\u00e4here Erkl\u00e4rung weiss er nicht zu geben. Ebenso Kussmaul 1 2 * 4. Letzterer zeigt, dass die Netzhaut hell und erkennbar werde, wenn man entweder vorn vom Auge die Hornhaut und Linse entfernt, oder etwas vom Glask\u00f6rper herausnimmt und dadurch die Augenaxe verk\u00fcrzt.\nIch selbst 5 bin, so viel ich finde, der Erste gewesen, welcher sich den Zusammenhang zwischen den Richtungen der einfallenden und ausgehenden Strahlen klar machte, den wahren Grund f\u00fcr die Schw\u00e4rze der Pupille und dadurch auch das Princip f\u00fcr die Construction der Augenspiegel fand. Zur Beleuchtung wendete ich ebene unbelegte Glasplatten an, zur Erkennung der Netzhaut Concavgl\u00e4ser. Th. Ruete war dagegen der Erste, welcher einen durchbohrten Spiegel anwandte, und die Beobachtung durch Convexlinsen. Da das neue Instrument in kurzer Zeit eine ausserordentliche Wichtigkeit in der Augenheilkunde erreichte, sind nachher noch eine grosse Zahl verschiedener Formen von Augenspiegeln construirt worden, von denen ich oben die wichtigsten aufgef\u00fchrt habe. Wesentlich neue Principien f\u00fcr die Erleuchtung oder Erkennung der Netzhaut sind dabei aber nicht mehr gefunden worden.\nDie von mir aufgestellte Theorie des Augenleuchtens und der Augenspiegel hat keine wesentlichen Ver\u00e4nderungen erfahren. Die Verbesserungen, welche Stellwag von Carion daran anzubringen gesucht hat, kann ich nicht als solche anerkennen. Dieser \u00fcbrigens um die Einf\u00fchrung physikalischer Kenntnisse in seine Wissenschaft eifrig bem\u00fchte Augenarzt ist bei den hierher geh\u00f6rigen Arbeiten durch falsche Grundprincipien \u00fcber die St\u00e4rke der Beleuchtung und Helligkeit durchaus irre gef\u00fchrt worden.\n1704. M\u00e9ry in Annales de VAcad\u00e9mie des sciences. 1704.\n1709. La Hire ebenda. 1709.\n1810. Pr\u00e9vost in Biblioth\u00e8que britannique. XLV.\nGruithuisen Beitr\u00e4ge zur Physiognosie und Eautognosie. S. 199.\nRubolpiii Physiologie. I. 197.\n1826. J. M\u00fcller zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinns. Leipzig. S. 49.\nEsser in Kastxer\u2019s Archiv f\u00fcr die gesammte Naturlehre. VIII. 399.\n1.836. Hassenstein de luce ex quorundam animalium oculis prodeunte atque de tapeto lucido. Jenae.\n1839. Behr in Hecker\u2019s Annalen. Bd. I. S. 373.\n1844. E. Br\u00fccke \u00fcber die physiologische Bedeutung der stabf\u00f6rmigen K\u00f6rperchen. J. Muller\u2019s Archiv f\u00fcr Anatomie und Physiologie. 1844. S. 444*.\n1848. E. Br\u00fccke Anatomische Untersuchungen \u00fcber die sogenannten leuchtenden Augen bei den Wirbelthieren. Ebenda. 1848. S. 387*.\nKussmaul Die Farbenerscheinungen im Grunde des menschlichen Auges. Heidelberg.\n1846.\tW. Cumming in Medico-chirurgical Transactions. XXIX. 284.\n1847.\tE. Br\u00fccke Ueber das Leuchten der menschlichen Augen, in J. M\u00fcller\u2019s Archiv. 1847. S. 228* u. 479*.\n1\tArchives g\u00e9n\u00e9rales de M\u00e9decine. 1854. II.\n2\tAnnales de l'Acad. d. sc. 1704.\n5 Ebenda. 1709.\n4\tIHe Farbenerscheinungen im Grunde des menschlichen Auges. Heidelberg 1845.\n5\tH\u00efimholtz Beschreibung eines Augenspiegels zur Beobachtung der Netzhaut im lebenden Auge. Berlin 18o1. \u2014 Ferner in VranonflT's Archiv f\u00fcr physiol, Heilkunde. TI. 827.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. n.\nBEGRIFF DER NERVENREIZUNG.\n191\n1884. H. Helmholtz Beschreibung eines Augenspiegels zur Untersuchung der Netzhaut im lebenden Auge. Berlin.\n1882.\tTh. Ruete Der Augenspiegel und das Optometer. G\u00f6ttingen.\nH. Helmholtz \u00fcber eine neue einfachste Form des Augenspiegels, in Vierordt\u2019s Archiv f\u00fcr physiologische Heilkunde. II. 827.\nFollin in Archives g\u00e9n\u00e9rales de M\u00e9decine. 1882. Juli.\nA. Coccius \u00fcber die Ern\u00e4hrungsweise der Hornhaut. Leipzig.\nFroebelius Medic. Zeitung Russlands. 18.82. Nr. 46.\n1883.\tA. Coccius \u00fcber die Anwendung des Augenspiegels nebst Angabe eines neuen Instruments. Leipzig. *\nA. C. van Trigt Dissertatio de Speculo ocnli. Utrecht; Nederlandsch Lancet. Ser. 3. Dl. II. 430. Deutsch mit Zus\u00e4tzen von Schauenburg. Lahr 1884.\nH. A. 0. Saemann de speculo ocnli. Regiomonti.\nR.\tUlrich Beschreibung eines neuen Augenspiegels, in Henle u. Pfeuffer Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin. Neue Folge. IV. 178*.\nMeyerstein Beschreibung eines neuen Augenspiegels. Ebenda. S. 310.\nFollin et Nachet M\u00e9m. de la Soci\u00e9t\u00e9 de Chirurgie. 1883. III.\nSpencer Wells Medical Times. 1883. Septb.\n1884.\tDonders Verbeteringen van den oogspiegel, in Onderzoekingen gedaan in het Physiologisch Laboratorium der Utrechtsche Hoogeschool. Jaar VI. bl. 131* u. 183*. Anagnostakis Essai sur l\u2019exploration de la r\u00e9tine et des milieux de l\u2019oeil sur le vivant tin moyen d\u2019un nouvel ophthalmoscope. Paris 1884. (Ein durchbohrter Hohlspiegel.) Auch in Annales d\u2019oculistique. F\u00e9vrier et Mars 1884.\nStellwag von Carion Theorie der Augenspiegel. Wien. *\nG. A. Leonhard de variis oculorum speculis illorumque nsu. Leipzig.\nTh. Ruete Bildliche Darstellung der Krankheiten des menschlichen Auges. Leipzig. Lieferung 1 u. 2 auch unter dem Titel : Physikalische Untersuchung des Auges.\nS.\t23 \u2014 37*.\nW. Zehender Ueber die Beleuchtung des innern Auges mit specieller Ber\u00fccksichtigung eines nach eigener Angabe construirten Augenspiegels, in Graefe Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. I. 1. S. 121*.\n1858. Liebreich ebenda. I. 2. S. 348.\nStellwag von Carion Zeitschrift der Aerzte zu Wien. XL S. 65*.\nZweiter Abschnitt.\nDie Lehre von den Gesichtsempfindungen.\n\u00a7. 17. Von der Reizung des Sehnervenapparats.\nDie Nervenapparate des menschlichen und thierischen K\u00f6rpers werden durch Einwirkung \u00e4usserer Agentien verschiedener Art in einen ver\u00e4nderten Zustand versetzt, den man einerseits an ihnen durch physikalische H\u00fclfsmittel, n\u00e4mlich durch die Untersuchung ihrer elektromotorischen Wirksamkeit erkennen kann, und der sieh andererseits durch Wirkungen zu erkennen giebt, welche die Nerven in anderen mit ihnen organisch verbundenen Theilen des K\u00f6rpers hervorbringen. So verr\u00e4th sich dieser ver\u00e4nderte Zustand einiger Nerven durch Zusammenziehungen der mit ihnen verbundenen Muskeln; diese werden motorische Nerven genannt. Andere erregen unter denselben Umst\u00e4nden Empfindungen in dem Gehirne, als dem k\u00f6rperlichen Organe des Bewusstseins, und heissen deshalb sensible Nerven. Bei den motorischen Nerven ist nun der auff\u00e4lligste Erfolg der verschiedenartigsten \u00e4usseren Einwirkungen, des Zerrcns, Quetschens, Zerschneidens, des Brennens, An\u00e4tzens, der elektrischen Durchstr\u00f6nmngen, immer die Zusammenziehung des zugeh\u00f6rigen Muskels, welche nur quantitative Unter-","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nZWEITER ABSCHNITT. DIR LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\nschiede der St\u00e4rke zeigt. Man fasst deshalb die genannten verschiedenartigen Einwirkungen in ihrem Verh\u00e4ltnisse zu den motorischen Nerven unter einen Namen, den der Reize, zusammen, indem man von ihren qualitativen Verschiedenheiten abstrahirt und sie nur nach der verschiedenen St\u00e4rke der Zuckungen, welche sie hervorbringen, quantitativ als st\u00e4rker oder schw\u00e4cher reizend von einander unterscheidet. Den ver\u00e4nderten Zustand im Nerven selbst, welcher in Folge der Einwirkung eines Reizes eintritt, nennt man die Reizung, und die F\u00e4higkeit des Nerven, nach Einwirkung von Reizen Muskelzuckungen hervorzu-bringen, die Reizbarkeit. Diese F\u00e4higkeit kann durch Absterben und mancherlei \u00e4ussere Einwirkungen beeintr\u00e4chtigt werden.\nBei den sensiblen Nerven l\u00e4sst sich das Schema dieser Begriffe noch insofern wieder anwenden, als auch in ihnen die \u00e4usseren Einwirkungen, welche, auf einen motorischen Nerven angewendet, Zuckung hervorzubringen verm\u00f6gen, wiederum alle eine andere Wirkung eigenth\u00fcmlicher Art, n\u00e4mlich eine Empfindung her-vorrufen, so lange der Nerv noch nicht abgestorben und vom Gehirne getrennt ist. Aber allerdings tritt hier schon der wesentliche Unterschied ein, dass die Empfindung qualitative Unterschiede zeigt, entsprechend den qualitativen Unterschieden der Einwirkung. Indessen, wenn auch verschiedene Reize verschiedene Empfindungen hervorrufen, so sind die Wirkungen der Reize doch immer Empfindungen, also immer Wirkungen von einer sonst nicht vorkommenden, dem lebenden K\u00f6rper eigenth\u00fcmlichen Art, und eben deshalb hat man den zuerst f\u00fcr die Verh\u00e4ltnisse der motorischen Nerven abstrahirten Begriff der Reize und der Reizung auch auf die der sensiblen Nerven \u00fcbertragen, und man nennt deshalb ebenso die \u00e4usseren Einwirkungen, welche auf lebende sensible Nerven angewendet die Entstehung von Empfindungen veranlassen, Reize, die im Nerven eingetretene Ver\u00e4nderung selbst die Reizung.\nDer Zustand der Reizung, welcher an jeder Stelle einer Nervenfaser durch Einwirkung von Reizen eingeleitet werden kann, pflanzt sich stets auch auf alle anderen Theile der Nervenfaser fort, und giebt sich auch in diesen theils durch die ver\u00e4nderten elektromotorischen Wirkungen zu erkennen, theils durch seinen Einfluss auf die anderen organischen Gebilde, Muskeln, Gehirn, Dr\u00fcsen u. s. w., mit denen der Nerv verbunden ist, indem Zusammenziehung des Muskels, oder Empfindung, oder vermehrte Absonderung der Dr\u00fcse eintritt. Nur wo eingreifende Ver\u00e4nderungen der Structur des Nerven durch mechanische oder chemische Eingriffe, durch Gerinnung des Inhalts der Nervenfasern beim Absterben eingetreten sind, findet die Fortleitung der Reizung ein Hinderniss. Jeder Stelle einer unverletzten Nervenfaser kommt deshalb nicht blos Reizbarkeit, d. h. die F\u00e4higkeit, in Reizung versetzt zu werden, sondern auch Leitungsf\u00e4higkeit f\u00fcr die Reizung zu. Eine Trennung beider F\u00e4higkeiten ist noch nicht beobachtet worden. Uebrigens sind bisher noch keine Unterschiede in der Structur und Function der sensiblen und motorischen Fasern bekannt, welche nicht von ihrer verschiedenen Verbindung mit anderen organischen Systemen hergeleitet werden k\u00f6nnten. Die Fasern selbst scheinen nur die Rolle indifferenter leitender F\u00e4den zu spielen, die, je nachdem sie mit einem Muskel oder mit empfindenden Gehirn-theilen organisch verbunden sind, zu motorischen oder sensiblen Nerven werden.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 '!\"\u2022\nDIE ENERGIEN DER SINNESNERVEN.\n193\nDie Empfindungen des Menschen zerfallen ihrer Qualit\u00e4t nach in f\u00fcnf Gruppen, welche den sogenannten f\u00fcnf Sinnen entsprechen, in der Weise, dass nur die Qualit\u00e4ten derjenigen Empfindungen unter einander vergleichbar sind, welche dem Qualit\u00e4tenkreise desselben Sinnes, nicht aber solche, welche zwei verschiedenen Sinnen angeh\u00f6ren. So k\u00f6nnen wir z. B. zwei verschiedene Empfindungen, die dem Gesichtssinne angeh\u00f6ren, nach Lichtintensit\u00e4t und Farbe vergleichen, aber keine von ihnen mit einer Tonempfindung oder Geruchsempfindung.\nDie physiologische Erfahrung hat, so weit Pr\u00fcfung m\u00f6glich war, gefunden, dass durch Reizung jeder einzelnen sensiblen Nervenfaser nur solche Empfindungen entstehen k\u00f6nnen, welche dem Qualit\u00e4tenkreise eines einzigen bestimmten Sinnes angeh\u00f6ren, und dass jeder Reiz, welcher diese Nervenfaser \u00fcberhaupt zu erregen vermag, nur Empfindungen dieses besonderen Kreises hervorruft. Vollst\u00e4ndig experimentell beweisen l\u00e4sst sich der Satz nur f\u00fcr solche Nervenfasern, die in besonderen Nervenst\u00e4mmen, getrennt von allen Fasern, die anderen Sinnen angeh\u00f6ren, zusammenliegen, wie die des Gesichtssinnes im Nervus opticus, die des Geh\u00f6rs im Nervus acusticus, die des Geruchs im Nervus olfactorius, die des Tastsinns in den hinteren R\u00fcckenmarkswurzeln. L\u00e4sst man auf diese Nervenst\u00e4mme verschiedene Reizmittel einwirken, so entstehen zwar verschiedene Empfindungen, aber nur Empfindungen, die dem Qualit\u00e4tenkreise des betreffenden Sinnes angeh\u00f6ren. F\u00fcr solche sensible Nervenfasern dagegen, die mit Fasern anderer Art in demselben Stamme verlaufen, wie die Geschmacksnerven mit Tastnerven der Zunge im Nervus glossopharyngeus und lingiialis vereinigt sind, l\u00e4sst sich dasselbe Verh\u00e4ltniss wenigstens daraus wahrscheinlich machen, dass in Krankheitszust\u00e4nden zuweilen isolirt L\u00e4hmung der Geschmacksempfindungen allein ohne L\u00e4hmung der Tastempfindungen oder umgekehrt vorkommt, und auch daraus, dass alle anderen Tastnerven der F\u00e4higkeit, Geschmacksempfindungen zu vermitteln, ermangeln.\nDem Kreise des Gesichtssinns geh\u00f6ren die Lichtempfindungen an, welche alle unter sich in Bezug auf Lichtst\u00e4rke und Farbe vergleichbar sind. Denjenigen Theil der Nervenmasse des K\u00f6rpers, durch dessen Reizung dergleichen Empfindungen entstehen k\u00f6nnen, nennen wir nach J. M\u00fcller die Sehsinn-substanz, oder auch wohl den Sehnervenapparat. Dazu geh\u00f6rt die Netzhaut, der Sehnerv und ein noch nicht genau zu begrenzender Theil des Gehirns, in welchen die Wurzelfaserungen des Sehnerven eintreten. Kein anderer Nervenapparat des K\u00f6rpers kann Lichtempfindung, d. h. eine Empfindung von derselben Qualit\u00e4t wie der Sehnervenapparat vermitteln, obgleich die leuchtenden Aether-schwingungen auch durch die Tastnerven wahrgenommen werden k\u00f6nnen, aber freilich in einer ganz anderen Empfindungsqualit\u00e4t, n\u00e4mlich als Empfindung strahlender W\u00e4rme. Es findet hier dasselbe statt, wie bei den Luftschwingungen, welche der H\u00f6rnerv als Ton empfindet , w\u00e4hrend sie gleichzeitig in der Haut die Tastempfindung des Schwirrens erregen, dasselbe wie hei dem Essig, den die Zunge als sauer schmeckt, und der in einer entbl\u00f6ssten Hautstelle oder auf einer zarten Schleimhaut, wie die Bindehaut des Auges ist, durch\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 17.\neine Tastempfindung, n\u00e4mlich durch schmerzhaftes Brennen, sich bemerklich macht.\nAndererseits k\u00f6nnen nicht blos die leuchtenden Aetherschwingungen den Sehnervenapparat erregen, sondern auch mannigfache andere Reizmittel, namentlich mechanische Einwirkungen und elektrische Str\u00f6me, welche ja auch alle anderen Nervenapparate des K\u00f6rpers in den Zustand von Reizung zu versetzen verm\u00f6gen. Wenn aber diese Reize den Sehnerven oder die Netzhaut treffen, bringen sie immer nur Gesichtsempfindungen hervor, nicht Geh\u00f6rs- oder Geruchsempfindungen, und wenn sie etwa gleichzeitig Tastempfindungen erregen, so m\u00fcssen wir voraussetzen, dass dies geschieht, weil sich im Auge und vielleicht selbst in der Masse des Sehnerven, wie in allen inneren Theilen des K\u00f6rpers, auch besondere Tastnerven verbreiten. Diese Tastempfindungen, welche durch Einwirkung von Druck oder Elektricit\u00e4t auf das Auge entstehen, unterscheiden sich \u00fcbrigens noch dadurch von den gleichzeitig erregten Lichtempfindungen, dass jene am Orte der Reizung wahrgenommen werden, letztere dagegen von der Vorstellung als helle Objecte in das Gesichtsfeld verlegt werden. Wir kommen darauf bei der genaueren Beschreibung der mechanischen Reizung des Auges noch einmal zur\u00fcck.\nDa es sich mit den \u00fcbrigen Sinnesnerven ebenso verh\u00e4lt, so geht daraus hervor, dass die Qualit\u00e4t der sinnlichen Empfindung haupts\u00e4chlich von der eigen-th\u00fcmlichen Beschaffenheit des Nervenapparats abh\u00e4ngt, erst in zweiter Linie von der Beschaffenheit des wahrgenommenen Objects. Zu dem Qualit\u00e4tenkreise welches Sinnes die entstehende Empfindung geh\u00f6rt, h\u00e4ngt sogar gar nicht von dem \u00e4usseren Objecte, sondern ausschliesslich von der Art des getroffenen Nerven ab. Welche besondere Empfindung aus dem betreffenden Qualit\u00e4tenkreise hervorgerufen wird, erst dies h\u00e4ngt auch von der Natur des \u00e4usseren Objectes ab, welches die Empfindung erregt. Ob uns die Sonnenstrahlen als Licht- oder W\u00e4rmestrahlung erscheinen, h\u00e4ngt nur davon ab, ob wir sie durch den Sehnerven oder durch die Hautnerven empfinden; ob sie aber als rothes oder blaues, schwaches oder starkes Licht, sengende oder milde W\u00e4rme erscheinen, h\u00e4ngt gleichzeitig von der Art der Strahlen, wie von dem Zustande des Nerven-apparates ab. Die Qualit\u00e4t der Sinnesempfindung ist also keineswegs identisch mit der Qualit\u00e4t des Objects, durch welche sie hervorgerufen wird, sondern sie ist in physischer Beziehung nur eine Wirkung der \u00e4usseren Qualit\u00e4t auf einen besonderen Nervenapparat, und f\u00fcr unsere Vorstellungen ist die Qualit\u00e4t der Empfindung gleichsam nur ein Symbol, ein Erkennungszeichen f\u00fcr die objective Qualit\u00e4t.\nDas erste und haupts\u00e4chlichste Reizmittel des Sehnerven ist das objective Licht. Ich nenne es das erste und haupts\u00e4chlichste, weil es bei weitem h\u00e4ufiger und anhaltender auf den Sehnerven einwirkt, als andere Reize, und weil demgem\u00e4ss auch fast nur die durch objectives Licht hervorgerufenen Empfindungen des Sehnervenapparates zur Wahrnehmung \u00e4usserer Objecte verwendet werden. Eine besondere, specifische Beziehung oder Homogeneit\u00e4t zwischen dem ob-jectiven Lichte und dem Nervenagens des Sehnerven, wie sie von \u00e4lteren Philosophen und Physiologen meist vorausgesetzt wurde, brauchen wir deshalb nicht anzunehmen. Denn weder ist der Sehnerv der einzige Nerv, welcher durch","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 17.\nDAS LICHT ALS REIZ DES SEHNERVEN.\n195\nobjectives Licht gereizt wird \u2014 auch die Hautnerven k\u00f6nnen es werden \u2014 noch ist das objective Licht das einzige Reizmittel des Sehnerven. Dass es das h\u00e4ufigste, und deshalb wichtigste ist, erkl\u00e4rt sich einfach aus der gesch\u00fctzten Lage des Sehnerven und der Netzhaut, die dem Lichte sehr leicht, mechanischen Eindr\u00fccken und elektrischen Str\u00f6mungen viel schwerer zug\u00e4nglich sind. Diese \u00fcberwiegende H\u00e4ufigkeit und Wichtigkeit der Reizung durch objectives Licht hat nun auch die Menschen bestimmt, denjenigen Theil der Aetherschwingungen, welcher Lichtempfindung zu erregen im Stande ist, mit dem Namen Licht zu belegen, welcher eigentlich nur der dadurch erregten Empfindung zukommen sollte. Man schied die Sonnenstrahlen in Sonnenlicht und Sonnenw\u00e4rme, nach den beiden Empfindungsweisen, welche sie zu erregen im Stande sind. So lange die Menschen \u00fcber die Natur ihrer Sinnesempfindungen nicht weiter nachgedacht hatten, mussten sie geneigt sein, die Empfindungsqualit\u00e4ten unmittelbar auf die \u00e4usseren Dinge zu \u00fcbertragen, und so in den Sonnenstrahlen zwei, den zwei Empfindungen entsprechende Objecte vorauszusetzen. Man wusste ausserdem zun\u00e4chst \u00fcber die Sonnenstrahlen weiter nichts, als was die Empfindung aussagte, und man beobachtete neben solchen Strahlungen, bei denen, wie in den Sonnenstrahlen, die schneller schwingenden Wellenz\u00fcge \u00fcberwiegen, die das Auge viel st\u00e4rker afficiren als die Haut, andere, in denen die langsameren Oscillationen \u00fcberwiegen, und die die Haut kr\u00e4ftig, das Auge schwach oder gar nicht afficiren, so dass auch objectiv eine Trennung beider Agentien vorzukommen schien. Erst in der neuesten Zeit hat eine sorgf\u00e4ltige Untersuchung der von unseren Nervenapparaten unabh\u00e4ngigen Eigenschaften der leuchtenden und nicht leuchtenden W\u00e4rmestrahlen die Physiker \u00fcberzeugt, dass zwischen ihnen kein anderer Unterschied als der der Schwingungsdauer besteht, und hat dadurch die Physik von dem Einfl\u00fcsse, den die Sinnesempfindungen in diesem Falle so lange unberechtigter Weise ausge\u00fcbt hatten, befreit. Die n\u00e4here Besprechung des objectiven Lichtes als Reizmittel der Netzhaut bleibt den n\u00e4chstfolgenden Paragraphen Vorbehalten.\nDie Erscheinungen bei mechanischer Reizung des Sehnervenapparates Sind nach der Ausdehnung der Reizung verschieden. Bei einem pl\u00f6tzlichen Schlag oder Stoss auf das Auge entsteht ein blitz\u00e4hnlich erscheinender und wieder verschwindender, oft sehr heller Lichtschein \u00fcber das ganze Gesichtsfeld hin. Aelteren irrth\u00fcmlichen Ansichten dieser Erscheinung gegen\u00fcber mag hier hervorgehoben werden, dass, wenn dies im Dunkeln geschieht, ein anderer Beobachter dabei in dem Auge des Getroffenen keine Spur von objectivem Lichte erblickt, so lebhaft auch der subjective Blitz sein mag, und dass es ebenso wenig m\u00f6glich ist, durch diese subjective Erleuchtung des dunkeln Gesichtsfeldes irgend etwas von den wirklichen Objecten der Aussenwelt zu erkennen 1.\nBesser untersuchen l\u00e4sst sich die Wirkung beschr\u00e4nkten Druckes. Wenn man irgendwo am Rande der Augenh\u00f6hle mit einer stumpfen Spitze, z. B. der des Fingernagels, gegen den Augapfel dr\u00fcckt, so entsteht eine Lichterscheinung,\n1 Ueber einen gerichtlichen Fall, wo Jemand im Finstern einen Schlag auf das Auge bekommen und bei dem dadurch erregten Lichtschein den Angreifer erkannt haben will, s. J. M\u00fcller, Archiv f\u00fcr Anat. 1834. S. 140,\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 47.\nDruckbild oder Phosphen, und zwar an derjenigen Stelle des Gesichtsfeldes, welche der gedr\u00fcckten Stelle der Netzhaut entspricht. Wenn man oben dr\u00fcckt, erscheint also der helle Fleck an der unteren Grenze des Gesichtsfeldes, dr\u00fcckt man am \u00e4usseren Augenwinkel, so erscheint er am Nasenr\u00fccken, dr\u00fcckt man unten oder innen, so erscheint er oben oder aussen. Wenn der dr\u00fcckende K\u00f6rper nicht breit ist, hat die Erscheinung gew\u00f6hnlich ein helles Centrum, umgeben von einem dunkeln und einem hellen Kreise. Ich tinde, dass sie am hellsten ist, wenn der Druck etwa den Aequatorialumfang des Auges trifft, wo die Sclerotica am d\u00fcnnsten ist. Das Druckbild erscheint dann an der Grenze des dunkeln Gesichtsfeldes als eine helle Bogenlinie, etwa halbkreisf\u00f6rmig. Es ist unter diesen Umst\u00e4nden ziemlich weit von dem Gesichtspunkte (dem am genauesten gesehenen Punkte des Gesichtsfeldes, welcher dem gelben Fleck entspricht) entfernt, und f\u00e4llt deshalb, wenn man die Augen \u00f6ffnet, mit dem Bilde \u00e4usserer Gegenst\u00e4nde zusammen, die nur undeutlich wahrgenommen werden. Doch erkennt man bei einiger Uebung im indirecten Sehen, namentlich wenn sich auffallend helle Gegenst\u00e4nde am scheinbaren Orte des Druckbildes befinden, dass die Objecte in der Gegend des Druckbildes Verzerrungen (wegen der Einbiegung der Sclerotica und Retina) erleiden, und oft auch stellenweise verdunkelt werden. Man kann aber das Druckbild auch dem Gesichtspunkte n\u00e4her bringen, wenn man das Auge stark nach innen wendet, w\u00e4hrend man aussen dr\u00fcckt, oder stark nach aussen wendet, w\u00e4hrend man am inneren Augenwinkel dr\u00fcckt, dabei wird es ein wenig schw\u00e4cher, weil die hintere Fl\u00e4che der Sclerotica dem Drucke gr\u00f6sseren Widerstand leistet. Einzelnen Personen (z. B. Thomas Young) gelingt es auch wohl durch Druck am \u00e4usseren Augenwinkel das Druckbildchen bis an die Stelle des directen Sehens vorzubringen. Mir gelingt dies nicht, doch kommt das Druckbildchen dem Gesichtspunkte so nahe, dass ich wahrnehmen kann, wie in seinem Centrum die Bilder der \u00e4usseren Gegenst\u00e4nde verschwinden. In Fig. i, Taf. IV. ist das Druckbild dargestellt, wie es mir erscheint, wenn ich zwischen Auge und Nase ein weisses Papierblatt gegen das Gesicht stelle, das Auge m\u00f6glichst nach der inneren Seite wende, und mit einer stumpfen Spitze am \u00e4usseren Rande der Augenh\u00f6hle dr\u00fccke. N bezeichnet die Nasenseite; daS Druckbild besteht aus einem dunkeln Flecke, von einem hellen senkrechten Streifen durchzogen. Von dem dunkeln Flecke geht, wenn man in richtiger H\u00f6he dr\u00fcckt, ein horizontaler Fortsatz aus, dessen Spitze bei a den Fixationspunkt ber\u00fchrt, und ausserdem ist in der Gegend des Sehnerveneintritts ein unbestimmt gezeichneter Schatten b sichtbar. Wie man die Stelle des Sehnerveneintritts im Gesichtsfelde erkennen kann, wird in \u00a7. 18 auseinandergesetzt werden. Ein System feiner paralleler bogenf\u00f6rmiger Linien zwischen dem dunkeln Druckbilde und dem Gesichtspunkte hat schon Purkinje bemerkt und abgebildet. Ich sehe sie nicht so ausgebildet, wie er sie abbildet, am besten, wenn die Helligkeit der entsprechenden Stelle des Gesichtsfeldes gross ist.\nIm dunkeln Gesichtsfelde dagegen erscheint eine helle gelbliche Kreisfl\u00e4che, in deren Innerem sich zuweilen ein dunkler Fleck oder ein dunkler Ring abzeichnet. Ein schwaches Licht erscheint auch an der Eintrittsstelle des Sehnerven, sodass die Erscheinung ungef\u00e4hr der Fig. 1, Taf. IV. entspricht, wenn","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 17.\nDIE MECHANISCHE REIZUNG DES SEHNERVEN.\n197\nman Hell und Dunkel vertauscht denkt. Nur den Fortsatz zum gelben Fleck hin habe ich im dunkeln Fehle nicht sehen k\u00f6nnen.\nWieder anders sind die Erscheinungen, wenn man l\u00e4ngere Zeit einen massigen Druck gleichm\u00e4ssig auf den Augapfel wirken l\u00e4sst, indem man ihn von vorn her entweder mit den weicheren Stellen der Handwurzel oder mit den zusammengelegten Fingerspitzen einer Hand dr\u00fcckt. Nach kurzer Zeit treten dann sehr gl\u00e4nzende und wechselnde lichte Figuren im Gesichtsfelde auf, die ein wunderliches, phantastisches Spiel vollf\u00fchren und oft den gl\u00e4nzendsten kaleidoskopischen Darstellungen, wie sie in neuerer Zeit mit H\u00fclfe des elektrischen Lichtes entworfen werden, \u00e4hnlich sind. Purkinje hat diese Erscheinungen sehr genau verfolgt, beschrieben und abgebildet; sie scheinen in seinen Augen eine grosse Regelm\u00e4ssigkeit gehabt zu haben. Meist zeigten sich auf einem mit feinen Vierecken regelm\u00e4ssig gemusterten Grunde entweder achtstrahlige sternf\u00f6rmige Figuren, oder dunkle oder helle rhombische Fl\u00e4chen, deren Diagonalen vertical und horizontal gerichtet waren, und die von abwechselnd hellen und dunkeln B\u00e4ndern umgeben waren. Bei mir selbst finde ich keine solche Regelm\u00e4ssigkeit der Figuren; der Grund des Gesichtsfeldes ist meist anfangs fein gemustert, aber in den mannigfaltigsten Weisen und mit den verschiedensten Farben, sehr oft als w\u00e4ren sehr viele feine Bl\u00e4ttchen oder Moosstengel ausgestreut, ein anderes Mal erscheinen allerlei Vierecke, hell braungelb, mit dunkeln griechischen Linienmustern, zuletzt entwickeln sich meist auf braungelbem Grunde dunkle Liniensysteme, die zuweilen sehr verwickelte sternf\u00f6rmige Figuren, zuweilen nur einen unentwirrbaren labyrinthischen Kn\u00e4uel bilden, und in fortdauernder schwankender oder str\u00f6mender Bewegung begriffen sind. Ausserdem pflegen sich sehr helle blaue oder rothe Funken in einzelnen Stellen des Feldes l\u00e4ngere Zeit zu erhalten. L\u00e4sst man mit dem Drucke nach, wenn die Erscheinung in gr\u00f6sstem Glanze entwickelt ist, ohne dass \u00e4usseres Licht in das Auge dringt, so dauert das Spiel \u00e4hnlicher Figuren noch eine Zeit lang fort, und verschwindet, allm\u00e4lig dunkler werdend. Oeffnet man dagegen das Auge, indem man mit dem Drucke nachl\u00e4sst, gegen helle \u00e4ussere Objecte, so herrscht im ersten Momente Dunkelheit, dann werden allm\u00e4lig in der Mitte des Gesichtsfelds einzelne helle Objecte, aber mit intensivem Glanze sichtbar. So sehe ich z. B. einzelne weisse Papierbl\u00e4tter in ihrer wahren Gestalt in blendender Helligkeit auftauchen, auf ihnen aber noch Reste des vorher vorhandenen Figurenmusters sichtbar, dessen dunkle Theile hier hell erscheinen. Allm\u00e4lig verliert sich dann die abnorme Helligkeit in demselben Maasse, wie es die Druckbilder vor dem geschlossenen Auge thun, aber noch l\u00e4ngere Zeit unterscheidet sich das gedr\u00fcckte Auge von dem anderen dadurch, dass ihm das Gesichtsfeld mehr violett erscheint, dem ungepressten Auge dagegen gelblich. Vierordt und Laiblin berichten, bei anhaltendem Druck auf das Auge die Ver\u00e4stelungen der Gef\u00e4sse der Aderhaut roth auf dunklem Grunde gesehen zu haben, was ich bisher vergebens versucht habe. Ausserdem erscheinen Vierordt die Retinalgef\u00e4sse dabei h\u00e4ufig in einer bl\u00e4ulich gl\u00e4nzenden F\u00e4rbung. Ferner haben sie, wie auch fr\u00fcher Steinbach und Purkinje, ein Gef\u00e4ssnetz mit str\u00f6mendem Inhalte gesehen. Letzterer erkl\u00e4rte es f\u00fcr das ven\u00f6se Adernetz der Retina; Laiblin schliesst aus seinen Beobachtungen, da es neben den","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 17.\nvorher erw\u00e4hnten Retinalgef\u00e4ssen sichtbar war, dass die wahrgenommene Circulation \u201eeiner anderen gef\u00e4ssreieheren mehr nach aussen gelegenen Retinalschicht\u201c angeh\u00f6ren m\u00fcsse. Meissner und mir selbst ist es nie gelungen, unter den Druckbildern des Auges ausser zuweilen aufblitzenden Z\u00fcgen der bekannten Aderfigur der Netzhaut etwas einem Geiassnetze Aehnliches zu sehen, und wenn ich auch als Schlussstadium fast immer labyrinthische Liniensysteme in str\u00f6mender Bewegung sehe, so ist deren Anordnung doch mit keinem Gef\u00e4ssnetze zu vergleichen. Zu bemerken ist \u00fcbrigens f\u00fcr die Theorie dieser Erscheinungen, dass nach den von Donders mit dem Augenspiegel ausgef\u00fchrten Untersuchungen durch Druck auf das Auge allerdings Ver\u00e4nderungen in den Netzhautgef\u00e4ssen eintreten, indem zuerst die Venen zu pulsiren anfangen und sp\u00e4ter das Blut aus ihnen sich ganz entleert. Diese ver\u00e4nderten Zust\u00e4nde der Gef\u00e4sse m\u00f6gen von manchen Augen empfunden werden k\u00f6nnen. Sonst m\u00f6chte ich die unruhigen und wechselnden Bilder, welche durch anhaltenden Druck im Auge erzeugt werden, mit dem Gef\u00fchle des Ameisenlaufens vergleichen, welches in eingeschlafenen Gliedern, deren Nervenst\u00e4mme l\u00e4ngere Zeit einem Drucke ausgesetzt gewesen sind, eintritt. Wenn wir, schief auf einer H\u00fcfte sitzend, den H\u00fcftnerven dr\u00fccken, verliert bald der Fuss und Unterschenkel die F\u00e4higkeit, Ber\u00fchrung \u00e4usserer Objecte zu empfinden; dagegen tritt ein heftiges Kribbeln in den taub gewordenen Theilen der Haut ein, welches in \u00e4hnlicher Weise schnell wechselnde Erregungen der empfindenden Nervenfasern verr\u00e4th, wie sie bei dem entsprechenden Zustande der Netzhaut sich durch die wechselnden feinen Figuren im Gesichtsfelde zeigen. Wenn dann der Druck nachl\u00e4sst, sind bei wiederkehrender F\u00e4higkeit, \u00e4ussere Objecte wahrzunehmen, die ersten Ber\u00fchrungen des Fusses oft schmerzhaft, w\u00e4hrend das Auge \u00e4ussere Gegenst\u00e4nde in blendendem Lichte wahrnimmt.\nEin anderes Ph\u00e4nomen, was einer mechanischen Reizung der Netzhaut anzugeh\u00f6ren scheint, sind gewisse lichte Flecke, welche empfindliche Augen im dunkeln Gesichtsfelde sehen, wenn sie eine schnelle Bewegung des Auges vollf\u00fchren. In Fig.2, Taf. IV. sind sie abgebildet, wie sie im gemeinschaftlichen Gesichtsfelde beider Augen mir erscheinen, wenn die Augen in Richtung des Pfeils nach links hin bewegt worden sind. Das mit L bezeichnte geh\u00f6rt dem finken, das andere dem rechten Auge an. Die Erscheinung ist in dem nach einw\u00e4rts bewegten Auge, hier dem rechten, weniger entwickelt als in dem nach ausw\u00e4rts bewegten. Ich selbst sehe sie nur des Morgens gleich nach dem Erwachen, oder bei Unwohlsein; andere Beobachter, wie Purkinje und Czermak \u2019, sehen sie zu jeder Tageszeit im Dunkeln als feurige Ringe oder Halbringe. Ihre Entfernung vom Gesichtspunkte ist eine solche, dass ein Beobachter, der die sp\u00e4ter zu beschreibenden Ph\u00e4nomene des sogenannten blinden Flecks gut kennt, daraus schliessen kann, dass sie der Eintrittsstelle des Sehnerven angeh\u00f6ren. Sie entstehen also wahrscheinlich dadurch, dass bei schnellen Bewegungen des Auges der Sehnerv vom Augapfel mit in Bewegung gesetzt und\n1 Physiologische Studien. Abtheilung I. \u00a7.5. S. 42 u. Abth. 11. S. 32. - Wiener Sitzungsber. XII. S. 322 u. XV. 4\u00f6i.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 47.\nACCOMMODATIONSP\u00cf\u00cfOSPHEN.\n199\nan seiner Eintrittsstelle gezerrt wird. Purkinje 1 sieht an der Eintrittsstelle des Sehnerven auch dauernd einen lichten Ring, wenn er das Auge stark nach innen wendet, nach der Mitte des Gesichtsfeldes umgeben von concentrischen hellen Streifen, w\u00e4hrend bei mir die Erscheinungen nur immer momentan auftauchen. Stellt man den Versuch mit offenem Auge vor einer weissen gleich-massig beleuchteten Fl\u00e4che an, so erscheinen bei starker Drehung des Auges dunkle Flecken dem Sehnerveneintritt entsprechend, die, wie Czermak bemerkt, beim Drehen nach innen leichter eintreten, und eine regelm\u00e4ssigere Kreisform annehmen als beim Drehen nach aussen. In dem r\u00f6thlichen Felde, welches die geschlossenen und von aussen beleuchteten Augenlider geben, erscheinen diese dunkeln Flecke blau. Ich selbst erkenne \u00fcbrigens auch in den dunkeln Flecken Spuren derselben Aelirenform, welche die Lichterscheinung im dunkeln Felde zeigt, w\u00e4hrend Czermak hervorhebt, dass bei ihm letzte Erscheinung nicht das negative Abbild der ersteren sei. Auch hier scheinen also die gereizten Nervenfasern ihre Empfindlichkeit gegen \u00e4ussere Reize durch die Zerrung zu verlieren. Als gereizt muss man in diesem Falle wohl die Fasern betrachten, die in unmittelbarer N\u00e4he des Sehnerven enden, da die Eintrittsstelle des Sehnerven seihst gegen Lichtreiz unempfindlich ist, und daher nicht zu erwarten ist, dass dort irgend welche der Lichtempfindung f\u00e4hige Fasern enden, in deren Folge eine Lichtempfindung gerade an diese Stelle des Gesichtsfelds verlegt werden k\u00f6nnte. Endlich ist hierher auch wohl das von P\u00fcrkikje a und Czermak 3 beobachtete Accommodationsphosphen zu rechnen. Wenn man im Finstern die Augen f\u00fcr das Sehen in n\u00e4chster N\u00e4he einrichtet und dann pl\u00f6tzlich wieder f\u00fcr die Ferne accommodirt, so bemerkt man nahe an der Peripherie des Gesichtsfeldes einen ziemlich schmalen feurigen Saum, welcher, ringf\u00f6rmig in sich selbst zur\u00fccklaufend, in dem Momente aufblitzt, wo man mit der f\u00fchlbaren Anstrengung f\u00fcrs Nahesehen nachl\u00e4sst. Purkinje sah die Erscheinung auch bei pl\u00f6tzlichem Nachlass gleichm\u00e4ssigen Drucks auf das Auge. Ich selbst habe sie bisher noch nicht sehen k\u00f6nnen. Czermak erkl\u00e4rt sie dadurch, dass im Momente, wo der Zug des Ciliarmuskels nachl\u00e4sst, die erschlaffte Zonula sich wieder spannt, w\u00e4hrend die Linse noch in radialer Richtung verk\u00fcrzt ist und dadurch eine pl\u00f6tzliche Zerrung des \u00e4ussersten Randes der Netzhaut eintritt, dessen Ende mit der Zonula verklebt ist.\nAccommodire ich stark f\u00fcr die N\u00e4he, w\u00e4hrend das Auge nach einer gleich-m\u00e4ssig erleuchteten weissen Fl\u00e4che gekehrt ist, so entsteht im Fixationspunkte ein schattiger Fleck, am Rande braun abschattirt, von dem auch wohl braune oder hell violette Streifen sich nach verschiedenen Seiten hinziehen. Dann pflegt sich das Gesichtsfeld schnell zu verdunkeln, w\u00e4hrend netzf\u00f6rmige Zeichnungen und Theile der Aderfigur, dunkel auf weissem Grunde darin sichtbar werden. Rei Nachlass der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he schwindet alles. Purkinje beschreibt den braunen Fleck, sah aber dessen Centrum weiss. Hierher geh\u00f6rt\n1\tBeitr\u00e4ge zur Kenntniss des Sehens. S. 78.\n2\tZur Physiologie der Sinne. Bd. I. 126. II. ll\u00f6.\n3\tWiener Sitzungsber. XXVII. 78.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\nauch ein elliptischer gefleckter Lichtschein, den Purkinje 1 bei dunklem Gesichtsfelde erblickte, wenn er mit dem Druck der Augenlider pl\u00f6tzlich nach-liess. Damit die Erscheinung zu Stande kam, war es noting, dass kurz vorher \u00e4usseres Licht auf das Auge gewirkt hat. Ich selbst kann sie nicht sehen.\nDurchschneidung und Zerrung des blossgelegten Sehnerven bei Hunden ruft keine Schmerzens\u00e4usserungen hervor, w\u00e4hrend die gleichen Verletzungen ebenso starker Ilautnervenst\u00e4mme die allerheftigsten Schmerzen erregen. Beim Menschen wird durch krebsige Entartungen des Auges zuweilen die Exstirpation des Augapfels noting. Wenn der Sehnerv in solchen F\u00e4llen noch nicht selbst entartet ist, werden im Augenblicke der Durchschneidung des Sehnerven grosse Lichtmassen gesehen* 2, w\u00e4hrend die Kranken dabei etwas gr\u00f6sseren Schmerz haben, als bei der Durchschneidung der \u00fcbrigen benachbarten Theile. Dass die Durchschneidung des Sehnerven ganz ohne solchen Schmerz, wie ihn die Tastnerven empfinden, vor sich gehen sollte, d\u00fcrfen wir nicht erwarten, da wenigstens die \u00fcbrigen gr\u00f6sseren Nervenst\u00e4mme ihre Nervi nervorum haben, besondere empfindende Fasern, die ihnen ebenso gut zukommen, wie allen \u00fcbrigen inneren Theilen des K\u00f6rpers, und welche ihre \u00f6rtliche Empfindlichkeit vermitteln. Bei den vorderen Wurzeln der R\u00fcckenmarksnerven, durch welche nur motorische Fasern aus dem R\u00fcckenmarke austreten, kann man nachweisen, dass solche Nervi nervorum ihnen aus den hinteren sensiblen Wurzeln zugeschickt werden. Wenn der Nervus iilnaris hinter dem inneren Ellenbogenh\u00f6cker gestossen wird, gieht sich die Reizung der durchlaufenden Fasern des Nerven durch einen Schmerz kund, der scheinbar im Verbreitungsbezirke des Nerven am f\u00fcnften und vierten Finger stattfindet, w\u00e4hrend ein anderer Schmerz an der gestossenen Stelle selbst, welcher unangenehmer ist, als wenn nur die Haut getroffen w\u00e4re, den Nerven des Nervenstammes zuge-schrieben werden muss. Ebenso f\u00fchlen wir, indem wir am \u00e4usseren Augenwinkel den Augapfel dr\u00fccken, \u00f6rtlich den Schmerz des Druckes mittels der empfindenden Nerven dieser Stelle, und sehen einen Lichtschein, den wir in die Gegend des Nasenr\u00fcckens verlegen. Etwas Aehnliches kann bei der Reizung des Sehnervenstammes Vorkommen.\nDass der Sehnerv und die Netzhaut, welche f\u00e4hig sind, ein so feines Agens, wie das Licht ist, zu empfinden, gegen die gr\u00f6bste mechanische Misshandlung ziemlich unempfindlich bleiben, d. h. keinen in das Gebiet der Tastempfindungen geh\u00f6rigen Schmerz empfinden, erschien fr\u00fcher als ein wunderbares Paradoxon. Die L\u00f6sung ergiebt sich einfach daraus, dass die Qualit\u00e4t aller Empfindungen des Sehnerven in den Kreis der Lichtempfindungen geh\u00f6rt. Es fehlt ihm also nicht die Empfindlichkeit, aber die Form der Empfindung ist eine andere.\nSehr mannigfaltig ist ferner das Gebiet der Lichtempfindungen aus inneren Ursachen. Es geh\u00f6ren dahin eine Menge von Lichterscheinungen im Gesichtsfelde, welche in allerlei Krankheitszust\u00e4nden des Auges oder des ganzen K\u00f6rpers auftreten, bald \u00fcber das ganze Feld ergossen, bald r\u00e4umlich begrenzt, und im\n* Zur Physiologie der Sinne. II. 78.\n2 T\u00fcurtual in J. M\u00fcller Handbuch der Physiologie. Coblenz 184U. Bd. II. 8. 259.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 <7.\nREIZUNG DURCH INNERE URSACHEN.\n201\nletzteren Falle bald in Form unregelm\u00e4ssiger Flecken, bald als Phantasmen, Menschen, Thiere u. s. w. nachahmend. Vielfach m\u00f6gen dabei mechanische Ursachen mitwirken, vermehrter Druck des Blutes in den Gef\u00e4ssen oder der Augenfl\u00fcssigkeiten ; so sieht man beim Nachlasse gleichm\u00e4ssigen Drucks auf den Augapfel h\u00e4ufig St\u00fccke der Gef\u00e4ssfigur aufblitzen, oder sieht nach heftigen Anstrengungen theils einzelne pulsirende Stellen, theils gr\u00f6ssere St\u00fccke der Gef\u00e4ssfigur\tIn anderen F\u00e4llen mag es eine Art chemischer Reizung durch\nver\u00e4nderte Zusammensetzung des Blutes sein, z. B. im Falle narkotischer Vergiftungen. Endlich sind manche von diesen Erscheinungen auch wohl zu erkl\u00e4ren durch Ausbreitung des Reizungszustandes innerhalb der Centraltheile von anderen Theilen des Nervensystems auf die Wurzeln des Sehnerven. Ueber-tragung der Reizung von einem urspr\u00fcnglich erregten empfindenden Nerven auf einen anderen solchen Nerven, der von keinem \u00e4usseren Einfl\u00fcsse getroffen ist, nennen wir Mitempfindung. So erregt der Anblick grosser heller Fl\u00e4chen, z. B. von der Sonne beleuchteter Schneefelder, bei vielen Personen gleichzeitig Kitzel in der Nase, oder das H\u00f6ren gewisser kratzender und quiekender T\u00f6ne ein K\u00e4ltegef\u00fchl, welches l\u00e4ngs des R\u00fcckens herabl\u00e4uft. Dergleichen Mitempfindungen scheinen auch im Sehnervenapparate Vorkommen zu k\u00f6nnen, wenn andere Empfindungsnerven erregt sind, z. B. die des Darms durch Eingeweidew\u00fcrmer bei Kindern oder durch aufgeh\u00e4ufte Darmcontenta, Blutstockungen und andere Abnormit\u00e4ten bei Hypochondern. Eigentliche Phantasmen, d. h. Lichtbilder, welche das Ansehen bekannter Objecte der Aussenwelt an sich tragen, scheinen durch eine \u00e4hnliche Uebertragung des Erregungszustandes von den bei der Bildung von Vorstellungen th\u00e4tigen Theilen des Gehirns auf den Sehnervenapparat entstehen zu k\u00f6nnen. Es sind dergleichen gesehen worden von vielen Beobachtern, welche sich, w\u00e4hrend sie es sahen, der subjectiven Natur des Phantasma durchaus bewusst waren1 2 3. Einige, wie Goethe und J. M\u00fcller, konnten sogar zu jeder Zeit, wenn sie lange in das dunkle Gesichtsfeld der geschlossenen Augen hineinsahen, dergleichen Erscheinungen sehen.\nUebrigens ist das Gesichtsfeld auch des gesunden Menschen zu keiner Zeit ganz frei von solchen Erscheinungen, die man das Lichtchaos, den Lichtstaub des dunkeln Gesichtsfeldes genannt hat; da es bei manchen Erscheinungen, z. B. den Nachbildern, eine wichtige Rolle spielt, wollen wir es das Eigenlicht der Netzhaut nennen. Wenn man die Augen scliliesst und das dunkle Gesichtsfeld aufmerksam betrachtet, wird man anfangs h\u00e4ufig noch Nachbilder der vorher gesehenen \u00e4usseren Objecte wahrnehmen (\u00fcber deren Entstehung siehe unten \u00a7. 24 und 25), sp\u00e4ter ein unregelm\u00e4ssiges schwach beleuchtetes Feld mit mannigfach sich wandelnden Lichtflecken, die h\u00e4ufig Gef\u00e4ss-ver\u00e4stelungen oder ausgestreuten Moosstieichen und Bl\u00e4ttern \u00e4hnlich sind, und bei manchen Beobachtern auch in Phantasmen \u00fcbergehen. Eine ziemlich h\u00e4ufige Form dieser Lichterscheinungen scheint die zu sein, welche Goethe 3 wandelnde\n1\tPurkinje zur Physiologie der Sinne. 1. 134. II. Il\u00e4. 118. \u2014 Subjeclive Erscheinungen nach Wirkung der Digitalis II. 120.\n2\tF\u00e4lle der Art sind zusamm engestellt hei J. M\u00fciler \u00fcber phantastische Gesichlserscheinungen. Coblenz 1826. S. 20.\n3\tFarbenlehre. Abth. I. \u00a7. 96.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 17.\nNebelstreifen nennt. Purkinje beschreibt sie als \u201ebreite mehr oder weniger gekr\u00fcmmte B\u00e4nder mit zwischenliegenden schwarzen Intervallen, die entweder als concentrische Kreise gegen den Mittelpunkt des Sehfeldes sich bewegen, und dort sich verlieren, oder als wandelnde B\u00f6gen an ihm sich brechen, oder als krumme Radien um ihn im Kreise sich bewegen. Ihre Bewegung ist langsam, so dass es gew\u00f6hnlich acht Secunden braucht, bis ein solches Band den Weg vollendet und v\u00f6llig verschwunden ist\u201c. Ich selbst sehe sie meist wie zwei Systeme kreisf\u00f6rmiger Wellen, die langsam gegen ihre Mittelpunkte zu beiden Seiten des Gesichtspunktes zusammenlaufen. Die Lage der Mittelpunkte schien mir den Eintrittsstellen der beiden Sehnerven zu entsprechen; die Bewegung f\u00e4llt mit der der Respirationsbewegungen zusammen. Purkinje hatte ein schw\u00e4cheres Auge und sah nur mit dem rechten Auge ein solches System von Nebelstreifen. Uebrigens wird auch der Grund des Gesichtsfeldes, auf dem sich diese Erscheinungen entwerfen, nie ganz dunkel, man sieht im Gegentheile abwechselnde Verfinsterungen und Aufhellungen des Grundes, die oft mit den Athemz\u00fcgen in gleichem Rhythmus geschehen (J. M\u00fcller 1 2, ich selbst). So bringt auch jede Bewegung der Augen oder Augenlider, jede Ver\u00e4nderung der Accommodation Ver\u00e4nderungen des Lichtstaubes hervor. Auffallend sind diese Gestalten besonders, wenn man in einem unbekannten ganz dunkeln Raume, z. B. in einem dunkeln Treppenflur, den Weg tappend sucht, weil sie sich dann an die Stelle der wirklichen Objecte stellen. Dabei bemerkt Purkinje, dass jede unvermuthete Ber\u00fchrung, jede unsichere Bewegung momentane Oscillationen des Auges hervorruft, die von zarten Lichtw\u00f6lkchen und anderen Lichtgebilden begleitet sind, welche Veranlassung zu manchen Gespenstergeschichten gegeben haben m\u00f6gen.\nNach k\u00f6rperlicher Anstrengung und Erhitzung sah Purkinje 2 im dunkeln Gesichtsfelde ein mattes Licht wallen und flackern, wie die auf einer horizontalen Fl\u00e4che verl\u00f6schende Flamme von ausgegossenem Weingeiste. Bei sch\u00e4rferer Betrachtung sah er darin unz\u00e4hlige, \u00e4usserst kleine lichte P\u00fcnktchen, die sich lebhaft durch einander bewegen, und lichte Spuren ihrer Bewegung hinter sich lassen. Eine \u00e4hnliche Erscheinung trat ein, wenn er bei geschlossenem rechten Auge das schwache linke zum Sehen anstrengte.\nWichtig ist noch die Erfahrung, dass auch bei Leuten, deren Auge durch Operation entfernt, oder deren Sehnerven und Augen desorganisirt und functionsunf\u00e4hig geworden waren, subjective Lichterscheinungen vorgekommen sind3. Aus diesen Erfahrungen geht hervor, dass nicht blos die Netzhaut, sondern auch der Stamm oder die Wurzeln des Sehnerven im Gehirn f\u00e4hig sind, in Folge von Reizungen, Lichtempfindung zu erzeugen.\nEndlich sind die elektrischen Str\u00f6me ein m\u00e4chtiges Mittel, den Sehnervenapparat, wie die \u00fcbrigen Nerven zu erregen. W\u00e4hrend in der Regel die motorischen Nerven nur in den Augenblicken Zuckung bewirken, wo die St\u00e4rke\n1\tPhantastische Gesichtserscheinungen. S. 16.\n2\tBeobachtungen und Versuche u. s. w. I. 63, 134. II. 113.\n5 Beispiele bei J. M\u00fcller Phantastische Gesichtserscheinungen. S. 30. \u2014 A. v. Humboldt Gereizte Muskel-und Nervenfaser. Th. II. S. 444. \u2014 Lincke de fungo medullari. Lips. 1834.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 17.\nELEKTRISCHE REIZUNG DES SEHNERVEN.\n203\ndes sie durchfliessenden elektrischen Stromes einer schnellen Steigerung oder Abnahme ausgesetzt ist, so werden in den Sinnesnerven nicht nur durch Stromesschwankungen, sondern auch durch einen Strom von glcichm\u00e4ssig anhaltender St\u00e4rke Empfindungen hervorgerufen, deren Qualit\u00e4t im letzteren Falle von der Stromesrichtung abh\u00e4ngt.\nWenn der Sehnerv durch Stromesschwankungen gereizt wird, entstehen starke Lichtblitze, die das ganze Gesichtsfeld \u00fcberziehen. Man kann dieselben sowohl durch Entladungen von Leydener Flaschen als von galvanischen S\u00e4ulen erzielen, wenn man die Elektricit\u00e4t so durch den K\u00f6rper leitet, dass hinreichend starke Zweige der Str\u00f6mung durch den Sehnerven m\u00f6glichst parallel seinen Fasern gehen. Man legt also zweckm\u00e4ssig den einen Zuleiter an die Stirn oder auf die geschlossenen Augenlider, den anderen in den Nacken, oder wenn man bei hinreichend kr\u00e4ftigen Apparaten einen grossen Widerstand nicht zu scheuen hat, nimmt man ihn in die Hand. Um den Schmerz in der Haut zu mildern, ist es vortheilhaft, die Zuleiter, welche die Form von Platten oder Cylindern haben k\u00f6nnen, mit nassen Pappscheiben zu bedecken uud die zu ber\u00fchrende Hautstelle einige Zeit vorher schon anzufeuchten. Mit den Schl\u00e4gen von Leydener Flaschen sind bisher wenig hierher geh\u00f6rige Versuche angestellt worden, auch ist grosse Vorsicht wegen der N\u00e4he des Gehirns nothwendig, da Franklin und Wilcke 1 beobachtet haben, dass durch den Kopf geleitete Schl\u00e4ge ein bewusstloses Zusammenst\u00fcrzen zur Folge haben k\u00f6nnen. Le Roy 2 liess den Entladungsschlag auf einen am Staar erblindeten jungen Mann wirken, indem er dessen Kopf und rechtes Bein mit einem Messingdrathe umwand und durch die Enden der Dr\u00e4tlie eine Leydener Flasche entlud. Bei jeder Entladung glaubte der Patient eine Flamme sehr schnell von oben nach unten Vorbeigehen zu sehen, und h\u00f6rte einen Knall wie von grobem Gesch\u00fctze. Wenn Le Roy den Schlag durch den Kopf des Blinden allein leitete, indem er \u00fcber den Augen und am Hinterkopfe Metallplatten befestigte, die mit den Belegungen einer Flasche verbunden wurden, so sah der Kranke Phantasmen, einzelne Personen, in Reihe gestellte Volkshaufen u. s. w.\nReicher sind die Erfahrungen \u00fcber die Wirkungen der galvanischen Str\u00f6me. Will man nur die Lichtblitze wahrnehmen, die durch Schliessung oder Unterbrechung des Stromes entstehen, so gen\u00fcgen schon wenige Zinkkupferelemente, bei reizbaren Augen sogar schon ein einfaches Plattenpaar. Wenn zum Beispiel ein St\u00fcck Zink an die befeuchteten Lider des einen, Silber an die des anderen Auges gelegt wird, und man die beiden Metalle in Ber\u00fchrung bringt, so erscheint im Momente der Ber\u00fchrung und dann wieder im Momente der Trennung ein Blitz. Belehrender ist der Versuch, wenn man das eine Metall an ein Auge legt, das andere in den Mund nimmt, weil dabei zugleich die Abh\u00e4ngigkeit der St\u00e4rke des Blitzes von der Stromesrichtung erkannt werden kann. Der Blitz bei Schliessung der Kette ist nach den Beobachtungen von Pfaff st\u00e4rker, wenn man das positive Metall (Zink) an das Auge, das negative\n1\tFranklin Briefe \u00fcber Elektricit\u00e4t. Leipzig 1758. S. 312.\n2\tM\u00e9m. de math ein. de l\u2019Acai. de France. 17\u00f6\u00f6. p. 86 \u2014 92.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. -17.\n(Silber) in den Mund bringt, wobei also der Sehnerv von der positiven Elektrici-t\u00e4t in aufsteigender Richtung durchflossen wird. Ich bemerke hierbei, dass mir selbst die Versuche mit der einfachen Kette, wahrscheinlich wegen zu geringer Reizbarkeit meines Auges, nie gelungen sind. Dagegen sind die Lichtblitze sehr gl\u00e4nzend, wenn man eine kleine galvanische S\u00e4ule von etwa zw\u00f6lf Elementen benutzt. W\u00e4hlt man eine Batterie von constanter Stromesst\u00e4rke, z. B. von Damki.t,'sehen Elementen, so findet man, dass der Schliessungsblitz bei aufsteigender Stromesrichtung, der Oeffnungsblitz bei absteigender st\u00e4rker ist. Aehnliche Unterschiede der Wirkung je nach der Richtung des Stroms sind auch f\u00fcr die Muskelnerven bekannt, sie sind dort aber auch von der St\u00e4rke des angewendeten. Stroms abh\u00e4ngig.\nUm die dauernde Wirkung eines gleichm\u00e4ssig anhaltenden Stroms wahrzunehmen, brauchen wohl die meisten Augen eine kleine S\u00e4ule, obgleich Ritter auch diese mit der einfachen Kette wahrgenommen hat. Um die Blendung des Auges durch Lichtblitze und das unangenehme Muskelzucken bei Oeffnung urld Schliessung des Stroms zu vermeiden, finde ich cs vortheilhaft, am Rande des Tisches, neben welchen sich der Experimentirende hinsetzt, zwei mit Pappe, die mit Saizwasser getr\u00e4nkt ist, umwickelte Metallcylinder hinzulegen, die mit den beiden Polen einer DANiELL\u2019schen Batterie von 12 bis 24 Elementen verbunden sind. Man st\u00fctzt zuerst die Stirne fest auf einen der Cylinder und ber\u00fchrt dann mit der Hand den anderen, wobei man durch langsames Anlegen der Hand erreichen kann, dass die Wirkungen der Stromesschwankung sehr gering sind, dann nach Belieben wieder \u00f6ffnen oder schliesscn kann. Die Stromesrichtung l\u00e4sst sich wechseln, indem man die Stirn bald auf den einen, bald auf den anderen Cylinder legt. Das Auge ist hierbei auch keinem Drucke ausgesetzt, worauf wohl zu achten ist,\nWenn ein schwacher aufsteigender Strom durch den Sehnerven geleitet wird, wird das dunkle Gesichtsfeld der geschlossenen Augen heller als vorher und nimmt eine weisslich violette Farbe an. In dem erhellten Felde erscheint in den ersten Augenblicken die Eintrittsstelle des Sehnerven als eine dunkle Kreisscheibe. Die Erhellung nimmt schnell an Intensit\u00e4t ab, und verschwindet ganz bei der Unterbrechung des Stroms, die man bei langsamer L\u00f6sung der Hand von dem zweiten Cylinder ohne Lichtblitz ausf\u00fchren kann. Daf\u00fcr tritt nun, im Gegensatz zu dem vorausgegangenen Blau, mit der Verdunkelung des Gesichtsfeldes auch eine r\u00f6thlich gelhe F\u00e4rbung des Eigenlichts der Netzhaut ein.\nBei der Schliessung der entgegengesetzten, absteigenden Stromesrichtung tritt der auffallende Erfolg ein, dass das nur mit dem Eigenlicht der Netzhaut gef\u00fcllte Gesichtsfeld im Allgemeinen dunkler wird als vorher, und sich etwas r\u00f6thlich gelb f\u00e4rbt; nur die Eintrittsstelle des Sehnerven zeichnet sich als eine helle blaue Kreisscheibe auf dem dunkeln Grunde ab, von welcher Scheibe h\u00e4utig auch nur die der Mitte des Gesichtsfeldes zugekehrte H\u00e4lfte erscheint. Bei Unterbrechung dieser Stromesrichtung wird das Gesichtsfeld wieder heller und zwar bl\u00e4ulichweiss beleuchtet, und der Sehnerveneintritt erscheint dunkel.\nDie bei absteigender Stromesrichtung eintretende Verdunkelung des Gesichtsfeldes l\u00e4sst erkennen, dass wir es bei diesen Versuchen nicht, oder","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"ELEKTRISCHE REIZUNG DES SEHNERVEN.\n205\nwenigstens nicht allein mit einer Reizung durch Elektricit\u00e4t zu tliun haben, sondern dass auch noch die Ver\u00e4nderungen der Reizbarkeit durch elektrische Str\u00f6me in Betracht kommen. Durch schwache Str\u00f6me wird nach Pfl\u00fcger\u2019s 1 Versuchen die Reizbarkeit des Nerven an der Strecke gesteigert, wo die positive Elektricit\u00e4t hinfliesst, an der Strecke vermindert, wo jene Elektricit\u00e4t herkommt. Sie w\u00fcrde demnach bei aufsteigendem Strome am Hirnende des Sehnerven vermehrt, am Retinalende vermindert sein, umgekehrt bei absteigendem Strome. Die Verminderung und Vermehrung des Eigenlichts des Auges w\u00fcrde sich daher nach dem PFL\u00dcGER\u2019schen Gesetze erkl\u00e4ren, wenn wir annehmen, dass die inneren Reizmittel, welche es hervorbringen, auf das Hirnende des Sehnerven einwirken. Dann wird der aufsteigende Strom Steigerung, der absteigende Schw\u00e4chung des Eigenlichts hervorbringen m\u00fcssen. Ob die entgegengesetzte Beleuchtung am Sehnerven als Contrast oder als innere Reizung am Umfange seines Eintritts in die Netzhaut zu deuten sei, bleibt zweifelhaft. Es stimmt ferner mit der gegebenen Erkl\u00e4rung \u00fcberein, dass nach Ritter\u2019s Bemerkung w\u00e4hrend der Dauer des aufsteigenden Stroms \u00e4ussere Gegenst\u00e4nde undeutlicher, w\u00e4hrend des aufsteigenden Stroms deutlicher erscheinen, denn f\u00fcr Reizungen der Netzhaut selbst muss der aufsteigende Strom die Empfindlichkeit vermehren. F\u00fcr lichtschwache Objecte kann ich das Factum best\u00e4tigen. Uebrigens passt darauf auch vollst\u00e4ndig Purkinje\u2019s Erkl\u00e4rung, welcher annimmt, dass die Verminderung der Deutlichkeit des objectiven Sehens von der Vermehrung des Eigenlichts des Auges herr\u00fchre, welches wie ein Nebelschleier wirke; jedenfalls verhindert diese Erhellung und Verdunkelung des Gesichtsfeldes zu erkennen, ob man das Licht der einzelnen Objecte st\u00e4rker oder schw\u00e4cher empfinde.\nWenn der constante Strom zu fliessen aufh\u00f6rt, bleibt nach Pfl\u00fcger an den unempfindlicher gewordenen Stellen des Nerven vermehrte Empfindlichkeit zur\u00fcck, wovon in unserem Falle die Aufhellung des Gesichtsfeldes Kunde giebt. An den vorher empfindlicher gewesenen Stellen des Nerven folgt dagegen zuerst ein kurzes Stadium (bis 10 Secunden) verminderter Empfindlichkeit, dem dann wieder schwach gesteigerte Empfindlichkeit folgt. Dem ersteren entspricht in unserem Falle die Verdunkelung des Gesichtsfeldes nach Oeffnung des aufsteigenden Stroms; das letztere giebt sich nur dadurch zu erkennen, dass die Verdunkelung bald in den normalen Zustand \u00fcberzugehen scheint.\nBei st\u00e4rkeren Str\u00f6men von 100 bis 200 Zink - Kupferplatten hat Ritter eine Umkehr der F\u00e4rbung gesehen, w\u00e4hrend die Vermehrung oder Verminderung der Helligkeit dieselbe blieb, wie bei schwachen Str\u00f6men. Starke aufsteigende Str\u00f6me erregten ihm also die Empfindung von lichtstarkem Gr\u00fcn, noch st\u00e4rkere von lichtstarkem Roth, starke absteigende von lichtschwachem Blau. Nach der Unterbrechung des Stroms sah er im ersten Falle zuerst Blau, was schnell in das zur\u00fcckbleibende Roth der schwachen Str\u00f6me umschlug. Nach der Unterbrechung des starken absteigenden Stroms sah er dagegen im ersten Augenblicke Roth, was schnell in das gew\u00f6hnliche Blau umschlug. Ich selbst fand, dass bei st\u00e4rkeren Str\u00f6men 2\n1\tUntersuchungen \u00fcber die Physiologie des Elektrotonus. Berlin 1839. Siehe dar\u00fcber unten \u00a7. 25.\n2\tDer Strom von 2i \u00d6ANiELL\u2019schen Elementen wurde durch breite, init nasser Pappe belegte Metallplatten in Stirn und Nacken eingeleitet. Da der Widerstand in diesem Kreise sehr viel geringer war als bei Ritter\u2019s","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 17.\nein wildes Durcheinanderwogen von Farben entstand, in welchem ich keine Regel zu entdecken vermochte.\nRitter giebt auch noch an, dass das aufsteigend durchstr\u00f6mte Auge die \u00e4usseren Gegenst\u00e4nde nicht blos undeutlicher, sondern auch verkleinert sehe. Das l\u00e4sst vermuthen, dass er die Augen f\u00fcr die N\u00e4he accommodirt habe. Man kann sich unter Einfluss des heftigen Hautschmerzes, den die einstr\u00f6mende Elektricit\u00e4t erregt, kaum erwehren, die benachbarten Muskeln zu spannen, die Stirn zu runzeln, die Augenlider zusammenzukneifen. Die meisten Personen sind geneigt, bei jeder Anstrengung des Auges oder seiner Nachbartheile f\u00fcr die N\u00e4he zu accommodiren, und das hat dann auch einen gewissen Einfluss auf die Vorstellung von der Gr\u00f6sse der gesehenen Dinge. Du Bois Reymond * 1 macht darauf aufmerksam, dass Zusammenziehung der Pupille bei elektrischer Durchstr\u00f6mung des Auges bemerkt sei, wobei wohl auch eine Ver\u00e4nderung des Accommodationsapparates eintreten k\u00f6nne. Bei absteigendem Strome giebt Ritter umgekehrt an,., die Gegenst\u00e4nde deutlicher und gr\u00f6sser gesehen zu haben.\nEndlich beschreibt Purkinje noch besondere Gestalten, welche die elektrische Lichterscheinung annimmt, wenn man die Elektricit\u00e4t aus einem Leiter mit schmaler Spitze entweder in die Mitte der geschlossenen Augenlider oder in die Nachbarschaft des Auges einstr\u00f6men l\u00e4sst. Im Axenpunkte des Auges zeigte sich die Wirkung des Stromes in der schon angegebenen Weise immer am entschiedensten, hier bildete sich ein rautenf\u00f6rmiger Fleck, der von mehreren abwechselnd dunkeln und hellen rautenf\u00f6rmigen B\u00e4ndern umgeben war. Die Eintrittsstelle des Sehnerven zeigte dagegen immer die entgegengesetzte Phase elektrischer Wirkung. Bei ansteigendem Strome also erschien der Axenpunkt des Auges als eine hellblaue Raute, zun\u00e4chst umgeben von einem dunkeln Bande, der Sehnerv als eine dunkle Scheibe, von einem blauen Scheine umgeben. Bei absteigendem Strome, erschien der Axenpunkt als eine dunkle Raute, umgeben von rothgelben B\u00e4ndern, der Sehnerv als eine hell leuchtende Scheibe. Bei continuirlicher Str\u00f6mung verschwanden die Figuren bald, bei intermittirender Str\u00f6mung, welche Purkinje durch Bewegung der stromleitenden Ketten hervorbrachte, erschien dauernd die blaue Figur, welche an Lichtst\u00e4rke die entgegengesetzte rothgelbe bei weitem \u00fcberwog.\nDie von Purkinje beschriebenen Erscheinungen an der Eintrittsstelle des Sehnerven werden von den meisten Individuen gesehen, statt der rautenf\u00f6rmigen Figuren dagegen wurden von mir und anderen Personen, welche ich die Versuche anstellen liess, nur unbestimmt begrenzte Lichtmassen gesehen. Purkinje beobachtete ganz \u00e4hnliche rautenf\u00f6rmige Figuren bei Compression des Auges. Da mir nicht bekannt ist, dass diese Rautenfl\u00e4chen von einem anderen Beobachter gesehen seien, so bleibt es vorl\u00e4ufig fraglich, ob ihre regelm\u00e4ssige Gestalt nicht auf individuellen Eigenth\u00fcmlichkeiten von Purkinje\u2019s Augen beruhte.\nAnordnung, welcher eine S\u00e4ule von grossem Widerstande, und auch noch seinen Arm in dem Kreise hatte, so l\u00e4sst sich das Verh\u00e4ltnis der Stromst\u00e4rke in meinen und Ritter\u2019s Versuchen nicht wohl bestimmen.\n1 Untersuchungen \u00fcber thierische Elektricit\u00e4t. Berlin 1848. Bd. I. S. 853.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 4 7.\nELEKTRISCHE REIZUNG DES SEHNERVEN.\n207\nWenn der Strom in der N\u00e4he des Auges durch einen schmalen Zuleiter eingeleitet wurde, so blieb die dem gelben Flecke und . dem Eintritte des Sehnerven entsprechende Lichterscheinung dieselbe wie vorher, ausserdem wurde aber an der Grenze des Gesichtsfeldes und ihr parallel ein dunkler Bogen bemerkbar, der bei Bewegungen des Auges seinen scheinbaren Ort behielt, w\u00e4hrend die vom gelben Fleck und Sehnerven abh\u00e4ngigen Erscheinungen den Bewegungen des Auges scheinbar folgen. Der genannte dunkle Bogen des Gesichtsfeldes befindet sich oben, wenn der Leiter unter dem Auge angelegt ist, rechts, wenn jener links angelegt ist, und umgekehrt. Daraus folgt, dass diejenigen Stellen der Netzhaut kein Licht empfinden, welche dem Leiter am n\u00e4chsten sind. Um diese Erscheinung deutlich zu sehen, wendete Purkinje \u00fcbrigens Ketten als Zuleiter an; bei jeder Bewegung gaben diese Stromunterbrechungen.\nDie Lehre von den Gesichtsempfmdungen fiel in \u00e4lterer Zeit noch ganz der Philosophie anheim, so lange positive Kenntnisse dar\u00fcber fehlten. Zun\u00e4chst musste eingesehen werden, dass die Empfindungen nur Wirkungen der Aussendinge auf unseren K\u00f6rper seien, und dass die Wahrnehmung erst durch psychische Processe aus der Empfindung gebildet w\u00fcrde. Mit dieser Einsicht ringt die griechische Philosophie L Sie beginnt mit naiven Voraussetzungen \u00fcber die M\u00f6glichkeiten, wie Bilder, die den Gegenst\u00e4nden entspr\u00e4chen, in die Seele kommen sollten. Demokrit und Epikur lassen solche Bilder sich von den Gegenst\u00e4nden losl\u00f6sen und in das Auge fliessen. Esipedokles l\u00e4sst Strahlen sowohl vom Lichte wie vom Auge nach den Gegenst\u00e4nden fliessen, und mit letzteren die Gegenst\u00e4nde gleichsam betasten. Plato scheint zu schwanken. Im Timaeus schliesst er sich dieser Vorstellungsweise des Empedokles an; er erkl\u00e4rt die vom Auge ausgehenden Strahlen f\u00fcr \u00e4hnlich dem Lichte, aber nicht brennend, und lasst das Sehen nur zu Stande kommen, wo das innere Licht herausgehend an den Gegenst\u00e4nden das verwandte \u00e4ussere Licht trifft. Im Theaetet dagegen n\u00e4hert er sich durch Untersuchungen \u00fcber die geistige Th\u00e4tigkeit bei den Wahrnehmungen schon dem reiferen Standpunkte des Aristoteles.\nBei letzterem 1 2 findet sich eine feine psychologische Untersuchung \u00fcber die Mitwirkung geistiger Th\u00e4tigkeit in den Sinneswahrnehmimgen, das Physikalische und Physiologische, die Empfindung ist deutlich unterschieden von dem Psychischen; die Wahrnehmung \u00e4usserer Objecte beruht nicht mehr auf einer Art feiner Fiihlf\u00e4den des Auges, wie die Gesichtsnerven des Empedokles, sondern auf Urtheil. Das Physikalische an seinen Vorstellungen ist freilich sehr unentwickelt, doch k\u00f6nnte man in den Grundz\u00fcgen desselben Spuren der Undulations-theorie finden. Denn das Lieht ist bei ihm nichts K\u00f6rperliches, sondern eine Th\u00e4tigkeit (\u00e8v\u00c9Qysia) des zwischen den K\u00f6rpern enthaltenen Durchsichtigen, welches im Zustande der Ruhe Dunkelheit ist. Doch erhebt er sich noch nicht zu der Vorstellung, dass die Wirkung des Lichtes auf das Auge nicht nothwendig dem erregenden Lichte gleichartig zu sein braucht Er sucht vielmehr diese Gleichartigkeit dadurch zu begr\u00fcnden, dass auch das Auge Durchsichtiges enthalte, welches in dieselbe Art von Th\u00e4tigkeit wie das \u00e4ussere Durchsichtige treten kann.\nIm Mittelalter blieben die eigentlichen und entscheidenden Fortschritte, welche Aristoteles in der Theorie des Sehens gemacht hatte, unbeachtet, erst Baco von Verulam und seine Nachfolger nehmen diesen Faden wieder auf, discutiren scharf die Abh\u00e4ngigkeit der Vorstellungen von den Empfindungen, bis Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft den Abschluss ihrer Theorie liefert.\nln derselben Zeit waren die Naturforscher meist nur mit dem seit Keppler sich schnell entwickelnden physikalischen Theile der Theorie des Sehens besch\u00e4ftigt. Durch Haller wurde\n1\tS. Wundt zur Geschichte der Theorie des Sehens in Henle end Pfeuffer\u2019s Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medi-cin. 1859.\n2\tDe sensibus, de anima lib.-II. c. 5\u20148 und de coloribns.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 17,\nzun\u00e4chst im Allgemeinen die Lehre von der Reizbarkeit der Nerven festgestellt; dem entsprechend beschreibt dieser auch ganz richtig und klar das Yerh\u00e4ltniss des Lichtes zur Empfindung, dieser zur Wahrnehmung Aber es fehlte noch die genauere Kenntniss der durch andere Reizmittel entstehenden Erregungen des Auges, oder wenigstens, was man davon kannte, war vereinzelt, und wurde deshalb nur als Curiosum betrachtet. Das Verdienst, die Aufmerksamkeit der deutschen Naturforscher auf die Wichtigkeit dieser Kenntniss hingeleitet zu haben, geb\u00fchrt Goethe in seiner Farbenlehre, wenn ihm auch der Hauptzweck dieses Buches, eine Reform der physikalischen Lichtlehre, die sich der unmittelbaren sinnlichen Anschauung besser anschl\u00f6sse, zu erzwingen, fehlschlug. Darauf folgen nun die reichen Beobachtungen \u00fcber Erregungen der Empfindungsnerven von Ritter und den andern Galvanikern, namentlich aber die Beobachtungen von Purkinje, so dass im Jahre 1826 J. M\u00fcller die Haupts\u00e4tze dieses Gebiets hinstellen konnte in seiner Lehre von den specifischen Sinnesenergien, wie er sie in seinem Werke \u00fcber die vergleichende Physiologie des Gesichtsinns zuerst vortrug, und wie sie im Anf\u00e4nge dieses Paragraphen dargestellt ist. Dies Werk und das von Purkinje stehen in ausgesprochener Beziehung zu Goethe\u2019s Farbenlehre, wenn aucli J. M\u00fcller deren physikalische S\u00e4tze sp\u00e4ter aufgegeben hat. Das M\u00dcLLER\u2019sche Gesetz von den specifischen Energien war ein Fortschritt von der ausserordentlichsten Wichtigkeit f\u00fcr die ganze Lehre von den Sinnes Wahrnehmungen, ist seitdem das wissenschaftliche Fundament dieser Lehre geworden, und ist in gewissem Sinne die empirische Ausf\u00fchrung der theoretischen Darstellung Kant\u2019s von der Natur des menschlichen Erkenntnisverm\u00f6gens.\nDie Druckbilder kannte schon Aristoteles. Newton 2 giebt die hypothetische Erkl\u00e4rung, dass die mechanische Ersch\u00fctterung der Netzhaut eine \u00e4hnliche Bewegung in ihr errege, wie die auf diese Haut stossenden Lichtstrahlen. Diese Bewegung der Netzhaut betrachtet er als Ursache der Lichtempfindung. Die Meinung, dass bei den Druckbildern sowohl, als auch bei anderen Gelegenheiten im Auge sich objectives Licht entwickele, hat \u00fcbrigens bis in neuere Zeit ihre Anh\u00e4nger gehabt, wovon der oben erw\u00e4hnte gerichts\u00e4rztliche Fall ein Beispiel giebt, in welchem der begutachtende Medicinalrath Seiler die M\u00f6glichkeit eines solchen Ereignisses glaubte zulassen zu m\u00fcssen. Es hat aber niemals ein zweiter Beobachter objectiv das so entwickelte Licht wahrnehmen k\u00f6nnen. Um diese Meinung wahrscheinlich zu machen, st\u00fctzte man sich tlieils auf F\u00e4lle von Menschen, die in der Dunkelheit, d. h. bei sehr wenig Licht, hatten sehen k\u00f6nnen, wie Kaiser Tiberius, Cardanus, Kaspar Hauser, tlieils auf das sogenannte Leuchten der Thieraugen, der albinotischen oder sonst krankhaft verbildeten Menschenaugen, welches nur auf Reflexion des Lichts beruht, tlieils auf stark entwickelte Nachbilder, die des Abends nach verl\u00f6schtem Licht bei \u00e4lteren M\u00e4nnern zuweilen lange zur\u00fcckzubleiben scheinen; sie sollten die M\u00f6glichkeit der Lichtentwickelung im Auge beweisen. Genauere Beschreibungen der Druckbilder sind in neuerer Zeit von Purkinje, Serres d\u2019Uzes gegeben worden. Der Gebrauch, den Thomas Young in der Accommodationslehre davon machte, ist oben S. 117 erw\u00e4hnt.\nDen Oeifnungs- und Schliessungsblitz bei elektrischer Durchstr\u00f6mung beobachtete schon Volta; Ritter nahm selbst mit der einfachen Kette die dauernden Lichtwirkungen wahr, sp\u00e4ter gab namentlich Purkinje eine ausf\u00fchrliche Beschreibung.\nMechanische Reizung.\n1706. J. Newton. Optice, am Schluss. Quaestio XVI.\n1774. Eichel in Collectan. soc. med. Havniensis 1774.\n1797. A. v. Humboldt. Versuche \u00fcber die gereizte Muskel- und Nervenfaser. II. 444. 1801. Tii. Young on the mechanism of the eye. Phil. Transact. 1801. I. 23. 1819u.25.*Puriiinje. Beobachtungen und Versuche zur Physiologie der Sinne. I. 78, 126. 136, II. 118.\n1828. Magendie. Journal de Physiologie. IV. 180. V. 189.\n1826. J. M\u00fcller \u00fcber die phantastischen Gesichtserscheinungen. Coblenz. S. 30.\n1 Eiern. Physiolog. Tom. V. lib. 16 u. 17. 3 \u00fcjuice, am Schluss Quaestio XVI.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 18.\nBLINDER FLECK.\n209\n1832.\tD. Brewster in Pogg. Ann. XXVI. 156, Phil. Mag. I. 86.\n1833.\tSeiler in Henke\u2019s Zeitschr. f\u00fcr gerichtl. Med. 1833. 4. Quartal. S. 266.\n1834.\tLincke de flingo medullari. Liiisiae.\nQuetelet. Pogg. Ann. XXXI. 494.\n.1. M\u00fcller in seinem Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. 1834. S. 140.\n1840. Tourtual in J. Muller\u2019s Handbuch der Physiologie IL 259.\n1850. Serres d\u2019Uz\u00e8s du phosph\u00e8ne. C. R. XXXI. 375 \u2014 378.\n1854u.55.\u2018Czermak physiologische Studien. Abth. I. \u00a7. 5.\tS.. 42 und Abth II. S. 32.\nWiener Sitzungsberichte XII. 322 und XV. 454.\n1856. A. E. Laielin. Die Wahrnehmung der Choroidealgef\u00e4sse .des eigenen Auges, Dissert. T\u00fcbingen.\nMeissner. Bericht \u00fcber die Fortschritte der Physiologie im Jahre 1856. S. 568 in Henle\u2019s Zeitschr. f\u00fcr ration. Medicin.\nElektrische Reizung.\n1755. Le Roy. Mein, de Mathem. de l\u2019Acad. de France. 1755. p. 86 \u2014 92.\n1794.\tPfaff in Gp.en\u2019s Journal der Physik VIII. 252, 253.\n1795.\tPfaff \u00fcber thierische Elektricit\u00e4t. S. 142.\n1798. Ritter Beweis, dass ein best\u00e4ndiger Galvanismus den Lebensprocess im Thierreiche begleite. Weimar 1798. S. 127.\n1800. Volta. Colezione dell\u2019 Opere. Tom. H, P. II. p. 124.\n* Ritter. Beitr\u00e4ge zur n\u00e4heren Kenntniss des Galvanismus. Bd. II. St. 3, 4. S. 159, 166. \u00a7. 93.\n1801 u.5. Ritter in Gilbert\u2019s Annalen VII. 448. XIX, 6 \u2014 8.\n1819. Purkinje. Beobachtungen und Versuche zur Physiologie der Sinne. Bd. I, Prag 1819. S. 50. Bd. II. Berlin 1825. S. 31. Kastner\u2019s Archiv f\u00fcr die ge-sammte Naturlehre 1825. V. 434-\n1823. Most. Ueber die grossen Heilkr\u00e4fte des in unseren Tagen mit Unrecht vernachl\u00e4ssigten Galvanismus. L\u00fcneburg 1823. S. 812.\n1829.\tFechner. Lehrbuch des Galvanismus und der Electrocliemie. Kap. 39. S. 485 ff.\n1830.\tJIjort de Functione retinae nervosae. Part. II. Christiania 1830. (Dissert) p. 31. \u00a7. 17.\n1848. E. du Bois Reymond. Untersuchungen \u00fcber thierische Elektricit\u00e4t. I. 283 \u2014 293-338 \u2014 358.\n\u00a7. 18. Von der Reizung durch Licht.\nWir haben jetzt das objective Licht, die Aetherschwingungen, als Erregungsmittel des Sehnervenapparates zu betrachten. Die Aetherschwingungen geh\u00f6ren nicht zu den allgemeinen Reizmitteln der Nerven, die wie Elektricit\u00e4t und mechanische Misshandlung jede Stelle einer jeden Nervenfaser erregen k\u00f6nnten, und es l\u00e4sst sich nachweisen, dass die Nervenfasern des Sehnerven innerhalb des Stammes dieses Nerven und innerhalb der Netzhaut von ihnen ebenso wenig wie die motorischen und sensiblen Nervenf\u00e4den der \u00fcbrigen Nerven erregt werden. Es sind vielmehr gewisse H\u00fclfsapparate nothwendig, die an den Enden der Opticusfasern in der Netzhaut liegen, in denen das objective Licht den Anstoss zu einer Nervenerregung zu geben im Stande ist.\nWir wollen.hier zun\u00e4chst nachweisen, dass die Nervenfasern im Stamme des Sehnerven durch objectives Licht nicht erregt werden. Die Masse dieser Fasern liegt an der Stelle, wo der Sehnerv durch die Sclerotica in das Auge eintritt, frei gegen die durchsichtigen Mittel des Auges gekehrt, sie ist nicht von schwarzem Pigment bedeckt, und zugleich durchscheinend genug, dass das Licht, was auf sie f\u00e4llt, merklich in die Masse des Nerven eindringen kann. Man erkennt dies bei den Untersuchungen mit dem Augenspiegel daran, dass man h\u00e4ufig noch Windungen der Centralgef\u00e4sse innerhalb des Sehnerven erkennen kann, die von der Nervenmasse ganz \u00fcberdeckt sind. Wenn dergleichen\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 18.\nGef\u00e4sswindungen im Innern der Nervensubstanz erkannt werden sollen, muss Licht bis zu ihnen hindringen und von ihnen aus wieder bis zum Auge des Beobachters gelangen k\u00f6nnen. Es ist also kein Hinderniss f\u00fcr das in das Auge fallende Licht vorhanden, bis zu einer gewissen Tiefe in die Sehnervensubstanz einzudringen. Aber dieses Licht, was auf die Eintrittsstelle des Sehnerven f\u00e4llt, wird nicht empfunden.\nFig. 100.\nMan schliesse das linke Auge und fixire mit dem rechten das weisse Kreuzehen in Fig. 100, alsdann bringe man das Buch bei der gew\u00f6hnlichen horizontalen Richtung der Zeilen in eine Entfernung von etwa einem Fuss vom Auge, so wird man finden, dass es hier eine gewisse Stellung giebt, wo der weisse Kreis g\u00e4nzlich verschwindet und der schwarze Grund ohne L\u00fccke erscheint. Damit der Versuch gelinge, achte man aber sorgf\u00e4ltig darauf, dass man den Blick fest auf das Kreuzchen hefte und nicht seitw\u00e4rts blicke. N\u00e4hert man das Buch mehr oder entfernt es weiter, so kommt der weisse Kreis wieder zum Vorschein, und wird im indirecten Sehen deutlich wahrgenommen; ebenso wenn man das Buch schief h\u00e4lt, so dass der weisse Kreis etwas h\u00f6her oder tiefer zu stehen kommt. Wie der weisse Kreis verschwinden alle anderen Gegenst\u00e4nde, weisse, schwarze, farbige, welche nicht gr\u00f6sser sind als der Kreis, wenn man sie auf denselben legt, und wie vorher verf\u00e4hrt. Man erkennt daraus, dass es im Gesichtsfelde eines jeden einzelnen Auges eine Stelle giebt, in welcher nichts erkannt wird, und dass es also in der Fl\u00e4che der Netzhaut eine entsprechende Stelle giebt, welche die auf sie fallenden Bilder nicht wahrnimmt. Man nennt diese Stelle den blinden Fleck. Da die blinde Stelle im Gesichtsfelde des rechten Auges nach rechts vom Fixationspunkte, in dem des linken Auges links davon liegt, so muss der blinde Fleck der Netzhaut vom gelben Fleck aus nach der Nasenseite her\u00fcber liegen, in welcher Gegend sich die Eintrittsstelle des Sehnerven befindet.\nDass der blinde Fleck wirklich mit der Eintrittsstelle des Sehnerven identisch sei, hatte man schon fr\u00fcher durch Messung seiner scheinbaren Gr\u00f6sse und seines scheinbaren Abstandes vom Fixationspunkte des Auges nachgewiesen. Einen noch directeren Beweis hat Donders 1 mittels seines Augenspiegels gegeben. Er warf mit diesem Instrumente das Licht einer kleinen entfernt stehenden Flamme in das Auge des Beobachteten, und liess dieses so wenden, dass\n1 \u00fcnderzoekingen gedaan in het Physiol. Labor, d. Utrechtsche Iloogeschool. VI. 134.","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 18.\nBLINDER FLECK.\n211\ndas Flammenbildchen auf die Eintrittsstelle des Sehnerven fiel. Auf dieser Stelle ist das Flammenbildchen nicht scharf gezeichnet, und es wird gleichzeitig die ganze Eintrittsfl\u00e4che des Sehnerven, obgleich mindestens 20 Mal gr\u00f6sser als das Flammenbildchen, ziemlich erleuchtet, was sich aus der durchscheinenden Beschaffenheit der Nervenmasse erkl\u00e4rt. Auf der Netzhaut selbst neben dem Eintritt des Sehnerven bemerkte er kaum eine Spur von Licht, was entweder in den durchsichtigen Mitteln des Auges zerstreut sein konnte, oder -von der hell erleuchteten Fl\u00e4che des Sehnerven seitlich reflectirt war. So lange das Lichtbildchen ganz auf den Eintritt des Sehnerven fiel, hatte der Beobachtete keine Lichtempfindung. Einige meinten einen sehr schwachen Schimmer wahrzunehmen, der wohl durch die erw\u00e4hnte schwache Erleuchtung der Netzhaut veranlasst sein mochte. Durch kleine Bewegungen des Spiegels konnte er das Lichtbildchen von einer Seite nach der anderen \u00fcber die Eintrittsstelle des Sehnerven wandern lassen, und niemals trat Lichtwahrnehmung ein, ehe nicht ein Theil der Flamme deutlich die Grenze \u00fcberschritt, und so eine Stelle erreichte, wo die verschiedenen Schichten der Netzhaut schon vorhanden sind. Hieraus folgt., dass der blinde Fleck der ganzen Eintrittsstelle des Sehnerven, und namentlich nicht etwa blos den eintretenden Gef\u00e4ssen entspricht.\nDenselben Versuch hat sp\u00e4ter Coccius 1 an dem eigenen Auge des Beobachters auszuf\u00fchren gelehrt, wodurch er noch belehrender wird. Man braucht dazu einen durchbohrten Spiegel, plan oder convex, wie er in den Augenspiegeln \u00fcblich ist, und h\u00e4lt diesen nahe vor das eigene Auge, w\u00e4hrend durch die Oeffnung des Spiegels das Licht einer Lampe in das Auge f\u00e4llt. Richtet man zun\u00e4chst das Auge gerade nach dem Rand der Oeffnung hin, so gelingt es leicht, das umgekehrte rothe Flammenbildchen auf der Netzhaut des eigenen Auges zu sehen, und indem man dann das Auge mehr und mehr einw\u00e4rts dreht, w\u00e4hrend man das Flammenbildchen festzuhalten sucht, gelingt es endlich das Flammenbild auf die Eintrittsstelle des Sehnerven zu bringen und die beschriebenen Beobachtungen anzustellen. F\u00fcr diesen Zweck ist es \u00fcbrigens rathsam, die Flamme klein zu machen, oder weit zu entfernen, weil sonst die grosse Menge Licht, die in das Auge dringt, hinderlich ist. Man sieht dabei auch die Gef\u00e4ssst\u00e4mme, hat aber nat\u00fcrlich immer nur ein sehr kleines Gesichtsfeld. Nimmt man eine gr\u00f6ssere Flammenfl\u00e4che, so wird das Auge zu sehr geblendet, als dass man viel sehen k\u00f6nnte. Ist die Lichtmenge, welche auf die Eintrittsstelle des Sehnerven f\u00e4llt, bedeutend, so nimmt das Auge allerdings einen schwachen Lichtschein wahr, aber, wie wir aus diesen Versuchen schliessen m\u00fcssen, nur deshalb, weil ein Theil des Lichtes sich auf die anstossenden Theile der Netzhaut ausbreitet. Zuweilen entsteht auch bei solchen Versuchen ein rother Lichtschimmer im Auge, wohl wenn ein Gfef\u00e4ssstamin auf der Sehnervenfl\u00e4che stark erleuchtet wird und Licht- reflectirt. Dies beobachteten A. Fick und P. du Bois Revmond, wenn sie das Sonnenbildchen einer Convexlinse als Object benutzten.\nDie Form und scheinbare Gr\u00f6sse des blinden Flecks im eigenen Gesichtsfelde kann man leicht in folgender Weise bestimmen. Man gebe dem Auge 8 bis 1 2 Zoll\n1 Ueber Glaukom, Entz\u00fcndung und die Autopsie mit dem Augenspiegel. Leipzig 1859. S. 40 und 52.\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u25a0 18.\n\u00fcber einer weissen Papierfl\u00e4che einen festen Standpunkt, und zeichne zuerst auf dem Papier ein Kreuzchen als Fixationspunkt f\u00fcr das Auge. Dann f\u00fchre man die in Tinte getauchte Spitze einer weissen oder mindestens hell gef\u00e4rbten Feder auf dem Papiere in die Projection des blinden Flecks hinein, so dass die schwarze Spitze verschwindet, und schiebe sie dann von dessen Mittelpunkte aus nach einander in den verschiedenen Richtungen gegen die Peripherie des Flecks vor, und zeichne die Grenze auf, wo sie anf\u00e4ngt sichtbar zu werden. In dieser Weise habe ich in Fig. 104 den blinden Fleck meines rechten Auges, bezogen auf den Fixationspunkt a, dargestellt. AB ist der dritte Theil der zugeh\u00f6rigen Entfernung des Auges von der Papierfl\u00e4che. Man sieht, dass die Gestalt des Fleckes eine unregelm\u00e4ssige Ellipse ist, an der ich selbst wie Hueck die Anf\u00e4nge von den st\u00e4rkeren Gef\u00e4ssst\u00e4mmen erkennen kann, welche austreten. Wenn man einen kleinen schwarzen Fleck auf das Papier macht, und nach .einander verschiedene Gesichts-\nFig. 101.\nwenn man nach Coccius sich die Richtung der\npunkte fixirt, so findet man noch, dass die Fortsetzungen der Gef\u00e4sse weit in das Feld der Netzhaut hinein blinde Stellen sind. Am leichtesten gelingt di\nGef\u00e4ssst\u00e4mme im eigenen Auge schon aufgesucht hat.\nBezeichnen wir die Entfernung des Auges vom Papier mit f, die Entfernung des zweiten Knotenpunkts von der Netzhaut, welche im Mittel 15 Mm. betr\u00e4gt, mit F, den Durchmesser des blinden Flecks in unserer Zeichnung, oder irgend eine andere lineare Gr\u00f6sse in der Zeichnung mit d, die entsprechende Gr\u00f6sse auf der Netzhaut mit D, so haben wir\nL\nF\nd\n~D\u2019\nworaus wir D berechnen k\u00f6nnen. Will man sich bei einer solchen Messung von der Gr\u00f6sse F, welche f\u00fcr das individuelle Auge nie ganz genau bestimmt werden kann, unabh\u00e4ngig machen, so misst man besser den Gesichtswinkel, d. h. den Winkel zwischen den Richtungslinien (siehe S. 69), welche den verschiedenen Punkten der Zeichnung entsprechen. Wenn wir voraussetzen d\u00fcrfen, die auf den Punkt \u00ab der Fig. 104 gerichtete Gesichtslinie sei senkrecht zur Ebene der Zeichnung und die Entfernung ad mit \u00df bezeichnen, den Gesichtswinkel, unter dem ad erscheint, mit a, so ist\n-j \u2014 tga,\nworaus a berechnet werden kann; ebenso ist der Gesichtswinkel zwischen a und jedem anderen Punkte der Zeichnung zu finden. Folgendes sind die Resultate, welche verschiedene Beobachter in dieser Weise erhalten haben :\n1)\tScheinbarer Abstand des Gesichtspunktes von dem ihm n\u00e4chsten Theile des Randes des blinden Flecks: Listing 1 12\u00b0 37',5; Helmholtz 12\u00b0 25'; Th. Young 12\u00b0 56'.\n2)\tScheinbarer Abstand des entferntesten Theils des Randes: Listing 18\u00b0 33',4; Helmholtz 18\u00b0 55'; Th. Young 16\u00b0,1'.\n1 Berichte der K\u00f6nigl. s\u00e4chs. Ges. der Wiss. 1852. S. 119. Ebenda die Beobachtungen von E. II. Weber.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 18.\nORT DER LICI1TREIZUNG.\n213\n3)\tScheinbarer Durchmesser des blinden Flecks in horizontaler Richtung: Hannover und Thomsen1 2 bei 22 Augen 3\u00b0 39' bis 9\u00b0 47', Mittel aller Messungen 6\u00b0 10', Listing 5\u00b0 55',9; Griffin 2 im Maximo 7\u00b0 31; Helmholtz 6\u00b0 56'; Th. Young, der nicht ganz zweckm\u00e4ssig zwei Lichter gebraucht hatte, um die Grenze des Flecks zu finden, 3\u00b0 5'.\n4)\tWahrer Durchmesser des blinden Flecks, mit Listing\u2019s Werth f\u00fcr F~ 15 Mm. berechnet, in Listing\u2019s Auge 1 mn,,8S; Helmholtz 1,81. Hannover und Thomsen im Mittel 1 mm,G 16. Eine Messung von E. H. Weber des Durchmessers der Eintrittsstelle des Sehnerven in den Augen zweier Leichen ergab 2'np\u2019,10 und l\"lni,72 (0,93 und 0,76 Par. Lin.). Der Abstand seiner Mitte von der Mitte des gelben Flecks war in dem einen Auge 3ml)\u2019,8 ( 1,69 Par. Lin.); derselbe, in Listing\u2019s Auge berechnet, 4mm,05. Der gr\u00f6sste und kleinste Durchmesser des Gef\u00e4ssstrangs in der Mitte des Nerven waren 0,313 und 0,139 Lin., der gr\u00f6sste in dem anderen Auge 0,28 Lin.\nAus diesen Messungen konnte schon vor den Versuchen von Donders geschlossen werden, dass die ganze Eintrittsstelle des Sehnerven unempfindlich gegen das Licht sei.\nUm die scheinbare Gr\u00f6sse des blinden Flecks im Gesichtsfelde noch anders zu bezeichnen, wollen wir anf\u00fchren, dass auf seinem Durchmesser neben einander 1 I Vollmonde Platz haben w\u00fcrden, und dass in ihm ein 6 bis 7 Fuss entferntes menschliches Gesicht verschwinden kann.\nDass die Sehnervenfasern im Stamme des Sehnerven nicht durch Licht in Reizung versetzt werden k\u00f6nnen, geht aus den beschriebenen Erscheinungen des blinden Flecks hervor. Dass auch ihre Fortsetzungen, welche von der Eintrittsstelle des Sehnerven \u00fcber die vordere Fl\u00e4che der Netzhaut hin ausstrahlen, gegen Licht unempfindlich sind, kann aus dem Umstande geschlossen werden, dass wir begrenzte helle Stellen des Gesichtsfeldes auch wirklich begrenzt sehen. Wenn Licht auf irgend eine Stelle A der Netzhaut f\u00e4llt, so trifft es hier nicht blos diejenigen Nervenfasern, welche in A endigen, sondern auch solche, welche \u00fcber A hinausgehen, und an den mehr peripherisch gelegenen Stellen der Netzhaut endigen. Da nun der Ort, an welchem eine Nervenfaser gereizt worden ist, in der Empfindung nicht unterschieden wird, so w\u00fcrde dadurch f\u00fcr die Empfindung derselbe Erfolg eintreten, als w\u00e4re Licht auf jene peripherischen Stellen der Netzhaut gefallen. Wir w\u00fcrden unter diesen Umst\u00e4nden von jedem erleuchteten Punkte einen Liclitschwcif nach den Grenzen des Gesichtsfeldes sich hinziehen sehen, was nicht der Fall ist. Es k\u00f6nnen also auch die vor der Netzhaut ausgebreiteten Fasern des Sehnerven nicht durch objectives Licht reizbar sein.\nDass dagegen die hinteren Schichten der Netzhaut gegen Licht empfindlich sind, geht daraus hervor, dass man den Schatten der Netzhautgef\u00e4sse wahrnehmen kann (\u00a7. 15, S. 156). Die Netzhautgef\u00e4sse liegen in der Schicht der Sehnervenfasern, die feineren zum Tlieil auch noch in-der unmittelbar dahinter liegenden Schicht der Nervenzellen (Taf. I. Fig. 3, 6 und S. 20, No. 6) und in der fein granulirten Schicht (ebenda 5). Aus den Bewegungen des Schattens dieser Get\u00e4sse bei Bewegungen der Lichtquelle haben wir geschlossen, dass die den Schatten empfindende Schicht, die Schicht, in welcher das den Schatten\n1\tA. Hannover, \u00dfidrag til Odets Anatomie. Kj\u00f6bcnliavn. Cap. VI. S. 61.\n2\tGriffin. Contributions tu the physiology of vision, London, Medical Gazette. 1838 Mai, p. 230.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 18.\nbegrenzende Licht Nervenerregung hervorruft, in geringer Entfernung hinter den Gef\u00e4ssen liegen m\u00fcsse. Die Messungen von H. M\u00fcller (S. 162) ergeben, dass die Entfernung der Gef\u00e4sse von der Fl\u00e4che, die ihren Schatten empfindet, zwischen 0,17 und 0,36 Mm. betragen muss. Die Entfernung der Gef\u00e4sse von der hintersten Schicht der Netzhaut, der der St\u00e4bchen und Zapfen ( Taf. I. Fig. S a und b) betr\u00e4gt nach demselben Beobachter 0,2 bis 0,3 Mm., so dass die empfindende Schicht jedenfalls eine der hintersten Schichten der Netzhaut sein muss, d. h. die Schicht der Zapfen und St\u00e4bchen, oder die \u00e4ussere K\u00f6rnerschicht {Taf. 1. Fig. 3 d). Da an der Stelle des deutlichsten Sehens, in der centralen Grube des gelben Flecks nach den Beobachtungen von Remak und Koelliker nur Nervenzellen und Zapfen Vorkommen, so scheinen die letzteren die eigentlich empfindenden Elemente zu sein. H. M\u00fcller und Koelliker sprechen auch die St\u00e4bchen als solche an, weil diese mit \u00e4hnlichen senkrecht durch die Netzhaut verlaufenden Fasern Zusammenh\u00e4ngen wie die Zapfen. Indessen scheint dieser Annahme, wie E. H. Weber bemerkt hat, die Thatsache zu widersprechen, dass an der Stelle des deutlichsten Sehens nur Zapfen Vorkommen, w\u00e4hrend gegen die Peripherie der Netzhaut hin, wo sich immer mehr St\u00e4bchen zwischen die Zapfen einschieben, das Sehverm\u00f6gen immer unvollkommener wird. W\u00e4ren die St\u00e4bchen empfindende Elemente, so m\u00fcsste man im Gegentheil folgern, dass die Empfindlichkeit und die Genauigkeit der Wahrnehmung gr\u00f6sser sein m\u00fcsste, wro die Zahl der St\u00e4bchen gr\u00f6sser ist, weil von diesen mehr auf demselben Fl\u00e4chenraume enthalten sind als von den Zapfen. Der Zusammenhang mit radialen Fasern kann nichts f\u00fcr die nerv\u00f6se Natur der St\u00e4bchen beweisen, da ein grosser Theil der radialen Fasern sich an die Membrana limitons befestigt, und es daher \u00e4usserst wahrscheinlich ist, dass \u00ablies Bindegewebfasern, aber nicht Nervenfasern sind. Indem wir hier davon gesprochen haben, dass die hintere Schicht der Netzhaut und speciell die Zapfen die letzten das Licht empfindenden Elemente des Sehnervenapparats seien, so ist dies nat\u00fcrlich nur in dem Sinne geschehen, dass in diesen Gebilden das \u00e4ussere Licht Ver\u00e4nderungen erregt, welche Nervenerregung und, wenn diese dem Gehirne zugeleitet ist, schliesslich Empfindung zur Folge haben. Wir k\u00f6nnen sogar nicht verkennen, dass die lichtempfindlichen Elemente der Netzhaut, wie wir sie nennen m\u00f6gen, \u00e4hnlich wie man ja auch in der Photographie von einer lichtempfindlichen Fl\u00e4che spricht, sich functioneil eben durch diese Lichtempfindlichkeit von allen anderen Tlieilen des Nervensystems unterscheiden, ebenso wie sie es andererseits durch manche Eigenthiimlichkeiten ihres anatomischen Baues thun. Weiter folgt denn nun auch, dass die Wirkung des Lichts auf die eigentliche Nervensubstanz der Netzhaut und des Sehnerven keine unmittelbare ist, wie die der Elektricit\u00e4t und der mechanischen Eingriffe, wodurch in jeder Nervenfaser an jeder Stelle ihres Verlaufs die Molec\u00fclar-ver\u00e4nderungen eingeleitet werden k\u00f6nnen, welche den Vorgang der Reizung con-stituiren. Die Wirkung des Lichts ist vielmehr eine mittelbare. Direct wirkt das Licht nur auf die besonderen lichtempfindlichen Apparate, die Zapfen. Es fehlen uns freilich noch alle Anhaltepunkte, um zu unterscheiden, welcher Art diese Wirkung ist, und welcher Grad von Aehnliehkeit zwischen ihr und der","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 18.\nKLEINSTE WAHRNEHMBARE BILDER.\n215\nNervenreizung besteht, ob eine Vibration hervorgerufen wird, wie Newton 1, Melloni2 3 4 5, Seebeck 3 und andere Physiker voraussetzten, ob eine Unilagerung der Molecule in der Weise, wie sie die elektromotorischen Molecule der Muskeln und Nerven nach E. du Bois Reymond erleiden, ob eine Erw\u00e4rmung nach Draper\u2019s 4 Ansicht, oder ob diese lichtempfindliche Schicht der Netzhaut etwa ein photochemischer Apparat ist, entsprechend Moser\u2019s 5 Annahme. Erst secund\u00e4r ist die Folge dieser Ver\u00e4nderungen Reizupg derjenigen Nervenfasern, welche mit den Zapfen, auf die das Licht gewirkt hat, Zusammenh\u00e4ngen.\nMit der Gr\u00f6sse der vom Lichte direct affieirten Netzhautelementc h\u00e4ngt auch der Grad der Genauigkeit zusammen, den das Sehen erreichen kann. Das Licht, was auf ein einziges empfindendes Element f\u00e4llt, kann nur eine einzige Lichtempfindung hervorbringen, in der nicht mehr unterschieden wird, ob einzelne Tlieile des Elements stark, andere schwach erleuchtet sind. Es k\u00f6nnen lichte Punkte wahrgenonnnen werden, deren Netzhautbild sehr viel kleiner ist, als ein empfindendes Netzhautelement, vorausgesetzt, dass die Lichtmenge, die von ihnen in das Auge f\u00e4llt, gross genug ist, ein Netzhautelement merklich zu affi-ciren. So werden z. B. die Fixsterne, als Objecte von grosser Lichtst\u00e4rke, trotz ihrer verschwindend kleinen scheinbaren Gr\u00f6sse, vom Auge wahrgenommen. Ebenso k\u00f6nnen auch dunkle Objecte auf hellem Grunde wahrgenommen werden, obgleich ihre Bilder kleiner sind, als ein empfindendes Nervenelement, vorausgesetzt nur, dass die Lichtmenge, welche auf das Element f\u00e4llt, durch das dahin treffende dunkle Bild um einen wahrnehmbaren Theil verringert wird. Kann das Auge z. B. bei der angewendeten Beleuchtungsst\u00e4rke Unterschiede der Lichtintensit\u00e4t von x/60 erkennen, so w\u00fcrde ein dunkles Bildchen, dessen Fl\u00e4cheninhalt y50 von dem eines empfindenden Elements ist, noch wahrgenommen werden k\u00f6nnen. Dagegen ist es klar, dass zwei helle Punkte nur dann als zwei erkannt werden k\u00f6nnen, wenn der Abstand ihrer Bilder gr\u00f6sser ist, als die Breite eines Netzhautelements. W\u00e4re er kleiner, so w\u00fcrden beide Bilder immer auf dasselbe oder auf zwei benachbarte Elemente fallen m\u00fcssen. Im ersteren Falle w\u00fcrden beide nur eine einzige Empfindung erregen, im zweiten Falle zwar zwei Empfindungen, aber in benachbarten Nervenelementen, wobei nicht unterschieden werden k\u00f6nnte, ob zwei gesonderte Lichtpunkte, oder einer da ist, dessen Bild auf die Grenze beider Elemente f\u00e4llt. Erst wenn der Abstand der beiden hellen Bilder, oder wenigstens ihrer Mitte von einander gr\u00f6sser ist, als die Breite eines empfindenden Elements, erst dann k\u00f6nnen die beiden Bilder auf zwei verschiedene Elemente fallen, die sich gegenseitig nicht ber\u00fchren, und zwischen denen ein Element zur\u00fcckbleibt, welches nicht oder wenigstens schw\u00e4cher als die beiden ersten von Licht getroffen wird.\nNach den Angaben von Hooke 6 erscheinen zwei Sterne, deren scheinbare Entfernung weniger als 30 Secunden betr\u00e4gt, stets wie ein Stern, und von\n1\tOptice. Lib. IH. Quacstio XVI,\n2\tPogg. Ann. LVI. 57i.\n3\tEbenda. EXIL 571.\n4\tHuman Physiology, p. 392.\n5\tPogg. Ann. LVI. 177.\nh Smith\u2019s Optik, \u00fcbers, v. Kaestner. S. '20.","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 18.\nHunderten kann kaum einer die beiden Sterne unterscheiden, wenn ihre scheinbare Entfernung weniger als 60 Secunden betr\u00e4gt. Die \u00fcbrigen Beobachter, welche nicht an Sternen, sondern an weisscn beleuchteten Strichen oder Vierecken ihre Beobachtungen angestellt haben, fanden eine etwas geringere Genauigkeit. Es wurden von dem besten, von E. H. Weber untersuchten Auge zwei weisse Striche unterschieden, deren Mittellinien 73 Secunden von einander entfernt waren. Bei st\u00e4rkerer Beleuchtung komme ich selbst unter m\u00f6glichst g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden bis 64 Secunden. In Listing\u2019s schematischem Auge entspricht auf der Netzhaut\nein Gesichtswinkel von\teinem Abstande von\n73\"\n63\"\n60\"\n0,00526 Mm. 0,00464\t\u201e\n0,00438\t\u201e\nNach Koelliker\u2019s Messungen betr\u00e4gt die Dicke der Zapfen im gelben Flecke 0,0045 bis 0,0054 Mm. (siehe S. 22), was fast genau mit den vorigen Zahlen \u00fcberein stimmt, so dass auch durch diese Messungen die Annahme, dass die Zapfen die letzten empfindenden Elemente der Netzhaut bilden, best\u00e4tigt wird.\nGleichzeitig ergiebt sich, dass die optische Beschaffenheit eines gut gebauten und richtig accommodirten Auges vollkommen gen\u00fcgt, um den Grad von Genauigkeit, welchen die Gr\u00f6sse der nerv\u00f6sen Elemente m\u00f6glich macht, auch wirklich zu erreichen. Wir haben freilich (\u00a7. 13, S. 131) gefunden, dass bei einem Durchmesser der Pupille von 4 Mm. der durch Farbenzerstreuung erzeugte Zerstreuungskreis einen Durchmesser von 0,0426 Mm. hat, also fast 10 mal gr\u00f6sser ist, als die Dicke der Zapfen, aber dort auch schon die Gr\u00fcnde angegeben, warum diese Zerstreuungskreise trotz ihrer Gr\u00f6sse das Sehen nicht erheblich beeintr\u00e4chtigen. Die Abweichungen wegen Asymmetrie des Auges (\u00a7. 14, S. 145) sind meist viel geringer, und beeintr\u00e4chtigen das Sehen weniger, wenn nicht gleichzeitig horizontale und verticale Linien gesehen werden sollen.\nAuf den Seitentheilen der Netzhaut ist die Unterscheidungsf\u00e4higkeit viel geringer als im gelben Flecke, und zwar ist die Abnahme in der N\u00e4he des Netzhautcentruin geringer, als in gr\u00f6sserer Entfernung davon. Nach den Messungen von Aubert und F\u00f6rster ist die Abnahme nach verschiedenen Richtungen hin von Centrum aus verschieden schnell, und zwar geschieht sie nach oben und unten am schnellsten, nach der \u00e4usseren Seite der Netzhaut hin am langsamsten; dabei scheinen die individuellen Unterschiede ziemlich bedeutend zu sein. Ein auffallendes Resultat ihrer Messungen ist auch, dass bei der Accommodation f\u00fcr die Ferne die Abnahme nach den Seiten der Netzhaut hin schneller zu geschehen scheint, als beim Nahesehen. Sie fanden, dass eine \u00e4hnliche Abnahme der Genauigkeit der optischen Bilder wenigstens in Kaninchen-augen nach den Seiten der Netzhaut hin nicht stattfindet. Dadurch wird con-statirt, dass die Unvollkommenheit des Sehens auf den seitlichen Netzhauttheilen nur von der Beschaffenheit der Netzhaut, nicht von der der optischen Bilder abh\u00e4ngt.\nAls Object f\u00fcr die Feststellung der kleinsten zu unterscheidenden Distanzen hat Tob. Mayer und nach ihm E. fl. Weber weisse parallele Linien benutzt,","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 18.\nKLEINSTE WAHRNEHMBARE BILDER.\n217\nwelche durch gleich breite schwarze getrennt waren, Volkmann benutzte Spinnwebf\u00e4den auf hellem Grunde, ich selbst fand der Beleuchtung wegen passender ein Gitter von schwarzen Dr\u00e4then zu benutzen, dessen Zwischenr\u00e4ume gleich dem Durchmesser der Dr\u00e4the waren, und welches vor den hellen Himmel gestellt wurde. Ausserdem hat Tob. Mayer auch weisse Vierecke benutzt, theils durch ein schwarzes Gitter getrennt, theils schachbrettartig geordnet.\nMan muss bei der Anstellung der Versuche darauf achten, dass das Auge vollst\u00e4ndig accommodirt werden k\u00f6nne, und wenn man gr\u00f6bere Objecte benutzt, und sich daher weiter entfernen muss, ein passendes Concavglas vor das Auge nehmen. Die Beleuchtung muss stark sein, ohne doch blendend zu werden. Bei diesen Versuchen bemerkte ieh eine auffallende Formver\u00e4nderung der geraden hellen und dunkeln Linien. Die Breite jedes hellen und jedes dunkeln Streifen des von\nmir gebrauchten Gitters betrug \u2014 = 0,4167 Mm. In dem Abstande von 1,1 bis\n2 4\n1,2 Meter fing die Erscheinung an sichtbar zu werden. lias Gitter bekam etwa das Ansehen wie in Fig. 102 A, die weissen Streifen erschienen zum Theil wellenf\u00f6rmig gekr\u00fcmmt, zum Theil perlschnurf\u00f6rmig mit abwechselnd dickeren und d\u00fcnneren Stellen. Es seien in Fig. 102 B die kleinen Sechsecke Querschnitte der Zapfen des gelben Flecks, a, b und c drei optische Bilder von den gesehenen Streifen, j diese sind oberhalb dd in ihrer wirklichen Form dargestellt, unterhalb dd aber sind alle Sechsecke, deren gr\u00f6ssere H\u00e4lfte schwarz war, ganz schwarz gemacht, deren gr\u00f6ssere H\u00e4lfte weiss war, ganz weiss, weil in der Empfindung immer nur die mittlere\tFig. 102.\nHelligkeit jedes Elements wahrgenommen werden kann. Man sieht, dass dadurch in der unteren H\u00e4lfte von Fig. 102 B \u00e4hnliche Muster entstehen, wie in A. Purkinje 1 hat Aehnliches gesehen, und auch Bergmann hat beobachtet, dass zuweilen, ehe die Streifen des Gitters ganz verschwinden, dasselbe schachbrettartig erscheint, zuweilen Streifen in querer Richtung gegen die wirklich vorhandenen gesehen werden, was sich alles durch \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse, wie die hier ber\u00fchrten, erkl\u00e4ren l\u00e4sst2.\nWenn bei den Beobachtungen zwei leuchtende Objecte benutzt worden sind, deren Breite gegen ihren Abstand verschwindet, so k\u00f6nnen sie als zwei nur erkannt werden, wenn zwischen den Netzhautelementen, welche ihre Bilder empfangen, ein anderes zur\u00fcckbleibt, welches dunkel bleibt. Der Durchmesser eines solchen Elements muss also jedenfalls kleiner sein, als der Abstand der beiden hellen Bilder. Ist die Breite der Objecte aber gleich dem dunkeln Streifen zwischen ihnen, so ist es nicht gerade n\u00f6thig, dass die Netzhautelemente schmaler seien, als das Bild des dunkeln Streifens. Ein Netzhautelcment, welches von dem Bilde des dunkeln Streifens getroffen wird, und mit seinen Seitenr\u00e4ndern noch zum Theil in die hellen Streifen hineinragt, wird deshalb doch noch weniger Licht als seine Nachbarn empfinden k\u00f6nnen, vorausgesetzt, dass die ganze Lichtmenge, von der es getroffen wird, kleiner ist, als die der Nachbarn. Wir k\u00f6nnen in solchen F\u00e4llen deshalb mit Gewissheit nur soviel folgern, dass die Netzhautelemcnte kleiner seien als die Entfernung der Mittellinien der hellen Streifen. Auch zeigt sich in der That in den unten angef\u00fchrten Versuchen von Tob. Mayer, dass bei parallelen Linien die Unterscheidbarkeit dieselbe bleibt, wenn sich die Breite des Schwarz oder Weiss \u00e4ndert, aber die Summe der Breite eines schwarzen und eines weissen Streifen\n5 Beobachtungen und Versuche. I. 122.\n2 He.nle und Pfkuffer. Zeitschrift l\u00fcr ration. Medicin. (3.) II. 88,","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN,\n\u00a7. 18.\nconstant bleibt. Deshalb habe ich als Breite des Objects immer die Summe angegeben, welche der Entfernung der Mittellinien zweier benachbarter Objecte gleich ist, abweichend von Mayer und Weber, und danach auch den kleinsten Gesichtswinkel berechnet.\nSS3\n03 3","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 18.\nGENAUIGKEIT DES INDIRECTEN SEHENS.\n219\nDass die Grenze des Erkennens bei meinem eigenen Auge etwas weiter hinausger\u00fcckt ist, als bei den \u00fcbrigen Augen Erwachsener, erkl\u00e4re ich mir durch' die hellere Beleuchtung, welche bei meinem Stabgitter m\u00f6glich war. Das genaueste Auge, von Bergmann beobachtet, war das eines Knaben von 10 Jahren. Ueber den Einfluss der Erleuchtung hat Tob. Mayer Versuche angestellt. Er fand, dass Liniensysteme am besten erkannt wurden bei der Beleuchtung recht hellen Tageslichts, dass Steigerung der Helligkeit nichts n\u00fctzte. Geringere Grade von Helligkeit erzeugte er des Nachts, indem er ein Licht in verschiedenen Entfernungen vor das Papier setzte. Je gr\u00f6sser die Entfernung des Lichts, desto mehr musste er sich n\u00e4hern. W\u00e4hrend das Licht aus '/2 Fuss Entfernung allm\u00e4lig auf 1 3 Fuss gebracht wurde, wuchs der Gesichtswinkel f\u00fcr weisse Streifen mit gleich breiten Zwischenr\u00e4umen (wie oben gerechnet) von 138\" auf 344\", und er bildet sich die empirische Formel, welche seinen Messungen ziemlich gut entspricht s= 158\"-^a, wo s der\n1\nGesichtswinkel und a die Entfernung des Lichtes. Da nun die Helligkeit h \u2014 \u2014\nr ,\t.\t158\"\t\u00b0\nfolgert er weiter s \u2014\nfh\nDie Untersuchungen von Aubert und F\u00f6rster \u00fcber die Genauigkeit des Sehens auf den Seitentheilen der Netzhaut sind nach zwei Methoden ausgef\u00fchrt worden. Bei der ersten Methode blickte der Beobachter durch eine geschw\u00e4rzte R\u00f6hre, welche fest aufgestellt war, dadurch die Stellung seines Auges sicherte und sein Auge vor blendendem Seitenlicht sch\u00fctzte, nach einem mit Buchstaben und Zahlen, die in gleichen Zwischenr\u00e4umen von einander standen, bedruckten Bogen (2 Fuss breit, 5 Fuss lang) hin. Dieser war auf zwei horizontale Walzen aufgerollt, so dass der vorn Beobachter gesehene Theil nach jedem Versuch schnell gewechselt werden konnte. Da die aufgedruckten Buchstaben und Zahlen ferner ganz willk\u00fchrlich durch einander gestellt waren, konnte der Beobachter auch nie andere Zahlen errathen, als die er wirklich gesehen hatte. Vor dem Bogen stand eine Leydener Flasche, welche sich von Zeit zu Zeit entlud, und dadurch den Bogen auf einen Moment erhellte, w\u00e4hrend es in den Zwischenzeiten so dunkel war, dass der Beobachter eben nur den Ort der Buchstaben, aber nicht ihre Form erkennen konnte. W\u00e4hrend ein Gehiilfe den Bogen mit den Buchstaben beliebig stellte, gab der Beobachter nach jeder Beobachtung an, welche Buchstaben er erkannt hatte. Es wurden vier solche Bogen mit Ziffern und Buchstaben von verschiedener Gr\u00f6sse gebraucht. Der Abstand des Beobachters von den Objecten konnte ge\u00e4ndert werden.\nNennen wir mit Aubert den doppelten Winkel zwischen der Gesichtslinie und der Richtungslinie der \u00e4ussersten gesehenen Buchstaben, d. h. also den Gesichtswinkel des mit erkennbaren Zahlen besetzten Raumes, den Raum Winkel, und den Winkel, unter welchem die gr\u00f6ssten Dimensionen der gesehenen Buchstaben und Zahlen dem Beobachter erschienen, den Zahlenwinkel, so ergab sich, dass bei gleicher wirklicher Gr\u00f6sse der Zahlen das Verh\u00e4ltniss des Zahlen winkeis zum Raumwinkel nahehin constant war; nur bei Raumwinkeln \u00fcber 30 oder 40\u00b0 waren die Zahlenwinkel etwas gr\u00f6sser, als diej Verh\u00e4ltniss erforderte. Dagegen fand sich, dass bei constanter scheinbarer Gr\u00f6sse der Zahlen kleine nahe Zahlen besser erkannt wurden als gr\u00f6ssere ferne. Es fand sich n\u00e4mlich die Verh\u00e4ltnisszahl des Raumwinkels dividirt durch den Zahlenwinkel,\nwie folgt :","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u25a0 18.\nWirkliche Gr\u00f6sse der Zahlen in Mm.\tGrenze des Raumwinkels.\tVerh\u00e4ltniss des Zahlenwinkels dividirt durch den Raumwinkel.\t\t\n\t\tMinimum.\tMaximum.\tMittel.\n26\t25\u00b0\t7\t7,9\t7,18\n26\t40\t6\t7,3\t6,69\n13\t27\t1 1\t12\t11,14\n7\t27\t9,7\t14,5\t12,79\nIn der zweiten Columne ist als Grenze des Raumwinkels derjenige Werth desselben angegeben, bis zu welchem die Messung ging, oder wenigstens nahehin constante Verh\u00e4ltnisszahlen lieferte. Die letzte Columne zeigt, dass das Ver-h\u00e4ltniss zwischen Zahlenwinkel und Raumwinkel steigt, wenn die wirkliche Gr\u00f6sse der Zahlen sich verkleinert. Dieses letztere Factum ist sehr r\u00e4thselhaft. Sollte der Mechanismus der Accommodation die peripherischen Theile der Netzhaut ver\u00e4ndern?\tAubert\tmacht\tdie\tAnnahme,\tdass\tdie St\u00e4bchen\tbeim Fernsehen in\tden\nRandtheileu\tder\tNetzhaut\tsich\tschief\tstellen\tund\tdadurch\tden normalen Gang\tder\nLichtstrahlen hemmen.\nDie\tzweite\tMethode\tder\tUntersuchung\twurde mittels des in\tFig. -105 abgebildeten\tApparats\tbei\tgew\u00f6hnlichem\tTageslichte ausgef\u00fchrt. A\tist ein weiss\nlackirter\tBlechstreifen von\t0,3\nMeter L\u00e4nge und 0,05 Meter Breite, welcher\tnach Art der\nFl\u00fcgel einer Windm\u00fchle um die Axe u gedreht\twerden kann.\nDer Blechstreifen\tmit seiner Axe\nl\u00e4sst sich an einer verticalen Stahlstange B auf- und abschieben, welche auf einem Brettchen C befestigt ist. Am anderen Ende des Brettchens, gegen\u00fcber\tder\nAxe des Blechstreifens, be\u00fcndet sich das eine Auge des Beobachters, w\u00e4hrend sein anderes Auge durch den schwarzen Papierschirm D verdeckt ist, welcher an einem Holzstabe d so befestigt ist, dass er nach links und rechts gedreht werden kann. Die Axe des Blechstreifens ist 0,2 M. von dem Mittelpunkte der Grundlinie beider Augen des Beobachters entfernt. Das Brettchen C hat unten eine Handhabe.\nBei den Versuchen legte der Beobachter die Nase au den Holzstab d, verdeckte mit dem Schirm das eine Auge, st\u00fctzte sein Kinn auf das Brett vor dem Schirm und stellte die Axe der Blechtafel in gleiche H\u00f6he mit den Augen. Nun fixirte er den Mittelpunkt der Tafel (oder die Spitze ihrer Axe) unverwandt, und schob allm\u00e4lig von der Seite her in den Falzen der Blechtafel eine weisse Karte (6) mit 2 Punkten nach dem fixirten Punkte hin. Sobald er, bei ununterbrochen fester Fixation, mit den seitlichen Theilen der Retina die zwei Punkte unterschied, hielt er die Karte fest und las die Entfernung der beiden Punkte von dem Fixationspunkte an einer Metcreintheilung, welche sich an den Falzen der Blcchtafel befand, ab, und dies wurde f\u00fcr verschiedene Neigungen der Blechtafel gegen den Horizont\nFig. -105.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. -IS.\nGESCHICHTE DES BLINDEN FLECKS.\n221\nausgef\u00fchrt. Die schwarzen Flecke auf der Karte waren rund, von verschiedener Gr\u00f6sse und verschiedenem gegenseitigen Abstande. Beide Punkte standen immer gleich weit von der Drehungsaxe ab\nDie Fig. I 04 stellt die Resultate dieser Messungen f\u00fcr ein Paar schwarze Flecke von 2,5 Mm. Durchmesser und 14,5 Mm. gegenseitigen Abstand dar.\nDie ausgezogene Grenzlinie bezieht sich auf Aubert\u2019s, die punktirte auf F\u00f6rster\u2019s Augen. Der\tFill-\tto4.\nSchnittpunkt der Radii vectores entspricht dem Fixationspunkte der Augen, die gezogenen Radii vectores selbst entsprechen den einzelnen Messungen und ihrer Richtung nach den verschiedenen Stellungen der Blechtafel. 0 bedeutet oben, U unten, A aussen, d. h. Schl\u00e4fenseite, I innen oder Nasenseite. Die Linie ab bezeichnet die entsprechende Entfernung des Auges von der Blechtafel, welche 0,2 Meter betrug. Alle Lineardimensionen sind auf ]/5 reducirt L Es stellen also diese Fl\u00e4chen zun\u00e4chst diejenigen Theile des Gesichtsfeldes dar, innerhalb deren man zwei Punkte von der angegebenen Gr\u00f6sse und Entfernung von' einander unterscheiden kann; will man die entsprechenden Fl\u00e4chen der Netzhaut haben, so muss man sie umkehren. Die unregelm\u00e4ssig ovale Gestalt dieser Fl\u00e4chen zeigt betr\u00e4chtliche individuelle Abweichungen selbst zwischen den beiden Augen derselben Person.\nDie mittleren Resultate der Messungen an verschiedenen Paaren von schwarzen Flecken sind in Fig. 103 dargestellt. Der Fixationspunkt ist a und -ab, ac sind die Mittel s\u00e4mmtlicher Entfernungen, welche bei allen vier Augen in je 8 verschiedenen Meridianen f\u00fcr das bez\u00fcglich bei 6, c u. s. w. stehende Paar von Punkten an der Blechtafel eingestellt wurden. Bei c ist das Paar von Punkten, auf welche sich Fig. 10i bezieht. Man sicht, dass in gr\u00f6sserer Entfernung die Breite des Objects schneller\nzunehmen muss, als bei kleineren Entfernungen.\nsind folgende:\nDie gefundenen Mittelzahlen selbst\nEntfernung der Punkte in Mm.\tDurchmesser der Punkte in Mm.\tMittlerer Abstand vom Centrum der Blechtafel in Mm.\n3,25\t1,25\t31\n6,5\t2,5\t50\n9,5\t3,75\t55\n12\t1,25\t60\n1 4,5\t2,5\t65\n20,5\t3,75\t77\nBei diesen Versuchen fanden die beiden Beobachter \u00fcbrigens auch \u00f6fters unempfindliche Stellen der Netzhaut, gleichsam kleine blinde Flecke, wo einer der Punkte\n1 Die Angabe Aubert\u2019s, dass sie auf y4 reducirt seien, passt nicht zu den angegebenen Zahlen.","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 18.\noder beide pl\u00f6tzlich verschwanden. Ausser solchen Stellen, wo nur eine vor\u00fcbergehende Blendung stattzufinden schien, waren auch constante vorhanden, die immer wieder zu finden sind.\nDie Erscheinungen des blinden Flecks wurden von Mabiotte entdeckt, der mit der Absicht an diese Versuche ging, zu untersuchen, welcher Art das Sehen auf der Eintrittsstelle des Sehnerven sei. Der Versuch erregte damals solches Aufsehen, dass er ihn 1668 vor dem K\u00f6nige von England wiederholte. Picard gab dem Versuche eine Form, bei der man beide Augen offen halten kann, und doch eine Sache nicht sieht. Zu dem Ende befestigte er an einer Wand ein Papier, stellte sich in die Entfernung von etwa 10 Fuss davon, und liess die Augen nach dem nah vor das Gesicht gehaltenen Finger convergiren, so dass in beiden Augen das Bild auf den-blinden Fleck f\u00e4llt, und deshalb gar nicht gesehen wird, w\u00e4hrend es sonst unter diesen Umst\u00e4nden doppelt erscheint. Mariotte \u00fcberbot ihn, indem er bei zwei offenen Augen zwei Objecte verschwinden liess. Man befestigt an der Wand zwei Papiere gleich hoch, drei Fuss von einander, stellt sich 42 bis 43 Fuss von der Wand entfernt, h\u00e4lt den Daumen etwa 8 Zoll weit vom Auge, so dass er dem rechten Auge das linke Papier, dem linken Auge das rechte Papier verdeckt, und fixirt den Daumen, dann verschwinden auch die beiden Papiere, weil sie in demjenigen Ange, dem sie nicht verdeckt sind, auf den blinden Fleck fallen. Le Cat versuchte auch schon die Gr\u00f6sse des blinden Flecks auf der Netzhaut zu berechnen, wobei er ihn freilich viel zu klein, n\u00e4mlich % bis % Linie fand. Daniel Bernouilli zeichnete seine Form auf den Fussboden, indem er eine M\u00fcnze auf den Fussboden eines Zimmers legte, ein Pendel nahm, dessen eines Ende er an das rechte Auge hielt, und das andere den Boden fast ber\u00fchren liess. Das linke Auge verschloss er, mit dem rechten sah er am Pendel herunter, und suchte nun die Stellen auf dem Fussboden auf, wo die M\u00fcnze anfing unsichtbar zu werden; er fand eine fast elliptische Figur. Die Berechnung der Gr\u00f6sse des blinden Flecks auf der Netzhaut lieferte ihm aber wegen ungen\u00fcgender Kenntniss der optischen Constanten des Auges einen zu hohen Betrag, n\u00e4mlich V7 des Augendurchmessers.\nEs kn\u00fcpfte sich an die Entdeckung von Mariotte sogleich eine weitl\u00e4ufige Discussion \u00fcber eine Frage, die bei den damaligen geringen Kenntnissen der Nerveuleistungen nat\u00fcrlich gleich entstehen musste, n\u00e4mlich die Frage, ob denn \u00fcberhaupt die Netzhaut es sei, wie Keppi.er und Sciieiner vorausgesetzt hatten, welche das Licht empf\u00e4nde. Mariotte schloss, dass es vielmehr die Aderhaut sei, denn diese fehlt im blinden Flecke, w\u00e4hrend die Fasern der Netzhaut dort gerade recht dicht zusammenliegen, ln. der That schlossen sicli eine Reihe namhafter Optiker der Meinung von Mariotte an, wie Mery, Le Cat, Michell , unter den Neueren D. Brewster. Es wurde namentlich hervorgehoben, dass die Netzhaut das Licht wegen ihrer Durchsichtigkeit nicht zur\u00fcckhalte, dass sie zu dick sei, um ein scharfes Bild zu geben; auch suchte Le Cat nachzuweisen, dass die Aderbaut eine Fortsetzung der Pia Mater des Gehirns sei. Die Lichtempfindlichkeit der Netzhaut wurde vertheidigt durch Pecquet, de la Hire, Haller, Porterfield, Perrault, Zinn. Der Hauptgrund f\u00fcr die Meinung dieser M\u00e4nner war eigentlich immer nur, dass die Netzhaut die anatomische Entfaltung eines m\u00e4chtigen Nerven ist, w\u00e4hrend die Aderhaut nur wenige d\u00fcnne Nerven enth\u00e4lt. Was sie sonst von Gr\u00fcnden beibringen konuten, um ihre Meinung zu st\u00fctzen und die Schwierigkeiten des MARioTTE\u2019schen Versuchs zu beseitigen, war nicht viel werth. Porterfield nahm an, dass der Sehnerv, an seiner Eintrittsstelle noch von den sehnigen Nervenscheiden umgeben und durchzogen, nicht weich und zart genug sei, um ein so feines Agens, wie das Licht sei, zu empfinden. Haller hebt ebenfalls hervor, dass an der Eintrittsstelle des Sehnerven keine eigentliche Netzhaut vorhanden sei, sondern eine weisse cellulose und por\u00f6se Haut, die zum Sehen untauglich sein k\u00f6nne, ohne dass die Netzhaut es sei. Andere, wfie Rudolphi, anfangs auch Coccius, glaubten, dass die unempfindliche Stelle nur den Centralgef\u00e4ssen des Sehnerven entspr\u00e4che, was aber widerlegt wurde, sobald man die optischen Constanten des Auges besser kennen lernte, z. B. durch Hannover, E. H. Weber, A. Fick und P. du Bois Reymond. J. M\u00fcller glaubte die Erscheinung durch die Annahme erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen, dass die MARioTTE\u2019sche Erscheinung analog sei dem Verschwinden der Bilder gef\u00e4rbter Objecte, die auf weissem Grunde liegen,","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 18.\nGESCHICHTE DES BLINDEN FLECKS.\n223\nauf den Seitentlieilen der Netzhaut, worauf wir in \u00a7. 23 zur\u00fcckkommen werden. Es geschieht dies durch Erm\u00fcdung der Netzhaut. Auf der Eintrittsstelle des Sehnerven, meinte er, geschehe es nur sehr viel schneller und pl\u00f6tzlicher. Dagegen ist einzuwenden, dass ein helles Object, welches in dem ungesehenen Raume des Gesichtsfeldes pl\u00f6tzlich auftaucht, gar nicht wahrgenommen wird, also auch die Sehsinnsubstanz gar nicht reizt, also auch nicht erm\u00fcden kann.\nDie oben gegebenen nothwendigen Folgerungen aus den Thatsachen stellte Referent im Jahre 1831 auf, und dehnte den Schluss, dass das objective Licht unf\u00e4hig sei, die Sehnervenfasern zu afficiren, auch gleich auf die an der vorderen Fl\u00e4che der Netzhaut verlaufenden Fasern aus. Da ein anatomischer Zusammenhang der St\u00e4bchenschicht mit den Nervenelementeu der Netzhaut damals noch nicht bekannt war, so blieb nur die Annahme, dass die Nervenzellen oder K\u00f6rner der Netzhaut die lichtempfindlichen Elemente seien. Bald darauf entdeckte H. M\u00fcller die Radialfasern der Netzhaut, welche die Zapfen und St\u00e4bchen mit den Elementen verbinden, Koelliker wies dieselben am Menschen nach, und beide schlossen daran die Vermuthung, dass die Elemente der St\u00e4bchenschicht die lichtempfindlichen seien, f\u00fcr welche schliesslich von H. M\u00fcller auch der physiologische Beweis gegeben wurde. Dieselbe Ansicht war \u00fcbrigens, freilich ohne gen\u00fcgende Kenntniss der mikroskopischen Elemente, fr\u00fcher von Treviranus aufgestellt worden, der die lichtempfindlichen Elemente Nerven-, papillen nannte\u00ab\nDie Genauigkeit des Sehens hat man viel untersucht seit der Zeit, wo man anfing Teleskope zu bauen. Hooke wendete gleich zuerst das richtige Princip an, indem er untersuchte, hei welchem Winkelabstande Doppelsterne als solche erkannt werden k\u00f6nnen. Die meisten folgenden Beobachter dagegen suchten nach der kleinsten Gr\u00f6sse eines schwarzen Flecks, der noch erkannt werden k\u00f6nnte, und erhielten nat\u00fcrlich sehr abweichende Resultate, so Hevelius, Smith. Jdrin. Tob. Mayer, Codrtivrow, Muncke, Treviranus. Den Einfluss der Erleuchtung bei diesen Versuchen erkannten Jurin und Mayer. Ersterer glaubte die Thatsache, dass zwei Striche von einander zu trennen, erst bei einem gr\u00f6sseren Sehwinkel m\u00f6glich sei, als jeden einzelnen von ihnen zu erkennen, daraus zu erkl\u00e4ren, dass das Auge zitterte und deshalb die Bilder zweier St\u00e4be sich deckten. Die Gr\u00fcnde, warum nur die Trennung distincter Objecte ein constantes Maass geben kann, entwickelte Volkmann, und nach dieser Methode wurden Messungen von E. H. Weber, Bergmann, Mari\u00e9 Davy ausgef\u00fchrt.\nBlinder Fleck und Ort der lichtempfindlichen Schicht.\n1668. Mariotte. Oeuvres, p. 496 \u2014 516: ferner in Mein, de l\u2019Acad. de Paris 166!)\net 1682. Phil. Transact. II. 668. Acta Eruditorum 1683. p. 68.\n1670. Pecquet. Phil. Transact. XIII. 171.\nPerrault ibid. XIII. 265.\n1694. De la Hire. Accidens de la vue.\n1704.\tMery. Hist, de l\u2019Acad. de Paris.\t1704.\n1709.\tDe la Hire ibid. 1709. p. 119.\t1711. p. 102.\n1728.\tD. Bernouilli. Comment. Petropol. vet. T.\t1.\tp.\t314.\n1738.\tSmith. Optics. Cambridge 1738.\tRemarks,\tp.\t6.\t(Deutsche Ausgabe 367.)\n1740. Le Cat. Traite des sens. Rouen, p. 171, 17,, \u2014180.\n1755.\tZinn. Descriptio oculi humani. p.\t37.\n1757.\tHaller. Physiologia. T. V. p.\t357, 474.\n1759. Porterfield. On the eye. II. 252, 254.\n1772. Michell in Priestley. Geschichte der Optik. 4. Per. 5. Abtli. 2. Cap. (Deutsche Ausgabe. S. 1 49. )\n1819. Purkinje. Beobachtungen und Versuche. I. 70 und 83.\n1835. D. Brewster. Pogg. Ann. XXIX. 339.\nG. R. Treviranus. Beitr\u00e4ge zur Aufkl\u00e4rung der Erscheinungen und Gesetze des organ. Lebens. Bremen.\n1838. Griffin. Contributions to the physiology of vision. London medical gazette. 1838 Mai. p. 230.\n1840.\t,1. M\u00fcller. Handbuch der Physiologie. II. 370.\n1844. Valentin. Lehrbuch der Physiologie. I. Ausgabe II. 444.","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 19.\n1846. Volkmann. Art.: Sehen in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch der Physiol. III. 272.\n1850.\tA. Hannover. Bidrag til Odets Anatomie, Physiologie og Pathologie. Kj\u00f6benhavn. Cap. VI. p. 61.\n1851.\tHelmholtz. Beschreibung eines Augenspiegels. Berlin. S. 39.\n1852.\tE. H. Weber, lieber den Raumsinn und die Empfindungskreise in der Haut und im Auge. Verhandl. der Leipz. Gesellsch. 1852. S. 138.\nA. Koelliker zur Anatomie und Physiologie der Retina. Verhandl. d. phys. med. Ges. zu Wiirzburg. 3. Juli 1852.\nDonders. Onderzoekingen gedaan in het physiol. Lahor, d. Utrechtsche Hooge-school. VI. 134.\n1853.\tD. Brewster. Account of a case of vision without retina. Report of the Brittish Assoc, at Belfast, p. 3.\nA. Fick und P. du Bois Reymond. Ueber die unempfindliche Stelle der Netzhaut im menschlichen Auge. J. M\u00fcller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. 1853. p. 396. Coccius. Die Anwendung des Augenspiegels. Leipzig. S. 20.\n1855.\tH. M\u00fcller. Verhandl. d. phys. med. Ges. zu W\u00fcrzburg. IV. 100. V. 411\u2014446.\n1856.\t\u2018Derselbe. Anatomisch physiolog. Untersuchungen \u00fcber die Retina hei Menschen\nund Thieren. Siebold und K\u00f6lliler\u2019s Zeitschr. f\u00fcr wissensch. Zoologie. VIII. 1\u2014122.\n1857.\tAubert und F\u00f6rster. Ueber den blinden Fleck und die scharfsehende Stelle im Auge. Berliner allg. med. Centralzeitung. 1857. No. 33. S. 259. 260.\n1859. Coccius \u00fcber Glaukom, Entz\u00fcndung und die Autopsie mit dem Augenspiegel. Leipzig. S. 40 und 52.\nGenauigkeit des Sehens.\n1705. Hooke posthumous works, p. 12, 97.\n1738. Smith. Optics. I. 31. (Uebersetzung S. 29.)\nJurin ibid. Essay on distinct and indist. vision, p. 149.\n1752. Courtiyron. Hist, de l\u2019Acad, de Paris, p. 200.\n1754. Toe. Mayer. Comment. Gotting. IV. 97 und 135.\n1759. Porterfield. On the eye. II. 58.\n1824. Amici in: Ferussac bull. sc. ma'th. 1824. p. 221.\n1829.\tLehot ibidem XII. 417.\n1830.\tHolke. Disquis. de acie oculi dextri et sinistri. Lipsiae.\n1831.\tEhrenberg in .Pogg. Ann. XXIV. 36.\n1840.\tHueck in J. M\u00fcller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. 1840. S. 82.\n,1. M\u00fcller. Handbuch der Physiologie. II. 82.\n1841.\tBurow. Beitr\u00e4ge zur Physiologie und Physik des menschlichen Auges. Berlin. S. 38. 1846. Volkmann. Art.: Sehen in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch d. Physiol. III. 331, 335.\n1849.\tMari\u00e9 Davy. Institut. No. 790. p. 59.\n1850.\tW. Petrie. Institut. N. 886. p. 415.\n1852. E. H. Weber. Verhandl. der s\u00e4clis. Ges. 1852. S. 145.\n1857. Bergmann in Henle und Pfeuffer, Zeitschr. f\u00fcr rat. Med. (3.) II. 88.\nAubert und F\u00f6rster in Graefe, Archiv f\u00fcr Ophthalmologie III. Abth. 2. S. 1.\n\u00a7. \\ 9. Die einfachen Farben.\nWir gehen jetzt \u00fcber zur Untersuchung der Empfindungen, welche verschiedenartiges Licht im Sehnervenapparat erregt. Es giebt, wie wir schon im \u00a7. 8 auseinandergesetzt haben, Licht von verschiedener Schwingungsdauer, welches sich ausserdem in physikalischer Beziehung durch seine Wellenl\u00e4nge, seine Brechbarkeit und Absorptionsf\u00e4higkeit in gef\u00e4rbten Mitteln unterscheidet. In physiologischer Beziehung unterscheidet sich Licht von verschiedener Schwingungsdauer im Allgemeinen dadurch, dass es im Auge die Empfindung verschiedener Farben erregt.\nAlle Lichtquellen, welche wir kennen, entsenden gleichzeitig Licht von verschiedener Schwingungsdauer. Um aus solchem gemischten Lichte einfaches","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 19-\nDAS S\u00d6NNENSPECTRUM.\n225\nLicht, (1. h. Licht von einem einzigen Werthe der Schwingungsdauer auszusondern. ist die Brechung in durchsichtigen Prismen das vollkommenste Mittel. Wenn von einer entfernten Lichtquelle a (Fig. 106) einfaches blaues Licht durch ein Prisma P in das Auge des Beobachters 0 f\u00e4llt, so werden die Lichtstrahlen im Prisma gebrochen, von ihrem fr\u00fcheren Wege abgelenkt, und der Beobachter erblickt daher das Bild der Lichtquelle verschoben in der Richtung, nach welcher der brechende Winkel p des Prisma gekehrt ist, etwa bei b, nat\u00fcrlich in der Farbe des Lichts, welches lj von a ausgegangen ist, hier also blau.\tFig- 106'\nF\u00e4llt einfaches Licht anderer Brechbarkeit, etwa rothes, von a durch das Prisma in das Auge des Beobachters, so sieht er wieder ein Bild der Lichtquelle,\njetzt roth, und weniger weit verschoben, als das blaue war, etwa bei r. Geht gleichzeitig rothes und blaues Licht von a aus, so sieht der Beobachter auch gleichzeitig das rothe Bild bei r und das blaue Bild bei b. Und geht endlich weisses Licht von a aus, welches sowohl rothes, als blaues, als auch Licht von allen anderen Stufen der Brechbarkeit enth\u00e4lt, so entspricht jeder einzelnen Farbe ein besonderes Bild der Lichtquelle, und zwar so, dass die Bilder dazwischen roth und blau liegenden Farben sich nach der Ordnung ihrer Brechbarkeit zwischen r und b einreihen. Sind sehr viele solche farbige Bilder zwischen r und b eingeschoben, und hat jedes eine gewisse Breite, die der Breite des leuchtenden Objects bei a nahehin gleich ist, so wird jedes einzelne farbige Bild einen Theil seiner Nachbarbilder verdecken. Auch ist leicht einzu-sehen, dass es desto weniger die Nachbarbilder decken und sich mit ihnen vermischen wird, je schmaler das leuchtende Object ist, und je schmaler daher auch jedes einzelne farbige Bild wird, verglichen mit der ganzen L\u00e4nge des Spectrum rb. Wenn in dem von der Lichtquelle ausgehenden Lichte Strahlen von allen continuirlich in einander \u00fcbergehenden Stufen der Brechbarkeit Vorkommen, kann man zwar nicht vollst\u00e4ndig verhindern, dass die n\u00e4chst benachbarten Bilder der Lichtquelle sich decken, aber man kann die Lichtquelle und ihre Bilder so schmal machen, dass sich nur noch solche Bilder decken, welche Farben angeh\u00f6ren, f\u00fcr welche die Unterschiede der Brechbarkeit verschwindend klein sind.\nWenn die Lichtquelle ein sehr feiner Spalt ist, durch den zusammengesetztes Licht f\u00e4llt, so bildet jeder einzelne Punkt des Spaltes nach der eben gemachten Auseinandersetzung ein linienf\u00f6rmiges Spectrum. Das prismatische Bild des ganzen Spaltes erscheint demnach dem Beobachter als ein farbiges Rechteck, dessen der Lichtquelle zugekehrtes Ende roth, das entgegengesetzte violett ist. Dazwischen finden sich allm\u00e4lig in einander \u00fcbergehend eine Reihe anderer Farben, n\u00e4mlich, vom Roth anfangend, zun\u00e4chst Orange, dann Gelb, Gr\u00fcn, Blau, endlich Violett. Man nennt ein solches durch das Prisma mit getrennten Farben entworfenes Bild einer Lichtlinie ein prismatisches Spectrum, und\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. io.\nzwar ist es, nach der bisher beschriebenen Beobachtungsweise entworfen, ein subjectives Spectrum, da es nur einem virtuellen Bilde der Lichtquelle entspricht. Man kann es aber auch zu einem reellen Bilde machen, indem man hinter das Prisma da, wo sich bisher das Auge des Beobachters befand, eine Sammellinse aufstellt, welche die durch das Prisma gebrochenen Lichtstrahlen zu einem reellen Bilde von rb in oder hinter ihrem Brennpunkte vereinigt. So erh\u00e4lt man ein objectives Spectrum. Ein solches wird schon bei der ersten Beobachtungsweise auf der Netzhaut des Beobachters entworfen. Wenn das von der Lichtquelle ausgehende Licht alle continuirlicli in einander \u00fcbergehenden Grade der Brechbarkeit darbietet, ist, wie wir gesehen haben, auch das Spectrum eine continuirlich beleuchtete Fl\u00e4che. Wenn aber von der Lichtquelle nur Licht von bestimmten einzelnen Werthen der Brechbarkeit ausgeht, so kann das Spectrum auch nur so viele einzelne verschiedenfarbige Bilder der Lichtquelle enthalten, als Grade der Brechbarkeit unter den Strahlen Vorkommen, und man wird dann die Lichtquelle und ihre Bilder so schmal machen k\u00f6nnen, dass das jeder Farbe augeh\u00f6rige Bild von seinen Nachbarn durch einen dunkeln Zwischenraum getrennt ist. So haben wir vorher angenommen, dass nur rothes und blaues Licht in dem Lichte des Punktes a Fig. 106 vork\u00e4me, und gesehen, dass dann bei b ein blaues Bild, bei r ein rothes -erscheint, beide durch den dunkeln Zwischenraum br von einander getrennt. Dasselbe ist nat\u00fcrlich der Fall, wenn nicht zwei, sondern zehn oder hundert oder tausend verschiedene Arten einfachen Lichtes in dem Lichte von a Vorkommen.\nVon dieser Art ist die Zusammensetzung des Sonnenlichts. Wenn wir ein m\u00f6glichst vollkommenes Spectrum des Sonnenlichts hersteilen, finden wir es von einer grossen Zahl dunkler Linien getheilt, den F\u00fcAuvimFce'sclien Linien, aus deren Vorhandensein wir schliessen m\u00fcssen, dass gewisse Stufen der Brechbarkeit unter den Strahlen des Sonnenlichts nicht Vorkommen. Je vollkommener die Trennung der Farben im Spectrum ist, desto gr\u00f6sser ist auch die Zahl der dunkeln Linien. Die st\u00e4rksten von ihnen sind von Fraunhofer und von Stokes mit Buchstaben bezeichnet worden, weil sie ein ausserordentlich sicheres und bequemes Mittel abgeben, im Spectrum Strahlen von genau bestimmten Werthen der Schwingungsdauer und Brechbarkeit immer wieder zu finden, und wir werden uns deshalb im Folgenden auch dieser Bezeichnung bedienen, so oft es darauf ankommt, die Art einer Farbe genau zu bestimmen. Auf Tuf. V. Fig. 1 ist das Sonnenspectrum mit seinen dunkeln Linien abgebildet. Da die einzelnen Theile des Spectrums bei Prismen aus verschiedenen Stoffen verschiedenes L\u00e4ngenverh\u00e4ltniss haben, und wieder ein ganz anderes Verh\u00e4ltniss in den durch Diffraction erzeugten Spectren, wo die Vertheilung der Farben nur von ihrer Wellenl\u00e4nge abh\u00e4ngt, so ist die Vertheilung der Farben in einer solchen Zeichnung bis zu einem gewissen Grade willkiihrlich. In unserer Abbildung ist die Anordnung, wie es f\u00fcr die physiologischen Betrachtungen am wichtigsten schien, nach dem Principe der musikalischen Scale getroffen, so dass Farben, deren Wellenl\u00e4ngen sich zu einander verhalten wie die zweier um ein halbes Tonintervall verschiedener T\u00f6ne, \u00fcberall gleich weit von einander entfernt sind. Mathematisch ausgedr\u00fcckt, entsprechen also gleiche Distanzen in der Zeichnung","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\nFARBENNAMEN.\n227\ngleichen Unterschieden der Logarithmen der Schwingungsdauer. Die Ziffern auf der einen Seite bezeichnen die Anzahl der halben Tonintervalle, die Buchstaben auf der anderen bezeichnen die Namen der st\u00e4rkeren dunkeln Linien, wie sie von Fraunhofer und Stokes gew\u00e4hlt worden sind.\nDa in der Benennung der verschiedenen Farben einige Unsicherheit herrscht, wollen wir f\u00fcr das vorliegende Werk folgendes dar\u00fcber festsetzen:\nRoth nenne ich die Farbe des weniger brechbaren Endes des Spectrum, welche von der \u00e4ussersten Grenze desselben bis etwa zur Linie C keine merkliche Aenderung des Farbentons zeigt. Der Repr\u00e4sentant unter den Farbstoffen ist etwa der Zinnober. Von ihm zu unterscheiden ist das Purpurroth, welches in seinen weisslicheren Abstufungen Rosenroth wird und dem reinen Roth gegen\u00fcber bl\u00e4ulich erscheint. Dieser Farbenton, f\u00fcr dessen ges\u00e4ttigteste Abstufung wir den Namen Purpur bewahren wollen, w\u00e4hrend die r\u00f6thlicheren Abstufungen desselben Karminroth heissen m\u00f6gen, kommt im Spectrum nicht vor, sondern kann nur durch Mischung seiner \u00e4ussersten Farben, des Roth und Violett, hervorgebracht werden.\nVon der Linie C bis zur Linie D geht das Roth \u00fcber durch Orange, d. h. Gelbroth mit \u00fcberwiegendem Roth, in Goldgelb, d. h. Gelbroth mit \u00fcberwiegendem Gelb. Ersterem entspricht unter den metallischen Farbstoffen etwa die Mennige, letzterem die Bleigl\u00e4tte (Bleioxyd).\nVon D bis zur Linie b hin finden wir sehr schnelle Farben\u00fcberg\u00e4nge. Zun\u00e4chst folgt ein sehr schmaler Strich reinen Gelbs, welcher etwa dreimal so weit von E als von D absteht. Dann folgt Gr\u00fcngelb und zwischen E und b reines Gr\u00fcn. F\u00fcr das reine Gelb und Gr\u00fcn haben wir zwei sehr gute Repr\u00e4sentanten unter den Malerfarben, n\u00e4mlich f\u00fcr ersteres das fein niedergeschlagene, hellere chromsaure Bleioxyd (Chromgelb) und f\u00fcr das letztere das arsenigsaure Kupferoxyd (ScHEEi/sches Gr\u00fcn).\nZwischen E und F geht das Gr\u00fcn durch Blaugr\u00fcn in Blau \u00fcber, zwischen F und G folgen verschiedene T\u00f6ne des Blau. Wegen der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig grossen Breite der blauen T\u00f6ne in dem durch Brechung erzeugten Spectrum des Sonnenlichts hat Newton hier verschiedene Namen angewendet, englisch: blue und indico, lateinisch der Reihe nach thalassinum, cyaneum. coeruleum,, indicum, worauf dann Violett, violaceum, folgt. Wir k\u00f6nnen den Namen Indig-blau beibehalten f\u00fcr die nach G hinliegenden zwei Drittlieile des Raumes FG. F\u00fcr das weniger brechbare Blau des ersten Drittels von F G hat man bisher meist einfach den Namen Blau angewendet, auch wohl unrichtig Himmelblau, aber die Aehnlichkeit mit dem Himmelblau bek\u00f6mmt dieses Blau in einem Spectrum von bequemer Helligkeit nur durch die gr\u00f6ssere Lichtst\u00e4rke, w\u00e4hrend das Indigblau, dem der Farbenton des blauen Himmels angeh\u00f6rt, in einem solchen Spectrum f\u00fcr diesen Vergleich zu dunkel erscheint. Da nun der gemeine Sprachgebrauch den reinen Himmel als den Hauptrepr\u00e4sentanten des Blau betrachtet, und ihm den Namen des Blau bewahrt, wenn er es mit weniger brechbarem Blau vergleicht, und letzteres hei einem solchen Vergleiche als gr\u00fcnlich bezeichnet, so k\u00f6nnen wir im wissenschaftlichen Sprachgebrauche nicht wohl das letztere einfach als Blau im Gegensatz zum Indigblau bezeichnen, und ich habe deshalb den Namen Cyanblau\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 19.\ndaf\u00fcr gew\u00e4hlt mit R\u00fccksicht auf die Bezeichnung cyanemn bei Newton f\u00fcr die gr\u00fcnlich blauen T\u00f6ne des Spectrum. Zur Bezeichnung des Farbentons allein w\u00fcrde auch der Namen Wasserblau gut passen, denn grosse Massen sehr reinen Wassers (Genfer See, Gletschereis) zeigen in ihrem Innern in der That diese Farbe. Hat man z. B. l\u00e4ngere Zeit in das Wasser des Genfer Sees an einem hellen Tage geblickt, und sieht zum Himmel auf, so erscheint dieser im Contrast violett, oder selbst rosaroth. Da indessen die Farbe der gew\u00f6hnlich gesehenen Wassermassen sehr weisslich ist, mit Ausnahme etwa tiefer Eisspalten, so ziehe ich vor, den Namen Wasserblau nur f\u00fcr die weisslichen Abstufungen des Cyanblau anzuwenden. Unter den Farbstoffen entspricht das Berliner Blau (Eisencyan\u00fcrcyanid) dem Cyanblau, das Ultramarin dem Indigblau.\nJenseits der Linie G bis nach H oder L folgt Violett (Farbe der Veilchen): es ist von manchen Schriftstellern auch Purpur genannt worden. Violett und Purpur bilden den Uebergang der Farbent\u00f6ne von Blau und Roth. Wir wollen, wie gesagt, den Namen Purpur nur auf die r\u00f6thlicheren Farbent\u00f6ne dieses Uebergangs anwenden, welche im Spectrum nicht Vorkommen.\nSchliesslich folgt als Ende des Spectrum auf der brechbarsten Seite das Ultraviolett. Dieser Theil von L bis zum Ende bei R kann nur gesehen werden, wenn die bisher beschriebenen helleren Theile des Spectrum sehr sorgf\u00e4ltig abgeblendet sind. Die Anwesenheit von Lichtstrahlen besonderer Art an dieser Stelle lernte man zuerst durch die chemischen Wirkungen derselben kennen, und nannte sie deshalb unsichtbare chemische Strahlen. In Wahrheit sind diese Strahlen aber nicht unsichtbar, wenn sie auch allerdings das Auge verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel schw\u00e4cher afficiren, als die Strahlen des mittleren leuchtenden Theils des Spectrum zwischen den Linien B und II. Sobald man die letzteren durch geeignete Apparate vollst\u00e4ndig entfernt, sind die ultravioletten Strahlen dem Auge ohne Schwierigkeit sichtbar, und zwar bis zum Ende des Sonnenspectrum. Ihre Farbe ist bei geringer Lichtintensit\u00e4t indigblau, hei gr\u00f6sserer Intensit\u00e4t bl\u00e4ulich grau. Am leichtesten nachgewiesen wird die Anwesenheit dieser Strahlen durch das Ph\u00e4nomen der Fluorescenz. Beleuchtet man n\u00e4mlich mit ultraviolettem Lichte eine klare L\u00f6sung von saurem schwefelsaurem Chinin, so geht von allen Punkten dieser L\u00f6sung, welche von dem ultravioletten Lichte getroffen werden, weiss bl\u00e4uliches Licht nach allen Richtungen aus, welches etwa wie ein leuchtender Nebel erscheint, der die L\u00f6sung durchzieht. Untersucht man dies weiss bl\u00e4uliche Licht mit dem Prisma, so erkennt man, dass es nicht ultraviolettes Licht ist, sondern gemischtes weissliches Licht mittlerer Brechbarkeit. Am einfachsten kann man die Erscheinung deshalb so beschreiben: So lange die ultravioletten Strahlen auf die Chininl\u00f6sung wirken, ist diese selbstleuchtend, und sendet gemischtes weisslich blaues Licht von mittlerer Brechbarkeit aus. Da nun das Auge f\u00fcr Licht der letzteren Art ausserordentlich viel empfindlicher ist, als f\u00fcr ultraviolettes Licht, so nimmt es bei gewissen Graden der Lichtst\u00e4rke von letzterem nicht das geringste wahr, bis es eine fluorescirende Substanz trifft, und auf dieser wird dann das bisher unsichtbare Licht sichtbar. Zu den K\u00f6rpern, welche das Ph\u00e4nomen der Fluor\u00e9-","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\nDAS ULTRAVIOLETT.\n229\nscenz in hohem Grade zeigen, geh\u00f6ren ausser dem Chinin noch das mit Uran gef\u00e4rbte Glas, das Aesculin, Kaliumplatincyan\u00fcr u. s. w.\nDa wir an den fluorescirenden Substanzen keine andere Ver\u00e4nderung bemerken, die Fluorescenz mag noch so oft hervorgerufen werden, da auch keine W\u00e4rme dabei zu verschwinden scheint, so m\u00fcssen wir aus dem Gesetze von der Erhaltung der Kraft schliessen, dass die lebendige Kraft des durch die Fluorescenz erzeugten Lichtes nicht gr\u00f6sser ist trotz seiner st\u00e4rkeren Wirkung auf das Auge, als die des einfallenden ultravioletten Lichts. Genaue Untersuchungen \u00fcber das Verh\u00e4ltniss der Helligkeit des durch Fluorescenz ver\u00e4nderten und unver\u00e4nderten ultravioletten Lichts sind noch nicht angestellt. Doch kann man aus gewissen Thatsachen, die sp\u00e4ter bei Beschreibung der Methoden erw\u00e4hnt werden sollen, schliessen, dass das erstere etwa 1200 Mal heller ist als das letztere. Davon, dass die Helligkeit beider Lichter f\u00fcr das Auge wirklich ausserordentlich verschieden sei, \u00fcberzeugt man sich auch ohne Messung, wenn man ultraviolettes Licht, welches von allem brechbareren Lichte geh\u00f6rig gereinigt und in einen Focus vereinigt ist, erst auf einen nicht fluorescirenden Schirm, z. B. weisses Porzellan, und dann auf Chinin fallen l\u00e4sst. Dass das Sonnenspectrum, wenigstens nachdem das Sonnenlicht durch die Atmosph\u00e4re gegangen ist, wirklich nicht weiter reicht, als das Auge bei geeigneter Abblendung des helleren Lichts ultraviolettes Licht wahrnimmt, folgt daraus, dass auch, wenn man durch Ouarz-prismen und Quarzlinsen ein objectives Spectrum auf eine Chininl\u00f6sung oder einen anderen fluorescirenden K\u00f6rper wirft, das Ph\u00e4nomen der Fluorescenz nur genau ebenso weit auftritt, als das Auge ultraviolettes Licht wahrnehmen kann. Andererseits aber hat Stokes gefunden, dass das Spectrum des elektrischen Kohlenlichts, durch Quarzapparate auf einen fluorescirenden Schirm geworfen, viel weiter reicht als das Sonnenspectrum. Seine Methode ist also in der That geeignet, auch noch brechbareres Licht sichtbar zu machen, als das Sonnenlicht enth\u00e4lt, und wir m\u00fcssen daraus schliessen, dass das Spectrum des durch die Atmosph\u00e4re gegangenen Sonnenlichts wirklich da aufh\u00f6rt, wo das Auge und die fluorescirenden K\u00f6rper die Grenze anzeigen. Ueber die Sichtbarkeit der brechbarsten Theile des elektrischen Kohlenlichts sind noch keine Versuche angestellt worden. Der Lichtbogen, welchen die magnetelektrisch inducirten Str\u00f6me der NEEF\u2019schen Hammerapparate im luftleeren Raume geben, ist zwar verh\u00e4ltniss-m\u00e4ssig reich an ultraviolettem Licht, verglichen mit der geringen Menge weniger brechbaren Lichtes, welches er enth\u00e4lt, aber seine absolute Lichtst\u00e4rke ist doch zu gering, um eine feinere prismatische Zerlegung zu gestatten.\nAuch am anderen Ende des Spectrum gelingt es bei sorgf\u00e4ltiger Abblendung des helleren gew\u00f6hnlich sichtbaren Lichts Theile des Spectrum sichtbar ziW machen, die f\u00fcr gew\u00f6hnlich unsichtbar bleiben. Gen\u00fcgende Abblendung ist hier sehr leicht durch ein rothes Glas, welches man in den Weg der Lichtstrahlen einschiebt, zu erreichen. Oder da die rothen (mit Kupferoxydul gef\u00e4rbten) Gl\u00e4ser viel Orange durchlassen, kann man n\u00f6thigenfalls zu dem rothen Glase noch ein blaues, mit Kobaltoxyd gef\u00e4rbtes f\u00fcgen, welche Orange absorbiren, aber das \u00e4usserste Roth ungeschw\u00e4cht durchlassen. Aber cs ist wenig, was man am rothen Ende durch eine solche Beobachtungsweise gewinnt, verglichen","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPEINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 19.\nmit der grossen Ausdehnung des ultravioletten Spectrum. Der Streifen rothen Lichts, welcher jenseits der Linie A hinzukommt, hat etwa die Breite des Abstandes AB. Der Farbenton des Roth ist bis zum \u00e4ussersten Ende hin unver\u00e4ndert, und n\u00e4hert sich keineswegs dem Purpur.\nAm rothen Ende reicht nun aber in der That das Sonncnspectrum weiter, als es vom Auge wahrgenommen wird. Bisher hat man die Anwesenheit solcher iiberrothen Strahlen nur durch ihre W\u00e4rmewirkungen wahrnehmbar machen k\u00f6nnen, und sie deshalb dunkle W\u00e4rmestrahlen genannt. Da sie vom Glase, Wasser und vielen anderen durchsichtigen Substanzen st\u00e4rker als die leuchtenden Strahlen absorbirt werden, so muss man Steinsalzprismen und Steinsalzlinsen anwenden, um die ganze Ausdehnung des dunkeln W\u00e4rmespectrum kennen zu lernen. Im prismatischen Spectrum ist die Breite des dunkeln W\u00e4rmespectrum jedenfalls eine beschr\u00e4nkte, weil n\u00e4mlich, der Theorie der elastischen Aetherschwingungen gem\u00e4ss, bei zunehmender Wellenl\u00e4nge der Strahlen die Brechung sich einem Minimum n\u00e4hert, welches nicht \u00fcberschritten werden kann.\nund bei welchem die\n4\nG\n25\nH Q\n*\u25a0\u00bb\u2014d\nF 2T\nD\nFin. 107\nB\ndie Brechungsverh\u00e4ltnisse f\u00fcr prismen aufgetragen.\nLinie\tR\n\u00dfrechungsverh\u00e4ltniss 1.0277\ni Die Buchstaben II, bis U\nder\nDispersion der Farben aufh\u00f6rt. In Fig. 107 sind als horizontale Abscissen die Wellenl\u00e4ngen aufgetragen, und zwar von einem Anfangspunkte an gerechnet, der von // ebenso weit entfernt liegt wie der Punkt b, aber in der Verl\u00e4ngerung der Linie bll. Die Buchstaben B bis 11 entsprechen den Fraun-HOFER\u2019schen Linien und\n_______,ij\tihrer Stellung in einem\nInterferenzspectrum. Als verticale Coordinaten sind von Fraunhofer benutzten Flintglas-\nC\n1,6297\nI)\n1,6350\nE\n1,6420\nF\n,6483\nG\n1,6603\nH\n1,671\nbezeichnen die Stellung der dunkeln Linien in dem Spectrum dieses Flintglases. Die Grundlinie Ilb entspricht dem Breehungs-verh\u00e4ltniss 1,6070, welches f\u00fcr diese Glasart das Minimum ist, dem sich bei steigender Wellenl\u00e4nge die Brechungsverh\u00e4ltnisse asymptotisch n\u00e4hern m\u00fcssen Die punktirte Curve H, cl dr\u00fcckt also die Brechbarkeit der Strahlen als Function der Wellenl\u00e4nge aus, sie w\u00fcrde bei weiterer Fortsetzung sich\n1 Der Werth dieses Minimum ist nach der Berechnung von Baden Powell (Pogg. XXXVII) genommen worden, dessen Interpolationsformel nahe genug mit den theoretisch abgeleiteten Formeln von Cauchy \u00fcbereinstimmt","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\nDIE GRENZE DES ROTH.\n231\nasymptotisch der Grundlinie Hb anschliessen. Daraus folgt, dass, wenn wir uns das Brechungsspectruin //, B \u00fcber sein rothes Ende bei B, fortgesetzt denken durch dunkle W\u00e4rmestrahlen, das Spectrum seine \u00e4usserste Grenze an der Grundlinie bei // finden muss 1, welche von B, dem Ende des gew\u00f6hnlich sichtbaren Roth, ungef\u00e4hr so weit absteht, wie B von F, der Grenze zwischen Gr\u00fcn und Blau, eine Entfernung, die ungef\u00e4hr der H\u00e4lfte der L\u00e4nge des gew\u00f6hnlich sichtbaren Spectrum entspricht. Uebrigens f\u00e4llt es in der Fig. 107 leicht auf, wie in dem Brechungspectrum\twenn man es mit dem Interferenzspectrum\nBH vergleicht, die Strahlen des blauen Endes l\\ G, //, auseinandergezogen, die die des rothen Endes Bt C; Dl aneinandergedr\u00e4ngt sind. Dieses Zusammendr\u00e4ngen der Strahlen im Brechungsspectruin muss nat\u00fcrlich zunehmen, je mehr man sich im Raum der dunkeln W\u00e4rmestrahlen der Grenze n\u00e4hert. Am blauen Ende, wo das Spectrum gedehnt ist, wird dabei die Zahl der sichtbaren dunkeln Linien gr\u00f6sser, und weil die gleiche Quantit\u00e4t Licht oder W\u00e4rme \u00fcber einen gr\u00f6sseren Raum verbreitet ist, werden Helligkeit und Erw\u00e4rmung geringer. Umgekehrt am rothen Ende wird die Zahl der sichtbaren dunkeln Linien geringer, Helligkeit und Erw\u00e4rmung gr\u00f6sser, als in dem Interferenzspectrum. Wenn also auch das W\u00e4rmemaximum im prismatischen Spectrum ausserhalb des Roth liegt, so folgt daraus nicht, dass die dunkeln W\u00e4rmestrahlen der betreffenden Wellenl\u00e4nge in gr\u00f6sserer Menge im Sonnenlicht vorhanden seien, als irgend eine Art leuchtender Strahlen; im Gegentlicil scheint im Interferenzspectrum das W\u00e4rmemaximum auf Gelb zu fallen.\nDie Bestimmung der gr\u00f6ssten Wellenl\u00e4ngen, welche in den dunkeln W\u00e4rmestrahlen des Sonnenlichts Vorkommen, ist \u00e4usserst schwierig, eben wegen der beschriebenen Eigenth\u00fcmlichkeiten des Brechungsspectruin. F\u00fcr diejenigen, welche durch Flintglas gehen, hat Fizeau die gr\u00f6sste Wellenl\u00e4nge nach einer Methode, die keine wesentlichen Einw\u00e4nde zul\u00e4sst, gefunden gleich 0,001940 Mm. Es ist dies mehr als die doppelte Wellenl\u00e4nge der \u00e4ussersten rothen Strahlen, die nach meinen Messungen 0,00081 Mm. betr\u00e4gt. Es zeigen \u00fcbrigens diese dunkeln W\u00e4rmestrahlen die Erscheinungen der Interferenz, wie die Lichtstrahlen, woraus folgt, dass sie wie diese in einer schwingenden Bewegung bestehen; sie zeigen genau dieselben Gesetze der Polarisation, woraus folgt, dass auch in ihnen die Schwingungsrichtung senkrecht zur Fortpflanzungsrichtung ist, und unterscheiden sich also von den leuchtenden Strahlen nur durch ihre gr\u00f6ssere Wellenl\u00e4nge und die damit verbundene geringere Brechbarkeit.\nDer Grund f\u00fcr die Unsichtbarkeit der \u00fcberrothen Strahlen k\u00f6nnte entweder darin zu finden sein, dass sie von den Augenmedien absorbirt werden, oder dass die Netzhaut f\u00fcr sie nicht empfindlich ist. Dass Wasser die dunkeln W\u00e4rmestrahlen in hohem Masse absorbirt, hat schon Melloni nachgewiesen. Mit den durchsichtigen Mitteln des Ochsenauges haben Br\u00fccke und Knoblauch Versuche angestellt. Es wurden n\u00e4mlich Hornhaut, Glask\u00f6rper und Linse eines Ochsenauges in eine passende r\u00f6hrem\u00f6rmige Fassung so eingeschaltet, dass Hornhaut\n1 Diese Grenze scheint nach einer Bemerkung von Fr. Eisenlohr in den Versuchen von Melloni wirklich erreicht zu sein. Kritische Zeitsehr, f\u00fcr Chemie. Erlangen 1838. S. 229.","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. -19.\nund Linse die vordere und hintere Begrenzung bildeten, der Glask\u00f6rper zwischen beiden lag. Durch dieses vollkommen durchsichtige System fiel Sonnenlicht, von einem Heliostaten in ein dunkles Zimmer geworfen, auf eine thermoelektrische S\u00e4ule. Es brachte eine Ablenkung des damit verbundenen Multiplicators von 26 bis 30\u00b0 hervor. Nachdem aber die beiden Seiten des Auges \u00fcber einer Terpenthin-flamme bcrusst waren, was vollkommen gut und, wie die nachherige Untersuchung zeigte, ohne alle sonstige Ver\u00e4nderung der Hornhaut und Linse gelang, konnte keine W\u00e4rme mehr durch das Auge hindurchstrahlen. Russschichten sind aber f\u00fcr die dunkeln W\u00e4rmestrahlen durchg\u00e4ngig, nicht f\u00fcr die leuchtenden. H\u00e4tte also ein Theil der durch die Augenmedien gehenden Strahlen aus dunkeln W\u00e4rmestrahlen bestanden, so h\u00e4tte sich von diesen auch noch nach der Berussung eine Wirkung zeigen m\u00fcssen. Es l\u00e4sst sich durch diesen Versuch allerdings nicht genau nachweisen, dass die Grenzen der Sichtbarkeit des Roth mit den Grenzen der Diathermansie der Augenmedien Zusammentreffen, aber jedenfalls steht fest, dass von den unsichtbaren \u00fcberrothen Strahlen wenig oder nichts mehr zur Netzhaut gelangen kann, und es scheint dieser Umstand zu gen\u00fcgen, um ihre Unsichtbarkeit zu erkl\u00e4ren.\nLima 1 hat \u00e4hnliche Versuche angestellt, wobei er als W\u00e4rmequelle eine Locatellische Lampe benutzte, deren Strahlen durch die Augenmedien auf eine thermoelektrische S\u00e4ule fielen. Er fand, dass die Krystalllinse 13 Procent, der Glask\u00f6rper allein 9 % und das ganze Auge auch 9 % der einfallenden W\u00e4rme durchliess.\nDass die \u00fcbervioletten Strahlen die Augenmedien durchdringen k\u00f6nnen, folgt direct schon aus der M\u00f6glichkeit, das \u00fcberviolette Spectrum mit seinen dunkeln Linien zu sehen. Donbers und Rees haben objectiv nachgewiesen, dass diese Strahlen durch Glasgcf\u00e4sse, welche mit Glasfeuchtigkeit vom Ochsen gef\u00fcllt waren, und in die auch Hornhaut und Linse eingebracht wurden, ohne auffallend geschw\u00e4cht zu werden, hindurchgehen. Um das ultraviolette Licht nach dem Durchg\u00e4nge durch die Augenfl\u00fcssigkeiten sichtbar zu machen, fingen sie es auf der Fl\u00e4che einer Chininl\u00f6sung auf, wo es die blaue Fluorescenz hervorrief. Br\u00fccke hatte \u00e4hnliche Versuche schon fr\u00fcher angestellt, bei denen er die Wirkung des Lichts auf Guajakl\u00f6sung und auf photographisches Papier untersuchte, nachdem es durch die Augenmedien gegangen war.\nGuajakharz, frisch aus der alkoholischen L\u00f6sung durch Eintrocknen im Dunkeln gewonnen, wird von den blauen, violetten und \u00fcbervioletten Strahlen blau gef\u00e4rbt, von den schw\u00e4cher brechbaren wieder entbi\u00e4ut. Im gew\u00f6hnlichen Tageslichte \u00fcberwiegt die Wirkung der bl\u00e4uenden Strahlen. Tageslicht aber, welches durch die Krystalllinse eines Ochsenauges gegangen ist, f\u00e4rbt das Harz nur gelbgr\u00fcn, und eine schon gebl\u00e4ute Harzschicht wird durch dasselbe Licht wieder bis zu demselben Gelbgr\u00fcn entbi\u00e4ut. Daraus folgt, dass die Linse die bl\u00e4uenden Strahlen des Tageslichts st\u00e4rker absorbirt, als die nicht bl\u00e4uenden. Bei starker Absorption der gew\u00f6hnlich sichtbaren blauen und violetten Strahlen m\u00fcsste die Linse selbst gelblich gef\u00e4rbt erscheinen. Da sie im normalen Zu-\nSul potcrc degli union dell' occhio a trasmeltere il ca'orico ruggionante. Torino 1852.","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\n. GRUND DER BEGRENZUNG DES SPECTRUM.\n233\nst\u00e4nde ziemlich ungef\u00e4rbt erscheint, so k\u00f6nnen es unter den Guajak bl\u00e4uenden Strahlen nur die iiberviolettcn sein, welche die Linse verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig betr\u00e4chtlich absorb\u00e2t. F\u00fcr die Hornhaut und den Glask\u00f6rper ergeben \u00e4hnliche Versuche von Br\u00fccke, dass sie eine \u00e4hnliche Wirkung wie die Linse, aber in viel schw\u00e4cherem Grade besitzen. Damit stimmt \u00fcberein, dass die Hornhaut und Linse des Auges, wie man auch am lebenden Auge leicht sehen kann, selbst einen ziemlichen Grad von Fluorescenz besitzen, wenn violettes oder \u00fcberviolettes Licht auf sie fallt. Sie strahlen dabei weissblaues Licht aus, \u00e4hnlich dem der Chininl\u00f6sungen. Fluorescirende K\u00f6rper aber absorbiren stets merklich die Strahlen, durch welche ihre Fluorescenz erregt wird.\nAndere Versuche wurden von Br\u00fccke mit photographischem Papier von G. Karsten angestellt. Hornhaut, Glask\u00f6rper und Linse waren wie bei den erw\u00e4hnten thermoelektrischen Versuchen in eine Messingfassung gebracht. Er liess die Strahlen eines prismatischen Sonnenspectrum hindurchgehen, und brachte das lichtempfindliche Papier im Brennpunkte der Augenmedien an Violette Strahlen gaben nach IV2 Minuten einen v\u00f6llig schwarzen Punkt, In der N\u00e4he der Liniengruppe M (nach Draper) verschwand die Wirkung auf das Papier ganz, so dass selbst nach 10 Minuten keine sichtbare Wirkung mehr zu erkennen war. Dabei ist indessen zu bemerken, dass auch ohne Einschaltung der Augenmedien die photographische Wirkung der \u00fcbervioletten Strahlen bei den meisten lichtempfindlichen Pr\u00e4paraten gegen das Ende des Spectrum schnell abnimmt. Die seit den beschriebenen Versuchen von Br\u00fccke entdeckte Fluorescenz ist namentlich f\u00fcr die brechbarsten Strahlen ein viel empfindlicheres Mittel der Wahrnehmung, als die photographische Wirkung, und wir haben mit ihrer H\u00fclfe das Spectrum in viel gr\u00f6sserer Ausdehnung kennen gelernt als fr\u00fcher. Ja, selbst die directe Beobachtung mit dem Auge hei geh\u00f6rig abgeblendetem Licht der helleren Theile des Spectrum scheint die Ausdehnung des \u00fcbervioletten Spectrum besser kennen zu lehren, als die photographischen Darstellungen des Ueberviolett es tliun.\nWenn nun auch die Versuche von Br\u00fccke lehren, dass die ultravioletten Strahlen beim Durchgang durch die Augenmedien, namentlich die Krystalllinse, merklich geschw\u00e4cht werden, wie namentlich bei der Wirkung auf Guajaktinctur sieh zu erkennen giebt, so lehren andererseits doch die Versuche von Donders, dass diese Schw\u00e4chung nicht so bedeutend ist, uni bei der gew\u00f6hnlichen Vergleichung der Helligkeit durch das ununterst\u00fctzte Auge aufzufallen. Andererseits ist schon oben angef\u00fchrt worden, dass die Helligkeit des unver\u00e4nderten ultravioletten Lichts gegen die des ungef\u00e4hr gleich aussehenden durch Fluorescenz des Chinin erzeugten Lichts sich etwa wie 1 : 1200 verh\u00e4lt. Daraus schliessen wir, dass Absorption des Lichts in den Augenmedien nur zum allerkleinsten Theile Schuld sein kann an der geringen subjectiven Helligkeit des Ultraviolett, dass diese vielmehr in der Unempfindlichkeit der Netzhaut ihren Grund haben muss.\nZu erw\u00e4hnen ist noch, dass der Farbeneindruck, welchen einfaches Licht im Auge hervorruft, abh\u00e4ngig ist von der Lichtintensit\u00e4t, in der Weise, dass alle einfachen Farben bei gesteigerter Helligkeit sich dem Weiss oder Weissgelb n\u00e4hern. Am leichtesten geschieht dies mit dem Violett, welches sich desto mehr vom Blau entfernt und dem Purpur n\u00e4hert, je lichtschw\u00e4cher es ist, und im Gegentheil bei einem massigen Grade von Helligkeit, wie ihn das Spectrum der Sonne im Fernrohr leicht erreicht, schon weissgrau erscheint, und nur einen schwachen bl\u00e4ulich violetten Schein beh\u00e4lt. Nach einer Beobachtung von","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u25a0 19.\nMoser sieht man dies auch sehr gut, wenn man bei halb bew\u00f6lktem Himmel sich die Sonne mit einem ziemlich dunkeln violetten Glase bedeckt. Dann erscheint die Sonnenscheibe, durch das Glas gesehen, vollst\u00e4ndig ebenso weiss, wie, neben dem Glase vorbei gesehen, die hellbeleuchteten Wolken erscheinen. Ebenso wird das Blau des Spectrum bei geringer Helligkeit mehr indigblau, bei gr\u00f6sserer himmelblau, und bei noch gr\u00f6sserer, welche \u00fcbrigens immer noch ohne Bel\u00e4stigung des Auges zu ertragen ist, weissblau, endlich weiss. Daher die oben erw\u00e4hnte f\u00e4lschliche Anwendung der Benennung Himmelblau f\u00fcr das brechbarere und gleichzeitig lichtstarkere Cyanblau des Spectrum. Das Gr\u00fcn geht durch Gelbgr\u00fcn in Weiss, Gelb direct in Weiss \u00fcber, aber erst bei blendender Helligkeit. Rotli zeigt die Erscheinung am schwersten, und nur bei den h\u00f6chsten Graden der Helligeit habe ich es sowohl im Spectrum, als durch ein rothes Glas nach der Sonne blickend, hellgelb werden sehen. Alle diese Versuche gelingen gleich gut mit sorgf\u00e4ltig gereinigtem einfachen, wie mit gemischtem Lichte von der betreffenden Farbe, wie es durch gef\u00e4rbte Gl\u00e4ser gegeben wird.\nUnter allen Theilen des Spectrum ist der Farbenton des violetten und \u00fcbervioletten Lichts am ver\u00e4nderlichsten bei ver\u00e4nderter Lichtst\u00e4rke. Um Farbent\u00f6ne des brechbarsten Endes mit einander zu vergleichen, muss man sie nahe auf gleiche Intensit\u00e4t bringen. Bei schwacher Helligkeit n\u00e4hern sich die blauen T\u00f6ne des Spectrum mehr dem Indigo, das Violett dem Rosa, wie schon angegeben wurde; etwa von der Linie L ab bis zum Ende des Spectrum findet aber eine Umkehr in der Reihe der Farben statt; der Farbenton wird n\u00e4mlich nicht weiter dem Rosa \u00e4hnlicher, sondern kehrt von hier wieder zum Indigblau zur\u00fcck. Bei m\u00e4ssiger Steigerung der Lichtst\u00e4rke dagegen erscheint das \u00fcberviolette Licht bl\u00e4ulich weissgrau, weisslicher als gleich starkes indigblaues Licht, und man hat es deshalb auch lavendelgrau genannt.\nDie Umkehr in der Farbenreihe, welche das \u00fcberviolette Licht bei geringer Helligkeit zeigt, beruht wahrscheinlich nicht auf der Reactionswcise des Nervenapparats, sondern scheint dadurch bedingt zu sein, dass die Netzhaut selbst fluorescirt, d. h. unter der Einwirkung \u00fcbervioletter Strahlen Licht niederer Brechbarkeit, und zwar solches von gr\u00fcnlich weisser Farbe aussendet. Wenigstens die Netzhaut aus dem Auge einer Leiche, welche ich selbst1 untersuchte, und die Netzh\u00e4ute aus ganz frischen Augen von eben get\u00f6dteten Ochsen und Kaninchen, welche Setschenow 2 untersuchte, zeigten einen freilich sehr geringen Grad von Fluorescenz, und das Licht, welches sie dabei aussandten, hatte die angegebene Farbe. Die St\u00e4rke ihrer Fluorescenz war geringer, als die von Papier, Leinwand und Elfenbein, aber erschien doch immer noch stark genug, um die Farbe, in der das \u00fcberviolette Licht empfunden wird, ver\u00e4ndern zu k\u00f6nnen. Ich verglich zu diesem Ende das Licht, was durch Fluorescenz der Netzhaut erzeugt wurde, und sich von den fluorescirenden Stellen dieser Membran nach allen Seiten in den Raum hinein verbreitete, mit ultraviolettem Licht, welches diffus von einem weissen Porzellanpl\u00e4ttchen reflectirt wurde, also ebenso wie jenes\n1 Pogg'. Ami. XC1V. 205.\n3 Graefe Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. Bd. V. Ablh. \u20182. S. \u00fcO\u00f6.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"g. 19.\nFARBE DES \u00dcBERVIOLETT.\n235\nsich nach allen Seiten in den Raum hinein verbreitete. Die Netzhaut und das Por-zellanpl\u00e4ttchen wurden durch ein schwach brechendes Prisma angesehen, welches das ver\u00e4nderte von dem unver\u00e4nderten ultravioletten Lichte schied. Es erschien unter diesen Umst\u00e4nden das durch Fluorescenz in der Netzhaut erzeugte Licht ungef\u00e4hr ebenso hell, wie die unver\u00e4nderte ultraviolette Beleuchtung der Porzellan-platte. Wenn wir nun annehmen, was unbedenklich erscheint, dass die Netzhaut das in ihrer eigenen Substanz durch Fluorescenz erzeugte Licht empfindet, so muss ihre Empfindung bei \u00fcbervioletter Bestrahlung zu ziemlich gleichen Theilen zusammengesetzt sein aus derjenigen Empfindung, die das \u00fcberviolette Licht direct erregt, und derjenigen, welche das der Fluorescenz erregt. Da nun das letztere weisser und mehr gr\u00fcnlich ist, als das \u00fcberviolette Licht dem Auge erscheint, so muss die directe Empfindung des \u00fcbervioletten Lichts, wie sie sein w\u00fcrde in einer nicht fluorescirenden Netzhaut, dem reinen Violett \u00e4hnlicher sein. Denn Violett und Gr\u00fcnlich-Weiss w\u00fcrde bei passender Mischung das Lavendelgrau der \u00fcbervioletten Strahlen geben k\u00f6nnen. Da die Farbe der Fluorescenz der Netzhaut von Lavendelgrau betr\u00e4chtlich abweicht, k\u00f6nnen wir nicht annehmen, dass eine directe Reizung des Sehnervenapparats durch das \u00fcberviolette Licht ganz fehlt, und etwa nur das fluorcscireude Licht der Netzhaut empfunden w\u00fcrde.\t'\nWenn man ein prismatisches Spectrum von geringer L\u00e4nge betrachtet, so dass man das Ganze gleichzeitig vor Augen hat, so erscheint es nur aus vier Farbenstreifen zusammengesetzt: Roth, Gr\u00fcn, Blau und Violett, w\u00e4hrend durch den Contrast mit diesen Hauptfarben ihre Ueberg\u00e4nge fast ganz verschwinden, h\u00f6chstens erkennt man noch, dass das Gr\u00fcn an der Seite des Roth gelblich wird. Noch verst\u00e4rkt wird die Trennung der Farben dadurch, dass drei von den st\u00e4rkeren dunkeln Linien des Sonnenspectrum D, F und G ungef\u00e4hr den Grenzen der genannten vier Farben entsprechen. Aber auch, wenn man die Linien nicht erkennen kann, tritt dieselbe Scheidung der Farben ein. Bei l\u00e4ngeren Spectris gelingt es zwar eher die Uebergangsfarben zu erkennen, indessen wird doch immer der Eindruck im Auge durch die Nachbarschaft von so lebhaften und ges\u00e4ttigten Farben, wie sie das Spectrum zeigt, betr\u00e4chtlich ver\u00e4ndert, so dass die Uebergangsfarben nicht recht ungest\u00f6rt zur Erscheinung kommen. Um die Reihe der einfachen Farben genau kennen zu lernen, muss man sie isoliren. Zu dem Ende entwirft man ein recht reines objectives Spectrum auf einem Schirme, der einen schmalen Spalt hat, so dass nur ein schmaler Farbenstreifen des Spectrum durch den Spalt dringen und einen dahinter auf-gestellten weissen Schirm erleuchten kann. Indem man den Spalt langsam die L\u00e4nge des Spectrum durchwandern l\u00e4sst, bekommt man nach einander die Reihe der Farbent\u00f6ne, die es enth\u00e4lt, einzeln zur Anschauung. Dabei zeigt sich, dass nirgends ein Sprung in der Farbenreihe ist, sondern die Farbent\u00f6ne continuirlich in einander \u00fcbergehen. Es ist dieser Versuch gleichzeitig eines der prachtvollsten Schauspiele, welches die Optik darbietet, wegen des Reichthums, der intensiven S\u00e4ttigung und der zarten Ueberg\u00e4nge der Farbent\u00f6ne.\nWegen der allm\u00e4ligen Ueberg\u00e4nge ist es auch unm\u00f6glich, den einzelnen Farben im Spectrum uaturgem\u00e4ss eine bestimmte Breite anzuweisen. Um die","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 -19-\nStelle und Yertheilung der Farben, so weit es m\u00f6glich ist, zu bezeichnen, will ich hier die den FnADNHOfER\u2019schcii Linien entsprechenden Farbent\u00f6ne hersetzen mit ihren Wellenl\u00e4ngen, letztere ausgedr\u00fcckt durch Hunderttausendtheile eines Millimeters :\nLinie.\tWellenl\u00e4nge.\tFarbe.\nA.\t7617\tAeusserstes Roth\nB.\t6878\tRoth.\nC.\t6564\tGrenze des Roth und Orange.\nD.\t5888\tGoldgelb.\nE.\t5260\tGr\u00fcn.\nF.\t4843\tCyanblau.\nG.\t4291\tGrenze des Indigo und Violett.\nH.\t3929\tGrenze des Violett.\nL.\t3824\t\nM.\t3741\t\nN.\t3532\t\n0.\t3383\t>Ueberviolett.\nP.\t3307\t\nr Q.\t3243\t\nR.\t3108\t\nDa der Unterschied der Farbenempfindung im Auge wie der der Tonh\u00f6he\nim Ohre dem Unterschiede in der Schwingungsdauer der erregenden Licht- oder\nTonwellen entspricht, so hat man vielf\u00e4ltig versucht, die Farbenstufen des\nSpectrum nach demselben Principe abzutheilen, wie es bei den ganzen und\nhalben T\u00f6nen in der musikalischen Tonleiter geschieht. Newton versuchte es\nzuerst. Da er aber noch nicht die Abh\u00e4ngigkeit der Breite, welche die einzelnen\nFarben im prismatischen Spectrum einnehmen, von der Natur der brechenden\nSubstanz kannte, und der damals noch sehr unentwickelten Undulationstheorie\ndes Lichtes abgeneigt war, so theilte er unmittelbar das Spectrum von Glas-\nprisnien, so weit er es kannte, ungef\u00e4hr zwischen den Linien B und II, in\n7 Streifen ein, deren Breite dem Verh\u00e4ltnisse der Intervalle in einer Tonleiter,\n, ,\t.\t7 .\t9\t16\t10\t9\t10\t16\t9\t,\t,. ,\nd.h. den Zahlen- ,\t-, \u2014-, \u2014, \u2014, \u2014, \u2014, proportional war, und unterschied,\no\tio\ty\to\ty\t\\ 5\to\ndiesen sieben Intervallen entsprechend, sieben Hauptfarben, n\u00e4mlich: Roth, Orange, Gelb, Gr\u00fcn, Blau, Indigo, Violett. Dass in dieser Reihe zwei Arten des Blau genannt sind, w\u00e4hrend Goldgelb, Gelbgr\u00fcn, Meergr\u00fcn fehlen, die dem Auge von den benachbarten Hauptfarben mindestens ebenso gut verschieden erscheinen, wie Indigo von Cyanblau und Violett, r\u00fchrt von der auf Seite 230 erw\u00e4hnten Eigenth\u00fcmlichkeit der Brechungsverh\u00e4ltnisse in den durchsichtigen Substanzen her, verm\u00f6ge deren in jedem prismatischen Spectrum die brechbareren Farbent\u00f6ne st\u00e4rker ausgedehnt werden, als die weniger brechbaren. In den Inter-ferenzspectris, wo die Vertheilung der Farben nur von der Wellenl\u00e4nge, nicht von der Natur eines brechenden Medium abh\u00e4ngt, ist der blauviolette Raum viel schmaler, und w\u00fcrde bei einer \u00e4hnlichen Eintheilung nicht in drei Streifen","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"CONTINUIT\u00c4T DER FARBENREIHE.\n\u00a7. 19.\n237\nzerfallen sein, dagegen der Raum des Roth und Orange etwa drei eingenommen h\u00e4tte.\nWenn wir jetzt mit H\u00fclfe der seitdem gemachten Entdeckungen und Messungen das Spectrum eintheilen, indem wir das Eintheilungsprincip der musikalischen Tonleiter auf die Schwingungsdauer der Lichtwellen anwenden, wie es in Taf. IV. Fig. 1 geschehen ist, und das Gelb dem Grundtone c, die Linie A dem tieferen G entsprechend machen, so bekommen wir f\u00fcr die einzelnen halben T\u00f6ne folgende Farbenstufen:\nFis.\tEnde des Roth\tfis.\tViolett\nG.\tRoth\t9-\tUeberviolett\nGis.\tRoth\tgis.\tUeberviolett\nA.\tRoth\ta.\tUeberviolett\nB.\tRothorange\tb.\tUeberviolett\nH.\tOrange\th.\tEnde des Sonnenspectrum\nc.\tGelb\t\t\neis.\tGr\u00fcn\t\t\nd.\tGr\u00fcnblau\t\t\ndis.\tCyanblau\t\t\ne.\tIndigblau\t\t\nr-\tViolett,\t\t\nDie T\u00f6ne, welche Octaven bilden, sind neben einander gestellt. In Taf. IV. Fig. / sind rechts die den Tonintervallen entsprechenden Stellen durch Linien bezeichnet. Nach demselben Princip berechnet, w\u00fcrde die Grenze des W\u00e4rme-spectrum nach Fizeau und Foucault etwa bei dem Dis\u2014t (zwei Octaven unter dem Cyanblau) und wenn man die Ann\u00e4herungsformel von Cauchy f\u00fcr die Berechnung der Wellenl\u00e4nge aus der Brechbarkeit so weit ausdehnen darf, die \u00e4usserste Grenze des elektrischen Kohlenlichts bei h, eine Octave h\u00f6her als die Grenze des Sonnenspectrum liegen.\nAus der gegebenen Vergleichungstafel der halben T\u00f6ne und Farbenstufen geht nun hervor, dass an beiden Grenzen des Spectrum die Farbe sich innerhalb mehrerer halber Tonstufen nicht merklich \u00e4ndert, in der Mitte dagegen die sehr mannigfaltigen Uebergangsfarben des Gelb in Gr\u00fcn alle in die Breite eines einzigen halben Tones zusammengedr\u00e4ngt sind. Daraus folgt, dass in der Mitte des Spectrum das Auge f\u00fcr die Aenderung der Schwingungsdauer des Lichtes viel empfindlicher ist, als an den Enden des Spectrum, und dass die Farbenstufen ihrer Gr\u00f6sse nach keineswegs in \u00e4hnlicher Weise von der Sehwingungs-dauer abh\u00e4ngen, wie die Abstufungen der Tonh\u00f6he.\nDa die vorliegenden physiologischen Untersuchungen eine viel genauere Scheidung des einfachen Lichts von einander nothwendig machen, als es bei physikalischen Untersuchungen im Allgemeinen erfordert wird, will ich hier die Theorie der Brechung in Prismen untersuchen, so weit sie f\u00fcr die Herstellung reiner Spectra noting ist. Man hat bisher, so viel ich gefunden habe, immer nur die Brechung einzelner Lichtstrahlen in den Prismen untersucht, aber nicht die Lage und Beschaffenheit der prismatischen Bilder, und doch, wenn man mit dem Auge durch ein Prisma sieht, oder das aus dem Prisma tretende Licht durch Linsen und Fern-","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 19.\nr\u00f6hre gehen l\u00e4sst, kommt es wesentlich darauf, an, die prismatischen Bilder f\u00fcr jede Art homogenen Lichtes zu kennen, denn sie sind dann als die Objecte zu betrachten f\u00fcr die weiteren optischen Bilder, welche die Augenmedien und Linsen entwerfen. Um diese L\u00fccke auszuf\u00fcllen, werde ich im Folgenden daran gehen, den Ort und die Beschaffenheit des prismatischen Bildes zu bestimmen, wenn auch diese Untersuchung nicht eigentlich in die physiologische Optik geh\u00f6rt. Wohl aber sind ihre Resultate wichtig f\u00fcr jeden, der reine prismatische Spectra hersteilen will.\nIm Allgemeinen sind homocentrische Strahlen, nachdem sie durch ein Prisma gebrochen worden sind, nicht mehr homocentrisch, sondern ein jedes unendlich d\u00fcnne Strahlenb\u00fcndel hat zwei Vereinigungsweiten der Strahlen, \u00e4hnlich wie es bei homocentrischen Strahlen der Fall ist, welche von ellipsoidischen Fl\u00e4chen, oder bei schiefem Einfall von Kugelfl\u00e4chen gebrochen sind L Um die Betrachtung dieser Verh\u00e4ltnisse zu erleichtern, will ich eine Form des Brechungsgesetzes benutzen, welche bald nach seiner Entdeckung durch Fermat aufgefunden wurde, und welche es namentlich f\u00fcr die Untersuchung solcher F\u00e4lle bequem macht, bei denen die einzelnen Theile desselben Strahls nicht alle in einer Ebene liegen.\nDefinition, Wenn ein Strahl durch verschiedene brechende Mittel hindurchgeht, und man die L\u00e4nge seines Weges in jedem einzelnen Mittel mit dem Brechungsverh\u00e4ltnisse dieses Mittels multiplicirt, und alle diese L\u00e4ngen addirt, so nenne ich die Summe die optische L\u00e4nge des Strahls.\nEs seien r1, r2, r3 u. s. w. die Wegl\u00e4ngen des Strahls im ersten, zweiten, dritten Mittel, und n,, \u00ab2, \u00ab3 die zugeh\u00f6rigen Brechungscoefficienten, so ist die optische L\u00e4nge W nach dieser Definition\n'Ls = n1ri 4- ra2 r2 \u25a0+\u2022 n3 r3 etc. -+- nm rm.\nNennen wir die Geschwindigkeit des Lichtes im leeren Raume c0, in dem ersten, zweiten, dritten u. s. w. brechenden Mittel dagegen c,, c2. c3, .so ist (nach \u00a7. 9, Seite 36)\n\nalso\nlF\n+ \u2014-\nl-C, C,\n+ etc. + \u2014\n'ml\nd-\nNenne ich nun t die Zeit, welche das Licht gebraucht, um vom Anfang bis zum Ende des hier betrachteten Weges zu gelangen, so ist\nalso\n\n!F\n-|- etc.\nC01,\nDie optische L\u00e4nge ist also proportional der Zeit, in der das Licht die L\u00e4nge des Strahls durchl\u00e4uft, und ist gleich dem Wege, welchen das Licht in derselben Zeit im leeren Raume zur\u00fcckgelegt haben w\u00fcrde.\nEs kann der Begriff der optischen L\u00e4nge auch angewendet werden auf den Fall, wo man den Strahl des letzten Mittels r\u00fcckw\u00e4rts verl\u00e4ngert denkt bis \u00fcber die Grenze des Mittels hinaus, etwa bis zu einem Punkte hin, wo ein potentielles Bild des leuchtenden Punktes sich befindet. Um die optische L\u00e4nge zwischen dem\n1 Siehe S. 142 u. 143. Die nun folgenden Theoreme k\u00f6nnen auch f\u00fcr das citirte Capitel von den monochromatischen Abweichungen des Auges verwendet werden.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\nBRF.CHUNG NICHT-HOMOCENTRISCHER STRAHLEN.\n239\nleuchtenden Punkte und seinem potentiellen Bilde zu bestimmen, verf\u00e4hrt man dann wie vorher, nur rechnet man die Entfernung vom Eintritt des Strahls in das letzte Mittel bis zu dem potentiellen Bilde gemessen negativ. Die hier folgenden analytischen S\u00e4tze werden dadurch nicht ge\u00e4ndert.\nI. Lehrsatz. Das Brechungsgesetz der Lichtstrahlen l\u00e4sst sich durch die Bedingung ausdr\u00fccken, dass die optische L\u00e4nge des Strahles zwischen einem ihm angeh\u00f6rigen Punkte im ersten und im zweiten Mittel ein Grenzwerth (Maximum oder Minimum) sein solle.\nDie beiden brechenden Mittel m\u00f6gen durch eine beliebig gestaltete Fl\u00e4che von continuirlicher Kr\u00fcmmung getrennt sein; das Coordinatensystem wollen wir so w\u00e4hlen, dass das Einfallsloth die Axe der : sei, die Gestalt der brechenden Fl\u00e4che sei gegeben, indem z als Function von x und y bestimmt ist. F\u00fcr den Einfallspunkt wird\nx = y = z \u2014 0,\n'!)\u2022\nFerner seien an bn c, die Coordinaten eines Punktes im einfallenden Strahle, a\u201e, b2, e, die eines Punktes im gebrochenen Strahle. Verbinden wir diese Punkte mit einem Punkte der brechenden Fl\u00e4che, dessen Coordinaten x, y, z sind, so ist die optische L\u00e4nge dieses Weges\n\u2022P = n, \u00ce '(a\u2014xf + (b\u2014tjf -I- (c,\u2014s)2 -+- n2 V{a \u2014xf -+- (b \u2014 yf -+- (c2\u2014s)2.\nDamit \u2018F, welches eine Function der unabh\u00e4ngigen Variablen x und y ist, ein Maximum oder Minimum werde, sind die ersten Bedingungen, welche hier schon gen\u00fcgend sind:\nd ' {\u2022\td\n-i\u2014 =\t\u00b0 ,\t-j-\t=\t(),\nd x\tdy\noder\n, dz\n\u0153_ai + (z_Ci)_\nK(a, \u2014 xf + (bt\u2014 yf + (Cj \u2014 zf\nx \u2014 a2 H- (s \u2014 c2)\ndz\ndx\ny \u2014 b 1 + (S \u2014 Cj\n\u2018 V(a2 \u2014 xf + (b2 \u2014 yf -+- (c2 \u2014 s)2|\ndz\n2).\n0 = \u00bb,\ndy\nK\u00ab, \u2014 a1)2 + (bt \u2014 yf + (Cj \u2014 s)2\n\u00bb\t.\t. dz\n?y_62 + (s_cj_\nV(a2 \u2014 xf -+- (bs \u2014 yf -+- (c2 \u2014 zfj\nF\u00fcr den Einfallspunkt des gebrochenen Strahls werden diese Gleichungen nach den in I gegebenen Bestimmungen\na,\ta.\n0\n0 == n\n1 V a\\ + b\\ -+- Cj\nb,\n,\t\u2014 H- \u2014\u2014\nlya\\ + b\\-hc\\ 21A\nVal H- b\\ + c\\\n2 a).","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nZWIJTl \u00df ABSCHNITT. DH. LEHRE SON BLN GLSiCHT.VLMP! INBINOE.N.\nWenn wir nun die\t<U-[ Punkte o,.\tb ,\tund 'J- . 7. r in der \"f:\nWeise durch i\u2019olareoordiriaten ausdriieken\t\t. d. h. setzen\n\tr, sin \u00ab, cos .7\to \u2014 ri sin cos 7 i\n\tr, sin \u00ab sin 7\tb. = r. sin </. sin n 2\t2\t2\t-l\n(\u25a0 3\trj cos \u00ab,\tr. = T. cos ff,\t'\nso verwandeln sieh\tdie Gleichungen 2 aj\tin folgende:\n\tw, sin\tCOS .7,\t\u2014 /< sin \u00ab, cos .7, i\n\tnt sin \u00ab, sin 7, =\t\u2014 \u00ab sin <o sin .>,,1\nBeide in das Quadrat erhoben und adGirt\t\t. geben\n\tn) sin\t\u2014\tn\u2018 sin \u25a0\u00ab,,.\nd. h.\t>/ ] sin \u00ab\t\u2014\t. ric \". sin\nEs passt hier nur das positive Zeichen,\t\tweil \u00ab, zwischen 0\u00b0 und 901\nnach der hier gew\u00e4hlten Bezeichnung zw\t\tischen 90\u00b0 und 180\u00b0 liegen\nsin u , sin \u00ab , sowie\tauch n und n immer positiv sind. Es ist also\t\n\tn] sin a, ~\t= rr sin \u00ab2\t\nund wenn man dies\tin die Gleichungen i bi einsetzt, erh\u00e4lt man\t\n\tcos .7.\t\u2014 cos\n\t-in ,7, \u2014\t- sin r>t,\nd. b.\t\t\n\tV, =\t.7, -L 180\u00b0\t\n2 b\naber\nalso\nJJie (ileichurif\u00ffen 4) um] 4 a), welche wir aus der Bedingung hergeleitet haben, dass die optische L\u00e4nge des Strahls ein Grenzwerth sei. sind aber identisch mit den beiden Bedingungen des Brechungsgesetzes. Es ist n\u00e4mlich, wie aus den Gleichungen 3| hervorgeht, der Brechungswinkel, .9, der Winkel, den die xz Ebene mit der Einfallsehene, .\u2018/2 der, den die xz Ebene mit der Breehuii\u00e4'sebene macht. Einfallsund Brechungsebene machen also mit einander einen Winkel von ISO\u201d, d. h. fallen in eine Ebene zusammen. Genau dieselbe Beweisf\u00fchrung passt auf das Problem der Spiegelung des Strahls an der bisher als brechend vorausgesetzten Fl\u00e4che. Man bat nur n, = n2 zu setzen, weil der Strahl in demselben Mittel bleibt, und i'2 ist wie zwischen 0 und 90\u00b0 zu nehmen. Dann werden die Gleichungen 4) und 4 a)\nsin u = sin u oder \u00ab =\n= if, -h 180,\nwelches die beiden Gesetze der Spiegelung eines Strahls sind.\nNachdem der aufgestellte Lehrsatz f\u00fcr eine brechende Fl\u00e4che erwiesen ist. l\u00e4sst er sich leicht auf beliebig viele ausdehnen. Wenn ein Lichtstrahl durch eine beliebige Anzahl von brechenden Mitteln hindurchgegangen ist, welche durch Fl\u00e4chen von conti nuirlicher Kr\u00fcmmung begrenzt sind, so l\u00e4sst sich sein Weg durch die Bedingung bestimmen, dass die optische L\u00e4nge des Strahls zwischen einem seiner Punkte im ersten und einem im letzten Mittel ein Grenzwerth (Maximum oder Minimum) ist.\nEs sei \u2018fJ die optische L\u00e4nge des Strahls, und es seien die Punkte der ersten brechenden Fl\u00e4che durch die Coordinaten x1 und y], die der zweiten durch x2 und die der mten durch xm und ym gegeben, und alle diese Coordinatensysteme m\u00f6gen so gelegt sein, dass ihre ^Axe mit dem Einfallsloth zusammenf\u00e4llt, die","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\nGEBROCHENE STRAHLEN SENKRECHT AUF DER WELLENFL\u00c4CHE.\n241\nxy Ebene die brechende Fl\u00e4che tangirt. Es sind die ersten Bedingungen des Grenzwerthes\ndW\t0,\tdW\ndeCj\t\t(ly,\nd F\t0,\td'F\ndx2\t\tdV,\n\tu.\ts. w.\nd'F\t0,\td lF\ndxm\t\tdy,n\nDie erste dieser Gleichungen ist nach dem eben bewiesenen Lehrs\u00e4tze identisch mit der Bedingung, dass der Strahl an der ersten Fl\u00e4che nach dem bekannten Brechungsgesetze gebrochen werde; die zweite sagt dasselbe f\u00fcr die zweite Fl\u00e4che, die wife f\u00fcr die \u00bbite. Also ist der Weg des Strahls durch die aufgestellte Bedingung genau ebenso bestimmt, wie durch das Brechungsgesetz.\nAuch in diesem Falle gen\u00fcgt die Untersuchung der ersten Differentialquotienten der optischen L\u00e4nge. Ob der Weg des Strahles f\u00fcr alle Verschiebungen der Einfallspunkte ein Maximum, oder f\u00fcr alle ein Minimum, oder f\u00fcr einige ein Maximum, f\u00fcr andere ein Minimum u. s. w. ist, h\u00e4ngt bekanntlich von den zweiten Differential-quotienten ab, kommt aber hier zun\u00e4chst nicht in Betracht, und es mag deshalb in der vorliegenden Untersuchung erlaubt sein, Grenzwerthe im Allgemeinen alle die Werthe der optischen L\u00e4nge des Strahls zu nennen, deren erste Diiferential-quotienten den f\u00fcr das Maximum und Minimum aufzustellenden Bedingungen entsprechen, ohne dass weiter nach dem Vorzeichen und der Gr\u00f6sse der zweiten Differentialquotienten gefragt wird. Welchen Einfluss bei unserer Untersuchung die zweiten Differentialquotienten haben, wird sich sp\u00e4ter zeigen.\nII. Wenn Lichtstrahlen von einem Punkte ausgegangen und durch beliebig viele Fl\u00e4chen von continuirlicher Kr\u00fcmmung gebrochen worden sind, stehen sie nach der letzten Brechung senkrecht auf jeder krummen Fl\u00e4che, f\u00fcr deren s\u00e4mmtliche Punkte die optische L\u00e4nge des Strahls einen constanten Werth hat.\nDie Bezeichnung bleibe dieselbe, wie bei der Verallgemeinerung des Satzes I. Der Endpunkt des Strahles liege in einer krummen Fl\u00e4che, f\u00fcr welche\nlF = Const.................................f).\nWir wollen die einzelnen Punkte dieser Fl\u00e4che durch dasselbe Coordinatensystem bestimmen, durch welches die Punkte der letzten brechenden Fl\u00e4che bestimmt sind, und f\u00fcr die Punkte der Fl\u00e4che lF = C setzen xm = a, ym = b, zm = c, und c als Function von a und b ansehen.\nWir wollen nun zwei gebrochene Strahlen betrachten, welche unendlich wenig von einander entfernt sind. Es seien die Coordinaten der Punkte, wo der erste die betreffenden Fl\u00e4chen trifft\nyi> Vi etc. xm, ym, a, b, c,\ndie des zweiten\nx1-\\-Jxi, y1J-Jy1, cc2-+-^/cc2,\t4- Jy^ etc.\nxm \u2022+\u2022 Jxm, ym + Jy,n, a \"l- Ja, b -t- /1b, c -4- J c, wobei wir zu setzen haben, weil c eine Function von a und b ist,\nJe\nde\nda\nJa -F\ndc\ndb\nJb.\nEncyklop. (1. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\n16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 19.\nDie optische L\u00e4nge des ersten Strahls sei P, die des zweiten P -f- /j P, so ist f\u00fcr unendlich kleine Werthe der Aenderungen\nP -h J P = P -4-\ndP\ndx,\nJx,\nd p dx\u201e\nJx. etc. -+-\ndP .\n+ di/y' +\ndP .\t,\t, d P ,\n-Jyt^WmJyn\nd P .\ni\tOCfi\ndxm (dlF V da d_P db\n+\nd P de de da u dP de de\n| J a\nnV*\nDa nun der Werth von lP in der Fl\u00e4che, deren Punkte durch die Coordinaten a, b und c gegeben sind, constant sein soll, so folgt, dass\nJP = 0\nund da ferner nach dem vorigen Lehrs\u00e4tze\nso folgt\ndP dP dP d P\ndxl\tdijj\tdx2\tdy2\nIdP dP dc\\ . (dP \\da\tde da)\t1,^6\ndP\nde\nd c db\njjb =\n0,\nwelche Gleichung f\u00fcr alle beliebigen Werthe\nfolgt, dass einzeln:\ndP\tdP\tde\nda\tde\tda\ndP\tdP\tde\n\u2014r\u00bb\u2014 \u201c1\u2014\t\t\ndb\tde\td b\nJ a\nvon \u2014\u2014 g\u00fcltig sein muss,\nZI 0\nworaus\n2)\nNennen wir nun r0, r1 etc. rm die Wegl\u00e4ngen des Strahls in den verschiedenen brechenden Medien, n0, nt etc. nm die Brechungs Verh\u00e4ltnisse, so ist\nP = na r0 -+- n, r, etc. + nm rm.\nHierin ist nur rm abh\u00e4ngig von a, b und c. folglich\ndP ___ d rm\nd a\tm da\ndP _\t(t rm\ndb ~ n,n db \u2014 dP\tdrm\nde\tde\nMm\nU--Xm\nrm\nnm\nb\u2014ym\nrm\nso verwandeln sich endlich die Gleichungen 2) in\nclc\t\\\n(a\u2014xm) -+- (c \u2014 Z-m) \u2014 = 0\n(b \u2014 ym) -1- (C \u2014 zm) ~ = 0 j\nwelche bedeuten, dass o, 6, c der Fusspunkt einer vom Punkt xm, die Fl\u00e4che P = C gef\u00e4llten Normale ist.\n2 a),\n1/m, \"m auf","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\nDOPPELTE VEREINIGUNGSPUNKTE NICHT-HOMOCENTRISCHER STRAHLEN.\n243\nDass dies so sei, ergiebt sich am einfachsten, wenn man bedenkt, dass die Normale selbst ein Maximum oder Minimum der Entfernung zwischen dem Punkte, von dem man sie f\u00e4llt, und der krummen Fl\u00e4che ist. Es ist aber die Entfernung rm zwischen dem Punkte xm, ym, zm und dem Punkte a, b, c der Fl\u00e4che\nJ\u2019m \u2014 V(xm-ay + (ym\u2014bf H- (zm\u2014 c)2 ; um sie zu einem Maximum oder Minimum zu machen, muss man setzen\n___ drm\td vfi\u00bb\tde\ta\u2014xm !\tde\te zm\nda\tde\td a\tf'm\tda\tI'm\ndrm\td vm\td c\tb \u2014 y,n ,\tde\tc zm\ndb\tde\td a\t\u2014 1 rm\tdb\tY m\nwelche mit den Gleichungen 2 a) identisch sind.\nDer durch den Punkt a, b, c gehende Strahl ist also eine Normale auf der durch denselben Punkt gehenden Fl\u00e4che W \u2014 C.\nDa das Licht gleiche optische L\u00e4ngen in gleicher Zeit zur\u00fccklegt, so gelangt es auch in gleicher Zeit von dem leuchtenden Punkte zu allen Punkten der Fl\u00e4che lF = C, und diese ist daher eine Wellenfl\u00e4che, d. h. sie geht durch alle diejenigen Punkte, in denen die gleiche Phase der Aetherschwingung stattfmdet.\nBestimmung des Verlaufs eines unendlich d\u00fcnnen Strahlenb\u00fcndels. Nachdem bewiesen worden ist, dass es eine krumme Fl\u00e4che giebt, die Wellenfl\u00e4che, auf welcher alle durch Brechung in beliebigen Fl\u00e4chen von continuirlicher Kr\u00fcmmung aus homocentrischem Licht entstandenen Strahlen senkrecht stehen, folgt auch, dass f\u00fcr die gebrochenen Lichtstrahlen die S\u00e4tze gelten, welche f\u00fcr die Normalen krummer Fl\u00e4chen bekannt sind. Denken wir uns also durch einen beliebig gew\u00e4hlten Strahl A eine Ebene gelegt, welche die Wellenfl\u00e4che in einer Curve schneidet, und die Ebene um den Strahl gedreht, so wird die Schnittlinie im Allgemeinen, da wo sie den Strahl A schneidet, verschiedene Kr\u00fcmmung zeigen, und zwar wird die Ebene der gr\u00f6ssten Kr\u00fcmmung der Schnittlinie senkrecht stehen auf der Ebene ihrer kleinsten Kr\u00fcmmung. Errichtet man nun in den Punkten der Wellenfl\u00e4che, welche dem Strahle A unendlich nahe sind, Normalen, welche also benachbarten Strahlen entsprechen, so schneiden diejenigen, deren Fusspunkte in der Linie gr\u00f6sster oder kleinster Kr\u00fcmmung liegen, den Strahl A in dem Mittelpunkte bez\u00fcglich des gr\u00f6ssten oder kleinsten Kr\u00fcmmungskreises, die dagegen, deren Fusspunkte weder in der Linie gr\u00f6sster noch kleinster Kr\u00fcmmung liegen, schneiden den Strahl A gar nicht. Auf jedem Strahle giebt es also im Allgemeinen zwei Brennpunkte, in denen er von benachbarten Strahlen geschnitten wird, welche den Mittelpunkten der gr\u00f6ssten und kleinsten Kr\u00fcmmung der Wellenfl\u00e4che im Fusspunkte des Strahls entsprechen. Nur wenn beide Punkte in einen zusammenr\u00fccken, d. h. die Kr\u00fcmmung der Wellenfl\u00e4che im Fusspunkte des Strahls nach allen Richtungen hin gleich gross wird, wird der Strahl A von allen ihm unendlich nahen Strahlen in einem Punkte geschnitten.\nUm diese S\u00e4tze analytisch darzustellen, wollen wir ein Coordinatensystem benutzen, dessen z Axe mit dem Strahle A zusammenf\u00e4llt. F\u00fcr die einzelnen Punkte der Wellenfl\u00e4che setzen wir\nx = a, y \u2014 b, z = c.\nDie Fl\u00e4che sei gegeben dadurch, dass c als Function von a und b gegeben ist. Nach der Annahme \u00fcber die Lage des Coordinatensystems ist f\u00fcr\n16","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDl'NGEN.\n\u00a7. 19.\na = b = 0\nauch\nde\nda\nde\nTb\n0 .\n11.\nWenn x, y, z die Coordinaten eines Punktes der in a, b, e auf der Wellenfl\u00e4che errichteten Normale bezeichnen, haben wir, wie in Lehrsatz II Gleichung 2a:\nd e\ti\n(a-x)-h(c-z) \u2014 = 0 da\tI\n(b-y) + (c \u2014 z) ~ = 0^\nSetzt man f\u00fcr a und b die unendlich wenig davon verschiedenen Gr\u00f6ssen a b -4- Jb, so werden die Gleichungen la)\nd c\n/ta + - z7b \u2014 -'\nd a\tdb\n((Pc , dlc.\nJa.\n(a -d- Ja \u2014 x)\n(c\n:> da\n-+-\n.\ta c .\n(c \u2014 : j 1-jsJa\nV da\nda db\nJb\n0\n, de .\t~ de ,,\n(b -\\- Jb \u2014 y) -+- fc -I- \u2014 Ja -+- \u2014 J b\nda\tdb\nd c\nTb\n.\t, / d'2e . cP c \\\n{c~z) \\\u00fcTdbJu + WJb) \u2014 \u00b0-\nde\tde\nSetzen wir hierin a \u2014 b = 0 und nach 1 ) auch \u2014 = \u2014 = 0. so erhalten\nda\tdb\nwir die Gleichungen einer Normale, die dem Strahl A unendlich nahe die Wellenfl\u00e4che in dem durch die Coordinaten Ja und Jb gegebenen Punkte schneidet, n\u00e4mlich\n.\t, ,\t, IcPe\tdPc\nJa-cc + (c-z) Ja\nda \u25a0 db\nJb-\n-y\n(c\nc~z)i\ncP f\nda \u25a0 db\nJ a -f-\n(P c te. d\u00a5Jb\n') = \u00b0l\n) = o(\nF\u00fcr alle Punkte des Strahles A ist gleichzeitig x = y = 0. Soll A also von dem Strahle geschnitten werden, dessen Weg durch die Gleichungen 2) gegeben ist. so muss auch in diesen f\u00fcr irgend einen Werth von z gleichzeitig x = y = 0 werden. Setzen wdr nun in ihnen x = y = 0 und eliminiren z, so bleibt als Bedingung f\u00fcr die M\u00f6glichkeit des Schneidens:\ncPc\nda \u25a0 db\nJa?\n( cP c\nT\u00a5\nrf2c\\\ndu?)\nJa Jb\ncP c\nda \u25a0 db\nJ \u00a5\n0 .... 3).\nNennen wir die unendlich kleine Entfernung der Fusspunkte der beiden Normalen r und den Winkel, den sie mit der x Axe macht. \u00ab, welches also zwischen 0 und n liegen muss, so ist\nJ a = r cos u, Jb \u2014 r sin u.\nSetzen wir ausserdem\n2 n\nd\u2018c d?e\nT\u00a5~~T\u00a5\nd?e\nda \u25a0 db","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\nDOPPELTE VEREINIGUNGSPUNKTE NICHT-HOMOCENTRISCHER STRAHLEN.\n245\nso wird die Gleichung 3) vorausgesetzt, dass\n<fc\nda \u25a0 db\nnicht gleich Null ist,\nalso\ntang 2 a \u2014 %n tang a\n\\\n................3a)>\ntang\u00ab = n\u00b1y\\ + n*..................................3b).\nDie beiden Werthe von tang \u00ab, welche jedenfalls reell sind, kann man auch schreiben\n1\nn -f- 'J/'l + \u00ab2 und\nn -f- J/T\nWenn also \u00ab0 der eine entsprechende Werth von a ist, ist a \u2014 oder a----------------\u2014'\n2 2\nder andere. Die beiden Winkel sind um einen Rechten unterschieden. Die Gr\u00f6sse r, die den Abstand der Normalen in der Wellenfl\u00e4che bezeichnet, verschwindet aus der Gleichung 3 a). Es wird also der Strahl A geschnitten von allen unendlich nahen Strahlen, welche in Ebenen liegen, die mit der x Axe die Winkel u und n\n\u00ab\u201e H-----bilden.\nBisher war die Lage der x und y Axe willk\u00fchrlich in der auf den Strahl A senkrechten Ebene. Zur Vereinfachung wollen wir sie jetzt so gelegt denken, dass sie mit den Ebenen der schneidenden Strahlen zusammenfallen, was jedenfalls ausf\u00fchrbar sein muss. Es m\u00fcssen dann die beiden Werthe von tang \u00ab werden 0 und oo, dies bedingt, dass\nn = -I- oo\nund\nda \u25a0 db\nIn der That, wenn wir die letztere Bedingung erf\u00fcllt denken, reducirt sich die Bedingung des Schneidens, Gleichung 3) auf\n<fc\n,r/62\nd c\\ .\n-y-sl J a Jb \u2014 0, da\nwelche erf\u00fcllt wird durch die Annahme, dass entweder Ja\u2014 0 oder Jb \u2014 0, dass also die schneidenden Normalen entweder in der y z Ebene oder in der xz Ebene liegen. Ist endlich gleichzeitig auch noch\nd2 c\td2 c \nso ist die Bedingung des Schneidens f\u00fcr alle beliebigen unendlich kleinen Werthe von Ja und Jb erf\u00fcllt, es schneiden also alle unendlich nahen Normalen den\nG?2 C\nStrahl A. Indem wir weiter die Annahme \u2014\u2014\u2014 = 0 festhalten, und dann\nda ab\nentweder Ja\u2014 0 oder\tJb\t= 0 setzen, finden wir, wie oben\tbemerkt\twurde,\ndie Entfernung z, in der\tdie\tbenachbarten Strahlen den der 3 Axe\tparallelen\tStrahl\nschneiden, indem wir in\tden\tGleichungen 2) x = y\u20140 setzen.\nF\u00fcr die Strahlen in\tder\txz Ebene ist Jb = 0, und es folgt aus der\tersten\nder Gleichungen 2) f\u00fcr s\u2014c, die Entfernung des Schneidepunkts von der Wellcn-fl\u00e4che:","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. <9.\nda2\nDie zweite Gleichung wird 0 = 0. F\u00fcr die Strahlen in der y z Ebene ist J a. = 0 und\n1\ndb2\n\u2014- = \u2014, so ist f\u00fcr alle benachbarte Strahlen ohne db\tp\nZ--C = Q.\nUebrigens sind in diesem Falle die xz und ysEbene auch die Ebenen gr\u00f6sster und kleinster Kr\u00fcmmung, und die Werthe der entsprechenden Kr\u00fcmmungsradien pu und \u00ffb sind\nI\t__\t!\nPa \u2014 dre, \u00c7b \u2014 \u00e6c\u2019 cl a2\td b2\nd~ c\nWenn endlich \u20145 = da\nUnterschied\nso dass also die Brennpunkte auch mit den Kr\u00fcmmungsmittelpunkten der Wellenfl\u00e4che zusammenfallen.\nForm eines unendlich d\u00fcnnen kreisf\u00f6rmigen Strahlenb\u00fcndels. Um eine deutlichere Vorstellung von dem Verlauf der Strahlen in einem unendlich d\u00fcnnen B\u00fcndel zu erhalten, wollen wir die Form eines Strahlenb\u00fcndels betrachten, dessen Basis in der Wellenfl\u00e4che eine Kreislinie ist. Wir setzen also in den Gleichungen 2) wie vorher\nQp Q\n\u2014----, , = 0 und Ja \u2014 r eus \u00ab, Jb \u2014 r sin a\nda \u25a0 db\nund erhalten aus den Gleichungen 2)\nr cos \u00ab \u2014 x (c\u2014s)\nr sin u \u2014 y -f- (c\u2014z)\ncP c dcP cP c d\u00a5\nr COS a\nr sin \u00ab\n0\n0.\nUm die Schnittlinie der Oberfl\u00e4che des B\u00fcndels mit einer auf der Axe des B\u00fcndels senkrechten Ebene zu erhalten, m\u00fcssen wir : constant setzen und den Winkel a eliminiren. Setzen wir zur Abk\u00fcrzung\nso erhalten wir\nxl\nf\n1.\n+\n+\nr\n[?a \u201cF\" C \u2014 3]\nr\n[P6 + C\u2014 = ]-\nDies ist die Gleichung einer Ellipse, deren Axen von der L\u00e4nge 2p und 2q den Axen der x und y parallel liegen. Beide Axen der Ellipse sind kleiner, wenn r kleiner ist; f\u00fcllt das Strahlenb\u00fcndel also in der ersten Wellenfl\u00e4che nicht blos eine","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 19-\nDOPPELTE VEREINIGUNGSPUNKTE NICHT - HOMOCENTRISCHER STRAHLEN.\n247\nKreislinie, sondern eine Kreisfl\u00e4che an, so bleiben s\u00e4mmtliche Strahlen doch innerhalb des Raums, den die \u00e4usseren Strahlen begrenzen, eingeschlossen, und die letzteren bestimmen mithin die Gestalt des B\u00fcndels. In der Wellenfl\u00e4che, von der wir ausgingen, selbst ist c\u2014 z = 0, also die Axen p \u2014 q = r, der Querschnitt ein Kreis. Die Axe p wird gleich Null, wenn\nS~C = Wc =\nda2\nwenn also der Querschnitt des B\u00fcndels durch die Brennpunkte der Strahlen in der x z Ebene gelegt wird. Ebenda ist die andere Halbaxe\nq = \u00b1 \u2014 (pa + <*&)\u2022\nQb\nDer Querschnitt des B\u00fcndels ist alsdann eine der y Axe parallele gerade Linie, deren L\u00e4nge gleich dem eben angegebenen Werthe von q ist.\nDagegen wird der Querschnitt des B\u00fcndels eine der xAxe parallele gerade Linie, wenn\n1\ndb'-\nq \u2014 o, p = \u00b1 \u2014 (Pa -4- Pb).\nPa\nEndlich giebt es noch eine zweite Stelle, wo der Querschnitt des Strahlenb\u00fcndels ein Kreis ist, wo n\u00e4mlich\nv = \u2014 q\ndaselbst wird\nC---3\nC---3\nPa\tQb\n \t3 Pa Pb\nPa + P b\nPa Pb Pa + P b\nZwischen den beiden kreisf\u00f6rmigen Querschnitten des B\u00fcndels muss einer der linienf\u00f6rmigen Querschnitte liegen. Dieser Linie sind die gr\u00f6sseren Axen der elliptischen Querschnitte parallel, welche zwischen den beiden kreisf\u00f6rmigen angelegt werden, w\u00e4hrend die grossen Axen der ausserhalb dieses Zwischenraums liegenden senkrecht dagegen gestellt sind. In Fig. 408 bezeichnet die Linie cd den mittleren\nStrahl, in c cl__________________________,__________________________________\u00a3-----d\nist ein kreisf\u00f6rmiges Diaphragma angenommen, in a und 6 die Brennpunkte.\tIuj' l08'\nUnter der Linie sind die Querschnitte des B\u00fcndels, welche den dar\u00fcber liegenden Punkten der Linie entsprechen, abgebildet.\n!\nI","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 -19.\nAllgemeine analytische Bedingung f\u00fcr die Lage der Brennpunkte.\nWir wollen die optische L\u00e4nge zweier unendlich naher Strahlen A und B von ihrem gemeinsamen Ausgangspunkte an bis zu einem Brennpunkte hin, wo sie nach beliebig vielen Brechungen an beliebigen brechenden Fl\u00e4chen von continuirlicher Kr\u00fcmmung wieder Zusammentreffen, W und W-\\-JW nennen. Die Coordinaten-systeme, nach denen wir die Punkte in den einzelnen brechenden Fl\u00e4chen bestimmen, werden wieder so gedacht, dass ihre :Axe mit den dem Strahle A ange-h\u00f6rigen Einfallslothen zusammenf\u00e4llt, und ihre xy Ebene die brechende Fl\u00e4che tangirt. Die Coordinaten der Einfallspunkte des Strahles B seien in der ersten Fl\u00e4che 2/j, z,, in der zweiten \u00e6s, y2, z2 u. s. w., in der mten xm, ym, zm. Es wird indessen im Folgenden vorausgesetzt, dass die optischen L\u00e4ngen ausgedr\u00fcckt sind als Function der x und y allein, und die z, welche selbst wieder Functionen von x und y sind, aus diesen Werthen eliminirt sind; da \u00fcbrigens die Strahlen A und B unendlich nahe sein sollen, werden die Gr\u00f6ssen oc1, y, bis xm, ym als unendlich klein betrachtet.\nNach dem TaYr.oirsehen Satze ist alsdann\nW -h JW\nW\ndW\nd^X' 4\nclW\ndW\ndx.\nx\u201e\netc.\n' Xn |\ndiy,\n\ndW\n+ dy>lh\ndW\ndx,\nd W\nCtC- +\nEs m\u00fcssen nun beide Strahlen den im ersten Lehrs\u00e4tze ausgesprochenen Bedingungen gen\u00fcgen, d. h. die ersten DifFerentialquotienten von W und von \u2018F-f- z/ W nach x,, yx, xt, y2 etc. xm, ym genommen m\u00fcssen gleich 0 sein. Dies giebt f\u00fcr den ersten Strahl\n(iw\to ,\t(iw\tdW\ndx,\t\t\tetc. - ,\u2014 = 0 Cl OCm\ndW\t0,\tdW\tdW\ndy, ~\t\t-T~ = - 0 dy 2\tetc. -\u2014 = 0 dym\nund mit Ber\u00fccksichtigung dieser Gleichungen f\u00fcr den zweiten Strahl folgendes System von Gleichungen\nx,\ncP W dx\\\ncPW\ndy, dxj X1 <P W\ndxmdx} 1 d2 W\ndym dx, x'\ncPW dx, dy,\ncPW\ndv\\\ndilF cl oo m cl y1\ndym dy,\n\n\u00ff.\n1- etc. \u2022\n+- etc.\netc. 4- etc.\nf- etc. \u25a0\ncP W dxj dx,;\ncPW\ndy} dxm\ncPW dx'm cPW cly m d x,\n00 ni\nOCm\nOO'm |\u2014\n\u2018 OC)t\nd2lF\ndx,\tdy\u201e\ncPW\ndy,\tdym\ncPW dxm d y,\ncPW\ndym\n\u25a0Vm\nVm\n,4).\n\u25a0ym \u2014 o\nym\n0\nDie Anzahl der Glieder in diesen Gleichungen vermindert sich \u00fcbrigens dadurch\ncP W\tcPW\t(PW\nbetr\u00e4chtlich, dass \u2014------\u2014 und --------\u2014 und \u2014------\u2014 gleich Null werden, so oft\ndxfdxg\tdxfdijg\tdyfdyg\ndie Indices f und g um mehr als Eins verschieden sind.\nDie Zahl unserer Gleichungen ist 2 m und sie enthalten 2m Unbekannte x,, y, bis xm, Da indessen nicht alle diese Unbekannten gleich Null werden d\u00fcrfen","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 -19.\nBRECHUNG IM PRISMA.\n249\n(der Strahl B soll ja von A unterschieden sein), so kann man alle Gleichungen durch eine der Unbekannten xi, welche nicht Null wird, dividiren, und die (2 m\u2014/) anderen Unbekannten dividirt durch Xi als neue Unbekannte betrachten. Dann hat man 2m Gleichungen mit 2m\u20144 Unbekannten, so dass, wenn man die letzteren eliminirt, noch eine Gleichung \u00fcbrig bleibt, in welcher die Gr\u00f6ssen xt, y1 bis xm, ym nicht mehr Vorkommen, sondern nur noch die partiellen zweiten Differentialquotienten von W. Diese letzte Eliminationsgleichung, in welcher die Determinante der Gleichungen 4) gleich Null gesetzt wird, ist die gesuchte Gleichung f\u00fcr die Lage der Brennpunkte.\nDie Determinante der Gleichungen 4) ist nach bekannten Regeln 1 leicht zu bilden. Sie ist eine Summe von Gliedern, deren erstes das Product:\n'F (TW d'1 \u2018P\td2W\td2 W\n-r--------- \u2022 ----- . ___________ 0\"tiC __________ \u2022 _________ \u2022\ndxt \u25a0 dx, dy, dy, dx2 \u25a0 dx2 ' dxm \u25a0 dxm dym \u25a0 dym\nDie \u00fcbrigen Glieder der Summe erh\u00e4lt man, indem man in den Nennern der Differentialquotienten, welche Producte je zweier Factoren sind, alle ersten Factoren unver\u00e4ndert l\u00e4sst, mit den zweiten aber alle m\u00f6glichen Variationen bildet, und so oft man dabei zwei dieser Factoren mit einander vertauscht, auch das Vorzeichen des Gliedes wechseln l\u00e4sst.\nNach der Bezeichnungsweise der Variationsrechnung ausgedr\u00fcckt, wird also die Lage eines Strahls gefunden zwischen seinem Anfangs- und Endpunkt durch die Bedingung, dass die erste Variation seiner optischen L\u00e4nge gleich Null sei. Und sein Anfangs- und Endpunkt sind zusammengeh\u00f6rige Brennpunkte, wenn die zweite Variation der optischen L\u00e4nge auch gleich Null gemacht werden kann. Im letzteren Falle ist diese L\u00e4nge nicht nothwendig ein Maximum oder Minimum.\nBrechung im Prisma.\nWir denken die Lage des leuchtenden Punktes durch drei rechtwinkelige Coor-dinaten a, b, c gegeben, so dass die Axe der c mit der brechenden Kante, die Ebene der bc mit der ersten brechenden Fl\u00e4che zusammenf\u00e4llt, und die positiven a ausserhalb des Prisma liegen. F\u00fcr den Einfallspunkt des Strahles auf dieser Fl\u00e4che sei a = 0, 6 = y, c = z. Ebenso denken wir einen Punkt des aus dem Prisma getretenen Strahls durch drei rechtwinkelige Coordinaten u, \u00df, y gegeben, die einem zweiten Systeme angeh\u00f6ren, dessen y Axe wieder mit der brechenden Kante, dessen \u00dfy Ebene aber mit der zweiten brechenden Fl\u00e4che zusammenf\u00e4llt, und dessen positive a ebenfalls ausserhalb des Prisma liegen. 'Die y sollen von demselben Punkte der Kante ab gemessen werden wie die c, so dass also die ab Fl\u00e4che des ersten. Systems mit der a \u00df Fl\u00e4che des zweiten identisch ist. F\u00fcr den Austrittspunkt des Strahles aus dem Prisma sei a= 0, \u00df = v, y \u2014 \u00c7. Der brechende Winkel des Prisma sei cp, das Brechungsverh\u00e4ltniss der Substanz des Prisma gegen das \u00e4ussere Medium sei n. Die L\u00e4nge des Strahls vor dem Prisma sei r0, die im Prisma r,, hinter dem Prisma r\u00e4, die optische L\u00e4nge des ganzen Strahls W, so ist\nro = 1/a2 -+- (b \u2014 yf + (c \u2014 zf\nri \u2014 V\u00efT\u2014%yv cos<f -+- v2\t(s\u2014Q2\nr2 = yu2 + (\u00df\u2014 vT + (y\u2014 w\nlIs = r0 + nt\\ -+- r2\n1 S. Jacobi in Crelle\u2019s Journ. f\u00fcr Math. XXII.","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 19.\nWenn wir die Coordinaten des ersten Systems in denen des zweiten ausdr\u00fccken, so ist\na = \u2014 a cos y \u25a0\u2014 b sin y )\n\u00df \u2014 \u2014 a sin y -+- b cosy >........................5 a).\nY = c-\tJ\nNach Lehrsatz I. sind f\u00fcr den Strahl, wenn er nach dem Brechungsgesetze gebrochen sein soll, folgende Bedingungen zu erf\u00fcllen:\ny \u2014 b y \u2014 v cos y ^\ndW __ v \u2014 j dv ~ r2\ndV _ s\u2014 ,\ndz\tr.\nv \u25a0\u2014 y cos y\ndW t \u2014 y \u00c7-0 = \u2014 = -------------------- -I- n?\nd'\u00c7\tr2\nWenden wir folgende Bezeichnung an\nb \u2014 y y \u2014 v cos y n r\u201e\tr.\n\u2014 cos m\n\u00df \u2014 v v \u2014 y cos y r\t\u2014 -------------\u2014 = COS /i\nn r.\nl-Y\n-\u00c7\nCOS v\n6).\n6 a),\nnr\u201e\trt\t'\nwobei sich ergiebt\nsin 2y sin 2r \u2014 cos 2tn 2 cos m cos cos y -+- cos V\u00ab\n\u25a0 . 6b),\nund bilden wir mit Benutzung dieser .Bezeichnung die zweiten Differentialquotienten von W, so wird das System der Gleichungen 4), welche die Lage der Brennpunkte und die Verh\u00e4ltnisse der unendlich kleinen Differenzen Ay, Az, Av, A\u00a3 beziehlich der Coordinaten y, z, v und \u00a3 je zweier benachbarter und sich in conjugirten Brennpunkten schneidender Strahlen ergeben, folgendes:\n| -- ( I\u2014ril cos 2m) -\n\tn\n\t\ncos m cos v Az\nn ,\tn\tfr\tr\\\n---\u2014 (cosy -j- cosm cos\u00ab) Av -\\----cos m cos v Ai, \u2014 0\nin2\tn)\tri\n\u2014 I--------1---cos m cos v A y -4- I \u2014 (1 \u2014\n\\ro\tr\\'\t1-1*0\nn2 cos2i) \u2014 sin2<) I Az j\n7 a)\nb)\nn\t. n . \u201e\n\u2014 cos\u00ab cos v Av-------sin v AL\nV\tv\n1 ' 1","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\nBRECHUNG IM PRISMA.\n251\n\u2014 (cos q. -+- cos m cos/.i) Jy-----------------\u2014 cos y cos v dz\n1 i\t^*1\n1 J -'- (1 \u2014n2 cos2//) -+- -- sin 2//J dv -|-\t-1- cos,\u00ab cosr dt = 0 ^\ncos /// cos v dy\nI n2 n \\\n+ (- + -)\nsin 2c ^/:\nCOS// COS V dv -+-\t(1 \u2014IV COsV)\n- sin2/l dt -\n\\ 1\n\\U).\nIm Allgemeinen werden wir r, die L\u00e4nge des Wegs, den die Strahlen im Prisma zur\u00fccklegen, vernachl\u00e4ssigen k\u00f6nnen gegen die Wege ausserhalb des Prisma rg und rr Multipliciren wir die vier Gleichungen mit r1 und vernachl\u00e4ssigen dann die t\tr\nmit \u2014 oder \u2014 multiplicirten Glieder als unendlich klein, so erhalten wir folgende\nT\tT\n0 2\ndrei Gleichungen [7b) und 7d) geben zwei identische Gleichungen]\nsin 2m dy \u2014 (cos -+- cos rn cos u) dv \u2014 cos m cos v (dz \u2014 J\u00c7) \u2014 0 )\n\u2014\tcos m cos v dy \u2014 cos /.i cos v dv -4- sin 2v {dz \u2014 dt) = 0 > . . . 8).\n\u2014\t(cos cp \u2014|- cos rn cos// ) d y \u2014|\u2014 sin 2/t d v \u2014 cos/\u00bb cosr (. Jz \u2014 dt) \u2014 0)\nVon diesen drei Gleichungen folgt aber wieder eine aus den beiden andern, so dass sie sich nach Elimination von (dz \u2014 dt) oder von dv reduciren auf folgende beide :\noder\nund\noder\n(cos fi \u2014I\u2014 cos vi cos y ) dy \u2014 (cos m -4- cos y cos <f ) dv \\\ndy dv\t|\ny ~ v\t1\n. . 8a)\n(dz \u2014 dt) (cos m -f- cos iu cos <fj) = cos v sin V/i dy j\ndz \u2014dt _ dy_ _ dv\t|\ns \u2014 'C \u2014 y ~~ v\ti\nDiese beiden Gleichungen sind nur die Bedingungen daf\u00fcr, dass die beiden Strahlen auf ihrem unendlich kurzen Wege durch das Prisma als merklich parallel angesehen werden k\u00f6nnen, was selbstverst\u00e4ndlich der Fall sein muss, wenn ihre Convergenz-punkte im Vergleich zu ihrem Wege im Prisma unendlich weit entfernt sind.\nSo haben wir zun\u00e4chst zwei der unbekannten Gr\u00f6ssen dv und d't durch die beiden\tanderen\tJy und\tdz ausgedr\u00fcckt.\tWir\tm\u00fcssen\tuns nun aus den Gleichungen 7)\tdurch Elimination\tzwei neue Gleichungen\tbilden,\twelche die verschwindende\ndz r2\nGr\u00f6sse\tr, nicht\tmehr enthalten, und aus\twelchen wir\tdie Verh\u00e4ltnisse \u2014 und \u2014\n1\t\u2019\td v r0\nbestimmen k\u00f6nnen.\nEine solche Gleichung erhalten wir, indem wir 7b) und 7 d) addiren:","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 19.\nUm die zweite zu erhalten, multipliciren wir die Gleichung 7 a) mit\ny \u2014 -t-At- (cos m + cos fi cos cp), J sin lcp\ndie Gleichung 7 c) mit\nv \u2014 \u2014\u2014 (cos u + cos in cos w), sin f\ndie Gleichung 7b) mit\n^ \u2014 \u00c7 = r, cos v\nund addiren die drei Gleichungen, so fallen die Glieder s\u00e4mmtlich heraus, welche mit \u2014 multiplicirt sind, und wir erhalten:\n)( I \u2014 n2 cos 2m) Jy \u2014\u25a0 n2 cos m cos v Jz\\\n3----\u00c7 (\n- n2 cos m cos v J y -+- ( I \u2014 n2 cos V) Jz ... 8 d).\n-h \u2014\t\u2014 n2 cos 2u) Jv -f- n2 cos /.i cos v \u2014 0\nWenn man aus 8 a) und 8 b) die Werthe von /1v und z/\u00c7 in Jy und Jz ausgedr\u00fcckt nimmt, und sie in 8c) und 8d) substituirt, erh\u00e4lt man zwei Gleichungen,\nwelche die unbekannten Gr\u00f6ssen \u2014\u2014 und \u2014 enthalten. Eliminirt man eine von\n4y ro\nihnen, so erh\u00e4lt man f\u00fcr die andere eine quadratische Gleichung, welche je zwei Werthe liefert. Da man so f\u00fcr jede Combination beliebig gew\u00e4hlter Werthe der\nT\nWinkel m, u, v einen oder zwei bestimmte Zahlenwerthe des Verh\u00e4ltnisses \u2014 r\tr\no\nbekommt, so ist f\u00fcr jede gegebene Richtung des Strahlenb\u00fcndels r2 proportional r0, wenn dieses sich \u00e4ndert. Wird r0 unendlich gross, so wird es auch rr Die Eliminationsgleichungen hier hinzuschreiben, ist nicht n\u00f6thig. Wir wollen nur die besonderen F\u00e4lle untersuchen, welche uns f\u00fcr die Versuche interessiren.\nZuerst untersuchen wir, in welchen F\u00e4llen homocentrisches Licht nach der Brechung im Prisma homocentrisch bleibt. Wenn sich alle Strahlen schneiden sollen, welche vom leuchtenden Punkte ausgegangen sind, so m\u00fcssen die Bedingungen des Schneidens 8c) und 8d) erf\u00fcllt sein, welches auch die Werthe von Jy und Jz sein m\u00f6gen, die man w\u00e4hlt. Man kann also jede dieser Gr\u00f6ssen f\u00fcr sich gleich 0 setzen, und erh\u00e4lt dadurch folgende Bedingungen.\nI) Wenn man in 8c) Jy \u2014 0 setzt, wobei auch nach 8a) und 8 b) Jv~ 0 und J \u00c7 = Jz\n--h \u2014I (1 \u2014n2 COS2r) = 0..........................9 a).\nV ? 0\tUj/\nDa nun nach 6a) n cos v = ----------, so kann der zweite Factor dieser Gleichung nur\nro\ngleich Null werden, wenn r \u2014 c \u2014 z, wenn also der Lichtstrahl die brechende Fl\u00e4che streifte, wobei er nicht eindringen w\u00fcrde. Es muss also der erste Factor von 9a) gleich Null sein, d. h.\nr.","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\nHOMOCENTRICIT\u00c4T IM PRISMA.\n253\n2)\tWenn man in 8 d) /tz z=. 0 setzt, und r2 = \u2014r0, so wird\n0 = (1 + n2 sin 2v \u25a0+\u25a0 n2 cos 2v) (cos 2m \u2014 cos 2//).\nDer erste Factor ist t \u2014j\u2014 n2, also nie gleich Null, daraus folgt\ncos?\u00bb = \u00b1 cos ft...............................9 b).\n3)\tWenn man entweder in 8c) Jz = 0, oder in 8 d) Jy = 0 setzt, und r2 =\u2014r0, so wird mit Ber\u00fccksichtigung von 6b)\n(1\u2014n2) cos v sin2(jp = 0.\nDa aber 9 der brechende Winkel des Prisma ist, sin 9 also nicht gleich Null werden darf, so folgt\n. 9 c).\nDer Strahl liegt also ganz in einer auf der brechenden Kante senkrechten Ebene. Unter diesen Verh\u00e4ltnissen schreiben wir die Gleichung 9b) gem\u00e4ss 6a) unter der Form\ny \u2014 v cos 9 = \u00b1 (v \u2014 y cos cp)\nalso\ny ( 1 \u00b1 cos g ) = -+- v ( 4 -+- cos 9, ),\ny \u2014 v.....................\n9 d).\nNun ist, wenn \u00a3 den Einfallswinkel an der ersten Fl\u00e4che bezeichnet, \u00a3, den Brechungswinkel, riy den (im Prisma liegenden) Einfallswinkel an der zweiten Fl\u00e4che, y den (in der Luft liegenden) Brechungswinkel\nv sin <f\ncos \u00a3j = \u2014-------, cos\n' i\nalso unter den gemachten Voraussetzungen\ny sin cp\nalso auch\nCOS \u00a3j = cos rh,\nsin \u00a3 = n sin e1 = n sin yx = sin y,\nd. h. die Winkel zwischen dem Strahl und den Einfallslothen beider Fl\u00e4chen sind auf beiden Seiten des Prisma gleich.\nDiese Richtung, in welcher homocentrische Strahlen durch das Prisma gehen m\u00fcssen, um homocentrisch zu bleiben, ist noch dadurch ausgezeichnet, dass in ihr auch die Ablenkung des Strahls von seinem urspr\u00fcnglichen Wege ein Minimum ist.\nWenn wir die Coordinaten des ersten Systems a, b, c, x und y nach Gleichungen Sa) in solche des zweiten Systems verwandeln, so erhalten wir die Cosinus der Winkel, welche der ankommende Strahl mit den Axen der <\u2022., \u00df und y im zweiten Systeme macht, beziehlich gleich\na cos q<(b \u2014 y) sin cp (b \u2014 y) cos 9\u2014a sin 91 c \u2014\ndie entsprechenden Cosinus der Winkel, welche der austretende Strahl mit den Axen der a, \u00df und y macht, sind","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\nWenn wir den Winkel zwischen der Richtung des ankommenden und der Richtung des ausgetretenen Strahls mit w bezeichnen, so ist\n...10).\nMittels der Gleichungen 5) und 6) kann man hieraus die Gr\u00f6ssen a, b, c, \u00ab, \u00df und y eliminiren. Es ist zun\u00e4chst\n[ucosm-I-(6 \u2014 y) sin cp] a\t\\{b \u2014 y) c, osqp-\u2014a sin cp] (\u00df\u2014v)\\\ncos m =---------------:-------H--------------------------\nra\tr,\tr\u201e\tr%\n(c_s)(y_ f)\n\\[<\u2014,\n\u00e4 (y \u2014 T COS?)2+ fs\u2014 tf\n;(r \u2014 y cosq>y-h{z \u2014 tf\ni\u00df v* sin 2<p\nV\n\n(n2 \u2014 1)/\n> 1 0a).\nsin2<p\n(\u00bb2\u2014O]\nWenn eine der beiden Wurzeln imagin\u00e4r werden sollte, haben wir an der ent-\nb\u2014y c \u2014 ;\nsprechenden Fl\u00e4che totale Reflexion des Strahls. F\u00fcr die Quotienten --, ----,\n\u00df\u2014v y \u2014 t\tr\u00b0 r\u00b0\n-----, ---: geben die Gleichungen 6) unmittelbar die passenden Werthe. Denkt\nr\tv\n2 2\nman diese in den obigen Ausdruck von cos ro eingesetzt, so erh\u00e4lt man cos w ausgedr\u00fcckt durch y, v, z und t, und zwar kann man es leicht so einrichten, dass die beiden letzteren Gr\u00f6ssen nur noch in r, enthalten darin Vorkommen. Man erh\u00e4lt folgenden Werth:\ncos w\nn2 SU^rE (\u00dff\nyv cos y v2)\nstn <p\ti , . . .\n\u2014 n \u2014-j\t(y \u2014 v cos q ) y n yl sin\n^ 1\ny \u2014 (n2 \u2014 1 ) r\\ \u2014 n (v \u2014 V cos rF ) V\u00ab2 r2 sin \u00ef(f \u2014 ( n2 \u2014 1 ) r\\\n1 Ob).\nCOS Cf\nV\u00ab2\u00ab/2 sin2ij( \u2014 (n2\u2014 1 ) r\\\"j/\u00ab21>2 sin2 cp \u2014 (\u00ab2\u20141 )r2\nBetrachten wir die Gr\u00f6ssen x und y als constant, und suchen v und \u00c7 so zu bestimmen, dass der Winkel w ein Maximum wird, so m\u00fcssen wir setzen\nd m\ndv\n0\nund\nd(o\n~dC =\n0.\nDie letztre Gleichung k\u00f6nnen wir, da t nur in erhalten im Werthe von cos o> vorkommt, auch schreiben\nd io ___ 1 d( cosw)\t___\ndt\tsinm d (r\\)\tZ\nDiese Gleichung wird f\u00fcr alle Werthe von v erf\u00fcllt, wenn wir setzen\nz = 0.\n\u2022*\u00bb\nNur dann w\u00fcrde diese Annahme nicht hinreichen, wenn entweder sin ro = 0, der Strahl also gar nicht gebrochen w\u00fcrde, was nur bei parallelen brechenden Fl\u00e4chen","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 49.\nMINIMUM DER ABLENKUNG.\n255\nVorkommen kann, oder wenn der Differentialquotient von cos co einen unendlichen Werth annehmen k\u00f6nnte, dadurch dass ein darin vorkommender Nenner gleich Null w\u00fcrde. Man sieht leicht aus 4 0b), dass nur rt und die beiden Wurzeln im Nenner Vorkommen k\u00f6nnen. Es kann aber r nicht gleich Null werden, so lange y und v positive, wenn auch unendlich kleine Werthe haben, die sie haben m\u00fcssen, wenn der Strahl durch das Prisma gehen soll. Es k\u00f6nnen ferner die Wurzeln wegen der Gleichungen 6a) nicht gleich Null werden, wenn der Strahl in den Raum vor und hinter dem Prisma eintreten soll. Wir erf\u00fcllen also die Bedingung\nf\u00fcr alle Werthe von v, indem wir setzen\nDaraus folgt, wie oben, nach den Gleichungen 6) auch\nz \u2014 c und \u00c7 = y,\ns\u00e4mmtliche Theile des Strahls verlaufen alsdann in einer auf der brechenden Kante (Axe der z ) senkrechten Ebene.\nUm die zweite Bedingung zu erf\u00fcllen, welche erf\u00fcllt werden muss, um w zu einem Maximum zu machen, n\u00e4mlich\nk\u00f6nnen wir den Ausdruck f\u00fcr cos co zuerst dadurch vereinfachen, dass wir darin z = \u00c7 setzen, also\nr\\ = j/2 -t- v2 \u2014 2yvcos(f.\nF\u00fchren wir statt v eine neue Variable q ein, indem wir setzen\nv = qy>\nso verschwindet aus dem Ausdruck f\u00fcr cos co in Gleichung 4 0 b) mit v gleichzeitig auch y und cos co wird eine Function von q allein\nCOS w \u2014 Cfqq).\nDa nun aber cos co seinen Werth beh\u00e4lt, wenn wir \u00fcberall die Buchstaben y und v mit einander vertauschen, so muss f\u00fcr jeden Werth von q sein\nSetzen wir ferner\nso ist\nPOS co = Cp(q) \u2014 (pfly\nl ?\u25a0'\nd(P(q)\ndq\n(f (?) >\nd cos co dv\nF\u00fcr v \u2014 y, d. h. q \u2014 / wird woraus folgt\nfh) = \u2014 9>tb. 9(i) = \u00b0>","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\n\u00a7\u2022 19.\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\ndco\ndv\nd cos co 1\n0.\nd v\tsin w\nWenn also\nt und y\nv\nist gleichzeitig\n0\nund co ein Grenzwerth. Die Untersuchung der zweiten Differentialquotienten zeigt, dass co in diesem Falle ein Maximum ist. Der Winkel zwischen der Verl\u00e4ngerung des eintretenden Strahls und dem gebrochenen Strahle, welcher der Nebenwinkel von co ist und die Ablenkung des Strahls von seiner urspr\u00fcnglichen Bahn misst, wird dabei ein Minimum.\nDer Maximalwerth von co findet sich, wenn man in 10b) y = v und s \u2014 \u00c7\nsetzt\ncp -f- 3 arc cos j^n sin\n10 c).\nco\nEin unendlich d\u00fcnnes B\u00fcndel homocentrischer Strahlen, welches von einem endlich entfernten Punkte ausgeht, bleibt nach dem Durchtritt durch ein Prisma also nur dann homocentrisch, wenn es im Minimum der Ablenkung durchgetreten ist, d. h. wenn es in einer zur brechenden Kante senkrechten Ebene verl\u00e4uft, und gegen beide Prismenfl\u00e4chen unter gleichen Winkeln geneigt ist.\nUnter diesen Umst\u00e4nden wird also vom leuchtenden Punkte durch das Prisma ein potentielles Bild entworfen, welches auf derselben Seite und in derselben Entfernung vom Prisma liegt, wie sein Object. Das Bild liegt aber an einem anderen\n71\nOrte, vom Prisma gesehen um den Winkel \u2014------co verschoben nach der Seite der\nbrechenden Kante hin.\nNicht homocentrische Brechung.\nWenn ein Lichtpunkt betrachtet wird, kann sein Bild nur unter der Bedingung deutlich sein, dass das gebrochene Licht homocentrisch sei. Wird aber eine Lichtlinie betrachtet, so schaden Abweichungen der Strahlen, die in Richtung des Bildes dieser Linie liegen, nicht der Genauigkeit des Bildes. Dies ist nun der gew\u00f6hnliche Fall im Spectrum. Ist nun die Lichtlinie der brechenden Kante des Prisma oder der Axe der z parallel, so schaden Abweichungen in Richtung der z nichts, wohl aber solche in der darauf senkrecht stehenden durch den Strahl gelegten Ebene. Sollen Abweichungen nur in Richtung der z Vorkommen, so m\u00fcssen wir in den Gleichungen 8) /ly\u2014 0 setzen, also auch /lv = 0\t\u2014 und erhalten aus\n8 c) und 8 d)\n11a)\nalso\nr.\nr,","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\nNICHT - HOMOCENTRISCHE BRECHUNG.\n257\nund zweitens woraus wie oben folgt :\n( I \u2014 ?i2 ) cos v sin 2g = 0, cos v \u2014 0\nc \u2014 z = z \u2014 t = 5\u2014\u00c7 = 0.\nWenn die letztere Bedingung erf\u00fcllt ist, liegen die Abweichungen d y in einer durch den Strahl senkrecht gegen die dz gelegten Ebene. Ihnen entspricht also die zweite Convergenzebene, welche senkrecht auf der bisher betrachteten sein muss. Die zugeh\u00f6rige Vereinigungsweite der Strahlen f\u00fcr die auf der brechenden Kante senkrechte Convergenzebene ergiebt sich, wenn wir in 8 d) dz\u2014 0 setzen und cos v \u2014 0, woraus auch dt \u2014 0 folgt\nl\t1\n\u2014 ( I \u2014ri cos 2ot) y- -f--------(1 \u2014ri cos V) i>2 = 0,\nro\tri\noder wenn wir wie vorher die Einfallswinkel an den beiden Prismenfl\u00e4chen in Luft mit t und //, im Glas mit e1 und tj bezeichnen\nv sin cp\ncos tj1\ny sin qj\nso folgt\noder\nV\u2014v cos w\nsin \u00a3 = n sin f. = n -------------- = n cos m\nr\\\nsin y \u2014 n cos /li ,\n\tCOS 2f.\t1 COS2 y\t\nro\tCOS 2\u00a3\tCOS 27/j\t\nCOS V,\t\tCOS 2\u00a3.\t\n2 COS\t\t* (1\t9 COS i\t\nri1 \u2014 1 j\t\t\tri1\u2014rj\ncos 2\u00bb;J\t\tr\u00b0 1. +\tCOS VI\n11 bi\nIn dieser letzten Form erkennt man leicht, dass r2 w\u00e4chst, r0 abnimmt, wenn y abnimmt und \u00a3 w\u00e4chst. Die gr\u00f6ssere Vereinigungsweite kommt also den Strahlen auf der Seite des Prisma zu, wo der Einfallswinkel kleiner ist.\nIm Minimum der Ablenkung, wo s \u2014 rj, wird auch r2 \u2014 \u2014r , die Vereinigungsweite in der zur brechenden Kante senkrechten Ebene also gleich weit mit der Vereinigungsweite in der jener Kante parallelen Ebene.\nDas Bild einer der brechenden Kante parallelen leuchtenden Linie wird da entworfen, wo die Vereinigung der Strahlen in einer zur brechenden Kante senkrechten Ebene stattfindet nach Gleichung Mb). Die Entfernung des Bildes einer der brechenden Kante parallelen Lichtlinie vom Prisma ist also gr\u00f6sser als die Entfernung des Objects, wenn der Einfallswinkel an der ersten Fl\u00e4che des Prisma, auf welches die Lichtstrahlen fallen, gr\u00f6sser ist als beim Minimum der Ablenkung. Die Entfernung des Bildes ist dagegen kleiner als die des Objects, wenn jener Einfallswinkel kleiner ist.\nBetrachtet man also eine solche Lichtlinie durch ein Prisma mit blossem Auge oder mit dem Fernrohr, so muss man f\u00fcr das Minimum der Ablenkung Auge oder Fern-\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t17","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u25a0 4 9.\nrohr f\u00fcr die Entfernung des wirklichen Objects einrichten. NN enn man aber das Prisma dann um eine der brechenden Kante parallele Axe dreht, muss man auch die Einrichtung des Auges oder Fernrohrs passend ab\u00e4ndern. Nur wenn das Object unendlich weit entfernt ist, ist auch das Bild unendlich weit entfernt, und die Einrichtung des Auges oder Fernrohrs kann f\u00fcr jede Stellung des Prisma dieselbe bleiben.\n\u00b0 \\venn der leuchtende Gegenstand eine verticale helle Linie ist. welche einfarbiges z B rothes Licht aussendet, so ist ihr Bild, wie es durch ein vertical stehendes Prisma erscheint, wieder eine verticale Linie. Geht von der leuchtenden Linie auch noch violettes Licht aus, so entwirft das Prisma auch mittels der violetten Strahlen ein Bild, welches eine verticale Linie ist, die aber weiter entfernt von dem leuchtenden Objecte ist, als die rothe Linie, weil das violette Licht st\u00e4rker gebrochen wird. Geht endlich von der leuchtenden Linie Licht von allen Graden der Brechbarkeit aus zwischen Roth und Violett, so entspricht jedem einzelnen Grade der Brechbarkeit ein besonderes Bild der verticalen Linie und diese linienf\u00f6rmigen Bilder reihen sieh zwischen dem rothen und violetten Bilde ein in der Ordnung ihrer Brechbarkeit, und bilden ein Spectrum von rechteckiger Gestalt. Sind in dem Lichte des leuchtenden Objects Strahlen von allen continuirlich in einander \u00fcbergehenden Graden der Brechbarkeit enthalten, so bildet auch das Spectrum eine continuirlich leuchtende Fl\u00e4che. Fehlen einzelne Stufen der Brechbarkeit,, so fehlen auch im Spectrum die entsprechenden linienf\u00f6rmigen Bilder, und man sieht an ihrer Stelle dunkle verticale Linien das Spectrum durchziehen, die Frauxhofer'-schen Linien.\nScheinbare Breite der prismatischen Bilder.\nDa man nun leuchtende geometrische Linien nicht herstellen kann, sondern bei den Versuchen immer schmale leuchtende Fl\u00e4chen als Objecte benutzen muss, so haben auch deren Bilder eine gewisse Breite, welche wir jetzt bestimmen wollen.\nNennen wir wieder f und e, Einfalls- und Brechungswinkel an der ersten. rt und t] Einfalls - und Brechungswinkel an der zweiten Fl\u00e4che, so dass die NVinkel e\u2018 und rn innerhalb des Prisma liegen, den brechenden NVinkel selbst q, so ist\nsin e = n sin e, )\nsin;, = n sin rn ..........................12).\nVi + f, = fP )\nNun sei der Spalt sehr weit entfernt und der sehr kleine Gesichtswinkel, unter dem er vom Orte des Prisma aus gesehen wird, sei de, so dass der Einfallswinkel des Lichtes vom einen Rande des Spalts e, vom anderen e -4-de sei. Die NVinkel f , Tjj und 7] werden f\u00fcr diesen letzteren Strahl beziehlieh e, -+- df,,\t-+- drn und\ny _l_ drt. Aus den obigen Gleichungen 12) folgt dann durch Differentiiren :\ncos t de = 7i cos f, d e1 cos 7] di] \u2014 n cos 7;j d>n dq, \u2014f- de, \u2014 0.\nDurch Elimination von de, und dt], erh\u00e4lt man\n- C0S* -C0S^ = dt,..............................12a),\nCOS 7) \u2022 cos f,\ndr, ist der Gesichtswinkel, unter dem der Spalt nach der Brechung im Prisma erscheint; seine Gr\u00f6sse ist durch diese Gleichung gegeben. Geschieht diese Brechung im Minimum der Ablenkung, so dass\ne = rn fj =","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 19.\nTHEORIE DES FARBENSPECTRUM.\n259\nDie scheinbare Grosse des Spalts bleibt also unter diesen Umst\u00e4nden unver\u00e4ndert.\nDer gr\u00f6sste Werth f\u00fcr e ist ein rechter Winkel; wenn der Strahl l\u00e4ngs der brechenden Fl\u00e4che nach der brechenden Kante hinl\u00e4uft; dann bleiben die anderen Winkel spitze Winkel, so dass ihre Cosinus nicht gleich Null werden, und -es wird\nd t] = 0\nBei dieser Stellung ist also das Bild des Spaltes unendlich schmal; aber man kann bei praktischen Anwendungen sich der streifenden Incidenz des Lichtes wohl n\u00e4hern, aber sie nat\u00fcrlich nie ganz erreichen. Das Entgegengesetzte ist der Fall, wenn inan das Prisma so h\u00e4lt, dass das austretende Licht die Fl\u00e4che beinahe streift, dass also cos 1] nahehin gleich Null wird. Dann ist\ndt]\nIst r0 die Entfernung des Spaltes vom Prisma und r2 die scheinbare Entfernung seines Bildes v^jn Prisma f\u00fcr horizontal divergente Strahlen, so folgt aus Hb), dass\nVr~0 \u25a0\u25a0 Vr2 = dt] \u25a0. ds.......................12 b).\nReinheit des Spectrum. Je kleiner der Unterschied dn des \u00dfrechungs-verh\u00e4ltnisses derjenigen Farben ist, die an demselben Orte des Spectrum Zusammentreffen, desto reiner ist das Spectrum, wir k\u00f6nnen also die Gr\u00f6sse des angegebenen dn als Maass der Unreinheit betrachten.\nWenn wir als gebrochenen Strahl denjenigen festhalten, welcher von dem betreffenden Orte des Spectrum nach dem Knotenpunkte des Auges verl\u00e4uft, so ist dessen Lage, also auch der Winkel rt fest gegeben. Dagegen variirt der Winkel t f\u00fcr Strahlen\u2019 die von verschiedenen Theilen des Spaltes kommen, und das Brechungsverh\u00e4ltniss variirt f\u00fcr verschiedene Farben. Betrachten wir nun in den drei Gleichungen\nsin s =: n sin et sin i- \u2014 n sin ra\nr/i +\t\u2022\n(P lmd V als constant, f, a,, t], und n als variabel, so erhalten wir durch Differentiation folgende Gleichungen\ncos tds = sin f, dn -+- n cos st de 0 = sinn, dn ~h n cosn, d?7, dVl + dtt \u2014 0.\nDurch Elimination von dsl und d?]l erhalten wir\ncos s \u25a0 cos rh - de = (sin st cos ?\u25a0/, cos sin ?;,) dn \u2014 sin y \u25a0 dn.\nWenn wir unter de die scheinbare Breite des Spaltes vom Prisma aus gesehen verstehen, ist das Maass der Unreinheit des Spectrum\n,\tcos f \u25a0 cos v.\ndn = ---------;----w de\nsin cp\n13).\nWenn s sich einem rechten Winkel n\u00e4hert, also bei streifender Incidenz des Lichts, wird cos \u00a3 = 0, und demnach auch dn = 0. Das Spectrum wird dann also bei\n17*","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 19.\ngegebener Gr\u00f6sse des Spaltes am reinsten, aber gleichzeitig wird auch die Apertur des Prisma bei so schiefer Incidenz sehr klein, der Lichtverlust durch Reflexion sehr gross, so dass es im Ganzen vortheilhafter bleibt, die Reinheit des Spectrum durch Verengerung des Spaltes (Verkleinerung von dt) zu erreichen, was ja meist keine Schwierigkeiten hat.\nWas die Helligkeit des Spectrum betrifft, so verh\u00e4lt sich die Helligkeit h des Spaltes,\"die er f\u00fcr irgend eine einzelne homogene Farbe hat, zu der seines Bildes Umgekehrt wie seine Breite dt zu der des Bildes dt], wenn man \u00fcbrigens von den Verlusten absieht, die das Licht durch Reflexion an den Glasfl\u00e4chen erleidet, und wenn die Apertur des Prisma gr\u00f6sser als die Pupille ist, oder beim Gebrauch eines Fernrohrs gr\u00f6sser als das Objectivglas. Also\nhds = h^dt]\noder mit Benutzung des fr\u00fcher gefundenen Verh\u00e4ltnisses von dt und dt]\n,\t, cos n cos f.\nh, = h \u2014!------------' \u25a0\n1\tcos t COSr/j\nNun ist die Helligkeit II irgend einer Stelle des Spectrum aber gleich der Summe der Helligkeiten h] aller einzelnen homogenen Farben, welche sieh dort decken. Im Allgemeinen k\u00f6nnen wir annehmen, dass einfache Farben von sehr kleinem Unterschiede der Wellenl\u00e4nge l dieselbe Helligkeit haben. Bezeichnen wir also mit dl und dn dies Intervall der Wellenl\u00e4nge und Brechbarkeit, innerhalb deren die sich deckenden Farben liegen, so k\u00f6nnen wir setzen\nII = h, dl = h, ~ dn,\n1\t1 dn\nworaus mit Ber\u00fccksichtigung des in 13) gefundenen Werthes von dn folgt:\n, cos fi cos f, , dl\nII = h ------'-------1 dt \u25a0 -T-,\nsin f\tdn\nwo dt die scheinbare Breite des Spaltes bezeichnet. Um die Bedeutung dieses Ausdruckes f\u00fcr H zu verstehen, bemerken wir noch, dass wenn wir unter Voraussetzung einer geometrischen Lichtlinie statt des Spaltes den Gesichtswinkel d >\u25a0> bestimmen, unter welchem die innerhalb des Intervalls dn vorkommenden Farben in\ndi]\ndem ideell reinen Spectrum erscheinen, sich das Vcrh\u00e4ltniss \u2014, dessen Werth\ndl\nwir mit l bezeichnen wollen, durch eine \u00e4hnliche Differentiation wie vorher findet\ndt]\ndn\nDann wird\nAbgesehen also von dem Verluste durch Reflexion und Absorption, ist die Helligkeit des Spectrum, unabh\u00e4ngig von der Brechkraft des Prisma und den Brechungswinkeln, direct proportional der Helligkeit der betreffenden Farben im Spectrum, der scheinbaren Breite des Spaltes und umgekehrt proportional der scheinbaren L\u00e4nge des betreffenden The ils des Spectrum.\ndrt dl dl dn\nsin q>\nH\ndn\nh \u25a0 dt l \"\nCOS t] COS","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 4 9.\nHELLIGKEIT DES SPECTRUM.\n261\nWenn die Brechung im Minimum der Ablenkung geschieht, ist die scheinbare Breite des Spaltes der seines Bildes gleich, und man kann \u2014 als Maass der Reinheit des Spectrum betrachten. Dann ist also die Heiligkeit des Spectrum bei gleichbleibender Helligkeit des durch den Spalt dringenden Lichts einfach umgekehrt proportional seiner Reinheit. Daraus folgt denn, dass zur Erreichung der gr\u00f6ssten Reinheit auch das intensivste Licht noting ist.\nDagegen w\u00fcrde es theoretisch m\u00f6glich sein, etwas gr\u00f6ssere Helligkeit bei gleicher Reinheit des Spectrum zn gewinnen, wenn man den Einfallswinkel an der ersten brechenden Fl\u00e4che vergr\u00f6ssert, und den Spalt breiter macht; um aber die L\u00e4nge des Spectrum const,\u2018Int zu erhalten, m\u00fcsste man auch noch den brechenden Winkel vergr\u00f6ssern. Indessen l\u00e4sst sich praktisch dadurch nichts gewinnen, weil der Lichtverlust durch Reflexion immer gr\u00f6sser wird, und die kleinen Abweichungen der brechenden Fl\u00e4chen von einer vollkommenen Ebene das Bild desto mehr verwirren, je gr\u00f6sser der Einfallswinkel ist.\nBisher ist der Gebrauch des Prisma ohne Vergr\u00f6sserungsgl\u00e4ser vorausgesetzt worden. Das prismatische Spectrum kann nun aber auch wie jedes andere optische Bild als Object f\u00fcr ein Fernrohr gebraucht und beliebig vergr\u00f6ssert werden. Dabei wird die Reinheit des Spectrum nat\u00fcrlich nicht ver\u00e4ndert, und wenn das Fernrohr eine hinreichend grosse Apertur hat, um die gesehenen Gegenst\u00e4nde in ihrer nat\u00fcrlichen Helligkeit zu zeigen, und die Apertur des Prisma dieser gleichkommt, so ist auch die Helligkeit des vergr\u00f6\u00dferten Bildes unver\u00e4ndert. Auch bleiben die in dem Vorausgehenden hingestellten Regeln \u00fcber Helligkeit und Reinheit des Spectrum unver\u00e4ndert, wenn man unter dt die scheinbare Gr\u00f6sse des Spaltes, unter d ij die seines Bildes, unter l die L\u00e4nge des bestimmten Theils des Spectrum versteht, wie sie durch das Fernrohr erscheinen,. Aus der f\u00fcr die Helligkeit hingestellten Bedingung ergiebt sich \u00fcbrigens, warum f\u00fcr Versuche ohne Fernrohr ganz kleine Prismen ausreichen, w\u00e4hrend man f\u00fcr Fernrohrversuche desto gr\u00f6ssere haben muss, je st\u00e4rker die Vergr\u00f6sserung.\nBei der Einstellung des Fernrohrs auf das Spectrum hat man noch zu beachten, dass die Farbenstreifen und dunkeln Linien scharf erscheinen, wenn die horizontal divergirenden - Strahlen vereinigt werden (Spalt und brechende Kante, wie hier immer, senkrecht gedacht), die obere und untere Begrenzungslinie des Spectrum dagegen und andere horizontale Linien, die durch kleine Unregelm\u00e4ssigkeiten der Grenzen des Spaltes oder durch Staubf\u00e4den in ihm leicht im Spectrum entstehen k\u00f6nnen, scharf erscheinen, wo die vertical divergirenden Strahlen vereinigt werden. Nur bei der Stellung des Prisma daher, welche das Minimum der Ablenkung giebt, kann man das Fernrohr gleichzeitig auf die verticalen und horizontalen Linien einstellen. Und zwar braucht man bei vollkommen ebenen Prismenfl\u00e4chen dazu dieselbe Einstellung des Fernrohrs, wie um den Spalt direct ohne Prisma deutlich zu sehen. Dreht man, vom Minimum der Ablenkung ausgehend, dagegen die brechende Kante des Prisma mehr gegen das Objectivglas des Fernrohrs hin, so muss man f\u00fcr die Farbenstreifen und dunkeln Linien eine Einstellung auf gr\u00f6ssere Entfernung nehmen, bei einer entgegengesetzten Drehung des Prisma dagegen auf eine kleinere Entfernung, w\u00e4hrend die Einstellung f\u00fcr die horizontalen Linien in beiden F\u00e4llen unver\u00e4ndert bleibt.\nUm ein. Spectrum herzustellen, l\u00e4sst man Licht durch einen engen Spalt auf ein Prisma fallen, das hindurchgegangene Licht kann man entweder direct in das Auge oder ein Fernrohr fallen lassen, oder es durch eine Linse zu einem objectiven Bilde des Spectrum condensiren.\nAls Lichtquelle kann man jeden leuchtenden K\u00f6rper benutzen, bekanntlich ist die Helligkeit der einzelnen Farben in dem Lichte verschiedener selbstleuchtender K\u00f6rper, irdischer","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 19.\nsowohl als himmlischer von verschiedener St\u00e4rke, die Anordnung der dunkeln und hellen Linien ist verschieden. Will man das Spectrum des Sonnenlichts zu den Versuchen benutzen, so gen\u00fcgt f\u00fcr Spectren, in denen man nur die gr\u00f6beren dunkeln Linien und nur die gew\u00f6hnlich sichtbaren Farben sehen will, das von einem Spiegel reflectirte Licht des Himmels oder ein von der Sonne beschienenes Papierhlatt; nur ist in dem ersteren das Gelb und Orange ein wenig schwach. Man hat hierbei den Vortheil, dass diese Art der Beleuchtung lange Zeit unver\u00e4ndert sich erh\u00e4lt. Um die st\u00e4rkeren dunkeln Linien D, F und G zu sehen, gen\u00fcgt schon ein Spalt von \\ Mm. Breite in 400 Alm. Entfernung durch ein Flintglasprisma, dessen brechender Winkel SO 11 betr\u00e4gt, mit blossem Auge betrachtet; entfernt man sich doppelt so weit vom Spalte, so sieht man schon die meisten von Fraunhofer mit grossen Buchstaben bezeiehneten Linien. Alan muss nur gerade die Stellung des Prisma suchen, hei welcher sich das Auge f\u00fcr die Linien accommodiren kann.\nBraucht man ein Spectrum von gr\u00f6sserer Reinheit, in welchem auch die feineren dunkeln Linien sichtbar werden sollen, oder will man die \u00e4ussersten Grenzen des Spectrum sichtbar machen, so muss man einen Spiegel aufstellen, welcher Licht von den der Sonne benachbarten Theilen des Himmels, oder von der Sonne seihst durch den Spalt auf das Prisma wirft, und diesen Spiegel, da die Sonne ihren Ort am Himmel \u00e4ndert, entweder etwa alle drei Almuten von neuem einstellen, oder ihn an einen Heliostaten befestigen, welcher ihm eine entsprechende Bewegung mittheilt.\nIlen Spalt, durch welchen das Licht dringt, und welcher das eigentliche Object des prismatischen Bildes ist, kann man f\u00fcr Versuche, bei denen es nicht auf die feineren dunkeln Linien ankommt, oder wenn man seine Entfernung vom Prisma sehr gross machen kann, leicht aus undurchsichtigem Papier schneiden. ATuss man dagegen einen sehr feinen Spalt anwenden, so dienen dazu am besten die GRAVESANDE\u2019schen Schneiden. Auf einer viereckigen Messingplatte Fiy. 100 sind zwei gerade Schienen all, ab befestigt, zwischen deren Enden au\neine Platte a a cc festliegt, deren Rand cc zugesch\u00e4rft ist. Ihm gegen\u00fcber steht der zugesch\u00e4rfte Rand dd einer anderen zwischen den Schienen verschiebbaren Platte d(l ee. Letztere wird mittels einer Schraube f mit sehr feinen Windungen, deren Mutter in dem auf der Grundplatte drehbar befestigten Zapfen tj liegt, bewegt. Alan kann auf diese Weise die beiden Schneiden cc und dd in sehr kleine Entfernungen von einander fein einstellen, wobei sie, wenn das Instrument gut gearbeitet ist, stets parallel bleiben. Die Grundplatte hat an der den Schneiden entsprechenden Stelle einen Ausschnitt, welcher das zwischen den Schneiden durchgegangene Licht frei weiter gehen l\u00e4sst.\nDie GRAVESANDE\u2019schen Schneiden m\u00fcssen in der Alitte eines hinreichend grossen dunkeln Schirms befestigt und ihre dem Beobachter zugekehrte Seite selbst geschw\u00e4rzt sein. Der Schirm muss gross genug sein, dass in der N\u00e4he des Spaltes nirgends ein beleuchteter Gegenstand sichtbar ist, dessen Spectrum bis zu dem des Spaltes hinreichen k\u00f6nnte. Bei allen Versuchen, wo nicht die vollst\u00e4ndige Entfernung der letzten Reste weissen Lichtes erfordert wird, kommt es mehr darauf an, dass der Schirm, in welchem sich der Spalt befindet, gleichm\u00e4ssig dunkel, als dass er absolut dunkel sei. Ueberall wo eine Verschiedenheit der Beleuchtung, selbst nur der Gegensatz von Sammetschwarz und Grauschwarz sich findet, zeigt das Prisma Farben, w\u00e4hrend eine gleichm\u00e4ssig beleuchtete Fl\u00e4che dergleichen nicht zeigt. Man kann also eine grosse Zahl solcher Versuche vollst\u00e4ndig gut in einem hellen Zimmer ausf\u00fchren, wenn man nur den Spalt in einem gen\u00fcgend grossen und gleichm\u00e4ssig schwarz gef\u00e4rbten Schirm allbringt.\nA\\emi es dagegen auf vollst\u00e4ndige Entfernung des weissen Lichtes ankommt, wie bei ren Versuchen, welche die Unzerlegbarkeit und Unver\u00e4nderliclikeit des homogenen Lichtes","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 19.\nANORDNUNG DER VERSUCHE MIT DEM SPECTRUM.\n263\nnacliweisen sollen, und hei den Untersuchungen der Grenzen des Spectrum, muss der Schirm, in welchem sich der Spalt befindet, absolut dunkel sein. Am leichtesten ist dies zu erreichen, wenn man \u00fcber ein zu optischen Versuchen eingerichtetes dunkles Zimmer mit verschlossenen und dicht eingefugten Fensterl\u00e4den verf\u00fcgen kann. Man setzt dann die Platte mit den Schneiden gleich in eine Oeffnung der L\u00e4den selbst ein. \u00fcebrigens l\u00e4sst sich dasselbe oft auch in den gew\u00f6hnlichen Wohnzimmern erreichen, wenn man die Fenstervorh\u00e4nge und Fensterl\u00e4den bis auf eine schmale Spalte schliesst, durch welche das Licht einf\u00e4llt. Die Spalte wird im Boden eines schwarz ausgestrichenen Kastens angebracht, dessen offene M\u00fcndung dem Beobachter zugekehrt ist. Die Seitenw\u00e4nde des Kastens halten das seitlich einfallende Licht vom Grunde des Kastens ab, so dass dieser schon sehr dunkel wird. Neben den Spalt klebt man dann zwei Streifen schwarzen Sammets in den Grund des Kastens, deren Breite der L\u00e4nge des Spaltes gleich ist, und deren L\u00e4nge die L\u00e4nge des auf die Ebene des Spaltes projicirten Spectrum um etwas \u00fcbertrifft, so dass sich das ganze Spectrum auf der Fl\u00e4che des Sammets entwirft. Ausserdem muss man durch Aufstellung passender dunkler Schirme daf\u00fcr sorgen, dass kein Licht von den noch \u00fcbrig gebliebenen helleren Stellen des Zimmers auf das Prisma oder die Linsen des Fernrohrs und das Auge des Beobachters f\u00e4llt.\nDie Herstellung eines absolut dunkeln Schirms in einem dunkeln Zimmer gen\u00fcgt aber noch nicht, um das Spectrum von den letzten sichtbaren Resten weissen Lichtes zu befreien, so lange noch intensives Licht von mehreren Farben das Prisma selbst die Linsen des Fernrohrs und das Auge des Beobachters trifft. In der oben entwickelten Theorie f\u00fcr die Entstehung der prismatischen Bilder haben wir nur das regelm\u00e4ssig gebrochene Licht ber\u00fccksichtigt. Wir m\u00fcssen aber bedenken, dass an jeder brechenden Fl\u00e4che auch noch Licht reflectirt wird, und in jeder festen oder fl\u00fcssigen durchsichtigen Substanz eine kleine Menge Licht unregelm\u00e4ssig nach allen Richtungen hin zerstreut wird.\nWas zun\u00e4chst die Reflexionen betrifft, so kommen dergleichen erstens im Prisma vor, wenn diejenige Fl\u00e4che des Prisma, welche der brechenden Kante gegen\u00fcber liegt, nicht mit schwarzer Oelfarbe oder Asphaltlack \u00fcberzogen und ihrer Reflexionsf\u00e4higkeit beraubt ist. 1st sie matt geschliffen, so wird sie in der Regel, so oft Licht durch das Prisma geht, erleuchtet werden. Ist in Fiy. HO ab cd der Weg' eines von d kommenden Sti allies, und bei a das Auge des Beobachters, so erblickt der letztere in der scheinbaren Lage ft ein Spiegelbild der Fl\u00e4che fe des Prisma, welches hell erscheint, wenn diese Fl\u00e4che erleuchtet ist, und also diffuses weisses Licht im Gesichtsfelde des Beobachters verbreitet. Ist die Fl\u00e4che fe dagegen auch polirt, so reflectirt sie das Licht regelm\u00e4ssig, und namentlich bei Prismen, deren Querschnitt ein gleichschenkliges Dreieck ist, gelangt ausser dem Wege dcba auch noch Licht auf dem Wege debgeba nach drei Reflexionen bei b, g und c nach a. Dieses Licht ist nicht in Farben zerlegt, sondern weiss. Der Beobachter sieht vermittels dieses Lichts ein schwaches weisses Bild des Spaltes in seinem Gesichtsfelde und kann es benutzen, um das Minimum der Ablenkung genau hervorzubringen. Bei Prismen, deren Querschnitt ein gleichschenkliges Dreieck ist, f\u00e4llt n\u00e4mlich dieses weisse Bild genau mit der Farbe des Spectrum zusammen, welche im Minimum der Ablenkung steht. Ein solches genau begrenztes schwaches weisses Bild des Spalts ist allerdings bei unseren Versuchen weniger zu f\u00fcrchten, weil es einen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleinen Theil des Gesichtsfeldes einnimmt, es ist weniger sch\u00e4dlich, als das Spiegelbild der Fl\u00e4che fc, wenn diese matt geschliffen ist. Dagegen kann nun auch durch diese Fl\u00e4che Licht von seitlichen Gegenst\u00e4nden in das Auge des Beobachters kommen, f\u00fcr dessen Abblendung man sorgen muss. Am besten ist es jedenfalls*, mit Ausnahme der beiden brechenden Fl\u00e4chen des Prisma alle \u00fcbrigen zu schw\u00e4rzen.\nWenn man das Spectrum durch ein Fernrohr beobachtet, kommen auch die Reflexionen an den vorderen und hinteren Fl\u00e4chen der Linsen in Betracht. Es werden dadurch kleine lichtschwache regelm\u00e4ssige Bildchen der vor dem Fernrohr liegenden Objecte entworfen, die","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 19.\nalter meist so liegen, dass der Beobachter sein Auge nicht f\u00fcr sie accommodiren kann, und die deshalb eine schwache weisse Beleuchtung des Gesichtsfeldes geben. Man bemerkt diese Beleuchtung leicht, wenn man ein Fernrohr auf einen tiefschwarzen Gegenstand richtet, w\u00e4hrend seitw\u00e4rts sich sehr helle befinden. Das Gesichtsfeld grenzt sich dann als schwach erleuchtet gegen die schwarze Blendung des Oculars ab.\nEinen \u00e4hnlichen, aber schwerer zu beseitigenden Effect hat die Zerstreuung des Lichts in den Glasmassen. Eine jede noch so klare Glasmasse erscheint weisslich tr\u00fcbe, sobald man sie scharf von der Sonne beschienen vor dunklem Grunde betrachtet, namentlich wenn das Auge sich nahehin in der Richtung der durchgelassenen Strahlen befindet. Dasselbe ist, wie wir schon fr\u00fcher bemerkt haben *, der Fall mit der Hornhaut und Linse des menschlichen Auges. Wir m\u00fcssen also ber\u00fccksichtigen, dass jede der vom Lichte durchlaufenen Glasmassen eine, wenn auch verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleine Menge des Lichtes, welches \u00fcberhaupt durch sie hingeht, diffus zerstreut und mit solchem Licht das Gesichtsfeld des Beobachters anf\u00fcllt. Ebenso ist auch stets eine sehr kleine Menge von jeder Art Licht, welche \u00fcberhaupt in das Auge dringt, \u00fcber die ganze Netzhaut ausgebreitet. Solches unregelm\u00e4ssig zerstreute Licht ist allerdings von ausserordentlich geringer Lichtst\u00e4rke, wenn man es mit dem regelm\u00e4ssig gebrochenen oder reflectirten Lichte vergleicht. Doch wird es merklich, wenn man sehr lichtschwache Theile des Spectrum zu untersuchen hat. Es ist z. B. der Grund, warum man bei den gew\u00f6hnlichen Einrichtungen der Spectralversuche das \u00e4usserste Roth der Linie A und das Ultraviolett nicht wahrnimmt, und es macht sich auch sehr bemerklich, wenn man einzelne Stellen des Spectrum durch farbige Gl\u00e4ser oder Fl\u00fcssigkeiten sehr abschw\u00e4cht, ' dann kann der Farbenton solcher Stellen durch das diffus im Gesichtsfelde verbreitete schwache Licht sehr betr\u00e4chtlich ge\u00e4ndert werden.\nDiese Schwierigkeiten lassen sich bei Untersuchungen \u00fcber lichtschwache Theile des Spectrum nur dadurch vollst\u00e4ndig \u00fcberwinden, dass man durch den Spalt nur noch solches Licht in gr\u00f6sserer St\u00e4rke auf das Prisma und Fernrohr fallen l\u00e4sst, als gerade untersucht werden soll, und alles Licht anderer Art, so weit man kann, ausschliesst. In einzelnen F\u00e4llen kann man dies einfach dadurch erreichen, dass man farbige Gl\u00e4ser zwischen die Lichtquelle und den Spalt einschaltet, z. B. rothes Glas, um die Grenze des \u00e4ussersten Roth im Spectrum sichtbar zu machen. Allgemeiner und vollst\u00e4ndiger erreicht man den Zweck, wenn man hintereinander zwei Spalten und zwei Prismen aufstellt, in der Weise, dass durch den zweiten Spalt, dessen Bild das Spectrum geben soll, nur noch Licht der betreffenden Art hin-durchgeht. Das Schema dieser Anordnung ist in Fig. Ill gegeben. Der einfallende Licht-\nstrahl ab trifft bei b auf den Spiegel des Heliostaten, geht durch einen Spalt in dem Schirme c, der im Allgemeinen nicht sehr eng zu sein braucht, f\u00e4llt dann auf die Linse d und das Prisma e auf den Schirm f, welcher so weit von der Linse absteht, dass die vom Spalte c ausgegangenen Strahlen auf ihm vereinigt werden, so dass auf ihm ein in ein Spectrum ausgezogenes Bild dieses Spaltes entsteht. Dieses erste Spectrum braucht im Allgemeinen nicht rein zu sein. Es muss vielmehr, so oft man einen etwas breiteren Theil des Spectrum untersuchen will, wie z. B. das Ultraviolett, so unrein sein, dass es eine Stelle giebt, wo\n1 S. eben S. Ib und 142.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 19.\nANORDNUNG DUR VERSUCHE MIT DEM SPECTRUM.\n265\nsich s\u00e4mmtliche ultraviolette Strahlen decken. Um dies nach Belieben zu reguliren, ist es eben vortheilhafter, das Prisma zwischen Linse und Schirm zu stellen. N\u00e4hert man den Schirm dem Prisma, und entfernt die Linse um ein entsprechendes St\u00fcck, so wird das Spectrum k\u00fcrzer und unreiner. Entfernt man den Schirm von dem Prisma, so wird es l\u00e4nger und reiner, ln dem Schirme f befindet sich zwischen GRAVESANDE\u2019schen Schneiden ein feiner Spalt, den man so stellt, dass gerade die Farbe des Spectrum, welche untersucht werden soll, sich auf ihm projicirt. Will man z. B. das Ultraviolett untersuchen, so r\u00fcckt man den Spalt so, dass er neben dem \u00e4ussersten Rande des sichtbaren Violett steht. Unter diesen Umst\u00e4nden geht nun regelm\u00e4ssig gebrochenes Ultraviolett, so lichtstark als es eben die Sonne liefert, durch den Spalt, und gleichzeitig etwas weisses von der Substanz des Prisma und der Linse diffus zerstreutes oder an ihren Fl\u00e4chen mehrfach reflectirtes Licht. Das letztere ist allerdings ausserordentlich viel schw\u00e4cher, als das regelm\u00e4ssig gebrochene Sonnenlicht im Spectrum, aber doch stark genug, um auf dem Schirme f das Ultraviolett ganz zu verdecken. Das durch den Spalt f gegangene Licht f\u00e4llt nun auf das zweite Prisma g und dahinter entweder unmittelbar oder durch ein Fernrohr in das Auge des Beobachters, wenn man nicht vorzieht, statt des Fernrohrs eine Linse aufzustellen, und in ihrem Brennpunkte auf einem Schirme ein objectives Bild des Spectrum aufzufangen. Da durch den Spalt f noch etwas weisses Licht gegangen ist, bekommt man auch hier ein vollst\u00e4ndiges Spectrum, aber alle seine Theile sind sehr lichtschwach mit Ausnahme des Ultraviolett, oder welche andere Farbe des im ersten Prisma regelm\u00e4ssig gebrochenen Lichtes man eben durch den Spalt f hat gehen lassen. Wenn auch nun im zweiten Prisma g und in den Linsen des Fernrohrs h oder im Auge des Beobachters o Licht unregelm\u00e4ssig zerstreut wird, so ist alles andere Licht ausser dem Ultraviolett jetzt schon zu schwach, als dass die geringen zerstreuten Theile desselben noch sollten wahrgenommen werden k\u00f6nnen. In der That gelingt es unter diesen Umst\u00e4nden das Spectrum auch im Fernrohr auf ganz tiefschwarzem Grunde projicirt zu sehen, dessen Schw\u00e4rze nicht mehr zu unterscheiden ist von der der Ocularblendung, so dass sich deren Rand nur da noch abzeichnet, wo er das Spectrum bedeckt. Erst wenn man diese tiefe Schw\u00e4rze des Grundes erreicht hat, kann man sicher sein, reines einfarbiges Licht vor sich zn haben. Unter diesen Umst\u00e4nden wird denn auch das Ultraviolett des Sonnenlichts dem Auge direct sichtbar, und nur bei solchen Vorsichtsmassregeln gelingt es, die Unver\u00e4nderlichkeit der Farbe des homogenen Lichts, wenn es durch farbige Gl\u00e4ser hindurchgeht, nachzuweisen. So lange dem Spectrum noch eine kleine Menge diffusen weissen Lichtes beigemischt ist, ver\u00e4ndern farbige Medien, welche die betreffende Farbe durch Absorption sehr schw\u00e4chen, auch scheinbar ihren Farbenton. Ein blaues mit Kobalt gef\u00e4rbtes Glas zum Beispiel l\u00f6scht das Gelb des Spectrum fast ganz aus, l\u00e4sst aber die blauen Strahlen des zerstreuten weissen Lichts ungeschw\u00e4cht durchgehen, so dass diese, mit dem durch Absorption geschw\u00e4chten Gelb sich mischend, eine weisse oder selbst blauweisse Mischfarbe an Stelle des Gelb geben, welche Mischfarbe aber nicht, wie D. Brewster glaubte, Licht von einem einzigen Grade der Brechbarkeit enth\u00e4lt, sondern deren Licht durch ein zweites Prisma wieder zerlegt werden kann in verschiedenfarbiges und verschieden brechbares Licht. Stellt man denselben Versuch dagegen an einem von diffusem Lichte vollst\u00e4ndig befreiten Spectrum an, so bleibt das homogene Gelb auch bei den \u00e4ussersten Graden der Schw\u00e4chung durch ein blaues Glas rein gelb. Wir d\u00fcrfen deshalb auch nicht, wie Brewster es getlian\that, aus diesem und\t\u00e4hnlichen Versuchen schliessen,\tdass das Licht\ngleicher Brechbarkeit\tund Wellenl\u00e4nge noch wieder aus drei verschiedenen\tLichtarten\tvon\nrother, gelber und blauer Farbe zusammengesetzt sei, welche verschiedenfarbigen Lichter nur in verschiedenen\tTheilen des Spectrum\tverschieden gemischt seien, und\tdurch die\tAbsorption in farbigen\tMedien von einander\tgetrennt werden k\u00f6nnten. Die\tVersuche,\tauf\nwelche er diese Resultate gr\u00fcndet, beruhen theils auf dem erw\u00e4hnten Umstande, zum Theil auf Contrastwirkungen, zum Theil auf der schon oben erw\u00e4hnten Abh\u00e4ngigkeit des Farbentons von der Intensit\u00e4t des Lichts '.\n1 Helmholtz \u00fcber D. Brewster\u2019s neue Analyse des-Sonnenspeclrum. Pogg. Ann. LXXXYI. 501. \u2014 Bermar\u00f6 Ann. de Chim. XXXV. 386\u2014138.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 19.\nNach der beschriebenen und in Fig. 111 schematisch dargestellten Methode kann man das \u00fcberviolette Spectrum in ganzer L\u00e4nge dem Auge direct sichtbar machen, ohne eine fluorescirende Substanz anzuwenden, doch m\u00fcssen f\u00fcr das \u00e4usserste Ultraviolett die Prismen und Linsen alle ans Bergkrystall gefertigt sein, nicht aus Glas, weil letzteres die \u00e4ussersten ultravioletten Strahlen des Sonnenspectrum merklich absorbirt. Man sieht dann auch sehr deutlich die ausserordentlich grosse Zahl dunkler Linien, welche dieser Theil des Spectrum enth\u00e4lt. Ich glaubte die Helligkeit des im Fernrohre gesehenen ultravioletten Spectrum verst\u00e4rken zu k\u00f6nnen, wenn ich in die Ocularblendung eine d\u00fcnne Schicht Chininl\u00f6sung zwischen zwei Quarzplatten einschaltete. Dann wird das Spectrum gerade auf die Chininfl\u00e4che projicirt und erregt deren Fluorescenz. Die fluorescirende Chininfl\u00e4che wird durch die Ocularlinse betrachtet, und es erscheint nun dem Beobachter ein \u00e4hnliches Bild, wie es ohne Chininschicht erscheint, nur ist das Bild dann nicht aus ultraviolettem Lichte, sondern aus weissblauem Lichte mittlerer Brechbarkeit gebildet. Die Helligkeit dieses Bildes war aber in meinem Fernrohr nicht, wie ich erwartet hatte, gr\u00f6sser als die des direct gesehenen ultravioletten Lichts, sondern fast gleich, eher kleiner, und die Linien waren wegen der Dicke der Chininschicht undeutlicher. Der Grund davon ist darin zu suchen, dass durch das Objectivglas des Fernrohrs nur ein schmaler Lichtkegel in das Instrument eindringt, alles oder fast alles Licht dieses Kegels aber auch in das Auge f\u00e4llt und die Netzhaut beleuchtet, wenn keine Chininschicht eingeschaltet ist. Wenn aber das ultraviolette Licht auf eine Chininl\u00f6sung f\u00e4llt, so verbreitet es sich von dieser aus nach allen Richtungen des Raums hin, und nur ein sehr kleiner Theil des vom Chinin ausgehenden Lichts trifft das Auge des Beobachters, daher dessen Netzhaut trotz der grossen Steigerung der Helligkeit des fluorescirenden Lichts nicht st\u00e4rker beleuchtet wird. Auf diese Erfahrung ist die oben gegebene Angabe \u00fcber das Ver-h\u00e4ltniss der Helligkeit des unver\u00e4nderten ultravioletten Lichts und der dadurch auf Chinin erregten Fluorescenz gegr\u00fcndet.\nIst a die Apertur des Objectivglases oder des davor stehenden Prisma, wenn letzteres die Grundfl\u00e4che des Lichtkegels begrenzt, und r der Abstand des Bildes, und denkt man sich ferner um den Ort des Bildes als Mittelpunkt eine Kugelfl\u00e4che vom Radius r geschlagen, so w\u00fcrde das ultraviolette Licht, wenn es sich ungest\u00f6rt fortpflanzte, von der Kugelfl\u00e4che nur eine Fl\u00e4che von der Gr\u00f6sse a beleuchten. W\u00e4re das Bild aber auf Chinin gefallen, so w\u00fcrde es die ganze Kugelfl\u00e4che, deren Gr\u00f6sse 4 nr2 ist, gleiclnn\u00e4ssig beleuchten. Im ersteren Falle\n4 71\nist das Licht also concentrirter in dem Verh\u00e4ltnisse -------- im Vergleich zum letzteren Falle,\na\nund wenn ein Auge, dessen Pupille ganz in das Strahlenb\u00fcndel beider Lichtarten eingetaucht ist, sie beide gleich hell sieht, so folgt, dass bei gleicher Verbreitungsweise das Fluorescenz-4- 7C\nlicht im Verh\u00e4ltniss ----- heller sein w\u00fcrde. Letzterer Bruch war bei meinem Apparat, nach\na\nAnstellung der n\u00f6thigen Correctionen, gleich 1200. Daraus folgt also, dass das ultraviolette Licht auf einem Chininschirme aufgefangen etwa 1200 Mal heller erscheinen muss, als wenn es auf einer nicht fluorescirenden matten weissen Fl\u00e4che von Porzellan aufgefangen wird/\nDie Fluorescenz der stark fluorescirenden Substanzen kann man in jedem Spectrum leicht beobachten und erkennen. Handelt es sich aber darum, die schw\u00e4chsten Grade der Fluorescenz wahrzunehmen, wie z. B. die der Netzhaut, so kann man den in Fig. 111 dargestellten Apparat mit folgenden Ab\u00e4nderungen benutzen. Man macht das erste Spectrum sehr unrein, indem man den ersten Spalt bei c ganz wegnimmt und das Prisma e nahe an den Schirm f heranr\u00fcckt; dabei l\u00e4sst man die Grenze des Violett auf dem Schirme f gerade dessen weit ge\u00f6ffneten Spalt ber\u00fchren. Von dem Fernrohr h l\u00e4sst man nur die Objectivlinse stehen, und bringt dann in deren Brennpunkt, wo das ultraviolette Licht am meisten concentr\u00e2t und von allem weissen Lichte gereinigt ist, die fraglichen Substanzen. Es giebt kaum irgend welche Stoffe, an denen man unter solchen Umst\u00e4nden nicht Spuren von Fluorescenz wahrn\u00e4hme. Da bei diesen Versuchen auch das unver\u00e4nderte ultraviolette Licht noch sichtbar sein kann, so blickt man nach der untersuchten Substanz entweder durch ein gelbes oder gr\u00fcnes Glas (am besten","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 -19.\nGESCHICHTE DER FARBENLEHRE.\n267\nUranglas), welches das Ultraviolett ausl\u00f6scht, oder durch ein schwach brechendes Prisma, welches das Ultraviolett von den Farben mittlerer Brechbarkeit trennt. Die Fluorescenz der Linse und der Hornhaut des Auges ist leicht nachzuweisen, wenn man ein lebendes Auge in den Focus ultravioletten Lichts bringt. Die Linse wird so stark beleuchtet, dass man noch viel besser als bei der Beleuchtung mit gew\u00f6hnlichem Licht (S. 15) ihre Lage dicht hinter der Iris und ihre Form erkennen kann. Die fluorescirende Linse zerstreut nat\u00fcrlich eine grosse Menge blauweissen Lichts gleichm\u00e4ssig \u00fcber den ganzen Hintergrund des Auges. Wenn man dagegen ein ultraviolettes Spectrum betrachtet, sieht man dies sehr scharf und fein gezeichnet. Daher darf man nicht daran denken, dass das \u00fcberviolette Licht dem Auge etwa wegen der Fluorescenz der Linse sichtbar w\u00fcrde. Letztere k\u00f6nnte nie ein scharf begrenztes Netzhautbild geben.\nIn derselben Weise wie das Ultraviolett untersucht man das \u00e4usserste Roth.\nDie Methoden der Wellenmessungen geh\u00f6ren in die physikalische Optik, auf welche ich in dieser Beziehung verweisen muss.\nVor Newton\u2019s Zeit bestand die Farbentheorie meist aus unbestimmten Hypothesen. Da das aus dem gesammten weissen Lichte ausgeschiedene farbige Licht als Theil nothwendig immer geringere Intensit\u00e4t hat als das Ganze, so betrachtete man in \u00e4lterer Zeit diese Verminderung der Lichtintensit\u00e4t als das Wesentliche der Farbe, und die Meinung des Aristoteles, Farbe entstelle durch eine Mischung von Weiss und Schwarz, z\u00e4hlte viele Anh\u00e4nger. Er selbst ist unschl\u00fcssig, oh er diese Vermischung als eine wahre Verschmelzung oder mehr als ein atomistisches Ueher- oder Nebeneinanderliegen denken soll. Das Dunkle, meint er, m\u00fcsse durch die Reflexion an den K\u00f6rpern entstehen, da jede Reflexion das Licht schw\u00e4che. Es ist dies die durchg\u00e4ngige Ansicht bis zum Anf\u00e4nge der neueren Zeit z. B. bei Maurolycus, Jon. Fleischer, de Dominis, Funk, Nuguet (siehe Goethe\u2019s Geschichte der Farbenlehre), und in neuester Zeit hat Goethe sie noch einmal in seiner Farbenlehre zu vertheidigen gesucht. Dieser geht eigentlich nicht darauf aus, eine Erkl\u00e4rung der Farbenerscheinungen im physikalischen Sinne zu geben \u2014 als solche genommen, w\u00fcrden seine S\u00e4tze sinnlos sein \u2014, sondern er sucht nur die Bedingungen allgemein aufzustellen, unter denen Farben entstehen; diese sollen sich in einem \u201eUrph\u00e4nomen\u201c deutlich darlegen. Als solches betrachtet er die Farben tr\u00fcber Medien. Eine grosse Zahl solcher Medien machen durchgehendes Licht roth, auffallendes l\u00e4sst sie vor dunklem Hintergr\u00fcnde blau erscheinen. W\u00e4hrend nun Goethe im Allgemeinen der Ansicht des Aristoteles folgt, dass das Licht verdunkelt, oder mit Dunkel gemischt werden m\u00fcsse, um Farben zu erzeugen, glaubt er in den Erscheinungen der tr\u00fcben Medien die besondere Art der Verdunkelung gefunden zu haben, welche nicht Grau, sondern Farben erzeuge. Was dadurch am Lichte selbst ge\u00e4ndert werde, erkl\u00e4rt er nie. Er spricht wohl davon, dass das tr\u00fcbe Medium sdem Lichte etwas K\u00f6rperliches, Schattiges gebe, wie es zur Erzeugung der Farbe noting sei. Wie er sich dies denkt, deutet er nicht n\u00e4her an. Unm\u00f6glich kann er meinen, dass von den K\u00f6rpern etwas K\u00f6rperliches mit dem Lichte davonfliege; und einen anderen Sinn k\u00f6nnte es doch kaum haben, wenn es eine physikalische Erkl\u00e4rung sein sollte.\nGoethe betrachtet ferner alle durchsichtigen K\u00f6rper als schwach tr\u00fcbe, so auch das Prisma, und nimmt an, dass das Prisma dem Bilde, welches es dem Beobachter zeigt, von seiner Tr\u00fcbung etwas mittheile. Er scheint dabei gemeint zu haben, dass das Prisma nie ganz scharfe Bilder entwirft, sondern undeutliche, verwaschene, denn er reiht sie in der Farbenlehre an die Nebenbilder an, welche parallele Glasplatten und Krystalle von Kalkspath zeigen. Verwaschen sind die Bilder des Prisma allerdings im zusammengesetzten Lichte, vollkommen scharf im einfachen, welches Goethe, wie es scheint, aber nie vor sich gehabt hat, da er die zusammengesetzten Methoden, welche es liefern k\u00f6nnen, einzuschlagen verschm\u00e4hte. Betrachte man, meint er, durch das Prima eine helle Fl\u00e4che auf dunklem Grunde, so werde das Bild vom Prisma verschoben und getr\u00fcbt. Der vorangehende Rand desselben werde \u00fcber den dunklen Grund hin\u00fcbergeschoben, und erscheine als helles Tr\u00fcbes vor Dunklem blau. Der hinterher folgende Rand der hellen Fl\u00e4che werde aber von dem vorgeschobenen tr\u00fcben Bilde des darnach folgenden schwarzen Grundes \u00fcberdeckt und erscheine als ein Helles hinter einem dunkeln Tr\u00fcben gelbroth. Warum der vorangehende Rand vor dem Grunde, der nachbleibende hinter demselben erscheine, und nicht umgekehrt, erkl\u00e4rt er nicht. Auch diese Darstellung der Sache, wenn man sie als physikalische Erkl\u00e4rung fassen wollte, w\u00e4re sinnlos. Denn das prismatische Bild, welches in diesen F\u00e4llen gesehen wird, ist ein potentielles, also nur der geometrische Ort, in welchem r\u00fcckw\u00e4rts verl\u00e4ngert, sich die Lichtstrahlen, welche in das Auge des Beobachters fallen, schneiden w\u00fcrden, und kann also nicht die physikalischen Wirkungen eines tr\u00fcben Mittels aus\u00fcben. Es sind diese Goethe\u2019-","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 19.\nsehen Darstellungen eben nicht als physikalische Erkl\u00e4rungen, sondern nur als bildliche Versinnlichungen des Vorgangs aufzufassen. Er geht \u00fcberhaupt in seinen naturwissenschaftlichen Arbeiten darauf aus, das Gebiet der sinnlichen Anschauung nicht zu verlassen, jede physikalische Erkl\u00e4rung muss aber zu den Kr\u00e4ften aufsteigen, und die k\u00f6nnen nat\u00fcrlich nie Object der sinnlichen Anschauung werden, sondern nur Objecte des begreifenden Verstandes.\nDie Versuche, welche Goethe in seiner Farbenlehre angiebt, sind genau beobachtet und lebhaft beschrieben, \u00fcber ihre Richtigkeit ist kein Streit. Die entscheidenden Versuche mit m\u00f6glichst gereinigtem einfachen Lichte, auf welche Newton\u2019s Theorie gegr\u00fcndet ist, scheint er nie nachgemacht oder gesehen zu haben. Seine \u00fcberm\u00e4ssig heftige Polemik gegen Newton gr\u00fcndet sich mehr darauf, dass dessen Fundamentalhypothesen ihm absurd erscheinen, als dass er etwas Erhebliches gegen seine Versuche oder Schlussfolgerungen einzuwenden h\u00e4tte. Der Grund aber, weshalb ihm Newton\u2019s Annahme, das weisse Licht sei aus vielfarbigem zusammengesetzt, so absurd erschien, liegt wieder in seinem k\u00fcnstlerischen Standpunkte, der ihn n\u00f6thigte, alle Sch\u00f6nheit und Wahrheit unmittelbar in der sinnlichen Anschauung ausgedr\u00fcckt zu suchen. Die Physiologie der Sinnesempflndungen war damals noch unentwickelt, die Zusammensetzung des Weiss, welche Newton behauptete, war der erste entschiedene empirische Schritt zu der Erkenntniss der nur subjectiven Bedeutung der Sinnesempfindungen. Und Goethe hatte daher ein richtiges Vorgef\u00fchl, wenn er diesem ersten Schritte heftig opponirte, welcher den \u201esch\u00f6nen Schein\u201c der Sinnesempfindungen zu zerst\u00f6ren drohte.\nDas grosse Aufsehen, welches Goethe\u2019s Farbenlehre in Deutschland machte, beruhte zum Theil darauf, dass das grosse Publicum, unge\u00fcbt in der Strenge wissenschaftlicher Untersuchungen, nat\u00fcrlich mehr geneigt war, einer k\u00fcnstlerisch anschaulichen Darstellung des Gegenstandes zu folgen, als mathematisch physikalischen Abstractionen. Dann bem\u00e4chtigte sich auch die HegelscIic Naturphilosophie der GoETHE\u2019schen Farbenlehre f\u00fcr ihre Zwecke. Hegei, wollte \u00e4hnlich wie Goethe in den Naturerscheinungen den unmittelbaren Ausdruck gewisser Ideen oder gewisser Stufen des dialectisch sich entwickelnden Denkens sehen, darin liegt seine Verwandtschaft mit Goethe und sein principieller Gegensatz gegen die theoretische Physik.\nDescartes machte bei Gelegenheit seiner Untersuchungen \u00fcber die Theorie des Regenbogens eine neue Hypothese, indem er annahm, die Theilchen, aus denen das Licht bestehe, h\u00e4tten nicht blos eine geradlinige Bewegung, sondern rotirten auch noch um ihre Axe und von der Rotationsgeschwindigkeit h\u00e4nge die Farbe ab. Die Rotation und somit auch die Farbe k\u00f6nne \u00fcbrigens ge\u00e4ndert werden durch Einwirkung durchsichtiger K\u00f6rper. Aehnliche mechanische Vorstellungen bildeten sich Hooke und de la Hire; letzterer liess die Farben von der St\u00e4rke abh\u00e4ngen, mit der das Licht auf den Sehnerven trifft.\nEndlich bewies Newton die Zusammensetzung des weissen Lichts, und schied einfaches Licht aus, zeigte, dass dies farbig erscheine, dass dessen Farbe durch Absorption und Brechung nicht weiter ver\u00e4ndert werden k\u00f6nne, dass verschiedenfarbiges Licht verschiedene Brechbarkeit besitze, und dass die Farben der nat\u00fcrlichen K\u00f6rper durch verschiedene Absorption und Reflexion der verschiedenartigen Lichtstrahlen entst\u00e4nden. Uebrigens erkl\u00e4rt er die Farbe der Lichtstrahlen schon durchaus aus ihrer Wirkung auf die Netzhaut; nicht die Lichtstrahlen selbst seien roth, sondern sie bewirkten die Empfindung des Roth. Er folgte der Emanationstheorie des Lichtes; Hypothesen \u00fcber den physikalischen Unterschied der verschiedenfarbigen Lichtarten machte er nicht.\nZiemlich gleichzeitig, 1690, hatte Huyghens die Hypothese aufgestellt, dass das Licht in Undulationen eines feinen elastischen Medium bestehe; diese Hypothese brachte Euler mit Newton\u2019s Entdeckungen in Verbindung, und folgerte daraus, dass die einfachen Farben sich durch ihre Schwingungsdauer unterschieden; aber freilich nahm er zuerst an, die rothen machten die schnelleren Schwingungen, und fand erst sp\u00e4ter das Richtige; Hartley st\u00fctzte diese Ansicht richtig auf die Farben d\u00fcnner Bl\u00e4ttchen. Eine bestimmte Entscheidung dar\u00fcber wurde erst m\u00f6glich, als Th. Young und Fresnel das Princip der Interferenz entdeckt hatten, und durch diese Entdeckung gewann auch erst die Undulationstheorie eine allgemeine Anerkennung.\nGegen Newton's Folgerung, dass die Farbe der Strahlen von der Brechbarkeit abli\u00e4nge, Strahlen von einem constanten Grade der Brechbarkeit \u00fcbrigens homogen und v on unver\u00e4nderlicher Farbe seien, trat D. Brewster auf. Er meinte beobachtet zu haben, dass homogenes Licht, wenn es durch farbige Mittel gehe, seine Farbe \u00e4ndern k\u00f6nne, und meinte auf diese Weise aus homogenem Lichte Weiss ausscheiden zu k\u00f6nnen. Er schloss daraus, dass es dreierlei verschiedene Arten Licht, den drei sogenannten Grundfarben entsprechend, gebe, rothes, gelbes und blaues, und dass jede dieser Lichtarten Strahlen von jedem Grade der Brechbarkeit innerhalb der Grenzen des Spectrum liefere, aber so, dass das rothe Licht am rothen Ende, das Gelb in der Mitte, das Blau am blauen Ende \u00fcberwiege. Farbige Mittel sollten die verschiedenfarbigen Lichter gleicher Brechbarkeit in verschiedener St\u00e4rke ab-","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\nGESCHICHTE DER FARBENLEHRE.\n269\nsorbiren und dadurch von einander trennen k\u00f6nnen. Gegen Brewster opponirten Airy, Draper, Melloni, Helmholtz, F. Bernard. Ausser einigen F\u00e4llen, wo durch Contrast-wirkungen der nebenstehenden lebhafteren Farben der Farbenton der durch farbige Gl\u00e4ser sehr geschw\u00e4chten Strahlen ver\u00e4ndert erschien, und einigen F\u00e4llen, wo die oben erw\u00e4hnte Aenderung der Farbe mit der Lichtst\u00e4rke in Betracht kam, r\u00fchren die meisten von Brewsteh geltend gemachten Beobachtungen von dem oben schon erw\u00e4hnten Umstande her, dass kleine Mengen weissen Lichts durch mehrfache Reflexion an den Oberfl\u00e4chen oder durch diffuse Reflexion in der Substanz der Prismen und der Augenmedien \u00fcber das Gesichtsfeld zerstreut waren.\nDie Vergleichung der einfachen Farben mit den T\u00f6nen wurde von Newton zuerst angestellt; er verglich aber nur die Breite der Farbenstreifen im Spectrum von Glasprismen mit den musikalischen Intervallen der phrygischen Tonleiter. Schon Lambert bemerkte, dass in dieser Abtheilung viel Wiilkiihrliches w\u00e4re, da keine festen Grenzen im Spectrum best\u00e4nden. Nur soviel sei richtig, dass die Farbenstreifen vom Roth gegen das Violett dergestalt in der Breite anwachsen, dass man nicht sowohl die Summe ihrer Breiten, als die Summe ihrer Verh\u00e4ltnisse zum Maasse derselben nehmen muss, so wie es in der Musik mit den T\u00f6nen geschieht. Aehnlich urtheilte de Mairan. Indessen suchte doch Pater Castel auf diese Vergleichung ein Farbenclavier zu gr\u00fcnden, welches durch eine gewisse Farbenfolge \u00e4hnliche Wirkungen, wie die Musik, hervorbringen sollte. Hartley, welcher die Unterschiede der Farben auf Schwingungen verschiedener L\u00e4nge zur\u00fcckzuf\u00fchren suchte, gewann dadurch die M\u00f6glichkeit einer directeren Vergleichung mit den Schwingungszahlen der T\u00f6ne. In demselben Sinne bemerkte auch Th. Young, dass der ganze Umfang des damals bekannten Theils des Spectrum einer grossen Sexte gleich kommt, dass Roth, Gelb, Blau etwa den Verh\u00e4ltnissen 8:7:6 entsprechen. Nachdem nun in neuerer Zeit die Gr\u00f6sse der Wellenl\u00e4ngen f\u00fcr die verschiedenen Farben namentlich durch Fraunhofer\u2019s Messungen genauer bekannt geworden ist, hat Drobiscii wieder versucht, die Vergleichung der Farbenscala mit der Tonscala herzustellen. Er vergleicht wie Newton die Breite der Farben mit den Intervallen der sogenannten\nphrygischen Tonart 1 : \u2014\u25a0 : -J- : \u2014 : y : y : y : 2. Da aber das Verh\u00e4ltniss der Wellenl\u00e4ngen f\u00fcr die Grenzen des gew\u00f6hnlich sichtbaren Spectrum, wie es Fraunhofer ausgemessen hat, kleiner ist als eine Octave, so erhebt er alle jene Verh\u00e4ltnisszahlen in eine Potenz, als 2 6\nderen Exponent er erst \u2014, sp\u00e4ter \u2014 w\u00e4hlte. Dadurch erh\u00e4lt er folgende Tafel, in der die Wellenl\u00e4ngen in Milliontheilen eines Millimeters ausgedr\u00fcckt sind:\nRoth\t(688,1 622,0\tLinie B \u2014\t687,8 655,6\nOrange\t\\ j\tD =\t588,8\n\t588,6\t\t\nGelb\t! |\u00f637,7\t\t\nGr\u00fcn\t(486,1\tE \u2014\t526,5\nBlau\t(446,2\tF =\t485,6\nIndigo\t420,1\tG =\t429,6\nViolett\t'379,8\tH =\t396,3.\nDie Grenzen der Farben unter sich stimmen in diesem Schema ziemlich gut mit den nat\u00fcrlichen \u00fcberein; zweckm\u00e4ssig m\u00f6chte es vielleicht sein, statt der kleinen Terz die grosse zu nehmen, also die ganze Vergleichung auf die Durtonleiter zu bauen, wie Drobisch auch selbst bemerkt; dann fiele die Grenze des Orange und Gelb, die im obigen Schema im Goldgelb bei 0 liegt, dem reinen Gelb n\u00e4her. Aber wenn auch in sofern die Vergleichung stimmt, so vergesse man nicht, dass der ganze Sinn der Vergleichung zwischen Schall- und Lichtwellen schon durch die Erhebung der musikalischen Verh\u00e4ltnisse in eine gebrochene Potenz verloren gegangen ist, dass die Enden des Spectrum willk\u00fchrlich abgebrochen sind, da in der That die schwach wirkenden Endfarben des Spectrum an beiden Seiten viel weiter reichen, dass die NswTON\u2019sche Abtheilung der 7 Hauptfarben schon willk\u00fchrlich gemacht und nur der musikalischen Analogien wegen so gew\u00e4hlt ist. Goldgelb verdiente mindestens ebenso gut seinen Platz zwischen Gelb und Orange, wie Indigo zwischen Blau und Violett, ebenso","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nZWEITER ABSCHNITT, DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u25a0 19.\nGelbgr\u00fcn und Blaugr\u00fcn, und dass endlich Grenzen der Farben im Spectrum wirklich nicht existiren, sondern von uns nur der Nomenclatur zu Liebe willkiihrlich gezogen werden. Ich selbst glaube deshalb, dass man diese Vergleichung aufgeben m\u00fcsse.\nEndlich hat in neuester Zeit auch Unger versucht, auf die Vergleichung der Lichtwellenverh\u00e4ltnisse mit den musikalischen Intervallen eine Theorie der \u00e4sthetischen Farbenharmonie zu gr\u00fcnden. In seinen factischen Angaben \u00fcber die harmonirenden Farben scheint viel Wahres zu sein, was grossentheils aus Kunstwerken richtig abstrahirt ist, aber seine Theorie, die Vergleichung mit den musikalischen Verh\u00e4ltnissen, ist etwas gewaltsam erzwungen. Auf seiner chromharmonischen Scheibe bat er Farbent\u00f6ne zusammengestellt, die den 12 halben T\u00f6nen der Octave entsprechen sollen, zu welchem Zweck er aber zwischen Violett und Roth purpurrothe Farben einschaltet, die als einfache Farben nicht existiren.. In diese purpurnen T\u00f6ne l\u00e4sst er die FRAUNHOFER\u2019schen Linien G, //, A fallen, w\u00e4hrend die beiden ersteren das reine Violett begrenzen, die letztere dem reinen Roth angeh\u00f6rt. Die einfachen Farben, welche \u00fcber das Violett hinausliegen, sind in Wahrheit blau, nicht purpurroth. Die vollkommenste Harmonie soll dem Duraccord entsprechen. Dieser liefert auf seiner Scheibe z. B. die viel gesehene Zusammenstellung der italienischen Maler: Roth, Gr\u00fcn, Violett. Aber der richtige Duraccord, wenn man Gr\u00fcn als grosse Terz nimmt, w\u00e4re Roth, Gr\u00fcn, Indigblau. Den antiken Malern fehlt ein gutes Roth, sie brauchen Mennige, Orange, daf\u00fcr und bilden den Accord: Orange, Gr\u00fcnblau, r\u00f6thlich Violett. Die Mollaccorde geben einen sanfteren und tr\u00fcberen Eindruck, die verminderten und \u00fcberm\u00e4ssigen Dreikl\u00e4nge geben einen pikanten, weniger k\u00fcnstlerisch reinen Eindruck. Ich glaube, dass man f\u00fcr die richtigen Beobachtungen der Farbenwirkung, die sich bei Unger finden, statt der erzwungenen musikalischen Analogien einen anderen Grund suchen muss. Die ges\u00e4ttigten Farben bilden in der That eine in sich zur\u00fccklaufende Reihe, wenn wir die L\u00fccke zwischen den Enden des Spectrum durch die purpurnen T\u00f6ne erg\u00e4nzen, und dem Auge scheint es angenehm zu sein, wenn ihm drei Farben geboten werden, die ungef\u00e4hr gleichweit in der Reihe auseinanderliegen. Die oben erw\u00e4hnte ber\u00fchmte Zusammenstellung der italienischen Maler: Roth, Gr\u00fcn, Violett, welche keinem richtigen Duraccorde entspricht, entspricht in Wirklichkeit den drei Grundfarben von Th. Young, und darin kann der Grund ihrer \u00e4sthetischen Wirkung liegen. Andere Farben, in richtiger Distanz von einander gew\u00e4hlt, machen einen \u00e4hnlichen befriedigenden Eindruck. Wo zwei derselben sich zu sehr n\u00e4hern, wird der Eindruck minder rein. Das ist vielleicht die Bedeutung von Unger\u2019s Beobachtungen; \u00fcbrigens kann offenbar bei der sogenannten Farbenharmonie von einer so strengen Bestimmung wie bei den musikalischen Intervallen nicht die Rede sein.\n384\u2014 322. v. Ch. Aristoteles de coloribus.\n1571. Jon. Fleischer de iridibus doctrina Aristotelis et Vitellionis. Vitembergae 1571. p. 80. 1583. Jo. Bapt. Porta de refractione libri novem. Neapoli 1583. lib. IX.\n1590. Bernardini Telesii opera. Venetiis 1590. De Iride et coloribus.\n1611. M. Antonii de Dominis de radiis visus et lucis in vitris perspectivis et Iride. Venetiis 16-11.\n1613. Maurolycus de lumine et umbra. Lugd. 1613. p. 57.\n1637. Cartesius de meteoris. Cap. VIII.\n1648. Jo. Marcus Marci Thaumantias, liber de arcu coelesti, deque colorum apparentium natura, ortu et caussis. Pragae 1648.\n1665. R. Hooke. Micrographia. London 1665. p. 64.\n1675. *1. Newton in Philosophical Transact. 1675. (Erste Notizen \u00fcber seine Ansicht) \u2014 Optics. London 1704. (Vollst\u00e4ndige Ausarbeitung seiner optischen Entdeckungen) \u2014 Lectiones opticae.\n1711. De la Hire. Mein. de l\u2019Acad. des Sc. 1711. p. 100.\n1746. Euler. Nova theoria lucis colorum in den Opusculis varii argumenti. Berol. 1746. p. 169 \u2014 244.\n1752. Euler in Mein, de l\u2019Acad. de Prusse I7S2. p. 271. Essai d\u2019une explication des couleurs.\nGegen Newton.\n1727. Rizetti. Specimen physico math, de luminis affectionibus. Ven. 1727.\n1737. Leblond. Harmony of colouring. London.\n1740. Castel. L\u2019optique des couleurs. Paris.\n1750. Gautier. Chroagenesie ou g\u00e9n\u00e9ration des couleurs contre le syst\u00e8me de Newton. Paris. 2 vol. 8.\n1752. Gautier. Observations sur l\u2019histoire naturelle, sur la physique et la peinture. Paris.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 19.\nLITERATUR F\u00dcR DIE FARBENLEHRE.\n271\n1754. 1780. 1784. 1791. 92 1794. 1810. 1823.\n1811.\n1817.\n1827.\n1833.\n1835.\n1853.\n1857.\n1859.\n1816.\n1824.\n1828.\n1830.\n1831.\n1834.\n1847.\n1852.\n1853.\nCominale. Anti-Newtonianismus. 4 Napoli.\nMarat. D\u00e9couvertes sur ta lumi\u00e8re. Paris. 8.\nMarat. Notions \u00e9l\u00e9mentaires d\u2019optique. Paris. 8.\nGoethe. Beitr\u00e4ge zur Optik. Weimar.\nWunsch. Kosmologische Unterhaltungen.\nGoethe. Zur Farbenlehre. Entoptische Farben, zur Naturwissenschaft 126\u2014190. Bourgeois. Manuel d\u2019optique exp\u00e9rimentale. Paris. 2 vol. 12.\nUeber Newton und Goethe.\nSeebeck. 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London 1830.\nD. Brewster. Description of a monochromatic Lamp with Remarks on the absorption of the Prismatic Rays. Edinb. Transact. IX. P. II. p. 433.\nDerselbe. On a new Analysis of Solar Light. Edinb. Transact. XII. P. I. 123. Pogg. Ann. XXIII. 435.\nExley. Physical optics or the phenomena of optics. London.\nUeber Brewster\u2019s Theorie.\nAiry in Philos. Magaz. (3.) XXX. 73. Pogg. Ann. LXX1. 393.\nBrewster Reply, ibid. XXX. 153.\nDraper in Silliman Journ. IV. 388. Phil. Magaz. XXX. 345.\nBrewster. Phil. Magaz. XXX. 461.\nMelloni. Bill. univ. de Gen\u00e8ve. Ao\u00fbt 1847. Phil. Magaz. XXXII.\nAnn. LXXV. 62.\nBrewster. Phil. Magaz. XXXII. 489.\nHelmholtz. Ueber Herr D. Brewster\u2019s neue Analyse des Sonnenlichts. Pogg. Ann. LXXXVI. 501. \u2014 Phil. Magaz. (4.) IV. -\t/\nF. Bernard. Th\u00e8se sur l\u2019absorption de la lumi\u00e8re par les milieux hop crystallis e Ann. de Chim. (3.) XXXV. 385 \u2014 438.\nD. Brewster. On the triple spectrum. Athen. 1855, p. 1156. Inst 1855, p. 3s\u2019 Report .of Brit. Assoc. 1855.\t2. p. 7 \u2014 9.\t\\","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 20.\nGrenzen der Empfindlichkeit.\n184S. 46. Br\u00fccke in M\u00fcller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. 4 845. S. 262.\t1846. S. 319.\nPogg. Ann. LXV. 893. LXIX. 549.\n4 852. Cima. Sul potere degli umori clell\u2019 occhio a trasmettere il calonco raggiante. Torino.\n1883. Donders. ln Onderzoekingen gedaan in het physiol. Laborat. van de Utrechtsche Hoogeschool. Jaar. VI. p. 1. 'M\u00fcller\u2019s Archiv 1853. S. 459.\n1854.\tG. Kessler in Graefe Archiv f\u00fcr Ophthalmologie I. Abth. 1. S. 466.\n1855.\tHelmholtz. Ueber die Empfindlichkeit der menschlichen Netzhaut f\u00fcr die brechbarsten Strahlen des Sonnenlichts. Pogg. Ann. XCiV. 205. Ann. de Cliim. (3.) XLIV. 14. Arch. d. sc. phys. XXIX. 243.\nVergleichung mit den Tonintervallen.\n1704. I. Newton. Optics. Lib. I. Pars 2. Prop. 3.\n1725\u201435. L. B. Castel. Clavecin oculaire in Journ. de Tr\u00e9voux.\n1737. de Mairan in M\u00e9m. de T Acad, des Sc. 1737. p. 61.\n1772. Lambert. Farbenpyramide. Augsburg 4 772. \u00a7. 4 9.\n4 772. Hartley in Priestley Geschichte der Optik. S. 549.\n1802. Th. Young in Phil. Transact. 1802. p. 38.\n1852. Drobisch. Abhandl. d. s\u00e4chsischen Gesellsch. der Wiss. Bd. II. Sitzungsberichte derselben. Novbr. 1852. Pogg. Ann. LXXXVIII. 519 \u2014 526.\nUnger in Pogg. Ann. LXXXVII. 121\u2014128. C. R. XL. 239.\n4 854. Derselbe. Disque chromharmonique. G\u00f6ttingue.\n1858. Helmholtz in Sitzbr. d. Akad d. Wiss. zu Berlin 1855. S. 760. Inst. 1856 p. 222. J. J. Oppel. Ueber das optische Analogon der musikalischen Tonarten. Jahresber. der Frankfurter Vers. 4 854 \u2014 55. p. 47 \u2014 55.\nE. Chevreul. Remarques sur les harmonies des couleurs. C. R. XL. 239 \u2014 242; Edinb. Journ. (2.) I. 466 \u2014168.\n\u00a7. 20. Die zusammengesetzten Farben.\nWir haben gesehen, dass homogenes Licht von verschiedener Brechbarkeit und Schwingungsdauer die Empfindung verschiedener Farben in unserem Sehnervenapparate hervorbringt. Wenn nun ein und dieselbe Stelle der Netzhaut gleichzeitig von Licht zweier oder mehrerer verschiedener Grade der Schwingungsdauer getroffen wird, so entstehen neue Arten von Farbenempfindungen, welche im Allgemeinen von denen der einfachen Farben des Spectrum verschieden sind, und welche das Eigenth\u00fcmliche haben, dass aus der Empfindung der zusammengesetzten Farbe nicht erkannt werden kann, welche einfache Farben in ihr enthalten sind. Es l\u00e4sst sich vielmehr im Allgemeinen die Empfindung jeder beliebigen zusammengesetzten Farbe durch mehrere Arten der Zusammensetzung verschiedener Spectralfarben hervorbringen, ohne dass es auch dem ge\u00fcbtesten Sinnesorgane m\u00f6glich w\u00e4re, ohne H\u00fclfe physikalischer Instrumente zu ermitteln, welche einfache Farben in dem zusammengesetzten Lichte verborgen sind. Es unterscheidet sich dadurch das Auge in seiner Reaction gegen die Aetherschwingungen wesentlich vom Ohre, welches, von Tonwellen verschiedener Schwingungsdauer getroffen, die einzelnen T\u00f6ne zwar zu einer Ge-sammtempfindung eines Accords verbindet, aber doch jeden einzelnen einzeln darin wahrnehmen kann, so dass zwei aus verschiedenen T\u00f6nen zusammengesetzte Accorde dem Ohre niemals identisch erscheinen, wie es f\u00fcr das Auge verschiedene Aggregate zusammengesetzter Farben sein k\u00f6nnen.\nWas hier gesagt ist, bezieht sich auf die unmittelbare Sinnesempfindung, und wird keineswegs umgestossen durch die Erfahrung, das uns ein Act des Urtheils zuweilen die Zusammensetzung wenigstens der Hauptsache nach richtig erkennen l\u00e4sst. Wer einige Erfahrung \u00fcber die Resultate der Mischung farbigen Lichtes hat,","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 20.\nBEGRIFF DER MISCHFARBE.\n273\nglaubt zuweilen in einer Mischfarbe die einfachen Farben, welche sie zusammensetzen, wirklich zu sehen, giebtan, ob mehr von der einen oder anderen darin sei. Indessen wird dann ein Act des auf Erfahrung gegr\u00fcndeten Urtheils mit einem Acte der Empfindung verwechselt. Wenn man z. B. Purpur betrachtet, so kann man wissen, dass es \u00fcberwiegend aus Roth und Violett zusammengesetzt sei. und in welchem Verh\u00e4ltnisse beide ungef\u00e4hr gemischt sind. Aber man kann nicht wissen, ob in der Farbe noch untergeordnete Mengen von Orange oder Blau enthalten sind. W\u00e4re es die Empfindung und nicht blos das auf Erfahrung gest\u00fctzte Urtheil, so m\u00fcsste man das letztere ebenso gut ermitteln k\u00f6nnen, als das erstere. Beim Weiss, welches die gr\u00f6sste Mannigfaltigkeit der Zusammensetzung zul\u00e4sst, wird es Niemandem einfallen, heraussehen zu wollen, welche einfache Farben darin enthalten sind, ob zwei, oder drei, oder vier, und welche besonderen. Wie leicht aber T\u00e4uschung hier m\u00f6glich ist, zeigt das Gr\u00fcn, in welchem, get\u00e4uscht durch die Mischung der Malerfarben, sowohl das Gelb als das Blau zu sehen, M\u00e4nner wie Goethe und Brewster behauptet haben, w\u00e4hrend jetzt nachgewiesen werden kann, dass Gr\u00fcn aus jenen Farben gar nicht zusammengesetzt werden kann, wenn man nicht Modificationen derselben nimmt, die selbst schon gr\u00fcnlich sind.\nAm auffallendsten wird die T\u00e4uschung, als k\u00f6nnte man zwei einfache Farben gleichzeitig an demselben Orte sehen, wenn eine Fl\u00e4che gleichzeitig von zwei verschiedenen Farben erleuchtet wird, aber so dass an einzelnen Stellen die eine, an anderen Stellen die andere \u00fcberwiegt, namentlich wenn die eine den \u2022Grund f\u00fcllt, die andere darauf eine regelm\u00e4ssige Zeichnung bildet. Besonders g\u00fcnstig ist es auch, wenn die Zeichnung oder die Flecken ihren Ort wechseln. Dann glauben wir oft die beiden Farben gleichzeitig, die eine gleichsam durch die'andere hindurch an demselben Orte zu sehen. Wir verfahren in solchen F\u00e4llen ebenso, als s\u00e4hen wir Objecte durch einen farbigen Schleier, oder von einer farbigen Fl\u00e4che gespiegelt. Wir haben durch Erfahrung gelernt, uns auch unter solchen Umst\u00e4nden ein richtiges Urtheil \u00fcber die wahre Farbe des Objects zu bilden, und dieselbe Scheidung zwischen der Farbe des Grundes und des darauf unregelm\u00e4ssig verbreiteten Lichts nehmen wir dann auch in allen \u00e4hnlichen F\u00e4llen im Urtheile vor. Will man die Empfindung der Mischfarben ungest\u00f6rt haben, so muss eben das gemischte Licht in dem ganzen Felde, wo es verbreitet ist, gleichm\u00e4ssig gemischt sein.\nIn einzelnen F\u00e4llen, namentlich wenn zwei Farben, die im Spectrum weit auseinander liegen, ein scharf begrenztes Feld f\u00fcllen, erkennen wir die Farben an den R\u00e4ndern mittels der Farbenzerstreuung im Auge 1 von einander gesondert. Auch das giebt nat\u00fcrlich keinen brauchbaren Einwurf gegen den aufgestellten Satz, da in diesem Falle das Auge selbst wie ein Prisma wirkt, und bewirkt, dass verschiedene Tlieile der Netzhaut von dem verschiedenfarbigen Lichte getroffen werden.\nDie Methoden um verschiedenfarbiges Licht zusammenzusetzen, und die Wirkung des zusammengesetzten Lichts auf das Auge zu pr\u00fcfen, sind die folgenden:\n1 S. oben S. 127.\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\n18","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\tZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN. \u00a7. 20.\n1)\tMan bringt verschiedene Spectra oder verschiedene Theile desselben Spectrum zum Decken. So erh\u00e4lt man die Zusammensetzungen je zweier einfacher Farben.\n2)\tMan blickt durch eine ebene Glastafel in schr\u00e4ger Richtung nach einer farbigen Fl\u00e4che, w\u00e4hrend die dem Beobachter zugekehrte Seite der Glastafel ihm gleichzeitig Licht eines andersfarbigen Objects durch Reflexion zusendet. So gelangt in das Auge des Beobachters gleichzeitig von der Glastafel durchgelassenes Licht der einen und reflectirtes Licht der anderen Farbe, und beide treffen dieselben Theile der Netzhaut. Auf diese Weise kann man* namentlich bequem die zusammengesetzten Farben der Naturk\u00f6rper weiter zusammensetzen.\n3)\tMan l\u00e4sst auf dem Farbenkreisel Scheiben schnell rotiren, auf denen verschiedenfarbige Sectoren angebracht sind. Ist die Rotation schnell genug, so verbinden sich die Eindr\u00fccke, welche die verschiedenen Farben auf der Netzhaut machen, zur Empfindung einer einzigen Farbe, der Mischfarbe.\nAlle drei Methoden geben in R\u00fccksicht der Farbenmischung gleiche Resultate, ihre Ausf\u00fchrung wird unten specieller beschrieben werden. Nicht angewendet werden darf die Methode der Mischung pulveriger oder fl\u00fcssiger Pigmente, welche von Newton und vielen anderen Physikern als gleichgeltend mit der ersten Methode, der Mischung von Spectralfarben, betrachtet worden ist. Denn der gemischte Farbstoff giebt keineswegs ein Licht, welches die Summe der von den einzelnen, in der Mischung enthaltenen Farbstoffen reflectirten Lichter w\u00e4re.\nNehmen wir, um dies deutlich zu machen, zun\u00e4chst farbige Fl\u00fcssigkeiten. Das Licht, welches durch sie hindurchgeht, wird durch Absorption gef\u00e4rbt, d. h. es werden von den verschiedenfarbigen Strahlen des weissen Lichts einige, schon nachdem sie eine kurze Strecke in der Fl\u00fcssigkeit zur\u00fcckgelegt haben, so geschw\u00e4cht, dass sie verschwinden, w\u00e4hrend andere l\u00e4ngere Strecken der Fl\u00fcssigkeit durchlaufen k\u00f6nnen, ohne merklich geschw\u00e4cht zu werden. In dem ausgetretenen Lichte \u00fcberwiegen die letzteren, und dieses Licht hat also die Farbe derjenigen Strahlen, welche am wenigsten von der Fl\u00fcssigkeit absorbirt werden. Diese Absorption einzelner Farben des Spectrum kann man nach-weisen, wenn man solches Licht, welches durch eine farbige Fl\u00fcssigkeit (oder farbiges Glas) gegangen ist, nachher ein Prisma passiren l\u00e4sst, und ein Spectrum bildet. In dem Spectrum fehlt dann eine Reihe von Farben, oder ist sehr schwach, w\u00e4hrend die Theile des Spectrum, deren Farbe der Fl\u00fcssigkeit entspricht, die gew\u00f6hnliche Helligkeit haben.\nMischt man nun zwei farbige Fl\u00fcssigkeiten miteinander, welche sich gegenseitig chemisch nicht ver\u00e4ndern, so dass die Absorptionskraft jeder einzelnen f\u00fcr die verschiedenfarbigen Lichtstrahlen unver\u00e4ndert bleibt, so gehen nur solche Strahlen durch die Mischung, welche von keiner der beiden Fl\u00fcssigkeiten absorbirt werden. Das sind gew\u00f6hnlich die Strahlen, welche in der prismatischen Reihe in der Mitte liegen zwischen den Farben der beiden gemischten Fl\u00fcssigkeiten. Die meisten blauen K\u00f6rper, z. B. die Kupferoxydsalze, lassen die blauen Strahlen ungeschw\u00e4cht, etwas weniger gut die gr\u00fcnen und violetten, schlecht dagegen die rothen und gelben hindurch. Die gelben Farbstoffe dagegen lassen","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 20.\nDIE MISCHUNG VON FARBSTOFFEN.\n275\nfast alle das Gelb ungeschw\u00e4cht, gut auch noch Roth und Gr\u00fcn, schlechter Blau und Violett hindurch. Unter solchen Umst\u00e4nden wird durch eine Mischung einer gelben und blauen Fl\u00fcssigkeit meistentheils das Gr\u00fcn am besten hindurchgehen, weil die blaue Fl\u00fcssigkeit die rothen und gelben, die gelbe Fl\u00fcssigkeit die blauen und violetten Strahlen zur\u00fcckh\u00e4lt. Es ist eine Wirkung derselben Art, als wenn man Licht durch zwei verschiedenfarbige Glasplatten hinter einander gehen l\u00e4sst, wodurch es immer viel mehr geschw\u00e4cht wird, als wenn es durch zwei Platten gleicher Farbe gegangen ist. Aber es ist klar, dass hierbei keine Summation des Lichtes stattfindet, welches jede einzelne Fl\u00fcssigkeit f\u00fcr sich hindurchl\u00e4sst, sondern im Gegentheil eine Art von Subtraction, insofern die gelbe Fl\u00fcssigkeit von den durch die blaue gegangenen Strahlen noch alle die wegninmit, welche in ihr der Absorption verfallen. Daher sind auch Mischungen farbiger Fl\u00fcssigkeiten in der Regel viel dunkler als jede einzelne Fl\u00fcssigkeit f\u00fcr sich.\nBei den pulverigen Farbstoffen verh\u00e4lt es sich ganz \u00e4hnlich. Wir m\u00fcssen jedes einzelne Pulvertheilchen eines Farbstoffes als ein kleines durchsichtiges K\u00f6rperchen betrachten, welches das Licht durch Absorption f\u00e4rbt. Allerdings ist das Pulver solcher Farbstoffe im Ganzen genommen in hohem Grade undurchsichtig. Indessen wo wir Gelegenheit haben, Farbstoffe in zusammenh\u00e4ngenden Massen von gleichm\u00e4ssig dichter Structur zu sehen, finden wir sie wenigstens in d\u00fcnnen Bl\u00e4ttern durchsichtig. Ich erinnere an den krystallisirten Zinnober, Gr\u00fcnspan, Chromblei, das blaue Kobaltglas u. s. w., welche wir in fein pulverigem Zustande als Farbstoffe benutzen.\nWenn nun Licht auf ein solches aus durchsichtigen Theilen bestehendes Pulver f\u00e4llt, wird ein kleiner Theil an der oberen Fl\u00e4che reflectirt, der Rest dringt ein, und wird erst von den tiefer liegenden Begrenzungsfl\u00e4chen der Pulvertheilchen zur\u00fcckgeworfen. Eine einzelne Tafel von weissem Glase reflectirt von senkrecht einfallendem Lichte y28, zwei solche V13, eine grosse Zahl fast alles. Bei Pulver aus weissem Glase m\u00fcssen wir folglich schliessen, dass bei senkrechter Incidenz ebenfalls nur y25 des auffallenden Lichts von der obersten Schicht reflectirt wird, das \u00fcbrige von den tieferen Schichten. Ebenso muss es sich f\u00fcr blaues Licht bei blauem Glase verhalten. Es wird also bei farbigen Pulvern stets nur ein sehr kleiner Theil des Lichtes, welches sie geben, von der obersten Schicht reflectirt, bei weitem das meiste aus tieferen Schichten. Das von der obersten Fl\u00e4che reflectirte Licht ist weiss, wenn die Reflexion nicht eine metallische ist, erst das aus den tieferen Fl\u00e4chen zur\u00fcckkehrende ist durch Absorption gef\u00e4rbt, um so tiefer, je l\u00e4nger sein Weg in der Substanz gewesen ist. Daher ist auch gr\u00f6beres Pulver desselben Farbstoffs dunkler gef\u00e4rbt als feineres. Bei der Reflexion kommt es n\u00e4mlich nur auf die Zahl der Oberfl\u00e4chen an, nicht auf die Dicke der Theilchen. Sind letztere gr\u00f6sser, so muss das Licht einen l\u00e4ngeren Weg in der Substanz zur\u00fccklegen, um die gleiche Menge reflectirender Oberfl\u00e4chen zu treffen, als wenn sie kleiner sind. Die Absorption der absorbirbaren Strahlen ist also in einem groben Pulver st\u00e4rker, als in einem feineren. Jenes hat eine dunklere und ges\u00e4ttigtere Farbe als letzteres. Die Reflexion an den Oberfl\u00e4chen der Pulvertheilchen wird geschw\u00e4cht,\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276 ZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\t\u00a7. -20.\nwenn wir ein fl\u00fcssiges Verbindungsmittel zwischen sie bringen, dessen Brechungsverm\u00f6gen dem ihrigen n\u00e4her steht als das der Luft, Trockene Pulver von Pigmenten sind deshalb in der Regel weisslicher, als wenn sie mit Wasser oder mit dem noch st\u00e4rker brechenden Oel durchtr\u00e4nkt sind.\nWenn nun ein gemischtes farbiges Pulver Licht nur aus der obersten Schicht reflectirte, in welcher Theilchen von beiden Farben gleichm\u00e4ssig durch einander liegen, w\u00fcrde das zur\u00fcckgeworfene Licht wirklich die Summe der Lichter sein, welche die einzelnen ungemischten Pulver geben. F\u00fcr die gr\u00f6ssere Menge reflectirten Lichtes aber, welches aus den tieferen Schichten zur\u00fcckkommt, ist das Verh\u00e4ltniss ebenso wie bei gemischten farbigen Fl\u00fcssigkeiten, oder hinter einander gelegten farbigen Gl\u00e4sern. Dieses Licht hat auf seinem Wege Pulvertheilchen von beiderlei Art passiren m\u00fcssen, und enth\u00e4lt also nur noch diejenigen Lichtstrahlen, welche durch beide Arten von Pulvertheilchen hindurchgehen k\u00f6nnen. Fur den gr\u00f6sseren Theil des Lichtes, welches von gemischtem Farbenpulver zur\u00fcckgeworfen wird, findet also nicht eine Addition beider Farben, sondern in dem Sinne, wie vorher erl\u00e4utert wurde, eine Subtraction statt. Daher erkl\u00e4rt sich auch die Thatsache, dass die Mischungen von Pigmenten viel dunkler sind, als die einfachen Pigmente, namentlich, wenn ihre Farben weit auseinander liegen. Zinnober und Ultramarin geben z. B. ein Schwarzgrau, welches kaum einen Schein von Violett, der Mischfarbe des rothen und blauen Lichtes, hat, weil das eine Pigment die Strahlen des anderen fast vollst\u00e4ndig ausschliesst. Bequem kann man diese Unterschiede sichtbar machen, wenn man auf einen Farbenkreisel, Fig. F12, am Rande Sectoren a und b mit zwei einfachen Farbstoffen \u00fcberzieht, in der Mitte c aber die Mischung der Farbstoffe selbst auftr\u00e4gt. So geben Kobaltblau und Chromgelb am Rande, wo sie getrennt aufgetragen sind, und beim Drehen der Scheibe sich der Eindruck ihres farbigen Lichtes erst in der Netzhaut verbindet, weissliches Grau, w\u00e4hrend ihre materielle Mischung ein viel dunkleres Gr\u00fcn giebt.\nEs d\u00fcrfen also die Resultate der Mischung von Malerfarben durchaus nicht benutzt werden, um daraus Schl\u00fcsse auf die Mischung farbigen Lichtes zu machen. So ist z. B. der Satz, dass Gelb und Blau Gr\u00fcn giebt, f\u00fcr die Mischung von Malerfarben ganz richtig, aber f\u00e4lschlich auf- die Mischung farbigen Lichtes \u00fcbertragen worden.\nObgleich nun die Bezeichnungen Farbenmischung und Mischfarbe von der Mischung der Farbstoffe hergenommen sind, so wollen wir sie hier doch f\u00fcr die Zusammensetzung farbigen Lichtes beibehalten, auf welche sie nicht ganz rechtm\u00e4ssiger Weise \u00fcbertragen sind, machen aber darauf aufmerksam, dass, wenn nicht ausdr\u00fccklich das Gegentheil gesagt ist, darunter nicht die Mischung von Farbstoffen und deren Resultat verstanden werden darf.\nDurch die gleichzeitige Einwirkung verschiedener einfacher Farben auf dieselbe Stelle der Netzhaut entsteht nun eine neue Reihe von Farbenempfindungen, welche durch die einfachen Spectralfarben nicht hervorgebracht werden. Diese neuen Empfindungen sind die des Purpurs, des Weiss und der Uebergangs-stufen des Weiss einerseits in die Spectralfarben und Purpur andererseits.","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 20.\nMISCHUNG VON ZWEI HOMOGENEN FARBEN.\n277\nPurpurroth entsteht durch Mischung derjenigen einfachen Farben, welche am Ende des Spectrum stehen. Am ges\u00e4ttigtesten fallt es aus, wenn man Violett und Roth mischt, weisslicher wird es, Rosenroth, wenn man statt des Violett Rlau und statt des Roth Orange nimmt. Das Purpurroth, welches durch Carminrotli in das Roth des Spectrum \u00fcbergeht, ist durchaus verschieden von den beiden Farben Roth und Violett, welche an den \u00e4ussersten Grenzen des gew\u00f6hnlich sichtbaren Spectrum stehen, bildet aber f\u00fcr das Auge einen Ueber-gang zwischen beiden mit continuirlichen Zwischenstufen, so dass dadurch die Reihe der ges\u00e4ttigten Farben, d. h. derjenigen, welche die wenigste Aehnlich-keit mit Weiss haben, in sich zur\u00fccklaufend wird.\nWeiss entsteht durch Zusammensetzung verschiedener Paare von einfachen Farben. Farben, welche in einem bestimmten Verh\u00e4ltnisse gemischt Weiss geben, nennt man co mp le men t\u00e4re Farben. Es sind unter den Spectralfarben com-plement\u00e4r:\nRoth und Gr\u00fcnlich Blau Orange\tCyanblau\nGelb\tIndigblau\nGr\u00fcnlich Gelb Violett.\nDas Gr\u00fcn des Spectrum hat keine einfache Complement\u00e4rfarbe, sondern nur eine zusammengesetzte, n\u00e4mlich Purpur.\nUm zu ermitteln, ob etwa regelm\u00e4ssige Verh\u00e4ltnisse zwischen den Wellenl\u00e4ngen der einfachen complement\u00e4ren Farben bestehen, habe ich f\u00fcr eine Reihe complementer er Farbenpaare die Wellenl\u00e4ngen bestimmt, und lasse diese Messungen hier folgen. Die L\u00e4ngeneinheit ist ein Milliontheil eines Pariser Zolles.\nFarbe.\tWellenl\u00e4nge.\tComplement\u00e4rfarbe.\tWellenl\u00e4nge.\tVerh\u00e4ltniss der Wellenl\u00e4ngen.\nRoth\t2425\tGr\u00fcnblau\t1818\t1,334\nOrange\t2244\tBlau\t1809\t1,240\nGoldgelb\t2162\tBlau\t1793\t1,206\nGoldgelb\t2120\tBlau\t1781\t1,190\nGelb\t2095\tIndigblau\t1716\t1,221\nGelb\t2085\tIndigblau\t1706\t1,222\nGr\u00fcngelb\t2082\tViolett\tvon 1600 ab\t1,301\nIm Violett mussten seiner Lichtschw\u00e4che wegen die \u00e4ussersten Strahlen von der Wellenl\u00e4nge 1600 ab alle zusammengefasst werden.\nNach diesen Messungen sind in der Seite 278 stehenden Fig. HS in horizontaler Richtung die Wellenl\u00e4ngen der Farben von 1500 bis 2600 der obigen Einheiten aufgetragen, in verticaler die der zugeh\u00f6rigen Complement\u00e4rfarben. J)ie Curven dr\u00fccken also die Wellenl\u00e4nge der Complement\u00e4rfarbe als Function der Wellenl\u00e4nge jeder einfachen Farbe aus. Am Rande stehen die Namen der den Wellenl\u00e4ngen entsprechenden Farben. Die wirklich gemessenen Werthe sind durch Sternchen oder Strichelchen, die die Curven schneiden, bezeichnet. Diese","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u25a0 20. .\nOramgi\nGM\nCurven zeigen eine auffallende Unregelm\u00e4ssigkeit, der Vertheilung der comple-ment\u00e4ren Farben im Spectrum an Wenn man auf der horizontalen Abscissen-\nlinie to in Violett zum Roth fortschreitet, \u00e4ndert sich die Wellenl\u00e4nge der Complement\u00e4rfarbe, wie die fast horizontal liegende Curve anzeigt, \u00e4usserst langsam. Gelangt man zu den gr\u00fcnlich blauen Farben, so \u00e4ndert sich jene L\u00e4nge dagegen ausserordentlich schnell, der aufsteigende Ast der Curve n\u00e4hert sich einer senkrechten Linie. Das letztere ist ebenso' im Gelb der Fall, w\u00e4hrend am rothen Ende die Aenderung wieder \u00e4usserst langsam wird. Es h\u00e4ngt dies damit zusammen, dass, wie ich e\u00a7 schon im vorigen Paragraphen bemerkt habe, der Farbenton an den Enden des Spectrum sich im Ver-h\u00e4ltniss zu den Wellenl\u00e4ngen ausserordentlich langsam, in der Mitte dagegen sehr schnell \u00e4ndert. Demgem\u00e4ss ist denn auch zwischen den Wellenl\u00e4ngen verschiedener Complement\u00e4rfarben durchaus kein einfaches oder constantes Ver-h\u00e4ltniss aufzufinden. Es schwankt, wenn man die musikalische Bezeichnungsweise anwendet, zwischen dem der Quarte (1,333) und dem vier kleinen Terz (1,20).\n\t\t\ta0\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\u00bb0\t\tr\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\tsh\n\t\t\t\t\tJ\t%\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t4\t\t\t\t\t\n\n\u00a7 \u00f6\ncs\nFig. 113.\nI\nIch bemerke \u00fcbrigens hier noch, dass die Lichtintensit\u00e4ten zweier complemen-t\u00e4rer einfacher Farben, welche zusammen gerade Weiss geben, dem Auge durchaus nicht immer gleich hell erscheinen. Nur bei der Mischung von Cyanblau und Orange sind Mengen beider Farben von einer dem Auge ungef\u00e4hr gleich erscheinenden Lichtmenge nothwendig. Sonst erscheinen Violett, Indigblau und Roth dunkler als die complement\u00e4ren Mengen des dazu geh\u00f6rigen Gr\u00fcnlich gelb, Gelb oder Gr\u00fcnlichblau. Da, wie sich im n\u00e4chsten Paragraphen ergeben wird, die Vergleichungen der Helligkeit proportionaler Mengen verschiedenfarbigen Lichtes durch das Auge sehr verschieden ausfallen bei verschiedener absoluter Lichtst\u00e4rke, so lassen sich auch f\u00fcr die Verh\u00e4ltnisse der Helligkeit complement\u00e4rer Mengen verschiedener Farbenpaare keine bestimmten Zahlen angeben.\nDie Spectralfarben haben demnach in Mischungen verschiedene f\u00e4rbende Kraft, sie sind gleichsam Farben von verschiedenem S\u00e4ttigungsgrade. Violett ist am meisten ges\u00e4ttigt, die anderen folgen ungef\u00e4hr in folgender Reihe:\nViolett\nIndigblau\nRoth Cyanblau Orange Gr\u00fcn Gelb.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 20.\nMISCHUNG VOX ZWEI HOMOGENEN FARBEN.\n279\nEndlich haben wir noch die Resultate der Mischung solcher Farben zu untersuchen, welche nicht complement\u00e4r sind. Dar\u00fcber l\u00e4sst sich folgende Regel aufstellen: Wenn man zwei einfache Farben mischt, die im Spectrum weniger von einander entfernt sind, als Complement\u00e4rfarben, so ist die Mischung eine der zwischenliegenden Farben und zieht desto mehr in das Weisse, je gr\u00f6sser der Abstand der gemischten Farben ist, wird dagegen desto ges\u00e4ttigter, je kleiner ihr Abstand. Mischt man dagegen zwei Farben, die in der Spectralreihe weiter von einander abstehen, als Complement\u00e4rfarben, so erh\u00e4lt man Purpur oder solche Farben, die zwischen einer der gemischten und dem entsprechenden Ende des Spectrum liegen. In diesem Falle ist die Mischung desto ges\u00e4ttigter, je gr\u00f6sser der Abstand der gemischten Farben im Spectrum ist, sie rst desto weisslicher, je kleiner ihr Abstand ist, vorausgesetzt, dass er immer gr\u00f6sser bleibt, als der von zwei Complement\u00e4rfarben.\nSo giebt zum Reispiel Roth, dessen Complement\u00e4rfarbe Gr\u00fcnlichblau ist, mit Gr\u00fcn gemischt weissliclies Gelb, welches bei wechselnden Mengenverh\u00e4ltnissen der einfachen Farben entweder durch Orange in Roth, oder durch Gr\u00fcnlichgelb in Gr\u00fcn \u00fcbergehen kann. Orange und Gr\u00fcnlichgelb k\u00f6nnen gemischt auch reines Gelb geben, welches dann aber ges\u00e4ttigter ist, als das aus Roth und Gr\u00fcn erzeugte. Mischen wir dagegen Roth und Cyanblau, so bekommen wir Rosa (weissliclies Purpurroth), welches bei ver\u00e4ndertem Mischungsverh\u00e4ltnisse in Roth oder durch Violett und Indigblau in Cyanblau \u00fcbergehen kann. Dagegen giebt Roth mit Indigblau, und noch mehr mit Violett ein ges\u00e4ttigtes Purpurroth-\nDie folgende Tabelle zeigt diese Resultate \u00fcbersichtlich. An der Spitze der verticalen*und horizontalen Columnen stehen die einfachen Farben; wo sich die betreffende verticale und horizontale Columne schneiden, ist die Mischfarbe angegeben, welche \u00fcbrigens immer bei ver\u00e4ndertem Mischungsverh\u00e4ltnisse durch die in der Spectralreihe dazwischenliegenden Farben in jede der beiden einfachen Farben der Mischung \u00fcbergehen kann.\n\tViolett\tIndigblau\tCyanblau\tBlaugr\u00fcn\tGr\u00fcn\tGr\u00fcngelb\tGelb\nRoth\tPurpur\tdk. Rosa\twss. Rosa\tWeiss\twss. Gelb\tGoldgelb\tOrange\nOrange\tdk. Rosa\twss. Rosa\tWeiss\twss. Gelb\tGelb\tGelb\t\nGelb\twss. Rosa\tWeiss\twss. Gr\u00fcn\twss. Gr\u00fcn\tGr\u00fcngelb\t\t\nGr\u00fcngelb\tWeiss\twss. Gr\u00fcn\twss. Gr\u00fcn\tGr\u00fcn\t\t\t\nGr\u00fcn\twss. Blau\tWasserblau\tBlaugr\u00fcn\t\t\t\t\nBlaugr\u00fcn\tWasserblau\tWasserblau\t\t\t\tdk. \u2014 dunkel\t\nCyanblau\tIndigblau\t\t\t\t\twss. = weisslich.\t\nUebrigens zeigt es sich auch bei diesen Mischungen wieder, dass die Spectralfarben einen verschiedenen S\u00e4ttigungsgrad der Farbe haben. So giebt Roth mit gleich hellem Gr\u00fcn gemischt ein r\u00f6thliches Orange, Violett mit gleich hellem Gr\u00fcn ein dem Violett nahestehendes Indigblau. Dagegen geben Farben von gleicher S\u00e4ttigung in gleicher Helligkeit gemischt auch Mischfarben, die von ihren beiden Constituenten ungef\u00e4hr um gleichviel verschieden sind.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 20.\nDurch Mischung von mehr als zwei homogenen Farben bekommen wir nun keine neuen Farben mehr, sondern die Zahl derselben ist durch die Mischungen je zweier einfacher Farben schon ersch\u00f6pft, ja wir haben ja schon bei den letzteren Mischungen gefunden, dass die meisten Mischfarben durch verschiedene Paare von einfachen Farben erzeugt werden konnten. Die Mischungen von zusammengesetzten Farben haben im Allgemeinen dasselbe Ergebniss, wie die Mischung der gleichnamigen Spectralfarben, nur f\u00e4llt die Mischung um so weisslicher aus, als die gemischten Farben selbst schon weisslicher sind, als Spectralfarben.\nSomit fuhren alle m\u00f6glichen Combinationen von Aetherwellensystemen verschiedener Schwingungsdauer nur zu einer verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringen Anzahl verschiedenartiger Erregungszust\u00e4nde des Sehnervenapparates, welche sich in verschiedenen Farbenempfindungen zu erkennen geben. Wir haben als solche kennen gelernt zuerst die Reihe der ges\u00e4ttigten Farben, n\u00e4mlich der prismatischen Farben, und das die Enden dieser Reihe verbindende Purpur. Jede dieser Farben kann wiederum in verschiedenen Abstufungen mehr oder weniger weisslich Vorkommen, und je weisslicher sie ist, desto weniger ges\u00e4ttigt erscheint sie uns. Die am meisten weisslichen Abstufungen dieser Farben gehen endlich in das reine Weiss \u00fcber. Wir haben hier also zweierlei Arten von Unterschieden zwischen den Farben, n\u00e4mlich erstens die Unterschiede des Farbentons und zweitens die Unterschiede der S\u00e4ttigung. Die Unterschiede des Farbentons sind denen zwischen den Spectralfarben entsprechend. Denken wir diese mit geringeren oder gr\u00f6sseren Quantit\u00e4ten weissen Lichts gemischt, so bekommen wir die verschiedenen S\u00e4ttigungsstufen des betreffenden Farbentons, und k\u00f6nnen den Grad der S\u00e4ttigung durch das Verh\u00e4ltniss ^zwischen den gemischten Lichtmengen der ges\u00e4ttigten Farbe und des Weiss bezeichnen. In der Sprache bezeichnen wir nur selten die weisslichen Farben mit besonderen Namen, wie z. R. weissliches Purpur mit Rosa, weissliches Roth mit Fleischfarbe, weissliches Rlau mit Himmelblau, sondern setzen, um sie zu bezeichnen, vor den Namen der Farbe die Zus\u00e4tze hell, blass oder weiss, wie z. R. hellblau ungef\u00e4hr dasselbe wie Himmelblau, blassblau ein noch weisslicheres Rlau, endlich weissblau ein von Weiss wenig unterschiedenes Rlau bezeichnet. Be-treffs der Rezeichnung weisslicher Farben durch die Vorsatzsylbe \u201ehell\u201c, ist noch zu bemerken, dass diese ihrem Sinne nach eigentlich eine lichtstarke Farbe bezeichnet, und hier der Sprachgebrauch eine lichtstarke Farbe nicht von einer weisslichen unterscheidet, was der im vorigen Paragraphen erw\u00e4hnten Thatsache entspricht, dass auch dem Auge die lichtstarken ges\u00e4ttigten Farben des Spectrum weisslich erscheinen.\nEndlich werden auch noch Unterschiede der Lichtst\u00e4rke von der Sprache als Arten von Farben bezeichnet, aber nur insofern wir die Farbe als eine Eigenschaft von K\u00f6rpern betrachten. Mangel des Lichts nennen wir Dunkelheit; einen K\u00f6rper aber, der kein Licht reflectirt, wenn es auf ihn f\u00e4llt, nennen wir schwarz; einen K\u00f6rper dagegen, welcher alles auffallende Licht diffus reflectirt, nennen wir weiss. Ein K\u00f6rper, der von allem auffallenden Lichte einen gleichen Antheil, aber nicht das Ganze reflectirt, ist grau, und einer, der Licht gewisser Farbe st\u00e4rker reflectirt als anderes, ist farbig. In diesem Sinne","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 20.\nSYSTEM DER FARBENEMPFINDUNGEN.\n281\nalso sind auch Weiss, Grau und Schwarz Farben. Lichtschwache ges\u00e4ttigte Farben unterscheiden wir durch den Zusatz \u201edunkel\u201c, wie dunkelgr\u00fcn, dunkelblau; bei \u00e4usserst geringer Lichtst\u00e4rke wenden wir f\u00fcr sie aber auch dieselben Namen an, wie f\u00fcr lichtschwache weissliche Farben, n\u00e4mlich f\u00fcr lichtschwaches Roth, Gelb, Gr\u00fcn die Namen Rothbraun, Braun und Olivengr\u00fcn, f\u00fcr \u00fcberwiegend weissliche Farben von geringer Lichtst\u00e4rke w\u00e4hlt man dagegen Bezeichnungen wie r\u00f6thlichgrau, gelbgrau, blaugrau u. s. w.\nDas Schwarz ist eine wirkliche Empfindung, wenn es auch durch Abwesenheit alles Lichts hervorgebracht wird. Wir unterscheiden die Empfindung des Schwarz deutlich von dem Mangel aller Empfindung. Ein Fleck unseres Gesichtsfeldes, von welchem kein Licht in unser Auge f\u00e4llt, erscheint uns schwarz, aber die Objecte hinter unserem R\u00fccken, von denen auch kein Licht in unser Auge f\u00e4llt, m\u00f6gen sie nun dunkel oder hell sein, erscheinen uns nicht schwarz, sondern f\u00fcr sie mangelt alle Empfindung. Bei geschlossenen Augen sind wir uns sehr wohl bewusst, dass das schwarze Gesichtsfeld seine Grenze hat, wir lassen es keineswegs sich bis hinter unseren R\u00fccken erstrecken. Nur diejenigen Theile des Gesichtsfeldes, deren Licht wir wahrnehmen k\u00f6nnen, wenn solches vorhanden ist, erscheinen schwarz, wenn sie kein Licht aussenden.\nDass Grau identisch sei mit lichtschwachem Weiss, Braun mit lichtschwachem Gelb, Rothbraun mit lichtschwachem Roth, erkennt man am leichtesten durch die prismatische Analyse des Lichts von grauen, blauen oder rothbraunen K\u00f6rpern, schwerer durch Projection des Lichts von der betreffenden Farbe und St\u00e4rke auf einen Schirm, weil wir fortdauernd die Neigung haben zu trennen, was in der Farbe oder dem Aussehen eines K\u00f6rpers von der Beleuchtung und was von der Eigenth\u00fcmlichkeit der K\u00f6rperoberfl\u00e4che selbst herr\u00fchrt. Der Versuch muss deshalb so eingerichtet werden, dass der Beobachter verhindert wird zu erkennen, es sei eine besondere Beleuchtung vorhanden. Ein graues Papierblatt, welches im Sonnenschein liegt, kann heller aussehen, als ein weisses, welches im Schatten liegt, w\u00e4hrend doch das erstere grau, das zweite weiss erscheint, weil wir sehr gut wissen, dass das weisse Blatt in den Sonnenschein gelegt, viel heller sein w\u00fcrde, als das graue, welches zur Zeit darin sich befindet. Wenn man aber eine graue Kreisfl\u00e4che auf weissem Papier anbringt, und durch eine Sammellinse Licht auf sie concentrirt, ohne dass das weisse Papier gleichzeitig mitbeleuchtet wird, so kann man das Grau weisscr erscheinen lassen, als das weisse Papier, so dass in diesem Falle, wo der unbewusste Einfluss des Urtheils ausgeschlossen ist, die Empfindungsqualit\u00e4t durchaus nur als abh\u00e4ngig von der Lichtst\u00e4rke erscheint.\nEbenso gelang es mir homogenes Goldgelb des Spectrum als Braun erscheinen zu lassen, indem ich mittels einer unten auseinander zu setzenden Methode auf einem weissen unbeleuchteten Schirme ein rechteckiges Feldchen damit beleuchtete, daneben ein gr\u00f6sseres Feld des Schirms dagegen mit hellerem weissen Lichte. Roth in derselben Weise angewendet gab Rothbraun, Gr\u00fcn, Olivengr\u00fcn.\nBer\u00fccksichtigen wir also noch die Lichtintensit\u00e4t, so finden wir, dass die Qualit\u00e4t eines jeden Farbeneindrucks von drei ver\u00e4nderlichen Gr\u00f6ssen abh\u00e4ngt, n\u00e4mlich der Lichtst\u00e4rke, dem Farbentone und seinem S\u00e4ttigungsgrade.","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\tZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN. \u00a7. 20.\nAndere Unterschiede der Qualit\u00e4t des Lichteindrucks existiren nicht. Man kann dieses Resultat in folgender Weise aussprechen:\nDer Farbeneindruck, den eine gewisse Quantit\u00e4t x beliebig gemischten Lichtes macht, kann stets auch hervorgebracht werden durch Mischung einer gewissen Quantit\u00e4t a weissen Lichtes und einer gewissen Quantit\u00e4t b einer ges\u00e4ttigten Farbe (Spectralfarbe oder Purpur) von bestimmtem Farbentone.\nDieser Satz beschr\u00e4nkt die Menge der verschiedenartigen Farbeneindr\u00fccke, wenn sie auch noch unendlich gross bleibt, doch auf ein kleineres Maass, als wenn jede m\u00f6gliche Combination verschiedener einfacher Lichtstrahlen einen besonderen Farbeneindruck g\u00e4be. Wollen wir die objective Natur eines gemischten Lichts vollst\u00e4ndig bestimmen, so m\u00fcssen wir angeben, wieviel Licht von jeder Gr\u00f6sse der Wellenl\u00e4nge darin ist. Da es nun unendlich verschiedene Wellenl\u00e4ngen giebt, ist die physikalische Qualit\u00e4t eines gemischten Lichts nur darzustellen als eine Function von unendlich vielen Unbekannten. Dagegen kann der Eindruck, den beliebig gemischtes Licht auf das Auge macht, immer dargestellt wefden als eine Function von nur drei Variablen, die in Zahlen ausgedr\u00fcckt werden k\u00f6nnen, n\u00e4mlich 1) der Quantit\u00e4t ges\u00e4ttigten farbigen Lichts, 2) der Quantit\u00e4t weissen Lichts, die gemischt dieselbe Farbenempfindung geben, 3) der Wellenl\u00e4nge des farbigen Lichts. Dadurch gewinnen wir auch endlich ein Princip, wonach wir die Farben in eine systematische Ordnung bringen k\u00f6nnen. Abstrahirt man n\u00e4mlich zun\u00e4chst von den Unterschieden der Lichtst\u00e4rke, so bleiben noch zwei Ver\u00e4nderliche \u00fcbrig, von denen die Qualit\u00e4t der Farbe abh\u00e4ngt, n\u00e4mlich der Farbenton und das Verh\u00e4ltnis des farbigen zum weissen Lichte, und wir k\u00f6nnen uns die Menge der Farben, wie die verschiedenen Werthe einer jeden Gr\u00f6sse, welche von zwei Variablen abh\u00e4ngt, in einer Ebene nach ihren zwei Dimensionen hin ausgebreitet denken. Die Reihe der ges\u00e4ttigten Farben ist in sich zur\u00fccklaufend, sie muss also auf einer geschlossenen Curve angebracht werden, f\u00fcr welche Newton einen Kreis, Fig. 114, w\u00e4hlte in dessen Mitte das Weiss steht.\nAuf den Verbindungslinien des Mittelpunktes mit den einzelnen Punkten der Peripherie sind die Uebergangsstufen zwischen dem Weiss und der an dem betreffenden Punkte der Peripherie stehenden ges\u00e4ttigten Farbe anzubringen, so dass die weisslicheren unter ihnen dem Mittelpunkte, die g\u00e9s\u00e2ttigteren der Peripherie n\u00e4her stehen. So erh\u00e4lt man eine Farbentafel, die alle m\u00f6glichen Arten gleich lichtstarker Farben in ihren conti-nuirliclien Ueberg\u00e4ngen geordnet darbietet. Wollte man auch noch die verschiedenen Grade der Lichtst\u00e4rke der K\u00f6rperfarben ber\u00fccksichtigen, so m\u00fcsste man, wie Lambert es that, noch die dritte Dimension des Raums zu H\u00fclfe nehmen, und zwar kann man die dunkelsten Farben, bei denen die Zahl der unterscheidbaren T\u00f6ne immer geringer wird, endlich in eine Spitze, dem Schwarz entsprechend, zusammenlaufen lassen. So\nFig. H4.","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 20.\nGEOMETRISCHE DARSTELLUNG DES FARBENSYSTEMS.\n283\nerh\u00e4lt man eine Farbenpyramide oder einen Farbenkegel. In Fig. 11\u00e4 sind drei Querschnitte eines solchen Kegels \u00fcber einander liegend dargestellt. Der gr\u00f6sste, der Grundfl\u00e4che entsprechend, w\u00fcrde dieselbe Farben-vertheilung wie der Farbenkreis Fig. 114 zeigen m\u00fcssen. Der mittlere, aus der Mitte des Kegels genommen, zeigt am Rande das Rotbbraun, Rraun, Olivengr\u00fcn, Graublau und in seiner Mitte Grau, endlich der kleinste, nahe an der Spitze des Kegels genommen, zeigt Schwarz, wie es die Figur sehen l\u00e4sst.\nNewton hat die Anordnung der Farben in einer Ebene auch noch benutzt, um das Farbenmischungsgesetz auszudr\u00fccken. Er dachte sich die Intensit\u00e4t der gemischten Lichter durch Gewichte ausgedriickt, diese Gewichte in der Farbentafel am Orte der betreffenden Farbe angebracht, und con-struirte den Schwerpunkt der Gewichte, dann soll der Ort dieses Schwerpunkts in der Farbentafel die Mischfarbe geben, die Summe der Gewichte ihre Intensit\u00e4t. Grassmann hat die Principien, welche in diesem NEWTON\u2019schen Verfahren verborgen liegen, entwickelt und ausgesprochen. Ausserdem schon oben erw\u00e4hnten Satze, dass:\n1)\tJede beliebig zusammengesetzte Mischfarbe gleich aussehen m\u00fcsse, wie die Mischung einer bestimmten ges\u00e4ttigten Farbe mit Weiss, sind dazu noch folgende S\u00e4tze nothwendig:\n2)\tWenn von zwei- zu vermischenden Lichtern das eine sich stetig \u00e4ndert, \u00e4ndert sich auch das Aussehen der Mischung stetig.\n3)\tGleich aussehende Farben gemischt geben gleich aussehende Mischungen.\nWenn wir diese drei Grunds\u00e4tze annehmen, l\u00e4sst sich eine Anordnung der Farben in einer Ebene herstellen, welche erlaubt, die Mischfarbe durch eine Schwerpunktsconstructiou zu Anden. Wir wollen eine solche Farbentafel, in welcher die Mischfarben nach dem Princip der Schwerpunktsconstructionen gefunden werden, eine geometrische Farbentafel nennen. Da die Lichtintensit\u00e4ten verschiedenfarbigen Lichtes keine allgemeing\u00fcltig quantitative Vergleichung durch das Auge zulassen, so muss man sich bei der Construction einer solchen Tafel Vorbehalten, die Einheit der Lichtquantit\u00e4t jeder Farbe durch die NEWTON\u2019sche Regel der Farbenmischung selbst festzusetzen. Wenn man drei Farben beliebig w\u00e4hlt, von denen aber keine durch Mischung der beiden anderen erzeugt werden kann, ihnen drei beliebige Orte in der Farbentafel anweist, die nicht in einer geraden Linie liegen, und die Einheiten ihrer Lichtintensit\u00e4t beliebig festsetzt, so ist nachher der Ort und die Einheit der Lichtintensit\u00e4t jeder anderen Farbe in der Farbentafel fest bestimmt.\nConstruction der Farbentafel. Wenn die drei Farben A, B, C, von denen man ausgehen will, gew\u00e4hlt, die Einheiten ihrer Liehtintensit\u00e4t und ihre Orte in der Farbentafel bestimmt sind, die wir mit o, b und c in Fig. 116 (Seite 2 84) bezeichnen wollen, so mische man die Quantit\u00e4ten \u00ab der Farbe A und \u00df der Farbe\nSckiwrzX g","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u25a0 20.\nB, und setze die Mischfarbe in den gemeinschaftlichen Schwerpunkt der Gewichte a und \u00df, von denen a im Punkt a und \u00df im Punkte b befindlich gedacht wird. Der Schwerpunkt d liegt in der Verbindungslinie ab der. beiden Gewichte und es muss sein\nuX ad = \u00df X.bcl.\nSo liegen denn \u00fcberhaupt alle Mischfarben von A und B auf der Linie ab. Soll nun mit den Quantit\u00e4ten a und \u00df der Farben A und B auch noch die Quantit\u00e4t y der Farbe C gemischt werden, so k\u00f6nnen wir erst \u00ab und \u00df wie vorher gemischt denken, die Mischfarbe, deren Quantit\u00e4t mit a -f- \u00df bezeichnet werden muss, Fig-HG-\tin d eingesetzt, und nun den Schwerpunkt e\nder beiden Gewichte a H- \u00df in d und y in c eonstruiren, welcher in der Linie cd liegen muss. Hier ist der Ort der gemeinsamen Mischfarbe, deren Quantit\u00e4t t gesetzt werden muss\nf \u2014 a \u00df y.\nDadurch ist auch die Einheit der Lichtst\u00e4rke f\u00fcr diese Farbe bestimmt; diese ist\n\u00ab ~f- \u00df -h y\nEs ist dabei ersichtlich, dass jede aus den drei Farben A, B, C mischbare Farbe innerhalb des Dreiecks abc liegen muss; f\u00fcr jede ist in der angegebenen Weise Ort und Einheit der Lichtst\u00e4rke zu bestimmen.\nDenkt man sich die Orte und Maasseinheiten aller aus den drei Farben A, B und C mischbaren Farben bestimmt, so kann man nun auch die Orte und Maasseinheiten der aus A, B und C nicht mischbaren Farben bestimmen. Es sei M eine solche Farbe. Man kann jedenfalls eine so kleine Quantit\u00e4t ft dieser Farbe w\u00e4hlen, dass, wenn man sie mit einer der Farben des Dreiecks mischt, die Mischfarbe auch noch innerhalb des Dreiecks liegt. Man mische sie z. B. mit der Quantit\u00e4t e (diese nach der schon festgesetzten Einheit gemessen) der in e befindlichen Farbe. Denkt man sich die Quantit\u00e4t der Farbe 11/ anfangs unendlich klein, und stetig steigend bis ft, so wird die Mischfarbe anfangs die in e befindliche Farbe selbst sein, sich nach dem vorangestellten Grunds\u00e4tze stetig \u00e4ndern, d. h. continuirlich in die benachbarten Farben \u00fcbergehen. Ist die Quantit\u00e4t von M bis ft gewachsen, so m\u00f6ge f der Ort und r/> die Quantit\u00e4t der betreffenden Mischfarbe sein, und f noch innerhalb des Dreiecks liegen. Gem\u00e4ss unserer Regel muss erstens sein\n(f \u2014 t + ft.\nDadurch ist die Quantit\u00e4t ft auf die von uns festgesetzten Maasseinheiten zur\u00fcckgef\u00fchrt. Zweitens muss f der Schwerpunkt von ft in m und \u00a3 in e sein, d. h. es muss m in der Verl\u00e4ngerung der Linie ef liegen, und\nmf ____\t\u00a3\nef ~ fi\nDadurch ist also auch die Lage und die Maasseinheit der Farbe M festgesetzt und kann ebenso f\u00fcr alle anderen aus A, B und C nicht mischbaren Farben bestimmt werden.\nBeweis der Richtigkeit dieser Construction. Es muss nun gezeigt werden, dass in einer so construirten Farbentafel, f\u00fcr welche auch die Maassein-","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 20.\nGEOMETRISCHE DARSTELLUNG DES FARBENSYSTEMS.\n285\nheiten der Lichtquantit\u00e4t der verschiedenen Farben in der angegebenen Weise festgesetzt sind, die Mischfarbe zweier beliebigen Farben sich im Schwerpunkte der gemischten Farben vorfindet, und ihre Lichtintensit\u00e4t, nach den festgesetzten Einheiten gemessen, gleich ist der Summe der Quantit\u00e4ten der gemischten Lichter.\nWenn wir uns die Lage der Massenpunkte m1, m1, m3 u. s. w. durch recht-winkelige Coordinaten xt, yx ; x2, y2; x3, y3.u. s. w. gegeben denken, so sind die Coordinaten X und Y des Schwerpunkts gegeben durch die Gleichungen\nX (mj\t+\tm2\tm3\t-f-\tetc.)\t=\tmx\txx X-\tm2 x2\tm3 x3\t-f-\tetc.\nY(mi\t-1-\trn2 -+- m3\t-+-\tetc.)\t=\tmx\tyx -1-\tm2 y2\tm3 y3\t-+-\tetc.\nIm Folgenden bezeichnen wir die Coordinaten des mit irgend einem beliebigen Buchstaben n Gezeichneten Punktes mit xn und yn.\nA.\tEs sollen gemischt werden zwei Farben Ea und Ex, welche selbst aus den drei urspr\u00fcnglich gew\u00e4hlten Farben A, \u00df und C gemischt werden k\u00f6nnen. Es seien die Quantit\u00e4ten f0 und der Farben Ea und Ex mischbar aus den Quantit\u00e4ten n0, \u00df0, y0 und beziehlich ux, \u00dfx, y, der Farben A, \u00df, C, so ist nach der Constructionsregel, wenn wir mit x0 y0 die Coordinaten des Ortes von \u00a30 mit xx, yx die von ^ in der Farbentafel bezeichnen\nxo (\u00abo\t+ \u00dfo\t-+- Y\u00fc)\t=\t\u201c.*\u00ab\t+\t\u00dfo xb\t-h\ty0\txc\n(\u00ab1\t+ \u00dfi\t+ Yi )\t=\t\u00ab,\txa\t-I-\t\u00dfl xb\t-I-\ty,\tXc\nVo K\t+ \u00dfo\t+ Yo)\t=\t\u00abo\tVa\t-+-\t\u00dfo Vb\t+\tYo\tVc\nVi (\u00ab1\t-I- \u00df,\t+ >5)\t=\t\u00ab1\t2/a\t+\t\u00df! Vb\tX-\ty,\ty0\nfo\t=\t\u201co\tX- \u00df\u201e\t-h Yo\nfi\t=\t\u201ci\t+ \u00df\\\t+ Y i\nNun ist nach dem Grunds\u00e4tze, dass gleichaussehende Farben gemischt gleich-aussehende Mischfarben geben, die Mischfarbe von f(l und t' dieselbe wie von uo \u00dfo Yo lm<1 a\\ \u00df\\ 1,11(1 Yi ! Coordinaten X und Y des Ortes der letzteren Mischung sind bei der Construction der Farbentafel durch die Gleichungen\nx (\u00abo + \u00dfo\t+ Yo\tai\t+ \u00dfi\t+ Yi)\t\u2014\t(\u00ab0\t+ ai) xa -+- (\u00dfo\t+ \u00dfi)\txb X- (>'o \u2022+\u2022 Yo)\txc\nY(ao -+- \u00dfo\tx~\tYo + \u201cl\t+ \u00dfi\t+ Fl)\t=\t(\u00abo\t\u25a0+\u25a0 \u201ci) Va + (\u00dfo\tX-\u00dfj)\tybX- (y0 X- y0)\tyc\noder indem man mittels der obigen sechs Gleichungen xa, Xb, Xc und ya, yb und yc eliminirt\nX\t(*\u201e \"+\"\t*i)\t=\tfo \u0153o X- tlxl\n1\t(fo +\tfi)\t\u2014\t*0 lJo + fl Vl\nd. h. die Coordinaten x, y der Mischfarbe von f0 und sind dieselben, wie die des Schwerpunkts von e0 und t .\nDie gesammte Lichtquantit\u00e4t q der Mischung von f0 und f muss wiederum gleich sein der Lichtquantit\u00e4t, welche bei Mischung der gleichaussehenden Quantit\u00e4ten \u00abo -I- \u00dfo X- y0 einerseits und ax X- \u00dfxX~ yx andererseits entsteht, d. h.\n1 \u2014 \u00abo -+- \u00dfo X- y0 -+- \u00ab1 4- Al X- y, \u2014 f0 -+-\nwomit die Richtigkeit der gegebenen Constructionsregel f\u00fcr alle aus A, B und C mischbaren Farben auf der in gesagter Weise construirten Farbentafel erwiesen ist.\nB.\tWenn zwei nicht aus A, \u00df und C mischbare Farben M0 und Mx gemischt werden sollen. Es seien x0, y0 die Coordinaten, /.i0 die Quantit\u00e4t der","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\tZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN. \u00a7. 20.\nFarbe M0, x1 und yx seien die Coordinaten, /li1 die Quantit\u00e4t der Farbe Mv Es sei der Ort von M0 in der Farbentafel dadurch gefunden worden, dass die Quantit\u00e4t i.i\u201e mit der Quantit\u00e4t c\u201e der im Punkte e befindlichen Farbe E gemischt, die Quantit\u00e4t cp der in f befindlichen Farbe F gegeben hat, so ist\n*0 + f*0 \u2014 V'\nffXf = e0 xe -+- Foxo\nrf yf = f.y* + /\u201co Vo-\nEbenso sei der Ort der Farbe Mx dadurch gefunden worden, dass gemischt mit der Quantit\u00e4t f, der Farbe E die Quantit\u00e4t xp der im Punkte g befindlichen Farbe G gegeben hat. Es ist\nf, -I- jMj \u2014 Ul\nxpxg^ \u2014 fj xc 4- !AX \u00a3C,\nWg = Ve -+- Fi Vv\nUm den Ort der Mischfarbe von u,, und pt in derselben Weise zu bestimmen, mische man diese mit der Quantit\u00e4t f0 -+- f, der Farbe E. Dies kommt aber darauf hinaus, dass man die Quantit\u00e4ten cp und xp der Farben F und G mischt. Die Coordinaten dieser Mischfarbe seien \u00a7 und.?-, gegeben durch die Gleichungen\n(<]P\t-+- ip) \u00a7\t=\tcpxf -+- xpxg\n(cp\t-h xp) V\t=\tcp yf -+- xp yg.\nDann sind die Coordinaten X und Y der Mischfarbe von /.i\u201e und fix, deren noch unbestimmte Quantit\u00e4t mit rj bezeichnet werde, gegeben durch die Gleichungen\n(cp\t-h\txp)'\u00ea =\t(f0\t+ fr)xe -+- r,\tX\n(cp\t+\t1p)v =\t(t0\t-f- fj) ye -I- rj\tY\n<p xp = *\u201e-+-*,+ p- ..\nIndem man mit H\u00fclfe der fr\u00fcheren Gleichungen hieraus cp, xp, x\u201e und ye eliminirt, erh\u00e4lt man:\nF0 xo + F i xi \u2014 V x\nFo y\u201e + Fi Vi \u2014 v y\nFo + Fj = V,\nwonach die Mischfarbe von pi0 und u, wirklich, wie verlangt wurde, im Schwerpunkte beider Massen liegt, und ihre Quantit\u00e4t der Summe beider Quantit\u00e4ten gleich ist.\nC. Wenn eine aus A, B, C mischbare und eine nicht mischbare Farbe gemischt werden sollen, ist \u00e4hnlich zu verfahren, wie im Falle B. Es sei pt die Menge der aus A, B, C nicht mischbaren Farbe und ihre Coordinaten x0, y0 seien dadurch gefunden, dass sie mit der Quantit\u00e4t e0 der im Punkte E stehenden Farbe gemischt, die Quantit\u00e4t cp der in F stehenden Farbe gegeben habe. Demnach ist\nFoxo -t- *0 xe \u2014 <fxf\nF\u00ab y0 -+- *o ye = V yt\nFo \u00a3o \u2014 (f-\nDer Ort der Mischfarbe p aus f.i0 und einer aus A, B, C mischbaren Farbe pi, im Punkte G befindlich, ergiebt sich, indem man rj mit e0 mischt, und dann nach der ge-","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 20.\nGEOMETRISCHE DARSTELLUNG DES FARBENSYSTEMS.\n287\ngebenen Constructionsregel weiter verf\u00e4hrt. Da aber q aus g0 und iq zusammengesetzt ist, kann man auch zuerst und f0 mischen, wobei man nach der Voraussetzung die Quantit\u00e4t <p der in F stehenden Farbe erh\u00e4lt, und dann q mit /j Der gemeinsame Schwerpunkt beider ist der Ort der Mischfarbe von q und t seine Coordinaten g und v sind durch folgende Gleichungen gegeben\n(</> + i\u201ci) \u00a3 = cp xf -+- (X xg\n(cp H- ptj v = q'Vf -h fl yg-\nDie Coordinaten X und Y von q sind nun nach der aufgestellten Constructionsregel zu finden durch die Gleichungen\t<\n\u2014 '/ V H- f() xe\n(T+Pi)\u00bb = y y + f0 ye\ncp \"I-\t= V -+- \u00ab0,\nworaus schliesslich folgt\nV X \u2014 Fg X0 + Xg\nn y =\t2/0 + r*i yg\ny = Fo + i\u201ci>\nwas zu erweisen war.\nBisher haben wir zur Bestimmung des Ortes der aus A, B, C nicht mischbaren Farben immer nur ihre Mischung mit einer einzigen Farbe E angewendet. Der letzte Satz zeigt aber, dass auch die Anwendung jeder anderen Farbe G dieselben Bestimmungen der Farbenorte geben w\u00fcrde.\nEs l\u00e4sst sich nicht von vorn herein \u00fcbersehen, welche Gestalt die Curve haben werde, in welche bei einer solchen Construction die einfachen Farben zu stehen kommen. Diese Curve wird sogar sehr mannigfach sein k\u00f6nnen, je \u00bbnach der Wahl der drei Farben, mit denen man die Construction beginnt, und ihrer drei Maasseinheiten, die man willk\u00fchrlich festsetzt. Eine Maasseinheit muss immer willk\u00fchrlich bleiben, ebenso die Lage zweier Punkte, in die man zwei der gew\u00e4hlten Farben setzt. Erst von den anderen 4 St\u00fccken h\u00e4ngt dann die Form jener Curve ab. Man kann also noch vier Bedingungen festsetzen, welche sich im Allgemeinen durch eine entsprechende Wahl der vier anderen willk\u00fchrlich gebliebenen Gr\u00f6ssen werden erf\u00fcllen lassen. So w\u00fcrde man zum Beispiel verlangen k\u00f6nnen, dass in der Farbentafel die Entfernung f\u00fcnf beliebig gew\u00e4hlter einfacher Farben vom Weiss gleich gross sein solle. Es w\u00fcrde alsdann die Grenzcurve der Farbentafel, welche die einfachen Farben enth\u00e4lt, sich kaum merklich von Newton\u2019s Kreise unterscheiden, wie er in Fig. f/4 dargestellt ist, nur w\u00fcrde zwischen dem \u00e4ussersten Roth und Violett die Sehne, welche dort gezeichnet ist, statt des Bogens die Fl\u00e4che begrenzen m\u00fcssen, weil das Purpur, welches nur aus den beiden genannten Farben gemischt werden kann, auf der geraden Verbindungslinie beider Farben liegen m\u00fcsste. Ausserdem folgt aus den Principien der Construction, dass jede zwei Complement\u00e4r-farben an entgegengesetzten Enden eines Durchmessers des Kreises liegen m\u00fcssen, weil die Mischfarbe Weiss immer in der Verbindungslinie derjenigen Farben liegen muss, aus denen sie gemischt ist. Diese Bedingung ist auch in Fig. 114 erf\u00fcllt,","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 20.\nWas die festzusetzenden Maasseinheiten der Lichtintensit\u00e4t verschiedenfarbigen Lichts betrifft, so w\u00fcrden f\u00fcr diesen Fall, wo man das Farbenfeld durch eine Kreislinie begrenzen l\u00e4sst, complement\u00e4re Mengen der Complement\u00e4rfarben, d. h. solche Mengen, welche gemischt weiss geben, als gleich gross angesehen werden m\u00fcssen, weil nach der Voraussetzung ihre Mischfarbe Weiss gleich weit von ihnen entfernt liegt. Der Schwerpunkt zweier Gewichte kann aber nur daun im Mittelpunkte ihrer Verbindungslinie liegen, wenn die Gewichte gleich sind. Ferner w\u00fcrden von anderen nicht complement\u00e4ren Farben solche Mengen als gleich gross angesehen werden, welche mit einer gen\u00fcgenden Quantit\u00e4t ihrer Complement\u00e4rfarbe vereinigt gleiche Quantit\u00e4ten Weiss geben. Aus dem, was ich fr\u00fcher \u00fcber die verschiedene S\u00e4ttigung der Spectralfarben angef\u00fchrt habe, geht schon hervor, dass die Quantit\u00e4ten, welche hier als gleich betrachtet werden, dem Auge durchaus nicht gleich hell erscheinen. Im n\u00e4chsten Paragraphen indessen wird sich zeigen, dass die Vergleichung der Helligkeit durch das Auge bei verschiedener absoluter Lichtst\u00e4rke sehr verschiedene Resultate ergiebt, und dass im Gegentheil eine Festsetzung der Maasseinheit verschiedener Farben nach den Resultaten der Mischung in einem gewissen Sinne wenigstens f\u00fcr alle Grade der Lichtst\u00e4rke g\u00fcltig bleibt.\nWill man dagegen in der Farbentafel als gleich gross solche Quantit\u00e4ten verschiedenfarbigen Lichts betrachten, welche dem Auge bei einer gewissen absoluten Lichtintensit\u00e4t als gleich hell erscheinen, so erh\u00e4lt die Curve der einfachen Farben eine ganz andere Gestalt \u00e4hnlich wie in Fig. 117. Die ges\u00e4ttigten\nFarben Violett und Roth m\u00fcssen weiter vom Weiss entfernt sein, als ihre weniger ges\u00e4ttigten\tComplement\u00e4rfarben,\tweil\nnach dem Urtheile des Auges bei der\u00bb-Mischung von Gelbgr\u00fcn und Violett zu Weiss die Quantit\u00e4t violetten Lichtes viel kleiner ist, als die des gelbgr\u00fcnen, und wenn das Weiss im Schwerpunkte beider liegen soll, die kleinere Quantit\u00e4t Violett an einem gr\u00f6sseren Hebelarme wirken muss, als die gr\u00f6ssere Lichtmenge des Gelbgr\u00fcn. Uebrigens w\u00fcrden auch hier wieder die Spectralfarben an der Peripherie der Curve, das Purpur auf einer Sehne stehen m\u00fcssen, Complement\u00e4rfarben an den entgegengesetzten Enden von Sehnen, welche durch den Ort des Weiss gelegt sind, wie bei der kreisf\u00f6rmigen Fig. 444.\nDie Zur\u00fcckf\u00fchrung des Farbenmischungsgesetzes auf Schwerpunkt-constructionen wurde zuerst von Newton nur als eine Art mathematischen Bildes vorgeschlagen, um die grosse Menge der Thatsachen dadurch auszudr\u00fccken, und er st\u00fctzte sich nur darauf, dass die Folgerungen aus jener Darstellung qualitativ mit den Erfahrungsthatsachen \u00fcbereinstimmten, ohne dass er quantitative Pr\u00fcfungen ausgef\u00fchrt h\u00e4tte. Dergleichen quantitative Pr\u00fcfungen sind dagegen in neuester Zeit von Maxwell ausgef\u00fchrt worden. Er verfertigte sich eine Reihe Kreissectoren von gr\u00f6sserem, eine andere von kleinerem Radius, welche mit Pigmenten (Zinnober, hellem Chromgelb, Pariser Gr\u00fcn, Ultramarin,\nGr\u00fcn\nViolett'\nOyanhlau Imlirjo\nFig. 117,","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 20.\nDIE DREI GRUNDFARBEN.\n289\nWeiss und Schwarz) \u00fcberzogen waren, und befestigte dieselben so auf einer rotirenden Scheibe, dass beliebige gr\u00f6ssere und kleinere St\u00fccke der einzelnen Sectoral sichtbar wurden, und zwar wurde in der Mitte der Scheibe eine andere Zusammenstellung gemacht als am Rande. Die Breite der Sectoren wurde so lange abge\u00e4ndert, bis beide Farbenmischungen bei schneller Rotation der Scheibe ganz gleich erschienen, dann der Winkel bestimmt, in dem die einzelnen Sectoren sichtbar waren. So lassen sich unz\u00e4hlig viele Farbenzusammenstellungen machen, und das Mischungsgesetz l\u00e4sst sich an ihnen pr\u00fcfen. Der Sinn dieser Pr\u00fcfung l\u00e4sst sich unserer bisher gew\u00e4hlten Darstellungsweise gem\u00e4ss folgendermassen deutlich machen. Man construire eine Farbentafel, in welcher drei von den Farben der Scheibe, z. B. Roth, Gr\u00fcn und Blau, als Grundfarben betrachtet, ihre Helligkeiten gleich der willk\u00fcrlichen Maasseinheit gesetzt werden. Dann sind bei jedem Mischungsversuche aus diesen drei Farben die angewendeten Helligkeiten derselben gleich dem Bogen ihres Sectors dividirt durch die Kreisperipherie zu setzen. Zuerst wird es m\u00f6glich sein, aus den drei Farben ein Grau zusammenzusetzen, und gleich zu machen einem aus Schwarz und Weiss zusammengesetzten Grau. Dadurch bestimmt sich die Stelle und Maasseinheit des Weiss in der Farbentafel. Dann wird es m\u00f6glich sein, aus Roth und Gr\u00fcn einerseits, Gelb, Weiss und Schwarz andererseits zwei gleiche graugelbe Mischungen zu erzeugen, und dadurch nach der oben gegebenen Constructionsregel den Ort und die Maasseinheit des Gelb in der Farbentafel zu bestimmen. Sobald dies geschehen ist, l\u00e4sst sich durch Construction in der Farbentafel oder Rechnung f\u00fcr jede andere Mischung aus drei von den f\u00fcnf Farben Roth, Gelb, Gr\u00fcn, Blau, Weiss vollst\u00e4ndig berechnen, wie dieselbe aus anderen drei zusammengesetzt werden kann, und am Versuche pr\u00fcfen, so dass jede solche Pr\u00fcfung eine Pr\u00fcfung der Principien ist, auf welche die Schwerpunktsconstructionen bei der Farbenmischung gegr\u00fcndet sind. Maxwell hat die Versuche in guter Uebereinstimmung mit dem Gesetze gefunden. Diese Einrichtung der Farbenscheibe w\u00fcrde \u00fcbrigens auch sehr geeignet sein, um die Farben der Naturk\u00f6rper durch Zahlen zu d\u00e9finirai.\nWir haben gesehen, dass alle Verschiedenartigkeit des Lichteindrucks als die Function dreier unabh\u00e4ngig ver\u00e4nderlicher Gr\u00f6ssen betrachtet werden kann, und haben bisher als diese drei Ver\u00e4nderlichen 1) die Lichtst\u00e4rke, 2) den Farbenton und 3) die S\u00e4ttigung gew\u00e4hlt oder 1) die Quantit\u00e4t Weiss, 2) die Quantit\u00e4t 3) die Wellenl\u00e4nge einer Spectralfarbe. Statt dieser drei Variablen kann man aber auch andere drei einf\u00fchren, und dies ist geschehen, indem man versucht hat, alle Farben als Mischungen von ver\u00e4nderlichen Quantit\u00e4ten dreier Farben, der sogenannten drei Grundfarben zu betrachten, zu welchen man meistens Roth, Gelb und Blau w\u00e4hlte. Wenn man diese Lehre objectiv auffassen wollte, d. h. behaupten, es g\u00e4be im Spectrum einfache Farben, durch deren Zusammensetzung man einen gleichen Eindruck auf das Auge hervorbringen kann, wie durch jedes beliebige andere einfache oder zusammengesetzte Licht, so w\u00e4re dies unrichtig. E,s giebt keine solche drei einfachen Farben, durch deren Zusammensetzung man auch nur ertr\u00e4glich die zwischenliegenden Farben des Spectrum nachbilden k\u00f6nnte, welche immer viel ges\u00e4ttigter erscheinen, als die\nKncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz , Physiol. Optik.\t19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN..\n\u00a7\u2022 20.\nzusammengesetzten Farben. Am wenigsten passen dazu Roth, Gelb und Blau, denn wenn man als Blau eine dem Farbentone des Himmels \u00e4hnliche Farbe w\u00e4hlt, und nicht ein dem Gr\u00fcnlichen sich n\u00e4herndes Blau, so kann man durch \"Mischung dieser Farben gar kein Gr\u00fcn erhalten; nimmt man ein gr\u00fcnliches Gelb und ein gr\u00fcnliches Blau, so erh\u00e4lt man nur ein sehr weissliches Gr\u00fcn. Diese\nals man, auf die Mischung blaues Licht ge-\ngelbes und\ndrei Farben konnten nur so lange gew\u00e4hlt werden der Pigmentfarben vertrauend, f\u00e4lschlich meinte mischt gebe Gr\u00fcn. Etwas besser w\u00fcrde es gehen, wenn man als Grundfarben Violett, Gr\u00fcn und Roth w\u00e4hlte. Aus Violett und Gr\u00fcn kann man Blau mischen, aber freilich nicht das ges\u00e4ttigte Blau des Spectrum, und aus Gr\u00fcn und Roth kann man ein mattes Gelb zusammensetzen, was sich aber ebenfalls auf den ersten Blick von dem gl\u00e4nzenden Gelb des Spectrum unterscheidet.\nDenken wir uns die Farben nach der oben geschilderten Methode in eine Farbentafel eingetragen, so ist aus der dort gegebenen Gonstruetionsregel klar, dass alle Farben, welche aus drei gegebenen zu mischen sind, in dem Dreieck liegen m\u00fcssen, dessen Ecken mit dem'Orte der drei Grundfarben in der Farbentafel zusammenfallen. So w\u00fcrde in dem nebenstehenden Farbenkreise Fig. / / 8,\nin welchem die Farben durch ihre Anfangsbuchstaben bezeichnet sind (I = Indigblau, C \u2014 Cyanblau), das Dreieck RCG alle Farben umfassen, welche aus Roth, Cyanblau und Gelb zusammenzusetzen sind. Dabei fallen wie man sieht zwei grosse St\u00fccke des Kreises weg, es w\u00fcrde nur sehr weissliches Violett und sehr weissliches Gr\u00fcn herzustellen sein. W\u00e4hlten wir aber statt Cyanblau die Farbe des blauen Himmels, das Indigblau, so w\u00fcrde das Gr\u00fcn ganz wegfallen. Das Dreieck VRGr enth\u00e4lt die aus Violett, Roth.\nGr\u00fcn mischbaren Farben, und w\u00fcrde schon eine gr\u00f6ssere Zahl der vorhandenen Farben vertreten. Aber wie man in der Figur sieht, fehlen noch immer betr\u00e4chtliche Segmente des Kreises, \u00fcbereinstimmend mit den angef\u00fchrten Erfahrungen \u00fcber Mischung von Spectralfarben, aus denen eben folgt, dass die Grenzcurve der Farbentafel eine von den Seiten des Dreiecks betr\u00e4chtlich abweichende krumme Linie sein m\u00fcsse.\nDie objective Natur dreier Grundfarben hat Brewster zu vertheidigen gesucht, indem er behauptete, f\u00fcr jeden Grad der Brechbarkeit der Lichtstrahlen existirten drei verschiedene Arten Licht, rothes, gelbes und blaues, welches nur in verschiedenen Verh\u00e4ltnissen gemischt sei, so dass dadurch die verschiedenen Farben des Spectrum entst\u00e4nden. Die Spectralfarben seien also noch zusammengesetzt aus dreierlei qualitativ verschiedenen Lichtarten, deren Strahlen aber f\u00fcr jede einzelne einfache Farbe denselben Grad von Brechbarkeit h\u00e4tten. Durch absorbirende farbige Medien sollte sich nach Brewster Licht aller drei Grundfarben in den verschiedenen einfachen Farben nachweisen lassen. Dass diese letztere Behauptung, auf welcher seine ganze Beweisf\u00fchrung beruht, nicht richtig sei, ist schon im vorigen Paragraphen besprochen.","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 20.\nDIE DREI GRUNDFARBEN.\n291\nWenn wir von Brewster\u2019s Hypothese absehen, hat es \u00fcberhaupt keinen Sinn, in objectiver Bedeutung von drei Grundfarben zu sprechen. Denn so lange es auf rein physikalische Verh\u00e4ltnisse ankommt und das menschliche Auge aus dem Spiele bleibt, sind die Eigenschaften des gemischten Lichts immer nur abh\u00e4ngig von den Mengenverh\u00e4ltnissen, in denen das Licht s\u00e4mmtlicher einzelner Wellenl\u00e4ngen darin vorkommt. Eine Reduction der Farben auf drei Grundfarben kann immer nur subjective Bedeutung haben, es kann sich nur darum handeln, die Farbenempfindungen auf drei Grundempfindungen zur\u00fcckzuf\u00fchren. In diesem Sinne hat Th. Young das Problem richtig aufgefasst, und in der That giebt seine Annahme eine ausserordentlich einfache und klare Uebersicht und Erkl\u00e4rung s\u00e4mmtlicher Erscheinungen der physiologischen Farbenlehre. Th. Young nimmt an:\n1)\tEs giebt im Auge drei Arten von Nervenfasern. Reizung der ersten erregt die Empfindung des Roth, Reizung der zweiten die des Gr\u00fcn, Reizung der dritten die Empfindung des Violett.\n2)\tObjectives homogenes Licht erregt diese drei Arten von Fasern je nach seiner Wellenl\u00e4nge in verschiedener St\u00e4rke. Die rothempfindenden Fasern werden am st\u00e4rksten erregt von dem Lichte gr\u00f6sster Wellenl\u00e4nge, die gr\u00fcnempfindenden von dem Lichte mittlerer Wellenl\u00e4nge, die violettempfindenden von dem Lichte kleinster Wellenl\u00e4nge. Indessen ist dabei nicht ausgeschlossen, muss vielmehr zur Erkl\u00e4rung einer Reihe von Erscheinungen angenommen werden, dass jede Spectralfarbe alle Arten von Fasern erregt, aber die einen schwach die anderen stark. Denken wir uns in Fig. 119 in horizontaler Richtung die Spectral-farben in ihrer nat\u00fcrlichen Reihenfolge aufgetragen, anfangend von Roth R bis zum Violett V, so k\u00f6nnen die drei Curven etwa die Erregungsst\u00e4rke der drei Arten von Fasern darstellen, No. 1 die der rothempfindenden,\nNo. 2 der gr\u00fcnempfindenden,\nNo. 3 der violettemplin-denden.\nDas einfache Roth erregt stark die rothempfindenden, schwach die beiden andern Faserarten; Empfindung: roth.\nDas einfache Gelb erregt massig stark die roth- und gr\u00fcnempfindenden, schwach die- violetten; Empfindung: gelb.\nDas einfache Gr\u00fcn erregt stark die gr\u00fcnempfindenden, viel schw\u00e4cher die beiden anderen Arten; Empfindung: gr\u00fcn.\nDas einfache Blau erregt m\u00e4ssig stark die gr\u00fcn- und violettempfindenden, schwach die rothen; Empfindung: blau. -\nFig. 119.\n19*","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. SO.\nDas einfache Violett erregt stark die gleichnamigen, schwach die anderen Fasern; Empfindung: violett.\nErregung aller Fasern von ziemlich gleicher St\u00e4rke giebt die Empfindung von Weiss oder weissliclien Farben.\nVielleicht nimmt bei dieser Hypothese zun\u00e4chst mancher daran Anstoss, dass die Zahl der vorauszusetzenden Nervenfasern und Nervenendigungen verdreifacht werden muss, im Vergleich mit der gew\u00f6hnlichen Annahme, wo man jede einzelne Nervenfaser alle m\u00f6glichen Farbenerregungen leiten l\u00e4sst. Ich glaube aber nicht, dass in dieser Beziehung die Annahme von Young mit den anatomischen Thatsachen in Widerspruch steht; da wir \u00fcber die Zahl der leitenden Fasern nichts wissen, und noch eine Menge mikroskopischer Elemente (Zellen, K\u00f6rner, St\u00e4bchen) vorhanden sind, denen wir bisher keine specielle Function anweisen konnten. Andererseits ist dies auch nicht das Wesentliche der Hypothese von Young. Das scheint mir vielmehr darin zu liegen, dass die Farben-empfindungen vorgestellt werden, als zusammengesetzt aus drei von einander vollst\u00e4ndig unabh\u00e4ngigen Vorg\u00e4ngen in der Nervensubstanz. Diese Unabh\u00e4ngigkeit zeigt sich nicht nur bei den hier vorliegenden Erscheinungen, sondern auch bei denen der Erm\u00fcdung des Sehnervenapparates. Es w\u00fcrde nicht gerade n\u00f6tliig sein, verschiedene Nervenfasern f\u00fcr diese verschiedenen Empfindungen anzunehmen. Man w\u00fcrde dieselben Vortheile, welche die Hypothese von Young f\u00fcr die Erkl\u00e4rungen bietet, gewinnen, wenn man die Annahme machte, dass innerhalb jeder einzelnen Faser dreierlei von einander verschiedene und von einander unabh\u00e4ngige Th\u00e4tigkeiten auftreten k\u00f6nnten. Da aber die urspr\u00fcngliche von Young aufgestellte Form dieser Hypothese eine gr\u00f6ssere Bestimmtheit der Vorstellung und des Ausdrucks giebt, als eine solche Modification derselben erlauben w\u00fcrde, so wollen wir sie, wenn auch nur im Interesse der Darstellung, in ihrer urspr\u00fcnglichen handgreiflicheren Gestalt beibehalten. Es kommt noch hinzu, dass die physikalischen Erscheinungen der Nervenerregung, n\u00e4mlich die elektromotorischen, uns in sensiblen wie in motorischen Nerven nichts von einer solchen Verschiedenartigkeit der Th\u00e4tigkeit merken lassen, wie sie vorhanden sein muss, wenn jede Sehnervenfaser s\u00e4mmtliche Farbenempfindungen leiten soll. Durch Young\u2019s Hypothese wird es m\u00f6glich, auch in dieser Beziehung die einfachen Vorstellungen \u00fcber den Mechanismus der Reizung und jhre Fortleitung, die wir uns zun\u00e4chst durch das Studium der Ph\u00e4nomene an den motorischen Fasern gebildet haben, direct auf den Sehnerven zu \u00fcbertragen, was nicht anginge, wenn wir uns vorstellten, dass jede Sehnervenfaser in drei qualitativ verschiedene Reizungszust\u00e4nde solle gerathen k\u00f6nnen, die sich gegenseitig nicht st\u00f6rten. Young\u2019s Hypothese ist nur eine speciellere Durchf\u00fchrung des Gesetzes von den specifischen Sinnesenergien. Wie Tastempfindung und Gesichtsempfindung des Auges nachweislich verschiedenen Nervenfasern zukommt, wird hier dasselbe auch f\u00fcr die Empfindung der verschiedenen Grundfarben angenommen.\nDie Wahl der drei Grundfarben hat zun\u00e4chst etwas Willk\u00fchrliches. Es k\u00f6nnten beliebig jede drei Farben gew\u00e4hlt werden, aus denen Weiss zusammengesetzt werden kann. Young ist wohl durch die R\u00fccksicht geleitet worden,","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 20.\nDIE DREI GRUNDFARBEN.\n293\ndass die Endfarben des Spectrum eine ausgezeichnete Stellung zu beanspruchen scheinen. W\u00fcrden wir diese nicht w\u00e4hlen, so m\u00fcsste eine der Grundfarben ein purpurner Farbenton sein, und die ihr entsprechende Curve in Fig. 119 zwei Maxima haben, eines im Roth, eines im Violett. Es w\u00e4re dies eine compli-eirtere, aber nicht unm\u00f6gliche Voraussetzung. So viel ich sehe, giebt es bisher kein anderes Mittel, eine der Grundfarben zu bestimmen, als die Untersuchung der Farbenblinden. In wie weit diese Young\u2019s Hypothese wenigstens f\u00fcr das Roth best\u00e4tigt, wird sich sp\u00e4ter zeigen.\nDass die den drei Grundfarben entsprechenden Spectralfarben nicht blos die gleichnamigen Nervenfasern erregen, sondern in geringerem Maasse auch die anderen, beweisen f\u00fcr das Gr\u00fcn wenigstens schon die Ergebnisse der Farbenmischung. Denn denken wir uns alle aus den drei Grundfarben zusammengesetzten Farbenempfindungen nach der NEWTON\u2019schen Regel in der Ebene geordnet, so wird die Farbenfl\u00e4che, wie aus dem fr\u00fcher Gesagten folgt, ein Dreieck sein. Dieses Dreieck muss die in Fig. 117 dargestellte Farbenfl\u00e4che, welche alle aus Spectralfarben mischbaren Farben umfasst, in sich schliessen. Es w\u00fcrde dies geschehen k\u00f6nnen, wenn wir, wie in Fig. 120, die Empfindung des reinen Gr\u00fcn nach,!\nhin verlegten-, \u00fcbrigens das spectrale Roth 4\tund Violett R und V als reine Grundfarben\n/ \\\tvoraussetzten. Dann w\u00e4re A VR das Farben-\n/\t\\\tdreieck, welches alle m\u00f6glichen Farben-\n/\t\\\tempfindungen in sich schl\u00f6sse. Es w\u00fcrde,\n/\t\\\twie gesagt, diese Annahme den That-\n/\t\\\tSachen der Farbenmischung gen\u00fcgen. An-\n/ _ ........\u00a3\u00bb\u2022\t\\\tdererseits aber machen einige sp\u00e4ter zu\n/\terw\u00e4hnende Thatsachen, n\u00e4mlich die der\n_____\u2014\\\\ Farbenblindheit, der Aenderung des Farben-\n//\t\\\\ tons durch vermehrte Intensit\u00e4t des Lichts,\n....................der Nachbilder die Annahme nothwendig,\n\\.y\tR;\tdass auch das spectrale Roth und Violett\nFig. no.\tnicht einer einfachen Empfindung einer\nGrundfarbe entsprechen, sondern einer schwach gemischten Empfindung. Wir w\u00fcrden also die Orte des spectralen Roth und Violett in dem Farbendreieck Fig. 120 etwa nach R, und F; zu verlegen haben, und ICGR,V, w\u00fcrde dann die ganze Menge der m\u00f6glichen Farben des objectiven Lichtes umfassen.\nEs folgt nun hieraus, dass es noch eine Reihe von ges\u00e4ttigteren Farbenempfindungen geben m\u00fcsse, als diejenigen sind, welche beim gew\u00f6hnlichen Zustande des Auges durch objectives Licht, selbst durch das des Spectrum, hervorgerufen werden. In der Fig. 120 sind die durch \u00e4usseres Licht im normalen Auge hervorgerufenen Farben umschlossen durch die Curve und die gerade Linie V, Rr der Rest des Dreiecks entspricht Farbenempfindungen, die nicht unmittelbar durch \u00e4usseres Licht erzeugt werden k\u00f6nnen. Da die letzteren alle weiter vom Weiss abstehen als die Spectralfarben, so m\u00fcssen sie ges\u00e4ttigter sein als selbst letztere, welche die ges\u00e4ttigtesten objectiven Farben sind, die","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 20.\nwir kennen. Und in der That werden wir in der Lehre von den Nachbildern durch Erm\u00fcdung des Auges f\u00fcr die Complement\u00e4rfarbe dergleichen Farbenempfindungen erzeugen lernen, gegen welche die Spectralfarben weisslich erscheinen.\nDie oben angef\u00fchrte Thatsache, dass die verschiedenen Spectralfarben einen verschiedenen Grad von Farbens\u00e4ttigung zeigen, erkl\u00e4rt sich leicht aus dieser Theorie.\nVon grossem Interesse f\u00fcr die Theorie der Farbenempfindungen sind die Wahrnehmungen solcher Augen, welche weniger Farben als die gew\u00f6hnlichen Augen unterscheiden (Farbenblindheit, Achromatopsia, Achrupsia). A. Seebeck hat nachgewiesen, dass es zwei Klassen von Farbenblinden giebt. Innerhalb jeder dieser Klassen machen die einzelnen Augen dieselben Verwechselungen zwischen verschiedenen Farben, und man findet nur Unterschiede der St\u00e4rke in ihrem Uebel. Dagegen erkennt jede Klasse die meisten Verwechselungen, welche Individuen der anderen Klasse gemacht haben.\nAm h\u00e4ufigsten scheinen, namentlich in England, die F\u00e4lle von See beck's zweiter Klasse zu sein, deren Uebel auch oft nach dem bekannten Chemiker J. Dalton, der zu ihnen geh\u00f6rte und zuerst eine genauere Untersuchung dieses Zustandes gab, Daltonismus (Anerythropsia nach Goethe) genannt wird. Da die englischen Naturforscher gegen diese Art, den Namen ihres ber\u00fchmten Landsmanns durch einen seiner Fehler zu verewigen, Einsprache erheben, wollen wir den Zustand Rothblindheit nennen. Individuen, bei denen dieser Zustand vollst\u00e4ndig entwickelt ist, sehen im Spectrum nur zwei Farben, die sie meist Blau und Gelb nennen. Zum letzteren rechnen sie das ganze Roth, Orange, Gelb und Gr\u00fcn. Die gr\u00fcnblauen T\u00f6ne nennen sie grau, den Rest blau. Das \u00e4usserste Roth, wenn es lichtschwach ist, sehen sie gar nicht, wohl aber wenn es intensiv ist. Sie zeigen deshalb die rothe Grenze des Spectrum gew\u00f6hnlich an einer Stelle an, wo die normalen Augen noch deutlich schwaches Roth sehen. Unter den K\u00f6rperfarben verwechseln sie das Roth (d. h. Zinnoberroth und r\u00f6thlich Orange) mit Braun und Gr\u00fcn, wobei dem normalen Auge im Allgemeinen die verwechselten rothen Farbent\u00f6ne viel heller erscheinen, als die braunen und gr\u00fcnen; Goldgelb unterscheiden sie nicht von Gelb, Rosaroth nicht von Blau. Alle Mischungen verschiedener Farben dagegen, welche dem normalen Auge gleich erscheinen, erscheinen auch den Rothblinden gleich. Schon J. Hebschel 1 stellt in Bezug auf Dalton\u2019s Fall die Ansicht auf, dass alle Farben, welche er unterschiede, aus zwei statt aus drei Grundfarben zusammengesetzt gedacht werden k\u00f6nnten. Diese Meinung ist nun neuerdings durch Maxwell mittels seiner Methode, die Farbenmischungen auf dem Farbenkreisel zur Messung zu benutzen, best\u00e4tigt worden. F\u00fcr das gesunde Auge l\u00e4sst sich, wie wir sahen, zwischen jeder vorkommenden Farbe, drei passend gew\u00e4hlten Grundfarben, ferner Weiss und Schwarz eine Farbengleichung hersteilen. Bei den Rothblinden braucht man, wovon ich mich selbst \u00fcberzeugt habe, ausser Weiss und Schwarz nur zwei Farben (z. B. Gelb und Blau), um mit jeder\nIn einem Briefe, der angef\u00fchrt ist in G. Wilson on Colour Blindness. Edinburgh I8\u00d65. p. 60.","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 20.\nFARBENBLINDHEIT.\n295\nanderen Farbe die Farbengleichung auf der rotirenden Scheibe herzustellen. Ich benutzte bei meinen Versuchen mit Herrn M., Sch\u00fcler der polytechnischen Schule, der an physikalische Untersuchungen gew\u00f6hnt war, und sich ziemlich empfindlich gegen die Farbenunterschiede zeigte, die f\u00fcr sein Auge noch vorhanden waren, als Hauptfarben Chromgelb und Ultramarin.\nMit Roth (etwa dem des Siegellacks) war ihm identisch eine Mischung von 33\u00b0 Gelb 323\u00b0 Schwarz, die f\u00fcr das normale Auge ein dunkles Oliven-gr\u00fcn gab.\nMit Gr\u00fcn identisch (im Farbenton etwa der Linie E entsprechend) ergiebt sich aus den Versuchen eine Mischung von 327\u00b0 Gelb 33\u00b0 Blau, f\u00fcr das normale Auge Graugelb. Mit Grau identisch 165\u00b0 Gelb und 193\u00b0 Blau, f\u00fcr das normale Auge ein schwach r\u00f6thliches Grau.\nDa man nun aus Roth, Gelb, Gr\u00fcn, Blau alle anderen Farbent\u00f6ne w\u00fcrde mischen k\u00f6nnen, so ergieht sich, dass f\u00fcr Herrn M. alle aus Gelb und Blau gemischt werden k\u00f6nnten.\nAus Grasmann\u2019s S\u00e4tzen \u00fcber Farbenmischung folgt \u00fcbrigens unmittelbar, wenn man sie auf ein Auge anwendet, welches Roth mit Gr\u00fcn verwechselt, dass die Farbent\u00f6ne, welche es \u00fcberhaupt unterscheidet, alle aus zwei anderen Farben, etwa Gelb und Blau, zu mischen seien. Denn wenn Roth und Gr\u00fcn identisch erscheinen,' m\u00fcssen auch nothwendig alle Mischfarben aus Roth und Gr\u00fcn identisch erscheinen. Da gleich aussehende Farben gemischt gleich aussehende Mischfarben geben, muss ferner jede Mischung einer bestimmten Quantit\u00e4t Gelb mit einer solchen Quantit\u00e4t irgend einer der Mischfarben aus Roth und Gr\u00fcn, die f\u00fcr das farbenblinde Auge gleiches Aussehen hat, f\u00fcr dieses Auge gleich aussehende Mischfarben geben. Eine der Mischfarben aus Roth und Gr\u00fcn ist aber f\u00fcr das gesunde Auge auch durch Gelb und Blau herzustellen, und kann daher f\u00fcr das farbenblinde Auge statt s\u00e4mmtlicher Mischfarben aus Roth und Gr\u00fcn substituirt werden. Daraus folgt, dass s\u00e4mmtliche Mischfarben aus Gelb, Roth und Gr\u00fcn f\u00fcr das letztere Auge auch aus Gelb und Blau herzustellen sind, und dasselbe l\u00e4sst sich ebenso f\u00fcr s\u00e4mmtliche Mischungen aus Blau, Roth und Gr\u00fcn beweisen. Da endlich aus Roth, Gelb, Gr\u00fcn, Blau s\u00e4mmtliche Farbent\u00f6ne f\u00fcr das gesunde Auge mischbar sind, sind es f\u00fcr das farbenblinde alle Farbent\u00f6ne aus Gelb und Blau.\nSind die Farben in der Ebene nach den Principien der Schwerpunktsconstruction geordnet, so m\u00fcssen alle solche Farben, welche den Farbenblinden bei passender Lichtst\u00e4rke gleich erscheinen, in einer geraden Linie liegen, da auf der Verbindungslinie zweier Farben ihre Mischfarben liegen, und diese von gleichem Farbenton erscheinen m\u00fcssen, wenn die urspr\u00fcnglichen Farben gleich aussehen. Ferner l\u00e4sst sich zeigen, dass alle diese geraden Linien entweder parallel sind, oder sich in einem Punkte schneiden, und dass die diesem Schneidepunkte angeh\u00f6rige Farbe dem farbenblinden Auge unsichtbar sein muss.\nEs erscheine dem Farbenlinden die Quantit\u00e4t r der in H Fig. 121 (Seite 296) befindlichen Farbe gleich der Quantit\u00e4t g der in G -befindlichen. Ann ist\nr = n r -L (1 \u2014 n ) r.\nMit der Menge nr der Farbe R ist gleich aussehend die Menge ng der Farbe G,","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nZWEITER ABSCHNITT. HIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 20.\nalso wenn n ein achter Bruch, ist\nder Mischung\n(I \u2014 n) r Q\ngleich aussehend die Menge r der Farbe R mit von R und ng von G. In der Farbenil\u00e4che ist diese Mischfarbe zu finden im Punkte S der Linie RG, wenn\nRS : S G = n g : ( I \u2014n) r.........1)\nund die Quantit\u00e4t \u00e4 der so gewonnenen Mischfarbe ist s = ng -j- (1 -\u2014n)r.\nDas Aussehen dieser Quantit\u00e4t s von der Farbe S ist f\u00fcr das farbenblinde Auge unabh\u00e4ngig von dem Werthe von n.\nWenn wir nun die Quantit\u00e4t 6 der Farbe R mit der Quantit\u00e4t s der Farbe S mischen, so erhalten wir eine Mischfarbe, deren Aussehen f\u00fcr das farbenblinde Auge unabh\u00e4ngig von der ver\u00e4nderlichen Gr\u00f6sse n ist. Der Ort der Farbe sei T, ihre Menge l, so ist\nt \u2014 H-s ~ b -I- n g -f- ( I \u2014 n) r\nTS : BT = b : S \u2014 b\nn\ns\n11\nG\n7i g\n[ng + (1 \u2014 n) r]\n! a).\nF\u00e4llen wir aus R das Loth 11H auf 11 G und aus T das Loth T L auf 11 H, nennen wir\nLH = X TL m g\nso ist nach 1 a)\nx _ LH __ TS T ~ B\u00cfI ~~ BS\nRU = h IIG = a\nRG s= c\nb\nb -\\~ ng + ( I \u2014n)i'\nNun folgt aus I)\nalso\ny\t_ TL\tSH __ SG\u2014a\nh\u2014x\t\" BL\tBII _ h~\nSG = c\nng H- (1 \u2014 n) \u00bb\u2022\u2019\ny _ (c\u2014a) (j \u2014n) r\u2014ang h \u2014 x\t/([\u00ab\u00ff-f-( l\u2014n) r]................ c '\nWenn man aus \\b und die ver\u00e4nderliche Gr\u00f6sse n eliminirt, erh\u00e4lt man eine Gleichung zwischen den rechtwinkeligen Coordinaten des Punktes T, n\u00e4mlich\n0 = yb h (g\u2014r)\u2014x[crg + br (c\u2014a) + abg] -f- bh [(c\u2014 a) r -+- ug] I d).\nDa dies eine lineare Gleichung zwischen den rechtwinkeligen Coordinaten x und y ist, so liegen die betreffenden Orte T der f\u00fcr das farbenblinde Auge gleichaus-sehenden Mischfarben in einer geraden Linie. Es sei TQ diese gerade Linie, Q ihr Schneidepunkt mit der Richtung RG, so ist QH= y0 der Werth, welchen y annimmt, wenn man x=0 setzt\ny 0 =\n(c \u2014 \u00ab) r -f- ag\nr\u2014g\n1 e).\nDieser Werth von yn ist unabh\u00e4ngig von der Quantit\u00e4t b der zugemischten Farbe B, also schneiden sich alle geraden Linien, welche gleich aussehende Mischfarben","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 20.\nFARBENBLINDHEIT.\n297\nvon R, G und B enthalten, in demselben Punkte Q, oder sind sich parallel, wenn r = g und also y0 unendlich.\nDie Entfernung des Schneidepunktes Q vom Punkte R ist\n2/\u201e\u2014 c\n1f).\n=\t= QR..................\nr\u20149\nMischen wir eine Quantit\u00e4t q der Farbe Q mit der Quantit\u00e4t g der Farbe G, so dass die Farbe R entsteht, so muss sein\nQR _ g_\nRG\tq\noder nach 1 f da R ti c\n. _JL_ _ JL r\u2014g q\nq = r\u2014g.\nDie Quantit\u00e4t der Mischfarbe R wird dann\nr = o -f- q.\nDa nun r nach der Voraussetzung dem farbenblinden Auge gleichaussehend ist mit g, die Quantit\u00e4t q = r\u2014g aber im Allgemeinen nicht Null ist, so folgt daraus, dass das farbenblinde Auge die Farbe Q gar nicht empfinden kann.\nDer Schneidepunkt der geraden Linien, welche die gleichaussehenden Farben enthalten, f\u00e4llt also in den Ort der Farbe, welche dem farbenblinden Auge fehlt.\nIn der YouNG\u2019schen Hypothese kann die dem farbenblinden Auge unsichtbare Farbe nat\u00fcrlich nur eine der Grundfarben sein, denn wenn alle Grundfarben empfunden werden, kann keine andere Farbe, die ja aus den Grundfarben nur zusammengesetzt ist, fehlen. Wenn man nun diejenigen Farben aufsucht, welche dem Weiss (beziehlich Grau) gleich erscheinen, so werden dies Farben sein, die f\u00fcr das gesunde Auge entweder Farben vom Farbentone der fehlenden Grundfarbe oder von ihrer Complement\u00e4rfarbe sind, in verschiedenen Graden mit Weiss gemischt. Denn alle diese dem Weiss gleich aussehenden Farben m\u00fcssen auf einer geraden Linie liegen. Jede gerade Linie aber, die in der Farbenfl\u00e4che durch den Ort des Weiss gezogen ist, enth\u00e4lt in jeder ihrer beiden H\u00e4lfte Farben von gleichem Farbentone und verschiedenen Graden der S\u00e4ttigung. Die Farben der einen H\u00e4lfte sind aber denen der anderen complement\u00e4r. Jede solche Linie, welche gleich aussehende Farben enth\u00e4lt, muss aber auch, wie eben bewiesen, durch den Ort der fehlenden Grundfarbe gehen, folglich in ihrer einen H\u00e4lfte die Farben vom gleichen Farbentone mit der Grundfarbe enthalten. Bei den Versuchen, welche ich mit Herrn M. anstellte, zeigte sich, dass dem reinen Grau gleich erschien ein Roth, welches sehr nahe dem \u00e4ussersten Roth des Spectrum im Farbentone entsprach (38\u00b0 Ultramarin, 322\u00b0 Zinnoberroth), vielleicht ein wenig nach der Seite des Purpur abwich, und ein entsprechendes complement\u00e4res Blaugr\u00fcn (39\u00b0 Ultramarin, 301 0 Parisergr\u00fcn). Maxwell hat \u00e4hnlich gefunden f\u00fcr das Roth 6\u00b0 Ultramarin, 94\u00b0 Zinnober, f\u00fcr das Gr\u00fcn 40 Ultramarin, 60 Parisergr\u00fcn. Da nun ausserdem das Roth bei gleicher Helligkeit f\u00fcr normale Augen viel dunkler erschien, als das Grau und Gr\u00fcn, so kann kein Zweifel bleiben, dass das Roth und nicht das Gr\u00fcn der fehlenden Farbe","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 20.\nentspricht. Die Rothblindheit w\u00fcrde also nach Young\u2019s Hypothese f\u00fcr eine L\u00e4hmung der rothempfindenden Nerven zu erkl\u00e4ren sein.\nWenn nun wirklich ein dem \u00e4ussersten Roth des Spectrum nahe stehendes Roth die eine Grundfarbe ist, so k\u00f6nnen die beiden anderen wenigstens nicht bedeutend von dem von Young gew\u00e4hlten Gr\u00fcn und Violett abweichen.\nDaraus w\u00fcrde nun folgen, das die Rothhlinden nur Gr\u00fcn, Violett und ihre Mischung das Rlau empfinden. Das spectrale Roth, welches nur schwach die gr\u00fcnempfindenden, fast gar nicht die violettempfindenden Nerven zu erregen scheint, m\u00fcsste ihnen danach als ges\u00e4ttigtes, lichtschwaches Gr\u00fcn erscheinen, und zwar ges\u00e4ttigter als uns das wirkliche Gr\u00fcn des Spectrum erscheint, dem schon merkliche Mengen der anderen Farben beigemischt sein m\u00fcssen. Lichtschwaches Roth, welches die rothempfindenden Nerven der normalen Augen noch gen\u00fcgend erregt, erregt dagegen ihre gr\u00fcnempfindenden Nerven nicht mehr gen\u00fcgend, und erscheint ihnen deshalb schwarz.\nSpectrales Gelb wird als lichtstarkes ges\u00e4ttigtes Gr\u00fcn erscheinen, und da es eben die lichtst\u00e4rkere und ges\u00e4ttigte Abstufung dieser Farbe bildet, erscheint es erkl\u00e4rlich, dass danach die Rothhlinden den Namen der Farbe w\u00e4hlen, und alle diese eigentlich gr\u00fcnen T\u00f6ne-Gelb nennen.\nGr\u00fcn wird schon im Vergleich zu den vorigen eine Einmischung von der anderen Grundfarbe zeigen, also eine zwar lichtst\u00e4rkere aber weissliche Abstufung derselben Farbe sein wie Roth und Gelb. Die gr\u00f6sste Lichtintensit\u00e4t des Spectrum erscheint den Rothhlinden nach den Beobachtungen von Seebeck auch nicht wie normalen Augen im Gelb, sondern im Gr\u00fcnblau. In der That wenn die Erregung der gr\u00fcnempfindenden Nerven, wie wir voraussetzen m\u00fcssen, im Gr\u00fcn am st\u00e4rksten ist, wird f\u00fcr die Rothhlinden das Maximum der gesammten Erregung etwas nach der Seite des Blau fallen, weil hier die Erregung der violettempfindenden Nerven steigt. Weiss im Sinne der Rothhlinden ist nat\u00fcrlich eine Mischung ihrer beiden Grundfarben in einem bestimmten Verh\u00e4ltnis, welche uns gr\u00fcnblau erscheint, daher sie denn auch die Uebergangsstufen im Spectrum von Gr\u00fcn zu Blau f\u00fcr graue Farben erkl\u00e4ren.\nWeiter im Spectrum gewinnt die zweite Grundfarbe das Uebergewicht, die sie Blau nennen, weil das Indigblau, wenn auch in ihrem Sinne noch etwas weisslich, noch durch seine Lichtst\u00e4rke ihnen ein mehr in die Augen fallender Repr\u00e4sentant dieser Farbe sein wird als das Violett. Sie erkennen den Unterschied im Aussehen zwischen Blau und Violett. Der von Seebeck untersuchte H. wusste die Grenze zu zeigen, erkl\u00e4rte aber, er w\u00fcrde das Violett lieber Dunkelblau nennen. Uebrigens m\u00fcssen ihnen die blauen T\u00f6ne ziemlich ebenso erscheinen, wie den normalen Augen, weil hier auch f\u00fcr diese die Einmischung des Roth sehr klein sein wird.\nDa ihnen alle diese Farben des Spectrum noch gewisse, wenn auch feinere Unterschiede zeigen m\u00fcssen, ist es erkl\u00e4rlich, dass sie bei gr\u00f6sserer Aufmerksamkeit und Uebung auch wohl lernen, sehr ges\u00e4ttigte Farben richtig zu benennen. Bei weisslicheren Farben m\u00fcssen aber die genannten Unterscheidungsmerkmale sie im Stich lassen, da k\u00f6nnen sie sich der Verwechselung nicht entziehen.","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 20.\nFARBENBLINDHEIT.\n\u2018299\nWas nun die andere Klasse der Farbenblinden, Seebeck\u2019s erste Klasse betrifft, so liegen \u00fcber diese noch keine gen\u00fcgende Beobachtungen vor, um ihren Zustand vollst\u00e4ndig zu d\u00e9finirai. Nach Seebeck\u2019s Angaben unterscheiden sie sich von den Rothblinden dadurch, dass sie leicht und sicher \u00fcber die Ueberg\u00e4nge zwischen Violett und Roth urtheilen, die jenen gleichm\u00e4ssig als Blau erscheinen. Dagegen machen sie auch Verwechselungen, zwischen Gr\u00fcn, Gelb, Blau und Roth. Wenn beide Klassen denselben Farbenton mit Gr\u00fcn verwechseln, so w\u00e4hlen die Individuen dieser Klasse ein gelberes Gr\u00fcn als die Rothblinden. Sie zeigen keine Unempfindlichkeit gegen das \u00e4usserste Roth, und verlegen die gr\u00f6sste Helligkeit des Spectrum in das Gelb. Auch sie unterscheiden nur zwei Farbent\u00f6ne im Spectrum, die sie (wahrscheinlich ziemlich richtig) Blau und Roth nennen. Danach kann man vermuthen, dass ihr Uebel in einer Unempfindlichkeit der gr\u00fcnempfindenden Nerven besteht, wor\u00fcber aber weitere Untersuchungen wiinschenswerth sind.\nAusser'der g\u00e4nzlichen Unempfindlichkeit k\u00f6nnen nat\u00fcrlich auch noch alle m\u00f6glichen Grade verminderter Empfindlichkeit der einen oder anderen Nerven Vorkommen, und zu verschiedenen Graden der Unf\u00e4higkeit, Farben zu unterscheiden, Veranlassung geben. Wilson und Tyndall haben auch F\u00e4lle berichtet, wo das Uebel nicht angeboren war, sondern pl\u00f6tzlich eintrat, nach schweren Kopfverletzungen und Anstrengungen des Auges.\nWas die Untersuchung Farbenblinder betrifft, so wird durch Fragen, wie sic diese oder jene Farbe nennen, nat\u00fcrlich nur ausserordentlich wenig ermittelt werden, denn die Farbenblinden befinden sich in der Lage, das System von Kamen, welches f\u00fcr die Empfindungen des normalen Auges zurecht \u2019 gemacht ist, auf ihre Empfindungen anwenden zu m\u00fcssen, f\u00fcr die es nicht passt. Es passt nicht nur nicht, weil es zu viele Namen f\u00fcr Farbent\u00f6ne enth\u00e4lt, sondern in der Reihe der Spectral-farben bezeichnen wir Unterschiede als solche des Farbentons, die f\u00fcr die Farbenblinden nur Unterschiede der S\u00e4ttigung oder der Lichtst\u00e4rke sind. Ob das, was sie Gelb und Blau nennen, unserem Gelb und Blau entspricht, ist mehr als zweifelhaft. Deshalb erfolgen ihre Antworten auf Fragen \u00fcber Farben meist langsam und verlegen, und erscheinen uns verwirrt und widersprechend.\nViel besser, aber doch noch sehr unzureichend ist die Methode von Seebeck, den Farbenblinden eine Auswahl gef\u00e4rbter Papiere oder Proben von Stickwolle zu geben mit der Aufforderung, sie nach ihrer Aehnlichkeit zusammen zu ordnen. Aber die Anzahl der Farbenproben m\u00fcsste ungeheuer gross sein, wenn darin die charakteristisch verwechselten Farbent\u00f6ne auch genau gerade in der n\u00f6thigen Vermischung mit Weiss, und der n\u00f6thigen Helligkeit Vorkommen sollen, dass die vollst\u00e4ndige Gleichheit f\u00fcr das farbenblinde Auge erzielt wird. So lange aber nur Aehnlichkeit da ist, wird man sich schwer dar\u00fcber verst\u00e4ndigen, ob die Differenz eine des Farbentons, oder der S\u00e4ttigung, oder der Helligkeit ist. Man wird also nur durch Zufall einige wenige bestimmte Resultate erhalten k\u00f6nnen.\nDagegen erlaubt der nach Maxwell\u2019s Methode eingerichtete Farbenkreisel schnell die nothwendigen Data mit grosser Genauigkeit zu erhalten, weil man sehr leicht eine Reihe von Farben durch Mischung erzeugen kann, die dem farbenblinden Auge vollkommen gleich erscheinen. Dabei ist die Hauptsache, die den Grundcharakter des Uebels bezeichnet, zu ermitteln, welche zwei Farben mit reinem Grau, wie man es durch die Mischung von Weiss und Schwarz auf dem Kreisel erh\u00e4lt, verwechselt werden. Eine davon, die dann dem farbenblinden Auge ver-","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 20.\nh\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel dunkler als dem normalen erscheint, ist die fehlende Grundfarbe. Dabei wird sich auch leicht ermitteln lassen, ob noch ein gewisser Rest von Empfindlichkeit f\u00fcr die fehlende Grundfarbe vorhanden ist, oder nicht.\nWill man die hier auseinander gesetzte Theorie pr\u00fcfen, so muss man ferner bestimmen, ob jede gegebene Farbe, namentlich die Hauptfarben des Spectrum, f\u00fcr den Farbenblinden aus zwei passend gew\u00e4hlten Farben zusammengesetzt werden k\u00f6nne.\nG. Wilson hat namentlich darauf aufmerksam gemacht, wie gef\u00e4hrlich die Farbenblindheit auf Schiffen und Eisenbahnz\u00fcgen werden k\u00f6nne, wo es darauf ankommt, farbige Signale zu erkennen. Er fand im Durchschnitt einen Farbenblinden unter 17,7 Personen.\nSchliesslich muss noch erw\u00e4hnt werden, dass Farben vom Auge nur dann unterschieden werden, wenn sie ein Feld von gewisser Ausdehnung bedecken, und eine gewisse Menge farbigen Lichts in das Auge fallt. Je weiter das farbige Feld nach den Grenzen des Gesichtsfeldes und der Netzhaut hin liegt, desto gr\u00f6sser muss es sein, damit seine Farbe uoch erkannt werden k\u00f6nne. Ist das farbige Feld zu klein, so erscheint es auf hellerem Grunde grau oder schwarz, auf dunklerem Grunde grau oder weiss. Indessen kann auch die Farbe von unendlich kleinen Feldern erkannt werden, wenn die Menge des Lichts, die sie aussenden, endlich ist, wie z. B. bei den Fixsternen, deren Farben wir unterscheiden. Nach den Versuchen von Aubert 1 erschien ein Quadrat von 1 Millimeter Seite, wenn es blau auf weissein Grunde war, in 10 Fuss Entfernung schwarz, ebenso ein rothes in 20 Fuss Entfernung. Ein gelbes und gr\u00fcnes verschwamrnen schon in 12 Fuss vollst\u00e4ndig mit dem weissen Grunde. Auf schwarzem Grunde dagegen erschienen das gr\u00fcne und gelbe Quadratmillimeter in 16 Fuss Entfernung'als graue Punkte, das rothe bei 12 Fuss. Blau erschien blau, wenn es \u00fcberhaupt gesehen wurde.\nNach demselben Beobachter verschwindet die Farbe von farbigen Quadraten in 200 Millimeter Entfernung im Mittel unter folgenden Abweichungswinkeln von der Gesichtslinie:\n\tRoth.\t\t\t\tBlau.\t\t\t\tGelb.\t\t\t\tGr\u00fcn.\t\t\t\nSeite des Quadrats\t1.\t2.\t4.\t8.\t1.\t2.\t4.\t8.\t1.\t2.\t4.\t8.\t1.\t2.\t4.\t8.\nWeisser Grund\t16\u00b0\t19\u00b0\t26\u00b0\t37\u00b0\t15\u00b0\t22\u00b0\t36\u00b0\t49\u00b0\t21\u00b0\t31\u00b0\t44\u00b0\t\t20\u00b0\t36\u00b0\t44\u00b0\t50\u00b0\nSchwarzer Grund\t30\t32\t42\t53\t36\t48\t54\t72\t30\t32\t49\t47\"\t24\t27\t35\tio\nMittel\t23\t26\t34\t45\t26\t35\t45\t61\t26\t32\t42\t\t22\t32\t40\t47\nDabei ist zu bemerken, dass der Farbenton desto eher verschwindet, je st\u00e4rker die Verschiedenheit der Helligkeit von der des Grundes ist, woher die Unterschiede zwischen den Resultaten auf weissem und schwarzem Grunde r\u00fchren. Das Blau war die dunkelste der von Aubert benutzten Farben.\nEhe die Farben ganz verschwinden, erleiden sie noch eine \u00e4hnliche Aenderuug des Farbentons, wie bei der Vermehrung ihrer Intensit\u00e4t. Roth und Gr\u00fcn werden n\u00e4mlich sehr deutlich Gelb, Blau scheint direct in Grauweiss \u00fcberzugehen, und in den Mischungen aus Blau und Roth, dem Purpur, \u00fcberwiegt an den\n1 Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. t!d. 111. Abth. II. S. 60.","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. -20.\nANDERE THEORIEN DER FARBENMISCHUNG.\n301\nGrenzen des Gesichtsfeldes das Blau. So erkl\u00e4rte schon Purkinje, dass Purpur an der \u00e4ussersten Grenze blau erscheine, wenn es weiter in das Gesichtsfeld hineinr\u00fcckt, violett werde, endlich seine eigentliche Farbe erhalte. Ich selbst sehe ebenfalls Rosaroth an den Grenzen als bl\u00e4uliches oder violettes Weiss. Am auffallendsten ist die zuletzt erw\u00e4hnte Erscheinung bei Mischungen aus je zwei einfachen Farben. Wenn man z. B. nach der weiter unten zu beschreibenden Methode ein kleines farbiges Feld mit einfachem Roth und Gr\u00fcnblau so beleuchtet, dass es im directen Sehen weiss erscheint, so erscheint es indirect gesehen schon in geringer Entfernung vom Fixationspunkte gr\u00fcnblau. Es scheint nach diesen Versuchen, dass die Netzhaut am Rande gegen blaues und gr\u00fcnes Licht empfindlicher ist als gegen rothes. Sie n\u00e4hert sich dort einigermassen dem Zustande der Rothblindheit.\nDahin geh\u00f6rt auch wohl der Versuch vou Oppel 1, wonach ein orange-gelber Fleck auf blauem Grunde aus der Ferne heller erschien als der Grund, in der N\u00e4he gesehen, wo das Blau mehr auf die Grenze des Gesichtsfeldes fiel, dunkler.\nNeben der von Th. Young aufgestellten Farbentheorie sind noch die Theorien der Farbenmischung zu erw\u00e4hnen, die man direct aus der Undulationstheorie des Lichtes herzuleiten versucht hat, wie dies von Challis und Grailich geschehen ist. Namentlich hat dies der letztere in einer sehr m\u00fchsamen Arbeit auszuf\u00fchren gesucht. Er untersucht die zusammengesetzte Schwingungsbewegung, welche der Aether annimmt, wenn er von zwei Wellenz\u00fcgen verschiedener Schwingungsdauer erregt wird, und berechnet die Zeiten, w\u00e4hrend welcher die Aethertheilchen nach einer oder der anderen Seite aus ihrer Gleichgewichtslage entfernt sind. Diese Zeiten sind bei einer solchen zusammengesetzten Bewegung im Allgemeinen verschieden gross, w\u00e4hrend sie bei einer einfachen Farbe gleich gross sind. Grailich nimmt nun an, dass jede Entfernung der Aethertheilchen aus ihrer Gleichgewichtslage nach einer Seite hin denselben Farbeneindruck hervorbringe, wie diejenige einfache Farbe, bei welcher die Entfernung aus der Gleichgewichtslage ebenso lange dauert. So erregt nun nach seiner Annahme die zusammengesetzte Wellenbewegung schnell hinter einander verschiedene Farbeneindr\u00fccke im Auge, welche sich zu einer einzigen Empfindung combiniren, die im Allgemeinen einer desto weisslicheren Farbe entspricht, je verschiedenere Empfindungen nach einander wechseln. Der Eindruck des Weiss selbst soll sich zusammensetzen aus den rasch abwechselnden Eindr\u00fccken der mittleren T\u00f6ne des Spectrum vom Gelblichgr\u00fcn bis Orange. Da nun bei den zusammengesetzten Wellen auch Perioden Vorkommen, welche ausserhalb der Grenzen des sichtbaren Spectrum liegen, so nimmt Grailich f\u00fcr diese an, dass sie den Eindruck des Purpur erzeugen.\nDie Rechnungen von Grailich sind durchgef\u00fchrt f\u00fcr diejenigen Intensit\u00e4ts-Verh\u00e4ltnisse, welche nach Fraunhofer\u2019s Messungen die Farben im Flintglasspectrum haben, und stimmen, wenn man die beiden letzten Annahmen von Grailich zu-giebt, mit meinen Versuchen \u00fcber Mischung von Spectralfarben, welche ich mit H\u00fclfe des vf\u00f6rmigen Spaltes ausgef\u00fchrt habe. Aber ich muss bemerken, dass bei diesen Versuchen keineswegs die unver\u00e4nderte Helligkeit der Spectralfarben bewahrt worden ist, sondern dass ich meist diejenigen Mischfarben zu erzielen gesucht habe, welche gleich weit entfernt von ihren beiden prim\u00e4ren Farben sind\nIn denjenigen F\u00e4llen nun, wo die Amplituden der beiden Farben verschieden\n1 Jahresbericht des Frankfurter Vereins. 1853 \u2014 1854. p. 44 \u2014 49.","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 20.\ngross sind, l\u00e4sst sieh der Erfolg nicht durch eine allgemeine Theorie vorausbestimmen, sondern nur f\u00fcr einzelne Zahlenbeispiele berechnen, wie es Grailich gethan hat. Man erh\u00e4lt dann in jedem einzelnen Beispiele durch die Rechnung eine Reihe verschiedener Farbeneindr\u00fccke, die sich einander folgen sollen, und kann daraus nur in ziemlich unbestimmter Weise die Att des Gesammteindrucks absch\u00e4tzen, wenn man jGrailich\u2019s Principien folgt. Schlimm f\u00fcr diese Theorie erscheint mir aber der Umstand, dass, wenn man gleiche Amplituden der beiden Wellenz\u00fcge annimmt, in welchem Falle sich die mathematische Theorie wirklich durchf\u00fchren l\u00e4sst, die Uebereinstimmung mit den Erfahrungen sehr mangelhaft wird, was Grailich selbst bemerkt hat. Ist die Wellenl\u00e4nge des einen Wellenzuges A\u201e die des anderen A , * die Entfernung von irgend einem Punkte eines Strahls l\u00e4ngs desselben gemessen, so ist die Entfernung s der Aethertheilchen von der Gleichgewichtslage in irgend einem bestimmten Zeitmomente\n/ 9 77\t\\\t/ TL\t\\\ns = A sin I\u2014 x + c,J -+- A sin x + c\u201eJ\n== 2A cos\n.( !\t\tC,\u2014 c.,1 .1\t1 1\t1 \u2018 \\\t-1- C'~\t-M\nV\tU\t+\t2| S\u00dc11 nX 1A,\t\t\t2 J\noder wenn wir setzen\n9\n1\n2\nT,\nso erhalten wir\nl__I\nT K\n1\tI\n\u2014+ \u2014\n2 v\n2-\u00c4 / //\nc, + c\u201e\nn . t\u00efnx \\./2t7\u00a3C\t\\\n3A cos (\u2014 + ;\u25a0,) sm(\u20144\nDie Entfernungen der Punkte, wo s\n0, sind nun in diesem Falle leicht zu be-\n/ 2nx\t\\\t..\nstimmen. N\u00e4mlich die Nullpunkte des Factors sin I\u2014\u2014 -I ~/n\\liegen um die Lange\nI 2 77 x\t\\\n\u201d hr + \u2019\u25a0')\n/ von einander entfernt, die des Factors c<\n1\n2\nL\u00e4nge ln und k\u00f6nnen sich zwischen jene ersteren einschieben, oder mit ihnen zusammenfallen. Im letzteren Falle namentlich w\u00fcrde man nach Grailich\u2019s Principien lauter gleiche Wellenl\u00e4ngen in der zusammengesetzten Bewegung haben, die alle denselben Farbeneindruck hervorbr\u00e4chten, und auch wenn die Nullpunkte beider Factoren nicht zusammenfielen, k\u00f6nnten die selteneren des Cosinus den Eindruck, den die h\u00e4ufigeren Wellen des Sinusgliedes machen, nicht wesentlich st\u00f6ren. Daraus folgt aber nach Grailich\u2019s eigener Rechnung, dass Violett und Roth Gr\u00fcn geben m\u00fcssten, w\u00e4hrend sie in Wirklichkeit Purpurroth geben, und \u00fcberhaupt stimmen die Resultate bei kleinen Differenzen der Wellenl\u00e4ngen mit der Erfahrung, w\u00e4hrend sie bei grossen Differenzen betr\u00e4chtlich abweichen, da der Werth von lu immer nur zwischen /( und Aw liegen kann, und einem der mittleren T\u00f6ne des Spectrum entsprechen muss. Ich glaube deshalb, dass die Annahmen der GRAiLicu\u2019schen Theorie noch betr\u00e4chtlich zu modifleiren sein werden, ehe sie der Erfahrung gen\u00fcgend entsprechen kann, wenn man \u00fcberhaupt auf diesem Wege eine Erkl\u00e4rung suchen will.","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 20.\nMETHODEN FARBIGES EICHT ZU MISCHEN.\n303\nPie einfacliste unter den Methoden, um prismatische einfache Farben zu mischen, und gleichzeitig' alle Gombinationen aus je zwei solchen zu erhalten, ist die, dass man in einem dunklen Schirme einen \u00abf\u00f6rmigen Spalt anbringt, dessen beide Schenkel wife at und tc in Fig. 122 A unter 45\u00b0 gegen den Horizont geneigt sind, und diesen Spalt, der vor\neinen hellen Hintergrund gestellt ist, durch ein Prisma mit senkrecht stehender brechender Kante betrachtet. Pie Spectra haben dann die Form wie in Fig. 123, wo ct\u00df\u00df,a, das Spectrum des Schenkels ab und y\u00df\u00df,yl das Spectrum von bc ist. In dem ersteren laufen die Farbenstreifen parallel ab und a\u00df, im zweiten parallel bc und \u00dfy, wie die gestrichelten Linien. In dem mittleren dreieckigen Felde \u00df 8 \u00dft. welches beiden Spectren gemeinsam ist, schneiden alle Farbenstreifen des einen Spectrum alle Farbenstreifen' des andern, und es entstehen dadurch an diesen Stellen alle aus je zwei einfachen Farben gebildeten Mischfarben. Wenn die Breite der Spalten unver\u00e4nderlich ist, so kann doch das Verli\u00e4ltniss der Quantit\u00e4ten des gemischten Lichtes dadurch ge\u00e4ndert werden, dass man das Prisma aus der senkrechten Stellung in eine geneigte bringt, wodurch die Spectra die Form wie Fig. 124 annehmen und das eine \u00dfy\u00dfy,, in welchem dieselbe Lichtmenge auf einen kleineren Raum vertheilt wird, heller wird, w\u00e4hrend das andere a\u00df\u00df,\tdessen Fl\u00e4chen-\nraum vergr\u00f6ssert.-ist, an Helligkeit, verliert.\nMan kann durch diese Methode die meisten der oben angef\u00fchrten Resultate gewinnen.\nEine genaue Beurtheilung der Mischfarben, namentlich der weisslicheren, ist aber erstens dadurch erschwert, dass die einzelnen Farben einen zu kleinen Raum einnehmen, selbst wenn man die Beobachtung mit einem Fernrohr ausfiihrt, zweitens dadurch, dass man im Gesichtsfelde eine Menge anderer gl\u00e4nzender Farben daneben hat, welche durch Gontrastwirkungen das Ansehen der minder ges\u00e4ttigten Farben stark ver\u00e4ndern.\nPiese Uebelst\u00e4nde sind bei einer zweiten Methode vermieden; f\u00fcr diese wird ein compli-cirterer Apparat gebraucht, von dem Fig. 123 eine horizontale Projection darstellt. Man l\u00e4sst\nSonnenlicht, welches von einem Heliostaten reflectirt ist, durch einen verticalen Spalt in eire dunkles Zimmer fallen, l\u00e4sst es durch ein Prisma P Fig. 123 und eine achromatische Linse !..","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFIN'DUNGEN.\n\u00a7\u2022 20.\ngehen, in deren Brennpunkt ein Schirm S, steht, auf dessen vorderer Fl\u00e4che ein objectives Spectrum entworfen wird. Zwischen Linse und Schirm befindet sich ein Diaphragma \u00fc mit rechteckigem Ausschnitt. Der Schirm S, hat zwei verticale Spalten bei y, und y\u201e, welche von dem Lichte, das hier zu dem Spectrum vereinigt ist, zwei Farbenstreifen durchgehen lassen, w\u00e4hrend alles andere farbige Licht von dem Schirme zur\u00fcckgehalten wird. Hinter diesem Schirme ist eine zweite achromatische Linse L\u201e von k\u00fcrzerer Brennweite angebracht, welche auf dem zweiten Schirme Su ein Bild 0)0,, des Diaphragma D entwirft. Die Breite des einfallenden weissen Strahlenb\u00fcndels ist\thinter der Linse sind die Grenzstrahlen der\nbeiden'verschiedenfarbigen Strahlenb\u00fcndel, deren Brennpunkte mit den beiden Spalten y( und y\u201e zusammenfallen, dadurch unterschieden, dass die brechbareren gestrichelt, die weniger brechbaren punktirt sind. Die Oeffnung des Diaphragma D muss so eng gemacht werden, dass sie ganz von Strahlen beider B\u00fcndel ausgef\u00fcllt ist, so dass von jedem Punkte der OefFnung Strahlen der betreffenden Farbe auf jeden Punkt der Spalten y, und y\u201e fallen. Macht man die vordere Seite des Diaphragma weiss, so sieht man darauf das Strahlenb\u00fcndel als weissen Fleck mit farbigen R\u00e4ndern sich projiciren (bei \u00a3, blau, bei i\u201e roth). Um die genannte Bedingung zu erf\u00fcllen, muss die Oeffnung ganz in der weissen Mitte der beleuchteten Stelle liegen. Unter diesen Umst\u00e4nden ist die Oeffnung des Diaphragma gleichsam das leuchtende Object, von welchem zweierlei Licht durch die Spalten des Schirms S, auf die Linse L\u201e f\u00e4llt. In dem Bilde\twelches die Linse von dem Diaphragma l) entwirft, ist beiderlei Art Licht\n\u00fcber dieselbe gleichm\u00e4ssig ausgebreitet, und diese Fl\u00e4che erscheint daher in der Mischfarbe, oder wenn man eine der Spalten verdeckt, in einer der einfachen Farben.\nUm den Farbenton und die Intensit\u00e4t der gemischten Lichter nach Belieben und sehr all-m\u00e4lig \u00e4ndern zu k\u00f6nnen, ist eine besondere Construction des Schirms S, noting, und ist derselbe auf Taf. IV., Fig 2 abgebildet. Der Schirm besteht aus der viereckigen Messingplatte AABB, die bei C durch einen cylindrischen Stab getragen wird. Letzterer verschiebt sich in einer gespaltenen cylindrischen H\u00fclse I), die in der Mitte eines mit drei Stellschrauben versehenen Brettes befestigt ist. Der Schirm kann also mit seinem Tr\u00e4ger C auf und nieder geschoben, und in jeder H\u00f6he mittels des gespaltenen und durch eine Schraube zusanimen-gezogenen Ringes E festgestellt werden.\nAuf der Messingplatte AABB sind in schr\u00e4ger Richtung zwei Schlitten beweglich, deren Grundlagen die Messingplatten aa und aa sind. Mit bb, \u00df\u00df, c und c sind die Schienen bezeichnet, zwischen denen sich die Platten verschieben. Diese. Platten werden durch die Schrauben (l und \u00f6 bewegt, deren M\u00fctter in die an der grossen Platte AABB befestigten Messingkl\u00f6tze e und \u00a3 eingeschnitten sind, und deren Enden drehbar in den Kl\u00f6tzen g und y befestigt sind, welche von den beweglichen Platten getragen werden. Durch Drehung der Schrauben d und S verschiebt man also die Platten a a und a a parallel den Schienen, zwischen denen sie als Schlitten gehen.\nAuf der beweglichen Platte a a ist nun wieder als Schlitten beweglich die Platte f zwischen horizontalen Schienen angebracht, und durch die Schraube m zu verstellen. Ebenso auf der Platte a a die Platte cp mit der Stellschraube /i. Zwischen den einander zugekehrten R\u00e4ndern der Platten /' und cp liegen noch die beiden dreieckigen ebenso dicken Platten l und X, jene auf aa, letztere auf aa befestigt. Die einander zugekehrten und zugesch\u00e4rften R\u00e4nder von 1 und l, sowie von cp und l bilden zwei Paare GiiAVESAVDE\u2019scher Schneiden.\nDahinter befindet sich in der grossen Platte AABB ein entsprechender Ausschnitt, um das Licht, welches durch die beiden Spalten gegangen ist, weiter hindurchzulassen. Die vorderen Fl\u00e4chen von f,l,cp und l sind matt versilbert, um das Spectrum darauf gut projiciren zu k\u00f6nnen. Der Ort des Spectrum ist durch das kleine punktirte Rechteck angedeutet.\nVerschiebt man mittels der Schrauben d und \u00f6 die Platten aa und aa, so treten die Spalten unter einen anderen Ort des Spectrum, und es gehen andere Farbent\u00f6ne durch sie hindurch. Durch die Schrauben m und [i dagegen \u00e4ndert man die Breite der Spalten und damit auch die Menge des durchgelassenen Lichtes.\nEs kommt darauf an, dass der Vereinigungspunkt gleichfarbiger Strahlen, welche durch die Linse L, gegangen sind, genau auf der Ebene des Schirms S, liegt, sonst zeigt das","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 20.\nMETHODEN FARBIGES LICHT ZU MISCHEN.\n305\nFarbenfeld auf S;, von rechts nach links verschiedene Farbent\u00f6ne. Die Spalten m\u00fcssen den dunklen Linien des Spectrum parallel sein, was durch die Stellschrauben am Fusse des Schirms S1 bewirkt werden kann. Auch m\u00fcssen alle Unreinigkeiten an der Linse und Prisma, welche gef\u00e4rbte Flecke in dem Farbenfelde geben w\u00fcrden, sorgf\u00e4ltig entfernt werden. Zwischen den beiden einzelnen Linsen der achromatischen Doppellinse L, bilden sich leicht NEWTO.v\u2019sche Ringe, die im Farbenfelde abgebildet werden. Diese entfernt man, indem man Canadabalsam zwischen die Linsen bringt. Je weiter man \u00fcbrigens das Diaphragma D von der Linse L, entfernt, desto verwaschener ist das Bild solcher Flecken in den Gl\u00e4sern, und desto weniger st\u00f6ren sie. Es ist deshalb die hier abgebildete Anordnung des Apparats besser, als die fr\u00fcher von mir beschriebene.\nBei dieser Methode hat das farbige Feld eine gr\u00f6ssere Ausdehnung als bei der ersten, und alle anderen Farben, welche durch Contrastwirkungen st\u00f6ren k\u00f6nnten, sind entfernt. Doch bleiben noch in vielen F\u00e4llen manche Hindernisse bestehen, die eine ruhige und sichere Be-urtheilung der Mischfarbe erschweren. Es macht sich erstens die Farbenzerstreuung im Auge bei Zusammensetzungen nur zweier einfacher Farben von sehr verschiedener Brechbarkeit viel bemerkbarer als bei weissem Lichte (s. oben S. 128). Der Rand des Farbenfeldes f\u00e4rbt sich deshalb leicht mit einer von beiden Farben, w\u00e4hrend in der Mitte die andere \u00fcberwiegt. Dann ist das Auge bei einigen weissen Mischfarben, namentlich bei dem aus Roth und Gr\u00fcnblau zusammengesetzten Weiss, ausserordentlich empfindlich gegen die kleinsten Einmischungen einer der urspr\u00fcnglichen Farben, so dass die kleinsten Ungleichm\u00e4ssigkeiten des Apparats und etwa vorhandene Nachbilder im Auge, namentlich bei gr\u00f6sserer Lichtst\u00e4rke, sehr st\u00f6ren. Endlich sind hierbei auch die Verschiedenheiten des Eindrucks zwischen Mitte und Rand-theilen der Netzhaut sehr auffallend. Verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig am leichtesten ist es, Weiss aus Gelb und Indigo zusammenzusetzen, schwerer aus Gelbgr\u00fcn und Violett oder Goldgelb und Wasserblau, am schwersten aus Roth und Gr\u00fcnblau.\nDie Wellenl\u00e4ngen der complement\u00e4ren einfachen Farben habe ich in der Weise bestimmt, dass ich die Linse Lu und den Schirm S\u201e entfernte und aus einiger Entfernung die Spalte des Schirms S, durch ein Fernrohr betrachtete, vor dessen Objectiv eine Glasplatte mit feinen \u00e4quidistanten verticalen Linien angebracht war. Man sieht dann Diffractionsspectra der Spalten, deren scheinbare Entfernung von dem betreffenden Spalte der Wellenl\u00e4nge proportional ist. Man braucht also nur in derselben Weise die Entfernung der Diffractionsspectra f\u00fcr eine der dunklen Linien des Spectrum zu messen, deren Wellenl\u00e4nge Fraunhofer bestimmt hat, so ergeben sich daraus leicht die Wellenl\u00e4ngen der beobachteten gemischten Farben.\nUm das farbige Licht der Pigmente und anderer Naturk\u00f6rper zu mischen, ist das einfachste Verfahren folgendes. In einiger Entfernung (1 Fuss) \u00fcber einer schwarzen Tischplatte bringt man eine kleine vertical gestellte Glasplatte a mit ebenen und parallelen Fl\u00e4chen an, deren Ebene verl\u00e4ngert die Tischplatte in d schneiden m\u00f6ge. Indem das Auge des Beobachters schr\u00e4g abw\u00e4rts nach der Glasplatte a hinsieht, sieht er mittels des von der Platte durchgelassenen Lichtes den Theil clb des Tisches, mittels des reflectirten Lichtes dagegen den Theil do scheinbar mit clb zusammenfallend. Legt man in gleicher Entfernung von i in e und in b gef\u00e4rbte Oblaten oder andere gef\u00e4rbte Fl\u00e4chen hin, so erblickt der Beobachter das Spiegelbild von c mit b zusammenfallend. Das farbige Licht von c schl\u00e4gt an der Vorderfl\u00e4che der Glasplatte a genau denselben Weg ein, auf welchem das farbige Licht von b fortgeht, und beide Lichter fallen also gemischt in das Auge o, das von ihm gesehene gemeinsame Bild von b und c muss also in der Mischfarbe erscheinen. Das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss regulirt man durch Verschiebung der \u2019beiden Oblaten. Je n\u00e4her sie an \u00e4 liegen, desto st\u00e4rker ist das refleetirte Licht von c, desto schw\u00e4cher das durchgelassene von b.\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz , Physiol. Optik.\n20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 20.\nMan kann auf diese Weise auch Licht, welches durch farbige Gl\u00e4ser oder Fl\u00fcssigkeiten gegangen ist, zur Mischung anwenden. Dazu macht man in der Platte l>c Oeffnungen, durch welche das Licht gelangt. So kann man auch das durch einen Spiegel reflectirte Licht des blauen Himmels mit dem von Chromgelb mischen, und sich -\u00fcberzeugen, dass beide, wie Ultramarin und Chromgelb, ein r\u00f6thliches Weiss geben, dass das Himmelblau also weisslicbes Indigblau ist, nicht aber dem weniger brechbaren Blau des Spectrum entspricht, welches wir Cyanblau genannt haben.\nDie zuletzt beschriebene Methode hat vor den Mischungen auf dem Farbenkreisel den Vorzug, dass die weisslichen Mischungen nicht grau, sondern weiss erscheinen. Die Einrichtung der Farbenkreisel wird in \u00a7. 22 n\u00e4her beschrieben werden. Als weitere Methoden, farbiges Licht zusammenzusetzen, ist noch zu erw\u00e4hnen ein Versuch von Volkmann, der durch gef\u00e4rbte Gewebe, die er dicht vor das Auge hielt, nach farbigen Fl\u00e4chen hinsah. Die Mischung beider Farben wird aber schwer recht gleichm\u00e4ssig, und es kann auch die Durchsichtigkeit der F\u00e4den st\u00f6ren, indem die F\u00e4den theilweis wie ein farbiges Glas wirken, durch welches man eine farbige Fl\u00e4che sieht. Czermak hat den ScHEiNER\u2019schen Versuch benutzt, indem er durch einen Schirm mit zwei engen Oeffnungen sah, welche mit verschiedenfarbigen Gl\u00e4sern bedeckt waren. So weit die Objecte einfach erscheinen, erscheinen sie auch in der Mischfarbe. Holtzmann l\u00e4sst das diffus reflectirte Licht zweier farbigen Papiere auf weisses Papier fallen. Challis erw\u00e4hnt Versuche, wie sie \u00fcbrigens schon Mile angestellt hatte, hei denen Papiere, die mit Streifen verschiedener Farben versehen waren, aus solcher Entfernung betrachtet wurden, dass die Streifen einzeln nicht mehr erkannt werden konnten. Endlich hat Dove Methoden beschrieben, um Interferenz- und Absorptionsfarben zu mischen. Er benutzt dazu Spiegel, die aus farbigen Gl\u00e4sern mit Silber belegt gebildet sind. Die vordere Fl\u00e4che solcher Spiegel giebt polarisirtes weisses Licht, die hintere unpolarisirtes durch Absorption gef\u00e4rbtes. Geht nun das so gemischte Licht durch eine Glimmerplatte und ein NicoL\u2019sches Prisma, so bleibt das letztere Licht unver\u00e4ndert. Das polarisirte weisse Licht dagegen wird durch die Interferenz des ordentlichen und ausserordentlichen Strahls im Krystall so gef\u00e4rbt, dass seine Farbe einer der Farbenstufen von Newton\u2019s Ringsystemen entspricht. Beide Arten von Licht fallen vermischt in das Auge des Beobachters.\nDie Lehre von der Farbenmischung ging von den Erfahrungen der Maler \u00fcber Mischung der Pigmente aus. Schon Plinius erw\u00e4hnt, dass die \u00e4lteren griechischen Maler mit vier Farbstoffen alles darzustellen gewusst h\u00e4tten, w\u00e4hrend man zu seiner Zeit deren viel mehr bes\u00e4sse, und doch nicht so viel, wie jene, leistete. Und doch ist auch in dem ber\u00fchmten Gem\u00e4lde der Aldobrandinischen Hochzeit aus der R\u00f6merzeit der Aufwand von Farbstoffen sehr klein, wie Davy\u2019s chemische Untersuchungen zeigten l. Leonardo da Vinci nennt ausser Schwarz und Weiss, welche jedoch nicht im eigentlichen Sinne Farben w\u00e4ren, vier einfache Farben, n\u00e4mlich Gelb, Gr\u00fcn, Blau und Roth; sonst fordert er noch an einer anderen Stelle f\u00fcr die Malerei Orange (lionato) und Violett (morello, cio\u00e8 pavonazzo). Dass Leonardo das Gr\u00fcn stets als einfache Farbe z\u00e4hlt, obgleich er weiss, dass es gemischt werden kann, widerspricht eigentlich seiner Definition der einfachen Farben als solcher, die nicht gemischt werden k\u00f6nnen. Sollte er bemerkt haben, dass das ungemischte Gr\u00fcn viel lebhafter ist als das gemischte? Die nachher gew\u00f6hnlich angenommenen drei Grundfarben Roth, Gelb und Blau findet man schon vor Newton\u2019s Untersuchungen, als eine damals allgemein anerkannte wissenschaftliche Thatsache erw\u00e4hnt in einem Versuch zur Classification der Farben und Farbstoffe von Waller. Darin, dass man drei Grundfarben ausreichend findet, liegt schon die Anerkennung der Thatsache, dass die Beschaffenheit des farbigen Lichtes eine Function nur dreier Variablen ist; auf die Wahl der Grundfarben, welche erst viel sp\u00e4ter W\u00fcnsch und Thomas Young zu \u00e4ndern suchten, haben die Erfahrungen \u00fcber gemischte Pigmente den entschiedensten Einfluss. Man meint aus Gelb und Blau Gr\u00fcn zusammensetzen zu k\u00f6nnen. Das ist richtig, wenn man es auf die Pigmente bezieht, aber nicht f\u00fcr farbiges Licht.\nNewton setzte zuerst farbiges Licht zusammen, und zwar das des prismatischen Spectrum, benutzte aber daneben f\u00fcr Aufstellung der Regel der Farbenmischung die Mischung farbiger Pulver, und legte auf die Abweichungen zwischen beiden, die ihm nicht ganz entgangen zu sein scheinen, kein grosses Gewicht, da ihm die experimentellen Hiilfsmittel noch fehlten, die Sache genauer zu verfolgen. Er erw\u00e4hnt, dass aus stibflavum und cyaneum (d. h. gr\u00fcnlich\n1 Gilbert\u2019s Annalen. LI1, 1.","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 20.\nGESCHICHTE DES MISCHUNGSGESETZES\n307\nGelb und Cyanblau) nur ein weissliches Gr\u00fcn zu erzeugen sei. Newton stellte auch zuerst einen genaueren Ausdruck des Gesetzes der Farbenmischung hin, indem er es auf die oben besprochene graphische Darstellung und Schwerpunktsconstrutionen zur\u00fcckf\u00fchrte. Sein Gesetz entsprach den vorliegenden experimentellen Erfahrungen, eine genauere Pr\u00fcfung hat ei nicht versucht. Seine Darstellung des Systems der Farben auf einem Kreise war eine Erweiterung des Systems dreier objectiver Grundfarben; \u00fcber das Ungen\u00fcgende des letzteren Systems spricht er sich aber nirgends aus.\nDagegen kehrten die sp\u00e4teren Physiker bei ihren Versuchen, das System der Farben zu ordnen, meist zum System der drei Grundfarben zur\u00fcck, so le Blond 1738, du Fay 1737 Tobias Mayer 1758 J H. Lambert 1772, D. R. Hay,\u2019 J. D. Forbes. Ihre\u2019 Farbensysteme sind praktisch ausgefuhrt meist in der Weise, dass sie bestimmte Pigmente, nach bestimmten Gewichtsverhaltmssen mischten. Mayer brauchte Zinnober, K\u00f6nigsgelb (Chromsaures Bleioxyd) und Bergblau (Kobaltglas) Lambert Carmin, Gummigutt, Berliner Blau (Eisencyan\u00fcrcyanid). Letzterer bestimmte auch die Sattigungsverh\u00e4ltnisse dieser Farbstoffe, indem er die Gewichtsmengen bestimmte, in denen je zwei gemischt werden m\u00fcssen, um eine Mischfarbe hervorzubringen welche gleich weit von den Farben ihrer beiden Bestandtheile entfernt sei. Er Pu.\u00ae!*e\tt 011 -i1\u21221111 1 Thed, von Berlinerblau 3 Theile, von Gummigutt 10 Theile.\nLetztere Gewichte w\u00e4hlte er dann als Maasseinlieiten bei Anfertigung der Mischungen Uebngens fallen die Mischungen so weit von einander entfernter Farbstoffe immer ziemlich unansehnlich und grau aus.\t'\nNeuere Beobachtungen, welche unter Umst\u00e4nden, wo Mischung farbigen Lichts zu er-waiten war, von der bisherigen Regel abweichende Resultate lieferten, machten 1829 Plateau am F\u00e4rbenkreisel, Volkmann 1838 an Zerstreuungsbildern, ohne aber dadurch zu einer n\u00e4heren Untersuchung des Widerspruchs gef\u00fchrt zu werden. Ich selbst wurde durch Versuche \u00fcber Mischung der Spectralfarben zu der Erkenntniss gef\u00fchrt, dass Mischung des Lichts und Mischung von Pigmenten verschiedene Resultate gebe, und er\u00f6rterte die Gr\u00fcnde davon Ich hatte hierbei die Mischung der Spectralfarben mittels des n f\u00f6rmigen Spaltes benutzt und nur aus Gelb und Indigblau Weiss erhalten, nicht aus irgend welchen anderen Paaren von Spectralfarben. Dies widersprach dem Mischungsgesetz von Newton und veranlasste Grassmann zu einer ausf\u00fchrlichen Er\u00f6rterung der Prineipien von Newton\u2019s Mischungsgesetz. Die Untersuchung der gemischten Spectralfarben nach einer besseren Methode, welche ich ausf\u00fchrte hob die scheinbaren Widerspr\u00fcche gegen Newton\u2019s Regel auf, so weit sie sich auf die Anwendbarkeit der Schwerpunktsconstructionen beziehen; dagegen musste ich freilich die Kreis-torm des Farbenfeldes Grass.viann gegen\u00fcber als unerwiesen stehen lassen. Endlich sind nun die 1 rmcipien von Ne wton\u2019s Mischungsgesetz experimentell gepr\u00fcft worden 1857 durch Maxwell.\n1h. Young\u2019s Theorie der Farbenempfindungen ist wie so vieles, was dieser bewundernsw\u00fcrdige Forscher seiner Zeit voraneilend geleistet hatte, unbeachtet liegen geblieben, bis ich selbst und Maxwell wieder auf sie aufmerksam machten. Man begn\u00fcgte sich mit der Annahme dass der Sehnerv verschiedenartiger Empfindungen f\u00e4hig sei, ohne weiter nach dem Grunde darbletet\"\u2019 WalUm daS System dieser Empfindungen eben ein solches sei, wie es das Auge\n1519. 1686. 1704. 1735. 1737. 1758. 1772. 1792.\n1807.\n1829.\n1836.\n1838.\n1839.\n1843.\n1847.\nLeonardo da Vinci. Trattato della pittura. Paris 1651.\nR. Waller. A catalogue of simple and mixte colours. Phil. Trans 1686 \u2018Newton. Optice. Lib. 1. P. II. Prop. IV \u2014VI. le Blond. II Colorito. London. du Fay. M\u00e9m. de l\u2019Acad. roy. de Paris 1737.\nT. Mayer in G\u00f6ttinger gelehrte Aiiz. 1758. St. 147.\nJ. H. Lambert. Beschreibung einer Farbenpyramide. Berlin.\nWunsch. Versuche und Beobachtungen \u00fcber die Farben des Lichts. Gilbert\u2019s Ann. XXXIV. 10.\nTh. Young. Lectures on natural philosophy. London.\nPlateau. Dissert, sur quelques propri\u00e9t\u00e9s des impressions produites par la lumi\u00e8re sur l\u2019organe de la me. L\u00fcttich.\nOhallis in Pogg. Ann. XXXVII. 528.\nVolkmann in J. M\u00fcller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. 1838. S. 373.\nMile ebenda 1839. S. 64.\nD. R. Hay. Nomenclature of colours.\nJ. M\u00fcller Zusammensetzung des weissen Lichts aus den verschiedenen Farben Pogg. Ann. LVIII. 358. 518.\nDove. Ueber die Methoden aus Complement\u00e4rfarben Weiss darzustellen, und \u00fcber die Erscheinungen, welche polarisirtes Licht zeigt, dessen Polarisationsebene gc-\n20 *","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\tZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN. \u00a7. 20.\ndreht wird. Berliner Monatsber. 1846. p. 70; Pogg. Ann. LXXI. 97; Phil. Mag. XXX. 468; Inst. No. 712. p. 176; Arch. d. sc. ph. et nat. V. 276.\nChevreul. Expos\u00e9 d\u2019un moyen de d\u00e9finir et nommer les couleurs d\u2019apr\u00e8s une m\u00e9thode rationelle et exp\u00e9rimentale. Quesneville revue scient. XXIX. 382. , C. R. XXXII. 693. Inst. No. 906. p. 185. Dingl. polyt. J. CXXI. 367. Athen. 1831. p. 272.\n1848 Br\u00fccke. Ueber das Wesen der braunen Farbe. Pogg. Ann. LXXIV. 461. Phil. Mag. XXXIII. 281. Inst. No. 783. p. 21.\t\u2022\nHarless. Physiologische Beobachtung und Experiment. N\u00fcrnberg 1848.\tb. 45.\n(Eine Farbe durch die andere gesehen.)\nOhr. Doppler. Versuch einer systematischen Classification der Farben. Prag 1848, aus Abhandl. der b\u00f6lnn. Ges. V. 401.\t.......\n1849. J- D. Forbes. Hints towards a classification of colours. Philos. Magaz. XXXIV. 161. 1852 * H. Helmholtz. Ueber die Theorie der zusammengesetzten Farben. M\u00fcller. Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. 1852. S. 461 \u2014482. Pogg. Ann. LXXXVII. 45 \u2014 66; Philos. Magaz. (4) IV. 519 \u2014 534; Cosmos. II. 112\u2014120. Ann. de chim. (3) XXXVI. 500 \u2014 508; Fechner, Centralblatt .1853. p. 3 \u2014 9.\n1853.\t!.. Foucault.\tSur la\tr\u00e9composition des couleurs du spectre\ten teintes\tplates.\nCosmos. II. 232; Pogg. Ann. LXXXVIII. 385 \u2014 387.\n* H. Grassmann. Zur Theorie der Farbenmischung. Pogg. Ann. LXXXIX. 69 \u201484. Philos. Magaz. (4) VII. 254 \u2014 264.\n1853.\tHoltzmann. Apparat zur Darstellung von Farbenmischungen. Tagblatt der deutschen Naturforscherversammlung 1853.\nJ. Plateau. Reclamation. Pogg. Ann. LXXXVIII. 172 \u2014173. Cosmos. II. 24t. Fechner. Centralblatt. 1853. p. 365.\nH. Helmholtz. On the mixture of homogeneous colours. Athen. 1853. p. 1197\u2014A198; Cosmos. III. 573 \u2014 575; Rep. of Brit. Assoc. 1853. 2. p. 5. Pogg. Ann. XC1V. 4\u201428. Ann.\tde chim.\t(3) XLIV. 70 \u2014 74. Arch. d. sc. phys.\tXXIX. 242.\n1854.\tJ. Grailicii.\tBeitrag\tzur Theorie der gemischten Farben.\tWiener Ber. XII.\n783 \u2014 847. XIII. 201 \u2014 284.\nJ. Czermak. Physiologische Studien. Wien. Ber. XII. 322.\t\u00a7. 6 und XVII. 565.\n1855.\t* J. C. Maxwell. Experiments on colour, perceived by the eye, with remarks on colour\nblindness. Edinb. Trans. XXI. 275 \u2014 297. Edinb. Journ. (2) I. 359 \u2014 360. Troc. of Edinb. Soc. III. 299 \u2014 301. Philos. Mag. (4) XIV. 40.\nG. Wilson. Observations on Mr. Maxwell\u2019s paper. Edinb. J. (2) I. 361.\nJ. D. Forbes. Observations on Mr. Maxwell\u2019s paper. Edinb. J. (2) I. 362.\n1856.\tJ. C. Maxwell. On the theory of compound colours with\treference\tto\tmixtures of\nblue and yellow light. Athen. 1856. p. 1093.\tEdinb.\tJ. (2) IV.\t335 \u2014 337.\nInst. 1856. p. 444. Ilep. of British Assoc. 1856.\t2. p.\t12 \u201413.\nChallis. On theory of the composition of colours\ton the\thypothesis\tof\tundulations.\nPhil. Mag. (4) XII. 329 \u2014 338 und 521.\nG. G. Stokes. Remarks on Challis\u2019s paper. Phil. Mag. ( 4) XII. 421.\n1857.\tHove. Eine Methode Interferenz - und Absorptionsfarben zu mischen. Bed. Monatsber. 11. M\u00e4rz 1857. Pogg. Ann. CII.\nFarbenblindheit.\nHudoart. Phil. Trans. LXVII. I. 14.\nCollardo. Journ. de Physique. XII. 86.\nWhisson. Phil. Trans. LXVIII. II. 611. Journ. de Phys. XII.\nGiros v. Gentilly. Theorie der Farben (unter dem Pseudonym G. Palmer eng!, und franz\u00f6s. erschienen. Lichtenberg Magazin. I. 2. 57.\nHarvey. Edinb. Phil. Trans. X. 253. Edinb. J. of Sc. VII. 85.\nJ. Butters. Edinb. Phil. Journ. XL 135. Archiv f\u00fcr Physiol, v. Meckel. V. 260. Nicholl. Medico chir. Trans. VII. 477. IX. 359. Ann. of Phil. N. S. III. 128. v. Goethe. Zur Naturwiss. und Morphologie. 1.Heft.297. Zur Farbenlehre. 1. \u00a7.103. Meckel. Archiv fiir Physiol. I. 188. ,4>m. of philos. 1822. Febr. p. 128. Wardrop. Essays on the morbid anatomy of the human eye. London 1818. II. 196. Meckel. Archiv f\u00fcr Physiol. V.\nBrewster. Edinb. Journ. of Sc. VII. 86. XIX. 153. Edinb. phil. J. VI. Pogg. Ann. XXIII. 441.\nJ. Herschel. Artikel Light in Encyclop. metrop. p. 434. \u00a7. 507.\nColqhoun. aus Glasgow Med. Journ. in Froriep\u2019s Notizen. XXIV. 305.\nJ. Dalton. Memoirs of Lit. and Phil. Soc. of Manchester. V. Edinb. Journ. of Sc. IX. 97. Sommer in Graefe und Walther Journal f\u00fcr Chirurgie. V.","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 21.\nABH\u00c4NGIGKEIT DER EMPFINDUNG VON DER LICHTST\u00c4RKE,\n309\nSalzburger medic. Chirurg. Zeitung. IV.\nGall. Anal, et Physiologie du syst\u00e8me nerveux. IV. 98.\nRozier. Observ. sur la physique. XIII.\nBrewster. Briefe \u00fcber nat\u00fcrl. Magie. Uebers. S. 44.\nHeeling. Prakt. Handbuch der Augenkrankheiten. I. S. 1.\n1837. * A. Seebeck. Ueber den bei manchen Personen vorkommenden Mangel an Farbensinn. Pogg. Ann. XLII. 177 \u2014 233.\n1849. Wartmann. Ball, de Brux. XVI. I. 137. Inst. XVII. No. 799. p. 131.\nd\u2019Hombre Firmas. C. R. XXIX. 173. XXX. 60, 376. Inst. No. 813. p. 259.\n1832. Schnetzler. Arch. d. sciences phys. XXI. 251 \u2014252.\nBurckiiardt. Verh. der naturf. Gesellsch. in Basel. X. 90 \u2014 93.\n1854. Wilson. Proc. of Edinb. Soc. III. 226 \u2014 227.\nEichmann in Rechner Centralblatt 1854. p. 294 \u2014 295. Med. Z. S. des Ver. f. Heilkunde in Preussen 1853.\t224.\n1833\u201455. G. Wilson in Monthly J. of med. science. Nov. 1853 bis Dec. 1854. Edinb. Journ. (2) IV. 322 \u2014 327.\nDerselbe. Researches on Colour - Blindness. Edinb. 1855. Darin auch Maxwell On the Theory of Colours in relation to Colour-Blindness, p. 153.\n1856. W. Pole. Proc. of Roy. Soc. VIII. 172\u2014177. Phil. Magaz. ( 4) XIII. 282 \u2014 286. J. Tyndall. Phil. Magaz. (4) XI. 329 \u2014 333. Silliman J. (2) XXII. 143 \u2014146. Arch. d. sc. phys. XXXIII. 221 \u2014225.\n\u00a7. 2 I. Von der Intensit\u00e4t der Lichtempfindung.\nDie Intensit\u00e4t des objectiven Lichts ist gleich zu setzen der lebendigen Kraft der Aetherbewegung, und diese bei einfarbigem, gradlinig polarisirten Lichte proportional dein Quadrate der gr\u00f6ssten Geschwindigkeit der Aethertheilchen. Wenn Licht aus verschiedener Quelle oder von verschiedener Polarisations-richtung zusammentrifflt, wird die Gesammt-Intensit\u00e4t gleich der Summe der einzelnen Intensit\u00e4ten.\nWir wollen zun\u00e4chst untersuchen, wie die Intensit\u00e4t der Lichtempfindung sich verh\u00e4lt, wenn die Intensit\u00e4t des objectiven Lichtes sieh ver\u00e4ndert, ohne dass die Farbe ge\u00e4ndert wird. Wir k\u00f6nnen diese Verh\u00e4ltnisse an weissem Lichte studiren; einfaches farbiges Licht verh\u00e4lt sich darin nicht anders.\nZun\u00e4chst ist nachzuweisen, dass die kleinsten wahrnehmbaren Abstufungen der Lichtempfindung nicht gleichen Differenzen der objectiven Helligkeit entsprechen. Man beleuchte eine weisse Tafel mit einem schwachen Lichte, welches die Helligkeit h erzeuge, und stelle einen K\u00f6rper auf, der auf die Tafel einen Schatten wirft, so dass innerhalb der Grenzen des Schattens die Tafel von jenem ersten Lichte nicht getroffen wird. Dann bringe, man ein zweites Licht hinzu von der Helligkeit H, welche dadurch ver\u00e4ndert werden kann, dass man dies zweite Licht der Tafel n\u00e4hert und entfernt. Dann ist die objective Helligkeit im Schatten U, ausserhalb des Schattens II -L h.\nIst nun die Helligkeit H sehr gering, so wird das Auge den Schatten erkennen , d. h. die Helligkeit H von der II -t- h unterscheiden. Aber es scheint, dass wie gross auch h sein mag, doch stets eine gr\u00f6ssere Helligkeit H existirt, bei welcher der Schatten unsichtbar wird, bei welcher die Differenz h der objectiven Helligkeit also nicht mehr eine wahrnehmbare Steigerung der Empfindung hervorbringt.\nEin Licht von der St\u00e4rke des Mondlichts wirft einen wahrnehmbaren Schatten auf weisses Papier. Bringt man eine gut brennende Lampe, nahe an","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 21.\n(las Blatt, so verschwindet der Schatten. Wiederum verschwindet der Schatten, den das Lampenlicht wirft, wenn man die Sonne auf das Papier scheinen l\u00e4sst. Ja, die Helligkeit der Flammenfl\u00e4che einer gut brennenden Lampe mit ringf\u00f6rmigem Dochte ist f\u00fcr das Auge kaum noch von der doppelten Helligkeit zu unterscheiden. Es sind solche Flammen hinreichend durchsichtig, wie man leicht erkennt, wenn man ihr lichtschwaches Spiegelbild in einer unbelegten Glastafel betrachtet und dann eine zweite Flamme hinter die erste schiebt. Man erkennt dann die zweite in ihren Umrissen ganz genau. Sieht man aber mit blossem Auge nach den beiden Flammen hin, so erkennt man die zweite wenigstens durch den hellsten Theil der ersten nicht mehr, oder h\u00f6chstens nachdem man durch l\u00e4ngeres Hinsehen die Intensit\u00e4t der Empfindung abgestumpft hat. Ebenso wenig erkennt man so leicht mit blossem Auge, dass der Rand der Flammenfl\u00e4che, wo man der L\u00e4nge nach durch die gl\u00fchende Gasschicht hindurch sieht, ein sehr viel intensiveres Licht, als die Mitte hat, wo man die kleinste Tiefe der gl\u00fchenden Schicht vor sich hat, was ebenfalls leicht sichtbar wird, wenn man die Flamme in einem unbelegten Glase gespiegelt betrachtet. Dahin geh\u00f6rt denn ferner auch die Thatsache, dass die Sterne bei Tage verschwinden, dass Bilder hinter einer Glasplatte verschwinden, wenn die Glasplatte spiegelt u. s. w.\nW\u00e4hrend wir bisher die Differenz der Helligkeit constant erhielten, und nur den absoluten Werth der ganzen Helligkeit ver\u00e4nderten, k\u00f6nnen wir auch die Differenz in demselben Verh\u00e4ltniss wachsen lassen, wie die Helligkeit w\u00e4chst. Man bringe auf einer durchsichtigen Glastafel eine Zeichnung mit sehr verd\u00fcnnter schwarzer Tuschfarbe an, oder lasse sie mit einem schwachen Hauch von Lampenruss anlaufen, und zeichne darin, oder am besten, man nehme ein photographisches auf durchsichtigem Glas ausgef\u00fchrtes Bild, was theils sehr zarte, theils st\u00e4rkere Schatten hat, und halte eine solche Zeichnung vor einen hellen Grund von immer steigender Helligkeit. Man wird finden, dass bei geringer Helligkeit des Grundes sehr zarte Schatten unsichtbar sind, bei gr\u00f6sserer sichtbar werden, dann hei immer steigender Helligkeit eine ziemliche Zeit hindurch ungef\u00e4hr denselben Grad von Deutlichkeit erhalten, endlich aber wieder anfangen zu verschwinden. Je st\u00e4rker der Schatten in der Zeichnung ist, desto kleiner ist die Helligkeit, wo er anf\u00e4ngt sichtbar zu werden, und desto gr\u00f6sser ist die Helligkeit, welche angewendet werden muss, damit er wieder verschwinde. Nun ist die Helligkeit des Schattens um einen bestimmten Theil der ganzen Helligkeit kleiner, als die Helligkeit der lichten Stellen. Nennen wir letztere H, so k\u00f6nnen wir die Helligkeit des Schattens gleich (7\u2014u) H setzen, wo \u00ab einen f\u00fcr dieselbe Stelle der Zeichnung constanten \u00e4chten Bruch bezeichnet, so dass also die Differenz der Helligkeit zwischen der betreffenden Stelle der Zeichnung und dem hellen Grunde, welche uH ist, mit der Helligkeit H gleichzeitig gr\u00f6sser und kleiner wird. Trotzdem also bei steigender Helligkeit die Unterschiede der absoluten Helligkeit zwischen den verschieden beschatteten Theilen der Zeichnung gr\u00f6sser werden, entsprechen diesen Unterschieden nicht mehr wahrnehmbare Unterschiede der Empfindung. Daraus geht nun hervor, dass es gewisse mittlere Grade der Lichtst\u00e4rke geben muss, innerhalb welcher das Auge am empfindlichsten ist f\u00fcr eine Ver\u00e4nderung der Helligkeit um kleine Bruehtheile ihrer Gr\u00f6sse. Es","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 21.\nFECHNER\u2019S PSYCHOPHYSISCHES GESETZ.\n311\nsind dies die von uns gew\u00f6hnlich beim Lesen, Schreibet, Arbeiten gebrauchten, unserem Auge angenehmen und bequemen Grade der Helligkeit, also etwa von derjenigen ah, bei welcher man ohne Schwierigkeit lesen kann, bis zu der Helligkeit einer von den directen Sonnenstrahlen getroffenen weissen Fl\u00e4che. Innerhalb dieser Grenzen der Helligkeit, wo die Empfindlichkeit fiir Bruchtheile ihr Maximum erreicht, ist die Gr\u00f6sse der Empfindlichkeit auch nahehin constant, wie sich denn \u00fcberhaupt der Werth continuirlich ver\u00e4nderlicher Functionen in der N\u00e4he ihres Maximum verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig wenig zu ver\u00e4ndern pflegt. Es geht dies schon fiir die gew\u00f6hnliche Beobachtung aus dem Umstande hervor, dass man Gem\u00e4lde und Zeichnungen, welche mannigfaltige Abstufungen des Schattens darbieten, ziemlich gleich gut bei Kerzenlicht und bei starkem Tageslicht erkennt, dass gew\u00f6hnlich hei starker Beleuchtung keine neuen Gegenst\u00e4nde und Schattenstufen darauf sichtbar werden, die man nicht schon hei schwacher Beleuchtung gesehen h\u00e4tte. Ebenso bemerkt Fechner, dass wenn man durch verdunkelnde graue Gl\u00e4ser nach hellen Gegenst\u00e4nden, z. B. dem Himmel mit hellen Wolken, hinsieht, dadurch keine Abstufungen des Schattens verschwinden, die man vorher gesehen h\u00e4tte, oder neu sichtbar werden. Dasselbe ergeben genauer die photometrischen Messungen. Es hat sich bei diesen Messungen im Allgemeinen gezeigt, dass bei sehr verschiedenen Graden der Helligkeit die Differenz der Helligkeit, welche noch unterschieden werden konnte, nahe denselben Bruchtheil der ganzen Helligkeit bildete. Die Gr\u00f6sse dieser Differenz ist von Bouguer und Fechner in der Weise aufgesucht worden, dass dieselben eine weisse Tafel mit zwei gleichen Kerzenflammen beleuchteten, und einen Stab davor aufstellten, der nun zwei Schatten auf die Tafel warf. Das eine Licht wurde dann so weit entfernt, bis der entsprechende Schatten aufh\u00f6rte sichtbar zu sein. Ist a die Entfernung des n\u00e4heren Lichts von der Tafel, b die Entfernung des entfernteren, so verh\u00e4lt sich die Beleuchtungsst\u00e4rke der Tafel durch beide Lichter etwa ft2 : b\\ Bouguer fand, dass das eine Licht etwa 8 mal, Fechner mit H\u00fclfe von Volkmann und anderen Beobachtern, dass es ungef\u00e4hr 10 mal so weit, als das andere, entfernt sein m\u00fcsse, damit der Schatten\n1\nverschwinde, so dass Bouguer also \u2014- der Lichtst\u00e4rke, Fechner\u2019s Freunde da-\ngegen ( ^- noch unterscheiden konnten. Arago bemerkte, dass bei der Bewegung noch feinere Unterschiede erkannt werden konnten, und kam unter g\u00fcnstigsten Bedingungen bis auf\tMasson wendete zur Pr\u00fcfung rotirende\nweisse Scheiben mit kleinen schwarzen Sectoren an. Er fand, dass bei schwachem\n\\\nGesicht zuweilen nur Unterschiede von \u2014 erkannt wurden, bei guten Augen aber\n50\n,f\nzuweilen noch weniger als \u2014-\u2022 Er fand ausserdem, dass die Grenze der Em-\nI iU\npfindlichkeit auch f\u00fcr instantan\u00e9 Beleuchtung durch den elektrischen Funken von der Lichtst\u00e4rke ziemlich unabh\u00e4ngig ist. Bei dieser Beleuchtung werden n\u00e4mlich, wenn sie stark genug ist, die schwarzen und weissen Sectoren f\u00fcr","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN. \u00a7. 21.\neinen Augenblick sichtbar. L\u00e4sst man nun die rotirende Scheibe dauernd von einer Lampe mit der Helligkeit L beleuchten und dann auch von einem elektrischen Funken mit der Helligkeit l, so hat man f\u00fcr einen Augenblick am Orte der weissen Sectoren die Helligkeit L ~\\- l, am Orte der schwarzen nur die Helligkeit L, und man wird die Sectoren nur erkennen, wenn L -+- l von L unterschieden werden kann. Ver\u00e4nderte man die Entfernung beider Lichtquellen von der Scheibe, so mussten L und l proportional ver\u00e4ndert werden, um an der Grenze der Empfindlichkeit des Auges zu bleiben, woraus denn folgt, dass dasselbe Gesetz wie f\u00fcr constantes Licht, auch f\u00fcr die Wahrnehmbarkeit instantaner Lichtunterschiede gilt.\nFechner hat die Thatsache, dass innerhalb eines grossen Intervalls der Helligkeit die kleinsten wahrnehmbaren Differenzen der Lichtempfindung (nahehin) constanten Bruchtheilen der Helligkeit entsprechen, zur Aufstellung eines allgemeineren Gesetzes benutzt, welches er als ein psychophysisches bezeichnet, und welches auch in anderen Gebieten der Sinnesempfindungen sich bew\u00e4hrt. So erscheinen uns namentlich Differenzen der Tonh\u00f6he als gleich gross, wenn die Differenzen der Schwingungsdauer gleiche Theile der ganzen Schwingungsdauer betragen. Aehnlich verh\u00e4lt es sich ferner nach E. H. Weber\u2019s Untersuchungen mit unserer F\u00e4higkeit, die Differenzen von Gewichten und Lineargr\u00f6ssen zu erkennen. Wie wir nun die Tonh\u00f6he messen durch den Logarithmus der Schwingungszahl, so erscheint es passend, die Empfindungsst\u00e4rke \u00e4hnlich zu messen, indem wir in diesem wie in jenem Falle gleich deutlich wahrnehmbare Unterschiede clE der Empfindungsst\u00e4rke E als gleich gross an-sehen. Dann ist also innerhalb weiter Grenzen der Helligkeit H nahehin\nwo A eine Constante ist. Daraus folgt mittels der Integration\nE \u2014 A log H -I- C,\nwo C eine zweite Constante bezeichnet. Wenn wir f\u00fcr die Helligkeit h die Empfindungsst\u00e4rke gleich e setzen, wird die letztere Gleichung:\nE\u2014 e\nFechner hat gezeigt, dass diese Art, wie das Auge Helligkeiten misst, auch bei der Aufstellung der Sterngr\u00f6ssen einen bestimmenden Einfluss ge\u00fcbt hat. Die Gr\u00f6ssenklassen der Sterne hat man bestimmt nach dem Eindruck, den sie auf das menschliche Auge machen, zun\u00e4chst ohne photometrische Messungen der objectiven Lichtmenge. Erst in neuerer Zeit sind dergleichen hinzugekommen, und erlauben nun die wirkliche Helligkeit mit der angenommenen Gr\u00f6ssenklasse zu vergleichen. Fechner hat eine solche Vergleichung nach den photometrischen Bestimmungen von J. Herschel und Steinheil ausgef\u00fchrt, und findet die Gr\u00f6ssenklasse G ausgedr\u00fcckt, f\u00fcr Herschel\u2019s Messungen durch die Formel\nG \u2014 \\ \u2014 2,8540 log U","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 21.\nFECHNER\u2019S PSYCHOPHYSISCHES GESETZ.\n313\nf\u00fcr Steinheil\u2019s Messungen durch\nG = 2,3114 \u2014 2,3168 log//,\nwelche Formeln mit den oben aufgestellten in Uebereinstinnnung sind, wenn man bemerkt, dass die Gr\u00f6ssenklassen steigen, wenn die Sterngr\u00f6ssen fallen, und ebenso findet sich sehr gen\u00fcgende Uebereinstinnnung zwischen den Formeln und den Beobachtungen. Auch f\u00fcr die Messungen von Struve hat Fechner eine hinreichende Uebereinstinnnung mit seinem Gesetze nachgewiesen. Dasselbe Gesetz ist \u00fcbrigens auch von Babinet 1 ausgesprochen, welcher die Zahl, die dem Coefficienten von log H in Fechner\u2019s Formel entspricht, zu 2,5 angiebt nach Beobachtungen von Johnson und Pogson.\nDass das hier aufgestellte Gesetz f\u00fcr die Empfindungsst\u00e4rke nicht bei sehr kleinen und nicht bei sehr grossen Helligkeiten gilt, erkl\u00e4rt Fechner durch den Einfluss .von st\u00f6renden Nebenumst\u00e4nden. Bei sehr geringen Helligkeiten muss sich n\u00e4mlich der Einfluss des subjectiven Eigenlichts des Auges merklich machen. Neben der Reizung durch \u00e4usseres Licht ist immer noch eine Reizung durch innere Einfl\u00fcsse vorhanden, deren Gr\u00f6sse wir gleich setzen k\u00f6nnen der Reizung durch ein Licht von der Helligkeit //0. Dann wird also genauer der Ausdruck f\u00fcr die kleinsten wahrnehmbaren Stufen der Empfindungsst\u00e4rke\noder\ndE\ndH\n//-(-//,\ndH - -j(H-hH0)dE,\nworaus folgt, dass die Steigerung der Helligkeit etwas gr\u00f6sser sein muss, um wahrgenommen zu werden, als wenn H0 gleich Null w\u00e4re, und namentlich wird der Unterschied f\u00fcr kleine Werthe von H bedeutend werden. Fechner hat nun darauf eine Methode gegr\u00fcndet, die St\u00e4rke des Eigenlichts H0 zu vergleichen mit objectivent Lichte, welche Methode aber allerdings voraussetzt, dass an der unteren Grenze der Helligkeit die Wirksamkeit des besprochenen Gesetzes keine andere St\u00f6rung erleidet, als eben die durch das Eigenlicht. Wenn\nein Auge, welches die Differenz von\nI\n100\nder Lichtst\u00e4rke erkennen kann, eine\nFl\u00e4che betrachtet, von der ein Theil durchaus kein \u00e4usseres Licht empf\u00e4ngt, ein anderer Theil mit der Helligkeit ft beleuchtet ist, so ist mit Ber\u00fccksichtigung des Eigenlichts des Auges die scheinbare Helligkeit der unbeleuchteten und beleuchteten Theile //, und //0 -+\u2022 ft. Ist nun ft die kleinste wahrnehmbare\nI\nHelligkeit, so muss nach Fechner\u2019s Betrachtungsweise sein ft = -\u2014H0 und da-\ndurch w\u00e4re die Helligkeit H0 des Eigenlichts gemessen durch ein objectives Licht. Versuche wurden ausgef\u00fchrt von Volkmann, welcher die St\u00e4rke des Eigenlichts IIlt fand gleich der Helligkeit einer schwarzen Sammetfl\u00e4che, beleuchtet durch eine Stearinkerze aus 9 Fuss Entfernung.\n1 Comptes rendus. 1857. p. 358.","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 21.\nDie Abweichung von dem Gesetze an der oberen Grenze k\u00f6nnte man mit Fechner wohl darauf schieben, dass das Oi\u2019gan zu leiden beginnt. Die inneren Ver\u00e4nderungen im Nerven, welche den Eindruck des Reizes auf das Gchiin \u00fcbertragen m\u00fcssen, k\u00f6nnen eben eine bestimmte Gr\u00f6sse nicht \u00fcberschreiten, ohne das Organ zu zerst\u00f6ren, und jeder Wirkung des Reizes ist daher eine obere Grenze gesetzt, welcher denn nothwendig auch ein Maximum der Empfindungsst\u00e4rke entsprechen muss.\nUebrigeus ist denn doch zu bemerken, dass diese Umst\u00e4nde, welche es auch sein m\u00f6gen, die an der oberen und unteren Grenze der Helligkeit die G\u00fcltigkeit von Fechner\u2019s Gesetz st\u00f6ren, auch in den mittleren Graden der Helligkeit ihren Einfluss bei genauer Reobachtung geltend machen, was nat\u00fcrlich nicht verhindert, dass jenes Gesetz als eine erste Ann\u00e4herung an die Wahrheit stehen bleibt. Allerdings sind die meisten Gem\u00e4lde, Zeichnungen und Photographien von den gew\u00f6hnlich vorkommenden Gegenst\u00e4nden der Darstellung gleich gut bei sehr verschiedenen Graden der Lichtst\u00e4rke zu erkennen. Aber ich habe doch auch in Photographien Schattenabstufungen gefunden, die nur bei einer bestimmten und eng begrenzten Lichtst\u00e4rke ganz deutlich hervortreten. Dazu geh\u00f6ren namentlich Landschaftsbilder, in denen sehr ferne im Nebel halb verschwimmende Rergketten dargestellt sind, am auffallendsten aber war es mir bei einigen stereoskopischen Photographien von Alpenlandschaften auf Glas, in denen sich Theile der Firnmeere oder ganz mit Schnee bedeckte Eergspitzen zeigen. Solche Schneefl\u00e4chen sehen bei Lampenlicht oder m\u00e4ssig starkem Tageslicht wie einf\u00f6rmige weisse Fl\u00e4chen aus, w\u00e4hrend sie gegen den hellen Himmel gekehrt noch zarte Schatten zeigen, die eine Modellirung der weissen Schneefl\u00e4chen andeuten, und die bei noch st\u00e4rkerem Lichte wieder verschwinden. In Photographien kann man so zarte Schatten nat\u00fcrlich nur durch Zufall finden, in Gem\u00e4lden oder Zeichnungen kann man sie nicht erwarten, dagegen geben die rotirenden Scheiben ein leichtes Mittel ab, sehr zarte Schatten zu erzeugen, deren Lichtst\u00e4rke in jedem gew\u00fcnschten Verh\u00e4ltnis zur Helligkeit des weissen Grundes steht, wie sie denn auch Masson schon zu photometrischen Versuchen gebraucht hat. Leicht zu erhalten sind solche Schatten, wenn man der Scheibe die Zeichnung wie in Fig. 127 giebt. Man zieht l\u00e4ngs eines oder zweier Radien\nmit einer Ziehfeder einen unterbrochenen Strich, dessen Theile alle die gleiche Dicke haben. Bei der Rotation der Scheibe geben diese schwarzen Striche graue Kreise auf der Scheibe. Ist d die Breite der Striche, r die Entfernung eines Punktes eines schwarzen Strichs vom Mittelpunkte der Scheibe, so ist die Helligkeit h des grauen Streifens, der bei der Rotation entsteht, wenn wir die Helligkeit der Scheibe gleich 1 setzen","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 21.\nFECHNllR\u2019S PSYCHOPHYSISCHES GESETZ.\n315\nDie grauen Streifen unterscheiden sich also desto weniger von der Helligkeit der Scheibe, je gr\u00f6sser r ist; die inneren sind dunkler, die \u00e4usseren heller, und man erh\u00e4lt eine Folge sehr zarter Abstufungen. Beim Versuche hat man Pur zu untersuchen, wie weit die R\u00e4nder der grauen Streifen noch zu erkennen sind. Man erkennt sie besser, wenn man mit dem Blicke zu den verschiedenen Stellen eines Kreises hin- und hergeht, als wenn man eine Stelle flxirt; im letzteren Falle verschwinden die schw\u00e4cheren Kreise schnell wieder, auch wenn man sie vorher gesehen hat. Doch erkennt man sie gew\u00f6hnlich auch nicht gleich beim ersten Hinsehen nach der Scheibe, sondern man muss letztere erst eine Zeit lang aufmerksam betrachten. Uebrigens muss man darauf achten, dass die Scheibe schnell genug uml\u00e4uft, dass die grauen Kreise ganz continuirlich erscheinen, und nicht flimmern. Im letzteren Falle erkennt man auch die schw\u00e4cheren Kreise, weil dann bei jedem einzelnen Vor\u00fcbergang eines schwarzen Streifens der Lichteindruck sich so weit zu schw\u00e4chen Zeit hat, dass man die Verdunkelung bemerkt. Ich konnte an hellen Sommertagen am Fenster bei Bewegung des Blicks noch einen Rand scharf sehen, wo der Unterschied der\nHelligkeit\n133\nwar, und verwaschen erschien mir auch noch ein Rand\nvon\n| lou \\\n\u2014 , auf Augenblicke sogar einer von \u2014\u2014: Unterschied. Etwas m\u00fchsamer und 1oU\t1 o7\tj\nanstrengender erschienen die Wahrnehmungen bis zu \u2014\u2014 bei directer Sonnen-\n150\nbeleuchtung der Scheibe. In der Mitte des Zimmers konnte ich zu derselben\nZeit nur R\u00e4nder von \u2014\u2014 Unterschied wahrnehmen, den von 117\n\u2014Irr nur selten und 133\nunbestimmt.\nAlso auch hier zeigt sich, dass eine gewisse enger begrenzte St\u00e4rke der Erleuchtung die gr\u00f6sste Empfindlichkeit der Wahrnehmung gew\u00e4hrt. Wir d\u00fcrfen also in der vorher aufgestellten Gleichung\nA nicht als ganz unver\u00e4nderlich betrachten, auch nicht innerhalb der gew\u00f6hnlichen Beleuchtungsst\u00e4rken. A muss vielmehr von H abh\u00e4ngen, wenn es auch bei mittleren Beleuchtungsst\u00e4rken nahehin constant ist, und ebenso wird die daraus hergeleitete Integralformel\nE = A log H -+- C\nnur ann\u00e4hernd richtig sein f\u00fcr die mittleren Werthe der Helligkeit. Dass eine solche Formel nicht gen\u00fcgen kann, wird sich noch weiter zeigen bei Vergleichung der Empfmdungsst\u00e4rke f\u00fcr verschiedene Farben.\nAuch wenn wir noch das Eigenlicht des Auges ber\u00fccksichtigen, und setzen\ndE =\nA\ndH\nH + Hn\nE = Alo$(H-hH0) + C\ngen\u00fcgt die Formel den Thatsaclien nicht ganz, da ihr zufolge die Empfindlichkeit zunehmen m\u00fcsste, je weiter die Helligkeit gesteigert w\u00fcrde. Die oben angef\u00fchrten","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 21.\nThatsachen sprechen vielmehr daf\u00fcr, dass f\u00fcr sehr grosse Werthe von II die Empfindungsst\u00e4rke einen Maximalwerth erreicht, den sie nicht mehr \u00fcberschreitet, auch wenn\nd E\nH noch steigt. Dann muss also gleich Null werden. Demnach w\u00fcrden wir \u00b0\tdH\nauch in der letzten Differentialgleichung noch A als eine Function von H betrachten m\u00fcssen, welche f\u00fcr massige Werthe von H nahehin constant ist, f\u00fcr unendlich grosse aber gleich Null wird. Die einfachste Function dieser Art w\u00e4re\nb -|- H\nworin man sich b als sehr gross vorstellen muss. Setzen wir also\nso wird\ndE =\nad II\n(b-hH) (U0 + H)' ,,\ta ,\t17/ in\nc.\nErst durch eine solche Formel w\u00fcrden wir hoffen d\u00fcrfen, die Erscheinungen vollst\u00e4ndig auszudr\u00fccken. Darin w\u00fcrde C das Maximum der Empfindungsst\u00e4rke bedeuten, welches f\u00fcr unendlich grosse Werthe von H eiutritt, und das Maximum der Empfindlichkeit w\u00fcrde f\u00fcr II = \u2019}/b Hg eintreten.\nDurch die hier nachgewiesene Abh\u00e4ngigkeit der Empfindungsst\u00e4rke von der Lichtst\u00e4rke erkl\u00e4rt sich eine Thatsache, die mir oft aufgefallen ist, dass n\u00e4mlich in dunkeln N\u00e4chten helle Gegenst\u00e4nde verh\u00e4ltuissm\u00e4ssig zu ihrer Umgebung viel heller erscheinen, als bei Tage, sodass man sich zuweilen der Voraussetzung nicht erwehren kann, sie seien selbstleuchtend. Bei sehr geringen Lichtst\u00e4rken k\u00f6nnen wir n\u00e4mlich die Empfindungsst\u00e4rke der Lichtst\u00e4rke proportional setzen, bei starker Beleuchtung dagegen ist die Empfindung f\u00fcr hellere Objecte relativ-schw\u00e4cher. Da wir nun gew\u00f6hnt sind, die Helligkeit der uns bekannten Objecte bei starker Beleuchtung zu vergleichen, so erscheinen uns bei schwacher Beleuchtung die hellen Gegenst\u00e4nde relativ zu hell, die dunkeln zu dunkel. Diesen Umstand benutzen auch die Maler in Mondscheinlandschaften, um den Eindruck schwacher Beleuchtung hervorzubringen. Sie heben die lichten Stellen viel greller heraus, als wenn sie Tageslicht darstellen.\nWir wenden uns nun zur Vergleichung der Intensit\u00e4t verschiedenfarbigen Lichtes. Wenn wir die Intensit\u00e4t des objectiven einfarbigen und verschiedenfarbigen Lichtes gemessen denken durch die lebendige Kraft der Aetherbewegung, so m\u00fcssen wir sie nach dem allgemeinen Gesetze von der Erhaltung der Kraft proportional setzen der W\u00e4rmemenge, welche bei der Absorption des betreffenden Lichtes entwickelt wird. Es ist dies bisher das einzige physikalische Mittel, durch welches wir die Intensit\u00e4t von Aetherwellen verschiedener Schwingungsdauer vergleichbar machen k\u00f6nnen. Wenn wir die Leuchtkraft der Aetherwellen verschiedener Schwingungsdauer mit dem Auge vergleichen, so zeigt sich, wie schon in \u00a7.19 auseinandergesetzt wurde, dass die Intensit\u00e4t der Lichtempfindung keineswegs proportional ist der durch die W\u00e4rmeentwickelung gemessenen lebendigen Kraft dieser Aetherschwingungen. Wenn wir ein Spectrum mittels","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u202221.\nHELLIGKEIT VERSCHIEDENFARBIGEN LICHTES.\n317\neines Steinsalzprisma entwerfen, welche Substanz unter allen am gleichm\u00e4ssigsten Strahlen verschiedener Art durchgehen l\u00e4sst, so liegt, wie Melloni gefunden hat, das Maximum der W\u00e4rme jenseits des \u00e4ussersten Roth, wo das Auge kein Licht mehr empfindet, und die W\u00e4rme nimmt im Spectrum continuirlich vom Violett zum Roth zu, w\u00e4hrend das Maximum des Lichts im Gelb sich findet. Ebenso habe ich schon oben bemerkt, dass die ultravioletten Strahlen, wenn sie durch Fluorescenz in Strahlen mittlerer Rrechbarkeit verwandelt werden, an Leuchtkraft ausserordentlich zunehmen, w\u00e4hrend nicht anzunehmen ist, dass die lebendige Kraft ihrer Schwingungen dadurch vermehrt werden k\u00f6nne. Die St\u00e4rke der Lichtempfindung h\u00e4ngt also nicht allein ab von der lebendigen Kraft der Aetherschwingungen, sondern auch von der Schwingungsdauer derselben. Es folgt daraus, dass alle mittels des Auges vollzogenen Vergleichungen der St\u00e4rke verschiedenartig zusammengesetzten Lichts keinen von der Natur des Auges unabh\u00e4ngigen objectiven Werth haben.\nWir haben gefunden, dass f\u00fcr gleichartiges Licht die Empfindung nicht proportional der objectiven Lichtst\u00e4rke w\u00e4chst, sondern dass die Empfindungsst\u00e4rke eine verwickeltere Function der Lichtst\u00e4rke ist. Rei der Vergleichung verschiedenfarbigen Lichtes stellt sich nun heraus, dass die Empfindungsst\u00e4rke f\u00fcr verschiedenartiges Licht eine verschiedene Function der Lichtst\u00e4rke ist. Purkinje1 hat schon bemerkt, dass Blau bei schw\u00e4chstem Lichte gesehen wird, Roth erst bei st\u00e4rkerem. Sp\u00e4ter hat Dove darauf aufmerksam gemacht, dass wenn man die Lichtst\u00e4rke von Fl\u00e4chen, die mit verschiedenen Farben \u00fcberzogen sind, bei verschiedener Beleuchtungsst\u00e4rke vergleicht, bald die eine, bald die andere heller aussieht. Im allgemeinen iiber-wiegen bei grosser Beleuchtungsst\u00e4rke die weniger brechbaren rothen und gelben Farben, bei geringer Beleuchtungsst\u00e4rke die brechbareren blauen und violetten Farben. Wenn ein rothes und blaues Papier bei Tageslicht gleich hell aussehen, so erscheint bei Einbruch der Nacht das blaue heller, das rothe oft ganz schwarz. Ebenso findet man, dass in Gem\u00e4ldegallerien bei sinkendem Abend (einen tr\u00fcben Himmel und fehlende Abend-D\u00e4mmerung vorausgesetzt) die rothen Farben zuerst schwinden, die blauen am l\u00e4ngsten sichtbar bleiben. Und in der dunkelsten Nacht, wenn alle anderen Farben fehlen, sieht man noch das Blau des Himmels. Noch auffallender habe ich diese Erscheinungen gefunden, wenn man prismatische Farben benutzt. Wenn man den im vorigen Paragraphen beschriebenen in Fig. 123 dargestellten Apparat zur Mischung von Spectralfarben benutzt, und vor das Feld, welches mit den beiden Farben beleuchtet ist, ein senkrechtes St\u00e4bchen h\u00e4lt, so wirft dieses zwei verschiedenfarbige Schatten. Da n\u00e4mlich die beiden farbigen Lichter in verschiedener Richtung, n\u00e4mlich von den beiden Spalten des letzten Schirms (Sl Fig. 123) her auf das erleuchtete Feld fallen, so entwirft jedes den betreffenden Schatten in verschiedener Richtung. W\u00e4re also z. B. Violett und Gelb gemischt, so w\u00fcrden wir einen Schatten haben, der nicht vom Violett, wohl aber vom Gelb beleuchtet ist, und also gelb erscheint, einen anderen, der nicht vom Gelb,\n1 Zar Physiologie der Sinne. IT. 109.","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 21.\nwohl aber vom Violett beleuchtet ist, und violett erscheint, w\u00e4hrend der Grund weiss oder weisslich w\u00e4re. Macht man nun den Spalt des Schirms breiter, welcher das Violett durchl\u00e4sst, so wird das Violett, also auch der violette Schatten lichtst\u00e4rker, und man kann durch eine passende Regulirung der beiden Spalten leicht bewirken, dass der violette Schatten dem Auge ebenso hell erscheint, wie der gelbe. Wenn man nun den einfachen Spalt des ersten Schirms, durch welchen das vom Heliostaten reflectirte Licht zum Prisma tritt, erweitert oder verengert, so verst\u00e4rkt oder schw\u00e4cht man die ganze Lichtmasse, die in den Apparat tritt, und zwar alle ihre einzelnen farbigen Lichter in gleichem Verh\u00e4ltnisse, so auch in gleichem Verh\u00e4ltnisse das Licht des gelben und violetten Schattens. Dabei ergiebt sich, dass schon bei einer geringen Verst\u00e4rkung des Lichts das Gelb st\u00e4rker, bei einer geringen Schw\u00e4chung das Gelb schw\u00e4cher als das Violett erscheint. Dieser Unterschied ist viel geringer, wenn man zwei Farben aus der weniger brechbaren H\u00e4lfte des Spectrum nimmt, gr\u00f6sser, wenn beide aus der brechbareren. H\u00e4lfte sind, am gr\u00f6ssten, wenn man sie von den Enden des Spectrum nimmt.\nIn Fig. 138 m\u00f6gen die horizontalen Coordinaten l\u00e4ngs der Linie ad den objectiven Lichtst\u00e4rken proportional sein, die ver-ticalen der Intensit\u00e4t der Lichtempfindung. Es stelle aebg die Curve f\u00fcr die Intensit\u00e4t der Empfindung des gelben Lichtes dar, und es seien die Einheiten des gelben und violetten Lichtes so gew\u00e4hlt, dass f\u00fcr die Lichtmenge ac die Empfindungsst\u00e4rke in beiden Lichtarten die gleiche sei, so folgt aus den angegebenen Thatsachen, dass die Curve, welche die Empfindungsst\u00e4rke des violetten Lichts ausdr\u00fcckt, die Lage at by gegen die fr\u00fchere haben m\u00fcsse. Verkleinert man beide Lichtmengen im Verh\u00e4ltniss af : ac, so findet man Hildas gelbe Licht die Empfindungsst\u00e4rke, ausgedr\u00fcckt durch die Linie fe, kleiner als die Empfindungsst\u00e4rke ft des Violett. Umgekehrt, wenn man beide Lichtmengen auf die Gr\u00f6sse ad bringt, findet sich die zugeh\u00f6rige Empfindungsst\u00e4rke des Gelb dg gr\u00f6sser, als die des Violett dy.\nEs geht hieraus hervor, dass es nicht m\u00f6glich ist, f\u00fcr verschiedenfarbiges Licht Maasseinheiten so festzusetzen, dass das Auge Quantit\u00e4ten beider Lichter, welche nach diesen Maasseinheiten gemessen gleich gross sind, auch immer als gleich hell empfindet. Die Functionen, welche die Abh\u00e4ngigkeit der Empfindungsst\u00e4rke von der objectiven Lichtst\u00e4rke ausdr\u00fccken, sind vielmehr f\u00fcr verschiedenfarbiges Licht von verschiedenem Grade.\nWenn man aus zwei Spectraifarben Weiss zusammengesetzt hat, und nun die Intensit\u00e4t der beiden farbigen Lichter in gleichem Verh\u00e4ltniss vermehrt oder vermindert, sodass das Mischungsverh\u00e4ltniss unver\u00e4ndert bleibt, so bleibt auch die Mischfarbe unver\u00e4ndert weiss, trotzdem dabei das Verh\u00e4ltniss der Empfindungsst\u00e4rke f\u00fcr die beiden gemischten sich wesentlich ver\u00e4ndern kann. Mischt man z. B. in dem fr\u00fcher beschriebenen Apparate Violett und Gr\u00fcngelb zu Weiss, so kann man mittels Verengerung des Spaltes die Menge des gr\u00fcngelben Lichtes verringern, bis es gleich lichtstark, wie das Violett erscheint, und da die Menge","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 21.\nABH\u00c4NGIGKEIT DER FARBEN VON DER INTENSIT\u00c4T.\n319\ndes durchgegangenen Lichts der Breite des Spaltes proportional ist, so kann man auch durch Messung des Spaltes das Verh\u00e4ltniss bestimmen, in welchem die Lichtmenge verringert worden ist. So habe ich gefunden, dass das Violett, welches mit einer gewissen Menge Gr\u00fcngelb Weiss giebt, bei st\u00e4rkerer Helligkeit so bell wie J/io des Gr\u00fcngelb, bei schw\u00e4cherer Helligkeit dagegen wie Vs des Gr\u00fcngelb erscheint, w\u00e4hrend in beiden F\u00e4llen das Verh\u00e4ltniss der objectiven Lichtquanta das gleiche ist. In der Mischung von Indigblau und Gelb erschien das Blau bei gr\u00f6sserer Helligkeit so hell wie y4, bei schw\u00e4cherer wie V3 des Gelb. Bei den weniger brechbaren Complement\u00e4rfarben waren die Unterschiede zu klein, um gemessen zu werden. Wenn wir also Wciss von verschiedener Helligkeit zusammensetzen, so geschieht dies durch Lichtquanta der-Complement\u00e4rfarben, die ein constantes Verh\u00e4ltniss der objectiven Intensit\u00e4t, aber ein sehr wechselndes Verh\u00e4ltniss der subjectiven Helligkeit zu einander haben. Es folgt daraus, dass wenn wir die Maasseinheiten verschiedenfarbigen Lichtes, wie im vorigen Paragraphen ausgef\u00fchrt wurde, nach den Mischfarben festsetzen, diese Einheiten wenig oder gar nicht von der Lichtst\u00e4rke abh\u00e4ngig sein werden.\nDass die Mischfarben dem Auge bei verschiedener Lichtst\u00e4rke ziemlich unver\u00e4ndert erscheinen, w\u00e4hrend doch das Verh\u00e4ltniss der St\u00e4rke, mit der die gemischten Farben auf den-Sehnervenapparat wirken, sich wesentlich ver\u00e4ndert, scheint mir daraus zu erkl\u00e4ren zu sein, dass das Sonnenlicht, welches wir bei Tage als das normale Weiss betrachten, selbst bei verschiedener Lichtst\u00e4rke in \u00e4hnlicher Weise seine Farbe \u00e4ndern muss, wie die anderen weissen oder weissliehen Farbenmischungen, mit denen wir cs vergleichen. Eine Farbenmischung, welche ebenso aussieht, wie das bis zu demselben Grade der Helligkeit abgeschw\u00e4chte Sonnenlicht, ist f\u00fcr uns weiss. Wenn also auch in der betreffenden Farbenmischung bei schwachem Lichte der Eindruck des Blauen \u00fcberwiegender ist, als bei starkem Lichte, so erscheint sie doch nicht bl\u00e4ulich weiss, weil in dem ebenso weit abgeschw\u00e4chten Sonnenlichte der Eindruck des Blau ungef\u00e4hr in demselben Maasse \u00fcberwiegen muss. Dass aber wirklich im schwachen Sonnenlichte der Eindruck des Blau, im starken der des complemen-t\u00e4ren Gelb \u00fcberwiegt, davon \u00fcberzeugt man sich leicht bei einiger Achtsamkeit. In Gem\u00e4lden wird der Eindruck grellen Sonnenscheins immer durch \u00fcberwiegend gelben Farbenton, Mondschein oder Sternenlicht durch blauen Ton ausgedr\u00fcckt. Der Maler, welcher nicht \u00fcber Abstufungen von Lichtst\u00e4rke verf\u00fcgen kann, wie die Natur, welche er nachahmt, sucht durch Nachahmung des ver\u00e4nderten Farbentons den Eindruck der Lichtst\u00e4rke zu erg\u00e4nzen. Ebenso geh\u00f6rt hierher, dass uns Landschaften bei tr\u00fcbem Wetter, durch ein gelbes Glas gesehen, den Eindruck einer grellen Sonnenbeleuchtung machen, w\u00e4hrend ein blaues Glas auch einer sonnenhellen Landschaft das Ansehen einer sogenannten kalten Beleuchtung giebt.\nSchon oben ist erw\u00e4hnt worden, dass auch der Eindruck der einfachen Farben sich in derselben Weise \u00e4ndert, so dass sie sieh bei steigender Lichtst\u00e4rke gleichsam mit Gelb zu mischen scheinen. Both und Gr\u00fcn gehen direct in Gelb \u00fcber, Blau wird, wie es bei Mischung mit Gelb geschehen w\u00fcrde, weisslich.\nEs folgt hieraus, dass bei sehr grosser Lichtintensit\u00e4t die Unterscheidung der Farbent\u00f6ne unvollkommener ist, als bei mittlerer Helligkeit. Ebenso ist","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nZWEITER ABSCHNITT. Dili LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN. -\n\u00a7\u25a0 24.\ndiese Unterscheidung aber auch bei sehr geringer Lichtintensit\u00e4t unvollkommen, womit zusammenf\u00e4llt, dass sie auch bei Farben, welche sehr kleine Theile des Gesichtsfeldes bedecken, unvollkommener ist, als hei breiteren Feldern. Wenn n\u00e4mlich das Netzhautbild eines farbigen Feldes kleiner ist, als die empfindenden Netzhautelemente, so wird das betreffende Netzhautelement nicht mehr in voller Intensit\u00e4t erregt, und um so weniger, je kleiner der Theil des Elements ist, der vom Bilde der farbigen Fl\u00e4che getroffen wird.\nDie hier besprochenen Ab\u00e4nderungen der Farbenempfindung mit der Intensit\u00e4t des Lichtes erkl\u00e4ren sich aus der Annahme von Th. Young, dass es dreierlei Arten von Nerven in der Netzhaut gebe, rothempfindende, gr\u00fcnempfindende, violettempfindende, sobald man, wie wir gethan, annimmt, dass von allem Licht, auch von homogenem, jede Art von Nerven erregt, aber in sehr verschiedener St\u00e4rke erregt werde, und dass in den drei Arten von Nerven die Empfindungsst\u00e4rke eine verschiedene Function der Lichtst\u00e4rke sei, so dass sie in den violettempfindenden Nerven bei steigender Intensit\u00e4t anfangs schneller, sp\u00e4ter langsamer wachse, als in den gr\u00fcnempfindenden, in diesen ebenso im Vergleich mit den rothempfindenden.\nErregt das violette Licht des Spectrum stark die violettempfindenden, schwach die gr\u00fcnempfindenden, noch schw\u00e4cher die rothempfindenden Nerven, so wird bei schwachem Lichte die Empfindung des Violett \u00fcberwiegen; bei starkem Lichte, wo sich die Empfindung des Violett ihrem Maximum n\u00e4hert, wird die Empfindung des Gr\u00fcn im Vergleich zu jener eine merklichere Gr\u00f6sse gewinnen k\u00f6nnen, sp\u00e4ter auch jene des Roth, so dass anfangs die Empfindung des violetten Lichts durch zugemischtes Gr\u00fcn in Blau, sp\u00e4ter durch zugemischtes Gr\u00fcn und Roth in Weiss \u00fcbergehen muss.\nWenn wir ferner annehmen, dass die gr\u00fcnen Strahlen des Spectrum stark die gr\u00fcnempfindenden Nerven, m\u00e4ssig die rothempfindenden und violettempfindenden erregen, so muss die Empfindung des Gr\u00fcn erst in Gelb \u00fcbergehen, weil die Empfindung des Roth mit der Lichtst\u00e4rke schneller zunimmt, als die des Violett, endlich wenn sich alle drei dem Maximum n\u00e4hern, in Weiss. Ferner haben wir f\u00fcr die rothen Strahlen angenommen, dass sie stark die rothempfindenden Nerven, schwach die gr\u00fcnempfindenden, noch schw\u00e4cher oder gar nicht die violettempfindenden erregen; daraus w\u00fcrde sich erkl\u00e4ren, dass die Empfindung starken rothen Lichtes in Gelb \u00fcbergeht.\nDie Unterscheidung des Farbentons w\u00fcrde nun darauf beruhen, dass das Verh\u00e4ltniss der Lichtmenge, welche jeden von diesen Nerven erregt, durch Vergleichung ihrer Empfindungsst\u00e4rke wahrgenommen wird. Nun haben wir gesehen, dass das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss zweier Lichtmengen sich bei einer gewissen mittleren Helligkeit am besten vergleichen l\u00e4sst, daher auch die Unterscheidung der Farbent\u00f6ne bei mittlerer Helligkeit am genauesten sein muss. Die Anwendung dieser Betrachtung auf sehr lichtstarke Farben wird aus dem bisher Gesagten schon klar sein. Wenn bei gemischten Farben alle drei Nervenarten dem Maximum ihrer Erregung nahe sind, wird nothwendig jede Farbe sich dem Weiss immer mehr n\u00e4hern m\u00fcssen. Nehmen wir im Gegentheil an, dass die violettempfindenden Nerven in den schw\u00e4chsten wahrnehmbaren Grad","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 21.\nIRRADIATION.\n321\nvon Erregung versetzt seien, so wird nicht unterschieden werden k\u00f6nnen, ob daneben noch ein etwas geringerer Grad von Erregung der beiden anderen Nerven vorhanden sei, ob also die Farbe des Lichts reinem Violett, oder Indig-blau oder Purpur oder bl\u00e4ulichem Weiss entspreche, und somit wird also auch bei ganz schwachem Lichte die Unterscheidung des Farbentons unvollkommen sein.\nDaraus, dass die Empfindungsst\u00e4rke der objectiven Lichtst\u00e4rke nicht proportional ist, erkl\u00e4rt sich nun weiter eine Reihe von Thatsachen, welche man bisher unter dem Namen der Irradiation zusammengefasst hat, und welche das Gemeinsame haben, dass stark beleuchtete Fl\u00e4chen gr\u00f6sser erscheinen, als sie wirklich sind, w\u00e4hrend die benachbarten dunkeln Fl\u00e4chen um ebenso viel kleiner erscheinen\nDie Erscheinungen selbst sind nach der Form der betrachteten Figuren sehr mannigfaltig, sie sind im Allgemeinen am leichtesten sichtbar und am st\u00e4rksten, wenn die Accommodation des Auges f\u00fcr den betrachteten Gegenstand nicht genau ist, einerlei ob derselbe zu fern oder zu nah ist, oder man das Auge mit einer Glaslinse, concav oder convex, bewaffnet, welche f\u00fcr die Entfernung des Gegenstandes nicht passt. Aber die Irradiation fehlt auch nicht ganz, wenn die Accommodation genau ist, und ist auch dann bei sehr hellen, namentlich kleinen Gegenst\u00e4nden deutlich zu bemerken, bei kleinen Gegenst\u00e4nden offenbar deshalb, weil deren Gr\u00f6sse durch die schmalen Zerstreuungskreise relativ mehr ver-gr\u00f6ssert wird, als die gr\u00f6sserer Gegenst\u00e4nde, gegen deren .Dimensionen die Breite so schmaler Zerstreuungskreise, wie sie das gut accommodirte Auge liefert, verschwindet.\n1)\tHelle Fl\u00e4chen erscheinen vergr\u00f6ssert. Die Gr\u00f6sse von engen L\u00f6chern oder Spalten, durch welche helles Licht f\u00e4llt, beurtheilen wir niemals richtig, sie erscheinen uns immer breiter, als sie wirklich sind, auch bei sch\u00e4rfster Accommodation. Ebenso erscheinen auch die Fixsterne als kleine helle Fl\u00e4chen, selbst wenn man sie durch ein Concavglas betrachtet, welches genaue Accommodation m\u00f6glich macht. In einem Gitter aus feinen dunkeln St\u00e4ben mit Zwischenr\u00e4umen, welche genau ebenso breit sind wie die St\u00e4be, (gew\u00f6hnliche Drahtgitter zu Interferenzversuchen) erscheinen vor einem hellen Hintergr\u00fcnde die Zwischenr\u00e4ume stets breiter als die St\u00e4be. Kommt ungenaue Accommodation hinzu, so sind die Erscheinungen viel auffallender und werden auch an gr\u00f6sseren Objecten sichtbar. Fig. 1W zeigt ein weisses Quadrat auf schwarzem Grunde und ein schwarzes auf weissem Grunde. Bei starker Beleuchtung und unzureichender Accommodation wird das weisse gr\u00f6sser erscheinen, obgleich beide genau gleich gross sind.\n2)\tNahe liegende helle Fl\u00e4chen fliessen zusammen.\nEin feiner Draht, welchen man zwischen das Auge und die Sonnen-scheibc oder eine helle Flamme\nEncvklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\nFig. 129.\n21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322\nZWKITKR ABSCHNITT. Dll'. LEHRE VON BEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 21.\nh\u00e4lt, verschwindet,, indem die beiden hellen Fl\u00e4chen, die im Gesichtsfelde neben ihm liegen, von beiden Seiten her \u00fchergreifen lind Zusammenfl\u00fcssen. Bei Mustern, die aus schwarzen und weissen Quadraten \u00e4hnlich dem eines Schachbretts zusammengesetzt sind, wie Fig. 130, tliessen durch die Irradiation die weissen Felder an den Ecken zusammen, und trennen die schwarzen. Plateau hat Felder von der- Art wie Fig. 150 auch zur Messung der Breite der Irradiation benutzt. Aus einem dunkeln Schirme waren die weissen Felder ausgeschnitten und von hinten erleuchtet, von den beiden schwarzen Feldern war eines durch eine Schraube horizontal verschiebbar, und wurde so eingestellt, dass dem Beobachter die beiden mittleren verticalen Grenzlinien in eine zusammenzufallen schienen. Fig. m.\tF\u00fcr gr\u00f6ssere Entfernungen waren die schwarzen Felder\naus Brettchen, f\u00fcr kleinere ans Stahlpl\u00e4ttchen verfertigt. Der Fehler, welcher bei der Einstellung begangen war, bezeichnetc die Breite der Irradiation.\n3) Gerade Linien werden unterbrochen. Wenn man die Kante eines Lineals zwischen das Auge und eine helle Lichtflamme oder die Sonne h\u00e4lt, so erscheint das Lineal an der Stelle, wo der helle K\u00f6rper dar\u00fcber hervorblickt, einen Ausschnitt zu haben, wie Fig. 131 darstellt. Ich mache finden letzteren Fall gleichzeitig darauf aufmerksam, dass wenn der helle K\u00f6rper eine Lampeuflamme mit cylindrischem Dochte ist, der Einschnitt an den R\u00e4ndern der Flamme, welche, wie oben erw\u00e4hnt,\neine grossere scheint als in\nabsolute Helligkeit haben, tiefer der\ner-\nFig. 151.\nMitte der Flamme, trotzdem das Auge die gr\u00f6ssere Helligkeit der R\u00e4nder nicht als solche empfindet.\nAlle diese Erscheinungen reduciren sich darauf, dass die R\u00e4nder heller Fl\u00e4chen im Gesichtsfelde sich gleichsam vorschieben und \u00fcber die benachbarten dunkleren Fl\u00e4chen \u00fcbergreifen. Sie greifen desto mehr \u00fcber, je ungenauer die Accommodation ist, je gr\u00f6ssere Zerstreuungskreise also ein jeder lichte Punkt der Fl\u00e4che im Auge entwirft. Nun wissen wir aber, dass auch bei genauster Accommodation die Zerstreuungskreise nicht ganz fehlen wegen der Farbenzerstreuung und der \u00fcbrigen Abweichungen des Auges, die wir in \u00a7. H unter dem Namen der monochromatischen Abweichungendes Auges zusammengefasst haben. Durch diese Zerstreuungskreise wird nun bewirkt, dass am Rande des Netzhautbildes einer hellen Fl\u00e4che Licht sich weiter verbreitet, als das geometrische Bild der Fl\u00e4che reicht, aber auch die Dunkelheit greift \u00fcber den Rand des Bildes - d. h. das Licht fangt schon innerhalb des Randes, wo es noch seine volle St\u00e4rke haben sollte, an abzunehmen. Es sei in Fig. 152 (Seite 323) c ein Punkt des Randes einer hellen Fl\u00e4che, bg eine senkrecht gegen den Rand gezogene gerade Linie. Senkrecht gegen dieselbe seien Coordinate!] aufgetragen, welche der objective!! Helligkeit in den entsprechenden","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 21.\nIRRADIATION.\n323\nPunkten von bg proportional sind. W\u00e4re das Bild der Fl\u00e4che vollkommen genau, so w\u00fcrde die gebrochene Linie ad cg die Gr\u00f6sse der Helligkeit ausdriicken. Von b bis zum Rande der Fl\u00e4che bei c w\u00fcrde n\u00e4mlich die Fl\u00e4che die constante Helligkeit // haben, von c ab nach g zu die Helligkeit 0. Wenn durch Mangel der Accommodation Zerstreuungskreise gebildet werden, so nimmt dagegen, wie oben Seite 135 gezeigt ist, die Helligkeit ab wie die Curve afg. Es greift dabei sowohl das Helle \u00fcber das Dunkle \u00fcber in cg, als das Dunkle \u00fcber das Helle in ad, und so viel Licht sich \u00fcber den Rand hinaus verbreitet, muss nat\u00fcrlich innerhalb des Randes der hellen Fl\u00e4che entzogen werden. So lange wir nur die objective Helligkeit ber\u00fccksichtigen, w\u00fcrden also die hellen Fl\u00e4chen durch die Zerstreuungskreise nicht vergr\u00f6ssert erscheinen k\u00f6nnen. Im Gegentheil die Fl\u00e4che, welche die volle Helligkeit zeigt, ist durch die Zerstreuungskreise kleiner geworden, wenn auch die Fl\u00e4che, welche \u00fcberhaupt Licht empf\u00e4ngt, gr\u00f6sser geworden ist. Ber\u00fccksichtigen wir nun aber, dass die Lichtempfindung f\u00fcr die h\u00f6heren Stufen der objectiven Helligkeit gar nicht oder wenig verschieden ist, so folgt daraus, dass die Verminderung des Lichts innerhalb der Fl\u00e4che weniger bemerkt werden wird, als die Erleuchtung vorher dunkler Stellen jenseits ihres Randes, sodass also f\u00fcr die Empfindung die Ausbreitung des Hellen allein, und nicht die des Dunkels vergr\u00f6ssert erscheinen muss. Am auffallendsten wird die Erscheinung sein, wenn die Fl\u00e4che hell genug ist, dass innerhalb der Zerstreuungskreise die Lichtempfindung schon ihr Maximum erreicht. W\u00e4re das z. B. in Fig. 152 bei h der Fall, so w\u00fcrde die scheinbare Helligkeit bei h nicht mehr von der vollen Helligkeit im Innern der Fl\u00e4che zu unterscheiden sein. Die volle Helligkeit der Fl\u00e4che w\u00fcrde also bis h zu reichen scheinen und auch jenseits h erst sehr langsam abnehmen, ehe sie bei g ganz verschwindet. Daraus erhellt auch, warum f\u00fcr das zu Stande kommen der Irradiation grosse Helligkeit vortheilhaft ist. Desto n\u00e4her n\u00e4mlich an g liegt die Stelle, wo das Maximum der Lichtempfindung erreicht wird. Daraus erkl\u00e4rt sich auch, warum bei gesteigerter Helligkeit des Grundes, selbst wenn die Empfindung dieser Helligkeit dabei nicht weiter steigen kann, doch die Irradiation noch w\u00e4chst. Proportional der Ordinate H wachsen n\u00e4mlich bei gesteigerter objectiver Lichtst\u00e4rke s\u00e4mmtliche Ordinaten der Curve ag, und desto n\u00e4her an g r\u00fcckt also auch die Ordinate, welche der f\u00fcr das Maximum der Empfindung gen\u00fcgenden Helligkeit entspricht. Messende Versuche \u00fcber den Einfluss der Helligkeit hat Plateau ausgef\u00fchrt, und dabei gefunden, dass die Gr\u00f6sse der Irradiation nicht proportional der Heiligkeit w\u00e4chst, sondern in einem geringeren Maasse, und bei steigender Helligkeit sich asymptotisch einem Maximum n\u00e4hert, wie es auch aus unserer Erkl\u00e4rung Folgt.\nEs ergiebt sich ferner aus dieser Theorie, warum die Irradiation desto breiter wird, je gr\u00f6ssere Zerstreuungskreise sich bilden.\nDa bei den meisten Personen die\nZerstreuungskreise\neines zu fernen","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDENGEN.\n\u00a7\u2022 21.\nPunkts nach der H\u00f6he gr\u00f6sser sind, als nach der Breite, erscheinen helle Quadrate auf dunklem Grunde in einer f\u00fcr die Accommodation etwas zu grossen Entfernung perpendicular verl\u00e4ngert, und schwarze Quadrate auf weissem Grunde horizontal verl\u00e4ngert. Die perpendicul\u00e4re Verl\u00e4ngerung weisser Quadrate sehen die meisten Personen auch hei genauer Accommodation, weil sie, wie es scheint, dann fiir die Verticallinien accommodiren. Dagegen erscheinen weisse Rechtecke, deren horizontale Seite etwas l\u00e4nger ist als die verticale, wie Quadrate. Nach den Versuchen von A. Fick 1 erschien einem ge\u00fcbten, nicht kurzsichtigen Auge bei 4500mm Abstand ein Rechteck von 22 Mm. horizontaler und 20 Mm. verticaler Seite als Quadrat, eines von 21 Mm. horizontaler und 20 Mm. verticaler Seite als vertical verl\u00e4ngertes Rechteck. In anderen Augen, denen ein ferner Lichtpunkt dreistrahlig erscheint, machen sich auch in den anderen F\u00e4llen von Irradiation drei Hauptrichtungen bemerklich, in denen sie am st\u00e4rksten ist, wie es Joslin 2 beschreibt.\nIch habe in dem Vorstehenden den Namen der Irradiation nur auf diejenigen F\u00e4lle angewendet, wo man nicht die Zerstreuungskreise als solche wahrnimmt, sondern wo sich scheinbar die Fl\u00e4che, welche die volle Beleuchtungsst\u00e4rke hat, ver-gr\u00f6ssert. Indessen ist in neuester Zeit der Name der Irradiation auf die Bildung der Zerstreuungskreise \u00fcberhaupt angewendet worden, auch wo man diese als lichtschw\u00e4chere Theile des Bildes erkennt. Es ist aber wohl unn\u00f6thig, auf diese F\u00e4lle einen besonderen neuen Namen anzuwenden. Es k\u00f6nnen \u00fcbrigens auch durch die Zerstreuungskreise neue Begrenzungslinien entstehen, welche das Object in ver\u00e4nderter Gr\u00f6sse erscheinen lassen, ohne dass die Lichtst\u00e4rke noch einen besonderen Einfluss h\u00e4tte. Namentlich hat Volkmann 3 gefunden, dass sehr feine schwarze F\u00e4den auf weissem Grunde ebenso wie weisse auf dunklem Grunde f\u00fcr breiter gehalten werden, als sic sind, w\u00e4hrend die bisher betrachtete Art der Irradiation immer nur das Hellere vergr\u00f6ssert. Volkmann benutzte F\u00e4den von 0,0445 Mm. Dicke in 333 Mm. Entfernung vom Auge, welche demgem\u00e4ss dem Auge viel kleiner erscheinen mussten, als die kleinsten wahrnehmbaren Distanzen. Er hatte ein Schraubenmikrometer so einrichten lassen, dass die F\u00e4den langsam einander gen\u00e4hert werden konnten, und stellte dem Experi-mentirenden die Aufgabe, die F\u00e4den so zu stellen, dass der Zwischenraum ebenso breit sei, wie die F\u00e4den. Alle Individuen machten aber den Zwischenraum zu breit, und zwar auch, wenn er hell war, und die F\u00e4den dunkel. Volkmann giebt davon die Erkl\u00e4rung, dass man statt der schmalen schwarzen Streifen breitere graue Zerstreuungsbilder derselben sehe, denen man dann den mittleren hellen Zwischenraum gleich mache. Er benutzt deshalb auch diese Messungen, um die Breite der Zerstreuungsbildchen bei guter Accommodation zu bestimmen. Er selbst machte den Zwischenraum im Mittel gleich 0,207 Mm., w\u00e4hrend die Dicke der F\u00e4den, denen derselbe gleich sein sollte, nur 0,0443 Mm. betrug, und berechnet daraus die Breite des Zerstreuungsbildes auf der Netzhaut gleich 0,0035 Mm., bei anderen Personen bei hellem Hintergrund schwankt diese letztere Gr\u00f6sse zwischen 0,0006 und 0,0025. Diese Gr\u00f6ssen sind kleiner als die kleinsten\n1\tII en le und Pfeuffer. Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin. Neue Folge II. S. 83.\n2\tPogg. Ann. LI. Erg\u00e4nzbd. S. 107.\n3\tBerichte der s\u00e4chsischen Ges. d. Wiss. I857. S. 129\u2014148.","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 21.\nIRRADIATION.\n325\nsichtbaren Abst\u00e4nde (0,0044 Mm.) und als die Zapfen des gelben Flecks (0,0045 bis 0,0054), sodass m\u00f6glicher Weise die letzteren die Breite des schwarzen Bildes bestimmt haben k\u00f6nnen. Dass so grosse Unterschiede in den Einstellungen vorkamen, darf bei einer so subtilen Aufgabe wohl nicht wundern.\nAber auch schwarze Streifen von erkennbarer Breite, welche bei so ungen\u00fcgender Accommodation betrachtet werden, dass die Zerstreuungskreise viel breiter sind, als die Streifen, erscheinen breiter als sie sind. Dies scheint mir auf der Vertheilung des Lichts in dem Zerstreuungskreise zu beruhen. Es sei Fig. 155 ab der Durchschnitt eines Papierblatts, auf welches eine schwarze Linie gezeichnet ist, die hier im Querschnitt als Punkt c erscheint. Es m\u00f6gen durch mangelhafte Accommodation Zerstreuungskreise vom Radius fc entstehen, so wird die Curve der Lichtst\u00e4rke, in der die einzelnen Punkte der Linie ab im Netzhautbilde erscheinen, nach den in \u00a7. 13 entwickelten Principien und abgesehen von den St\u00f6rungen durch Asymmetrie der Linse ausgedr\u00fcckt durch die Linie ayy\u00e4\u00df. Hier erleidet nun die Lichtst\u00e4rke bei \u00ab cp und A einen pl\u00f6tzlichen Abfall, lyid diese Stellen erscheinen deshalb als Grenzlinien. W\u00e4re die Linie c weiss auf schwarzem Grunde, so w\u00fcrde a\u00df als Abscissenlinie zu nehmen sein, und die negativen Ordinaten der Curve rp y 0 w\u00fcrden die Lichtst\u00e4rke ausdr\u00fccken; auch dann haben wir bei f und cl einen pl\u00f6tzlichen Abfall der Lichtst\u00e4rke. Davon \u00fcbrigens, dass solche Linien, in denen der Dilferentialquotient der Lichtst\u00e4rke unendlich gross wird, als Grenzlinien erscheinen, kann man sich mittels der rotirenden Scheibe \u00fcberzeugen. Wenn man eine weisse Scheibe mit einem runden kreisf\u00f6rmigen Flecke, wie Fig. '154, rotiren l\u00e4sst, so erscheint der schwarze Fleck bei schneller Bewegung wie ein grauer Kreis, dessen Lichtintensit\u00e4t durch eine ganz \u00e4hnliche Curve wie aipyd\u00df Fig. 155 auszudr\u00fccken sein w\u00fcrde, wie aus den im folgenden Paragraphen zu entwickelnden Gesetzen hervorgeht. Der graue Kreis erscheint dabei ganz scharf begrenzt an beiden Seiten, und in seinem Innern bemerkt man kaum die ungleichen Grade der Helligkeit; der Streifen erscheint vielmehr fast gleichm\u00e4ssig grau gef\u00e4rbt. Uebrigens mischen sich in die Zerstreuungsbilder schmaler schwarzer Streifen meist mehr oder weniger die Doppelbilder ein, welche durch Asymmetrie der Linse entstehen\tH 1SI\n( Fig. 66), wobei die Lichtvertheilung im Zerstreuungsbilde zwar ver\u00e4ndert wird, aber doch jedenfalls die gr\u00f6ssere Breite des Bildes bestehen bleibt.\nSobald der schwarze Streifen nicht mehr sehr schmal ist gegen die Breite der Zerstreuungsbilder, so nimmt auch die Helligkeit an seinem Rande allm\u00e4lig","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 21.\nab, wie in Fig. 152, und dann erscheinen seine R\u00e4nder verwaschen grau, seine Mitte schwarz. Man erkennt alsdann das Vorhandensein von Zerstreuungskreisen und die T\u00e4uschung schwindet. Der Unterschied zeigt sich sehr auffallend in einem von Volkmann angegebenen Versuche. Man betrachte die Fig. 133 aus solcher Entfernung, dass die Accommodation betr\u00e4chtlich\n\u25a0\t'\u25a0\tmangelhaft ist, so wird man finden,\tdass der mittlere\n\u25a0\tI\tweisse Streifen, der \u00fcberall gleiche\tBreite hat. eine\nI\tI\tkeulenf\u00f6rmige Gestalt bekommt, indem\tdas zwischen den\nbreiten schwarzen Fl\u00e4chen stehende Ende breit wird, das zwischen den schmalen schwarzen Streifen stehende da-> V:\tgesjen sclinialer wird und gleichsam den Griff der Keule\nbildet. Zwischen den breiten schwarzen Fl\u00e4chen breitet sich der weisse Streifen durch die gew\u00f6hnliche Art der Irradiation aus. Die schmalen schwarzen Streifen dagegen verwandeln sich in breitere graue, und beeintr\u00e4chtigen dadurch die Breite des zwischen ihnen liegenden mittleren Weiss. Plateau hat \u00e4hnliche Ph\u00e4nomene beschrieben, daraus aber geschlossen, dass die Irradiation zweier benachbarter weisser R\u00e4nder sich gegenseitig beschr\u00e4nke.\n. Diese zuletzt beschriebenen Ph\u00e4nomene der Ausbreitung dunkler Streifen sind deshalb einfache F\u00e4lle von Zerstreuungsbildern, unabh\u00e4ngig von der Beleuchtungsst\u00e4rke und von dem Gesetze der Empfindungsst\u00e4rke. Ich w\u00fcrde deshalb vorziehen den Namen der Irradiation nicht auf sie anzuwenden, sondern diesen zu beschr\u00e4nken auf diejenigen F\u00e4lle, wo die Erscheinung von der Beleuchtungsst\u00e4rke abh\u00e4ngt.\nEine sehr grosse Anzahl von Physikern und Physiologen hat eine andere Erkl\u00e4rung der Irradiationserscheinungen angenommen, welche namentlich von Plateau vertheidigt und ausf\u00fchrlich durchgef\u00fchrt ist. Danach wird angenommen, dass in der Netzhaut eine erregte Nervenfaser die F\u00e4higkeit habe, den Zustand der Reizung auch in den benachbarten Fasern hervorzurufen, so dass auch diese Lichtempfindung veranlassen, obgleich sie von keinem objectiven Lichte getroffen werden. Es w\u00fcrde dies ein Fall sogenannter Mitempfindung sein. Dergleichen Mitempfindungen kommen bei anderen sensiblen Nerven vor. Viele Personen empfinden z. B. Kitzel in der Nase, wenn heftiges Licht in ihr Auge f\u00e4llt, empfinden ein kaltes Ueberlaufen in der Haut des Rumpfes, wenn sie kreischende oder quietschende T\u00f6ne h\u00f6ren. In diesen und anderen F\u00e4llen kann die Uebertragung der Reizung von der prim\u00e4r erregten Nervenfaser auf die andere ei'st innerhalb der Centralorgane geschehen, da der Sehnerv mit den sensiblen Nerven der Nase ( Servus trigeminus) und der H\u00f6rnerv mit den Hautnerven des Rumpfes keine andere anatomische Communication hat, als durch die Centralorgane. Uebrigens kommen dergleichen Mitempfindungen immer nur in ziemlich vereinzelten Beispielen vor, und die angef\u00fchrte Deutung derselben kann nicht als fest begr\u00fcndet angesehen werden, weil m\u00f6glicher Weise auch reflectorische Entladungen nach den absondernden Dr\u00fcsen der Nase oder den Gef\u00e4ssmuskeln der Hautgef\u00e4sse \u00e4hnliche Empfindungen mittelbar hervorrufeu k\u00f6nnten. Dass in der \u00fcberwiegenden Mehrzahl der F\u00e4lle die Erregung einer","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 21.\nMETHODEN DER PHOTOMETRIE.\n327\nsensiblen Faser nicht auf andere Fasern \u00fcbertragen wird, geht schon aus der allgemeinen Erfahrung hervor, wonach wir die einzelnen Eindr\u00fccke, welche auf unsere Sinnesorgane geschehen, eben isolirt empfinden k\u00f6nnen. Wird eine Hautstelle gestochen, dadurch die zugeh\u00f6rige Nervenfaser erregt, so w\u00fcrden ausgebreitete Schmerzempfindungen in vielen Stellen der Haut entstehen m\u00fcssen, wenn die Ueber-leitung auf andere Nervenfasern regelm\u00e4ssig und constant vork\u00e4me. Wir w\u00fcrden dann die prim\u00e4r erregte Stelle von den secund\u00e4r erregten nicht unterscheiden k\u00f6nnen. In der Regel empfinden wir nun Reizung einer einzelnen Hautstelle eben nur in der gereizten Stelle, und sonst nirgends; es treten also keine Mitem-pfindungen ein. Wenn aber der \u00f6rtliche Schmerz sehr heftig ist und sehr lange dauert, so treten allerdings auch Schmerzen in den benachbarten Theilen ein, welche gew\u00f6hnlich als Mitempfindungen gedeutet werden, aber freilich auch von der Ausbreitung der schmerzerregenden Sch\u00e4dlichkeit oder der Entz\u00fcndung herr\u00fchren k\u00f6nnen. Plateau erinnert auch an die Thatsache, dass, wenn das Bild eines auf weisses Papier gezeichneten schw\u00e4rzen Flecks auf die Eintrittsstelle des Sehnerven f\u00e4llt, in der entsprechenden Stelle des Gesichtsfeldes nur Weiss empfunden wird, und nimmt auch hier eine Ausbreitung der Erregung \u00fcber die Eintrittsstelle des Sehnerven an. Dass aber diese Erscheinung ganz anderer Art ist, werden wir sp\u00e4ter zeigen. Wenn man also die Irradiation im Auge als Mitempfindung auffassen will, so w\u00fcrde diese Ansicht sich doch nur auf selbst noch zweifelhafte Analogien in andern Theilen des Nervensystems st\u00fctzen m\u00fcssen. Andererseits sind die Erscheinungen der Irradiation im Auge alle der Art, dass immer auch objectives Licht auf die Theile der Netzhaut f\u00e4llt oder fallen kann; wo man die Mitempfindung vermuthet. Die St\u00e4rke der Irradiation ist durchaus der Gr\u00f6sse der Zerstreuungskreise proportional und die ganze Erscheinung l\u00e4sst sich mit allen ihren Einzclhe'ten aus anderen wohl fest-gestellten Erkl\u00e4rungsprineipien herleiten, sodass ich es f\u00fcr ungerechtfertigt halte, in einem solchen Falle neue, und in sich nicht sicher gestellte Principien der Erkl\u00e4rung zu H\u00fclfe zu nehmen.\nWir m\u00fcssen hier noch Rechenschaft geben \u00fcber die Methoden der Photometrie, soweit dabei die physiologischen Eigenschaften des Auges in Betracht kommen. Wir sehen dabei ab von allen Methoden, wobei die Vergleichung der Helligkeiten nicht durch das Auge, sondern durch die photochemischen Wirkungen, oder die absorbirte W\u00e4rme geschieht. Dabei ist zu bemerken, dass das Auge sehr wohl gebraucht werden kann, um zwei Lichtmengen von gleicher Qualit\u00e4t, z. B. zwei Mengen weissen Lichtes, oder zwei Mengen von derselben einfachen Farbe unter einander zu vergleichen. Denn wenn zwei Lichtmengen gleicher Qualit\u00e4t das Auge unter gleichen Umst\u00e4nden gleich stark afficiren, d\u00fcrfen wir schliessen, dass auch ihre objective Intensit\u00e4t gleich gross sei. F\u00fcr solche F\u00e4lle d\u00fcrfen wir das Auge als, ein bequemes und empfindliches Reagens anwenden, und k\u00f6nnen uns unabh\u00e4ngig machen von den besonderen Eigenschaften dieses Reagens, so dass wir objectiv g\u00fcltige Resultate erhalten. Dieser Theil der Photometrie geh\u00f6rt also eigentlich nicht in die physiologische Optik hinein, nach der S. 30 von uns aufgestellten Begrenzung dieser Wissenschaft. Wir wollen ihn hier eben auch nur so weit besprechen, als die physiologischen Eigenth\u00fcmlich-keiten des Auges von Einfluss sind auf die Empfindlichkeit der photometrischen Messungen'.\nDagegen ist streng festzuhalten, was aus den oben angef\u00fchrten Thatsachen klar genug hervorgeht, dass jede Vergleichung verschiedenfarbigen Lichtes durch das Auge nur einen","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 21.\nphysiologischen Werth hat, und nichts aussagt \u00fcber die objective St\u00e4rke des verglichenen Lichts, so dass dergleichen photometrische Messungen durchaus innerhalb des Gebietes der physiologischen Optik bleiben.\nIm Allgemeinen ist das Verfahren in der Photometrie folgendes. Wenn das Verh\u00e4ltniss zweier Helligkeiten A und B bestimmt werden soll, schw\u00e4cht man die Intensit\u00e4t der helleren, welche B sein mag, mittels irgend einer Methode, die zu bestimmen erlaubt, in welchem Verh\u00e4ltnisse B geschw\u00e4cht worden ist, his B ebenso hell erscheint als A. Es sei durch die Schw\u00e4chung die Helligkeit \u00df geworden n B, wo n ein achter Bruch von bekannter Gr\u00f6sse sein muss, so ist\nund dadurch das Verh\u00e4ltniss von A zu B bestimmt. Hie verschiedenen photometrischen Methoden unterscheiden sich nun zun\u00e4chst dadurch von einander, dass sie verschiedene Mittel anwenden, um das hellere Licht in einem bekannten Verh\u00e4ltnisse zu schw\u00e4chen; die zu w\u00e4hlende Methode wird in dieser Beziehung immer haupts\u00e4chlich von der Natur der Aufgabe abh\u00e4ngen m\u00fcssen. Sie unterscheiden sich dann aber auch durch die Art und Weise, wie dem Auge des Beobachters die beiden Helligkeiten zur Vergleichung dargeboten werden, und in dieser Beziehung ist zu bemerken, dass'das Auge die Helligkeiten zweier Fl\u00e4chen am feinsten unterscheidet, wenn die beiden Fl\u00e4chen unmittelbar an einander stossen, und ihre Grenzlinie durch nichts weiter bezeichnet ist, als durch den Unterschied ihrer Helligkeit. Auch scheint die Empfindlichkeit noch zu wachsen, wenn die beiden Fl\u00e4chen nicht durch eine einfache gerade Linie getrennt sind, sondern die eine in der anderen eine complicirtere Zeichnung (Ringe, Buchstaben u. s. w.) bildet mit mehrfachen Abwechselungen von Hell und Dunkel. Endlich m\u00fcssen die zu vergleichenden Fl\u00e4chen auch eine gewisse, nicht zu kleine r\u00e4umliche Ausdehnung haben. Sehr viel unvortheilhafter sind nat\u00fcrlich diejenigen Methoden, bei denen eine Lichtst\u00e4rke dadurch gemessen wird, dass man ihren Eindruck auf das Auge durch irgend ein Mittel so abschw\u00e4cht, bis er verschwindet. Denn offenbar sind die Grenzen der Empfindlichkeit des Auges nicht so bestimmt und so constant, um darauf Messungen begr\u00fcnden zu k\u00f6nnen. Unter verschiedenen Umst\u00e4nden (St\u00e4rke der Beleuchtung, Bewegung u. s, w.j\nI\t1\nerkennt dasselbe Auge bald eine Differenz von bald von der Lichtst\u00e4rke.\nMachen\nwir die Empfindlichkeit des Auges also zum Massstab, so w\u00fcrden wir in zwei solchen F\u00e4llen Lichtmengen als gleich setzen, von denen die eine doppelt so gross ist als die andere, oder vielleicht noch mehr.\nBouguer 1 liess zwei wcisse Fl\u00e4chen durch die zu vergleichenden Lichter beleuchten, stellte sich so, dass er sie beide perspectivisch neben einander sah, und ver\u00e4nderte dann die Entfernung der einen weissen Fl\u00e4che vom Licht so lange, bis die Erleuchtung gleich wurde. Lambert, der in seinem ber\u00fchmten Werke Pho tome tria * 2 * 4 5 das erste vollst\u00e4ndige System der theoretischen Photometrie mit bewundernswerthem Scharfsinn und Erfindungskraft hinstellte, wendete neben verschiedenen anderen Methoden, die einzelnen Zwecken angepasst waren, namentlich das Verfahren an, durch zwei Lichter eine weisse Fl\u00e4che erleuchten zu lassen, einen undurchsichtigen Stab davor zu bringen, der zwei Schatten wirft, und dann die Entfernung des einen Lichts so lange zu ver\u00e4ndern, bis die beiden Schatten gleich hell sind. Dasselbe Verfahren wendete auch Rumford 3 an, und wurde der dazu n\u00f6thige Apparat unter dem Namen des R\u00fcMFORD\u2019schen Photometers bekannt. Um die Stellung des Beobachters bequemer zu machen, wendete Potter 4 statt der zwei weissen undurchsichtigen Fl\u00e4chen zwei transparente an, und Ritchie 5 f\u00fcgte noch zwei unter 45\u00b0 geneigte Spiegel hinzu, welche das Licht auf die weissen Fl\u00e4chen warfen, und erlaubten die Lichtquellen nach entgegengesetzten\n' Essai (VOptique 1729 in 72 mo. \u2014 Trait\u00e9 d\u2019Optique sur la gradation de la lumi\u00e8re. Paris 1760. Lalein. Febersetzung Wien 1762.\n2 Photomotria sive de mensura et gradihus luininis, colorum et umbrae. Auguslae Vindelicorum 1760.\ns Philos. Transact. I.XXXIV. p. 67.\n4\tEdinh. Journal of Science. New Ser. III. 284.\n5\tAnnals of Philosophy. Ser. III. Vol. I. 174.","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 21.\nMETHODEN DER PHOTOMETRIE.\n329\nRichtungen hin aufzustellen. J. Herschel 1 hob hervor, dass die Bedingung inniger Ber\u00fchrung der zu vergleichenden Fl\u00e4chen in Ritchie\u2019s Photometer erf\u00fcllt sei, und dadurch die Genauigkeit zunehme. Uebrigens leidet die Anwendung des Gesetzes, dass die Erleuchtung dem Quadrate der Entfernung umgekehrt proportional sei, in diesen F\u00e4llen an zwei St\u00f6rungsursachen. Erstens n\u00e4mlich muss bei der Anwendung dieses Gesetzes die Ausdehnung der Lichtquelle als unendlich klein gegen ihre Entfernung von der beleuchteten Fl\u00e4che vorausgesetzt werden, und das ist nicht der Fall, wenn man grosse Lichtintensit\u00e4ten braucht, und das Licht sehr n\u00e4hern muss. Zweitens d\u00fcrfen, namentlich bei weit entferntem Lichte im Hintergr\u00fcnde des Zimmers keine merklich erleuchteten Gegenst\u00e4nde sich finden, und diese Bedingung wird bei Versuchen im Zimmer immer schwer zu erf\u00fcllen sein. Pernot 2 modificirte das Verfahren von Potter dadurch, dass er die beiden transparent beleuchteten Fl\u00e4chen noch von der entgegengesetzten Seite durch ein drittes Licht beleuchtet, welches er allm\u00e4lig n\u00e4her bringt. Sind jene beiden gleich, so m\u00fcssen sie gleichzeitig verschwinden. In Bunsen\u2019s Photometer wird eine Papierfl\u00e4che, die zum Theil mit Stearin getr\u00e4nkt ist, von vorn und von hinten beleuchtet. Ist das hintere Licht schwach, so erscheint der transparente Fleck dunkel, ist es zu stark, hell.\nHie Absorption der Lichtstrahlen zur Schw\u00e4chung benutzte de Maistre 1 2 3 4, der ein Prisma von blauem Glase mit einem gleichen von weissem Glase so zusammenlegte, dass die \u00e4usseren \u00dfegrenzungsfl\u00e4chen parallel wurden, und das Licht ungebrochen durchging, aber an verschiedenen Stellen des Doppelprisma verschieden stark absorbirt wurde. Aehnlich benutzte Quetelet 4 zwei Prismen aus blauem Glase, die verschieden gegen einander verschoben eine planparallele Platte von ver\u00e4nderlicher Dicke bildeten. Durch die hierbei angewendeten blauen Glasplatten wird aber die Farbe des hindurchgehenden Lichtes ver\u00e4ndert, und dass bei der Vergleichung verschiedenfarbigen Lichts keine genaue Messung m\u00f6glich sei, ist schon erw\u00e4hnt worden. Noch misslicher sind zwei andere Instrumente, bei welchen nicht zwei verschiedene Lichter verglichen, sondern absolute Lichtst\u00e4rken dadurch bestimmt werden sollen, dass sie bei bestimmter Gr\u00f6sse der Absorption ganz verschwinden. Das eine ist von Lampadius 5 vorgeschlagen. Er sieht durch eine Anzahl d\u00fcnner Hornbl\u00e4tter nach dem hellen Gegenst\u00e4nde und vermehrt sie so lange, bis das Object eben verschwindet, de Limencey und Secretan 6 brauchten statt der Hornbl\u00e4tter Papierscheiben. Das andere ist das von einem Ungenannten 7 8 vorgeschlagene Lamprotometer, um die Helligkeit des Tages zu messen. Es wird dabei bestimmt, wie starke Lackmustinctur man nehmen m\u00fcsse, damit ein vom Tageslicht beleuchteter Platindraht durch ein mit der Tinctur gef\u00fclltes Glas gesehen verschwinde. Die Grenze der Empfindlichkeit des Auges f\u00fcr Lieht ist doch zu unbestimmt, als dass bei solchen Messungen nicht Irrungen um das Dreifache oder mehr der gemessenen Gr\u00f6sse eintreten sollten. Auf demselben Princip beruht ein Photometer von Albert 8 und eines von Fitter 9.\nDagegen waren es zwei andere Wege, auf denen allm\u00e4lig die vollendeteren Methoden, welche jetzt \u00fcblich sind, sich entwickelten. Der eine dieser Wege hat Bestimmung der Helligkeit der Sterne zum Ziel. J. Herschel schw\u00e4chte das Licht des helleren Sterns, indem er die Apertur des Fernrohrs, welches auf ihn gerichtet war, durch ein vorgesetztes Diaphragma verkleinerte. Dasselbe Princip liegt auch A. v. Humboldt\u2019s Astrometer zu Grunde. Dies ist ein Spiegelsextant von gew\u00f6hnlicher Einrichtung. Das Fernrohr des Instruments ist bekanntlich auf einen halb belegten, halb unbelegten Spiegel gerichtet und sieht den einen Stern durch den unbelegten Theil, den anderen durch den belegten und einen zweiten Spiegel. Indem\n1\tOn light, p. 29.\n2\tDi.ngler\u2019s polyt. Journ. CXIX. 155. Moniteur industr. 1850. Nr. 1509.\n3\tBibi, uitiv. de Gen\u00e8ve. LI. 323. Pogg. Ann. XXIX. 187.\n4\tBibi. univ. de Gen\u00e8ve. LU. 212. * Pogg. Ann. XXIX. 187\u2014189.\n5\tGehler\u2019s W\u00f6rterbuch. 2. Auflage. VII. 482.\nCosmos. VIII. 174; Polyt. Centralblatt 1856. 570; Dingler\u2019s polyt. Journ. CXLI. 73.\n7\tPogg. Ann. XXIX. 490. '\n8\tDingler\u2019s polyt. Journ. C. 20 und CI. 342. -\n'' Mechanics Magazine. XLVI. 291.","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 \u201d24.\nman das Fernrohr senkrecht gegen die Trennungslinie des belegten und unbelegten Theils verschiebt, kann man mehr Strahlen von dem einen oder anderen bekommen, und so die Bilder zweier Sterne, oder die beiden Bilder eines Sterns nach Belieben gleich oder ungleich machen, und ihre Lichtst\u00e4rke vergleichen. Das Verfahren von Humboldt hat den Vortheil, dass die beiden Sterne, welche verglichen werden sollen, dicht'neben einander im Gesichtsfelde desselben Fernrohrs erscheinen. Die Vergleichung so intensiver kleiner Lichtpunkte ist aber schwerer, als die Vergleichung heller Fl\u00e4chen. Diesem Mangel wird durch das Objectiv-Photometer von Steinheil 1 abgeholfen. Es ist dies ein Teleskop, dessen Objectiv-glas halbirt ist. Vor jeder H\u00e4lfte des Objectivs befindet sich ein rechtwinkliges Glasprisma als Spiegel. Das Ganze wird so gestellt, dass die eine H\u00e4lfte des Objectivs dem Beobachter den einen, die andere den anderen der zu vergleichenden Sterne zeigt. Dann werden die beiden H\u00e4lften des Objectivs einzeln hinausgeschoben, so dass nicht mehr deutliche Bilder, sondern Zerstreuungsbilder der beiden Sterne entstehen, welche .desto lichtschw\u00e4cher werden, je gr\u00f6sser man sie macht, d. h. je weiter man die entsprechende H\u00e4lfte des Objectivs hin-ausschiebt. Jede solche H\u00e4lfte ist mit einem rechteckigen Diaphragma versehen, welches mit anderen von anderer Gr\u00f6sse vertauscht werden kann. Die beiden Bilder der Sterne erscheinen nach richtiger Einstellung als zwei dicht an einander grenzende nahe gleich grosse Rechtecke von gleicher Helligkeit, also unter den g\u00fcnstigsten Bedingungen, um kleine Unterschiede der Helligkeit zu erkennen. Durch dieses Instrument sind zuerst genaue Lichtmessungen an Fixsternen und Planeten m\u00f6glich geworden. Schwerd 2 dagegen benutzte die Diffraction, welche durch enge kreisf\u00f6rmige Diaphragmen entsteht, um helle Fl\u00e4chen hervorzubringen.\nF\u00fcr die physikalischen Untersuchungen dagegen, wobei es sich darum handelt zu bestimmen, wie viel Licht bei Refractionen, Reflexionen und anderen Vorg\u00e4ngen verloren gegangen ist, hat man mit Vortheil das st\u00e4rkere Licht durch Brechung und Zur\u00fcckwerfung an unbelegten Glastafeln geschw\u00e4cht. Brewster 3 und Quetelet 4 brauchten mehrfache nahe senkrechte Reflexionen, um starkes Licht mit schwachem vergleichbar zu machen; 28 bis 29 solche Reflexionen verl\u00f6schen z. B. das Sonnenlicht. Duwe 5 benutzte ebenso die Reflexionen an schwarzen Glastafeln, wie sie zu Polarisationsapparaten gebraucht werden. Die verschieden starke Reflexion bei wechselndem Einfallswinkel benutzte Potter 1 * 3 * * 6. Lichtquelle ist ihm ein halbcylindriseh geformter weisser Schirm, dessen gleichm\u00e4ssige Beleuchtung man voraussetzen muss, die aber schwer zu erreichen sein wird. Die geschickteste Ausf\u00fchrung hat dies Princip in dem Photometer von Arago erhalten, und ist dadurch zur Ausf\u00fchrung sehr genauer Messungen der Lichtst\u00e4rke brauchbar geworden 7. Die Lichtquelle dieses Photometers ist ein transparenter, ebener, senkrecht stehender Papierschirm, der am Fenster steht, und in allen seinen Theilen gleichm\u00e4ssig erleuchtet sein muss, was sich \u00fcbrigens durch das Instrument selbst controlliren l\u00e4sst. Senkrecht gegen den Schirm und gegen den Horizont ist ferner aufgestellt eine planparallele Glasplatte, unter deren Mitte sich ein Zapfen befindet, um welchen als Axe ein Rohr in einer horizontalen Ebene drehbar ist. Das Rohr ist horizontal gegen die Mitte der Platte gerichtet, und der Beobachter, welcher durch das Rohr sieht, erblickt theils durch die Platte einen Theil des Papierschirms, theils in ihr gespiegelt einen anderen Tlieil dieses Schirms. Rechts und links von der Glasplatte zwischen ihr und dem Schirm sind horizontal und in etwas verschiedener H\u00f6he schwarze St\u00e4be angebracht, die dicht neben einander theils durch die Platte, theils von ihr gespiegelt gesehen werden. Wo der gespiegelte schwarze Stab erscheint, sieht der Beobachter das durchgelassene Licht des weissen Schirms allein; wo der schwarze Stab im durchgelassenen Licht erscheint, sieht der Beobachter das gespiegelte Licht\n1 Pogg. Ann. XXXIV. 646.\u2014 Denkschriften der M\u00fcnchner Akad. Math.-phys. Klasse. Ud. II. 1866. \u2014 Aehiilich die Methode von Johnson. Cosmos. HL 301 \u2014 305.\n- Bericht \u00fcber die Naturforscherversammlung 1858.\n3 Edinburgh Transactions. 4815.\n3 Bibi. Ulli\u00bb, de G\u00e9n\u00e9r\u00e9. LH. 212. l\u2019ogg. Ann. XXIX. 187 \u2014 189.\n3 Pogg. Ann. XXIX. 190 Anui.\n6\tEdinburgh Journal of Science. New Ser. IV. 50 und 320. \u2014 Pogg. Ann. XXIX. 487.\n7\tOeuvres de Fr. Arago X. p. 184 \u2014 221.","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 21-\nMETHODEN DER PHOTOMETRIE.\n331\ndes weissen Schirms. Die R\u00f6hre wird nun so gestellt, dass die beiden schwarzen Streifen gleich hell erscheinen, und der Winkel, unter dem die R\u00f6hre gegen die Glasplatte gerichtet ist, wird durch eine passend angebrachte Theilung gemessen. Man kann nun das einfallende oder das gespiegelte Licht allerlei anderen Einwirkungen unterwerfen, und wird dann im Allgemeinen einen anderen Winkel erhalten, unter dem gesehen die beiden Bilder gleich hell erscheinen. Um aus diesem Winkel die stattfmdende Schw\u00e4chung des Lichts berechnen zu k\u00f6nnen, muss vorher empirisch bestimmt sein, wie sich bei den verschiedenen Einfallswinkeln die durchgelassenen zu den gespiegelten Lichtmengen verhalten, wof\u00fcr Arago ein besonderes Verfahren vorgeschlagen hat, welches darauf beruht, dass die beiden Strahlenb\u00fcndel, welche ein doppeltbrechender Krystali giebt, gleich stark und jeder einzelne halb so stark sind, als der ungetrennte Strahl. Indem er so eines der beiden Strahlenb\u00fcndel durch Doppelbrechung halbirt oder viertheilt, kann er die Stellungen ermitteln, wo das durchgelassene Licht das Viertel, die H\u00e4lfte, das Doppelte, das Vierfache des zur\u00fcckgeworfenen ist und schliesslich durch Interpolation die betreffenden Verh\u00e4ltnisse auch f\u00fcr alle zwischenliegenden Winkel bestimmen.\nAkago hatte noch ein anderes Princip zur Schw\u00e4chung des Lichts vorgeschlagen, n\u00e4mlich die Polarisation in doppeltbrechenden Krystallen zu benutzen. L\u00e4sst man vollst\u00e4ndig polari-sirtes Licht von der Intensit\u00e4t I in einen solchen Krystali eintreten, und bildet die Polarisationsebene des Lichts mit dem entsprechenden Hauptschnitte des Krystalls einen'Winkel cp, so erh\u00e4lt man durch die doppelte Brechung zwei B\u00fcndel, deren Intensit\u00e4t beziehlich I cos -cp und 1 sin -cp ist. Kann man den Winkel cp messen, so ist dadurch also auch unmittelbar das Verli\u00e4ltniss der Lichtst\u00e4rke der gebrochenen B\u00fcndel gegeben. Die NicoLschen Prismen elimi-niren das eine B\u00fcndel ganz und lassen nur das andere bestehen. Hierauf beruht das Photometer von F. Bernard * 1. Die beiden zu vergleichenden Strahlen werden parallel zu einander, jeder durch zwei drehbare NicoL\u2019sche Prismen geleitet, und dann durch totale Reflexion in einem rechtwinkeligen Glasprisma parallel und dicht neben einander in das Auge des Beobachters gelenkt, der ihre Intensit\u00e4t gleich zu machen sucht dadurch, dass er die Hauptschnitte der beiden Nicoi/schen Prismen, durch welche der st\u00e4rkere Strahl geht, unter einem passenden Winkel gegen einander stellt. Stammt das zu vergleichende Licht aus derselben Lichtquelle her, so kann man die beiden ersten NicoL\u2019schen Prismen weglassen, und an ihrer Stelle ein doppeltbrechendes Prisma gebrauchen, welches das Licht der Quelle in zwei gleiche verschieden polarisirte H\u00e4lften spaltet. Sehr \u00e4hnlich im Princip ist das Photometer von Beer Die beiden Strahlenb\u00fcndel kommen horizontal von rechts und links zum Instrumente, gehen jeder durch ein NicoL\u2019sches Prisma, werden durch einen st\u00e4hlernen Doppelspiegel, der zwei unter 4\u00f6 0 gegen den Horizont geneigte spiegelnde Fl\u00e4chen hat, vertical gemacht, und fallen durch einen dritten Nicol in das Auge des Beobachters. Dieser sieht vor sich ein kreisf\u00f6rmiges Feld, dessen rechte und linke H\u00e4lfte den beiden refleetirenden Fl\u00e4chen des Doppelspiegels entsprechen, und kann durch Drehung der Nicols die beiden Felder gleich hell machen. Aehnlich ist auch das Photometer von Z\u00f6llner 3.\nBabinet 4 hat zur Vergleichung der Lichtst\u00e4rke zweier Strahlenb\u00fcndel polarisirten Lichts ein Mittel benutzt, welches die Vergleichung ihrer St\u00e4rke ungemein erleichtert. Sein Photometer ist zun\u00e4chst bestimmt, die Helligkeit von Gasflammen zu vergleichen. Eine R\u00f6hre l\u00e4uft in zwei Schenkel aus, von denen der eine die Verl\u00e4ngerung der R\u00f6hre bildet, w\u00e4hrend der andere mit dieser einen Winkel von 70\u00b0 einschliesst. Beide sind durch mattgeschliffene Glastafeln geschlossen. Am Scheitel des Winkels wird die R\u00f6hre von einem Satz Glasplatten durchsetzt, welcher den Winkel halbirt. Werden nun vor die beiden R\u00f6hrenenden Lichtquellen gesetzt, so tritt das Licht der einen Quelle in das-gemeinsame R\u00f6hrenst\u00fcck, nachdem es von dem Glassatz durchgelassen und senkrecht gegen die Einfallsebene polarisirt ist, und das Licht der anderen Quelle, nachdem es reflectirt, und in der Einfallsebene polarisirt ist. Das ge-\n1 Annules de Chemie. ( 3 ) XXXV. 383\u2014438. Casinos. II. 496 \u2014 497 und 630 \u2014 639. C. fi. XXXVI. 7\u00e48\u2014 731. 1 Pogg. Ann. LXXXYI. 78 - 88.\ns Photometrische Untersuchungen. Dissert\u00e2t. Hasel 1859.\n1 6. II. XXXVII. 774.","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 21.\nmeinsame R\u00f6hrenst\u00fcck ist durch ein SoLEiL\u2019sches Polariskop geschlossen. So lange die beiden senkrecht gegen einander polarisirten Lichtmengen ungleiche Intensit\u00e4t haben, sieht man vier complement\u00e4r gef\u00e4rbte Halbkreise. Hie Farben verschwinden, wenn man beide Lichtmengen dadurch gleich macht, dass man die Entfernung der Flammen ver\u00e4ndert. In diesem Instrumente ist also die Vergleichung der Lichtst\u00e4rke f\u00fcr das Auge zur\u00fcckgef\u00fchrt auf. die Vergleichung der Farben benachbarter Fl\u00e4chen.\nIm Princip \u00e4hnlich ist das auf einer Idee von Neumann beruhende Photometer von Wild >, aber durch die Ab\u00e4nderung des physiologischen Theils des Apparats scheint in diesem Instrumente der h\u00f6chste Grad von Empfindlichkeit erreicht zu sein. Die beiden zu vergleichenden Strahlen fallen parallel mit einander auf das Instrument und werden schliesslich zur Deckung gebracht, indem der eine unter dem Polarisationswinkel erst von einer Glasplatte A und dann von einem ihr parallelen Satze von Glasplatten \u00df reflectirt und vollst\u00e4ndig polari-sirt wird, w\u00e4hrend der andere Strahl durch den Glassatz B hindurchgeht. Ehe dieser zweite Strahl jedoch unter dem Polarisationswinkel auf den Glassatz \u00df trifft, ist er schon durch einen eben solchen Glassatz C hindurchgegangen. Der Glassatz C ist um eine Axe drehbar, so dass der Strahl ihn unter verschiedenen genau messbaren Winkeln passireu kann, wodurch die Menge des durchgelassenen Lichts und das Verh\u00e4ltniss seiner Polarisation ge\u00e4ndert wird. Uebrigens ist der Glassatz C so gestellt, dass die Polarisation, die der Strahl in ihm erh\u00e4lt, entgegengesetzt ist derjenigen, welche ihm der Glassatz B mittheilen w\u00fcrde. Lassen wir den zweiten Strahl senkrecht durch \u00c7 gehen, so f\u00e4llt er unpolarisirt auf \u00df, und wird hier entgegengesetzt dem ersten reflectirten Strahle polarisirt, mit dem er \u00fcbrigens von da ab auf demselben Wege vereinigt weiter geht. Wird C mehr und mehr geneigt, so nimmt die Menge polarisirten Lichts im zweiten Strahle mehr und mehr ab, und zwar in einem Verh\u00e4ltnisse, welches man nach Messung des Einfallswinkels berechnen kann. Mit dem vollst\u00e4ndig polarisirten ersten Strahle wird also eine variable Menge theils entgegengesetzt polarisirten, theils nat\u00fcrlichen Lichts des zweiten Strahls gemischt. Dieses gemischte Licht geht nun schliesslich durch eine senkrecht zur Axe geschnittene Kalkspathplatte und einen Turmalin. Ist die Menge polarisirten Lichts in beiden Strahlen gleich gross, so sieht der Beobachter nichts von dem Kreuz mit Ringen in der Kalkspathplatte, wohl aber wird dieses Kreuz sichtbar, sobald die Mengen polarisirten Lichts in beiden Strahlen nicht gleich gross sind. Die Empfindlichkeit des Auges im Erkennen der Polarisationsfigur des Krystalls zeigte sich ausserordentlich gross, so dass bei wiederholten Einstellungen das Verh\u00e4ltniss der Intensit\u00e4ten sich nur um y200 verschieden fand. Eine noch gr\u00f6ssere Genauigkeit hat Wild 2 in seinem neueren Photometer erreicht, wo er statt der polarisirten Glasplatten doppeltbrechende Krystalle und als Polariskop zwei gekreuzte Berg-krystallplatten benutzte, welche unter 43u gegen die Axe geschnitten sind. Durch Linsen sind die Strahlen, die hindurchgehen, parallel gemacht. Dergleichen Platten zeigen ein geradliniges Fransensystem, von dem bei passender Einstellung des Apparats nur ein Querstreifen ausgel\u00f6scht wird, w\u00e4hrend zu beiden Seiten die Farben complement\u00e4r sind. Der Beobachter kann sehr genau auf die Mitte der ausgel\u00f6schten Fransen das Fadenkreuz einstellen. Nach Wild\u2019s Angaben betr\u00e4gt der Fehler bei einmaliger Einstellung nur zwischen 0,00 I und 0,002 der Lichtst\u00e4rke.\nTalbot 3 hat zur Schw\u00e4chung des Lichts eine rotirende Scheibe mit schwarzen und durchsichtigen Sectoren angewendet, und dieses Mittel ist auch von Babinet und Secciii 1 2 3 * 5 zu Messungen der Sternhelligkeiten angewendet worden.\nVon Pouillet \u00e4 ist zur Erleichterung des physiologischen Theils der photometrischen Methoden vorgeschlagen worden, Lichtbilder zu gebrauchen, die nach Daguerre\u2019s Verfahren\n\u2018 l'ogg. Ann. XCIX. -233.\n2\tMitth. der bernischen nalurf. Ges. 1839. .No. 127\u2014129.\n3\tl\u2019ogg. Ann. XXXV. 137 , 461. Phil. Magaz. Nuv. 1831. p. 327. Dar\u00fcber Plateau in Bullet, de l\u2019Acad. de Bruxelles. 1833. p. 32.\n1 Arc1:, d. sc. phtjs de Gen\u00e8ve. XX. 121 \u2014 122. Mcmorie dcW'osscrvatorio di ltoinu. Cosines. I. 13.\n5 C, Il XXXV. 373 \u2014 379. l\u2019ogg. Ann. LXXXV1I. 190 \u2014 498. Inst. 1832. p, 3JI. Cosmos. 1. 346 \u2014 349.","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 21.\nMETHODEN DER PHOTOMETRIE,\n333\nauf polirtcn Silbcrplattcn ausgef\u00fchrt sind. Um ein solches Bild positiv zu sehen, muss es von der Seite beleuchtet sein, der Beobachter aber muss so stehen, dass er irgend einen dunklen K\u00f6rper, aber nicht das einfallende Licht von der Platte gespiegelt erblickt. Erblickt er im Gegentheil einen sehr hellen K\u00f6rper von der Platte gespiegelt, so erscheint das Bild negativ, was hell sein sollte, dunkel, und umgekehrt. Dazwischen aber giebt es eine gewisse Helligkeit der gespiegelten Fl\u00e4che, bei welcher das Bild ganz verschwindet, w\u00e4hrend es bei der geringsten Vermehrung oder Verminderung der Helligkeit positiv oder negativ auftaucht.\nEin von den bisherigen ganz abweichendes physiologisches Princip der Photometrie hat SchafhXutl 1 benutzt, f\u00fcr dessen Richtigkeit er aber bisher den Beweis noch schuldig geblieben ist. Er behauptet, das Zeitintervall, welches zwischen zwei gleichartigen Lichteindr\u00fccken verfliessen kann, ohne dass das Auge die Unterbrechung bemerkt, sei proportional der Wurzel aus der Intensit\u00e4t des Lichts. Sein Apparat besteht aus einer Stahlfeder, die an ihrem unteren Ende so eingeklemmt ist, dass sie in ihrer Gleichgewichtslage vertical steht. An ihrem oberen Ende tr\u00e4gt sie einen rechtwinkligen Schirm von d\u00fcnnem geschw\u00e4rzten Kupferblech, der in der Mitte von einer rechteckigen Oeffnung durchbrochen ist. Durch eine horizontale von zwei Dioptern geschlossene R\u00f6hre sieht der Beobachter auf den Schirm, welchen die Feder tr\u00e4gt; dahinter ist die Lichtquelle so aufgestellt, dass ihr Licht nur dann in das Auge des Beobachters dringen kann, wenn der Schlitz des Schirms in der Axe der Diopterr\u00f6hre sich befindet. Die Feder wird so lange verk\u00fcrzt, bis das Bild der Lichtquelle nicht mehr zitternd, sondern ruhig .erscheint. Die Lichtintensit\u00e4ten sollen den Quadraten der Schwingungszeiten (umgekehrt?) proportional sein, oder den vierten Potenzen der Federl\u00e4ngen. Selbst wenn wir die erstere Proportionalit\u00e4t zugeben wollten, w\u00fcrde die letztere bei einer schwingenden belasteten Feder nicht zutreffen.\nEndlich ist hier noch die Methode zu erw\u00e4hnen, welche Fraunhofer 2 gebraucht hat, um die Lichtst\u00e4rke der verschiedenen Farben des Spectrum von Glasprismen unter einander zu vergleichen. Das Spectrum wurde wie gew\u00f6hnlich durch ein Fernrohr beobachtet, vor dessen Objectiv A {Fig. 156) ein Prisma Ocularr\u00f6hre ist, 48\u00b0 gegen die Axe des Fernrohrs geneigt, ein kleiner Stahlspiegel s befestigt, dessen eine scharfe Kante in der Brennebene des Oculars liegt und die Fernrohraxe schneidet. In der vom Spiegel nicht bedeckten H\u00e4lfte der Ocular-blendung erscheint ein Theil des prismatischen Spectrum. Der Spiegel dagegen reflectirt das Licht einer kleinen Oelflamme L, welche in einem seitlich der Ocularr\u00f6hre angesetzten, oben und unten aufgeschlitzten Rohre verschiebbar ist. Vor dieser Flamme ist eine kleine Blendung b angebracht, dijrch die die sichtbare leuchtende Fl\u00e4che begrenzt ist.\nDem Beobachter erscheint dieses Licht nur in einem breiten Zerstreuungskreise, dessen Helligkeit dem Quadrate der Entfernung sb umgekehrt proportional ist.\nHelligkeit der beiden in der Ocularblendung erscheinenden Halbkreise gleich ist, d. h. bis die Grenze beider am undeutlichsten erscheint. Die Versuche von Fraunhofer haben sehr wenig \u00fcbereinstimmende Zahlen gegeben f\u00fcr die Helligkeit der verschiedenen Theile des Spectrum,\nP gesetzt ist. \u00df ist die Ocularlinse. Innerhalb der\nMan verschiebt nun die Lampe so lange, bis die\n' Abbildung und Beschreibung des XJniversal-Vibrations-Pholometer. M\u00fcnchner Abhandl. VII. 465 \u2014 497. 2 Gilbert\u2019s Ann. 1817. \u00dfd. 56. S. 297","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 21.\nwahrscheinlich haupts\u00e4chlich deshalb, weil ihm der Einfluss der absoluten Intensit\u00e4t auf die relative Helligkeit der Farben unbekannt war.\nDie ersten Messungen \u00fcber die Empfindlichkeit des Auges fiir Lichtunterschiede hat Bouguer ausgef\u00fchrt, und dabei gefunden, dass die wahrnehmbare Differenz ein nahehin constanter Bruehtheil der ganzen Intensit\u00e4t sei. Dasselbe Gesetz wurde sp\u00e4ter von Steinheil, Masson, Arago, Volkmann bei photometrischen Messungen wiedergefunden, und von Fechneb ausf\u00fchrlich behandelt.\nDie Beobachtungen \u00fcber die verschiedene relative Helligkeit der Farben .sind zum Theil von Purkinje, sp\u00e4ter vollst\u00e4ndiger von Dove, an Spectralfarben von Helmholtz ausgef\u00fchrt.\nUnter den Gegenst\u00e4nden dieses Paragraphen sind \u00fcber die Irradiation die meisten Untersuchungen und Streitigkeiten gef\u00fchrt worden. Die Thatsache, dass helle Gegenst\u00e4nde unter Umst\u00e4nden vergr\u00f6ssert erscheinen, dr\u00e4ngte sich nat\u00fcrlich schon fr\u00fch der Beobachtung auf. Plateau citirt Epikur\u2019s Brief an Pythokles, in dem erw\u00e4hnt wird, dass eine Flamme bei Tage in der Ferne kleiner aussehe als bei Nacht, und dass deshalb auch wohl die Sterne zu gross erscheinen k\u00f6nnten; dann den Anfang der dritten Satire des Persius. \u2014 Jam darum mane fenestras Intrat et angustas extendit lamine rimas.\nSp\u00e4ter waren es besonders die Astronomen, welche die Erscheinungen der Irradiation untersuchten, weil sie sich bei ihren Beobachtungen \u00fcber die Gr\u00f6sse der Himmelsk\u00f6rper st\u00f6rend bemerklich machte. Keppler 1 schob sie haupts\u00e4chlich auf mangelnde Accommodation und hat damit allerdings das Wesentliche der meisten dazu geh\u00f6rigen Erscheinungen getroffen. Ebenso studirte sie Galilei 2 genauer; er spricht es aus, dass sie desto lebhafter ist, je gr\u00f6sser der Unterschied des hellen Objects und des dunklen Grundes, dass helle Objecte stets vergr\u00f6ssert werden, dagegen dunkle Objecte auf hellem Grunde (Merkur und Venus vor der Sonne) verkleinert werden, dass die Vergr\u00f6sserung sehr kleiner Objecte am bedeutendsten ist. Anfangs glaubte er, wie Gassendi1 2 3, annehmen zu d\u00fcrfen, dass leuchtende Gegenst\u00e4nde die umgebende Luft entz\u00fcndeten, sp\u00e4ter aber suchte er den Grund richtiger in unregelm\u00e4ssigen Brechungen im Auge. Auch Gassendi glaubte sp\u00e4ter, dass die Sterne bei Nacht gr\u00f6sser erschienen, weil die Pupille weiter sei. F\u00fcr sein Auge schwankte der Durchmesser des Mondes, je nach der Helligkeit des Grundes, zwischen 33' und 38'. Die Verkleinerung kleiner Gegenst\u00e4nde auf hellem Grunde er\u00f6rterte namentlich Schickard 4 5 6, der zugleich die Behauptung aufstellte, dass das Licht am Rande dunkler Objecte sich zum Theil in den Schattenraum hinein ausbreite, wie denn auch sp\u00e4ter le Gentil 5 die Irradiation durch Diffraction zu erkl\u00e4ren suchte. Dagegen suchte Horrockes 6 in Galilei\u2019s Sinne zu vertheidigen, dass die Irradiation ihren Sitz im Auge habe. Descartes meinte, dass beim Anblick heller Gegenst\u00e4nde die Pupille sich verengere, das Auge einem nahe sehenden \u00e4hnlich werde, und dadurch die Beurtheilung der Entfernung und Gr\u00f6sse solcher Objecte ver\u00e4ndert werde, ausserdem aber k\u00f6nne die Bewegung der Netzbautelemente, wenn sie sehr heftig werde, auf die benachbarten \u00fcbertragen werden, so dass das empfundene Bild gr\u00f6sser erscheine. Hierdurch ist- Descartes der Urheber der auf Uebertragung der Nervenerregung gegr\u00fcndeten Theorie der Irradiation geworden. Als nun sp\u00e4ter die Astronomen stark vergr\u00f6ssernde lind gut gearbeitete Fernr\u00f6hre zu gebrauchen anfingen, machte sich die Irradiation bei den gr\u00f6sseren Gestirnen kaum noch merklich, und man fing an sie zu bezweifeln und zu l\u00e4ugnen 7, w\u00e4hrend andere Astronomen ihre Existenz anerkannten 8. Bei den astronomischen Beobachtungen vermischen sich in der Regel die Wirkungen der chromatischen und sph\u00e4rischen Aberration des Fernrohrs mit denen der Unvollkommenheiten des Auges, und es musste hier nothwendig das Urtheil der Astronomen, welche Fernr\u00f6hre gebrauchten, verschieden ausfallen, je nach der Beschaffenheit des Fernrohrs. Dass bei den besten Fernrohren die Irradiation sich in den Messungen nicht mehr merklich macht, hat namentlich Bessel 1832 beim Durchgang des Merkur voider Sonne gezeigt.\nW\u00e4hrend die Astronomen meistens nur die Frage verhandelten, ob Irradiation bestehe oder nicht, die Frage \u00fcber ihre Ursachen dagegen \u00fcbergingen, fingen andere Naturforscher\n1\tParalipomena. p. 217, 220, 285.\n2\tOpere\tdi Galilei. T. II.\tp. 18; 255 \u2014 257 , 398 ; 467 \u2014 469. Systema cosmicum. Lyon 1641.\tDial.\tHI. p., 248.\n3\tOpera\tomnia. Florenz\t1727. T. III. p. 385 , 567 , 583 \u2014 585. T. I. |p. 499 \u2014 508.\n4\tPars responsi ad epistolas P. Gassendi de Mercurio sub sole viso. Tubingae 1632.\n5\tMein, de l\u2019Acad. d. Sc. de Paris. 1784. p. 469. (Gelesen 1743.)\n6\tVenus in sole visa. Cap. XVI. Abgedruckt hinter Hevelius\u2019 Mercurius in sole visus.\n7\tBiot.\tTrait\u00e9 \u00e9l\u00e9mentaire d\u2019astronomie physique edit. 2,ne. p. 534 , 536. \u2014 Delambre. Astronomie th\u00e9orique\net pratique.\tT. II. chap. 26.\t\u00a7. 197. T.-III. chap. 29. \u00a7. 12. \u2014 Bessel Astronom. Nachrichten\t1832.\tNo. 228.\n8\tHassenfratz. Cours de physique c\u00e9leste. 1810. p. 23. \u2014 J. IIerschel. On light. T. I. \u00a7. 697. \u2014 Quetelet Positions de Physique. 1829. T. III. p. 81. \u2014 Brandes in Gehler\u2019s physikal. W\u00f6rterbuch. Neu bearbeitet. V. 796. Robison. Mem. of the Boy. Aslron. Soc. of London. V. p. 1.","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 21.\nGESCHICHTE DER IRRADIATIONSLEHRE.\n335\nauch an, letztere Frage zu behandeln. J. M\u00fcller 1 betrachtete anfangs die Irradiation, wie wir es oben gethan haben, als eine Ausbreitung objectiven Lichts, sp\u00e4ter wurde er selbst, so wie die meisten anderen Physiologen jener Zeit, in welcher sich auch die Lehre von den Mitempfindungen entwickelte, durch die sehr ausf\u00fchrliche Arbeit von Plateau 2 \u00fcber die Irradiation bewogen, sie von einer Uebertragung der Reizung von einem Netzhautelement auf das andere abzuleiten. Die Erscheinungen, welche Plateau als Irradiation beschreibt, sind von der Art, wie sie ein schwach kurzsichtiges Auge an entfernteren Gegenst\u00e4nden sehen muss, es sind also meist Erscheinungen unvollkommener Accommodation. Diese Deutung weist er aber zur\u00fcck, weil er auch die geringe Irradiation, welche sehr helle Gegenst\u00e4nde in der Entfernung des deutlichen Sehens zeigen, beobachtet hatte, und die \u00fcbrigen Ursachen der Lichtzerstreuung im Auge, welche in diesem Falle wirksam werden, noch nicht kannte. Er st\u00fctzt sich ferner darauf, dass nach seinen Versuchen die Irradiation bei verschieden entfernten Objecten immer dieselbe Winkelgr\u00f6sse behalte; doch beziehen sich seine Messungen nur auf Entfernungen von mehr als 0,6 Meter, also auf Distanzen, innerhalb deren sich der Accommodationsfehler nicht mehr merklich \u00e4nderte. Auffallend ist, dass ihn seine Versuche mit Linsen, die die richtige Sehweite herstellten, und damit die Irradiation aufhoben, nicht auf die richtige Erkl\u00e4rung geleitet haben. Ebenso m\u00f6chte es schwer sein, seinen Satz, dass zwei benachbarte Irradiationen sich gegenseitig schw\u00e4chen, mit irgend einer Voraussetzung, wie Mitempfindungen erregt werden m\u00f6gen, zu vereinigen. Denn wenn die Netzhauttheile, welche im Bilde des schwarzen Streifens liegen, von beiden Seiten her in Erregung versetzt werden, muss ihre Erregung nothwendig st\u00e4rker werden, als wenn nur an einer Seite ein belles Feld anst\u00f6sst. Plateau muss die genannte Behauptung aufstellen, um zu erkl\u00e4ren, dass ein feiner schwarzer Strich auf einem hellen Felde \u00fcberhaupt noch gesehen wird, wenn der Strich schmaler ist als die Breite,- der Irradiationss\u00e4ume; w\u00e4hrend sich alles einfach erkl\u00e4rt, wenn man annimmt, die Irradiation r\u00fchre von Zerstreuungsbildern her.\nEine Kritik der Arbeit von Plateau hat Fechner und sp\u00e4ter ausf\u00fchrlicher H. Welcker 1 2 3 gegeben und die Erkl\u00e4rung von Keppler wiederhergestellt, welche in der That hei weitem die meisten F\u00e4lle der Irradiation umfasst. Hinzuzusetzen w\u00e4re der Welcker\u2019sehen Arbeit eben nur noch, dass sehr kleine und sehr helle Gegenst\u00e4nde auch in der Entfernung des deutlichsten Sehens Irradiation zeigen, wegen der \u00fcbrigen Arten der Abweichung der Strahlen im Auge. An Welcher schlossen sich andere an, welche die verschiedenen Arten der Lichtzerstreuung im Auge f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der Irradiation gebrauchten, namentlich lenkten Fliedner 4'und H. Meyer 5 (Leipzig), Cramer die Aufmerksamkeit auf die monochromatischen Abweichungen des Auges, Fick auf die chromatische. Es fehlte aber den bisher gegebenen objectiven Erkl\u00e4rungen der Irradiation immer noch der Grund, warum nur die Erh\u00f6hung der Helligkeit auf dem dunklen Grunde, und nicht zugleich die Schw\u00e4chung am Rande der hellen Fl\u00e4che wahrgenommen wird. Diesen meint der Verfasser in der obigen Darstellung nach-gewiesen zu haben.\nMessung der Empfindlichkeit.\n1760. Bouguer. Trait\u00e9 d\u2019Optique sur la gradation de la lumi\u00e8re, publ. par Lacaille. Paris 81.\n1837. Steinheil. Abhandl. der math.-phys. Klasse der bayr. Akademie 1837. S. 14. 1845. Masson. Ann. de chim. et de phys: #\u00dcV. 150.\n1858. Arago. Oeuvres compl\u00e8tes. X. 255.\n*G. Th Fechner. Ueber ein wichtiges psychophysisches Gesetz. Leipzig. Aus den Abhandl. der s\u00e4chs. Gesellschaft der Wissensch. Math.-phys. Klasse. IV. 457. \u2014 Nachtrag dazu im Berichte der s\u00e4chsischen Gesellschaft 1859. S. 58.\nVergleichung der Helligkeit verschiedener Farben.\n1814. J. Fraunhofer in Denkschr. der bayr. Akad. V. 211.\n1825. Purkinje. Zur Physiologie der Sinne. II. 109.\n1852. *Dove. Ueber den Einfluss der Helligkeit einer weissen Beleuchtung auf die relative Intensit\u00e4t verschiedener Farben. Berl. Monatsber. 1852. S. 69 \u2014 78. Pogg. Ann.\n1\tZur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes. 1826. S. 400.\n2\tM\u00e9m. de l'Acad. de Bruxelles. T. XI. Pogg. Ann. Erg\u00e4nzungsband. I. S. 79, 193 , 405.\n3\tUeber Irradiation und einige andere Erscheinungen des Sehens. Giessen 1852.\n1 Pogg. Ann. LXXXV. 348.\ns Pogg. Ann. LXXX1X. 540.","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336\tZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN. \u00a7-21.\nLXXXV. 397 \u2014 408. Inst. 1852. p. 4 93. Phil. Magaz. (4) IV. 240\u2014249. Arch, it ie vims XXI. \u201c215 \u2014 219. Cosmos. .1. 208 \u2014 211.\nPO\u00dcILLET C R. XXXV. 373-379. Pogg. Ann. LXXXVII. 490^498. Inst. 1852. p. 301. Cosmos. I. 546 \u2014 549.\n1855. H. Helmholtz. In Pogg. Ann. XCIV. 18\t21.\nIr\n1604.\n1619.\n1632.\n1 637. 1642.\n1738.\n1 743. 1810. 1811. 1814.\n1826.\n1828.\n1829.\n1832. 1838.\n1840.\n1849.\nradiation.\nKeppler ad Vitellionem Paralipomena\nFrankfurt 1604. p. 217.\nGalilei. Discorso dette comete di Mario Guiducci. Op\u00e8re II. 256, ferner Op. II. 18 396, 467 \u2014 469. Systema cosmicum. Lyon 1641. Dial. III. p. 248. Schickard. Pars responsi ad epistolas P. Gassendi de Mereurio sub sole viso.\n_ , ,\t\u25a0 n\t/ Tl _ Til - -L ...I.. 4 .Imi.ili Tlpa/IioIi An i\u2019 01*1; IAIIIO I'f 1\nOpera\nT. III.\nT. XI.\n1850.\n1851.\n1852.\n1853.\n1854.\n1855.\n1856.\n1857.\n1\nSuui^n..\u201c._______\t__r_____\nTubingae 1632. (Der* Planet wird durch Irradiation verkleinert.)\nDescartes. Dioptrique. Leyde 1637. Discours. VI. p. 67 und 68.\nGassendi. Epistola III de proportione, qua gravia decidentia accelerantur. omnia. III. 585.\nJurin. On distinct and indistinct vision. \u00a7. 53, in Smith\u2019s Optics.\nLe Gentil. M\u00e9m. de l\u2019Acad. des sc. de Paris. 1784. p. 469.\nHassenfratz. Cours de physique c\u00e9leste. 1810. p. 23.\nBiot. Trait\u00e9 \u00e9l\u00e9mentaire d\u2019astronomie physique, \u00e9dit. 2me. p. 534, 536.^ Delambre. Astronomie th\u00e9orique et pratique. T. IL Chap. 26.\t\u00a7. 197.\nChap. 29. \u00a7.12.\nJ. M\u00fcller. Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinns. S. 400.\nBrandes in Geiiler\u2019s neuem physik. W\u00f6rterbuch. V. 796.\nJ. Herschel. On light. I. \u00a7. 697.\nQuetelet. Positions de physique. HI. 81.\nBessel in Astronom. Nachrichten 1832. No. 228.\n\u2018Plateau. M\u00e9moire sur l\u2019irradiation Notai. M\u00e9m. de l'Acad, de Bruxelles.\nPogg. Ann. Erg\u00e4nzungsbd. I. S. 79. 193, 405.\nFechner. Von der sogenannten Irradiation. Pogg. Ann. L. 195.\nBaden Powell sur l\u2019irradiation. Inst. 1849. No. 818. p. 288. Memoirs of the London astron. Society. XVIII. p. 69. Inst. No. 840. p. 47. Report of British Assoc. 1849. 2. p. 21.\nHaidinger. Das Interferenzschachhrettmustcr. Wiener Ber. VII. 389. Pogg. Ann; LXXXV. 350. Cosmos. I. 252, 454. (Fall von Irradiation, vermischt mit monochromatischen Abweichungen. )\nDove. Ueber die Ursache des Glanzes und der Irradiation. Pogg. Ann. LXXXYIII. 169. Berl. Monatsber. 1851. p. 252. Phil. Mag. (4) IV. 241. Arch. d. sc. phys. et nat. XXL 209. Inst. No. 991. p. 421.\n*H. Welcher. Ueber Irradiation und einige andere Erscheinungen des Sehens. Giessen 1852.\nFliedner. Beobachtungen \u00fcber Zerstreuungsbilder im Auge, so wie \u00fcber die Theorie des 'Sehens. Pogg. Ann. LXXXV. 348.\nTrouessart. Note concernant ses recherches sur la th\u00e9orie de la vision. C. R. XXXV. 134\u2014136. Arch, d, sc. phys. XX. 305 \u2014 306.\nL. L. Vall\u00e9e. M\u00e9moire XIII. De M vision consid\u00e9r\u00e9e dans les influences en quelque sorte mol\u00e9culaires, exerc\u00e9es dans les' r\u00e9fractions, et du ph\u00e9nom\u00e8ne de l\u2019irradiation. C. R. XXXV. 679 \u2014 681.\nH. Mener. Ueber die sph\u00e4rische, Abweichung des menschlichen Auges. Pogg. Ann. LXXXIX. 540\u2014568. Fechner. Centralblatt 1853. p. 864.\nF. Burckhardt zur Irradiation. Verh. der naturforsch. Gesellschaft zu Basel. 1. 154\u2014157.\nA. Cramer. Beitrag zur Erkl\u00e4rung der sogenannten Irradiationserscheinungen. Prager Vierteljahrschrift 1855. IV. 50 \u2014 70.\nA. Fick. Einige Versuche \u00fcber die chromatische Aberration des menschlichen Auges. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. II. 2. p. 70 \u2014 76.\nA. W. Volkmann \u00fcber Irradiation. Bericht der s\u00e4chs. Gesellschaft 1857. p. 129.\n\u00a7. 22. Die Dauer der Lichtempfindung.\nWenn ein Muskelnerv durch einen kurzdauernden elektrischen Schlag erregt wird, so vergeht eine kurze Zeit (etwa %0 Sec.), ehe die Wirkung der","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 22.\nDAUER DES EINDRUCKS.\n337\nReizung durch Contraction des Muskels sichtbar wird, und es vergeht eine viel l\u00e4ngere Zeit (etwa y6 Sec.), ehe die Wirkung der Reizung auf den Muskel wieder verschwindet. Die Ver\u00e4nderung, welche durch die Reizung in den organischen Theilen eintritt, verl\u00e4uft also viel langsamer, als die elektrische Entladung, welche die Reizung bewirkte. Dasselbe findet im Auge statt. Wir k\u00f6nnen allerdings bis jetzt noch nicht naehweisen, dass die Empfindung sp\u00e4ter entsteht, als das Licht einzuwirken anf\u00e4ngt, aber wohl, dass sie noch andauert, wenn das Licht schon aufgeh\u00f6rt hat einzuwirken.\nDie Dauer der Nachwirkung ist desto gr\u00f6sser, je st\u00e4rker das einwirkende Licht gewesen ist, und je weniger erm\u00fcdet das Auge. Wenn man einen Augenblick nach der Sonne oder in eine helle Lichtflamme geblickt hat, und d.ann pl\u00f6tzlich die Augen schliesst und mit der Hand bedeckt, oder in einen absolut dunklen Hintergrund blickt, so sieht man noch kurze Zeit auf dem dunklen Grunde eine helle Erscheinung von der Gestalt des vorher gesehenen hellen K\u00f6rpers, welche allm\u00e4lig erblasst und dabei auch ihre Farbe ver\u00e4ndert. Die Nachbilder sehr heller Objecte sind am leichtesten zu sehen, weil sie am l\u00e4ngsten dauern. Uebrigens kann man auch von weniger hellen Objecten solche Nachbilder, wie sie hier beschrieben sind, erhalten, wenn nur das Auge vorher im Dunkeln geh\u00f6rig ausgeruht ist, und man dann f\u00fcr einen Augenblick das Object betrachtet. Ein solches Nachbild eines hellen K\u00f6rpers auf dunklem Grunde hat im ersten Augenblicke die Farbe des Objects, und zeigt oft sehr genau noch die einzelnen Theile des Objects in richtiger Gestalt und Schattirung. Dreht man z. B. in einem \u00fcbrigens unbeleuchteten Zimmer eine Lampe aus, indem man im letzten Augenblick\u00e9 noch nach der Flamme hinblickt, so sieht man nachher noch im Dunkeln das helle Bild der Flamme umgeben von dem etwas schw\u00e4cheren der Glocke u. s. w. Aendert man die Richtung des Auges, so bewegt sich das Nachbild in gleichem Sinne, sodass es immer diejenige Stelle des Gesichtsfeldes einnimmt, welche der urspr\u00fcnglich vom Lichte getroffenen Stelle der Netzhaut entspricht. Damit das Nachbild recht scharf gezeichnet sei, ist es n\u00f6thig, vom Object einen einzigen Punkt scharf zu fixiren. Wenn das Auge gewankt hat, ist das Nachbild verwaschen, oder man sieht auch wohl zwei oder drei Bilder des Objects sich theilweise deckend. Ist das Bild recht scharf gezeichnet, so kann man unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden an diesem Nachbilde Einzelheiten bemerken, auf die man w\u00e4hrend der Betrachtung des Objectes selbst die Aufmerksamkeit nicht gewendet, und die man deshalb \u00fcbersehen hatte.\nDergleichen Nachbilder heller Objecte, in denen die hellen Theile des Objects hell, die dunkeln dunkel erscheinen, und die deshalb positive Nachbilder genannt werden, vermischen sich \u00fcbrigens gew\u00f6hnlich, w\u00e4hrend sie allm\u00e4lig verschwinden, mit anderen Bildern, in denen das Helle des Objects dunkel, das Dunkle hellerscheint, mit negativen Nachbildern, welche haupts\u00e4chlich dadurch hervorgerufen zu sein scheinen, dass die Empf\u00e4nglichkeit der Netzhaut f\u00fcr Licht ebenfalls durch die vorausgegangene Lichtwirkung ver\u00e4ndert worden ist. Es lassen sich diese beiden Arten von Erscheinungen in der Beschreibung nicht streng von einander trennen. Ich werde deshalb die genauere Schilderung der positiven Nachbilder erst im n\u00e4chst^ Paragraphen mit der der negativen zu-\nEncyklop. <1. Physik. IX. Hsi.mhoi.tz, Physiol. Opt^J\t22","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 22.\nsammen geben, und in diesem Paragraphen mich darauf beschr\u00e4nken die Wirkungen schnell wiederholter Lichteindr\u00fccke zu beschreiben, bei denen die Nachdauer des Lichteindrucks rein zur Erscheinung kommt, ohne wesentlich durch die ver\u00e4nderte Reizempfindlichkeit des Auges gest\u00f6rt zu werden.\nDie Hauptthatsache dieses Gebietes ist die, dass hinreichend schnell wiederholte Lichteindr\u00fccke \u00e4hnlicher Art dieselbe Wirkung auf das Auge aus\u00fcben wie eine continuirliche Beleuchtung. Die Wiederholung des Eindrucks muss zu dem Ende nur so schnell geschehen, dass die Nachwirkung eines jeden Eindrucks noch nicht merklich nachgelassen hat, wenn der n\u00e4chste eintritt.\nAm leichtesten zeigen dies die rotirenden Scheiben. Wenn sich auf einer schwarzen Scheibe ein heller weisser Punkt befindet, und die Scheibe rotirt schnell genug, so erscheint an Stelle des rotirenden Punktes ein grauer Kreis, der in allen seinen Punkten ganz gleichm\u00e4ssig aussieht, und an welchem nichts mehr von Bewegung zu entdecken ist. Indem das Auge n\u00e4mlich irgend eine Stelle des scheinbar ruhenden Kreises fixirt, werden die Stellen der Netzhaut, auf welchen der Kreis sich abbildet, in schneller Wiederholung von dem Bilde des weissen Punktes getroffen, der sich in dem Kreise bewegt. Sie empfangen also einen Lichteindruck, der wegen der Schnelligkeit der Wiederholung conti-nuirlich erscheint, und nat\u00fcrlich nicht so stark ist, als wenn fortdauernd weisses Licht auf die Netzhaut fiele, daher nicht weiss, sondern grau erscheint. Bewegt sich dagegen das Auge selbst, so dass sein Fixationspunkt sich in derselben Richtung fortbewegt, wie der helle Punkt, so kann letzterer sichtbar und die scheinbare Continuit\u00e4t des grauen Kreises dadurch unterbrochen werden. Es ist leicht ersichtlich, dass wenn der Fixationspunkt des Auges sich eine Zeit lang genau ebenso schnell und in derselben Richtung fortbewegte, wie der helle Punkt und immer auf diesen geheftet bliebe, sich das Bild des hellen Punktes dauernd auf dem gelben Flecke der Netzhaut befinden w\u00fcrde, und auf die \u00fcbrigen Stellen des Augengrundes nur das Bild der dunklen Scheibe fallen w\u00fcrde. Unter diesen Umst\u00e4nden erkennt das Auge die Anwesenheit eines weissen Flecks an Stelle des grauen Kreises; ebenso wenn die Bewegungen des Fixationspunktes und des hellen Flecks zwar nicht ganz congruent sind, aber die relative Bewegung beider gegen einander verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gering ist\nBefindet sich auf der Scheibe noch ein zweiter heller Punkt in derselben Entfernung vom Mittelpunkte wie der erste, so wird auch der zweite scheinbar zu einem hellen Kreise ausgebreitet, welcher mit dem hellen Kreise des ersten Punktes zusammenf\u00e4llt. Die Eindr\u00fccke beider Punkte auf der Retina addiren sich. Ebenso wenn eine gr\u00f6ssere Zahl heller Punkte auf demselben Kreise stehen. Wenn man sich daher auf einer solchen rotirenden Scheibe Kreislinien gezogen denkt, deren Mittelpunkt in der Rotationsaxe der Scheibe liegt, so geben bei der Rotation alle Punkte einer solchen Kreislinie einzeln genommen das Bild einer gleichm\u00e4ssig beleuchteten Kreislinie, und alle diese kreisf\u00f6rmigen Bilder\n1 Siehe \u00fcove in Pogg. Ann. I.XXI. 112. XVIII. 2. p. 4. Institut 1847. No. 928. p.\nSteveely in Sin.\u2122 J. (5.) X. 401. \u2014 Mo.ntig.ny.\n332.\n\nHull, de Bruxelles.","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7- 22.\nR\u00d6HRENDE SCHEIBEN.\n339\nder einzelnen Punkte fallen auf dieselben Theile der Netzhaut und vereinigen sich hier zu einem Gesammtbilde. F\u00fcr diese Erscheinung kann man nun folgendes Gesetz aufstellen: Jede Kreislinie der Scheibe, deren Mittelpunkt in der Rotationsaxe liegt, erscheint so, als ob alles Licht, welches s\u00e4mmtliche Punkte der Kreislinie von sich geben, gleichm\u00e4ssig \u00fcber die ganze L\u00e4nge der Kreislinie verbreitet sei, und zwar scheint dieses Gesetz ebenso gut f\u00fcr einfarbiges wie f\u00fcr vielfarbiges Licht zu gelten. Beziehen wir dieses Gesetz auf die Th\u00e4tigkeit der Netzhaut selbst, so k\u00f6nnen wir es so aussprechen: Wenn eine Stelle der Netzhaut von periodisch ver\u00e4nderlichem und regelm\u00e4ssig in derselben Weise wiederkehrendem Lichte getroffen wird, und die Dauer der Periode hinreichend kurz ist, so entsteht ein continuirlicher Eindruck, der dem gleich ist, welcher entstehen w\u00fcrde, wenn das w\u00e4hrend einer jeden Periode eintreffende Licht gleichm\u00e4ssig \u00fcber die ganze Dauer der Periode vertheilt w\u00fcrde.\nUm die Richtigkeit dieses Gesetzes zu pr\u00fcfen, construire man sich solche Scheiben, wie Fig. 137. Der innerste Ring zeigt die halbe Peripherie Weiss, die andere H\u00e4lfte Schwarz; im mittleren Ringe sind zwei Viertel, d. h. wieder die halbe Peripherie weiss, im \u00e4usseren ebenso vier Achtel, der Rest schwarz. L\u00e4sst man eine solche Scheibe rotiren, so erscheint sie in ihrer ganzen Ausdehnung ganz gleichm\u00e4ssig grau gef\u00e4rbt, Nur muss man darauf achten, dass die Scheibe schnell genug rotirt, um auch im innersten Ringe einen vollkommen continuirlichen Eindruck zu geben. Ebenso kann man auch das Weiss \u00fcber andere beliebig lange Bogenst\u00fccke der Peripherie vertheilen; vorausgesetzt nur, dass in allen Ringen der Scheibe die Summe der Winkel, welche das Weiss einnimmt, gleich gross ist, so geben alle immer dasselbe Grau. Statt des Schwarz und Weiss kann man auch verschiedene Farben nehmen, und erh\u00e4lt in allen Ringen dieselbe Mischfarbe, wenn die Summe der Winkel, welche jede der beiden Farben in den verschiedenen Ringen einnimmt, gleich gross ist.\nAuf diese Weise kann man leicht eine grosse Menge von Pr\u00fcfungen des Gesetzes ausf\u00fchren, aber freilich immer nur intermittirendes Licht mit inter-mittirendem vergleichen, und zwar nur unter Umst\u00e4nden, wo die Qualit\u00e4t der beiden Eindr\u00fccke, welche abwechseln, in den verschiedenen verglichenen F\u00e4llen dieselbe ist.\nUm nun die Richtigkeit des Gesetzes auch f\u00fcr solche F\u00e4lle zu veriliciren, wo intermittirendes Licht mit continuirlichem verglichen werden soll, habe ich die in Fig. 157 abgebildete Scheibe angewendet, auf welcher Weiss und Schwarz gleich grosse Winkel einnehmen. Bei der Rotation erscheint ein Grau von der halben Helligkeit des Weiss. Nun kann man' andererseits ein solches Grau her-\n22 *","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEIIPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 22.\nVorbringen, wenn man auf eine schwarze Tafel einen weissen Streifen legt, und diesen durch ein doppeltbrechendes Prisma ansieht. Dann erscheinen zwei Bilder des Streifen, jedes aber von der halben Helligkeit, Eine gr\u00f6ssere graue Fl\u00e4che dieser Art erh\u00e4lt man, wenn man abwechselnd gleich breite weisse und schwarze Streifen auf der Tafel anbringt, und sich mit dem doppeltbrechenden Prisma in eine solche Entfernung stellt, dass die Doppelbilder der weissen Streifen sich genau mit denen der schwarzen decken; dann erscheint die ganze Fl\u00e4che grau mit der halben Helligkeit der weissen Streifen. Dieses Grau ist nun genau dasselbe, welches durch Umdrehung der Scheibe Fig. 157 entsteht. Nat\u00fcrlich muss man bei der Vergleichung zu letzterer dasselbe Schwarz und Weiss nehmen, aus dem man die parallelen Streifen gemacht hat, muss beide Fl\u00e4chen genau gleich beleuchten, und auch die rotirende Scheibe durch das doppeltbrechende Prisma betrachten, aber so, dass sich ihre beiden Bilder nicht trennen, damit auch das Licht der Scheibe der Reflexion und Absorption im Prisma eben unterworfen wird, wie das der weissen Streifen. Plateau erwies dasselbe Gesetz auf folgendem Wege. Er brachte eine rotirende Scheibe mit weissen und schwarzen Sectoren und eine ganz weisse in verschiedene Entfernung von einem Lichte, bis ihre Helligkeit gleich gross erschien. Ist die Zahl der weissen Sectoren n, und die Breite jedes einzelnen in Winkelgraden gleich w, so ist die Breite aller zusammengenommen gleich nie. Hat nun das Weiss in der Entfernung 1 von der Lichtquelle die Helligkeit H, und denken wir das Licht, welches es aussendet, \u00fcber die ganze Scheibe gleichm\u00e4ssig verbreitet, so wird die Helligkeit geschw\u00e4cht in dem Verh\u00e4ltnisse, welches die Fl\u00e4che der ganzen\n71 IV\nScheibe zu der der weissen Sectoren hat. Die Helligkeit wird also \u201e - II.\n\u00f6uU\nWenn nun die rotirende Scheibe in der Entfernung r von der Lichtquelle gleich hell ist mit einer ganz weissen Scheibe in der Entfernung R, so muss sein\nn w II ___ II r'1 ________ n w\n560\t\u2014 W 0t Cr W ~36\u00d6'\nDie Messungen Plateau\u2019s stimmen mit diesem Gesetz auch gen\u00fcgend \u00fcberein.\nIch selbst habe ausserdem auch noch folgenden Weg eingeschlagen. Wenn man eine mit schmalen schwarzen und weissen Sectoren bedeckte Scheibe hat, so kann man eine scheinbar gleichm\u00e4ssige Vertheilung des Lichtes der weissen Sectoren \u00fcber die ganze Scheibe hervorbringen, indem man zwischen Auge und Scheibe eine convexe Glaslinse bringt, welche die Accommodation verhindert. Steht die Pupille im hinteren Brennpunkte der Linse, so dass das Bild, welches die letztere von der Scheibe entwirft, in die Fl\u00e4che der Pupille f\u00e4llt, und gr\u00f6sser ist als die Pupille, so erscheint das Licht der hellen Sectoren gleichm\u00e4ssig \u00fcber das ganze durch die Linse gesehene Gesichtsfeld ausgegossen. N\u00e4hert man dagegen die Linse der Scheibe, so sieht das Auge mehr oder minder scharf die einzelnen weissen und schwarzen Sectoren, so lange die Scheibe stillsteht. Ist die Scheibe in Bewegung, so bleibt die Helligkeit gleich gross, man mag die Linse dem Auge oder der Scheibe n\u00e4her bringen, woraus","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 22.\nINTERMITTIRENDE RELEUCHT\u00dcNG.\n341\nunmittelbar folgt, dass das Auge von dem intermittirenden Licht gleich stark, wie von einer gleichen Quantit\u00e4t continuirlich ankommenden Lichtes afficirt wird.\nF\u00fcr farbiges Licht geht die Richtigkeit des oben hingestellten Satzes aus den Versuchen von Dove hervor \u00fcber die Erscheinungen, welche rotirende Polarisationsapparate darbieten. Wenn zwischen zwei NicoL\u2019sche Prismen doppeltbrechende Krystallplatten eingeschaltet sind, so entstehen bekanntlich in vielen F\u00e4llen bei gewissen Stellungen der genannten Prismen Farben, die theils gleich-massig \u00fcber das ganze Feld verbreitet sind, theils farbige Figuren bilden. Bei allen diesen Erscheinungen bekommt aber jeder Punkt der Figur, wie theoretisch in der Lehre von der Polarisation des Lichts nachgewiesen werden kann, genau die Complement\u00e4rfarbe, wenn man das eine Nicoifsche Prisma um einen rechten Winkel dreht. Der Versuch best\u00e4tigt es nun, dass bei schneller Rotation des einen Nicol das Auge Weiss sieht. Schaltet man noch ein farbiges Glas ein, so erh\u00e4lt man bei zwei um 90\u00b0 verschiedenen Stellungen des einen Nicol Farben, welche vereinigt die Farbe des Glases geben m\u00fcssen, und bei schneller Rotation auch wirklich geben.\nUebrigens wird unser Gesetz f\u00fcr intermittirendes farbiges Licht auch best\u00e4tigt durch die Uebereinstimmung, welche die Resultate der Farbenmischung auf der drehenden Scheibe mit denen haben, die man durch directe Zusammensetzung des farbigen Lichts gewinnt, was in \u00a7. 20 bei der Lehre von der Farbenmischung schon erw\u00e4hnt ist. Will man die ganze Scheibe gleichm\u00e4ssig mit der Mischfarbe \u00fcberzogen sehen, so pflegt man die Scheibe in Sectoren abzutheilen, und den einzelnen Sectoren verschiedene F\u00e4rbung zu geben, die aber in der Ausdehnung jedes einzelnen Sectors ganz constant sein muss. Dann erscheint bei der Rotation die ganze Scheibe in der Mischfarbe. Die Lichtst\u00e4rke der Mischfarbe ist aber dabei nach dem obigen Gesetz immer das Mittel aus der Lichtst\u00e4rke der einzelnen gemischten Farben, und da alle. Farbstoffe bei gleicher Beleuchtung dunkler als weiss erscheinen, indem sie nur gewisse Farben, die einen Theil des gesammten weissen Lichts bilden, reflectiren, so ist auch die Mischfarbe immer lichtschw\u00e4cher als Weiss, erscheint also, wenn sie wenig ges\u00e4ttigt ist, grau.\nF\u00fchrt man auf einer Farbenscheibe einen farbigen Stern auf andersfarbigem Grunde aus wie Fig. 138, so sieht man bei der Rotation der Scheibe in der Mitte die Farbe des Sterns, am Rande die des Grundes, dazwischen alle continuirlichenUebergangs-stufen der einen Farbe durch die Reihe der Mischfarben in die andere. Ueberhaupt kann man auf den rotirenden Scheiben die Helligkeit oder die Farbenmischung von der Mitte nach dem Rande hin nach jedem beliebig gew\u00e4hlten Gesetze sich \u00e4ndern lassen, indem man die Curven, welche die Sectoren begrenzen, passend w\u00e4hlt, wie wir z. B. schon in Fig. I3 i dies Mittel benutzt haben, um eine bestimmte Vertheilung des Halbschattens darzustellen.","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u25a0 22.\nAuf den rotirenden Scheiben beschreiben die einzelnen Punkte Kreislinien. Dieselbe Continuit\u00e4t des Eindrucks findet nat\u00fcrlich auch statt, wenn ein heller Punkt sich in irgend einer anderen geschlossenen Curve bewegt. Ueberzieht man z. B. eine gespannte Metallsaite mit schwarzer Farbe, macht einen Punkt der Saite wieder frei von dem dunkeln Ueberzuge, und beleuchtet ihn passend, so erscheint die Bahn dieses Punktes, wenn die Saite in Schwingungen gesetzt wird, als eine continuirliche oft sehr verschlungene Lichtlinie. Beschreibt der Punkt dabei einen Weg, der nicht genau in sich zur\u00fcckkehrt, aber bei jedem folgenden Umlaufe doch der Bahn des fr\u00fcheren Umlaufs sehr nahe kommt, so erscheint dem Auge eine lichte Linie, die allm\u00e4lig ihre Gestalt und Lage ver\u00e4ndert. Wie man in dem angegebenen Beispiele die Schwingungsform einer Saite kennen lernt, so hat dasselbe Princip in der Physik noch eine grosse Zahl von anderen n\u00fctzlichen Anwendungen erhalten.\nIst die Helligkeit des bewegten Punktes in seiner Bahn constant, aber die Geschwindigkeit verschieden, so erscheint die Lichtlinie an den Punkten am hellsten, wo die Geschwindigkeit am geringsten ist. An solchen Stellen n\u00e4mlich' verweilt der helle Punkt verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig l\u00e4ngere Zeit, und sein Licht wirkt deshalb auch l\u00e4ngere Zeit auf die entsprechenden Stellen der Netzhaut als an Stellen gr\u00f6sserer Geschwindigkeit. Beobachtet man z. B. eine beleuchtete schwingende Saite, so erscheint diese am hellsten, da wo sic am weitesten von der Gleichgewichtslage entfernt ist, und wo ihre Geschwindigkeit f\u00fcr einen Augenblick gleich Null wird.\nHierher geh\u00f6ren auch die eigenthiimliclien Wirkungen intermittirender Beleuchtung, welche am sch\u00e4rfsten bei den regelm\u00e4ssig wiederholten Funken der magnetelektrischen Inductionsapparate auftreten, sowohl bei denen mit rotirendem Anker, wie bei den NEEF\u2019schen Apparaten mit schwingender Feder. Jeder einzelne Funken dieser Apparate hat eine unbestimmbar kurze Dauer, welche im Vergleich mit der Dauer aller Bewegungen materieller K\u00f6rper unendlich klein erscheint, doch ist das Licht dieser Funken stark genug, um in dieser ausserordentlich kurzen Zeit einen wahrnehmbaren Eindruck auf die Netzhaut zu machen. Bei der Erleuchtung durch einen einzelnen elektrischen Funken erscheinen alle bewegten K\u00f6rper stillstehend. Das Auge kann sie nat\u00fcrlich nur so wahrnehmen, wie sie sich in dem Momente verhielten, wo sie beleuchtet waren, von ihrer Stellung vor und nach diesem Momente erf\u00e4hrt es nichts. Ist nun die Dauer der Beleuchtung so kurz^ dass w\u00e4hrend derselben keine Verschiebung des bewegten K\u00f6rpers von wahrnehmbarer Gr\u00f6sse eintreten konnte, so erscheinen seine Umrisse ganz so scharf begrenzt, wie es bei vollkommener Ruhe der Fall sein w\u00fcrde.\nWenn sich nun eine Reihe von elektrischen Funken in sehr kleinen Zwischenzeiten folgt, so erscheinen ruhende K\u00f6rper bei dieser Beleuchtung ganz so, wie bei continuirlichem Lichte, bewegte K\u00f6rper aber erscheinen mehrfach. Jeder einzelne Funke zeigt n\u00e4mlich den bewegten K\u00f6rper in der Lage, die er in dem betreffenden Augenblicke einnimmt, und da alle diese Eindr\u00fccke einen Augenblick dauern, so sind sie alle gleichzeitig vorhanden, und lassen den bewegten K\u00f6rper als mehrfach vorhanden erscheinen. Je schneller die Bewegung des","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 il-\nINTERMITT1RENDE BELEUCHTUNG.\n343\ngesehenen K\u00f6rpers ist, desto weiter r\u00fccken seine Bilder auseinander, weil der Weg, den er w\u00e4hrend jeder Intermission des Lichts zur\u00fccklegt, gr\u00f6sser wird.\nEbenso erscheinen nun mehrfache Bilder, wenn nicht die Objecte, sondern das Ange bewegt wird. Wenn sich im Gesichtsfelde ein continuirlich leuchtender Punkt befindet, und wir das Auge bewegen, so r\u00fcckt dabei das Bild des lichten Punktes auf eine andere Stelle der Netzhaut hin\u00fcber. W\u00e4hrend der Bewegung trifft es nach einander alle continuirlich an einander stossenden Punkte einer Linie, die den Ort seiner ersten und seiner letzten Lage verbindet; alle diese Punkte werden erregt, und es muss dadurch f\u00fcr einen Augenblick die Empfindung in der Netzhaut entstehen, welche bei ruhendem Auge eine lichte Linie hervorbringen w\u00fcrde. Gew\u00f6hnlich achten wir nicht auf diese Empfindung, weil sie eben jede Bewegung des Auges bei der Gegenwart lichter Objecte im Gesichtsfelde begleiten muss, wir bemerken es aber, wenn ungew\u00f6hnlicher Weise bei intermittirendem Lichte die Continuit\u00e4t dieser Linie unterbrochen ist. Benutzen wir als lichtes Object die Stelle des Inductionsapparates, wo die Funken \u00fcberschlagen, so erscheint bei Bewegungen des Auges der helle Punkt vervielf\u00e4ltigt. Denken wir uns n\u00e4mlich auf der Netzhaut die Linie gezeichnet, welche das Bild der Funkenstelle beschreibt, so werden von den in-termittirenden Funken nur einzelne Stellen dieser Linie erregt, denen entsprechend wir Bilder in das Gesichtsfeld projiciren.\nWenn ein bewegter K\u00f6rper, den wir bei intermittirendem Lichte betrachten, eine in sich zur\u00fccklaufende Bahn beschreibt, und zur Zeit jedes Aufblitzens genau an derselben Stelle sich befindet, so erscheint er einfach und stillstehend. Zum Beispiel erscheint die schwingende Feder oder der rotirende Anker der bekannten magnetelektrischen Inductionsapparate beim Lichte ihrer eigenen Funken stillzustehen. Dasselbe geschieht, wenn irgend ein anderer K\u00f6rper von periodisch ver\u00e4nderlicher Gestalt durch intermittirendes Licht beleuchtet wird, und die Beleuchtung immer mit denselben Phasen seiner Ver\u00e4nderung zusanunentrifft, z. B. wenn ein Wasserstrahl, der sich in Tropfen aufl\u00f6st, so beleuchtet wird, dass im Moment der Beleuchtung ein neuer Tropfen immer wieder genau an derselben Stelle ist, so sieht der Beobachter den Strahl in stillstehende Tropfen aufgel\u00f6st. Dies geschieht, wenn die Periode der Beleuchtung genau gleich ist der Periode der Tropfenbildung oder einem Multiplum derselben. F\u00e4llt die Periode der Beleuchtung nicht genau zusammen mit der Periode der Tropfenbildung, oder einem Multiplum derselben, sondern ist jene ein weniges l\u00e4nger, so tritt eine scheinbare langsame Bewegung der Tropfen ein, welche die wirkliche Bewegung nachahmt, aber mit sehr verringerter Geschwindigkeit, Es werden dann von den folgenden Funken nicht genau dieselben Phasen der Tropfenbildung beleuchtet, wie von dem ersten, sondern immer weiter fortgeschrittene Zustfcde der folgenden Perioden dieser ver\u00e4nderlichen Erscheinung. Ist die Periode der Beleuchtung dagegen etwas k\u00fcrzer, als die Periode der Tropfenbildung oder ein Multiplum derselben, so sieht der Beobachter die Erscheinung r\u00fcckw\u00e4rts vor sich gehen. Die Tropfen steigen zum Strahle hinauf und gehen in diesen \u00fcber. Durch diese Verh\u00e4ltnisse wird es m\u00f6glich, diese und andere periodische Erscheinungen, welche so schnell vor sich","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nZWEITER ABSCHNITT. HIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 22.\ngehen, dass der Beobachter sie mit dem Auge nicht unmittelbar erkennen kann, in ihren einzelnen Stadien sichtbar zu machen und zu analysiren. Einige k\u00fcnstlich hervorgebrachte Erscheinungen derselben Art werden unten bei Beschreibung der Apparate auseinandergesetzt werden.\nDie Dauer des Lichteindrucks auf das Auge bestimmt man am leichtesten mit H\u00fclfe von Farbenscheiben, die eine ver\u00e4nderliche und messbare Umlaufsgeschwindigkeit haben. Mit Sicherheit l\u00e4sst sich dabei nur die Umlaufsgeschwindigkeit bestimmen, welche n\u00f6thig ist, um der Scheibe ein ganz gleichm\u00e4ssiges Ansehen zu geben. Es zeigt sich dabei, dass sie desto gr\u00f6sser gemacht werden muss, je gr\u00f6sser die Lichtst\u00e4rke ist. Auch scheinen die verschiedenen Farben dabei Unterschiede zu zeigen. Plateau liess bei gew\u00f6hnlichem Tageslichte eine mit 12 weissen oder farbigen und 12 gleich breiten schwarzen Sectoren versehene Scheibe rotiren. Die Dauer des Vor\u00fcbergangs eines schwarzen Sectors war also der 24. Theil der Umlaufszeit der Scheibe. Diese Zeit war, wenn die Scheibe einen gleichm\u00e4ssigen Eindruck machte\nPlateau.\nF\u00fcr\tWeiss\t0,191 Secunden\n\u201e\tGelb\t0,199\n\u201e\tRoth\t0,232\t\u201e\n\u201e\tBlau\t0,295\nEmsmann. 1 0,25 Secunden 0,2/\n0,24\n0,22 bis 0,29.\nAuf die Vergleichung der verschiedenen Farben wird hierbei kaum viel Werth gelegt werden k\u00f6nnen, da ein Mittel ihre scheinbare Helligkeit genau gleich zu machen fehlte, und die Helligkeit einen sehr grossen Einfluss auf die Dauer der Nachwirkung hat. Man erkennt dies leicht, wenn man einige Fuss entfernt von einer Lampe einen Farbenkreisel in Bewegung setzt, dessen Geschwindigkeit, eben hinreicht einen gleichm\u00e4ssigen Eindruck zu erzeugen, und dann die Lampe n\u00e4hert, sogleich f\u00e4ngt die rotirende Fl\u00e4che wieder an zu flimmern. Bei directer Sonnenbeleuchtung muss man noch gr\u00f6ssere Drehungsgeschwindigkeiten anwenden. Uebrigens sind Plateau's Zahlen auffallend gross. Ich selbst finde, dass bei st\u00e4rkstem Lampenlicht, welches eine Scheibe mit gleich breiten weissen und schwarzen Sectoren beleuchtet, der Vor\u00fcbergang des Schwarz nur etwa Vis Secunde und auch bei sehr schwacher Beleuchtung im Lichte des Vollmonds nur y20 Secunde dauern darf, wenn alles Flimmern aufh\u00f6ren soll. Uebrigens hat Plateau schon bemerkt, dass wenn man das Verh\u00e4ltniss zwischen der Breite der weissen und der der schwarzen Sectoren ver\u00e4ndert, aber die Zahl der Sectoren constant l\u00e4sst, die Umlaufszeit dieselbe ist, bei der der Eindruck gleichm\u00e4ssig wird. Man kann dies sehr leicht nachweisen durch eine Scheibe, wie Fig. 139, Seite 345, an welcher die schwarzen Sectoren nach der Mitte, die weissen am Rande breiter sind. Das Flimmern h\u00f6rt bei steigender Umlaufsgeschwindigkeit in allen Abtheilungen der Scheibe nahe gleichzeitig auf. Bei breiteren weissen Sectoren ist die Empfindung st\u00e4rker, und sinkt deshalb schneller, sobald der Reiz fortf\u00e4llt, daher die Pause, d. h. die Breite des schwarzen Sector kleiner sein muss, als bei schmaleren weissen Sectoren. Es\n> Cogg. Ann. XCI. 611.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 \u201d22.\nMESSUNGEN DER DAUER DES EINDRUCKS.\n345\nist also wohl besser, bei den Messungen nach der Gr\u00f6sse einer ganzen Periode der Beleuchtungs\u00e4nderung zu fragen, d. h. nach der Summe der Dauer des Vor-iibergangs eines weissen und schwarzen Sectors. Diese ist in meinen Versuchen bei st\u00e4rkstem Lampenlicht also y24, bei schwachem Licht Vio Secunde gewesen. Lissajou, welcher den Weg eines sehr hellen Lichtpunktes beobachtete, der die Bewegungen schwingender Stimmgabeln mitmachte, fand der helleren Beleuchtung entsprechend eine noch k\u00fcrzere Zeit, n\u00e4mlich y30 Secunde f\u00fcr die Zeit, w\u00e4hrend welcher die ganze Curve continuirlich erschien.\nSoll also eine rotirende Scheibe einen ganz gleichm\u00e4ssigen Eindruck machen, so muss man sie 24 bis 30 Mal in der Secunde umlaufen lassen. Aber man kann dasselbe auch durch geringere Umlaufsgeschwindigkeiten erreichen, wenn man die Zeichnung in gleichen Winkelabst\u00e4nden regelm\u00e4ssig wiederholt. So wird z. B. auf der Scheibe Fig. 157 das Schwarz und Weiss der 8 Sectoren des \u00e4ussersten Ringes sich schon bei 6 Uml\u00e4ufen der Scheibe zu gleichm\u00e4ssigem Grau verbinden, das des mittleren Rings erst bei 12, das des innersten erst bei 24 Uml\u00e4ufen. Schwerer ist es, die Zeit zu bestimmen, w\u00e4hrend welcher der Eindruck in abnehmender St\u00e4rke nachdauert, ehe er ganz verlischt. Auch diese Zeit ist von der Lichtst\u00e4rke abh\u00e4ngig, wie schon das fr\u00fcher Gesagte erkennen l\u00e4sst. Die Nachdauer des hellen Sonnenbildes kann selbst bis zu einigen Minuten dauern. W\u00e4hrend also die Wirkung hellen Lichts im Anfang am schnellsten abnimmt, hat sie doch im Ganzen die l\u00e4ngste Dauer, \u00e4hnlich wie ein heisser K\u00f6rper in k\u00fchler Umgebung um desto mehr Temperaturgrade in gleicher Zeit sich abk\u00fchlt, je heisser er ist, aber auch desto l\u00e4ngere Zeit braucht, ehe er seine h\u00f6here Temperatur ganz verloren hat. Plateau hat an seinen Farbenscheiben auch in dieser Beziehung Messungen angestellt, welche die Zeit des Vor\u00fcbergangs eines schwarzen Sectors ergeben, wenn die Farbe der hellen Sectoren sich \u00fcber die schwarzen so ausgebreitet hatte, dass das Schwarz nirgends mehr rein erschien. Es ergab sich\nf\u00fcr Weiss\t0,35 Secunden\nf\u00fcr Gelb\t0,35\t\u201e\nf\u00fcr Roth\t0,34\t\u201e\nf\u00fcr Blau\t0,32\t\u201e\nEine verschiedene Dauer der Nachwirkung f\u00fcr die verschiedenen Farben zeigt sich auch noch in den Farbenver\u00e4nderungen, welche das Nachbild eines weissen Lichts auf dunklem Grunde erleidet, ehe es ganz verschwindet. Da sich diese Erscheinungen aber mit denen, welche im folgenden Paragraphen beschrieben werden sollen, mannigfaltig vermischen, so m\u00f6ge erst dort ihre genauere Beschreibung folgen.","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 22.\nAus den in diesem Paragraphen geschilderten Thatsachen geht hervor, dass Licht, welches die Netzhaut getroffen hatte, im Sehnervenapparate eine prim\u00e4re Wirkung hinterl\u00e4sst, die erst in den n\u00e4chstfolgenden Augenblicken sich in Empfindung umsetzt. Die Gr\u00f6sse der prim\u00e4ren Ver\u00e4nderung, die ein momentaner Lichteindruck zur\u00fcckl\u00e4sst, h\u00e4ngt nur von der Quantit\u00e4t Licht ab, die auf den betreffenden Theil der Netzhaut gefallen ist, wobei es einerlei ist, ob sehr intensives Licht eine kurze Zeit, oder schw\u00e4cheres eine l\u00e4ngere Zeit gewirkt hat, vorausgesetzt nur, dass die Zeit der Einwirkung \u00fcberhaupt kleiner als V30 Secundo gewesen ist. Die augenblickliche prim\u00e4re Wirkung sehr intensiven Lichts f\u00e4llt also nicht verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig schw\u00e4cher ans, als die massigen Lichts, wie dies doch bei dauernder Empfindung des Lichts von verschiedener St\u00e4rke der Fall ist.\nEs liegt hierin kein Widerspruch, wie es wohl scheinen k\u00f6nnte, denn den Mangel der Proportionalit\u00e4t fanden wir zwischen der objectiven Lichtintensit\u00e4t und der fertig ausgebildeten Empfindung, hier haben wir es dagegen nur zu thun mit der augenblicklichen prim\u00e4ren Wirkung, die erst sp\u00e4ter in Empfindung \u00fcbergehen wird, und es ist kein Hinderniss anzunehmen, dass die augenblickliche prim\u00e4re Wirkung in der Nervenmasse einem anderen Gesetze der Gr\u00f6sse folge, als die secund\u00e4re Wirkung, die Empfindung. Das ganze Verh\u00e4ltniss wird vielleicht am klarsten durch den Vergleich mit einem Magneten, der in einem galvanischen Multiplicator aufgeh\u00e4ngt ist, und durch einen intermittirenden Strom von hinreichend schnellen Intermissionen abgelenkt wird. Auch in diesem Falle h\u00e4ngt die Ablenkung nur ab von der gesammten Menge von Elektricit\u00e4t, welche in der Zeiteinheit durch den Draht fliesst, ohne doch dieser Menge proportional zu sein. Auch hier existirt aber eine der Elektricitatsmenge jedes einzelnen momentanen Stromes proportionale Wirkung, n\u00e4mlich die kleine Geschwindigkeit, welche er dem Magneten im Sinne der Ablenkung mittheilt, und welche bis zum Eintritt des n\u00e4chsten Stromes durch die Wirkung des Erdmagnetismus wieder aufgehoben sein muss, wenn die Ablenkung des Magneten constant bleiben soll. Der Magnet erscheint continuirlich ruhend abgelenkt, wenn die Schwankungen in seiner Lage, welche die einzelnen Stromst\u00f6sse hervorbringen, zu klein sind, um wahrgenommen zu werden, und ein intermittirendes Licht giebt eine continuirliche Empfindung, wenn die Schwankungen in der St\u00e4rke der Empfindung kleiner sind, als die kleinsten wahrnehmbaren Stufen der Empfindung.\nWas die Einrichtung der rotirenden Scheiben betrifft, welche Muschenbroek 1 zuerst erw\u00e4hnt, so sind die einfachsten die Kreisel. Ich pflege f\u00fcr die meisten Versuche einen einfachen aus Messing gedrehten Kreisel zu benutzen, dessen Querschnitt in Fig. 140 in y, Gr\u00f6sse dargestellt ist. Er wird mit der Hand in Bewegung gesetzt. Man kann ihn deshalb in jedem Augenblicke leicht und ohne Vorbereitung in Bewegung setzen, seine Geschwindigkeit nach Belieben verst\u00e4rken oder massigen, aber allerdings entspricht\n1 Introductio, \u00a7. 1820.","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 22.\nEINRICHTUNG DER FARBENKREISEL.\n347\ndas Maximum der Geschwindigkeit, was man ihm mit den Fingern mittheilen kann, nur ungef\u00e4hr 6 Umdrehungen in der Secunde, wonach er 3 bis 4 Minuten in Bewegung bleibt. Wegen der geringen Rotationsgeschwindigkeit bekommt man einen ganz gleichm\u00e4ssigen Lichteindruck nur wenn die Scheiben in 4 oder 6 Sectoren getheilt, und in jedem die gleiche Vertheilung von Farben, Licht und Schatten angebracht ist. Ist die Zahl der gleichen Wiederholungen der Zeichnung eine geringere, so giebt es wenigstens bei starker Beleuchtung ein mehr oder weniger schillerndes Ansehen der Scheibe. Die Zeichnungen kann man selbst w\u00e4hrend des Ganges der Scheibe leicht darauf werfen, und kann auch leicht Ver\u00e4nderungen hervorbringen, wenn man auf eine volle Scheibe eine mit ausgeschnittenen Sectoren wirft, deren Lage auf der unteren man durch Hinstreifen mit den Fingern oder durch Blasen mit dem Munde ver\u00e4ndern kann; so lassen sich w\u00e4hrend des Ganges der Sch\u00e9ibe sehr mannigfaltige Variationen hervorbringen.\nGiebt man der Scheibe z. B. gleich breite blaue und rothe Sectoren, und legt darauf eine Scheibe mit gleich breiten Sectoren, von denen man den ersten, dritten, f\u00fcnften u. s. w. schwarz gemacht hat, w\u00e4hrend der zweite, vierte, sechste u. s. w. fortge-schnitten ist, so wird bei der Rotation die ganze Scheibe blau sein, wenn die schwarzen Sectoren der oberen Scheibe auf die rothen der unteren fallen, und diese verdecken, dagegen wird die Scheibe rolh erscheinen, wenn die schwarzen Sectoren der oberen Scheibe auf die blauen der unteren fallen, in den Zwischenlagen erh\u00e4lt man verschiedene Mischungen von Roth und Blau, und kann daher w\u00e4hrend des Ganges der Scheibe die eine Farbe allm\u00e4lig in die andere \u00fcbergehen lassen, wenn man durch Ueberstreifen mit dem Finger oder durch Blasen die Lage der oberen Scheibe ver\u00e4ndert. Begrenzt man die verschiedenen Sectoren nicht durch gerade, sondern durch krumme oder gebrochene Linien, so kann man leicht sehr mannigfache und bunte Wechsel von Ringsystemen erzeugen.\nUm den Kreiseln gr\u00f6ssere Geschwindigkeit zu geben, m\u00fcssen sie durch ein um ihren Stiel geschlungenes Band, welches man abzieht, in Bewegung gesetzt, werden. Die einfachste Einrichtung dazu ist die in Fig. lil abgebildete. Es dient dazu ein h\u00f6lzerner Hohlcylinder c,\nFig. 141.\nder au einem Stiele d sitzt, bei b und e zwei einander gegen\u00fcberstehende Durchbohrungen seiner Mantelfl\u00e4che hat, und von beiden um einen rechten Winkel entfernt einen Einschnitt. Man steckt den Stiel b des Kreisels durch die Oeffnungen des Cylinders, f\u00fchrt das Ende eines starken Fadens durch eine Durchbohrung des Stiels, und dreht mit dem Finger den Kreisel, bis der Faden aufgewickelt ist. Der Theil des Stiels, um den der Faden aufgewickelt ist, wird dadurch so dick, dass er nicht mehr aus der H\u00fclse c hinausgleiten kann. H\u00e4lt man nun den Kreisel mittels der H\u00fclse nahe \u00fcber einem Tische, zieht den Faden kr\u00e4ftig ab, so kommt der Kreisel in schnelle Rotation, und f\u00e4llt, sobald der Faden abgewickelt ist, auf den","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 22.\nTisch herab, wo er lange weiter l\u00e4uft. Der in Fig. US nach seiner Zusammensetzung abgebildete Kreisel ist so eingerichtet, dass man die Scheiben mittels des Stiels fest klemmen\nkann, wie dies bei den Versuchen von Maxwell zur Best\u00e4tigung des NEWTON\u2019schen Gesetzes der Farbenmischung noting ist. Man braucht dazu eine Reihe kleinerer und gr\u00f6sserer runder Scheiben aus steifem Papier mit einer centralen Oeffnung und einem radialen Schlitz, wie Fig. I io zeigt. Jede Scheibe wird nur mit ' einer Farbe gleichm\u00e4ssig \u00fcberzogen ; legt man zwei oder mehrere auf einander und schiebt sie gegenseitig durch ihre Schlitze hindurch, so F\u2018S-\twerden auf jeder Seite\nSectoien der einzelnen Scheiben von beliebig ver\u00e4nderlicher Breite sichtbar, so dass das Mischungsverh\u00e4ltniss der Farben continuirlich ge\u00e4ndert werden kann.\nDie vollkommenste Construction f\u00fcr einen Kreisel, der nur bei sehr schneller Bewegung gebraucht werden soll, bietet der BusoLD\u2019sehe Farbenkreisel dar (Fig. Ui). Er besteht aus einer f\u00fcnf Pfund schweren Scheibe, die aus einer Legirung von Zink und Blei gegossen ist, ein Decimeter im Durchmesser. Die Axe von Messing l\u00e4uft unten auf einer fein abgerundeten Spitze von nicht geh\u00e4rtetem Stahl. Der cylindrische Theil der Axe ist rauh gemacht, damit\nWill man den Kreisel in Bewegung setzen, so wird seine\nAxe nach Umwickelung 0.\tmit der Schnur in die Ein-\nschnitte der eisernen Arme d d eingelegt, ein Teller untergestellt, und mit der rechten Hand die Schmu-kr\u00e4ftig abgezogen, w\u00e4hrend die linke sich gegen den Hebel e st\u00fctzt. Der Kreisel muss vor dem Abziehen m\u00f6glichst nah am Rande des Tellers stehen, die Schnur einen halben Fuss k\u00fcrzer sein, als die ausgespannten Arme messen, F\u2019O- 144.\tund an ihrem Ende mit\neiner Handhabe versehen sein. Wenn der Kreisel l\u00e4uft, zieht man den Teller mit dem Kreisel unter den Armen des Hebels e hervor. Dieser, welcher um eine Axe bei c drehbar ist, hebt sich dabei nach oben. Bei kr\u00e4ftigem Abziehen der Schnur kann man bis 60 Umdrehungen in der Secunde hervorbringen, und die Bewegung h\u00e4lt 45 Minuten an.\nAusser den Kreiseln hat man nun auch_ vielf\u00e4ltig Scheiben benutzt, deren Axe in zwei\nFig. 145.\ndie, Schnur fest darauf liegen kann.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 22.\nSTROBOSKOPISCHE SCHEIBEN.\n349\nZapfenlagern l\u00e4uft, und die entweder durch ein Uhrwerk, oder eine unendliche Schnur, oder durch Abziehen einer Schnur wie die Kreisel in Bewegung gesetzt werden. Im Allgemeinen tritt hei diesen Apparaten die Unbequemlichkeit ein, dass man die Scheiben nicht wechseln kann, ohne den Apparat anzuhalten und die Scheibe aus ihren Axenlagern zu entfernen. Andererseits hat man den Vortheil, die Scheibe in verticaler Stellung umlaufen lassen zu k\u00f6nnen, wobei ein grosses Auditorium sie gleichzeitig sehen kann, was bei den Kreiseln nicht so leicht zu erreichen ist. Mischung der Farben hat Montigny auch durch ein roti-rendes Prisma erreicht, dessen objectives Spectrum er \u00fcber einen weissen Schirm laufen liess.\nDas Thaumatrop ist ein rechteckiges T\u00e4felchen, welches man um eine Axe, die durch die Mitte der l\u00e4ngeren Seiten geht, rotiren l\u00e4sst. Auf die eine Seite ist etwa ein Vogel gemalt, auf die andere der K\u00e4fig. Wenn man schnell rotiren l\u00e4sst, scheint der Vogel im K\u00e4fig zu sitzen. Es ist jetzt als Kinderspielzeug bekannt, erfunden von Dr. Paris *.\nEs schliessen sich hieran die zusammengesetzteren Apparate an, welche eine rotirende Scheibe durch gleichzeitig rotirende Spalten sehen lassen. Dazu geh\u00f6ren zun\u00e4chst die stroboskopischen Scheiben von Stampfer, welche gleichzeitig und unabh\u00e4ngig von Plateau erfunden und mit dem Namen des Ph\u00e4nakistoskops belegt wurden 1 2.\nDie stroboskopischen Scheiben sind Papierscheiben von 6 bis 10 Zoll Durchmesser (Fiff. HS), auf denen sich im Kreise gestellt und in gleichen Entfernungen von einander eine Anzahl (8 bis 12) von Figuren befindet, welche eine Reihe von Momenten irgend einer perio-\tj\ndiscli wiederkehrenden Bewegung\t|\ndarstellen. Eine solche Scheibe wird concentrisch auf eine zweite etwas gr\u00f6ssere dunkle Scheibe gelegt, die am Rande ebenso viel Oeffnungen hat, als die erstere &\nFiguren, und beide zusammen mittels einer Schraubenmutter auf das vordere Ende einer kleinen eiser- I neu Axe befestigt, die im oberen Ende eines passenden Handgriffs I angebracht ist. Beim Gebrauche des Instruments stellt man sich vor einen Spiegel, wendet die Scheibe mit den Figuren gegen diesen, stellt das Auge so, dass man durch eines der L\u00f6cher am Rande der gr\u00f6sseren Scheibe das Spiegelbild der Figuren sieht, und setzt nun die Scheiben in Rotation.\nDann scheinen die Figuren, die man im Spiegel sieht, die Bewegung auszufdhren, deren Acte dargestellt sind, ohne sich dabei von der Stelle zu bewegen.\nBezeichnen wir diese Oeffnungen mit Ziffern, so dass das Auge zuerst durch die Oeffnung 1 sehe, dann, wenn die Scheibe weiter rotirt, durch die Oeffnung 2 u. s. w., und bezeichnen wir ferner die Figuren, die auf den zur Oeffnung 1, 2, 3 u. s. w. gehenden Radien stehen,\n1\tEdinb. Journal of Science. VII. 87. Pogg. Ann. X. 480. '\n2\tPlateau schickte schon im November 1832 durch Quetelet ein Exemplar an Farabat; Stampfer verfertigte die erste im December 1832. Plateau beschrieb seine Erfindung in einem vom 20. Januar 1833 datirten Schreiben in der Correspondance math, et physique de Vobservat. de Bruxelles VII. 365, Stampfer in einer besonderen Schrift : \u201eDie stroboskopischen Scheiben oder optischen Zauberscheiben, deren Theorie lind wissenschaftliche Anwendung\u201c, deren Vorrede von Juli 1833 datirt ist.","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 22.\nmit denselben Ziffern, so wird zun\u00e4chst der Beobachter, indem er durch die Oeffnung 1 nach dem Spiegel sieht, auf dem Radius, der im Spiegelbilde der Scheibe nach dem Spiegelbilde seines Auges hinweist, die Figur 1 erblicken. Wenn er nun die Scheibe dreht, so geht die Oeffnung 1 vor seinem Auge vorbei, das Spiegelbild wird ihm zun\u00e4chst durch die dunkle Pappscheibe ganz verdeckt, und erst wenn die Oeffnung 2 vor seinem Auge ankommt, erblickt er es wieder. Nun steht aber die Figur 2 an demselben Orte, wo sich vorher Figur 1 befand, n\u00e4mlich auf dem Radius, der vom Mittelpunkt der Scheibe nach dem Auge des Beobachters geht. Es folgt wieder Dunkelheit, bis Oeffnung 3 vor das Auge tritt, und nun Figur 3 an demselben Platze erscheint, wo vorher 1 und 2 sich befanden. W\u00e4ren nun diese Figuren alle einander gleich, so w\u00fcrde der Beobachter eine Reihe von einander getrennter unter sich aber gleicher Gesichtseindr\u00fccke erhalten, welche bei hinreichend schneller Wiederholung in eine andauernde Empfindung verschmelzen, die einem ruhenden Objecte entspricht. Wenn die Figuren dagegen von einander ein wenig verschieden sind, so verschmelzen die getrennten Lichteindr\u00fccke auch zu dem Bilde eines Gegenstandes, aber dieser ver\u00e4ndert sich scheinbar fortdauernd, so wie es die Reihenfolge der Bilder mit sich bringt.\nWenn die Zahl der Figuren nicht gleich der der L\u00f6cher ist, so erscheinen die Figuren in vor- oder r\u00fcckschreitender Bewegung. Denken wir uns n L\u00f6cher und m Figuren, die Zahlen m und n aber nur wenig verschieden, und zu Anfang eine der Figuren auf dem Radius stehend, der nach dem Auge des Beobachters, welches durch eine Oeffnung schaut,\n2 TC\nhinweist. Wird die Scheibe um den Bogen -\u2014 gedreht, so tritt wieder eine Oeffnung vor\n^\t/9 ZT 2 TEX\ndas Auge des Beobachters. Die zweite Figur ist dann aber um einen Bogen -----------------------1\n\\ n m /\nvon dem genannten Radius entfernt. 1st dieser Bogen nun klein genug, so dass die zweite Figur sich jetzt n\u00e4her an dem erstgesehenen Orte der ersten Figur befindet, als jede andere jetzt sichtbare Figur, so identificiren wir die jetzt gesehene zweite mit der fr\u00fcher gesehenen ersten Figur, und glauben die letztere um das entsprechende Bogenst\u00fcck fortbewegt zu sehen. Gew\u00f6hnlich macht man m gleich re-f-J oder gleich re\u2014I. Im ersteren Falle schreiten die Figuren in dem Sinne fort, wie die Scheibe sich dreht, im zweiten Falle entgegengesetzt.\nJe schmaler man die Oeffnungen der gr\u00f6sseren Scheibe macht, desto sch\u00e4rfer begrenzt werden die Bilder gesehen, aber desto lichtschw\u00e4cher werden sie auch. Um die Bilder objectiv an die Wand zu werfen, hat Uchatius 1 einen Apparat construirt. Sehr n\u00fctzlich verwendet sind sie von J. M\u00fcller 1 2, um die Vorg\u00e4nge der Wellenbewegung zu versinnlichen.\nFi(f. 146.\nDas D\u00e4daleum von W. G. Horner ist ein \u00e4hnliches Instrument, nur sind die L\u00f6cher auf dem Mantel eines hohlen Cylinders angebracht, und die Bilder theils auf der Innenfl\u00e4che des Mantels (am besten transparent), theils auf der Grundfl\u00e4che.\nBei den bisher beschriebenen Apparaten rotiren die Figuren und die Oeffnungen mit derselben Winkelgeschwindigkeit; eine, andere Reihe von Erscheinungen zeigt sich, wenn sie mit verschiedener Winkelgeschwindigkeit rotiren.\nEiner der einfachsten Apparate dieser Art ist der in Fig. Hl dargestellte Kreisel\nvon J. B. Dancer in Manchester, wenn man auf dem Vorsprung der Axe noch eine zweite Scheibe ruhen l\u00e4sst, in welcher Oeffnungen verschiedener Gestalt angebracht sind, und an deren Rand\n1\tSitzungsberichte der k. k. Akad. zu Wien. X. 482.\n2\tPogg. Arm. LXVU. 211.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 22.\nANORTHOSKOP.\n351\nein St\u00fcck Faden angekn\u00fcpft ist, wie es Fig. 146 darstellt. Diese obere Scheibe rotirt mit wegen der Reibung, die sie an der Axe erleidet, aber ihre Rotation ist langsamer als die des Kreisels, wegen des grossen Luftwiderstandes an dem mit ihr herumfliegenden Faden. Enth\u00e4lt die untere Scheibe mehrere verschiedengef\u00e4rbte Sectoren, so sicht man die in die obere Scheibe eingeschnittenen Figuren vervielf\u00e4ltigt und in den verschiedenen Farben der unteren Scheibe ausgef\u00fchrt, ein sehr buntes Bild, was bald continuirlich, bald springend sich zu bewegen scheint.\nBetrachten wir eine einzelne Oeffnung der oberen Scheibe und rechnen die Drehungswinkel von der Stelle ab, wo sie sich zu Anfang der betrachteten Zeit befindet. Ein in der verl\u00e4ngerten Axe des Kreisels befindliches Auge wird durch die Oeffnung eine der Farben der unteren Scheibe erblicken, und\tdiese\tStelle gelte auf der unteren\tScheibe als\nNullpunkt f\u00fcr die Messung\tder Winkel, Die\tobere\tScheibe\tlaufe \u00abMale, die untere \u00bbMale\nin tier Secunde um, beide\tin gleicher Richtung, so\tist der\tBogen, um den sich\tjeder Punkt\nder oberen Scheibe in der\tZeit t fortbewegt\tgleich\t2nmt,\tund f\u00fcr die Punkte\tder unteren\nScheibe ist derselbe gleich 2mit. Von zwei Punkten der oberen und unteren Scheibe, die anfangs \u00fcber einander standen, ist also nach der Zeit t der untere um den Bogen Sn (n\u2014m) t voraus, und daraus folgt, dass durch die Oeffnung der oberen Scheibe zur Zeit t ein Theil der unteren Scheibe gesehen wird, der um den Bogen Sn(m \u2014 n) t auf dieser von dem anfangs gesehenen Punkte entfernt ist, wobei positive Bogen im Sinne der Drehung, negative ..... 1\nr\u00fcckw\u00e4rts zu rechnen sind. Wenn also t = ----------- geworden ist, werden s\u00e4mmtliche Farben\nn\u2014m\nder unteren Scheibe einmal in der Oeffnung der oberen erschienen sein, und ihre Reihe wird wieder vom Anfang beginnen, und sich wiederholen. - W\u00e4hrend dieser Zeit ist aber die\nOeffnung selbst um den Bogen Snmt = Sn^- fortger\u00fcckt, und die Reihe der Farben,\nn \u2014 in\t\u2019\nwie sie sich in der Oeffnung folgten, muss \u00fcber diesen Bogen ausgebreitet erscheinen, und zwar in umgekehrter Ordnung, als sie auf der Scheibe stehen, wenn, wie in dem beschriebenen Apparate der Fall ist, \u00bb>m. Dieselbe Reihe von Farben folgt nun wieder, w\u00e4hrend die\nOeffnung sich \u00fcber einen zweiten, dritten u. s. w. Bogen von der L\u00e4nge Sn \u2014\u2014\u2014 fortbewegt.\nm\nn \u2014 m\n\u00a3 P \u2019\nalso n = (p -p- 1 ) m\nnnd p eine ganze Zahl, so wird sich nach einem ganzen Umlauf der oberen Scheibe die Farbenreihe in der Oeffnung gerade p Male wiederholt haben, und bei jedem folgenden Umlauf, wie beim ersten, genau an derselben Stelle wieder erscheinen. Es erscheint dann auf der oberen Scheibe ein ruhender farbiger Ring, mit p maliger Wiederholung der Farben der unteren Scheibe. Ist p nicht genau gleich einer ganzen Zahl, so werden die Orte der Farben\nbeim zweiten Umlaufe nicht mehr ganz genau mit denen des ersten Umlaufs zusammenfallen, der Farbenring wird sich fortzubewegen scheinen.\nWenn\t\u201e\ntp\nalso n\n(-+1)\nund p eine ganze Zahl ist, so werden beim zweiten Umlaufe die Farben neue Orte einnehmen, beim dritten aber dieselben wie beim ersten, beim vierten wie beim zweiten, so dass doch eine ruhende Farbenerscheinung entstehen kann, wenn nur der Kreisel schnell genug l\u00e4uft, dass der Eindruck auf das Auge die Zeit zweier Uml\u00e4ufe der Oeffnung \u00fcberdauert. Man erh\u00e4lt dann eine (Sp -+- 1) malige Wiederholung der gleichen Farbenfolge, diese selbst ist aber nicht mehr gleich der Folge der Farben der unteren Scheibe, sondern stellt die Mischungen je zweier Farben dieser Scheibe dar, welche auf den entgegengesetzten H\u00e4lften derselben\nDurchmesser liegen. Wenn z. B. p = 1 also n \" m \u2014 -J-, so wird die Anfangsfarbe wiedererscheinen bei","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 22.\n0\u00b0\n240\n480 d. h. 120\u00b0\n720\t\u201e\t0\n960\t\u201e\t240\nu. s. w.,\nalso immer wieder bei 0\u00b0, 120\u00b0, 240 \u00b0. Die Farbe dagegen, welche auf der unteren Scheibe auf der anderen H\u00e4lfte desselben Durchmessers steht, wird in der Mitte dieser Bogen erscheinen, also bei\n120\u00b0\n360 d. h. bei 00 600\t\u201e\t240\nu. s. w.,\nalso an denselben drei Stellen, wird sich also mit der ersten Farbe mischen.\nIm Allgemeinen ergiebt sich leicht, dass wenn der Bruch \u2014\u2014\u2014 in kleinsten ganzen\nn \u2014 m\nZahlen ausgedriickt gleich ist, und der Eindruck im Auge q Umdrehungen der oberen\nScheibe \u00fcberdauert, man p Wiederholungen einer Folge von Farben sieht, die entstehen, indem je q \u00e4quidistante Farben der unteren Scheibe gemischt werden. Dauert der Eindruck im Auge aber nicht so lange, so erscheinen die Farben hin- und herspringend.\nWenn man die Form, Zahl und Gr\u00f6sse der Oeffnungen in der oberen Scheibe variirt, entstehen auf diese Weise nat\u00fcrlich sehr bunte kaleidoskopische Bilder. Diese Bilder werden bei der beschriebenen Einrichtung noch bunter und erhalten sein- feine Zeichnungen dadurch, dass eigenth\u00fcmliche Oscillationen der oberen Scheibe eintreten. Man h\u00f6rt n\u00e4mlich ein lautes Schnarren des Kreisels, sobald man die obere Scheibe aufgelegt hat, und w-enn man als untere Scheibe eine rein weisse gew\u00e4hlt hat, so sieht man die Figur der oberen Scheibe nicht sich in ein System concentrischer Kreislinien verwandeln, wie es sein m\u00fcsste, wenn die obere Scheibe mit gleichm\u00e4ssiger Geschwindigkeit rotirte, sondern man sieht eine grosse Zahl von Wiederholungen der eingeschnittenen Figur. Dies l\u00e4sst schliessen, dass die Rotationsbewegung der oberen Scheibe in regelm\u00e4ssiger Abwechselung verz\u00f6gert und beschleunigt ist. Diese Oscillationen m\u00fcssen durch die Reibung der oberen Scheibe an der Axe hervorgebracht sein. Ausserdem findet ein zweites System von Oscillationen statt, wobei der Mittelpunkt der oberen Scheibe horizontal hin- und hergeht; was man aus gewissen Eigen-th\u00fcmlichkeiten der Figur, wie sie \u00fcber weisser Unterlage erscheint, erkennen kann.\nRegelm\u00e4ssiger zeigt das von Plateau construirte Anorthoskop diese Erscheinungen. Zwei kleine Rollen von verschiedenem Durchmesser, deren Axen in derselben geraden Linie unmittelbar hinter einander liegen, werden durch zwei unendliche Schn\u00fcre herumgetrieben, welche beide um die Peripherie derselben gr\u00f6sseren Scheibe laufen; letztere wird mittels einer Kurbel bewegt. An der einen Rolle ist eine transparente Scheibe befestigt, auf der sich eine verzerrte Zeichnung befindet, an der anderen eine schwarze Scheibe mit einem oder mehreren Spalten. Wenn man die Scheiben rotiren l\u00e4sst, kommt die richtige Zeichnung zum Vorschein. Wir haben gesehen, dass wenn m die Zahl der Uml\u00e4ufe des Schirms in der Sccunde\nftl\nbezeichnet, und n die der Zeichnung, dass auf einem Bogen -----------, den ein Punkt der\n\u00b0\tn \u2014 m\nspaltf\u00f6rmigen Oeffnung des Schirms durchl\u00e4uft, alle die Punkte der Zeichnung der Reihe nach erscheinen, die ebenso weit wie jener Punkt vom Mittelpunkte entfernt sind. In dem Zerrbilde des Objects auf der transparenten Scheibe nehmen aber diese Punkte die ganze Peripherie ein. Denkt man sich also in dem Original und seinem Zerrbilde die Punkte durch Polar-coordinaten gegeben, n\u00e4mlich durch ihre Entfernung vom Mittelpunkte der Scheibe q und durch den Winkel <o, den der Radius Vector mit einem festen Radius bildet, und nennen wir pr, und ai0 die Werthe f\u00fcr die richtige Zeichnung, \u00e7q und oq f\u00fcr die verzerrte, so ist","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 22.\nANORTHOSKOP.\n353\nPo = Qi\nra0 : raj = m : (tu \u2014 n).\nMit H\u00fclfe dieser Gleichungen kann die verzerrte Zeichnung construct werden, indem man d.e Winkel \u0153 in dem angegebenen Verh\u00e4ltnisse ver\u00e4ndert. Damit bei jedem Umlauf (er Scheiben dieselben Figuren wieder sichtbar werden, muss wie fr\u00fcher der Bogen\n'7C'^~n ein aliquoter Theil der Peripherie sein, also eine positive oder negative ganze Zahl.\nSind die Scheiben beide gleichl\u00e4ufig, also m und n positiv, w>m, so haben ra0 und entgegengesetztes Zeichen, m\u00fcssen also nach entgegengesetzter Richtung gelegt werden. Es\nWir ^nTeme ne?ative ganze Zahl, wenn \u2014 eine ganze Zahl p ist, d. h. die transparente Scheibe p ganze Uml\u00e4ufe macht, w\u00e4hrend d\u201de dunkle Scheibe einen macht. Das Bild wiederholt sich (p \u2014 1 ) Male auf dem Umfang der Scheibe. Man kann in diesem Falle p \u00e4quidistante radiale Spalten in der schwarzen Scheibe anbringen.\nWenn die beiden Scheiben in entgegengesetzter Richtung umlaufen, also m = - u ist so wird\tr \u2019\n\u00a3\u00bb0 : Mi = fi : [n -+- p).\nDie beiden Winkel sind also nach der gleichen Seite hin zu nehmen, Wenn \u2014 \u2014 p und p\neine ganze Zahl, so wird die Zahl der Bilder gleich p -|- 4, und man kann wieder p Spalten in der dunklen Scheibe anbringen.\nWenn endlich die Rotationen gleichl\u00e4ufig sind, m und n also positiv, aber m > n so bekommen <a0 und co, wieder dasselbe Zeichen, aber w\u00e4hrend in den bisherigen F\u00e4llen co, gleich oder grosser als <a0 war, wird es nun kleiner. In den bisher beschriebenen F\u00e4llen konnte das Zerrbild die ganze Peripherie des Kreises einnehmen, jedes einzelne richtige Bild nahm dann nur einen aliquoten Theil der Peripherie ein. In dem jetzigen Falle aber ist der h\u00f6chste Werth von <a0 offenbar 2n, und demgem\u00e4ss der h\u00f6chste von ra, =\tg^\nEs kann das Zerrbild deshalb auch auf der transparenten Scheibe mehrmals wiederholt werden, ja es wird vortheilhaft sein, eg zu wiederholen, um mehr Licht zu erhalten. Damit dann immer dieselbe Erscheinung wiederkehre, muss der bezeichnete Maximalwerth von m1 ein\naliquoter Theil der Peripherie sein, d. h. ~ m - muss eine ganze Zahl p sein, also\nn_ __ p~1 m\tp\nDabei ist die Anzahl der m\u00f6glichen Wiederholungen des Zerrbildes p, das richtige Bild einfach. Die Zahl der Spalten kann gleich p------/ gemacht werden.\nMan kann aber auch in diesem Falle die Spalte einfach lassen, und das Zerrbild in seinen Wiederholungen etwas ver\u00e4ndern, so dass es verschiedene Momente einer Bewegung darstellt, dann erh\u00e4lt man ein richtiges Bild, was diese Bewegung auszuf\u00fchren scheint.\nSollen die geforderten Verh\u00e4ltnisse der Umdrehungszahlen m und n genau eingehalten werden, so kann man dies nur erreichen, wenn man die Axen durch Zahnr\u00e4der in Bewegung setzt. Bei den Rollen stimmen die Verh\u00e4ltnisse der Durchmesser und die Beschaffenheit der F\u00e4den nie so genau \u00fcberein, dass nicht allm\u00e4lig kleine Abweichungen von dem geforderten Verh\u00e4ltnisse eintreten, und dann drehen sich die restaurirten Bilder auf der Scheibe alim\u00e4lig um deren Mittelpunkt. Diese unvermeidliche \u00dcngenauigkeit der Schnurl\u00e4ufe li\u00e2t Plateau \u00fcbiigens benutzt, um einen sehr allm\u00e4ligen Farbenwandel hervorzubringen, indem er zwei Rollen aufsetzt, welche, so gut es geht, einander gleich gemacht sind, an der einen eine transparente Scheibe mit gleich breiten farbigen Sectoren befestigt, an der anderen eine schwarze Scheibe, in der ein oder zwei gleiche Sectoren ausgeschnitten sind. Wenn die Oeffnung anfangs gerade vor einem der farbigen Sect\u00f6ren der hinteren Scheibe steht, wird bei der Rotation das ganze Feld in dieser Farbe erscheinen, allm\u00e4lig aber werden sich die Scheibengegen einander Encyklop. cl. Physik. IX. Hei.mhoi.tz, Physiol. Optik.\t23","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 22.\n354\tZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPJTNDUNIIEN.\nverschieben, es wird von einem anderen Sector der farbigen Scheibe anfangs wenig,.allm\u00e4lig immer mehr frei werden, und dessen Farbe daher sich st\u00e4rker und st\u00e4rker einmischen, w\u00e4hrend die des ersten in demselben Verh\u00e4ltnisse verschwindet. So erh\u00e4lt man einen sehr leise und allm\u00e4lig eintretenden Farbenwandel.\nEs geh\u00f6ren hierher auch noch gewisse Curven, welche erscheinen, wenn zwei Reihen von geraden oder gekr\u00fcmmten St\u00e4ben sich hinter einander bewegen. Das erste Beispiel davon, welches Aufsehen erregte, waren gewisse Figuren, welche'an den R\u00e4dern eines Wagens erscheinen, wenn ein solcher hinter einem Gitter vorbeif\u00e4hrt L Am einfachsten von den hierher geh\u00f6rigen F\u00e4llen ist die von Faraday beobachtete Erscheinung. Er liess zwei gleiche Zahnr\u00e4der hinter einander in entgegengesetzter Richtung schnell rotiren, so dass ihre Axen in einer geraden Linie lagen. W\u00e4hrend nun von jedem einzeln gesehen die Z\u00e4hne wegen der Schnelligkeit der Bewegung verschwinden, sah er ein Rad mit doppelt so viel Z\u00e4hnen stillstehend, wenn er sie so betrachtete, dass die eine Zahnreihe durch die andere hin erschien. Denken wir uns die Z\u00e4hne hell auf dunklem Grunde, so wird durch die schnell umlaufenden hellen Z\u00e4hne jedes einzelnen Rades eine gewisse Menge Licht \u00fcber den Grund scheinbar gleichm\u00e4ssig ausgebreitet, und durch beide Zahnreihen zusammen die doppelte Menge Licht an solchen Stellen des Grundes, wo hinter einander bald von der einen, bald von der anderen Reihe ein Zahn hin\u00fcberl\u00e4uft. Wo aber ein Zahn der vorderen Reihe einen solchen der hinteren deckt, wird f\u00fcr den Augenblick das Licht des hinteren hinweggenommen, weil es nicht zum Auge des Beobachters kommen kann, und eine solche Stelle scheint dem Beobachter deswegen nur halb so stark beleuchtet, als die benachbarten, wo die beiden Z\u00e4hne ungest\u00f6rt nach einander ihr Licht in das Auge senden. Somit erscheinen in dem hellen Scheine, den die Zahnreihen geben, diejenigen Stellen dunkler, wo bei der Bewegung der R\u00e4der je zwei Z\u00e4hne zur Deckung kommen. Ist nun ra der Winkelabstand der Z\u00e4hne, und gehen wir von eiuer Stellung der R\u00e4der aus, wo die Z\u00e4hne sich decken, so wird eine zweite Deckung\nzu Stande kommen, wenn das eine Rad sich um \u2014 co nach rechts, das andere um ebenso\nviel nach links gedreht hat. Die dunklen Streifen werden also nur den Winkelabstand \u2014 a\nhaben, und ihre Anzahl wird daher doppelt so gross sein, als die der Z\u00e4hne. Das eine Rad kann man auch weglassen, wie Billet S\u00e9lis bemerkt, wenn man hinter das erste einen Hohlspiegel stellt, der ein mit dem Objecte zusammenfallendes aber verkehrtes Bild dieses Rades entwirft. Sehr h\u00fcbsch l\u00e4sst sich auch diese Methode anwenden, um die Art, wie sich ein Wasserstrahl in Tropfen aufl\u00f6st, sichtbar zu machen.\nEine \u00e4hnliche Erscheinung beobachtete Emsmann an dem bekannten Abplattungsmodell, welches aus zwei elastischen Messingringen besteht, die zwei gegen einander senkrechten Meridiankreisen der Erde entsprechen, und um die der Erdaxe entsprechende Linie schnell gedreht werden, wobei sie durch die Centrifugalkraft eine elliptische Gestalt annehmen. Da sie das Licht stark reflectiren, verbreiten sie bei schneller Rotation einen Lichtschein \u00fcber die Kugelfl\u00e4che, die sie beschreiben, und darin erscheinen dunkle Linien an den Stellen, wo hei der Rotation ein vorderes Bogenst\u00fcck ein hinteres bedeckt. Das allgemeine Princip dieser Erscheinungen hat Plateau ausgesprochen. Wenn zwei erleuchtete Curven sich durch das Gesichtsfeld so schnell bewegen, dass sie eine scheinbar continuirliche Beleuchtung der Fl\u00e4che zur\u00fccklassen, so erscheint eine dunkle Linie in diesem lichten Felde, welche die Punkte verbindet, in denen sich nach einander die Curven geschnitten haben, vorausgesetzt, dass das Licht der einen Curve die andere nicht durchdringen kann.\nDie Dauer des Lichteindrucks wurde von Newton 2 gleich einer Secunde gesch\u00e4tzt, sp\u00e4ter genauer gemessen von Segner 3, der 30 Tertien, d\u2019arcy 4, der 8 Tertien, Cavallo 5,\n1\tRoget in Phil. Transact. 1885. I. 131. Pugg. Ann. V. 03. Plateau ebenda XX. 319. Faraday ebenda XXII. 601. Emsmann ebenda LXIX. 326.\n2\tOp.tice. Quaestio XVI.\n3\tDe1 raritate luminis. Gott. 1740.\n4\tM\u00eam. de Pari*. 1765. p. 450.\ns Naturlehre \u00fcbers, von Tromksdorf Ul. 132.","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 22.\nGESCHICHTE UND LITERATUR.\n355\nder 6 Tertien als l\u00e4ngste Dauer des Eindrucks einer im Kreise geschwungenen gl\u00fchenden Kohle fand. Parrot 1 fand, dass der Eindruck in einem hellen Zimmer k\u00fcrzere Zeit w\u00e4hre, als in einem dunkeln. Daran schliessen sich denn die sp\u00e4teren Messungen von Plateau 1 2 \u00fcber die verschiedene Dauer der Eindr\u00fccke verschiedener Farben, und Emsmann 3.\nFarbenkreisel erw\u00e4hnt Musschenbroek 4 *, ohne einen \u00e4lteren Beobachter zu nennen. Besondere Formen sind beschrieben durch E. G. Fischer 6, L\u00fcdicke 6, Busolt 7 8.\nDie fast gleichzeitige Erfindung der stroboskopischen Scheiben durch Plateau und Stampfer zu Ende des Jahres 1832 ist\u2019 schon oben erw\u00e4hnt. Die Construction des Anorthoskops durch Plateau 8 f\u00e4llt in den Januar 1836. Letzterer hat auch die Theorie der hierher geh\u00f6rigen Erscheinungen vielf\u00e4ltig und ausf\u00fchrlich bearbeitet.\nJ 704. I. Newton. Optics. Quaestio XVI.\n1740. Segner. De raritate luminis. Gottingae 1740.\n1760. Musschenbroek. Introductio ad philos. natur. \u00a7. 1820.\n1765. d\u2019Arcy. Sur la dur\u00e9e de la sensation de la vue. M\u00e9m. de l\u2019Acad. des Sc. 1765. p. 450. 1795. T. Cavallo. Naturlehre, \u00fcbers, von Trommsdorf. III. 132.\n1800. A. F. L\u00fcdicke. Beschreibung eines Schwungrades, die Verwandlung der Regenbogenfarben darzustellen. Gilb. Ann. V. 272.\n1810. Derselbe. Versuche \u00fcber die Mischung prismatischer Farben. Ebenda XXXIV. 4, Beschreibung eines Chromaskops. Ebenda. XXXVI. und L1I.\n1819. Parrot. Entretiens sur la Physique. Dorpat 1819 \u2014 24. HI. 235.\n1825. Roget in Philosophical Transact. 1825 I. 131; Pogg. Ann. V. 93. (Radspeichen-curven. )\n1827. E. G. Fischer. Lehrbuch der mechanischen Naturlehre. Berlin. II. 267. (Farbenkreisel.)\nParis. Thaumatrop. Pogg. Ann. X. 480; Edinb. Journ. of Sc. VII. 87.\nTh. Young. Optische Erscheinung bei einer schwingenden Saite. Pogg. Ann. X. 470 \u2014 480.\n1829. Plateau in Pogg. Ann. XX. 304 \u2014 324; 543. (Verschiedene Dauer des Farbeneindrucks; Radspeichencurven.) Bisserl, sur quelques propri\u00e9t\u00e9s des impressions produites par la lumi\u00e8re sur l\u2019organe de vue. Li\u00e8ge 1829.\n1831. Faraday. On a peculiar class of optical deceptions. Journ. of the Roy. Inst. I.; Pogg. Ann. XXII. 601. (Ein Zahnrad durch das andere gesehen; Schraubenbewegung.)\n1833.\tPlateau. Correspond, math, et phys. de Vobserv\u00e2t, de Bruxelles. VII. 365. Pogg. Ann. XXII. 647. (Ph\u00e4nakistoskop.) Ann. de chim. et de phys. LUI. 304. Stampfer. Die stroboskopischen Scheiben oder optische Zauberscheiben, deren Theorie und wissensch. Anwendung. Wien; Pogg. Ann. XXIX. 189. XXXII. 636. Jahrbuch d. polytechn. Inst, zu Wien. Bd. XVIII.\nBusolt. Farbenkreisel. Pogg. Ann. XXXII. 666.\n1834.\tHorner. D\u00e4daleum. Pogg. Ann. XXXII. 650. Phil. Mag. (3) IV. 36.\nTalbot. Phil. Mag. Nov. 1834. p. 327, und IV. 113. (Rotirende Scheiben zur Photometrie angewendet.)\n1835.\tPlateau in: Bull, de l\u2019Acad. de Bruxelles. 1835. p. 52. Pogg. Ann. XXXV. 457 \u2014 464. (Messungen der Lichtst\u00e4rke intermittirenden Lichts.)\nDove. Ueber Discontinuit\u00e4t des Leuchtens der Blitze.\nAddajis. Optische T\u00e4uschung bei Betrachtung eines in Bewegung begriffenen K\u00f6rpers. Pogg. Ann. XXXIV. 384; Phil. Mag. V. 373.\n1836.\tPlateau. Anorthoskop. Bull, de l\u2019Acad. de Bruxelles. III. 7 und 364. Pogg. Ann. XXXVII. 464.\n1845. Emsmann.\tOptische T\u00e4uschung, welche sich an dem Abplattungsmodelle zeigt,\nPogg. Ann. LXIV. 326.\nDoppler in Abliandi. der b\u00f6hmischen Ges. der Wiss, V. Folge. Bd. 3.\n1\tEntretiens sur la Physique. Dorpat 1819 \u2014 24. III. 235.\n2\tPogg. Ann. XX. 304 \u2014 324.\n3\tPogg. Ann. XCI. 611.\n* Introd. ad philos, natur. \u00a7. 1820.\n3 Lehrbuch der mechanischen Naturl. Berlin 1827. 11. 267.\n6\tGilbert\u2019s Annalen. V. 272 und XXXIV. 4.\n7\tPogg. Ann. XXXII. 655.\n8\tBull de Brttx. 1836. HI. 7. Derselbe in Pogg. Ann. XX. 319 - 543. XXXII. 616. XXXVII. 461. LXXVIII. 563. LXXIX. 269. I,XXX. 150. 287.","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 23.\n1846. Dove. Ueber die Methoden aus Complement\u00e4rfarben Weiss darzustellen, und \u00fcber 1 die Erscheinungen, welche polarisirtes Licht zeigt, dessen Polarisationsebene gedreht wird. Berl. Monatsber. 1846. p. 70. Pogg. Ann. LXXI. 97; Phil. Mag. XXX. 465; Inst. No. 712. p. 176; Arch. d. sc. ph. et nat. V. 276.\nDerselbe. Ueber ein optisches Verfahren die Umdrehungsgeschwindigkeit einer rotirenden Scheibe zu messen. Berl. Monatsber. 1847. p. 77. Pogg. Ann. LXXI. 112; Inst. No. 712. p. 177.\nM\u00fcller. Anwendung der strobosk. Scheiben zur Versinnlichung der Wellenlehre. Pogg. Ann. LXVII. 271.\n1849.\tPlateau. Sur de nouvelles applications curieuses de la persistance des impressions de la r\u00e9tine. Bull, (le Unix. XVI. I. 424, 588. IL 30, 254. Inst. XVII. No. 818. p. 277. No. 830. p. 378. XVIII. No. 835. p. 5. Phil. Mag. XXXVI. p. 434, 436; Pogg. Ann. LXXVIII. 563, LXXIX. 269, LXXX. 150, 287; Froriep Notizen X. 221, 325.\n1850.\tJ. Tyndall. Phenomena of water jet. (Beleuchtung durch elektrische Funken.) Phil. Mag. (4) I. 105; Pogg. Ann. LXXXII. 294; Edinb. Journ. L. 370; Inst. No. 924. p. 303.\nH.\tBuff. Einige Bemerkungen \u00fcber die Erscheinung der Aufl\u00f6sung des fl\u00fcssigen Strahls in Tropfen. Liebig und W\u00f6hler LXXVIII.\u2019162. (Beleuchtung durch inter-mittirendes Licht.)\nBillet S\u00e9lis. Sur les moyens d\u2019observer la constitution des veines liquides. Ann.\n(I. chim. et de phys. (3) XXXI. 326; Pogg. Ann. LXXXIII. 597.\nW. Swan. On the gradual production of luminous impressions on the eye and other pliaenomena of vision. Sillimann J. (2) IX. 443; Proc. Edinb. Roy. Soc. 1849. p. 230.\nStevelly. Attempt to explain the occasional distinct vision of rapidly revolving coloured sectors. Sillimann J. (2) X. 401; Rep. of British Assoc. 1850. 2. p. 21. Sinsteden. Eine optische Stelle aus den Alten. Pogg. Ann. LXXXIV. 448; Cosmos\nI.\t116.\n1852.\tMontigny. Proc\u00e9d\u00e9 pour rendre perceptibles et pour compter les vibrations d\u2019une tige \u00e9lastique. Bull, de Brux. XIX. 1. p. 227\u2014250; Inst. 1852. p. 216 \u2014 220; 268. Pogg. Ann. LXXXIX. 102 \u2014 121.\n1853.\tA. Poppe. Das verbesserte Interferenzoskop. Pogg. Ann. LXXXVJII. 223 \u2014 230. (Beobachtung von Fl\u00fcssigkeitswellen durch stroboskopische Scheiben.)\nF. UcHATius. Apparat zur Darstellung beweglicher Bilder an der Wand. Wiener Ber. X. 482 \u2014 485.\nW. Boi.lmann. Ueber eine neue Anwendung der stroboskopischen Scheiben. Pogg. Ann. LXXXIX. 246 \u2014 250.\nJ.\tPlateau. Sur le passage de Lucr\u00e8ce oh l\u2019on a vu une description du fantascope. Arch. d. sc. phys. XX. 300 \u2014 302; Cosmos. I. 307 \u2014 309. (Gegen Sinsteden.)\n1854.\tEmsmann. lieber die Dauer des Lichteindrucks. Pogg. Ann. XCI. 611 \u2014 618; Inst. 1854. p. 276.\n1855.\tLissajous. Note sur un moyen nouveau de mettre en \u00e9vidence le mouvement vibratoire des corps. C. R. XLI. 93 \u2014 94; Inst. 1855. p. 245. Cosmos. VII. 81\u201483; Arch, d. sc. phys. XXX. 159 \u2014161.\nDerselbe. Note sur une m\u00e9thode nouvelle applicable a l\u2019\u00e9tude des mouvemens vibratoires. C. R. XLI. 814 \u2014817; Cosmos. VII. 608 \u2014609; Inst. 1855. p. 402 \u2014403.\n1856.\tDerselbe. M\u00e9moire sur l\u2019\u00e9tude optique des mouvements vibratoires. C. R. XL11I. 973 \u2014 976; XLIV. 727; XLV. 48 \u2014 52; Inst. 1856. p. 411. 1857. p. 237; Cosmos. IX. 626 \u2014 629; XI. 80 \u2014 83, 110 \u2014 112, 431 \u2014432; Ann. d. chim. et de phys. (3) LI. 147 \u2014 231.\n\u00a7. 23. Die Ver\u00e4nderungen der Reizbarkeit.\nWir haben gesehen, dass nach der Einwirkung von Licht auf die Netzhaut, der Zustand von Reizung im Sehnervenapparate noch eine Zeit lang anh\u00e4lt. Diese Nachdauer des Eindrucks nimmt man nach der Betrachtung heller Gegenst\u00e4nde am ungest\u00f6rtesten wahr, wenn man das Auge auf ein ganz dunkles Gesichtsfeld richtet. Ausserdem zeigt sich aber, dass nach Einwirkung hellen Lichts auf irgend eine Stelle der Netzhaut diese nun auch neu von aussen","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 23.\nNACHBILDER.\n357\neinfallendes Licht in einer anderen Weise empfindet, als es die vorher nicht afficirten Theile der Netzhaut thun. Wir haben es also hier auch mit einer durch Einwirkung des Lichtes ver\u00e4nderten Empf\u00e4nglichkeit des Sehnervenapparates gegen \u00e4ussere Reize zu thun.\nWir wollen im vorliegenden Paragraphen also haupts\u00e4chlich aufsuchen, welche Empfindungen entstehen, wenn die von vorausgegangenem hellen Lichte afficirte Parthie der Netzhaut von anderem \u00e4usseren Lichte getroffen wird. Ich bemerke jedoch gleich, dass auch ein Theil der Erscheinungen hierhergezogen werden muss, welche im scheinbar dunkeln Gesichtsfelde erscheinen, weil es n\u00e4mlich in Wirklichkeit kein absolut dunkles Gesichtsfeld giebt, vielmehr auch hei vollst\u00e4ndigem Ausschluss alles \u00e4usseren Lichtes doch immer noch eine gewisse schwache Reizung der Netzhaut durch innere Einfl\u00fcsse bestehen bleibt, welche das schon im \u00a7. 17 erw\u00e4hnte Lichtchaos oder Eigenlicht des dunkeln Gesichtsfeldes hervorbringt. Die Reizempf\u00e4nglichkeit der Netzhaut erscheint nun gegen diese inneren Reize in derselben Weise abge\u00e4ndert, wie gegen objectives Licht, und es geh\u00f6ren deshalb zu unserem gegenw\u00e4rtigen Gegenst\u00e4nde auch Erscheinungen, die im dunkeln Gesichtsfelde eintreten, nachdem der Zustand der Reizung der Netzhaut ganz aufgeh\u00f6rt hat. Ich bemerke hierbei noch, dass in hellen R\u00e4umen der Schluss der Augenlider allein nicht hinreicht, das Gesichtsfeld von allem objectiven Lichte frei zu machen, wie man leicht an der weiteren Verdunkelung merkt, welche eintritt, wenn man die Augen nun zukneift, oder die Hand davor legt. Ja in directer Sonnenbeleuchtung reicht es noch nicht einmal hin auch nur die Hand vorzulegen, weil auch durch diese noch eine wahrnehmbare Quantit\u00e4t rothen Lichtes hindurchdringt. Wenn also im Folgenden von einem ganz dunkeln Gesichtsfelde die Rede ist, so ist darunter immer nur zu verstehen das Gesichtsfeld, wie es in einem absolut dunkeln, von allen Spuren objectiven Lichts gesch\u00fctzten Zimmer sich findet, oder wie es in einem hellen Zimmer entsteht, wenn man die Augen schliesst, und jedes Auge dicht, aber ohne Druck mit einer Handfl\u00e4che oder einem dunkeln undurchsichtigen Tuche bedeckt.\nIch werde ferner im Folgenden dasjenige Licht, welches zuerst auf die Netzhaut eingewirkt und deren Reizempf\u00e4nglichkeit ver\u00e4ndert hat, das prim\u00e4re Licht nennen, das sp\u00e4ter auf die ver\u00e4nderte Netzhautstelle einwirkende dagegen das reagirende Licht, weil es f\u00fcr uns gleichsam ein Reagenz ist, durch welches wir die Reizbarkeit der Netzhaut pr\u00fcfen.\nDie Mannigfaltigkeit der Erscheinungen dieses Gebietes ist nun sehr gross, und obgleich eine ziemliche Anzahl ausgezeichneter Beobachter daran gearbeitet hat, ist es noch in vielen Theilen unsicher und l\u00fcckenhaft. Die Schwierigkeit liegt darin, dass zuerst jeder Beobachter, der sich daran macht, eine gewisse Zeit braucht, um sich gen\u00fcgend zu \u00fcben, die hierher geh\u00f6rigen Erscheinungen sicher aufzufassen und zu beurtheilen, und dabei meistens diese Versuche schnell die Augen so angreifen, dass wenn man sie zu lange fortsetzt, schwere und gef\u00e4hrliche Augen - und Nervenkrankheiten eintreten. Es haben deshalb die meisten Beobachter bisher nur eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringe Menge von Thatsachen selbst best\u00e4tigen und neu entdecken k\u00f6nnen, und auch jedem k\u00fcnftigen Beob-","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 23.\nachter, welcher dergleichen Versuche machen will, ist anzurathen, an jedem einzelnen Tage nur sehr wenige Versuche dieser Art zu machen, und die Versuchsreihen f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit abzubrechen, sobald er bemerkt, dass nach den Versuchen oder \u00fcberhaupt beim Ansehen hellen Lichtes oder lebhafter Farben sich leichte Schmerzen in den Augen oder im Kopfe einstellen, oder wenn die Nachbilder anfangen lebhafter und dauernder zu werden, als sie im gesunden Auge sind.\nWir unterscheiden positive und negative Nachbilder in derselben Weise, wie man hei den Photographien von positiven und negativen Bildern redet. Positive Bilder sind solche, in denen die hellen Parthien des Objects ebenfalls hell, die dunkeln dunkel sind, negative Bilder dagegen solche, in denen die hellen Parthien des Objects dunkler, die dunkeln heller erscheinen.\nIch werde den Gang der Erscheinungen nun zun\u00e4chst beschreiben, indem ich nur auf die Lichtst\u00e4rke, nicht auf den Wechsel der Farben R\u00fccksicht nehme, welcher den Wechsel der Helligkeit in den meisten F\u00e4llen begleitet, und seine Erkl\u00e4rung wahrscheinlich darin findet, dass f\u00fcr die verschiedenen Farben die Dauer der einzelnen Stadien der Erscheinung verschieden ist. Um den normalen Verlauf der Nachbilder ungest\u00f6rt zu beobachten, ist es nothwendig, zun\u00e4chst die Netzhaut von den Nachbildern der fr\u00fcheren Lichteindr\u00fccke zu befreien, wozu es gew\u00f6hnlich noting ist und gen\u00fcgt, einige Minuten mit dicht bedeckten Augen zu sitzen, bis man im dunkeln Gesichtsfelde nichts mehr vor sich sieht, als das Lichtchaos, dessen eigentlnimliche Figuren (meist gleichsam helle Gerinnsel durch baumartig und netzf\u00f6rmig vertheilte dunkle Streifen getrennt) man bald kennen lernt. Wenn man keine Bruchst\u00fccke von Zeichnungen \u00e4usserer Gegenst\u00e4nde mehr sieht, und auch beim Eindringen ganz schwachen Lichts durch die geschlossenen Augenlider keine mehr sichtbar werden, ist das Auge vorbereitet, um den Eindruck zu empfangen.\nRichtet man nun die Augen eine kurze Zeit auf einen hellen Gegenstand, z. B. die helle Fensterfl\u00e4che, am besten so, dass man die Richtung der Augen unver\u00e4ndert l\u00e4sst, und sie nur auf- und zudeckt, so bleibt unmittelbar hinterher ein positives Bild des prim\u00e4ren hellen Objects stehen, wie dies schon im vorigen Paragraphen besprochen ist. Dieses Bild ist desto sch\u00e4rfer und deutlicher, je weniger die Richtung der Augen ver\u00e4ndert worden ist, und seine Helligkeit finde ich am gr\u00f6ssten, wenn die Bestrahlung der Netzhaut durch das prim\u00e4re Licht etwra nur i/3 Secunde gedauert hat. Die. Erscheinungen des vorigen Paragraphen haben gelehrt, dass die St\u00e4rke der Reizung durch das Licht w\u00e4hrend der ersten Zeitmoinente seiner Wirkung zunimmt, aber sie erreicht sehr schnell ihr Maximum. Dauert die Bestrahlung l\u00e4nger als y3 Secunde, so nimmt die St\u00e4rke des Nachbildes, welche der Intensit\u00e4t der zur\u00fcckbleibenden Reizung der Sehnervensubstanz entspricht, schnell wieder ab, wovon wir den wahrscheinlichen Grund sp\u00e4ter nachweisen werden. Je gr\u00f6sser \u00fcbrigens die Intensit\u00e4t des prim\u00e4ren Lichtes ist, desto heller ist das positive Nachbild und desto l\u00e4nger dauert es. Dabei ist zu bemerken, dass im positiven Nachbilde oft auch Grade der Helligkeit unterscheidbar werden, welche beim directen Anblick wegen zu grosser Helligkeit nicht Unterschieden wurden. Dreht man","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 23.\nPOSITIVE NACHBILDER.\n359\nz. B. cine Lampe mit rundem Docht schnell aus, w\u00e4hrend man nach der erl\u00f6schenden Flamme hinblickt, so erkennt man im Nachbilde die gr\u00f6ssere Helligkeit der R\u00e4nder im Vergleich zur Mitte der Flamme, welche man (siehe \u00a7. 21) bei der directen Betrachtung schwer bemerkt. Dieselbe Bemerkung machte auch Aubert bei den Nachbildern des elektrischen Funkens, welcher direct gesehen als ein verwaschener Lichtstreif, im Nach bilde als eine scharf gezeichnete Linie erschien. Man kann \u00fcbrigens auch von sehr massig erleuchteten Gegenst\u00e4nden, z. B. von weissein Papier, welches die zum Schreiben und Lesen bequeme Heiligkeit hat, nach der beschriebenen Methode noch positive Nachbilder gewinnen, die eine erkennbare Dauer von etwa zwei Secunden haben, w\u00e4hrend im Gegentheil das helle Nachbild der Sonne oft mehrere Minuten lang stehen bleibt.\nUm die positiven Nachbilder recht sch\u00f6n zu haben, beachte man noch folgende Regeln. W\u00e4hrend ihrer Erzeugung und ihrer Dauer muss man sorgf\u00e4ltig jede Bewegung des Auges und jede heftigere Bewegung des K\u00f6rpers vermeiden, weil sie bei einer solchen stets f\u00fcr einige Zeit verschwinden. Nachdem man also gen\u00fcgende Zeit mit dicht bedeckten Augen gesessen hat, richte man unter den bedeckenden H\u00e4nden die Augen nach der Richtung des Objects und bem\u00fche sich, sie ganz unverr\u00fcckt zu halten, w\u00e4hrend man die H\u00e4nde schnell wegzieht, und ebenso schnell wieder \u00fcberdeckt. Diese Bewegung der H\u00e4nde muss aber leise und leicht, ohne starke Anstrengung und Ersch\u00fctterung des K\u00f6rpers ausgef\u00fchrt werden. Wenn man dies Verfahren gut einge\u00fcbt hat, so gelingt es zuweilen, das positive Nachbild unter den bedeckenden H\u00e4nden so scharf und hell zu sehen, dass es den Eindruck macht,' als w\u00e4ren die H\u00e4nde durchsichtig, und man s\u00e4he die wirklichen Objecte. Man hat Zeit genug, an diesen Nachbildern noch eine Menge einzelner Umst\u00e4nde zu bemerken, auf welche zu achten man w\u00e4hrend der wirklichen Betrachtung nicht Zeit hatte. Die lichtschwachen Fl\u00e4chen verschwinden am schnellsten, ohne ihre Farbe wesentlich zu ver\u00e4ndern, die helleren bleiben l\u00e4ngere Zeit stehen, wobei ihre Farbe durch bl\u00e4uliche T\u00f6ne in ein violettes Rosa, sp\u00e4ter Gelbroth \u00fcbergeht. Zur Zeit, wo die helleren Stellen aus Blau in Violett \u00fcbergehen, wird die Zeichnung des Nachbildes oft ziemlich undeutlich, weil, wie mir scheint, die hellen Theile dann verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr an Licht verloren haben als die schw\u00e4cher beleuchteten, und beide in ihrer Beleuchtung sich ziemlich nahe gekommen sind, und weil wir \u00fcberhaupt, wie im folgenden Paragraphen noch n\u00e4her zu besprechen ist, nur wechselnde Erregungszust\u00e4nde der Netzhaut gut von einander unterscheiden, f\u00fcr einen constanten Erregungszustand aber schnell das Unterscheidungsverm\u00f6gen verlieren. Sp\u00e4ter werden in den positiven Nachbildern die weniger bellen Gegenst\u00e4nde ganz dunkel und die helleren bleiben noch l\u00e4ngere Zeit, jetzt rosa gef\u00e4rbt, allein sichtbar. Sehr auffallend war es, wenn ich das Nachbild eines hellen Teppichs betrachtete, \u00fcber welchen vom Fenster her ein Streifen Sonnenlicht fiel. Es trat eine Zeit ein, wo ich das Muster des Teppichs vollst\u00e4ndig sah, aber \u00fcberall gleich hell, so dass der Streifen Sonnenlicht sich nicht mehr bemerklich machte. Nachher verschwand das Muster des Teppichs, w\u00e4hrend, die Figur des genannten helleren Streifen","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 23.\nnun wieder in rosarothem Lichte erschien, und bis zuletzt stehen blieb. Es kann daher auch wohl bei bestimmten Beleuchtungsgraden die Zeichnung des Bildes ganz oder theilweis sehr undeutlich werden, und nachher wieder deutlicher, also scheinbar das Bild fast verschwinden und nachher sich wieder aufkl\u00e4ren. Wenn man aber genau aufpasst, wird man bemerken, dass der Grund des Bildes zur Zeit der Verwirrung der. Zeichnung merklich heller ist, als wenn nachher die hellsten Stellen auf ganz schwarzem Grunde abgezeichnet wieder erscheinen. Es ist deshalb in solchen F\u00e4llen nicht der Lichteindruck verschwunden und wieder gekommen, sondern nur der Unterschied zwischen hellen und helleren Stellen fiir einige Zeit kleiner geworden, und die F\u00e4higkeit ihn wahrzunehmen verschwunden, bis neuer Wechsel in F\u00e4rbung und Helligkeit des Nachbildes diese wieder hersteilen. Uebrigens habe ich stets an Bildern, welche viele verschieden helle Objecte enthielten, gesehen, dass die einzelnen Objecte desto sp\u00e4ter aus dem positiven Bilde g\u00e4nzlich verschwanden, je heller sie waren. Bei schwachen Nachbildern, wie diejenigen wohl waren, welche Aubert nach der Beleuchtung der Objecte durch den elektrischen Funken erhielt, hat dieser Beobachter jedoch gefunden, dass nach schwachen Funken die positiven Nachbilder l\u00e4nger dauerten, als nach starken Funken.\nHat man dagegen beim Auf- und Zudecken des Auges dieses kr\u00e4ftig bewegt., oder gedr\u00fcckt, oder ersch\u00fcttert, so sicht man im ersten Moment ein verwirrtes Lichtchaos, aus dem sich dann erst allm\u00e4lig das Nachbild entwickelt. Ebenso wird das schon entwickelte Nachbild durch Bewegung, Ersch\u00fctterung, Druck, \u00e4usseres Licht zeitweise oder ganz aufgehoben.\nWenn das \u00e4ussere Licht nur sehr kurze Zeit eingewirkt hatte, nicht blendend war, und das Gesichtsfeld ganz frei von allen Spuren \u00e4usseren Lichts gehalten wird, verschwindet das positive Bild gew\u00f6hnlich, ohne in ein negatives \u00fcberzugehen. Wenn man aber, w\u00e4hrend das positive Nachbild noch besteht, oder auch etwas sp\u00e4ter, das Auge gegen gleichm\u00e4ssig beleuchtete Fl\u00e4chen kehrt, oder auch nur mit geschlossenen Lidern sich nach einer hellen Umgebung wendet, erscheint ein negatives Nachbild. Je st\u00e4rker das positive Nachbild ist, desto st\u00e4rker muss auch das reagirende Licht gemacht werden, um es in ein negatives Bild zu verwandeln. Es giebt immer eine gewisse St\u00e4rke des reagirenden Lichts, bei welcher das positive Bild einfach verschwindet, ohne negativ zu werden. Ist das reagirende Licht st\u00e4rker, so entsteht ein negatives Bild, ist es schw\u00e4cher, so bleibt das Bild positiv und wird nur undeutlicher. Mit wachsender St\u00e4rke des reagirenden Lichts w\u00e4chst \u00fcbrigens auch die Deutlichkeit des Nachbildes, bis jene Lichtst\u00e4rke den Grad \u00fcberschreitet, der f\u00fcr Erkennung von Differenzen der Lichtst\u00e4rke um kleine Bruchtheile am g\u00fcnstigsten ist, um dann wieder abzunehmen. Man kann somit auch Nachbilder erhalten von schw\u00e4cherem primitiven Lichte auf st\u00e4rkerem reagirenden, nur muss man auf sie gut aufpassen, weil sie sehr schnell vergehen. Auch nachdem das positive Bild geschwunden ist, bleibt auf hellen Fl\u00e4chen das negative Nachbild noch kurze Zeit sichtbar, indem es ebenfalls allm\u00e4lig erblasst und verschwindet, ja cs kann sogar im ganz dunkeln Gesichtsfelde sichtbar werden, indem es hier als eine Verminderung der Helligkeit des Eigenlichts der Netzhaut erscheint. In der Regel erscheint dann","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 23.\nNEGATIVE NACHBILDER.\n361\ndieses Eigenlicht selbst in der n\u00e4chsten Umgebung des dunklen Nachbildes durch Contrast mit diesem etwas heller.\nGr\u00f6ssere Intensit\u00e4t des prim\u00e4ren Lichts giebt dem negativen Nachbilde eine gr\u00f6ssere Deutlichkeit und Dauer. Auch unterscheiden sich im Nachbilde diejenigen Theile eines als prim\u00e4r beleuchtendes Object gebrauchten, blendend hellen Gegenstandes, welche eine objectiv verschiedene, f\u00fcr die Empfindung aber nicht verschiedene Lichtst\u00e4rke haben. Ich habe oft gesehen, wenn ich nach der untergehenden Sonne geblickt hatte, dass Gegenst\u00e4nde, die einen Theil der Sonnenscheibe bedeckten, im negativen Nachbilde deutlich zu erkennen waren, von denen beim directen Anblick der Sonne wegen der Irradiation keine Spur zu erkennen war. Selbst kleine Gegenst\u00e4nde, Zweige und Bl\u00e4tter von B\u00e4umen k\u00f6nnen auf diese Weise nachtr\u00e4glich sichtbar werden. Die Reizempf\u00e4itglichkeit derjenigen Netzhauttheile, welche das Bild der Sonnenscheibe selbst aufgenommen haben, ist also nachher st\u00e4rker ver\u00e4ndert, als sie es in den Netzhautstellen ist, welche von den Zerstreuungskreisen und dem diffus verbreiteten Lichte getroffen waren, obgleich die urspr\u00fcngliche Empfindung beider sich nicht unterscheiden liess. Eben deshalb sind Nachbilder der Sonne anfangs gew\u00f6hnlich gr\u00f6sser als die Sonnenscheibe, und werden sp\u00e4ter kleiner, indem sich anfangs noch ein Nachbild der Zerstreuungskreise am \u00e4usseren Rande der Sonne hinzugesellt, welches aber schneller negativ wird und endlich fr\u00fcher schwindet als das der Mitte des Sonnenk\u00f6rpers, wo die volle Helligkeit desselben eingewirkt hat.\nDer Einfluss der Dauer der prim\u00e4ren Bestrahlung ist f\u00fcr das negative Nachbild ein anderer als f\u00fcr das positive. N\u00e4mlich die St\u00e4rke des negativen Nachbildes nimmt zu mit der Dauer der Bestrahlung, und scheint sich erst bei l\u00e4ngerer Dauer asymptotisch einem gewissen Maximum zu n\u00e4hern. Durch lange Dauer sehr starker Bestrahlung kann sogar eine bleibende Ver\u00e4nderung der betreffenden Netzhautstelle entstehen, wie dies Ritter1 erfuhr, als er 10 bis 20 Minuten lang direct in die Sonne gesehen hatte. Zur Erzeugung deutlicher negativer Nachbilder ist es deshalb n\u00fctzlich, die prim\u00e4re Bestrahlung l\u00e4nger (bei m\u00e4ssigem Licht etwa 5 \u201410 Secunden) dauern zu lassen. Dann ist das positive Nachbild schwach und schwindet schnell, das negative dagegen st\u00e4rker und dauert l\u00e4nger. So z. B. schwindet nach der Betrachtung heller Wolken durch das Fenster von 1/3 Secunde Dauer das positive Nachbild nach etwa 12 Secunden, das negative auf hellerem Grunde nach etwa 24 Secunden. Wenn ich dasselbe Object dagegen 4 oder 8 Secunden betrachtete, schwand das negative Nachbild erst nach 8 Minuten. Ich hielt das Gesichtsfeld dabei ganz dunkel und liess nur von Zeit zu Zeit schwaches- Licht durch die geschlossenen Lider einfallen, um zu pr\u00fcfen, ob das Nachbild noch da sei. Um das negative Nachbild recht scharf gezeichnet zu erhalten, ist es nothwendig, w\u00e4hrend der Dauer der Bestrahlung scharf einen bestimmten Punkt des hellen Objects zu fixiren. In dem negativen Nachbilde ist es noch besser als in dem fl\u00fcchtigeren positiven m\u00f6glich nachtr\u00e4glich Einzelheiten zu erkennen, die man bei der directen Beschauung nicht bemerkt hat. Hat man nach einander zwei verschiedene Punkte des\n1 Beitr\u00e4ge zur n\u00e4heren Kenntniss des Galvanismus. 1805. Bd. II. S. 175\u2014181.","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 23.\nObjects fixirt, so erkennt inan aucS nachher zwei sich theilweis deckende Nachbilder. So kann man auch im Nachbilde, wenn im Gesichtsfelde die Sonne steht, und man den Blick schnell \u00fcber das Feld hinschweifen liess, den ganzen Weg abgebildet erhalten, den das Sonnenbildchen auf der Netzhaut zur\u00fcckgelegt hat. Hat man den Blick auf einzelnen Stellen des Feldes einen Augenblick festgehalten, so entsprechen diesen Punkten intensivere runde Nachbilder der Sonne, welche l\u00e4nger positiv bleiben, und wenn sie negativ geworden sind, dunkler werden und l\u00e4nger dauern. Diese sind verbunden durch schmalere verwaschene Streifen, welche anfangs zwar auch hell sind, sich aber bald negativ dunkler zeigen, und desto schw\u00e4cher gezeichnet sind, je gr\u00f6sser die Geschwindigkeit der Augenbewegung f\u00fcr die betreffende Stelle gewesen war. Diese Streifen sind schmaler als die Sonnenscheibe und am Rande verwaschen, weil \u00fcber die ihrem Rande entsprechenden Netzhauttheile nur eine Sehne des runden Sonnenbildes hingeglitten ist. \u00fcber die mittleren dagegen ein Durchmesser; auf letztere also das Sonnenlicht l\u00e4nger gewirkt hat.\nPositive wie negative Nachbilder bewegen sich, wenn das Auge bewegt wird. Ihre scheinbare Lage im Gesichtsfelde entspricht immer dem Orte, wo ein Object sich befinden m\u00fcsste, dessen Bild auf die von dem prim\u00e4ren Lichte getroffene Netzhautstelle fallen sollte. Ist also der gelbe, Fleck von starkem Lichte getroffen worden, so befindet sich das Nachbild, wo man auch hinsehen m\u00f6ge, immer im Fixationspunkte des Auges und hindert, wenn es stark ist, feinere Gegenst\u00e4nde zu erkennen. Liegt ein kr\u00e4ftig gezeichnetes Nachbild dicht neben dem Fixationspunkte, so verleitet es den Beschauer leicht, es fixiren zu wollen, das Auge wendet sich nach dem Nachbilde hin, und dann fliegt dieses scheinbar immer vor dem Fixationspunkte her nach dem Rande des Gesichtsfeldes hin, \u00e4hnlich den fliegenden M\u00fccken. Fixirt der Beschauer aber einen \u00e4usseren festen Punkt, so stehen auch die Nachbilder still. Ihre Bewegung h\u00e4ngt immer nur von Bewegung des Auges ab.\nWenn wir nun aus den bisher beschriebenen Erscheinungen Schl\u00fcsse auf den Zustand der Netzhautstelle und des zugeh\u00f6rigen Theils des Sehnervenapparats ziehen, welche von dem prim\u00e4ren Lichte erregt worden waren, so finden wir, dass in ihnen erstens nach Erl\u00f6schen des prim\u00e4ren Lichtes der Reizungszustand noch eine Zeit lang dauert, was durch die positiven Nachbilder angezeigt wird, und dass zweitens die betreffende Nervensubstanz neu einfallendes, reagirendes Licht schw\u00e4cher empfindet, als die fr\u00fcher von Licht nicht getroffenen \u00fcbrigen Netzhautstellen. Nach der Einwirkung von Licht besteht also erstens Reizung fort, zweitens ist die Empf\u00e4nglichkeit f\u00fcr neue Reize vermindert. Dass Reizung einen Zustand verminderter Reizempf\u00e4ngljchkeit zur\u00fcckl\u00e4sst, findet auch bei den motorischen und anderen empfindenden Nerven statt. Wir nennen einen solchen Zustand Erm\u00fcdung.\nAus dem Umstande, dass die negativen Nachbilder bei steigender Helligkeit des reagirenden Lichts so lange deutlicher werden, bis diese Helligkeit etwa den Grad erreicht hat, wo Verminderung der Lichtst\u00e4rke um kleine Bruchtheile ihrer ganzen Gr\u00f6sse am besten wahrgenommen wird, k\u00f6nnen wir schliessen, dass die Erm\u00fcdung der Sehnervensubstanz die Empfindung neu einfallenden","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 23.\nZUSTAND DER NETZHAUT NACH REIZUNG.\n363\nLichtes ungef\u00e4hr in dem Verh\u00e4ltniss beeintr\u00e4chtigt, als w\u00e4re die objective Intensit\u00e4t dieses Lichtes um einen bestimmten Bruchtheil ihrer Gr\u00f6sse vermindert. Es soll, bei dem Mangel gen\u00fcgender Messungen, hierdurch nur der Gang im Allgemeinen bezeichnet werden, welchen die Intensit\u00e4t der Empfindung einer erm\u00fcdeten Netzhautstelle als Function der Intensit\u00e4t des reagirenden Lichtes einh\u00e4lt, So lange noch neben dem negativen Bilde das positive besteht, ist die Reizung der Netzhaut zusammengesetzt aus der noch fortbestehenden Reizung, welche das prim\u00e4re Licht hervorgebracht hat, und der durch die Erm\u00fcdung verminderten Reizung durch das reagirende Licht, und in diesem Sinne k\u00f6nnen wir die Helligkeit des Nachbildes als die Summe der Helligkeit des positiven Bildes und der durch die Erm\u00fcdung verminderten Helligkeit des reagirenden Lichtes betrachten. Ist nun die Verminderung der Helligkeit des reagirenden Lichts gr\u00f6sser als die Helligkeit des positiven Bildes, so wird die ganze Helligkeit des Nachbildes geringer sein, als die Helligkeit des reagirenden Lichts, wie sie den nicht erm\u00fcdeten Netzhautstellen erscheint, das Nachbild also negativ werden. Dies ist bei gr\u00f6sserer Helligkeit des reagirenden Lichtes der Fall. Bei geringerer dagegen ist die Helligkeit des positiven Bildes mehr als hinreichend, den Verlust durch die Erm\u00fcdung zu decken, das Bild ist positiv.\nEs sei H die scheinbare Helligkeit des reagirenden Lichts in den nicht erm\u00fcdeten Netzhautstellen, uH in den erm\u00fcdeten, wo a <d 1, und I die scheinbare Helligkeit des positiven Bildes, so muss nach dem oben Gesagten bei wechselnder Gr\u00f6sse von Hu ziemlich constant sein. Nehmen wir dies an, so ist a H -f-1 die Helligkeit des Nachbildes, H die des Grundes, auf weichem es erscheint. F\u00fcr\nwird\n/+\u00ab//= H\ndas Nachbild so hell, wie der Grund, es wird unsichtbar.\nwird\nH > I+uH <\nI\nI \u2014 u H\nF\u00fcr\ndas Nachbild negativ, umgekehrt f\u00fcr\nII <\nwird das Nachbild positiv. Ist I sehr klein, so kann schon die scheinbare Helligkeit des Eigenlichts der Netzhaut gr\u00f6sser sein als \u2014, dann wird das negative\nBild auch im dunkelsten Gesichtsfelde erscheinen. Ist endlich das positive Bild ganz geschwunden, so ist H die Helligkeit im Grunde und uH im Nachbilde. Ist 1 \u2014 a bei schwindender Erm\u00fcdung sehr klein geworden, so wird eine gewisse mittlere St\u00e4rke des reagirenden Lichts n\u00f6thig sein, um den Unterschied erkennen zu lassen. Im dunkeln Gesichtsfelde wird es dann nicht zu sehen sein. Endlich wird 1 \u2014 \u00ab = 0 und das Nachbild schwindet ganz.\nWas die negativen Bilder im ganz verdunkelten Gesichtsfelde betrifft, so lehrt der Augenschein, dass sie durch Verringerung des Eigenlichts der Netzhaut","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nZWEITER ABSCHNITT. HIC LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 23.\nzu Staude kommen. Dieses Eigenlicht also, welches wir aus der Wirkung innerer Reize auf den Sehnervenapparat herleiten m\u00fcssen, unterliegt den Wirkungen der Erm\u00fcdung ebenso wie der Eindruck des \u00e4usseren Lichts. Dass Erm\u00fcdung des Auges durch Reizung seine Empf\u00e4nglichkeit f\u00fcr andere Reize beeintr\u00e4chtigt, l\u00e4sst sich \u00fcbrigens auch f\u00fcr elektrische und mechanische Reize der Netzhaut nachweisen. Wenn man ein negatives Nachbild im Auge entwickelt hat, und l\u00e4sst einen elektrischen Strom aufsteigend durch Auge und Sehnerven gehen, wobei die helle bl\u00e4uliche Erleuchtung des Gesichtsfeldes ein-tritt, so wird das negative Nachbild dadurch verst\u00e4rkt, und wenn ein Bild gerade im L'ebergang von positiv zu negativ ist, kann man es durch einen aufsteigenden Strom negativ, durch einen absteigenden positiv machen. Das f\u00fcr Licht erm\u00fcdete Auge empfindet also auch den elektrischen Reiz schw\u00e4cher. Hat man durch gleichrn\u00e4ssig anhaltenden Druck Farbenerscheinungen im Auge entwickelt, und l\u00e4sst mit dem Drucke nach, so kann man die noch bestehenden Bilder im dunkeln Gesichtsfelde negativ machen, indem man Licht durch die geschlossenen Augenlider einfallen l\u00e4sst, oder nach einer beleuchteten Fl\u00e4che hinblickt. Die Erm\u00fcdung durch Druckreiz macht also das Auge auch gegen Lichtreiz unempfindlicher.\nln solchen F\u00e4llen, wo man ein schwindendes Nachbild durch reagirendes Licht f\u00fcr einen Augenblick sichtbar gemacht hat, sieht man zuweilen unmittelbar nachher im dunkeln Gesichtsfelde wieder ein schwaches positives Nachbild. Daraus ist zu schliesseu, dass in der erm\u00fcdeten Netzhautstelle die Reizung durch reagirendes Licht zwar schw\u00e4cher ist als in den nicht erm\u00fcdeten Theilen, ab\"r l\u00e4nger nachdauert, welcher Umstand \u00fcbrigens ebenfalls bei den motorischen Nerven seine Analogie findet, da die Zuckung eines erm\u00fcdeten Muskels zwar weniger kr\u00e4ftig ist, ^ber l\u00e4nger dauert, als die eines nicht erm\u00fcdeten. Dieser Wechsel zwischen positiven und negativen Bildern, welcher zuweilen bei wenig auffallenden Aenderungen der Beleuchtung durch Zukneifen der Augenlider, Bewegungen des Augapfels unter den geschlossenen Lidern, auch wohl nach subjectiven Lichterscheinungen durch pl\u00f6tzlichen Druck auf den Augapfel ein-treten kann, hat einige Beobachter, namentlich Plateau, veranlasst, einen spontanen Wechsel der Zust\u00e4nde des Nervenapparats w\u00e4hrend der Dauer der Nachwirkung anzunehmen. Ich selbst kann in dieser Beziehung nur Fechser beistimmen, dass in den meisten F\u00e4llen Wechsel der Beleuchtung, Bewegungen des Auges oder des K\u00f6rpers u. s. w. Veranlassung zu diesem Wechsel geben. Aber nat\u00fcrlich kann zu einer Zeit, wo sich zwei entgegengesetzte Einfl\u00fcsse gerade im Gleichgewichte halten, der kleinste Nebenumstand nach der einen oder anderen Seite einen Ausschlag geben. Ich erinnere daran, dass selbst die \u00c0thembewegungen auf das Eigenlicht der Netzhaut einwirken. Zuweilen schwinden auch die Bilder nur, ohne sich in die entgegengesetzten zu verwandeln, und zwar, wie Aubert es passend bezeichnet, so als wenn eine nasse Stelle auf einem erw\u00e4rmten Bleche schwindet. Uebrigens verschwinden auch schwache objective Bilder zuweilen in \u00e4hnlicher Weise, wenn man starr einen Punkt fixirt, z. B. eine Landschaft in der Nacht betrachtet. Es macht mir den Eindruck, als ob die Vergleichung der Erregungsst\u00e4rke verschiedener Netzhauttheile auf-","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 23.\nABNAHME DER EMPFINDUNG BEI CONSTANTER ERREGUNG.\n365\nh\u00f6rte m\u00f6glich zu sein, wenn die Erregung nicht von Zeit zu Zeit wechselt. Bei objectiven Bildern ist dies jederzeit zu bewerkstelligen, dadurch dass man den Fixationspunkt wechselt, bei subjectiven aber nicht. Wir kommen in der Lehre vom Contraste darauf noch wieder zur\u00fcck. Ich finde \u00fcbrigens, dass wenn man bei m\u00f6glichst unverr\u00fcckt gehaltenem Auge dergleichen Bilder aufmerksam festzuhalten sucht, das Gef\u00fchl der Anstrengung gerade dann am gr\u00f6ssten ist, wenn die Bilder so hinschwinden. Dann folgt nach einiger Zeit ein Nachlass dieser Anstrengung, wobei die Bilder wiederkommen. Welche innere Ver\u00e4nderung dem entspricht, weiss ich nicht anzugeben.\nHierher geh\u00f6ren weiter folgende Erscheinungen, die sich aus den angegebenen Principien erkl\u00e4ren.\nWenn man auf grauem Grunde einen hellen Gegenstand, z. B. ein weisses St\u00fcck Papier, betrachtet, und dieses pl\u00f6tzlich entfernt, w\u00e4hrend man die Richtung des Auges unver\u00e4ndert l\u00e4sst, so erscheint ein dunkleres Nachbild des weissen Papiers, wie in den bisher beschriebenen F\u00e4llen. Betrachtet man auf dem grauen Grunde dagegen ein St\u00fcckchen schwarzen Papiers, und zieht dies weg, so erscheint ein helles Nachbild. Die von dem Bilde des weissen Papiers getroffene Stelle der Netzhaut ist mehr erm\u00fcdet, die von dem schwarzen Bilde getroffene weniger erm\u00fcdet, als der Rest der Netzhaut, auf welchem der graue Grund sich abbildete. Indem nachher die ganze Netzhaut gleichm\u00e4ssig von dem Lichte des grauen Grundes getroffen wird, wirkt dieses Licht am st\u00e4rksten auf den Theil der Netzhaut, der prim\u00e4r schwarz sah, schw\u00e4cher auf den, der vorher grau sah, am schw\u00e4chsten auf den, der weiss sah. Der Versuch, bei dem wir das schwarze Papier betrachten und dann wegziehen, ist nun deshalb wichtig, weil er zeigt, dass bei l\u00e4ngerer Betrachtung des grauen Grundes Erm\u00fcdung der von seinem Lichte getroffenen Netzhaut eintritt, und dieses Licht deshalb immer schw\u00e4cher und schw\u00e4cher empfunden wird. Wenn wir n\u00e4mlich das schwarze Papier wegziehen, trifft das Licht des grauen Grundes eine nicht erm\u00fcdete Stelle der Netzhaut, und macht auf diese eben denselben Eindruck, den zu Anfang des Versuchs das Grau des Grundes gemacht hat. Dieses hat aber inzwischen die Theile der Netzhaut, die es trifft, erm\u00fcdet, und erscheint viel dunkler, wenn wir es mit dem frischen Eindr\u00fccke auf den unerm\u00fcdeten Netzhautstellen vergleichen. Es unterscheidet sich dieser Versuch von den fr\u00fcheren dadurch, dass das prim\u00e4re und das reagirende Licht dasselbe ist, n\u00e4mlich das Licht des grauen Grundes. Wir erkennen daraus, dass \u00e4usseres Licht von constanter St\u00e4rke, welches l\u00e4ngere Zeit ununterbrochen auf die Netzhaut einwirkt, eine immer schw\u00e4cher und schw\u00e4cher werdende Erregung derselben hervorbringt. Ja die Erregungsst\u00e4rke kann, namentlich bei sehr schwachem Lichte, so abnehmen, dass sie \u00fcberhaupt nicht mehr wahrgenommen wird. Wenn man bei hereinsinkender Nacht irgend einen schwach erkennbaren Gegenstand anhaltend fixirt, ohne die Richtung des Auges zu ver\u00e4ndern, verschwindet derselbe bald vollst\u00e4ndig, und erst indem man die Richtung des Blicks ver\u00e4ndert, pflegt das Object wieder im negativen Nachbilde aufzutauchen. Namentlich am Seehorizonte ist diese Erscheinung sehr auffallend, wenn man bei beginnender Dunkelheit sich bestrebt","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 23.\nihn zu durchmustern, weil hier die Nachbilder jedes Theiles des Horizonts jedem anderen Theile congruent sind, und welche Stelle man auch fixiren mag, das Nachbild des dunkleren Meeres auf Meer, des helleren Himmels auf Himmel fallt. Richtet man den Blick dann etwas h\u00f6her, so erscheint am unteren Theile des Himmels ein hellerer Streif, der unten begrenzt ist durch die jetzt wieder sichtbar werdende Grenze des Meeres, oben durch eine dieser parallel fortlaufende Linie, die durch den neuen Fixationspunkt geht. Dieser Streif ist das negative Nachbild des Meeres, aijf den Himmel projicirt. Richtet man den Blick umgekehrt tiefer, so erscheint ein schwarzer Streif, das negative Nachbild des Himmels auf dem Meere, nach oben begrenzt durch den Horizont des Meeres, nach unten durch eine damit parallele Linie. So kann der Horizont im indirecten Sehen sichtbar werden, aber er verschwindet immer wieder, wenn man ihn direct zu fixiren sucht.\nA\u00e8hnliche Erscheinungen treten auch ein, wenn man ein weisses oder schwarzes Quadrat auf grauem Grunde fixirt, und den Fixationspunkt ein wenig ver\u00e4ndert. Dann deckt das Nachbild des Papiers nicht vollst\u00e4ndig das Papier selbst und die R\u00e4nder ver\u00e4ndern ihre Helligkeit. Wo das Nachbild des weissen Papiers auf den grauen Grund zu liegen kommt, erscheint dieser dunkler; wo das Nachbild des grauen Grundes sich \u00fcber das weisse Papier hinschiebt, erscheint dieses heller. Beim schwarzen Papier ist es umgekehrt. Hat man den Blick eine Zeit lang genau an einem bestimmten Punkte des Papiers festgehalten und richtet ihn pl\u00f6tzlich auf einen anderen benachbarten Punkt, so sind auch die R\u00e4nder des Nachbildes scharf gezeichnet, und der wahre Sachverhalt ist leicht zu erkennen. Wenn man dagegen fortdauernd mit dem Fixationspunkte geschwankt hat, so sind die Nachbilder schlecht begrenzt, und es erscheint dann der helle Grund in der N\u00e4he des weissen Papiers nur verwaschen dunkler schattirt, und der Rand des weissen Papiers ebenso hell schattirt. Aehnliches geschieht, wenn man eine Zeit lang ein weisses Quadrat auf dunklem Grunde betrachtet hat und, ohne den Fixationspunkt zu ver\u00e4ndern\u201e das Auge pl\u00f6tzlich dem Object n\u00e4her bringt, so dass die scheinbare Gr\u00f6sse des letzteren w\u00e4chst. Dann erscheint der Rand des Quadrats, soweit er jetzt nicht mehr von dem Nachbilde des fr\u00fcher gesehenen Bildes gedeckt wird, hell aufzublitzen. Entfernt man dagegen das Auge pl\u00f6tzlich, nachdem man das Quadrat l\u00e4ngere Zeit fixirt hat, so erscheint es auf dem dunkeln Grunde von einem dunkleren Rahmen umgeben.\nF\u00fcr die Seitentheile der Netzhaut haben Purkinje und Aubert bemerkt, dass der Eindruck heller Objecte auf ihnen viel leichter schwindet, als im Centrum. Die Erm\u00fcdung scheint dort also viel schneller einzutreten. F\u00fcr die negativen Nachbilder auf den Seitentheilen hat Aubert gefunden, dass sie weniger intensiv sind, als die centralen, \u00fcbrigens sich im Wesentlichen \u00e4hnlich verhalten. Ausserdem, finde ich, werden sie viel leichter \u00fcbersehen als die centralen Nachbilder, selbst auf hellen Fl\u00e4chen, und nur beim Wechsel der Beleuchtungsst\u00e4rke bemerkt man sie leicht.\nWir gehen jetzt \u00fcber zu den Farbenerscheinungen der Nachbilder. Wenn man farbige Objecte betrachtet hat, und die Nachbilder auf ganz dunklem oder weissem Grunde von verschiedener Helligkeit betrachtet, so entsteht je nach","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 *3.\nNACHBILDER FARBIGER OBJECTE.\n367\nUmst\u00e4nden ein positives oder negatives Bild. Das positive Bild ist im Anfang in den Stadien seiner gr\u00f6ssten Helligkeit gleich gef\u00e4rbt mit dem Object, und das negative Bild ist. wenigstens sobald es vollst\u00e4ndig und kr\u00e4ftig entwickelt ist,*complement\u00e4r zu dem Objecte gef\u00e4rbt. Der Uehergang von dem positiven zu dem negativen Bilde geschieht indessen gew\u00f6hnlich so, dass sich weissliche. oder graue Farbent\u00f6ne anderer Art dazwischenschieben, und zwar ist die Ordnung dieser Farben in der Regel dieselbe, gleichviel oh der Uehergang durch allm\u00e4liges Nachlassen der Reizung oder durch Steigerung der Helligkeit des Grundes geschieht.\nDie positiven Bilder entwickelt man am besten durch momentane Wirkung des prim\u00e4ren Lichtes. Hat man dabei verschieden gef\u00e4rbte Objecte vor sich, so zeigt das zur\u00fcckbleibende positive Nachbild im Anf\u00e4nge die Objecte genau in ihren nat\u00fcrlichen Farben. Ehe das Nachbild verschwindet, ergiesst sich dar\u00fcber meistens ein rosenrother Schein, in welchem die fr\u00fcheren Farhenunter-schiede fast ganz verschwinden, dann folgen schwach gef\u00e4rbte gelblich - graue T\u00f6ne, in denen das positive Bild schwindet, oder in ein schwach gezeichnetes negatives Nachbild \u00fcbergeht.\nDie negativen Nachbilder erh\u00e4lt man besser nach l\u00e4ngerer Fixation des Objects. Um sie zu sehen, lege man farbige Papiere auf einen grauen Grund, fixire einen bestimmten Punkt des farbigen Papiers und ziehe es pl\u00f6tzlich weg. Dann erscheint auf dem grauen Grunde ein scharf gezeichnetes negatives Nachbild von complement\u00e4rer F\u00e4rbung. So ist z. B. das Nachbild von Roth blaugr\u00fcn, von Gelb blau, von Gr\u00fcn rosaroth, und umgekehrt. Ueber die Dauer und St\u00e4rke dieser Nachbilder gilt im Allgemeinen dasselbe, was vorher \u00fcber die Nachbilder weisser Objecte gesagt worden ist.\nDas Auge also, welches z. B. Gelb gesehen hat, befindet sich nachher in -einem Zustande, wo die blauen Theile des weissen Lichts es st\u00e4rker afficiren, als die gelben Theile. Die Erm\u00fcdung der Netzhaut erstreckt ihre Wirkung demnach nicht gleichm\u00e4ssig auf jede Art von Reizung, sondern haupts\u00e4chlich auf eine solche Reizung, welche der prim\u00e4ren \u00e4hnlich ist. Sehr einfach wird dieser Umstand aus Tn. Young\u2019s Annahme dreier f\u00fcr die verschiedenen Farben verschieden empfindlichen Nervenarten erkl\u00e4rt. Denn da das farbige Licht diese drei Arten von Nerven nicht gleich stark erregt, so m\u00fcssen den verschiedenen Graden der Erregung auch verschiedene Grade der Erm\u00fcdung nachfolgen. Hat das Auge Roth gesehen, so sind die rothempfindenden Nerven stark gereizt und sehr erm\u00fcdet, die gr\u00fcnempfinnenden und violettempfindenden schwach gereizt und wenig erm\u00fcdet. F\u00e4llt nachher weisses Licht in das Auge, so werden die gr\u00fcn- und violett empfindend en Nerven davon verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig st\u00e4rker afficirt werden, als die rothempfindenden. Der Eindruck des Blaugr\u00fcn, der Complement\u00e4rfarbe des Roth, wird deshalb in der Empfindung \u00fcberwiegen.\nEntsprechend verh\u00e4lt es sich, wenn man negative Nachbilder von farbigen Objecten auf farbigem Grunde betrachtet. Aus der Farbe des Grundes schwinden immer haupts\u00e4chlich diejenigen Bestandtheile, welche in der prim\u00e4r angeschauten Farbe \u00fcberwiegen. So l\u00e4sst ein gr\u00fcnes Object auf gelbem Grunde ein rothgelbes Nachbild, auf blauem Grunde ein violettes. Denken wir uns das Gelb aus Roth","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 23.\nund Gr\u00fcn, das Blau aus Gr\u00fcn und Violett zusammengesetzt, dann das Gr\u00fcn in beiden durch Einfluss der Erm\u00fcdung vermindert, so ergiebt sich der Erfolg, dass das Nachbild im Gelb sich dem Roth, im Blau dem Violett n\u00e4hern wird. Ueber-haupt liegt die Farbe des Nachbildes immer zwischen der des Grunde^ und- der der Complement\u00e4rfarbe des Objects, und kann, soweit es nur den Farbenton, nicht die Helligkeit betrifft, als eine Mischung von beiden angesehen werden.\nVon besonderem Interesse sind die F\u00e4lle, wo die Farbe des Objects der des Grundes gleich oder complement\u00e4r ist. l'm Beobachtungen \u00fcber den ersteren Fall zu machen, thut man am besten, ein schwarzes Object auf einen farbigen Grund zu legen, und nachdem man einen Punkt seines Randes eine 1 Weile fixirt hat, es pl\u00f6tzlich hinwegzuziehen. Unter diesen Umst\u00e4nden ist der neben dem Schwarz sichtbare Theil des Grundes als das prim\u00e4re farbige Object 1 zu betrachten, der ganze farbige Grund nach Entfernung des schwarzen Objects I als das reagirende Licht. Man sieht alsdann ein helles Nachbild des schwarzen Objects, in welchem die Farbe des Grundes nicht blos lichtstarker, sondern auch ges\u00e4ttigter ist, als im Rest des Grundes, so dass sie auf dem letzteren mit vielem Grau gemischt zu sein scheint. Bei einiger Aufmerksamkeit erkennt man das Dunkel- und Grauwerden des farbigen Grundes auch wohl, ehe man das schwarze Object wegnimmt. Recht auffallend wird es im letzteren Momente, weil nun an dieser Stelle die Farbe in der Weise sichtbar wird, wie sie im ersten Augenblicke des Beschauens das unerm\u00fcdete Auge afficirt. Dieses Grauwerden des Grundes findet sich nicht blos bei gemischten weisslichen Farben, bei welchen es so stark werden kann, dass der Farbenton des Grundes ganz ,j verschwindet, sondern selbst bei den homogenen Farben des Spectrum und gewisser farbiger Gl\u00e4ser, nachdem man auf das sorgf\u00e4ltigste alles fremde weisse Licht ausgeschlossen hat. Wenn man z. B. ein mit Kupferoxydul roth gef\u00e4rbtes Glas, welches nur rothe Strahlen hindurchl\u00e4sst, vor die Augen nimmt, den Kopf und die R\u00e4nder des Glases mit einem dunkeln Tuche umh\u00fcllt, so dass nur rothes Licht zu den Augen dringen kann, dann durch das Glas nach einer weissen Fl\u00e4che sieht, und vor diese ein schwarzes Object bringt, welches man pl\u00f6tzlich entfernt, so sieht man den Gegensatz zwischen dem rothgrauen Grunde und dem ges\u00e4ttigten Roth des Nachbildes ganz deutlich. Die Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung liegt offenbar darin, dass w\u00e4hrend des Anschauens der rothen Farbe des Grundes die betreffenden Theilc der Netzhaut f\u00fcr Roth erm\u00fcden, und es deshalb schw\u00e4cher empfinden, als die unerm\u00fcdeten Theile, auf welche das Bild des schwarzen Objects gefallen war. Ist das Roth auch noch mit Weiss gemischt, so nimmt die Empfindlichkeit f\u00fcr das Roth in einem st\u00e4rkeren Verh\u00e4ltnisse ab, als f\u00fcr die \u00fcbrigen Farben, die in dem beigemischten Weiss enthalten sind, und die Farbe muss deshalb durch die Erm\u00fcdung der Netzhaut verh\u00e4ltniss-rn\u00e4ssig weisslicher werden; da sie aber auch gleichzeitig lichtschw\u00e4cher wird, erscheint sie grau. Dasselbe geschieht nun aber nicht blos mit weisslichem Roth, sondern auch mit ganz reinem Roth, und hier wird die Erkl\u00e4rung zweifelhafter. Man k\u00f6nnte erstens an den Lichtnebel des dunkeln Gesichtsfeldes denken. Wenn man w\u00e4hrend der Zeit, wo das Nachbild im Auge entwickelt ist, das Auge schliesst und vollst\u00e4ndig verdunkelt, so sieht man in dem Lichtnebel ein","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 23.\nNACHBILDER FARBIGER OBJECTE.\n369\ndeutlich gezeichnetes complement\u00e4r gef\u00e4rbtes Nachbild des Grundes, in unserem Falle blaugr\u00fcn. Die inneren Reize, welche die Empfindung des Lichtnebels bewirken, bringen in der f\u00fcr Roth erm\u00fcdeten Stelle der Netzhaut, ebenso wie weisses objectives Licht, nur die Empfindung des Blaugr\u00fcn hervor. Wird diese Empfindung nun zusammengesetzt mit der von objectivera Roth, so muss daraus ein weissliches (oder graues) Roth hervorgehen, wie es in dem Versuche beobachtet wird.\nIndessen scheint mir diese Erkl\u00e4rung nicht zu gen\u00fcgen, da die scheinbare Lichtintensit\u00e4t des Lichtnebels vor geschlossenen Augen doch nur sehr gering erscheint. Es ist allerdings schwer, ein bestimmtes Maass daf\u00fcr anzugeben. Das Grauwerden des Roth kann aber auch an sehr hellem rein rothen Lichte beobachtet werden, z. B. an weiss von der Sonne beleuchteten Wolken, die man durch ein rothes Glas betrachtet. In diesem Falle w\u00fcrde Th. Young\u2019s Hypothese die Erkl\u00e4rung geben. Ich habe oben schon auseinandergesetzt, dass wir dabei die Annahme machen m\u00fcssten, dass die Spectralfarben stark zwar nur eine oder zwei Nervenarten erregten, schwach aber auch die anderen. Es war diese Modification der Annahme noting, um die Ver\u00e4nderung des Farbentons reiner Spectralfarben bei grosser Lichtintensit\u00e4t, und die Resultate der Mischung von Spectralfarben zu erkl\u00e4ren. Dieselbe Annahme w\u00fcrde ersichtlich auch geeignet sein; das vorliegende Ph\u00e4nomen zu erkl\u00e4ren. Wenn das reine rothe Licht zwar die rothempfindenden Nerven \u00fcberwiegend stark, schwach aber auch die anderen erregt, und die Empfindlichkeit jener ersten durch die starke Erregung schneller abnimmt, als die der letzteren, so muss der Farbeneindruck sich weiss-lichem oder grauem Roth n\u00e4hern.\nWenn die prim\u00e4re Farbe complement\u00e4r zu der reagirenden Farbe des Grundes ist, so erscheint die letztere in der Ausdehnung des Nachbildes ge-, s\u00e4ttigter als auf den nicht erm\u00fcdeten oder durch die Farbe des Grundes erm\u00fcdeten Theilen der Netzhaut. Wenn man auf einen rothen Grund ein blaugr\u00fcnes Object legt, und nachdem man es eine Weile fixirt hat, es wegzieht, so erscheint ein ges\u00e4ttigt rothes Nachbild, \u00e4hnlich als h\u00e4tte man ein schwarzes Object weggenommen. Man kann sich aber leicht \u00fcberzeugen, dass die Farbe im Nachbilde eines complement\u00e4ren Objects noch ges\u00e4ttigter ist, als im Nachbilde eines schwarzen K\u00f6rpers. Am einfachsten ist es, sich ein Object zu verfertigen, von dem ein Theil schwarz, ein anderer farbig, z. B. blaugr\u00fcn ist, dies auf einen complement\u00e4ren (rothen) Grund zu legen, und einen Punkt des Grundes dicht an der Grenze des Schwarz und Blau|riin zu fixiren. Nimmt man das Object dann weg, so erscheint in dem ganzen Nachbild die Farbe des Grundes klarer als in dem vorher unbedeckten Theile des Grundes. Das Nachbild des Blaugr\u00fcn ist etwas dunkler als das des Schwarz, aber es ist nicht das Roth, welches dort lichtschw\u00e4cher w\u00e4re, vielmehr erscheint das Roth im Nachbilde des Schwarz wie von einem weisslichen Nebel \u00fcbergossen, welcher im Nachbilde des Blaugr\u00fcn das Roth freil\u00e4sst. Es erscheint also das Nachbild des Roth auf Roth grauroth, des Schwarz auf Roth weissroth, des Blaugriin auf Roth ges\u00e4ttigt roth. Man sieht diese Unterschiede sehr gut, wenn man bei diesem Versuch alle drei Nuancen neben einander hat.\nKncvklop. d. Physik. IX. Het-mholtz, Pliysiol. Optik.\t24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON 1)EN (SESICHTSEMI\u2019FINDCNGEN.\n\u00a7\u2022 23.\nSetzt man voraus, dass das Roth des Grundes noch Weiss enth\u00e4lt, so erkl\u00e4rt sich der Erfolg leicht. Schwarz erm\u00fcdet das Auge gar nicht, es empfindet im Nachbilde unver\u00e4ndert das weissliche Roth des Grundes. Roth erm\u00fcdet das Auge f\u00fcr Roth, es empfindet im Nachbilde das Roth schw\u00e4cher, die \u00fcbrigen Bestandteile des Wciss ziemlich ungeschw\u00e4cht, die Empfindung ist die von lichtschwachem weisslichen Roth (Grauroth). Das Blaugr\u00fcn macht dagegen das Auge unempfindlicher f\u00fcr die dem Roth fremdartigen Theile in dem Lichte des Grundes, und l\u00e4sst also das Roth im Nachbilde freier von fremden Beimengungen heraustreten.\nDieselben Versuche gelingen nun aber ebenso gut mit reinen Spectralfarben. Ich habe im Felde eines Fernrohrs mir einzelne Theile des Spectrum hergestellt mit allen Vorsichtsmassregeln, welche n\u00f6tliig sind, um die letzten Reste weissen Lichts zu entfernen. Der Grund war so tiefschwarz, dass man die Blendung des Fernrohrs auf ihm nicht mehr erkennen konnte, vielmehr die wolkigen Figuren des inneren Lichtnebels auf ihm sah. Das Auge wurde von keinem anderen Lichte, als dem eines kleinen Theils des Spectrum getroffen. Auf dieses farbige Feld warf ich nun Nachbilder von complement\u00e4ren Spectralfarben. Zu dem Ende war vor das Ocular unter 45\u00b0 ein kleines bewegliches Stahlspiegelchen gestellt, in welchem man gespiegelt einen passend abgeblendeten Theil eines anderen sehr hellen Spectrum sah, durch eine kreisf\u00f6rmige Blendung abgegrenzt. F\u00fcr dieses zweite Spectrum ist ein so hoher Grad von Reinheit nicht erforderlich. Die Anordnungen waren so getroffen, dass der ganze Kreis in der gleichen Farbe erschien. Sobald man das Spiegelchen vor dem Ocular fortzog, sah der Beobachter statt des bisher durch Reflexion gesehenen Kreises durch das Fernrohr auf das reine Spectrum. Auf diesem erschien das Nachbild des farbigen .Kreises. Es traten hier genau dieselben Er,folge ein, wie bei den \u00e4hnlichen Versuchen mit Pigmentfarben. Namentlich erschien das Nachbild der Complement\u00e4r-farben als eine ges\u00e4ttigtere Farbe im Vergleich mit der Farbe des Grundes. Der letztere schien wieder mit einem weisslichen Lichtnebel bedeckt zu sein, welcher an der Stelle des Nachbildes gleichsam fortgenommen war, und die Farbe des Grundes in ihrer gr\u00f6ssten Reinheit hervortreten liess. Aus diesen Versuchen gebt die wichtige Folgerung hervor, dass die ges\u00e4ttigtesten ohjectiven Farben, welche existiren, die reinen Spectralfarben, im unerm\u00fcdeten Auge noch nicht die ges\u00e4ttigteste Farbenempfindung Hervorrufen, welche \u00fcberhaupt m\u00f6glich ist, sondern dass wir diese erst erreichen, wenn wir das Auge gegen die Complement\u00e4rfarbe unempfindlich machen.\nAuch in diesem Falle k\u00f6nnte man glauben, dass der weissliche Schein, welcher den Grund \u00fcberzieht, der innere Lichtnebel sei, dessen st\u00f6rende Theile im Nachbilde entfernt seien. In der That sieht man, wenn man das Auge auf den dunkeln Grund neben dem Spectrum richtet, ein complement\u00e4r gef\u00e4rbtes Nachbild. Auch in diesem Falle halte ich diese \u00c8rkl\u00e2rung f\u00fcr ungen\u00fcgend, weil die Erscheinung auf sehr hellen Spectralfarben zu sehen ist, gegen welche die scheinbare Helligkeit des Lichtnebels verschwindend klein erscheint. Folgen wir dagegen der Annahme von Th. Young, so w\u00fcrden wir hier die reinen Farbenempfindungen der einzelnen Nervenarten vor uns haben, gegen welche","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 23.\nFARBIGES ABKLINGF.fi DER NACHBILDER.\n371\ndie Spectralfarben immer noch weisslich erscheinen m\u00fcssen, weil nach der noth-wendigen Modification jener Annahme jede einzelne Art homogenen Lichts nicht blos eine einzige Art von Nervenfasern ausschliesslich erregen kann.\nAlle diese Versuche \u00fcber Nachbilder farbiger Objecte auf farbigem Grunde kann man nun auch so anstellen, dass man den Fixationspunkt wechselt, oder das Object dem Auge n\u00e4hert und wieder davon entfernt, wie dies vorher f\u00fcr weisse Objecte beschrieben ist. Hat man zum Beispiel eine blaue Scheibe auf gelbem Grunde eine Weile so betrachtet, dass man einen Punkt derselben fixirte, und wechselt nun den Fixationspunkt, so f\u00e4llt das Nachbild der blauen Scheibe zum Theil auf den Grund, zum Theil auf die Scheibe; ebenso das Nachbild des Grundes. Wo das Nachbild der Scheibe auf den Grund f\u00e4llt, erscheint das Gelb ges\u00e4ttigter, ebenso das Blau, wo das Nachbild des Grundes auf die Scheibe f\u00e4llt. Dagegen erscheint das Blau und Gelb mit Grau gemischt, wo das Nachbild der Scheibe auf die Scheibe, und das Nachbild des Grundes auf den Grund f\u00e4llt. Der Erfolg der \u00fcbrigen Ab\u00e4nderungen dieser Versuche l\u00e4sst sich leicht \u00fcbersehen. Zuweilen mischen sich auch Contrasterscheinungen ein. Hat man ein weisses Papierschnitzelchen auf rothem Grunde fixirt, und wirft dann das Nachbild auf Weiss, so ist das Nachbild des rothen Grundes blaugr\u00fcn, das des kleinen weissen Feldes roth durch Contrast zu jenem Gr\u00fcn, wie sich im n\u00e4chsten Paragraphen zeigen wird. Am besten legt man zu dem Ende das farbige Papier auf ein weisses Blatt, auf das farbige dann ein weisses Schnitzelchen, welches man mit einer Pincette festh\u00e4lt, w\u00e4hrend man das farbige Blatt wegzieht. Schwach erscheint eine solche Contrastf\u00e4rbung auch um das Nachbild eines farbigen Quadrats auf weissem Grunde.\nAber nicht nur farbige, sondern auch weisse Objecte geben farbige Nachbilder, in denen die Farben gew\u00f6hnlich mannigfach wechseln. Man bezeichnet diese Erscheinungen gew\u00f6hnlich als das farbige Abklingen der Nachbilder. Die Reihenfolge der Farben ist dabei verschieden, je nach der Dauer und der Intensit\u00e4t des prim\u00e4ren Eindrucks. Die Farbenfolge nach momentaner Anschauung finde ich \u00fcbereinstimmend mit Fechner 1 und Seguin 1 2. Das urspr\u00fcngliche Weiss geht schnell durch gr\u00fcnliches Blau (Seguin Gr\u00fcn) in sch\u00f6nes Indigblau, sp\u00e4ter in Violett oder Rosenroth \u00fcber. Diese Farben sind hell und klar. Dann folgt ein schmutziges oder graues Orange, w\u00e4hrend dessen sich das positive Nachbild meist schon in ein negatives verwandelt, und im negativen Bilde wird dieses Orange oft noch ein schmutziges Gelbgr\u00fcn. Nach sehr kurzer Einwirkung des prim\u00e4ren Lichts ist meist das Orange die letzte Farbe, und das Bild schwindet, ehe es negativ wird. Dieselbe Farbenfolge fand auch Aubert nach der Betrachtung des etwas bl\u00e4ulich gef\u00e4rbten Entladungsfunkens einer Leydener Flasche, nur war das Orange auf dunklem Grunde nicht deutlich erkennbar, auf weissem dagegen sowohl diese Farbe als das folgende Gr\u00fcn sehr deutlich. Umgeben ist das Bild von einem gelben Hofe, wohl dem negativen Nachbilde des durch unregelm\u00e4ssige Brechung im Ange zerstreuten bl\u00e4ulichen Lichts.\n1 Pogg. Ann. L. 220.\n- Annales-de Chemie. 3. Ser. XI,I. 415 \u2014 4'1(5.","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 23.\nDie bisher beschriebenen Erscheinungen beziehen sich auf den Verlauf des Nachbildes im ganz dunkeln Felde. Wenn es dabei \u00fcberhaupt zur Bildung negativer Nachbilder kommt, so erscheinen diese nur in das Eigenlicht des dunkeln Feldes dunkel eingezeichnet. Wenn man nun w\u00e4hrend des Bestehens eines solchen Nachbildes allm\u00e4lig reagirendes Liebt zul\u00e4sst, indem man die H\u00e4nde, oder ein dunkles Tuch, mit dem man die Augen bedeckt hat, langsam 'hinwegzieht, so beobachtet man im Allgemeinen, dass das Nachbild dabei in die sp\u00e4teren Stadien seiner Farbenentwifkelung \u00fcbergeht, und wieder zur\u00fcckschreitet, wenn man das reagirende Licht wieder schw\u00e4cher macht. L\u00e4sst man z. B. Licht hinzutreten, w\u00e4hrend das Bild im absoluten Dunkel blau ist, so geht es durch Rosaroth in ein negatives gelbes Bild \u00fcber. Deckt man schnell genug wieder zu, so findet man das Blau wieder. Ist das Bild im absoluten Dunkel rosaroth, so wird es durch schwaches Licht gelbroth u. s. w. Wenn das positive Nachbild im dunkeln Gesichtsfelde schliesslich ganz geschwunden ist, sieht man auf schwach erleuchtetem Grunde noch l\u00e4ngere Zeit ein graues oder gr\u00fcngraues negatives Nachbild, und der hellere Grund, der es umgiebt und der den nicht erm\u00fcdeten Stellen des Auges entspricht, erscheint dann rosaroth.\nZur Erkl\u00e4rung dieser Erscheinungen hat Plateau die Annahme gemacht, dass die Dauer der einzelnen. Stadien der Nachbilder f\u00fcr die verschiedenen Farben verschieden sei, und er suchte dies durch , die im vorigen Paragraphen erw\u00e4hnten Versuche auch direct zu erweisen. Um eine vollst\u00e4ndige Erkl\u00e4rung zu geben, m\u00fcssten wir nicht blos den Verlauf der nachbleibenden Reizung, sondern auch den Verlauf der Erm\u00fcdung vollst\u00e4ndig kennet). Indessen l\u00e4sst sich doch einiges aus ihnen scbliessen. Im ganz dunkeln Gesichtsfelde sind n\u00e4mlich die ersten hellsten Stadien der Erscheinung ziemlich unabh\u00e4ngig von dem Grade der Erm\u00fcdung, weil diese erst in Betracht kommt, sobald die Helligkeit des positiven Nachbildes sich von der des inneren Lichtnebels nicht mehr sehr unterscheidet. Wir k\u00f6nnen deshalb als wahrscheinlich annehmen, dass die gr\u00fcnblaue, blaue und rosarothe Phase nur von der nachbleibenden Reizung bedingt sind, w\u00e4hrend bei der gelben und gr\u00fcnen, in denen sich das- negative Nachbild ausbildet, auch die Erm\u00fcdung in Betracht kommt. Wir m\u00fcssen daraus scbliessen, dass die nachbleibende Reizung f\u00fcr die drei Farben Roth, Gr\u00fcn, Violett in der Weise abnimmt, wie die nebenstehende Ficj. 147 es darstellt. Darin bedeuten\ndie horizontalen Ab-scissen die Zeit, die verticalen Ordinaten der Curven die Intensit\u00e4t der Reizung. Die ausgezogene Linie entspricht dem Gr\u00fcn, die i-'Hi- \u00ab7.\tpunktirte dem Violett,\ndie gestrichelte dem Roth. Die positive Nachwirkung nimmt f\u00fcr alle Farben continuirlich ab, aber so, dass die Abnahme des Roth im Anfang die schnellste, nachher die langsamste ist, die d\u00e9s Gr\u00fcn anfangs die langsamste, nachher die schnellste. Bei den dargestellten Gr\u00f6ssen der Farbenempfindung wird in der","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 23.\nFARBIGES ABKLINGEN DER NACHBILDER.\n373\nZeit von 0 bis I Blaugriin iiberwiegen, bei .1 Blau, bei 2 Violett, bei 3 Purpur, welcher allm\u00e4lig sich mehr in das Rothe zieht. Nun mischt sich in Wirklichkeit aber die Erm\u00fcdung ein, welche in dem weisslichen inneren Lichtnebel ein gr\u00fcnliches Nachbild entwickelt, so dass also die Erm\u00fcdung f\u00fcr Gr\u00fcn, dessen nachbleibende Erregung am schnellsten geschwunden ist, schliesslich am geringsten zu sein scheint. Dieses gr\u00fcne negative Bild, mit positivem Roth gemischt, wird ein Gelb geben, welches je nach der gr\u00f6sseren St\u00e4rke des einen oder anderen heller oder dunkler, als der Grund erscheinen kann, und zuletzt in Gr\u00fcn \u00fcbergeht, wenn auch das Roth erlischt. Bei Plateau\u2019s Versuchen \u00fcber die Dauer der Farbeneindr\u00fccke stellte sich dasselbe Gesetz der Abnahme heraus, dass diejenigen Eindr\u00fccke, welche im Anfang am schnellsten abnahmen, schliesslich am l\u00e4ngsten in schwachen Resten dauerten. Ganz anders gestaltet sich die Reihe der Farbenerscheinungen, wenn die Erm\u00fcdung gr\u00f6sser geworden ist, wie es nach l\u00e4ngerer Einwirkung weissen Lichts, oder nach Einwirkung sehr intensiven Lichtes stattfindet. Bei l\u00e4ngerer Einwirkung weissen Lichtes zeigt sich nach Fechner\u2019s Beobachtungen der Einfluss der Erm\u00fcdung schon w\u00e4hrend der Betrachtung des Weiss, dadurch dass dieses farbig wird. Nachdem er die Augen eine Zeit lang geschlossen gehalten hatte, um die Nachwirkung fr\u00fcherer Eindr\u00fccke zu beseitigen, richtete er dieselben auf ein weisses im Sonnenschein auf schwarzem Papier liegendes Feld. In den ersten Momenten liess sich wegen einer Art von Blendung kein sicheres Urtheil \u00fcber das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Farbe f\u00e4llen; eine solche scheint sich in der That erst nach einiger Zeit zu entwickeln. Bald n\u00e4mlich f\u00e4rbt sich das Papier entschieden gelb, dann blaugrau oder blau, ohne dass bei oftmaligen Versuchen eine Uebergangs-stufe durch Gr\u00fcn wahrzunehmen gewesen w\u00e4re, dann rothviolett oder roth. Die gelbe Phase ist die k\u00fcrzeste; die blaue dauert oft ziemlich lange, ehe sie in die folgende \u00fcbergeht. Nach der rothen oder rothvioletten konnte er keine weitere wahrnehmen, obgleich er den Versuch bis zu grosser Anstrengung des Auges fortsetzte. Auch im verbreiteten Tageslichte nahm er die angegebene Folge der F\u00e4rbungen oft wahr, obschon einmal mit gr\u00f6sserer Entschiedenheit als das andere Mal; die beiden letzten F\u00e4rbungen erkannte er hier in der Regel leichter als die erste gelbe. Fechner stellt die Erscheinungen durch drei Curven, aber mit anderen Grundfarben vor, \u00e4hnlich denen der Fig. 148, wo wieder die horizontalen Abeissen der Zeit proportional sind, die verticalen der Erregungsst\u00e4rke\nder Netzhaut bei dauernder Betrachtung einer weissen\nFl\u00e4che. Die ausgezogene Curve entspricht dem Gr\u00fcn, die\tFig. ns.\npunktirte dem Roth, die gestrichelte dem Violett. In der Zeit von Obis 1 w\u00fcrde die Farbe gelbgr\u00fcn, zur Zeit I weisslich gr\u00fcn, bei 2 weisslich blau, bei 3 violett, sp\u00e4ter rosaroth sein.\nNach l\u00e4ngerer und st\u00e4rkerer Einwirkung prim\u00e4ren weissen Lichts zeigt das Nachbild auf ganz dunklem Grunde folgende Farbenreihe: Weiss, Blau,\n!-\n","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u25a0 23.\nGr\u00fcn, Roth, Blau und auf weissein Grunde schliesslich noch blaugr\u00fcn und gelb. Beim Roth wird das Bild negativ. Seguin schaltet in seiner Beschreibung einige Zwischenstufen mehr ein. Die Farben der ersten Reihe sind ihm Weiss, Griin, Blau, die der zweiten (negativen) Gelb, Roth, Violett, Blau, Gr\u00fcn. Wenn die Einwirkung des weissen Lichts eine gewisse Zeit \u00fcberdauert hat, ist diese Farbenreihe constant und wird durch l\u00e4ngere Einwirkung nicht weiter ge\u00e4ndert, Bei einer k\u00fcrzeren, aber doch -nicht blos momentanen Dauer der prim\u00e4ren Lichtwirkung, wo das prim\u00e4re Weiss sich deutlich gelb gef\u00e4rbt hatte, war die Farbenfolge Gelb, Blau, Rothgelb, dann wurde es negativ gr\u00fcn! Br\u00fccke giebt an: Gr\u00fcn, Blau, Violett, Roth, dann negativ ohne deutliche Farbe. Die blaue Phase scheint also immer die erste Aenderung des prim\u00e4ren Lichteindrucks zu sein, dann folgt eine rosenrothe, rothgclbe bis gr\u00fcne positive Phase, je nach der Dauer des prim\u00e4ren Eindrucks.\nAuch bei diesen farbigen Nachbildern best\u00e4tigt sich die Regel, dass Erhellung des Grundes durch weisses Licht die sp\u00e4teren Phasen des Nachbildes herbeif\u00fchrt, w\u00e4hrend Verminderung des reagirenden Lichtes das Nachbild wieder auf fr\u00fchere Phasen zur\u00fccktreten l\u00e4sst. So oft ich Nachbilder beobachtet habe von gleichm\u00e4ssig erleuchteten Fl\u00e4chen, f\u00fcr deren Umrisse mein Auge gut accoin-modirt war, habe ich die Farbenver\u00e4nderungen des Nachbildes entweder auf der ganzen Fl\u00e4che gleichzeitig, oder auch wohl unregelm\u00e4ssig von dieser oder jener Seite vorschreitend gesehen. Dagegen ist es nach dem Anblicke der Sonne oder \u00e4hnlicher blendender Objecte gew\u00f6hnlich, dass die Farbenver\u00e4nderungen des Bildes vom Rande nach der Mitte hin vorschreiten. Ausser den Unregelm\u00e4ssigkeiten der Brechung, welche f\u00fcr hellere Objecte immer gr\u00f6ssere Mengen Licht in die Nachbarschaft ries Bildes verbreiten, kommt hier auch wohl in Betracht, dass hei schmerzhafter Blendung des Auges es fast unm\u00f6glich wird, die Accommodation und Richtung des Auges festzuhalten. Die Folge davon isf dass die der Mitte des Sonnenbildes entsprechende Stelle der Retina anhaltender und intensiver der Lichtwirkung unterworfen wird, als die dem Rande jenes Bildes n\u00e4heren. An den Sonnenk\u00f6rper selbst schliesst sich ringsum der Widerschein des in der Atmosph\u00e4re und im Auge selbst diffus zerstreuten Lichts. Wenn man das im Dunkel ausgeruhte Auge pl\u00f6tzlich f\u00fcr einen Augenblick nach der Sonne blicken l\u00e4sst, so erkennt man in der blendenden Lichtfl\u00e4che-kaum die Umriese des Sonnenk\u00f6rpers. So hat man denn in diesen F\u00e4llen immer eine vom Centrum nach der Peripherie hin allm\u00e4lig abnehmende Lichtwirkung, und der entspricht im Nachbilde ein verschiedener Verlauf der einzelnen Phasen. Je intensiver die Wirkung, desto langsamer verlaufen im Ganzen die einzelnen Phasen, so dass man am Rande des Nachbildes meist die fr\u00fcheren Stadien sieht, welche allm\u00e4lig gegen das Centrum vorr\u00fccken. Ausserdem ist die Reihenfolge der Farben in den peripherischen Theilen wegen der geringeren Erm\u00fcdung meist etwas abweichend von der in der Mitte. Das Nachbild hat in seinen ersten Stadien dieser Erkl\u00e4rung entsprechend einen gr\u00f6sseren Umfang als die scheinbare Gr\u00f6sse der Sonne betr\u00e4gt, und man verf\u00e4llt leicht in den Fehler, das ganze Nachbild f\u00fcr das Bild der Sonnenscheibe allein zu halten, und zu glauben, dass die verschiedenen farbigen Ringe, die sich darin entwickeln, dieser selbst","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 23.\nFARBIGES ABKLINGEN DER NACHBILDER.\n375\naugeh\u00f6ren, w\u00e4hrend sie in Wirklichkeit ihrer Umgebung entsprechen. Um das Nachbild der Sonne m\u00f6glichst regelm\u00e4ssig zu entwickeln, nehme ich ein sehr dunkel gef\u00e4rbtes Glas (oder ein herusstes Glas oder mehrere complement\u00e4r gef\u00e4rbte Gl\u00e4ser \u00fcber einander gelegt), sehe damit nach der Sonne hin, welche durch das Glas nur noch als eine schwach sichtbare Lichtscheibe erscheinen muss. Dann nehme ich das Glas f\u00fcr einen Moment weg, und schliesse sogleich die Augen. So werden dieselben verli\u00e4ltnissm\u00e4ssig wenig angegriffen, und haben wenig Zeit, ihre Stellung zu ver\u00e4ndern, w\u00e4hrend doch das Nachbild sich sehr gl\u00e4nzend entwickelt. Unter diesen Umst\u00e4nden finde ich auch im Nachbilde meist einen Kern, welcher in seiner ganzen Ausbreitung eine gleichin\u00e4ssige F\u00e4rbung hat, und ziemlich die Gr\u00f6sse der scheinbaren Sonnenscheibe besitzt, so dass man die Abweichungen, welche am Rande Vorkommen, den Fehlern der Brechung im Auge zuschreiben kann.\nMan sieht unter diesen Umst\u00e4nden in der Umgebung des Sonnenbildes schnell die Phasen des Nachbildes verlaufen, welche weisse Gegenst\u00e4nde nach momentanem Anblick geben. Positives Blau, Rosaroth, welches durch Gelb in negatives Dunkelgr\u00fcn \u00fcbergeht, w\u00e4hrend das Bild der Sonne selbst in dieser ersten Phase als ein verwaschener, nicht regelm\u00e4ssig runder weisser Fleck erscheint, der ungef\u00e4hr zu der Zeit, wo der Grund rosenroth geworden ist, in die zweite Phase tritt, und sich hellblau f\u00e4rbt. Diezweite geht meist schnell in die dritte Phase \u00fcber, indem das Blau zuerst am Rande, dann auch in der Mitte gr\u00fcn wird, w\u00e4hrend am Rande ein rothgelber Saum entsteht, der dunkler als die Umgebung ist, und an dessen \u00e4usserem Rande- sich dann auch wohl schon in dieser Phase ein noch dunklerer blaugrauer Saum abzeichnet. Richtet man die Augen w\u00e4hrend dieser Phase auf ein weisses Feld, so verwandelt sich das positive Gr\u00fcn durch Violett in das negative Blutroth der folgenden Phase.\nDie vierte Phase entsteht, indem das Roth des Saumes sich \u00fcber die Mitte des Bildes verbreitet. Der blaugraue Saum wird daf\u00fcr breiter und dunkler. Das ganze Nachbild ist jetzt dunkler als die Umgebung. Letztere erscheint im Gegensatz dazu weisslich oder gr\u00fcnlich. Es ist dies das letzte negative Gr\u00fcn vom Bilde der Himmelsfl\u00e4che. Die etwa vorhandenen Nachbilder der Fensterst\u00e4be erscheinen darin hell. Blickt man in dieser Phase auf weissen Grund, so geht das Roth in Gr\u00fcnblau \u00fcber.\nIn der f\u00fcnften Phase endlich nimmt das ganze Nachbild die blaue Farbe des bisherigen Saumes an, und verschwindet im dunkeln Felde meist in diesem Stadium des Blau, w\u00e4hrend es auf weissem Felde gr\u00fcnblau erscheint.\nDiesen von Fechner aufgestellten Phasen m\u00f6chte ich noch eine sechsteN anschliessen, wo man im dunkeln Felde vom Nachbilde nichts mehr erkennt, wohl aber auf weissem Felde noch einen gelben oder br\u00e4unlichen Schein sieht. Endlich nach ziemlich langer Zeit schwindet auch dieser. Hat man w\u00e4hrend dieser Zeit, und seihst noch sp\u00e4ter, wo der gelbe Schein geschwunden ist, auf Weiss gesehen, und schliesst pl\u00f6tzlich die Augen, so tritt noch wieder ein schwaches positives bl\u00e4uliches Nachbild auf, welches schnell wieder schwindet. Oeffnet man dann die Augen, indem man sie auf Wciss richtet, so sieht man im ersten Augenblick noch wieder das gelbe Nachbild. Die Erkl\u00e4rung dieser","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\tZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN. \u00a7. 23.\nErscheinung scheint mir in dem schon erw\u00e4hnten Umstande zu suchen, dass in einem erm\u00fcdeten Nerven die neue Reizung langsamer verschwindet, als in den umgebenden unerm\u00fcdeten Theilen der Netzhaut.\nEs scheint \u00fcbrigens der Verlauf dieser Nachbilder intensiven Lichts bei verschiedenen Personen nicht wesentlich verschieden zu sein, wenn sie unter denselben Umst\u00e4nden entwickelt werden ; wenigstens stimmen in dieser Beziehung meine eigenen Beobachtungen, so weit sie reichen, mit, Fechner\u2019s und Sc or in's \u00fcberein.\nBei dieser complicirteren Farbenfolge d\u00fcrfen wir vermuthen, dass durch die stattfindende Erm\u00fcdung die Zeit, in der die Eindr\u00fccke der einzelnen Farben in der Netzhaut schwinden, so wie auch die Perception des inneren Lichtnebels ge\u00e4ndert sei, und da wir weder diese Verh\u00e4ltnisse genau genug kennen, noch wissen, wie die Erm\u00fcdung selbst hei verschiedenen Graden derselben f\u00fcr die einzelnen Farbenempfindungen verschwindet, so ist eine vollst\u00e4ndige Erkl\u00e4rung der einzelnen Stadien dieses farbigen Abklingens nicht m\u00f6glich. Um sie .zu geben, w\u00fcrde zuerst der Verlauf der Erm\u00fcdung und ihr Einfluss auf den Verlauf der Erregung f\u00fcr die einzelnen reineren Farbeneindr\u00fccke bestimmt und verglichen werden m\u00fcssen.\nWenn wir das Abklingen des Nachbildes nach Eindr\u00fccken ges\u00e4ttigter Farben genau beobachten, ist die Erscheinung allerdings sehr viel einfacher, aber es fehlen Farbenver\u00e4nderungen doch nicht ganz. Die Hauptz\u00fcge der Erscheinung sind schon vorher angegeben worden. Es erscheint zuerst ein positives dem prim\u00e4ren Lichte gleich gef\u00e4rbtes, sp\u00e4ter ein negatives complement\u00e4res Bild. Der Uebergang von positiv zu negativ geschieht nun aber nach lebhafteren Lichteindr\u00fccken in der Regel nicht so, dass das eine Bild einfach erblasst, und dann das andere sichtbar w\u00fcrde, sondern in diesem Uebergangsstadium ver\u00e4ndert sich die Farbe durch weissliche Farbent\u00f6ne hindurch. Hat man nur eine prim\u00e4re Faibe im Gesichtsfelde gehabt, so erscheinen die Farben des abklingenden Bildes noch immer ziemlich ges\u00e4ttigt, und sind von mehreren Beobachtern als ges\u00e4ttigte Farben angegeben worden, weil es im dunkeln Gesichtsfelde an einem Vergleichungspunkte fehlt. Wenn man aber an dem nur momentan gesehenen prim\u00e4ren Objecte verschiedene Farben von ungef\u00e4hr gleicher Helligkeit vor sich hatte, so sieht man, dass die Nachbilder im Uebergangsstadium von positiv zu negativ viel geringere Farbenunterschiede zeigen, als die urspr\u00fcnglichen Farben, indem sie alle stark gemischt sind mit dem rosarothen oder gelblichen Weiss, welches auch die Nachbilder momentan gesehener weisser Objecte zeigen. In dieser Beziehung ist namentlich das Nachbild eines momentan angeschauten prismatischen Spectrum interessant. Nachdem noch einige Secunden die prim\u00e4ren Farben im Nachbilde sichtbar gewesen sind, und die lichtschwachen \u00e4ussersten Farben sich ganz verdunkelt haben, verwandelt sich das ganze Nachbild in einen r\u00f6thlich weissen Fleck von der Gestalt des Spectrum, in welchem Farbenunterschiede kaum noch angedeutet sind, nur zieht das fr\u00fchere Gelb und Orange etwas in das Bl\u00e4uliche, woran sich an der Stelle des fr\u00fcheren Roth dessen, schon negativ gewordenes gr\u00fcnblaues Nachbild anschliesst. Um mich \u00fcber den Ort der fr\u00fcheren Farben im Nachbilde orientiren zu k\u00f6nnen, musste ich auf","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 23.\nFARBIGES ABKLINGEN DER NACHBILDER.\n377\ndem weissen Schirm, auf den das Spectrum projicirt war, einen schwarzen Strich machen, der parallel den Farbenstreifen das Spectrum schnitt, und im Nachbilde sichtbar blieb. So erkannte ich, dass das r\u00f6thlich weisse Nachbild der ganzen Ausdehnung des Spectrum vom Orange bis Indigo entspricht. Dasselbe Resultat gewinnt man, wenn man farbige Papiere von nahe gleicher Helligkeit von der Sonne bescheinen l\u00e4sst, und durch momentanes Anschaucn ein Nachbild entwickelt.\n' Es geht hieraus hervor, dass im positiven Nachbilde gef\u00e4rbter Objecte nach momentanem Anblicke zuerst die vorherrschende Farbe schwindet, und damit das Nachbild dem eines weissen Objects \u00e4hnlich wird, wobei namentlich gew\u00f6hnlich die rosenrotlie Phase eines solchen hervortritt. Dann entwickelt sich allm\u00e4lig die Complement\u00e4rfarbe des negativen Nachbildes, aber sie kann schon sichtbar werden, nach ehe das positive Bild negativ geworden ist, sie kann also heller erscheinen als der dunkle Grund. Ich glaube das Hervortreten der Complement\u00e4rfarbe darauf zur\u00fcckf\u00fchren zu k\u00f6nnen, dass sich zu dieser Zeit das schwach und weiss gewordene positive Bild deckt mit dem durch die Erm\u00fcdung des Auges in dem inneren Lichtnebel entstehenden negativen und complemen-t\u00e4ren Bilde. Es ist klar, dass durch eine solche Deckung z. B. nach Anblick von Roth positives Weiss und negatives Blaugr\u00fcn zusammen ein gr\u00fcnlich weisses positives Bild geben k\u00f6nnen. Diese positiv complement\u00e4ren Bilder sind von mehreren Beobachtern 1 erw\u00e4hnt. Hat man sie allein oder nur mit der prim\u00e4ren Farbe zusammen im Gesichtsfelde, so erscheint die Complement\u00e4rfarbe ziemlich ges\u00e4ttigt. Kann man sie aber mit Nachbildern anderer Farben vergleichen, so habe ich stets gefunden, dass die Complement\u00e4rfarbe stark mit Weiss oder Grau gemischt erschien, so lange sie noch heller als der Grund war, erst im negativen Nachbilde entwickelt sie sich dann ges\u00e4ttigter.\nIm Sinne von Th. Young\u2019s Farbentheorie w\u00fcrden wir diese Erscheinungen so erkl\u00e4ren, dass jede, auch die ges\u00e4ttigteste objective Farbe subjectiv mit Weiss gemischt ist, dass die starke Erregung, welche der vorherrschenden Farbe entspricht, verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig schneller abnimmt, als die schwachen Erregungen, welche den anderen im Weiss enthaltenen Farben entsprechen, so dass der ge-sammte Farbeneindruck, indem er schw\u00e4cher wird, auch sich dem Weiss n\u00e4hert. Dann gewinnt in den lichtschw\u00e4cheren Stadien des positiven Bildes endlich auch das durch Erm\u00fcdung bewirkte negative Bild mit seiner F\u00e4rbung einen merklichen Einfluss.\nBei den einzelnen Farben geschieht das Abklingen nach momentanem Anblicke in etwas verschiedener Weise, je nach ihrer Verwandtschaft mit den Farbent\u00f6nen des abklingenden Weiss. Beim Gr\u00fcn ist es meist am einfachsten, weil seine Complement\u00e4rfarbe Rosaroth dem Rosaroth des abklingenden Weiss gleich ist. Dieser Farbenton entwickelt sich deshalb besonders hell und sch\u00f6n. Gr\u00fcnliches Blau geht durch Blau und Violett, Blau durch Violett in Rosaroth \u00fcber, im letzteren Falle entwickelt sich die folgende Phase des Gelb reiner und\n1 Purkinje. Zur Physiologie der Sinne. II. 110. \u2014 Fechner in Pogg. Ann. L. 213. \u2014 Br\u00fccke. Untersuchungen \u00fcber subjective Farben, aus den Denksehr, der Akad. zu Wien. Bd. III. S. 1^.","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 23.\nkr\u00e4ftiger, weil sie mit der Complcment\u00e4rfarbe des Blau zusanmienf\u00e4llt. Die vor dem Rosaroth liegende gr\u00fcnblaue und blaue Phase des abklingenden Weiss kann sieh bei den bisher genannten Farben wegen ihrer Aehnlichkeit mit diesen Farben selbst nicht wohl bemerklich machen, scheint cs aber zu thun beim Gelb, welches durch gr\u00fcnliches Wciss in Violett \u00fcbergeht, und beim Roth. Bei dem letzteren tritt statt des Rosaroth mehr eine violette, sp\u00e4ter graugr\u00fcne Farbe ein. Es schwindet \u00fcbrigens verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig am schnellsten. Dass die gr\u00fcne Stufe, wenn man keine anderen Farben zur Vergleichung im Gesichtsfelde hat, h\u00e4ufig ges\u00e4ttigt gr\u00fcn erscheint, ist schon vorher erw\u00e4hnt. Es stimmen mit diesen Beobachtungen im Wesentlichen auch die Versuche von Aubert, welche er bei Betrachtung des elektrischen Funken durch farbige Gl\u00e4ser erhielt, nur das sehr gemischte Gelb gab ihm noch die gelbe Stufe des abklingenden Weiss nach dem Violett, ehe es zum negativen Blau kam. Meist auch bildete sich ein Lichthof, der die Stadien schneller durchlief.\nNach l\u00e4ngerer oder st\u00e4rkerer Einwirkung prim\u00e4ren farbigen Lichts machen sich ebenfalls w\u00e4hrend des Ueberganges von dem positiven gleichfarbigen zum negativen complement\u00e4rgef\u00e4rbten Bilde einige von den Phasen merklich, welche weisses Licht zu dieser Zeit zeigt. Namentlich tritt vielfach der rothe Saum, und um diesen der blaugraue Saum auf. Fechner hat dergleichen Versuche angestellt, indem er durch Combinationen verschiedener farbiger Mittel, welche nur eine eine oder zwei Farben des Spectrum durchliessen, nach der Sonne sah; ich selbst kann einige Beobachtungen hinzuf\u00fcgen, welche ich mit prismatischen Farben angestellt habe, indem ich eine runde Oeffnung betrachtete, durch welche Sonnenstrahlen, die ein Prisma passirt hatten, traten. Wenn das farbige Licht so intensiv ist, dass es weiss oder gelb erscheint, so bleibt dies auch anfangs im Nachbilde, dann entwickelt sich aber alhn\u00e4lig die eigentliche Farbe deutlich.\nHomogenes rothes Licht brachte Feciiner hervor, indem er theils durch ein rothes Glas, theils durch eine dicke Schicht Lackmustinctur nach der Sonne sah. Bei director Betrachtung erschien es wegen seiner hohen Intensit\u00e4t gelb. Auch das Nachbild war anfangs gelb, am Rande roth, und wurde sp\u00e4ter durch Verminderung seiner Intensit\u00e4t ganz roth, gleichzeitig tauchte ein schwarzblaugr\u00fcner Saum auf. Im dunkeln Felde entwickelt sich bei diesem Versuche' gew\u00f6hnlich kein deutliches negatives Bild. Auf weissem Grund dagegen wird die gr\u00fcnblaue Farbe des Saumes central, ich habe dasselbe an prismatischem Roth gesehen. Der Uebergaug vom Roth zum Gr\u00fcnblau geschah bei diesen Versuchen durch Violett. Nach etwas andauernder Betrachtung einer Flamme durch ein rothes Glas geschieht er dagegen meist durch ein positives Gelbgr\u00fcn, dem das negative Gr\u00fcnblau folgt.\nHomogenes Gelb erhielt Feciiner durch Combination zweier blassgelben, eines gr\u00fcnen und eines blassrothen Glases, wobei ausser Gelb nur wenig Gr\u00fcn durchging. Das Nachbild erschien gelb mit rotliem Rande, um letzteren bildete, sich ein dunkel blaugr\u00fcner Ring. Bei einem einfachen gelben Glase, welches Roth, Gelb, Gr\u00fcn und eine Spur von Blau durchliess, folgte sich Gelb, Gr\u00fcn, dann Blaugrau mit rothschwarzem Umring. Bei reinem prismatischen Gelb sah ich ebenfalls den Uebergang in Gr\u00fcn und den rothschwarzen Umring. Das","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 23.\nFLIMMERNDE R0T11\u0152ND\u00cb SCHEI\u00dfEN.\n379\nGr\u00fcn und Roth kommen im Nachbilde des Wciss unter denselben' Umst\u00e4nden vor. Dagegen sah Purkinje 1, nachdem er eine Kerzenflamme 12 bis 60 Secunden angeschaut hatte, die Farbenfolge: blendend weiss, gelb, roth, blau, mild weiss, schwarz.\nZiemlich feines Gr\u00fcn, mit Gelb gemischt, erhielt Fechner durch ein gr\u00fcnes, ein hellblaues und zwei hellgelbe Gl\u00e4ser. Die Sonne erschien dadurch gr\u00fcnlich-weiss; ebenso das Nachbild mit sehwarzrothem Umringe. Gr\u00fcn, mit sehr wenig Blau und Gelb gemischt, erhielt er durch drei gr\u00fcne und ein gelbes Glas. Die Sonne erschien fast weiss, das Nachbild ebenso etwas gr\u00fcnlich mit bl\u00e4ulich-weissem Saum, sp\u00e4ter bl\u00e4ulichweiss mit -sehwarzrothem Umring, um den eine Zeit lang ein schwach lilafarbener Schein sichtbar war. Ich selbst erhielt von prismatischem Gr\u00fcn ein gr\u00fcnes Nachbild, blau ges\u00e4umt, und auf weissem Grunde dunkles Purpur, gelb ges\u00e4umt.\nBlau, mit Gr\u00fcn gemischt, erhielt Fechner durch eine Kupferl\u00f6sung. Die Sonne erschien, dadurch gesehen, weiss. Das Nachbild anfangs ebenso weiss, dann blau. Es entwickelte sich dann ein positiv gr\u00fcner, um diesen ein negativ rother Rand. Prismatisches Blau erzeugte mir ebenfalls den purpurnen Saum, w\u00e4hrend die Umgebung complement\u00e4r Goldgelb gef\u00e4rbt erschien.\nHomogenes Violett erhielt Fechner mittels einer dicken Schicht schwefelsaurer Kupferl\u00f6sung, mit Ammoniak versetzt, und eines violetten Glases. Die Sonne erschien bl\u00e4ulichweiss. Ebenso anfangs das Nachbild; cs bekam dann einen dunkelvioletten, um diesen einen schWarzrothen Umring, die Umgebung gr\u00fcnlich. Die Erscheinung verschwand, ehe der Umring central wurde.\nIn allen diesen F\u00e4llen zeigt sich, wo der Saum des Nachbildes anf\u00e4ngt negativ zu werden, der rothe Saum, der auch bei den Nachbildern des Weiss eintritt, als w\u00e4re die homogene Farbe mit Weiss gemischt, dessen Abklingungs-phasen sich merklich machen zu der Zeit, wo die positive Nachwirkung der Hauptfarbe mit der complement\u00e4ren negativen sich im Gleichgewicht h\u00e4lt.\nWenn das prim\u00e4r gesehene weisse oder farbige Licht von geringer St\u00e4rke oder bei massiger St\u00e4rke von sehr geringer Dauer ist, so bleiben positive Bilder, zur\u00fcck, die durch sehr schwach gef\u00e4rbte ivcissliehe T\u00f6ne abklingen, deren Farbenton schwer zu benennen ist und durch Contraste in der auff\u00e4lligsten Weise abge\u00e4ndert werden kann, wodurch denn die sonderbarsten scheinbaren Widerspr\u00fcche in den Resultaten eintreten. Hat man viele verschieden gef\u00e4rbte Objecte im Gesichtsfelde, so blassen die Farbenunterschiede im Nachbilde aus. Dieser Art scheinen auch die von Aubert bei Beleuchtung farbiger Objecte mit dem elektrischen Funken erhaltenen Nachbilder gewesen zu sein. So erscheinen ihm rothe Quadrate auf Weiss Mn Nachbilde roth, ein breiterer rother Streifen, aus demselben Papier geschnitten, mit weissen Quadraten auf weissem Grunde dagegen gr\u00fcn. Das Nachbild blauer und gelber Streifen mit schwarzen Quadraten auf schwarzem Grunde erschien ihm immer gelb, auf weissem Grunde lieferten beide Streifen blaue Nachbilder. Wovon diese Verschiedenheiten abhingen, bleibt noch zu ermitteln.\nUeobachtung-pn and Versuche. I. 100.","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\tZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN. \u00a7. 23.\nAndere Erscheinungen des farbigen Abklingens beobachtet man an rotiren-den Scheiben, welche schwarze und weisse Sectoren haben, und nicht so schnell rotiren, dass ein ganz continuirlicher Eindruck im Auge entsteht. Wenn man eine solche Scheibe anfangs langsam, dann allmalig schneller rotiren l\u00e4sst, und sie anhaltend betrachtet, aber so, dass man vermeidet der bewegten Figur mit dem Blicke zu folgen, bemerkt man, dass das Weiss sich f\u00e4rbt, und zwar an dem vorangehenden Rande r\u00f6thlich, an dem hinterher folgenden bl\u00e4ulich. Bei schw\u00e4cherem Licht zieht der r\u00f6thliche Farbenton mehr in das Rothgelbe, der bl\u00e4uliche in Violett, bei st\u00e4rkerem der erste in Rosaroth, der letztere in Gr\u00fcnblau. Bei langsamer Rotation ist der bl\u00e4uliche Ton anfangs \u00fcber einen breiteren Theil des Weiss ausgedehnt als der r\u00f6thliche. Bei schneller Rotation dagegen breitet sich das Roth als Rosaroth \u00fcber das ganze Weiss aus, w\u00e4hrend das Gr\u00fcnblau auf die schwarzen Sectoren hin\u00fcberr\u00fcckt; im Ganzen erscheint dann auf der Scheibe das Violett zu \u00fcberwiegen. Bei noch schnellerer Rotation kann man die verschiedenen Sectoren nicht mehr von einander scheiden, man sieht dann das Feld fein gesprenkelt, und die Flecke zwischen violettem Rosa und Gr\u00fcngrau hin und her flimmern. Endlich bei noch weiterer Steigerung der Rotationsgeschwindigkeit wird das Flimmern schw\u00e4cher, die graue Mischfarbe des Weiss und Schwarz tritt immer mehr hervor, und ist nur noch von ver\u00e4nderlichen gr\u00f6sseren Flecken von violettem Rosa \u00fcberlaufen, welche wie die Flecken und Streifen in gew\u00e4ssertem Seidenzeug geformt sind.\nMan sieht diese verschiedenen Stadien der Erscheinung sehr gut neben einander, wenn man eine Scheibe- in drei concentrische Ringe abtheilt, wie in\nschwarze und 2 weisse Sectoren, dem mittleren von beiden je 4, dem \u00e4usseren je 8 giebt. Wenn die Scheibe mit gewisser Schnelligkeit rotirt, hat man auf dem innersten Felde die \u00fcberwiegend gr\u00fcnliche F\u00e4rbung des Weiss, im mittleren die rosarothc, im \u00e4ussern das feingesprenkelte Flimmern. Bei gr\u00f6sserer Geschwindigkeit zeigt das innere Feld die rosarothe F\u00e4rbung, das mittlere das feingesprenkelte Flimmern, das \u00e4ussere das mit Violett gew\u00e4sserte Grau. Ich bemerke dabei noch, dass derjenige Streif, auf welchem das Rosaroth am reinsten entwickelt ist. immer dunkler erscheint als die benachbarten Streifen, in denen der Wechsel langsamer oder schneller stattfindet, sie zuerst auf*den weissen Streifen auftreten, ist an einer in Sectoren getheilten Scheibe erst nach einiger Uebung zu erkennen, leichter an einer Scheibe {Fig. ISO, Seite 381), die von einer schwarzen und einer gleich breiten weissen Spirallinie bedeckt ist. Es geht daraus hervor, dass wenn ein Punkt der Retina in schneller Abwechselung von weissein Lichte getroffen und wieder verdunkelt wird, so dass die Netzhaut sich im Zustande abwechselnd steigender und sinkender Erregung findet, die Zeit der Maxima der Erregung nicht f\u00fcr alle Farben auf denselben\nFig. 149, und dem innersten 2\nFig. -U9.\nDie Ordnung der Farben, wie","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 23.\nFLIMMERNDE ROTI RENDE SCHEIBEN.\n381\nAugenblick f\u00e4llt, sondern die Erregung f\u00fcr Roth und Violett fr\u00fcher eintritt als f\u00fcr Gr\u00fcn.\nEs treten diese Farbenerscheinungen gew\u00f6hnlich nicht im ersten Augenblicke des Hinsehens ein, sondern erst nach einiger Zeit, und werd\u00e8n dann allm\u00e4lig immer gl\u00e4nzender. Es scheint also ein gewisser Grad von Erm\u00fcdung des Auges durch das flimmernde Licht daf\u00fcr notli-wendig zu sein. Ausserdem verbinden sich damit nun noch andere Erscheinungen, welche von einer verschiedenen Empf\u00e4nglichkeit verschiedener Stellen der Netzhaut f\u00fcr diese Art von Reizung herzur\u00fchren scheinen. Es werden n\u00e4mlich in dem flimmernden Licht gewisse Muster sichtbar, die zum Theil in Beziehung zu bestimmten Stellen der Netzhaut stehen,\nPurkinje\u2019s 1 Lichtschattenfigur. Wenn n\u00e4mlich die Geschwindigkeit der Scheibe so gross geworden ist, dass man die einzelnen Sectoren nicht mehr einzeln erkennt, so erscheint die Zahl der Sectoren vermehrt, und diese bilden gleichsam ein Gitter von verwaschen gezeichneten und gekr\u00fcmmten St\u00e4ben, dessen Maschen in Richtung des Radius der Scheibe am l\u00e4ngsten sind. Rei steigender Schnelligkeit der Bewegung wird die Zeichnung feiner, \u00e4hnlich der eines Stickmusters, und es erscheint an derjenigen Stelle des flimmernden Feldes, welche dem gelben Flecke entspricht, eine eigenth\u00fcmliche in sch\u00e4rferen Gegens\u00e4tzen von Licht und Dunkel gezeichnete rundliche oder querovale Figur, zu vergleichen etwa mit einer vielbl\u00e4tterigen Rose, deren Bl\u00e4tter aber sich einer sechseckigen Form n\u00e4hern. In ihrem Centrum steht ein dunkler Punkt, von einem hellen Kreis umgeben. Dieselben Figuren kann man auch hervorbringen, indem man mit geschlossenen Augenlidern sich gegen ein helles Licht kehrt, und die aus einander gespreizten Finger vor dein Auge hin und her bewegt, so dass das Auge in schnellem Wechsel beleuchtet, und ..beschattet wird. Ueber-haupt kommt es nur darauf an, einen solchen schnellen Wechsel von Schatten und Licht hervorzubringen. Purkinje unterscheidet bei diesen Figuren die prim\u00e4ren und secund\u00e4ren Gestalten. Die prim\u00e4ren Gestalten sind in seinem rechten Auge gr\u00f6ssere und kleinere Vierecke, schachbrettartig dunkel und hell wechselnd, die den gr\u00f6ssten Theil des Gesichtsfeldes \u00fcberziehen. Nur abw\u00e4rts vom Mittelpunkte sieht er gr\u00f6ssere Sechsecke in einer Strecke ausgebreitet. Von der in meinen Augen ziemlich regelm\u00e4ssig ausgebildeten Rosette des gelben Flecks scheint er nur einzelne Z\u00fcge gesehen zu haben, dagegen sind bei mir die Flecken ausserhalb des Centrum weder regelm\u00e4ssig viereckig noch sechseckig, sondern unregelm\u00e4ssig, nach der Peripherie an Gr\u00f6sse zunehmend. Aehnlich sah sie\n1 Beobachtungen und Versuche zur Physiologie der Sinne. Bd. f. Prag 1823. S. 10.\nFig. 450.","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN CESICHTSEMPFINDUNGEN..\n\u00a7\u25a0 23.\nauch Purkinje mit seinem schwachsichtigen linken Auge. Als secund\u00e4re Gestalten-, die namentlich wenn er die geschlossenen Augenlider gegen die Sonne kehrt, erscheinen, beschreibt Purkinje achtstrahlige Sterne, und eigenth\u00fcmliche eckig gebrochene Spirallinien, welche sich aus den prim\u00e4ren Mustern durch Verschiebung der hellen und dunkeln Vierecke entwickeln, \u00fcbrigens sehr wandelbar sind. Die secund\u00e4ren Gestalten erschienen ihm im linken, wie im rechten Auge nur symmetrisch umgestellt.\nBeobachtet man diese Erscheinungen auf den rotirenden Scheiben, so verwischt sich bei gr\u00f6sserer Geschwindigkeit die Erscheinung immer mehr, und es bleiben nur noch die gew\u00e4sserten Flecke als letzter Rest zur\u00fcck, die schon vorher beschrieben sind. Zur Zeit, wo das Flimmern am heftigsten ist, verschwindet bei recht starrem Hinblicken zuweilen die ganze Figur und es wird anscheinend hinter ihr ein dunkelrother Grund sichtbar, in welchem eine grosse Menge in einander verschlungener Str\u00f6mungen vorhanden zu sein scheint, eine Erscheinung, in der Vierordt 1 den Blutlauf der Netzhautgef\u00e4sse zu erkennen glaubt. Tn meinen eigenen Augen entspricht das Bild dieser Bewegung mehr uferlosen Str\u00f6mungen, die fortdauernd ihr Bett wechseln, und sich hin und her schieben. Man k\u00f6nnte allerdings daran denken, dass die intermittirende Beleuchtung die Bewegung der Blutk\u00f6rperchen sichtbar mache, ebenso wie man dadurch die Bewegungen und Formen der Tropfen eines ausfliessenden Strahls sichtbar macht. Aber was ich selbst davon gesehen habe, w\u00fcrde ich nicht wagen f\u00fcr Blutbewegung zu erkl\u00e4ren.\nL\u00e4sst man auf den flimmernden Scheiben farbiges Licht mit Schwarz wechseln, indem man entweder auf den Scheiben farbige Sectoren anbringt, oder die schwarzweissen Scheiben durch farbige Gl\u00e4ser betrachtet, so zeigen auch unter diesen Umst\u00e4nden selbst homogene Farben Spuren von farbigem Abklingen. Sieht man z. B. durch ein rothes Glas, welches keine andere Farbe als Roth hindurchl\u00e4sst, so erscheint der vorausgehende Rand der hellen Felder orange, der nachfolgende rosaroth, entsprechend dem gelb und blau im weisseu Licht. Der schwarze Grund \u00fcberzieht sich gleichzeitig mit complement\u00e4rem Gr\u00fcn. Noch deutlicher wird die Complement\u00e4rfarbe 1 2, wenn man von den Spiralb\u00e4ndern das eine farbig, das andere grau macht, die Scheibe eine Weile laufen l\u00e4sst und dann pl\u00f6tzlich anh\u00e4lt, oder auch wenn man mit einer Scheibe mit abwechselnd farbigen und weissen oder grauen Sectoren ebenso verf\u00e4hrt. Sinsteden 3 brauchte zu demselben Zwecke eine orangerothe Scheibe mit ausgeschnittenen Sectoren, die \u00fcber einer weissen, beschatteten lief. Wenn er die obere anhielt, erschien die untere lebhaft blau.\nAehnliche Erscheinungen erhielt auch E. Br\u00fccke, indem er eine kleine schwarze Scheibe vor einer farbigen Glastafel in schwingende Bewegung setzte. Namentlich auffallend war dabei die Erscheinung vor einer gr\u00fcnen Scheibe, indem die Stellen, vor denen Hell und Dunkel wechselte, rosaroth erschienen, die ganz bedeckten und ganz unbedeckten dagegen gr\u00fcn.\n1 Archiv f\u00fcr physiol. Heilkunde. 1856. lieft II.\n- 1 !ove in Hogg. Ann. KXKY. 526.\na Klientin. KXXXIV. 45.","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 23.\nANDERE THEORIEN DER NACHBILDER.\n383\nEin eigentli\u00fcmliclies vielleicht hierher geh\u00f6riges Ph\u00e4nomen sind die sogenannten flatternden Herzen. Auf farbigen Bl\u00e4ttern aus steifem Papier sind Figuren von einer anderen lebhaften Farbe angebracht; am besten scheinen Roth und Blau zu wirken, die Farben m\u00fcssen sehr lebhaft und ges\u00e4ttigt sein. Wenn man die Bl\u00e4tter betrachtet und mit einer gewissen Geschwindigkeit hin und her bewegt, scheinen die Figuren selbst gegen das Papier sich zu verschieben, und auf diesem hin und her zu schwanken. Der Grund der Erscheinung scheint darin zu liegen, dass der Lichteindruck im Auge f\u00fcr die verschiedenen Farben nicht gleich schnell zu Stande kommt und vergeht, und deshalb das Blau in der von dem Blatte beschriebenen Bahn scheinbar etwas hinter dem Roth zur\u00fcckbleibt. Etwas Aehnliches wird auch wahrgenommen, wenn man das Auge statt des Objects bewegt. So sahen Wheatstone x, Br\u00fccke und E. du Bois Reymond 2 bei Gasbeleuchtung, wenn sie das Auge \u00fcber rothe und gr\u00fcne Tapeten hinstreifen Hessen, dass das Muster sich scheinbar bewegte. Nach Brewster sieht man es auch, wenn helles Tageslicht durch ein kleines Loch in ein sonst dunkles Zimmer f\u00e4llt.\nIch habe in der bisher gegebenen Darstellung mich der namentlich von Fechner durehgef\u00fchrten Ansicht angeschlossen, wonach alle Erscheinungen der Nachbilder theils in einer noch fortbestehenden Reizung der Netzhaut, theils in einer verminderten Reizempf\u00e4nglichkeit derselben ihren Grund finden. In der That, wenn man die bisherige Bedeutung des Begriffs Reizung und Reizempf\u00e4nglichkeit festh\u00e4lt, m\u00fcssen wir von fortbestehender Reizung sprechen, wenn ein Auge in absolutem Dunkel ein positives Nachbild sieht, und wir m\u00fcssen die Reizempf\u00e4nglichkeit als vermindert betrachten, wenn das Auge am Orte eines negativen Nachbilds \u00e4usseres Licht schw\u00e4cher empfindet, als mit der nicht erm\u00fcdeten Netzhaut. Dass also Reizung fortbesteht und die Reizempf\u00e4nglichkeit vermindert sei, ist keine Hypothese, sondern geht unmittelbar aus den Thatsachen hervor. Auch gen\u00fcgen diese beiden Umst\u00e4nde, um die bei weitem gr\u00f6sste Zahl der augenf\u00e4lligeren und constanten Erscheinungen dieses Gebiets zu erkl\u00e4ren, namentlich die Erscheinungen der ver\u00e4nderten Lichtintensit\u00e4t, der positiven gleichfarbigen und negativen complement\u00e4ren Nachbilder. Die sehr zusammengesetzten Erscheinungen des farbigen Abklingens starker oder anhaltender Lichteindr\u00fccke vollst\u00e4ndig auf ein einfaches Schema zur\u00fcckzuf\u00fchren, mochte freilich vor der Hand noch schwer sein und allerlei willk\u00fchrliche Annahmen nothwendig machen. Indessen l\u00e4sst sich einsehen, warum diese Erscheinungen so ver\u00e4nderlich sein m\u00fcssen. NVir kennen eben weder das Gesetz, wonach eine mehr oder weniger vorgeschrittene Erm\u00fcdung des Auges f\u00fcr die einzelnen Farben verschwindet, noch die Abh\u00e4ngigkeit, in welcher die St\u00e4rke des nachbleibenden Lichteindrucks von der Erm\u00fcdung steht. Die negativen complement\u00e4ren Bilder im dunkeln Gesichtsfelde sind hierbei nach Fechner\u2019s Ansicht als ver\u00e4nderte Empfln-dungsweisen der inneren Reize der Netzhaut anzusehen. Viele Physiker haben dagegen diese Bilder als Wirkungen einer neuen entgegengesetzten Th\u00e4tigkeit der Netzhaut angesehen, und namentlich hat Plateau 3 diese Ansicht zu einer zusammenh\u00e4ngenden Theorie ausgebildet. Er wies nach, dass man dergleichen com-plement\u00e4r gef\u00e4rbte Bilder auch beim g\u00e4nzlichen Mangel alles \u00e4usseren Lichtes sehen k\u00f6nne, und da er auf das Eigenlicbt des Auges noch nicht aufmerksam geworden\n1\tInst. No, 582. p. 75.\n2\tDie Fortschritte in der Physik im Jahre 1845, redig. von Karsten. I. 228.\n3\tAnn. de Cliim. et de Phys. LUI. 38(>. Pogg. Ann. XXXII. 543.","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GRSICHTSEMPFIND\u00dcNGEN.\n\u00a7. 23.\nwar, wusste er die Erscheinung eben nicht anders als durch eine neue entgegengesetzte Th\u00e4tigkeit der Netzhaut zu erkl\u00e4ren. Da er weiter auch noch sp\u00e4tere Wechsel des positiven Hnd negativen. Bildes bemerkte, so stellte er den Satz auf, dass die Netzhaut nach jedem heftigen Lichteindruck erst durch eine Reihe von Oscillationen zur Ruhe k\u00e4me, wobei sie abwechselnd nach einander entgegengesetzte Zust\u00e4nde durchlaufen sollte. Diese entgegengesetzten Zust\u00e4nde entspr\u00e4chen der Empfindung complement\u00e4rer Farben. Er brachte dies in Verbindung mit gewissen Contrasterscheinungeu, die im n\u00e4chsten Paragraphen n\u00e4her besprochen werden sollen, und nahm auch f\u00fcr die r\u00e4umliche Ausbreitung des Eindrucks eine Reihe solcher Oscillationen an. Dagegen ist eben zu erinnern, dass die negativen complement\u00e4ren Nachbilder nicht in einer activen Th\u00e4tigkeit der Netzhaut bestehen, sondern im Gegentheil als Verminderungen der schon vorher bestehenden inneren Lichtempfindung sichtbar werden; und dass ferner jene Wechsel zwischen positiven und negativen Bildern, wie man bei genauer Aufmerksamkeit fast immer erkennt, von \u00e4usseren Umst\u00e4nden, namentlich von schwachen Aenderungen in der Beleuchtung des Augengrundes abh\u00e4ngen. Ich halte es f\u00fcr sehr misslich, diese zarten, \u00e4usserst schwankenden Erscheinungen, wie es die Nachbilder zur Zeit ihres Kampfes zwischen positiv und negativ im dunkeln Gesichtsfelde sind, bei der hoch gesteigerten Empfindlichkeit des Organs, welches lange im Dunkeln verweilt hat, wo nachweisbar kaum wahrnehmbare \u00e4ussere Einfl\u00fcsse die Verwandlung des Bildes herbeif\u00fchren, als Basis einer Theorie zu benutzen. Wir d\u00fcrfen uns aber nicht wundern, wenn wir unter diesen Umst\u00e4nden noch nicht immer den Grund der eintretenden Ver\u00e4nderungen zu bezeichnen wissen. Uebrigens hat schon Fechner auf eine andere Schwierigkeit von Plateau\u2019s Theorie aufmerksam gemacht. Dieser muss n\u00e4mlich annehmen, dass bei den Nachbildern die complement\u00e4ren Farben als entgegengesetzte Th\u00e4tigkeiten der Netzhaut ' sich einander aufheben und Dunkelheit erzeugen. Wenn z. B. ein complement\u00e4\u00aegef\u00e4rbtes Nachbild besteht, ist die Wahrnehmung der prim\u00e4ren Farbe beeintr\u00e4chtigt. Wenn man nach-einander das Auge durch gr\u00fcn und roth erm\u00fcdet hat, ist das Nachbild schwarz. Wie l\u00e4sst sich aber diese Behauptung vereinigen mit der Thatsache, dass die gleichzeitig von objectivera complement\u00e4ren Lichte hervorgebrachten Empfindungen sich zu der von Weiss vereinigen, welches heller ist als jede der beiden Farben einzeln genommen?\nBr\u00fccke betrachtet die positiv complement\u00e4ren Nachbilder als unvereinbar mit Fechner\u2019s Theorie. Ich habe schon vorher darauf aufmerksam gemacht, dass die F\u00e4rbung dieser Bilder in der That sehr weisslich ist, und nur durch den Contrast gegen die vorher gesehene prim\u00e4re Farbe und den mangelnden Vergleich mit anderen Farben die complement\u00e4re Farbe so grell hervortritt. Hat man gleichzeitig zwei prim\u00e4re Farben neben einander gesehen, so \u00fcberzeugt man sich leicht davon, dass ihre Nachbilder in den letzten Augenblicken ihrer positiven Erscheinung nur einen geringen Hauch der complement\u00e4ren Farben zeigen, so dass ich glaube diese Bilder als aus einem positiven weisslichen Nachbilde und einem negativen complement\u00e4ren gemischt ansehen zu d\u00fcrfen, und dadurch diese Erscheinung auch unter Fechner\u2019s Erkl\u00e4rung f\u00fcgen zu k\u00f6nnen. - Zu erw\u00e4hnen ist noch eine r\u00e4thselhafte Erscheinung, die Aubert beschreibt bei den Nachbildern von Gegenst\u00e4nden, die durch den elektrischen Funken beleuchtet waren. Hier sah er bei schwarzen und rothen Quadraten auf weissem Grunde scheinbar gleichzeitig mit dem Uberschlagenden Funken leuchtende negative Bilder. Diese fehlten aber bei weissen Quadraten auf schwarzem Grunde, zuweilen erschienen sie gegen das Urbild verschoben. Ihnen folgten erst die gleichfarbigen positiven Bilder. Von farbigen Streifen auf weissem oder schwarzem Grunde sollen die Nachbilder immer complement\u00e4r gef\u00e4rbt, und immer heller als der Grund gewesen sein.","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 23.\nGESCHICHTE DER NACHBILDER.\n385\nIch halte es \u00fcberhaupt f\u00fcr gerathen, in diesem \u00e4usserst verwirrten Gebiete der mannigfaltigsten Erscheinungen eine theoretische Ansicht, die wie die FECHNER\u2019sche bei weitem die gr\u00f6sste Zahl der hierher geh\u00f6rigen Erscheinungen leicht erkl\u00e4rt, und namentlich alle diejenigen gut erkl\u00e4rt, welche sich durch ihre Energie, Deutlichkeit und Constanz auszeichnen, als leitenden Faden festzuhalten, selbst wenn sieh auch einzelne fl\u00fcchtigere Erscheinungen finden, f\u00fcr welche man gegenw\u00e4rtig noch keine ganz gen\u00fcgende Erkl\u00e4rung geben kann, wie es die Farbenwandlungen sind, die in dem Augenblicke erfolgen, wo das Bild aus positiv in negativ \u00fcbergeht und wo die entgegengesetzten Einfl\u00fcsse der nachdauernden Reizung und der Erm\u00fcdung sich in einem leicht ver\u00e4nderlichen Gleichgewichte befinden. F\u00fcr jetzt habe ich noch keine Erscheinung auffinden k\u00f6nnen, welche entschieden unvereinbar mit Fechner\u2019s Erkl\u00e4rungsprincipien w\u00e4re.\nBeschrieben werden die positiven und negativen Nachbilder der Fenster 1634 von Peiresc L Dann tritt der Versuch als eine Art Kunstst\u00fcck auf. Bonacursius behauptet gegen den Jesuiten Athan. Kircher 2, er k\u00f6nne bewirken, dass man im Finstern ebenso gut sehe, wie im Hellen, und behielt Recht, indem er Kircher im dunkeln Zimmer eine in einer Oeffnung des Fensters befestigte Zeichnung starr betrachten liess. Dann wurde das Zimmer ganz verdunkelt, und Kircher sah die Zeichnung deutlich wieder, indem er (was unn\u00f6thig war) nach einem in der Hand gehaltenen weissen Papier blickte. Kircher giebt die Erkl\u00e4rung dazu, dass das Auge das eingesogene Licht wieder ausstrahle und das vorgehaltene Papier beleuchte. Mariotte 3 wiederholte \u00e4hnliche Versuche. Newton kannte die Blendungsbilder, und soll sie f\u00fcr psychischer Natur erkl\u00e4rt haben 4, weil er die Nachbilder, welche durch Blicken nacli der Sonne erzeugt waren, noch l\u00e4ngere Zeit dadurch wieder hervorrufen konnte, dass er die Aufmerksamkeit auf sie richtete. Er wurde zu diesen Versuchen veranlasst durch eine Anfrage von Locke, der sie in Rob. Boyle\u2019s Buch \u00fcber die Farben erw\u00e4hnt gefunden hatte. Eine vollst\u00e4ndigere Theorie der Erscheinungen gab dann Jurin 5 im Jahre 1738, und zwar gr\u00fcndete er sie theils auf die Fortdauer der Reizung, theils auf die Annahme, dass beim Auf-h\u00f6ren einer stark angeregten Empfindung von selbst eine entgegengesetzte hervorgerufen w\u00fcrde. Ausf\u00fchrliche Beschreibungen der Erscheinungen gab Buffon 6, die dann sp\u00e4ter dem Pater Scherffer 7 das Material zur Begr\u00fcndung seiner Theorie gaben. Dieser stellte im Gegensatz zu Jurin die Ansicht auf, dass die Nachbilder \u2014 er kennt fast nur negative \u2014 durch die verminderte Empfindlichkeit der erm\u00fcdeten Netzhaut entstehen. Dasselbe Princip wendet er auch zur Erkl\u00e4rung der complement\u00e4ren Farbe an, indem er sich dabei auf Newton\u2019s Farbenmischungsregel st\u00fctzt. Eine andere etwas willk\u00fchrlich aufgeputzte Theorie dieser Erscheinungen, die aber schon an Plateau\u2019s Oscillation'en erinnert, gab Godart 8. Eine Menge von Beobachtungen kamen weiter hinzu durch Darwin 9, namentlich \u00fcber die farbigen Nachbilder, durch Aepinus 10 und de la Hire 11 \u00fcber das farbige Abklingen des Sonnenbildes, durch Gergonne 12, Brockedon ls, der sie zugleich zu einer Theorie der \u00e4sthetischen Farbenharmonie zu verwenden suchte, Lehot 11, der namentlich auf die Erscheinungen aufmerksam machte, die bei pl\u00f6tzlicher Aenderung der Entfernung eines farbigen Feldes entstehen, Goethe Ip, Beer 1b \u00fcber Verschwinden der Farben durch Hinstarren bei operirten Staarkranken, Himly\n' Vita. p. 175 , 296.\n- Ars magna, p. 162.\n3\tMariotte. Oeuvres, p. 318.\n4\tD. Brewster. Newton\u2019s Leben \u00fcbers, von Goldberg. Leipzig 1833. S. 263.\n5\tEssay on distinct and ind. vis. p. 170 in Smith\u2019s Optics. Cambridge 1738.\n11 Mem. de Paris. 1743. p. 213.\n7\tAbhandlung von den zuf\u00e4lligen Farben. Wien 1763. \u2014 Lateinisch vom Jahre 1761, auch im Journal de Physique de Rozier. XXVI. 173 und 273. (1783)*.\n8\tJournal de Physique. 1776. VIII. 1 und 269.\n9\tPhilos. Transact. 1786. LXXV\u00cf. 313. \u2014 Zoonomie \u00fcbers, von Brandis. Hannover 1793. IL 387.\n10\tJourn. de Phys. XXVI. 291. \u2014 Novi Comment. Petrop. X. 286.\n11\tBei Porterfield on the eye. I. 343.\nJourn. de Mathemat. XXL 291.\n13\tQuart. Journal of Sc. N. XIV. 399: Wiener Zeilsehr. VIII. 471.\n14\tFechner. Repertorium 1832. p. 229.\n15\tFarbenlehre. I. 13, 20.\n16\tDas Auge oder Versuch das edelste Geschenk des Seh\u00f6plers zu erhalten. 8. I 8.\nKncvklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t\u00abO","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u25a0 23.\nund Troxler *, Purkinje* 2, Osann3, Splittgerber 4, Knochenhauer5 * 7, Dove 6 \u00fcber subjective Farben an bewegten Objecten, Sinsteden \u00bb, Scoresby 8 * *, Grove 9 \u00fcber die Wiederbelebung von Nachbildern durch abwechselnde Erhellung und Verdunkelung des Gesichtsfeldes, S\u00e9guin 10 (viele und genaue Beobachtungen \u00fcber Abklingen der Farben), Br\u00fccke11 12, Aubert 12 \u00fcber Nachbilder durch den elektrischen Funken erzeugt.\nVon Versuchen zur theoretischen Zusammenfassung und Erkl\u00e4rung der hierher geh\u00f6rigen Erscheinungen ist noch weiter zu erw\u00e4hnen der Versuch von Prieur de la C\u00f4te d\u2019or 13, sie auf das Princip des Contrastes zur\u00fcckzuf\u00fchren, ferner die von Brewster aufgestellte Ansicht 14 * 16, dass die complement\u00e4re Farbe sich zugleich mit der gesehenen entwickele und diese triibe. Es liefen die entgegenstehenden Ansichten zuletzt aus in die beiden zusammenfassenden Arbeiten von Plateau 15 und Fechner lc. Der erstere brachte die Meinungen, welche entgegengesetzte Th\u00e4tigkeiten der Netzhaut annehmen, in eine cons\u00e9quente Form, Feciiner dagegen, der mit einer ausserordentlichen Selbstaufopferung auch gleichzeitig eine grosse Reihe genauer, selbst messender Versuche in diesem Gebiete ausgef\u00fchrt hat, gab zuerst eine gen\u00fcgende Herleitung der negativen Bilder aus dem Princip der Erm\u00fcdung. Diese beiden Arbeiten bezeichnen im Wesentlichen noch den gegenw\u00e4rtigen Stand der Wissenschaft. Der Begriff der Erm\u00fcdung des Auges f\u00fcr eine einzelne Farbe bedurfte aber noch einer n\u00e4heren Definition. Die Farbentheorie von Th. Young gab eine solche. Um sie zu pr\u00fcfen, habe ich die Versuche \u00fcber die Nachbilder der Spectralfarben ausgef\u00fchrt 17, wobei ich auf die grosse Deutlichkeit der positiven Nachbilder nach momentaner Lichtwirkung aufmerksam wurde.\n1634. Peirescii Vita. p. 17b, 296.\n1646. Athan. Kircher. Ars magna, p. 162.\n1668. Mariotte. Oeuvres, p. 318.\n1689. De la Hire bei Porterfield on the eye. I. 343.\nI. Newton. Experiments on ocular spectra pr\u00f4duced by the action of the sun\u2019s light on the retina. Edinb. Journ. of Sc. IV. 73; Newton\u2019s Leben von Brewster \u00fcbers, von Goldberg. Leipzig 1833. S. 263.\n1738. Jurin. Essay on distinct and indistinct vision. p. 176. In Smith\u2019s Optics. Cambridge 1738.\n1743. Buffon. Dissertation sur les couleurs accidentelles. M\u00e9m. de Paris. 1743. p. 147. 1765. Scherffer. Abhandlung von den zuf\u00e4lligen Farben. Wien 1763; latein. vom Jahre 1761; \u00fcbers, im Journ. de Physique de Rozier. XXVI. 173 und 273.\nAepinus de coloribus accidentalibus. Nov. Coni. Acad. Petr. X. 282. Journal de Physique. 1776. XXVI. 291.\n1776. Godart. Journ. de Physique. VIII. 1 und 269.\n1786. Darwin. On the ocular spectra of light and colours. Phil. Trans. 1786. p. 313;\nZoonomie \u00fcbers, von Brandis. Hannover 1793. II. 387.\n1798. Comparetti. Observationes dioptricae et anatomicae de coloribus apparentibus. Patav. 1798.\n1804. Prieur de la C\u00f4te d\u2019or. Bemerkungen \u00fcber die Farben und einige besondere Erscheinungen derselben. Ann. de Chim. L1V. p. 1. Gill). Ann. XXXI. 313.\n\u25a0 Il oily. Ophthalmol. Bibi. Bil. I. St\u00fcck 2. S. I \u201430. B.l, I!. St. 2. S. 40.\n2\tBeitr\u00e4ge. I. 72 , 96.\n3\tPogg. Ann. XXXVII. 288.\n\u201c Ebenda. IL. b87.\n5 Ebenda. LIII. 346.\n\u00abEbenda. LXXI. 112. LXXV. 524 , 526.\n7 Ebenda. LXXXIV. 45.\n3 Philosoph. Mag. (4) VIII. 344. (1854.)\n3 Philosoph. Mag. (4) III. 435 \u2014 439.\n,u Ann. de Chemie et de Phys. S\u00e9r. 3. XLI.4I3\u2014431. C. R. XXXIII. 642. XXXIV. 797. XXXV. 479.\n11\tHenkschr. der k. k. Akad. zu Wien III; Pogg. Ann. LXXXIV. 418.\n12\tMoleschott. Untersuchungen zur Natur!. Bd. V. 279.\n13\tAnn. de Chimie. UV. p. I.\t.\n\u25a0* Phil. Mag. II. 89. IV. 354. \u2014 Pogg. Ann. XXIX. I.XI. 138.\n13 Ann. de Chimie et de Fhys. 1833. I.Itl. 389; 1835. LYIII. 337; Pogg. Ann. XXXII. 543. Am vollst\u00e4ndigsten in Essai d\u2019une Th\u00e9orie g\u00eaner, comprenant l'Ensemble des apparences visuelles, qui succ\u00e8dent \u00e0 la contemplation des objets color\u00e9s. Bruxelles 1834.\n16\tPogg. Ann. XXXXIV. 221, 513; XXXXV. 227; L. 193 , 427.\n17\tOeffentlich vorgetragen in der Sitzung der niederrheinischen Gesellschaft f\u00fcr Natur- und Heilkunde in Botin am 3. Juli 1S58 und in der Naturforscherversammlung zu Carlsruhe September 1858.","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7 2.3.\nLITERATUR DER NACHBILDER.\n387\n1810.\n1817.\n'1819.\n1826.\n1830.\n1833.\n\u2022t 836. 1838.\n18 SO.\n1841. 1843.\n1848.\n1850.\n1852.\n1854.\n1855.\n1856.\n1858.\nv. Goethe. Zur Farbenlehre. I. 13, 20.\nSchulz, lieber physiologische Farbenerscheinungen, insbesondere das phosphorische Augenlicht als Quelle derselben betrachtet. In Goethe f\u00fcr Naturwiss. II. 20 38 Purkinje. Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Sinne. I. 92.\nJ. M\u00fcller. Zur vergl. Physiol, des Gesichtsinnes. Coblenz, p. 401.\nLehot. Annales des sciences d\u2019observ. par Saigey et Raspail I8\u00d40. III. 3. Froriep\u2019s Notizen aaVIH. p. 177; Fechner Repertorium 1832. p. 229.\nGergonne in seinem Journ. de Malliem. XXI. 291.\nBrew ster in Philos. Mag. II. 89; IV. 354. Pogg. Ann. XXIX.\nPlateau. 4b\u00bb. de chim. et de phys. bill. 386, LVIII. 337; Pogg. Ann. XXXII. 543. Am vollst\u00e4ndigsten in: Essai d\u2019une Th\u00e9orie g\u00e9n\u00e9r. comprenant l'ensemble des apparences visuelles, qui succ\u00e8dent \u00e0 la contemplation des objets color\u00e9s et de celles qui accompagnent cette contemplation, c\u2019est \u00e0 dire la persistance des impressions de la retme, les couleurs accidentelles, l'irradiation, les effets de la juxtaposition des couleurs, les ombres color\u00e9es. Bruxelles 1834.\t'\nOsann. Ueber Erg\u00e4nzungsfarben. Pogg. Ann. XXXVII. 287.\n*0. 1 h.^ I echtcr. ^^Ueber die subjectiven Complement\u00e4rfarbeii. Pogg. Ann. XLIV.\nDerselbe. Scheibe zur Erg\u00e4nzung subjectiverComplement\u00e4rfarben. Pogg. Ann. XLV.227. * Derselbe. Ueber die subjectiven Nachbilder und Nebenbilder. Pogg Nnn L 193\u2014221, 427 \u2014 465.\tSD'\nSplittgerber in Pogg. Ann. XL. 587.\nD.\tBrewster in Phil. Mag. XXIII. 354. Pogg. Ann. LXI. 138. (Combination der verl\u00f6schenden Eindr\u00fccke mit complement\u00e4ren.)\nKnochenhauer. Ueber Blendungsbilder. LUI. 346.\nWheatstone. Sur un effet singulier de juxtaposition de certaines couleurs dans des circonstances particuli\u00e8res. Inst. 1845. No. 582. p. 75.\nIL W. Dove. Ueber Scheiben zur Darstellung subjective!'Farben. Pogg. Ann. LXXV. 526. Gr\u00fcel. Ueber einen Apparat f\u00fcr subjective Farbenerscheinungen. Pogg. Ann. LXXV. 524. H. Taylor. On the apparent motion of the figures in certain patterns of blue and red worsted. Philos, ilagaz. XXXIII. 345; Froriep\u2019s Notizen IX. 33; Arch. d. sc ph. et nat. X. 304.\n\u2022L AI. Seguin. Sur les couleurs accidentelles. C. R. XXXIII. 642. XXXIV. 767\u2014768. XXXV 476; Ann. de chim. et de phys. (3) XLI. 413 \u2014 431; Phil. Mag. (41 III. 77. SlLLIMAN J. (2) XIII. 441.\nSinsteden. Ueber einen neuen Kreisel zur Darstellung subjectiver Complement\u00e4r-farben und eine eigenthiimliche Erscheinung, welche die Orangefarbe dabei zeigt. Pogg. Ami. LXXXIV. 45.\nE.\tBr\u00fccke. Untersuchungen \u00fcber subjective Farben. Pogg. Ann. LXXXIV. 418. Wiener Denkschr. III. 95; Arch. d. sc. phys.-et nat. XIX. 122.\nW. R. Grove. On a mode of reviving dormant impressions on the retina. Philos. Magaz. (4) III. 435 \u2014 436; Inst. 1852. p. 251 \u2014252. Arch. d. sc. phys. et nat XX. 227 \u2014 228; Cosmos. I. 237 \u2014 238.\nDove in Pogg. Ann. LXXXV. 402. Zur Erkl\u00e4rung der flatternden Herzen.\n.1. .1. Oppel. Ueber das Ph\u00e4nomen der flatternden Herzen. Jaliresber. des Frankfurter Vereins 1853 \u2014 1854. p. 50 \u2014 52; Hallesche Zeitschr. f\u00fcr Naturwissenschaft. V. 319.\nW. Scoresby. An inquiry into some of the circumstances and principles which regulate the production of pictures on the retina of the human eye with their measure and endurance, their colours and changes. Phil. Mag. (4) VII. 218 \u2014 221; VIII. 544. Inst. 1854. p. 154 \u2014 156; Proc. of Roy. Soc. VI. 380 \u2014 383. VII. 117 \u2014 122. Athen. 1854, 1272.\nS. Marianini. Sur une mani\u00e8re de voir facilement les couleurs accidentelles. Arch, d. sc. phys. XXX. 325 ; Cimento. I. 165.\nSeguin. Couleurs accidentelles. Cosmos. IX. 39.\nVierordt. Archiv f\u00fcr physiol. Heilk. 1856. Heft 2.\nHelmholtz. Ueber Nachbilder, im Bericht \u00fcber die 34ste Vers, deutscher Naturf. in Carlsruhe. S. 225.\nH. Aubert. Ueber das Verhalten der Nachbilder auf den peripherischen Theilen der Netzhaut, in AIolesciiott Unters, zur Naturlehre IV. 215.\nDerselbe. Ueber die durch den elektrischen Funken erzeugten Nachbilder. Ebenda. V. 279.\n25\n*\n1859.","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON HEN GES1CHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 24.\n8. 24. Vom Contraste.\nWir haben im vorigen Paragraphen untersucht, wie nach einander gesehene Farben sich gegenseitig ver\u00e4ndern. Es bleibt uns jetzt noch \u00fcbrig zu untersuchen, welchen Einfluss verschiedene im Gesichtsfelde neben einander gleichzeitig erscheinende Helligkeiten und Farben auf einander ausiiben.\nDa der Erfolg einer solchen Nebeneinanderstellung meistentheils der ist, dass jeder Theil des Gesichtsfeldes neben einem helleren dunkler, neben einem dunkleren heller aussieht, und seine Farbe neben einer anderen Farbe gesehen sich mehr oder weniger der Complement\u00e4rfarbe der letzteren ann\u00e4hert, so hat der hierin sich aussprechende Gegensatz zu dem Namen des Contrastes Veranlassung gegeben. Genauer unterscheidet Chevreul die hierher geh\u00f6rigen Erscheinungen unter dem Namen des simultanen Contrastes von denjenigen, wo zwei Farben nach einander auf derselben Netzhautstelle erscheinen, welche er mit dem Namen des successiven Contrastes belegt.\nEs kommen nun aber auch F\u00e4lle vor, wo die Farbe eines Thciles des Gesichtsfeldes durch Nebensetzung einer anderen Farbe so ver\u00e4ndert wird, dass sie der letzteren selbst, nicht ihrer Complement\u00e4rfarbe \u00e4hnlicher wird. Auf diese w\u00fcrde der Name des Contrastes nicht unmittelbar passen, wenn auch vielleicht in Wirklichkeit hier die eine Farbe durch einen Contrast gegen die Complemen-t\u00e4rfarbe der anderen ver\u00e4ndert wird. Um nun solche F\u00e4lle durch die Bezeichnung nicht auszuschliessen, bezeichnet Br\u00fccke diejenige Farbe, welche durch die Wirkung einer im Gesichtsfelde daneben stehenden hervorgebracht wird, als die inducirte Farbe, und diejenige andere, welche die Veranlassung zur Erscheinung jener ersten giebt, als die inducirende Farbe. Dabei wollen wir, wenn das Feld, dessen Farbe ver\u00e4ndert ist, selbst farbig ist, dessen Farbe wie fr\u00fcher die reagirende nennen. Indem die reagirende Farbe durch die inducirte ver\u00e4ndert wird, entsteht die resultirende Farbe. Im Allgemeinen passen also unmittelbar unter den Begriff des Contrastes nur die gew\u00f6hnlichen F\u00e4lle, wo die inducirte Farbe der inducirenden complementer ist. Es kommen aber F\u00e4lle vor, wo die inducirte Farbe der inducirenden gleich ist.\nWas zun\u00e4chst die Erscheinungen des successiven Contrastes betrifft, so ergeben sich diese leicht aus dem, was im vorigen Paragraphen gesagt ist. Hat man ein Feld von der Farbe A und mittlerer Helligkeit angeschaut, und wendet das Auge auf ein anderes von der Farbe B, so ist die nachbleibende Reizung des Eindrucks A in der Regel nicht so gross, um auf einem zweiten Felde von mittlerer Helligkeit ein positives Nachbild zu Stande kommen zu lassen, man sieht also ein negatives Nachbild von A auf dem Felde B. Dadurch werden diejenigen Theile der Farbe B geschw\u00e4cht, welche mit A gleichartig sind. Ist B von demselben Farbenton wie A, so wird es durch den Contrast weisslicher, ist es complement\u00e4r, so wird es ges\u00e4ttigter. Liegt es auf einer oder der anderen Seite des Farbenkreises zwischen A und seiner Complement\u00e4rfarbe, so geht es in einen benachbarten Farbenton \u00fcber, der weiter von A entfernt, n\u00e4her an seiner Complement\u00e4rfarbe liegt. Uebrigens erscheint B desto mehr verdunkelt, je heller A gewesen ist. Dies w\u00e4re also das allgemeine Gesetz des successiven","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 24.\nSUCOESSIVER CONTRAST.\n389\nContrastes, vorausgesetzt solche Helligkeiten beider Felder, dass eben nur negative Nachbilder zu Stande kommen.\n. Man kann sich nun leicht davon \u00fcberzeugen, dass der successive Contrast, d. h. der durch Nachbilder verursachte, auch dann eine grosse Rolle spielt, wenn man farbige Felder, die neben einander im Gesichtsfelde stehen, mit einander vergleicht. Man hat in diesen F\u00e4llen meist nur simultanen Contrast zu sehen geglaubt, weil man bisher eine gewisse Eigenth\u00fcmlichkeit des menschlichen Blicks in der Lehre vom Contraste wenig beachtet hat. Bei dem gew\u00f6hnlichen bequemen Gebrauche unserer Augen pflegen wir n\u00e4mlich den Fixationspunkt fortdauernd langsam im Gesichtsfelde wandern zu lassen, so dass er nach einander \u00fcber die verschiedenen Theile der betrachteten Objecte hingleitet. Dieses Wandern des Blicks geschieht unwillk\u00fchrlich, und wir sind so daran gew\u00f6hnt, dass es eine ausserordentliche Anstrengung und Aufmerksamkeit erfordert, auch nur 10 bis 20 Secunden lang den Blick ganz scharf auf einen bestimmten Punkt des Gesichtsfeldes zu fixiren. So wie wir das tbun, treten auch sogleich ungew\u00f6hnliche Erscheinungen ein. Es entwickeln sich n\u00e4mlich-scharf gezeichnete negative Nachbilder der Objecte, die, so lange der Blick festgehalten wird, mit den Objecten zusammenfallen, und diese deshalb schnell undeutlich werden lassen. Deshalb tritt denn auch bald das Gef\u00fchl von Blendung und Anstrengung des Auges ein, so wie wir bei der Fixation des Gesichtspunktes beharren, der Trieb das Auge zu bewegen wird immer unwiderstehlicher und die kleinen Schwankungen seiner Stellung, welche ungeachtet unserer Anstrengung eintreten, verrathen sich dadurch, dass an den R\u00e4ndern der Objecte bald rechts, bald links Theile der entstandenen negativen Nachbilder aufblitzen. Auch ist diese Wanderung des Blicks, wodurch auf s\u00e4mmtlichen Theilen der Netzhaut ein fortdauernder Wechsel zwischen st\u00e4rkerer und schw\u00e4cherer Erregung und zwischen den verschiedenen Farben unterhalten wird, offenbar von grosser Bedeutung f\u00fcr die ungest\u00f6rte Gesundheit und Leistungsf\u00e4higkeit des Sehnervenapparats. Denn nichts greift das Auge so an, als wenn man h\u00e4ufig negative Nachbilder durch langes Hinstarren nach selbst nur massig beleuchteten Fl\u00e4chen entwickelt. Starke negative Nachbilder, sind ja immer Zeichen hoch gesteigerter Erm\u00fcdung der Netzhaut.\nUeberlegeu wir nun, was geschieht, wenn bei diesem Wandern des Blicks verschieden farbige oder verschieden helle Felder im Gesichtsfelde liegen. Wenn wir ein begrenztes farbiges Feld mit genauer Fixation des Blicks auf einen Punkt desselben betrachten, entwickelt sich ein scharf begrenztes Nachbild, welches deshalb eben leicht zu erkennen ist. Wenn wir hinter einander zwei verschiedene Punkte des Objects eine Zeit lang fixirt haben, bilden sich zwei gut begrenzte Nachbilder aus, die sich zum Tlieil decken, aber schon nicht mehr so reicht, ohne besondere Aufmerksamkeit als Abbilder des Objects erkannt werden. Ist aber der Blick langsam \u00fcber den Gegenstand hingegangen, ohne irgendwo anzuhalten, so ist das Nachbild nat\u00fcrlich nur ein verwaschener Fleck, und wird, obgleich es f\u00fcr den aufmerksamen Beobachter wirklich da ist, schon nicht mehr so leicht erkannt. Geht nun der Blick auf ein anderes benachbartes Feld von anderer Farbe \u00fcber, so wird diese Farbe nat\u00fcrlich durch den Einfluss","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN G ESI CHTSEMPFIND\u00dcN GEN.\n\u00a7\u2022 24.\ndes Nachbildes -ver\u00e4ndert, gerade so als h\u00e4tten wir nach einander in demselben Theile des Gesichtsfeldes diese verschiedenen Farben gehabt. Wir haben also in einem solchen Falle nicht simultanen Contrast, oder wenigstens diesen nicht allein, sondern wir haben auch hier successiven Contrast, und die Erscheinungen sind ganz oder grossentheils identisch mit den im vorigen Paragraphen beschriebenen. Um allein simultanen Contrast zu haben, m\u00fcssen wir nothwendig besonders daf\u00fcr sorgen, dass w\u00e4hrend des Versuchs der Blick ganz streng iixirt sei.\nWir werden die Erscheinungen des reinen simultanen Contrastes, welche hei strenger Fixation des Blicks bestehen bleiben, sp\u00e4ter genauer untersuchen. Zun\u00e4chst will ich noch die Erscheinungen beschreiben, die zum Theil dem simultanen Contraste, gr\u00f6sstentheils aber dem successiven angeh\u00f6ren, wie sie bei dem gew\u00f6hnlichen unbefangenen Gebrauche des Auges sich zeigen. Die Farben\u00e4nderungen, welche dabei eintreten, sind genau dieselben, welche ich schon f\u00fcr den reinen successiven Contrast beschrieben habe. Sie sind im Allgemeinen viel deutlicher und auffallender als die des reinen simultanen Contrastes, und wo beide verschiedene Resultate herbeif\u00fchren k\u00f6nnten, \u00fcberwiegen bei dem unbefangenen Gebrauche des Auges stets die des successiven Contrastes; wo beide die gleichen Wirkungen hervorbringen, werden die Farbenver\u00e4nderungen stets viel bedeutender, wenn man von der Fixation des Blicks zur Wanderung desselben \u00fcbergeht.\nIm Allgemeinen ist es vortheilhaft f\u00fcr die Contrastwirkungen, wenn die inducirende Farbe lichtstarker ist, als die reagirende, weil dann die Nachbilder jener lebhafter und anhaltender sind. Legt man also z. B. auf einen farbigen Papierbogen einen kleinen Kreis von weissem Papier, so wird dies Weiss com-plement\u00e4r gef\u00e4rbt. Die F\u00e4rbung ist aber auffallender, wenn man statt Weiss Grau nimmt, oder selbst Schwarz, da alles Schwarz bef diesen subjectiven Versuchen als ein dunkles Grau zu betrachten ist. Doch ist ein mittleres Grau in der Regel vortheilhafter f\u00fcr den Versuch als Schwarz. Die Contrastwirkung kann in solchen F\u00e4llen so weit gehen, dass eine ziemlich lebhafte Farbe in die complement\u00e4re umgekehrt wird. Legt man z. B. auf eine rothe Glasscheibe ein kleines St\u00fcck orangerothes Papier (mit Mennige gef\u00e4rbt) und h\u00e4lt dies gegen den hellen Himmel, so erscheint das r\u00f6thliche Papier lebhaft gr\u00fcnblau, in der Complement\u00e4rfarbe des rothen Glases, die nahehin auch seine eigene ist.\nFerner ist es vortheilhaft, wenn die inducirende Farbe einen grossen Theil des Gesichtsfeldes bedeckt, weil dann die verschiedenen Netzhautstellen h\u00e4ufig und anhaltend von dieser Farbe getroffen und durch sie erm\u00fcdet werden. Die Contrastfarben sind deshalb besonders lebhaft, wenn die reagirende Farbe ein kleines Feld einnimmt, welches rings umgeben ist von einem ausgedehnten Grunde, der mit der inducirenden Farbe gef\u00fcllt ist. In diesem Falle wird haupts\u00e4chlich nur die Farbe des kleinen Feldes ver\u00e4ndert, nicht die des grossen. Aber die Contrastwirkungen fehlen auch nicht, wenn die beiden Felder gleich gioss sind, dann ist der Einfluss ein gegenseitiger, und die Farbe eines jeden von beiden wird durch die Farbe des anderen ge\u00e4ndert.","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 24.\nSUCCESSIVE!* CONTRAST.\n391\nEndlich ist die Contrastwirkung desto' gr\u00f6sser, je n\u00e4her das inducirende Feld dem reagirenden im Gesichtsfelde liegt, weil, wenn der Blick von dem einen zum anderen Felde hin\u00fcbergleitet, das Nachbild desto st\u00e4rker entwickelt ist, je schneller er das andere Feld trifft. Dies zeigt sich sehr deutlich bei der Anordnung, welche Chevreul f\u00fcr seine Versuche gew\u00e4hlt hat. Er schneidet von jeder der beiden Farben z. B. Gelb und Roth zwei Streifen zurecht, legt dann einen gelben und einen rothen Streifen dicht neben einander. , Diese wollen wir bezeichnen mit Gl und Rr Dann legt er neben den gelben Streifen Gl in kurzem Abstande einen zweiten gelben G,, und ebenso neben den rothen Bi einen zweiten Rr Die Contrastwirkung macht sich dann nur an den beiden mittleren Streifen Gi und Rl merklich. Das Gelb von G1 wird gr\u00fcnlich, indem es sich dem zu R1 complement\u00e4ren Blaugr\u00fcn n\u00e4hert, und Rt erscheint purpurn, indem sich etwas Indigblau, die Complement\u00e4rfarbe vor) Gt, zumischt. Dagegen erscheinen die beiden seitlichen Streifen G2 und R,, in unver\u00e4nderter F\u00e4rbung, und man hat dadurch gute Gelegenheit, die Contrastwirkung zu erkennen. Eben davon h\u00e4ngt es nun auch ab, dass, wenn etwas breitere Felder an einander stossen, die Contrastf\u00e4rbung namentlich an den R\u00e4ndern hervortritt. Jedes Mal, wo der Blick von dem einen Felde A auf das andere B hin\u00fcbergleitet, sind diejenigen Theile der Netzhaut, welche eben das Feld A verlassen, am meisten durch die Farbe A erm\u00fcdet, auf diese f\u00e4llt nun das Bild der Randtheile von B Weniger erm\u00fcdet sind diejenigen Netzhauttheile, welche etwas fr\u00fcher A verlassen haben, und schon weiter in das Feld R hineinger\u00fcckt sind. Diesen erscheint deshalb die inducirte Farbe schw\u00e4cher. So folgt, dass jedes Mal, wo der Blick zum Felde \u00df \u00fcbergeht, die Randtheile von B am meisten durch den Contrast ver\u00e4ndert sind, die weiter vom Rande entfernten Theile im Verh\u00e4ltniss ihrer Entfernung weniger. St\u00f6sst also z. B. ein gr\u00fcnes und ein blaues Feld aneinander, so erscheint der Rand des Gr\u00fcn etwas gelblicher als die Mitte, der Rand des Blau etwas violetter als seine Mitte, weil dort das dem Blau comple-ment\u00e4re Gelb sich zumischt, hier das dem Gr\u00fcn complement\u00e4re Purpurroth. Man kann das Spiel der Nachbilder am Rande solcher Fl\u00e4chen sehr gut beobachten, wenn man sich eine Reihe von Fixationspunkten bezeichnet, und den Blick nur springend bewegt, indem man ihn eine kurze Zeit auf jedem Fixationspunkte festh\u00e4lt. Dann sieht man deutlich die wohlbegrenzten Nachbilder sich auf das andere Feld hin\u00fcberschieben. Die \u00e4lteren, weiter vorgeschobenen sind iilasser, die neusten, welche dem Rande am n\u00e4chsten bleiben, sind st\u00e4rker.\nHandelt es sich nicht um Unterschiede der Farbe, sondern der Helligkeit, so findet man, dass die Helligkeit des reagirenden Feldes neben einem helleren inducireuden vermindert erscheint, neben einem dunkleren dagegen vergr\u00f6ssert.\nUebrigens wird bei diesen Versuchen das Hervortreten der Complement\u00e4rfarbe noch durch andere Umst\u00e4nde beg\u00fcnstigt, gegen\u00fcber den Methoden, negative Nachbilder zu sehen, welche im vorigen Paragraphen beschrieben sind. W\u00e4hrend n\u00e4mlich im Allgemeinen noting ist, ein farbiges Object absichtlich mehrere Secunden zu fixiren, um ein deutliches Nachbild von einiger Dauer nachher aut einem gleichm\u00e4ssig gef\u00e4rbten Grunde zu erhalten, so zeigt es sich bei den Versuchen \u00fcber Contrast, dass nur eine ziemlich fl\u00fcchtige Betrachtung der einen","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 24.\nFarbe gen\u00fcgt, um die complement\u00e4re Farbe auf dem anderen Felde zu induciren, und dass diese complement\u00e4re Farbe nachher viel dauernder ist, als es ein unter gleichen Umst\u00e4nden gewonnenes Nachbild sein w\u00fcrde. Um auf einem gleich-massig gef\u00e4rbten Grunde ein Nachbild zu erkennen, muss dieses gut entwickelt und gut begrenzt sein. Es bewegt sich mit dem Blicke hin und her, giebt sich dadurch gleich als eine subjective Erscheinung zu erkennen, und wir sind f\u00fcr gew\u00f6hnlich daran gew\u00f6hnt, unsere Aufmerksamkeit nur den ohjectiven Gesichtserscheinungen zuzuwenden. Wenn dagegen ein verwaschenes Nachbild ein kleineres gef\u00e4rbtes Feld bedeckt, welches seine objective Begrenzung hat, und immer unter dem Einfluss des Nachbildes erscheint, so kann dieser Einfluss nicht unmittelbar in der Anschauung von den \u00fcbrigen objectiven Erscheinungen des Gesichtsfeldes getrennt werden, und wird deshalb viel leichter ein Gegenstand unserer Aufmerksamkeit. Im dritten Abschnitte werden wir die hier erw\u00e4hnte Eigent\u00fcmlichkeit unserer Aufmerksamkeit n\u00e4her zu besprechen haben.\nDazu kommt, dass die Erm\u00fcdung der Netzhaut bei den hier betrachteten Contrasterscheinungen immer wieder erneuert wird, und die Wirkung deshalb anhaltend ist, w\u00e4hrend sie bei den meisten Methoden Nachbilder zu erzeugen ziemlich schnell vergeht.\nWir wenden uns nun zu den Erscheinungen des reinen simultanen Contrastes. Um diese als solche sicher erkennen zu k\u00f6nnen, muss bei der Anordnung der Versuche daf\u00fcr gesorgt werden, dass keine Nachbilder entstehen k\u00f6nnen, dass der Theil der Netzhaut, welcher die inducirte Farbe empfinden soll, vorher auch nicht vor\u00fcbergehend von dem Bilde des inducirenden Feldes getroffen wird. Vollst\u00e4ndig kann dies in der Regel nur erreicht werden, wenn man die inducirende Farbe erst sichtbar macht, nachdem sich das Auge auf einen bestimmten Punkt des inducirten Feldes festgeheftet hat. Diesen Punkt muss es dann auch w\u00e4hrend der ganzen Dauer des Versuchs festbalten. Ist die inducirende Farbe nicht zu lichtstark oder zu ges\u00e4ttigt, so gen\u00fcgt es auch, die Augen, welche auf dunkeln wenig gef\u00e4rbten Gegenst\u00e4nden herumgewandert, sind, oder geschlossen waren, schnell auf das inducirte Feld zu richten, und dann einen Punkt von diesem festzuhalten, ohne vorher den Blick auf dem inducirenden verweilen zu lassen. Diese letztere Methode gen\u00fcgt namentlich deshalb in den meisten F\u00e4llen, weil die hierher geh\u00f6rigen Contrasterscheinungen sich gerade bei schwachen Farbenunterschieden des inducirenden und inducirten Feldes am deutlichsten zeigen, w\u00e4hrend umgekehrt die Erscheinungen des sucees-siven Contrastes durch starke Gegens\u00e4tze der Farbe und Beleuchtung beg\u00fcnstigt werden.\nDie hierher geh\u00f6rigen Erscheinungen scheinen mir von ganz anderer Art zu sein, als die bisher betrachteten. Sie lassen sich im Allgemeinen charak-terisiren als F\u00e4lle, in denen eine genaue Beurteilung der reagirenden Farbe durch Vergleichung mit anderen als der inducirenden nicht m\u00f6glich ist. In solchen F\u00e4llen sind wir geneigt, diejenigen Unterschiede, welche in der Anschauung deutlich und sicher wahrzunehmen sind, f\u00fcr gr\u00f6sser zu halten als solche, welche entweder in der Anschauung nur unsicher heraustreten, oder mit H\u00fclle der Erinnerung beurtheilt werden m\u00fcssen. Es ist dies wohl ein all-","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 24.\nDIE FARBIGEN SCHATTEN.\n393\ngemeines Gesetz bei allen unseren Wahrnehmungen. Ein Mensch mittlerer Gr\u00f6sse neben einem sehr grossen sieht klein aus, weil wir iiii Augenblick deutlich sehen, \u00bbdass es gr\u00f6ssere Menschen giebt, aber nicht, dass es auch kleinere Menschen giebt. Derselbe Mensch mittlerer Gr\u00f6sse, neben einen kleinen gestellt, wird gross aussehen.\nZwei Farben oder zwei Helligkeiten werden nun am sichersten verglichen, wenn sie im Gesichtsfelde ganz dicht an einander grenzen, und ihre Grenze eben durch nichts weiter als ihren Unterschied bezeichnet ist. Je weiter sie von einander getrennt sind, desto schwerer ihre Vergleichung; noch schwerer, wenn die eine nur aus der Erinnerung gegeben werden kann. Daraus ergiebt sich nun schon, dass wenn ein farbiges Feld, n\u00e4mlich das reagirende, von einem anderen, dem inducirenden, rings umschlossen wird, der Unterschied der Farbe des reagirenden Feldes von der des inducirenden deutlicher wahrgenonnnen wird, als der des reagirenden Feldes von andern entfernt liegenden Farben. Am schwierigsten wird letztere Vergleichung, wenn das inducirende Feld das ganze Gesichtsfeld oder wenigstens seinen gr\u00f6ssten Theil einnimmt, und deshalb andere Farben nur durch die peripherischen Theile der Netzhaut mit unvollkommener Unterscheidungsf\u00e4higkeit der Farben empfunden werden, oder nur durch die Erinnerung gegeben sind. Im Allgemeinen wird deshalb der oben gegebenen Regel gem\u00e4ss der Unterschied des reagirenden Feldes von dem inducirenden verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig zu gross erscheinen im Verh\u00e4ltniss zu den Unterschieden zwischen dem reagirenden Felde und anderen Farben, und zwar wird die Wirkung desto entschiedener werden, je mehr die inducirende Farbe alle anderen aus dem Gesichtsfelde ausschliesst.\nEs sind ferner T\u00e4uschungen in der Beurtheilung kleiner Unterschiede leichter m\u00f6glich, als bei grossen Unterschieden; dem entsprechend sind die Uontrasterscheinungcn auch bei kleinen Unterschieden der Beleuchtung verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig deutlicher als bei grossen.\nEndlich erscheint ein Unterschied, welcher die einzige Ursache der Trennung-benachbarter Fl\u00e4chen ist, gr\u00f6sser, als wenn er einer unter mehreren ist; daher im Allgemeinen der simultane Contrast lebhafter ist, wenn das inducirte vom inducirenden Felde durch nichts anderes als den Farbenunterschied getrennt ist.\nZu bemerken ist \u00fcbrigens noch, dass man die Fixation der Objecte nicht zu lauge fortsetzen darf. Bei lang anhaltender Fixation tritt durch die Erm\u00fcdung d\u00e9s Auges eine Reihe von Erscheinungen auf, die zum Theil den entgegengesetzten Erfolg, als der urspr\u00fcngliche Contrast, herbeif\u00fchren.\nIch gehe jetzt \u00fcber zur Beschreibung der einzelnen F\u00e4lle; der g\u00fcnstigste unter allen f\u00fcr die Lebhaftigkeit des Contrastes ist der der sogenannten farbigen Schatten, weil hier meistens die drei genannten Bedingungen gleichzeitig erf\u00fcllt sind. Die farbigen Schatten haben deshalb auch unter allen Contraster-scheinungen zuerst und am meisten die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.\nDie leichteste Art, sie zu beobachten, ist die, dass man ein Blatt Papier von entgegengesetzten Seiten her gleichzeitig mit abgeschw\u00e4chtem Tageslicht und mit Kerzenlicht beleuchtet. Das Tageslicht, d. h. weisses Licht, welches vom bew\u00f6lkten Himmel, oder von einer von der Sonne beschienenen weissen","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\tZWEITER ABSCHNITT. HIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUXGEN. \u00a7. 24.\nFl\u00e4che, oder auch vom Monde kommt, lasse man durch eine nicht zu breite Oeffnung einfallen, damit es deutliche Schatten werfen k\u00f6nne. Dann stelle man auf das Papier irgend einen K\u00f6rper (Finger, Bleistift), welche\u00bb Schatten wirft. Man wird zwei Schatten erkennen. Ich nenne Schatten des Tageslichts denjenigen, welcher auch, wenn die Kerze fehlte, da sein w\u00fcrde, und Schatten des Kerzenlichts denjenigen, dessen Dasein von der Anwesenheit der Kerze abh\u00e4ngt. Der Schatten des Tageslichts ist beleuchtet von rothgelbem Kerzenlicht, aber nicht von Tageslicht. Er erscheint in seiner objectiven F\u00e4rbung, n\u00e4mlich rothgelb. Der Schatten des Kerzenlichts wird von dem weissen Tageslichte, nicht aber von dem rothgelben Kerzenlichte beleuchtet. Er ist also ob-jectiv weiss, erscheint aber blau, complement\u00e4r zur Farbe des Grundes, welche ein weissliches Rothgelb ist, da die nicht beschatteten Theile des Papiers gleichzeitig von dem weissen Tageslichte und dem rothgelben Kerzenlichte beschienen sind. Die F\u00e4rbungen sind am deutlichsten, wenn man die St\u00e4rke beider Lichtquellen so abgleicht, dass die Schatten beider gleich dunkel sind.\nDas Blau im Schatten des Kerzenlichts wird lebhafter, wenn man den Blick h\u00e4ufig \u00fcber den rothgelben Grund wandern l\u00e4sst, aber es entsteht auch ganz ohne Vermittelung von Nachbildern. Man merke und bezeichne sich irgend einen Punkt a, der in dem blauen Schatten liegt, setze vor die Kerze einen undurchsichtigen Schirm, lasse eine Weile nur Tageslicht auf das Papier fallen, bis die Nachwirkung des rothgelben Lichts vollst\u00e4ndig erloschen ist, und das Tageslicht wieder vollkommen weiss erscheint. Nun fixirc man den Punkt u und ziehe den Schirm vor der Kerze weg. Sogleich f\u00e4rbt sich nun der Schatten des Kerzenlichts blau, und bleibt blau, wenn auch nicht die kleinste Schwankung des Blicks erfolgt ist. Ferner tritt auch die Contrastfarbe im Schatten sogleich auf, wenn man die Augen eine Weile schliesst und bedeckt, und sie dann pl\u00f6tzlich \u00f6ffnend nach den Schatten hinwendet.\nMan nehme eine innen geschw\u00e4rzte R\u00f6hre, und gebe ihr eine solche Stellung, dass, wenn man hindurchsieht, das Auge nur Stellen des Papiers erblickt, welche im Schatten des Kerzenlichts liegen. L\u00e4sst man nun zuerst nur Tageslicht einfallen, blickt dann durch die R\u00f6hre, und l\u00e4sst alsdann auch das Kerzenlicht einfallen, so sieht der Beobachter nichts von den mit Kerzenlicht beleuchteten Stellen, er bemerkt dessen Anwesenheit gar nicht, und das Aussehen der Stelle des Papiers, welche er durch die R\u00f6hre sieht, bleibt unver\u00e4ndert. Es folgt daraus, was hier bemerkt werden mag, da es von Osann bezweifelt wurde, dass objectiv die Farbe des Papiers im Schatten des Kerzenlichts nicht ver\u00e4ndert wird.\nWenn man dagegen die schwarze R\u00f6hre, indem man hindurchsieht, so richtet, dass ein Theil des Feldes, welches man \u00fcberblickt, von dem rothgelben Lichte der Kerze erleuchtet wird, so wird der Schatten des Kerzenlichts blau. Hat sich das Blau recht intensiv entwickelt, so richte man die R\u00f6hre wieder so, dass nichts als dies subjective Blau im Gesichtsfelde ist. Jetzt bleibt das Blau bestehen, mag man nun dem Kerzenlicht Zutritt zu dem Rest des Papiers geben, oder die Kerze bedecken, was f\u00fcr den Beobachter nat\u00fcrlich einerlei ist, da er unter diesen Umst\u00e4nden nichts davon wahrnimmt. Die blaue Farbe ist","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 24.\nCONTRAST AUF GROSSEM FARBIGEN FELDE.\n395\nin solchem Falle so best\u00e4ndig, dass Osann aus \u00e4hnlichen Versuchen eben geschlossen hat, sie sei objectiv. Diese Annahme widerlegt sich auch hier leicht dadurch, dass die blaue Farbe ja auch bestehen bleibt, wenn man die Kerze ausl\u00f6scht. In dem Augenblicke aber, wo man die schwarze R\u00f6hre vom Auge wegnimmt, schwindet auch das subjective Blau, da man es nun als identisch erkennt mit dem Weiss, welches das \u00fcbrige Gesichtsfeld f\u00fcllt. Kein Versuch zeigt schlagender und deutlicher den Einfluss des Urtheils auf unsere Farbenbestimmungen. Nachdem einmal in Folge des Contrastes, sei er nun successiv oder simultan, sich das Urtheil fcstgestellt hat, dass die Farbe im Schatten des Kerzenlichts blau sei, bleibt die Farbe scheinbar blau, wenn auch die Umst\u00e4nde, welche jene Bestimmung herbeigef\u00fchrt haben, wegfallen, bis wir durch Wegnahme der schwarzen R\u00f6hre eine neue Vergleichung mit anderen Farben m\u00f6glich machen, und durch neue Thatsachen unser Urtheil anders bestimmen lassen.\nStatt der rothgelben nat\u00fcrlichen Farbe des Kerzenlichts kann man nun auch andere Farben anwenden. Das Kerzenlicht kann man f\u00e4rben, indem man farbige Gl\u00e4ser vor die Kerze setzt, und so gef\u00e4rbtes Kerzenlicht entweder mit Tageslicht oder mit ungef\u00e4rbtem Kerzenlicht combinirt. Am gl\u00e4nzendsten werden die Erscheinungen aber, wenn man die Versuche in einem dunkeln Zimmer anstellt, und durch eine Oeffnung des Ladens, die mit einem farbigen Glase gedeckt ist, gef\u00e4rbtes Sonnenlicht eintreten l\u00e4sst, durch eine andere kleine Oeffnung weisses Tageslicht. In allen diesen F\u00e4llen erscheint das weisse Licht \u25a0 sowohl bei fixirtem, wie bei wanderndem Blick, complement\u00e4r zu dem farbigen gef\u00e4rbt.\nDie complement\u00e4re Farbe erscheint bei wanderndem Blicke sogar auch auf ganz schwarzen Fl\u00e4chen und auf Fl\u00e4chen, die schwach mit der herrschenden Farbe beleuchtet sind. Bei fixirtem Blicke erscheint eine dunkle Fl\u00e4che bald complement\u00e4r, bald gleichfarbig. Bei schw\u00e4cherem Lichte gew\u00f6hnlich ersteres, bei st\u00e4rkerem Lichte letzteres, jedenfalls wird sie aber nach einiger Dauer der Fixation gleichfarbig dem herrschenden Lichte, w\u00e4hrend nur an den R\u00e4ndern bei den unvermeidlichen kleinen Schwankungen der Gesichtsaxe hin und wieder die Complement\u00e4rfarbe aufblitzt. So wie man den Blick wandern l\u00e4sst, kommt die Complement\u00e4rfarbe immer zu Stande, oder wird gl\u00e4nzender, wenn sie schwach schon vorher da war.\nDie Complement\u00e4rfarbe kommt sogar dann zum Vorschein, wenn man das Lieht durch zwei Gl\u00e4ser von derselben Farbe gehen l\u00e4sst, wovon aber das eine schw\u00e4cher gef\u00e4rbt ist als das andere, oder wenn man zwei gleiche Gl\u00e4ser anwendet, aber neben dem einen noch weisses Licht einfallen l\u00e4sst. In solchen F\u00e4llen wird also der Farbenton des weisslicheren Schatten geradezu in den entgegengesetzten verwandelt.\nDieselben Contrasterscheinungen, welche uns die farbigen Schatten bieten, treten nun stets ein, sobald der gr\u00f6sste Theil des Gesichtsfeldes von einer vorwiegenden Farbe ausgef\u00fcllt ist, oder wenn ein grosser Theil des Gesichtsfeldes unbeleuchtet ist, in dem beleuchteten Theilc aber eine Farbe durch ihre Ausdehnung und Lichtst\u00e4rke \u00fcberwiegt.","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 24.\nMan nehme ein kleines Schnitzelchen weissen oder grauen Papiers, fasse es mit einer schmalannigen Pincette oder befestige es an einem Drahte und halte es nahe vor ein Auge, mit dem man es fixirt, w\u00e4hrend man das andere Auge schliesst. Dann schiebe man hinter dem Papierschnitzelchen einen grossen Bogen farbigen Papiers oder eine grosse farbige Glastafel vor^ so dass der gr\u00f6sste Theil des Gesichtsfeldes durch diese farbige Fl\u00e4che eingenommen wird. So wie dies geschieht, tritt die complement\u00e4re Farbe auf dem Papierschnitzelchen hervor. Das reagirende Weiss darf im Allgemeinen nicht zu hell genommen werden. Wenn man den Versuch in einem Zimmer anstellt, wo von einer Lampe oder von einer nicht zu grossen Fenster\u00f6ffnung her das Licht einf\u00e4llt, kann man die Helligkeit des weissen Papiers leicht dadurch ver\u00e4ndern, dass man das Licht mehr oder weniger senkrecht auffallen l\u00e4sst, und so die passende Helligkeit auflinden. Eine mittlere Helligkeit des Weiss, welche ungef\u00e4hr eben so gross ist, wie die des farbigen Grundes, ist am vortheilhaftesten. Ist das Weiss zu hell, oder andererseits zu stark beschattet, so dass es sich dem Schwarz n\u00e4hert, so sind die Contrastfarben minder deutlich oder fehlen ganz. Je mehr die farbige Fl\u00e4che vom Gesichtsfelde einnimmt, desto heller kann das Weiss gemacht werden. Wenn man sich mit dem Auge von den Objecten entfernt, und deren scheinbare Gr\u00f6sse also kleiner wird, so wird die inducirte Farbe schw\u00e4cher oder schwindet ganz. Ebenso schwindet sie bei anhaltendem Fixiren, und verwandelt sich in die der inducirenden Farbe gleiche, auch desto leichter, je kleiner die scheinbare Gr\u00f6sse des inducirenden Feldes ist, je st\u00e4rker dieses beleuchtet ist, und je dunkler das inducirte Feld ist. L\u00e4sst man das letztere aus einem schwarzen Scheibchen bestehen, und bringt dieses vor eine farbige Glasplatte, welche in einer Oelfnung des Fensterladen befestigt ist, so dass man die lichte Himmelsfl\u00e4che hindurchsieht, so ist h\u00e4ufig von Anfang an die schwarze Scheibe mit der Farbe des Glases \u00fcberzogen, vorausgesetzt, dass man Nachbilder vermeidet. Ich finde hierbei keinen Unterschied der verschiedenen Farben als den, dass die k\u00e4uflichen rothen Gl\u00e4ser dunkler zu sein pflegen als die gelben, gr\u00fcnen und blauen, und daher f\u00fcr das Roth eine gr\u00f6ssere Lichtst\u00e4rke, z. B. die von sonnenhellen Wolken noting ist, um die gleiche Farbe von Anfang an zu erzeugen. Bei den blauen Gl\u00e4sern, welche auch bei ziemlich dunkler F\u00e4rbung die Erscheinung zeigen, k\u00f6nnte wohl auch die Fluorescenz der Linse und Hornhaut dazu beitragen, blaues Licht \u00fcber die dunkle Scheibe zu verbreiten. Nach kurzem Fixiren tritt immer die gleiche Farbe ein, und nur am Rande des schwarzen Feldes zeigt sich der von Schwankungen der Gesichtslinie herr\u00fchrende complement\u00e4re Saum.\nWenn wir zun\u00e4chst von den F\u00e4llen absehcn, wo die inducirte Farbe der inducirenden gleich ist, so k\u00f6nnen wir das Hauptresultat der beschriebenen Versuche auch so ausdriicken. Wenn im Gesichtsfelde eine besondere- Farbe \u00fcberwiegend verbreitet ist, so erscheint uns eine weisslichere Abstufung desselben Farbentons als Weiss, und wirkliches Weiss als complement\u00e4r gef\u00e4rbt. Es wird also der Begriff dessen, was wir Weiss nennen, dabei ver\u00e4ndert. Nun ist die Empfindung des Weiss keine einfache Empfindung, sondern in einem bestimmten Verh\u00e4ltnisse zusammengesetzt aus den Empfindungen der drei Grund-","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 24.\nCONTRAST AUF GROSSEM FARBIGEN FELDE.\n397\nf\u00e4rben. Um nun in einem bestimmten Falle eine gegebene Farbe als Weiss anzuerkennen, wenn uns die M\u00f6glichkeit fehlt, sie mit anderem Weiss zu vergleichen, welches als solches anerkannt ist, m\u00fcssen wir das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss der drei darin enthaltenen Grundfarben als ver\u00e4ndert oder unver\u00e4ndert wieder erkennen. Die Vergleichung der Intensit\u00e4t verschiedener Farbenempfindungen ist aber, wie wir in \u00a7. 21 gesehen haben, eine h\u00f6chst unsichere imd ungenaue Es kann also auch die darauf beruhende Bestimmung des Weiss keine sehr genaue sein, sondern es werden ziemlich bedeutende Schwankungen in dem, was wir zu verschiedenen Zeiten f\u00fcr Weiss halten, m\u00f6glich sein, wie wir es denn auch wirklich finden.\nIn dieser Erkl\u00e4rung liegt auch zugleich der Grund, warum die Schwankungen der Vorstellung des Weiss nicht so weit gehen, dass wir eine ges\u00e4ttigte Farbe, z. B. das Roth der mit Kupferoxydul gef\u00e4rbten Gl\u00e4ser, welche nur Licht vom rotlieu Ende des Spectrum hindurchlassen, jemals f\u00fcr Weiss halten sollten, selbst wenn wir uns l\u00e4ngere Zeit in einem Raume befinden, welcher sein Licht nur durch ein solches Glas empf\u00e4ngt. In der That sind wir nicht im Zweifel, wenn wir sehr lichtstarkes Roth mit lichtschwachem Blau vergleichen, welche Farbe die hellere sei. Ueber grosse Unterschiede entscheiden wir sicher, nicht aber \u00fcber kleine. Wenn also dem Auge homogenes Licht dargeboten wird, und die Empfindung der rothen Grundfarbe daher sehr intensiv ist, im Vergleich zu den Empfindungen der beiden anderen Grundfarben, so erkennen wir ohne Bedenken die Farbe als Roth an. Wir thun dies auch noch, wenn die Empfindung des Roth durch Erm\u00fcdung des Auges schon sehr bedeutend abgeschw\u00e4cht ist., Wohl aber k\u00f6nnen wir unter solchen Umst\u00e4nden ein etwas weissliches, aber noch immer ziemlich ges\u00e4ttigtes Roth f\u00fcr Weiss halten, wie in dem oben beschriebenen Versuche, wo ein mennigrothes Papier vor einem stark erleuchteten rothen Glase gr\u00fcnlich erscheint.\nNoch auf einen anderen Umstand muss ich aufmerksam machen, der in einem solchen Falle vor allzu grossen Irrth\u00fcmern sch\u00fctzt. Es ist dies das Eigenlicht der Netzhaut, welches nach einiger Zeit bei wanderndem Blicke com-plement\u00e4r zur herrschenden Farbe erscheint, und sich auf allen ganz dunkeln Stellen des Gesichtsfeldes merklich macht. Wenn wir anhaltend durch ein rothes Glas sehen, erscheinen bald alle ganz dunkeln Objecte lebhaft gr\u00fcn. Neben dem Roth wird also seine Complement\u00e4rfarbe sichtbar, und wir werden dadurch gezwungen, das Roth als Roth anzuerkennen, wir k\u00f6nnen es nicht mit Weiss verwechseln. Bei herrschender weisser Beleuchtung erscheint der Nebel auf den dunkeln Stellen weiss, und wird eben deshalb nur bei genauer Aufmerksamkeit bemerkt. Selbst bei schw\u00e4cher gef\u00e4rbtem Licht, z. B. bei einer Lampe oder Kerze, macht sich das Eigenlicht der Netzhaut in dieser Weise bemerklich. Man braucht nur vor eine weisse von der Kerze beleuchtete Papierfl\u00e4che einen schmalen schwarzen, ganz unbeleuchteten Gegenstand zu halten, und den Blick \u00fcber ihn und die Papierfl\u00e4che wandern zu lassen, so erkennt man bald den indigblauen Schein auf dem Schwarz, welcher dem Rothgelb des Kerzenlichts complement\u00e4r ist. Weisses Papier bei Kerzenbeleuchtung erscheint ebenso gut weiss, wie bei Tageslicht. Blickt man aber durch eine innen geschw\u00e4rzte R\u00f6hre,","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 24.\nwelche nur eine Kleine Oeffnung hat, nach dem Papier, und vergleicht das Aussehen des kleinen Theils der Papierfl\u00e4che, den man noch sieht, mit dem dunkeln Felde, so erkennt man bald, dass jenes rothgelb ist, letzteres bl\u00e4ulich erscheint, w\u00e4hrend bei Tageslicht sich kein solcher Unterschied zeigt. Dies ist ein Mittel, um die Farbe der herrschenden Beleuchtung zu erkennen, selbst wenn man kein Tageslicht zur Vergleichung herbeischaffen kann. Es geht daraus auch hervor, dass die Farbe des Eigenlichts des Auges mit dem Weiss des Tageslichts \u00fcbereinstimmt, und dadurch dieses Weiss f\u00fcr das Auge noch eine besondere Bedeutung hat und vor allen anderen weissliehen Farben berechtigt ist, den Namen des Weiss zu tragen.\nEine genaue Bestimmung des Weiss, bei verbreiteter farbiger Beleuchtung kann aus der Vergleichung mit dem Eigenlichte des Auges nat\u00fcrlich nicht hervorgehen, weil das letztere zu schwach ist.\nWenn wir also eine beschr\u00e4nkte Anzahl farbiger Objecte im Gesichtsfelde haben, so sind wir viel besser im Stande, die relativen Unterschiede der vorhandenen Farben unter einander und von ihrem Mittel zu bestimmen, als den Unterschied dieses Mittel vom Weiss. Nun ist bei der normalen Beleuchtung durch Tageslicht, und wenn wir eine grosse Mannigfaltigkeit von Objecten frei vergleichen k\u00f6nnen, das Weiss des Sonnenlichts die Mittelfarbe, von der aus wir die Abweichungen der \u00fcbrigen Farben nach den verschiedenen Richtungen der F\u00e4rbentafel hin beurtheilen. Ist aber eine andere Farbe A herrschend, so dass das Mittel aller gleichzeitig angeschauten Farben sich der Farbe A n\u00e4hert, so sind wir geneigt, dieses Mittel als den Ausgangspunkt unserer zeitweiligen Farbenbestimmungen zu benutzen, und es mit Weiss zu identificiren.\nCharakteristisch fiir diese Deutung der Erscheinungen scheint es mir namentlich, dass, wenn Nachbilder vermieden werden, eine sehr schwache F\u00e4rbung des herrschenden Lichts schon ebenso deutliche Contrastf\u00e4rbungen hervorbringt, wie eine h\u00f6chst ges\u00e4ttigte. Das schwache Rothgelb des Kerzenlichts giebt den farbigen Schatten ein ganz intensives Blau. Ich finde nicht, dass dies Blau bei strenger Fixation lebhafter und deutlicher w\u00fcrde, wenn man ein intensiv gef\u00e4rbtes rothgelbes Papier oder ein rothes Glas als Unterlage benutzt. So wie man aber den Blick wandern l\u00e4sst, geben die letzteren ges\u00e4ttigten Farben allerdings auch viel ges\u00e4ttigtere Nachbilder als das Kerzenlicht.\nAusserordentlich schlagend zeigt sich dje Wirkung schwacher Unterschiede bei einem zuerst von H. Meyer 1 angegebenen Verfahren. Man schneide ein Blatt aus feinem weisseil Briefpapier und eines aus farbigem Papier, z. B. gr\u00fcnem, beide genau gleich gross, lege beide auf einander, so dass sie sich genau decken, und schiebe ein Schnitzelchen grauen Papiers dazwischen, welches ebenso dunkel oder dunkler als das gr\u00fcne ist. Weniger gut ist schwarzes oder weisses Papier. Durch das weisse Papier schimmert das Gr\u00fcn und Grau der Unterlage nur ganz schwach durch, und wo das letztere liegt, erscheint jetzt ein sehr deutliches und starkes Rosaroth. Giebt man der Unterlage eine andere F\u00e4rbung, so erscheint das graue Schnitzelchen immer in der Complemen-\n1 l'ogg. Ann. XCV. 170.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. U.\nCONTRAST AUF GROSSEM FARBIGEN FELDE.\n399\nt\u00e4rfarbe durch das aufgelegte weisse scheinend. Es gelingt h\u00e4ufig die Verh\u00e4ltnisse so zu treffen, dass die complementary Contrastfarbe deutlicher hervortritt als die schwache Farbe des Grundes. Ich finde nicht nur, dass ich in diesen F\u00e4llen die Contrastfarbe ebenso leicht sehe, wie wenn der Grund aus einer ges\u00e4ttigten Farbe gebildet ist, ich m\u00fcsste eigentlich sagen, dass ich sie leichter sehe, denn die Versuche \u00fcber die Contrastfarben von Papierschuitzelchen, unter welche ich bei strenger Fixation farbiges Papier hinschob, sind mir erst nach vielf\u00e4ltigen Bem\u00fchungen gelungen.\nDirect vergleichen lassen sich beide Erscheinungen in folgender Weise. Man bedecke das rotlie Blatt mit dem durchscheinenden weissen. Man lege auf das weisse ein Schnitzelchen undurchsichtigen weissen Papiers, welches man mit einer Pincette festh\u00e4lt. Man fixire letzteres aus solcher N\u00e4he, dass es deutlich complement\u00e4r gef\u00e4rbt ist, aber nur ganz kurze Zeit, weil sonst durch die Nachbilder der Unterschied der Farbe schnell erlischt, und ziehe pl\u00f6tzlich das weisse Briefpapier weg. Nun sieht man das Schnitzelchen auf dem unbedeckten rothen Papier. Die Complement\u00e4rf\u00e4rbung erscheint kaum st\u00e4rker als vorher, wenn man nicht zu lange gewartet hat.\nIn der That kann nach der gegebenen Erkl\u00e4rung \u00fcber die Schwankungen des Begriffs des Weiss die Ver\u00e4nderung dieses Begriffs immer nur bis zu einer gewissen Grenze geben. Diese Grenze wird schon bei geringer Farbens\u00e4ttigung des Grundes erreicht, und scheint dann, wenn nicht Nachbilder sich einmischen, nicht viel weiter gehen zu k\u00f6nnen. Andererseits ist die Art einer Farbe im Vergleich mit einer ihr sehr nahe liegenden Farbe des Grundes viel sicherer festzustellen, als wenn sie mit einer viel ges\u00e4ttigteren verglichen wird. Auch sind zwei Farben leichter zu vergleichen, wenn beide gleich lichtstark sind, als wenn ihre Lichtst\u00e4rke sehr verschieden ist. Darin scheint mir der Grund zu liegen, warum die Contrastf\u00e4rbung am zweifellosesten auftritt, wo inducirende und reagirende Farben gleich hell sind, und ihr Unterschied nicht die Lichtst\u00e4rke, sondern nur die Farbe betrifft.\nDadurch scheint sich auch folgende Erscheinung zu erkl\u00e4ren. Man halte mit der Pincette ein weisses Papierschnitzelcben \u00fcber einem gleich hellen weissen Grunde, und schiebe ein farbiges Papier zwischen das Schnitzelchen und den Grund ein. Auf dem neuen farbigen Gr\u00fcnde, wenn dieser gross genug ist, erscheint nun das Schnitzelchen complement\u00e4r gef\u00e4rbt. Man lasse das farbige Papier zwei bis vier Secunden liegen, und ziehe es wieder fort, immer sorgf\u00e4ltig einen Punkt des weissen Schnitzelchen fixirend. In diesem Augenblicke wird das weisse Schnitzelchen ebenso deutlich und bestimmt der bisher in-ducirenden Farbe gleichfarbig werden, als es vorher complement\u00e4r gef\u00e4rbt wurde, ja in allen solchen F\u00e4llen, wo der farbige Grund nicht sehr ausgedehnt war, wird sogar jetzt die gleichartige F\u00e4rbung deutlicher werden, als vorher die complement\u00e4re. In der That ist nun nach Entfernung des farbigen Papiers der weisse Grund schwach complement\u00e4r gef\u00e4rbt, und nahe gleich hell, wie das Papierschnitzelchen, und dadurch das Entstehen der Contrastfarbe mehr,beg\u00fcnstigt, als durch die intensivere F\u00e4rbung des fr\u00fcher \u2022untergeschobenen farbigen Papiers. Ebenso ist es, wenn die Unterlage und das Schnitzelchen beide schwarz sind.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 24.\nAuch dann ist die gleichnamige F\u00e4rbung bei Entfernung des farbigen Grundes deutlicher als bei der Unterschiebung desselben.\nNat\u00fcrlich verh\u00e4lt es sich ganz ebenso, wenn man das Papierschnitzelchen gleichzeitig mit dem farbigen Grunde entfernt, und nun die Nachbilder beider auf einen weissen oder schwarzen Grund projicirt, und es rechtfertigt sich hierdurch, dass wir im vorigen Paragraphen die Farbe des Nachbildes des Weiss in diesem Falle f\u00fcr eine Contrastfarbe erkl\u00e4rten.\nEhe wir die F\u00e4lle von Contrast verlassen, bei denen die inducirte Farbe den gr\u00f6ssten Theil des Gesichtsfeldes einnimmt, m\u00fcssen wir noch den Grund der zuweilen erscheinenden F\u00e4rbung des reagirenden Feldes, welche der in-ducirenden gleichnamig ist, er\u00f6rtern. Es kommt dies unter zwei Bedingungen vor, erstens n\u00e4mlich wenn das inducirende Feld eine sehr grosse Lichtst\u00e4rke hat, zweitens bei langem Fixiren desselben Punktes.\nWenn das inducirende Feld eine sehr grosse Lichtst\u00e4rke hat, halte ich das Auftreten der gleichnamigen F\u00e4rbung im reagirenden Felde nicht f\u00fcr eine subjective Erscheinung, sondern f\u00fcr eine Ausbreitung objectiven Lichts. Jede feste und fl\u00fcssige durchsichtige Substanz, welche wir kennen, zerstreut kleine Mengen des Lichts, welches durch sie hindurchgeht, nach allen Seiten hin, und erscheint deshalb, wenn starkes Licht durch sie hingeht, selbst schwach erleuchtet. Dass dies auch mit der Hornhaut und der Krystalllinse des Auges der Fall ist, haben wir schon oben (\u00a7. 14, S. 142) erw\u00e4hnt. Mau denke ferner an die entoptischen Objecte des Glask\u00f6rpers, welche nothwendig das durchgehende Licht theilweis von seinem Wege ablenken m\u00fcssen, man denke daran, dass Licht von den erleuchteten Stellen der Netzhaut nach den \u00fcbrigen Theilen des Augengrundes hin reflectirt wird, so ergiebt sich, dass wenn eine gr\u00f6ssere Menge Licht in das Auge eindringt, immer merkliche Mengen davon \u00fcber einen gr\u00f6sseren oder kleineren Theil des Augengrundes ausgebreitet sein werden. Am deutlichsten zeigt sich diese Beleuchtung durch diffuses Licht bei der zweiten in \u00a7. 15 beschriebenen Methode, die Gef\u00e4sse der Retina sichtbar zu machen, indem man eine Kerzenflamme unterhalb des Auges hin und her bewegt. In dem Lichtnebel, welcher hierbei den Grund des Auges ausf\u00fcllt, erscheinen die Schatten der Netzhautgef\u00e4sse; die Beleuchtung ist also jedenfalls eine objective, und nicht blos eine Ausbreitung der Lichtempfindung in der Netzhaut.\nNun kann man sich bei objectiven Versuchen mit Glaslinsen leicht \u00fcberzeugen, dass das diffus zerstreute Licht immer am st\u00e4rksten in der N\u00e4he des regelm\u00e4ssig gebrochenen Lichtb\u00fcndels ist, und schw\u00e4cher wird, je weiter man sich von diesem entfernt. L\u00e4sst man Sonnenlicht durch die Oeffnung eines schwarzen Schirms auf eine entfernte Linse fallen, und f\u00e4ngt das Bild der hellen Oeffnung auf einem weissen Schirme auf, so sieht man das helle Bildchen von einem weissen Nebelschein umgeben, der auch sichtbar wird, wenn man das Bild der hellen Oeffnung selbst dicht am Rande des Schirms Vorbeigehen l\u00e4sst. Jener weisse Nebelschein ist also keine im Auge entstehende Irradiation, sondern eine objective Erscheinung. Noch besser sieht man es, wenn man in den Schirm eine kleine Oeffnung macht, die man dem Bilde der hellen Oeffnung","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 24.\nCONTRAST AUF GROSSEM FARBIGEM FELDE.\n401\nnahe bringt, ohne sie aber damit zusannnenfallen zu lassen. Blickt man durch die Oeffnung des Schirms nach der Linse, so erscheint diese desto heller erleuchtet, je n\u00e4her man dem optischen Bilde der Lichtquelle kommt. Ein ganz entsprechendes Ph\u00e4nomen entsteht im Auge. Wenn man eine Lichtflamme vor einem sehr dunkeln Felde sieht, z. B. vor der ge\u00f6ffneten Th\u00fcr eines ganz dunkeln Raumes, so erscheint die Flamme von einem weissliehen Nebel umgeben, der in ihrer unmittelbaren N\u00e4he am hellsten ist. Man bemerkt diesen Lichtschein am besten, wenn man einen kleinen undurchsichtigen K\u00f6rper zwischen das Auge und die Flamme bringt, so dass diese nicht mehr gesehen wird. Augenblicklich verschwindet auch der Lichtnebel vor dem Grunde, und man sieht diesen in seiner eigent\u00fcmlichen Schw\u00e4rze. Ist das Licht farbig, so ist nat\u00fcrlich auch der zerstreute Lichtnebel von derselben Farbe. Ich glaube auch in diesem Falle nicht zweifeln zu d\u00fcrfen, dass dieser Lichtnebel von der Zerstreuung objectiven Lichts herr\u00fchrt, da die Verteilung des Lichts ganz dieselbe ist, welche ein System Glaslinsen unter denselben Umst\u00e4nden geben w\u00fcrde. Aber allerdings fehlt hier der Nachweis mittels der Schatten der Netzhautgef\u00e4sse, der in dem erst erw\u00e4hnten Falle gegeben werden konnte. Beim blauen Lichte kommt endlich auch noch das durch Fluorescenz der Linse zerstreute weissbl\u00e4uliche Licht hinzu, welches sich ebenfalls \u00fcber den ganzen Grund des Auges ausbreitet. Wenn also eine grosse Menge farbigen Lichts in das Auge f\u00e4llt, werden immer auch solche Tbeile der Netzhaut, welche Bilder dunkler Objecte empfangen, von dem herrschenden Lichte schwach beleuchtet werden, und zwar desto st\u00e4rker, je n\u00e4her sie den Bildern der hellen Fl\u00e4chen liegen. Ausserdem besteht im Bereich des dunkeln Bildes die innere Reizung der Nervenmasse, das weissliche Eigenlicht der Netzhaut. Dieses allein genommen w\u00fcrde im Contrast zur herrschenden Farbe dieser complement\u00e4r erscheinen. Kommt aber viel der inducirenden Farbe gleichnamiges Licht hinzu, so wird dies von Anfang an den \u00fcberwiegenden Eindruck machen, daher denn, wie oben bemerkt, schwarze Scheibchen vor farbigen Gl\u00e4sern bei geringerer Helligkeit complement\u00e4r, bei gr\u00f6sserer gleichfarbig erscheinen.\nDer zweite Fall, wo die inducirte Farbe der inducirenden gleichartig ist, bei langer Fixation n\u00e4mlich, erkl\u00e4rt sich aus dem, was im vorigen Paragraphen \u00fcber das allm\u00e4lige Erl\u00f6schen der Bilder durch lange Fixation beigebracht worden ist. Es ist schon dort bemerkt worden, dass wenn eine Stelle der Netzhaut lange Zeit hindurch von demselben Lichteindrucke getroffen wird, die Empfindung der Helligkeit immer schw\u00e4cher und die Farbe immer weniger ges\u00e4ttigt wird. Indessen bemerken wir diese Ver\u00e4nderung des Eindrucks nur, wenn wir Vergleichungen mit dem Eindruck, den dasselbe Licht auf unerm\u00fcdete Netzhaut-steilen macht, anstellen. Wir halten also dabei das Urtheil \u00fcber die Farbe und Helligkeit fest, welches wir uns beim ersten Anblick gebildet haben. In der That w\u00fcrden wir, selbst wenn wir den Wechsel des Eindrucks bei einiger ' Aufmerksamkeit bemerken, ihn bald als subjective Erscheinung erkennen lernen, da er ja in jedem einzelnen Falle immer und immer wiederkehrt, und w\u00fcrden ihn, wie andere \u00e4hnliche subjective Erscheinungen, bald \u00fcbersehen lernen.\nEncvklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\n26","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nZWEIT KR ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 21.\nWenn die fixirte Fl\u00e4che hellere nnd dunklere Theile hat, so verl\u00f6schen diese Unterschiede bei der Abschw\u00e4chung des Eindrucks allm\u00e4lig. Man bezeichne sich auf einer solchen Fl\u00e4che einen Punkt, der als Fixationspunkt dient; \u00fcbrigens \u2022ist cs v ortheilhaft, wenn die Grenzen zwischen hellen und dunkeln Thcilen verwaschen sind, um bei kleinen Schwankungen des Auges nicht zu stark gezeichnete Nachbilder zu geben. Fixirt man scharf und fest, so verl\u00f6schen in 10 bis 20 Secunden oft recht auffallende Lichtunterschiede, und zwar in der Weise, dass anfangs die helleren Theile dunkler werden, und gleichzeitig die dunkleren heller. Auffallend ist dabei auch, dass eine gr\u00f6ssere dunkle Masse sich h\u00e4ufig in einen verwaschenen dunkeln Fleck verwandelt, oder eine helle Masse in einen verwaschenen hellen Fleck, als w\u00e4ren die Objecte mit d\u00fcnnfl\u00fcssigen Farben gemalt, und diese verliefen in einander. Uebrigens ist in dieser Weise der Versuch schwer auszuf\u00fchren, wegen der langen starren Fixation, und sehr anstrengend. Jeder Lidschlag, jede kleine Verr\u00fcckung des Auges stellt das Bild wieder her. Viel bequemer und vollst\u00e4ndiger gelingt er, wenn wir Objecte benutzen, die zur Netzhaut selbst eine feste Lage haben, n\u00e4mlich die Netzhautge-f\u00e4sse. Ich habe im \u00a7. 15 die Methoden auseinandergesetzt, die Netzhautgef\u00e4sse sichtbar zu machen. Das Gemeinsame dieser Methoden besteht darin, dass man den Schatten der Gef\u00e4sse in eine ungew\u00f6hnliche Richtung fallen l\u00e4sst, oder den Kernschatten zu verl\u00e4ngern sucht. Dabei ist aber auch noting, die Richtung des Schatten werfenden Lichts fortdauernd zu ver\u00e4ndern, und man sieht nur diejenigen Gef\u00e4sse, deren Schatten den Ort wechselt. So wie man die Lichtquelle unverr\u00fcckt l\u00e4sst, schwinden die Gef\u00e4ssst\u00e4nnne im Gesichtsfelde in wenigen Secunden, indem sie so hell werden wie das \u00fcbrige Gesichtsfeld. Sie schwinden schneller und vollst\u00e4ndiger, als es Bilder \u00e4usserer Gegenst\u00e4nde thuu, bei denen die Schwierigkeit der Fixation besteht; sie schwinden um so schneller, je schw\u00e4cher die Beleuchtung ist. Am l\u00e4ngsten halten sie sich, wenn man durch eine Linse Sonnenlicht auf die \u00e4ussere Seite der Sclerotika concentrirt, weil hier das Feld am hellsten ist.\nEinfache Ueberlegungen zeigen \u00fcbrigens leicht, dass das Verschwinden der Netzhautgef\u00e4sse ganz dieselben Ursachen hat, wie das Verschwinden aller fest fixirten Bilder, und dass hierbei keineswegs irgend eine besondere Eigenthiimlieh-keit der hinter den Gef\u00e4ssen liegenden Netzhauttheile im Spiel ist. Es ist nicht zul\u00e4ssig anzunehmen, dass diese Stellen etwa mit einer gr\u00f6sseren Erregbarkeit begabt seien, als der Rest der Netzhaut, und deshalb trotz der Beschattung ebenso starke Empfindung h\u00e4tten, wie die anderen. Denn wenn wir den Schatten in ungew\u00f6hnlicher Richtung entwerfen, indem wir einen Theil der Sclera durch die Pupille oder von aussen beleuchten, und zur Lichtquelle f\u00fcr den Augengrund machen, so verhalten sieh die neu beschatteten Theile der Netzhaut genau ebenso, wie die gew\u00f6hnlich beschatteten. Auch auf jenen schwindet das Bild schnell, wenn es seinen Platz nicht wechselt, und die gew\u00f6hnlich beschatteten Theile geben sich keineswegs durch eine dauernd gr\u00f6ssere Helligkeit zu erkennen. Vor\u00fcbergehend blitzen allerdings hell\u00e8 Streifen neben dem Schatten auf, sobald der Schatten eine Zeit lang still gestanden hat, und dann wieder sich zu bewegen beginnt. Aber das geschieht bei seitlicher Be-","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 24.\nCONTRAST AUF GROSSEM FARBIGEM FELDE.\n403\nleuchtung ebenso gut, wie bei der Beleuchtung von vorn. Es zeigt sich dabei also wohl, dass die beschatteten Theile der Netzhaut ausruhen, und wenn wieder Licht auf sie f\u00e4llt, dieses lebhafter empfinden. Aber die Nachwirkung der Ruhe, das negative helle Nachbild des Schattens dauert eben nicht l\u00e4nger als das Nachbild dunkler \u00e4usserer Objecte. Ich glaube deshalb nicht zweifeln zu d\u00fcrfen, dass wir in dem schnellen Verschwinden des Get\u00e4ssschattens eben nichts anderes sehen, als in dem Verschwinden jedes starr angeschauten objectiven Bildes mit massigen Helligkeits-Unterschieden, nur dass in jenem Falle die Schwierigkeiten der Fixation wegfallen.\nWenn nun dauernd eine Stelle der Netzhaut A st\u00e4rker beleuchtet wird als eine andere B, so wird allerdings, weil .1 mehr erm\u00fcdet wird als B, der anf\u00e4ngliche Unterschied der Erregung bis zu einem gewissen Grade vermindert werden, und wir sehen ihn dabei allm\u00e4lig auch f\u00fcr unsere Empfindung ganz und gar verschwinden, sei es nun, dass er wirklich zu klein wird, um wahrgenommen zu werden, oder, was mir wahrscheinlicher d\u00fcnkt, weil'unser Unterscheidungsverm\u00f6gen f\u00fcr anhaltende Nervenerregungen viel unvollkommener ist, als f\u00fcr wechselnde Erregung. Da wir nun aber in diesen F\u00e4llen unsere Beur-theilung der Farbe nach dem ersten Eindruck festhalten, und \u00fcber die allm\u00e4lige Ver\u00e4nderung desselben wegsehen, so scheinen uns bei diesem Versuch die Fl\u00e4chen A und B einander \u00e4hnlicher zu werden, w\u00e4hrend ihre mittlere Helligkeit ungef\u00e4hr constant erscheint. Im Allgemeinen wird die hellere .1 dabei dunkler, die dunklere B aber heller. Eine silbergraue Tapete zum Beispiel mit dunkler grauen Bl\u00e4ttern, an der Kupferstiche h\u00e4ngen, erscheint mir bei l\u00e4ngerem Fixiren wie mit Milch \u00fcbergossen.\nSind im Gesichtsfelde verschiedene Farben, so hat deren Eindruck ebenfalls nur im ersten Augenblicke volle Lebhaftigkeit. Bei anhaltendem Fixiren werden alle Farben immer dunkler und grauer, und daher einander \u00e4hnlicher. Dass sie \u00e4hnlicher werden, bemerken wir, die Ver\u00e4nderung der herrschenden Farbe aber bemerken wir nicht, oder nur ungenau, so lange uns die Vergleichung mit frischen Eindr\u00fccken fehlt, und so halten wir diese meist f\u00fcr unver\u00e4ndert.\nHaben wir also ein weisses Feld auf rothein Grunde- fixirt, und werden die beiden Farben einander immer \u00e4hnlicher, so urtheilen wir, dass das Weiss roth werde. Dazu kommt, dass bei jedem Schwanken des Blicks an der Grenze beider Felder auf dem Weiss ein gr\u00fcnes Nachbild, auf dem Roth das von ges\u00e4ttigtem Roth aufblitzt, und durch den Contrast die Wirkung verst\u00e4rkt.\nDass beide Farben sich einander n\u00e4hern, zeigt sich sehr deutlich, wenn man ein kleines rothes Feld auf breitem weissen Grunde fixirt. Auch dann wird, wie Fe'chner bemerkt hat, das Weiss nach einiger Zeit r\u00f6thlich, und zwar gleich-massig in seiner ganzen Ausdehnung. Ein zweites kleines farbiges Feld, welches weit seitlich liegt, hat keinen Einfluss auf den Gang der Erscheinung. W\u00e4hlt man aber den Fixationspunkt auf der Grenze zweier kleinen verschiedenfarbigen Felder, die auf weissem Grunde liegen, so \u00fcberzieht sich nach Fechner der Grund mit der Mischfarbe beider. Es zeigt sich hierbei also eine besondere Bevorzugung der Farbe, welche der gelbe Fleck empfindet, was wohl seinen Grund darin hat, dass diese am sch\u00e4rfsten und sichersten beurtheilt wird, w\u00e4hrend die Farbenempfindung auf den Seitentheilen der Netzhaut viel unvollkommener ist,\n26 *","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\tZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN. \u00a7. 21.\n* -\nIn den bisher betrachteten F\u00e4llen, wo wir voraussetzten, dass die inducirende Farbe den gr\u00f6ssten Theil des Gesichtsfeldes einnimmt, oder wenigstens durch ihre St\u00e4rke und Lebhaftigkeit die anderen beherrscht, sind die Contrasterscheinungen sehr constant und deutlich, und scheinen weiter von keinen Nebenbedingungen abzuh\u00e4ngen. Anders ist es, wenn das Feld der inducircnden Farbe kleiner ist, so dass daneben an der Grenze des Gesichtsfeldes noch eine hinreichende Anzahl weisser und verschiedener Objecte erscheinen k\u00f6nnen. Dann sind die Contrasterscheinungen durchaus nicht mehr so constant, und h\u00e4ngen von manchen merkw\u00fcrdigen Nebenbedingungen ab, die mir f\u00fcr die Theorie dieser Erscheinungen sehr wichtig zu sein scheinen. Ist ausserhalb des inducirenden und inducirten Feldes das Gesichtsfeld dunkel, so st\u00f6rt dies nicht so sehr. Erst wenn das Dunkel einen sehr grossen Theil des Gesichtsfeldes einnimmt, wenn man z. B. durch eine schwarze R\u00f6hre sieht, scheint das Eigenlicht der Netzhaut eine weisse Beleuchtung -zu vertreten, und die Contrasterscheinungen werden unsicher.\nWenn man ein weisses, graues oder schwarzes Papierschnitzelchen auf ein farbiges Quartblatt oder Octavblatt legt, und diese etwa aus einem Fuss Entfernung betrachtet, sieht man in der Regel, genaue Fixation vorausgesetzt, nichts oder nur zweifelhafte Spuren von der Contrastfarbe. Wenn man aber, wie in dem fr\u00fcher beschriebenen Versuche von Meyer, das farbige Octavblatt mit einem Octavblatt d\u00fcnnen Briefpapiers bedeckt, erscheint auffallender Weise die Contrastfarbe ganz deutlich und constant, trotzdem die Farbengegens\u00e4tze dadurch ausserordentlich abgeschw\u00e4cht werden. Auch hier ist es am vortheil-haftesten, wenn das Schnitzelchen grau ist und ungef\u00e4hr dieselbe Helligkeit wie das farbige Papier besitzt.\nDas farbige Papier, von dem Briefpapier bedeckt, bildet einen sehr schwach gef\u00e4rbten weisslichen Grund. Wo das graue Schnitzelchen unterliegt, ist die objective Farbe des oberen Papiers rein weiss. Jetzt sollte man erwarten, das< wenn man die objectiv weisse Stelle mit einem weissen oder hellgrauen Schnitzelchen bedeckt, welches man oben auf das Briefpapier legt, dieses auch complement;\u00bb!-zum Grunde erscheinen sollte. Aber wunderbarer Weise ist das nicht der Fall; ein solches erscheint in seiner objective!\u00bb Farbe, und ohne Contrast. Ja wenn man sich ein Schnitzelchen ausw\u00e4hlt, welches genau dieselbe Farbe und Helligkeit hat, wie das Briefpapier \u00fcber der grauen Unterlage, dies an die entsprechende Stelle des Briefpapiers hinschiebt, und nun anf\u00e4ngt die Farben beider Stellen genau mit einander zu vergleichen, so schwindet die Coijstrastwirkung auch auf der weissen Stelle des Briefpapiers, wo sie fr\u00fcher bestand, und diese erscheint nun weiss, so lange man das-andere Schnitzelchen zur Vergleichung daneben hat. Ferner schwindet die Contrastfarbe auch, wenn man die Umrisse des unterliegenden grauen Sclmitzelchen auf dem Briefpapier mit schwarzen Strichen nachzeichnet. Es bleibt also die Contrastfarbe nur so lange bestehen, als die beiden Felder durch nichts anderes von einander geschieden sind, als durch ihren Farbenunterschied. Sobald das eine Feld als ein selbst\u00e4ndiger K\u00f6rper oder durch einen bestimmt gezeichneten Umriss abgegrenzt ist, verschwindet die Wirkung oder wird wenigstens sehr viel zweifelhafter.","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 24.\nCONTRAST AUF K\u00dcHNEM FARBIGEM FELDE.\n405\ne\nFig. iSI.\nkleinen Antheilen\nZweitens gelingen die Versuche mit farbigen Schatten, auch wenn ein ver-h\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleiner Theil des Gesichtsfeldes farbig beleuchtet ist, z. B. wenn man auf ein weisses Blatt senkrecht eine farbige Tafel aufsetzt, wodurch nur ein Theil des Papiers farbiges Licht erh\u00e4lt.\nDrittens zeigt folgendes Verfahren von Ragona Scina die Contrastfarbcn sehr sch\u00f6n auch bei massiger Ausdehnung des farbigen Feldes. Es seien ab und ac Fig. 134 zwei weisse Papierfl\u00e4chen, die eine horizontal liegend, die andere senkrecht, und ad eine farbige Glasplatte, welche gegen die beiden Papierfl\u00e4chen um 45\u00b0 geneigt ist; e und f seien zwei schwarze Flecke. Ein Beobachter, welcher von oben bei B her auf den Apparat herniedersieht, erblickt die Fl\u00e4che ab durch das gef\u00e4rbte Glas hindurch, und sieht ac gespiegelt. Das Spiegelbild der Fl\u00e4che ac f\u00e4llt scheinbar mit der Fl\u00e4che ab zusammen, und das Spiegelbild des schwarzen Flecks f liege neben dem Flecke e, etwa in g. Nun ist das Licht, welches farbige Gl\u00e4ser hindurchlassen, gef\u00e4rbt, das was sie reflectiren, besteht tlieils aus rein weissem Licht, welches an der vorderen Fl\u00e4che reflectirt ist, tlieils aus verh\u00e4ltnissm\u00e4s farbigen Lichts, welches an der hinteren Fl\u00e4che, oder mehrmals innerhalb der Platte reflectirt ist. Das reflectirte Licht ist also bei dunkel gei\u00e4rbten Platten fast weiss, wenigstens viel schw\u00e4cher gef\u00e4rbt, als das durchgelassene Licht. Demnach erh\u00e4lt das Auge des Beobachters von dem Spiegelbild g des Fleckes f her nur durchgelassenes, also gef\u00e4rbtes Licht, was von ab kommt, von dem hellen Grunde tlieils durchgelassenes farbiges, tlieils reflectirtes weissliches Licht, und von dem Flecke e her nur reflectirtes weissliches Licht. Obgleich nun dieses letztere Licht nicht ganz weiss ist, sondern immer noch Theile gef\u00e4rbten Lichtes von der Farbe des Glases enth\u00e4lt, erscheint es doch im Contrast gegen die Farbe des Grundes complement\u00e4r gef\u00e4rbt, der Fleck g dagegen nat\u00fcrlich in der ges\u00e4ttigten Farbe des Glases. Ist also z. B. das Glas gr\u00fcn, so erscheint e rosaroth, g gr\u00fcn.\nAuch hier muss man darauf sehen, dass der Unterschied zwischen der Helligkeit, in der e und der Grund erscheint, nicht zu gross wird, und deshalb bei farbigen Gl\u00e4sern, die viel Licht durchlassen, die Fl\u00e4che ab durch ein weisses Papier beschatten. Uebrigens ist die Gontrastfarbe von e deutlicher, wenn der dem Grunde gleichnamig erscheinende Fleck f da ist, als wenn er fehlt. Beide werden hier unter scheinbar gleichen Bedingungen gesehen, und die Vergleichung ihres Aussehens steigert den Gegensatz. Sucht sich nun der Beobachter ein graues Papier aus, welches genau dieselbe Farbe hat, wie ihm der Fleck e ohne Contrast erscheinen w\u00fcrde, und bringt er davon ein Schnitzelchen\n\u00fcber die farbige Glasplatte, so dass es ihm den Fleck e halb verdeckt, so erscheint ein solches Schnitzelchen gar nicht oder nur zweifelhaft complement\u00e4r gef\u00e4rbt, und sobald man die Farbe des Flecks e mit ihm vergleicht, und sie als gleich anerkennt, schwindet auch die Gomplement\u00e4rfarbe von e und verwandelt sich in einfaches Grau. Es ist dies ganz dieselbe Erscheinung wie bei der ersten Methode.","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 24.\nAehnliclie Erscheinungen, die freilich nur sehr kleine durch Contrast gef\u00e4rbte Felder, aber doch eine lebhafte und deutliche Wirkung zeigen, sind folgende. Man nehme eine schwach gef\u00e4rbte etwas dicke Glasplatte etwa von gew\u00f6hnlichem gr\u00fcnlichen Fensterglas, und betrachte in ihr das Spiegelbild einer hellen weissen Fl\u00e4che. Dabei wirft die vordere Fl\u00e4che der Platte rein weisscs Licht zur\u00fcck, die hintere gr\u00fcnliches, weil letzteres der absorhireuden Wirkung des Glases ausgesetzt gewesen ist. Nun bringe man zwischen die Platte und die helle Fl\u00e4che ein schmales schwarzes St\u00e4bchen, welches in zwei Spiegelbildern erscheint, deren eines von der vorderen, eines von der hinteren Fl\u00e4che der Platte reflcctirt wird. Wo das von der vorderen Fl\u00e4che entworfene Spiegelbild gesehen wird, empf\u00e4ngt das Auge des Beobachters noch gr\u00fcnliches Licht von der hinteren Fl\u00e4che, wo das Spiegelbild der hinteren Fl\u00e4che liegt, noch weisses Licht von der vorderen Fl\u00e4che. Der Grund erscheint daher weiss, kaum etwas gr\u00fcnlich, das erstere Spiegelbild gr\u00fcn, das zweite durch Contrast sehr deutlich rosaroth. ' Noch deutlicher wird die Erscheinung, wenn man die hintere Fl\u00e4che eines solchen gef\u00e4rbten Glases mit Spiegelfolie belegt, und die Nachbilder unter so schiefer Incidenz betrachtet, dass beide gleich stark erscheinen.\nAehnlich ist folgender Versuch. Man lege ein farbiges, z. B. gr\u00fcnes, auf ein weisses Papier (besser ein graues-von gleicher Helligkeit). Nahe dem Rande, wo das gr\u00fcne und weisse Feld zusammenstossen, mache man auf jedes von beiden einen kleinen schwarzen Fleck, und setze ein Rhomboeder von Doppel-spath auf diese Stelle. Durch den Krystall sieht man alle Punkte der Unterlage doppelt. In der Mitte erscheint ein gr\u00fcnweisser Streifen, wo sich das ordentliche Bild des Weiss mit dem ausserordentlichen des Gr\u00fcn deckt. Man muss die Anordnung so treffen, dass in diesem Streifen je eines der Bilder der beiden schwarzen Flecke erscheint, In dein ordentlichen Bilde des auf dem Weiss befindlichen schwarzen Flecks fehlt Weiss, ist aber Gr\u00fcn vorhanden, der Fleck ist gr\u00fcn. In dem ausserordentlichen Bilde des auf dem Gr\u00fcn befindlichen schwarzen Flecks fehlt Gr\u00fcn, ist aber Weiss vorhanden; durch Contrast erscheint er lebhaft rosenr\u00f6th.\nIn den zuletzt beschriebenen Versuchen h\u00e4ngt die Contrastwirkung nicht mehr allein ab von einer bestimmten Vertheilung der Farben im Gesichtsfelde. Wir haben gesehen, dass diese hei zwei verschiedenen leichten Ab\u00e4nderungen desselben Versuchs genau gleich sein kann, und doch in dem einen Falle die Contrastwirkung eintritt, im anderen nicht. Sobald das contrastirende Feld als ein selbst\u00e4ndiger K\u00f6rper anerkannt wurde, der \u00fcber dem farbigen Grunde lag, oder auch nur durch eine hinreichende Bezeichnung seiner Grenzen als ein gesondertes Feld gen\u00fcgend abgetheilt war. fiel der Contrast fort, Da also das Urtheil \u00fcber die r\u00e4umliche Lage, \u00fcber die k\u00f6rperliche Selbst\u00e4ndigkeit des betreffenden Objects entscheidend f\u00fcr die Bestimmung der Farbe ist, so folgt, dass die Contrastfarbe hier nicht durch einen Act der Empfindung, sondern durch einen Act des Urtheils entsteht. Die Art dieser Urtheilsacte, durch welche wir zur Wahrnehmung von Objecten mit bestimmten Eigenschaften gelangen, wird in der dritten Abtheilung genauer beschrieben werden. Da die bezeichneten Urtheilsacte immer unbewusst und unwillldihrlich vollzogen werden so ist es","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 U.\nCONTRAST AUF KLEINEM FARBIGEM FEI,DE.\n407\nnat\u00fcrlich oft schwer, auszumitteln, auf welcher Verkettung von Eindr\u00fccken das endliche Resultat beruht, und es liegt in der Natur der Sache, dass sehr verschiedenartige Umst\u00e4nde von Einfluss sein k\u00f6nnen. Ich will versuchen hier dergleichen Umst\u00e4nde zu bezeichnen, so weit ich bei der Neuheit des Gegenstandes sie aufzuftnden weiss.\nDie bisher beschriebenen Versuche haben etwas Gemeinsames, welches den Eintritt der Contrastwirkung sehr zu unterst\u00fctzen scheint, obgleich auch ohne diesen Umstand Contrast zu Stande kommen kann. In allen diesen F\u00e4llen scheint n\u00e4mlich eine farbige Beleuchtung oder eine farbige durchsichtige Decke \u00fcber das Feld ausgebreitet zu sein, und die Anschauung ergiebt nicht unmittelbar, dass sie auf der weissen Stelle fehlt, so dass hier nicht blos einfach an Stelle des Weiss die Complement\u00e4rfarbe des Grundes gesetzt wird, dass man vielmehr an die Stelle des Weiss zwei neue Farben setzt, die Farbe des Grundes und deren Complement. Am klarsten ist das Verh\u00e4ltniss bei der in Fig. 151 dargestellten Anordnung, wo man durch das unter 45\u00b0 geneigte gr\u00fcne Glas sieht. Man urtheilt, dass der schwarze Fleck des unteren horizontalen Blattes rosen-roth sei, aber man urtheilt auch, dass man diesen Fleck wie das ganze Blatt mit seiner rosenrotheu Farbe durch das gr\u00fcne Glas sehe, und dass die gr\u00fcne Farbe, welche das Glas giebt, sich ununterbrochen \u00fcber die ganze unterliegende Fl\u00e4che erstreckt, auch \u00fcber den dunkeln Fleck. Man glaubt also an dieser Stelle gleichzeitig zwei Farben zu sehen, n\u00e4mlich das Gr\u00fcn, welches man der Glasplatte zuschreibt, und das Rosenroth, welches man dem dahinter liegenden Papier zuschreibt, und beide zusammen geben in der That die wahre Farbe dieser Stelle, n\u00e4mlich Weiss. In der That m\u00fcsste ein Object, welches, durch ein gr\u00fcnes Glas gesehen, weisses Licht in das Auge sendet, wie dieser Fleck, rosenroth sein. Bringen wir aber ein genau ebenso aussehendes weisses Object oberhalb der Glasplatte an, so f\u00e4llt jeder Grund weg, die Farbe des Objects in zwei zu zerlegen, es erscheint uns weiss.\nEbenso wenn farbige Fl\u00e4chen mit durchscheinendem Papier bedeckt sind. Ist die Unterlage gr\u00fcn, so erscheint das Papier selbst gr\u00fcnlich gef\u00e4rbt. Geht nun die Substanz des Papiers ohne sichtbare Unterbrechung \u00fcber das untergelegte Grau hin, so glaubt man ein Object durch das gr\u00fcnliche Papier hindurchschimmern zu sehen, und ein solches Object muss wiederum rosenroth sein, um weisses Licht zu geben. Ist aber die weisse Stelle als selbst\u00e4ndiges Object abgegrenzt, fehlt die Continuit\u00e4t mit dem gr\u00fcnlichen Theil der Fl\u00e4che, so betrachtet man sie als ein weisses Object, welches auf dieser Fl\u00e4che liegt. Ich habe schon oben im \u00a7. 20 erw\u00e4hnt, dass eine solche Trennung zweier Farben, die in demselben Thcilc des Gesichtsfeldes vorhanden sind, durch das Urtheil vorkomme. Wir lernten diesen Umstand dort als ein Hinderniss f\u00fcr das ungest\u00f6rte Zustandekommen der Empfindung einer Mischfarbe kennen. Eine solche Trennung tritt sehr h\u00e4ufig ein, sobald die beiden Farben uugleichm\u00e4ssig verbreitet sind. Man glaubt dann, wie Volkmann x, der diese Erscheinungen zuerst erw\u00e4hnt hat, es beschreibt, die eine Farbe durch die andere hin zu\n1 Muller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. 1838. S. 373.","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 24.\nsehen. Die F\u00e4higkeit, eine solche Trennung auszuf\u00fchren, scheint mir auf folgendem Umstande zu beruhen. Ihre wichtigste Bedeutung haben die Farben f\u00fcr uns, insofern sie Eigenschaften der K\u00f6rper sind, und als Erkennungszeichen der K\u00f6rper benntzt werden k\u00f6nnen. Wir gehen deshalb bei unseren Beobachtungen mit dem Gesichtssinne stets darauf aus, uns ein Urtheil \u00fcber die K\u00f6rperfarben zu bilden, und dabei die Verschiedenheiten der Beleuchtung, unter der sich ein K\u00f6rper uns darbietet, zu eliminiren. Ich habe in \u00a7. 20 schon erw\u00e4hnt, dass Wir in diesem Sinne deutlich unterscheiden zwischen einem weissen Blatte in schwacher Beleuchtung und einem grauen Blatte in starker Beleuchtung, daher wir eine gewisse Schwierigkeit linden, uns davon zu \u00fcberzeugen, dass hell beleuchtetes Grau gleich sei schwach beleuchtetem Weiss. Wir m\u00fcssen k\u00fcnstlich das starke Licht genau auf das graue Feld beschr\u00e4nken, so dass wir aus dem Sinneneindruck nicht entnehmen k\u00f6nnen, das Grau sei st\u00e4rker beleuchtet als der Rest des Gesichtsfeldes. Erst dann erkennen wir seine Identit\u00e4t mit Weiss. So wie wir nun gew\u00f6hnt und ge\u00fcbt sind, uns ein Urtheil \u00fcber K\u00f6rperfarben zu bilden mit Elimination der verschiedenen Helligkeit der Beleuchtung, unter der wir sie sehen, so eliminiren wir auch die Farbe der Beleuchtung. Wir haben hinreichende Gelegenheit, dieselben K\u00f6rperfarben zu untersuchen bei vollem Sonnenschein, bei dem blauen Lieht des klaren Himmels, bei dem schwachen weissen Licht des bedeckten Himmels, bei dem rothgelben Lieht der sinkenden Sonne, und bei dem rothgelben Licht der Kerzen. Dazu kommen noch die farbigen Reflexe der umgebenden K\u00f6rper. In einem Laubwalde ist die Beleuchtung \u00fcberwiegend gr\u00fcn, in Zimmern mit farbigen W\u00e4nden den W\u00e4nden gleichfarbig. Dieser letzteren Armierungen der Beleuchtung werden wir uns nicht einmal deutlich bewusst, und doch kann man sie mittels der farbigen Schatten oft genug naehweisen. Indem wir die gleichen farbigen Gegenst\u00e4nde unter diesen verschiedenen Beleuchtungen sehen, lernen wir uns trotz der Verschiedenheit der Beleuchtung eine richtige Vorstellung von den K\u00f6rperfarben zu bilden, d. li. zu beurtheilen, wie ein solcher K\u00f6rper in weisser Beleuchtung aussehen w\u00fcrde, und weil uns nur die constant bleibende K\u00f6rperfarbe iuteressirt, werden wir uns der einzelnen Empfindungen, auf denen unser Urtheil beruht, gar nicht bewusst.\nSo sind wir denn auch nicht in Verlegenheit, wenn wir einen K\u00f6rper durch eine farbige Decke hindurch sehen, zu scheiden, was der Farbe der Decke und was dem. K\u00f6rper angeh\u00f6rt. Dass wir in den beschriebenen Versuchen dasselbe thun, auch da, wo die Decke \u00fcber dem K\u00f6rper gar nicht farbig ist, verursacht, oder bef\u00f6rdert wenigstens die T\u00e4uschung, in die wir verfallen, und verm\u00f6ge deren wir dem K\u00f6rper eine falsche Farbe, die Complement\u00e4rfarbc des farbigen Theils der Decke zuschreiben.\nW\u00e4hrend wir aber ge\u00fcbt sind, in einer einfarbigen Beleuchtung die K\u00f6rperfarben richtig zu erkennen, reicht unsere Uebung doch nicht zu, dasselbe zu thun, wenn zwei verschiedenfarbige- Beleuchtungen von zwei verschiedenen Seiten und von eng begrenzten und scharfe Schatten werfenden Lichtquellen kommen. Denn in den meisten der oben aufgez\u00e4hlten F\u00e4lle farbiger Beleuchtung sind die farbigen Fl\u00e4chen sehr breit, und das farbige Licht ist deshalb ziemlich gleichnnissig \u00fcber alle Seiten der betrachteten Objecte verbreitet. Wir gew\u00f6hnen","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 24,\nCONTRAST AUF KLEINEM FARBIGEM FELDE.\n409\nuns deshalb, von allen farbigen Fl\u00e4chen ohne Unterschied, so weit sie im Bereich der farbigen Beleuchtung sind, die Farbe der Beleuchtung abzuziehen, uni die K\u00f6rperfarbe zu linden. Dasselbe thun wir nun bei den farbigen Schatten, wo zwei farbige Beleuchtungen sich verbinden. Kommen Kerzenlicht und Tageslicht zwaramen, so ist die Beleuchtung des Grundes weisslich rothgelb. Dieses Roth-gelb der Beleuchtung subtrahiren wir nun auch von der Farbe des Schattens, zu dem gar kein Kerzenlicht gelangt, und halten dieses f\u00fcr blau, w\u00e4hrend er weiss ist. Wie in der That sich die Anschauung bildet, dass die farbige Beleuchtung sich bei solchen farbigen Schatten und in der durchscheinenden Papierdecke auch \u00fcber den objectiv weissen Fleck hinziehe, zeigt sich namentlich, wenn kleine Unregelm\u00e4ssigkeiten des Papiers die Beleuchtung fleckig machen ; dann glaubt der Beobachter diese Fleckchen in der farbigen Beleuchtung zu sehen, die hier gar nicht existirt.\nWeitere Beispiele, die sehr geeignet sind, unsere F\u00e4higkeit zu zeigen, zwei Farben hinter einander gelegener Objecte von einander zu trennen, lasse ich hier noch folgen. Das erste schliesst sich an Volkmann\u2019s schon erw\u00e4hnte Versuche an, der zwei farbige schmale Papierstreifen vor das Auge hielt, einen ganz nahe, den anderen in der Entfernung des deutlichen Sehens, und dabei bemerkte, dass er, statt die Mischfarbe zu sehen, die eine Farbe durch die andere hin sah. Man bringe einen gr\u00fcnen Schleier dicht vor die Augen, und lasse ihn hinreichend stark beleuchten, dass sich das ganze Gesichtsfeld mit einem gr\u00fcnen Scheine f\u00fcllt, w\u00e4hrend das Muster und die Falten des Schleiers nur in einem sehr verwaschenen Zerstreuungsbilde erscheinen. Man wird ohne Schwierigkeit die Farben der dadurch gesehenen Gegenst\u00e4nde richtig erkennen, obgleich auf der Netzhaut sich zu allen Farben noch das gr\u00fcne Licht des Schleiers mischt. Ja noch auffallender wird es, wenn nach einiger Zeit Erm\u00fcdung des Auges f\u00fcr das griine Licht eintritt, dann f\u00e4rben sich n\u00e4mlich die durch den Schleier gesehenen Gegenst\u00e4nde sogar rosenroth, trotz der Zumischung des gr\u00fcnen Lichts zu ihrem Netzhautbilde. Am besten zeigt sich dies, wenn wir nur mit dem rechten Auge durch den gr\u00fcnen Schleier sehen und das linke schliessen. Nach kurzer Zeit sieht ein weisses Papier, durch den Schleier gesehen, nicht nur weiss, sondern sogar r\u00f6thlich weiss aus. Wenn wir nun das rechte Auge schliessen, das linke unbedeckte \u00f6ffnen, so erscheint das Papier im Gegensatz dazu jetzt diesem Auge gr\u00fcn. Abwechselnd das rechte und linke Auge \u00f6ffnend, sehen wir dann mit jenem, wo das Netzhautbild des Papieres gr\u00fcnlich-weiss ist, das Papier r\u00f6thlich, mit diesem, wo das Netzhautbild weiss ist, umgekehrt das Papier gr\u00fcnlich.\nDerselbe Erfolg tritt bei dem von Smith 1 in Fochabers angegebenen und dann von Br\u00fccke 2 ver\u00e4nderten und theoretisch erkl\u00e4rten Versuche ein. Wenn man nahe neben dem rechten Auge eine hell brennende Flamme anbringt, oder die Sonne von rechts her das Auge bescheinen l\u00e4sst, aber so, dass kein Licht direct in die Pupille eindringt, w\u00e4hrend das linke Auge beschattet wird,\n1\tEdinb. Journ. of Science. V. 52. Pogg. Ann. XXVII. 494.\n2\tDenkschr. der k. k. Akad. zu Wien. III. Bd. Pogg. Ann. LXXXIV. 418.","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 24.\nso erscheinen dem rechten Auge weisse Gegenst\u00e4nde gr\u00fcnlich, dem linken r\u00f6thlich gef\u00e4rbt. Man sieht dies deutlich, wenn man hinter einander bald das rechte, bald das linke Auge \u00f6ffnet, oder wenn man mit beiden Augen ein weisses Blatt Papier fixirt, und in die Mitte zwischen Auge und Papier ein schwarzes verticales St\u00e4bchen h\u00e4lt, welches man dann in zwei Bildern, eines dem rechjpi, das andere dem linken Auge angeh\u00f6rig, auf dem Papiere projicirt sieht. Auch dann ist das links erscheinende Bild, wo das linke Auge die Papierfl\u00e4che sieht, aber nicht das rechte, roth, das andere gr\u00fcn. Fixirt man dagegen eine schwarze Tafel und h\u00e4lt in einiger Entfernung davor ein weisses Object, welches im Doppelbilde erscheint, so ist das rechte Bild roth, welches jetzt das vom linken Auge gesehene ist, das linke gr\u00fcn. Dem seitlich beleuchteten Auge also erscheint Weiss gr\u00fcnlicher als dem nicht beleuchteten Auge. Nun dringt unter diesen Umst\u00e4nden Licht durch die Sclera und die Augenlider in das beleuchtete Auge, und dieses Licht ist roth, wie wir aus fr\u00fcheren Versuchen 1 schon wissen. L\u00e4sst man Sonnenlicht seitlich auf das Auge scheinen, so erkennt man auch die rothe Farbe auf dunkeln Objecten. Betrachtet man z. B. eine Druckschrift, so erscheinen die schwarzen Buchstaben sch\u00f6n roth, das weisse Papier gr\u00fcn. Dies rothe seitlich eingedrungene Licht zerstreut sich \u00fcber den gr\u00f6ssten Theil des Augengrundes, und die Netzhautstellen des beleuchteten Auges, welche das Bild eines weissen Objects aufnehmen, werden also gleichzeitig von weissem und rothem Lichte beleuchtet, empfinden aber gr\u00fcnlich weiss. Die gr\u00fcnliche F\u00e4rbung wird bei l\u00e4ngerer Fortsetzung des Versuchs immer deutlicher, weil sie von der Erm\u00fcdung des Auges f\u00fcr Roth abh\u00e4ngt. Aber sie kann bei de*' \u00fcberwiegend rothen Beleuchtung der Netzhaut nur dadurch zu Stande kommen, dass die schon vorher bestehende und ausgebreitete Erleuchtung des Grundes getrennt wird von dem hinzukommenden Lichte der Objecte, und das letztere gr\u00fcnlich erscheint, weil das Auge f\u00fcr roth erm\u00fcdet ist. Im Gegensatz hierzu erscheint nun im unver\u00e4nderten Auge das reine Weiss r\u00f6thlich.\nMan betrachte ferner die Spiegelbilder der Tapeten und der Decke eines Zimmers in der gut polirten Oberfl\u00e4che einer Mahagony- Tischplatte. Acconnnodirt man das Auge f\u00fcr die gespiegelten Gegenst\u00e4nde, so erscheinen diese entweder in nat\u00fcrlicher Farbe, oder auch oft etwas bl\u00e4ulich, complement\u00e4r zur Farbe der Platte. Acconnnodirt man das Auge dagegen f\u00fcr die Platte, so sieht man, dass die Summe des Lichtes, was von ihr herkommt, ganz \u00fcberwiegend rothgelb ist. Die complement\u00e4re F\u00e4rbung der Spiegelbilder tritt hier, wie ich finde, namentlich dann ein, wenn das gespiegelte Licht der Objecte verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig schwach gegen die Beleuchtung der Platte ist. Wenn dagegen bei sehr schr\u00e4gem Einfall die St\u00e4rke des gespiegelten Lichts sehr zunimmt, die Holzmaserung dagegen verschwindet, so erscheinen die Spiegelbilder oft im Gegentheil r\u00f6thlich, indem man dann die Trennung zu vollziehen keine Veranlassung mehr hat.\nObgleich solche Umst\u00e4nde, welche uns veranlassen eine Trennung des weissen Lichts in zwei Portionen zu vollziehen, den Eintritt des Contrasts sehr beg\u00fcnstigen, sind sie doch nicht nothwendig. Es treten n\u00e4mlich \u00e4hnliche Contrast-\nS. oben S. 156.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 24.\tCONTRAST AUF KLEINEM FARBIGEM FELDE.\t411\nerscheinungen auch auf in anderen F\u00e4llen, wo ein schwacher Unterschied der Farbe allein das inducirte Feld von dem inducirenden scheidet. Sehr sch\u00f6n sieht man sie auf dem Farbenkreisel, wenn man in einer Scheibe wie Fig. 1S2 schmale farbige Sectoren auf weissen Grund setzt, sie aber in mittlerer Entfernung vom Mittelpunkte durch einen aus Schwarz und Weiss zusammengesetzten Streifen unterbricht, so dass beim Umdrehen eigentlich ein grauer ringf\u00f6rmiger Streifen auf schwach gef\u00e4rbtem weisslichen Grunde entstehen sollte. In der That sieht dieser Ring aber nicht grau, sondern complemen-t\u00e4r gef\u00e4rbt aus, und zwar am intensivsten, wenn er gleiche oder etwas geringere Helligkeit als der Grund hat. Ist die Breite der farbigen Sectoren gross, und dadurch die Farbe des Grundes zu intensiv, so ist die Complement\u00e4rfarbe des Ringes schw\u00e4cher, oder wenigstens zweifelhafter als bei schwacher F\u00e4rbung des Grundes, ebenso wenn man den grauen Ring mit zwei schmalen schwarzen Kreislinien einfasst, die ihn scharf vom Grunde abgrenzen. Es fehlt in den letzteren F\u00e4llen die Contrastf\u00e4rbung vielleicht nicht ganz, aber sie ist mit einer erheblichen Unsicherheit des Urtheils \u00fcber die Farbe des inducirten Feldes verbunden, und durch Vergleichung mit einem neben dem Farbenkreisel befindlichen weissen Felde kann man leicht zu dem Resultate gelangen, dass das inducirte Feld wirklich weiss sei, w\u00e4hrend ohne die Kreislinien die complement\u00e4re Contrastfarbe sich mit zweifelloser Bestimmtheit der Wahrnehmung aufdr\u00e4ngt. Gar nichts von der Contrastfarbe sieht man dagegen an einem weissen Papierschnitzelchen, welches man mit einer Pincette \u00fcber die gr\u00fcnliche Scheibe hinf\u00fchrt, selbst, wenn es durch keinen Schlagschatten von dem gr\u00fcnlichen Felde abgehoben wird, und wenn man es s'o gegen das Licht wendet, dass seine Helligkeit genau gleich der des grauen Reifes wird, so erscheint auch dieser in der N\u00e4he des Papierschnitzelchens pl\u00f6tzlich weiss, wie dieses, w\u00e4hrend die entfernteren Theile des Ringes meist gef\u00e4rbt bleiben. Ist der graue Reif von schwarzen Linien eingefasst, so erkennt man bei diesem Versuche seine Farbe als reines Grau in seiner ganzen Ausdehnung. Man kann in diesem Falle nicht sagen, dass man die eine Farbe durch die andere hindurchs\u00e4he. Aber man geht bei der Beurtheilung der Farbe des Ringes von der Farbe des Grundes aus, und fasst die Farbe des Ringes als eine Abweichung von der Farbe des Grundes auf. Wenn die beiden Farben zwei verschiedenen K\u00f6rpern angeh\u00f6ren, ist kein Grund vorhanden, sie zu einander in Beziehung zu setzen. Man sucht vielmehr eine jede K\u00f6rperfarbe unabh\u00e4ngig von jeder zuf\u00e4lligen Nebeneinanderstellung zu bestimmen. Wenn aber eine continuirliche ebene Fl\u00e4che, die \u00fcberall dieselbe Structur und dasselbe Material zeigt, an verschiedenen Stellen verschiedene Farben zeigt, die einzigen Unterschiede dieser Stellen also in der F\u00e4rbung bestehen, so m\u00fcssen nothwendig in unserem Urtheil","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 24.\ndiese verschiedenen Farben als solche zu einander in Beziehung gesetzt und ' mit einander verglichen werden. Der Erfolg dieser Vergleichung ist nun, wie es der Versuch lehrt, der, dass der Unterschied der verglichenen Farben als zu gross erscheint, sei es nun, dass dieser Unterschied, wenn er der einzig bestehende ist, und allein die Aufmerksamkeit auf sich zieht, einen st\u00e4rkeren Eindruck macht, als wenn er einer unter mehreren ist, und deshalb im ersteren Falle unwillk\u00fchrlich fiir gr\u00f6sser gehalten wird als im zweiten, sei es, dass auch in diesem Falle die verschiedenen Farben der Fl\u00e4che als Ab\u00e4nderungen der einen Grundfarbe der Fl\u00e4che aufgefasst werden, wie sie durch darauf fallende Schatten, farbige Reflexe,, oder durch Tr\u00e4nkung mit farbigen Fl\u00fcssigkeiten, Best\u00e4ubung mit farbigen Pulvern entstehen k\u00f6nnten. In der That w\u00fcrde, um auf einer gr\u00fcnlichen Fl\u00e4che einen objectiv weissgrauen Fleck zu erzeugen, ein r\u00f6thlicher Farbstoff noting sein.\nEs spricht sich \u00fcbrigens in den schwankenden Resultaten dieser Versuche deutlich aus, wie schwer es uns ist, Helligkeit und Farbe zweier Fl\u00e4chen, die nicht unmittelbar und ohne Grenzlinie an einander stossen, genau mit einander zu vergleichen. Schon bei den photometrischen Methoden haben wir er\u00f6rtert, dass die Vergleichung nur dann genau und sicher geschieht, wenn die Grenze zwischen den zu vergleichenden Feldern in keiner anderen Weise bezeichnet ist, als durch den Unterschied der Farbe oder Beleuchtung. Je weiter sie von einander abstehen, desto ungenauer wird die Vergleichung, so dass in einem solchen Falle dem Einfluss von Nebenumst\u00e4nden auf unsere Bcurtheilung der Helligkeit oder Farbe ein ziemlich breiter Spielraum gelassen ist. Bei den beschriebenen Versuchen ist der Unterschied zwischen der inducirten und der inducirenden Fl\u00e4che unter den' g\u00fcnstigsten Bedingungen herausgestellt, die in-ducirte Fl\u00e4che aber mit anderen seitlich im Gesichtsfelde liegenden Fl\u00e4chen nur sehr unvollkommen zu vergleichen.\nEs zeigt sich dies noch deutlicher bei den nun zu beschreibenden Versuchen, wo die inducirte Fl\u00e4che an entgegengesetzten Seiten mit zwei verschiedenen Farben in Ber\u00fchrung tritt. Dann wird jene an den entsprechenden R\u00e4ndern complement\u00e4r gef\u00e4rbt, oder wenn die inducirte Fl\u00e4che mit einem Rande an eine dunklere, mit dem anderen an eine hellere Fl\u00e4che st\u00f6sst, erscheint der erstere Rand heller, der letztere dunkler. Diese Contrasterscheinungen sind aber ebenfalls nur dann deutlich, wenn das inducirende vom inducirten Felde eben Hindurch den Unterschied der Farbe oder der Helligkeit geschieden ist, und keine andere Begrenzung existirt.\nMan kann die Versuche leicht mit der transparenten Papierdecke ausf\u00fchren. Man klebe ein Blatt gr\u00fcnen und rosenrothen Papiers zusammen, so dass man ein Blatt erh\u00e4lt, welches zur H\u00e4lfte gr\u00fcn, zur H\u00e4lfte rosenroth ist. Am Orte der Grenzlinie zwischen beiden Farben befestige man ein Streifchen grauen Papiers, und lege \u00fcber das ganze ein ebenso grosses Blatt d\u00fcnnen Briefpapiers.\nEs wird nun der graue Streifen, wo er an das Gr\u00fcn st\u00f6sst, rosenroth, und wo er an Roth st\u00f6sst, gr\u00fcn erscheinen, in seiner Mitte gehen die beiden Farben in einander \u00fcber durch einen unbestimmten Farbenton, der wohl eigentlich Grau ist, aber doch nicht bestimmt von uns als solches anerkannt werden k\u00f6nnte. Die Er-","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 24.\nZWEI INDUCIRENDE FARBEN.\n413\nscheinung ist viel lebhafter, wenn die L\u00e4ngsrichtung des grauen Streifen quer zur Trennungslinie der Farben steht. Dann kann der Tlieil des Grau, welcher in das Gr\u00fcn hineinragt, ebenso lebhaft rosenroth erscheinen, wie der rosenrothe Grund der anderen Seite. Schw\u00e4cher, aber doch deutlich erkennbar ist die Contrastfarbe, wenn die mittlere L\u00e4ngslinie des grauen Streifen gerade auf der Trennungslinie der Farben liegt. Dann erscheinen die Seitenr\u00e4nder des Grau mit einem schmalen nach der Mitte hin verwaschenen Saume der Complement\u00e4rfarbe gef\u00e4rbt.\nAehnliche Wirkungen erh\u00e4lt man, wenn man d\u00fcnne Papierbl\u00e4tter treppenf\u00f6rmig \u00fcber einander legt, so dass an dem einen Rande der Papierschicht nur ein Blatt hervorsieht, daran ein Streifen st\u00f6sst, wo sich zwei decken, dann drei u. s. w. L\u00e4sst man Licht durch eine solche Lage von Bl\u00e4ttern scheinen, so ist nat\u00fcrlich innerhalb jeder Stufe die objective Helligkeit constant, doch erscheint jede Stufe dunkler an dem Rande, wo sie an die n\u00e4chst hellere anst\u00f6sst, und heller, wo sie an die n\u00e4chst dunklere st\u00f6sst.\nViel sch\u00f6ner und feiner abgestuft lassen sich aber alle diese Erscheinungen auf dem Farbenkreisel hervorbringen. Man gebe den Sectoren des Farbenkreisels die nebenstehende Form der Fig. 1S5, und mache sie weiss.und schwarz, so erscheinen beim Umdrehen mehrere con-centrische Ringe, von denen die \u00e4usseren immer heller sind, als die nachstliegenden inneren. Innerhalb eines jeden solchen Ringes ist die Winkelbreite der schwarzen Fl\u00e4chenst\u00fccke constant, also auch die Helligkeit bei schnellem Umdrehen; nur von einem zum anderen Ringe wechselt die Helligkeit, Und doch erscheint jeder Ring nach innen zu, wo sich der n\u00e4chst dunklere anschliesst, heller, nach aussen zu, wo sich der n\u00e4chst hellere anschliesst, dunkler. Sind, die Helligkeitsunterschiede der Ringe sehr klein, so sieht man zuweilen kaum, dass die inneren Ringe dunkler als die \u00e4usseren sind, es f\u00e4llt vielmehr nur der periodische Wechsel von Hell zu Dunkel an den R\u00e4ndern der Ringe in die Augen.\nNimmt man statt Weiss und Schwarz verschiedene Farben, so erscheint jeder Ring am \u00e4usseren und inneren Rande verschieden gef\u00e4rbt, w\u00e4hrend doch objectiv die Farbe jedes einzelnen Ringes in seiner ganzen Breite dieselbe ist. Jede einzelne von den gemischten Farben tritt an demjenigen Rande jedes Ringes, st\u00e4rker hervor, wo ein anderer Ring anst\u00f6sst, der weniger von dieser Farbe enth\u00e4lt. Hat man also z. B. Blau und Gelb gemischt, und \u00fcberwiegt das Blau in den \u00e4usseren Ringen, Gelb in den inneren, so erscheint jeder Ring am \u00e4usseren Rande gelb, am inneren blau, und wenn die Farbenunterschiede der einzelnen Ringe \u00fcberhaupt sehr gering sind, kann auch hier wieder die T\u00e4uschung eintreten, dass die wirklich vorhandenen Unterschiede der Farbe der verschiedenen Ringe verschwinden, und die abwechselnd blaue und gelbe' Contrastf\u00e4rbung der R\u00e4nder auf einen gleichm\u00e4ssig gef\u00e4rbten Grund aufgetragen zu sein scheint.","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 24.\nSein- bezeichnend ist es auch, dass in diesen F\u00e4llen gew\u00f6hnlich die Mischfarbe nicht zur Anschauung kommt, man vielmehr die beiden gemischten Farben getrennt neben und durch einander zu sehen glaubt.\nDiese so auffallenden Contrastwirkungen verschwinden aber, wenn man die Grenze'zwischen je zwei Ringen durch feine schwarze- Kreislinien bezeichnet. Dann erscheint jeder Ring, wie er wirklich ist, in seiner ganzen Breite gleich hell und gleich gef\u00e4rbt. Auch hier ist es wieder von entscheidendem Einfl\u00fcsse, dass die verschiedenen Felder Theile einer, von der F\u00e4rbung abgesehen, durchaus continuirlichen und gleichartigen Fl\u00e4che seien. Auch hier haben wir es also nicht mit Ver\u00e4nderungen der Empfindung, sondern der Beurtheilung zu thun. Die Beleuchtungsunterschiede der verschiedenen Theile dieser Fl\u00e4che werden als die einzigen wahrnehmbaren Unterschiede wieder besonders hervorgehoben, und da diejenigen zweier unmittelbar benachbarter Fl\u00e4chenelemente deutlicher und sicherer wahrnehmbar sind, als die von entfernteren, so dr\u00e4ngen sich namentlich die Unterschiede der Beleuchtung l\u00e4ngs der R\u00e4nder je zweier Felder der Wahrnehmung auf, und erscheinen als die am sichersten und deutlichsten wahrnehmbaren gr\u00f6sser als die unsicher wahrnehmbaren zwischen je zwei mittleren Theilen zweier Felder. Da in der Mitte jedes Feldes bei den beschriebenen Versuchen kein pl\u00f6tzlicher Sprung der Beleuchtung existirt, welcher wahrgenominen werden k\u00f6nnte, so muss der Schein entstehen, dass die Farbe des einen Randes durch die Mitte des Feldes allm\u00e4lig in die des anderen \u00fcbergeht, Macht man aber in der Mitte des inducirten Feldes einen schwarzen Strich, oder legt man ein graues Feld, dessen H\u00e4lften ungleich hell und durch eine scharfe Grenzlinie getrennt sind, zwischen zwei farbige, so gehen die com-plement\u00e4ren F\u00e4rbungen von jeder Seite her bis. an diese Grenzlinie vor, und scheiden sich an dieser. Sind die Farbenunterschiede des inducirten und der inducirenden Felder so gross, dass zwischen allen Punkten derselben der Farbenunterschied zweifellos wahrnehmbar ist. so verschwindet die Contrastwirkung, oder wird wenigstens viel zweifelhafter. Findet noch irgend eine andere Abgrenzung des inducirten Feldes statt, so wird der Unterschied seiner F\u00e4rbung von der des inducirenden viel unsicherer wahrgenommen, und der Contrast schwindet ebenfalls, oder wird schw\u00e4cher.\nVon den fr\u00fcheren Beobachtern ist in den theoretischen Erkl\u00e4rungen der Con-trasterseheinungen immer vorausgesetzt worden, dass die Reactionsweise der Nerven, die Empfindung, in den inddeirten Theilen der Netzhaut ver\u00e4ndert sei, dass die Contrasterscheinungen also in gewissem Sinne in das Gebiet der Mitempfindungen geh\u00f6rten, zu welchen viele Forscher auch die Irradiation rechneten. In gewissem Sinne hatte man allerdings Recht von ver\u00e4nderter Empfindung zu sprechen, insofern man bei den Beobachtungen den successiven Contrast nicht genau von dem simultanen getrennt hatte, und also allerdings eine Aenderung der Empfindung durch Nachbilder eintreten konnte. Ich habe hier, so viel ich weiss, die Trennung des successiven und simultanen Contrastes zuerst methodisch f\u00fcr alle F\u00e4lle durchzuf\u00fchren gesucht, und gefunden, dass in den F\u00e4llen, wo die inducirende Farbe nicht durch ihre Ausdehnung und Lichtst\u00e4rke alle anderen \u00fcberwiegt, das Auftreten der Gontrastfarbe von Umst\u00e4nden abh\u00e4ngt, die nur durch die psychischen Th\u00e4tigkeiten, durch welche es zu Gesichtswahrnehmungen kommt, festgestellt","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 24.\nTHEORIE DES CONTRASTES.\n415\nwerden. Wenn dem indueirten Felde k\u00f6rperliche Selbst\u00e4ndigkeit zugeschrieben wird, kommt es unter der genannten Bedingung meist nicht zur Wahrnehmung der Contrastfarbe. Die Art der hierbei vorkommenden T\u00e4uschung des Urtheils habe ich schon oben bezeichnet. Es band dit sich immer um F\u00e4lle, wo eine gewisse Breite des Zweifels \u00fcber die Art der indueirten Farbe besteht, weil ein genauer Vergleich derselben mit Weiss nicht ausf\u00fchrbar ist, und wo deshalb unser Wahrnehmungsverm\u00f6gen durch Nebenumst\u00e4nde veranlasst wird, die betreffende Farbe bald an die eine, bald an die andere Grenze des Intervalls zu verlegen, innerhalb dessen die Unsicherheit besteht. Denjenigen meiner Leser, welche den Einfluss der psychischen Th\u00e4tigkeiten auf unsere Sinneswahrnehmungen noch wenig kennen, wird .es vielleicht unglaublich Vorkommen, dass durch psychische Th\u00e4tigkeit eine Farbe im Gesichtsfelde erscheinen soll, wo keine ist; ich muss diese bitten, ihr Urtheil zu suspendiren, bis sie die Thatsachen des dritten Abschnittes dieses Werkes, der die Sinneswahrnehmungen behandeln wird, kennen gelernt haben, wo sie viele Beispiele \u00e4hnlicher Art finden werden. Es leitet uns der vorliegende Paragraph zur Lehre von den Gesichtswahrnehmungen schon hin\u00fcber. Ich habe ihn in der Lehre von den Empfindungen noch stehen lassen, weil der Contrast bisher immer dort seine Stelle fand, und die gew\u00f6hnlichsten Erscheinungen, die zu ihm geh\u00f6ren, gemischter Natur sind.\nDa die meisten Co nt raster schein imgen von der Breite der Unsicherheit in der Beurtheilung der Intensit\u00e4t und Qualit\u00e4t unserer Gesichtsempfindungen abh\u00e4ngig sind, so muss nothwendig Uebung in der Beurtheilung der Farben einen betr\u00e4chtlichen Einfluss auf das Eintreten des Contrastes haben. So wie ein in der Beurtheilung r\u00e4umlicher Gr\u00f6ssen ge\u00fcbtes Auge sich vor manchen T\u00e4uschungen h\u00fcten wird, in die ein unge\u00fcbtes verf\u00e4llt, wird es auch bei den Farbenbestiminungen geschehen, und ich glaube deshalb, dass ge\u00fcbte Augen den Contrast im Allgemeinen weniger lebhaft sehen werden, als unge\u00fcbte. Meine Versuche wurden mir von Personen, die in optischen Beobachtungen erfahren waren, leicht best\u00e4tigt. Dagegen sind in manchen B\u00fcchern die Contrasterscheinungen so beschrieben, dass ich annehmen muss, sie seien manchen Beobachtern viel leichter sichtbar und viel h\u00e4ufiger als mir.\nW\u00e4hrend nun die Contrasterscheinungen bei begrenztem inducirendem Felde durch die Abh\u00e4ngigkeit der F\u00e4rbung von anderen nur durch Beurtheilung festgestellten Umst\u00e4nden keinen Zweifel \u00fcber ihre Deutung lassen, sind die Contraste bei unbegrenztem inducirendem Felde viel constanter, und w\u00fcrden deshalb eher die Deutung zulassen, dass sie durch Ver\u00e4nderungen der Empfindung selbst hervorgerufen seien. Indessen sind offenbar bei diesen letzteren die Bedingungen noch viel ung\u00fcnstiger als bei den ersten, um die empfundene Farbe des indueirten Feldes sicher bestimmen zu k\u00f6nnen, weil eben die Vergleichung der Farbe dieses Feldes mit anderem Weiss ganz fehlt, oder wenigstens viel beschr\u00e4nkter ist. Ausserdem zeigen die Contraste auf unbegrenztem inducirendem Felde, wenn sie auch constanter auftreten, doch in ihren Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnissen eine vollst\u00e4ndige Analogie mit denen des begrenzten Feldes. Es wird in allen diesen F\u00e4llen die Contrastfarbe in voller Intensit\u00e4t schon durch eine; sehr kleine Intensit\u00e4t der indueirenden Farbe hervorgerufen, und durch Steigerung der letzteren nicht oder wenig verst\u00e4rkt. Dagegen kann sie eine deutliche Verst\u00e4rkung erleiden,-sobald wirklich die Empfindung durch Nachbilder ver\u00e4ndert wird. Sie wird endlich durch das Urtheil in voller Intensit\u00e4t festgehalten, sobald man alle anderen Farben aus dem Gesichtsfelde entfernt. Ich zweifle deshalb nicht, dass auch bei grossem inducirendem Felde die Deutung der Erscheinungen die n\u00e4mliche sein m\u00fcsse, wie bei kleinem, dass auch hier die Contrastfarbe nur durch eine Th\u00e4tigkeit des Urtheils gesetzt","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 24.\nsei, wenn ich auch in diesen F\u00e4llen noch keinen so gen\u00fcgenden Beweis f\u00fcr diese Deutung liefern kann.\nDie Contrasterscheinungen sind dem Leonardo da Vinci grossentheils schon bekannt gewesen. Er sagt, dass unter allen Farben von gleicher Vollkommenheit jene die sch\u00f6nsten sind, welche neben den entgegengesetzten stehen, also Weiss neben Schwarz, Blau neben Gelb, Roth neben Gr\u00fcn L Sp\u00e4ter waren es namentlich die farbigen Schatten, welche von allen anderen Contrasterscheinungen die Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Otto v. Guericke 2 kannte sie, und suchte sie zu benutzen, um den Aristotelischen Satz, dass Weiss und Schwarz gemischt Blau geben k\u00f6nnten, zu beweisen. Aber erst Buffon 3 lenkte die allgemeinere Aufmerksamkeit auf sie; er beobachtete sie indessen nur immer zuf\u00e4llig bei Sonnenaufgang oder Untergang, wo sie bald blau, bald gr\u00fcn waren. Abb\u00e9 Mazeas 4 erzeugte sie durch das Licht des Mondes und einer Kerze. Auch er glaubte die Farben aus einer Verminderung des Lichtes erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen. Dagegen suchten Melville 5 und Bouguer 6 die Erscheinungen aus Newton\u2019s Farbentheorie zu erkl\u00e4ren. Man hielt die Farben f\u00fcr objectiv, weil in der That die blauen Schatten, wenn sie von dem Lichte des blauen Himmels erleuchtet werden, objectiv blau gef\u00e4rbt sind. Dass wirklich das blaue Licht des Himmels in vielen Fallen Grund der blauen Schatten ist, zeigte namentlich Beguelin Rumford 8 scheint zuerst die subjective Natur der Farbe des einen Schattens entdeckt zu haben, indem er ihn durch ein enges Rohr betrachtete; derselben Ansicht schlossen sich \u00a3oethe 9, Grottiiuss 10, Brandes n, Tourtual 12 an. Dagegen stritten noch l\u00e4ngere Zeit andere Beobachter f\u00fcr die objective Natur beider Schattenfarben, so v. Paula Schrank i3, der die Farbe des blauen Schattens der Diffraction zuschrieb, Zschokke I4, Osann 15 und Pohlmann 1c, welcher sich Beguelin\u2019s Ansicht w'ieder anschloss. Dagegen f\u00fchrte namentlich Fechner 17 den Beweis von der subjectiven Natur dieser Erscheinungen, er wies unter anderem auch nach, wie durch eine Th\u00e4tigkeit des Urtheils die einmal hervorgetretene Contrastfarbe festgehalten werden k\u00f6nne, und bereicherte die Zahl der Beobachtungen, doch wagte er noch keine Theorie dieser Erscheinungen aufzustellen. Plateau 18 zog die Contrasterscheinungen mit in seine Theorie der Nachbilder hinein; wie die Netzhaut derZeit nach in entgegengesetzte Gegenst\u00e4nde \u00fcberginge, sollte sie es auch der Fl\u00e4che nach tliun, so dass zun\u00e4chst um die erregte Stelle die gleiche Phase stattfinde, welche sich in den Irradiationserscheinungen kund gebe, und in weiterer Entfernung die entgegengesetzte, welche den Contrast hervorrufe.\nDie Ansicht, dass die Contrasterscheinungen sich durch Nachbilder erkl\u00e4rten, wurde schon von Jurin 19 vorgetragen, sp\u00e4ter von Brandes. Sie war f\u00fcr einen Theil der Erscheinungen richtig, aber nicht f\u00fcr alle, und Fechner namentlich zeigte, dass auch ohne vorhergehende Erm\u00fcdung der betreffenden Netzhautstelle Contrastfarben entstehen k\u00f6nnten.\n1\tTrattato della pittura. Cap. CG. \u2014 Farbige Schatten in Cap. CLVI. und CCGXXVIII.\n2\tExper. Magdeb. p. 142.\n3\tM\u00e9m. de l\u2019Acad. de Paris. 1743. p. 217.\n4\tAbh. der Akad. zu Berlin 1752. s Edinb. Essays. Vol. II. p. 75.\n6\tTrait\u00e9 d\u2019Optique, p. 368.\n7\tM\u00e9m. de l\u2019Acad. de Berlin. 1767. p. 27.\n8\tPhilos. Transact. LXXXIV. 107; Gren\u2019s neues Journal der Physik. II. 58.\n9\tFarbenlehre. S. 27.\n10\tSchweigger\u2019s Beitr\u00e4ge zur Chemie und, Physik. III. 14.\n11\tGehler\u2019s neues W\u00f6rterbuch. Art: Farbe.\n12\tDie Erscheinungen des Schattens. Berlin 1830.\n13\tM\u00fcnchner Denkschr. 1811 und 12. S. 293, und 1813. S. 5\n14\tUnterhaltungsbl\u00e4tter f\u00fcr Natur und Menschenkunde 1826. S. 49.\n15\tPogg. Ann. XXVII. 694; XXXVII. 287; XLII. 72.\nEbenda. XXXVII. 319\u2014341.\n17\tEbenda. XLIV. 221. L. 433.\n18\tAnn. de chim. et de phys. LVIII. 339. Pogg. Ann. XXXII. 543; XXXVIII. 626.\n19\tEssay on distinct and indistinct vision, p. 170.","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 24.\nLITERATUR.\n417\nDie Ver\u00e4nderungen der einzelnen Farben bei ihrer Zusammenstellung mit anderen beschrieb Chevreul 1 genau. Die complement\u00e4ren Spiegelbilder an gef\u00e4rbten Glasplatten wurden von Brandes 2 und Osann beschrieben; die beste Form gab Dove 3 diesem Versuche, welche sp\u00e4ter Ragona Scina 4 noch ab\u00e4nderte. Die F\u00e4lle, wo das inducirte Feld dem inducirenden gleich gef\u00e4rbt wird, fanden Rechner und Br\u00fccke 1 2 3 4 5. Dass ein schwacher Unterschied der Farben vortheilhafter sei als ein starker, zeigte H. Meyer 6. Uebrigens schlossen sieh die neueren Beobachter fast alle der Ansicht von Plateau an, dass der Contrast auf einer Ver\u00e4nderung der Empfindung beruhe. Ich selbst habe im vorliegenden Paragraphen die verschiedenen concurrirenden Ursachen vollst\u00e4ndiger als bisher zu trennen gesucht, und mich bem\u00fcht zu zeigen, dass der reine simultane Contrast auf einer Ver\u00e4nderung nicht der Empfindung, sondern der Beurtheilung beruhe.\n-1601. Leonardo da Vinci (f I \u00f6l9). Trattato della pittura. Cap. CLVI, CC, CCCXXVIII. 1672. Otto v. Guericke. Exp\u00e9rimenta nova, ut vocantur, Magdeburgica de vacuo spatio Amstelod. 1672. p. 142.\n1738. Jurin. Essay on distinct and indistinct vision, p. 170.\n1743. G. de Buffon. Sur les couleurs accidentelles. M\u00e9m. de Paris. 1743, p. 217. 1752. Mazeas. M\u00e9m. de l\u2019Acad. de Berlin. 1752.\n1760. Bouguer. Trait\u00e9 d\u2019optique sur la gradation de la lumi\u00e8re. Paris 1760. p. 368.\nMelville. Observations on light and colours. Essays and observations. Phys, and L\u00fbt. Edinburgh II. 12 und 75.\n1767. Beguelin. M\u00e9moire sur les ombres color\u00e9es. M\u00e9m. de l\u2019Acad. cle Berlin. 1767. p. 27; 1783, p. 52.\n1778. v. Gleichen genannt Russworm. Von den Farben des Schattens. Act Acad Mo<nmt 1778. p. 308.\t\u25a0\t\u00b0\n1782.\tH. F. T. Observations sur les ombres color\u00e9es. Paris 1782.\n1783.\tFla\u00fcgergues. Sur les ombres color\u00e9es. M\u00e9m. de Berlin. 1783. p. 52.\n1783. Opoix. Journal de Physique. 1783 Dec.\nPetrini. Mem. di Math, e di Fisica del Soc. Ital. XIII. p. 11.\n1787. Carvalho e Sampago. Tratado das Cores. Malta 1787.\n1805. Prieur. Bemerkungen \u00fcber die Farben und einige besondere Erscheinungen derselben. Gilb. Ann. XXI. p. 315. Ann. de Chim. LIV. p. 1.\nHassenfratz. Sur les ombres color\u00e9es. Journ. de l\u2019\u00e9cole polytechn. Cah. XI.\n1810.\tv. Goethe. Zur Farbenlehre. S. 27.\n1811.\tGrotiiuss. Ueber die zuf\u00e4lligen Farben'des Schattens. Schweigger\u2019s Journal III. 14. v. Paula Schrank. Ueber die blauen Schatten. Abh. der M\u00fcnchener Akad. 1811. p. 293 und 1813. p. 57.\n1820. Muncke. Ueber subjective Farben und gef\u00e4rbte Schatten. Schweigger\u2019s Journ. XXX. 47.\n1826.\tZschokke. Die farbigen Schatten, ihr Entstehen und ihr Gesetz. Aarau 1826, Unterhaltungsbl\u00e4tter f\u00fcr Natur- und Menschenkunde 1826. S. 49.\n1827.\tBrandes. Art.: Farbe in Gehler\u2019s neuem physik. W\u00f6rterbuch IV. 124.\nTreschel. Biblioth. univers. XXXII. 3.\n1830. Tourtual. Ueber die Erscheinungen des Schattens und deren physiologische Bedingungen, nebst Bemerkungen \u00fcber die wechselseitigen Verh\u00e4ltnisse der Farben. Berlin 1830.\nLehot in: Annales des sciences d'observation par Saigey et Raspail 1830. III. 3. Froriep\u2019s Notizen XXVIII. p. 177.\n1832. Osann. Vorrichtung zur Hervorbringung complementarer Farben und Nachweis ihrer objectivai Natur. Pogg. Ann. XXVII. 694. XXXVII. 287. XLII. 72.\nSmith von Fochabers in Edinb. Journ. of Science. V. 52.\nBrewster. Ueber den Versuch von Smith in Pogg. Ann. XXVII. 494.\nChevreul. Sur l\u2019influence, que deux couleurs peuvent avoir l\u2019une sur l\u2019autre, quand on les voit simultan\u00e9ment. M\u00e9m. de l\u2019Acad. de Paris. XI. 1832. \u2014 De la loi du contraste simultan\u00e9 des couleurs. Strasbourg 1839.\n1834. J. M\u00fcller. In seinem Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol-. 1834. p. 144. Lehrbuch d. Physiol. 2. Aufl. 11. 372.\n1\tM\u00e9m. de l\u2019Acad. XI. 447 \u2014 520.\n2\tGehler\u2019s neues W\u00f6rterbuch. Art. Farbe. IV. 124.\n3\tPogg. Ann. XLV. 158.\n4\tRace, fisico-chimica. II. 207.\n5\tDenkschr. d. Wiener Akademie. III. 1850 \u00dcctob. 3.\n6\tPogg. Ann. XCV. 170.\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik,\n27","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 28.\nPlateau in: Ann. de chim. et de pliys. LVITf. 339. Pogg. Ann. XXXII. 813. XXXVIII. 626.\n1836. Pohlmann. Theorie der farbigen Schatten. Pogg. Ann. XXXVII. 319 \u2014 341.\n1838. \u2018Fechner. Ueber die Frage, ob die sogenannten Farben durch den Contrast objectiver Natur seien. Pogg. Ann. XLIV. 221\u20142LS.\nDove. Ueber subjective Complement\u00e4rfarben. Pogg. Ann. XLV. 158.\n1840. \u2019Fechner. Thatsachen, welche bei einer Theorie der Farben durch den Contrast zu ber\u00fccksichtigen sind. Pogg. Ann. L. 433.\n1847. D. Ragona Scina. Su taluni fenomeni che presentano i cristalli colorati. Race. fis. chim. II. 207.\n1851.\tE. Br\u00fccke. Untersuchungen \u00fcber subjective Farben. Wiener Denkschr. III. 95. Pogg. Ann. LXXXIV. 418. Arch. d. sc. phgs. et natur. XIX. 122.\n1852.\tA. Beer. Ueber das \u00fcberz\u00e4hlige Roth im Farbenbogen der totalen Reflexion (Contrastfarbe). Pogg. Ann. LXXXVII. 113\u2014115. Cosmos. II. 95.\n1855. H. AIeyer. Ueber Contrast- und Complement\u00e4rfarben. Pogg. Ann. XCV. 170\u2014171. Ann. de chim. (3) XLV. 507. Phil. Mag. (4) IX. 547.\n\u00a7. 25. Verschiedene subjective Erscheinungen.\nEs bleiben noch einige subjective Gesichtserscheinungen zu beschreiben \u00fcbrig, deren Erkl\u00e4rung f\u00fcr jetzt unm\u00f6glich oder wenigstens ziemlich zweifelhaft ist, und welche deshalb in die vorausgegangenen Paragraphen nicht eingereiht werden konnten.\n1. Erscheinungen des gelben Flecks. Der gelbe Fleck bildet eine in vielen Beziehungen ausgezeichnete Stelle der Netzhaut. Die Eigenth\u00fcmlichkeiten seiner anatomischen Structur sind auf S. 27 beschrieben. Ferner zeichnet er sich physiologisch aus durch die Sch\u00e4rfe in der Wahrnehmung kleiner Bilder, worin sein Centrum, die Netzhautgrube, alle anderen Stellen der Netzhaut bei weitem \u00fcber trifft. Dadurch erh\u00e4lt er auch seine Bedeutung als Fixati\u00f6nspunkt. Wie er im entoptischen Bilde sichtbar gemacht werden kann, ist schon in \u00a7. i5 (S. 4 56\u2014159) auseinandergesetzt; er zeichnet sich bei dieser Beobachtungsweise dadurch aus, dass die Gef\u00e4sse in seinem Centrum fehlen, und zweitens durch den Schatten, den die seitlichen Abh\u00e4nge der Netzhautgrube bei schiefer Beleuchtung werfen. Betreffs der Empfindungen dieser Netzhautstelle haben wir schon erw\u00e4hnt, dass sie bei der elektrischen Durchstr\u00f6mung des Auges je nach der Str\u00f6mungsrichtung bald dunkel auf hellem Grunde, bald hell auf dunklem Grunde sich abzeichnet, ferner dass sie bei massig schnell intermittirendem Lichte sich durch eine eigenth\u00fcmliche sternf\u00f6rmige Zeichnung in den schillernden Figurenmustern der Netzhaut hervorhebt.\nEs ist jetzt noch zu erw\u00e4hnen, dass sie auch bei gleichm\u00e4ssig ausgebreiteter, namentlich blauer Beleuchtung sich eigenth\u00fcmlich abzeichnet. Es erscheinen hierbei verschiedene Theile des gelben Flecks, nicht immer alle gleichzeitig, unter verschiedenen Bedingungen verschieden deutlich. Das Centrum des gelben Flecks ist die Netzhautgrube, in deren Grunde die Netzhaut sehr d\u00fcnn, durchsichtig und ungef\u00e4rbt ist, Ihr Durchmesser ist nach Koellikek 0,18 bis 0,225 Mm. Ihr Abstand vom hinteren Knotenpunkte des Auges ist 15 Mm., also im Mittel 75 mal so gross als ihr Durchmesser. Ihre scheinbare Gr\u00f6sse im Gesichtsfelde ist also ein Kreis, dessen Durchmesser 40 bis 50 Minuten ist. Sie erscheint, wenn sie sichtbar wird, gew\u00f6hnlich als ein gut begrenzter regelm\u00e4ssiger Kreis. Die Netzhautgrube umgebend erscheint oft ein dunkler Hof,","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 25.\nSICHTBARKEIT DES GELBEN FLECKS.\n419\ndessen Gr\u00f6sse ungef\u00e4hr der gef\u00e4sslosen Stelle des gelben Flecks entspricht, wie sie erscheint, wenn man die Gef\u00e4sse entoptisch sichtbar macht. Die \u00e4ussere Begrenzung dieses Hofs, den wir den gef\u00e4sslosen nennen wollen, ist verwaschen, sein Durchmesser ungef\u00e4hr dreimal gr\u00f6sser als der der Netzhautgrube, betr\u00e4gt also etwas \u00fcber 2 Winkelgrade. Bald erscheint seine Grenze ziemlich kreisf\u00f6rmig, namentlich hei schwachem Lichte, bald einem Rhombus \u00e4hnlicher, dessen l\u00e4ngere Diagonale horizontal liegt. In letzterer Weise erscheint sie mir selbst namentlich hei st\u00e4rkerem Licht. Es entspricht diese Stelle anatomisch dem mittleren intensiv gelb gef\u00e4rbten Theile des gelben Flecks, dessen horizontaler Durchmesser von H. M\u00fcller in zwei Augen gleich 0,88 und 1,5 Mm., der verticale gleich 0,53 und 0,8 gefunden wurde. Uebrigens breitet sich die gelbe F\u00e4rbung noch viel weiter aus, ist aber schwach und verwaschen.\nEndlich sieht man bei st\u00e4rkerem Licht den dunklen gef\u00e4sslosen Hof noch umgeben von einem hellen Hofe, dessen \u00e4ussere Begrenzung sehr unbestimmt bezeichnet ist, und die mir selbst ebenfalls mehr rhombisch, als kreisf\u00f6rmig erscheint. Ihre beiden Durchmesser sind etwa drei mal so gross, als die des dunklen gef\u00e4sslosen Hofes. Ein anatomisch wohlbegrenztes Substrat dieser Stelle l\u00e4sst sich nicht bezeichnen. Die gelhliche verwaschene F\u00e4rbung der \u00e4usseren Theile des gelben Flecks f\u00e4llt mit diesem hellen Hofe einigermassen zusammen. Doch l\u00e4sst sich \u00fcber die Congruenz ihrer Gr\u00f6sse nichts sagen, da die Ausdehnung der schwachen gelben F\u00e4rbung zu breite individuelle Abweichungen zeigt, Vielleicht verdankt dieser \u00e4usserste helle Hof seinen Ursprung auch nur einer Con-trastwirkung, wir k\u00f6nnen ihn nach seinem Entdecker, dem er kreisf\u00f6rmig erschien, den LoEWE\u2019schen Ring nennen.\nLoewe 1 entdeckte diesen Ring, indem er durch eine klare seladongr\u00fcne Aufl\u00f6sung von Chromchlorid nach einer hellen Fl\u00e4che sah. Der Ring erschien im Vergleich zu dem gr\u00fcnlichen Grunde violett, den mittleren dunkleren Hof umgebend, so dass ihn Haidinger mit einem Abbilde der Iris vergleicht, die die dunkle Pupille umgiebt. Haidinger zeigte, dass dichromatische Mittel zur Herstellung der Ringe nicht noting seien, dass sie im homogenen Blau des prismatischen Spectrum erscheinen, und auch in gemischtem Licht, welches gen\u00fcgend Blau enth\u00e4lt. In letzterem zeigen sie verschiedene Farbenunterschiede von dem \u00fcbrigen Grunde, je nach der Beschaffenheit der dem Blau zugemischten , Farben. Verschiedenen Augen scheint dieser Ring mit verschiedener Deutlichkeit zu erscheinen, so dass viele ihn \u00fcberhaupt nicht sehen k\u00f6nnen. Ich selbst sehe ihn nur bei einer gewissen mittleren Helligkeit, derjenigen etwa, die uns zum Schreiben und Lesen bequem ist. Wenn ich vor die Augen ein blaues Glas halte, sie durch Verschluss der Lider eine Weile ausruhe, und dann durch das Glas nach einer weissen Papierfl\u00e4che sehe, erblicke ich deutlich den gef\u00e4sslosen Hof, als einen rhombischen schattigen Fleck, umgeben von einem rhombischen, heller blauen Streifen, den LoEWE\u2019schen Ring. Bei etwas gr\u00f6sserer und etwas kleinerer Helligkeit erscheint mir der LoEWE\u2019sche Ring schmaler, bei\n1 Haidinger in Pogg. Ann. LXX. 403. LXXXVIII. 451. Wiener Sitzungsber. IX. 240.\n27 *","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 25.\nnoch gr\u00f6sseren Abweichungen der Helligkeit sehe ich nur den dunklen gef\u00e4ss-losen Hof ohne helle Ums\u00e4umung.\nDer dunkle gef\u00e4sslose Hof ist der constanteste Tlieil der Erscheinung. Sein Verhalten ist zuerst von Maxwell 1 genauer untersucht worden. Wenn man homogenes Licht anwendet, erscheint er nach ihm nur im Blau, nicht in anderen Farben. Uebrigens erscheint er auch in gemischten Farben, wenn sie Blau reichlich enthalten, namentlich auch, freilich schwach, im Weiss. Wenn man das ausgeruhte Auge nach einer blauen Fl\u00e4che hinwendet, erscheint er, und schwindet bald wieder, bei heller Beleuchtung schneller als bei schwacher. Maxwell empfiehlt abwechselnd vor das Auge blaue und gelbe Gl\u00e4ser oder blaue und gelbe Papiere zu bringen. Im Blau erscheint der Fleck, im Gelb verschwindet er. Ich selbst sehe ihn am sch\u00f6nsten am Abendhimmel, wenn die ersten Sterne zu erscheinen anfangen, und man sich schon l\u00e4ngere Zeit im Freien befindet, so dass die Augen hinreichend ausgeruht sind. Wenn man sie einige Augenblicke schliesst, und dann nach dem Himmel hin \u00f6ffnet, sieht man den gef\u00e4ss-losen Hof einige Zeit lang sehr deutlich, die Netzhautgrube in seinem Innern auch h\u00e4ufig und zwar als einen etwas helleren Fleck von reinerem Blau, ziemlich scharf begrenzt. Dabei ist es eigenth\u00fcmlich, dass, wie schon Maxwell bemerkt hat, der Lichteindruck in den centralen Stellen der Netzhaut einen Moment sp\u00e4ter zur Empfindung kommt, als in den peripherischen Theilen. Maxwell liess zu dem Ende eine Reihe dunkler Streifen vor einem blauen Felde mit gewisser Geschwindigkeit Vorbeigehen. Man sieht es aber auch beim einfachen Aufschlagen der Augen. Das Dunkel der geschlossenen Augen schwindet deutlich von der Peripherie des Gesichtsfeldes nach dem Centrum hin, und der letzte Best desselben bleibt als der MAxwELL\u2019sche Fleck bestehen. Bei gewissen Helligkeitsgraden, namentlich dem oben bezeichneten des Himmels, wenn die ersten Sterne sichtbar werden, ist die Erscheinung beim Aufschlagen der Augen noch complicirter. W\u00e4hrend n\u00e4mlich in der beschriebenen Weise das Dunkel von der Peripherie nach dem Centrum schwindet, sieht man auch noch entweder die Netzhautgrube allein, oder den ganzen MAxwELL\u2019schen Fleck hell aufblitzen. Vielleicht geht das helle Aufblitzen der dunklen Erscheinung etwas voraus, aber die Zeit ist so kurz, dass beides scheinbar gleichzeitig eintritt, wie auch Aubert an Nachbildern bei der Beleuchtung durch den elektrischen Funken \u00e4hnliches bemerkt hat.\nZuweilen, wenn die Netzhautgrube recht deutlich erscheint, sehe ich in dem gef\u00e4sslosen Hofe noch schwache Linienzeichnungen, \u00e4hnlich den Umrissen einer vielbl\u00e4ttrigen Blume (z. B. einer Georgine, Dahlia). Es sind dies wohl Andeutungen derselben Zeichnung, welche deutlicher bei intermittirendem Lichte zum Vorschein kommt.\nEndlich muss ich noch bemerken, dass ich den MAxwELL\u2019schen Fleck oft zuf\u00e4llig des Morgens nach dem Aufstehen, wenn ich das Auge zuerst auf ein helles Fenster mit breiter lichter Fl\u00e4che geheftet hatte, und es dann nach einem\n1 Athen\u00e4um. 1856. p. 1093. Edinb. Journ. (2) IV. 337. Inst. 1856. p 424. Rep. of British Association. 1856. II. 12.","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 25.\nPOLARISATIONSBUSCHEL.\n421\ndunklen Orte wendete, hell auf dunklem Grunde gesehen habe. Absichtlich die Erscheinung hervorzurufen ist mir bisjetzt nicht gelungen. Es erscheint hierbei ein blendend heller Kreis von der Gr\u00f6sse des gefassloseu Hofes, nach den R\u00e4ndern hin abschattirt, und mit Andeutungen der strahligen Zeichnung. Diese letztere Erscheinung l\u00e4sst schliessen, dass wenn das Auge recht erholt und reizbar ist, der Lichteindruck im gelben Fleck l\u00e4nger anh\u00e4lt als in den \u00fcbrigen Theilen der Netzhaut, w\u00e4hrend andererseits der Lichteindruck an derselben Stelle auch sp\u00e4ter zu beginnen scheint, wie die beschriebenen Erscheinungen beim Oeffnen des Auges zeigen. Dass der stark gef\u00e4rbte Theil des gelben Flecks auf einem blauen Felde dunkel erscheint, scheint der Absorption des blauen Lichts durch das gelbe Pigment zugeschrieben werden zu d\u00fcrfen. Gelb gef\u00e4rbt sind hier gerade die Theile, welche vor den eigentlich lichtempfindlichen Theilen, den Zapfen, liegen. Dass der Fleck \u00fcbrigens subjectiv nur schwach gezeichnet und schnell vor\u00fcbergehend erscheint, erkl\u00e4rt sich in derselben Weise, wie das fl\u00fcchtige Erscheinen der Gef\u00e4ssfigur. Das zuweilen vorkommende helle Aufblitzen des gelben Flecks dagegen beim Oeffnen des Auges l\u00e4sst sich noch nicht erkl\u00e4ren.\nWie bisher beschrieben, verhalten sich die Erscheinungen im nicht polari-sirten Lichte. Wenn man dagegen das Auge auf ein Feld richtet, von wo pola-risirtes Licht kommt, so erscheinen Haidinger\u2019s Polarisationsb\u00fcschel im Fixationspunkte. Man sieht diese z. B., wenn man durch ein Nicoi\u2019sches Prisma nach einem gut beleuchteten weissen Papierblatte oder nach einer hellen Wolkenfl\u00e4che blickt. Die B\u00fcschel sind auf Taf. V, Fig. 5 abgebildet, wie sie liegen, wenn die Polarisationsebene des Lichtes vertical ist. Die helleren durch zwei zusammengeh\u00f6rige Hyperbeln begrenzten Flecke erscheinen auf weissem Felde bl\u00e4ulich, der dunkle B\u00fcschel, der sie trennt, und im Centrum am schm\u00e4lsten, nach seinen Enden hin breiter ist, ist dagegen gelblich gelai'bt. Wenn man das NicoL\u2019sche Prisma dreht, dreht sich die Polarisationsfigur um den gleichen Winkel. Nach einer Bemerkung von Brewster, die ich f\u00fcr mein Auge best\u00e4tigen kann, ist der dunkle B\u00fcschel in seiner Mitte viel schmaler, wenn er horizontal (d. h. der Verbindungslinie beider Augen parallel) gerichtet ist, als wenn er senkrecht steht, wie in der Abbildung. Die Fl\u00e4che, welche von der Polarisationsfigur bedeckt wird, erscheint Maxwell\u2019s und meinem Auge an Gr\u00f6sse dem gef\u00e4sslosen Hofe des gelben Flecks gleich. Der Rand der Netzhautgrube geht ungef\u00e4hr durch die hellsten Stellen der blauen Fl\u00e4chen hindurch. Brewster giebt den Durchmesser der Polarisationsb\u00fcschel etwas gr\u00f6sser an, n\u00e4mlich 4\u00b0, und Silbermann 5\u00b0, was vielleicht damit zusammenh\u00e4ngt, dass sie in verschiedenen Augen sehr verschiedene Deutlichkeit zu haben scheinen, und deshalb die schw\u00e4chsten Theile der Figur am \u00e4ussersten Rande von einigen wahrgenommen werden, von anderen nicht. Ich selbst habe vor 12 Jahren unmittelbar nach Haidinger\u2019s Entdeckung mit der gr\u00f6ssten M\u00fche nichts von den B\u00fcscheln wahrnehmen k\u00f6nnen, und in der letzten Zeit, als ich es wieder versuchte, sah ich sie beim ersten Blick durch ein Nicol\u2019scIics Prisma. Auch ist in meinem linken Auge die Mitte des dunklen B\u00fcschels viel dunkler, als im rechten. Daran ist vielleicht die ver\u00e4nderliche F\u00e4rbung des gelben Flecks Schuld.","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 23.\nWenn man sie \u00fcbrigens sieht, so schwinden sie doch immer bald wieder, wie jede subjective Erscheinung, die an eine Structur der Netzhaut gebunden ist. Sie treten dann neu hervor, wenn man den Polarisator um 90\u00b0 dreht.\nIndividuen, welche die B\u00fcschel recht deutlich wahrnehmen, sehen sie auch in solchem Lichte, welches nur theilweise polarisirt ist, auf gl\u00e4nzenden Fl\u00e4chen, am Himmel u. s. w. und sind dadurch im Stande, \u00fcberall gleich die Richtung der Polarisationsebene zu erkennen. Von den verschiedenen Farben homogenen Lichts zeigt aber, wie Stokes gefunden hat, nur das Blau die Polarisations-b\u00fcscbel. In den weniger brechbaren Theilen des Spectrum kommen sie nicht zur Erscheinung. In einem blauen Felde erscheinen die bl\u00e4ulichen Hyperbelfl\u00e4chen hell, der gelbe B\u00fcschel dazwischen dagegen dunkel, so z. B. wenn man durch ein stark gef\u00e4rbtes blaues Glas und den Polarisator nach einer weissen Fl\u00e4che blickt. Ich selbst sehe die B\u00fcschel nicht blos nicht in homogenem Gr\u00fcn, : Gelb, Roth, sondern auch nicht einmal in den gemischten, aber ziemlich ges\u00e4ttigten Abstufungen dieser Farbent\u00f6ne, welche gef\u00e4rbte Gl\u00e4ser geben. Es folgt daraus, dass auch im weissen Licht die Erscheinung von den Ver\u00e4nderungen des Blau herr\u00fchrt. Am Orte der gelben B\u00fcschel fehlt das Blau, und diese erscheinen eben deshalb gelb und dunkler.\nWenn Licht durch Refraction, Reflection oder Doppelbrechung polarisirt ! wird, werden stets s\u00e4mmtliche Farben nahehin gleichm\u00e4ssig von der Polarisation betroffen. Nur bei der Absorption farbigen Lichts in doppeltbrechenden K\u00f6rpern kann es Vorkommen, dass das Licht gewisser Farben polarisirt wird, das Licht anderer Farben dagegen nicht. Das bekannteste Beispiel solcher Absorption ist der Turmalin, welcher so h\u00e4ufig als Mittel, Licht zu polarisiren, gebraucht wird.\nEs ist diese Eigenschaft \u00fcbrigens unter den doppeltbrechenden gef\u00e4rbten K\u00f6rpern sehr verbreitet, man kann sie durch F\u00e4rbung derselben k\u00fcnstlich erzeugen, und sie beruht darauf, dass bald wie im Turmalin der ordentliche, bald wie im Rutil und Zinnstein der ausserordentliche Strahl st\u00e4rker absorbirt wird. Nun sind aber die meisten organischen Fasern und Membranen schwach doppeltbrechend und zwar verhalten sich beide meist wie einaxige Krystalle, deren Axe in den Fasern parallel ihrer L\u00e4nge, in den Membranen senkrecht zu ihrer Fl\u00e4che steht. Die Erscheinung der Polarisationsb\u00fcschel ist nun zu erkl\u00e4ren, wenn man annimmt, dass die gelbgef\u00e4rbten Elemente des gelben Flecks schwach doppelbrechend sind, und dass der ausserordentliche Strahl von blauer Farbe in ihnen st\u00e4rker absorbirt werde, als der ordentliche Strahl.\nGeht blaues Licht von beliebiger Polarisation durch eine Fasermasse von dieser Eigenschaft in Richtung der Fasern, so wird es stark absorbirt; geht es dagegen senkrecht gegen die Richtung der Fasern hindurch, so wird es stark absorbirt werden, wenn es parallel den Fasern polarisirt ist, schwach dagegen, wenn seine Polarisationsrichtung ebenfalls senkrecht zur Richtung der Fasern ist. Nun verlaufen im gelben Fleck die sogenannten radi\u00e4ren Fasern Von H. M\u00fcller, welche an anderen Stellen der Netzhaut senkrecht gegen deren Fl\u00e4che stehen, schr\u00e4g, indem ihr hinteres Ende sich der Netzhautgrube n\u00e4hert l.\n1 Bergmann in Henle und Pfeuffer Zeitsch. f\u00fcr rat. Med. (2) V. 2i5; (3) II. 83. \u2014 Max Schultze. Obser-vationes de Retinae structura penitiori. Bonn. 1859. p. 15.","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nPOLARISATIONSB\u00dcSCHEL.\n423\nIn der Centralgrube fehlen die K\u00f6rnerschichten und die Zwischenk\u00f6rnerschicht entweder ganz, oder sind wenigstens sehr diinn, dagegen ist die innere K\u00f6rnerschicht und die Zwischenk\u00f6rnerschicht in der Umgebung der Netzhautgrube dicker als an anderen Stellen; \u00e4hnlich verh\u00e4lt sich die Schicht der Ganglienzellen, obgleich diese auch in der Centralgrube doch noch 3 Reihen Zellen hinter einander enth\u00e4lt, so dass es scheint, als ob die zu den Zapfen der Centralgrube geh\u00f6rigen anderen Elemente in der Umgebung dieser Grube angeh\u00e4uft seien, und deshalb die Verbindungsfasern sowohl nerv\u00f6ser als bindegewebiger Natur schr\u00e4g verlaufen m\u00fcssen. An dem Rande der Netzhautgrube nun, wo die Fasern \u00fcberwiegend eine schr\u00e4g gegen ihr Centrum verlaufende Richtung haben, w\u00fcrde nach der gemachten Annahme das Licht st\u00e4rker dort absorbirt werden, wo die Fasern der Polarisationsebene parallel laufen. Ist letztere vertical, so werden also \u00fcber und unter der Netzhautgrube sich dunklere Stellen bilden, rechts und links hellere. Ebenso w\u00fcrden die Stellen dunkler werden m\u00fcssen, wo die Fasern nicht mehr schr\u00e4g gegen die Fl\u00e4che der Netzhaut liegen, also im Centrum der Grube selbst, und nach dem \u00e4usseren Rande des gelben Flecks hin. In der That entspricht die Erscheinung der Polarisationsb\u00fcschel diesen Folgerungen.\nMan hat noch andere Ansichten \u00fcber die Entstehung der Polarisationsb\u00fcschel aufgestellt. Unter diesen ist namentlich die von Erlach angedeutete, von Jamin specieller ausgef\u00fchrte, ziemlich g\u00fcnstig aufgenommen. Beide meinten die B\u00fcschel herleiten zu k\u00f6nnen von den vielfachen Refractionen, die das Licht an den brechenden Fl\u00e4chen des Auges erleidet. In der That w\u00fcrde senkrecht polarisirtes Licht, welches von oben oder unten her in das Auge dringt, st\u00e4rker reflectirt und weniger eingelassen werden, als solches, welches von rechts oder links her kommt, und demnach m\u00fcsste der obere und untere Quadrant des Gesichtsfeldes etwas dunkler erscheinen, als der rechte und linke. Aber wenn Polarisation durch Refraction der Grund w\u00e4re, m\u00fcssten erstens die B\u00fcschel in allen homogenen Farben nahehin gleich deutlich erscheinen, w\u00e4hrend sie nur im Blau deutlich erscheinen. Zweitens m\u00fcssten sie nach den R\u00e4ndern des Gesichtsfeldes hin continuirlich an St\u00e4rke zunehmen. Im Gegentheil sind sie auf einen sehr kleinen centralen Theil beschr\u00e4nkt. Drittens m\u00fcsste ihr Centrum im Axenpunkte des Auges liegen, nicht im Fixationspunkte, der von jenem, wie es scheint, in allen Augen verschieden ist. Es haben auch schon Stokes, Brewster und Maxwell auf das ungen\u00fcgende dieser Erkl\u00e4rung aufmerksam gemacht, und die beiden letzteren haben bemerkt, dass die Ausdehnung der B\u00fcschel mit der des gelben Flecks \u00fcbereinkomme. Allerlei andere, aber nicht klar durchgef\u00fchrte Erkl\u00e4rungen sind auch von IIaidinger und Silbermann gegeben.\nHaidinger beschreibt im blauen Felde, wo man die LoEWE\u2019schen Ringe sieht, auch noch helle Andreaskreuzlinien, \u00fcber die noch keine Beobachtungen von anderen Augen vorliegen. Ich selbst kann sie nicht sehen.\n1844. W. Haidinger. Ueber das directe Erkennen des polarisirten Lichts. Pogg. Ann. LXI1I. 29.\n1846. Derselbe. Ueber complementare Farbeneindr\u00fccke bei Beobachtung der Lichtpolarisationsb\u00fcschel. Pogg. Ann. LXVII. 435.\nDerselbe. Beobachtung der Lichtpolarisationsb\u00fcschel in geradlinig polarisirtem Lichte. Pogg. Ann. LX.VII1. 73.\nDerselbe. Beobachtung der Lichtpolarisationsb\u00fcschel auf Fl\u00e4chen, welche das Licht in zwei senkrecht auf einander stehenden Richtungen polarisiren. Pogg. Ann. LXVIII. 305. Silbermann. Essai d\u2019explication des houppes ou aigrettes visibles h l\u2019oeil nu dans la lumi\u00e8re polaris\u00e9e, C. R. XXIll. 624. Inst. No. 665. p. 327.","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7\u2022 25.\n<847. v. Erlach. Mikroskopische Beobachtungen \u00fcber organische Elementartheiie bei polarisirtem Licht, in Muller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. <847. p. 313. Haidinger. Helle Andreaskreuzlinien in der Sehaxe. Ber. d. Freunde der Naturwiss. in Wien II. 178. Pogg. Ann. LXX. 403..\nBotzenhart. Polarisationsb\u00fcschel am Quarz. Ber. d. Fr. d. X. W. in Wien I. 82. Derselbe. Sur une modification des houppes color\u00e9es de Haidihger. C. R. XXIV. 44 Inst. No. 680. p. 11. Pogg. Ann. LXX. 399.\n1848. Jamin. Sur les houppes color\u00e9es de Haidinger. C. R XXVI 197\tPo<\u2122- Ann\nLXXIV. 14S. Inst. No. 737. p. \u00f63.\n18S0. D. Brewster. On the polarizing structure of the eye. Sillim. J. (2) X. 394. Rep. of British Assoc. 1830. II. S. Wiener Ber. V. 442.\nG. G. Stokes on Haidinger\u2019s brushes Sillim. J. (2) X. 394. Rep. of British Assoc. 1850. II. 20.\nW. Haidinger. Das Interferenzschachbrettmuster und die Farbe der Polarisations-busehel. Wien. Ber. VII. 389. Pogg. Ann. LXXXV. 300. Cosmos. I. 252, 454.\n1832. Derselbe. Die LoEWE\u2019schen Ringe eine Beugungserscheinung. Wien. Ber. IX. 240 bis 249. Pogg. Ann. LXXXVIII. 451\u2014461.\n1854. W. Haidinger. Dauer des Eindrucks der Polarisationsb\u00fcschel auf der Netzhaut. Wien. Ber. XII. 678 \u2014 680, Pogg. Ann. XCHI. 318 \u2014 320.\nDerselbe, Beitrag zur Erkl\u00e4rung der Farben der Polarisationsb\u00fcschel durch Beugung. Wien. Ber. XII, 3 \u2014 9. Pogg. Ann. XCI. 591 \u2014601.\nDeiselbe. Einige neuere Ansichten \u00fcber die Natur der Polarisationsb\u00fcschel. Wien. Ber. XII. 758 \u2014 765. Pogg. Ann. XCVI. 314 \u2014 322.\nStokes. Ueber das optische Schachbrettmuster. Wien. Ber XII 670 \u2014 677 Pogg. Ann. XLVI. 305 \u2014 313,\n1856,\t.1. C. Maxwell. On the unequal sensibility of the foramen centrale to light of different\ncolours. Athen. 1856. p, 1093. Edinb. Journ. (2) IV. 337. Inst. 1856. p 444 Rep. of Brit. Assoc. 1856. II. 12.\n1858.\tPower in Phil. Mag. (4) XVI. 69.\n1859.\tBrewster in C. R. XLVIII. 614.\n2, Helle bewegliche Punkte erscheinen im Gesichtsfelde, wenn man namentlich w\u00e4hrend angestrengten Gehens oder anderer Leibesbewegung, eine grosse gleichm\u00e4ssig erleuchtete Fl\u00e4che, z. B. den Himmel oder Schneefelder starr ansieht. Die P\u00fcnktchen springen an verschiedenen Orten des Gesichtsfeldes auf, und laufen in sehr verschiedenen meist nicht ganz geraden Bahnen ziemlich schnell fort. Dabei erscheinen auf dem Wege, den eines eingeschlagen hat, nach kurzen Zwischenzeiten neue, die auf demselben Wege fortlaufen. Purkinje bemerkt, dass wenn man nach einer begrenzten lichten Fl\u00e4che, z. B. gegen ein Fenster schaut, jeder Punkt auf der von der Mitte des Sehfeldes abgekehrten Seite ein kleines Schattenbild nach sich zieht. Da sie feste Wege einzuhalten scheinen, sind sie von manchen Beobachtern (J. M\u00fcller) f\u00fcr eine Erscheinung des Blutlaufs gehalten worden. Sie sind aber, wenigstens in meinem Auge, viel zu vereinzelt, als dass man sie f\u00fcr Blutk\u00f6rperchen halten k\u00f6nnte, ihre Bahnen ebenfalls viel zu weit von einander entfernt, und ihre Bewegung zu schnell, als dass ihre Wege einem Capillarnetz entsprechen k\u00f6nnten. Wenn ihre Erscheinung wirklich mit dem Blutlauf zusammenh\u00e4ngt, k\u00f6nnte man h\u00f6chstens daran denken, dass einzelne vidlleicht fettreiche Lymphk\u00f6rperchen, die durch gr\u00f6ssere Gef\u00e4ss-st\u00e4mmchen hinfliessen, sich in dieser Art zeigen. Diese Erscheinung scheint \u00fcbrigens von den meisten Menschen leicht gesehen zu werden.\nDie Blutk\u00f6rperchen sind \u00fcbrigens eben noch gross genug, um wenn sie sich in der Netzhaut befinden, und auf diese einen Eindruck machen, noch erkannt zu werden. Ihr Durchmesser betr\u00e4gt im Mittel 0,0072 Mm. und die Gr\u00f6sse der kleinsten erkennbaren Distanzen ist 0,005 Mm. (siehe S. 216). Verschiedene","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nAUGENBLICKLICHE SICHTBARKEIT DES BLUTLAUFS.\n425\nBeobachter haben denn auch Reihen von fortlaufenden K\u00fcgelchen und unbestimmtere wallende und fliessende Bewegungen bei verschiedenen Veranlassungen gesehen. Die eigenth\u00fcmliche Erscheinung in einander verschlungener Str\u00f6mungen, welche bei intermittirendem Lichte eintritt, und von Vierordt auf den Blutlauf der Aderhaut bezogen wird, ist schon oben erw\u00e4hnt. Aehnliches sieht man \u00fcbrigens auch zuweilen ohne intermittirendes Licht, wenn man in eine helle Fl\u00e4che hineinstarrt, besonders nachdem man durch B\u00fccken das Blut nach dem Kopf getrieben hat. Sobald durch den Lichteindruck die Netzhaut so weit erm\u00fcdet ist, dass die Fl\u00e4che dunkel wird, erscheint gleichsam hinter der hellen Fl\u00e4che, welche verschwindet, eine gefleckte r\u00f6thliche Fl\u00e4che, deren Flecken bald bewegt, bald ruhig sind. Reihen von fliessenden K\u00fcgelchen haben Steinbuch und Purkinje * l 2, namentlich bei schwachem Drucke auf das Auge gesehn. Letzterer sah sie zuerst bei Beobachtung der dunklen Accommodationsfigur, welche bei ihm aus einem centralen weissen Kreise, umgeben von einem br\u00e4unlichen unbestimmt begrenzten Hofe bestand. Rechts und links neben dem weissen Kreise sah er zwei senkrechte lichte Linien, in denen sich Reihen von K\u00fcgelchen bewegten, rechts abw\u00e4rts, links aufw\u00e4rts. Ich habe bis jetzt nichts Aehnliches sehen k\u00f6nnen. Johannes M\u00fcller 2 sah bei Congestionen nach dem Kopfe, oder wenn er sich geb\u00fcckt hatte und sich pl\u00f6tzlich aufrichtete, ein Springen und Fahren, wie von dunklen geschw\u00e4nzten K\u00f6rpern in den mannigfaltigsten Richtungen, und vergleicht diese Erscheinung mit dem Ameisenlaufen in den Gef\u00fchlsnerven.\nEin Flimmern wie von kleinen bewegten K\u00f6rpern sehe ich auch zuweilen von einer mit grobem Kalk beworfenen und sehr schief durch ein kleines Fenster beleuchteten Wand, die daher mit einer Menge kleiner schwarzer unregelm\u00e4ssiger Punkte \u00fcbers\u00e4t erscheint. Aber hier k\u00f6nnten es vielleicht Nachbilder der P\u00fcnktchen sein, welche durch unvermeidliche kleine Schwankungen des Auges aufblitzen.\nPurkinje beschreibt noch andere Erscheinungen, die bei Aufregung des Gef\u00e4sssystems oder Anstrengung der Augen eintraten. Seine Beschreibung lautet3 : ,,Wenn ich bei hellem Tage eine viertel bis halbe Stunde im Freien stark gegangen bin, und ich trete pl\u00f6tzlich in einen finsteren oder wenigstens stark verdunkelten Raum, so wallt und flackert im Gesichtsfelde ein mattes Licht, gleich der auf einer horizontalen Fl\u00e4che verl\u00f6schenden Flamme von ausgegossenem Weingeiste, oder gleich einer im Finstern schwach flimmernden mit Phosphor bestrichenen Stelle. Bei sch\u00e4rferer Betrachtung bemerke ich, dass der flackernde Nebel aus unz\u00e4hlbaren, \u00e4usserst kleinen unregelm\u00e4ssig lichten P\u00fcnktchen besteht, die sich in verschiedenen Linien unter einander bewegen, sich bald da bald dort anh\u00e4ufen, unbestimmt begrenzte Flecke bilden, die sich wieder zertheilen um sich anderw\u00e4rts zu versammeln. Jeder Punkt l\u00e4sst eine lichte Spur seiner Bewegung hinter sich, welche Spuren sich mannigfaltig durchschneidend Netze und Sternchen bilden; so wimmelt es eine grosse Strecke\n\u2022*\n1\tBeobachtungen und Versuche I. 127.\n2\tPhysiologie II. 390.\n3\tBeobachtungen und Versuche I. 63.","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426\nZWEITER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n\u00a7. 25.\niin.Innern des Gesichtsfeldes und hindert das deutliche Sehen. Am \u00e4hnlichsten dieser Erscheinung ist das Gewimmel der sogenannten Sonnenst\u00e4ubchen\u201c.\nEr sieht dasselbe bei bedecktem rechten Auge, wenn er mit dem schwach -und fernsichtigen linken eine helle Fl\u00e4che fixirt, ferner bei afim\u00e4lig verst\u00e4rktem Druck auf das linke Auge. Die P\u00fcnktchen erscheinen lebhafter bei offenem als bei geschlossenem Auge, besonders wenn dasselbe nach einer nicht g\u00e4nzlich verdunkelten entfernten Stelle hinsieht. Das \u00e4ussere Licht ist also der Erscheinung forderlich.\nPulsirende Kugeln, zweie an der rechten Seite des Gesichtsfeldes, eine Reihe an der unteren, drei an der linken Seite, erscheinen ihm auf der hellen Himmelsfl\u00e4che, wenn er gelaufen ist, bei Druck auf das Auge oder bei angestrengtem Husten. Auch pulsirt der Fixationspunkt, und es erscheinen noch graue Streifen, tlieils kreisf\u00f6rmig den Fixationspunkt umgebend, theils radiale Gef\u00e4ssstreifen\n3. Figuren, die bei gleichm\u00e4ssig erleuchteter Netzhaut sichtbar werden. Purkinje'1 2 bemerkt, dass wenn er nach einer grossen etwas blendenden Fl\u00e4che starr hinsieht (z. B. auf den gleichm\u00e4ssig mit Wolken \u00fcberzogenen Himmel oder nahe in eine Kerzenflamme), in einigen Secunden wiederholt in der Mitte des Gesichtsfeldes lichte Punkte aufspringen, die ohne ihre Stelle ge\u00e4ndert zu haben, schnell wieder verschwinden, und schwarze Punkte zur\u00fccklassen, die ebenso schnell wieder vergehen. Wendete er, w\u00e4hrend die Lichtpunkte hervorspringen, das Auge gegen eine stark verdunkelte Stelle, oder schloss er es, so setzte sich die Erscheinung auf gleiche Weise fort, nur in einem gemilderten Lichte, als w\u00fcrden durch das erste Hinsehen die Punkte nur entz\u00fcndet, und glimmten dann f\u00fcr sich allein ab. Ich selbst habe ebenfalls h\u00e4ufig solche vereinzelte lichte Punkte, die nicht Nachbilder sein konnten, weil entsprechende kleine helle Gegenst\u00e4nde im Gesichtsfelde fehlten,' und die dunklen Nachbilder zur\u00fcckliessen, zuf\u00e4llig gesehen, aber meist nur einen auf ein Mal, und im Ganzen selten sich wiederholend.\nHierher geh\u00f6rt ferner Purkinje\u2019s Kreuzspinnengewebefigur 3 aus lichten r\u00f6th-lichen Linien auf rothem Grunde gebildet, die das Gewebe einer Kreuzspinne bald einfacher, bald complicirter nachbildete. Um die Figur gut zu sehen, hatte sich Purkinje so gelagert, dass die Strahlen der aufgehenden Sonne seine Augenlider treffen mussten. Beim Erwachen sah er hinter den geschlossenen Lidern die Figur.\nUeberhaupt ist das Werk von Purkinje ausserordentlich reich an subjectiven Beobachtungen \u00e4hnlicher Art, und wird noch lange eine Hauptfundgrube f\u00fcr \u00e4hnliche Beobachtungen bleiben. Aber viele von den Erscheinungen, die er beschreibt, sind von anderen Augen noch nicht wieder aufgefunden worden, und f\u00fcr diese bleibt es also vorl\u00e4ufig fraglich, ob sie nicht auf individuellen Eigenth\u00fcmlichkeiten seiner Organe beruhten 4.\n1\tBeobachtungen und Versuche I. 13i.\n2\tEbenda. I. 67.\t0 '\n3\tEbenda. II. 87,\n4\tSiehe noch die Erscheinungen in No. XXII des ersten, in No. IV, V, XV des zweiten Bandes seiner Beobachtungen und Versuche.","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 26.\nDIE WAHRNEHMUNGEN IM ALLGEMEINEN.\n427\nDritter Abschnitt.\nDie Lehre von den Gesichtswahrnehmungen.\n\u00a7\u25a0 26. Von den Wahrnehmungen im Allgemeinen.\nWir benutzen die Empfindungen, welche Licht in unserem Sehnervenapparate erregt, um uns aus ihnen Vorstellungen \u00fcber die Existenz, die Form und die Lage \u00e4usserer Objecte zu bilden. Dergleichen Vorstellungen nennen wir Gesichtswahrnehmungen. Wir haben in diesem dritten Abschnitte der physiologischen Optik auseinanderzusetzen, was sich bisher \u00fcber die Bedingungen, unter denen Gesichtswahrnehmungen zu Stande kommen, auf naturwissenschaftlichem Wege ermitteln liess.\nDa Wahrnehmungen \u00e4usserer Objecte also zu den Vorstellungen geh\u00f6ren, und Vorstellungen immer Acte unserer psychischen Th\u00e4tigkeit sind, so k\u00f6nnen auch die Wahrnehmungen immer nur verm\u00f6ge psychischer Th\u00e4tigkeit zu Stande kommen, und es geh\u00f6rt deshalb die Lehre von den Wahrnehmungen schon eigentlich dem Gebiete der Psychologie an, namentlich insofern hierbei die Art der darauf bez\u00fcglichen Seelenth\u00e4tigkeiten zu untersuchen ist, und deren Gesetze festzustellen sind. Doch bleibt der physikalisch-physiologischen Untersuchung auch hier ein weites Feld der Arbeit, insofern n\u00e4mlich festgestellt werden muss, und auf naturwissenschaftlichem Wege auch festgestellt werden kann, welche besonderen Eigenth\u00fcmlichkeiten der physikalischen Erregungsmittel und der physiologischen Erregung Veranlassung geben zur Ausbildung dieser oder jener besonderen Vorstellung \u00fcber die Art der wahrgenommenen \u00e4usseren Objecte. Wir werden also in dem vorliegenden Abschnitte zu untersuchen haben, an welche besonderen Eigenth\u00fcmlichkeiten der Netzhautbilder, der Muskelgef\u00fchle u. s. w. sich die Wahrnehmung einer bestimmten Lage des gesehenen Objects in Bezug auf Richtung und Entfernung ankn\u00fcpft, von welchen Besonderheiten der Bilder die Wahrnehmung einer nach drei Richtungen ausgedehnten k\u00f6rperlichen Form des Objects abh\u00e4ngt, unter welchen Umst\u00e4nden es mit beiden Augen gesehen einfach oder doppelt erscheint u. s. w. Unser Zweck ist also wesentlich nur das Empfindungsmaterial, welches zur Bildung von Vorstellungen Veranlassung giebt, in denjenigen Beziehungen zu untersuchen, welche f\u00fcr die daraus hergeleiteten Wahrnehmungen wichtig sind. Dieses Gesch\u00e4ft kann ganz nach naturwissenschaftlichen Methoden ausgef\u00fchrt werden. Wir werden dabei nicht vermeiden k\u00f6nnen von psychischen Th\u00e4tigkeiten und den Gesetzen derselben, so weit sie bei der sinnlichen Wahrnehmung in Betracht kommen, zu sprechen, aber wir werden die Ermittelung und Beschreibung dieser psychischen Th\u00e4tigkeiten nicht als einen wesentlichen Theil unserer vorliegenden Arbeit betrachten, weil wir dabei den Boden sicherer Thatsachen und einer auf allgemein anerkannte und klare Principien gegr\u00fcndeten Methode kaum w\u00fcrden festhalten k\u00f6nnen. So glaube ich wenigstens vorl\u00e4ufig, das Bereich des psychologischen Theils der Physiologie der Sinne gegen die reine Psychologie abgrenzen zu m\u00fcssen, deren wesentliche Aufgabe es ist, die Gesetze und Natur der Seelenth\u00e4tigkeiten, so weit dies m\u00f6glich ist, festzustellen.","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 26.\nDa indessen nicht ganz vermieden werden kann, von den in den Sinneswahrnehmungen wirksamen \u00e4eelenth\u00e4tigkeiten zu reden, wenn man einen \u00fcbersichtlichen Zusammenhang der Erscheinungen gewinnen, und die Thatsachen nicht unverbunden an einander reihen will, so will ich, um wenigstens Missverst\u00e4ndnisse meiner Meinung zu verh\u00fcten, im Anhang dieses Paragraphen auseinandersetzen, was ich \u00fcber die besagten Seelenth\u00e4tigkeiten folgern zu d\u00fcrfen glaube. Da indessen, wie die Erfahrung lehrt, in so\u2019 abstracten Folgerungen selten Uebereinstimmung zwischen den Menschen zu erzielen ist, und Denker vom gr\u00f6ssten Scharfsinn, namentlich Kant, schon l\u00e4ngst diese Verh\u00e4ltnisse richtig und in strengen Beweisen auseinandergesetzt haben, ohne dass sie eine dauernde und allgemeine Uebereinstimmung der Gebildeten dar\u00fcber zu Stande bringen konnten, so werde ich versuchen die sp\u00e4teren der Lehre von den Gesichtswahrnehmungen speciell gewidmeten Paragraphen von allen Ansichten \u00fcber Seelenth\u00e4tigkeit frei zu erhalten, welche in das Bereich der zwischen den verschiedenen philosophischen Schulen bisher und vielleicht f\u00fcr immer streitigen Punkte fallen, um nicht die f\u00fcr die Thatsachen zu gewinnende m\u00f6gliche Uebereinstimmung durch Streitigkeiten \u00fcber abstracte S\u00e4tze zu st\u00f6ren, welche in das uns vorliegende Gesch\u00e4ft nicht nothwendig hineingezogen zu werden brauchen.\nIch will hier nur zun\u00e4chst den Leser vorbereiten auf gewisse allgemeine Eigenth\u00fcmlichkeiten der in den Sinneswahrnehmungen wirksamen Seelenth\u00e4tigkeiten, welche uns bei der Behandlung der verschiedenen Gegenst\u00e4nde immer wieder begegnen werden, und in dem einzelnen Falle oft paradox und unglaublich erscheinen, wenn man sich nicht ihre allgemeine Bedeutung und ihre ausgedehnte Wirksamkeit klar gemacht hat.\nDie allgemeine Regel, durch welche sich die Gesichtsvorstellungen bestimmen, die wir bilden, wenn unter irgend welchen Bedingungen oder mit H\u00fclfe von optischen Instrumenten ein Eindruck auf das Auge gemacht worden ist, ist die, dass wir stets solche Objecte als im Gesichtsfelde vorhanden uns vorstellen, wie sie vorhanden sein m\u00fcssten, um unter den gew\u00f6hnlichen normalen Bedingungen des Gebrauchs unserer Augen denselben Eindruck auf den Nervenapparat hervorzubringen. Um ein Beispiel zu benutzen, von dem wir schon gesprochen haben, nehmen wir an, es sei der Augapfel am \u00e4usseren Augenwinkel mechanisch gereizt worden. Wir glauben dann eine Lichterscheinung in der Richtung des Nasenr\u00fcckens im Gesichtsfelde vor uns zu sehen. Wenn bei dem gew\u00f6hnlichen Gebrauche unserer Augen, wo sie durch von aussen kommendes Licht erregt werden, eine Erregung der Netzhaut in der Gegend des \u00e4usseren Augenwinkels zu Stande kommen soll, muss in der That das \u00e4ussere Licht von der Gegend des Nasenr\u00fcckens her in das Auge fallen. Es ist also der eben aufgestellten Regel gem\u00e4ss, dass wir in solchem Falle ein lichtes Object in die genannte Stelle des Gesichtsfeldes hinein versetzen, trotzdem der mechanische Reiz hierbei weder von vorn vom Gesichtsfelde her, noch von der Nasenseite des Auges, sondern im Gegentheil von der \u00e4usseren Fl\u00e4che des Augapfels und mehr von hinten her einwirkt. Wir werden im Folgenden die allgemeine G\u00fcltigkeit der gegebenen Regel in einer grossen Zahl von F\u00e4llen noch kennen lernen.","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 26.\nDIE SINNEST\u00c4USCHUNGEN.\n429\nDass in der Formulirung jener Regel der gew\u00f6hnliche Gebrauch des Auges, wo der Sehnervenapparat von \u00e4usserem Lichte erregt wird, und dieses \u00e4ussere Licht von den undurchsichtigen K\u00f6rpern, die es zuletzt auf seinem Wege getroffen hat, auf geradem Wege durch eine ununterbrochene Luftschicht in das Auge gelangt ist, als der normale Gebrauch des Organs bezeichnet ist, ist wohl dadurch gerechtfertigt, dass diese Art der Erregung in einer so ungeheuer \u00fcberwiegenden Zahl von F\u00e4llen stattfindet, dass alle anderen F\u00e4lle der Erregung, wo brechende oder spiegelnde Fl\u00e4chen den Gang der Lichtstrahlen ab\u00e4ndern, oder die Erregungen nicht durch \u00e4usseres Licht zu Stande kommen, als seltene Ausnahmen betrachtet werden k\u00f6nnen. Es ist dies eben dadurch bedingt, dass die Netzhaut im Hintergrund des festen Augapfels vor allen anderen reizenden Einwirkungen ziemlich vollst\u00e4ndig gesch\u00fctzt und nur dem \u00e4usseren Lichte leicht zug\u00e4nglich ist. Wenn \u00fcbrigens die Anwendung eines optischen Instruments, z. B. einer Brille, durch fortdauernden Gebrauch zur Norm gemacht wird, so acconnnodirt sich auch die Deutung der Gesichtsbilder bis zu einem gewissen Grade diesen ver\u00e4nderten Umst\u00e4nden.\nDie aufgestellte Regel entspricht \u00fcbrigens einer allgemeinen Eigent\u00fcmlichkeit aller Sinneswahrnehmungen, nicht blos des Gesichts allein. Die Erregung der Tastnerven z, B. geschieht in der ungeheuer \u00fcberwiegenden Mehrzahl der F\u00e4lle durch Einwirkungen, welche die in der Hautfl\u00e4che gelegenen Endausbreitungen dieser Nerven treffen; nur ausnahmsweise werden die St\u00e4mme durch st\u00e4rkere Einwirkungen erregt werden k\u00f6nnen. Unserer oben gegebenen Regel entsprechend, werden deshalb alle Erregungen von Hautnerven, auch wenn sie deren Stamm, oder selbst das centrale Ende treffen, in der Wahrnehmung an die entsprechende peripherische Hautfl\u00e4che verlegt. Die auffallendsten und \u00fcberraschendsten F\u00e4lle solcher T\u00e4uschung sind diejenigen, wo die entsprechende peripherische Hautfl\u00e4che gar nicht mehr existirt, z. B. bei Leuten, denen ein Bein amputirt ist. Solche glauben oft noch lange Zeit nach der Operation sehr lebhafte Empfindungen in dem abgeschnittenen Fusse zu haben. Sie f\u00fchlen genau, welche Stellen dieses oder jenes Zehen schmerzen. Die Erregung kann hier nat\u00fcrlich nur den noch bestehenden Stumpf des Nervenstammes treffen, dessen F\u00e4den ehemals nach den abgeschnittenen Zehen hinliefen, und meistens ist es wohl das Ende des Nerven in der Narbe, welches durch \u00e4usseren Druck oder die Contraction des Narbengewebes gereizt wird. Zuweilen werden des Nachts die Empfindungen in der fehlenden Extremit\u00e4t so lebhaft, dass die Leute hin-f\u00fchlen m\u00fcssen, um sich zu \u00fcberzeugen, dass ihre Extremit\u00e4t ihnen wirklich fehlt.\nIn solchen F\u00e4llen ungew\u00f6hnlicher Erregungsweise der Sinnesorgane werden also unrichtige Vorstellungen von den Objecten gebildet, und man hat solche F\u00e4lle deshalb fr\u00fcher mit dem Namen der Sinnest\u00e4uschungen belegt. Es ist klar, dass es in solchen F\u00e4llen nicht eine unrichtige Th\u00e4tigkeit des Sinnesorgans und des dazu geh\u00f6rigen Nervenapparats ist, welche die T\u00e4uschung hervorbringt. Beide k\u00f6nnen nicht anders als nach den Gesetzen wirken, welche ein f\u00fcr alle Mal ihre Th\u00e4tigkeit beherrschen. Es ist vielmehr nur eine T\u00e4uschung in der Beurtheilung des dargebotenen Materials von Sinnesempfindungen, wodurch eine falsche Vorstellung entsteht.","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430\nDRITTTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 26.\nDie psychischen Th\u00e4tigkeiten, durch welche wir zu dem Urtheile kommen, dass ein bestimmtes Object von bestimmter Beschaffenheit an einem bestimmten Orte ausser uns vorhanden sei, sind im Allgemeinen nicht bewusste Tli\u00e4tigkeiten, sondern unbewusste. Sie sind in ihrem Resultate einem Schl\u00fcsse gleich, insofern wir aus der beobachteten Wirkung auf unsere Sinne die Vorstellung von einer Ursache dieser Wirkung gewinnen, w\u00e4hrend wir in der That direct doch immer nur die Nervenerregungen, also die Wirkungen wahrnehmen k\u00f6nnen, niemals die \u00e4usseren Objecte. Sie erscheinen aber von einem Schl\u00fcsse \u2014 dieses Wort in seinem gew\u00f6hnlichen Sinne genommen \u2014 dadurch unterschieden, dass ein solcher ein Act des bewussten Denkens ist. Dergleichen wirkliche bewusste Schl\u00fcsse sind es zum Beispiel, wenn ein Astronom aus den perspectiviscben Bildern, welche ihm die Gestirne in verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Punkten der Erdbahn aus dargeboten haben, die Lage derselben im .Weltraum, ihre Entfernung von der Erde u. s. w. berechnet. Der Astronom st\u00fctzt seine Schl\u00fcsse auf eine bewusste Kenntniss der S\u00e4tze der Optik Eine solche Kenutniss der Optik fehlt bei den gew\u00f6hnlichen Acten des Sehens. Indessen mag es erlaubt sein, die psychischen Acte der gew\u00f6hnlichen Wahrnehmung als unbewusste Schl\u00fcsse zu bezeichnen, da dieser Name sie hinreichend von den gew\u00f6hnlich so genannten bewussten Schl\u00fcssen unterscheidet, und wenn auch die Aehnlichkeit der psychischen Th\u00e4tigkeit in beiden bezweifelt worden ist, und vielleicht auch bezweifelt werden wird, doch die Aehnlichkeit der Resultate solcher unbewussten und der bewussten Schl\u00fcsse keinem Zweifel unterliegt.\nDie bezeichneten unbewussten Schl\u00fcsse von der Sinnesempfindung auf deren Ursache sind nun in ihren Resultaten den sogenannten Analogieschl\u00fcssen congruent. Weil in einer millionenfachen Ueberzahl von F\u00e4llen die Erregung der 'Netzhautstellen am \u00e4usseren Augenwinkel von \u00e4usserem Lichte herr\u00fchrte, welches von der Gegend des Nasenr\u00fcckens her in das Auge fiel, urtheilen wir, dass es auch in jedem neu eintretenden Falle so sei, wo die genannte Netzhautstelle erregt wird, ebenso, wie wir behaupten, dass jeder einzelne jetzt lebende Mensch sterben werde, weil bisher die Erfahrung ergeben hat, dass alle fr\u00fcher lebenden Menschen gestorben sind.\nJene unbewussten Analogieschl\u00fcsse treten aber ferner, eben weil sie nicht Acte des freien bewussten Denkens sind, mit zwingender Nothwendigkeit auf, und ihre Wirkung kann nicht durch bessere Einsicht in den Zusammenhang der Sache aufgehoben werden. Wir m\u00f6gen noch so gut einsehen, auf welche Weise die Vorstellung von einer Lichterscheinung im Gesichtsfelde zu Stande kommt, wenn das Auge gedr\u00fcckt wird, doch werden wir dadurch die Ueberzeugung, dass diese Lichterscheinung in der bestimmten Stelle des Gesichtsfeldes vorhanden sei, nicht fortschaffen, und nicht die Anschauung von einer Lichterscheinung am Orte der gereizten Netzhautstelle zu Stande bringen k\u00f6nnen. Dasselbe ist der Fall bei allen Bildern, welche uns optische Instrumente zeigen.\nObgleich nun andererseits vielf\u00e4ltige Beispiele daf\u00fcr vorliegen, wie fest und unausweichlich Vorstellungsverbindungen durch h\u00e4ufige Wiederholung werden, selbst wenn sie nicht auf nat\u00fcrlicher Verbindung beruhen, sondern nur auf verabredetem Uebereinkommen z. B. zwischen den geschriebenen Buchstaben eines","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 26.\nSCHWIERIGKEIT DER BEOBACHTUNG SUBJEGTIVER EMPFINDUNGEN.\n431\nWortes, dem Klange und der Bedeutung desselben, so pflegt doch die Verbindung der Sinnesempfindung mit der Vorstellung vom Objecte derselben vielen Physiologen und Psychologen so fest und zwingend zu erscheinen, dass sie wenig geneigt sind, anzuerkennen, dass diese Verbindung, wenigstens grossentheils, auf erworbener Erfahrung, also auf psychischer Tb\u00e4tigkeit beruhe, dass sie im Gegentheil nach einer mechanischen Entstehungsweise derselben durch vorgebildete organische Structuren suchten. In dieser Beziehung sind nun alle diejenigen Erfahrungen von grosser Bedeutung, welche nachweisen, wie durch Erfahrung und Ein\u00fcbung, die unter ver\u00e4nderten Umst\u00e4nden angestellt sind, die Beurtheilung der Sinnesempfindungen ver\u00e4ndert und den neuen Bedingungen angepasst werden kann, so dass man theils lernt, Einzelheiten der Empfindung, die sonst nicht beachtet werden, und keine Anschauung vom Object erzeugen, f\u00fcr eine solche nutzbar zu machen, andererseits auch die neu eintretende Gew\u00f6hnung so weit gehen kann, dass das betreffende Individuum in die alten urspr\u00fcnglich normalen Zust\u00e4nde zur\u00fcckversetzt nun Sinnest\u00e4uschungen anheim f\u00e4llt.\nDergleichen Tbatsachen lassen den ausgedehnten Einfluss erkennen, welchen Erfahrung, Ein\u00fcbung und Gew\u00f6hnung auf unsere Wahrnehmungen haben. Wie weit ihr Einfluss aber wirklich geht, dies vollst\u00e4ndig und gen\u00fcgend abzugrenzen m\u00f6chte vor der Hand unm\u00f6glich sein; an neugeborenen Kindern und Thieren l\u00e4sst sich wenig genug ermitteln, und die Deutung der an ihnen gemachten Beobachtungen ist \u00e4usserst zweifelhafter Art; ausserdem kann man den Neuge-bornen nicht einmal Erfahrung und Uebung in Tastempfindungen und K\u00f6rperbewegungen ganz absprechen. Ich habe deshalb der oben hingestellten Regel eine Form gegeben, welche der Entscheidung dieser Frage nicht vorgreift, und sich nur \u00fcber das Resultat ausspricht, so dass sie auch von solchen Lesern angenommen werden kann, welche sich ganz andere Ideen \u00fcber das Zustandekommen der Vorstellungen von Objecten der Aussenwelt machen.\nEine zweite allgemeine Eigenth\u00fcmlichkeit unserer Sinneswahrnehmungen ist die, dass wir auf unsere Sinnesempfindungen nur so weit leicht und genau aufmerksam werden, als wir sie f\u00fcr die Erkenntniss \u00e4usserer Objecte verwerthen k\u00f6nnen, dass wir dagegen von allen denjenigen Theilen der Sinnesempfindungen zu abstrahiren gew\u00f6hnt sind, welche keine Bedeutung f\u00fcr die \u00e4usseren Objecte haben, so dass meistentheils eine besondere Unterst\u00fctzung und Ein\u00fcbung f\u00fcr die Beobachtung dieser letzteren, subjectiven Empfindungen nothwendig ist. W\u00e4hrend nichts leichter erscheint, als sich seiner eigenen Sinnesempfindungen bewusst zu werden, lehrt die Erfahrung, dass zur Entdeckung der subjectiven Empfindungen oft genug entweder besonderes Talent n\u00f6thig ist, wie es Purkinje im h\u00f6chsten Grade bew\u00e4hrt hat, oder Zufall, oder theoretische Speculation. So sind zum Beispiel die Erscheinungen des blinden Flecks von Mariotte auf theoretischem Wege gefunden, ebenso von mir im Gebiete des Geh\u00f6rs die Existenz derjenigen Combinationst\u00f6ne, welche ich Summationst\u00f6ne genannt habe. In der \u00fcberwiegenden Zahl der F\u00e4lle ist es wohl der Zufall gewesen, welcher Beobachtern, deren Aufmerksamkeit auf subjective Erscheinungen besonders gerichtet war, bald diese bald jene zugef\u00fchrt hat; nur da wo die subjectiven Erscheinungen so","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u25a0 26.\nintensiv werden, dass sie die Wahrnehmung der Objecte st\u00f6ren, fallen sie allen Menschen auf. Sind die Erscheinungen erst einmal gefunden, su ist es meist leichter auch f\u00fcr andere Beobachter, die sich in die richtigen Bedingungen der Beobachtung setzen, und ihre Aufmerksamkeit darauf richten, sie wahrzunehmen. Aber in vielen F\u00e4llen, z. B. bei den Erscheinungen des blinden Flecks, bei der Scheidung der Obert\u00f6ne und Combinationst\u00f6ne von den Grundt\u00f6nen musikalischer Kl\u00e4nge u. s. w. wird eine so angestrengte Anspannung der Aufmerksamkeit verlangt, selbst bei zweckm\u00e4ssig angewendeten \u00e4usseren Hiilfsinitteln, dass die Versuche vielen Personen nicht gelingen wollen. Selbst die Nachbilder heller Objecte werden von den meisten Personen anfangs nur bei besonders g\u00fcnstigen \u00e4usseren Umst\u00e4nden wahrgenommen, erst nach \u00f6fterer Uebung lernt man auch die schw\u00e4cheren Bilder dieser Art sehen. Eine gew\u00f6hnlich vorkommende hierher geh\u00f6rige Erfahrung ist die, dass Leute, welche an irgend welcher Augenkrankheit leiden, die ihnen das Sehen erschwert, pl\u00f6tzlich die fliegenden M\u00fccken bemerken, welche sie schon w\u00e4hrend ihres ganzen .Lebens im Glask\u00f6rper gehabt haben, und sich nun fest einbilden, diese K\u00f6rperchen seien erst seit der Erkrankung ihres Auges aufgetreten, w\u00e4hrend in der That der Patient durch die Erkrankung auf seine Gesichtserscheinungen nur aufmerksamer geworden ist. Auch kommen wohl F\u00e4lle vor von allm\u00e4liger Erblindung eines Auges, womit die Patienten eine unbestimmte Zeit herumgegangen sind, ohne es zu bemerken, bis sie zuf\u00e4llig einmal das gesunde Auge allein schliessen, und die Blindheit des anderen bemerken.\nSehr gew\u00f6hnlich wundern sich die Leute, welche man zuerst auf die hinocularen Doppelbilder aufmerksam macht, ungemein dar\u00fcber, dass sie sie sonst nicht bemerkt haben, trotzdem sie in jedem Augenblicke ihres Lebens fortdauernd nur eine kleine Zahl von Gegenst\u00e4nden, die ungef\u00e4hr in gleicher Entfernung vom Auge wie der jedesmalige Fixationspunkt liegen, einfach gesehen haben, die gr\u00f6ssere Mehrzahl aber, n\u00e4mlich s\u00e4mmtliche ferneren und n\u00e4heren Gegenst\u00e4nde doppelt.\nWir m\u00fcssen also erst lernen, unseren einzelnen Empfindungen die Aufmerksamkeit zuzuwenden, und wir lernen dies f\u00fcr gew\u00f6hnlich nur f\u00fcr die Empfindungen, die uns als Mittel zur Erkenntniss der Aussenwelt dienen. Nur zu diesem Zwecke haben die Sinnesempfiudungen eine Wichtigkeit f\u00fcr uns im gew\u00f6hnlichen Leben, die subjectiven Empfindungen sind meist nur f\u00fcr die wissenschaftlichen Untersuchungen interessant; wenn sie beim gew\u00f6hnlichen Gebrauche der Sinne bemerkt werden, k\u00f6nnen sie nur st\u00f6rend eingreifen. W\u00e4hrend wir deshalb in 4er objectiven Beobachtung einen ausserordentlichen Grad von Feinheit und Sicherheit erreichen, erlangen wir diesen f\u00fcr die subjectiven Beobachtungen nicht nur nicht, sondern wir erlangen sogar in einem hohen Grade die F\u00e4higkeit diese zu \u00fcbersehen, und uns in der Beurtheilung der Objecte von ihnen unabh\u00e4ngig zu erhalten, selbst wo sie sich durch ihre St\u00e4rke leicht genug bemerklich machen k\u00f6nnten.\nDas allgemeinste Kennzeichen der subjectiven Gesichtserscheinungen scheint namentlich in ihrer Bewegung mit dem Auge zugleich \u00fcber das Gesichtsfeld hin zu liegen. So bewegen sich die Nachbilder, die fliegenden M\u00fccken, der blinde","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 20.\nSCHWIERIGKEIT DER BEOBACHTUNG SUBJECTIVER EMPFINDUNGEN.\n433\nFleck, der Licht\u00e4taub des dunklen Feldes mit dem Auge fort, und decken sich nach einander mit den verschiedensten ruhenden Objecten des Gesichtsfeldes. Wenn dagegen dieselben Erscheinungen immer wieder an denselben Stellen des Gesichtsfeldes auftreten, werden sie f\u00fcr objectiv und den Gegenst\u00e4nden anhaftend gehalten, wie das der Fall ist bei den Contrasterscheinungen, welche durch Nachbilder entstehen.\nDieselbe Schwierigkeit, welche wir finden, Empfindungen subjectiver Art zu beobachten, d. h. solche, welche durch innere Ursachen hervorgerufen sind, dieselbe tritt auch ein, wenn zusammengesetzte Empfindungen, welche stets in derselben Verbindung durch irgend ein einfaches Object erregt werden, in ihre einzelnen Bestandtheile aufgel\u00f6st werden sollen. In solchen F\u00e4llen lehrt uns die Erfahrung ein zusammengesetztes Aggregat von Empfindungen als das Zeichen f\u00fcr ein einfaches Object kennen, und gew\u00f6hnt den Empfindungscomplex als ein zusammengeh\u00f6riges Ganze zu betrachten, verm\u00f6gen wir in der Regel nicht ohne \u00e4ussere Hilfe und Unterst\u00fctzung uns der einfachen Bestandtheile. eines solchen bewusst zu werden. Beispiele dieser Art werden wir im Folgenden viele kennen lernen. Die Wahrnehmung der Richtung zum Beispiel, in welcher sich ein Object vom Auge befindet, beruht auf der Combination derjenigen Empfindungen, nach denen wir die Stellung des Auges beurtheilen, und der Unterscheidung derjenigen Netzhauttheile, welche vom Lichte getroffen sind, von den nicht getroffenen. Die Wahrnehmung der k\u00f6rperlichen Form eines nach drei Dimensionen ausgedehnten Objects beruht auf der Combination zweier verschiedener perspectivischer Ansichten von beiden Augen. Die scheinbar einfache Qualit\u00e4t des Glanzes einer Fl\u00e4che beruht auf verschiedener F\u00e4rbung oder Helligkeit ihres Bildes in beiden Augen. Es sind diese S\u00e4tze theoretisch gefunden, und k\u00f6nnen durch passende Versuche erwiesen werden, aber es ist meist sehr schwer, oft unm\u00f6glich, durch directe Beobachtung und Analyse der Empfindungen allein dies zu finden. Selbst bei viel zusammengesetzteren Empfindungen, die nur h\u00e4ufig wiederkehrenden zusammengesetzten Objecten entsprechen, wird die Analyse der Empfindung durch blosse Beobachtung desto schwerer, je h\u00e4ufiger dieselbe Zusammensetzung wiedergekehrt ist, und je mehr wir uns gew\u00f6hnt haben, sie als das normale Zeichen der wirklichen Beschaffenheit des Objects zu betrachten. Als Beispiel dazu m\u00f6ge die bekannte Erfahrung dienen, dass die Farben einer Landschaft viel gl\u00e4nzender und bestimmter heraustreten, wenn man sie bei schiefer oder umgekehrter Lage des Kopfes betrachtet, als bei der gew\u00f6hnlichen aufrechten Haltung. Bei der gew\u00f6hnlichen Art der Beobachtung suchen wir nur die Objecte als solche richtig zu beurtheilen. Wir wissen, dass gr\u00fcne Fl\u00e4chen von einer gewissen Entfernung in etwas ver\u00e4ndertem Farbenton erscheinen; wir gew\u00f6hnen uns von dieser Ver\u00e4nderung abzusehen, und lernen das ver\u00e4nderte Gr\u00fcn ferner Wiesen und B\u00e4ume doch mit der entsprechenden Farbe naher Objecte zu identificiren. Bei sehr fernen Objecten, fernen Bergreihen bleibt von der K\u00f6rperfarbe wenig zu erkennen, sie wird meist durch die Farbe der erleuchteten Luft \u00fcberdeckt. Diese unbestimmt blaugraue Farbe, an welche nach oben das helle blaue Feld des Himmels oder das rothgelbe der Abendbeleuchtung, nach unten das lebhafte\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t, 28","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u25a0 2G.\nGr\u00fcn der Wiesen und W\u00e4lder grenzt, ist Ver\u00e4nderungen durch den Contrast sehr ausgesetzt. Es ist f\u00fcr uns die unbestimmte und wechselnde Farbe der Ferne, deren Unterschied zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Beleuchtungen wir wohl genauer beachten, w\u00e4hrend wir ihre wahre Beschaffenheit nicht bestimmen, da wir sie auf kein bestimmtes Object zu \u00fcbertragen haben, und wir eben ihre wechselnde Beschaffenheit kennen. So wie wir uns aber in ungew\u00f6hnliche Umst\u00e4nde versetzen, z. B. unter dem Arme oder zwischen den Beinen durchsehen, so erscheint uns die Landschatt als ein plattes Bild, ; theils wegen der ungew\u00f6hnlichen Lage ihres Bildes im Auge, theils weil die i binoculare Beurtheilung der Entfernung, wie wir unten sehen werden, unge- | nauer wird. Ja es kommt wohl vor, dass bei umgekehrtem Kopfe die Wolken : richtige Perspective bekommen, w\u00e4hrend die Objecte der Erde als ein Gem\u00e4lde I auf senkrechter Fl\u00e4che erscheinen, wie sonst die Wolken am Himmel. Damit verlieren auch die Farben ihre Beziehung zu nahen oder fernen Objecten, und .treten uns nun rein in ihren eigenth\u00fcmlichen Unterschieden entgegen '. Da erkennen wir denn ohne M\u00fche, dass das unbestimmte Blaugrau der weiten Ferne oft ziemlich ges\u00e4ttigtes Violett ist, dass das Gr\u00fcn der Vegetation stufenweise durch Blaugr\u00fcn und Blau in jenes Violett \u00fcbergeht u. s. w. Dieser ganze Unterschied scheint mir nur darauf zu beruhen, dass wir die Farben nicht mehr als Zeichen f\u00fcr die Beschaffenheit von Objecten betrachten, sondern nur noch als verschiedene Empfindungen, und wir deshalb ihre eigenth\u00fcmlichen Unterschiede, unbeirrt durch andere R\u00fccksichten genauer auffassen.\nWie sehr wir durch die Beziehung der Empfindungen auf \u00e4ussere Objecte an der Perception der einfachsten Verh\u00e4ltnisse der Empfindungen selbst gest\u00f6rt werden, wird sich namentlich auch in der Schwierigkeit zeigen, mit der wir die binocularen Doppelbilder wahrnehmen, wenn dieselben als Bilder ein und desselben \u00e4usseren Objects aufgefasst werden k\u00f6nnen.\nDie gleichen Erfahrungen k\u00f6nnen wir im Gebiete anderer Sinnesempfindungen in gleicher Weise machen. Die Empfindung der Klangfarbe eines Schalls ist, wie ich anderw\u00e4rts 2 gezeigt habe, zusammengesetzt aus einer Reihe von Empfindungen seiner einzelnen Partialt\u00f6ne (Grundton und harmonische Obert\u00f6ne), aber es ist ausserordentlich schwer, die zusammengesetzte Empfindung des Klanges in diese ihre Bestandtheile aufzul\u00f6sen. Die Tastempfindung des Nassen ist zusammengesetzt aus der der K\u00e4lte und des leichten Gleitens \u00fcber die Oberfl\u00e4che. Wenn wir deshalb unvermuthet ein kaltes glattes Metallst\u00fcck ber\u00fchren, glauben wir oft etwas Nasses ber\u00fchrt zu haben. Beispiele dieser Art w\u00fcrden sich noch viele h\u00e4ufen lassen. Sie alle zeigen, dass wir ausserordentlich gut einge\u00fcbt sind, aus unseren Sinnesempfindungen die objectiven Beschaffenheiten der Objecte der Aussenwelt zu ermitteln, in der Beobachtung unserer Empfindungen an sich aber vollst\u00e4ndig unge\u00fcbt, und dass uns die eingeiibte Beziehung auf die Aussenwelt sogar hindert, die reinen Empfindungen uns deutlich zum Bewusstsein zu bringen.\n' meselbe Erkl\u00e4rung bei O. N. Rood, in Sillimim Journal (2) XXXII. p. 184\u2014183. 1861. Helmholtz die Lehre von den Tonemp\u00fcndungen. Braunschweig. 1862.","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 26.\n\u00dcBEREINSTIMMUNG ZWISCHEN VORSTELLUNG UND OBJECT.\n435\nAuch ist dies nicht blos f\u00fcr die qualitativen Unterschiede der Empfindunggeltend, es gilt ebenso f\u00fcr die Wahrnehmung r\u00e4umlicher Verh\u00e4ltnisse. Die Bewegung eines gehenden Menschen zum Beispiel ist uns eia vertrauter und gewohnter Anblick. Wir betrachten sie als zusammenh\u00e4ngendes Ganze, und werden uns h\u00f6chstens ihrer auffallendsten Einzelheiten bewusst. Es geh\u00f6rt grosse Aufmerksamkeit dazu, und eine besondere Wahl des Gesichtspunkts, um die senkrechten und seitlichen Schwankungen des K\u00f6rpers eines Gehenden zu erkennen. Wir m\u00fcssen passend gelegene Punkte oder Linien des Hintergrunds w\u00e4hlen, mit dem wir die Lage seines Kopfes vergleichen. Man betrachte aber einmal ferne gehende Menschen durch ein astronomisches Fernrohr, welches umgekehrte Bilder zeigt, welch ein seltsames H\u00fcpfen und Wiegen des K\u00f6rpers die Gehenden hervorbringen. Dabei hat man gar keine Schwierigkeiten mehr, die einzelnen Schwankungen des K\u00f6rpers und manche andere Einzelheiten des Ganges, namentlich auch die individuellen Verschiedenheiten und deren Grund zu erkennen, nur weil dieser Anblick nicht mehr der allt\u00e4glich gewohnte ist. Dagegen tritt im umgekehrten Bilde der Charakter des Ganges, ob er leicht oder schwerf\u00e4llig, w\u00fcrdevoll oder aninuthig ist, nicht mehr so gut hervor, wie im aufrechten.\nEs kann unter diesen Umst\u00e4nden oft recht schwer werden, zu beurtheilen, was in unseren durch den Gesichtssinn gewonnenen Anschauungen unmittelbar durch die Empfindung, und was im Gegentheil durch Erfahrung und Ein\u00fcbung bedingt ist. An diese Schwierigkeit kn\u00fcpft sich auch der haupts\u00e4chlichste prin-cipielle Gegensatz, welcher zwischen verschiedenen Forschern in diesem Gebiete besteht. Die einen sind geneigt, dem Einfluss der Erfahrung einen m\u00f6glichst breiten Spielraum einzur\u00e4umen, namentlich alle Raumanschauung daraus herzuleiten; wir k\u00f6nnen diese Ansicht als die empiristische Theorie bezeichnen. Die andern m\u00fcssen allerdings den Einfluss der Erfahrung f\u00fcr eine gewisse Reihe von Wahrnehmungen zugeben, glauben aber f\u00fcr gewisse bei allen Beobachtern gleichf\u00f6rmig eintretende elementare Anschauungen ein System von angeborenen und nicht auf Erfahrung begr\u00fcndeten Anschauungen, namentlich der Raumverh\u00e4ltnisse, voraussetzen zu m\u00fcssen. Wir d\u00fcrfen diese letztere Ansicht im Gegensatz zur ersteren wohl als die nativistische Theorie der Sinneswahrnehmungen bezeichnen.\nIn diesem Streite sind, wie ich glaube, folgende Grunds\u00e4tze festzuhalten.\nWenn wir den Namen der Vorstellung beschr\u00e4nken auf das Erinnerungsbild von Gesichtsobjecten, welches von keinen gegenw\u00e4rtigen sinnlichen Empfindungen begleitet ist, den der Anschauung auf die von den bez\u00fcglichen sinnlichen Empfindungen begleitete Wahrnehmung, den der Perception auf eine solche Anschauung, in der nichts enthalten ist, was nicht aus den unmittelbar gegenw\u00e4rtigen sinnlichen Empfindungen hervorgeht, also eine Anschauung, wie sie auch ohne alle Erinnerung an fr\u00fcher Erfahrenes sich bilden k\u00f6nnte, so ist zun\u00e4chst klar, dass ein und dieselbe Anschauung in sehr verschiedenem Maasse von den entsprechenden sinnlichen Empfindungen begleitet sein kann, dass also Vorstellung und Perception in den verschiedensten Verh\u00e4ltnissen sich zur Anschauung verbinden k\u00f6nnen.\n28 *","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNtlEN.\n\u00a7. 26.\nWenn ich mich in einem bekannten Zimmer befinde bei hellem Sonnenschein, so habe ich eine von sehr energischen Empfindungen reichlich begleitete Anschauung. In demselben Raum werde ich Abends in der D\u00e4mmerung nur die helleren Objecte erkennen k\u00f6nnen, namentlich die Fenster, aber was ich wirklich noch erkenne, schmilzt mit meinen Ged\u00e4chtnissbildern, die das Zimmer betreffen, so zusammen, dass ich immer noch im Stande sein werde, mich in demselben sicher umher zu bewegen und Gegenst\u00e4nde, die ich suche, zu finden, selbst wenn ich von ihnen nur ein schattenhaftes Bild erhaschen kann, was ohne meine vorg\u00e4ngige Kenntniss durchaus ungen\u00fcgend w\u00e4re, sie zu erkennen. Endlich kann ich mich in demselben Raume in absolutem Dunkel befinden, und mich doch, verm\u00f6ge der Erinnerung an die fr\u00fcher von ihm erhaltenen Gesichtsbilder in ihm zurecht finden, so dass das Anschauungsbild durch immer weitere Beschr\u00e4nkung des sinnlichen Materials endlich auf das reine Vorstellungsbild zuf\u00fcckgef\u00fchrt werden und in dieses allm\u00e4lig \u00fcbergehen kann. Meine Bewegungen werden allerdings um so unsicherer, meine Anschauung um so ungenauer werden, je mehr das sinnliche Material entzogen wird, indessen wird kein eigentlicher Sprung stattfinden, sondern Empfindung und Erinnerung werden sich fortdauernd erg\u00e4nzen, nur in verschiedenem Maasse.\nAber selbst, wenn wir ein solches Zimmer bei vollem Sonnenschein beschauen, so zeigt eine leichte Ueberlegung, dass auch dann ein grosser Theil unseres Anschauungsbildes auf Momenten der Erinnerung und Erfahrung -beruhen mag. Unsere Gew\u00f6hnung an die perspectivischen Verziehungen der Bilder parallelepipedischer K\u00f6rper und an die Form der Schlagschatten ist bei der Beurtheilung seiner Form und Gr\u00f6sse von betr\u00e4chtlichem Einfl\u00fcsse, wie wir sp\u00e4ter sehen werden. Schliessen wir, w\u00e4hrend wir das Zimmer betrachten, ein Auge, so glauben wir es nicht weniger deutlich und bestimmt vor uns zu sehen, als mit zwei Augen, und doch w\u00fcrde uns nun genau dasselbe Gesichtsbild gegeben werden, wenn alle Punkte des Zimmers so verschoben w\u00fcrden, dass sie ihre Entfernung vom Auge beliebig \u00e4nderten, aber auf denselben Visir-linien blieben.\nW\u00e4hrend wir also in Wahrheit in einem solchen Falle eine \u00e4usserst vieldeutige sinnliche Erscheinung vor uns haben, geben wir ihr doch eine ganz bestimmte Auslegung, und es ist gar nicht leicht, sich dessen bewusst zu werden, dass das ein\u00e4ugige Bild eines solchen wohlbekannten Gegenstandes eine viel mangelhaftere Wahrnehmung bedingt, als das der beiden Augen. So ist es auch, wenn unge\u00fcbte Beobachter stereoskopische Photographien betrachten, oft g'enug schwer herauszubringen, ob sie die eigenth\u00fcmliche T\u00e4uschung, die das Instrument giebt, erkennen oder nicht.\nWir sehen also, wie hiebei die Erinnerungsbilder aus fr\u00fcheren Erfahrungen Zusammenwirken mit gegenw\u00e4rtigen Sinnesempfindungen, um -ein Anschauungsbild hervorzubringen, welches sich unserem Wahrnehmungsverm\u00f6gen mit zwingender Kraft aufdr\u00e4ngt, ohne dass darin f\u00fcr das Bewusstsein sich trennt, was durch Erinnerung, was durch gegenw\u00e4rtige Wahrnehmung gegeben ist.\nNoch schlagender ist der Einfluss des Verst\u00e4ndnisses der Sinnesempfindungen, wenn in einzelnen F\u00e4llen, namentlich bei unvollkommener Beleuchtung ein Ge-","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7, 26.\nEINFLUSS DER ERFAHRUNG.\n437\nsichtsbild im Anf\u00e4nge unverst\u00e4ndlich ist, weil wir ihm nicht die richtigen Tiefendimensionen zu geben wissen, wenn wir z. B. irgend ein fernes Licht f\u00fcr nah, oder ein nahes f\u00fcr fern halten. Pl\u00f6tzlich f\u00e4llt uns ein, was es ist, sogleich entwickelt sich unter dem Einfl\u00fcsse des richtigen Verst\u00e4ndnisses auch das richtige Anschauungsbild in seiner vollen Energie, und wir sind nicht im Stande, von diesem zu der fr\u00fcheren unvollkommenen Anschauung zur\u00fcckzukehren.\nSehr h\u00e4ufig kommt dies namentlich bei complicirten stereoskopischen Zeichnungen von Krystallformen und anderen vor, die in vollkommener sinnlicher Klarheit zur Anschauung kommen, sobald es gelungen ist, das richtige Ver-st\u00e4ndniss erst einmal zu gewinnen.\nDergleichen Erfahrungen, die jeder Leser gelegentlich gemacht haben wird, beweisen, dass die aus der Erfahrung hergeleiteten Momente in den Sinnes-wahrnehmungen sich mit eben solcher zwingenden Kraft geltend machen k\u00f6nnen, wie die aus gegenw\u00e4rtigen Empfindungen hergeleiteten, und es ist dies auch von allen den Beobachtern, die sich eingehend mit der Theorie der Sinneswahrnehmungen besch\u00e4ftigt haben, immer einger\u00e4umt worden, selbst von denen, welche geneigt sind, der Erfahrung so wenig Spielraum, als m\u00f6glich, einzur\u00e4umen.\nDaher muss jedenfalls die M\u00f6glichkeit zugegeben werden, dass auch in dem, was dem Erwachsenen als unmittelbare sinnliche Anschauung erscheint, noch eine Menge von einzelnen Momenten stecken, die in der That Product der Erfahrung sind, obgleich es vorl\u00e4ufig schwer ist, hier die Grenze zu ziehen.\nIch glaube nun, dass unsere bisherigen Erfahrungen uns berechtigen, den Satz aufzustellen, dass keine unzweifelhaft gegenw\u00e4rtige Empfindung durch einen Act des Verst\u00e4ndnisses beseitigt und \u00fcberwunden werden kann, sondern wenn wir auch noch so gut erkennen, dass dieselbe auf irgend eine anomale Weise zu Stande gekommen sei, so schwindet doch die Sinnest\u00e4uschung nicht durch das Verst\u00e4ndniss des Vorgangs. Wir k\u00f6nnen die Aufmerksamkeit von Empfindungen ablenken, namentlich, wenn es schwache und gewohnte Empfindungen sind, aber so wie wir auf diejenigen Verh\u00e4ltnisse der Aussenwelt merken, die mit diesen Empfindungen in Verbindung stehen, werden wir gezwungen sein, dieselben zu bemerken. So k\u00f6nnen wir die Temperaturempfindung unserer Haut, wenn sie nicht sehr lebhaft ist, und die Ber\u00fchrungsempfindungen, welche, unsere Kleider verursachen, vergessen, so lange wir uns mit ganz anderen Dingen besch\u00e4ftigen. So wie wir aber unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, ob es warm oder kalt sei, werden wir nicht im Stande sein, das Gef\u00fchl von W\u00e4rme in das von K\u00e4lte zu verwandeln, etwa, weil wir wissen, dass es her-r\u00fchrt von anstrengender Bewegung und nicht von der Temperatur der uns umgebenden Luft. Ebenso wenig schwindet der Lichtschein beim Druck auf das Auge durch bessere Einsicht in das Wesen des Processes, vorausgesetzt, dass wir unsere Aufmerksamkeit dem Gesichtsfelde zugewendet haben, und nicht etwa dem Ohre oder der Haut.\nAndererseits k\u00f6nnen wir auch vielleicht nicht im Stande sein, einen Em-pfindungseiudruck zu isoliren, weil er eingeht in das zusammengesetzte sinnliche Zeichen eines \u00e4usseren Objects. Dann zeigt aber die richtige Auffassung","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 26.\ndes Objects, dass die betreffende Empfindung percipirt und vom Bewusstsein verwendet worden ist.\nIch schliesse daraus, dass nichts in unseren Sinneswahrnehtnungen als Empfindung anerkannt werden kann, was durch Momente, die nachweisbar die Erfahrung gegeben hat, im Anschauungsbilde \u00fcberwunden und in sein Gegentheil verkehrt werden kann.\nWas also durch Erfahrungsmomente \u00fcberwunden werden kann,, werden wir selbst als Product der Erfahrung und Ein\u00fcbung zu betrachten haben. Es wird sich zeigen, dass wenn wir dieser Regel folgen, nur die Qualit\u00e4ten der Empfindung als wirkliche reine Empfindung zu betrachten sind, bei weitem die meisten Raumanschauungen aber als Product der Erfahrung und Ein\u00fcbung.\nDagegen folgt nicht, dass Anschauungen, die gegen unsere bessere bewusste Einsicht Stand halten und uns als Sinnest\u00e4uschungen stehen bleiben, nicht doch auf Erfahrung und Ein\u00fcbung beruhen k\u00f6nnten. Unsere Kenntniss der Farbenver\u00e4nderungen, welche die Tr\u00fcbung der Luft an fernen Gegenst\u00e4nden hervorbringt, der perspectivischen Verziehungen und des Schlagschattens beruht unzweifelhaft auf Erfahrung, und doch werden wir vor einem guten Landschaftsbilde den vollkommenen sinnlichen Eindruck der Ferne und der k\u00f6rperlichen Gestalt darauf befindlicher Geb\u00e4ude haben, trozdem wir wissen, dass alles auf die Leinwand gezeichnet ist.\nEbenso ist unsere Kenntniss des zusammengesetzten Klangs der Vocale jedenfalls aus der Erfahrung entnommen, und doch bekommen wir den sinnlichen Eindruck des Vocalklangs durch Zusammensetzung von einzelnen Stimmgabelt\u00f6nen, wie ich dies gezeigt habe, und fassen den Klang als ein Ganzes, obgleich wir wissen, dass er in diesem Falle wirklich zusammengesetzt ist.\nHier ist nun noch zu erl\u00e4utern, wie Erfahrung gegen Erfahrung auftreten, und wie T\u00e4uschung hervorgebracht werden k\u00f6nne durch Momente, die aus der Erfahrung hergeleitet sind, da es scheinen m\u00f6chte, als k\u00f6nnte die Erfahrung uns nur Wahres lehren. In dieser Beziehung m\u00fcssen wir n\u00e4her begrenzen, was oben schon angedeutet w\u00fcrde, dass wir n\u00e4mlich die Sinnesempfindungen so auslegen, wie sie bei ihrer normalen Erregungsweise und beim normalen Gebrauche der Sinnesorgane entstehen.\nWir \u00fcberlassen uns n\u00e4mlich nicht nur passiv den auf uns eindringenden Eindr\u00fccken, sondern wir beobachten, das heisst wir bringen unsere Organe in diejenigen Bedingungen, unter denen sie die Eindr\u00fccke am genausten unterscheiden k\u00f6nnen. Bei der Betrachtung eines eomplicirten Objects zum Beispiel richten wir nach einander unsere beiden m\u00f6glichst gut accommodirten Augen so, dass beide stets denjenigen Punkt, der unsere Aufmerksamkeit gerade auf sich lenkt, fixiren, das heisst auf der Stelle des deutlichsten Sehens abbilden, und lassen die Augen nach einander \u00fcber alle bemerkenswerthen Punkte des Objects wandern. Kommt es uns auch noch darauf an, die Gesammtgestalt des Objects und die Verh\u00e4ltnisse seiner Dimensionen m\u00f6glichst gut aufzufassen, so stellen wir uns so auf, dass wir ohne Bewegung des Kopfes mit den Blicken die ganze Fl\u00e4che \u00fcberlaufen k\u00f6nnen, und dass ausserdem diejenigen Dimensionen, welche wir vergleichen wollen, m\u00f6glichst symmetrisch gesehen werden. Wenn","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 20.\nEINFLUSS DER ERFAHRUNG.\n439\nwir also ein Object, welches, wie zum Beispiel ein Geb\u00e4ude, \u00fcberwiegend horizontale und verticale Linien darbietet, betrachten wollen, so stellen wir uns ihm nicht leicht anders, als so gegen\u00fcber, dass die Verbindungslinie der Drehungspunkte unserer Aug\u00e4pfel horizontal liegt. Diese Stellung unserer Augen k\u00f6nnen wir jeden Augenblick controlliren, indem-wir Doppelbilder auseinanderschieben; diese liegen in dem genannten Falle horizontal neben einander.\nWir w\u00e4hlen solche bestimmte Art zu sehen, unzweifelhaft, weil wir in dieser Weise am genausten beobachten und vergleichen k\u00f6nnen, und lernen demnach bei dieser Anwendung der Augen, die wir die normale nennen k\u00f6nnen, am besten unsere Sinnesempfindungen mit der Wirklichkeit vergleichen, und erhalten durch diese Methode also auch die richtigsten und genauesten Wahrnehmungen.\nWenn wir nun einmal aus Zwang oder Absicht eine andere Art des Be-trachtens der Objecte anwenden, sie also entweder nur indirect erblicken mit den Seiteutheilen der Netzhaut, oder nicht mit beiden Augen fixiren, oder mit dem Blicke nicht wandern, oder eine ungew\u00f6hnliche Kopfhaltung anwenden, so sind wir nicht im Stande, ebenso genaue Anschauungen zu bilden, wie beim normalen Gebrauche der Augen, und wir sind in solchem Falle in der Auslegung des Gesehenen nicht so ge\u00fcbt, wie in dem fr\u00fcheren Falle. Dadurch entsteht ein gr\u00f6sserer Spielraum in der Deutung, w\u00e4hrend wir doch in der Begel uns diese Unsicherheit in der Auslegung unserer Sinneswahrnehmungen nicht klar machen. Wenn wir ein Gesichtsobject vor uns sehen, so m\u00fcssen wir es in irgend eine bestimmte Stelle des Raums versetzen, wir k\u00f6nnen es nicht so anschauen, dass seine Lage zwischen verschiedenen Stellen des Raums zweifelhaft bliebe. Wenn nun keine Erinnerungen uns zu Hilfe kommen, so pflegen wir die Erscheinung so zu deuten, wie sie gedeutet werden m\u00fcsste, wenn wir bei der normalen und genausten Art des Beobachtens denselben Eindruck erhalten h\u00e4tten. So treten also gewisse T\u00e4uschungen in der Wahrnehmung ein, wenn wir den Blick den beachteten Gegenst\u00e4nden nicht zuwenden, sondern sie im seitlichen Theile des Gesichtsfeldes haben, oder wenn wir den Kopf sehr schief halten, oder wenn wir das Object nicht mit beiden Augen zugleich fixiren. Es ist ferner die Uebereinstimmung der Bilder auf beiden Netzh\u00e4uten am constan-testen und regelm\u00e4ssigsten, wenn wir ferne Objecte betrachten, uhd der Umstand, dass wir dabei in der Regel den horizontalen Fussboden im untern Theile des Gesichtsfeldes haben, scheint die Vergleichung der Sehfelder beider Augen in eigenthiimlicher Weise zu beeinflussen. So beurtheilen wir die Lage naher Objecte nicht ganz richtig, wenn wir sie mit merklich nach oben und unten geneigten Blicken betrachten, sondern deuten die dargebotenen Netzhautbilder dann gerade so, als w\u00e4ren sie bei geradeaus gerichteten Blicken entstanden, und so fort. Beispiele dieser Art werden wir viele finden. Wir sind eben auf die Deutung der Perceptionen nicht bei jeder Richtung der Augen gleich gut einge\u00fcbt, sondern nur f\u00fcr diejenigen, welche die genauesten und in sich am besten \u00fcbereinstimmenden Wahrnehmungen erlauben, und \u00fcbertragen auf alle F\u00e4lle, was wir in den letztgenannten F\u00e4llen gelernt haben.\nNun ist nicht selten die Aehniiclikeit eines solchen Gesichtseindruckes mit einem der m\u00f6glichen Eindr\u00fccke des normalen Beobachtens nicht so \u00fcberwiegend","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GKSICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 26.\nund schlagend, dass nicht mehrfache andere, Vergleichungen und dein entsprechende Deutungen jenes Eindrucks m\u00f6glich w\u00e4ren. In solchen F\u00e4llen schwankt die Auslegung entweder so, dass derselbe Beobachter nach einander bei unver\u00e4nderten Netzhautbildern verschiedene Anschauungsbilder vor sich sieht, in welchem Falle das Schwanken leicht zu erkennen ist, oder so, dass der eine Beobachter mehr der einen Vergleichung und Deutung zuneigt, ein anderer der anderen. Durch diesen Umstand ist viel Streit entstanden in der physiologischen Optik, weil jeder Beobachter geneigt war, seine Anschauung, die er bei m\u00f6glichst sorgf\u00e4ltiger Beobachtung erhielt, f\u00fcr die allein g\u00fcltige zu halten. Wenn wir aber zu den Beobachtern das Vertrauen haben d\u00fcrfen, dass sie sorgf\u00e4ltig und ohne Voreingenommenheit beobachtet haben und zu beobachten verstanden, so m\u00fcssen wir in solchen F\u00e4llen nicht eine von den sich entgegenstehenden Deutungen der Gesichtserscheinung als die allein richtige festhalten, wozu namentlich diejenigen geneigt sind, welche die Entstehung der Anschauungsbilder haupts\u00e4chlich aus angeborenen Momenten herzuleiten suchen. Man muss vielmehr als Thatsache anerkennen, dass- verschiedene Anschauungsbilder in einem solchen Falle entwickelt werden k\u00f6nnen, und vielmehr nach den Umst\u00e4nden suchen, die die Entscheidung f\u00fcr das eine oder andere geben.\nFreilich stossen wir hier auf eine Schwierigkeit, die in den andern Theilen der Naturwissenschaften nicht besteht; wir sind n\u00e4mlich in vielen solchen F\u00e4llen durchaus auf die Aussagen der einzelnen Beobachter beschr\u00e4nkt, ohne im Stande zu sein, sie durch eigne Beobachtung zu controlliren. Es zeigen sich in diesem Gebiete eine Menge Eigenth\u00fcmlichkeiten, vielleicht zum Theil durch den Bau der Augen, zum Theil durch die gew\u00f6hnte Art, die Augen zu gebrauchen, zum Theil auch wohl durch fr\u00fchere Eindr\u00fccke und Anschauungen bedingt. Solche Eigenth\u00fcmlichkeiten und ihre Folgen kann nat\u00fcrlich nur der beobachten, der sie besitzt, und kein anderer kann dar\u00fcber absprechen. Andererseits ist das Beobachten in diesem Gebiete gar nicht so leicht, wie man zun\u00e4chst meinen m\u00f6chte. Selbst nur das feste Fixiren eines Punktes f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit, w\u00e4hrend man im indirecten Sehen beobachtet, die Beherrschung der Aufmerksamkeit, die Abstraction von den gew\u00f6hnlichen objectivai Deutungen des Sinneseindrucks, die Sch\u00e4tzung der Farbenunterschiede und der r\u00e4umlichen Unterschiede im Gesichtsfelde, Alles diess erfordert grosse Uebung und eine Menge der hierher geh\u00f6rigen Thatsachen k\u00f6nnen deshalb nicht einmal ohne vorg\u00e4ngige lange Uebung in physiologisch-optischen Beobachtungen beobachtet werden, selbst nicht von M\u00e4nnern, die in anderen Arten von Beobachtungen wohl ge\u00fcbt sind. In vielen Punkten ist man also auf die Beobachtungen sehr weniger Individuen reducirt, und es wird deshalb bei abweichenden Beobachtungsresultaten eines Andern in diesem Gebiete viel schwerer, als in irgend einem andern, richtig zu beurtheilen, ob bei einer solchen Beobachtung nicht Nebeneinfl\u00fcsse mitgewirkt haben. Ich muss deshalb den Leser von vorn herein darauf aufmerksam machen, dass m\u00f6glicher Weise Vieles, was er in den folgenden Kapiteln etwa Neues finden wird, auf individuellen Eigenth\u00fcmlichkeiten meiner eigenen Augen beruhen mag, und ich konnte unter diesen Umst\u00e4nden eben nichts thun, als die Thatsachen,' wie sie meine eigenen Augen mir zeigen, m\u00f6glichst sorgf\u00e4ltig beobachten und","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 26.\nEINFLUSS DER ERFAHRUNG.\n441\nihren Zusammenhang zu ermitteln suchen. Wo andere Beobachter abweichendes gefunden haben, habe ich es bemerkt. Wie weit verbreitet aber die eine oder andere Art, des Sehens sei, wird erst die Zukunft lehren k\u00f6nnen.\nJe weniger \u00e4hnlich \u00fcbrigens die Gesichtseindr\u00fccke den normal vorkommenden sind, desto schwankender wird der Regel nach ihre Deutung, was bei der von mir durchgef\u00fchrten Ansicht sich als eine nat\u00fcrliche Consequenz ergiebt und wesentlich charakteristisch f\u00fcr die Wirksamkeit psychischer Einfl\u00fcsse ist.\nDa wir \u00fcberhaupt bisher von der Natur der psychischen Vorg\u00e4nge so gut, wie nichts wissen, sondern nur eine Reihe von Thatsachen kennen, wird es nicht auffallen , wenn wir auch von der Entstehung des Sinneswahrnehmuugen keine wirkliche Erkl\u00e4rung geben k\u00f6nnen. Die empiristische Theorie sucht nachzuweisen, dass zu ihrer Entstehung wenigstens keine andern Kr\u00e4fte noting sind, als die bekannten F\u00e4higkeiten unserer Seele, wenn auch diese selbst dabei' ganz unerkl\u00e4rt bleiben. Da es im Allgemeinen eine zweckm\u00e4ssige Regel f\u00fcr die naturwissenschaftliche Forschung ist, keine neuen Hypothesen zu machen, so lange die bekannten Thatsachen zur Erkl\u00e4rung ausreichend erscheinen und die Nothwendigkeit neuer Annahmen nicht erwiesen ist, so habe ich geglaubt, die empiristische Ansicht im Wesentlichen bevorzugen zu m\u00fcssen. Die nativistische Theorie giebt noch weniger eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr die Entstehung unserer Anschauungsbilder, indem sie mitten hineinspringt in die Sache mit der Annahme, dass gewisse r\u00e4umliche Anschauungsbilder direct erzeugt w\u00fcrden durch einen angeborenen Mechanismus, wenn gewisse Nervenfasern gereizt w\u00fcrden. In den \u00e4lteren Formen dieser Theorie wurde eine Selbstbeobachtung der Netzhaut vorausgesetzt, indem wir von der Form dieser Membran und der Lage der einzelnen Nervenenden in ihr angeborene Kenntniss haben sollten. In der neueren, namentlich von E. Hering durchgef\u00fchrten Form dieser Ansicht ist es ein vorgestellter subjectiver SeTiraum, in welchen die Empfindungen der einzelnen Netzhautfasern nach gewissen angeborenen Gesetzen eingetragen werden sollen. In dieser Theorie ist also nicht blos die I\u00ceANr\u2019sche Behauptung festgehalten, dass die allgemeine Raumanschauung eine urspr\u00fcngliche Form unseres Vorstellens sei, sondern es sind gewisse specieile Raumanschauungen als angeboren vorausgesetzt.\nDie naturalistische Ansicht ist auch wohl specieller Identit\u00e4tstheorie genannt worden, weil in ihr die vollst\u00e4ndige Verschmelzung der Eindr\u00fccke der correspon-direnden Stellen beider Netzh\u00e4ute behauptet werden muss. Die empiristische Theorie dagegen ist als Proj ectio nstheorie bezeichnet, weil nach derselben die Anschauungsbilder der Objecte mittels psychischer Vorg\u00e4nge in den Raum projicirt werden. Ich m\u00f6chte den Namen vermeiden, weil vielfach sowohl von Anh\u00e4ngern als Gegnern ungeb\u00fchrliche Wichtigkeit darauf gelegt worden ist, dass diese Projection in Richtung der Richtungslinien geschehen sollte, was jedenfalls nicht die richtige Bezeichnung des psychischen Vorgangs war, und auch, wenn man diese Construction nur f\u00fcr die physiologische Beschreibung des Vorgangs gelten lassen wollte, in sehr vielen F\u00e4llen unrichtig sein w\u00fcrde.\nIch erkenne an, dass bei dem gegenw\u00e4rtigen Stande der Wissenschaft eine Widerlegung der nativistischen Theorie nicht m\u00f6glich ist; ich selbst bevorzuge die entgegengesetzte Ansicht, weil die nativistische Theorie meines Erachtens:\n1)\teine nicht nothwendige Hypothese einf\u00fchrt,\n2)\tihre Consequenzen bisher noch immer r\u00e4umliche Anschauungsbilder ergeben, die nur in den wenigsten F\u00e4llen mit der Wirklichkeit und unseren unzweifelhaft vorhandenen richtigen Gesichtsbildern von derselben \u00fcbereinstimmen, wie sich dies sp\u00e4ter im Einzelnen zeigen wird. Die Anh\u00e4nger dieser Theorie sind","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 26.\ndeshalb gezwungen, die sehr missliche Annahme zu machen, dass die nach ihnen vorhandenen urspr\u00fcnglichen Baumenipfindungen fortdauernd durch unsere aus der Erfahrung gesammelten Kenntnisse verbessert und \u00fcberwunden werden. Nach der Analogie aller anderen Erfahrungen m\u00fcssten wir aber erwarten, dass die \u00fcberwundenen Empfindungen dann wenigstens der Anschauung gegenw\u00e4rtig blieben, wenn auch als anerkannte Trugbilder. Das ist aber nicht der Fall,\n3) ist nicht einzusehen, was die Annahme solcher urspr\u00fcnglicher \u201eRaumempfindungen\u201c helfen solle zur Erkl\u00e4rung unserer Gesichtswahrnehmungen, wenn schliesslich von den Anh\u00e4ngern dieser Theorie f\u00fcr die ungeheure Mehrzahl der F\u00e4lle angenommen werden muss, dass dieselben \u00fcberwunden werden m\u00fcssen durch unsere aus der Erfahrung entnommene bessere Kenntniss. Dann ist es doch, wie mir scheint, viel leichter und einfacher zu begreifen, dass s\u00e4mmtliche r\u00e4umliche Anschauungen blos durch die Erfahrung zu Stande kommen, ohne dass diese gegen angeborene, der Regel nach falsche, Anschauungsbilder zu k\u00e4mpfen hat.\nDies zur Rechtfertigung meines Standpunkts. Da ein solcher doch gew\u00e4hlt werden musste, um wenigstens \u00fcbersichtliche Ordnung in das Chaos der Erscheinungen bringen zu k\u00f6nnen, glaubte ich den gew\u00e4hlten bevorzugen zu m\u00fcssen, ich hoffe jedoch, dass derselbe keinen Einfluss auf die treue Beobachtung und Beschreibung der Thatsachen gehabt hat.\nUm Missverst\u00e4ndnisse meiner Meinung'zu verh\u00fcten, und dem nat\u00fcrlichen Bewusstsein derjenigen Leser, welche \u00fcber ihre Sinneswahrnehmungeil noch nicht reflectirt haben, dieselbe zug\u00e4nglicher zu machen, lasse ich noch folgende Erl\u00e4uterungen folgen.\nIch habe oben die Sinnesempfindungen nur als Symbole f\u00fcr die Verh\u00e4ltnisse der Aussenwelt bezeichnet und ihnen jede Art der Aehnlichkeit oder Gleichheit mit dem, was sie bezeichnen, abgesprochen. Wir r\u00fchren damit an die viel bestrittene Frage, wie weit unsere Vorstellungen \u00fcberhaupt mit ihren Objecten \u00fcbereinstimmen, ob sie, wie man es ausdr\u00fcckte, wahr oder falsch seien. Eine solche Ueberein-stimmung ist bald behauptet worden, bald geleugnet. Man nahm ihr zu Liebe eine pr\u00e4stabilirte Harmonie zwischen der Natur und dem Geiste an, oder man behauptete die Identit\u00e4t der Natur und des Geistes, indem man die Natur als Product der Th\u00e4tigkeit eines allgemeinen Geistes ansah, dessen Ausfluss andererseits wieder der menschliche Geist sein sollte. Diesen Ansichten schliesst sich die na-tivistische Theorie der Raumanschauungen insofern an, als sie durch einen angeborenen Mechanismus und eine gewisse pr\u00e4stabilirte Harmonie Anschauungsbilder entstehen l\u00e4sst, die, wenn auch in ziemlich unvollkommener Weise, der Wirklichkeit entsprechen sollen.\nOder aber man leugnete die Uebereinstimmung der Vorstellungen mit ihrem Objecte, und erkl\u00e4rte dieselben deshalb f\u00fcr T\u00e4uschungen, womit man denn conse-quenter Weise auch die M\u00f6glichkeit alles Wissens von irgend welchen Objecten leugnen musste. So bei den englischen Sensualisten des vorigen Jahrhunderts. Ich will \u00fcbrigens hier nicht auf die Auseinandersetzung der Meinungen der einzelnen Philosophenschulen \u00fcber diese Frage eingehen, weil das ein f\u00fcr diesen Ort viel zu weitl\u00e4ufiges Gesch\u00e4ft w\u00e4re, sondern mich darauf beschr\u00e4nken zu er\u00f6rtern, wie sich meines Erachtens nach der Naturforscher diesen Streitigkeiten gegen\u00fcber zu verhalten hat.\nUnsere Anschauungen und Vorstellungen sind Wirkungen, welche die angeschauten und vorgestellten Objecte auf unser Nervensystem und unser Bewusstsein hervorgebracht haben. Jede Wirkung h\u00e4ngt ihrer Natur nach ganz nothwendig ab","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 26.\n\u00dcBEREINSTIMMUNG DER ANSCHAUUNG UND DER OBJECTE. -\n443\nsowohl von der Natur des Wirkenden, als von der desjenigen, auf welches gewirkt wird. Eine Vorstellung verlangen, welche unver\u00e4ndert die Natur des Vorgestellten wiederg\u00e4be, also in absolutem Sinne wahr w\u00e4re, w\u00fcrde heissen eine Wirkung zu verlangen, welche vollkommen unabh\u00e4ngig w\u00e4re von der Natur desjenigen Objects, auf welches eingewirkt wird, was ein handgreiflicher Widerspruch w\u00e4re. So sind also unsere menschlichen Vorstellungen und so werden alle Vorstellungen irgend eines intelligenten Wesens, welches wir uns denken k\u00f6nnen, Bilder der Objecte sein, deren Art wesentlich mitabh\u00e4ngt von der Natur des vorstellenden Bewusstseins und von deren Eigenth\u00fcmlichkeiten mitbedingt ist.\nIch meine daher, dass es gar keinen m\u00f6glichen Sinn haben kann, von einer anderen Wahrheit unserer Vorstellungen zu'sprechen, als von einer praktischen. Unsere Vorstellungen von den Bingen k\u00f6nnen gar nichts anderes sein, als Symbole, nat\u00fcrlich gegebene Zeichen f\u00fcr die Dinge, welche wir zur Regelung unserer Bewegungen und Handlungen benutzen lernen. WTenn wir jene Symbole richtig zu lesen gelernt haben, so sind wir im Stande, mit ihrer Hilfe unsere Handlungen so einzurichten, dass dieselben den gew\u00fcnschten Erfolg haben, d. h. dass die erwarteten neuen Sinnesempfindungen eintreten. Eine andere Vergleichung zwischen den Vorstellungen und den Dingen giebt es nicht nur in der Wirklichkeit nicht \u2014 dar\u00fcber sind alle Schulen einig \u2014 sondern eine andere Art der Vergleichung ist gar nicht denkbar und hat gar keinen Sinn. Dies letztere ist der Punkt, auf den es ankommt, und den man einsehen muss, um aus dem Labyrinthe widerstreitender Meinungen herauszukommen. Zu fragen, ob die Vorstellung, welche ich von einem Tische, seiner Gestalt, Festigkeit, Farbe, Schwere u. s. w. habe, an und f\u00fcr sich, abgesehen von dem praktischen Gebrauche, den ich von dieser Vorstellung machen kann, wahr sei und mit dem wirklichen Dinge \u00fcbereinstimme, oder ob sie falsch sei und auf einer T\u00e4uschung beruhe, hat gerade so viel Sinn, als zu fragen, ob ein gewisser Ton roth, gelb oder blau sei. Vorstellung und Vorgestelites sind offenbar zwei ganz verschiedenen W'elten angeh\u00f6rig, welche ebenso wenig eine Vergleichung unter einander zulassen als Farben und T\u00f6ne, oder als die Buchstaben eines Buches mit dem Klang des Wortes, welches sie bezeichnen.\nWenn zwischen der Vorstellung in dem Kopfe eines Menschen A und dem vorgestellten Dinge irgend eine Art von Aehnlichkeit von Uebercinstimmung w\u00e4re, so w\u00fcrde eine zweite Intelligenz B, welche beide das Ding und seine Vorstellung im Kopfe von A sich nach den gleichen Gesetzen vorstellte, irgend eine Aehnlichkeit zwischen ihnen finden oder doch wenigstens denken k\u00f6nnen. Denn Gleiches in gleicher Weise abgebildet (vorgestellt) m\u00fcsste doch gleiche Bilder (Vorstellungen) geben. Nun frage ich, welche Aehnlichkeit soll man sich denken zwischen dem Process im Gehirn, welcher die Vorstellung eines Tisches begleitet, und dem Tische selbst. Soll man sich die Gestalt des Tisches von elektrischen Str\u00f6men nachgezeichnet denken, und wenn der Vorstehende sich vorstellte, dass er um den Tisch herumgehe, soll dazu noch ein Mensch mittels elektrischer Str\u00f6me gezeichnet werden. Perspectivische Projectionen der Aussenwelt in den Gehirnhemisph\u00e4ren, wie sie wohl angenommen sind, gen\u00fcgen offenbar nicht, die Vorstellung von einem k\u00f6rperlichen Objecte darzustellen. Und gesetzten Fall eine k\u00fchne Phantasie schreckte vor einer solchen und \u00e4hnlichen Hypothesen nicht zur\u00fcck, so w\u00e4re ein solches elektrisches Abbild des Tisches im Gehirn eben ein zweites k\u00f6rperliches Object, welches wahrgeno'mmen werden m\u00fcsste, aber keine Vorstellung vom Tische. Indessen sind es nicht gerade die Anh\u00e4nger materialistischer Meinungen, welche der aufgestellten Behauptung zu widersprechen suchen werden, sondern die Anh\u00e4nger spiritualistischer Meinungen. Und f\u00fcr diese sollte ich meinen, l\u00e4ge das Verh\u00e4ltniss im Gegentheil noch klarer da. Welche m\u00f6gliche Aehnlichkeit soll denn die Vorstei-","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 26.\nlung, eine Ver\u00e4nderung in der unk\u00f6rperlichen, r\u00e4umlich nicht ausgedehnten Seele mit dem im Raume ausgedehnten K\u00f6rper des Tisches haben k\u00f6nnen. Es ist von Seiten der spiritualistischen Philosophen, soviel ich weiss, nicht einmal jemals auch nur eine Hypothese oder eine Phantasie versucht worden , um das anzudeuten, und es liegt auch in der Natur dieser Ansicht, dass so etwas gar nicht versucht werden kann.\nWas zun\u00e4chst die Eigenschaften der Objecte der Aussenwelt betrifft, so zeigt eine leichte \u00dcberlegung, dass alle Eigenschaften, die wir ihnen zuschreiben k\u00f6nnen, nur Wirkungen bezeichnen, welche sie entweder auf unsere Sinne oder auf andere Naturobjecte aus\u00fcben. Farbe, Klang, Geschmack, Geruch, Temperatur, Gl\u00e4tte, Festigkeit geh\u00f6ren der ersteren Klasse an, sie bezeichnen Wirkungen auf unsere Sinnesorgane. Gl\u00e4tte und Festigkeit bezeichnen den Grad des Widerstands, den die ber\u00fchrten K\u00f6rper entweder der gleitenden Ber\u00fchrung oder dem Drucke der Hand darbieten. Statt der Hand k\u00f6nnen aber auch andere Naturk\u00f6rper eintreten, ebenso f\u00fcr die Pr\u00fcfung anderer mechanischer Eigenschaften, der Elasticit\u00e4t und Schwere. Die chemischen Eigenschaften beziehen sich ebenfalls auf Reactionen d. h. Wirkungen, welche der betrachtete Naturk\u00f6rper auf andere aus\u00fcbt. Ebenso ist es mit den anderen physikalischen Eigenschaften der K\u00f6rper, den optischen, elektrischen, magnetischen. Ueberall haben wir es mit Wechselbeziehungen verschiedener K\u00f6rper auf einander zu than, mit Wirkungen auf einander, welche von den Kr\u00e4ften abh\u00e4ngen, die verschiedene K\u00f6rper auf einander aus\u00fcben. Denn alle Naturkr\u00e4fte sind Kr\u00e4fte, welche ein K\u00f6rper auf den anderen aus\u00fcbt. Wenn wir uns die blosse Materie ohne Kr\u00e4fte denken, so ist sie auch ohne Eigenschaften, abgesehen von ihrer verschiedenen Vertheilung im Raume und ihrer Bewegung. Alle Eigenschaften der Naturk\u00f6rper kommen deshalb auch erst zu Tage, wenn wir sie in die entsprechende Wechselwirkung mit anderen Naturk\u00f6rpern oder mit unsern Sinnesorganen setzen. Da aber solche Wechselwirkung in jedem Augenblicke eintreten kann, be-ziehlich auch durch unseren Willen in einem beliebigen Augenblicke herbeigef\u00fchrt werden kann, und wir dann immer die eigenth\u00fcmliche Art der Wechselwirkung eintreten sehen, so schreiben wir den Objecten eine dauernde und stets zur Wirksamkeit bereite F\u00e4higkeit zu solchen Wirkungen zu. Diese dauernde F\u00e4higkeit nennen wir Eigenschaft.\nDaraus geht nun hervor, dass in Wahrheit die Eigenschaften der Natur-objecte, trotz dieses Namens, gar nichts dem einzelnen Objecte an und f\u00fcr sich eigenes bezeichnen, sondern immer eine Beziehung zu einem zweiten Objecte (einschliesslich unserer Sinnesorgane) bezeichnen. Die Art der Wirkung muss nat\u00fcrlich immer von den Eigenth\u00fcrnlichkeiten sowohl des wirkenden K\u00f6rpers abh\u00e4ngen, als von denen des K\u00f6rpers, auf welchen gewirkt wird. Dar\u00fcber sind wir auch keinen Augenblick in Zweifel, wenn wir von solchen Eigenschaften der K\u00f6rper reden, welche sich zeigen, wenn der eine auf einen anderen ebenfalls der Aussenwelt an-geh\u00f6rigen K\u00f6rper wirkt, z. B. bei den chemischen Reactionen. Bei den Eigenschaften dagegen, welche auf Wechselbeziehungen der Dinge zu unsern Sinnesorganen beruhen, sind die Menschen von jeher geneigt gewesen, es zu vergessen, dass wir es auch hier mit der Reaction gegen ein besonderes Reagens, n\u00e4mlich unsern Nervenapparat zu thun haben, und dass auch Farbe, Geruch und Geschmack, Gef\u00fchl der W\u00e4rme und K\u00e4lte Wirkungen sind, die ganz wesentlich von der Art des Organs, auf welches gewirkt wird, abh\u00e4ngen. Allerdings sind die Reactionen der Naturobjecte auf unsere Sinne die am h\u00e4ufigsten und am allgemeinsten wahrgenommenen, sie haben f\u00fcr unser Wohlsein und f\u00fcr unsere Behaglichkeit die \u00fcberwiegendste Wichtigkeit; das Reagens, an welchem wir sie zu erproben haben, ist uns von Natur mitgegeben, aber dadurch wird das Verh\u00e4ltniss nicht anders.","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7.26.\n\u00dcBEREINSTIMMUNG DER ANSCHAUUNG MIT DEN OBJECTEN.\n445\nDie Frage zu stellen, ob der Zinnober wirklich roth sei, wie wir ihn sehen, oder ob dies nur eine sinnliche T\u00e4uschung sei, ist deshalb sinnlos. Die Empfindung von Roth ist die normale Reaction normal gebildeter Augen f\u00fcr das von Zinnober reflectirte Licht. Ein Rothblinder wird den Zinnober schwarz oder dunkelgraugelb sehen; auch dies ist die richtige Reaction f\u00fcr sein besonders geartetes Auge. Er muss nur wissen, dass sein Auge eben anders geartet ist, als das anderer Menschen. An sich ist die eine Empfindung nicht richtiger und nicht falscher als die andere, wenn auch die Rothsehenden eine grosse Majorit\u00e4t f\u00fcr sich haben. Ueberhaupt existirt die rothe Farbe des Zinnobers nur, insofern es Augen giebt, die denen der Majorit\u00e4t der Menschen \u00e4hnlich beschaffen sind. Genau mit demselben Rechte ist es eine Eigenschaft des Zinnobers, schwarz zu sein, n\u00e4mlich f\u00fcr die Rothblinden. Ueberhaupt ist das vom Zinnober zur\u00fcckgeworfene Licht an sich durchaus nicht roth zu nennen, es ist nur f\u00fcr bestimmte Arten von Augen roth. Wenn wir von Eigenschaften der K\u00f6rper sprechen, die sie in Bezug auf andere K\u00f6rper der Aussenwelt haben, vergessen wir nicht in der Sprache auch den K\u00f6rper zu bezeichnen, in Bezug auf welchen die Eigenschaft vorhanden ist? Wir sagen: \u201eBlei ist l\u00f6slich in Salpeters\u00e4ure, es ist nicht l\u00f6slich in Schwefels\u00e4ure\u201c. Wenn wir blos sagen wollten: \u201eBlei ist l\u00f6slich\u201c, so w\u00fcrden wir sogleich bemer ken, dass dies eine unvollst\u00e4ndige Behauptung ist, und w\u00fcrden sogleich fragen m\u00fcssen, worin es l\u00f6slich sei. Wenn wir aber sagen \u201eZinnober\u00fcst roth\u201c, so versteht es sich implicite von selbst, dass er f\u00fcr unsere Augen roth ist, und f\u00fcr die Augen anderer Menschen, welche wir als gleich beschaffen voraussetzen. Wir glauben das nicht erw\u00e4hnen zu brauchen, und deshalb vergessen wir es auch wohl, und k\u00f6nnen verleitet werden zu glauben, die R\u00f6the sei eine dem Zinnober, oder dem von ihm reflectirten Lichte ganz unabh\u00e4ngig von unseren Sinnesorganen zukommende Eigenschaft. Etwas anderes ist es, wenn wir behaupten, dass die Wellenl\u00e4ngen des vom Zinnober zur\u00fcckgeworfenen Lichtes eine gewisse L\u00e4nge haben. Das ist eine Aussage, die wir unabh\u00e4ngig von der besonderen Natur unseres Auges machen k\u00f6nnen, bei der es sich dann aber auch nur um Beziehungen zwischen der Substanz und den verschiedenen Aetherwellensystemen handelt.\nDie einzige Beziehung, in welcher eine wirkliche Uebereinstimmung unserer Wahrnehmungen mit der Wirklichkeit stattfinden kann, ist die Zeitfolge der Ereignisse mit ihren verschiedenen Eigenth\u00fcmlichkeiten. Die Gleichzeitigkeit, die Folge, die regelm\u00e4ssige Wiederkehr der Gleichzeitigkeit oder Folge kann in den Empfindungen ebenso stattfinden, wie in den Ereignissen. Die \u00e4usseren Ereignisse, wie ihre Wahrnehmungen, gehen in der Zeit vor sich, also k\u00f6nnen auch die Zeitverh\u00e4ltnisse der letzteren das getreue Abbild der Zeitverh\u00e4ltnisse der ersteren sein. Die Empfindung des Donners im Ohre folgt auf die Empfindung des Blitzes im Auge ebenso, wie die Schallersch\u00fctterung der Luft, welche durch die elektrische Entladung verursacht ist, sp\u00e4ter am Orte des Beobachters ankommt, als die Ersch\u00fctterung des Licht\u00e4thers. Doch ist hier allerdings zu bemerken, dass die Zeitfolge der Empfindungen insofern kein ganz getreues Abbild der Zeitfolge der \u00e4usseren Ereignisse ist, als die Leitung von den Sinnesorganen zum Gehirn Zeit, und zwar von verschiedenen Organen aus verschiedene Zeit kostet. Dazu kommt nun noch f\u00fcr Auge und Ohr die Zeit, welche Licht und Schall brauchen, um bis zum Organ zu gelangen. So sehen wir denn die Fixsterne jetzt, wie sie vor einer verschieden langen Reihe von Jahren waren.\nWas die Abbildung der Raumverh\u00e4ltnisse betrifft, so geschieht eine solche allerdings an den peripherischen Nervenenden im Auge und an der tastenden Haut in einem gewissen Grade, aber doch nur in beschr\u00e4nkter Weise, da das Auge nur perspectivische Fl\u00e4chenabbildungeii giebt, die Hand die objective Fl\u00e4che an der ihr","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 26.\nm\u00f6glichst congruent gestalteten K\u00f6rperoberfl\u00e4che abbildet. Ein directes Bild einer nach drei Dimensionen ausgedehnten Raumgr\u00f6sse giebt weder das Auge noch die Hand. Erst durch die Vergleichung der Bilder beider Augen, oder durch Bewegung des K\u00f6rpers, beziehlich der Hand, kommt die Vorstellung von K\u00f6rpern zu Stande. Da nun unser Gehirn drei Dimensionen hat, so bleibt der Phantasie freilich ein weiter Spielraum, sich auszumalen, durch welchen Mechanismus etwa im Gehirn k\u00f6rperlich ausgedehnte Abbilder der \u00e4usseren k\u00f6rperlichen Gegenst\u00e4nde entstehen. Aber eine Nothwendigkeit oder auch nur eine Wahrscheinlichkeit f\u00fcr eine solche Annahme sehe ich nicht ein. Die Vorstellung eines r\u00e4umlich ausgedehnten K\u00f6rpers z. B. eines Tisches schliesst ein eine Masse von einzelnen Beobachtungen. Es liegt darin einbegriffen die ganze Reihe von Bildern, welche dieser Tisch mir gew\u00e4hren w\u00fcrde, wenn ich ihn von verschiedenen Seiten und aus verschiedenen Entfernungen her betrachten w\u00fcrde, ferner die ganze Reihe von Tasteindr\u00fccken, welche ich erhalten w\u00fcrde, wenn ich meine H\u00e4nde nach einander an die verschiedenen Stellen seiner Oberfl\u00e4che legen w\u00fcrde. Eine solche Vorstellung von einem einzelnen individuellen K\u00f6rper ist also in der That schon ein Begriff, Welcher eine unendliche Anzahl von einzelnen in der Zeit auf einander folgenden Anschauungen unter sich begreift, die alle aus ihm abgeleitet werden k\u00f6nnen, ebenso wie der Gattungsbegriff \u201eTisch\u201c wiederum alle einzelnen Tische in sich begreift, und deren gemeinsame Eigent\u00fcmlichkeiten ausspricht. Die Vorstellung eines einzelnen individuellen Tisches, welche ich in mir trage, ist richtig und genau, wenn ich aus ihr richtig und genau herleiten kann, welche Empfindungen ich haben werde, wenn ich mein Auge und meine Hand in diese und jene bestimmte Stellung gegen den Tisch bringen werde. Welche andere Art der Aehnlichkeit zwischen einer solchen Vorstellung und dem dadurch vorgestellten K\u00f6rper sein kann, weiss ich nicht zu begreifen. Jener ist das geistige Zeichen f\u00fcr diesen. Die Art dieses Zeichens ist nicht willk\u00fchrlich von mir gew\u00e4hlt, sondern mir durch die Natur meiner Sinnesorgane und meines Geistes aufgedrungen. Dadurch unterscheidet sich diese Zeichensprache unserer Vorstellungen von den willk\u00fchrlich gew\u00e4hlten Laut- und Buchstabenzeichen unserer Rede und Schrift. Eine Schrift ist richtig, wenn derjenige, welcher sie zu lesen weiss, richtige Vorstellungen danach bildet, und die Vorstellung von einem Dinge ist richtig f\u00fcr denjenigen, welcher danach richtig vorauszubestimmen weiss, welche sinnlichen Eindr\u00fccke er von dem Dinge erhalten wird, wenn er sich in bestimmte \u00e4ussere Beziehungen zu ihm setzt. Uebrigens ist es ganz gleichg\u00fcltig, welcher Art diese geistigen Zeichen sind, wenn sie nur ein hinreichend mannigfaltiges und geordnetes System bilden; ebenso wie es gleichg\u00fcltig ist, wie die Worte einer Sprache lauten, wenn nur eine hinreichende Anzahl vorhanden ist und hinreichende Mittel ihre grammatikalischen Beziehungen zu einander zu bezeichnen.\nMan muss sich bei dieser Ansicht von der Sache nur nicht die Behauptung unterschieben lassen, dass hiernach alle unsere Vorstellungen von den Dingen falsch seien, weil sie den Dingen nicht gleich sind, und dass wir demnach von dem wahren Wesen der Dinge nichts wissen k\u00f6nnten. Dass sie den Dingen nicht gleich sein k\u00f6nnen, liegt in der Natur des Wissens. Die Vorstellungen sollen doch nur Abbilder der Dinge sein, und jedes Bild ist das Bild eines Dinges nur f\u00fcr denjenigen, der es zu lesen weiss, der sich mit H\u00fclfe des Bildes eine Vorstellung vom Dinge machen kann. Jedes Bild ist seinem Gegenst\u00e4nde in einer Beziehung \u00e4hnlich, in allen andern un\u00e4hnlich, sei es nun ein Gem\u00e4lde, eine Statue, die musikalische oder dramatische Darstellung einer Gem\u00fcthsstimmung u. s. w. So sind die Vorstellungen von der Aussenwelt Bilder der gesetzm\u00e4ssigen Zeitfolge der Naturereignisse, und wenn sie nach den Gesetzen- unseres Denkens richtig gebildet","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 26.\nDIE INDUCTIVEN SCHL\u00dcSSE,\n447\nsind, und wir sie durch' unsere Handlungen richtig in die Wirklichkeit wieder zur\u00fcckzu\u00fcbersetzen verm\u00f6gen, sind die'Vorstellungen, welche wir haben, auch f\u00fcr unser Denkverm\u00f6gen die einzig wahren; alle andere w\u00fcrden falsch sein.\nIch meine, es ist deshalb auch ein Missverst\u00e4ndniss, nach einer pr\u00e4stabilirten Harmonie zwischen den Gesetzen den Denkens und denen der Natur suchen zu wollen, nach einer Identit\u00e4t zwischen Natur und Geist, oder wie man es sonst nennen will. Es kann ein Zeichensystem mehr oder weniger vollst\u00e4ndig und zweckm\u00e4ssig sein; danach wird es leichter oder weniger leicht anzuwenden, genauer in der Bezeichnung oder ungenauer sein, wie wir dies an den verschiedenen Sprachen sehen, aber \u00fcbrigens wird sich jedes mehr oder weniger gut der Sache anbequemen lassen. Wenn es keine Anzahl \u00e4hnlicher Naturobjecte in der Welt g\u00e4be, w\u00fcrde uns unsere F\u00e4higkeit, Gattungsbegriffe zu bilden, freilich nichts helfen; wenn es keine festen K\u00f6rper g\u00e4be, w\u00fcrden unsere geometrischen F\u00e4higkeiten unentwickelt und ungebraucht bleiben m\u00fcssen, ebenso wie das k\u00f6rperliche Auge uns nicht helfen w\u00fcrde in einer Welt, wo kein Licht existirt\u00e8. Wenn man in diesem Sinne von einer Anpassung unserer Denkgesetze an die Gesetze der Natur reden will, k\u00f6nnen wir es gelten lassen; offenbar braucht eine solche Anpassung aber weder vollst\u00e4ndig noch genau zu sein. Das Auge ist ein praktisch \u00e4usserst brauchbares Organ, obgleich es weder in allen Entfernungen deutlich sehen, noch Aethervibra-tionen aller Art wahrnehmen, noch die Strahlen, welche von einem Punkte ausgehen, genau in einen Punkt vereinigen kann. Unsere Verstandesth\u00e4tigkeiten sind an die Th\u00e4tigkeit eines k\u00f6rperlichen Organs, des Gehirns, gebunden, wie das Sehverm\u00f6gen an das Auge. Der menschliche Verstand bezwingt wunderbar viel in der Welt, und bringt es unter ein strenges causales Gesetz; ob er nothw'endig alles m\u00fcsse bezwingen k\u00f6nnen, was in der Welt bestehen und geschehen k\u00f6nne, daf\u00fcr scheint mir keine Garantie zu existiren.\nWir haben nun noch zu reden von der Art, wie unsere Vorstellungen und Wahrnehmungen durch inductive Schl\u00fcsse gebildet werden. Das Wesen unserer Schl\u00fcsse finde ich am besten auseinandergesetzt in der Logik von Stuart Mill. Sobald der Vordersatz des Schlusses nicht ein Gebot ist, welches durch fremde Autorit\u00e4t f\u00fcr unser Handeln oder Glauben aufgestellt ist, sondern ein Satz, der sich auf die Wirklichkeit bezieht, und also nur das Resultat der Erfahrung sein kann, so lehrt uns der Schluss in der That nichts neues, was wir nicht schon gewusst haben, ehe wir ihn machten. Also z. B.\nMajor: Alle Menschen sind sterblich.\nMinor: Cajus ist ein Mensch.\nConclusio: Cajus ist sterblich.\nDen Major, dass alle Menschen sterblich sind, welches ein Erfahrungssatz ist, d\u00fcrfen wir eigentlich nicht aufstellen, ehe wir nicht wissen, ob die Conclusio richtig ist, dass auch Cajus, der ein Mensch ist, gestorben sei, oder sterben werde. Wir m\u00fcssen also des Schlusssatzes sicher sein, ehe wir noch den Major, durchweichen wir ihn beweisen wollen, aufstellen k\u00f6nnen. Das scheint also ein Herumgehen im Cirkel zu sein. Das wahre Verh\u00e4ltniss ist offenbar das: Wir und andere Menschen haben bisher ausnahmslos beobachtet, dass kein Mensch \u00fcber ein gewisses Alter hinaus gelebt hat. Die Beobachtenden haben diese Erfahrungen, dass Lucius, Flavius, und wie die einzelnen Menschen sonst hiessen, von denen sie es wissen, gestorben sind, in den allgemeinen Satz zusammengefasst, dass alle Menschen sterben, und haben sich berechtigt gef\u00fchlt, weil dieses Ende in allen den F\u00e4llen regelm\u00e4ssig eintrat, welche beobachtet worden sind, diesen allgemeinen Satz auch f\u00fcr g\u00fcltig zu erkl\u00e4ren f\u00fcr alle diejenigen F\u00e4lle, welche noch sp\u00e4ter zur Beobachtung kommen w\u00fcrden, und so bewahren wir uns den Schatz von Erfahrungen, den","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nDRITTER ABSCHNITT. DIF. LEHRE VON DEN GESICHTS WAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 26.\nwir oder andere Beobachter in diesem Punkte bisher gemacht haben, in Form des allgemeinen Satzes i'm Ged\u00e4chtnisse auf, der \u2018den Major des obigen Schlusses bildet.\nEs ist aber klar, dass wir zu der Ueberzeugung, Cajus werde sterben, auch unmittelbar, ohne in unserem Bewusstsein den allgemeinen Satz zu bilden, h\u00e4tten kommen k\u00f6nnen, indem wir seinen Fall mit allen uns bekannten fr\u00fcheren verglichen h\u00e4tten, und das ist sogar die gew\u00f6hnlichere und urspr\u00fcnglichere Art, durch Induction zu schliessen. Dass dergleichen Schl\u00fcsse ohne bewusste Reflexion entstehen, indem in unserem Ged\u00e4chtnisse das Gleichartige der fr\u00fcher beobachteten F\u00e4lle sich an einander f\u00fcgt und sich gegenseitig verst\u00e4rkt, zeigt sich namentlich in denjenigen F\u00e4llen von inductivem Schliessen, wo es uns nicht gelingt, eine ausnahmlos geltende Regel mit genau bestimmten Grenzen ihrer G\u00fcltigkeit aus den bisherigen Erfahrungen zu abstrahiren, wie das der Fall ist'bei allen verwickelten Vorg\u00e4ngen. So k\u00f6nnen wir z. B. aus der Analogie fr\u00fcherer \u00e4hnlicher F\u00e4lle zuweilen mit ziemlicher Sicherheit Voraussagen, was einer unserer Bekannten thun wird, wenn er unter gewissen Umst\u00e4nden sich zum Handeln entscheiden wird, weil wir seinen Charakter kennen, z. B. als ehrgeizig oder als feig, ohne dass wir doch genau anzugeben wissen, wonach wir den Grad des Ehrgeizes oder der Feigheit zu messen haben, und warum der vorhandene Grad von Ehrgeiz oder Feigheit ausreichen wird, das Handeln des Menschen so zu bestimmen, wie es unserer Erwartung nach aus-fallen soll.\nBei den eigentlich sogenannten und mit Bewusstsein vollzogenen Schl\u00fcssen, wenn sie sich nicht auf Gebote, sondern auf Erfahrungss\u00e4tze st\u00fctzen, thun wir also in der That nichts anderes, als dass wir mit Ueberlegung und sorgf\u00e4ltiger Pr\u00fcfung diejenigen Schritte der inductiveu Verallgemeinerung unserer Erfahrungen wiederholen, welche schon vorher in schnellerer Weise ohne bewusste Reflexion ausgef\u00fchrt waren, entweder von uns selbst, oder von anderen Beobachtern, denen Mir vertrauen. Wenn aber auch durch die Formulirung eines allgemeinen Satzes aus unseren bisherigen Erfahrungen nichts wesentlich Neues unserem bisherigen Wissen hinzugef\u00fcgt wird, so ist dieselbe doch in vieler Beziehung n\u00fctzlich. Einen bestimmt ausgesprochenen allgemeinen Satz k\u00f6nnen wir viel leichter im Ged\u00e4chtnisse aufbewahren und andern Menschen mittheilcn, als wenn dies mit allen einzelnen F\u00e4llen geschehen m\u00fcsste. Wir werden durch seine Aufstellung veranlasst, jeden neu eintretenden Fall gerade in Bezug auf die Richtigkeit jener Verallgemeinerung genau zu pr\u00fcfen, wobei jede Ausnahme uns doppelt stark auffallen wird; wir werden uns eher an die Beschr\u00e4nkungen der G\u00fcltigkeit erinnern, wenn wir den Satz in allgemeiner Form vor uns haben, als wenn wir alle einzelnen F\u00e4lle durchlaufen m\u00fcssen. Es wird also durch eine solche bewusste Formulirung des Inductions-schlusses mancherlei gewonnen f\u00fcr die Bequemlichkeit und Sicherheit des Verfahrens, aber es wird im Wesentlichen nichts Neues hinzugef\u00fcgt, was nicht schon in den ohne Reflexion ausgef\u00fchrten Analogieschl\u00fcssen best\u00e4nde, mittels deren wir z. B. den Charakter eines Menschen aus seinen Gesichtsz\u00fcgen und seinen BeM\u2019egungen beurtheilen, oder nach der Kenntniss seines Charakters Voraussagen, was er in einem gegebenen Falle thun wird.\nWir haben nun genau denselben Fall bei unseren Sinneswahrnehmungen. Wenn wir Erregung in denjenigen Nervenapparaten gef\u00fchlt haben, deren peripherische Enden an der rechten Seite beider Netzh\u00e4ute liegen, so haben wir in millionenfach wiederholten Erfahrungen unseres ganzen Lebens gefunden, dass ein leuchtender Gegenstand nach unserer linken Seite hin vor uns lag. Wir mussten die Hand nach links hin erheben, um das Licht zu verdecken, oder das leuchtende Object zu ergreifen, oder uns nach links hin bewegen, um uns ihm zu n\u00e4hern. Wenn also in diesen F\u00e4llen kein eigentlicher bewusster Schluss vorliegt, so ist doch die","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 26.\nDIE INDUCTIVEN SCHL\u00dcSSE.\n449\nwesentliche und urspr\u00fcngliche Arbeit eines solchen vollzogen, und das Resultat desselben erreicht, aber freilich nur durch die unbewussten Vorg\u00e4nge der Association von Vorstellungen, die im dunklen Hintergr\u00fcnde unseres Ged\u00e4chtnisses vor sich geht, und deren Resultate sich daher auch unserem Bewusstsein aufdr\u00e4ngen, als gewonnen durch eine uns zwingende, gleichsam \u00e4ussere Macht, \u00fcber die unser Wille keine Gewalt hat.\nEs fehlt an diesen Inductionsschl\u00fcssen, die zur Bildung unserer Sinneswahrnehmungen f\u00fchren, allerdings die reinigende und pr\u00fcfende Arbeit des bewussten Denkens; dessen ungeachtet glaube ich sie doch ihrem eigentlichen Wesen nach als Schl\u00fcsse, unbewusst vollf\u00fchrte Inductionsschl\u00fcsse, bezeichnen zu d\u00fcrfen.\nIhrer Aufnahme in das bewusste Denken und ihrer Formulirung in der Normalform logischer Schl\u00fcsse widersteht nun noch ein ihnen ganz eigenth\u00fcmlicher Umstand, n\u00e4mlich der, dass wir gar nicht n\u00e4her bezeichnen k\u00f6nnen, was in uns vorgegangen ist, wenn wir eine Empfindung in einer bestimmten Nervenfaser hatten, und wodurch diese zu unterscheiden ist von entsprechenden Empfindungen in anderen Nervenfasern. Haben wir z. B. eine Lichtempfindung in gewissen Fasern des Sehnervenapparats gehabt, so wissen wir nur, dass wir eben eine Empfindung eigenth\u00fcmlicher Art gehabt haben, die sieh von allen anderen Sinnesempfindungen und auch von allen anderen Gesichtsempfindungen unterschieden hat, und bei welcher wir immer ein lichtes Object nach links hin fanden. Wir k\u00f6nnen im nat\u00fcrlichen Zustande, und ehe wir Physiologie studirt haben, von der Empfindung nicht anders sprechen, und die Empfindung selbst f\u00fcr unser eigenes Vorstellen nicht begrenzen und nicht festhalten, als indem wir Siebezeichnen durch die Bedingungen, unter denen sie zu Stande gekommen ist. Ich muss sagen: \u201eich sehe etwas Helles nach links hin\u201c; das ist der einzige Ausdruck, den ich der Empfindung geben kann. Dass wir Nerven haben, dass diese Nerven erregt worden sind, und zwar Nerven, die rechts in den Netzh\u00e4uten endigen, lernen wir erst sp\u00e4t durch wissenschaftliches Studium, und dadurch bekommen wir erst die Mittel, diese Art der Empfindung zu definiren unabh\u00e4ngig von der Art, wie sie gew\u00f6hnlich hervorgerufen wird.\nAehnlich verh\u00e4lt es sich bei den meisten Sinnesempfindungen. Die Geschmacksund Geruchsempfindungen wissen wir meistentheils selbst ihrer Qualit\u00e4t nach nicht anders zu bezeichnen, als durch die Benennung derjenigen K\u00f6rper, welche geschmeckt oder gerochen werden, einige wenige, ziemlich unbestimmte, allgemeinere Bezeichnungen abgerechnet, wie \u201es\u00fcss\u201c, \u201esauer\u201c, \u201ebitter\u201c, \u201escharf\u201c.\nDiese Urtheile, durch welche wir von unseren Sinnesempfindungen auf die Existenz einer \u00e4usseren Ursache derselben hin\u00fcbergehen, k\u00f6nnen wir also auf dem gew\u00f6hnlichen Zustande unseres Bewusstseins gar nicht einmal in die Form bewusster Urtheile erheben. Das Urtheil, dass links von mir ein helles Object sei, weil die rechts in meiner Netzhaut endenden Nervenfasern sich in Erregungszustand befinden* kann Jemand, der von der inneren Beschaffenheit des Auges nichts weiss, nur so aussprechen: \u201eLinks ist etwas Helles, weil i\u00e7h es dort sehe\u201c. Und demgem\u00e4ss kann auch die Erfahrung, dass, wenn ich. das Auge rechts dr\u00fccke, die dort endenden Nervenfasern erregt werden, vom Standpunkte der t\u00e4glichen Erfahrung gar nicht anders ausgesprochen werden, als so: \u201eWenn ich das Auge rechts dr\u00fccke, sehe ich links einen hellen Schein\u201c. Es fehlt jedes Mittel, die Empfindung anders zu beschreiben und mit andern fr\u00fcher gehabten Empfindungen zu identificiren, als dadurch, dass man den Ort des scheinbar entsprechenden \u00e4usseren Objects bezeichnet. Deshalb haben also diese F\u00e4lle der Erfahrung das Eigenth\u00fcmliche, dass man die Beziehung der Empfindung auf ein \u00e4usseres Object gar nicht einmal aussprechen kann, ohne sie schon in der Bezeichnung der Empfindung vorauszuschicken, und ohne das schon vorauszusetzen, von dem man erst noch reden will.\nEncvklop. tl. Physik. IX. Hei.mhoi.tz, Physiol. Optik.\t' 29","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN..\n\u00a7\u2022 26.\nDass wir nun, nachdem wir den physiologischen Ursprung und Zusammenhang I1 der Sinnest\u00e4uschungen kennen gelernt haben, doch die T\u00e4uschung trotz unserer besseren Einsicht nicht los werden k\u00f6nnen, r\u00fchrt eben davon her, dass die Induction durch eine unbewusste und unwillk\u00fchrliche Th\u00e4tigkeit des Ged\u00e4chtnisses gebildet ist, die eben deshalb unserm Bewusstsein als eine fremde, zwingende Naturkraft erscheint. Uebrigens finden wir daf\u00fcr vielf\u00e4ltige Analogien bei allen m\u00f6glichen anderen Arten des Scheines. Ich m\u00f6chte sagen, dass aller Schein entsteht durch vorschnelle unreflectirte Inductionen, bei denen wir aus fr\u00fcheren F\u00e4llen Schl\u00fcsse auf neue F\u00e4lle ziehen, und wo die Neigung zu den falschen Schl\u00fcssen bestehen bleibt, trotz der auf bewusste Ueberlegung gegr\u00fcndeten bessern Einsicht in die Sache. Die Sonne geht jeden Abend vor unseren Augen hinter dem feststehenden Horizonte scheinbar unter, obgleich wir sehr wohl wissen, dass jene feststeht und dieser sich bewegt. Ein Schauspieler, der einen alten Mann geschickt darstellt, ist auf der B\u00fchne f\u00fcr uns auch ein alter Mann, so lange wir dem unmittelbaren Eindr\u00fccke freien Lauf lassen, und uns nicht gewaltsam besinnen, dass wir vom Theaterzettel her wissen, dieses sei der uns bekannte junge Schauspieler, welcher dort herumagirt. Wir halten ihn f\u00fcr zornig oder f\u00fcr leidend, je nachdem er uns die eine oder andere Art der Mienen und Geberden zeigt; er erregt Schrecken oder Mitleiden in uns, wir zittern vor dem Augenblicke, den wir kommen sehen, wo er etwas Furchtbares ausf\u00fchren oder erdulden wird, und die begr\u00fcndete Ueber-zeugung, dass dies alles nur Schein und Spiel sei, hilft durchaus nichts gegen unsere Gem\u00fcthsbewegungen, so lange der Schauspieler nicht aus seiner Rolle f\u00e4llt.\nIm Gegentheil ergreift und foltert uns eine solche l\u00fcgenhafte Geschichte, der wir scheinbar pers\u00f6nlich beiwohnen, viel mehr, als es eine entsprechende wahre thun w\u00fcrde, von der wir einen trockenen actenm\u00e4ssigen Bericht lesen.\nNun sind unsere Erfahrungen dar\u00fcber, dass gewisse Mienen, Geberden und Sprechweisen den Zustand heftigen Zorns verrathen, \u00fcberhaupt die Erfahrungen \u00fcber die \u00e4usseren Zeichen gewisser Gem\u00fcthszust\u00e4nde und Charaktereigenth\u00fcmlich-keiten, welche der Schauspieler uns vorf\u00fchren kann, doch lange nicht so zahlreich und regelm\u00e4ssig wiederholt, wie diejenigen Erfahrungen, welche uns gelehrt haben, dass gewisse Sinnesempfindungen gewissen \u00e4usseren Objecten entsprechen. Daher d\u00fcrfen wir uns nicht wundern, wenn die Vorstellung des zu einer Sinnesempfindung gew\u00f6hnlich geh\u00f6rigen Objects nicht schwindet, auch wenn wir wissen, dass in dem vorliegenden einzelnen Falle ein solches Object nicht vorhanden sei.\nVon der gr\u00f6ssten Wichtigkeit endlich f\u00fcr die Festigkeit unserer Ueberzeugung von der Richtigkeit unserer sinnlichen Wahrnehmung sind die Pr\u00fcfungen, welche wir mittels der willk\u00fchrlichen Bewegungen unseres K\u00f6rpers anstellen. Es entsteht dadurch den blos passiven Beobachtungen gegen\u00fcber dieselbe Art festerer Ueberzeugung, welche wir bei wissenschaftlichen Untersuchungen durch das experimentirende. Verfahren gewinnen. Der eigentliche letzte Grund, durch welchen alle unsere bewusst vollzogenen Inductionen \u00fcberzeugende Kraft erhalten, ist das Causalgesetz. Wenn wir sehr h\u00e4ufig zwei Naturerscheinungen verbunden haben auftreten sehen, z. B. den Donner immer dem Blitze folgen, so erscheinen sie gesetzm\u00e4ssig aneinander gebunden , und wir schliessen, dass ein gemeinsamer Grund f\u00fcr beide bestehen muss, und wenn dieser Causalnexus bisher immer bewirkt hatte, dass Donner und Blitz sich begleiteten, so werden gleiche Ursachen auch in Zukunft gleiche Wirkungen hervorbringen m\u00fcssen, und der Erfolg wird auch in Zukunft derselbe sein m\u00fcssen. So lange wir nun aber auf blosse Beobachtung solcher Ph\u00e4nomene beschr\u00e4nkt sind, welche ohne unser Zuthun von selbst eintreten, ohne Experimente anstellen zu k\u00f6nnen, bei denen wir den Complex der Ursachen ver\u00e4ndern, gewinnen wir schwer die \u00dcberzeugung, dass wir alle Bedingungen, welche auf den Erfolg","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 26.\nEINFLUSS DER BEWEGUNGEN.\n451\nEinfluss haben k\u00f6nnen, wirklich schon ermittelt haben. Es muss schon eine ungeheuere Mannigfaltigkeit von F\u00e4llen existiren, auf welche das Gesetz passt, und es muss das Gesetz den Erfolg mit grosser Genauigkeit bestimmen, wenn wir uns in einem Falle blosser Beobachtung beruhigen sollen. So ist es bei den Bewegungen des Planetensystems. Wir k\u00f6nnen freilich mit den Planeten nicht experimentiren, aber die von Newton aufgestellte Theorie der allgemeinen Gravitation giebt so vollst\u00e4ndige und genaue Erkl\u00e4rung der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig verwickelten scheinbaren Bewegungen dieser K\u00f6rper am Himmelsgew\u00f6lbe, dass wir nicht mehr anstehen, sie als ausreichend bewiesen zu betrachten. Und doch sind die Versuche von Reich \u00fcber die Massenanziehung von Bleikugeln, die von Foucault \u00fcber die Ablenkung des schwingenden Pendels durch die Rotation der Erde, von dem letzteren und Fizeau \u00fcber die Messung der Lichtgeschwindigkeit innerhalb irdischer Distanzen von dem gr\u00f6ssten Werth, um unsere Uebcrzeugung auch auf experimentellem Wege zu kr\u00e4ftigen.\nEs giebt vielleicht kein Ergebniss blosser Beobachtung, welches sich so ausschliesslich richtig erwiesen hat, als der vorher als Beispiel gebrauchte allgemeine Satz, dass alle Menschen, ehe sie ein gewisses Alter \u00fcberschritten haben, sterben. Es ist unter vielen Millionen von Menschen kein Ausnahmsfall vorgekommen. W\u00e4re einer vorgekommen, so w\u00fcrden wir annehmen, d\u00fcrfen, dass wir Nachricht davon h\u00e4tten. Unter den Verstorbenen befinden sich Individuen, die in den verschiedensten Klimaten, von den verschiedensten Nahrungsmitteln gelebt und die verschiedensten Besch\u00e4ftigungen gehabt haben. Dessen ungeachtet kann man nicht sagen, dass die Behauptung, alle Menschen m\u00fcssten sterben, denselben Grad von Sicherheit habe, wie irgend ein Satz aus der Physik, dessen Consequenzen mit der Erfahrung in vielfachen Modificationen genau experimentell verglichen sind. F\u00fcr das Sterben der Menschen kenne ich den Causalnexus nicht. Ich weiss nicht die Ursachen anzugeben, welche die Alterschw\u00e4che unabweiehlich herbeif\u00fchren, wenn keine gr\u00f6bere \u00e4ussere Sch\u00e4dlichkeit dem Leben fr\u00fcher ein Ende gemacht hat\u201e Ich habe mich nicht durch Experimente \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dass, wenn ich jene Ursachen wirken lasse, Altersschw\u00e4che unausbleiblich eintritt, und dass sie nicht ein-tritt, wenn ich jene Ursachen ihres Eintritts beseitige. Ich kann Jemandem, der gegen mich behauptet, dass unter Anwendung gewisser Mittel das Leben des Menschen unbestimmt lange erhalten bleiben w\u00fcrde, zwar den \u00e4ussersten Grad der Ungl\u00e4ubigkeit entgegensetzen, aber keinen absoluten Widerspruch, wenn ich nicht weiss, dass wirklich Individuen unter den von ihm bezeichneten Umst\u00e4nden gelebt haben und schliesslich doch gestorben sind. Wenn ich dagegen behaupte, dass alles fl\u00fcssige Quecksilber, wenn es ungehindert ist, durch W\u00e4rme sich ausdehnt, so weiss ich, dass h\u00f6here Temperatur und Ausdehnung des Quecksilbers, so oft ich sie zusammen beobachtet habe, nicht blos auf der Wirkung einer unbekannten gemeinsamen dritten Ursache beruht haben, wie ich im Falle blosser Beobachtungen glauben k\u00f6nnte, sondern ich weiss durch den Versuch, dass die W\u00e4rme f\u00fcr sich hinreichte, auch die Ausdehnung hervorzubringen. Ich habe Quecksilber \u00f6fters erw\u00e4rmt, zu verschiedenen Zeiten. Ich habe mir dabei nach eigenem Willen die Augenblicke gew\u00e4hlt, wo ich den Versuch beginnen wollte. Wenn also dabei das Quecksilber sich ausdehnte, so musste die Ausdehnung bedingt sein durch diejenigen Umst\u00e4nde, welche ich durch meinen Versuch herbeigef\u00fchrt hatte. Ich weiss dadurch, dass die Erw\u00e4rmung an sich ausreichender Grund f\u00fcr die Ausdehnung war, lind dass keine anderen verborgenen Einfl\u00fcsse weiter n\u00f6thig waren, um sie hervorzubringen. Durch verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig wenige, gut augestellte Versuche bin ich im Stande, die urs\u00e4chlichen Bedingungen eines Ereignisses mit gr\u00f6sserer Sicherheit festzustellen, als durch millionenfache Beobachtung, bei welcher ich die Bedingungen\n29 *","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u202226.\nnicht habe beliebig ver\u00e4ndern k\u00f6nnen. Wenn ich z. B. die Ausdehnung des Queck-Silbers nur gesehen h\u00e4tte an einem mir unzug\u00e4nglichen Thermometer in einem Orte, dessen Luft bei jeder Temperatur mit Feuchtigkeit ges\u00e4ttigt blieb, so h\u00e4tte ich fragen m\u00fcssen, dehnt sieh das Quecksilber durch die W\u00e4rme aus, oder durch die Feuchtigkeit. Erst der Versuch, ob bei gleichbleibender W\u00e4rme Ver\u00e4nderung der Feuchtigkeit, ob bei gleichbleibender Feuchtigkeit Ver\u00e4nderung der W\u00e4rme das Volumen des Quecksilbers ver\u00e4ndere,' konnte Aufschluss geben.\nDieselbe grosse Bedeutung nun, welche das Experiment f\u00fcr die Sicherheit unserer wissenschaftlichen Ueberzeugungen hat, hat es auch f\u00fcr die unbewussten Induktionen unserer sinnlichen Wahrnehmungen. Erst indem wir unsere Sinnesorgane nach eigenem Willen in verschiedene Beziehungen zu den Objecten bringen, lernen wir sicher urtheilen \u00fcber die Ursachen unserer Sinnesempfindungen, und solches f Experimentiren geschieht von fr\u00fchester Jugend an ohne Unterbrechung das ganze Leben hindurch.\nWenn die Gegenst\u00e4nde nur an unseren Augen vorbeigef\u00fchrt w\u00fcrden durch fremde Kraft, ohne dass wir selbst etwas dazu thun k\u00f6nnten, w\u00fcrden wir uns in einer solchen optischen Phantasmagoric vielleicht nie zurecht gefunden haben, ebenso wenig als das Menschengeschlecht sich die scheinbaren Bewegungen der Planeten am Himmelsgew\u00f6lbe zu deuten wusste, ehe man die Gesetze des perspectivischen Sehens wissenschaftlich auf sie anwenden konnte. Wenn wir aber bemerken, dass wir von einem vor uns stehenden Tische verschiedene Bilder erhalten k\u00f6nnen, wenn wir nur den Platz wechseln, dass wir nach unserem Willen in jedem uns beliebigen Augenblicke bald die erste Ansicht desselben, bald die zweite haben k\u00f6nnen, dadurch, dass wir unsere Stellung passend wechseln, dass der Tisch unseren Sinnen entschwinden kann, aber in jedem uns beliebigen Augenblicke wieder da ist, wenn wir die Augen nach ihm hinwenden, so entsteht in uns die experimentell begr\u00fcndete Ueberzeugung, dass unsere Bewegungen der Grund der wechselnden Ansichten des Tisches sind, dass dieser, mb wir ihn nun gerade sehen oder nicht sehen, doch von uns, sobald wir nur wollen, gesehen werden kann. So lernen wir durch unsere Bewegungen das ruhende Raumgebild des Tisches kennen als den Grund wechselnder Bilder in unseren Augen. Wir erkl\u00e4ren den Tisch als daseiend, unabh\u00e4ngig von unserer Beobachtung, weil wir ihn in jedem uns beliebigen Augenblicke beobachten k\u00f6nnen, sobald wir uns in passende Stellung zu ihm versetzen.\nDas Wesentliche bei diesem Verfahren ist eben das Princip des Experimenti-rens. Wir ver\u00e4ndern einen Theil der Bedingungen, unter denen das Object wahrgenommen wird, aus eigenem Antrieb und eigener Machtvollkommenheit. Wir wissen, dass die hierdurch veranlassten Ver\u00e4nderungen in der Art, wie die Objecte uns erscheinen, keinen andern Grund haben, als die Bewegungen, welche wir gemacht haben. Wir gewinnen so eine verschiedene Reihe von Anschauungen desselben Objects, von denen wir uns mit experimenteller Sicherheit \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dass sie doch nur Anschauungen des ' einen unver\u00e4ndert gebliebenen Objects, ihrer gemeinsamen Ursache, sind. In der That sehen wir auch die Kinder in dieser Weise an den Gegenst\u00e4nden experimentiren. Sie drehen sie immer wiederholt nach allen Seiten, betasten sie mit den H\u00e4nden und dem Munde, wiederholen dies Tag f\u00fcr Tag mit denselben Gegenst\u00e4nden, und pr\u00e4gen sich so ihre Form ein, d. h. die verschiedenen Gesichts- und Tasteindr\u00fccke, welche derselbe Gegenstand, von verschiedenen Seiten betrachtet und bef\u00fchlt, gew\u00e4hrt.\nBei solchem Experimentiren an den Objecten zeigt sich ein Theil der Ver\u00e4nderungen in den Sinneseindr\u00fccken abh\u00e4ngig von dem eigenen Willen, ein anderer, n\u00e4mlich alles, was von der Beschaffenheit der gerade vorliegenden Objecte abh\u00e4ngt, dr\u00e4ngt sich uns auf mit einer Nothwendigkeit, die wir nicht willkiihrlich ver\u00e4ndern","page":452},{"file":"p0453.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 26.\nDAS CA\u00dcSALGESETZ.\n453\nk\u00f6nnen, und die uns am f\u00fchlbarsten wird, wenn sie unangenehme Empfindungen, Schmerz, erregt. So kommen wir zur Anerkennung einer von unserem Wollen und Vorstellen unabh\u00e4ngigen, also \u00e4usserlichen Ursache unserer Empfindungen. Diese erweist sich dabei als fortbestehend unabh\u00e4ngig von unserer augenblicklichen Wahrnehmung, da wir eine jede aus der Reihe von Empfindungen, die sie in uns hervorbringen kann, in jedem von uns gew\u00e4hlten Augenblicke durch passende Manipulationen und Bewegungen wieder eintreten lassen k\u00f6nnen. So wird die \u00e4ussere Ursache als ein unabh\u00e4ngig von unserer Wahrnehmung bestehendes Object anerkannt.\nEs schiebt sich hier der Begriff der Ursache hinein, und es ist zu fragen, ob es zul\u00e4ssig ist, diesen bei der urspr\u00fcnglichen sinnlichen Wahrnehmung vorauszusetzen. Wir sind hier wieder in der Verlegenheit, dass wir die Vorg\u00e4nge nur in der Sprache der reflectirenden Wissenschaft beschreiben k\u00f6nnen, w\u00e4hrend in der urspr\u00fcnglichen Form der bewussten Wahrnehmung die Reflexion des Bewusstseins auf sich selber noch nicht deutlich enthalten ist.\nDas nat\u00fcrliche Bewusstsein, welches.ganz im Interesse der Beobachtung der Aussenwelt aufgeht, und wenig Veranlassung hat, seine Aufmerksamkeit dem neben dem bunten Wechsel der \u00e4usseren Objecte immer unver\u00e4ndert erscheinenden Ich zuzuwenden, pflegt nicht zu beachten, dass die Eigenschaften der betrachteten und betasteten Objecte Wirkungen derselben theils auf andere Naturk\u00f6rper, haupts\u00e4chlich aber auf unsere Sinne sind. Indem nun so ganz abgesehen wird von unserem Nervensystem und unserem Empfindungsverm\u00f6gen, als dem gleichbleibenden Reagens, auf welches die Wirkung ausge\u00fcbt wird, und die Verschiedenheit der Wirkung nur als Verschiedenheit des Objects, von dem sie ausgeht, beachtet wird, kann die Wirkung auch nicht mehr als Wirkung anerkannt werden (denn jede Wirkung muss Wirkung auf etwas Anderes sein), sondern sie wird als Eigenschaft des K\u00f6rpers objectiv hingestellt, und nur als ihm angeh\u00f6rig betrachtet, und wenn man sich dann einmal darauf besinnt, dass wir diese Eigenschaften wahrnehmeu, so erscheint uns consequenter Weise unser Eindruck als ein reines Bild der \u00e4usseren Beschaffenheit, der nur jenes Aeussere wiedergiebt und nur von ihm abh\u00e4ngig ist.\nBesinnen wir uns aber \u00fcber den Grund dieses Verfahrens, so ist es klar, dass wir aus der Welt unserer Empfindungen zu der Vorstellung von einer Ausen-welt niemals kommen k\u00f6nnen, als durch einen Schluss von der wechselnden Empfindung auf \u00e4ussere Objecte als die Ursachen dieses Wechsels; wenn wir auch, nachdem die Vorstellung der \u00e4usseren Objecte einmal gebildet ist, nicht mehr beachten, wie wir zu dieser Vorstellung gekommen sind, besonders darum, weil der Schluss so selbstverst\u00e4ndlich erscheint, dass wir uns seiner als eines neuen Resultats gar nicht bewusst werden.\nDemgem\u00e4ss m\u00fcssen wir das Gesetz der Causalit\u00e4t, verm\u00f6ge dessen wir von der Wirkung auf die Ursache schliessen, auch als ein aller Erfahrung vorausgehendes Gesetz unseres Denkens anerkennen. Wir k\u00f6nnen \u00fcberhaupt zu keiner Erfahrung von Naturobjecten kommen, ohne das Gesetz der Causalit\u00e4t schon in uns wirkend zu haben, es kann also auch nicht erst aus den Erfahrungen, die wir an Naturobjecten gemacht haben, abgeleitet sein.\nDas letztere ist vielf\u00e4ltig behauptet worden; das Causalgesetz sollte ein durch Induction gewonnenes Naturgesetz sein. Auch Stuart Mill hat es in neuerer Zeit noch wieder so aufgefasst, und sogar die M\u00f6glichkeit besprochen, dass es vielleicht in andern Fixsternsystemen nicht g\u00fcltig sein k\u00f6nnte. Dem gegen\u00fcber will ich hier nur zu bedenken geben, dass es mit dem empirischen Beweise des Gesetzes vom zureichenden Grunde \u00e4usserst misslich aussieht. Denn die Zahl der F\u00e4lle, wo wir den causalen Zusammenhang von Naturprocessen vollst\u00e4ndig glauben","page":453},{"file":"p0454.txt","language":"de","ocr_de":"454\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u25a0 26.\nnachweisen zu k\u00f6nnen, ist verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gering gegen die Zahl derjenigen, wo wir dazu noch durchaus nicht im Stande sind. Jene ersteren geh\u00f6ren fast ausschliesslich der unorganischen Natur an, zu den unverstandenen F\u00e4llen geh\u00f6rt die Mehrzahl der Erscheinungen in der organischen Natur. Ja in den Thieren und im Menschen nehmen wir nach den Aussagen unseres eigenen Bewusstseins sogar mit Bestimmtheit ein Prineip des freien Willens an, f\u00fcr welches wir ganz entschieden Unabh\u00e4ngigkeit von der Strenge des Causalgesetzes in Anspruch nehmen, und trotz aller theoretischen Speculationen \u00fcber die m\u00f6glichen Irrth\u00fcmer bei dieser Ueber-zeugung, wird sie unser nat\u00fcrliches Bewusstsein, glaube ich, kaum jemals | los werden. Also gerade den uns am besten und genauesten bekannten Fall des | Handelns- betrachten wir als eine Ausnahme von jenem Gesetze. W\u00e4re also das Causalgesetz ein Erfahrungsgesetz, so s\u00e4he es mit seinem inductiven Beweise sehr misslich aus. Den Grad seiner G\u00fcltigkeit w\u00fcrden wir h\u00f6chstens mit denjenigen der , meteorologischen Regeln, dem Drehungsgesetz des Windes u. a. m. vergleichen k\u00f6nnen. Wir w\u00fcrden den vitalistischen Physiologen durchaus nicht mit Entschiedenheit widersprechen d\u00fcrfen, wenn sie das Causalgesetz f\u00fcr gut in der unorganischen Natur erkl\u00e4ren, f\u00fcr die organische aber ihm nur Wirksamkeit in einer niederen Sph\u00e4re zuschreiben.\nEndlich tr\u00e4gt das Causalgesetz den Charakter eines rein logischen Gesetzes auch wesentlich darin an sich, dass die aus ihm gezogenen Folgerungen nicht die wirkliche Erfahrung betreffen, sondern deren Verst\u00e4ndniss, und dass es deshalb durch keine m\u00f6gliche Erfahrung je widerlegt werden kann l. Denn wenn wir irgend wo in der Anwendung des Causalgesetzes scheitern, so schliessen wir daraus nicht, dass es falsch sei, sondern nur, dass wir den Complex der bei der betreffenden Erscheinung mitwirkenden Ursachen noch nicht vollst\u00e4ndig kennen. Und wenn wir endlich mit dem Verst\u00e4ndniss gewisser Naturprocesse nach dem Causalgesetze fertig geworden sind, so sind die Folgerungen aus demselben: dass gewisse materielle Massen im Raume existiren und sich bewegen, und mit gewissen Bewegungskr\u00e4ften auf einander wirken. Aber sowohl der Begriff der Materie, wie der der Kraft sind ganz abstracter Art, wie sich schon aus ihren Attributen leicht ergiebt. Materie ohne Kraft soll nur im Raume dasein, aber nicht wirken, also auch keine Eigenschaften haben. Sie w\u00fcrde also ganz gleichg\u00fcltig sein f\u00fcr alle anderen Vorg\u00e4nge in der Welt, sowie f\u00fcr unsere Wahrnehmungen, sie w\u00fcrde so gut wie nicht existirend sein. Kraft ohne Materie nun gar, soll wirken, aber nicht unabh\u00e4ngig dasein k\u00f6nnen, denn das Daseiende ist alles Materie. Beide Begriffe k\u00f6nnen also nie von einander getrennt werden, sie sind nur abstracte Betrachtungsweisen derselben Naturobjecte nach verschiedenen Beziehungen. Eben deshalb k\u00f6nnen aber weder Materien noch Kr\u00e4fte directer Gegenstand der Beobachtung sein, sondern immer nur die erschlossenen Ursachen der Erfahrungsthatsachen. Wenn wir also schliesslich als letzte und zureichende Gr\u00fcnde der Naturerscheinungen Abstracta hin-stelien, welche nie Gegenstand der Erfahrung sein k\u00f6nnen, wie k\u00f6nnen wir sagen, dass die Erscheinungen zureichende Gr\u00fcnde haben, sei durch die Erfahrung bewiesen?\nDas Gesetz vom zureichenden Grunde ist vielmehr nichts anderes als die Forderung, alles begreifen zu wollen. Das Verfahren unseres Begreifens den Naturerscheinungen gegen\u00fcber ist, dass wir Gattungsbegriffe und Naturgesetze zu finden suchen. Naturgesetze sind nichts als Gattungsbegriffe f\u00fcr die Ver\u00e4nderungen in der Natur. Indem wir aber die Naturgesetze als g\u00fcltig und wirksam betrachten m\u00fcssen unabh\u00e4ngig von unserem Beobachten und Denken, w\u00e4hrend sie\n1 Helmholtz. Ueber das Sehen des Menschen; ein popul\u00e4r wissenschaftlicher Vortrag; Leipzig, 1853.","page":454},{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 26.\nGESCHICHTE DER THEORIE DER WAHRNEHMUNG.\n455\nals Gattungsbegriffe zun\u00e4chst nur die Ordnung unseres-Denkens betreffen w\u00fcrden, nennen wir sie Ursachen und Kr\u00e4fte. Wenn wir also Naturerscheinungen nicht auf ein Gesetz zur\u00fcckf\u00fchren k\u00f6nnen, also auch das Gesetz nicht objectiv g\u00fcltig als Ursache der Erscheinungen hinstellen k\u00f6nnen, so h\u00f6rt eben die M\u00f6glichkeit auf, solche Erscheinungen zu begreifen.\nWir m\u00fcssen aber versuchen, sie zu begreifen, wir haben keine andere Methode, sie der Herrschaft unseres Verstandes zu unterwerfen; wir m\u00fcssen also an ihre Untersuchung gehen mit der Voraussetzung, dass sie zu begreifen sein werden. Somit ist das Gesetz vom zureichenden Grunde eigentlich nichts anderes als der Trieb unseres Verstandes, alle unsere Wahrnehmungen seiner eigenen Herrschaft zu unterwerfen, nicht ein Naturgesetz. Unser Verstand ist das Verm\u00f6gen, allgemeine Begriffe zu bilden; er findet an unseren sinnlichen Wahrnehmungen und Erfahrungen nichts zu thun, wenn er nicht allgemeine Begriffe, Gesetze, bilden kann, die er dann objectivirt und Ursachen nennt.' Wenn sich aber findet, dass die Naturerscheinungen unter einen bestimmten Causalzusammenhang zu subsumiren sind, so ist das allerdings eine objectiv g\u00fcltige Thatsache, und entspricht objectiven besonderen Beziehungen zwischen den Naturerscheinungen, die wir in unserem Denken als Causalzusammenhang derselben ausdr\u00fccken, und eben nicht anders auszudr\u00fccken wissen.\nEbenso wie es die eigenth\u00fcmliche Th\u00e4tigkeit unseres Auges ist, Lichtempfindung zu haben, und wir deshalb die Welt nur sehen k\u00f6nnen als Lichterscheinung, so ist es die eigenth\u00fcmliche Th\u00e4tigkeit unseres Verstandes, allgemeine Begriffe zu bilden, d. h. Ursachen zu suchen, und er kann die Welt also begreifen nur als causalen Zusammenhang. Neben dem Auge haben wir noch andere Organe f\u00fcr die Auffassung der Aussenwelt, und k\u00f6nnen deshalb manches f\u00fchlen, oder riechen, was wir nicht sehen k\u00f6nnen. Neben unserem Verst\u00e4nde steht wenigstens f\u00fcr die Auffassung der Aussenwelt kein anderes gleich geordnetes Verm\u00f6gen da. Was wir also nicht begreifen k\u00f6nnen, das k\u00f6nnen wir uns deshalb auch nicht als existirend vorstellen.\nDie \u00e4ltere Geschichte der Lehre von den Sinneswahrnehmungen im Allgemeinen f\u00e4llt zusammen mit der Geschichte der Philosophie, wie schon am Schl\u00fcsse des siebzehnten Paragraphen auseinandergesetzt ist. Die Physiologen des 17. und 18. Jahrhunderts kamen mit ihrer Untersuchung meist nur bis zum Netzhauthilde, und glaubten, dass mit dessen Bildung alles abgemacht sei, daher sie denn auch durch die Fragen, warum wir die Gegenst\u00e4nde aufrecht sehen und warum wir sie einfach sehen trotz der Existenz zweier verkehrten Netzhautbilder, nicht wenig in Verlegenheit gesetzt wurden.\nUnter den Philosophen hat zuerst Caktesi\u00fcs sich eingehender mit den Gesichtswahrnehmungen besch\u00e4ftigt mit Ber\u00fccksichtigung der naturwissenschaftlichen Kenntnisse seiner Zeit. Er erkennt die Qualit\u00e4ten der Empfindung als wesentlich subjectiv an, h\u00e4lt aber die Anschauungen der quantitativen Verh\u00e4ltnisse der Gr\u00f6sse, Gestalt, Bewegung, Lage, Dauer, Zahl der Gegenst\u00e4nde f\u00fcr objectiv richtig anschaubar. Zur Erkl\u00e4rung der Richtigkeit dieser Vorstellungen nimmt er aber wie die ihm nachfolgenden idealistischen Philosophen ein System angeborener Ideen an, die mit den Dingen \u00fcbereinstimmten. Diese Theorie wurde dann sp\u00e4ter am consequentesten und reinsten von Leibnitz entwickelt.\nBerkeley untersuchte eingehend den Einfluss des Ged\u00e4chtnisses auf die Gesichtswahrnehmungen und die inductiven Schl\u00fcsse, die dabei Vorkommen, von denen er sagt, dass sie so schnell geschehen, dass wir sie nicht bemerken, wenn wir nicht absichtlich darauf achten. Diese empirische Basis f\u00fchrte ihn dann freilich zu der Behauptung, dass nicht blos die Qualit\u00e4ten der Empfindung, sondern auch die Wahrnehmungen \u00fcberhaupt nur innere Processe seien, denen nichts \u00e4usseres entspr\u00e4che. Er wird zu dieser Schlussfolgerung verleitet durch den falschen Satz, die Ursache (das wahrgenommene Object) m\u00fcsse ihrer Wirkung, (der Vorstellung) gleichartig, also auch ein geistiges Wesen, nicht ein reales Object sein.\nDie Erkenntnisstheorie von Locke leugnete die angeborenen Ideen und suchte alle Er-kenntniss auf Empirie zu gr\u00fcnden; das Streben endete aber bei Hume in der Leugnung aller M\u00f6glichkeit von objectiver Erkenntniss.","page":455},{"file":"p0456.txt","language":"de","ocr_de":"456\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 26.\nDer wesentlichste Schritt, um die Frage auf den richtigen Standpunkt zu stellen, wurde von Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft gethan, in der er allen reellen Inhalt des Wis-. \u2022 sens aus der Erfahrung ableitete, von diesem aber unterschied, was in der Form unserer Anschauungen und Vorstellungen durch die eigenth\u00fcmlichen F\u00e4higkeiten unseres Geistes bedingt ist. Das reine Denken a priori kann nur formal richtige S\u00e4tze ergehen, die als noth-wendige Gesetze des Denkens und Vorstellens allerdings absolut zwingend erscheinen, aber keine reale Bedeutung f\u00fcr die Wirklichkeit haben, also auch niemals irgend eine Folgerung \u00fcber Thatsaclien einer m\u00f6glichen Erfahrung zulassen k\u00f6nnen.\nIn dieser Auffassung ist die Wahrnehmung anerkannt als eine Wirkung, welche das wahrgenommene Object auf unsere Sinnlichkeit hat, welche Wirkung in ihren n\u00e4heren Bestimmungen ebenso gut abh\u00e4ngt von dem Wirkenden wie von der Natur dessen, auf welches gewirkt wird. Auf die empirischen Verh\u00e4ltnisse wurde dieser Standpunkt namentlich von Jon. M\u00fcller \u00fcbertragen in seiner Lehre von den. specifischen Energien der Sinne.\nDie nachfolgenden idealistischen Systeme der Philosophie von J. G. Fichte , Schelling, Hegel haben allen Nachdruck wieder darauf gelegt, dass die Vorstellung wesentlich abh\u00e4ngig sei von der Natur des Geistes, und den Einfluss, den das Wirkende \"auf die Wirkung hat, vernachl\u00e4ssigt. Sie sind deshalb auch f\u00fcr die Theorie der Sinneswahrnehmung von geringem Einfl\u00fcsse gewesen.\nKant hatte Raum und Zeit kurzweg als gegebene Formen aller Anschauung hingestellt, ohne weiter zu untersuchen, wie viel in der n\u00e4heren Ausbildung der einzelnen r\u00e4umlichen und zeitlichen Anschauungen aus der Erfahrung hergeleitet sein k\u00f6nnte. Diese Untersuchung lag auch ausserhalb seines Weges. So betrachtete er namentlich die geometrischen Axiome auch als urspr\u00fcnglich in der Raumanschauung gegebene S\u00e4tze, eine Ansicht, \u00fcber welche sich wohl noch streiten l\u00e4sst. Seinem Vorg\u00e4nge schlossen sich Joh. M\u00fcller und die Reihe von Physiologen an, welche die nativistische Theorie der Raumanschauung auszubilden suchten. Jon. M\u00fcller selbst nahm an, dass die Netzhaut in ihrer r\u00e4umlichen Ausdehnung sich selbst empfinde verm\u00f6ge einer angeborenen F\u00e4higkeit dazu, und dass die Empfindungen beider Netzh\u00e4ute hierbei verschm\u00f6lzen. Als derjenige, welcher in neuerer Zeit am conke-quentesten diese Ansicht durchzuf\u00fchren und den neueren Entdeckungen anzupassen gesucht hat, ist E. Hering zu nennen.\t.\t'\nSchon vor M\u00fcller hatte Steinruch eine Herleitung der r\u00e4umlichen Einzelanschauungen mittels der Bewegungen der Augen und des K\u00f6rpers versucht. Von philosophischer Seite nahmen Hereart, Lotze, Waitz und Cornelius dieselbe Aufgabe in Angriff. Von empirischer Seite war es sp\u00e4ter namentlich Wheatstone, welcher durch die Erfindung des Stereoskops einen m\u00e4chtigen Anstoss zur Untersuchung des Einflusses der Erfahrung auf unsere Gesichtsanschauungen gab. Ausser kleineren Beitr\u00e4gen, die ich selbst in verschiedenen Arbeiten zur L\u00f6sung dieser Aufgabe gegeben habe, sind hier als Versuche, eine empiristische Ansicht durchzuf\u00fchren, zu nennen: die Schriften von Nagel, Wundt, Classen. Das N\u00e4here \u00fcber diese Untersuchungen und Streitpunkte ist in den folgenden Paragraphen zu er\u00f6rterh.\n1637. Cartesius. Dioptrice. Oeuvres publies par V. Cousin T. V.\n1644. Cartesius. Principia Philosophiae T. III.\n1703. Leibnitz. Nouveaux essais sur l\u2019entendement humain. Opera philos, ed. Erdmann. T. I. p. 194..\n1709. Berkeley. Theory of vision. London.\n1720. Locke. Essai sur l\u2019entendement humain. Trad, de l\u2019Anglais. Londres. L. II et IV.\nHume. Untersuchungen \u00fcber den menschlichen Verstand.\n1787. J. Kant. Kritik der reinen Vernunft. 2. Aufl. Riga 1787.\n1811. Steinbuch. Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Sinne. N\u00fcrnberg.\n1816. J. F. Herbart. Lehrbuch zur Psychologie. Seine Werke herausgegeben von Hartenstein. Leipzig 1850. Bd. V.\n1823. Herbart. Psychologie als Wissenschaft. S\u00e4mmtliche Werke. Bd. VI.\n1826. Jon M\u00fcller. Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinns. Leipzig.\n1849. Tu. Waitz. Lehrbuch der Psychologie als Naturwissenschaft. Braunschweig. 1832. II. Lotze. Medicinische Psychologie. Leipzig.\n1856. H. Lotze. Mikrokosmus. Leipzig.\n1861. Cornelius. Die Theorie des Sehens und r\u00e4umlichen Vorstellens. Halle.\nM. .1. Schleiden. Zur Theorie des Erkennens durch den Gesichtssinn. Leipzig.\nA. Nagel. Das Sehen mit zwei Augen und die Lehre von den identischen Netzhautstellen. Leipzig u. Heidelberg.","page":456},{"file":"p0457.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nBEFESTIGUNG DES AUGAPFELS.\n457\n4 86-1\u201464. E. Hering. Beitr\u00e4ge zur Physiologie. Leipzig.\n1862.\tW. Wundt. Beitr\u00e4ge zur Theorie der Sinneswahrnehmung. Leipzig u. Heidelberg. Abgedruckt aus der Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin 1858 \u20141862.\n1863.\tA. Classen. Das Schlussverfahren des Sehactes. Rostock.\nE. Hering \u00fcber Dr. A. Classen\u2019s Beitrag zur physiologischen Optik. Archiv f\u00fcr pathol. Anatomie und Physiologie. VIII. 2. p. 179.\n4 864. C. S. Cornelius. Zur Theorie des Sehens. Halle.\nJ. Dastich. Ueber die neueren physiologisch-psychologischen Forschungen im Gebiete der menschlichen Sinne. Prag.\n1866. H. Ulrici. Gott und der Mensch. I. Leib und Seele, Grundziige einer Psychologie des Menschen. Leipzig.\n\u00a7. 27. Die Augenbewegungen.\nDa die Bewegungen der Augen eine wesentliche Rolle bei der Bildung der Raumanschauungen durch den Gesichtssinn spielen, so m\u00fcssen wir zun\u00e4chst mit ihnen n\u00e4her bekannt werden.\nDer Augapfel hat zwar keine aus Knochen fest geformte regelm\u00e4ssige Gelenkh\u00f6hle, wie wir sie in den Gelenken der Extremit\u00e4ten finden; die Augenh\u00f6hle, in der er liegt, ist vielmehr, wie Fig. 17, S. 28, zeigt, im Ganzen eine H\u00f6hlung von der Gestalt einer vierkantigen Pyramide, deren Spitze nach hinten sieht, und welche sich in keiner Weise dem nahehin kugelig geformten Augapfel anschliessen kann. Die L\u00fccken, welche zwischen dem letzteren und den kn\u00f6chernen W\u00e4nden der H\u00f6hle bleiben, werden durch sehr fetthaltiges loses Bindegewebe a'usgef\u00fcllt, in welchem die Muskeln, Nerven, Gef\u00e4sse des Auges, die Thr\u00e4nendr\u00fcse u. s. w. liegen. Verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig am engsten sind diese L\u00fccken l\u00e4ngs des vorderen Randes der Augenh\u00f6hle; es bleibt dort, namentlich nach oben, innen und aussen nur ein ziemlich schmaler Spalt zwischen dem Augapfel und dem Knochen \u00fcbrig, wie man leicht f\u00fchlen kann, wenn man die Fingerspitze dazwischenzuschieben sucht. Man kann dies nicht, ohne sogleich Druckbilder hervorzubringen; nur nach unten und aussen gegen das Jochbein hin ist die L\u00fccke etwas gr\u00f6sser. Dadurch ist nun die weiche Masse von Fett, Muskeln, Nerven, Gef\u00e4ssen und Dr\u00fcsen, welche hinter dem Augapfel liegt, in eine H\u00f6hlung eingeschlossen, welche fast vollst\u00e4ndig von festen W\u00e4nden umgeben ist, und nur wenige und schmale Spalten von nachgiebigerer Substanz darbietet. Diese H\u00f6hlung wird nach hinten und nach den Seiten von den kn\u00f6chernen W\u00e4nden der Augenh\u00f6hle, nach vorn durch den Augapfel selbst gebildet. Da nun die genannten organischen Massen, Fett, Muskeln, Nerven u. s. w. fast ganz incompressibel sind, wie das Wasser, welches den gr\u00f6ssten Theil ihres Gewichts ausmacht, und weder merklich ausweichen, noch an Volum zunehmen k\u00f6nnen, so sind zun\u00e4chst alle Bewegungen des\u2019Augapfels an die Bedingung gebunden, dass durch sie das Volumen der hinter dem Augapfel gelegenen Tlieile nicht ver\u00e4ndert werden kann.\nDer Augapfel kann also unter normalen Verh\u00e4ltnissen nicht in die Augenh\u00f6hle hineindringen oder aus ihr heraustreten, wenigstens nicht bei den schnell wechselnden Zusammenziehungen seiner Muskeln. Wenn Blut st\u00e4rker in die Gef\u00e4sse der Augenh\u00f6hle eindringt, oder aus ihnen sich entleert, wie es z. B. nach ersch\u00f6pfenden Krankheiten und im Tode geschieht, so wird dadurch aller-","page":457},{"file":"p0458.txt","language":"de","ocr_de":"458\nDRITTER ABSCHNIITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 27.\ndings das Volumen der weichen hinter dem Augapfel liegenden Theile ver\u00e4ndert, und dieser dringt vor oder zieht sich zur\u00fcck. Dergleichen Ver\u00e4nderungen k\u00f6nnen aber bei den willk\u00fchrlichen Bewegungen des Auges nicht eintreten. Wenn man versucht den Augapfel mit den aufgelegten Fingern in die Augenh\u00f6hle zur\u00fcckzudr\u00e4ngen, so f\u00fchlt man gleich einen erheblichen Widerstand, noch ehe eine merkliche Verschiebung des Auges eingetreten ist, und man bemerkt sogleich die subjectiven Erscheinungen, welche der Druck im Auge hervorruft. Dabei sieht inan die Weichtheile neben dem Augapfel, namentlich unten hervordr\u00e4ngen; so wie man mit dem Drucke nachl\u00e4sst, ziehen diese sich aber auch verm\u00f6ge ihrer elastischen Spannung wieder, zur\u00fcck.\nEbenso wenig kann sich der Augapfel als Ganzes nach rechts und links, oder nach oben und unten verschieben, weil ihm hier \u00fcberall die benachbarten Theile des vorderen kn\u00f6chernen Randes der Augenh\u00f6hle in den Weg treten.\nDadurch sind also alle Verschiebungen des Augapfels als Ganzes, das heisst, alle Verschiebungen, bei welchen s\u00e4mmtliche Punkte des Augapfels sich in gleicher Richtung bewegen, unm\u00f6glich gemacht, und es bleiben als ausf\u00fchrbar nur Drehungen \u00fcbrig, das heisst Bewegungen, bei welchen eine Seite des Augapfels in die Augenh\u00f6hle hineintritt, w\u00e4hrend eine andere heraustritt. Im Ganzen hat also die Art, wie der Augapfel eingebettet ist, f\u00fcr die Bewegungen desselben dasselbe mechanische Resultat, als w\u00e4re er ein kugeliger Gelenkkopf, in einer kugeligen Pfanne befestigt, wie der Kopf des Oberschenkelbeins.\nWenn der Augapfel also nur drehende Bewegungen ausf\u00fchren kann, so ist die erste Frage die nach dem Mittelpunkte dieser Drehungen.\nProfessor Junge aus Petersburg hat in meinem Laboratorium den Drehpunkt des Auges zu bestimmen gesucht, indem er beobachtete, um wie viel sich die Lichtreflexe beider Hornh\u00e4ute einander n\u00e4herten, wenn die Gesichtslinien aus paralleler Stellung in einen bestimmten Convergenzwinkel \u00fcbergingen. Es zeigte sich indessen, dass die Ellipticit\u00e4t der Hornh\u00e4ute einen merklichen Einfluss auf die Berechnung der Resultate hatte, und da es sehr m\u00fchsam ist, diese Ellipticit\u00e4t f\u00fcr viele Augen zu bestimmen, so war die Methode nicht eben ausgedehnter Anwendung f\u00e4hig, obgleich sie \u00fcbrigens sehr genaue Resultate gab.\nDonders und Douer 1 haben deshalb eine einfachere Methode angewendet, welche sich als zureichend genau bew\u00e4hrte. Es wurde zuerst der horizontale Durchmesser der Hornhaut mit dem Ophthalmometer gemessen, und die Lage der Gesichtslinie gegen die Hornhautaxe bestimmt. Dann wurde ein feiner senkrechter Faden unmittelbar vor dem Auge ausgespannt, und beobachtet, wie weit das Auge nach rechts und links blicken musste, damit bald der eine, bald der andere Rand der Hornhaut hinter den Faden trat. Aus diesem Winkel und der bekannten Breite der Drehungen liess sich dann die Lage des Drehpunkts berechnen. Das N\u00e4here dar\u00fcber unten.\nDanach ergab sich, dass bei 19 normalsichtigen Augen der Drehpunkt zwischen 10,42 und 11,77 Mm. hinter der durch den Rand der Hornhaut gelegten Ebene lag, im Mittel 10,957; oder 13,557 hinter dem Scheitel der\n1 Derde Jaarlijksch Verslag betr. het Nederlandsch Gasthuis voor Ooglijders. Utrecht 1862, p.209-\u2014229,","page":458},{"file":"p0459.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 27.\nLAGE DES DREHPUNKTS.\n459\nHornhaut, und etwa 10 Mm. vor der hinteren Fl\u00e4che der Sclerotica, der letzteren also etwas n\u00e4her als der Basis der Hornhaut. Die Lage des Drehpunkts h\u00e4ngt eben haupts\u00e4chlich ab von der Form der hinteren H\u00e4lfte des Augapfels, weil nur diese in Ber\u00fchrung kommt mit dem widerstehenden weichen Polster, welches den Grund der Augenh\u00f6hle ausf\u00fcllt. Diese hintere H\u00e4lfte des Augapfels scheint bei normalen Augen einem st\u00e4rker abgeplatteten Ellipso\u00efde anzugeh\u00f6ren, als die vordere; der Drehpunkt muss etwa mit dem Mittelpunkte dieses Ellipsoids zusammenfallen.\nKurzsichtige Augen sind nach hinten verl\u00e4ngert; bei ihnen liegt deshalb der Drehpunkt auch weiter nach hinten als bei normalsichtigen. Donders fand ihn im Maximo bis zu 13,26 Mm. hinter der Basis der Hornhaut oder 15,86 hinter ihrem Scheitel liegend. Hyperopische Augen dagegen sind hinten abgeflacht, wobei auch der Drehpunkt ein wenig mehr nach vorn r\u00fcckt; das Minimum seiner Entfernung von der Basis der Hornhaut betrug 9,71 Mm. oder 12,32 hinter dem Scheitet der Hornhaut.\nOb der Drehpunkt f\u00fcr jede Richtung und Gr\u00f6sse der Drehung ganz constant sei, hat Donders noch nicht untersucht.\nEs stellte sich bei diesen Versuchen ferner heraus, dass die normalen Augen mit einer einzigen Ausnahme die f\u00fcr diese Versuche n\u00f6tliigen Drehungen des Auges, welche 28\u00b0 nach beiden Seiten hin betrugen, ohne Schwierigkeit ausf\u00fchren konnten, die kurzsichtigen Augen aber hatten oft eine beschr\u00e4nktere Beweglichkeit; unter den Hyperopen fand sich ebenfalls nur ein Ausnahmsfall mit beschr\u00e4nkterer Beweglichkeit. Doch k\u00f6nnen die meisten Augen auch wohl noch st\u00e4rkere Drehungen ausf\u00fchren. Ich erreiche bei st\u00e4rkerer Anstrengung in horizontaler Richtung etwa 50 Grad nach beiden Seiten, und etwa 45\u00b0 nach oben und nach unten, so dass ich von oben nach unten das Auge etwa um einen rechten Winkel, von rechts nach links um etwas mehr drehen kann. Die \u00e4ussersten Drehungen sind aber schon sehr gezw\u00e4ngt und nicht lange zu ertragen.\nWir gehen jetzt dazu \u00fcber zu untersuchen, welche'Drehungen vom Augapfel ausgef\u00fchrt werden. In der Art der Befestigung des Augapfels liegt kein Hinderniss f\u00fcr eine jede Art von Drehung von jn\u00e4ssiger Amplit\u00fcde; \"die Muskeln sind ebenfalls vorhanden, welche Drehung um jede beliebige Axe w\u00fcrden ausf\u00fchren k\u00f6nnen; die genauere Untersuchung der Bewegungen der menschlichen Augen hat aber ergeben, dass unter den gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden des normalen Sehens durchaus nicht alle Bewegungen wirklich ausgef\u00fchrt werden, zu deren Ausf\u00fchrung die mechanischen Mittel vorhanden sind. Wir werden also zun\u00e4chst die Frage zu untersuchen haben, welche Bewegungen werden vom menschlichen Auge wirklich ausgef\u00fchrt?\nBei den Bestimmungen der Lage der Augen und der gesehenen Objecte handelt es sich in der Regel darum, ihre Lage im Verh\u00e4ltniss zu der des Kopfes zu bestimmen, dessen Lage und Richtung im Raume selbst als bekannt angenommen werden muss. Zu diesen Bestimmungen verwenden wir zun\u00e4chst am passendsten folgende von Henle f\u00fcr die anatomischen Beschreibungen eingef\u00fchrte Nomenclatur.\nDer menschliche Kopf besteht aus zwei symmetrischen H\u00e4lften, seine","page":459},{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"460\n\u00a7\u2022 27.\nDRITTER ARSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\nMittelebene^ der Symmetrie nennfen wir die Me di an ebene. Diejenigen Linien, welche entsprechende Punkte der rechten und linken Kopfh\u00e4lfte verbinden, nennen wir transversale oder quere Linien. Sie sind senkrecht zur Medianebene. Ebenen, welche der Medianebene parallel laufen, heissen Sagittal-schnitte.\nAls nat\u00fcrliche'Stellung des Kopfes kann diejenige betrachtet werden, welche bei aufrechter Haltung des K\u00f6rpers angenommen wird, wenn die Blicke nach dem Horizont gerichtet sind. Bei dieser Haltung liegt f\u00fcr mich die Glabella des Stirnbeins (der Theil dicht \u00fcber der Nasenwurzel) senkrecht \u00fcber den Oberz\u00e4hnen. Diese Stellung ist dadurch allerdings nicht ganz genau, sondern nur ann\u00e4hernd bezeichnet; wie f\u00fcr die Augenbewegungen eine genauere Bestimmung gewonnen werden kann, wird sich sp\u00e4ter zeigen. Die in dieser Haltung durch den Kopf gelegten horizontalen Ebenen heissen Horizontalschnitte oder Querschnitte, die senkrecht zur Medianebene gelegten verticalen Schnitte dagegen Frontalschnitte. Die Frontalschnitte und Querschnitte schneiden sich in transversalen Linien. Die Linien, in denen sich die Medianebene und die ihr parallelen Sagittalschnitte mit den Querschnitten (Horizontalschnitten) schneiden, heissen sagittale (pfeilrechte) Linien, und diejenigen, in denen sich die Medianebene und die Sagittalschnitte mit den Frontalschnitten schneiden, verticale (senkrechte) Linien. Die transversalen Linien also verlaufen von rechts nach links, die sagittalen von vorn nach hinten, die verticalen von oben nach unten.\nSo ist ein rechtwinkeliges Coordinatensystem gegeben, welches im Kopfe selbst als fest, und mit ihm beweglich angesehen wird. Die beiden Seiten der Medianebene sind als rechts und links zu bezeichnen, die einer Sagittal-cbene als innen und aussen, oder wo dies eine Verwechselung in Beziehung auf das Innere von hohlen Organen zulassen w\u00fcrde, nach Henle\u2019s Vorschlag als laterale (nach der \u00e4usseren Seite sehend) und als mediale (gegen die Medianebene sehend)- zu bezeichnen. Die beiden Seiten der transversalen Schnitte werden als oben und unten bezeichnet werden k\u00f6nnen, oder wo dies bei schiefer Haltung des Kopfes zweideutig sein k\u00f6nnte, als stirnw\u00e4rts und kinnw\u00e4rts gekehrt. Die beiden Seiten der Frontalschnitte sind unzweideutig als vorn und hinten zu bezeichnen.\nF\u00fcr die Bewegungen des Auges bildet der Drehpunkt den festen Punkt, und beim normalen Sehen sind beide Augen immer so gestellt, dass sie ein und denselben \u00e4usseren Punkt fixiren, welcher Punkt, da das Sehen mit bewegtem Auge Blicken genannt wird, der Blickpunkt heissen mag (sonst auch Fixationspunkt genannt). Eine gerade Linie, welche vom Blickpunkte nach dem Drehpunkte des Auges gezogen ist, nennen wir Blicklinie. Sie ist nicht ganz identisch mit der Gesichtslinie, die dem ungebrochenen Lichtstrahle entspricht, sondern muss etwas auf deren innerer (medialer) Seite liegen, da der Drehpunkt vermuthlich in der Augenaxe, und somit medianw\u00e4rts von der Gesichtslinie liegt. Doch wird die Abweichung beider Linien von einander in den meisten F\u00e4llen zu vernachl\u00e4ssigen sein. Ein Lichtstrahl, der der Blicklinie folgt, muss wie alle vom Blickpunkte ausgehenden Strahlen","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"GESETZ DER DREHUNGEN DES AUGES.\n\u00a7\u2022 27.\n461\nschliesslich durch das Centrum des gelben Flecks gehen, und wird deshalb nicht in der Verl\u00e4ngerung der Blicklinie bleiben k\u00f6nnen,\nEine Ebene, welche durch die beiden Blicklinien gelegt ist, werde Blickebene genannt (der Name der Visirebene, der hierf\u00fcr auch gebraucht ist, wird wohl besser f\u00fcr die Ebene, in der die Visirlinien liegen, aufgespart; \u00fcbrigens wird der Unterschied zwischen Blickebene und Visirebene in der Regel zu vernachl\u00e4ssigen sein). Die Verbindungslinie der Drehpunkte, welche mit den beiden Blicklinien ein Dreieck einschliesst, ist als Basis dieses Dreiecks betrachtet, und dem entsprechend Grundlinie (Basallinie) genannt worden. Die Medianebene des Kopfes schneidet die Grundlinie in ihrem Mittelpunkte, und die Blickebene in der Medianlinie der Blickebene.\nDer Blickpunkt kann gehoben und gesenkt, das heisst stirnw\u00e4rts oder kinnw\u00e4rts bewegt werden. Das Feld, welches er durchlaufen kann, nennen wir das Blickfeld; seine Ausdehnung ist geringer als die des Gesichtsfeldes. Wir denken uns das Blickfeld als Theil einer Kugeloberfl\u00e4che, deren Mittelpunkt im Drehpunkt liegt. Nehmen wir eine bestimmte Lage der Blickebene, die anfangs willk\u00fchrlich gew\u00e4hlt, sp\u00e4ter n\u00e4her bestimmt werden mag, als ihre Anfangslage an, so ist jede neue Lage der Blickebene zu bestimmen durch den Winkel, den sie mit der Anfangslage bildet, und den wir den Erhebungswinkel des Blicks nennen wollen. Derselbe ist positiv zu rechnen, wenn die Blickebene stirnw\u00e4rts, negativ, wenn sie kinnw\u00e4rts verschoben ist.\nIn der Blickebene kann sich nun die Blicklinie jedes Auges lateralw\u00e4rts oder medianw\u00e4rts wenden; wir bezeichnen dies als Seitenwendungen des Blicks, und messen ihre Gr\u00f6sse durch den Seitenwendungswinkel, das heisst durch den Winkel, den die Richtung der Blicklinie mit der Medianlinie der Blickebene bildet. Wendungen nach rechts m\u00f6gen einen positiven Werth des Seitenwendungswinkels haben, Wendungen nach links einen negativen Werth.\nDurch den Erhebungswinkel und den Seitenwendungswinkel ist die Richtung der Blicklinie gegeben. Fick, Meissner, Wundt haben dazu zwei andere Winkel benutzt. In den von mir gebrauchten Bestimmungen wird die Blicklinie erst mit der Blickebene gehoben, und dann in der Blickebene seitw\u00e4rts gewendet. Fick setzt die Blickebene zuerst als horizontal voraus, und die Blicklinie in ihr horizontal verschoben um einen Winkel, den er die Longitudo nennt, indem er die Verticalaxe des Auges mit der Polaraxe eines Erdglobus vergleicht. Dann' l\u00e4sst er die Blicklinie erst heben um einen Winkel, den er die Latitudo nennt. Bei dieser Messung sind aber sowohl die Longitudo als Latitudo in ihrem Werthe abh\u00e4ngig von der gew\u00e4hlten Anfangslage der Blickebene, f\u00fcr welche man von vorn herein keine gen\u00fcgend feste Bestimmungsweise hat, und jede Aenderung dieser Anfangslage macht trigonometrische Berechnungen f\u00fcr die beiden andern Winkel noting. Dagegen ist der von mir gew\u00e4hlte SeitenwendungsWinkel ganz unabh\u00e4ngig von der Wahl der Anfangslage der Blickebene, und der Erhebungswi.nkei ist einfach durch Addition oder Subtraction zu corrigiren, wenn man zu einer anderen Wahl seines Nullpunkts \u00fcbergeht.","page":461},{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"462\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7- 27.\nDurch die genannten Winkel ist nun die Lage der Blicklinie vollst\u00e4ndig gegeben, aber noch nicht die Stellung des Auges. Der Augapfel w\u00fcrde vielmehr noch beliebige Drehungen um die Blicklinie als Axe machen k\u00f6nnen, ohne dass diese ihre Lage dabei \u00e4ndert. Solche Drehungen des Augapfels um die Blicklinie als Axe pflegt man Raddrehungen zu nennen, weil die Iris sich dabei dreht, wie ein Rad. Um die Gr\u00f6sse der Raddrehung zu messen, muss der Winkel bestimmt werden, den eine im Auge feste Ebene mit der Blickebene macht. Als solche habe ich die Ebene gew\u00e4hlt, welche mit der Blick-ebene zusammenf\u00e4llt, wenn der Blick beider Augen der Medianebene parallel in aufrechter Kopfhaltung nach dem unendlich entfernten Horizonte gerichtet ist, und habe diese im Auge feste Ebene den Netzhauthorizont genannt. Ich fand diese Bestimmung unzweideutig bei meinem eignen und bei denjenigen normalsichtigen Augen, die ich untersuchte. Sie ist es aber nicht, wie sich sp\u00e4ter herausgestellt hat, bei kurzsichtigen Augen, und muss also bei solchen entweder eine genau bestimmte Anfangslage der Blickebene festgesetzt werden, oder w\u00fcrde es f\u00fcr die sp\u00e4ter zu machenden Anwendungen vielleicht vortheil-haft sein, f\u00fcr solche Augen diejenige Lage der Blickebene zu benutzen, bei welcher die in der Blickebene liegenden geraden Linien sich auf correspondirenden Stellen beider Netzh\u00e4ute abbilden, was bei den normalsichtigen in der oben genannten der Medianebene parallelen Richtung des Blicks Regel zu sein scheint. Den Winkel zwischen dem Netzhauthorizonte und der Blickebene nennen wir den Raddrehungswinkel des Auges, und nehmen ihn positiv, wenn das obere Ende des verticalen Meridians der Netzhaut nach rechts abgewichen ist. Dabei dreht sich das Auge wie der Zeiger einer von ihm betrachteten Uhr.\nWir wollen zun\u00e4chst die Gesetze f\u00fcr diejenigen Bewegungen beider Augen untersuchen, bei denen beide Blicklinien fortdauernd parallel gerichtet bleiben, wie sie ausgef\u00fchrt werden, wenn man eine Reihe weit entfernter Gegenst\u00e4nde \u00fcberblickt. Bei Convergenz der Augen treten kleine Abweichungen von dem Gesetze ein, welches f\u00fcr parallele Gesichtslinien gilt.\nDas erste von Donders aufgestellte und durch alle sp\u00e4teren Untersuchungen best\u00e4tigte Gesetz ist, dass, wenn die Lage der Blicklinie in Beziehung zum Kopfe gegeben ist, dazu auch ein bestimmter und unver\u00e4nderlicher Werth der Raddrehung geh\u00f6rt, welcher unabh\u00e4ngig von der Willk\u00fchr des Beobachters und unabh\u00e4ngig von dem Wege ist, auf welchem die Blicklinie in die betreffende Stellung gebracht ist. Ausgedr\u00fcckt in der von uns gew\u00e4hlten Bezeichnungsweise, heisst dieses Gesetz:\nDer Raddrehungswinkel jedes Auges ist bei parallelen Blicklinien eine Function nur von dem Erhebungswinkel und dem Seitenwendungswinkel,\nDonders hat namentlich entgegen der von Hueck fr\u00fcher aufgestellten Meinung gezeigt, dass der Werth der Raddrehung nicht wechselt bei ge\u00e4nderter Neigung des Kopfes, wenn dabei die Stellung der Blicklinie zum Kopfe unver\u00e4ndert bleibt. Er hatte die Stellung jedes einzelnen Auges auch f\u00fcr unabh\u00e4ngig von der Stellung des andern Auges gehalten. Indessen hat Volkmann","page":462},{"file":"p0463.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 21.\nGESETZ DER DREHUNGEN DES AUGES.\n463\nallerdings einen, wenn auch geringen Einfluss der Convergenz wenigstens f\u00fcr kurzsichtige Augen nachgewiesen, den wir nachher besprechen werden. Aber auch abgesehen davon hat Erm\u00fcdung der Augenmuskeln durch l\u00e4nger eingehaltene Convergenzstellungen einigen Einfluss, und ausserdem kann unter besonderen ebenfalls nachher zu besprechenden Umst\u00e4nden das Streben, die Objecte einfach zu sehen, unter Bedingungen, wo man dies nur mittels abnormer Augendrehungen erreichen kann, nicht sogleich, aber nach einiger Zeit einen Einfluss auf die Stellung des Auges aus\u00fcben. Kleine Ver\u00e4nderungen treten auch von einem zum anderen Tage ein. Aber alle diese Abweichungen sind gering und beeintr\u00e4chtigen der Hauptsache nach nicht die Geltung des DoNDEKs\u2019schen Gesetzes.\nDie Hauptz\u00fcge des Gesetzes der Augendrehurigen, welche allen Augen gemeinsam sind, lassen sich unter folgende Gesichtspunkte zusammenfassen.\nEs ist unter den verschiedenen Augenstellungen eine herauszufinden von der Art, dass wenn von ihr aus der Blick gerade nach oben oder gerade nach unten, gerade nach rechts oder nach links gewendet wird, keine Raddrehung des Auges erfolgt. Diese Stellung nennen wir die Prim\u00e4r Stellung der Blicklinie. Wenn man also von der Prim\u00e4rstellung ausgeht, so bringt reine Erhebung oder Senkung des Auges ohne Seitenabweichung, oder reine Seitenabweichung ohne Erhebung und ohne Senkung keine Raddrehung hervor.\nDie Lage der Blickebene, welche durch die Prim\u00e4r Stellungen beider Blicklinien geht, nennen wir die Prim\u00e4r Stellung der Blickebene.\nIn erhobener Stellung der Blickebene geben Seitenwendungen nach rechts Drehungen des Auges nach links und Seitenwendungen nach links Drehungen nach rechts.\nIn gesenkter Stellung der Blickebene dagegen geben Seitenwendungen nach rechts auch Drehungen nach rechts und Seitenwendungen nach links Drehungen nach links.\nOder: Wenn der Erhebungs- und Seitenwendungswinkel dasselbe Vorzeichen haben, ist die Drehung negativ, wenn jene ungleiches Vorzeichen haben, ist die Drehung positiv.\nBei gleicher Erhebung oder Senkung ist die Rotation um so st\u00e4rker, je gr\u00f6sser die seitliche Abweichung, und bei gleicher Seitenwendung um so st\u00e4rker, je gr\u00f6sser die Erhebung oder Senkung ist.\nUm sich von den angegebenen Thatsachen zu \u00fcberzeugen, benutzt man nach dem von Ruete zuerst gemachten Vorschl\u00e4ge am besten Nachbilder. Zu dem Ende stelle man sich der Wand eines Zimmers gegen\u00fcber auf, welche \u2022 mit einer Tapete \u00fcberzogen ist, die horizontale und verticale Linien erkennen l\u00e4sst, ohne dass aber das Muster so scharf gezeichnet ist, dass man Schwierigkeit f\u00e4nde, Nachbilder auf ihm zu erkennen; am besten ist eine matte blassgraue Grundfarbe. Dem Auge des Beobachters gerade gegen\u00fcber und in gleicher H\u00f6he mit ihm spanne man ein horizontales schwarzes oder farbiges Band auf, zwei bis drei Fuss lang, welches stark gegen die Farbe der Tapete absticht.","page":463},{"file":"p0464.txt","language":"de","ocr_de":"464 DRITTER ARSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 27.\nUm die Lage des Kopfes zu sichern, ist es vortheilhaft, den Hinterkopf fest anzulehnen, wobei man darauf zu achten hat, dass derselbe weder nach rechts noch nach links geneigt oder gedreht sei. Es muss vielmehr die Mittelebene des Kopfes vertical gehalten werden und senkrecht zur betrachteten Wand stehen. Ob die Mittelebene des Kopfes vertical sei, erkennt man leicht, wenn man die Augen so convergiren l\u00e4sst, dass Doppelbilder des schwarzen Bandes entstehen; diese m\u00fcssen in eine gerade Linie zusammenfallen. Man fixire nun eine kurze Zeit lang ganz fest die Mitte des Bandes, und wende dann, ohne den Kopf zu verr\u00fccken, pl\u00f6tzlich die Augen nach einer anderen Stelle der Wand hin. Man wird dort ein Nachbild des Bandes sehen, und durch Vergleichung dieses Bildes mit den horizontalen Linien der Tapete erkennen k\u00f6nnen, ob das Nachbild horizontal erscheint, oder nicht. Das Nachbild selbst ist entwickelt auf denjenigen Punkten der Netzhaut, die dem Netzhauthorizonte angeh\u00f6ren, und bezeichnet bei den Bewegungen des Auges diejenigen Theile des Gesichtsfeldes, auf welche der Netzhauthorizont sich projicirt. Die Schnittlinie der Blickebene mit der gegen\u00fcberliegenden Wand dagegen muss immer horizontal sein, wenn der Kopf des Beobachters die verlangte Stellung hat, so dass die Verbindungslinie der Drehpunkte beider Augen selbst horizontal und der Ebene der Wand parallel ist. Die horizontalen Linien der Tapete geben also die Projection der Blickebene auf die Tapete, und wie das Nachbild gegen diese Horizontallinien gedreht ist, so ist der Netzhauthorizont gegen die Blickebene gedreht.\nWir finden, dass wenn man bei richtig gew\u00e4hlter Stellung des Kopfes gerade nach oben und unten, oder gerade nach rechts und links sieht, das Nachbild des horizontalen Bandes mit den horizontalen Linien der Tapete zusammenf\u00e4llt. Wenn man aber nach rechts und oben oder nach links und unten blickt, so ist es nach links gedreht, d. h. sein linkes Ende steht tiefer als das rechte, immer im Vergleich zu den Horizontallinien der Tapete, und wenn man nach links oben oder rechts unten blickt, ist das Nachbild umgekehrt etwas nach rechts gedreht, sein rechtes Ende steht tiefer als das linke.\nDer Sinn dieser Drehungen ist genau derselbe f\u00fcr das rechte wie f\u00fcr das linke Auge, wovon man sich am leichtesten und vollkommensten \u00fcberzeugt, wenn man beide Augen gleichzeitig \u00f6ffnet, w\u00e4hrend man das Nachbild hervorbringt, dann die Richtung des Blicks \u00e4ndert, und w\u00e4hrend man das Nachbild betrachtet, schnell hinter einander bald das rechte, bald das linke Auge mit der Hand verdeckt. Welches man auch verdecken m\u00f6ge, so beh\u00e4lt das Nachbild bei den von mir untersuchten normalsichtigen Augen vollkommen dieselbe Stellung.\nWenn man das Band vertical ausspannt, und in derselben Weise das Nachbild des verticalen Bandes mit den Verticallinien der Tapete vergleicht, so erh\u00e4lt man scheinbar entgegengesetzte Drehungen. Wenn man n\u00e4mlich nach rechts und oben sieht, erscheint das Nachbild gegen die Verticallinien der Tapete nicht nach links, sondern umgekehrt nach rechts gedreht. Daraus darf man aber nicht auf eine Drehung des Auges nach rechts schliessen, weil in diesem Falle die verticalen Linien der Tapete nicht mit der Projection einer auf der Blick-","page":464},{"file":"p0465.txt","language":"de","ocr_de":"GESETZ DER RADDREHUNGEN.\n\u00a7\u2022 27.\n465\nebene errichteten Normalen zusammenfallen, diese letztere vielmehr in demselben Sinne, wie das Nachbild, nur noch st\u00e4rker gedreht erscheinen w\u00fcrde.\nDer ganze Gang der Erscheinung nach dem f\u00fcr normalsichtige Augen g\u00fcltigen Gesetze ist in Fig. 134 dargestellt worden. Es wird vorausgesetzt, dass das Auge sich\nin der Normale \u00fcber et ____\u00a37 c5________c3 c, c________c?\tr8\nbefinde in einer Entfernung gleich A B.\nDann fallen die Nachbilder einer durch a gehenden horizontalen Linie, wenn sie auf einen andern Theil des Feldes projicirt werden, mit der Richtung der Curven bt bv b2 b2 etc. zusammen ; die einer senkrechten durch a gehenden Linie dagegen mit der Richtung der Curven cc, CjCj, c2c2 etc.\nDie Curven sind f\u00fcr normale Augenbewegungen Hyperbeln.\nDa nun, wenn man von der Prim\u00e4rstellung ausgeht und den Blick schief nach oben oder unten wendet, die Nachbilder verticaler Linien, verglichen- mit den Verticallinien der Wand, scheinbar die entgegengesetzte Drehung erleiden als die horizontalen Nachbilder im Vergleich mit horizontalen Linien der Wand, so darf man sogleich vermuthen, dass zwischen horizontalen und verticalen Linien mitten iune f\u00fcr jede Augenbewegung eine Richtung des Nachbilds existiren wird, wobei es der Richtung seines Objects parallel bleibt; und in der That ist das auch der Fall. Man findet n\u00e4mlich, dass die Nachbilder schr\u00e4ger Linien, die man in der Prim\u00e4rlage fixirt hat, ihrem Object parallel bleiben, wenn man den Blick entweder in der Verl\u00e4ngerung der Objectlinie, oder von der Prim\u00e4rlage ausgehend senkrecht zu dieser wandern l\u00e4sst.\nEs sei also in Fig. ISS (S. 466) 0 der Punkt, wo die Blicklinie in der Prim\u00e4rstellung die Ebene der Zeichnung senkrecht schneidet; a a sei eine verticale, bb eine horizontale durch 0 gezogene Linie. Wird der Blick nach p gewendet, so erhalten ihre Nachbilder die Lagen ua und \u00df\u00df, welche beide den Linien aa, beziehlich bb nicht parallel sind. Zieht man aber durch 0 die Linien cc undrfd, von denen die erstere die Richtung der Verbindungslinie op Encyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiologe. Optik.\t30\nj\u00f6\nFig. Ui.","page":465},{"file":"p0466.txt","language":"de","ocr_de":"466\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\nS. 27.\nd\t\n\\\t\n6\t\t\\ 6\nX\t\\\nC/\t\\ *\n(\t\nFig. 155.\nhat, die zweite senkrecht darauf ist, so geben diese in p Nachbilder y y und \u00e2 il, welche ihren Objectlinien parallel sind.\nBei den von mir untersuchten Augen schien dieses Gesetz mit desto gr\u00f6sserer Sch\u00e4rfe erf\u00fcllt zu sein, je.weniger kurzsichtig sie waren.\nIn dem in Fig. 155 angedeuteten Versuche ergiebt also die Beobachtung, dass sich die Linien \u00d6\u00d6 und yy, wenn der Blick nach p gewendet ist, auf denselben Netzhauttheilen abbilden, auf denen sich dd und cc abbilden, wenn der Blick nach o gewendet ist. Fragt man nun, um was f\u00fcr eine Botationsaxe der Augapfel gedreht werden m\u00fcsse, um aus der ersten Lage in die zweite iiberzugehen, so ergiebt sich leicht, dass die Axe parallel den Linien dd und dd sein m\u00fcsse, und daher senkrecht zu der durch op und den Drehpunkt gelegten Ebene. Denkt man sich diese letztere Ebene in fester Lage zum Augapfel, so wird ihre Lage nicht ge\u00e4ndert, wenn sie mit dem Augapfel um eine zu ihr normal gerichtete Axe gedreht wird. Ihre Schnittlinie mit der Ebene der Zeichnung op bleibt deshalb bei solcher Bewegung ebenfalls unge\u00e4ndert, und diese Schnittlinie, zu deren Theilen auch cc und yy geh\u00f6ren, bildet sich dabei immer auf den gleichen Netzhauttheilen ab, wie es die Ergebnisse des Versuchs erfordern. Denkt man aber durch die Axe und die ihr parallele Linie dd eine Ebene gelegt, und diese um die Axe gedreht, so wird auch nach der Drehung die Schnittlinie d S dieser Ebene und der Ebene der Zeichnung parallel der Axe und also auch parallel der Linie d d bleiben m\u00fcssen. Denn wenn eine Ebene durch eine gerade Linie (Rotationsaxe) geht, welche einer andern Ebene (der Ebene der Zeichnung) parallel ist, so ist auch die Schnittlinie beider Ebenen der genannten Linie (Rotationsaxe) parallel.\nWir k\u00f6nnen also das Bewegungsgesetz parallel gerichteter normalsichtiger Augen folgeudermassen aussprechen: Wenn die Blicklinie aus ihrer Prim\u00e4rstellung \u00fcbergef\u00fchrt wird in irgend eine andere Stellung, so ist die Raddrehung des Augapfels in dieser zweiten Stellung eine solche, als w\u00e4re er um eine feste Axe gedreht worden, die zur ersten und zweiten Richtung der Blicklinie senkrecht steht.\nDieses Gesetz der Augenbewegungen ist in dieser Weise zuerst von Listing aufgestellt worden und wird deshalb nach ihm benannt.\nEs ist dabei nicht n\u00f6thig, dass die Bewegung des Blicks aus der ersten in die zweite Richtung wirklich l\u00e4ngs einer geraden Linie vor sich geht, oder dass der Augapfel wirklich um eine constant bleibende Rotationsaxe gedreht","page":466},{"file":"p0467.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 27.\nGESETZ DER RADDREHUNGEN.\n467\nwird, sondern die Ueberf\u00fchrung aus der ersten in die zweite Stellung kann auf beliebigem Wege geschehen; nach dem Gesetze von Donoees wird die endliche Stellung doch immer die gleiche sein, und die Richtigkeit von diesem DoNDERs\u2019schen Gesetze l\u00e4sst sich wiederum in der Art erweisen, dass man die Ueberf\u00fchrung des Blicks absichtlich auf verschiedenen Wegen vornimmt und sich durch die Congruenz des Nachbildes y y mit der Linie op von der Identit\u00e4t der schliesslich eingetretenen Raddrehung des Auges \u00fcberzeugt.\nDoch ist dabei allerdings zu bemerken, dass im ersten Augenblicke, wo die Blicklinie nach ausgiebigen Bewegungen an dem neu gew\u00e4hlten Fixations-punkte angekommen ist, zuweilen noch eine etwas abweichende Stellung des Nachbildes zu bemerken ist, die aber schon nach einer oder zwei Secunden in die normale \u00fcbergeht.\nWenn man nach dem durch solche Versuche best\u00e4tigten Gesetze von Listing die Gr\u00f6sse des Rotationswinkels y berechnet, ausgedr\u00fcckt durch den Erhebungswinkel u, und die Seitenwendung \u00df, so findet man folgende Gleichung:\n,\tsin a sin 8\n\u2014\u2022 tang. y = ---------------\u2014\ncos a -F- cos \u00df\noder f\u00fcr logarithmisclie Rechnung geeigneter\n- tang. ( jp) = tang. (! ) tang. (|) \u2022\nIn der folgenden' Tabelle sind die Werthe des Drehungswinkels von 5 zu 5 Graden der beiden andern Winkel berechnet.\nErhebungswinke\nSeiten-\nwendung\n0\u00b0 26'\n1 0 49'\nF\u00fcr diejenigen Bewegungen des Blicks also, welche von der Prim\u00e4rlage anfangen, und in irgend eine andere Lage \u00fcberf\u00fchren, ist nach dem Listing\u2019-sclien Gesetze die Drehungsaxe immer gelegen in einer Ebene, die zur Blicklinie senkrecht ist. Es gehe diese Ebene der Dreliungsaxen durch JA, Fig.l\u00e4\u00df (S. 468), normal zu OB, der Blicklinie. Eine zweite Ebene, 2t, welche in der Prim\u00e4rstellung des Auges mit der Ebene A A zusammenf\u00e4llt, denke man sich durch den Augapfel gelegt und mit diesem fest verbunden. Wenn nun die Blicklinie OB in eine Secund\u00e4rstellung OF gebracht ist, hat 2t eine andere Lage als AA, n\u00e4mlich CC. Um von dieser ersten Secund\u00e4rst.ellung in irgend welche andere Stellungen \u00fcberzugehen, kann man das Auge nun wieder um\n30*","page":467},{"file":"p0468.txt","language":"de","ocr_de":"468\n\u00a7.27.\nDRITTER ABSCHNITT. - DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHftNEHMJNGEN.\nfeste Axen drehen, die auch alle in einer und derselben Ebene liegen, und zwar in derjenigen Ebene, welche den Winkel der Ebenen A A und CC halbirt, die also die Ebene der Zeichnung rechtwinklig in der Linie IIII schneidet. Es ist dies die Ebene der Drehungsaxen f\u00fcr die betreffende Seeund\u00e4rstellung der Blicklinie OF.\nEndlich um von irgend einer Stellung a des Augapfels in eine andere Stellung b \u00fcberzugehen, construire inan die Ebenen der Drehungsaxen f\u00fcr die beiden Stellungen \u00ab und b. Die Schnittlinie beider Ebenen ist die Axe, um welche man das Auge zu drehen hat, um es von a nach b \u00fcberzuf\u00fchren. Denn es ist evident, dass diese Axe beiden Ebenen angeboren muss, da man dieselbe Bewegung auch von b nach a machen kann, und die betreffende Drehungsaxe sowohl den Bedingungen der von a als der von b ausgehenden Bewegungen gen\u00fcgen muss, d. h. in den beiden Blickpunkten zugeh\u00f6rigen Ebenen der Drehungsaxen liegen muss.\nBei den bisher gepr\u00fcften normalsichtigen oder schwach kurzsichtigen Augen bew\u00e4hrte sich die Richtigkeit des LisTiNG\u2019schen Gesetzes mit grosser Genauigkeit f\u00fcr alle parallelen Stellungen beider Blicklinien. Die Methode der Nachbilder erlaubt bei guter Ausf\u00fchrung die Stellung des Augapfels bis auf etwa einen halben Winkelgrad genau zu bestimmen. Eine andere Methode, welche auf der Vergleichung der Bilder beider Augen beruht, und die zuerst von Meissner angewendet und sp\u00e4ter von Volkmann weiter ausgebildet ist, erlaubt noch genauere Bestimmungen bis auf etwa Yio Grad herab zwar nicht f\u00fcr die Stellung jedes einzelnen Augapfels, aber doch f\u00fcr die Differenzen der Stellung beider Augen. Versuche nach dieser Methode, deren Ausf\u00fchrung unten n\u00e4her beschrieben wird, zeigen f\u00fcr meine eigenen Augen in den \u00e4ussersten peripherischen Stellungen nach oben und unten Abweichungen vom LisxiNG\u2019schen Gesetz, die f\u00fcr jedes einzelne Auge nur neun Winkelminuten betragen. Volkmann fand f\u00fcr seine etwas kurzsichtigeren Augen Maximalabweichungen beim Blick schr\u00e4g nach unten rechts und links bis zu 54 Minuten f\u00fcr beide Augen zusammen, was auf jedes einzelne etwa 27 Minuten ausmacht. St\u00e4rker kurzsichtige Augen, wie die von Herrn Dr. Berthold zeigten aber st\u00e4rkere Abweichungen namentlich in den peripherischen Stellungen nach oben und unten, die wahrscheinlich mit mechanischen Hindernissen in der Bewegung des nach hinten verl\u00e4ngerten kurzsichtigen Augapfels Zusammenh\u00e4ngen werden.\nDie bisherigen Angaben beziehen sich auf parallele Stellungen beider Blicklinien. Merkliche Abweichungen davon, bei verschiedenen Individuen von verschiedener Gr\u00f6sse, treten nun nach einer Entdeckung von Volkmann ein, wenn die Blicklinien convergent gestellt werden zur Betrachtung eines nahen Gegenstandes. Bei Volkmann\u2019s eigenen Augen bringt Convergenz auf die Punkte einer in 30 Cen.timetern vor den Augen liegenden Ebene eine gleiclim\u00e4ssige Vermehrung der Divergenz der scheinbar verticalen Meridiane beider Augen\n//\nFig. 156.","page":468},{"file":"p0469.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 27.\n8\u00c9SETZ DER RADDREIULNGEN.\n469\nvon zwei Graden hervor, wenn man sie vergleicht mit der Divergenz, welche die genannten Meridiane nach dem LisTiNG\u2019schen Gesetze h\u00e4tten haben sollen, unter Voraussetzung derselben Divergenz und derselben Prim\u00e4rlage, welche hei parallelen Augenstellungen gefunden waren. So weit also der Einfluss der Con-vergenz sichtbar wird in der ver\u00e4nderten Differenz der Stellung beider Augen, k\u00f6nnte man f\u00fcr Volkmann\u2019s Augen sich vorstellen, dass dieselben in Convergenz eine tiefere Prim\u00e4rstellung haben, oder dass die Drehung des Auges in der Prim\u00e4r Stellung, welche wir als Nullpunkt der Raddrehungen betrachten, ver\u00e4ndert ist. Diese Ver\u00e4nderung nimmt zu mit steigender Convergenz.\nF\u00fcr meine eigenen Augen ist diese Drehung durch Convergenz in den mittleren Theilen des Gesichtsfeldes viel geringer als bei Volkmann, n\u00e4mlich nur l/g der Gr\u00f6sse, die sie bei jenem hat, so dass sie mir bei den Nachbildversuchen verborgen blieb; geschieht \u00fcbrigens in demselben Sinne. Dagegen fand ich bei Nachbildversuchen, dass in den peripherischen seitlichen Richtungen des Blicks durch Convergenz Abweichungen des Nachbildes von 2\u00b0 bis 2\t0 ein-\ntreten in dem Sinne, als w\u00e4re die Prim\u00e4rstellung meiner \u00c4ugen f\u00fcr die Con-vergenzstellungen ein wenig tiefer zu nehmen, als f\u00fcr die Parallelstellungen. In Fig. 137 bezeichnen die kurzen dicken Striche die Lage der Nachbilder f\u00fcr convergente Augenstellungen, aber mit \u00fcbertriebener Gr\u00f6sse der Abweichung. Die Objecte jener Nachbilder hatten im Centrum gelegen und waren den ausgezogenen Radien des Gesichtsfelds parallel gewesen, so dass ihre Nachbilder bei parallelen Gesichtslinien auch in den genannten Radien liegen geblieben w\u00e4ren. Bei cd sind die Abweichungen am deutlichsten, bei fg klein und unsicher.\nHerr Dastich, dem die \u00fcbrigen entsprechenden Beobachtungen sehr gut gelangen, konnte gar keinen Einfluss der Convergenz bei seinen Augen finden.\nUeber die Gr\u00f6sse dieses Einflusses bei verschiedenen Individuen sind also noch weitere Untersuchungen noting.\nUeberhaupt muss ich bemerken, dass f\u00fcr meine Augen sich eine gewisse Ver\u00e4nderlichkeit der Drehungen herausstellt. Die Prim\u00e4rstellung liegt an einem Tage ein wenig h\u00f6her, am andern tiefer, und ver\u00e4ndert sich sogar, w\u00e4hrend ich eine Reihe von Versuchen ausf\u00fchre. Namentlich f\u00fcr die peripherischen Richtungen des Blicks, die mit einiger Anstrengung verbunden sind, finde ich zuweilen merklich verschiedene Stellungen in unmittelbar auf einander folgenden Versuchen und trotz m\u00f6glichster Gleichartigkeit ihrer Ausf\u00fchrung. Man muss also von dem Auge nicht ganz dieselbe Pr\u00e4cision der Bewegung erwarten, wie von einem physikalischen Apparate, wenn auch normale Augen unter gew\u00f6hnlichen-Bedingungen ziemlich genau dem Donders\u2019scIicii und LisTiNo\u2019schen Gesetze folgen.","page":469},{"file":"p0470.txt","language":"de","ocr_de":"470\nDRITTER ARSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\nEndlich ist noch der Antheil zu bestimmen, den die einzelnen Augenmuskeln an den einzelnen normalen Bewegungen des Auges zu nehmen haben. Wie oben (S. 28) schon bemerkt ist, drehen der innere und \u00e4ussere gerade Augenmuskel, f\u00fcr sich wirkend, das Auge um eine verticale Axe; die Axe f\u00fcr die Drehung durch den unteren und oberen geraden Muskel liegt nach den Bestimmungen von Ruete horizontal, mit dem inneren Ende nach vorn sehend, unter einem Winkel von etwa 70\u00b0 mit der Blicklinie; die Axe f\u00fcr den oberen und unteren schiefen Muskel liegt ebenfalls horizontal, das \u00e4ussere Ende nach vorn sehend, unter einem Winkel von etwa 35\u00b0 mit der Blicklinie. Drehungen um die verticale Axe des innern und \u00e4ussern geraden Muskels entsprechen dem\nGesetze von Listing, diese Muskeln k\u00f6nnen also auch isolirt angewendet werden.\nDagegen w\u00fcrden Drehungen um die beiden andern Axen dem LiSTiN\u00df\u2019schen Gesetze nicht entsprechen. Um f\u00fcr eine Bewegung nach obeii eine horizontal von rechts nach links gerichtete Drehungsaxe zu erhalten, muss man eine Drehung durch den Rectus superior mit einer durch den Obliquus inferior verbinden; f\u00fcr eine Drehung nach unten den Rectus inferior mit dem Obliquus superior. Es ist ein bekanntes mechanisches Gesetz, dass man f\u00fcr kleine Drehungen die Dreliungsaxen nach dem Gesetz des Parallelogramms der Kr\u00e4fte zusammensetzen kann, wobei die Gr\u00f6sse der Drehung die Intensit\u00e4t der Kraft repr\u00e4sentirt, und alle Drehungen, die vom Mittelpunkt aus gesehen nach rechts herum (wie der Zeiger einer Uhr) vor sich gehen, als positiv, die entgegengesetzten als negativ gerechnet werden. In Fig. 1S8 ist ein horizontaler Quer-\nschnitt des Auges gezeichnet mit den Drehungs-axen, wobei die positiv zu rechnenden Enden der Axen mit den Anfangsbuchstaben der betreffenden Muskeln, Obliquus superior ;und\nV\nftS inferior, Rectus superior und inferior bezeichnet \\ sind. Ausserdem ist die nach dem LisTiNG\u2019schen\nP Gesetz geforderte Horizontalaxe O U f\u00fcr die Bewegungen nach oben und unten angegeben; der Buchstabe 0 bezeichnet das positive Ende der Axe f\u00fcr die Drehung nach oben, U f\u00fcr die nach unten. Die Zeichnung entspricht dem linken Auge von oben gesehen, oder dem rechten von unten.\nFiq. 458.\nWenn nun das Linienst\u00fcck cb der Gr\u00f6sse\nder Drehung durch den Rectus superior proportional ist, ca der durch den Obliquus inferior, so bezeichnet c 0, als Diagonale des Parallelogramms cbOa die Richtung der gemeinsamen Drehungsaxe und ist der Gr\u00f6sse dieser Drehung proportional. Es erhellt aus dieser Figur, dass bei derjenigen Lage, welche die Axen bei geradeaus gerichtetem Auge haben, die resultirende Drehungsaxe UO der Axe der betreffenden beiden geraden Augenmuskeln n\u00e4her liegt, als derjenigen der schiefen Muskeln. Dadurch wird denn die Seite bc des Parallelogramms gr\u00f6sser als ca, das heisst der betreffende gerade Muskel muss eine st\u00e4rkere Anstrengung machen, als der mitwirkende schiefe Muskel. Wenn","page":470},{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 \u201c27.\nWIRKUNG DER AUGENMUSKELN.\n471\nsich der Augapfel aber nach innen dreht, n\u00e4hert sich die der ver\u00e4nderten Sehstellung zugeh\u00f6rige Drehungsaxe UO mehr der Axe der schiefen Muskeln so dass bei Convergenz der Augen die letzteren verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig mehr in Anspruch genommen werden m\u00fcssen als bei Parallelismus der Blicklinien.\nEs ist hierbei zu bemerken, dass die Augenmuskeln alle einen ziemlich breiten Ansatz am Augapfel haben, wobei ihre Fasern sich sogar etwas f\u00e4cherf\u00f6rmig ausbreiten. Dies hat zur Folge, dass selbst wenn der Augapfel sich ziemlich bedeutend aus seiner Prim\u00e4rstellung gedreht hat, doch die Drehungs-axen f\u00fcr die einzelnen Muskeln ihre Lage im Raume nicht erheblich ver\u00e4ndern. Nehmen wir als Beispiel den Rectus superior und inferior, welche sich oberhalb der Hornhaut, etwa 7 Millimeter von deren Rande entfernt inseriren (Taf. I, Fig. 1 bei m und n), so spannen sich, wenn das Auge nach innen gedreht ist, bei der Verk\u00fcrzung des Muskels vorwiegend die Fasern der Sehne, welche nach dem \u00e4usseren Rande der Hornhaut hin gerichtet sind, weil diese am meisten verl\u00e4ngert sind. Man kann sieh davon an Pr\u00e4paraten des Augapfels mit seinen Muskeln leicht \u00fcberzeugen. Wenn sich das Auge nach aussen dreht, wirken dagegen haupts\u00e4chlich die inneren Str\u00e4nge beider Sehnen. So bleibt die Richtung des Muskelzuges dieselbe trotz der ver\u00e4nderten Stellung des Auges.\nDiese aus der Anordnung der Muskeln gezogenen Schl\u00fcsse werden best\u00e4tigt durch die Erfahrungen, welche hei krankhafter L\u00e4hmung einzelner Muskeln beobachtet worden sind. Wenn zum Beispiel der obere schiefe Muskel gel\u00e4hmt ist, so kann der innere gerade Muskel, allein wirkend, das Auge noch nach unten wenden. Aber Drehung um die Axe RI giebt nicht bloss eine resultirende Drehung nach der Axe CU, entsprechend der L\u00e4nge cg in Fig. IS8, wie sie verlangt wird, sondern auch eine kleinere, entsprechend der L\u00e4nge cf, nach der Axe CH, welche also einer negativen Drehung, einer Drehung nach links herum um die Blicklinie entspricht. Dabei erleiden dann die Objecte im Gesichtsfelde eine Scheindrehung nach rechts herum, wie der Zeiger einer Uhr.\nF\u00fcr die Bewegungen aus der Prim\u00e4rstellung in schr\u00e4ger Richtung auf- oder abw\u00e4rts muss eine Componente nach der Axe U0 mit einer verticalen Coin-ponente verbunden werden. Um nach innen und oben zu drehen, brauchen wir also den R. internus, der nach innen dreht um die verticale Axe, zugleich mit dem R. superior und Obi. inferior, die vereinigt nach oben drehen um die Axe UO.\nMittels des Schemas in der Fig. IS8 lassen sich diese Combinationen leicht \u00fcbersehen, sonst sind f\u00fcr die bequemere Uebersicht derselben drehbare Modelle des Auges construirt, Oplithalmotrope, deren Beschreibung unten folgen wird.\nAbgesehen von den bisher besprochenen Beschr\u00e4nkungen der Bewegung jedes einzelnen Auges, sind nun auch die Bewegungen unserer beiden Augen in gewisser Weise sowohl von einander abh\u00e4ngig, als auch die Accommodation von der Augenstellung abh\u00e4ngig ist. Unter den gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen des normalen Sehens richten wir immer beide Blicklinien auf einen im Raume vor uns liegenden reellen Punkt, welcher nah oder weit entfernt sein kann. In diesem Punkte, dem Blickpunkte, schneiden sich beide Blicklinien. Trotzdem jedes Auge einen ganz selbst\u00e4ndigen Muskelmechanismus hat,","page":471},{"file":"p0472.txt","language":"de","ocr_de":"472\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMONGEN. \u00a7.27.\nund also die M\u00f6glichkeit besitzt, jede Art der Bewegung ganz unabh\u00e4ngig von dem andern Auge auszufdhren, so haben wir doch nur gelernt diejenigen Bewegungen wirklich auszufiihren, welche noting sind, um einen reellen Punkt deutlich und einfach mit beiden Augen zu sehen. So k\u00f6nnen also beide Augen gleichzeitig gehoben werden, um einen hoch gelegenen Blickpunkt zu fixiren ; sie k\u00f6nnen auch beide gleichzeitig gesenkt werden, um ein tief gelegenes Object anzublicken. Wir sind aber ohne weitere Hilfsmittel nicht im Stande, will-k\u00fchrlich das eine nach oben, das andere nach unten zu richten, wobei sich die Blicklinien in keinem reellen Blickpunkt schneiden w\u00fcrden.\nWir k\u00f6nnen ferner beide Blicklinien nach rechts oder beide nach links wenden, um beziehlieh einen rechts oder links gelegenen Gegenstand zu betrachten. Wir k\u00f6nnen sie auch convergent machen, indem wir die rechte nach links, die linke nach rechts wenden, wenn wir <jjnen nahen Fixationspunkt w\u00e4hlen. Aber Jemand, der sich nicht schon besonders darauf einge\u00fcbt hat, kann die Blicklinien nicht divergent machen, indem er die rechte nach rechts, die linke nach links wendet\nEndlich folgt auch bei normalen Augen die Accommodation immer der Entfernung desjenigep Gegenstandes, auf welchen die Blicklinien convergiren. Bei parallelen Blicklinien sind die Augen f\u00fcr unendliche Ferne eingerichtet, bei convergirenden f\u00fcr die N\u00e4he, und sind desto st\u00e4rker accommodirt, je st\u00e4rker die Convergenz ist. Kurzsichtige Augen sind dagegen f\u00fcr ihren Fernpunkt accommodirt, so lange die Blicklinien auf ihn oder auf einen noch entfernteren Punkt convergiren. F\u00fcr n\u00e4here Blickpunkte folgt die Accommodation der Convergenz. Sehr kurzsichtige Augen k\u00f6nnen aber ohne Brille oft gar nicht mehr binocular fixiren und accommodiren.\nObgleich nun der Zwang beide Augen \u00fcbereinstimmend zu bewegen, und auch die Accommodation damit in Uebereinstimmung zu bringen beim normalen Sehen so unausweichlich erscheint, dass \u00e4ltere Physiologen diese Bewegungen in die Klasse der unwillk\u00fchrlieh eintretenden Mitbewegungen rechneten, so l\u00e4sst sich doch zeigen, dass die Gesetzm\u00e4ssigkeit dieser Verbindungen nur auf Ein\u00fcbung beruht. Man muss dabei im Allgemeinen beachten, dass die Intention unseres Willens bei allen willk\u00fchrlichen Bewegungen sich immer nur auf die Erreichung eines direct und deutlich wahrnehmbaren \u00e4usseren Erfolges bezieht. Bei den Bewegungen unserer Extremit\u00e4ten k\u00f6nnen wir allerdings durch den Gesichtssinn die Stellung wahrnehmen, in welche das Glied durch eine gewisse Willensaction versetzt wird, und deshalb ist f\u00fcr sie und f\u00fcr alle durch das Gesicht und Getast wahrnehmbaren Theile des K\u00f6rpers die Stellung des zu bewegenden Theils der n\u00e4chste bewusste Zweck der darauf gerichteten Willensactionen. Bei allen nicht sichtbaren und nicht f\u00fchlbaren Theilen des K\u00f6rpers ist es aber nicht die Stellung und Bewegung, sondern erst der durch diese zu erreichende Erfolg, den wir durch eine willk\u00fchrliche Action zu erreichen wissen. So gebrauchen wir unseren Kehlkopf und die Theile unseres Mundes mit einer bewundernsw\u00fcrdigen Sicherheit und Geschicklichkeit, um die zartesten Ver\u00e4nderungen der Tonh\u00f6he und Klangfarbe unserer Gesangs- und Sprachlaute hervorzubringen, und doch weiss der Laie gar nicht, und der Physiologe unvollkommen genug,","page":472},{"file":"p0473.txt","language":"de","ocr_de":"WILLK\u00dcHR BEI DEN AUGENBEWEGUNGEN.\n473\n\u00a7. 27.\nwas f\u00fcr Bewegungen wir eigentlich dabei ausf\u00fchren. Hier bezieht sich also die Willensintention nur auf den hervorzubringenden Ton, nicht auf die Bewegung der einzelnen Thcile des Kehlkopfs, und wir haben gelernt alle diejenigen Bewegungen des Kehlkopfs auszuf\u00fchren, die f\u00fcr einen solchen Zweck n\u00f6thig sind, aber keine anderen.\nAehnlich ist es mit den Augen; wir k\u00f6nnen ihre Bewegungen nicht selbst sehen, ausser wenn wir vor einem Spiegel stehen; wir k\u00f6nnen sie auch nur sehr unvollkommen f\u00fchlen. Aber wir nehmen sehr deutlich wahr die Verschiebung der optischen Bilder auf der Netzhaut, oder vielmehr das entsprechende Wandern des Blickpunktes im Gesichtsfelde, wenn wir Bewegungen mit den Augen machen. Dies ist also auch die Wirkung, auf die unsere Willensintention gerichtet ist, und welche wir willk\u00fchrlich zu erreichen wissen. Wenn wir w\u00fcnschen, dass Jemand, der noch nicht \u00fcber seine Augenbewegungen zu reflectiren gelernt hat, die Augen nach rechts wenden soll, so m\u00fcssen wir ihm nicht sagen: \u201eWende dein Auge nach rechts\u201c, sondern \u201eSieh jenen rechts gelegenen Gegenstand an\u201c. Und selbst der Ge\u00fcbte beherrscht seine Augenbewegungen sicherer, wenn er entsprechende Gegenst\u00e4nde zur Fixation w\u00e4hlt, als wenn er eine bestimmte Stellung der Augen ohne solche Fixation einhalten will. Ich kenne einen ausgezeichneten und in der Optik h\u00f6chst erfahrenen und ge\u00fcbten Physiker, dem es unm\u00f6glich ist, seine Gesichtslinien parallel zu stellen, wenn er nicht sehr ferne Objecte vor sich hat, oder Doppelbilder aus einander zu treiben, wenn er nicht ei\u00bb passendes Fixationsobject' dazu hat, und auch dann sie schwer auseinanderh\u00e4lt, sobald er auf sie zu achten anf\u00e4ngt. Ich f\u00fchre dies Beispiel an, weil es zeigt, welches der Zustand des nat\u00fcrlichen Auges ist, mit dem noch keine physiologischen Experimente angestellt sind, und welches noch nicht gelernt hat, \u00fcber seine Stellungen zu reflectiren, trotzdem daneben vollst\u00e4ndige Einsicht in die Theorie des Sehens vorhanden ist.\nUnsere Willeusintention beim Gebrauche der Augen ist also darauf gerichtet nach einander einzelne Punkte des Gesichtsfeldes m\u00f6glichst deutlich mit beiden Augen zu sehen; dies wird erreicht, wenn wir das betreffende Object in beiden Augen auf dem Centrum der Netzhautgrube abbilden, und wir haben dem entsprechend gelernt unsere beiden Augen so zu stellen und so zu accom-modiren, dass dies geschieht. Andere Bewegungen mit den Augen auszuf\u00fchren, welchen kein solcher Zweck des m\u00f6glichst deutlichen Sehens zu Grunde liegt, auf den unser Willen sich richten k\u00f6nnte, haben wir nicht gelernt.\nEs scheint mir damit zusammenzuh\u00e4ngen, dass wir leichter parallele, ja selbst divergente Stellungen der Blicklinien hervorbringen beim Sehen nach oben, wo sich der Horizont und der Himmel darzubieten pflegt, convergente leichter beim Sehen nach unten, wo der Fussboden und die Objecte, welche man in den H\u00e4nden h\u00e4lt, zu betrachten sind.\nIndem man aber nun die Art der Willensanstrengung kennen lernt, welche f\u00fcr Erreichung der verschiedenen Augenstellungen als solcher dient, kann Jemand, der viel physiologisch - optische Versuche anstellt, allm\u00e4hlig auch lernen, zun\u00e4chst solche normale Augenstellungen hervorzubringen, f\u00fcr welche zur Zeit","page":473},{"file":"p0474.txt","language":"de","ocr_de":"474 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 27.\nkein Fixationsobject vorhanden ist, indem man gleichsam nach einem imagin\u00e4ren Fixationsobjecte blickt. Wenn man sich also zum Beispiel nahe vor dem Nasenr\u00fccken ein solches Object vorstellt, oder gleichsam nachsucht, ob keines dort vorhanden sei, kann man so starke Convergenz hervorbringen, dass die Augen wie die eines Schielenden aussehen. Und umgekehrt kann man nahe Gegenst\u00e4nde mit parallelen Gesichtslinien betrachten, wenn man durch sie hin in die Ferne zu sehen sucht, oder wenn man, wie das Volk sagt, nach ihnen hingewendet \u201ein das Blaue stiert\u201c, das heisst die Art von Blick annimmt, welche einzutreten pflegt, wenn man in Gedanken versunken gar nicht auf die Gegenst\u00e4nde achtet, die man vor sich hat, wobei denn die Accommodationsanstrengung nachl\u00e4sst, ebenso die entsprechende Convergenzstellung, und die Augen ihre Fernstellung annehmen.\nGeht man von Convergenzstellungen zur parallelen.Stellung der Blicklinien \u00fcber, ohne ein bestimmtes einzelnes Object zu fixiren, und \u00fcbertreibt man die zu diesem Uebergange n\u00f6thige Anstrengung, so bringt man auch schwache Divergenzstellungen heraus.\nDie F\u00e4higkeit jeder Zeit, und ohne entsprechendes Object Convergenzstellungen und Parallelstellungen der Blicklinien hervorbringen zu k\u00f6nnen, ist f\u00fcr Jeden, der sich mit physiologisch-optischen Untersuchungen besch\u00e4ftigen will, von grosser Wichtigkeit, und muss ge\u00fcbt werden.\nDann aber kann man nun auch, freilich zun\u00e4chst nur in geringerem 'Grade, diejenigen Combinationen von Augenstellungen hervorbringen, welche beim gew\u00f6hnlichen Sehen nicht Vorkommen. Um es zu thun, braucht man nur die Augen unter solche Bedingungen zu versetzen, dass nur durch Abweichung von den normalen Stellungen einfache und deutliche Bilder herzustellen sind.\nWas zun\u00e4chst die Verbindung zwischen Convergenz und Accommodation betrifft, so wird diese sogleich ver\u00e4ndert, wenn man eine Brille aufsetzt. Normalsichtige Augen zum Beispiel, welche eine Brille mit schwachen Concavgl\u00e4sern vorsetzen, sind gezwungen, um entfernte Gegenst\u00e4nde deutlich zu sehen, bei parallel gerichteten Blicklinien doch f\u00fcr die N\u00e4he zu accommodiren. Ist die Brille nicht zu stark,*so ist es auch sogleich m\u00f6glich, die Augen dieser neuen Aufgabe anzupassen, obgleich die Augen dabei das Gef\u00fchl ungew\u00f6hnlicher Anstrengung haben und bald erm\u00fcden. Daher denn \u00fcberhaupt der Gebrauch einer Brille in der ersten Zeit, wo man sie zu tragen beginnt, immer mit einer merklichen Anstrengung verbunden ist, und umgekehrt Leute, die lange Zeit eine Brille getragen haben, wenn sie sie abnehmen, einen angestrengten und gleichsam scheuen Blick zeigen, selbst f\u00fcr solche Gegenst\u00e4nde, f\u00fcr welche sie accommodiren k\u00f6nnen. Es ist dies eine allgemeine Erfahrung, dass wir gut einge\u00fcbte Gruppenbewegungen mit viel geringerer Anstrengung ausf\u00fchren, als unge\u00fcbte. Man denke daran, welche Anstrengung ein unge\u00fcbter Schwimmer oder ein unge\u00fcbter Schlittschuhl\u00e4ufer aufwenden, um fort zu kommen, und wie leicht dasselbe nachher geht, wenn sie sich ge\u00fcbt haben. Gerade dasselbe geschieht bei den Augen, wenn wir ihre Bewegungen in ungew\u00f6hnlicher Weise .combiniren sollen.\nEine ver\u00e4nderte Verbindung von Convergenz und Accommodation kann","page":474},{"file":"p0475.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 27.\nWILLK\u00dcHR BEI DEN AUGENBEWEGUNGEN.\n475\nman auch erreichen, wenn man stereoskopische Bilder betrachtet und deren Entfernung von einander willkiihrlich ver\u00e4ndert. Davon werden wir unten ausf\u00fchrlicher handeln.\nDivergenz der Augen l\u00e4sst sich ebenfalls bei der Betrachtung stereoskopischer Bilder erzielen, wenn man sie immer weiter von einander entfernt und dabei ihre Vereinigung zu einem Bilde zu erhalten sucht. Ich kann auf diese \"Weise eine Divergenz meiner Blicklinien bis zu 8 Grad hervorbringen. Dasselbe l\u00e4sst sich auch erreichen, wenn man zwei gleiche schwach brechende Glas-prismen von 6 bis 8 Grad brechendem \"Winkel so vor beide Augen nimmt, dass die brechenden \"Winkel (die d\u00fcnnsten Stellen der Prismen) nach unten sehen, und durch sie nach entfernten Gegenst\u00e4nden blickt. Dazu braucht man bei der angegebenen Haltung der Prismen parallele Gesichtslinien, die aber etwas mehr nach unten gerichtet sind, als ohne die Prismen. \"Wenn man nun die Prismen langsam dreht, so dass ihre brechenden \"Winkel sich beide nach aussen zu wenden anfangen, so kann man doch noch die vorher gesehenen Gegenst\u00e4nde fortfahren zu fixiren und einfach zu sehen. Man muss dazu aber jetzt die Augen divergent stellen. Man kann dasselbe auch mit einem Prisma erreichen, wenn man dasselbe mit dem brechenden Winkel nach aussen vor ein Auge h\u00e4lt, und zuerst nahe Gegenst\u00e4nde betrachtet, welche unter diesen Umst\u00e4nden noch convergente oder parallele Blicklinien erfordern, und dann all-m\u00e4lig zu entfernteren Objecten \u00fcbergeht, welche Divergenz verlangen.\nEndlich haben sowohl Dondees als ich selbst beobachtet, dass man verschiedene Erhebung beider Augen erzielen kann, wenn man ein schwach brechendes Prisma vor ein Auge nimmt, und den brechenden Winkel zuerst nach innen richtet. Blickt man so nach entfernten Gegenst\u00e4nden, so muss man die Gesichtslinien etwas convergent stellen, was ohne Schwierigkeit zu erreichen ist. Jetzt drehe man das Prisma ganz langsam so, dass der brechende Winkel allm\u00e4lig immer weiter nach unten r\u00fcckt, und suche die Fixation des Objects zu erhalten. Es gelingt dies nach einiger Uebung. In diesem Falle sieht das freie Auge den Gegenstand direct mit gerade auf ihn hingerichteter Blicklinie; das vom Prisma bedeckte Auge dagegen muss sich merklich nach unten wenden, um den Gegenstand zu fixiren. Hat man eine solche Stellung der Augen erreicht, so nehme man das Prisma pl\u00f6tzlich fort, man sieht dann das fixirte Object in unter einander stehenden Doppelbildern zum Zeichen, dass die beiden Blicklinien nicht gleich hoch gerichtet sind. Auch in der Richtung von oben nach unten bringe ich Abweichungen von 6\u00b0 ohne Schwierigkeit zu Stande.\nAus diesen Thatsachen geht hervor, dass die Verbindung, welche zwischen den Bewegungen beider Augen besteht, nicht durch einen anatomischen Mechanismus erzwungen, sondern vielmehr durch den blossen Einfluss unseres Willens ver\u00e4nderlich ist, und dass wir nur in der Bildung unserer Willensintentionen beschr\u00e4nkt sind, insofern diese nur auf den Zweck einfach und deutlich zu sehen gerichtet sein k\u00f6nnen.\nIch habe schon fr\u00fcher auf andere Erfahrungen aufmerksam gemacht, die dasselbe beweisen, und mir auch von andern Beobachtern best\u00e4tigt worden sind. W\u00e4ren die Augenbewegungen mittels eines anatomisch vorgebildcten","page":475},{"file":"p0476.txt","language":"de","ocr_de":"476\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 27.\nMechanismus coordinirt, so w\u00e4re zu erwarten, dass dieser desto widerstandsloser wirken w\u00fcrde im Zustande der Schl\u00e4frigkeit, wo die Energie des Willens gebrochen ist. Ich beobachte indessen regelm\u00e4ssig, dass wenn ich Abends beim Lesen schl\u00e4frig werde, oder nach einem langen Diner aus R\u00fccksicht auf die Gesellschaft meine Augen offen zu halten strebe, ich Doppelbilder der vor mir liegenden Objecte sehe, welche bald nur zu grosse Divergenz, bald verschiedene H\u00f6he, bald abnorme Raddrehungen der Augen anzeigen. So wie ich durch dergleichen ungew\u00f6hnliche Doppelbilder aufmerksam gemacht mich ermuntere, gehen die Doppelbilder meist schnell wieder zusammen, und wenn ich sie dann willk\u00fchrlich auseinander zu treiben suche, kommen nur die gew\u00f6hnlichen neben einander stehenden Doppelbilder zu Stande, die von zu grosser oder zu geringer Convergenz f\u00fcr das Object herr\u00fchren l.\nDieselbe Art von Zwang nun, welche die Eewegungen beider Augen mit einander und mit der beiderseitigen Accommodation verbindet, besteht auch betreffs der Raddrehung, die zu einer bestimmten Lage des Gesichtspunktes geh\u00f6rt, und es war von vorn herein zu vermuthen, dass auch die Raddrehung nur deshalb unserm Willen entzogen sei, weil wir durch eine etwaige Ver\u00e4nderung derselben keinen bestimmten praktischen und wahrnehmbaren Erfolg erzielen k\u00f6nnen. Es ist mir jetzt gelungen, die Richtigkeit dieser Annahme direct zu erweisen. Man kann n\u00e4mlich auch die Raddrehung der Augen ganz erheblich ver\u00e4ndern, wenn man dieselben unter Umst\u00e4nde bringt, wo sie nur bei ver\u00e4nderter Raddrehung einfach sehen k\u00f6nnen.\nZu dem Ende benutze ich zwei gleichschenkelige und rechtwinkelige Glasprismen. Wenn man durch ein solches Prisma parallel der Hypotenusenfl\u00e4che hindurchsicht, wie Fig. 1S9 anzeigt, so wird der Lichtstrahl ab, wo er durch die Catlietenfl\u00e4che des Prisma in dieses eintritt, gebrochen und gegen die Hypotenusenfl\u00e4che hin abgelenkt, von dieser bei c unter gleichem Winkel reflectirt, und tritt dann bei d wieder aus dem Prisma aus. Wenn b und d gleich weit von der Hypotenusenfl\u00e4che entfernt sind, so geht der Strahl ab nach dem Austritt aus dem Prisma in derselben Richtung fort, in der er eingetreten ist. Strahlen dagegen, welche wie ab' und ab\" nicht parallel der Hypotenusenfl\u00e4che auffallen, und nach der Brechung von dieser (bei c' und c\") reflectirt werden, treten nachher aus dem Prisma so aus, dass der eiutretende und austretende Strahl ab' und d'e', oder ab\" und d\"e\" gleiche Winkei mit der Hypotenusenfl\u00e4che bilden. Ein solches Prisma wirkt also unter diesen Umst\u00e4nden wie ein Spiegel, aber mit dem Vortheile, dass die Richtung, in der der mittlere Theil des\n\u25a0 Herr E. Hering hat in seinen Beitr\u00e4gen zur Physiologie, 4. lieft, S. TA, die Richtigkeit dieser Beobachtung bezweifelt. Er hat offenbar die Erscheinung, auf die es ankommt, nicht gesehen. Die zuletzt oben angef\u00fchrte eo achtung beweist, dass ich nicht in den Irrthum verfallen bin, den er mir zuschreibt, und der von Jeman-em, we eher auch nur ein wenig Uehung in der Beobachtung von Doppelbildern hat, auch schwerlich begangen werten \"onnte, dass ich n\u00e4mlich wegen schiefer Kopfhaltung neben einander stellende Bilder f\u00fcr \u00fcber einander Stellend gehalten h\u00e4tte.\na","page":476},{"file":"p0477.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nWILLK\u00dcHR BEI DEN AUGENBEWEGUNGEN.\n477\nSpiegelbildes erscheint, unver\u00e4ndert bleibt. Indem der Beobachter in der Richtung ab durch das Prisma hindurchsieht, erblickt er die jenseits liegenden Gegenst\u00e4nde, aber so, dass Rechts in Links verkehrt ist, wenn die Hypotenusenfl\u00e4che des Prisma senkrecht steht, oder Oben in Unten, wenn sie horizontal liegt.\nWenn man nun den vom ersten Prisma reflectirten Strahl de in derselben Weise durch ein zweites Prisma gehen l\u00e4sst, und die Hypotenusenfl\u00e4chen beider parallel liegen, so wird die Umkehrung der Bilder, welche das erste Prisma erzeugt hatte, durch das zweite, was noch ein Mal in derselben Weise um-kelirt, wieder aufgehoben. Alle Gegenst\u00e4nde erscheinen durch zwei solche Prismen gesehen in ganz unver\u00e4nderter Lage und Stellung. Macht man aber die Hypotenusenfl\u00e4chen der beiden Prismen nicht ganz parallel, sondern dreht das eine Prisma ein wenig um eine dem Strahl ae parallele Axe, wie in nebenstehender Fig. 160, so wird die Umkehrung, welche das erste Prisma hervorbrachte, durch das zweite nicht vollst\u00e4ndig wieder aufgehoben, sondern es bleibt eine kleine Drehung der gesehenen Gegenst\u00e4nde um den ungebrochenen Strahl ae als Axe zur\u00fcck, welche doppelt so gross erscheint, als die wirkliche Drehung des einen Prisma gegen das andere ist.\nUebrigens k\u00f6nnen beide Prismen zusammen genommen, wenn sie nur gegen einander festgestellt sind, beliebig um ihren gemeinsamen Axenstrahl gedreht werden, ohne dass die scheinbare Lage der dadurch gesehenen Gegenst\u00e4nde eine Ver\u00e4nderung erlitte.\nWenn man nun eine solche Combination zweier Prismen, welche eine scheinbare Raddrehung der Objecte um die Gesichtslinie von etwa 3 Grad hervorbringt, vor ein Auge nimmt und mit beiden Augen gleichzeitig entferntere Objecte betrachtet, die eine grosse Mannigfaltigkeit verschiedener deutlich abstehender Theile zeigen, so sieht man anfangs, wie zu erwarten ist, gekreuzte Doppelbilder1 der Objecte, die sehr auffallend und leicht zu bemerken sind. Wenn man aber fortf\u00e4hrt, die Objecte zu bedachten, und dabei den Blick vielfach \u00fcber die einzelnen ausgezeichneten Punkte derselben herumwandern l\u00e4sst, welche man alle nach einander einfach sehen kann, so schwinden die Doppelbilder endlich, und man sieht vollst\u00e4ndig einfache Bilder gerade so gut, wie beim gew\u00f6hnlichen Sehen. Wenn man nun einige Minuten lang in dieser Weise einfach gesehen hat, dann das Prismensystem fortnimmt und mit freien Augen dieselben Objecte betrachtet, so erblickt man jetzt im ersten Moment gekreuzte Doppelbilder, die sich aber schnell wieder vereinigen.\nDen Verdacht, dass bei diesem Versuche die Doppelbilder nicht vereinigt, sondern nur \u00fcbersehen werden, kann man erstlich dadurch beseitigen, dass man in einiger Entfernung vor die betrachteten Objecte ein senkrechtes St\u00e4bchen h\u00e4lt, welches in Doppelbildern erscheint. Diese haben dann nur die gew\u00f6hn-\n1 Ich verstehe hier unter gekreuzten Doppelbildern solche, die eine Raddrehung gegen einander erlitten haben.","page":477},{"file":"p0478.txt","language":"de","ocr_de":"478 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 27.\nliehe schwache Neigung zu einander, die Neigung der scheinbar verticalen Meridiane. Daraus folgt also, dass die horizontalen Netzhautmeridiane hinter den Prismen so eingestellt werden, dass sie entsprechende gleiche Bilder empfangen.\nFerner habe ich auch zur Controlle, w\u00e4hrend ich durch die Prismen sah, Nachbilder eines horizontalen Streifens in beiden Augen entwickelt, und diese, nachdem ich die Prismen entfernt hatte, auf eine weisse Fl\u00e4che geworfen. Im ersten Augenblicke erschienen dann die Nachbilder beider Augen verschieden geneigt gegen ein und dieselbe objective Linie des Gesichtsfeldes. Sobald aber die Augen in ihre nat\u00fcrliche Stellung zur\u00fcckgegangen waren, erschienen beide Nachbilder in gleicher Lage im Gesichtsfelde. War die objective Linie, von der die Nachbilder genommen wurden, horizontal, und das rechte Auge mit einem Doppelprisma bewaffnet, welches 5\u00b0 nach links drehte, so erschienen die Nachbilder beider Auges, nachdem die Prismen entfernt und beide Augen in ihre normale Stellung \u00fcbergegangen waren, etwas nach links gedreht, woraus folgte, dass beim Sehen durch das Prisma das linke Auge etwas nach rechts gedreht gewesen war, w\u00e4hrend das rechte Auge der scheinbaren Drehung des Gesichtsfelds folgend nach links gedreht war. Die Nachbilder beider Augen aber zeigten sich hierbei auf correspondirenden Stellen entwickelt, und daraus folgt, dass auch correspondirende Stellen beider Netzh\u00e4ute das Urbild aufgenommen hatten. Aus diesen Versuchen folgt also, dass auch die Raddrehungen des Auges unter besonderen Umst\u00e4nden ver\u00e4ndert werden k\u00f6nnen, wenn n\u00e4mlich abnorme Drehungen dieser Art gebraucht werden, um die Objecte eines ausgedehnten und an Einzelheiten reichen Gesichtsfeldes in ungekreuzten Doppelbildern zu sehen. Die \u00e4usserste Drehung des Gesichtsfeldes, welcher ich bei diesen Versuchen mit den Augen folgen konnte, betrug 7 Grad. Dabei sind nun wahrscheinlich beide Augen um gleich viel, aber in entgegengesetztem Sinne gedreht worden, jedes also etwa um 3y2 Grad. Die abweichende Stellung der Augen wird dabei nicht unmittelbar durch den blossen Anblick der Divergenz der Doppelbilder hervorgebracht, sondern erst durch eine Reihe correspondirender Bewegungen beider Augen, indem diese das Gesichtsfeld nach allen Richtungen durchlaufen, so dass sie fortdauernd die Einheit des Fixationspunktes erhalten.\nDiese Erfahrungen an den Augenmuskeln sind von grosser Wichtigkeit f\u00fcr die Lehre von der Willk\u00fchrlichkeit der Bewegungen \u00fcberhaupt. Gew\u00f6hnlich stellt man sich vor, dass die F\u00e4higkeit, eine bestimmte willk\u00fchrliclie Bewegung auszuf\u00fchren, gleich von vorn herein durch die Natur gegeben sei, und nicht weiter gelernt zu werden brauche, ausser etwa in den F\u00e4llen, wo wie beim Gehen, Stelzenlaufen, Schlittschuhlaufen, Schwimmen ein gewisses k\u00fcnstliches Gleichgewicht bei der Bewegung zu erhalten oder die Wirkung anderer Naturkr\u00e4fte dabei mit zu beachten sei. ' Es m\u00fcssen aber auch f\u00fcr andere Bewegungen die dazu n\u00f6thigen Willensintentionen erst gelernt werden. Selbst unter den Bewegungen der am freiesten gebrauchten Glieder unseres K\u00f6rpers, wie zum Beispiel der oberen Extremit\u00e4ten findet man leicht F\u00e4lle der Art, welche erst eine besondere Ein\u00fcbung erfordern, ehe man sie ausf\u00fchren kann.","page":478},{"file":"p0479.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u202227.\nURSPRUNG DES DREHUNGSGESETZES.\n479\nSo kann man zum'Beispiel den horizontal ausgestreckten Arm im Schulter-gelenk um seine L\u00e4ngsaxe rollen, ebenso Radius und Hand um die Ulna. Beide Rollungen werden durch Muskelgruppen ausgef\u00fchrt, die ganz unabh\u00e4ngig von einander sind. Wir sind aber nur ge\u00fcbt beide Rollungen in gleichem Sinne auszuf\u00fchren, weil unsere Absicht unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden nur dahin geht, die Hand in die eine oder andere Rotationsstellung zu bringen. Nun kann man die Aufgabe stellen,, beide Rollungen in entgegengesetztem Sinne zu machen, so dass der Ellbogen sich dreht, die Hand aber stehen bleibt. Es ist dies eine Art der Bewegung, die keinerlei praktischen Zweck hat, und deshalb gew\u00f6hnlich niemals ausgef\u00fchrt wird Auch habe ich bisher noch Niemand gefunden, der dies auf die erste Aufforderung h\u00e4tte thun k\u00f6nnen. Und doch ist diese Bewegung ebenso gut zu lernen, wie die abnormen Augenbewegungen. Man braucht nur mit der Hand einen festen Gegenstand zu fassen, und den Ellenbogen zu drehen, dann den Griff der Hand allm\u00e4hlig zu lockern, und dieselbe Bewegung zu machen, bis man die Hand ganz frei lassen kann. Bei diesem Beispiele finden wir also eine ganz \u00e4hnliche Beschr\u00e4nkung der Willk\u00fchrlichkeit in der Combination der Bewegungen, welche anfangs un\u00fcberwindlich scheint, und doch durch zweckm\u00e4ssig geleitete Ein\u00fcbung \u00fcberwunden werden kann.\nWir haben jetzt zu untersuchen, welche Ursachen bei der Ein\u00fcbung der Augenbewegungen darauf hinwirken k\u00f6nnen, dass nur gewisse bestimmte Raddrehungen mit den verschiedenen Richtungen beider Gesichtslinien verbunden werden.\nWas zuerst das Gesetz von Donders betrifft, wonach der Raddrehungswinkel nur abh\u00e4ngt von der zeitweiligen Richtung beider Gesichtslinien, so ist leicht einzusehen, dass die Einhaltung dieses Gesetzes eine wesentliche Erleichterung und Sicherung f\u00fcr die L\u00f6sung der Aufgabe gew\u00e4hren muss, trotz der Augenbewegungen und trotz der Verschiebungen der Netzhautbilder auf der Netzhaut ruhende Objecte als ruhend anzuerkennen. Wir lassen unseren Blick fortdauernd im Gesichtsfelde wandern, weil wir nur so nach einander alle einzelnen Theile des Gesichtsfeldes m\u00f6glichst deutlich sehen k\u00f6nnen. Dass wir sie mit beiden Augen m\u00f6glichst deutlich sehen, wird zun\u00e4chst dadurch erreicht, dass wir beide Gesichtslinien auf den zeitweilig betrachteten Punkt hinrichten und die Augen f\u00fcr ihn accom-modiren. Dabei k\u00f6nnten die beiden Augen noch in beliebiger Weise um die Blicklinie als Axe gedreht werden, ohne dass wir aufh\u00f6ren w\u00fcrden mit beiden Augen den betreffenden Punkt zu fixiren. Wenn wir nun in dieser Weise ein mit ruhenden Objecten angef\u00fclltes Gesichtsfeld vor uns haben, so wechseln mit der Wanderung des Blicks auch fortdauernd die Empfindungen in den einzelnen Nervenfasern der Netzhaut. Wenn wir zur Betrachtung eines schon fr\u00fcher fixirten Objectes A zur\u00fcckkehren, und nun eine andere Raddrehung der Augen brauchen wollten, als das erste Mal, so w\u00fcrde zwar der Eindruck des fixirten Punktes auf die beiden Netzhautgruben derselbe sein wie fr\u00fcher, aber die Netzhautbilder der Nachbarschaft w\u00fcrden eine andere Lage auf der Netzhaut haben, die rings um die Netzhautgrube liegenden Nervenfasern w\u00fcrden ganz andere Lichteindr\u00fccke erhalten, als das erste Mal; und um zu constatiren, dass das Object trotz dieses ver\u00e4nderten Systems von Empfindungen doch das-","page":479},{"file":"p0480.txt","language":"de","ocr_de":"480\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 27.\nselbe geblieben ist, m\u00fcssten wir das Auge ganz in die alte Stellung auch in Bezug auf die Raddrehung zur\u00fcckf\u00fchren, um zu pr\u00fcfen, ob dann bei Herstellung der fr\u00fcheren Stellung auch der alte Eindruck wieder erhalten werde.\nDa nun f\u00fcr das Erkennen der Objecte in der Regel beim nat\u00fcrlichen Sehen dadurch nichts gewonnen wird, dass wir sie mit ver\u00e4nderten Raddrehungen ansehen, und nur die R\u00fcckkehr in eine unver\u00e4ndert bleibende bestimmte Stellung n\u00f6tliig ist, um das ruhende Object als ruhend wiederzuerkennen, so werden wir von Anfang an uns gew\u00f6hnen m\u00fcssen f\u00fcr bestimmte Richtungen der Gesichtslinien auch immer wieder bestimmte Grade der Raddrehung zu gebrauchen.\nBei hinreichender Ein\u00fcbung auf die Kenntniss der Ver\u00e4nderungen, welche die Empfindungen der Netzhaut bei Drehung des Auges um die Blicklinie erleiden, w\u00fcrde es zweifelsohne auch m\u00f6glich werden, die unver\u00e4nderte Lage der Objecte trotz des ver\u00e4nderten Netzhautbildes richtig zu beurtheilen. Aber es w\u00fcrde dies eine neue und grosse Complication in der Ein\u00fcbung unseres Auges f\u00fcr die Gesichtswahrnehmungen sein, welche gar keinen Vortheil bringen w\u00fcrde, und der wir deshalb von vorn herein aus dem Wege gehen1.\nDurch dieses Princip, welches ich das Princip der leichtesten Orien-tirung f\u00fcr die Ruhestellungen des Auges genannt habe, wird zun\u00e4chst verlangt, dass jeder bestimmten Richtung beider Gesichtslinien bestimmte Werthe der Raddrehung beider Augen zugeh\u00f6ren, aber es wird noch nicht bestimmt, welche Werthe zu nehmen seien.\nBisher haben wir nur den Fall untersucht, wo dasselbe Object zwei Mal nach einander direct angeblickt wurde; nun ist noch zu fordern, dass ein ruhendes Object als ruhend erkannt werde, wenn es einmal direct und dann indirect betrachtet wird.\nWir wollen die Untersuchung zun\u00e4chst f\u00fcr ein einziges, isolirt gedachtes, Auge f\u00fchren, und sp\u00e4ter Zusehen, welche Ver\u00e4nderungen bei der Verbindung mit einem zweiten Auge einzutreten haben. Wir beschr\u00e4nken uns ferner auf die Annahme unendlich kleiner Verschiebungen des Auges; denn wenn die Anerkennung der Ruhe des Objects erhalten bleibt w\u00e4hrend der unendlich kleinen Verschiebungen, die w\u00e4hrend der unendlich kleinen Zeittheilchen einer ausgedehnteren Bewegung stattfinden, so ist diese Anerkennung auch am Ende der Bewegung erhalten.\nWir wollen eine Anzahl von Netzhautpunkten mit a, b, c, d u. s. w. bezeichnen, und es m\u00f6ge \u00ab das Centrum der Netzhautgrube sein. Die Punkte des Bildes, welche auf diese Netzhautpunkte fallen, bezeichnen wir mit A, B, C, D. Der Punkt A des Bildes ist also fixirt; der Punkt B sei von A, also auch b von \u00ab nur um eine verschwindend kleine Gr\u00f6sse entfernt. Jetzt gehe der\n1 Ich habe fr\u00fcher (Archiv f\u00fcr Ophthalmologie, IX, 2, 156\u2014l\u00f6T) noch hinzugef\u00fcgt, dass auch die Lage der Objecte im R\u00e4ume richtig beurtheilt werden sollte. Dagegen hat Herr E. Hering den Einwand gemacht, dass die Beurtheilung der Lage durch die Raddrehungen der Augen \u00fcberhaupt gest\u00f6rt werde. In gewissen, aber freilich viel beschr\u00e4nkteren F\u00e4llen, als Herr Hering meint, ist das richtig, wie der n\u00e4chste Abschnitt lehren w(|d, und deshalb habe ich die Orientirung \u00fcber die wirkliche Lage der Objecte in der oben gegebenen Ableitung aus dem Spiele gelassen, und mich auf das Wesentliche beschr\u00e4nkt, dass ruhende Objecte als ruhend anerkannt werden.","page":480},{"file":"p0481.txt","language":"de","ocr_de":"URSPRUNG DES DREHUNGSGESETZES.\n481\n\u00a7. 27.\nBlick vom Punkte A des Bildes \u00fcber auf den Punkt B, so dass jetzt B auf dem Centrum a der Netzhaut abgebildet sei. Dabei werden die Punkte A, C, D u. s. w. des Bildes auf andere Netzhautpunkte fallen, die wir mit \u00ab, y, \u00f4 u. s. w. bezeichnen wollen. W\u00e4hrend also die fr\u00fchere Empfindung des Punktes b \u00fcbergeht auf a, geht die Empfindung, welche a hatte, \u00fcber auf a, die von c auf y, die von d auf d u. s. w. Wenn nun dasselbe System von Empfindungs\u00e4nderungen immer wieder eintritt, so oft wir die Empfindung, welche b hatte, durch einen Willensimpuls, der Bewegung zur Folge hat, \u00fcbergehen lassen auf a, so werden wir lernen diesen Inbegriff von Aenderungen als sinnlichen Ausdruck einer Augenbewegung zu betrachten, dem keine Aenderung in den Objecten entspricht. Die Probe daf\u00fcr wird sein, dass wir wiederum in jedem beliebigen Zeitmomente A fixiren k\u00f6nnen, und dann das erste System von Empfindungen unver\u00e4ndert wiederfinden. Es kommt aber eben darauf an, dass wir, auch ohne diese Probe anzustellen, w\u00e4hrend wir B fixiren, lernen, dass die beobachtete Aenderung keine Aenderung der Objecte ist.\nDamit nun jedes Mal, wenn die Fixation \u00fcbergeht auf den dem Netzhautpunkte b correspondirenden Punkt des Gesichtsfeldes, auch gleichzeitig \u00ab das bisherige Bild von a, y das von c, <5 das von d u. s. w. empfange, ist es n\u00f6thig, dass das Auge diese Bewegung immer durch Drehung um eine und dieselbe, in Beziehung zum Augapfel festgelegene Axe ausf\u00fchre, welche wir mit S3 bezeichnen wollen.\nNun ist b nur einer der dem Punkte a benachbarten Netzhautpunkte; es m\u00f6ge c ein anderer von a unendlich wenig entfernter und in anderer Richtung als b gelegener Punkt sein, so wird eine zweite im Augapfel festgelegene Drehungsaxe \u00a9 existireu m\u00fcssen, um den Blick in der Richtung ac zu verschieben, wenn diese Verschiebung immer mit der gleichen Verschiebung des Netzhautbildes auf der Netzhaut, also mit demselben Systeme von Empfindungs\u00e4nderungen begleitet sein soll.\nJeden anderen Punkt F des Gesichtsfeldes in -der N\u00e4he des Fixationspunktes A werden wir mit dem Blicke alsdann erreichen k\u00f6nnen durch eine Drehung von gewisser sehr kleiner Gr\u00f6sse um die Axe 33 und durch eine zweite Drehung von gewisser sehr kleiner Gr\u00f6sse um die Axe \u00df. Da man nun bekanntlich bei unendlich kleinen Drehungen die Drehungsaxen nach dem Principe des Kr\u00e4fteparallelogramms zusammensetzen kann, und die Diagonale der Axen 33 und \u00a9 immer in der durch 33 und \u00a9 gelegten Ebene liegen muss, so folgt, dass das Auge sich beim Blicke nach F in dieselbe Stellung bringen l\u00e4sst bei einer einfachen Drehung um eine einzige in der Ebene 33\u00a9 gelegene Drehungsaxe, wie bei der Drehung erst um 33, dann um \u00a9. Und da es bei der Richtung des Blickes nach F nach dem Gesetze von Donders, welches wir eben zu begr\u00fcnden versucht haben, immer dieselbe Richtung haben muss, auf welchem Wege es auch dahin gef\u00fchrt sein mag, so folgt, dass der Ueber-gang des Blickes von A nach F oder irgend einem andern von A unendlich wenig entfernten Punkte auszuf\u00fchren ist durch Drehung des Augapfels um eine Drehungsaxe, die immer in ein und derselben, relativ zum Augapfel fest liegenden Ebene \u00a78\u00a9 gelegen ist. Dies w\u00fcrde die Bedingung daf\u00fcr sein, dass jede unendlich kleine Verschiebung des Blicks in allen F\u00e4llen, wo sie eintritt,\nEncyklop. d. Physik. IX. Hei.mhoi.tz, Physiol. Optik.\t31","page":481},{"file":"p0482.txt","language":"de","ocr_de":"482\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 27.\nimmer von einem constante\u00ab Systeme von Aenderungen der Empfindung in den Sehnervenfasern begleitet ist, welches schliesslich als der sinnliche Ausdruck der zu jener Verschiebung des Blicks geh\u00f6rigen Augenbewegung kennen gelernt wird\nDass die Drehungsaxen f\u00fcr irgend welche sehr kleine Verschiebungen des Auges, die von einer bestimmten festen Stellung ausgehen, alle in einer und derselben Ebene liegen m\u00fcssen, folgt, wie die unten folgende mathematische Behandlung zeigen wird, unmittelbar f\u00fcr alle Theile des Blickfeldes, wenn die Raddrehung eine continuirliche, nicht sprungweise sich \u00e4ndernde Function der Richtung der Blicklinie ist. Das Princip der leichtesten Orientirung fordert, dass diese Ebene, wo m\u00f6glich, relativ zum Augapfel fest sein m\u00fcsse.\nEs wird also am leichtesten sein, die Ver\u00e4nderungen der Empfindung bei der Bewegung des Augapfels als Ausdruck einer solchen Bewegung und nicht einer Bewegung der Objecte zu erkennen, wenn der Uebergang des Blicks auf den dem Netzhautpunkte b entsprechenden Punkt des Gesichtsfeldes immer mit derselben Verr\u00fcckung des Netzhautbildes auf der Netzhaut begleitet ist, unabh\u00e4ngig davon, welche Anfangslage der Augapfel hat. Es w\u00fcrde eine viel complicirtere Ein\u00fcbung in dem Gebrauche des Auges verlangen, wenn die Objecte immer als ruhend erkannt werden sollten, trotzdem die genannte Verschiebung des Netzhautbildes beim Ausgange von verschiedenen Ausgangspunkten sich als verschieden erweisen sollte. F\u00fcr unm\u00f6glich freilich w\u00fcrden wir eine Ein\u00fcbung der Art nicht von vorn herein erkl\u00e4ren k\u00f6nnen. Die Erfahrung lehrt aber, wie wir sehen werden, dass sie nicht besteht.\nDie hier aufgestellte Bedingung f\u00fcr die leichteste Orientirung beim in-directen Sehen ist n\u00e4mlich vom menschlichen Auge nicht vollst\u00e4ndig erf\u00fcllt und kann auch, wie die nachfolgende analytische Behandlung des Problems zeigen wird, nicht vollst\u00e4ndig erf\u00fcllt werden, ausgenommen f\u00fcr ein Feld, dessen Ausdehnungen gegen den Radius der Kugel verschwindend klein sind. Es ist schon oben angef\u00fchrt worden, dass nach dem LiSTiNG\u2019schen Gesetze die Ebenen der Drehungsaxen bei verschiedenen Stellungen der Blicklinie auch verschiedene Lagen im Auge haben. Davon h\u00e4ngen nun gewisse Gesichtst\u00e4uschungen ab, die am deutlichsten zu beobachten sind an sehr entfernten Objecten, von deren wirklicher Lage man keine Erfahrungen hat, namentlich an den Gestirnen1 2.\nMan - suche sich am gestirnten Himmel drei hinreichend helle und weit von einander entfernte Sterne, die nahehin in einer geraden horizontalen Linie stehen. Wir wollen voraussetzen, sie schienen in einer geraden Linie zu\n1\tHerr E. Hering hat auf S. 234\u2014283 seiner Beitr\u00e4ge zur Physiologie diese Ableitung als unhaltbar zu erweisen gesucht. Das Missverst\u00e4ndniss des ersten Princips, welches oben erw\u00e4hnt wurde, wobei er eine Nebensache zur Hauptsache gemacht hat, wirkt hier weiter. Er erkl\u00e4rt das zweite Princip f\u00fcr \u00fcberfl\u00fcssig neben dem ersten. Das ist es nicht. Denn das erste Princip bezweckt nur, dass ruhende Objecte als ruhend erkannt werden, so oft die Blicklinie in dieselbe Richtung zur\u00fcckkehrt, das zweite, dass sie auch bei verschiedener Richtung der Blicklinie als ruhend erkannt werden. Herr Hering zeigt weiter, dass wenn man das zweite Princip ohne das erste gebraucht, man Unsinn daraus ableiten kann. Ich habe aber das zweite Princip nie anders, denn als Erg\u00e4nzung des ersten aiigewendet, auch ist cs selbstverst\u00e4ndlich, dassvdies nicht geht. Ich hoffe in der oben gegebenen Darstellung meine Ideen genauer ausgedr\u00fcckt und das genannte Missverst\u00e4ndniss beseitigt zu haben.\n2\tBei dem fr\u00fcher von mir beschriebenen entsprechenden Versuche hat die Couvergenz der Augen einen eigenth\u00fcmlichen Einfluss, der im n\u00e4chsten Abschnitte zu besprechen is","page":482},{"file":"p0483.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nURSPRUNG DES DREHUNGSGESETZES.\n483\nstehen, wenn inan das Gesicht so weit erhebt, dass die Prim\u00e4rstellung der Gesichtslinien auf den mittleren Stern gerichtet ist. Dann werden dieselben Sterne eine nach unten concave Linie zu bilden scheinen, wenn man ihre Reihe mit dem Blicke durchl\u00e4uft, w\u00e4hrend das Gesicht weniger gehoben wird, als vorher, die Augen im Kopfe also mehr; und sie werden wie eine nach unten convexe Linie erscheinen, wenn das Gesicht mehr erhoben wird als fr\u00fcher und die Augen im Kopfe also gesenkt werden m\u00fcssen, um nach den drei Sternen zu sehen. Der Grund dieser T\u00e4uschungen ist in den Raddrehungen des Auges zu suchen. Blickt man nach dem rechten Ende der Sternreihe, so sind bei gehobenem Blicke die Netzhauthorizonte gegen die Visirlinie so gedreht, dass ihre rechte Seite gehoben ist. Das rechte Ende der Sternenlinie erscheint dann gesenkt ; eben so das linke, wenn man nach dem links gelegenen Sterne blickt, die ganze Linie also als concav nach unten; umgekehrt bei kinnw\u00e4rts gewendetem Blick.\nOder man vergleiche die Neigung, welche eine Reihe von Sternen, wie zum Beispiel die drei Sterne im Schwanz des grossen B\u00e4ren, gegen den Horizont zu haben scheinen, indem man das Gesicht so wendet, dass die Sterne bald mit nach rechts oben, bald mit nach links oben gehobenen Augen betrachtet werden. Alan wird finden, dass bei ersterer Stellung das obere Ende dieser Sternreihe sich scheinbar mehr nach links, im zweiten Falle mehr nach rechts, also immer gegen die Medianebene des Kopfes hin, neigt.\nEs handelt sich bei diesen Beispielen nicht um Bestimmung einer absoluten Richtung der Sternreihen im Raume, als senkrecht oder horizontal, da eine solche bei der unbestimmten Form des imagin\u00e4ren Himmelsgew\u00f6lbes selbst nie eine ganz bestimmte sein kann. Es handelt sich nur die Uebereinstimmung oder Nicht\u00fcbereinstimmung in der Richtung der angeschauten Bilder bei verschiedener Blickrichtung zu constatircn, und es zeigt sich bei diesen Versuchen, dass wir bei stark peripherischen Stellungen der Augen abweichende Urtheile \u00fcber die Lage der Gesichtsobjecte im Gesichtsfelde oder auch \u00fcber die Form des Gesichtsfeldes-f\u00e4llen. Da nun, wie gesagt, in einem ausgedehnten Felde solche Raddrehungen der Augen, die dergleichen Inconsequenzen hervorrufen, nicht ganz vermieden werden k\u00f6nnen, so kann nur gefordert werden, dass die Raddrehungen des Auges bei verschiedenen Stellungen der Gesichtslinie so gew\u00e4hlt werden, dass die Summe aller Fehler in der Orientirung, die aus den Raddrehungen des Auges herfliessen, m\u00f6glichst klein werde.\nDie vollkommene Erf\u00fcllung des zweiten Princips w\u00fcrde fordern, dass bei allen Stellungen der Blickliuie die Ebene der Drehungsaxen immer dieselbe Lage im Augapfel h\u00e4tte. Es w\u00fcrde dann nie eine Componente der Drehung Vorkommen, deren Axe die Normale zu jener Ebene der Drehungsaxen w\u00e4re, welche Normale ich die atrope Linie des Auges zu nennen vorgeschlagen habe. Jede Drehung um diese atrope Linie, deren Lage im Auge zun\u00e4chst noch unbestimmt bleibt, w\u00fcrde als ein Fehler zu betrachten sein. Die Forderung des zweiten Princips w\u00fcrde also so formulirt werden k\u00f6nnen, dass die Summe dieser Fehlerquadrate f\u00fcr alle vorkommenden unendlich kleinen Bewegungen des Auges ein Minimum werde. Die Quadrate der Fehler\n31 *","page":483},{"file":"p0484.txt","language":"de","ocr_de":"484\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 27.\nm\u00fcssen hier aus denselben Gr\u00fcnden, wie bei den Fehlerausgleichungen nach der Methode der kleinsten Quadrate genommen werden.\nDas Resultat der analytischen Behandlung dieses Problems, welche unten gegeben ist, ist folgendes: Damit die Summe der Fehler am kleinsten werde, muss die atrope Linie f\u00fcr jede Form des Feldes mit der Blicklinie zusammenfallen; die Vertheilung der Raddrehungen aber h\u00e4ngt im Allgemeinen von der Form des Feldes ah. In einem kreisf\u00f6rmigen Blickfelde w\u00fcrde das Listing\u2019-sche Gesetz den Bedingungen der Aufgabe am vollkommensten entsprechen, und zwar mit der Prim\u00e4rstellung im Centrum des kreisf\u00f6rmigen Feldes. In nicht genau, aber ann\u00e4hernd kreisf\u00f6rmigen Feldern w\u00fcrden gegen den Rand hin sich Abweichungen vom LisTiNG\u2019schen Gesetze zeigen m\u00fcssen, deren Gr\u00f6sse aber durch den Umstand noch verringert werden kann, dass solche peripherische Stellen vom Blicke seltener durchlaufen werden, und wir, wie es scheint, auch diejenigen Bewegungsrichtungen des Auges zu vermeiden suchen, die dem Rande des Blickfelds parallel gehen und Scheinbewegungen der Objecte hervorbringen w\u00fcrden.\nEs zeigt sich also hierbei, dass das LiSTiNo\u2019sche Gesetz der Augenbewegungen das vorteilhafteste f\u00fcr die Orientirnng ist, zun\u00e4chst f\u00fcr ein einzelnes Auge und f\u00fcr ein kreisf\u00f6rmiges Blickfeld.\nNun sehen wir aber mit zwei Augen, welche bald parallel, bald conver-girend gestellt werden. Das Princip der leichtesten Orientirnng f\u00fcr Ruhestellungen fordert nur, dass die Raddrehungen der Augen dieselben seien, sobald dieselben Stellungen beider Augen wieder einti\u2019eten, und in der That finden wir kleine Abweichungen der Raddrehung bei Convergenzstellungen von denen bei Parallelstellungen. Es werden aber beim normalen Sehen Parallelstellungen in der Regel nur in denjenigen Theiien des Gesichtsfeldes Vorkommen, welche sehr weit entfernte Objecte darzubieten pflegen; das sind die oberen Theile des Feldes.\nIm unteren Theile des Blickfeldes finden sich fast ausschliesslich nahe Gegenst\u00e4nde vor; der entfernteste von ihnen ist der Fussboden. Das gemeinsame Blickfeld meiner beiden Augen bei paralleler Stellung habe ich in Fig. 161 gezeichnet, a ist die Prim\u00e4rstellung des fernsehenden Auges, die L\u00e4nge des Pfeils, ac bezeichnet die entsprechende Entfernung des Auges von der Tafel, auf die das Blickfeld projicirt ist; die Augen befinden sich dabei in Richtung des in a errichteten Lothes. Nach unten hin ist das Sehfeld jedes Auges auf der innern Seite eingeengt durch die hervortretende Nase, bb der Figur; was vom Nasenr\u00fccken noch fixirt werden kann, ist durch Schattirung angedeutet. Dieser untere Theil, welcher von den Doppelbildern der Nase theilweis\nFig. 461.","page":484},{"file":"p0485.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nURSPRUNG DES DRE1IUNGSGESETZES.\n485\nzugedeckt ist und der zwischen diesen Doppelbildern liegt, kann f\u00fcr parallele Augenstellungen fast gar nicht gebraucht werden, auch sind dieselben hier entschieden schwerer herzustellen, als im oberen Theile des Feldes. Wir k\u00f6nnen also etwa zwischen bb der Figur die Grenze ziehen f\u00fcr das Blickfeld der parallelen Gesichtslinien, dann bleibt f\u00fcr sie ein nahehin kreisf\u00f6rmiges Feld \u00fcbrig, und ich finde hier in der That das LisTiNG\u2019sche Gesetz g\u00fcltig, und die Prim\u00e4rstellung u in der Mitte dieses Feldes. Uebrigens sind die beiden Felder meiner Augen nicht ganz symmetrisch; mein linkes Auge kann weiter nach unten und aussen sehen als das rechte.\nBei Convergenzstellungen bekommen die Augen zuerst eben wegen der Konvergenz eine Richtung nach innen, und zweitens \u00fcberwiegend nach unten. Im oberen Theile des Blickfeldes kommen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig sehr selten nahe Gegenst\u00e4nde vor, die wir zu betrachten haben, auch sind wir nicht im Stande, die Convergenz dort so weit zu treiben, wie beim Blick nach unten. Daher sind f\u00fcr Convergenzstellungen Abweichungen von dem Bewegungsgesetze der Parallelstellungen in dem Sinne zu erwarten, als ob die Prim\u00e4rstellung f\u00fcr sie tiefer und mehr nach innen liegt, als f\u00fcr die Parallelstellungen; von dieser Art sind in der That die Abweichungen in der oben in Fig. 157 gegebenen Ueber-sicht. Die St\u00e4rke dieser Abweichungen wird dann wohl von der gewolmheits-m\u00e4ssigen H\u00e4ufigkeit der Convergenzstellungen und ihrer St\u00e4rke abh\u00e4ngen m\u00fcssen, und bei kurzsichtigen Augen, welche haupts\u00e4chlich in Convergenz beobachten, werden sich die Eigenth\u00fcmlichkeiten solcher Convergenzstellungen auch auf die verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig seltner .gebrauchten Fernstellungen \u00fcbertragen k\u00f6nnen.\nBei dem hier gegebenen Versuche, das Gesetz der Augenbewegungen aus den Bed\u00fcrfnissen des Wahrnehmens herzuleiten, musste nat\u00fcrlich abstrahirt werden von aller Kenntniss und Sch\u00e4tzung der L\u00e4ngen und Winkel des scheinbaren Gesichtsfeldes, ja selbst von der Kenntniss der Anordnung der Netz-hautpunkte auf der Netzhaut, weil diese Kenntnisse, wenn man sie nicht als angeboren ansieht, erst durch die Bewegungen des Auges gewonnen werden k\u00f6nnen. In Wirklichkeit, wird beides sich wohl neben einander und gleichzeitig entwickeln m\u00fcssen, und es soll deshalb die gegebene Ableitung des Drehungsgesetzes nicht als eine genaue Beschreibung des factischen Entwickelungsgangs dieses Gesetzes w\u00e4hrend der ersten Kindheit angesehen werden. Vorl\u00e4ufig kann die empiristische Theorie der Gesichtswahrnehmungen in dieser Beziehung weiter nichts leisten, als nachweisen, dass in den Gesichtswahrnehmungen und bei den Bewegungen des Auges nichts vorkommt, was nicht durch Erfahrung und zweckm\u00e4ssige Ein\u00fcbung unter dem Bestreben, die Objecte der Aussenwelt m\u00f6glichst genau und sicher zu erkennen, gewonnen werden k\u00f6nnte. Dabei wird nat\u00fcrlich der Gang dieser Ein\u00fcbung und Erfahrung methodischer und mehr in seine einzelnen Momente zerlegt dargestellt werden m\u00fcssen, als er in Wirklichkeit in dem bunten Gedr\u00e4nge zuf\u00e4lliger Sinneseindr\u00fccke meisten-theils vor sich gehen mag.\nA. Fick und Wundt haben als regelndes Princip f\u00fcr die Augenbewegungen hingestellt, dass diejenige Raddrehung gew\u00e4hlt werde, bei welcher die gew\u00fcnschte Richtung der Blicklinie mit der geringsten Muskelanstrengung erreicht werden","page":485},{"file":"p0486.txt","language":"de","ocr_de":"1'\n486 DRITTER ABSCHNITT, DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 27. i\n' I\nkann, \u00fceber die Durchf\u00fchrung dieses Princips wird unten das N\u00e4here angegeben werden. Wahrscheinlich ist dasselbe thats\u00e4chlich erf\u00fcllt bei den wirklich vorhandenen normalen Augenbewegungen. Indessen glaubte ich mich nicht bei diesem Principe als dem letzten beruhigen zu d\u00fcrfen, weil willk\u00fchrliche Anstrengung nachweisbar diejenigen Stellungen des Augapfels herbeif\u00fchren kann, welche den Zwecken des Sehens am besten entsprechenund die Muskeln im Allgemeinen bildsam genug sind, dass diejenigen, von denen man die gr\u00f6ssere Anstrengung verlangt, auch bald die st\u00e4rkeren werden. Indessen ist wohl nicht zu leugnen, dass wenn der Augenmuskelapparat vieler Generationen hinter einander sich den Bed\u00fcrfnissen der Individuen angepasst hat und sich seine .Anordnung auf die Nachkommen vererbt, f\u00fcr die factische Herbeif\u00fchrung der zweckm\u00e4ssigsten Raddrehungen des Auges der Umstand, dass sie die leichtesten sind, ausserordentlich g\u00fcnstig einwirken muss. Die oben angef\u00fchrten Versuche zeigen aber, dass die leichtesten Augenbewegungen f\u00fcr die Dauer dann nicht gew\u00e4hlt werden, wenn sie nicht auch gleichzeitig die vortheilhaftesten f\u00fcr das Sehen sind.\nAehnliche Gesetze wie f\u00fcr die Bewegungen der Augen gelten auch f\u00fcr die des Kopfes. Es hat schon Albert bemerkt, wenn man den Kopf pl\u00f6tzlich nach einer Seite neigt, w\u00e4hrend man einen festen Punkt einer geraden verticalen oder horizontalen Linie fixirt, so dass ihr Bild auf der Netzhaut eine Drehung erleidet, dass dann entweder bei der Bewegung des Kopfes eine scheinbare Drehung jener Linie eiiitritt, oder man- wenigstens eine gewisse Unsicherheit f\u00fchlt, zu entscheiden, ob eine Drehung eingetreten sei oder nicht.\nDie gew\u00f6hnlichen Bewegungen des Kopfes geschehen \u00fcbrigens nach demselben Princip, wie die der Augen. Das Hinterhauptsgelenk besteht aus zwei Gelenken, dem zwischen Hinterhauptsbein und dem ersten Halswirbel oder Atlas, und dem Gelenke zwischen dem Atlas und dem zweiten Halswirbel. Das erste l\u00e4sst eine Drehung um eine horizontal von rechts nach links gehende Axe, und in geringer Ausdehnung auch eine Drehung um eine horizontal von vorn nach hinten gehende Axe zu; das zweite genannte Gelenk hat nur eine verticale Drehungs-axe. Beide Gelenke zusammen k\u00f6nnen also m\u00e4ssige Drehungen um alle beliebig gelegenen Axen zulassen. Dazu kommt dann noch die Beweglichkeit der Halswirbels\u00e4ule. Wenn man die Augen weit nach rechts oder links wenden will, dreht sich der Kopf um eine senkrechte Axe im unteren Gelenke; wenn der Blick gerade nach oben oder unten gewendet wird, dreht sich der Kopf um die horizontal von rechts nach links gehende Dreliungsaxe der Gelenkkn\u00f6pfe des Hinterhauptbeins; wenn er aber schr\u00e4g nach rechts und oben gekehrt wird, so dreht er sich, wie das Auge, um eine von oben rechts nach unten links gehende Axe, so dass die rechte Seite des Kopfes h\u00f6her zu stehen kommt, als die linke. Wenn der Blick dagegen nach unten rechts sich wendet, kommt die rechte Seite des Kopfes tiefer zu stehen. Es sind dies also Drehungen derselben Art, wie sie das Auge ausf\u00fchrt, wenn auch mit gr\u00f6sserer Freiheit ver\u00e4nderlich, als die des Auges.\nAllgemeine geometrische Betrachtung der Drehungen. Man denke sich einen gew\u00f6hnlichen Erdglobus, der mit seiner Polaxe drehbar in einem messingenen Ringe befestigt ist; dieser Meridianring m\u00f6ge selbst in Einschnitten","page":486},{"file":"p0487.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. #7.\nANALYSIS DER DREHUNGEN UM EINEN PUNKT.\n487\ndes h\u00f6lzernen Gestells verschoben und endlich das Gestell auf einem horizontalen Tische stehend gedreht werden k\u00f6nnen, wobei es sich um die Lothlinie als Axo dreht. Eine solche Befestigungsweise reicht hin, um den Globus in alle m\u00f6glichen Lagen zu versetzen. Der Globus m\u00f6ge den Augapfel darstellen und die Pollinie m\u00f6ge der Blicklinie entsprechen.\nIm Anfang m\u00f6ge die Pollinie senkrecht stehen, und der erste Meridian des Globus, der von Ferro, in der Ebene des Ringes stehen. Die verticalen Coor-dinaten (also der Blicklinie in ihrer Anfangsstellung parallel) nenne ich x, die Ebene des ersten Meridians und des Meridianringes sei die Ebene der xy, die yAxe also horizontal in der Ebene des Ringes und die z Axe senkrecht darauf. Alle diese Axen sollen durch den Mittelpunkt der Kugel gehen. Da es ganz will-k\u00fchrlich ist, wie wir im Auge die y und z Axe legen, so wollen wir annehmen, die atrope Linie liege in ihrer Anfangslage in der y Ebene. Es vereinfacht sich dadurch die Rechnung sehr merklich, ohne dass die Allgemeinheit derselben beeintr\u00e4chtigt wird. In dem Globus, der den Augapfel darstellen soll, w\u00fcrde also die atrope Linie irgend wo im Meridian von Ferro liegen.\nWir denken uns nun vier rechtwinkelige Coordinatensysteme, welche alle in der Anfangslage der Kugel mit einander zusammenfallen. Das erste derselben nennen wir xyz, es sei absolut fest im Raume. Das zweite nennen wir x1y1zv es sei beweglich zugleich mit dem Gestell des Globus und mit diesem Gestelle fest verbunden; das dritte nennen wir xj/^z^, es sei fest verbunden mit dem messingenen Meridianringe; das vierte endlich nennen wir \u00e7v'\u00c7, es sei fest mit der Kugel verbunden.\nWenn das Gestell auf dem Tische gedreht wird, so verschiebt sich das Coordinatsystem der x,j ; gegen das der xyz; da aber die a;Axe Drehungs-axe ist, so-bleibt die xt Axe zusammenfallend mit der x Axe, und die yizi Ebene mit der yz Ebene. Folglich ist auch nach der Drehung die Entfernung eines jeden beliebigen Punktes von der y, z, Ebene ebenso gross wie seine Entfernung x von der y z Ebene. Es sei in Fig. 162 die Ebene des Papiers die Ebene der yz\nund y z ; es sei O\u00c0 die Axe der y, OH die der z, OD die der yv, OE die der zt; C sei die Projection des Punktes, dessen Coordinaten gesucht werden. Man f\u00e4lle von G die Lothe CA, CS, CD, CE beziehlich auf die vier Coordinataxen, und endlich noch vom Punkte E die Lothe EG und EH auf 0.4 und OB, deren Schnittpunkt womit K bezeichnen, so ist\nOA = CB = y\tOD =zCE = y,\nOB = AC \u2014 s\tOE = CD \u2014 zv\nB U\nDen Winkel EOII, um den das System der wiy^z1 gegen das der xyz gedreht ist, nennen wir 9.\ny = OA = OG + GA = OG -h KC.\nDa nun der Winkel GEO=zECK\u2014 EOII\u2014 9 ist, so ist\nfolglich\nOG = OE sin {GEO) zt sin 9 KC \u2014 CE cos (ECK) = y1cos9, y \u2014 y, cos 9 \u20141\u2014\tsin 9","page":487},{"file":"p0488.txt","language":"de","ocr_de":"488\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\nund ebenso\nz = OB = OH \u2014 KE\n011 \u2014 OE eos (EOH) = z, cos y KE = EC sin {ECK) \u2014 yt sin y,\nalso\nz \u2014 Zj cos 5 \u2014 </j sin y.\n*\nWir haben also f\u00fcr die Coordinate!! cc\u00ee/z des durch die oCj\u00ffjS, nach der Drehung folgende Werthe:\ngegebenen Punktes\n\u0153 = \u00a3Cj\ny\t= yl cos\tj + 2,\tsin\ty\nz\t= \u2014 !/,\tsin y\ts,\tcosy\nWenn ferner der Messingring des Globus in dem Gestelle gedreht wird, so \u00e4ndert sich die Lage des Systems der x2y2z2 gegen das der cc, ij1 z1, wobei die y2x2 Ebene aber mit der y1xi Ebene in Congruenz bleibt, und also auch die s2 Axe mit der 3tAxe. Der Drehungswinkel sei \u00ab, die Werthe der Coordinate!! xlylz1 findet man ausgedr\u00fcckt in die der x2y2z2 \u00e4hnlich wie vorher\n\u00a3Ct \u2014 x%\tcos u\t\u2014\ty2\tsin\ta\t\\\n\u2014 x2\tsin \u201c\t+\t\u00ffj\tcos\t\u00df\t>.....................I\ta),\nZ1 ~ S2 )\nEndlich drehe man den Globus um seine Polaxe, dabei verschiebt sich das System der '\u00c7v\u00c7 gegen das der x2y2z2, w\u00e4hrend die 'S und x2Axe, als Drelnmgsaxe, congruent bleiben. Die Werthe der x2y2z2 sind, wenn der Drehungswinkel mit ro bezeichnet wird\n\u0153, \u2014 S\t1\ny2 \u2014 v cos w -f- \u00c7 sin w v.........................1b).\nz2 = \u2014 v sin m -J- \u00c7 cos \u00ab> )\nNun setze man die Werthe von x1yiz1 aus 1a) in die Gleichungen 1); man erh\u00e4lt X \u2014 x2 cos \u00ab \u2014 ?/\u201e sin u\ny \u2014 x2 sin \u00ab cos y ~f- y2 cos a cos y + 3 sin y\nz = \u2014 x2 sin \u00ab sin y \u25a0\u2014 y2 cos u sin y -f- s2 cos y.\nIn diese Gleichungen endlich setze man f\u00fcr x2y2z2 deren Werthe aus den Gleichungen 1 b). Man erh\u00e4lt\nx\t=\t\u00a7\tcos\tn \u2014 v cos ca sin a \u2014 \u00c7 sin v sin a\t)\ny\t\u2014\tS\tsin\ta cos y -+- v (cos \u00ab cos y cos w \u2014 sin\ty\tsin\tw)\tf\n-+- \u00c7 (cos a cos y sin w -f- sin y cos co) V . . le), z\t=\t\u2022\u2014 \u00a3\tsin a sin y \u2014 v ( cos \u00ab sin y cos 10 \u2014f- cos\ty\tsin\to> )\t1\n\u2014 \u00c7 (cos a sin y sin w \u2014 cos y cos ni)\tJ\nDadurch sind die Raum-Coordinaten xyz jedes Punktes gegeben, der durch seine Coordinaten gu\u00c7 auf oder in der Kugel gegeben ist.","page":488},{"file":"p0489.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nDREHUNGEN NACH LISTING\u2019S GESETZ.\n489\nBestimmen wir zun\u00e4chst die Lage der Polaxe, welche der Blicklinie des Auges entsprechen soll; sie ist die Axe der f\u00fcr ihre Punkte ist v = \u00c7= 0. Daraus folgt dann f\u00fcr einen Punkt der Polaxe, welcher um g vom Drehpunkte entfernt ist\nx = \u00a3 cos a\ny = g sin a cos 3\nz = \u2014 g sin a sin 3.\nDer Winkel zwischen der Polaxe und ihrer Anfangsstellung ist also a, und die Projection der Polaxe auf die Horizontalebene ist g sin a, welche mit der xy Ebene den Winkel 3 macht. Diese Projection ist nun aber die Schnittlinie einer durch die verticale\txAxe\tund\tdie\tPolaxe g gelegten Ebene mit der Horizontalebene.\nUebertragen wir diese Verh\u00e4ltnisse auf das Auge, so ist\na der Winkel zwischen der ersten und zweiten Lage der Blicklinie 3 der Winkel, den eine durch die erste und zweite Lage gelegte Ebene mit der urspr\u00fcnglichen ccj/Ebene bildet.\nDurch beide Winkel ist die Richtung der Blicklinie gegeben.\nUm nun\tnoch\tden\tSinn\tdes Winkels w f\u00fcr die Verh\u00e4ltnisse am Auge an-\nschaulich zu machen, wollen wir fragen, wie muss der Winkel w gew\u00e4hlt werden, wenn sich das Auge nach dem Gesetze von Listing bewegt, und die Anfangslage, wo die\txyz\tmit\tden\tgo\u00c7 zusammenfallen, seine Prim\u00e4rlage ist. Dann\nm\u00fcsste nach\tdiesem Gesetze\tdie neue Stellung die gleiche sein, als w\u00e4re das\nAuge durch Drehung um eine in der v\u00c7 und yzEbene liegende Drehungsaxe in die neue Lage \u00fcbergef\u00fchrt worden. Da die Punkte der Drehungsaxe unver\u00e4nderte Lage behalten, so muss f\u00fcr sie auch nach der Drehung\nx = '\u00a7 y \u2014 v s = \u00c7 ^....................................2)\nsein. Durch diese drei Bedingungen k\u00f6nnen wir in allen F\u00e4llen die Lage der Drehungsaxe finden. Da der Forderung des LrsTiNG\u2019schen Gesetzes gem\u00e4ss die Drehungsaxe in der ntEbene liegen, das heisst f\u00fcr ihre Punkte t = 0 sein soll, so erhalten wir aus den Gleichungen I c) nach Einsetzung dieser Werthe\no = \u2014 v cos co sin o \u2014 \u00c7 sin w sin u\nv = v (cos a cos 3 cos co \u2014 sin 3 sin to) -|- \u00c7 (cos a cos 3 sin co sin 3 cos V\u00bb) \u00c7 = \u2014 v (cos \u00ab sin 3 cos w -+- cos 3 sin co) \u2014 \u00c7 (cos a sin 3 sin w \u2014 cos 3 cos w). Aus der ersten Gleichung folgt:\nv cos w -f- \u00c7 sin co \u2014 '0, was erf\u00fcllt wird, wenn wir setzen\nv \u2014 h sin co ,\t\u00a3 = \u2014 h cos co,\nworin h eine willk\u00fchrliche Gr\u00f6sse bedeutet'. Dadurch reduciren sich die beiden andern Gleichungen auf die Bedingungen\nsin co = \u2014 sin 3\n\u2014. cos co \u2014 \u2014 cos 3,\ndie zu erf\u00fcllen sind -durch die Annahme\n= \u2014 3 l.......................... 2 a).\n(0","page":489},{"file":"p0490.txt","language":"de","ocr_de":"490\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 27-\nDies ist also die Bedingung, dass die durch die Gleichungen I c) gegebenen Drehungen dem LiSTiNG\u2019scheu Gesetze folgen. Dann werden die Werthe x, y, z\nx \u2014 \u00a7 cos \u00ab \u2014 v cos 3 sin u -j- \u00c7 sin 3 sin a \\ y \u2014 | sin a cos tt v (cos \u00ab cos 32 -i- sin 32) I\n-+- \u00a3 ( 1 \u2014 cos a) sin 3 cos 3 l .\t.\t2b).\ns \u2014 \u2014\u25a0 \u00a3 sin \u00ab sin 3 \u2014v (cos u \u25a0\u2014\u2022 I ) sin 3 cos 3- l H- \u00a3 (cos a sin 32 -+- cos 32) J\nZu bemerken ist noch, dass \u00fcberhaupt, auch abgesehen von Listing\u2019s Gesetz, die Summe w -|- 3 f\u00fcr sehr kleine Werthe von a jedenfalls verschwindend klein werden muss, wenn nicht Verschiebungen der Blicklinie um unendlich kleine Werthe von \u00ab endliche Lagenver\u00e4nderungen des Auges ergeben sollen.\nIn den Gleichungen 2b) ist x die Entfernung des Punktes, dessen Coordinaten hier gegeben sind, von der i/iEbene; \u00a3 ist die Entfernung desselben Punktes von der rLEbene. Beide sind positiv genommen-, wenn sie vor der Vorderseite dieser Ebenen liegen. Setzt man nun\nx \u2014 \u2014 \u00a7 oder x -'\u00a3 = 0 ^.................................2 c),\nso ist dies die Gleichung aller der Punkte, die gleichweit von der Vorderseite der Ebene x = 0 und von der Hinterseite der Ebene \u2014 0 abstehen. Diese Eigenschaft kommt aber den Punkten derjenigen Ebene zu, welche den Winkel 3, den die Ebenen x = 0 und $ = 0 mit einander machen, halbirt. Die Gleichung 2 c) ist also die Gleichung dieser Ilalbirungsebene. Diese Gleichung wird, wenn man den Werth von x aus 2 b) entnimmt\n0 = g ( I \u2014f\u2014 cos \u00ab) \u2014\u2022 v cos 3 sin a + l sintL sin \u00ab jj \u2022 \u2022 2d).\nIndem wir diese Gleichung mit dem Factor\n/ \u2014 cos a sin a\nmultiplieiren, erhalten wir\n0 = '4 sin \u00ab \u2014 v cos 3 ('/ \u2014 cos a) + g sin 3(1 \u2014 cos \u00ab) jj \u2022\t\u2022\t\u2022\t2e).\nMultiplieiren wir diese letztere mit cos 3, so erhalten wir\n0 = \u00a7 sin u cos 3 -\\- v ( cos u cos 32 \u2014 cos 32) + \u00c7 cos 3 sin 3 ( / \u2014 cos \u00ab).\nBei der Vergleichung mit dem Werthe von y in 2b) zeigt sich, dass diese identisch ist mit\nv = y-\nEine entsprechende Gleichung, welche man durch Multiplication von 2 e) mit sin 3 erh\u00e4lt, ist identisch mit\nF\u00fcr die Punkte der Halbirungsebene des Winkels 3, den die Ebenen x = 0 und \u00a3 = 0 mit einander machen, ist also\nx = \u2014 \u00ff, y \u2014 v, z \u2014 \u00c7 \\\t\u25a0\t\u25a0\t\u25a0\t\u25a0\t\u25a0\t2 f).","page":490},{"file":"p0491.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nDREHUNGEN NACH LISTING\u2019S GESETZ.\n491\nNehmen wir nun eine zweite Stellung des Bulbus, f\u00fcr die wir die Werthe von x, y, z, a, & beziehlich mit xg, y0, z0, ag, &a bezeichnen, so ist f\u00fcr die Hal-hirungsebene des Winkels ,\u2018>Q, welchen die Ebenen x0 = 0 und \u00a7 = 0 mit einander machen, ebenfalls\n\u00e60 = \u2014 \u00a7> y0 \u2014 V, e0 = ?\u2022\nWenn also der Punkt \u00ffv\u00c7 gleichzeitig beiden Halbirungsebenen angeh\u00f6rt, das heisst in deren Schnittlinie liegt, so ist f\u00fcr ihn\nx ~ x0, y = y0, z = z0.\nDie Punkte der genannten Schnittlinie haben also dieselbe Lage im Raume bei der ersten wie bei der zweiten Stellung des Auges, und daraus folgt, dass, wenn man das Auge aus der ersten in die zweite Stellung durch Drehung um eine constante Axe \u00fcberf\u00fchren will, die genannte Schnittlinie der Halbirungsebenen dabei als Axe zu benutzen ist. Die Lage dieser Axe ist gegeben durch die Gleichung 2 b) und die analoge Gleichung f\u00fcr die zweite Stellung\nx -+- | = 0 und cc0 -(- \u00a7 = 0.\nDer Winkel, durch den der Bulbus um die resultirende Drehungsaxe hierbei gedreht werden muss, um die erste Stellung in die zweite \u00fcberzuf\u00fchren, ist doppelt so gross, als der Winkel, unter dem sich die genannten beiden Halbirungsebenen x -)- | = 0 und a;0 -[- \u00a7 = 0 gegenseitig schneiden.\nDie hier gegebene Regel, nach welcher das Resultat zweier auf einander folgender Drehungen auf eine einzige Drehung reducirt wird, kann ganz unabh\u00e4ngig vom LiSTixo\u2019schen Gesetze auf jeden K\u00f6rper \u00fcbertragen werden, der sich um einen Punkt dreht. Wenn ein solcher K\u00f6rper nach einander um zwei verschiedene Axen gedreht wird, und man kennt die Lage beider Axen, die sie haben, w\u00e4hrend die Drehung um sie geschieht, oder, was dasselbe ist, die sie haben nach der ersten Drehung und vor der zweiten Drehung, so lege man durch beide Axen eine Ebene, welche A heissen mag und construire die Lage dieser Ebene, welche sie hat vor der ersten Drehung, A0, und diejenige, welche sie hat nach der zweiten Drehung, Ar Da die Dreliungsaxen die Schnittlinien von Ag und A, so wie von A1 und -A sind, so ist dies ohne Schwierigkeit auszuf\u00fchren, sobald man die Gr\u00f6sse der Drehungswinkel kennt, welches der Wickel A0A und A1A sind. Man construire die Halbirungsebenen beider Winkel; deren Schnittlinie ist die resultirende Drehungsaxe, der doppelte Werth des Winkels, unter dem sich die beiden Halbirungsebenen schneiden (gleichg\u00fcltig welchen von den beiden Winkeln man nimmt), ist der Drehungswinkel.\nWenn die Drehungen unendlich klein sind, so liegt die resultirende Drehungsaxe unendlich wenig von der Ebene entfernt, welche die beiden anderen Axen enth\u00e4lt, und f\u00e4llt im Grenzfalle mit der Diagonale des Parallelogramms zusammen, dessen zwei Seiten der Richtung nach mit den beiden Drehungsaxen Zusammenf\u00e4llen und eine der Gr\u00f6sse der Drehungswinkel proportionale L\u00e4nge haben.\nWir kehren zur\u00fcck zu den Folgerungen aus dem Listixc\u2019schen Gesetze f\u00fcr die Bewegungen des Bulbus. Da die Drehungsaxe, um welche das Auge zu drehen ist, um es aus der Stellung der Gleichungen 2b) \u00fcberzuf\u00fchren in irgend eine andere Stellung mit den Coordinaten cc0, ya, za, jedenfalls in der Ebene x $ \u2014 0 liegt, welches auch die zweite Stellung sei, so folgt, dass jedes Mal, wo man von einer bestimmten Anfangsstellung des Bulbus in beliebige andere Stellungen durch Drehung um feste Axen \u00fcbergehen will, diese Drehungsaxen alle in einer gewissen Ebene liegen m\u00fcssen, deren Lage nur von der Anfan'gsstellung abh\u00e4ngt, nicht von der zu er-","page":491},{"file":"p0492.txt","language":"de","ocr_de":"492\nDRITTER ABSCHNITT. DIU LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u25a0 27.\nreichenden Stellung, und dass ferner jede Drehung von beliebiger Gr\u00f6sse uni eine der in der genannten Ebene liegenden Axen das Auge aus der zugeh\u00f6rigen Anfangsstellung immer wieder in neue Stellungen \u00fcberf\u00fchrt, die dem Listing\u2019-schen Gesetze entsprechen.\nDie Prim\u00e4rstellung der Blieklinie ist also nur dadurch ausgezeichnet, dass die zugeh\u00f6rige Ebene der Drehungsaxen auf der Blicklinie senkrecht steht.\nDie Lage der Normale auf der Ebene der Drehungsaxen f\u00fcr irgend eine Lage der Blicklinie findet man also, wenn inan den Winkel zwischen der zeitigen Lage der Blicklinie und ihrer Prim\u00e4rstellung halbirt. Man kann diese Normale die zeitige atrope Linie f\u00fcr die betreffende Augenstellung nennen.\nBei jeder fortgesetzten Drehung um eine Axe, welche das Auge in Ueber-einstimmung mit dem LisuNG\u2019schen Gesetze ausf\u00fchrt, wird die zeitweilige atrope Linie der Anfangsstellung einen gr\u00f6ssten Kreis auf dem kugeligen Blickfelde beschreiben, weil sie senkrecht zur Drehungsaxe im Drehpunkte steht. Die Blicklinie aber, welche im Allgemeinen nicht senkrecht zur Drehungsaxe, wird keinen gr\u00f6ssten Kreis, sondern einen Parallelkreis zum gr\u00f6ssten Kreise der relativ atropeu Linie ihrer Anfangsstellung beschreiben.\nEs sei in Fig. i63 0 der Drehpunkt des Auges, AO die Prim\u00e4rstellung der\nBlicklinie, OB eine zweite Stellung derselben. Der Kreis A CBDF stelle den Durchschnitt des kugelig gedachten Blickfeldes vor. Der Winkel A OB werde halbirt durch GOC, so ist GOC die atrope Linie f\u00fcr die Stellung der Blicklinie in OB, und wenn OB ein Loth zu OC ist, so w\u00fcrde eine senkrecht zur Ebene der Zeichnung durch O D gelegte Ebene die Ebene der Drehungsaxen f\u00fcr OB sein. Nun ist leicht zu sehen, dass wenn wir A 0 bis F verl\u00e4ngern, die Winkel BOB und FOB gleich sind, da sie die Complemente der gleichen Winkel BOC und G OF sind. Daraus folgt weiter, dass wenn OE irgend eine andere Axe in der durch OB gelegten Ebene der Drehungaxen ist, auch die Winkel BOE und FOE gleich sein m\u00fcssen.\nWenn man also den Bulbus um die Axe OE ganz herumdrehen k\u00f6nnte, w\u00fcrde die Linie OBt auch in die'Lage OF kommen m\u00fcssen. Folglich m\u00fcssen auch die Kreise, welche die Blicklinie, ausgehend von der Stellung OB, bei der Drehung um eine feste Axe dem LiSTiNG\u2019sehen Gesetze gem\u00e4ss im kugeligen Blickfelde beschreibt, alle durch den Punkt F gehen. Die Lage des Punktes F ist aber ganz unabh\u00e4ngig von der Lage von OB, nur abh\u00e4ngig von der Prim\u00e4rstellung OA. Wir k\u00f6nnen ihn den Occipitalpuukt des Blickfeldes nennen. Daraus folgt:\nAlle Kreisb\u00f6gen, welche die Blicklinie bei der Drehung um eine feste Axe dem Listin g\u2019 sc heu Gesetze gem\u00e4ss im kugeligen Blickfelde beschreibt, gehen verl\u00e4ngert durch den Occipitalpunkt des Blickfeldes.\nUnd umgekehrt:\nWenn die Blicklinie dem LisuNG\u2019schen Gesetze entsprechend einen Kreisbogen im kugeligen Blickfeld e beschreibt, der durch den Occipitalpunkt des Blickfeldes geht, so dreht sie sich dabei um eine festbleibende Axe, die senkrecht zur Ebene des betreffenden Kreises ist.\nWir wollen diese Kreise des kugeligen Blickfeldes, welche durch den","page":492},{"file":"p0493.txt","language":"de","ocr_de":"DREHUNGEN NACH LISTING\u2019S GESETZ.\n493\n\u00a7.' 27.\nOccipitalpunkt gehen, Di rectio n skrei s e nennen. Ihre Wichtigkeit f\u00fcr die Orientirung wird sich noch in den n\u00e4chsten Abschnitten mehr zeigen. Die Directionskreise sind also gr\u00f6sste Kreise des Blickfeldes nur, wenn sie durch die Prim\u00e4rstellung der Blicklinie gehen, deren Ort im Blickfelde wir den Hauptblick-punkt nennen k\u00f6nnen.\nEs ergiebt sich ferner leicht, dass wenn ein linienf\u00f6rmiges Nachbild im Auge entwickelt ist, welches sich in das Blickfeld auf einen Directionskreis der betreffenden Stellung der Blicklinie projicirt, und das Auge in Richtung dieses Direetions-kreises bewegt wird, das Nachbild seine scheinbare Lage in diesem Directionskreise behalten und sich nur in Richtung seiner eigenen L\u00e4nge verschieben wird. Und wenn ein Nachbild entwickelt ist, welches durch den Blickpunkt senkrecht zu einem der betreffenden Directionskreise schneidet, es bei der Bewegung des Blicks in diesem Directionskreise senkrecht zu demselben bleiben wird.\nEndlich ist auch leicht einzusehen, dass das Nachbild congruiren wird mit der Richtung aller derjenigen Directionskreise, die im Occipitalpunkt die gleiche Tangente mit demjenigen haben, mit dem es zuerst congruirte.\nDie Gleichung der Directionskreise, welche durch eine bestimmte Stellung der Blicklinie hindurchgehen, z. B. durch die in deii Gleichungen 2b) gegebene, ergiebt sich leicht aus der Bedingung, dass sie durch eine Ebene, welche durch den-Occipitalpunkt geht, aus dem kugelf\u00f6rmigen . Blickfelde ausgeschnitten werden, dessen Mittelpunkt der Drehpunkt des Auges, der Anfangspunkt unserer Coordi-naten ist. Es sei also die Gleichung des' kugelf\u00f6rmig gedachten Blickfeldes\ncc2 -h y2 + s2 = R2 \\...............................3).\nDie allgemeine Gleichung einer Ebene ist\nax + by -f- cz \u2014 A.\t'\nDie Coordinaten des Occipitalpunktes sind\nx \u2014 \u2014 R , y = 0 , s = 0.\nDiese in die Gleichung der Ebene gesetzt, m\u00fcssen dieser gen\u00fcgen, also\n\u2014 aR = A.\nDadurch ist die unbekannte Gr\u00f6sse A bestimmt, und die Gleichung einer beliebigen Ebene, die durch den Occipitalpunkt geht, wird also\nax -f- by H- cz ==\u25a0 \u2014 aR jj............................3a).\nDie beiden Gleichungen 3) und 3 a) sind also die Gleichungen eines beliebigen Directionskreises.\nSchreiben wir diese beiden Gleichungen wie folgt:\nx2 [ 1 \u2014{\u2014\nX\nX\n2\n('\n- i -g-! -il\u2019\na x a x )\nund dividiren sie durch einander, so erhalten wir\nfl2\nr\nX2\n+\nX\na x\n+\n3 b).","page":493},{"file":"p0494.txt","language":"de","ocr_de":"494\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 27.\nDies ist die Gleichung eines Kegels, dessen Spitze im Anfangspunkt der Coor-dinaten liegt, und der durch den Directionskreis hindurchgeht. Das letztere ist der Fall, weil wir die Gleichung 3b) aus den Gleichungen 3) und 3a) abgeleitet haben, in denen x, y, z die Coordinate!) eines beliebigen Punktes des Directions-kreises bezeichnen, und ein Kegel ist die in 3b) gegebene Fl\u00e4che, weil die Gleichung 3b), wenn sie erf\u00fcllt wird durch die Coordinate)! eines Punktes x,y,s, auch erf\u00fcllt wird durch die Coordinaten aller derjenigen Punkte, f\u00fcr welche die V\t\u00a3\nVerh\u00e4ltnisse \u2014 und \u2014 dieselben Werthe haben.\nx\tx\nWenn aber \u2014 = C\u201e und \u2014 \u2014 C, gesetzt werden, so sind dies die x\t\u201c\tx\t1\nGleichungen einer geraden Linie, die durch den Mittelpunkt der Coordinaten geht. Da also alle Punkte einer geraden Linie, die durch den Mittelpunkt der Coordinaten und durch einen Punkt der Fl\u00e4che 3 b) geht, ganz in dieser Fl\u00e4che liegt, so ist diese Fl\u00e4che eine Kegelfl\u00e4che.\nDie geraden Linien, die in der Oberfl\u00e4che dieses Kegels zu ziehen sind, sind die Richtungen, welche die Blicklinie annimmt, wenn sie den betreffenden Directionskreis durchl\u00e4uft.\nWenn-ein linienf\u00f6rmiges Nachbild in Richtung eines Directionskreises entworfen wird, so bleibt, wie wir hervorgehoben haben, das Nachbild in dem Directionskreise liegen, wenn das Auge dessen einzelne Punkte durchl\u00e4uft. Oben haben wir die Nachbilder auf eine Ebene projieirt, die senkrecht zur Prim\u00e4rstellung des Auges war, deren Gleichung also ist\nx = C.\nSetzen wir in 3b) das x constant, so wird 3b) die Gleichung einer Hyperbel, welche die Projection des Directionskreises auf die genannte Ebene ist. Sie ist\n0 = (62 \u2014 a2) if -b (c2 \u2014 a2) s2 -b %'bcyz -b 2abxy -b 2acxzjj. . . 3c).\nDi dieser allgemeinen Form giebt die Gleichung alle Hyperbeln, l\u00e4ngs welcher irgend wie gerichtete linienf\u00f6rmige Nachbilder verschoben werden k\u00f6nnen.\nBeschr\u00e4nken wir uns dagegen auf solche, welche urspr\u00fcnglich einer bestimmten Richtung parallel waren, zum Beispiel der ;Axe, so ist in der Gleichung des Directionskreises 3 a) die Constante c = 0 zu setzen, und setzen wir ferner\na = \u2014 sin \u2014-\tb \u2014 -b cos \u2014-\n9\t9\nso wird die Gleichung 3 c)\n0 = y2 cos u \u2014 s2 sin2 ------------xy sin u\noder\ncos \u00ab I\u00bb/ \u2014 \u2014 x tg a 1 \u2014 z2 sin* \u2014 = \u2014 x cos \u00ab tg \u00ab.\nSetzt man\n\u2014 x tang a = f\nund","page":494},{"file":"p0495.txt","language":"de","ocr_de":"DREHUNGEN NACH LISTING\u2019S GESETZ.\n495\nx\nso wird die Gleichung der Hyperbel\nEs ist also f die reelle Axe, g die imagin\u00e4re, und der Mittelpunkt der Hyperbel um die L\u00e4nge der reellen Axe von der Linie z =. 0 entfernt. Der eine Scheitel aller dieser Hyperbeln liegt in der \u00bbAxe, im Punkte z \u2014 O, y\u20140, aber diejenigen Zweige der Hyperbeln, welche durch diesen Punkt gehen, sind keine optischen Projectionen des betreffenden Dircctionskreises. Sie sind vielmehr nur geometrische Projectionen der hinteren nicht sichtbaren H\u00e4lfte des. Directions-kreises. Hyperbeln\tdieser Art sind oben construirt in\tFig. !3i.\nEs bleibt noch\t\u00fcbrig, die Drehung zu bestimmen,\twelche nach\tdem Listing\u2019-\nsehen Gesetze das\tAuge in ^Beziehung auf die Visirebene erleidet. Es\tsei die\nEbene v = 0 der\tNetzhauthorizont des Auges, und\ty = 0 also\tseine\tPrim\u00e4r-\nstellung, und gleichzeitig die Prim\u00e4rstellung der Visirebene. Die yAxe ist dann die Linie , welche die Drehpunkte beider Augen verbindet. Die Visirebene muss also immer durch die y Axe gehen. Die allgemeine Gleichung solcher Ebenen ist\nax + bz\nF\u00fcr die Blicklinie ist t= u = 0, also nach 2 b)\nx = \u00a3 cos \u00ab , y = | sin a cos & , z \u2014 \u2014 \u00a7 sin a sin d- .\nund da die Blicklinie in der Visirebene liegen muss, folgt, dass diese Werthe von x und c der allgemeinen Gleichung der Visirebene gen\u00fcgen m\u00fcssen, also\na\u00a7 cos u \u2014 b \u00a7 sin \u00absin & = 0. Dem gen\u00fcgen wir, wenn wir setzen\na \u2014 sin u sin , b \u2014 cos \u00ab. Die Gleichung der Visirebene wird also\nx sin a sin & z cos a \u2014 0\noder wenn wir die Werthe aus 2 b) einsetzen\n0 \u2014 v cos & sin & ( I \u2014 cos a) \u2014 \u00e7 (sin 25 -f- cos \u00ab cos 25) ^. . . 4). Wenn die Gleichungen zweier Ebenen sind\nax -+- by -1- cs -+- d\n0\nv. x \u2014f- \u00df y \u20141\u2014 y z -f- \u00f4 \u2014 0,\nso ist der Winkel k, den sie mit einander machen, bekanntlich\ncos k\na h -J- b\u00df -f- cy\nVa2 + b% + C2 1/V h- (f +\n.2","page":495},{"file":"p0496.txt","language":"de","ocr_de":"496\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\nS. 27.\nDaraus folgt, dass der Winkel, den die Visirebene der Gleichung Netzhauthorizont macht, dessen Gleichung ist\n0 = v \\ .\ngegeben wird durch die Gleichung\noder\n. cos 9 sin 9 ( 1 \u2014 cos a ) cos k = \u2014\t\u25a0\u25a0\t\u25a0\u25a0\nVsin29 -t- cos 2a cos 29\ncotang k =\ncos 9 sin 9 ( / \u2014 cos a) i sin 29 -y cos \u00ab cos 29 j\n4) mit dem\n4 a)\n4b).\nDer Winkel k, welcher zwischen der zeitigen Lage des Netzhauthorizonts und der Visirebene liegt, ist hierdurch gegeben.\nDer Winkel k' zwischen der Ebene des urspr\u00fcnglich senkrechten Meridians \u00c7 = 0 und einer durch die senkrechte zAxe und die Blicklinie gelegten Ebene\nx sin \u00ab cos 9 \u2014 y cos \u00ab = 0\nwird in \u00e4hnlicher Weise gefunden\n, , cos 9 sin 9 (1 \u2014 cos \u00ab ) 1\ntg/\u00a3j =\t\u2022\t\u2014\u2014 -\t1\ny cos 29 -y sin 29 cos \u00ab I\n4 c).\nNun sind h\u00e4ufig nicht die Winkel a und 9 zur Abmessung der Stellung der Blicklinie gebraucht worden, sondern entweder der Erhebu ngsWinkel /. und Seitenwendungswinkel /.i, wie sie oben deflnirt wurden, oder die Winkel, welche_FiCK die Longiludo und Latitudo genannt hat, die mit l und m bezeichnet W'erden m\u00f6gen. Diese sind noch in die Formeln 4b) und 4c) einzuf\u00fchren, um sie zur Berechnung so ausgef\u00fchrter Versuche geschickt zu machen.\nDer Er heb ungs Winkel 1 ist der Winkel zwischen der Visirebene\nx sin \u00ab sin 9 -y z cos a = 0\nund der Ebene x = 0, seine Tangente ist hiernach\ntang X \u2014 ~ \u2014 \u2014 tang a sin 9.\nDer Seitenwendungswinkel ist gleich dem Winkel zwischen der Aequa-torialebene des Auges 'S == 0 und der Ebene, welche durch die y Axe senkrecht zur Visirebene geht\nx cos u \u2014 z sin a sin 9 = 0\noder nach Substitution der Werthe aus 2 b)\n0 \u2014 'S [cos 2a -y sin 2a sin 23-] \u2014 v sin u cos 9 [sin 29 -f- cos \u00ab cos 29 \\\n4- l sin \u00ab sin 9 cos 29 [cos a \u2014 1],\nworaus nach denselben Regeln wie oben folgt, dass der Winkel /.i zwischen dieser Ebene und der Ebene g = 0, sei\ncos [i\nVcos 2a -y sin2a sin 29.","page":496},{"file":"p0497.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nTHEORETISCHE BEGR\u00dcNDUNG DES DREHUNGSGESETZES.\n497\nZur Bestimmung von \u00ab und 3 hat man also die beiden Gleichungen tang X = \u2014 tang \u00ab sin 3 cos 2fi = cos 2ce -f- sin 2a sin 23,\nworaus folgt\noder\nsin 3\ncos \u00ab\n= COS fl cos X cos fi sin X V / \u2014 cos 2fi cos 2 A\ntang 3 = sin X cotang ft.\nWenn wir diese Wertfee in 4b) und 4c) setzen, erhalten wir\ntang k = \u2014\nsin fi sin X cos fl -f- cos X\ntang y = - tanS (y) \u2022 tang\nsin fi cos fi sin X (1 \u2014 cos fi cos X)\ntang k' = ---------.\u2014 ------------------------_\nsin fi -f- cos 2fi sin 2X cos A\nNach einer \u00e4hnlichen Methode findet man\nsin m cos m sin l (7 \u2014 cos m cos l)\ntang k\ntang k' =\nsin 2m cos 3m sin 2l cos l sin m sin l\ncos m\n\u25a0 cos l\n4 d)\n4e).\nWann die hier gebrauchten Winkel positiv, wann negativ zu nehmen sind, ist oben festgesetzt worden.\nWenn man statt der Winkel k, fi, X und k', in, l ihre H\u00e4lften in die Gleichungen 4d) und 4e) einf\u00fchrt, bekommen diese die zur logarithmischen Rechnung bequemere\n*\"ns (4) = - (t) \u25a0 (4) j\n'\u25a0\u25a0'(\u2018i =\t(?) \u25a0 >\u00bb\"\u00ab [-, i\nAbleitung des Drehungsgesetzes aus dem Principe der leichtesten Orientirung. Wir haben zun\u00e4chst die Unterschiede der Raddrehung zu berechnen, welche dadurch entstehen, dass die Drehungen um andere Drehungsaxen ausgef\u00fchrt werden, als um solche, die zur atropen Linie senkrecht sind. Es sei in Fig. 7 (SA ab die Gesichtslinie, ad die Drehungsaxe, um welche das Auge gedreht wird, wobei die Gesichtslinie ab den unendlich kleinen Bogen d s senkrecht zur Ebene der Zeichnung zur\u00fccklegen m\u00f6ge, so kann die Drehung um ad, deren Winkelgr\u00f6sse wir mit J bezeichnen wollen, angesehen werden als resultirend aus einer Drehung\nKncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\nFig. 164.\n32 .","page":497},{"file":"p0498.txt","language":"de","ocr_de":"498\nDRITTER ABSCHNITT. DIR LEHRE VON DEN GKS1CHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 27.\num die zu ab senkrechte Axe ac, und einer Drehung um ab selbst. Die Gr\u00f6sse der letzteren wird sein m\u00fcssen gleich z/ cos Aj, wenn wir den Winkel dab, wie in der Figur geschehen ist, mit l, bezeichnen. Nun ist aber die Gr\u00f6sse von z/ dadurch bestimmt, dass ab sich um den Bogen ds fortbewegen soll. F\u00fcr die Bewegung des Punktes b ist hierbei das von b auf die Drehungsaxe gef\u00e4llte Loth b f der Radius Vector, also\nab \u2022 ds \u2014 fb \u25a0 J\noder\nds \u2014 z/sinAj.\nDie Raddrehung um die Linie ab wird also bei dieser Bewegung gleich\nds cotang A'.\nDenken wir uns nun durch ab Ebenen gelegt nach verschiedenen Richtungen hin, so kann das Element ds in jede dieser Ebenen verlegt werden, und die zugeh\u00f6rigen Drehungsaxen m\u00fcssen, wenn die Bewegungen des Auges von ab aus continuirlich ineinander \u00fcbergehen sollen, in einer Ebene lieget]. Eine der durch ab gelegten Ebenen muss senkrecht stehen auf der Ebene der Drehungsaxen, in welcher ad liegt. F\u00fcr diese Ebene nehme der Winkel A, den Werth A an, und es sei e der Winkel, welchen die durch das Bogenelement ds und die Gesichtslinie ab gelegte Ebene mit jener Ebene des Winkels A macht. Eine bekannte Formel der sph\u00e4rischen Trigonometrie ergiebt in der rechtwinkeligen dreikantigen Ecke, welche von der Ebene der Drehungsaxen und von den Ebenen der Winkel A und Aj gebildet wird,\ncotg A' = cotg A \u2022 cos \u00a3 und die Drehung um die Linie ab wird also\nds cotg A' = ds \u25a0 cotg A \u2022 cos t.\nWenn nun die Blicklinie ab in der gleichen Stellung den Winkel // mit der Ebene bildet, die zur atropen Linie normal ist, und * der Winkel zwischen den beiden durch ab gelegten Ebenen der Winkel u und A ist, so w\u00fcrde eine Rechnung \u00e4hnlicher Art, wie die eben gemachte, ergeben, dass die Drehung um die Gesichtslinie gleich sein m\u00fcsste\nds cotg (.i cos (f \u2014 z),\nwenn die Drehungen den Forderungen des Gesetzes der leichtesten Orientirung \u00fcberall folgen k\u00f6nnten, wonach die Drehungsaxen stets senkrecht zur atropen Linie bleiben w\u00fcrden.\nDas Quadrat des Unterschiedes p zwischen der geforderten und der wirklichen Drehung ist\np2 = d s2 ^cotg A cos f\u2014 cotg a cos 0 \u2014\nDie Forderung des Princips der leichtesten Orientirung geht also dahin, dass die Summe aller Werthe von p2 f\u00fcr alle unendlich kleinen Bewegungen der Blicklinie von der Ausdehnung ds, welche im Blickfelde m\u00f6glich sind, ein Minimum sei.\nNehmen wir zuerst die Summe aller Werthe von p2 f\u00fcr Verschiebungen ds, welche von ein und derselben Stellung der Blicklinie nach verschiedenen Richtungen hin, also mit verschiedenen Werthen des Winkels t ausgehen. Wir haben\nJ p2dt = ads'1 ^cotg 2A -f- cotg V \u2014 2 cotg A \u2022 cotg,\u00ab \u2022 cos *\n0\n. . . S).","page":498},{"file":"p0499.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nTHEORETISCHE BEGR\u00dcNDUNG DES DREHUNGSGESETZES.\n499\nDieser Ausdruck ist nun weiter zu sumrairen f\u00fcr alle verschiedenen Stellungen der Blicklinie im Blickfelde, welche gegeben sind durch die Winkel a und 9. Also es ist zu bilden das Integral\n2 TZ\t/-*2 K\nd9J daJdt \u25a0\nQ2 sin a \u25a0 = R\n5 a),\nworin aa die Werthe bezeichnet, welche der Grenze des Blickfeldes entsprechen.\nUm diese Integration auszuf\u00fchren, m\u00fcssen die Werthe von l und x gefunden werden, welche den einzelnen Werthen von \u00ab und 9 entsprechen. Zu diesem Ende differeuzire man die Gleichungen 1 c) nach a und 9, indem man den Winkel w als Function der beiden ersteren Winkel ansieht, und '\u00c7,v,'\u00c7 als Con-stanten. F\u00fcr die Punkte der Drehungsaxe muss\ndx = dy \u2014 dz = 0\nwerden. Dann bilde man hieraus die ebenfalls f\u00fcr die Punkte der Drehungsaxe geltenden Gleichungen:\na dx -f-\ta{\tdy\t-1-\tau dz\t\u2014\to\t)\nb dx 4-\tb/\tdy\t-1-\tb/: dz\t=\t0\tv\t\u2022 \u2022 \u2022 \u2022 \u25a0 \u2022\t6),\ncdx H-\tc,\tdy\t-1-\tc\u201e dz\t\u2014\t0\t)\nwo die Gr\u00f6ssen a,b, c u. s. w. die Coefflcienten der Gleichungen 1 c) bezeichnen a = cos a\na,\t= sin a cos 9\nan = \u2014 sin a sin 9\nb = \u2014 cos to sin a\nb,\t==\tcos a cos\t9 cos w \u2014\tsin\t9 sin\tw\nbtl\t\u2014\t\u2014 cos \u00ab\tsin 9- cos to\t\u2014\tcos 9\tsin w\nc = \u2014 sin to sin a\nc,\t=\tcos a cos\t9- sin w 4-\tsin\t9- cos\tw\ncn\t\u2014\t\u2014 cos \u00ab\tsin 9- sin w\t-f-\tcos 9-\tcos w.\nZwischen diesen Gr\u00f6ssen finden bekanntlich Systeme von Gleichungen folgender Art statt\n/ =\ta1 4- a2 4- al\ta b\t-(- av b,\t4-\tce;( bn\t\u2014\t0)\n1 \u2014\tb2 4- 62 -+- 6*\toc\tH- a,c,\t4-\tanclt\t\u2014\t0 >\t. . \u2022\tA)\ni =\tc!+c\u2019+c\u2019\tbc\t-h b,c,\t-(-\tbn cn\t\u2014\t0 )\n0 \u2014 a da 4-\ta, da, -+-\tau da,,\t\\\na db 4~ a, db,\t-+- a\u201e db\u201e\t= \u2014\t(bda\t-4-\tb, da,\t-4-\tb\u201eda\u201e)\tJ\n0 \u2014 b db 4-\tbldbl 4- b\u201e db,,\tf\na de -+- a, de,\t4- a\u201e dc\u201e\t\u2014 \u2014\t(cda\tH-\tc,da(\t4-\tc\u201eda\u201e)\tf\n0 \u2014 c de 4- c, de, c\u201e de\u201e\t1\nb de -f- b*dc, 4- b\u201e de\u201e = \u2014 (c db 4- c, db, 4- c\u201e db,,) )\n32*","page":499},{"file":"p0500.txt","language":"de","ocr_de":"500\tDRITTF.R ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 27.\nSetzt man nun in den Gleichungen 6) statt\tdx,\tdy,\tdz ihre Werthe\ndx\t=\t'\u00a3da -f-\tvdb\t\u2014f-\t\u00c7c?c\ndy\t=\t\u00c7da,\tvdbt\t-(-\tudc,\ndz\t=\t$dan-\\-\tvdb\u201e\t-4-\t\u00c7dc\u201e,\nso erh\u00e4lt man\n0\t=\tv (adb\taldbl\t-h alldbll)\tL\t(ade\t-h a^c, a^dc,,)\t)\n0\t\u2014\tg (bda\tbldal\t-f- b^da,,)\t-f-\t\u00c7\t(bdc\tH- 6,a!c, -+- blldcll)\t/\t--6a).\n0\t\u2014\tg (eda\t-h-\tc,da;\t-+- c\u201edan)\t-+\u2022\tv\t(cdb\t-+- c,db, -+- c\u201ed&\u201e)\t1\nDiese letzteren drei Gleichungen * 1 geben jede\tder Coordinaten der Drehungsaxe\ndurch jede andere ausgedr\u00fcckt.\nTL\nF\u00fcr eine zur Ebene der Drehungsaxen normale Linie sei \u2014----------l der Winkel,\n\u00ab\nden sie mit der gAxe (Blicklinie) bildet, und z der Winkel, den die Ebene des Winkels X mit der Ebene der ve macht, entsprechend der Bezeichnung in Gleichung 5) und unter der Annahme, dass die Ebene der eg durch die atrope Linie gelegt sei, dann ist f\u00fcr die Ebene der Drehungsaxen-\ng sin \u00c0 -|-\tv cas X\tcos y. -j- \u00c7 sin X sin y. \u2014 0\noder wenn\tman\tdie\tWerthe\tvon v\tund \u00c7 aus den beiden letzten Gleichungen 6 a)\nnimmt und mit\n(bdc -f- b,dc, -I- b,,dcll) \u2014 \u2014(cdb + c,dbl = c;;d6\u201e) multiplicirt, so erh\u00e4lt man\n0\t= sin X\t(bdc-\\-\tb,dc, -+-\tblldcll)\t\u2014 cos X cos z (eda -+- c,^a, ~f-\tcudall)\t) \u00df\n-+- cos X sin * (bda -1- &,cfa, -f-\t)\nDiese Gleichung zerf\u00e4llt nun in zwei, wenn du und dt\u00ef unabh\u00e4ngig von einander sind, da jedes der Differentiale die Form hat\n,\tda ,\t, da ,r\nda = --r-du -1\u2014\u2014 dtt.\nd a\td&\nWerden also die Differentiale in 6b) ausgef\u00fchrt, und erst nach u genommen, und dann nach &, so erh\u00e4lt man folgende zwei Gleichungen:\n1 Es ist leicht zu sehen bei Ber\u00fccksichtigung der Gleichungen B), dass die dritte dieser Gleichungen identisch aus den beiden ersten folgt. Wenn nun das tu der Gleichungen 1 c) eine continuirliche Function von a und & ist. also\ni\td,\tden\t,n\ndoj = -3\u2014 d rt -f- -T-fT-d\u00bb, da\tdu\nso werden die Differentiale da, db, de etc. alle von der Form\n,\tda\tda\t,a\nda \u2014 -3\u2014\tda -h -j^r-\td%.\nda\td&\nEliminirt man nun aus zweien der Gleichungen 6 a) das Yerh\u00e4ltniss so beh\u00e4lt man eine durch \u00c7 theilbare,\nd <j\nund nach der Division in Bezug auf u, \u00c7 lineare Gleichung zur\u00fcck, die Gleichung einer Ebene, in der alle Drehungsaxen f\u00fcr unendlich kleine Drehungen aus der gegebenen Stellung des Auges liegen m\u00fcssen. Darin liegt der Beweis des fr\u00fcher angef\u00fchrten Hilfsatzes, dass bei continuirlichen Bewegungen des Auges und unendlich kleinen Drehungen jeder Stellung eine Ebene der Drehungsaxen zukommt. *","page":500},{"file":"p0501.txt","language":"de","ocr_de":"THEORETISCHE BEGR\u00dcNDUNG DES DREHUNGSGESETZES.\n5M\n\u00a7\u2022 27.\n/i\t.\t. U- LU\nu \u2014 sm a ~z * \u2014 cos a cos x sin co -b cos X sin * cos co a \u00ab\nO = sin Z, -f- cos aj -f- cos A cos x sin a cos w -f- cos A sin x sin a sin m.\nDurch Elimination von cos x oder sin x erh\u00e4lt man aus den beiden letzten Gleichungen :\nsin A sin a sin to\nsin A\nin A ^ (sin u\nde i\ncos tu\nd \u00ab\nd m\n~i---h\nd a\ncos W\nsin w\ndco\ndd\nd to\nId +\ncos w cos aj =. cos A cos * sin u - cos l sin * sin \u00ab.\nsm co cos a\n) =\nDividiren wir beide Gleichungen durch sin A sin a, so giebt die erstere den Werth von cotgA cos x, den wir zur Substitution in 5) brauchen, und beide quadrirt und addirt, geben:\ni d ro'j\tIs 1\t1 \\\t(dm\tV\n\\d u)\t\u2019\tsin 2a I\t[dd + C0Sa)\nund wir erhalten endlich den Werth von dem Integral R, welches ein Minimum werden soll\n->2 Tt\ny->2 it\t/-><xc\t2\ndd-Jdu jsin a\n\n/\tid to\tV n , I\tr.\t. dco\ttdio\t\\~|\nsin \u00ab\t\\dd\t-4- cos \u00abI \u2014 2 cotg f.t -I- cotg ltt sin a j\tsm a sm co -,\t L\tda\t- cos 10 ly-^ -+- COS a j 1\n>6c).\nVer\u00e4nderlich ist in diesem Ausdrucke io und /.i. Damit R ein Minimum werde, sind die Variationen nach beiden Gr\u00f6ssen gleich Null zu setzen. Also\n/\"\u00bb2 TT\n0\nJd\\\n0 0\n/ t\n> / d a si\nsin a\nd to d d to du da\ndi\n1\nsin a\nd to\t\\dSto\n+ cos \u201cJ ~c\u00f6F\n(dco\n-- cotg. i.i J^sin a cos w yy + sin w 4- cos \u00abj j\nsm \u00ab sinw-\ndSt\ncos 10 \u25a0\ndSt\nund\nG^]S,\ny>2 it\t/^ct0\nd& J sin a da 0\t0\ny->2 it\t_\ndd J d u I sin a 0\t0 L\nsin co\ndot\ncos co\n\u00eb+cH]\n6 d)\nAus der Gleichung 6 d) kann man durch partielle Integration die Gr\u00f6ssen\nund\nd\u00f6t\ndd\n6 e).\nd\u00f4 w da\nentfernen, und erh\u00e4lt dann zwei Integrale, eines nach dem Umfange des","page":501},{"file":"p0502.txt","language":"de","ocr_de":"502\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 27.\nBlickfeldes, eines \u00fcber seine Fl\u00e4che ausgedehnt, die nur noch \u00e4ro als Factor unter dem Integrationszeichen enthalten. Ehe man dies aber ausf\u00fchrt, ist danach zu sehen, dass die zu integrirende Function nicht mehrdeutig oder discontinuirlich werde im Innern des Blickfeldes. Nun ist schon oben bemerkt worden, dass f\u00fcr sehr kleine Werthe von \u00ab rings um die Anfangsstellung des Auges die Gr\u00f6sse w -+- 9 gleich Null sein muss. Nun w\u00e4chst aber 9 von o bis 2 n, wenn man die Blicklinie einmal um die Anfangsstellung einen unendlich kleinen Kreis beschreiben l\u00e4sst, also muss dabei w von o bis \u2014 \u201d2 n sich ver\u00e4ndern . und in der N\u00e4he der Anfangsstellung discontinuirlich sein. Es ist deshalb besser eine andere Variable\n>; = co -4- 9\neinzuf\u00fchren, welche \u00fcberall im Blickfelde continuirlich sein kann. Dann ist\ndoi d i!\nund\nA or\nd w d 9\n-- Jr\ndu- 1\nWenn wir nach dieser Substitution die partielle Integration der Gleichung\ncld> ddr\n6d) ausf\u00fchren, um \u2014;\u2014 und \u2014\u2014- wegzuschaffen, so haben wir nachher den Prin-;\tdu\td9 \u00b0\ncipien der Variationsrechnung gem\u00e4ss in beiden Integralen, dem nach dem Umfange sowohl, wie in dem nach der Fl\u00e4che, die Faetoren gleich Null zu setzen, welche mit d / multiplicirt sind, und erhalten\n1) f\u00fcr den Umfang, indem wir ihn in Richtung der wachsenden & durchlaufen denken :\n0\ndrt\nsin \u00ab -r- d \u00e0\nci \u00ab\n(d \u00ee,\n\\ d9\nI\nCOS (\u2022\ncote\ntg it | sin h \u25a0 sin ( i, \u2014 9 ) d 9 2) f\u00fcr die Fl\u00e4che des Blickfeldes\nd_ d \u00ab\nI . d IA sin a \u2014-V daJ\n/ sin !-.\ncos (rj \u2014 9) du\nI\td-1, )\nsin \u00ab d\n7 a).\nwozu endlich noch kommt die Gleichung Ge), welche ebenfalls eine einmalige Integration zul\u00e4sst\n/i2-\tI\ncotg u /(/ \u2014 cos u) d.9 = J [\u2014 sin u cos (c \u2014 9) c19 -+- sin (/;\u2014-9) du]' / \u201db)> '-o\t'\nwelche beide Integrale \u00fcber den ganzen Umfang zu nehmen sind. Das Integral links, welches mit cotg,\u00ab multiplicirt ist, ist bekanntlich der Fl\u00e4cheninhalt des Blickfeldes. Um diese Gleichungen zu vereinfachen, f\u00fchren wir statt \u00ab eine andere Variable ein, n\u00e4mlich\nu.\n\u25a01 \u2014 log. nat. tang ,\nso (lass wird","page":502},{"file":"p0503.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7.27.\nTHEORETISCHE BEGR\u00dcNDUNG DES DREHUNGSGESETZES.\n503\ntan\nd\u00df\na\nS Y\ndu\n2e\u00df\nI + e2\u00df / \u2014 e2\u00df\nsin u\nCOS a\nsin u\t1\t-j-\te2 P\nund wenn tp eine beliebige Function von a ist,\tso ist\ndtp ______ dw\nd\u00df\tdu\nSubstituirt man diese Werthe in 7 a), so erh\u00e4lt man folgende Gleichung Fiir das Innere des Feldes\nd2 /,\td- x]\ndl? + dY\nsin u.\n= 0\n7 c),\ndann aus 7) f\u00fcr den Umfang\n0 = \u2014 d\u00df -d\u00df\n(dr,\nl dl\nund endlich aus 7 b)\n2e^\nCOtg i-l\n1 -+- e2f\nd\u00df =\n\u00df\nCOtg fl\n^sin (V\u2014 5-) d\u00df \u2014 cos (j;\u2014 9) d&j |.. 7e).\n**\\)d\u00df '\n|^sin (iy \u2014 9)\n1 e\n2eV\nd9\n1 -h e2P\n-+- cos ( iy\u20149 ) d\u00df\n7 d)\nEs ist bekannt, dass alle reellen Integrale der Gleichung 7c) dargestellt werden k\u00f6nnen als der reelle Theil irgend einer beliebigen Function tp von der complexen Gr\u00f6sse \u00df -+- 9 i. Wenn gesetzt wird\ntp = ff ~\\r yj\\ \u25a0 .................................8)>\nWO cp und X reell sind, so kann sowohl cp als / Integral der Gleichung 7c) sein.\nSoll cp ein f\u00fcr unsere Zwecke passendes Integral sein, so muss es erstens innerhalb des Blickfeldes \u00fcberall endlich und eindeutig sein, auch f\u00fcr a=0 oder \u00df \u2014 \u2014 oo. Zweitens muss es auch noch l\u00e4ngs des Randes des Blickfeldes den Gleichungen 7d) und 7 e) gen\u00fcgen.\nAus der Gleichung 8) folgt, wenn wir das Differential von tp nach der complexen Variablen \u00df -+- \u00dfi mit tp1 bezeichnen\ndtp __ , _ dcp\t.dx\nd\u00df \u2014 ^ ~ d\u00df\td\u00df\ndcp\nd\u00df\n; d'/.\nd\u00df\u2019\nalso wenn man tp1 eliminirt,\ndx dtp .d x d\u00df d\u00df 1 d\u00df\noder","page":503},{"file":"p0504.txt","language":"de","ocr_de":"504\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 27.\nd x\tdcp\nJ\u00df + dd\nd x\tdq>\nd9-\td \u00df\nSetzt man ferner\nY == Y0 + a'Y, = eX - <pi h-\u00df + so ist auch diese Gr\u00f6sse eine Function von \u00df di, und folglich\nund\nd d dj_ d\u00df\ndYx d\u00df d Y, dd\n0\n0\nY0 \u2014 e*ep cos (<p\u2014 d)\nYj = \u2014 e* e\u00df sin (cp\u2014d)\n8 a).\n8b)\n8 c).\nWenn wir nun in Gleichung 7d) die Gr\u00f6sse cp f\u00fcr ?y substituiren, und die Gleichung multipliciren mit dem Factor\ne\u201d = ei (1 -f- e2P),\nwobei wir setzen\na = x -+- log. nat. (1\te2f>),\nso erhalten wir mit Ber\u00fccksichtigung der Gleichungen 8 a) und 8 e)\n0 \u2014 e<,^dd -f- e\u00b0 ~ d\u00df -f- 2 cotg pi\t\u2014 Y0d/?J ....\t8d).\nDiese Gleichung ist ein vollst\u00e4ndiges Differential, da nach 8b)\ndh - \u00b1 (~Y)\nd\u00df ~ dd { T\nIn der That, wenn wir die Function Y nach der complexen Variablen \u00df-Ydi integriren, und das Integral ist.\nso haben wir oder\nalso\n\u00a9 = G)0 + id\\,\n\t\u00a9'\t= Y\nd\u00ae0 , d\u00df\t. d(D, l~dJ\t= Yo + i*t\nd\u00ae\u201e dd\t.dO. 1 dd\t1 li\nY\u00bb =\td\u00ae o d\u00df\td\u00aei dd\n\\ =\td<Di T\u00df\td\u00ae0 dd","page":504},{"file":"p0505.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nTHEORETISCHE BEGR\u00dcNDUNG DES DREHUNGSGESETZES.\n505\nDie Gleichung 8d) integrirt, giebt also f\u00fcr den Umfang des Feldes\nC = e\u00b0 \u25a0\u2014 2 cotg (.i \u2022 <Da \\.....................-8 e)\noder\no = x -+- log. nat. (1 4- e2p) = log. nat. [C4-2 cotg fi \u25a0 CDJ . 8f).\nDie Constanten C und ,\u00ab m\u00fcssen aber auch schliesslich der Gleichung 7 e) gen\u00fcgen, wenn fi derjenige \"Winkel sein soll, welcher den Forderungen des Princips der leichtesten Orientirung am besten entspricht.\nNun l\u00e4sst sich zeigen, dass der Werth cotg /.i \u2014 0 der Gleichung 8 f) und 7e) zugleich entspricht. Denn es ist das \u00fcber den ganzen Umfang des Feldes genommene Integral\n+ Y,d\u00df = /\"\u25a0 \u00ab + d$d\u00df = 0,\nwenn, wie aus der \u00fcber <p gemachten Annahme folgt, auch (Dl \u00fcberall endlich und eindeutig ist, weil dies Integral gleich der Differenz der Werthe von ist, die diese Gr\u00f6sse in demselben Punkte der Peripherie vor Und nach einem Umlauf um deren ganze L\u00e4nge annimmt. Setzen wir statt der Gr\u00f6ssen Yn und Y ihre Werthe aus 8 c), so haben wir\n0 = fr+ e2\u00df [cos ^^d^ \u2014 sin ^ ~ ^ d^\\\nWenn nun cotg pi \u2014 0 gesetzt wird, so folgt aus 8f), dass die Gr\u00f6sse a l\u00e4ngs des ganzen Umfanges constant wird, und daher der Factor ea vor das Integrationszeichen gesetzt werden kann, und dass wir unter der Voraussetzung cotgpi = 0 haben\n0 \u2014 Si 4- e2P [C0S ^ d&~ S\u2018n ^ d^]>\nworaus folgt, dass die Gleichung 7 e) unter der gemachten Annahme erf\u00fcllt ist.\nDie Frage, ob noch andere Werthe als der cotg /.i = 0 den Bedingungen der Aufgabe gen\u00fcgen w\u00fcrden, l\u00e4sst sich, so viel ich sehe, noch nicht f\u00fcr eine jede beliebig gegebene Form des Blickfeldes l\u00f6sen. -Da aber das wirkliche Blickfeld der Kreisform ziemlich nahe kommt, so wird es hier gen\u00fcgen, wenn ich noch den Beweis f\u00fchre, dass f\u00fcr die Kreisform kein anderer reeller Werth existirt, als fi = 0.\nDas Drehungsgesetz f\u00fcr ein kreisf\u00f6rmiges Blickfeld. Da die zu suchende Function 1; der reelle Theil einer beliebigen Function von /?-+-54 sein soll, welche f\u00fcr keinen Punkt des Blickfeldes unendlich oder mehrdeutig wird, auch nicht f\u00fcr \u00df \u2014 \u2014 oo, so wird sie im Allgemeinen von der Form sein m\u00fcssen\nTj = A0 4- AxeV cos (5 4- cj 4- ri2e2p cos (25 4- c2)\n4~ cos (55 4- c3) -f- etc.\nwo die Gr\u00f6ssen A und c beliebige willk\u00fchrliche Constanten bezeichnen. Das zugeh\u00f6rige / w>rd dann sein\n/ \u2014 sin (5 4-Cj) 4- .4,e2p sin (25 4-c2) i\n4- ^3e3fi sin (55 4-e3) 4- etc. |\t\u2022 a","page":505},{"file":"p0506.txt","language":"de","ocr_de":"506\nDRITTER ABSCHNITT. DIE EEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 27.\nund wenn cotg fi = 0 ist, so wird die Gleichung der Umfangslinie:\nQ\nX = log- nat j + -e\u00abg..........................9b)-\nDie in allen diesen Gleichungen vorkommende Gr\u00f6sse ef* ist gleich tang \u2014\u2022\nKann man also die Gleichung zwischen a und &, welche die Linie des Umfangs h\u00e9stimmt, in die Form 9b) bringen, so ist dadurch die Aufgabe gel\u00f6st, indem man von y aus immer leicht den Winkel ij finden kann, der die Abweichung vom LiSTiNG\u2019schen Gesetze misst.\nWir wollen jetzt untersuchen, welche Gestalt das Feld annimmt unter der Annahme, dass i] constant sei, oder da die absolute Gr\u00f6sse des ihm beigelegten Werthes ganz gleichg\u00fcltig ist, wenn\nr, = 0 \\................................10).\nDagegen wollen wir den Werth von cotg ft unbestimmt lassen.\nAus der Annahme 10) folgt, dass auch y; = 0 sei, und die Gr\u00f6ssen F der Gleichungen 8 c) werden\nY0 \u2014 e\u00df cos 9 Y, \u2014. sin 9\nY0 \\\\i = eP+9i = <D0 + Q\\i.\nDie Gleichung des Umfangs 8f) wird also\nf -+- e213 \u2014 C + 2 cos 9 \u25a0 cotg ft.\nSetzen wir statt e\u00df seinen Werth tang\na\nso l\u00e4sst sich diese Gleichung schreiben\ntang *4- (/\u2014C) cotg = 2 cos 9 \u2022 cotg ft \\ .\t.\t10 a).\nZ\tZ\nn\nFig. 165.\nDies ist die Gleichung eines Kreises. Denn in nebenstehendem sph\u00e4rischen Dreiecke der Fig. I6\u00e4 ist nach einer bekannten Formel\ncos q \u2014 cos a cos y sin a sin y \u2022 cos 9\na\noder wenn wir darin sin a und cos a durch tang \u2014 ausdr\u00fccken :\ncos q ^1 4- tang = cos y \u2014 tang + 2 tang ~ \u2022 sin y cos 9 (cos p -+- cos y ) tang -+- (cos \u00e7 \u2014 cos y) cotg \u2014 2 siny cos# j ..10b).\noder\nSetzen wir also\nCOS g \u2014 cos ;\ncos g -+- cos \u2022\n= / \u2014 C und\nsin \u25a0\ncosq cosj'\ncotg ft . . . 10c),\nso ist die Gleichung lob) mit 10a) identisch, und aus den beiden letzten Gleichungen","page":506},{"file":"p0507.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nTHEORETISCHE BEGR\u00dcNDUNG DES DREHUNGSGESETZES.\n507\nergiebt sich ein constanter Werth f\u00fcr p, welches den Bogenabstand l\u00e4ngs der Kugelfl\u00e4che f\u00fcr den Punkt B am Umfange des Blickfeldes von dem Punkte A bezeichnet. Der Umfang des Blickfeldes ist also, wenn rt = 0, ein Kreis, dessen B\u00f6genradius p und dessen Mittelpunkt A ist.\nDie zweite Gleichung des Umfangs k\u00f6nnen wir in der Form 7 b) benutzen. Das eben dort links stehende Ditegral ist, wie schon oben bemerkt wurde, und wie seine Form in 6 \u00e7) am leichtesten erkennen l\u00e4sst, der Fl\u00e4cheninhalt des Blickfeldes, der jetzt durch o auszudr\u00fccken ist, so dass wir haben\n2n cotg /X \u25a0 (7 \u2014- cos o) = -\u2014Jsin \u00ab cos 3 d3 -f- sin 3 da j\nlOd).\nWenn wir nun f\u00fcr das sph\u00e4rische Dreieck der Fig. I6S die bekannten Formeln der sph\u00e4rischen Trigonometrie\ncos a \u2014 cos y cos p \u2014 sin y sin p cos e sin 3- sin \u00ab = sin p sin e\nanwenden, und beide nach u und 3 differentiiren, wobei p als constant f\u00fcr den Umfang des Blickfeldes anzusehen ist; so haben wir l\u00e4ngs dieses Umfanges\noder\ncos 3 sin \u00ab d 3 -+- sin 3 cos a da = sin p cos t de sin ad a \u2014 \u2014 sin y sin p sin tde\nsin 3 d \u00ab\nsin y sin 2p sin de sin 2a\nDiese Werthe, in das Integral der Gleichung iOd) gesetzt, ergeben:\n%7l cotg u {'I \u2014 COS p)\n\nsin p cos t + cos y cos p sm p cos e\nsm y sin p\no\tf + cos p cos y \u2022\u2014 sin y sin p cos t\nSetzen wir hierin zur Abk\u00fcrzung\nI -+- cos y cos p = a sin y sin p \u2014 b\ne\nde.\ntang -\nx,\nso k\u00f6nnen wir das Integral auf die Form bringen\nsin p\n2 n cotg fl ( 7 '\u2014 COS p )\n\u00ff-J-oc\na A- b\tdx\na sm p\ndx\nh ,\t, a -I- h 2\n1 -I----------I x\na \u2014 b\n1 + x2\nn sm p\n(a \u2014 \u0178a2 - \u00a5) .","page":507},{"file":"p0508.txt","language":"de","ocr_de":"508 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n- 2J.\nDr\u00fccken wir cotg f.t, a und b wieder durch y und p aus, so erhalten wir\noder\n2 sin y {1 \u2014 cos p) cos q -+- cos y\n1\nsin y\n( '/ + cos y cos p \u2014 cos y \u2014 cos p)\n2 sin2y (1 \u2014 cos p) = .(cos p -+- cosy) [/ + cos y cos p \u2014 cos y \u2014 cosp] ^..tOe), wof\u00fcr auch geschrieben werden kann:\n(1 \u2014 cosy) (7 \u2014 cos p) \\2 A- cos y \u2014 cos p^ = 0$..........................10f),\nworaus folgt, dass der einzige reelle Werth von cos y, der diese Gleichung zu Null macht, ist\nworaus folgt\ncosy = 1,\nsin y = 0 und cotg f.i = 0.\nDer zweite Werth von cosy, den die Gleichung 1 0f) giebt, w\u00fcrde kleiner als \u2014 / sein, n\u00e4mlich\ncos y \u2014 cos p \u2014 2\nund also einem imagin\u00e4ren Bogen entsprechen.\nDie vorliegende Rechnung 1 ist durchgef\u00fchrt worden unter der Voraussetzung, dass Bewegungen des Auges in allen Theilen des Blickfeldes und nach allen Richtungen gleich h\u00e4ufig Vorkommen, was der Wirklichkeit wohl nicht ganz entspricht, indem wir in der Regel die Blicklinie in den mittleren Theilen ihres Bewegungsfeldes zu halten pflegen. Die peripherischen Theile des Feldes werden deshalb im Allgemeinen weniger durchlaufen als die centralen, und werden deshalb auch einen geringeren Einfluss auf das Bewegungsgesetz haben m\u00fcssen als die centralen. Diesen Umstand in der Rechnung zu ber\u00fccksichtigen schien mir nutzlos, da wir seine Gr\u00f6sse doch nicht genau kennen, und da sich leicht \u00fcbersehen l\u00e4sst, welchen Einfluss er auf das Resultat haben wird. Aus der Gleichung 9), welche wir schreiben k\u00f6nnen\nV \u2014 A + A tan8' y cos (\t4- c, ) 4- A2 tang \u25a0 cos (2 \u00ff + cj -\nA tanS ~\u00e4T cos (3 \u00e0- -f- c3) etc. \u00c0\nund in der wir den Anfangspunkt der Coordinaten noch so ver\u00e4ndern k\u00f6nnen, dass\ndas mit der ersten Potenz von tang ~ behaftete Glied gleich Null wird, geht hervor,\ndass f\u00fcr kleine Werthe von \u00ab, nahehin constant ist, und dass nur nach der\nPeripherie des Feldes hin, wo die Werthe von tang A gr\u00f6sser werden, die Ab-\n2\nweichungen vom LisTiNG\u2019schen Gesetze merklich werden k\u00f6nnen. Wenn nun die peripherischen Theile des Blickfeldes \u00fcberhaupt weniger Einfluss erhalten, so wird eben die Abweichung vom LisTiNG\u2019schen Gesetze, welche durch eine nicht kreis-\n1 Sie ist hier weiter durchgef\u00fchrt worden, als dies bei der ersten Ver\u00f6ffentlichung dieser Untersuchungen im\nArchiv f\u00fcr Ophthalmologie IX, 2. geschehen war. Dort war der Winkel [x zwischen der \u00dflicklinie und der atro-pen Linie noch als fest gegeben betrachtet worden, und ausserdem als klein. Es ist mir erst sp\u00e4ter gelungen, den Beweis zu finden, dass die Consequenzen des zu Grunde gelegten Princips fordern, dass er gleich Null sei.","page":508},{"file":"p0509.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nTHEORETISCHE BEGR\u00dcNDUNG DES DREHUNGSGESETZES.\n509\nf\u00f6rmige Form des Feldes bedingt werden k\u00f6nnte, noch geringer werden m\u00fcssen, als wenn die peripherischen Theile oft durchlaufen werden.\nAusserdem m\u00f6chte es vielleicht nicht ganz richtig sein, dass in allen Theilen des Gesichtsfeldes Bewegungen des Blicks nach allen Richtungen hin gleich h\u00e4ufig sind. Wenigstens finde ich an mir selbst, dass ich Bewegungen, die der Peripherie des Blickfeldes parallel gehen, zu vermeiden suche, namentlich, wenn ich die Form und Ausdehnung der betreffenden Objecte deutlich zu erkennen w\u00fcnsche. Ich habe dann den unwillk\u00fcrlich wirkenden Trieb den Kopf so zu drehen, dass die betreffenden Bewegungen des Blicks in Meridiane des Blickfeldes fallen, die durch die Prim\u00e4rlage gehen. So kann ich an einer gerade vor mir liegenden Vertical-linie mit dem Blicke hoch hinauflaufen ohne die Neigung den Kopf zu drehen; wenn ich aber an einer hoch gelegenen Horizontallinie entlang laufen will, so ist es mir nat\u00fcrlicher, den Kopf zu heben, bis ich sie in der Prim\u00e4rlage habe, als es mit gehobenen Augen zu thun.\nEs scheinen mir also die Bewegungen des Auges bevorzugt zu sein, welche in Meridianen des Blickfeldes entlang laufen, die durch die Prim\u00e4rlage gehen. Dies sind auch die Bewegungen, bei denen keine Scheindrehung der Objecte stattfindet, und daher r\u00fchrt auch wohl ihre Bevorzugung. Auch dieser Umstand muss dahin wirken, dass wenn einmal das LrsTiNG\u2019sche Gesetz f\u00fcr die Bewegung eines individuellen Auges zur Geltung gekommen ist, die Neigung von dem Gesetze abzuweichen, wegen irgend welcher Unregelm\u00e4ssigkeiten des Blickfeldes geringer werden muss.\nHerr E. Hering 1 hat noch hervorgehoben, dass das Auge wegen der Con-vergenz auf nahe Gegenst\u00e4nde relativ h\u00e4ufiger nach innen gerichtet ist, als nach aussen. Da wir nun aber, wie Volkmann experimentell gezeigt, und wir oben theoretisch zu begr\u00fcnden gesucht haben, die Parallelstellungen der Augen in Bezug auf das Bewegungsgesetz wenigstens kurzsichtiger Augen trennen m\u00fcssen und trennen d\u00fcrfen von den Convergenzstellungen, so f\u00e4llt jener Umstand f\u00fcr das Gesetz der Raddrehung in Parallelstellungen ausser Betracht.\nDagegen ist allerdings zu beachten, dass wir Parallelstellungen haupts\u00e4chlich f\u00fcr die oberen Theile des Blickfeldes anwenden, weil mit seltenen Ausnahmen nur dort unendlich entfernte Gegenst\u00e4nde Vorkommen, w\u00e4hrend wir im Gegentheil Convergenzstellungen fast nur-f\u00fcr die unteren Theile des Feldes benutzen, wo der Fussboden, unsere H\u00e4nde und die Objecte, die wir in den H\u00e4nden haben, sich befinden. Wenn man versucht, zwei Punkte, die in der Distanz der Augen auf einem Blatt Papier gezeichnet sind, mit parallelen Gesichtslinien zu betrachten und dadurch zum Decken zu bringen, so ist dies viel schwerer bei gesenkter Visir-ebene, als bei gehobener, und umgekehrt ist das Convergiren auf einen nahen Punkt viel schwerer bei gehobener Visirebene, als bei gesenkter, und wir d\u00fcrfen deshalb wohl erwarten, dass im Allgemeinen bei Convergenzstellungen der Augen die Abweichungen der Raddrehung von der der Parallelstellungen in dem Sinne geschehen werden, als ob die Prim\u00e4rlage der convergenten Augen nach innen und unten von der Prim\u00e4rlage der parallelen l\u00e4ge. Damit scheinen auch die bisher ausgef\u00fchrten Beobachtungen \u00fcbereinzustimmen.\nUebrigens halte ich es f\u00fcr wahrscheinlich, dass auch mancherlei Abweichungen durch angew\u00f6hnte Manieren in der Bewegung der Augen eintreten k\u00f6nnen, wie das bei einem Gesetze, welches wesentlich nur durch Ein\u00fcbung entstanden ist und durch Willk\u00fcbr gebrochen werden kann, nat\u00fcrlich ist. Einen betr\u00e4chtlichen Einfluss scheint auch die Kurzsichtigkeit zu haben, theils wohl wegen der vorzugsweise\nBeitr\u00e4ge zur Physiologie IV, S. 272.","page":509},{"file":"p0510.txt","language":"de","ocr_de":"510\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GKS1CHTSWAHllNEHMUNGKN.\n\u00a7\u25a0 27.\ngebrauchten Convergenzstellungen, theils wegen der Difformit\u00e4t des Augapfels, welche mechanische Schwierigkeiten hervorbringen kann. Ja selbst die Gew\u00f6hnung an Brillengl\u00e4ser, die vielleicht nicht ganz centr\u00e2t vor dem Auge stehen, kann Einfluss haben.\nIch will mir erlauben hier schliesslich noch auf eine Methode aufmerksam zu machen, welche die verwickelten und schwer \u00fcbersichtlichen Rechnungen \u00fcber die Lage der Punkte eines um einen Punkt gedrehten K\u00f6rpers ausserordentlich vereinfacht und \u00fcbersichtlich macht, wobei aber die Anwendung der complexen Coordinaten f\u00fcr die Punkte einer Ebene dem Leser gel\u00e4ufig sein muss.\nZur Uebertragung der Punkte einer Kugelfl\u00e4che auf eine Ebene wende ich die f\u00fcr Landkarten gew\u00f6hnlich gebrauchte stereographische Projection an. Es sei AB (Fig. 166) die Ebene, auf welche projicirt werden soll, C der Mittelpunkt\nderen Oberfl\u00e4che zu\nD\nprojiciren ist, CK das von diesem Mittelpunkte auf die Ebene AB gef\u00e4llte Loth, welches verl\u00e4ngert die Kugelfl\u00e4che in D schneidet, so denke ich mir ein Auge in D befindlich, und die Punkte der Kugelfl\u00e4che auf diejenigen Punkte der Ebene \u00fcbertragen, auf die sie sich f\u00fcr das in D befindliche Auge projiciren w\u00fcrden. Soll also der Punkt F der Kugelfl\u00e4che projicirt werden, so ziehe ich die gerade DF, verl\u00e4ngere sie, bis sie in A die Ebene AB schneidet. A ist die Projection von F.\nEs ist bekannt, dass bei einer solchen Projectionsweise die kleinsten Fl\u00e4chen-theile der Zeichnung auf der Kugelfl\u00e4che geometrisch \u00e4hnlich werden den entsprechenden Fl\u00e4cheiitheilen der Abbildung dieser Zeichnung auf der Ebene, wenn auch der Maassstab der Vergr\u00f6sserung in den verschiedenen Theilen der ebenen Zeichnung verschieden ist. Alle Kreise auf der Kugelfl\u00e4che werden wieder durch Kreise, beziehlich gerade Linien, welche als Kreise von unendlich grossem Radius angesehen werden k\u00f6nnen, dargestellt. Und zwar erscheinen als gerade Linien alle diejenigen Kreise der Kugeloberfl\u00e4che, welche durch den Punkt D gehen, wie leicht einzusehen ist, wenn man sich die Ebene dieser Kreise construirt denkt, welche Ebene die Ebene AB in einer geraden Linie schneidet, die eben die Projection des betreffenden Kreises ist.\nGr\u00f6sste Kreise, welche durch den Punkt D gehen und deshalb sich als gerade Linien auf die Ebene projiciren, m\u00fcssen auch durch den dem Punkte T) diametral gegen\u00fcberstehenden Punkt H gehen, ihre Projection also durch den Fusspunkt des Lothes CK. Also die durch den Punkt K, den Mittelpunkt der\nebenen Zeichnung, gehenden geraden Linien entsprechen gr\u00f6ssten Kreisen.\nF\u00fcr die Punkte desjenigen gr\u00f6ssten Kreises der Kugel, der der Ebene AB parallel ist, wird der Winkel FDK gleich einem halben Rechten, und die Entfernung AK deshalb gleich DK, welche L\u00e4nge wir als die L\u00e4ngeneinheit betrachten wollen. Dieser Kreis projicirt sich also in die Ebene als ein Kreis vom Radius \u2014 1 mit dem Mittelpunkte K.\nWir wollen ihn den Ae q ua tori alkreis nennen.\nDer Aequatorialkreis der Kugel wird von allen andern gr\u00f6ssten Kreisen der Kugel in zwei diametral gegen\u00fcber liegenden Punkten geschnitten. Denen entsprechen auch in der Ebene zwei diametral gegen\u00fcber liegende Punkte des pro-","page":510},{"file":"p0511.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 27.\nSTEREOGRAPHISCHE PROJECTION DER DREHUNGEN.\n511\njicirten Aequatorialkreises. Daraus folgt, dass solche Kreise der Ebene gr\u00f6ssten Kreisen der Kugel entsprechen, welche den Aequatorialkreis der Ebene in zwei diametral gegen\u00fcber liegenden Punkten schneiden.\nWenn der Punkt G dem Punkte F auf der Kugel diametral gegen\u00fcber liegt, so ist FD G ein rechter Winkel, und wenn B die Projection von G ist, so ist wegen Aehnlichkeit der rechtwinkeligen Dreiecke A KD und DKB\nAK : DK \u2014 DK: KB\noder wenn wir, wie festgesetzt ist, DK zur L\u00e4ngeneinheit machen, so ist\nDie Entfernungen der Projectionen diametral auf der Kugel gegen\u00fcber liegender Punkte vom Mittelpunkte K sind also gegenseitig reciproke Gr\u00f6ssen. Nat\u00fcrlich liegen die Projectionen solcher diametraler Punkte auch in einer durch den Mittelpunkt K der Zeichnung gehenden geraden Linie auf entgegengesetzten Seiten des Mittelpunkts.\nDie Projection des dem Mittelpunkte K selbst diametral entgegenstehenden Punkts D der Kugel f\u00e4llt in unendliche Entfernung.\nBezeichnen wir den Centriwinkei F CH mit a, so ist der auf gleichem Bogen\nstehende Peripheriewinkel F DH gleich\n\na, und also die Entfernung der Projection A\ndes Punktes F vom Mittelpunkte K\nA K \u2014 DK- tang\n\u00c0\noder da DK gleich Eins gesetzt worden ist,\nAK = tang y \u2022\nBetrachten wir nun wie fr\u00fcher den Mittelpunkt C der Kugel als Centrum eines Coordinatensystems \u00a3, v, \u00c7, dessen \u00a3Axe die Normale CK sei, und dessen \u00abL'Ebene also der Ebene AB parallel liegt. Der Winkel, den die Ebene der Zeichnung mit der ^vEbene macht, sei t und v der Radius der Kugel, so sind die Coordinaten des Punktes F\n\u00a3 = r cos a\na\ntang \u2014 \u2022 cos t\nv = r sin a cos t \u2014 2r ---------------------\n1 tang2 y\ntang -- \u2022 sin t\n\u00c7 \u2014 r sin a sin t = 2 r --------------------\n/ -+- tang2 y","page":511},{"file":"p0512.txt","language":"de","ocr_de":"DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n512\n\u00a7\u2022 27.\nUnd die Coordinaten des Punktes A, die wir mit g', v', \u00a3' bezeichnen wollen, sind g' = 1 \u2014 r\na\nv = AK \u25a0 cos t \u2014 tang \u2014 \u2022 cos t\nM\nDaraus folgt\n'\u00c71 \u2014 A K \u25a0 sin t = tang \u2014 \u2022 sin t.\nM\n2r cos2\n2r cos2\nr -f-\nWenn man nun v' und \u00a3' zu einer einzigen complexen Variablen vereinigt:\nwo\nX\nv' + iV\nV H- it, r -f- g\ni = Y\u2014 4,\nid,\nso entspricht jedem Werthe von x ein Punkt der Ebene, und also auch ein Punkt der Kugeltl\u00e4che.\nDen Werth von x f\u00fcr den diametral entgegenstehenden Punkt bezeichnen wir mit x'. F\u00fcr diesen Punkt haben g, v, \u00c7 gleiche Werthe, aber mit entgegengesetztem Vorzeichen. Es ist also\n\u00ab +\t___ ___ r g\nr \u2014 g\tv \u2014 j\u00c7\nSo haben wir also\nv \u2014 iC\n= - co<sT\nV -4- t\u00c7\tv \u2014 i \u00c7\nr-f-g \u2014 3\u2018 \u2019\t7\u201c \u2014f\u2014 \u00a3\nr \u2014 g _\tx\t2 g\nr -4- g \u2014\tx' \u2019\tr -+- g '\n11 a).\nNun wollen wir die entsprechenden Ausdr\u00fccke bilden f\u00fcr die durch Drehung um den Punkt C ver\u00e4nderte Lage der Kugel, deren Coordinaten x,y,z in den Gleichungen 1 c) auf Seite 488 gegeben sind. Nennen wir k den Werth, welchen * nach der Drehung erh\u00e4lt, so haben wir entsprechend der Gleichung 11)\nk _ V + iz\nr -f- x\n g ja \u00a7 \u2022 sin a -4- v (cos a \u25a0 cos w \u2014 i \u2022 sin tu)\t\u00c7 (cos a \u2022 sin w -4- i \u2022 cos co)\nr -h '\u00a7 \u2022 cos ct \u2014 v \u25a0 cos co \u25a0 sin a \u2014 \u00c7 \u2022 sin co \u2022 sin a","page":512},{"file":"p0513.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 27.\nSTEREOGRAPHISCHE PROJECTION DER DREHUNGEN.\n513\nIndem man in dieser Gleichung sin a und cos \u00ab durch tang y ausdr\u00fcckt, kann man diesen Ausdruck auf die Form bringen:\nk = e~iR\n\u20222? -4- (v -f- il) e~lm cotg y \u2014 (v \u2014 il) e+im tang y\n(r -4- Ie) cotg \u2014 -4- (r \u2014- \u00a7) tang y \u2014 (o-M'\u00c7) erita \u2014 (v \u2014 il) e\"\nindem man Z\u00e4hler und Nenner dieses Bruchs mit\nr -h $\nmultiplicirt, erh\u00e4lt man mit Ber\u00fccksichtigung der Gleichungen. 11a)\ny- + * -4- e~iu> cotg y -4- eira tang\u2014 k = -----------------------\u2014-------------------------* e-\n, , \u00ab , \u00ab * cotg \u2014-----* tang y\ny!\u25a0/. e~lw + elm\noder\n= e-i8 cotg (yj\n-4- e1 \u201c tang yj + e\u2019\"' tang yj je*\u201c \u2014 * tang y) jeicu -4- y! cotg yj\noder da\nZ\u00e4hler und Nenner den gemeinsamen Factor haben jx' cotg y\u2014|- e*\u2018\u201c j,\ng\u2014\u00ee ( ^ -+- G> ) .\nx -h ei0J tang -\nnb).\nt \u2014 y. e~im tang\nSo entspricht also jede Drehung der Kugel nur einer linearen Transtormation der Variablen x. Indessen nicht jede lineare Transformation entspricht einer blossen Lagenver\u00e4nderung der Kugel. Denn setzen wir diese Transformation in die allgemeine Form\nso wird\nk =\na\nY. ~h b 1 \u2014 y.c\u2019\nII\tf\u00fcr\t* \u2014\t\u2014 b\nk \u2014 oo\tf\u00fcr\tx =\ti c\nY. = 0\tf\u00fcr\tk =\tab\nY. = OO\tf\u00fcr\tk =\ta c\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz . Physiol. Optik.\n33","page":513},{"file":"p0514.txt","language":"de","ocr_de":"514\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 27.\nNun sind aber 0 und oo diametral entgegenstehende Punkte der Kugel, folglich m\u00fcssen auch\n\u2014 b und \u2014\nC\nab und---------\u2014\nsolche diametral entgegenstehende Punkte sein. Das heisst nach lia), es m\u00fcssen\nb und c conjugirte complexe Gr\u00f6ssen sein, und ebenso ab und \u2014. Wenn das\na\nerstere der Fall ist, so folgt aus dem letzteren, dass a den Modul / haben muss. Die allgemeine Form einer solchen Transformation, welche einer Lagenver\u00e4nderung der Kugel entspricht, ist also\n4- a \u2014E- b i\netr>\n1 \u2014 x (a \u2014 bi)\n11 c).\nDass die Gleichung 11b) in diese Form passt, ist leicht ersichtlich. Durch diese eine Gleichung, in Verbindung mit der gemachten Annahme\nif -F- v2 -4- -2 = r2 = x2 4- y2 -+- s2\nist das verwickelte System der Gleichungen 1 b) ersetzt.\nUm die Drehungsaxe zu linden, ist zu bemerken, dass die Punkte der Drehungs-axe ihre Lage behalten, f\u00fcr sie also x = k sein muss. Setzt man dies in 11 c), so erh\u00e4lt man eine quadratische Gleichung f\u00fcr x, deren beide Wurzeln die diametral gegen\u00fcberliegenden Endpunkte x und \u25a0/.' der Drehungsaxe sind. Die Gleichung ist\n0 =\nDaraus folgt, dass\n, eir| -\t1\t, a 4- bi\na \u2014\tbi\ta \u2014 bi\n1 \u2014 eiri\t,\ta 4-6t\na \u2014 bi\ta \u2014 bi\n; e,rl .\nDa x und x' von der Form sind\ny. \u2014 e\n*' tang\n\u00df\ne\" cotg \u2014,\nso wird\nx -+\nWenn wir setzen so ist\n\u2022/ \u2014 2 eil cotg \u00df ;\na 4- bi --- relS\ne'1 = Y\u2014 x x'\n\ncotg \u00df \u2014\nsy:\n4-\nsin(4'')\nwodurch die Lage der Drehungsaxe gegeben ist.","page":514},{"file":"p0515.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nSTEREOGRAPHISCHE PROJECTION DER DREHUNGEN.\n515\nWenn = 0, ist auch x -f- x' = cotg \u00df = 0, die Drehungsaxe liegt also unter dieser Voraussetzung parallel der Ebene der Zeichnung. Eine solche Bewegung entspricht also dem LisTiNG\u2019schen Gesetze, wenn man das durch den Mittelpunkt der Kugel auf die Ebene gef\u00e4llte Loth als die Blicklinie in ihrer Prim\u00e4rlage betrachtet, so dass deren Stellung durch die Coordinate x = 0 bezeichnet ist.\nIch will diese Betrachtungsweise noch benutzen, um die Abweichungswinkel ?j zu berechnen f\u00fcr den Fall, dass man von einer Anfangslage aus die Messungen beginnt, welche nicht Prim\u00e4rlage ist, eine Aufgabe, die ausserordentlich weitl\u00e4uftige Rechnungen erfordert, wenn man sie mittels der Gleichungen 1 b) l\u00f6sen wollte.\nEs sei a-{-bi die Ordinate der Prim\u00e4rstellung der Blicklinie. Ich bringe diese auf den Nullpunkt hin mittels einer dem LisTiN\u00df\u2019schen Gesetze entsprechenden Drehung durch die Transformation\n\u00a3 ___ x \u2014 (a -f~ bi)\nI -f- x (a \u2014 bi)\nWenn ich jetzt die Blicklinie wieder gem\u00e4ss dem LisTiNG\u2019schen Gesetze nach einem neuen Punkt richte, f\u00fcr den x \u2014 g-\\-di ist, k also\nj. _\t(c a) ~1\u2014 (d \u2014 b) j\n-/ \u2014f\u2014 ( c \u2014f- di) (a \u2014 bi) \u2019\nso wird die neue Variable f nach dieser Transformation\nj. _ (c \u2014 a) -t- \\d \u2014 b) i\n_______/ + (c -f- di) (a \u2014 bi)\n1 , 1 (c \u2014 a) \u2014 \u00c7d z b) i 1 / + (c \u2014 di) (a -f- bi)\nSetzt man statt k seinen Werth in z ausgedr\u00fcckt, so erh\u00e4lt man\nj, __ x \u25a0\u2014 (c + di) 1 -I- (c\u2014di) (a-i-bi)\n/ -f- x (c-\\r di) 1 (c -+- di) (a \u2014 bi)\noder\n\u00cf\nx \u2014 (c -f- di)\n1 -I- x (c \u2014 di)\u2019\nwenn wir setzen\nj H- (a -f- 6z) (c \u2014\u25a0 di) 4 -h (a \u2014 bi) (c -I- di)\n11 d).\nDurch diese letztere Gleichung ist die Gr\u00f6sse rj gegeben, zerlegen wir sie in ihren reellen und imagin\u00e4ren Theil, und setzen wir\na +\t= re\u00fc\nc-l-di = peiT = tang-^- \u2022 e'~\n1 H- 2rp cos (f \u2014 t) -f- r2p2 cos [2 (t \u2014 r)] 1 4- 2rpcos(\u00a3\u2014 t) -+- r2p2\n2 [1 -+- vq cos (f \u2014 r)] rp sin (f \u2014 r)\n1 -f- 2rp cos (t \u2014 t) -f- r2 p2\n33*","page":515},{"file":"p0516.txt","language":"de","ocr_de":"516\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 27.\nDiese Ausdr\u00fccke gebe\u00bb also die Drehungen, wenn man bei den Versuchen nicht von der Prim\u00e4rstellung, sondern von einer anderen Stellung des Auges aus-\u201eeht Ist die urspr\u00fcngliche Abweichung r klein, so werden die Ausdr\u00fccke \u00fcbersichtlicher, wenn man den Ausdruck von log (e'1)) in Gleichung 11 d) in eine unendliche Reihe verwandelt,\nr/ = rp sin (t \u2014 t) \u2014 \u2014 r2p2 sin 3 {t \u2014 i ) 4\u20149* s'n ^ r) etc-\nDieser Ausdruck ist von der Form der Gleichung 9), Seite 505, und kann zur Berechnung der Fehler bequem gebraucht werden 1.\nBestimmung des Drehpunkts\tder\tAugen nach Donders2. Fs\twird\tzuerst der\nhorizontale Durchmesser der Hornhaut\tmit\tdem Ophthalmometer bestimmt.\tZu\tdem Ende\nbringt man unmittelbar \u00fcber dem Ophthalmometer eine kleine Flamme an, die von der Hornhaut\u2019gespiegelt wird, und neben dem Ophthalmometer ein horizontal verschiebbares Gesichtszeichen, welches von dem beobachteten Auge fixirt wird. Dieses Auge wird \u00fcbrigens von der Seite her durch eine helle Lampe stark beleuchtet, gegen deren Strahlen das Ophthalmometer gesch\u00fctzt ist. Man sucht nun das Ophthalmometer so einzustellen, dass jedes Doppelbild des Flammenreflexes mit einem Doppelbild je eines seitlichen Hornhautrandes zusammenf\u00e4llt. Damit dies f\u00fcr beide Bilder des Lichtreflexes zugleich geschehen kann, muss die Mitte der Hornhaut gerade gegen das Ophthalmometer gekehrt sein. Um dies zu erreichen, muss man das Gesichtszeichen so lange hin und herschieben, bis der genannten Forderung Gen\u00fcge geleistet wird. Der Winkel, um den die\tPlatten des Ophthalmometers gedreht\tsind,\tentspricht\ndann der halben Breite der Hornhaut,\tund\tist diese nach den auf S. 10 gegebenen Regeln\ndaraus zu berechnen. Der Winkel, den die nach dem Auge gerichtete Axe des Ophthalmometers und die nach dem Gesichtszeichen gerichtete Blicldinie des Auges mit einander machen, entspricht der Abweichung der Blicklinie von der Axe der Hornhaut.\nUm nun den Bogen zu bestimmen, den die Hornhaut beschreiben muss, um die L\u00e4nge ihres eigenen queren Durchmessers im Raume zu durchlaufen, wurde vor dem zu untersuchenden Auge ein Ring aufgeh\u00e4ngt, in welchem ein feines Haar senkrecht gespannt war. Dann wurde ermittelt, um wieviele Grade (ausgehend von dem Stand, wobei die Hornhautaxe auf das Kreuz des Ophthalmometers gerichtet war) nach beiden Seiten hin visirt werden musste, damit bei unbeweglich gehaltenem Kopfe nach einander jeder von den R\u00e4ndern der Hornhaut mit Dem Haare zusammenfiel. Die gefundene Anzahl von Graden stellte den Winkel dar, den das Auge hierbei um den Drehpunkt beschrieben hatte. Sehr bald stellte sich heraus, dass bei normalen Augen dieser Winkel ungef\u00e4hr 56 0 betrug. Donders begann deshalb sp\u00e4ter jede Messung damit, ein Visir \u00bb28\u00b0 nach links, ein anderes ebenso weit nach rechts von dem erstgenannten Visir, welches zur Einstellung des Lichtreflexes auf die Mitte der Hornhaut gedient hatte, aufzustellen, Der Kopf wurde so gedreht, dass hei dem Fixiren des einen seitlichen Visirs der eine Rand der Hornhaut mit dem Haar zusammenfiel, und es wurde untersucht, ob beim Fixiren des zweiten seitlichen Visirs der entgegengesetzte Rand der Hornliaiit dem Haar entsprach. Nur selten war dies vollkommen der Fall; aber es stellte sich doch heraus, ob ein gr\u00f6sserer oder ein kleinerer Bogen beschrieben werden ipusste. Dem entsprechend wurden dann die beiden seitlichen Visire um gleich viel von dem mittleren entfernt, oder ihm gen\u00e4hert, bis man endlich ein genaues Zusammenf\u00e4llen der R\u00e4nder der Hornhaut mit dem Haare erhielt. Indem man nun schnell einige Male abwechselnd nach dem einen und dem andern Visir sehen liess, wurde der hiniluss einer etwaigen fr\u00fcheren Bewegung des Kopfes beseitigt.\nWenn a die halbe Breite der Hornhaut ist, welche man mit dem Ophthalmometer gefunden hat, und \u00df der Winkel, um den jedes seitliche Visir, vom beobachteten Auge gesehen, vom\n1 Eine Construciionsmethocfe, f\u00fcr denselben Zweck brauchbar, siehe unten in den Nachtrages\n3 Archiv f\u00fcr die holl\u00e4ndischen Beitr\u00e4ge zur Natur- und Heilkunde. Bd. Ill, Hit. o, \u2022","page":516},{"file":"p0517.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 27.\nDREHUNGSGESETZ DURCH NACHBILDER GEPR\u00dcFT.\n517\nmittleren absteht, so ist der Abstand des'Drehpunkts von der horizontalen gr\u00f6ssten Sehne der Hornhaut gleieh a cotang \u00df.\nIn vielen F\u00e4llen, namentlich hei Kurzsichtigen, war die Beweglichkeit des Auges zu beschr\u00e4nkt, um die Hornhaut den noth wendigen Raum durchlaufen lassen zu k\u00f6nnen. In diesen F\u00e4llen gebrauchte Donders einen mit zwei parallel ausgespannten Dr\u00e4hten, deren gegenseitiger Abstand (3,02 Millimeter) genau bestimmt war, versehenen Ring. Die Visire wurden so gestellt, dass abwechselnd der eine Draht mit dem Innen-, der andere mit dem Aussenrand der Hornhaut zusammenfiel. Um den durchlaufenen Raum zu ermitteln, war es dann nur n\u00f6thig, den Abstand der Dr\u00e4hte von der zuvor gefundenen Breite der Hornhaut abzuziehen, und dieser Werth wurde der ferneren Berechnung zu Grunde gelegt.\nDie Resultate dieser Untersuchungen sind schon oben angegeben.\nPr\u00fcfung des Drehungsgesetzes der Augen mit Hilfe der Nachbilder. F\u00fcr normalsichtige Augen und f\u00fcr parallele Stellungen von deren Gesichtslinien ist es am einfachsten die Versuche vor einer grossen mit hellgrauer Tapete \u00fcberzogenen Wand anzustellen, die ein nicht zu scharf gezeichnetes Muster hat, an dem horizontale und verticale Linien hervortreten. Man befestigt in der H\u00f6he der Augen ein horizontales rothes Band, auf dem man sich den Mittelpunkt f\u00fcr die Fixation durch einen schwarzen Punkt bezeichnet. Wenn man diesen Punkt kurze Zeit fixirt und dann nach der Tapete hinblickt, sieht man ein hellgr\u00fcnes Nachbild des Bandes, und kann leicht erkennen, ob dasselbe den horizontalen Linien des Tapetenmusters parallel l\u00e4uft, oder von ihrer Richtung abweicht.\nUm die Richtung der Prim\u00e4rstellung der Blicklinie in Beziehung auf den Kopf zu fixiren. benutze ich ein Brettchen, welches ein Visirzeichen tr\u00e4gt und zwischen die Z\u00e4hne ge-, nommen wird. Es ist in Fig. 167 in geometrischer Projection abgebildet. Das Brettchen AB (13 Centimeter lang, 4 breit) hat bei A einen den Zahnreihen entsprechenden bogenf\u00f6rmigen Ausschnitt, bei B tr\u00e4gt es eine vierkantige h\u00f6lzerne S\u00e4ule, an der ein horizontaler Streif CC aus steifem Papier mit Klebwachs, und daher leicht verschieblich, befestigt ist. Die R\u00e4nder des Ausschnitts A werden auf beiden Seiten mit einem Wulst von heissem Schellack bedeckt, und wenn dieses zu erh\u00e4rten beginnt, dr\u00fcckt man die beiden Zahnreihen in den Schellack ab, indem man das Brettchen fest zwischen die Z\u00e4hne nimmt. Ist das Harz erkaltet, so ist nachher die Lage des Brettchens zwischen den Zahn reihen unverr\u00fcckbar festgestellt, und nach jeder Unterbrechung der Versuche immer wieder in genau unver\u00e4nderter Weise herzustellen.\nDer Papierstreifen CC wird so lang gemacht, als die Distanz der Drehpunkte der Augen. Man erkennt dies leicht, wenn man nach einem unendlich entfernten Objecte hinsieht. Dann erscheint der Papierstreifen in einem binocularen Doppelbilde; man macht ihn so lang und dreht ihn so, dass die einander zugekehrten Enden seiner Doppelbilder gerade auf einander stossen. Alsdann m\u00fcssen die spitzen Enden des Streifens von einander um die Entfernung der Drehpunkte (oder eigentlich der Centra der Visirlinien) beider Augen von einander entfernt sein und ihre Verbindungslinie mit der Verbindungslinie der beiden Drehpunkte in einer Ebene liegen.\nWenn man nun die Beobachtungen beginnen, will, welche entweder mit beiden oder mit je einem Auge ausgef\u00fchrt werden k\u00f6nnen, ist es n\u00f6thig, zuerst die Prim\u00e4rstellung der Augen empirisch zu suchen. Dies geschieht, indem man von der gew\u00e4hlten Stellung aus, der Mitte des rothen Streifens gegen\u00fcber an der andern Seite des Zimmers, die Mitte des rothen Streifens eine Zeitlang fest fixirt, an dem entsprechenden Ende des Streifens C C vorbeiblicleend, und dann sein Nachbild entweder gerade nach oben und unten, oder horizontal nach rechts und-links verschiebt, und bemerkt, ob dasselbe den horizontalen Linien der Tapete parallel bleibt oder nicht. Ist das letztere der Fall, so muss man den Papierstreifen des Visirbrettchens .\nFig. 107.","page":517},{"file":"p0518.txt","language":"de","ocr_de":"518\nDRITTER ABSCHNIITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 27.\nverschieben, bis man die richtige Stellung desselben gefunden hat. Und zwar muss man den Papierstreifen weiter nach links schieben, wenn man nach oben blickend das linke Ende des Nachbildes h\u00f6her, nach unten blickend dasselbe tiefer stehend findet. Findet man nach oben blickend dagegen das rechte Ende des Nachbildes h\u00f6her, nach unten blickend dasselbe tiefer, so verschiebt man nach rechts. Man verschiebe den Streifen dagegen nach oben, wenn man nach links blickend das linke, nach rechts blickend das rechte Ende des Nachbildes tiefer stehend findet, und umgekehrt.\nHat man endlich f\u00fcr jedes Auge die Stellung .des Visirzeichens gefunden, wobei das Auge in die Prim\u00e4rstellung kommt, so ist dadurch zun\u00e4chst constatirt, dass es eine Lage des Auges giebt, von der aus sich der Blick horizontal fortbewegt durch Drehung um eine verticale Axe und vertical durch Drehung um eine horizontale Axe.\nW\u00e4hrend aber bei der Verschiebung des Blicks gerade nach oben oder gerade nach unten, und gerade nach rechts oder links die Nachbilder horizontaler und verticaler Urbilder horizontal und vertical bleiben, findet man, dass dies nicht gilt f\u00fcr die Verschiebung des Blicks schr\u00e4g nach aufw\u00e4rts oder abw\u00e4rts. Man findet vielmehr, dass\n1)\tbei der Richtung des Blicks nach rechts oben oder links unten\ndas Nachbild einer Horizontallinie gegen die Linien der Wand links gedreht, das Nachbild einer Verticallinie rechts gedreht erscheint, und\n2)\tbei der Richtung des Blicks nach links oben oder rechts unten\ndas Nachbild einer Horizontallinie rechts gedreht, das einer Verticallinie links gedreht erscheint.\nDa horizontale und verticale Linien verschiedene Drehung zeigen, so ergiebt sich daraus schon, dass zwischen ihnen Linien existiren m\u00fcssen, deren Nachbilder der urspr\u00fcnglichen Richtung parallel sind.\nAm einfachsten ist es nun, den Kopf so seitw\u00e4rts zu neigen, dass man zur Durchlaufung der horizontalen und verticalen Linien der Wand schr\u00e4ge Bewegungen des Auges zum Kopfe auszuf\u00fchren hat. Dadurch dass man auch bei solcher Kopfstellung an dem Visirzeichen vorbei nach dem Mittelpunkt des rothen Streifens blickt, sichert man sich, dass man wieder als Anfangstellung die Prim\u00e4rstellung des Auges einh\u00e4lt. Die Richtung, in welcher sich die Bilder der beiden Spitzen des als Visirzeichen dienenden Papierstreifens auf die Wand projiciren, bezeichnet auf dieser die Richtung der Verbindungslinie der Drehpunkte. Bei solchen Augen, deren Bewegungen dem Gesetze von Listing folgen, bleiben dann auch bei seitw\u00e4rts geneigtem Kopfe die Nachbilder horizontaler Streifen den Horizontallinien der Wand parallel, wenn man den Blickpunkt l\u00e4ngs der Verticallinie und der Horizontallinie verschiebt, die durch die Mitte des rothen Streifens gehen. Ebenso verh\u00e4lt es sich mit den Nachbildern eines verticalen Streifens in Beziehung auf die verticalen Linien der Tapete.\nDiese Beobachtungen, wobei das Nachbild auf eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig entfernte Wand geworfen wird, haben den Vortheil, dass kleine Verschiebungen des Kopfes nach rechts oder links, oben oder unten, einen verschwindend kleinen Einfluss auf die durch das Visirbrettchen gesicherte Lage der Blicklinie haben, und dass ferner die Augen von selbst in paralleler Stellung erhalten werden. Dagegen sind die W\u00e4nde unserer Zimmer in der Regel nicht gross genug, um auch die Pr\u00fcfung in den extremen Stellungen der Blicklinie bei hinreichend grosser Entfernung von der Wand vornehmen zu lassen, und f\u00fcr Kurzsichtige ist diese Beobaehtungsart nicht zu gebrauchen, weil sie ohne Brille nicht f\u00fcr die Wand accommodiren k\u00f6nnen, und Brillengl\u00e4ser, wenn sie nicht centrisch und senkrecht zur Gesichtslinie stehen, 'die scheinbare Neigung der gesehenen Linien ver\u00e4ndern k\u00f6nnen. F\u00fcr Beobachtungen in der N\u00e4he habe ich die von mir fr\u00fcher beschriebene Methode abge\u00e4ndert, um auch den Einfluss der Convergenz sicherer untersuchen und die Gr\u00f6sse und Form des Gesichtsfeldes bestimmen zu k\u00f6nnen.\nAls Gesichtsfeld dient eine an der Wand befestigte grosse h\u00f6lzerne Tafel, die mit hellgrauem Papier glatt \u00fcberzogen ist. Um die Stellung des Kopfes vor dieser sicher fixiren zu k\u00f6nnen, ist vor ihr in einer f\u00fcr die Accommodation des Beobachters passenden Entfernung ein kleines lischchen aufgestellt und mit eisernen Klammern am Boden befestigt. Auf dem Tischchen ist ein eiserner Halter mit beweglichen Armen, befestigt, wie man ihn in chemischen","page":518},{"file":"p0519.txt","language":"de","ocr_de":"DREHUNGSGESETZ DURCH NACHBILDER GEPR\u00dcFT.\n519\n\u00a7\u2022 2T-\nLaboratorien vielfach gebraucht, und dieser h\u00e4lt ein Brettchen \u00e4hnlich dem der Fig. 167, aber ohne die S\u00e4ule und das Visirzeichen. Das Brettchen dient nur dazu, dem Kopfe des Beobachters, wenn er die Z\u00e4hne darauf fest beisst, eine sichere Stellung der Tafel gegen\u00fcber zu geben. Mittels der Z\u00e4hne kann die Stellung des Kopfes viel besser gesichert werden, als durch irgend welche Befestigung, welche nur die Weichtheile desselben unmittelbar unterst\u00fctzt. Ein zweiter verstellbarer horizontaler Arm des Halters wird so festgeschraubt, dass die Stirn gegen ihn anliegt. Auf der Tafel wird dann, dem einen oder andern Auge gegen\u00fcber, ein passend gef\u00e4rbter Streif aus sehr steifem Papier oder d\u00fcnnem Holz befestigt, der in seiner Mitte mit einem Stechkn\u00f6pfchen, und um dieses drehbar, befestigt wird. Den Streifen m\u00e2che ich entweder halb weiss und halb schwarz, oder halb gr\u00fcn und halb roth, so dass die Trennungslinie beider Farben der L\u00e4nge des Streifens parallel durch die Mitte seiner Breite hinl\u00e4uft. Diese Trennungslinie giebt dann ein gut gezeichnetes Nachbild. Ferner werden feine schwarze F\u00e4den horizontal und vertical \u00fcber die Mitte des Streifens hingespannt, und die Stellung des Zahnbrettchens so lange ge\u00e4ndert, bis die Nachbilder des horizontalen Streifens l\u00e4ngs des horizontalen Fadens verschoben diesem parallel bleiben, und ebenso die Nachbilder des vertical gestellten Streifens l\u00e4ngs des verticalen Fadens. Dabei ist aber zu bemerken, dass die Gesichtslinien parallel gehalten werden m\u00fcssen, und um dies zu controlliren, mache ich in der Entfernung meiner Augen von einander (68 Millimeter) Punkte auf den Stellen der Tafel, nach denen ich hinblicke, den einen dicht an der Linie, nach der ich hinblicke, den andern in gleicher H\u00f6he seitw\u00e4rts, so dass, wenn ich die beiden Punkte mit parallelen Gesichtslinien betrachtete, sie sich scheinbar vereinigen.\nAuf diese Weise kann man die Prim\u00e4rlage des einen und andern Auges finden, \u2014 sie liegen bei mir um die Distanz dev Augen selbst von einander entfernt, \u2014 dann kann man nachher dem Streifen, von dem das Nachbild genommen wird, beliebige schr\u00e4ge Richtungen geben, und F\u00e4den \u00fcber seine Mittellinie hinspannen, um l\u00e4ngs dieser die Nachbilder zu verschieben. Um convergente Gesichtslinien zu haben, kann man, nachdem das Nachbild in einem Auge entwickelt ist, entweder einen Punkt der Tafel selbst mit beiden Augen fixiren, oder beliebige hingesetzte Punkte mit convergenten oder \u00fcberkreuzten Blicklinien Zusammenf\u00e4llen machen.\nWenn dann, wie bei Convergenzstellungen, die Nachbilder nicht genau mit dem Faden zusammenfallen, l\u00e4ngs dessen Richtung man den Blick hinbewegt hat, so kann man den Streifen selbst schief gegen den Faden stellen, und diejenige Stellung desselben suchen, deren Nachbild dem betreffenden peripherischen Theile des Fadens parallel wird. Der Winkel zwischen dem Streifen und dem Faden l\u00e4sst sich leicht berechnen, wenn man den Abstand misst, den der \u00fcber den Streifen laufende Faden an beiden Enden desselben mit seiner Mittellinie macht. Oder bequemer, kann man auch gleich auf den'beiden Enden des Streifens eine Gradeintheilung anbringen, die nur wenige Grade zu umfassen braucht.\nDie Genauigkeit, mit welcher die Vergleichung der Richtung der Nachbilder mit der der F\u00e4den geschieht, geht bis zu einem halben Grade etwa. Das ist freilich keine mit der von astronomischen Beobachtungen zu vergleichende Genauigkeit; aber ich glaube, es w\u00e4re bei der Natur des Gegenstandes illusorisch, nach einer sehr viel gr\u00f6sseren Genauigkeit zu streben. Denn schon bei diesen Beobachtungen findet man gewisse kleine Ver\u00e4nderungen, die nicht .hlos von der Convergenz, sondern auch von dem Wege abh\u00e4ngen, auf dem das Auge in die betreffende Stellung gebracht worden ist, und selbst an verschiedenen Tagen zu wechseln scheinen. Solche habe ich selbst nicht ganz selten gesehen, namentlich bei Schr\u00e4gstellungen des Auges, noch deutlicher und gr\u00f6sser waren sie bei Dr. Berthold, der in meinem Laboratorium arbeitete, -und ich vermuthe, dass sie \u00fcberhaupt bei kurzsichtigen Augen gr\u00f6sser sein werden, weil diese, haupts\u00e4chlich auf nahe Gegenst\u00e4nde angewiesen, an diesen je nach dem Grade der Convergenz st\u00e4rker wechselnde Raddrehungen bei derselben Richtung der Blicklinie ein\u00fcben m\u00fcssen.\nHerr E. Hering hat Versuche zur Controlle der Genauigkeit der Nachbildversuche angestellt, aus denen er schliesst, dass Irrthiimer in der Vergleichung ihrer Richtung mit objectiven Linien Vorkommen k\u00f6nnten, welche einen Spielraum bis zu 6 Grad h\u00e4tten. Solche Irrth\u00fcmer","page":519},{"file":"p0520.txt","language":"de","ocr_de":"520\n\u00a7\u25a0 27.\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESISHTSWAHRNEHMUNGEN.\nmuss ich bei gut entwickelten Nachbildern nach scharfer Fixation des Objects f\u00fcr geradezu unm\u00f6glich erkl\u00e4ren; ich habe schon vorher angef\u00fchrt, dass bei sorgf\u00e4ltiger Anstellung der Versuche die Fehler einen halben Grad nicht \u00fcberschreiten. Abweichungen von einem Grad, die ich an dem beschriebenen Apparat leicht absichtlich herstellen konnte, sind bei guter Ausf\u00fchrung des Versuchs sicher zu erkennen. Ich schliesse vielmehr aus den Versuchen von Herrn Hering, dass sein Auge entsprechende Schwankungen in seiner Stellung ausgef\u00fchrt hat, was namentlich dadurch bedingt sein kann, dass er das fixirte Object in 10 Zoll Entfernung vor sich hatte, und bei ein\u00e4ugiger l\u00e4ngerer Betrachtung eines so nahen Objects starke Schwankungen der Convergenz vorzukommen pflegen.\nDie Methode der Nachbilder ist unter den bisher bekannten Methoden zur Bestimmung der Stellung eines jeden einzelnen Auges, unabh\u00e4ngig vom andern, die zuverl\u00e4ssigste, wenn sie gut einge\u00fcbt ist. Sie erfordert namentlich in der Form, wie ich sie oben beschrieben habe, nicht, was mir von grossem Gewicht zu sein scheint, \u2014 dass das Auge lange in peripherischen Stellungen verweile, sondern jeder einzelne Versuch ist schnell beendet.\nAuch die iWethode von Wundt 1 benutzt die Nachbilder zur Bestimmung der Augenstellungen. Derselbe entwirft die Nachbilder auf eine verstellbare und gegen die Blicklinie immer senkrecht stehende Scheibe, die an einem beweglichen Hebelarm befestigt ist. Sein Apparat hatte Winkeltheilungen, um die oben als Longitudo, Lalitudo bezeichneten Winkel und die Raddrehung des verticalen Meridians gegen die Verticallinie abzulesen.\nPr\u00fcfung des Drehungsgesetzes mittels des blinden Flecks. Diese Methode erlaubt ebenfalls, die Stellung jedes einzelnen Auges ganz unabh\u00e4ngig vom andern zu bestimmen. Sie wurde zuerst von A. Fick 2 angewendet. An der grauen Wand eines ger\u00e4umigen Zimmers war in der H\u00f6he , in welcher sich das Aiige des auf einem Stuhle sitzenden Beobachters befand, ein geeignetes kleines Fixationsobject angebracht, ein weisser Kreis mit schwarzem zackigen Rande. F\u00fcr das Auge wurde ein etwas \u00fcber 6 Meter entfernter Standort so gew\u00e4hlt, dass die Sehlinie, wenn sie das Object fixirte, die erw\u00e4hnte Wand senkrecht traf. Unter diesem Standort .waren am Boden die Stellungen bezeichnet, welche die F\u00fcsse des Stuhls haben mussten, wenn seine vordere Kante bestimmte Neigungen gegen die Wand haben sollte. Bei allen diesen Stellungen des Stuhles blieb die Mitte zwischen den hinteren Fiissen an demselben Platze. Fick sass auf diesem Stuhle, den R\u00fccken angelehnt, den Kopf gerade aus gerichtet, und fand, dass er auf diese Weise gen\u00fcgend sicher die Medianebene des Kopfes senkrecht zu der anderen Kante des Stuhles einstellte. Um die Neigung des Kopfes gegen die Horizontale zu beurtheilen, wurde ein h\u00f6lzerner \u00fcber den Kopf gehender B\u00fc\u00b0-e! mittels zweier Schrauben in den Geh\u00f6rg\u00e4ngen befestigt und ein von seiner Mitte herab-gehender gebogener Eisenstab auf die Nasenwurzel gest\u00fctzt. Der B\u00fcgel hatte somit eine feste Lage zum Kopfe. An der in das linke Ohr gehenden Schraube hing ein Loth, das vor einem mit dem B\u00fcgel fest verbundenen Gradbogen spielte. So konnte die Neigung des Kopfes oder einer in der Medianebene gedachten Geraden gegen den Horizont bestimmt werden.\nAn der Wand war ein Blatt grauen Cartons drehbar um einen Stift im Fixationspunkte befestigt. Mittels einer \u00fcber eine Rolle laufenden Schnur konnte der Beobachtende den Carton drehen. Auf diesem war ein schwarzer Fleck gemalt, in einer solchen Entfernung, dass er bei passender Einstellung in den blinden Fleck fiel. Ein Gehiilfe las die Neigung des Kopfes, ab, und wenn eine bestimmte Neigung hergestellt war, stellte sich der Beobachter mittels der Schnur den Carton so, dass der schwarze Fleck verschwand. An einer Tangentenskala konnte die Drehung des Cartons abgelesen werden. So wurde bestimmt, um wie viel das Auge gegen seine Anfangsstellung gedreht war. Die Drehung des Stuhles mass den als Longitudo bezeichneten Winkel, der Gradbogen am Ohr die Latitudo. Es kamen bei Wiederholung der Versuche Differenzen der Raddrehungswinkel vor bis zu 3 Grad; wenn man die Stifte, die in die Ohren gesteckt waren, mit der Lehne des Stuhles fest verb\u00e4nde und einen recht hellen\n*\u25a0 Archiv f\u00fcr Ophthalmologie, Bd. VIII, 2, S. 16 und 17.\n- Moi.f.schott's Untersuchungen zur Naturlehre des Menschen, V, 193 \u2014 233.","page":520},{"file":"p0521.txt","language":"de","ocr_de":"DREHUNGSGESETZ MITTELS DES BLINDEN FLECKS GEPR\u00dcFT.\n521\n\u00a7. 27.\nweissen Fleck auf dunklem Grande gebrauchte, der der Projection des blinden Flecks an Gr\u00f6sse und Gestalt genau entspr\u00e4che, w\u00fcrde sich vielleicht eine gr\u00f6ssere Genauigkeit dieser Methode erreichen lassen.\nMeissner 1 hat den Kopf festgestellt und das Gesichtszeichen, auf welchem sich der dunkle Fleck befand, bewegt. Der Kopf wurde zu dem Ende passend so festgestellt, dass sich das Auge in dem Mittelpunkte eines verticalen halben Gradbogens von 10 Zoll Radius befand, der um seine verticale Axe um einen zu messenden Winkel gedreht werden konnte (Fick\u2019s Longitudo, Meissner\u2019s Latitudo). An dem Gradbogen verschieblich, um einen Winkel, der abgelesen werden konnte (Fick\u2019s Latitudo, Meissner\u2019s Longitudo), befand sich ein Schieber, der an seiner dem Centrum zugekehrten Seite, um eine eben dahin gerichtete Axe drehbar, die Scheibe , mit dem dunklen Flecke trug. Meissner\u2019s Resultate sind in der hier folgenden Tabelle zusammengestellt; und zwar ist der unmittelbar abgelesene Winkel, der dem k' der Gleichung 4e) entspricht, angegeben.\n\tNasenw\u00e4rts\t\t\t\tSchl\u00e4fenw\u00e4rts\t\t\n\t+30\t+20\t+10\t0\t\u2014 10\t\u201420\t\u201430\n\u2014 30\t\u2014 3\t0\t+ 2\t0\t+ 3\t+ 6\t+10\n\u2014 15\t+ 0,5\t+ 1,5\t+ 2,5\t0\t+ 1,5\t+ 3\t+ 5\n0\t+ 7'\t+ 5\t+ 4\t0\t0\t0\t0\n+ 15\t+12,5\t+ 8,5\t+ 5\t0\t\u2014 1,5\t\u2014 2,5\t\u2014 5\n-+- 30\t+19\t+13\t+ 7\t0\t\u2014 3\t\u2014 6\t\u2014 9,5\n+ 35\t+20,5\t+14\t+ 7,5\t0\t\u2014 3\t\u2014 7\t\u201410\n+ 40\t+20,5\t+14\t+ 7\t0\t\u2014 3\t\u2014 7,5\t\u201411\n\u2014H 45\t+21\t+1 4,5\t+ 7\t0\t\u2014 3\t\u2014 8\t\t4 2\n+ 50\t+21,5\t+14,5\t+ 7\t0 .\t- 3\t\u2014 8,5\t\u201413\nDer ziemlich unregelm\u00e4ssige Gang der Werthe macht es wahrscheinlich, dass Convergenz-\u00e4nderungen, die bei ein\u00e4ugiger Fixirung eines sehr nahen Objects schwer zu vermeiden sind, Einfluss gehabt haben. Meissner selbst betrachtet seine Versuche als ann\u00e4hernd \u00fcbereinstimmend mit dem Gesetze von Listing, glaubt aber, dass f\u00fcr die nasenw\u00e4rts gerichteten Stellungen eine andere Prim\u00e4rlage zu nehmen sei, die unter 45\u00b0 gegen die Horizontale nach unten gerichtet ist, f\u00fcr die nach aussen gewendeten Stellungen dagegen lieg\u00a3 die Prim\u00e4rlage in der Horizontalebene selbst. Um diess Verh\u00e4ltniss heraustreten zu lassen, hat er die Versuche noch einer Umrechnung unterworfen.\nVon Fick\u2019s Versuchen habe ich die Mittelwerthe in der folgenden Tabelle zusammengestellt.\nLongitudo\n\u2014\t29\n\u2014\t26 \u2014 21\n\u2014\t14\n\u2014\t13\n\u2014\t10\n0\n-+- 10 + 13 -+- 14 + 21 -+- 26 + 29 + 38\nLatitudo\n\u2014 33\t\u2014 30\t\u2014 28\t\u2014 14\t\u2014 11\t\u2014 6\t0\t+ 1\t+ 4\t+ 18\n\t\t\u20144\u00b0,7\t\t+3\u00bb,5\t\t\t\t+1,5\t\n\t\t 9 0\t\t+2\u00b0,5\t\t\t\t+ 2\u00b0\t\t+5\u00b0,7\n+ 2,5\t\u20144\u00b0,7\t\t+ 1,7\t\t\t0\t+0\u00b0,1\t\t\u20141\u00b0,8\n\t\t+ 7,5\t\t+3\u00b0, 4\t+2\u00b0,9\t\t\t\u20140,\u00b03\t\u20143\u00b0,3\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n45\n+0\u00b0,1\n1 Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin. Reihe 3, Bd. Vlll.","page":521},{"file":"p0522.txt","language":"de","ocr_de":"522\n\u00a7. 27.\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\nPr\u00fcfung der Augen stellu ngen mittels der Vergleichung correspondirender Bilder beider Augen. Die hierher geh\u00f6rigen Methoden lassen, wie es scheint, eine viel gr\u00f6ssere. Genauigkeit zu, als die der Methode der Nachbilder; sic k\u00f6nnen aber nur dazu dienen, die Stellungen beider Augen mit einander, zu vergleichen, nicht die Stellung eines jeden einzelnen Auges zu finden. Sie sind deshalb sehr brauchbar, um die kleinen individuellen Abweichungen der Bewegungen vom LisTiNG\u2019schen Gesetz zu finden. Auch kommt es in gewissen F\u00e4llen, namentlich f\u00fcr die Theorie des binocularen Sehens gerade wesentlich darauf an, die Differenzen in der Stellung beider Augen zu finden.\nDie erste Anwendung dieser Methoden r\u00fchrt von Meissner 1 her. Er machte darauf aufmerksam, dass, wenn man einen gerade vor sich und normal zur Blickebene gehaltenen Draht so betrachte, dass man die Augen auf einen nahe vor oder nahe hinter dem Drahte gelegenen Punkt conyergiren lasse, der Draht der Regel nach nicht in parallelen Doppelbildern erscheine, sondern in solchen, die eine gewisse Neigung gegen einander haben, und dass man den Draht selbst gegen die Visirebene neigen m\u00fcsse, um ihn in parallelen Doppelbildern zu sehen. Aus der Lage des Drahtes gegen die Visirebene ergab sich dann leicht die Stellung, welche die verticalen correspondirenden Meridiane beider Augen haben, und daraus kann man die Raddrehung des Auges wenigstens fiir die medianen Lagen des Convergenzpunktes ableiten. Meissner fand durch die nach dieser von ihm sehr sinnreich erdachten Methode ausgef\u00fchrten Untersuchungen im Wesentlichen das Gesetz von Listing best\u00e4tigt, wenn auch gewisse Fehlerquellen, die erst durch sp\u00e4tere Untersuchungen aufgefunden wurden, gewisse Correctionen seiner Resultate nothwendig machen m\u00f6chten. Erstens n\u00e4mlich kannte er noch nicht den Unterschied der scheinbar verticalen Meridiane des Auges von den wirklichen, und glaubte, der fr\u00fcher allgemein gemachten Annahme entsprechend, dass unendlich entfernte Verticallinien sich auf identischen Meridianen beider Augen abbilden m\u00fcssten, was bei den meisten Augen nicht der Fall ist. Zweitens kannte er nicht den von Volkmann aufgefundenen Einfluss der Convergenz auf die Raddrehungen jedes einzelnen Auges. Auch kann wohl die Beurtheilung des Parallelismus der Doppelbilder durch den Umstand beeintr\u00e4chtigt werden, dass das eine Ende des Drahtes dort Augen bald um eine gr\u00f6ssere, bald um eine kleinere Strecke n\u00e4her ist, was der Beobachter weiss und wahrnimmt, und dass dadurch die Anschauung des Parallelismus der Doppelbilder als zweier geneigter k\u00f6rperlichen Linien sich einstellen kann, statt der Anschauung ihres Parallelismus im Gesichtsfelde, auf die es ankommt.\nEs m\u00f6chte deshalb die von Volkmann 2 gemachte Ab\u00e4nderung des Verfahrens von Meissner zweckm\u00e4ssiger sein: Volkmann hat an einer vor den Augen gelegenen senkrechten Wand zwei Drehscheiben so angebracht, dass der Drehpunkt einer jeden in der Blicklinie des bez\u00fcglichen, auf unendliche Ferne gerichteten Auges liegt. Auf jeder Scheibe ist eine feine Linie verzeichnet, welche das Centrum der Scheibe schneidet und also mit der Umdrehung dieser ihre Lage \u00e4ndert. Zur Bestimmung der Lagenver\u00e4nderung ist im Umkreise der Scheibe ein Gradmesser angebracht. Der Beobachter betrachtet die beiden auf den Scheiben ver-zeichneten Linien unter minimaler Convergenz der Augen, so dass er sie in wenig distanten Doppelbildern sieht, und sucht diese Doppelbilder durch Drehung der einen Scheibe parallel zu stellen.\nDurch h\u00e4ufige Wiederholung solcher Einstellungen kann man sehr genaue Mittelwerthe erlangen. Volkmann hat diese Methode zwar nicht f\u00fcr verschiedene Kopfstellungen angewendet, um Schl\u00fcsse \u00fcber die Bewegungen zu machen, aber sie l\u00e4sst sich dazu anwenden, wenn man die Scheiben bei verschiedenen Kopfstellungen betrachtet.\nVolkmann\u2019s Apparat l\u00e4sst sich, wie ich gefunden habe, hierf\u00fcr noch zweckm\u00e4ssig vereinfachen. F\u00fcr die Pr\u00fcfung der Parallelstellungen meiner eigenen Augen habe ich an einer verticalen Holztafel zwei durch kleine Gewichte gespannte F\u00e4den aufgeh\u00e4ngt, einen weissen vor schwarzem Grunde und einen schwarzen vor weissem Grunde. Die Entfernung der Stifte, an denen die F\u00e4den hingen, wurde so gew\u00e4hlt, dass bei den Beobachtungen die fixirten\n1 Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Sehorgans 1851.\nPhysiologische Untersuchungen im Gebiete der Optik, Leipzig, 186L Heft 2, S, 199 \u2014 240.","page":522},{"file":"p0523.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 r,.\nDREHUNGSGESETZ DURCH BINOCULARE BILDER GEPR\u00dcFT.\n523\nMittelpunkte der F\u00e4den die Distanz meiner Augen, 68 Millimeter, hatten. Nach unten hin lehnten sich die F\u00e4den an zwei Nadeln, die in das Holz eingesteckt waren und die F\u00e4den etwas convergiren machten. Hinter der Mitte der F\u00e4den, die zu fixiren war, war eine horizontale Linie gezogen, gerade in der H\u00f6he meiner Augen. Die F\u00e4den wurden mit parallel gerichteten Gesichtslinien betrachtet, wobei sie in denselben Ort des gemeinschaftlichen Sehfeldes zu liegen kommen, und die Nadel am unteren Ende des einen wurde so lange verschoben, bis sich die F\u00e4den nicht mehr kreuzten, und bei schwacher Convergenz nicht mehr in divergenten, sondern in parallelen Bildern erschienen. Dadurch dass man den F\u00e4den verschiedene Farbe giebt, l\u00e4sst sich ihre Congruenz im Gesichtsfelde besser beurtheilen, als wenn sie gleichfarbig sind, wobei sie leicht stereoskopisch verschmelzen, selbst wenn sie sich durchaus noch nicht decken. Wenn man sie als nahe Doppelbilder sieht, so erscheinen ihre Mitten getrennt und ihre Enden vereinigt. Man muss dann darauf achten, dass die Vereinigung nach oben und nach unten hin in derselben Weise vor sich geht.\nIndem ich den Kopf vor\u00fcber und hinten\u00fcber neigte, konnte ich diese Versuche mit parallel gesenkten und parallel gehobenen Gesichtslinien wiederholen, und fand in der That kleine Abweichungen von dem durch Listing\u2019s Gesetz hierbei geforderten vollkommenen Parallelismus ihrer Stellungen, so dass der Winkel der scheinbar verticalen Meridiane bei parallel bis zur oberen Grenze des Blickfeldes gehobenen Blicklinien um 0\u00b0,3 gr\u00f6sser ist als bei parallelem tiefsten'Stande der Blicklinien, und sich hierbei im ersteren Fall das obere Ende des verticalen Meridians jedes Auges um 0\u00b0,15 mehr nach aussen gedreht findet, als in der zweiten Stellung. Bei sp\u00e4teren Wiederholungen dieser Versuche fand ich es noch vor-theilhafter, dem einen Auge als Object einen geradlinig begrenzten rothen Streifen von 3 Millimeter Breite, dem andern einen blauen Faden, beide auf schwarzem Grunde zu zeigen. Der Faden muss in der Mitte des rothen Streifens erscheinen.\nVolkmann selbst hat seine Versuche \u00fcber die Augenstellungen nach einer Ab\u00e4nderung dieser Methode ausgef\u00fchrt. N\u00e4mlich statt der Drehscheiben mit Durchmessern wendete er solche mit je einem ausgezogenen Radius an, und bem\u00fchte sich bei binocularer Betrachtung diese Radien scheinbar in eine gerade Linie zu stellen. Der Kopf wurde dabei passend festgestellt; die Drehscheiben wurden in zwei dunkle R\u00f6hren eingesetzt, welche mittels passender Gelenke beliebig gerichtet werden konnten, so dass jedes Auge durch je eine R\u00f6hre auf eine Drehscheibe hinsah, und dieselbe immer senkrecht zur Blicklinie des Auges eingestellt blieb.\nVersuche mit parallelen Gesichtslinien angestellt ergaben, dass die Abweichungen beider Augen von der durch das LiSTiNG\u2019sche Gesetz geforderten Congruenz bei Volkmann\u2019s Augen sehr gering sind. Beim Blicke gerade nach oben oder nach unten, gerade nach rechts oder links von einer Stellung aus, welche Volkmann mittels Nachbildversuchen als Prim\u00e4rstellung gefunden hatte, ergaben gar keine Differenz. Richtungen der Blicklinie schr\u00e4g nach oben oder unten dagegen gaben kleine Abweichungen. Die folgenden Zahlen sind Mittelzahlen aus je 00 Beobachtungen, wobei in je 30 der bewegliche Radius dem rechten, in je 30 anderen dem linken Auge angeh\u00f6rte, und geben die Kreuzungswinkel der scheinbar eine senkrechte gerade Linie bildenden Radien\n2\u00b0,21 2\u00b0,74 2\u00b0,92 1 \u00b0,31 1 \u00b0,41.\nPrim\u00e4rstellung :\n30 Grad nach oben rechts: Ebenso weit nach oben links:\nEbenso nach unten links: Ebenso nach unten rechts:\nDie gr\u00f6sste Abweichung von dem Winkel der Prim\u00e4rstellung ist 0\u00b0,9, was f\u00fcr jedes Auge bei gleichm\u00e4ssiger Vertheilung des Fehlers 0\u00b0,4\u00f6 geben w\u00fcrde, eine Gr\u00f6sse, die durch Versuche mit Nachbildern allerdings nicht mehr zu entdecken sein w\u00fcrde.\nVolkmann fand ferner nach derselben Methode, dass bei Convergenz auf einen 30 Centimeter entfernten Punkt in der Horizontalebene der Winkel der scheinbar verticalen Meridiane von 2\u00b0,IS bis auf 4\u00b0,16 stieg, so dass sich jedes Auge dabei um etwa einen Grad drehte,","page":523},{"file":"p0524.txt","language":"de","ocr_de":"524\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 27.\nwas bei derselben Richtung der Gesichtslinie und paralleler Stellung der anderen Gesichtslinie nicht der Fall gewesen sein w\u00fcrde.\nIch finde an meinen eigenen Augen eine sehr kleine Abweichung bei der Convergenz, aber in demselben Sinne wie Volkmann. Die Beobachtung geschah mittels eines feinen schwarzen Fadens, dessen Mitte durch ein Nadel\u00f6hr gezogen war. Die Nadel war in dem ebenen Felde einer weiss angestrichenen Th\u00fcr in der H\u00f6he meiner Augen befestigt, die Enden des Fadens \u00fcber zwei andere in gleicher H\u00f6he befestigte Nadeln geleitet und durch Gewichte gespannt. -Der Faden bildete also zwei gerade Linien, die in dem Nadel\u00f6hr unter einem ver\u00e4nderlichen Winkel zusammenstiessen. Je nachdem man die seitlichen Nadeln etwas h\u00f6her oder tiefer einsteckte, konnte man diesen Winkel nach oben oder nach unten sich \u00f6ffnen lassen. Die beiden Schenkel des Winkels blieben dabei immer in einer der Th\u00fcrfl\u00e4che parallelen Ebene. Wenn ich mit parallelen Gesichtslinien sehen wollte, hielt ich vor die mittlere Nadel einen senkrechten Streifen steifen Papiers von 68 Millimeter Breite. Bei parallelen Blicklinien treffen dann die noch sichtbaren seitlichen Theile der F\u00e4den scheinbar in der Mitte zusammen und bilden einen Winkel. Ich ver\u00e4nderte die Stellung der Nadeln so lange, bis mir dieser Winkel gleich zwei Rechten erschien, also seine beiden Schenkel in eine gerade Linie fielen. Dann fixirte ich das Oehr der Nadel aus 20 Centimeter Entfernung, w\u00e4hrend ich zwischen meinem Nasenr\u00fccken und der Nadel ein Blatt Papier so anbrachte, dass ich mit jedem.Auge nur die gleichseitige H\u00e4lfte des Fadens sehen konnte. Wenn die Fixation auch in der Prim\u00e4rstellung der Visirebene geschah, erschien mir der Faden doch nicht mehr geradlinig, sondern ich musste die eine H\u00e4lfte desselben etwas senken, damit er wieder geradlinig erschien. Die der Convergenz auf 20 Centimeter entsprechende Drehung jedes meiner Augen w\u00fcrde hiernach 17 Minuten (0\u00b0,28) betragen, w\u00e4hrend sie bei Volkmann 1 \u00b0,37 betrug.\nBei Volkmann ist diese Drehung stark genug, dass er sie- an dem Nachbilde einer gef\u00e4rbten verticalen Linie wahrnehmen kann, welche er mit einem Auge bei parallelen Blicklinien fixirt hat, wenn er das Nachbild nachher mit convergenten Blicklinien dicht neben die Linie entwirft. Dasselbe gelang auch Prof. Welcher, bei Volkmann. Ganz \u00e4hnliche Versuche hatte \u00fcbrigens auch .1: B. Schuurman 1 angestellt mit negativem Erfolge, w\u00e4hrend Prof. Don-ders bei angestrengter Convergenz Drehungen von 1\u00b0 bis 3\u00b0 bemerkte, in demselben Sinne wie Volkmann und ich. Viel deutlichere Abweichungen, durch Convergenz bewirkt, bemerkte ich, wie schon oben gesagt ist, bei der Untersuchung der Nachbilder in peripherischen Stellungen der Blicklinie.\nBestimmungen der Ansatzpunkte und Drehungsaxen f\u00fcr die Augenmuskeln. Die Wirkung dieser Muskeln ergiebt sich leicht aus ihrer Lage und Befestigung. Da ihre Sehnen alle eine Strecke \u00fcber den Augapfel hin verlaufen und sich seiner W\u00f6lbung anlegen, wie B\u00e4nder, welche \u00fcber eine Rolle laufen, so \u00fcben alle diese Muskeln einen Zug auf den Augapfel in tangentialer Richtung aus. Um die Richtung dieses Zuges genauer zu bestimmen, muss man durch den Punkt, wo sich die Sehne anlegt, eine Tangente an den Augapfel legen, welche f\u00fcr den oberen schiefen Augenmuskel nach dessen Sehnenrolle hin zu ziehen ist, f\u00fcr die \u00fcbrigen Muskeln dagegen nach ihrem kn\u00f6chernen Urspr\u00fcnge hin.\nDa der Augapfel in seiner nat\u00fcrlichen Befestigung nur Drehungen um seinen Mittelpunkt ausf\u00fchrt, so haben wir die Wirkung der Muskeln auch nur insofern zu beachten, als dadurch solche Drehungen entstehen. Wird ein K\u00f6rper, der frei um einen Punkt drehbar ist, wie der Augapfel, durch eine Kraft excentrisch angegriffen, so findet man die Richtung der daraus entstehenden Drehung, wenn man durch die Richtung der Zugkraft und durch den Drehpunkt eine Ebene legt und im Drehpunkt auf dieser ein Loth errichtet. Dieses Loth ist die Axe der betreffenden Drehung. Die Richtung des Zuges ists wie wir gesehen haben, bestimmt durch den Punkt, wo sich die Sehne an den Muskel legt, und den Punkt, wo der Muskel (oder beziehlich seine Sehnenrolle) am Knochen festsizt. Durch diese beiden Punkte und den Drehpunkt des Auges ist also jedesmal die Lage der zur Drehungsaxe normalen Ebene\n1 Yergelijkend Onderzoek der Beweging van het Oog; Academisch Proefschrift. Utrecht 1863.","page":524},{"file":"p0525.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nDREHUNGSGESKTZ DURCH BINOCULARE BILDER GEPR\u00dcFT.\n525\nbestimmt,. Wenn man also die Lage jener drei Punkte geometrisch bestimmt, l\u00e4sst sich daraus die Lage der Drehungsaxe finden.\nSolche geometrische Bestimmungen sind von Ruete 1 und A. Fick gemacht worden, R\u00fcete nahm zuerst die Sch\u00e4deldecke durch einen S\u00e4genschnitt nahe \u00fcber der Orbita weg, stellte dann den Kopf so auf, dass er die Stellung hatte, die er im Leben bei aufrechter Stellung zu haben pflegt. Darauf wurde ein S\u00e4genschnitt in der Mitte zwischen beiden Augenh\u00f6hlen perpendicular durch das Os frontis, durch die Mitte der Crista galli, der Sella turcica und den R\u00fccken der Nase so tief heruntergef\u00fchrt, dass er einen geraden, vorn \u00fcberstehenden Draht fest einlegen konnte, in einer Richtung, die mit den gerade nach vorn und horizontal gewendeten Sehaxen parallel stand, um sich sp\u00e4ter nach dieser Linie orien-tiren zu k\u00f6nnen. Darauf wurden beide Augen bis zur normalen Spannung aufgeblasen, dann horizontal parallel gerichtet und durch jedes Auge ein feiner, sehr zugespitzter Stahldraht in der Richtung der optischen Axe bis hinten in den Knochen der Orbita langsam rotirend durchgestossen, um die Augen in ihrer Lage zu fixiren. Um die Lage der Augen noch mehr zu sichern, wurde in einigen F\u00e4llen auch noch eine Decke von Gyps \u00fcber die geschlossenen Augenlider gegossen.\nDarauf wurden die Augenh\u00f6hlen vorsichtig von oben ge\u00f6ffnet und die Urspr\u00fcnge und Insertionen der Muskeln sorgf\u00e4ltig frei pr\u00e4parirt, ohne von dem dazwischenliegenden Fett mehr wegzunehmen, als zur Darstellung der genannten Punkte noting war. Die Winkel, welche die Muskeln mit der optischen Axe bildeten, wurden dadurch gemessen, dass winkelig gebogene Dr\u00e4hte angelegt wurden. Die Abst\u00e4nde der Urspr\u00fcnge und Insertionen der Muskeln vom Mittelpunkte der Augen nach oben und unten, nach rechts und links, nach hinten und vorn mass er mit dem Zirkel. Die Messungen wurden von drei Beobachtern wiederholt.\nln letzterer Beziehung m\u00f6chte es indessen wohl vorzuziehen sein, die Entfernungen der Muskel-Urspr\u00fcnge und Ans\u00e4tze, des Scheitels der Hornhaut und des Sehnerveneintritts von drei festen Punkten zu messen, wie Fick gethan hat, und danach die Coordinaten und die Lage des Mittelpunkts des Augapfels zu berechnen, da die Lage des letztem anatomisch nicht charakterisirt ist, und directe Messungen des senkrechten oder horizontalen Abstandes zweier nicht genau senkrecht oder horizontal neben einander liegender Punkte mit dem Zirkel ziemlich unsicher bleiben m\u00fcssen. Im Mittel aus den Messungen an vier K\u00f6pfen giebt Ruete folgende Werthe in Millimetern, wobei die x vom Mittelpunkt des Auges horizontal nach aussen, die y nach hinten, die 2 senkrecht nacl\u00bb oben gehen.\nRectus Superior \u201e inferior \u201e externus ,, internus Tendo obliqui superioris Obliquus inferior\n\tAns\u00e4tze\t\tUrspr\u00fcnge\t\nX\tV\t2\tX\tV\n+ 2,00\t\u2014 5,667\t+ 10\t\u2014 10,67\t+ 32\n+ 2,20\t\u2014 5,767\t\u2014 10\t\u201410,8\t+ 32\n+10,80\t\u2014 5,00\t0\t\u2014 5,4\t+ 32\n\u2014 9,90\t\u2014 6,00\t0\t\u201414,67\t.+ 32\n+ 2,00\t+ 3,00\t+ 11\t\u201414,1\t\u2014 10\n+ 8,00\t+ 6,00\t0\t\u2014 8,1\t\u2014 6\nDurchmesser des Auges = 24 Mm.\n4\n4\n0\n0\n12\n15\nDie Angaben von A. Fick sind folgende :\n\t\tAns\u00e4tze\t\tU rspr\u00fcnge\t\t\n\tX\ty\tz\tX\ty\tz\nRectus Superior\t0\t\u2014 7,9\t+ 9,1\t\u2014 16\t+31\t+ 6,5\n\u201e inferior\t0\t\u2014 7,9\t\u2014 9,1\t\u2014 17\t+30\t+ 2\n\u201e\texternus\t+ 9,1\t\u2014 7,9\t0\t\u2014 15\t+31\t+ 2\n\u201e internus\t- 9,1\t\u2014 7,9\t0\t\u2014 18\t+30\t+ 4\nObliquus superior\t+ 4,6\t+ 2,7\t+ 9,9\t\u2014 19,6\t\u201410,9\t+12,8\n\u201e inferior\t+10,4\t+ 6,0\t0\t\u2014 18\t+30 (?)\t+ 6\nSehnerveneintritt\t\u2014 3,4\t+11,5\t0\t\t\t\nScheitel der Cornea\t0\t-^-12\t0\t\t\t\n1 R\u00fcste ein neues Ophthalmolrop. Leipzig 1851.","page":525},{"file":"p0526.txt","language":"de","ocr_de":"526\nDRITTER ABSCHNITT. DIE HEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 27.\nPie Werthe von y und z f\u00fcr den Ursprung des Obliquas inferior m\u00fcssen, wie Ruete schon bemerkt hat, fehlerhaft sein; beide sind n\u00e4mlich jedenfalls negativ.\nDie Lage der Drehungsaxen h\u00e4t Ruete aus seinen Coordinatenmessungen berechnet und giebt folgende 'Werthe f\u00fcr die Winkel a, b,c, welche die (nach unserer Bezeichnung negative) Drehungshalbaxe mit den Richtungen beziehlich der positiven x, y und z macht:\n\ta\tb\tc\nR. internus\t90\u00b0\t90\u00b0\t180\"\nR. externus\t90\u00b0\t90\u00b0\t0\"\nR. superior\t161 %\t109%\t90\"\nR. inferior\t19\u00b0\t71\"\t90\u00b0\nObi. superior\t\u00f6l\u00bb\t141\"\t84%\nObi. inferior\t127\"\t37 \u00bb\u2022\t90\"\nWie die Drehungen um verschiedene Axenpaare sich zusammensetzen, ist oben er\u00f6rtert worden; da die Anschauung dieser Verh\u00e4ltnisse schwer \u00fcbersichtlich zu machen ist, hat Ruete 1 zuerst unter dem Namen Ophthalmotrop ein drehbares Modell der beiden Augen\u2019con-struirt, an welchem die Muskeln durch entsprechend gezogene F\u00e4den dargestellt sind, die durch Federn gespannt werden, und deren Verschiebungen man an einer Skale ablesen kann. Zur Versinnlichung der Vorg\u00e4nge wird in der Regel die von Knapp vereinfachte Form des Instruments gen\u00fcgen, welche in Fig. 168 dargestellt ist. Die beiden .k\u00fcnstlichen Aug\u00e4pfel\nsind mittels eines Kugelgelenks um ihren Mittelpunkt drehbar; der Aequator, die Hornhaut, der verticale und horizontale Meridian sind auf ihnen angegeben, und starke seidene F\u00e4den verschiedener Farbe an denjenigen Stellen befestigt, wo sich die Muskeln am Augapfel befestigen. Damit die F\u00e4den die Richtung der Muskeln erhalten, sind vier von ihnen, welche den vier geraden Augenmuskeln entsprechen, durch vier nahe neben einander liegende L\u00f6cher des Brettchens A gezogen, und h\u00e4ngen hinter dem Brettchen durch Gewichte ausgespannt herab. Zwei von den F\u00e4den FiS- 168.\taber, die den beiden schiefen\nAugenmuskeln .an jedem Auge\nentsprechen, sind \u00fcber die kleinen Rollen am oberen und unteren Ende des verticalen Messingbalkens B gezogen und dann um die Rollen herum nach der Mitte des Brettchens A geleitet, wo sie ebenfalls durch L\u00f6cher gehen und durch Gewichtchen gespannt sind. Die gleichnamigen Muskeln beider Augen sind durch gleichfarbige F\u00e4den dargestellt. Macht man nun mit einem oder beiden Aug\u00e4pfeln eine beliebige Drehung, so werden diejenigen F\u00e4den angezogen, welche Muskeln entsprechen, die bei der betreffenden Bewegung des Auges g\u00e8dehnt werden, und also der Bewegung widerstehen w\u00fcrden. Umgekehrt werden diejenigen F\u00e4den nachlassen und ihre Gewichte sinken, deren entsprechende Muskeln am Auge sich bei den betreffenden\n1 Ein neues Ophthalmotrop. Leipzig 1857. \u2014 Das Ophthalmotrop. dessen Bau und Gebrauch. G\u00f6ttingen 1845, aus dem ersten Bande der G\u00f6ttinger Studien.","page":526},{"file":"p0527.txt","language":"de","ocr_de":"GESCHICHTE DES DREHUNGSGESETZES.\n527\n\u00a7\u2022 27.\nBewegungen verk\u00fcrzen, und die also im Stande sind, die Bewegung hervorzubringen oder zu unterst\u00fctzen. Indem man also darauf achtet, welche Gewichte und um wie viel sie herabsteigen, kann man unmittelbar sehen, welche Muskeln und mit welcher Intensit\u00e4t etwa in Th\u00e4tigkeit versetzt werden m\u00fcssen, um die betreffende Bewegung hervorzubringen. F\u00fcr Demonstrationen und namentlich um schnell eine Uebersicht \u00fcber die oft sehr verwickelten Verh\u00e4ltnisse der pathologischen Abweichungen zu gewinnen, ist der Apparat sehr geeignet.\nEin anderes Op hthalmotr o p hat Wundt 1 construirt, an welchem die F\u00e4den mit Spiralfedern verbunden sind, deren Kraft und L\u00e4nge denen der Augenmuskeln m\u00f6glichst proportional gemacht worden sind, und an welchem der Augapfel von selbst die den Versuchen von Wundt \u00fcber die Augenstellungen entsprechende Richtung annimmt, wenn seine der Blicklinie entsprechende Axe in die verlangte Stellung \u00fcbergef\u00fchrt wird. Wundt hat dies Modell namentlich zur Erl\u00e4uterung seines Princips von der geringsten Anstrengung benutzt, aus welchem er das Gesetz der Augenbewegungen herleitete.\nDie ersten Untersuchungen \u00fcber Bewegung der Augen bezogen sich auf die Lage des Drehpunkts. Jon. M\u00fcller 2 meinte noch, dass der Drehpunkt des Auges in der Mitte seiner Hinterfl\u00e4che liegen m\u00fcsste, eine Meinung, die auch von Tourtual 3 und Szokalsky 4 ver-theidigt wurde. Volkmann 6 suchte mittels seines Gesichtswinkelmessers den Kreuzungspunkt der Richtungslinie zu ermitteln und den Drehpunkt, wie oben S. 88 schon auseinandergesetzt ist, zu bestimmen; er glaubte, dass beide Punkte zusammenflelen; der Punkt, den er bestimmte , war in Wirklichkeit wohl der Drehpunkt, der nach ihm 8,6\"' hinter der Hornhaut liegen sollte. Der daran sich kn\u00fcpfende Streit mit Mile, Knochenhauer, Stamm und Burow ist ebenfalls schon oben erw\u00e4hnt. Der Letztere machte genauere Bestimmungen des Drehpunktes c. Fik den Abstand dieses Punktes von der Hornhaut fand er im Mittel von 40 Beobachtungen 5,42\"' mit einer gr\u00f6ssten Abweichung von 0,8'\". Valentin 1 2 3 * 5 6 7 wiederholte diese Versuche, sowohl f\u00fcr horizontale, als f\u00fcr verticale Bewegungen, und fand im ersten Fall im Mittel 5,501\"', im letzteren 5,08'\". Sehr viel sp\u00e4ter folgten die oben erw\u00e4hnten Untersuchungen von Junge (in russischer Sprache ver\u00f6ffentlicht) und von Donders und D. Douer 8.\nAuch die Untersuchungen \u00fcber die Raddrehung hat Joh. M\u00fcller begonnen 9. Er sagt, dass er mittels verschiedener Punkte auf dem Augapfel, die er mit Tinte auf dem Weissen desselben bezeichnet hatte, habe erkennen k\u00f6nnen, dass das Auge w\u00e4hrend seiner Bewegungen nicht um seine L\u00e4ngsaxe gedreht werde. Diese Meinung blieb die herrschende unter den Physiologen, bis eine Arbeit von Hueck 10 den Anstoss zu vielen Untersuchungen gab. IIueck versuchte eine schon von Hunter ge\u00e4usserte Meinung zu vertheidigen, n\u00e4mlich dass bei der Neigung des Kopfes nach der Schulter eine entgegengesetzte Drehung des Auges um die Gesichtsaxe stattfinden sollte. Diese Drehung schreibt er den schr\u00e4gen Augenmuskeln zu. Er meinte sich von der Richtigkeit seiner Behauptung \u00fcberzeugt zu haben, indem er sowohl bei sich selbst, wie bei anderen, die Verschiebungen der Conjunctival-Gef\u00e4sse bei Bewegungen des Kopfes beobachtete.\nDie von Hueck aufgestellten Behauptungen wurden von den meisten Physiologen als richtig angenommen. Obgleich Tourtual 11 12 13 14 mit Recht bemerkte, dass die Axendrehung f\u00fcr die Functionen des Gesichts durchaus nicht nothwendig sei, und obgleich Ritterich und Ruete Widerspruch gegen die Thatsache erhoben, so wurde die Meinung von Hueck doch von Tourtual, Burow 12, Valentin 13, Krause 14 und Volkmann 15 vertheidigt. Tourtual selbst \u00fcberzeugte sich schon, indem er die Stellung des blinden Flecks untersuchte, dass die schein-\n1\tArchiv f\u00fcr Ophthalmologie, VIII. 2, 8S.\n2\tZur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinns. Leipzig 1826. S. 254.\n3\tM\u00fcller\u2019s Archiv 1840. S. XXIX.\n* C. R. 1843.\n5\tNeue Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtssinns. 1836. S. 33.\n6\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie und Physik des menschlichen Auges. 1842.\n7\tLehrbuch der Physiologie des Menschen-Bd. I\u00cf, 1844.\n3\tArchiv f\u00fcr die Holl\u00e4ndischen Beitr\u00e4ge zur Natur - und Heilkunde. 1863, III, 560.\n3 Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinns. 1826. S. 254.\n10 Die Achsendrehung des Auges. 1838.\n\u201c MiiLLERk\u00e4 Archiv 1840, S. LV und LIX; 1846. S. 346.\n12\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie des Auges. S. 8.\n13\tRepertorium 1842. S. 407. Lehrbuch der Physiologie II. 332.\n14\tHandbuch der Anatomie. 1843, S. 550.\n13 Artikel Sehen in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch S. 273.","page":527},{"file":"p0528.txt","language":"de","ocr_de":"528 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. -27.\nbare Drehung des Auges im Kopfe wenigstens nicht zureiche, um die Orientirung der Meridiane des Auges ganz unver\u00e4ndert zu lassen. Ruete 1 bewies mittels der Nachbilder, dass eine Drehung des Auges bei Neigungen des Kopfes (und unver\u00e4nderter Stellung des Auges im Kopfe) \u00fcberhaupt nicht eintrete. Donders 2 benutzte diesen Gedanken von Ruete zu einer eingehenderen Pr\u00fcfung des Gegenstandes. Er wies zun\u00e4chst nach, wodurch Hueck bei seinen Beobachtungen get\u00e4uscht worden war; dass er n\u00e4mlich nicht hinreichend darauf geachtet hatte, die Stellung des Auges im Kopfe unver\u00e4ndert zu erhalten, w\u00e4hrend er die Stellung des Kopfes selbst \u00e4nderte, und dass die von ihm beobachteten Drehungen von dem ersteren, nicht vom letzteren Umstande abhingen. Er fand ferner, dass die Nachbilder verticaler Objecte bei rein horizontalen und rein verticalen Bewegungen der Augen parallel bleiben, aber bei schr\u00e4g seitlich gerichteten Hebungen und Senkungen sich schr\u00e4g stellen. Ein bestimmtes Gesetz f\u00fcr die Gr\u00f6sse dieser Schiefstellung hat er nicht aufgestellt.\nEin solches Gesetz war indessen- von Listing 3 aufgestellt worden, und zwar dasjenige, welches f\u00fcr die meisten normalsichtigen Augen in der That sehr genau zuzutreffen scheint. Er hat .aber keinen Beweis daf\u00fcr gegeben und es nicht einmal selbst ver\u00f6ffentlicht. Meissner 1 2 3 4 5 unterwarf dieses Gesetz zuerst einer empirischen Pr\u00fcfung mittels der Methode der Doppelbilder und fand es im Wesentlichen durch seine Versuche best\u00e4tigt; er suchte die Bedeutung des Listing\u2019sehen Gesetzes daraus herzuleiten, das dasselbe den gr\u00f6ssten Horopter gebe, ein Punkt, der weiter unten zu besprechen ist.\nNach einer anderen Erkl\u00e4rung des Raddrehungsgesetzes suchten Fick 5 und Wundt 6, die auf das LiSTiNG\u2019sche Gesetz weiter keine R\u00fccksicht genommen haben, und von denen der erstere mittels des blinden Flecks, der letztere durch Nachbilder die Stellungen seines Auges bestimmte. Sie waren der Ansicht, dass der Augapfel denjenigen Grad der Raddrehung annehme, der es erlaube, die verlangte Richtung der Gesichtslinie mit der kleinsten Muskelanstrengung herzustellen. Dieser Satz ist h\u00f6chst wahrscheinlich richtig, obgleich unsere Kenntniss der Bedingungen, von denen die Muskelanstrengung abh\u00e4ngt, noch nicht gen\u00fcgt, die Berechnung auf sicheren Grundlagen durchzuf\u00fchren. Wundt hat auch eine Art Ophthal-motrop, ein Modell des um einen Punkt drehbaren Auges hergestellt, an welchem die Augenmuskeln durch Messingfedern von entsprechender L\u00e4nge und St\u00e4rke ersetzt waren, und an dem die Drehungen des Augapfels f\u00fcr die verschiedenen Lagen der Gesichtslinie den Beobachtungen von Wundt an seinen eigenen Augen ziemlich gut entsprechend eintreten.\nIn Anbetracht des Umstandes aber, dass die St\u00e4rke der Muskeln selbst w\u00e4hrend des individuellen Lebens den von ihnen verlangten Leistungen sich anpasst, schien mir dies Princip, selbst wenn es sich als factisch richtig bew\u00e4hren sollte, nicht den eigentlichen letzten Grund .des Gesetzes enthalten zu k\u00f6nnen. Ich fand bei der Pr\u00fcfung des LisTiNG\u2019schen Gesetzes mit H\u00fclfe von Nachbildern dieses f\u00fcr meine eigenen Augen und f\u00fcr die einiger anderer normalsichtiger Beobachter mit grosser Genauigkeit zutreffend; dasselbe best\u00e4tigte die Pr\u00fcfung mit Doppelbildern f\u00fcr mein eigenes Auge. Ich suchte die Alethode namentlich so zu ver\u00e4ndern, dass die Stellung des Kopfes besser gesichert war, und dass Erm\u00fcdung der Muskeln durch Winkelmessungen in seitlichen Stellungen des Auges vermieden wurde, und suchte den Grund des Gesetzes in dem oben gegebenen Prineipe der leichtesten Orientirung 7. Einw\u00e4nde gegen die Methode der Beobachtung und gegen die Begr\u00fcndung des Gesetzes, welche E. Hering 8 aufstellte, habe ich oben zu beseitigen gesucht. Die oben mitgetheilten Angaben von Volkmann r\u00fchren zum grossen Theil aus noch ungedruckten brieflichen Mittheilungen her.\n18*26.\n1836.\n1838.\n1840.\n. 1842.\nJoh. M\u00fcller zur vergleichenden Physiologie des Gesichtsinns. Leipzig. S. 2S4. Volkmann neue Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtsinns, S. 33.\nHueck die Achsendrehung des Auges. Dorpat.\nTourtual, M\u00fcller\u2019s Archiv f\u00fcr Anatomie und Physiologie, 1840, im Jahresbericht ; S.XX1X; LV; LIX.\nBurow Beitr\u00e4ge zur Physiologie und Physik des menschlichen Auges. Berlin.\n1\tLehrbuch der Ophthalmologie , S. 14. Das Ophthalmotrop 1846. S. 9.\n2\tNederlandsch Lancet. 1846 August. Holl\u00e4ndische Beitr\u00e4ge zu den anat. und physiol Wissenschallen. 1848. I 105-143 ; 384\u2014 386.\n3\tRuete Lehrbuch der Ophthalmologie; Ein neues Ophthalmotrop. 1857.\n4\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie des Sehorgans 1851. Archiv f\u00fcr Ophtalmologie II. 1855.\n5\tMolescbott Untersuchungen Bd. V, S. 193. 1858; Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medizin 1854. IV, S. 801.\n* Graefe\u2019s Archiv f\u00fcr Ophthalmologie VIII, 1862. S. 1 \u2014114.\n\u2019 Archiv f\u00fcr Ophthalmologie, IX , 153\u2014214.\na Beitr\u00e4ge zur Physiologie. Leipzig 1864. S. 248\u2014286.","page":528},{"file":"p0529.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. \"28.\nI.OCALISIRUNG IM GESICHTSFELDE.\n529\n\u25a01842. Valentin Repertorium 1842. S. 407.\n\u2014\tC. F. Krause Handbuch der menschlichen Anatomie. S. 5S0.\n1843.\tSzokalsky in C. It. 1843.\n1844.\tValentin Lehrbuch der Physiologie des Menschen. II, 332.\n1846.\tTourtual in M\u00fcller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. 1846. S. 346.\n\u2014\tRuete Lehrbuch der Ophthalmologie, S. 14. Das Ophthalmotrop, S. 9. G\u00f6ttingen.\n\u2014\tF. C. Donders in Nederlandsch Lancet. 1846 August.\n\u2014\tVolkmann Artikel \u201eSehen\u201c in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch der Physiologie, 111 337 \u2014 358.281 \u2014290.\n1847.\tF. C. Donders Beitrag zur Lehre von den Bewegungen des menschlichen Auges, in den Holl\u00e4ndischen Beitr\u00e4gen zu den anat. und physiol. Wissenschaften I 104 \u2014 145; 384 \u2014 386.\n1854.\tG. Meissner Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Sehorgans. Leipzig.\n\u2014\tCzermak \u00fcber Abh\u00e4ngigkeit der Accommodation und Convergenz Wiener Ber XII 337 \u2014 358; XV 438\u2014454.\n\u2014\tA. Fick die Bewegungen des menschlichen Augapfels, in Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin IV ,801.\n1855.\tG. Meissner die Bewegungen des Auges, im Archiv f\u00fcr Ophthalmologie, II, 1\u2014123.\n1857.\tRuete ein neues Ophthalmotrop. Leipzig.\n1858.\tA. Fick Neue Versuche \u00fcber die Augenstellungen, in Moleschott\u2019s Untersuchungen zur Naturlehre des Menschen, V, 193.\n1859.\tG. Meissner Leber die Bewegungen des Auges, nach neuen Versuchen, Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin, VIII, 1.\n\u2014\tJ. v. Recklinghausen Netzhautfunctionen, Archiv f\u00fcr Ophthalmologie, V, 2. p. 127.\n\u2014\tW. Wundt Leber die Bewegungen des Auges, Verhandl. des naturhist.- medicin. Vereins zu Heidelberg.\n1862 W. Wundt \u00fcber die Bewegungen der Augen, Archiv f\u00fcr Ophthalmologie, VIII, 2, p. 1 \u2014 87.\n\u2014\tDerselbe, Beschreibung eines k\u00fcnstlichen Augenmuskelsystems zur Untersuchung der Bewegungsgesetze des menschlichen Auges. Ebenda VIII, 2. p. 88\u2014114.\n\u2014\tF. C. Bonders und D. Dojer die Lage des Drehpunktes des Auges, Archiv f\u00fcr die Holl\u00e4ndischen Beitr\u00e4ge III, 560.\n1863.\tH. Helmholtz \u00fcber die normalen Bewegungen des menschlichen Auges, Archiv f\u00fcr Ophthalmologie IX. 2, p. 153 \u2014 214.\n\u2014\tE. Hering Beitr\u00e4ge zur Physiologie 3tes und 4tes Heft. Leipzig (Kritisches gegen Meissner und Helmholtz).\n\u2014\tJ. B. Sch\u00fcurman vergelijkend Onderzoek der Beweging van het Oog bij Ernme-tropie en Ametropie, Dissert, Utrecht.\n1864.\tGiraud Teulon in C. li. LVIII, p. 361 (\u00fcber Drehpunkt).\nAusserdem Meissner\u2019s Jahresberichte \u00fcber die Fortschritte der Physiologie in der Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin von 1 856 ab.\n;. 28. Das monoculare Gesichtsfeld.\nBei dem gew\u00f6hnlichen Gebrauche unserer Augen sehen wir mit ihnen beiden zugleich, indem wir sowohl sie selbst im Kopfe hin und herbewegen, als auch von Zeit zu Zeit unsern Kopf und unsern ganzen K\u00f6rper im Raume seinen Ort wechseln lassen. Dabei pflegen wir die Augen in der Weise herumschweifen zu lassen, dass beide bald diesen, bald jenen Punkt der vor uns liegenden Objecte fixiren, das heisst, beide sich so wenden, um das Bild des flxirten Punktes gleichzeitig auf den Centren der Netzh\u00e4ute zu empfangen. Indem wir die Augen so gebrauchen, sind wir im Stande, richtige Wahrnehmungen des Ortes derjenigen gesehenen Gegenst\u00e4nde zu gewinnen, von denen das Licht ungest\u00f6rt in seinem geradlinigen Wege zu unserem Auge gelangt.\nIn der That l\u00e4sst sich nach den im zehnten Paragraphen er\u00f6rterten Gesetzen der Lichtbrechung im Auge einsehen, dass wenn bekannt ist die Stellung des K\u00f6rpers und des Kopfes, ferner die Stellung beider Augen im Kopfe, und\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t34","page":529},{"file":"p0530.txt","language":"de","ocr_de":"530\nDRITTER ABSCHNITT. DIU LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGHN.\n\u00a7. 28.\nsomit auch die Lage ihrer Knotenpunkte, endlich die Orte der beiden Netzh\u00e4ute, welche von den Bildern desselben leuchtenden Punktes getroffen werden, dass dann auch eindeutig bestimmt werden kann der Ort, wo der leuchtende Punkt sich wirklich befindet. Denn man ziehe von dem Netzhautbilde jedes Auges eine gerade Linie durch den Knotenpunkt, und verl\u00e4ngere sie. Beide Richtungslinien werden sich nur in einem Punkte schneiden k\u00f6nnen, und nur in diesem Punkte wird sich das leuchtende Object befinden k\u00f6nnen.\nVon der Genauigkeit der einzelnen oben geforderten Bestimmungen wird es \u00fcbrigens abh\u00e4ngen, mit welcher Genauigkeit der Ort des gesehenen Objects im Raume wirklich bestimmt wird.\nWenn also gegeben sind:\n1)\tEmpfindungen, welche gen\u00fcgen, um eine richtige Kenntniss zu gewinnen von der Stellung unseres K\u00f6rpers und Kopfes gegen eine beliebig f\u00fcr die Abmessungen gew\u00e4hlte Grundlage, zum Beispiel den Fussboden, auf dem wir stehen,\n2)\tEmpfindungen, welche zu einem richtigen Urtheil \u00fcber die Stellung unserer Augen im Kopfe gen\u00fcgen,\n3)\tMomente in der Empfindung (sogenannte Localzeichen), durch welche wir die Reizung der von dem Lichte des Objectpunktes A gereizten beiden Netzhautstellen von der Reizung aller anderen Netzhautstellen unterscheiden k\u00f6nnen (von welcher Art diese letzteren sind, dar\u00fcber wissen wir gar nichts; dass dergleichen da sein m\u00fcssen, schliessen wir eben nur aus dem Umstande, dass wir Lichteindr\u00fccke auf verschiedenen Theilen der Netzh\u00e4ute zu unter-\n\u2018 scheiden verm\u00f6gen),\nso ist hinreichendes Material gegeben, um den Ort des Punktes A im Raume unzweideutig daraus bestimmen zu k\u00f6nnen. Bef\u00e4nde sich der Punkt A an irgendeinem andern Orte des Raums, so w\u00fcrde er ein anderes Aggregat von Empfindungen erregen m\u00fcssen. Die Erfahrung lehrt nun, dass wir im Allgemeinen auch wirklich durch das Gesicht die Orte der gesehenen Objectpunkte richtig bestimmen k\u00f6nnen. Die Genauigkeit dieser Bestimmung ist freilich eine wechselnde und h\u00e4ngt namentlich davon ab, wie nahe in beiden Augen die Bilder des Punktes A dem Centrum der Netzhautgrube liegen.\nWir werden nun also zu untersuchen haben, wieviel die genannten Momente der Empfindung einzeln genommen zu der genauen Wahrnehmung des Ortes der Objecte beitragen. Wir werden dabei nicht weiter untersuchen, von welchen Empfindungen die Beurtheilung der Stellung des K\u00f6rpers zum Fussboden und des Kopfes zum K\u00f6rper abh\u00e4ngig ist; die Untersuchung dar\u00fcber geh\u00f6rt in die Physiologie der Sinneswahrnehmungen \u00fcberhaupt, nicht in die des Gesichtssinnes. Wir nehmen also an, dass die Stellung des Kopfes gegen die zu Grunde gelegte Basis der r\u00e4umlichen Abmessungen in jedem Falle genau bekannt sei. Dann bleibt also zu untersuchen, wieviel zur Erkenntniss des Ortes der Objecte beitragen\n1)\tBewegungen des Kopfes\n2)\tBewegungen der Augen im Kopfe\n3)\tSehen mit einem Auge\n4)\tSehen mit beiden Augen.","page":530},{"file":"p0531.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\n531\nDIE FL\u00c4CHENHAFTE ANORDNUNG IM GESICHTSFELDE.\nWir beginnen unsere Untersuchung damit, dass wir feststellen, was beim Gebrauche nur eines Auges und beim Ausschluss aller Bewegungen des Kopfes erkannt werden k\u00f6nne. Die Bewegungen des betreffenden Auges im Kopfe dagegen werden in dem vorliegenden Abschnitte im Allgemeinen nicht ausgeschlossen.\nZun\u00e4chst ist klar, dass wenn gegeben ist Ort und Stellung eines Auges, und der Ort des Netzhautbildes eines leuchtenden Punktes, f\u00fcr den das Auge accommodirt ist, so k\u00f6nnen wir von seinem Netzhautbilde eine gerade Linie durch den Knotenpunkt des Auges ziehen, und wissen zun\u00e4chst, dass der leuchtende Punkt vor dem Auge in dieser Linie liegen m\u00fcsse. In welchem Punkte dieser Linie er aber liege, bleibt nothwendig unbekannt, wenn wir keine anderen Hilfsmittel zur Entscheidung dar\u00fcber haben. Zwar k\u00f6nnte man an die Accommodation des Auges denken. W\u00e4re das Auge m\u00f6glichst gut f\u00fcr den Punkt accommodirt, so w\u00fcrde m\u00f6glicher Weise der Grad der Accommodations-anstrengung, oder die Gr\u00f6sse des vorhandenen Zerstreuungskreises Aufschluss \u00fcber die Entfernung geben k\u00f6nnen. Wir werden im Paragraphen 30 untersuchen, welche Hilfsmittel beim monocularen Sehen f\u00fcr die Beurtheilung der Entfernung noch vorhanden sind, und dabei sehen, dass die Accommodation in der That ein ausserordentlich unvollkommenes Hilfsmittel f\u00fcr die Beurtheilung der Entfernung ist. Wenn wir also von den kleinen Unterschieden in der Sch\u00e4rfe des Bildes absehen, welche durch wechselnde Accommodation hervorgebracht werden k\u00f6nnen, so ist kein anderes Moment in der Empfindung vorhanden, welches dar\u00fcber Aufschluss g\u00e4be, in welcher Entfernung der leuchtende Punkt liegt.\nOben wurde vorausgesetzt, das Auge sei genau accommodirt f\u00fcr den leuchtenden Punkt. Dann k\u00f6nnen wir, um seine Richtung zu finden, von seinem Netzhautbilde, wie oben vorgeschrieben ist, die gerade Richtungslinie durch die Knotenpunkte ziehen, oder aber auch jedem anderen Strahle folgen, der von irgend einem Punkte der Pupille nach dem Netzhautbilde hinl\u00e4uft. Wenn wir die Brechung eines solchen Strahls nach den im zehnten Paragraphen gegebenen Regeln richtig construiren, um seinen Weg vor dem Auge zu finden, wird uns jeder solcher Strahl schliesslich zu dem leuchtenden Punkte zur\u00fcckf\u00fchren, von dem er ausgegangen ist. In diesem Falle bleibt es also gleichgiltig, welchen von den in die Pupille gefallenen Strahlen wir w\u00e4hlen, um die Richtung zu bestimmen, in welcher der leuchtende Punkt liegt.\nDies ist aber nicht mehr gleichgiltig, wenn wir auf der Netzhaut Bilder von leuchtenden Punkten haben, f\u00fcr welche das Auge nicht ganz genau accommodirt ist. In solchen F\u00e4llen d\u00fcrfen wir den Mittelpunkt des Zerstreuungskreises als den Ort des Netzhauthildes betrachten 1. Der Strahl aber, welcher von dem leuchtenden Punkte nach der Mitte des eventuellen Zerstreuungskreises hingeht, geht, wie schon oben S. 93 bemerkt, durch den Mittelpunkt der Pupille und ist mit dem Namen einer Visirlinie belegt worden. Wenn sich der\n1 Es ist hier nur von leuchtenden Punkten die Rede; dass es sich an den R\u00e4ndern leuchtender Fl\u00e4chen anders verh\u00e4lt, ist bei der Lehre von der Irradiation \u00a7.21 aiiseinandergesetzt.\n34 *","page":531},{"file":"p0532.txt","language":"de","ocr_de":"DR1TTKR ABSCHNITT. PIK 1.K1IRK VOX DT.N OKSICHTSWAIIRNI HMUNOI'.N.\n53-2\n\u00a7. 28.\nleuchtende Tunkt l\u00e4ngs dieser Visirlinie hin und her bewegen w\u00fcrde, so w\u00fcrde sich in der Empfindung nichts ver\u00e4ndern, als dass das Zerstreuungshild desselben kleine 'Vergr\u00fcsserungen und Verkleinerungen erlitte, welche selbst bei sehr bedeutendem Wechsel der Entfernung unmerklieh klein sein k\u00f6nnten.\nEs l\u00e4sst sich ferner zeigen, dass auch durch eintretende Accommodation des Auges f\u00fcr die N\u00e4he der Mittelpunkt der Zerstreuungskreise auf der Netzhaut seinen Ort nicht merklich ver\u00e4ndert. Die darauf bez\u00fcgliche Rechnung wird am Ende dieses Paragraphen gegeben werden.\nEin nun zur Anschauung zu bringen, was wir mit einem Auge ohne Hilfe von Bewegungen des Kopfes und ohne Ber\u00fccksichtigung der Accominodations-untersehiede von der Aussenwelt erkennen k\u00f6nnen, dazu sind namentlich sein-weit entfernte Gegenst\u00e4nde als Gesichtsobjecte die passendsten Beispiele. Denn hei sehr weit entfernten Objecten bringen massige Bewegungen unseres Kopfes keine andere Ver\u00e4nderung des Bildes hervor, als wir auch durch Drehungen das Auges allein hervorbringen k\u00f6nnen. Ja, beim Anblick unendlich entfernter Objecte ist es sogar gleichg\u00fcltig, ob wir das zweite Auge ebenfalls \u00f6ffnen, oder nicht. Denn der Gebrauch des zweiten Auges giebt uns nur dann ein neues verwertlibares Moment der Empfindung, wenn die in ihm gezogene Visirlinie die des ersten Auges irgendwo in einer messbaren Entfernung schneidet. Wenn beide Linien merklich parallel sind und neben einander in unabsehbare Entfernung hinauslaufen, so giebt uns das keinen Aufschluss \u00fcber die wirkliche Entfernung des leuchtenden Objectes, ausser dem negativen, dass es jenseits einer gewissen Grenze der Entfernung liegen muss.\nBetrachten wir weit entfernte irdische Gegenst\u00e4nde, so kann uns die fr\u00fcher gewonnene Bekanntschaft mit ihrer wirklichen Form und Entfernung, Farbe u. s. w. noch mancherlei Hilfe in der Deutung unseres Gesichtsfeldes gew\u00e4hren. Wollen wir uns von allen diesen Hilfsmitteln fr\u00fcherer Erinnerung frei machen, so bietet sich uns ein Object dar, was f\u00fcr diese Untersuchung in ausgesuchter Weise passt, n\u00e4mlich der gestirnte Himmel. An dem finden wir Objecte, von deren Form, Gr\u00f6sse und Entfernung uns durchaus keine fr\u00fchere Anschauung unterrichtet hat, f\u00fcr deren Wahrnehmung der Gebrauch beider Augen und die etwa von uns ausgef\u00fchrten Bewegungen durchaus nicht weitere sinnliche Momente gew\u00e4hren, als ein einzelnes Auge gew\u00e4hren kann, dessen Ort im Raume unver\u00e4ndert bleibt.\nUnter diesen Umst\u00e4nden erscheinen uns die Objecte, welche in der That im Raume nach drei Dimensionen vertheilt sind, nur noch nach zwei Dimensionen ausgebreitet. Wir sind nur noch in>*Stande, die Richtung der Visirlinie zu erkennen, die zu jedem einzelnen gesehenen Punkte hinf\u00fchrt. Eine solche Richtung braucht zu ihrer Festsetzung nicht mehr drei Bestimmungsst\u00fccke, wie ein Punkt, sondern nur zwei; wie denn auch die Sterne in ihrer Lage bestimmt werden durch je zwei Winkel, entweder ihre L\u00e4nge und Breite im Verh\u00e4ltniss zum Pol und Aequator, oder ihre Rectascension und Declination im Verh\u00e4ltniss zur Ekliptik.\nEine Raumgr\u00f6sse von zwei Dimensionen ist eine Fl\u00e4che; in einer solchen ist die Lage der Punkte festgestellt durch je zwei Bestimmungsst\u00fccke. Wenn","page":532},{"file":"p0533.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. \u201d28.\tDIE FL\u00c4CHENHAFTE ANORDNUNG 151 GESICHTSFELDE.\t533\nwir also beim Sehen mit einem Auge, dessen Drehpunkt seinen Ort im Raum nicht wechselt, die eine Dimension, die Entfernung, nicht zu unterscheiden verm\u00f6gen, so k\u00f6nnen wir die Objecte nicht mehr im Raume, sondern nur noch wie an einer Fl\u00e4che vertheilt sehen. Diese scheinbare fl\u00e4chenartige Anordnung der gesehenen Objecte nennen wir das Gesichtsfeld. So sehen wir zum Beispiel die Sterne an der imagin\u00e4ren Fl\u00e4che des Himmelsgew\u00f6lbes vertheilt.\nIch bitte den Leser darauf zu achten, dass ich nicht gesagt habe, die Gegenst\u00e4nde erschienen uns an oder auf einer Fl\u00e4che vertheilt, sondern nur wie an einer Fl\u00e4che, in fl\u00e4chenartiger Anordnung, in einer nach zwei Dimensionen unterschiedenen Anordnung. In der That stellen wir uns nicht noth wendig eine bestimmte Fl\u00e4che in bestimmter Entfernung vor, an der die Sterne oder die fernen Berge des Horizonts angeheftet w\u00e4ren, wenn auch das eherne Himmelsgew\u00f6lbe und die krystallinischen Sph\u00e4ren der alten Zeit der nat\u00fcrliche Ausdruck f\u00fcr eine kindlichere Art der Anschauung sind, in der man Alles recht greifbar zu machen suchte. Es ist dadurch manche Schwierigkeit in die physiologische Optik gekommen, dass man glaubte, in jedem Falle eine bestimmte Fl\u00e4che, meist eine Kugelfl\u00e4che, als das zeitweilige Gesichtsfeld jedes Auges annehmen zu m\u00fcssen. Man kann sich jede Function von zwei Variablen auf einer Fl\u00e4che darstellen. So haben wir im 20ten Paragraphen die Farben gleicher Helligkeit nach gewissen Regeln auf der Farbenscheibe dargestellt. Die beiden Variablen, nach denen die Farbe sich unterscheidet, sind hierbei der Farbenton und der S\u00e4ttigungsgrad gewesen. Gehen wir durch eine continuirliche Reihe von Farbent\u00f6nen von einer Anfangsfarbe aus und zu derselben wieder zur\u00fcck (das heisst, ziehen wir eine geschlossene Linie in der Farbenscheibe), so zerf\u00e4llt dadurch die Gesammtheit der Farben in zwei vollst\u00e4ndig getrennte Gruppen (die ausserhalb und innerhalb jener Linie dargestellt sind), und wir k\u00f6nnen nicht von einer Farbe der einen Gruppe continuirlich zu einer der andern Gruppe \u00fcbergehen, ohne durch eine der zuerst ber\u00fchrten Farben (die in der geschlossenen Linie liegen) hindurchzugehen. Dies letztere ist nun auch die Charakteristik einer einfach zusammenh\u00e4ngenden Fl\u00e4che; jede geschlossene Linie, die wir in ihr ziehen, tlieilt sie in zwei Theile, und wir k\u00f6nnen nicht von einem Punkte des einen Theils zu einem des andern hi der Fl\u00e4che \u00fcbergehen, ohne durch jene geschlossene Linie durchzugehen. Eben wegen dieser Analogie machen wir uns das System der Farben anschaulich, indem wir sie auf einer Fl\u00e4che ausgebreitet darstellen, und mehr will es zun\u00e4chst auch nicht sagen, wenn wir die Objecte auf die imagin\u00e4re Fl\u00e4che des Gesichtsfeldes, deren Ort im Raume \u00fcbrigens ganz unbestimmt bleibt, entwerfen.\nUebrigens ist auch leicht einzusehen, dass diese Anschauung einer fl\u00e4chenhaften Vertheilung der Gegenst\u00e4nde im Gesichtsfelde auch da erhalten bleiben muss, wo wir gleichzeitig mit ihr vollst\u00e4ndig genaue und richtige Anschauungen der wirklichen Vertheilung der Objecte im Raume durch unsern Gesichtssinn haben. Denn immer wird die Eigenth\u00fcmlichkeit in der Anschauung stehen bleiben, dass, wenn ich mit dem Blicke eine geschlossene Linie im Gesichtsfelde durchlaufen habe, ich von einem innern zu einem \u00e4usseren Punkte den Blick nicht \u00fcberf\u00fchren kann, ohne jene geschlossene Linie zu durchschneiden. Wenn","page":533},{"file":"p0534.txt","language":"de","ocr_de":"534\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 28.\nich den Umfang eines Fensters mit dem Blick umschrieben habe, kann ich von einem Objecte, welches ich ausserhalb des Fensters sehe, nicht zu einem Objecte an den W\u00e4nden des Zimmers \u00fcbergehen, ohne mit dem Blicke \u00fcber den Rand des Fensters zu streifen, und dadurch ist das wesentliche Kennzeichen einer fl\u00e4chenartigen Anordnung der gesehenen Objecte gegeben, obgleich wir andererseits sehr wohl wissen, dass im wirklichen Raume unendlich viele Linien von jenem \u00e4usseren Punkte zu dem an der Zimmerwand gezogen werden k\u00f6nnen, welche die Umgrenzungslinie des Fensters durchaus nicht schneiden.\nEben weil wir in dieser Weise mit dem Blicke \u00fcber die Gesichtsobjecte hinstreifend dieselben in einer fl\u00e4chenhaften Anordnung finden, ist es nun auch m\u00f6glich, ihren Anblick durch fl\u00e4chenhafte Zeichnungen und Gem\u00e4lde dem Auge zur\u00fcckzurufen. Der Zeichner, welcher eine Landschaft abbilden will, bem\u00fcht sich nicht zu ermitteln, wie weit jeder Punkt der Landschaft von seinem Auge oder von einem anderen Punkte der Landschaft wirklich entfernt ist, sondern nur, ob er von dem ersten aus den Blick nach oben oder unten, nach rechts oder links wenden muss, und welche*Excursion sein Auge etwa machen muss, um zu dem zweiten hinzugelangen. Das fl\u00e4chenhafte Bild wird von uns als \u00e4hnlich dem k\u00f6rperlichen Objecte anerkannt, wenn wir dieselben Bewegungen unseres Auges ausf\u00fchren m\u00fcssen, um von einem zum andern Punkte des Bildes zu gelangen, welche noting w\u00e4ren, um die entsprechenden Punkte des Objects nach einander zu erblicken.\nEs ist weiter ersichtlich, dass wir auf diesem einfachen Wege auch die Anordnungsweise der Punkte in der scheinbaren Fl\u00e4che des Gesichtsfeldes kennen lernen k\u00f6nnen, zun\u00e4chst abgesehen von allen Gr\u00f6ssenbestiin-mungen.\nWas darunter zu verstehen ist, wird am leichtesten ersichtlich, wenn man sich ein fl\u00e4chenhaftes Bild auf eine dehnbare Kautschukplatte aufgetragen denkt. Diese kann man nachher beliebig ausrecken, und alle L\u00e4ngenverh\u00e4ltnisse zwischen ihren einzelnen Theilen, so wie die Winkel zwischen den einzelnen Linien der Gr\u00f6sse nach beliebig \u00e4ndern, doch wird trotz aller Ver\u00e4nderungen jede geschlossene Linie, die durch dieselbe Reihe von Punkten des Bildes gezogen ist, immer denselben unver\u00e4nderlichen Satz von anderen Bildpunkten in sich ein-schliessen und die andere H\u00e4lfte ausschliessen, und in jeder eontinuirlichen linienf\u00f6rmigen Reihe von Punkten des Bildes wird die Reihenfolge der Punkte unver\u00e4ndert bleiben, so sehr auch die Gr\u00f6sse und Form der einzelnen Theile einer solchen Linie sich ver\u00e4ndert. Ebenso ist die Anordnungsweise der Punkte auf einer ebenen geographischen Karte und einem Erdglobus dieselbe, trotzdem dass die Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse auf der ebenen Karte nicht genau denen auf dem Globus entsprechen k\u00f6nnen, um so weniger, ein je gr\u00f6sseres St\u00fcck der Erdoberfl\u00e4che dargestellt ist.\nWenn wir zwei Fl\u00e4chen haben, und die Punkte der einen denen der anderen in einer festgesetzten Weise entsprechen, so nenne ich die Ordnung der Punkte auf beiden Fl\u00e4chen gleichartig, so oft allen solchen Reihen von Punkten der ersten Fl\u00e4che die in einer eontinuirlichen Linie liegen, solche Punkte der anderen entsprechen, die ebenfalls in einer eontinuirlichen Linie liegen, und","page":534},{"file":"p0535.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nDIE FL\u00c4CHENHAFTE ANORDNUNG IM GESICHTSFELDE.\n535\nwenn die Reihenfolge der Punkte in der ersten Linie dieselbe ist, wie die Reihenfolge der entsprechenden Punkte in der zweiten Linie.\nIndem wir den Blick \u00fcber das Gesichtsfeld schweifen lassen, finden wir unmittelbar in der Wahrnehmung, in welcher Ordnung die Objectpunkte im Gesichtsfelde aufeinander folgen, so dass zun\u00e4chst wenigstens die Ordnung der Punkte im Gesichtsfelde durch solches Herumblicken unmittelbar bestimmt werden kann.\nWie und in wie weit die Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse durch das Augenmaass bestimmt werden k\u00f6nnen, wollen wir nachher untersuchen. Hier ist zun\u00e4chst nur noch zu bemerken, dass wenigstens das Auge des Erwachsenen die Ordnung der Punkte im Gesichtsfelde nicht nur an Objecten bestimmt, \u00fcber welche der Blick schweifen kann, sondern dass wir ein bestimmt fl\u00e4chenhaft geordnetes Bild auch von solchen Objecten und Erregungen haben, die in Bezug auf unsere Netzhaut ihren Ort nicht wechseln und sich mit unserem Auge bewegen. Dies gilt f\u00fcr die Nachbilder, die Netzhautgef\u00e4sse, die Polarisationsb\u00fcschel und \u00fcberhaupt f\u00fcr die meisten subjectiven Erscheinungen. Wie wir auch das Auge bewegen m\u00f6gen, immer wird derselbe Punkt eines solchen subjectiven Bildes dem Fixationspunkte entsprechen, und wir k\u00f6nnen nie verschiedene Theile des Bildes nach einander auf der Mitte unserer Netzhaut wechseln lassen. Daraus folgt, dass wir im Stande sind, die Ordnung der gesehenen Punkte im Gesichtsfelde auch zu beurtheilen nach dem blossen Eindruck, den das ruhende Netzhautbild auf die ruhende Netzhaut macht, ohne dass wir n\u00f6thig haben, jedes einzelne Mal durch Bewegungen zu controlliren, welches die Reihenfolge der einzelnen Objectpunkte sei.\nUm diese Thatsache zu erkl\u00e4ren, kann die Annahme gemacht werden und ist von den Anh\u00e4ngern der nativistischen Theorie gemacht worden, dass wir eine angeborene Kcnntniss der Ordnung der Netzhautpunkte auf unserer Netzhaut (und auch wohl der Gr\u00f6sse ihrer Abst\u00e4nde) besitzen, welche uns unmittelbar in den Stand setzt, wahrzunehmen, welche Punkte des Netzhautbildes continuirlich aneinanderstossen, welche nicht. Wenn eine solche Annahme gemacht wird, so ist damit nat\u00fcrlich jede weitere Er\u00f6rterung \u00fcber den Ursprung unserer fl\u00e4chenhaften Gesichtsbilder abgeschnitten,\nAndererseits ist ersichtlich, dass die F\u00e4higkeit, auch ohne Bewegung des Auges die Ordnung der Objecte im Gesichtsfelde zu erkennen und zu beurtheilen, auch erworben sein kann, wie dies die empiristische Theorie der Gesichtswahrnehmungen annimmt. Denn jedes Mal, wo wir durch Bewegungen des Auges die Ordnung der Theile eines ruhenden Objects bestimmt haben, erhalten wir auch, so lange wir einen seiner Punkte ruhig fixiren, einen ruhenden Eindruck seiner verschiedenen Theile auf unsere Netzhaut, und k\u00f6nnen somit durch Erfahrung kennen lernen, wie zwei Punkte, die wir durch Bewegung des Auges als benachbart erkannt haben, sich im ruhenden Bilde des Auges darstellen, das heisst also, anatomisch gesprochen, wir k\u00f6nnen durch Erfahrung kennen lernen, welche Localzeichen der Gesichtsempfindungen benachbarten Netzhautfasern angeh\u00f6ren, und wrenn wir dies gelernt haben, werden wir im Stande sein, auch aus dem unver\u00e4nderten Eindruck eines relativ'","page":535},{"file":"p0536.txt","language":"de","ocr_de":"536 DRITTKR ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUKGEN. \u00a7. 28.\nzum Auge ruhenden Objects die Anordnung der Punkte im Gesichtsfelde zu erkennen.\nWir werden also, im Folgenden zu pr\u00fcfen haben, ob ohne die Hypothese von der angeborenen Kenntniss der Anordnung der Netzhautpunkte die That-sachen sich erkl\u00e4ren lassen aus den bekannten F\u00e4higkeiten des Sinnenged\u00e4chtnisses. Directe Versuche \u00fcber diese Frage an neugeborenen Kindern lassen sich nat\u00fcrlich nicht anstellen, und die Erfahrungen an operirten Blindgeborenen ergeben hier\u00fcber so gut wie nichts, da diese operirten sogenannten Blinden fast immer Staarkranke waren, welche durch ihre getr\u00fcbte Linse allerdings sehr wenig zu sehen, aber doch die Richtung des st\u00e4rkeren Lichts noch zu erkennen im Stande waren, und also der Erfahrungen \u00fcber die Localisation ihrer Netzhauteindr\u00fccke nicht ganz entbehrten. In dieser Beziehung w\u00fcrden F\u00e4lle von angeborener Verschliessung der Pupille, die durch k\u00fcnstliche Pupillenbildung geheilt wurden, wo dergleichen Vorkommen, viel wichtiger sein, als die Erfahrungen an operirten Staarkranken. Einige merkw\u00fcrdige F\u00e4lle dieser Art sind am Ende dieses Abschnitts erw\u00e4hnt.\nWir erkennen nun aber nicht blos die Ordnung der Objectpunkte im Gesichtsfelde in dem allgemeinen Sinne, wie es bisher besprochen ist, sondern wir erkennen auch bis zu einem gewissen Grade der Genauigkeit die Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse der Linien und Winkel. Der Zeichner, welcher sich bem\u00fcht, den Eindruck der k\u00f6rperlichen Objecte durch ein fl\u00e4chenliaftes Bild wiederzugeben, darf nicht blos darauf ausgehen, die Punkte des Objects in der Reihenfolge auf seiner Zeichnung zu ordnen, wie unser Blick sie trifft, wenn er \u00fcber sie hinschweift; er muss auch streben, gewisse Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse einzuhalten zwischen den Abst\u00e4nden der einzelnen Punkte, damit wir die flache Zeichnung dem k\u00f6rperlichen Objecte \u00e4hnlich finden, und wenn wir eine Zeichnung auf einem Kautschukblatte ausf\u00fchren und sie verschiedentlich ausrecken, so \u00e4ndert sich ihr Anblick f\u00fcr unser Auge, trotzdem die Anordnung der Punkte in der Fl\u00e4che dieselbe bleibt.\nUm nun die auf die Beurtheilung der Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse bez\u00fcglichen That-sachen unzweideutig auseinandersetzen und ihrem Urspr\u00fcnge nachforschen zu k\u00f6nnen, m\u00fcssen wir noch einige Festsetzungen \u00fcber die Fl\u00e4chen, auf welche wir uns die Bilder des Gesichtsfeldes projicirt denken wollen, vorausschicken.\nMan braucht den Namen des Gesichtsfeldes in der Regel f\u00fcr die Erscheinung der vor uns liegenden Gesichtsobjecte, so lange man nicht auf ihre Entfernung von uns, sondern nur auf ihre scheinbare fl\u00e4chenhafte Anordnung neben einander achtet, ohne dabei bestimmt festzusetzen, ob die Objecte mit festgehaltenem oder mit schweifendem Blicke, oder vielleicht selbst mit H\u00fclfe von Bewegungen unseres Kopfes und K\u00f6rpers betrachtet werden sollen. In der nun folgenden Analyse unserer Wahrnehmungen wird es aber n\u00f6thig, diese verschiedenen F\u00e4lle von einander deutlich zu trennen. Der unbestimmte Name des Gesichtsfeldes mag beibehalten werden, wo es auf eine solche Unterscheidung des bewegten und unbewegten Auges nicht ankommt, oder wo zusammengegriffen werden soll, was sowohl das bewegte, wie das unbewegte Auge wahrnimmt, wie wir denn auch mit dem Worte Gesicht den ganzen Sinn in allen seinen","page":536},{"file":"p0537.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nBLICKFELD UND SEHFELD.\n537\nAnwendungen verstehen. Dagegen habe ich schon im vorigen Paragraphen mit Blickfeld dasjenige Feld bezeichnet, \u00fcber welches der Blick des bewegten Auges hinlaufen kann. Dem entsprechend betrachte ich das Blickfeld als eine Fl\u00e4che, die fest mit dem Kopfe verbunden ist, mit diesem sich bewegt, und in welchem ein Punkt, der Blickpunkt oder Fixationspunkt von einem, be-ziehlich beiden Augen so betrachtet wird, dass er sich auf dem Centrum der Netzhautgrube abbildet. Die Richtungen oben und unten, rechts und links werden im Blickfelde nach den entsprechenden Richtungen des Kopfes genommen. Ein Punkt des Blickfeldes ist ausgezeichnet dadurch, dass er der Fixationspunkt des entsprechenden Auges in seiner Prim\u00e4rstellung ist; wir wollen ihn den Hauptblickpunkt (prim\u00e4ren Fixationspunkt) nennen. Den gerade gegen\u00fcber liegenden, hinter dem Kopfe des Beobachters gelegenen Punkt, welcher das andere Ende des nach dem Hauptblickpunkt gerichteten Durchmessers des Blickfeldes bildet, nennen wir, wie oben, den Occipitalpunkt. Im Kopfe bestimmt f\u00fcr unsere Zwecke die Verbindungslinie der Drehpunkte beider Aug\u00e4pfel die horizontale Richtung von rechts nach links. Legen wir durch die genannte Verbindungslinie und den Hauptblickpunkt eine Ebene, so ist diese die horizontale Meridianebene des Blickfeldes, oder die Prim\u00e4rlage der Blickebene. Die \u00fcbrigen Meridianebenen des Blickfeldes werden durch die Verbindungslinie des Hauptblickpunkts und des Drehpunkts des betreffenden Auges gelegt. Die Schnittlinien der Meridianebenen mit der imagin\u00e4ren Fl\u00e4che des Blickfeldes sind die Merid iane dieses Feldes. Wenn beide Augen gebraucht werden, kann von Meridianebenen nicht gesprochen werden, ausser von der horizontalen, wohl aber von Meridianlinien, weil das Blickfeld so unendlich weit entfernt gedacht werden kann, dass die Richtung der Ebenen, welche durch einen Punkt des Blickfeldes und die Gesichtslinie des einen oder andern Auges gelegt sind, nicht merklich verschieden ist.\nRuhende \u00e4ussere Objecte wechseln also ihren Platz im Blickfelde, wenn sich der Kopf bewegt; dieselbe Stelle des Blickfeldes wird nach einander auf verschiedenen Stellen der Netzhaut abgebildet, wenn sich das Auge bewegt. Dagegen verlangt Fixation derselben Stelle des Blickfeldes unausbleiblich immer dieselbe Stellung des Auges im Kopfe, und dieselben Verk\u00fcrzungen, beziehlich Verl\u00e4ngerungen der einzelnen Augenmuskeln, so dass, wie wir vermuthen d\u00fcrfen, jede Stelle des Blickfeldes mehr oder weniger genau bezeichnet ist durch die besonderen Innervationsgef\u00fchle und sonstige etwa vorhandenen Empfindungen der Nachbartheile des Auges, welche zu der betreffenden Stellung des Auges im Kopfe geh\u00f6ren.\nWir k\u00f6nnen das Blickfeld zum Zwecke seiner geometrischen Ausmessung als eine Kugelfl\u00e4che von unendlich grossem Radius betrachten, \u00e4hnlich dem Himmelsgew\u00f6lbe, deren Mittelpunkt im Drehpunkte des Auges gelegen ist Der Ort eines gesehenen Punktes im Blickfelde wird gefunden, wenn man durch ihn und den Drehpunkt des Auges eine gerade Linie legt und diese bis zur imagin\u00e4ren Fl\u00e4che des Blickfeldes verl\u00e4ngert denkt. Wo sie die Fl\u00e4che des Blickfeldes schneidet, ist der geometrische Ort des gesehenen Punktes im Blickfelde, den wir in vielen F\u00e4llen zu unterscheiden haben werden von dem scheinbaren","page":537},{"file":"p0538.txt","language":"de","ocr_de":"538\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 28.\nOrt im Blickfelde, an welchen wir das gesehene Object nach der Sch\u00e4tzung vermittels des Augenmaasses verlegen.\nYom Blickfelde, das sich auf den bewegten Blick bezieht, unterscheiden wir das Sehfeld des Auges, welches wir uns mit dem Auge zugleich beweglich denken, so dass jeder Punkt des Sehfeldes immer auf demselben bestimmten Punkte der Netzhaut abgebildet wird. Dass durch ver\u00e4nderte Accommodation des Auges letzterer Punkt nicht wesentlich ge\u00e4ndert werden kann, wird am Schluss dieses Paragraphen gezeigt werden. Das Sehfeld ist also gleichsam die nach aussen projicirte Netzhaut mit ihren Bildern und ihren sonstigen Eigenth\u00fcmlichkeiten. Nachbilder, der Gef\u00e4ssbaum, der blinde Fleck, der gelbe Fleck projiciren sich also immer in die gleichen Orte des Sehfeldes. Jeder Punkt des Sehfeldes ist deshalb bezeichnet in der Empfindung durch diejenigen Localzeichen derselben, welche den Empfindungen der entsprechenden Netzhautstelle angeh\u00f6ren, und es ist schon fr\u00fcher hervorgehoben worden, dass wir die locale Bestimmtheit der Empfindung irgend einer Sehnervenfaser sowohl in unseren eigenen Vorstellungen, als auch in der Mittheilung f\u00fcr andere gar nicht anders bezeichnen und ausprechen k\u00f6nnen, als indem wir die Stelle des Sehfeldes bezeichnen, der sie angeh\u00f6rt.\nDas Sehfeld selbst kann aber mit dem Blickpunkte seine Lage gegen das Blickfeld \u00e4ndern. Um bestimmte Richtungen im Sehfeld festzusetzen, gehen wir von der Prim\u00e4rlage des Augapfels aus. In dieser Lage schneidet die horizontale Meridianebene des Blickfeldes das Sehfeld in einer Linie, die ich den horizontalen Meridian des Sehfeldes oder k\u00fcrzer den Netzhauthorizont nennen werde. Die Meridianebenen des Sehfeldes sind durch die Hauptvisirlinic zu legen, das heisst, durch die Virsirlinie, welche nach dem Blickpunkte hinl\u00e4uft, und die wir wohl als mit der Blicklinie, das heisst dem Strahl, der vom Blickpunkt nach dem Drehpunkt des Auges l\u00e4uft, zusammenfallend denken k\u00f6nnen, da auch der Mittelpunkt der Pupille (siehe S. 18) wie die Gesichtslinie etwas nach der Nasenseite des Auges abweicht. Der Ort eines jeden gesehenen Objects im Sehfelde wird bestimmt durch die Visirlinie, welche durch den betreffenden Objectpunkt gezogen und bis zur Fl\u00e4che des Sehfeldes verl\u00e4ngert ist.\nF\u00fcr die wissenschaftliche geometrische Ausmessung des Sehfeldes ist es am vortheilhaftesten, auch dieses als eine mit dem Blickfelde concentrische Kugelschale zu betrachten. Dass die scheinbare Lage der Punkte im Sehfelde der geometrischen Construction nicht entspricht, werden wir nachher freilich erfahren. Wir m\u00fcssen demnach auch im Sehfelde einen geometrischen und einen scheinbaren Ort der Punkte unterscheiden, welcher letztere nach dem Augenmaasse bestimmt wird.\nWenn sich das Auge bewegt, verschiebt sich die Kugelfl\u00e4che des Sehfeldes gegen die des Blickfeldes. Gegeben ist die Lage des Sehfeldes mittels der im vorigen Paragraphen entwickelten Gesetze der Augenbewegungen, sobald die Lage des Blickpunktes, der im Sehfelde eine unver\u00e4nderliche Stellung hat, im Blickfelde gegeben ist. Denkt man sich die Prim\u00e4rstellung des Blickpunkts und die zeitige Lage desselben durch einen gr\u00f6ssten Kreis verbunden, so muss, so weit die Augenbewegungen nach Listing\u2019s Gesetze erfolgen, der","page":538},{"file":"p0539.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nVERSCHIEBUNG DES SEHFELDES GEGEN DAS BLICKFELD.\n539\nhorizontale Meridian des Blickfeldes und der Netzhauthorizont des Sehfeldes mit diesem Verbindungskreise gleiche Winkel machen.\nIndem sich das Sehfeld geg\u00e9n das Blickfeld verschiebt, bleibt der geometrische Ort f\u00fcr die Projectionen der einzelnen Objectpunkte in der gemeinsamen Kugelfl\u00e4che des Blickfeldes und Sehfeldes nicht ganz unver\u00e4ndert. Um den Ort im Sehfelde zu finden, m\u00fcssen gerade Linien vom Kreuzungspunkte der Visir-linien nach den Objectpunkten gezogen werden. Da nun der Kreuzungspunkt der Visirlinien etwa 3 Millimeter hinter der Hornhaut und 12,9 Millimeter vordem Drehpunkte liegt, so ver\u00e4ndert er seine Lage hei Drehungen des Auges, und dadurch wird die Richtung der Visirlinien ein wenig ge\u00e4ndert. Indessen ist diese Aenderung verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig sehr unbedeutend f\u00fcr Objectpunkte, die dem Auge nicht ziemlich nah sind. Die Rechnung ergiebt, dass die scheinbaren Verschiebungen der Objecte bei Bewegungen des Auges, welche 10 Grade nicht \u00fcbersteigen, kleiner sind als die Ungenauigkeit der Bilder in dem f\u00fcr unendliche Ferne accommodirten Auge, und also der Regel nach unter der Ungenauigkeit der Accommodation verschwinden werden. Nur bei sehr nahen Objecten und bei ausgedehnten Bewegungen des Auges werden solche Verschiebungen merklich. Wenn man zum Beispiel nahe vor das Auge ein Bleistift h\u00e4lt, dessen Dicke der Breite der Pupille etwa gleich kommt, und sich dadurch eine Lichtflamme vollst\u00e4ndig verdeckt, so kann man die Lichtflamme im indirecten Sehen wahrnehmen, wenn man das Auge stark nach der Seite wendet. Dann verschiebt sich das Zerstreuungsbild des nahen Bleistiftes so stark bei der seitlichen Bewegung des Auges, dass es nun die Lichtflamme nicht mehr verdeckt. Diese Methode ist mitunter vortheilhaft anzuwenden, wenn man ermitteln will, was man im indirecten Sehen erkennen kann, weil man hierbei das Object direct zu sehen gar nicht im Stande ist.\nSobald also nur ferne Objecte im Gesichtsfelde sind, die alle zugleich von dem f\u00fcr die Ferne accommodirten Auge ohne merkliche Undeutlichkeit gesehen werden k\u00f6nnen, so sind die Verschiebungen ihrer Projectionen in das Blickfeld verschwindend klein, und man kann den geometrischen Ort der betreffenden Objecte im Blickfelde als unabh\u00e4ngig von den Bewegungen des Auges betrachten.\nUnter der angegebenen Einschr\u00e4nkung ist das Blickfeld die \u00e4ussere Projection eines unver\u00e4nderlichen Netzhautbildes, das Sehfeld das der Netzhaut selbst. Das Blickfeld und Sehfeld verschieben sich bei den Bewegungen des Auges gegen einander, wie das Netzhautbild der \u00e4usseren Objecte und die Netzhaut selbst. Ich ziehe es vor, in der folgenden Darstellung die beiden ausser unserem Auge liegenden Fl\u00e4chen an die Stelle der Netzhaut und des Netzhautbildes treten zu lassen, weil jene ein richtigerer Ausdruck unseres thats\u00e4chlichen Bewusstseins sind, und weil hei der directen Eintragung aller Orte iii die beiden Kugelfelder die Zweideutigkeit des Ausdrucks vermieden wird, die bisher so oft in die Irre gef\u00fchrt hat, als w\u00fcssten wir etwas von unserer Netzhaut, deren Gr\u00f6sse und Ausdehnung, wenn gesagt wird, dass wir die Lage der Objecte vor uns beurtheilen nach der Stelle der Netzhaut, welche getroffen wird. Es ist \u00fcbrigens ganz gleichgiltig f\u00fcr alle Constructionen, die an den. Kugelfl\u00e4chen gemacht","page":539},{"file":"p0540.txt","language":"de","ocr_de":"540\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN BESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 28.\nwerden, wie gross wir ihren Radius nehmen, nur m\u00fcssen wir bei endlichem Radius die Visirlinien ersetzen durch Linien, die ihnen parallel durch den Drehpunkt des Auges gehen. So k\u00f6nnen wir den Radius der Kugelfl\u00e4chen auch negativ nehmen, das heisst, die Kugelfl\u00e4chen hinter den Drehpunkt legen, wo die Netzhaut und das Netzhautbild liegen. Wir k\u00f6nnen eine solche Kugelfl\u00e4che, welche in der Gegend der wirklichen Netzhaut liegt, eine ideelle Netzhaut nennen, auf der ein ideelles Netzhautbild liegt. Alan muss aber nicht glauben, dass eine solche schematische Netzhaut der wirklichen in ihren Dimensionen anders als in sehr grober Ann\u00e4herung entspricht. Die wirkliche Netzhaut hat eine ellipsoidische Form, und das Netzhautbild der \u00e4usseren Gegenst\u00e4nde auf ihr ist jedenfalls durch die Asymmetrien des brechenden Apparats mannigfach verzogen. Auch halte ich f\u00fcr mein Theil f\u00fcr wahrscheinlich, dass es ganz gleichgiltig f\u00fcr das Sehen ist, welche Gestalt, Form und Lage die wirkliche Netzhaut hat, welche Verzerrungen das Dild auf ihr erleidet, wenn es nur \u00fcberall scharf ausgepr\u00e4gt ist, und weder die Form der Netzhaut noch die des Bildes im Laufe der Zeit sich merklich ver\u00e4ndert. Im nat\u00fcrlichen Bewusstsein des Sehenden existirt die Netzhaut gar nicht. Weder durch die Hilfsmittel der gew\u00f6hnlichen Empfindung, noch selbst durch wissenschaftliche Versuche sind wir im Staude, von den Dimensionen und der Lage und Form der Netzhaut des lebenden Auges irgend etwas zu erfahren, ausser was wir an ihrem optischen Bilde, welches die Augenmedien nach aussen entwerfen, ermitteln k\u00f6nnen. Nur durch die Augenmedien hindurch verkehrt die Netzhaut der Regel nach mit der Aussenwelt, und existirt i\u00fcr diese auch gleichsam nur so, wie sie in ihrem optischen Bilde erscheint. Der Repr\u00e4sentant dieses optischen Bildes ist das von uns deflnirte Sehfeld.\nWenn zwei helle Punkte im Sehfelde vorhanden sind bei fester Stellung des Auges, so werden zwei verschiedene Sehnervenfasern durch deren Licht erregt und es entstehen zwei Empfindungen, die durch eigenthiimliche Localzeichen von einander unterschieden sein m\u00fcssen, da wir sie in der Empfindung zu unterscheiden im Stande sind. Welcher Stelle der Netzhaut diese Localzeichen angeh\u00f6ren, wissen wir von vorn herein ebenso wenig, als wo die Sehnervenfasern liegen, die sie leiten, und zu welchen Stellen des Gehirns die Erregung fortgeleitet wird. Leber die Stelle der Netzhaut w\u00fcrden wir uns durch wissenschaftliche Untersuchungen allenfalls Aufschluss verschaffen k\u00f6nneu, \u00fcber die den Sehnerven und das Gehirn betreffenden Theil der Frage sind wir dazu bis jetzt noch vollst\u00e4ndig ausser Stande. Wohl aber wissen wir durch t\u00e4gliche Erfahrung, wie wir den Arm ausstrecken m\u00fcssen, um einen oder den andern hellen Gegenstand entweder zu ber\u00fchren oder unserem Auge zu verdecken. Wir k\u00f6nnen alsv> direct durch solche Bewegungen die Richtung im Sehfelde ermitteln, wo sich die Objecte befinden, und wir lernen direct die besonderen Localzeichen der Empfindung zu verbinden mit dem Orte im Sehfelde, in den das Object geh\u00f6rt. Dies ist auch der Grund, warum wir die Gegenst\u00e4nde trotz ihrer umgekehrten Netzhautbilder aufrecht sehen. Die Netzhautbilder kommen bei der Localisation der Objecte eben gar nicht in Betracht; sie sind nur Mittel, die Lichtstrahlen je eines Punktes des Gesichtsfeldes auf je eine Nervenfaser","page":540},{"file":"p0541.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nAUGRNMAASS F\u00dcR DIF. ENTFERNUNG ZWEIER PUNKTE.\n541\nzu concentriren. Wir h\u00e4tten gerade ebenso viel Recht, uns dar\u00fcber zu wundern, warum die Buchstaben eines gedruckten Buches nicht von rechts nach links verkehrt sind, da ja doch die metallenen Lettern, mit denen es gedruckt ist, verkehrt sind.\nEs ist also richtiger zu sagen: \u201ewir empfinden, an welchem Orte des Sehfeldes ein Object erscheint\u201c, als zu sagen: \u201ewir empfinden den Ort der Netzhaut, auf dem es abgebildet ist\u201c. Dies letztere hat einen richtigen Sinn, insofern darunter nur gemeint ist, dass gewisse Eigent\u00fcmlichkeiten der Empfindung, n\u00e4mlich ihre Localzeichen, eigenth\u00fcmlich sind denjenigen Empfindungen, die durch einen bestimmten Ort der Netzhaut uns zugeleitet werden, und fiir die wissenschaftliche Untersuchung w\u00fcrden wir die localen Verh\u00e4ltnisse der Empfindung auch durch den Ort der Netzhaut, auf den das Licht f\u00e4llt, charakterisiren k\u00f6nnen. Der Ausdruck erregt aber immer das Missverst\u00e4ndniss, dass wir beim nat\u00fcrlichen Sehen irgend eine Art verborgener Kenntniss von der wirklichen Existenz und Lage der Netzhautstelle haben m\u00fcssten, zu welcher Behauptung mir gar kein Grund vorzuliegen scheint.\nEs ist schon fr\u00fcher hervorgehoben worden, dass diese Verbindung zwischen den localen Unterschieden der Empfindung und der Richtung im Sehfelde so ausschliesslich ist, dass wir gar kein Mittel haben, die locale Bestimmtheit unserer Empfindungen weder in unserem eigenen Bewusstsein, noch in der Mittheilung fiir andere anders zu bezeichnen, als indem wir die Stelle des Sehfeldes angeben, auf die sich die Empfindung bezieht.\nNachdem wir diese Definitionen festgestellt haben, k\u00f6nnen wir uns zu der Untersuchung wenden, wie weit unsere F\u00e4higkeit reicht, Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse im Gesichtsfelde zu beurtheilen, und welchen T\u00e4uschungen wir dabei ausgesetzt sind. Jede genauere Vergleichung zweier Raumgr\u00f6ssen, Linien, Winkel oder Fl\u00e4chen im Gesichtsfelde nimmt Augenbewegungen zu Hilfe. Wir wollen zun\u00e4chst untersuchen, was wir mit Hilfe solcher Bewegungen erreichen k\u00f6nnen, und sp\u00e4ter, wie sich die Ausmessungen ver\u00e4ndern, wenn wir die Augenbewegungen ausschliessen. Ich w\u00e4hle diese Ordnung, weil mir die Abmessungen mit Augenbewegungen, wie sie die genaueren sind, so auch die urspriirtglicheren zu sein scheinen.\nUeber die Genauigkeit in der Vergleichung nahe gleicher Abst\u00e4nde im Gesichtsfelde sind von Fechner 1 und Volkmahn Versuche angestellt worden. Erstem-hat einen Zirkel auf Distanzen von 10, 20, 30, 40 und 50 halbe Pariser Decimal-linien eingestellt, und die Spitzen eines zweiten Zirkels nach dem Augenmaass in dieselbe Distanz gebracht, wobei beide Zirkel, bis auf die Spitzen verdeckt in deutlicher Sehweite, 1 Pariser Fuss vom Auge entfernt, vor ihm neben einander auf dem Tische lagen. Nach jeder Einstellung wurde der Fehler derselben bestimmt. Volkmann hing neben einander drei durch Gewichte gespannte F\u00e4den in verticaler Richtung und horizontal gegen einander verschiebbar auf, und machte nach dem Augenmaasse ihre Abst\u00e4nde gleich, welche wechselten\n1 Fechner Psychophysik. Bd .1. S. 211\u2014236. Andere auch von IIkgelmayer in Vierordt\u2019s Archiv XI, 844\u2014853.","page":541},{"file":"p0542.txt","language":"de","ocr_de":"542\nDRITTF.R ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN fi ESI CHTSVV A H RN F.HMDN G EN.\n\u00a7. 28.\nzwischen 10 und 240 Millimeter, wobei sein Auge 800 Millimeter von den F\u00e4den entfernt war. Die Summe der bei den unter gleichen Umst\u00e4nden gemachten Versuchsreihen gemachten Fehler wurde genommen, wobei vom Sinne der Fehler abgesehen wurde, und diese Summe durch die Zahl der Beobachtungen dividirt; so erhielt er den mittleren Fehler, der bei diesen Versuchen stets nahehin den gleichen Bruchtheil der ganzen verglichenen L\u00e4nge ausmachte. Die Gr\u00f6sse dieses mittleren Fehlers betrug im Mittel aus allen Beobachtungen in Bruchtheilen der ganzen L\u00e4nge der verglichenen Linien\nbei Fechner\nbei Volkmann, fr\u00fchere Versuche bei demselben, sp\u00e4tere Versuche\nEs zeigte sich demnach f\u00fcr diese Beobachtungen das von Weber aufgestellte und von Fechner verallgemeinerte psychophysische Gesetz g\u00fcltig, welches wir schon bei der Untersuchung \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit der St\u00e4rke der Licht-emptindung von der objectiven Helligkeit kennen gelernt haben, wonach die unterscheidbaren Unterschiede der Empfindungsgr\u00f6ssen der gesammten Gr\u00f6sse des Empfundenen proportional sind.\nAndere Versuche wurden mit viel kleineren mikrometrisch zu messenden Distanzen von Volkmann und einem seiner Sch\u00fcler angestellt. Die Distanzen waren durch drei feine parallele Silberf\u00e4den, von 0,445 Millimeter Dicke und 11 Milk L\u00e4nge bestimmt, welche durch Mikrometerschrauben verschoben werden konnten. Sie wurden ebenfalls so eingestellt, dass ihre Entfernung, wechselnd von 0,2 bis 1,4 Millimeter, nach dem Augenmaass gleich gemacht wurde. Die Fehler nahmen in diesem Falle nicht mehr proportional den gemessenen Distanzen ab, sondern n\u00e4herten sich einer unteren Grenze, wie zu erwarten war, da bei so kleinen Distanzen die Genauigkeit in der Unterscheidung kleinster Theile des Gesichtsfeldes, welche von der Feinheit der Netzhautelemente abh\u00e4ngt, mit in Betracht kommen muss. Der mittlere Fehler J konnte aber dargestellt werden als die Summe eines constanten und eines dem Abstande D der F\u00e4den proportionalen Gliedes, nach der Formel\nJ = v -f- WD\n62,1\n1\n88,0\n1\n101,1 '\nworin v und W zwei Constanten bezeichnen. Es ergaben sich hierbei reducirt auf 340 Millimeter Sehweite folgende Werthe dieser Constanten\n\tv in Millimetern\tw 1 79,1\nVolkmann horizontale Abst\u00e4nde\t0,008210\t\nDerselbe verticale Abst\u00e4nde\t0,007319\t1 45,1 1 164,5 1 85,3\nAppel horizontale Abst\u00e4nde\t0,005331\t\nDerselbe ebenso sp\u00e4ter\t0,008548\t","page":542},{"file":"p0543.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nAUGENMA\u00c4SS F\u00dcR DIR ENTFERNUNG ZWEIER PUNKTE.\n543\nDie Werthe von W in den beiden ersten Reihen zeigen, dass die Vergleichung verticaler Abst\u00e4nde viel unvollkommener ist, als die Vergleichung horizontaler. Dasselbe beobachtet man \u00fcbrigens auch sogleich, wenn man eine Reihe verticaler und horizontaler Linien auf Papier zieht und sie nach dem Augenmaasse zu halbiren sucht, und dann die abgetheilten L\u00e4ngen mit dem Maassstab vergleicht. Die Fehler in der Halbirung verticaler Linien werden im Allgemeinen viel gr\u00f6sser, als die von horizontalen. Wenn man sich selbst beobachtet bei der Vergleichung zweier Abst\u00e4nde oder zweier gerader Linien, so findet man, dass kleine Unterschiede nur bemerkt werden, wenn man nach einander den Fixationspunkt bald in die Mitte der einen, bald in die Mitte der andern Linie bringt, sodass die beiden Linien nach einander auf denselben Theilen der Netzhaut abgebildet werden. Gei festgehaltenem Fixationspunkte l\u00e4sst man manches als gleich durchgehn, was sich sogleich als verschieden zu erkennen giebt, wenn man mit der Richtung des Blicks in der angegebenen Weise wechselt.\nSehr viel schwieriger erweist sich die Vergleichung von horizontalen L\u00e4ngen mit verticalen, und es zeigt sich dabei ein constanter Fehler, indem wir n\u00e4mlich geneigt sind, verticale Linien f\u00fcr l\u00e4nger zu halten als gleich lange horizontale. Man sieht dies am besten, wenn man sich bem\u00fcht, nach dem Augenmaasse ein Quadrat zu zeichnen auf einem Papiere, welches man senkrecht gegen die Gesicbtslinie h\u00e4lt. Man macht die H\u00f6he immer zu niedrig, und zwar, wie ich bei mir selbst finde, um y30 bis y60 der Grundlinie, im Mittel etwa um y40 ; doch scheint dieses Verh\u00e4ltniss in verschiedenen Augen sehr zu variiren, W\u00fcndt 1 giebt die Gr\u00f6sse dieser Differenz an auf ein F\u00fcnftheil.\nVolkmann 2 hat auch Versuche angestellt \u00fcber die Fehlergr\u00f6ssen, welche bei Sch\u00e4tzung des Verh\u00e4ltnisses zweier nicht gleichen Distanzen begangen wurden. Der Beobachter stellte eine bewegliche Linie zwischen zwei andern ein auf y10, 2/10, 3/io> 4/ioi s/io ^er ganzen Entfernung. Dabei zeigten sich erstens Abweichungen zwischen dem Mittel aller Einstellungen f\u00fcr ein gewisses Gr\u00f6ssen-verh\u00e4ltniss und der wirklich richtigen Einstellungen, welche Volkmann constante Fehler nennt, und zweitens Abweichungen von dem Mittel der Einstellungen oder variable Fehler Die constanten Fehler machten die links liegende Distanz immer etwas zu gross im Verh\u00e4ltniss zur rechts liegenden. Als die zu theilende Gr\u00f6sse einer Pariser Linie betrug der Werth der constanten Fehler in Tausendtheilen einer Linie im Mittel aus je 40 Versuchen:\nAusgangspunkt von Links Rechts\nUnten\nOben\nConstanter Fehler, aus je 40 Versuchen.\nGeforderte Verh\u00e4ltnisse\n0,1 '\t0,2\t0,3\t0,4\t0,8\t0,6\t0,7\t0,8\n13,4\t19,8\t6,7\t1 1,7\t3,4\t13,4\t24,8\t10,0\n\u2014 10,8\t\u2014 9,3\t\u201420,0\t\u201412,0\t\u2014 6,2\t\u2014 4,5\t\u2014 9,5\t\u201419,7\n-1- 2,9\t+ 2,9\t\u201412,1\t\u2014 5,9\t\u201413,5\t\u2014 2,2\t+ 7,2\t+ 5,1\n\u2014 5,0\t\u2014 4,7\t\u2014 6,0\t\u2014|\u2014 3,9\t9,7\t+13,6\t\u2014 17,4\t- 7,3\n1\tVorlesungen \u00fcber Menschen- und Thierseele, S. 2\u00f65,\n2\tBerichte der K\u00f6n. Sachs. Ges. vom 7. August 1858,","page":543},{"file":"p0544.txt","language":"de","ocr_de":"544\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 28.\nIn den beiden oberen Reihen lag die zu theilende Distanz horizontal, in den beiden unteren vertical. Als Ausgangspunkt ist das Ende derselben angegeben, von wo der abzumessende Theil angefangen wurde abzumessen.\nDie variablen Fehler wurden nach ihrer absoluten Gr\u00f6sse ohne R\u00fccksicht auf das Vorzeichen addirt und dann durch die Anzahl der Beobachtungen dividirt. Es ergaben sich nahehin gleiche mittlere Gr\u00f6ssen derselben f\u00fcr complement\u00e4re Verh\u00e4ltnisse. Ihre Gr\u00f6sse war im Mittel von je 160 Beobachtungen (f\u00fcr 0,5 nur 80 Beobachtungen)\nMittelwerthe der variablen Fehler.\nZu theilende\t\tGefordertes Verh\u00e4ltniss\t\t\nDistanz\t0,1 und 0,9\t0,2 und 0,8\t0,3 und 0,7\t0,4 und 0,6\nHorizontal\t6,73\t4,36\t3,01\t2,64\nVertical\t7,09\t9,01\t9,95\t8,61\nAbsolut gr\u00f6sser, aber relativ etwas kleiner wurden die Fehler in einer anderen Versuchsreihe, wo der ganze zu theilende Abstand 100 Millimeter betrug, und die Grenzen der betreffenden Abst\u00e4nde durch drei feine von dem Maassstabe herabhangende Menschenhaare angezeigt waren. Die Gr\u00f6ssen sind in Zehntelmillimetern angegeben, so dass die Einheit wieder ein Tausendtheil der zu theiienden Gr\u00f6sse betr\u00e4gt.\nAusgansrs-\nConstante Fehler.\nGefordertes Verh\u00e4ltniss\npunkt von\t0,4\t0,2\t0,3\t0,4\t0,8\t0,6\t0,7\t0,8\nLinks\t2,35\t7,45\t0,5\t10,7\t4,15\t12,4\t11,3\t0,85\nRechts\t-1,8\t-4-0,6\t\u2014 11,1\t\u2014 5,2\t\u20144,0\t\u2014 7,5\t\u2014 5,5\t\u20144,4\n0,9\n4,10\n-2,8\nMittelwerthe der variablen Fehler.\nF\u00fcr den Bruch 0,1 und 0,9 =\n0,2\n0,3\n0,4\n0,5\n0,8\n0,7\n0,6\n2,6\n5,6\n7,9\n6,5\n2,8.\nWenn nun nicht blos gleiche Entfernungen als gleich erkannt, sondern ungleiche Entfernungen ihrem Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltniss nach erkannt werden sollen, so ist es noting, diejenige Linie zwischen den Endpunkten der gegebenen Entfernung zu bestimmen, welche als Maass der Entfernung zu benutzen ist. In der Ebene ist dies die gerade Linie. Im Blickfelde, als einer gekr\u00fcmmt erscheinenden Fl\u00e4che, k\u00f6nnen gerade Linien nicht gezogen werden, und selbst um k\u00fcrzeste Linien auf der Fl\u00e4che zu ziehen, m\u00fcssten wir eine genaue Anschauung von der Kr\u00fcmmung der Fl\u00e4che des Blickfeldes mitbringen, die wir nicht bestimmt genug haben. Wenn man sich das Blickfeld als eine Kugelfl\u00e4che vorstellt, deren Mittelpunkt der Drehpunkt des Auges ist, wie dies zum Zwecke wissenschaftlicher geometrischer Er\u00f6rterungen gew\u00f6hnlich geschieht, so k\u00f6nnte man ver-niuthen, dass objectiv gerade Linien der Aussenwelt, die sich als gr\u00f6sste Kreise in das kugelf\u00f6rmige Blickfeld projiciren, als k\u00fcrzeste Linien, als Linien ohne","page":544},{"file":"p0545.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nAUGENMAASS F\u00dcR LINIENKR\u00dcMMUNG.\n545\nKr\u00fcmmung in dem Gesichtsfelde erscheinen m\u00fcssten. Das ist aber nur unter gewissen Bedingungen der Fall.\nWenn wir eine gerade Linie betrachten, zum Beispiel die Kante eines Lineals, und durch das Augenmaass zu ermitteln suchen, ob sie wirklich gerade oder gekr\u00fcmmt sei, so zeigt sich das Urtheil nach der schon im vorigen Paragraphen erw\u00e4hnten T\u00e4uschung abh\u00e4ngig von der Richtung des Auges im Kopfe. Halten wir das Lineal horizontal und zu niedrig, so erscheint die Kante nach oben concav; halten wir es zu hoch, so erscheint sie nach unten concav. Dass dabei eine Augent\u00e4uschung stattfindet, erkennt man schnell, wenn man das Lineal so umwendet, dass die Kante statt nach oben nun nach unten sieht. Dann m\u00fcsste eine wirklich nach unten concave Kante jetzt nach oben concav sein, und umgekehrt. Aber wenn das Lineal richtig und gerade ist, bleibt die Augent\u00e4uschung bestehen. H\u00e4lt man das Lineal aber so, dass die Mitte seiner Kante der Prim\u00e4rstellung entspricht, so erscheint diese gerade, wenn sie wirklich gerade ist. Nun w\u00e4hlt man allerdings durch einen nat\u00fcrlichen Trieb die Prim\u00e4rstellung, wenn man \u00fcber eine solche Frage durch das Augenmaass entscheiden soll, doch ist die Sicherheit, mit der man diese Stellung einh\u00e4lt, nicht sehr gross. Dagegen finde ich, dass ich ziemlich geringe Kr\u00fcmmungen von Linealen in der Prim\u00e4rstellung erkennen kann, wenn ich das Lineal umwende, so dass ich bald die eine, bald die andre Fl\u00e4che desselben gegen mich kehre. Auf diese Weise konnte ich hei einem Elfenbeinlineale von 200 Millimeter L\u00e4nge, welches convex war und dessen Kr\u00fcmmung in der Mitte nur 0,35 Millimeter von der geraden Linie nach aussen bauchte, dessen Kr\u00fcmmungsradius demnach etwa 14 Meter betrug, die Kr\u00fcmmung mit dem Auge richtig erkennen, ebenso hei einem anderen concaven Lineale, welches in der Mitte ein halbes Millimeter abwich. So genaue Bestimmungen sind aber nicht bei fixirtem Biicke, sondern nur mit Hilfe der Augenbewegungen m\u00f6glich.\nWir sind ferner im Stande, mit grosser Genauigkeit zu entscheiden, ob gerade Linien einander parallel sind oder nicht, Um das zu ermitteln, lassen wir den Blick an einer von ihnen, oder in der Mitte zwischen ihnen hin und hergehen, und erkennen dann mit ziemlich grosser Genauigkeit, ob ihr Abstand nach dem einen Ende hin ebenso gross, oder oh er gr\u00f6sser ist als am andern Ende. So sind wir ferner auch mit verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig grosser Sicherheit im. Stande zu erkennen, dass zwei Winkel, deren Schenkel einander parallel gerichtet sind, einander gleich gross sind, weil wir eine kleine Abweichung vom Parallelismus der Schenkel leicht erkennen und daraus dann auf Ungleichheit der Winkel schliessen. Nach Versuchen von E. Mach 1 geschieht die Beurtheilung des Parallelismus genauer f\u00fcr horizontale und verticale Linien als f\u00fcr geneigte. Dagegen ist die Vergleichung solcher Winkel, deren Schenkel nicht parallel mit einander sind, nicht nur sehr unsicher, sondern auch ziemlich regelm\u00e4ssigen constanten Fehlern unterworfen.\nVerh\u00e4ltnissm\u00e4ssig die einfachste Aufgabe dieser Art ist, zu entscheiden, ob ein Winkel seinem Nebenwinkel gleich und also ein Rechter sei. Wenn\n1 Sitzungsber. d. K. K. Akad. zu Wien, 1861 , Bd. XLIIi. 2i\u00f6\u2014\u2018li\\. Eneyklop. d. Physik. IX. Helmholtz , Physiolog. Optik.\n35","page":545},{"file":"p0546.txt","language":"de","ocr_de":"546\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN G ESI CH TS WAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 28.\nvon zwei sich rechtwinkelig kreuzenden geraden Linien die eine horizontal, die andere vertical ist, so erscheinen f\u00fcr das rechte Ange der meisten Individuen die nach rechts oben und links unten liegenden rechten Winkel wie stumpfe, die beiden andern wie spitze Winkel. F\u00fcr das linke Auge umgekehrt erscheinen die dem rechten Auge stumpf erscheinenden Winkel spitz, die spitzen stumpf. Dabei ist zu beachten, dass man beide Augen nach einander senkrecht gegen die Fl\u00e4che der Zeichnung auf den Kreuzungspunkt der Linien einstellen muss. Versucht man dagegen nach dem Augenmaasse zu einer gegebenen Horizontallinie eine Verticale zu ziehen, so weicht deren oberes Ende um etwa einen Grad nach rechts her\u00fcber, wenn man mit dem rechten Auge sehend die Zeichnung ge macht hat, und nach links, wenn es mit dem linken Auge geschah. So stellt /'/;/. 169 ein f\u00fcr mein rechtes Auge scheinbar richtiges rechtwinkeliges Kreuz\nder Linien ab und cd vor, w\u00e4hrend die Linienst\u00fccke y und 0 die Lage der wirklich richtigen Verticalen bezeichnen. Sehe ich mit dem linken Auge dieselbe Zeichnung an, so erscheint mir das obere Ende von cd im Gegentheil \u00fcbertrieben nach rechts gc-7, neigt.\nDie Gr\u00f6sse des Irrthums, den man betreffs der rechten Winkel begeht, h\u00e4ngt von der Neigung ihrer Schenkel gegen den Netzhauthorizont ab. Ich sehe rechte Winkel richtig mit dem rechten Auge, wenn das obere Ende des einen Schenkels um etwa 18 Grad von der Verticale nach links abweicht, mit dem linken Auge, wenn es um etwa ebenso viel nach rechts abweicht. Dagegen erscheint, der Unterschied am gr\u00f6ssten, wenn die Schenkel um 45 Grad von der zuletzt genannten Lage aus gedreht werden, wobei die nach rechts und links ge\u00f6ffneten Winkel etwa wie Winkel von 92\u00b0, die nach oben und unten gekehrten wie 88\u00b0 erscheinen.\nWenn der eine Schenkel horizontal liegt, erscheinen als rechte Winkel f\u00fcr meine Augen solche von 91\u00b0,2 und 88\u00b0,8; bei Volkmann1 betr\u00e4gt der f\u00fcr das linke Auge 91\u00b0, 1, f\u00fcr das rechte 90\u00b0,6; doch hat letzterer Beobachter bei diesen Versuchen nicht ein Kreuz beobachtet, sondern eine einzelne Linie bald horizontal, bald vertical zu stellen gestrebt; die einzelnen Beobachtungen sind dabei je 60 Mal wiederholt worden.\nEbenso finde ich, dass man auffallend grosse Fehler macht, wenn man einen Winkel von 30 bis 45 Grad zeichnet, dessen einer Schenkel horizontal liegt, und sich dann bem\u00fcht nach dem Augenmaasse eine dritte, der Verticalen n\u00e4here Linie durch den Scheitel des genannten Winkels zu ziehen so, dass ein zweiter Winkel entsteht, der jenem ersten gleich sei. Man macht diesen zweiten regelm\u00e4ssig betr\u00e4chtlich zu gross. Wenn der erste Winkel 30 Grad\n1 Physiologische Untersuchungen im Gebiete der Optik. Leipzig, 1864 lieft 2. S. 224 \u2014 225.\nd\\\\d\nFig. 16!).","page":546},{"file":"p0547.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 28.\nAUGKNMAASS F\u00dcR WINKKL.\n547\nbetrug, machte ich den zweiten gr\u00f6sser als 34\u00b0, gleichviel ob ich mit dem rechten oder linken Auge hinsah, und ob der Winkel sich nach rechts oder links \u00f6ffnete. Drehte ich die Figur aber so, dass der zuletzt gezeichnete Schenkel nun horizontal lag, so erschien der Gr\u00f6ssenunterschied \u00fcbertrieben.\nDahin geh\u00f6rt auch die Thatsache, dass in einem richtig gezeichneten gleichseitigen Dreieck., dessen eine Seite horizontal liegt, der Winkel an der Spitze immer kleiner erscheint, als die Winkel an der Basis.\nFragen wir nun, wie ist es \u00fcberhaupt m\u00f6glich, dass Raumgr\u00f6ssen, die verschiedenen Tlieilen des Sehfeldes angeh\u00f6ren, mit einander verglichen werden k\u00f6nnen, so lehren uns die oben erw\u00e4hnten Selbstbeobachtungen schon eine Methode der Vergleichung, so oft besagte Raumgr\u00f6ssen so liegen, dass sie. nach einander auf demselben Theile der Netzhaut, und zwar am besten auf ihrer Mitte, so abgebildet werden k\u00f6nnen, dass ihre entsprechenden Punkte nach einander auf dieselben Punkte der Netzhaut fallen. In der That ist dies das Verfahren, welches wir anwenden, uui nach dem Augenmaasse zum Beispiele die L\u00e4nge zweier geraden Linien A und B, die einander parallel sind, zu vergleichen. Wir richten den Blick erst auf die Mitte vpn A, dann auf die Mitte von B, dann wieder von A und so fort, und suchen zu ermitteln, ob wir in beiden F\u00e4llen ganz denselben Eindruck erhalten, d. h. ob dieselben Netzhautpunkte in der selben Erstreckung von den Bildern beider Linien getroffen werden. Dabei brauchen wir offenbar von der Form\u2019und L\u00e4nge des Bildes auf der Netzhaut nichts zu wissen. Die Netzhaut ist wie ein Zirkel, dessen Spitzen wir nach einander an die Enden verschiedener Linien ansetzen, um zu sehen, ob sie gleich lang sind, oder nicht, wobei wir \u00fcber die Entfernung der Zirkelspitzen und die Form des Zirkels nichts weiter zu wissen brauchen, als dass sie unver\u00e4ndert geblieben sind.\nEin Unterschied aber ist zwischen der Vergleichung mittels der Netzbaut und der mittels des Zirkels. Die Verbindungslinie der Zirkelspitzen k\u00f6nnen wir nach jeder Richtung hinwenden, das k\u00f6nnen wir aber dem Gesetze der Augenbewegungen zufolge nicht thun mit der Verbindungslinie je zweier Netzhautpunkte, wenn wir nicht ausgiebige Bewegungen mit dem Kopfe machen wollen, welche wegen der damit verbundenen gr\u00f6sseren Anstrengung lange nicht so h\u00e4ufig und so schnell wechselnd gemacht werden k\u00f6nnen, und wenn sie gemacht werden, meist eine wesentliche Ver\u00e4nderung des Gesichtspunkts, des Ortes unseres Auges im Raume und somit der ganzen perspectivisehen Ansicht zu Folge haben. Wenn ab und a\u00df zwei Paare von Punkten im Gesichtsfelde sind, deren Entfernung verglichen werden soll, und ich etwa zuerst a fixirt habe, so dass sich a auf dem Centrum der Netzhautgrube A, und der Punkt b auf dem Netz-hautpunkte B abgebildet hat, wenn ich dann das Auge wende und \u00ab fixire, so dass a auf dem Centrum der Netzhaut A abgebildet ist, so wird der Netzhautpunkt B bei der neuen Stellung der Gesichtslinie eine ganz bestimmte Lage haben, die ich ohne Bewegung des ganzen Kopfes nicht willk\u00fchrlich \u00e4ndern kann, und die Richtung der Linie a\u00df im Gesichtsfelde muss eine ganz bestimmte sein, damit sich \u00df auf B abbilden kann.\nWenn a, b, u und \u00df nahe genug dem Hauptblickpunkte liegen, dass wir\n35 *","page":547},{"file":"p0548.txt","language":"de","ocr_de":"548\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTS WA HRN EIIMUNG EN.\n\u00a7. 28,\ndas sic umschliessende St\u00fcck des Gesichtsfeldes als Ebene betrachten k\u00f6nnen, so k\u00f6nnen die Linien ab und nach einander auf denselben Netzhautpunkten nur dann abgebildet werden, wenn sie einander parallel sind. Eben deshalb k\u00f6nnen nun die L\u00e4ngen zweier paralleler Linien gut und sicher miteinander verglichen werden, w\u00e4hrend wir bei der Vergleichung nicht paralleler Linien, selbst wenn sie einander nahe liegen, grossen Irrth\u00fcmern ausgesetzt sind.\nIn derselben Weise kann, wie schon oben angef\u00fchrt ist, der Parallelismus zweier Linien durch die Gleichheit ihrer Abst\u00e4nde an allen Stellen, und die Gleichheit von Winkeln mit parallelen Schenkeln gut beurthcilt werden.\nWenn nun eine Linie im Gesichtsfelde als gerade anerkannt werden soll, und sie geht durch den Hauptblickpunkt, so k\u00f6nnen wir, indem wir das Auge an ihr hingleiten lassen, ebenfalls ihre einzelnen Theile alle nach einander auf deiselben Linie dex Netzhaut abbilden. Wir haben im vorigen Paragraphen gesehen, dass wenn wir von einem geraden' Linienstiick, welches den Hauptblickpunkt schneidet, ein Nachbild entwickeln und den R\u00fcck in Richtung des Meridians wandern lassen, in welchem jenes Linienst\u00fcck liegt, das Nachbild immer mit jenem Meridiane^ zusammenfallt. Das Nachbild bezeichnet bei jenen Versuchen die Projectioneu jener Netzhautstellen in das Gesichtsfeld, welche den Eindruck des linienf\u00f6rmigen Objectes empfangen haben, und es folgt aus diesem Versuche, dass alle Theile eines solchen Meridians nach einander auf denselben Netzhautpunkten abgebildet, werden k\u00f6nnen.\nIndem also das Auge einem solchen Meridiane des Sehfeldes folgt, ver-schicbt sich die entsprechende Linie des Netzhautbildes auf der entsprechenden Linie der Netzhaut selbst, indem beide fortdauernd congruent zusammenfallen, und vor dem Auge verschiebt sich das Sehfeld gegen das Blickfeld so, dass der betreffende Meridian des Sehfeldes sich in dem des Blickfeldes und stets mit ihm zusammenfallend verschiebt.\nDergleichen Linien im Blickfelde, deren Bild sich in sich selbst verschiebt, sind nun auch die im vorigen Paragraphen (Seite 60) erw\u00e4hnten Directions-kreise oder Richtkreise, welche alle durch den Occipitalpunkt des Blickleides hindurchgehen. Dort ist nachgewiesen worden, dass, wenn ein linienf\u00f6rmiges Nachbild bei Fixirung eines Punktes eines solchen Richtkreises mit seinei Richtung congiuirt, es auch in allen anderen Punkten mit ihm congruirt. Da das Nachbild auf der Netzhaut festliegt, so wird dadurch auch constatirt. dass die Linienelemente eines solchen Richtkreises sich, wenn wir ihn mit dem Blicke durchlaufen, fortdauernd auf derselben Netzhautlinie abbilden.\nDass ein linienf\u00f6rmiges Nachbild von geringer L\u00e4nge mit denjenigen andern Directionskreisen congruirt, welche im Occipitalpunkte dieselbe Tangente haben, ist ebenfalls an der citirten Stelle schon bemerkt worden.\nDurch die erw\u00e4hnten Eigenthiimlichkeiten bekommen nun die Richtkreise f\u00fcr das Auge eine ganz besondere Bedeutung. Die gerade Linie in der Ebene zeichnet sich dadurch vor allen anderen aus, dass jedes St\u00fcck derselben jedem anderen St\u00fccke congruent ist, wie man die beiden auch Zusammenlegen mag. Die Eigenschaft der Congruenz jedes Theils mit jedem und die damit zusammenh\u00e4ngende Verschiebbarkeit der Linie in sich selbst theilt mit der geraden","page":548},{"file":"p0549.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nIN SICH SELBST VERSCHIEBBARE LINIEN.\n549\nLinie mir noch der Kreis. Aber zwei Kreisb\u00f6gen von gleicher L\u00e4nge und Kr\u00fcmmung m\u00fcssen schon in einer bestimmten Weise zusammengelegt werden, um zu congruiren. Man kann ihre Enden auch so aufeinander legen, dass die Linienst\u00fccke selbst nicht congruiren. Auf dieser Eigenschaft der geraden Linie beruht auch wesentlich ihre Bedeutung als L\u00e4ngenmaass. Denn daf\u00fcr k\u00f6nnen wir nur eine Linie gebrauchen, die eindeutig bestimmt ist, wenn ihre Endpunkte bestimmt sind, und deren jeder Theil congruirend auf jeden andern gelegt werden kann.\nIm Blickfelde giebt es nun nur eine Art von Linien, an denen wir durch einen unmittelbaren Act der Empfindung constatiren k\u00f6nnen, dass sie in sich selbst verschiebbar und sich selbst also in allen ihren Theilen congruent seien ; das sind, wie die vorausgehende Er\u00f6rterung zeigt, unter Voraussetzung des LisTiNu\u2019schen Gesetzes, die Richtkreise. Zwar k\u00f6nnen auch andere Kreise im Blickfelde erscheinen, die wir f\u00fcr in sich selbst verschiebbar erkl\u00e4ren m\u00fcssen, aber wir k\u00f6nnen dies nur durch Messungen und Schl\u00fcsse, nicht durch einen unmittelbaren Act der Empfindung constatiren.\nWenn ein Auge in seinen Bewegungen abweicht vom LisTiNG\u2019schen Gesetze, so existiren bei einem solchen nicht nothwendig Linien, die bei Bewegungen des Blicks in ganzer L\u00e4nge\u2019 in sich selbst verschiebbar sind; aber man wird jedes Mal Linien construire\u00bb k\u00f6nnen, deren Elemente alle nacheinander auf demselben das Centrum der Netzhaut schneidenden Liuienelemente der Netzhaut abgebildet werden k\u00f6nnen Solche wollen wir Richtlinien des Blickfeldes nennen. Nur unter Voraussetzung des LisTiNG\u2019schen Gesetzes f\u00fcr die Augenbewegungen sind alle Richtlinien des Blickfeldes in sich selbst verschieblich und erscheinen dem Auge, dessen Blick an ihnen entlang l\u00e4uft., fortdauernd in unver\u00e4ndertem Netzhautbilde. Es ist dies eine wesentliche Eigenth\u00fcmlichkeit der dem LisTiNG\u2019schen Gesetze folgenden Augenbewegungen.\nGerade Linien des objectiven Raumes erscheinen im kugelf\u00f6rmigen Gesichtsfelde als gr\u00f6sste Kreise desselben. Gr\u00f6sste Kreise fallen mit den Richtkreisen nur zusammen, wenn sie durch den Hauptblickpunkt, (die Prim\u00e4rsteliung der Blicklinie) gehen. Dann erscheinen kurze St\u00fccke von ihnen, wie die oben beschriebenen Versuche zeigen, als gerade Linien, sonst aber gekr\u00fcmmt, und zwar entgegengesetzt der wirklichen Kr\u00fcmmung der Richtkreise gekr\u00fcmmt.\nDie Richtkreise, beziehiieh Richtlinien, m\u00fcssen in der That in dem fl\u00e4chenhaften Blickfelde die Stelle der geraden Linien, welches die Linien constanter Richtung in der Ebene sind, vertreten. Wir k\u00f6nnen mit einem kurzen Lineal in der Ebene\teine beliebig\tlange gerade Linie ziehen, indem wir zuerst eine\tsolche\nziehen, so\tlang als\tdas\tLineal es erlaubt, dann das Lineal l\u00e4ng;s der gezogenen\nLinie eine\tStrecke\tweit\tverschieben und so fortfahren. Ist das Lineal\tgenau\ngerade, so\terhalten\twir\tbei diesem Verfahren eine gerade Linie; ist es\tselbst\netwas gekr\u00fcmmt, so erhalten wir einen Kreis. Statt des verschiebbaren Lineals dient uns im Gesichtsfelde die mit einem iinienhaften Gesichtseindruck, der unter Umst\u00e4nden bis zum Nachbilde gesteigert sein kann, versehene centrale Stelle des deutlichsten Sehens. Wir verschieben den Blick in Richtung dieser Linie, dabei verschiebt sich die Linie selbst und zeigt uns d'e Fortsetzung dieser","page":549},{"file":"p0550.txt","language":"de","ocr_de":"55\u00dc\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEH.MUNGEN.\n\u00a7\u2022 2\u00ab.\nRichtung an. In der Ebene k\u00f6nnen wir jenes Verfahren gleich gut mit jedem geradlinigen oder bogigeu Lineal ausf\u00fchren, im Gesichtsfelde aber ist f\u00fcr jede Richtung des Rlicks und der Bewegung nur eine einzige Art von Linie m\u00f6glich, die sich fortdauernd in ihrer eigenen Richtung verschieben l\u00e4sst.\nWir sehen also, wie durch die Augenbewegungen und ihr bestimmtes Gesetz gewisse Abmessungen im Blickfelde m\u00f6glich werden. Nun finden wir aber, wie oben schon bemerkt worden ist, dass auch bei vollkommen ruhendem Auge im indirecten Sehen eine gewisse Bcurtheilung der Abmessungen des Sehfeldes m\u00f6glich ist, die nat\u00fcrlich sehr viel unbestimmter ist, als die, welche mittels des bewegten Blicks gewonnen wird , schon weil das indirecte Sehen \u00fcberhaupt keine grosse Genauigkeit gew\u00e4hrt. Dass aber die F\u00e4higkeit zu solcher Abmessung da sei, zeigt sich am schlagendsten an subjectiven Erscheinungen, die \u00fcberhaupt nur im indirecten Sehen beobachtet werden k\u00f6nnen, wie an der Aderfigur. Wir sind im Stande, eine solche Figur nachzuzeichnen, ihre Verziehungen bei wechselnder Beleuchtungsrichtung wahrzunehmen, und haben \u00fcberhaupt eine bestimmte fl\u00e4chenhafte Anschauung derselben, trotzdem wir nicht im Stande sind, durch Bewegungen des Auges die Lage derselben auf der Netzhaut zu ver\u00e4ndern und die einzelnen Theile derselben mit dem Blicke zu durchlaufen. Ebenso zeigt sich bei momentaner Beleuchtung des Gesichtsfeldes durch einen Blitz, dessen Dauer zu kurz ist, als dass eine merkliche Bewegung des Auges w\u00e4hrend der Dauer der Beleuchtung ausgef\u00fchrt werden k\u00f6nnte, dass wir im Stande sind, die Gestalt der vor uns liegenden Objecte der Hauptsache nach richtig zu beurtheilen.\nEs kommen aber auch bei dieser Art der Betrachtung eigenthiimliche T\u00e4uschungen des Augenmaasses vor, welche in so fern wichtig sind, als sie uns Andeutungen \u00fcber die Art, wie wir zur Ausmessung des Feldes des indirecten Sehens gekommen sind, zu geben scheinen.\nErstens geh\u00f6ren hierher die schon vorher beschriebenen T\u00e4uschungen in der Vergleichung von Winkeln mit nicht parallelen Schenkeln und von Linien nicht \u00fcbereinstimmender Richtung, weil, wie die Selbstbeobachtung lehrt, Bewegung des Auges in diesen F\u00e4llen nichts beitr\u00e4gt und auch nichts beitragen kann zur Verbesserung des Urtheils. Die genannten T\u00e4uschungen treten ebenso gut ein bei strenger Fixation eines Punktes als bei wanderndem Blick.\nDazu kommt nun noch ein anderes System von T\u00e4uschungen, die ich bisher noch nirgends erw\u00e4hnt gefunden habe, und welche sich beziehen auf die als ungekr\u00fcmmt erscheinenden Linien des Sehfeldes und auf die scheinbare Gr\u00f6sse seiner peripherischen Theile. In der Ebene sind die geraden Linien gleichzeitig die k\u00fcrzesten und die, welche weder nach der einen, noch nach der anderen Seite hin eine Kr\u00fcmmung zeigen. Auf der Kugel sind es die gr\u00f6ssten Kreise, deren Kr\u00fcmmungsradius ist senkrecht zur Kugelfl\u00e4che gerichtet, in der Kugelfl\u00e4che selbst zeigen sie keine Kr\u00fcmmung. Alle Kreise dagegen, welche kleiner sind als ein gr\u00f6sster, erscheinen concav auf der Seite, wo das kleinere von ihnen abgegrenzte Kugelst\u00fcck liegt, convex auf der entgegengesetzten Seite.\nWir k\u00f6nnen nun fragen, welches sind die ungekr\u00fcmmten Linien im Seh-","page":550},{"file":"p0551.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nAUGENMAASS IM INDIRECTES SEHEN.\n551\nfohle? Sind es, wie man zun\u00e4chst vielleicht vermuthen sollte, die gr\u00f6ssten Kreise des kugelig gedachten Feldes? Davon, dass diese es nicht in allen F\u00e4llen sind, kann man sich leicht \u00fcberzeugen.\nMan wiederhole den fr\u00fcher erw\u00e4hnten Versuch mit drei Sternen mit fixirtem Blicke, w\u00e4hrend fr\u00fcher Bewegung des Blicks \u00fcber dieselben hin vorausgesetzt war. Man suche sich am Sternenhimmel drei helle Sterne, die m\u00f6glichst ann\u00e4hernd in einem gr\u00f6ssten Kreise liegen, was man mittels eines ausgespannten Fadens, an dem man vorbei nach den drei Sternen hinvisirt, hinreichend genau erkennen kann. Man w\u00e4hle diese Sterne m\u00f6glichst weit von einander entfernt; doch m\u00fcssen sie hell genug sein, um auch im iudirecten Sehen noch leicht erkannt und von den benachbarten kleineren unterschieden zu werden.. Wenn man solche gefunden hat, fixire man den mittleren; sie werden in einer geraden Linie zu liegen scheinen, oder wenn sie nicht ganz genau in einem gr\u00f6ssten Kreise liegen, so erkennt man richtig den Sinn und ungef\u00e4hr auch die Gr\u00f6sse der Abweichung. Nun w\u00e4hle man aber den Fixationspunkt in einiger Entfernung auf der einen oder anderen Seite der Sternenreihe, man wird sogleich und sehr deutlich die Reihe gegen den Fixationspunkt concav sehen, um desto mehr concav, je weiter entfernt def Fixationspunkt von der Reihe der drei Sterne ist. Daraus lernen wir, dass am Sternenhimmel hei unbewegter Blickrichtung ein gr\u00f6sster Kreis nur dann ungekr\u00fcmmt erscheint, wenn er durch den Fixationspunkt geht, dagegen concav gegen den Fixationspunkt, wenn er das nicht thut. Es folgt daraus weiter, dass Linien, welche auf den peripherischen Theilen des Gesichtsfeldes ungekr\u00fcmmt erscheinen sollen, in Wahrheit auf dem Himmelsgew\u00f6lbe convex gegen den Fixationspunkt sein m\u00fcssen.\nAn irdischen Objecten wird man in der Beurtheilung der Ausmessungen ties Sehfeldes zwar leicht beeinflusst durch die schon vorher erworbene Kennt-uiss der wirklichen Ausmessungen des Objects, es gelingt aber doch auch an solchen dieselbe T\u00e4uschung wahrzunehmen.\nAm zweckm\u00e4ssigstcn ist es, sich weit .\u00fcber eine grosse Tischplatte zu beugen, so dass man keine erkennbaren geraden Linien mehr im Gesichtsfelde hat, nach denen man sich richten k\u00f6nnte, und einen Punkt der Platte zu lixiren. Wenn man dann in einiger Entfernung vom Fixationspunktef drei Papier-schnitzelclien oder andere helle Objecte hinlegt und dieselben in eine gerade Linie zu richten strebt, so findet man stets, sobald man den Blick auf die Papierchen selbst richtet, dass man sie in einen gegen den fr\u00fcheren Fixations-punkt convexen Bogen gelegt hat.\nWenn man \u00fcber dieselbe Tischplatte einen langen von zwei parallelen Linien begrenzten und etwa drei Zoll breiten Papierstreifen legt und dessen Mitte fixirt, so bemerkt man, dass seine Enden im iudirecten Sehen schmaler als die Mitte erscheinen, und dass er von zwei mit ihrer Concavit\u00e4t gegen einander sehenden B\u00f6gen begrenzt erscheint.\nAn geraden Linien von geringerer scheinbarer Erstreckung bemerkt man die Kr\u00fcmmung meistentheils nicht, weil wir viel mehr g\u00e9neigt sind, sie als gerade Linien der k\u00f6rperlichen Objecte, denn als gr\u00f6sste Kreise des Gesichtsfeldes zu betrachten und zu deuten.","page":551},{"file":"p0552.txt","language":"de","ocr_de":"552\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN (IESICHTSW All KN IHM l N (i E N.\n\u00a7. 28.\nW\u00e4hrend nun gr\u00f6sste Kreise concav gegen den Fixationspunkt erscheinen, wenn sie nicht durch diesen selbst hindurchgehen, so erscheinen im Gegenthoil Kreise, welche Parallelkreise zu einem durch den Fixationspunkt gehenden gr\u00f6ssten Kreise sind, convex gegen den genannten Punkt. Man biege, um dies zu pr\u00fcfen, einen drei bis f\u00fcnf Zoll breiten Papierstreifen zu einem Halbcylinder und bringe das Auge in dessen Axe. Fixirt man nun die Mitte des Papierstreifens, so scheint derselbe nach beiden Enden hin breiter zu werden und von zwei mit der Convexit\u00e4t gegen einander gekehrten B\u00f6gen begrenzt, Die seitlichen Theile des Streifens befinden sich in derselben Entfernung vom Auge, wie * die Mitte desselben, und erscheinen deshalb, geometrisch betrachtet, unter demselben Gesichtswinkel, wie die Mitte, w\u00e4hrend sie scheinbar im Sehfelde sich gr\u00f6sser darstellen als die Mitte des Streifens.\nDenken wir uns den Fixationspunkt am Horizont gelegen, \u00fcber ihm befinde sich in der H\u00f6he h ein Punkt, durch den im indirecten Sehen eine scheinbar ungekr\u00fcmmte horizontal verlaufende Linie gezogen werden soil. Der gr\u00f6sste Kreis, welcher rechts und links in gleicher Entfernung den Horizont schneidet und in der Entfernung h unter dem Occipitalpunkl des Beobachters hindurchgeht, erscheint nach unten coueav. Ein wirklich \u00fcberall horizontal verlaufender Parallelkreis des Horizontes, der in der Entfernung h auch \u00fcber dem Occipital-jmnkte hinweggeht, entspricht ebenfalls nicht der Aufgabe, er erscheint convex nach unten. Da der erste dieser Kreise nach unten concav, der zweite convex erscheint, so muss die scheinbar ungekr\u00fcmmte Linie zwischen diesen beiden liegen, und wenn sie ein Kreis ist, so muss sie weniger als h vom Occipital-punkt entfernt \u00fcber oder unter diesem hindurchgehen. Da k\u00f6nnen wir nun an die Richtkreise des Blickfeldes denken, die durch den Oecipitalpunkt selbst hingehen. Versuchen wir es mit diesen.\nZu dem Ende habe ich die Richtkreise des Blickfeldes, welche mit der durch den Fixationspunkt gehenden verticale\u00bb und horizontalen Linie \u00fcbereinstimmende Richtung haben, auf eine ebene Tafel projicirt: sie erscheinen dabei als Hyperbeln. Um sie im ganzen Sehfelde, auch in den indirect gesehenen Theilen desselben m\u00f6glichst deutlich erscheinen zu lassen, habe ich die Felder des von den Curven gebildeten Gitters schachbrettartig schwarz und weiss gemalt, wie Fig. FiO (S. 353) in verkleinertem Maassstabe 3/16 zeigt; A bezeichnet die in gleichem Verh\u00e4ltnis verkleinerte Entfernung, in der das Auge des Beobachters von der Tafel, der Mitte derselben gerade gegen\u00fcberstehend, entfernt sein muss. Der Mittelpunkt der Tafel wird fixirt. Das Orginal der Fig. 170 hatte ich an der Wand des Zimmers, seine Mitte in der H\u00f6he meiner Augen \u00fcber dem Boden befestigt; ein rechtwinkliges Winkelmaass, dessen Katheten die L\u00e4nge der f\u00fcr das Auge verlangten Entfernung von 20 Centimeter hatten, diente zur Controlle dieses Abstandes, indem man eine seiner Katheten an die Tafel anlegte und die Spitze des gegen\u00fcberliegenden Winkels den \u00e4ussern Augenwinkel ber\u00fchren liess.\nIn der That erscheinen nun die als Hyperbeln 1 projicirten Richtkreise des\nDie Gleichung dieser Hyperbeln ist im vorigen Paragraphen unter 3c) und den folgenden Nummern g**-","page":552},{"file":"p0553.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 28.\nA U G EN M A A SS IM INDIREKTEN SEHEN.\n553\nBlickfeldes unter diesen Umst\u00e4nden im Gesichtsfelde als gerade Linien, oder wenigstens als Linien, die nicht in der Fl\u00e4che des Sehfeldes gekr\u00fcmmt sind. Die einzelnen Vertical-reihen und Horizontalreihen schwarz weisser Felder sehen \u00fcberall gerade und \u00fcberall gleich breit aus, so lange man unverwandt den Mittelpunkt der Zeichnung fixirt. Nat\u00fcrlich erkennt man aber die Kr\u00fcmmung der seitlich gelegenen Felderreihen, sobald man den Blick nach ihnen hinwendet. Hierbei tritt eine eigent\u00fcmliche T\u00e4uschung ein. Ich sehe n\u00e4mlich, so wie ich den Blick wandern lasse, die Zeichnung gew\u00f6lbt, wie eine flache Sch\u00fcssel, so dass die Kr\u00fcmmung der Hyperbeln wie eine Kr\u00fcmmung nach der Fl\u00e4che erscheint und in dieser gekr\u00fcmmten Fl\u00e4che die Linien als gr\u00f6sste Kreise (oder k\u00fcrzeste Linien) erscheinen. Es wird durch diese Anschauung der Widerspruch zwischen directem und indirectem Sehen einigermassen aufgehoben. Nach den im Gesichtsfelde selbst gelegenen Richtungen erscheinen die Hyperbeln nicht gekr\u00fcmmt, nur das Gesichtsfeld selbst erscheint gekr\u00fcmmt.\nMan muss also wohl darauf achten, dass man bei dieser Beobachtung den Blick fest, auf den Mittelpunkt der Tafel gerichtet h\u00e4lt. Sollte man sich von der Vorstellung ihrer wirklichen Gestalt nicht so schnell frei machen k\u00f6nnen, so erleichtert es die T\u00e4uschung, wenn man dicht vor das Auge eine Linse h\u00e4lt, in deren Brennpunkt die Tafel liegt. Freilich erscheinen die peripherischen Theile der Tafel dadurch etwas verzerrt; die Brechung in der Linse vergr\u00f6ssert bei sehr schiefem Einfall der Strahlen die Kr\u00fcmmung der Hyperbeln; aber der gr\u00f6ssere mittlere Theil der Tafel wird durch die Linse, wie in unendlicher Entfernung liegend gesehen und dadurch die Abstraction von seiner wahren k\u00f6rperlichen Gestalt beg\u00fcnstigt.\nAm vollkommensten gelingt die T\u00e4uschung, wenn man den Mittelpunkt der Tafel so lange fixirt, bis ein kr\u00e4ftiges Nachbild entwickelt ist und man dies mit geschlossenen Augenlidern gegen das helle Fenster gewendet betrachtet.\ngeben; die Abst\u00e4nde derselben in der initiieren Horizontale und Verticale sind so gew\u00e4hlt, dass sie gleichen Gesichtswinkeln entsprechen.","page":553},{"file":"p0554.txt","language":"de","ocr_de":"554\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 28.\nIch verfuhr weiter so, dass ich anfangs mein Auge weiter als 20 Centimeter von der Tafel entfernte, wobei die rechts und links, oben und unten gelegenen Hyperbeln gekr\u00fcmmt erschienen, und mich dann allm\u00e4lig n\u00e4herte, bis sie mir gerade geworden waren, dann mass ich den Abstand meines Auges von der Tafel mittels des erw\u00e4hnten Winkelmaasses. Ging ich noch n\u00e4her heran, so fingen die Hyperbeln an, sich scheinbar nach der entgegengesetzten Seite zu kr\u00fcmmen, als nach der sie wirklich gekr\u00fcmmt waren. Dabei fand ich fast stets f\u00fcr die Entfernung meines Auges von der Tafel 20 Centimeter, wenn ich auf die Horizontallinien der Tafel achtete und diese gerade zu sehen trachtete, und auch f\u00fcr die mittleren Verticalstreifen stimmte es gut. F\u00fcr die \u00e4usseren, besonders die nach der Schl\u00e4fenseite liegenden Verticalstreifen dagegen war ich geneigt, eine der Tafel etwas n\u00e4here Stellung zu w\u00e4hlen. Deren wirkliche Kr\u00fcmmung schien in der Entfernung von 20 Centimeter, f\u00fcr die die Tafel berechnet war, noch nicht ganz aufgehoben zu sein.\nAuch bei schief gehaltenem Kopfe, wobei die Linien der Tafel auf schr\u00e4g liegende Meridiane der Netzhaut fielen, blieben die Erscheinungen dieselben.\nDaraus geht also hervor, dass so weit die Unbestimmtheit des indirecten Sehens und des entsprechenden Augenmaasses zu beurtheilen erlaubt, die Richtlinien des Blickfeldes, wie sie im Sehfelde bei fixirtem Hauptblickpunkte erscheinen w\u00fcrden, die scheinbar ungekr\u00fcmmten, also auch scheinbar k\u00fcrzesten Linien des Sehfeldes sind.\nDiese besondere Gestalt der k\u00fcrzesten Linien im Sehfelde hat nun noch weitere Folgen f\u00fcr dessen scheinbare Gestalt und die scheinbare Gr\u00f6sse der \u2022Objecte, wie schon vorher bemerkt wurde. Man denke sieh den horizontalen Meridian des Sehfeldes gezogen und 100 \u00fcber dessen Mitte in horizontaler Richtung eine Richtlinie. Diese trifft mit jenem Meridian in 180\u00b0 Entfernung hinter dem Kopfe des Beobachters zusammen und tangirt ihn dort; in 90\u00b0 Entfernung aber an den R\u00e4ndern des Gesichtsfeldes ist die Richtlinie nur noch um 5\u00b0 senkrecht entfernt von dem genannten Meridiane, und da die beiden Kreise im Sehfelde als parallele Linien erscheinen, so erscheint der senkrechte Abstand beider von 5\u00b0 am Rande ebenso gross wie der von 10\u00b0 in der Mitte, und in gleicher Weise erscheinen auch au anderen Stellen des Randes des Sehfeldes die diesem Rande parallelen Dimensionen der Bilder relativ zu gross.\nDies zeigt sich nun auch in folgenden Versuchen. Mau stelle sich so, dass man zur Seite um etwa 90\u00b0 vom Fixationspunkt entfernt eine weisse Th\u00fcr in einer dunklen Wand, oder einen dunklen Baum vor der hellen Himmelsfl\u00e4che hat, und beachte, wie hoch diese im indirecten Sehen erscheinen. Man wende dann Auge und Kopf direct nach diesen Gegenst\u00e4nden hin, so wird man finden, dass sie viel niedriger erscheinen, und dass im Gegensatz zu der verminderten H\u00f6he ihre Breite viel mehr heraustritt. Berge am Rande des Gesichtsfelds erscheinen in \u00e4hnlicher Weise h\u00f6her und steiler, als wenn man direct hinbiiekt.\nAndererseits lege man einen weissen Bogen Papier vor sich auf einen dunklen Fussboden und sehe horizontal gerade aus, so dass das Papier am untern Rande des Gesichtsfeldes erscheint, es wird relativ zu breit von rechts nach links erscheinen und sich scheinbar zusammenziehen, sobald man direct hinblickt.","page":554},{"file":"p0555.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. iS.\nAUGENMASS IM INDIRECTES SEHEN.\n555\nW\u00e4hrend so die der Peripherie des Sehfeldes parallelen B\u00f6gen vergr\u00f6sscrt erscheinen, erscheinen die peripherischen Theile der radial verlaufenden Linien etwas verkleinert. Die Hyperbeln der Fig. 170 sind so construirt, dass aus der Entfernung A gesehen die Scheitel der horizontal und die der vertical verlaufenden Hyperbeln um gleiche Gesichtswinkel von je '10 Grad von einander abstehen. Wenn also die Hyperbeln als gerade Linien erscheinen, so sollten die schwarzen und weissen Felder alle als gleich grosse Quadrate erscheinen. Das ist aber nicht der Fall; vielmehr erscheinen die von der horizontalen Mittellinie weit nach oben und nach unten gelegenen Quadrate zu niedrig gegen ihre Breiten. Weniger deutlich finde ich es, dass die nach rechts und links gelegenen vielleicht etwas zu schmal in ihrer Breite erscheinen. Doch ist \u00fcberhaupt diese Vergleichung der Gr\u00f6ssen direct und indirect gesehener Objecte sehr unvollkommen.\nEine farbige kreisf\u00f6rmige Pappscheibe vor einen contrastirenden Grund gehalten, erscheint daher am oberen und unteren Rande des Sehfeldes als eine elliptische Scheibe mit l\u00e4ngerem horizontalen Durchmesser. Weniger deutlich zeigt sie sich am rechten und linken Rande des Sehfeldes als eine Ellipse mit l\u00e4ngerem verticalen Durchmesser.\nDa die Seiteutheile des Sehfeldes uns etwas zu hoch und etwas zu schmal erscheinen, so besteht eine gewisse Neigung, sie fiir n\u00e4her und schr\u00e4g gestellt gegen die Gesichtslinie zu halten. Sowie man den Blick nach ihnen hinwendet, scheinen sie zur\u00fcckzuweichen und sich mehr senkrecht gegen die Blicklinie zu stellen. Es ist dies eine T\u00e4uschung, die ich bei weit entfernten Objecten am Horizont, am Sternenhimmel sehr gew\u00f6hnlich sehe. Das Sehfeld erscheint mir dann nicht als eine Kugel, in deren Mittelpunkt sich das Auge befindet, sondern es erscheint st\u00e4rker concav als eine solche; doch m\u00f6chte ich nicht 'sagen, dass das monoculare Sehfeld bei unbewegtem Blicke sich uns mit einiger Entschiedenheit als eine bestimmt geformte Fl\u00e4che darstellte.\nIn der That lassen sich nun die haupts\u00e4chlichsten der eben beschriebenen Eigenth\u00fcmlichkeiteij der Wahrnehmung in folgendem geometrischen Bilde zu-sammenfassen. Man denke sich zuerst das Blickfeld als eine Hohlkugel, in deren Mittelpunkt das Auge sich befindet. Man denke Radien von Mittelpunkte (Richt-tungslinien des Sehens) gezogen nach den einzelnen Objectpunkten und verl\u00e4ngert bis zur Kugeloberfl\u00e4che. Wo diese Radien die Kugeloberfl\u00e4che schneiden, ist das auf die Kugelschale projicirte Bild des Objectes. Man denke sich die Objecte entfernt und nur durch ihre Bilder auf der Kugelfl\u00e4che des Blickfeldes ersetzt. Das Auge tixire den Hauptblickpunkt; ihm gegen\u00fcber liegt der Occipital-punkt. Ich sage; das Auge sieht die Objecte im Sehfelde scheinbar so vertheilt, wie es sie nach geometrisch richtiger Projection sehen w\u00fcrde, wenn es die Bilder auf der Kugelfl\u00e4che vom Occipitalpunkte derselben aus ans\u00e4he. Oder auch: Das Auge sieht die Gegenst\u00e4nde des Gesichtsfeldes wie in einer vom Occipitalpunkte aus entworfenen stereographischen Projection, diese vom Occipitalpunkte selbst aus betrachtet. Es ist dieselbe Art der Projection, wie sie bei geographischen Karten f\u00fcr Erdhalbkugeln immer angewendet wird.\nIn der That liegen die im Sehfelde als ungekr\u00fcmmt erscheinenden Rieht-","page":555},{"file":"p0556.txt","language":"de","ocr_de":"DRITTKR ABSCHNITT. DU'. LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRN! HMl'NliEN.\nr>;>6\nkreise in Ebenen, die durch den Occipitaipunkt gehen, und m\u00fcssen sieh also von dort gesehen als geradlinig projiciren. Tangential gerichtete Erstreckungen l\u00e4ngs der Peripherie des Sehfeldes m\u00fcssen relativ grosser als ihnen parallele Strecken in der Mitte ries Feldes erscheinen, weil erstere dem Autre n\u00e4her sind, als letztere. Dazu kommt nun noch, dass in der That das Sehfeld jedes Auges, welches geometrisch genommen von rechts nach links etwa 180 Grade einnimmt. scheinbar viel enger ist. Denn die \u00e4ussersten nach rechts und links gelegenen Objecte, welche wir noch im indirecte!) Sehen erkennen k\u00f6nnen, und deren gerade Verbindungslinie durch .unser Auge hindurchgeht, erscheinen uns doch noch immer, wie vor uns liegend, ais ob die zu ihnen gef\u00fchrten Richtungslinien des Sehens einen stumpfen oder auch wohl rechten Winkel mit einander bildeten. Namentlich wenn man nach dem Himmel blickt, so dass man keine irdischen Objecte von bekannter Lage und Grosse im Sehfelde hat. so scheint das helle Feld, welches man vor sich hat. etwa den Durchmesser eines rechten Winkels von rechts nach links, noch weniger sogar von oben nach unten zu haben, wo Augenbrauen lind Wange das Fehl etwas verengern. Es macht den Eindruck, als blickte mau aus einer gewissen Tiefe des Kopfes hervor in die Aussenwelt.\nDas eben angef\u00fchrte geometrische Bild m\u00f6chte ich nur als solches betrachtet wissen; es fasst die Hauptztige der scheinbaren Vertheiiung im Sehfelde zusammen, aber nicht alle. Die scheinbare Verk\u00fcrzung der radial gerichteten, vom Hauptblickpunkte auslaufenden Strecken nahe der Peripherie, die namentlich am untern und ob\u00e9ra Rande des Gesichtsfeldes deutlich vorhanden ist. wird durch jenes Bild nicht gegeben. Gleiche radiale Strecken w\u00fcrden vielmehr in allen Theilen des Feldes gleich gross erscheinen, da sie f\u00fcr das im R\u00fcckenpunkt\u2019 der Kugel gelegene Auge durch gleiche Peripheriewinkel gemessen werden, wie f\u00fcr das im Mittelpunkte befindliche durch gleiche Centriwinkel. Zu gleichen Centriwinkeln geh\u00f6ren aber bekanntlich gleiche Peripheriewinkei.\nAuch die scheinbare Abweichung der verticaien Meridiane und des Verh\u00e4ltnisses der verticaien und horizontalen Dimensionen' ist nicht ber\u00fccksichtigt.\nWir kommen jetzt zu der Untersuchung, wie kann eine solche Ausmessung des Sehfeldes entstehen.\nIm Sinne der nativistischen Theorie ist sie durch gewisse organische Einrichtungen von Geburt auf gegeben, eine Erkl\u00e4rung aus den Gesichtserscheinungen also nicht weiter zu suchen.\nDie empiristisebe Theorie aber wird versuchen m\u00fcssen, eine sulche Erkl\u00e4rung zu finden. Wir setzen dabei voraus, dass das Bewegungsgesetz der Augen ausgebildet sei. was, wie im vorigen Paragraphen gezeigt wurde, ohne eine Kenntniss der Localisation der Eindr\u00fccke im Gesichtsfelde geschehen kann, in Folge des Bestrebens, die Ver\u00e4nderungen der Eindr\u00fccke bei Bewegung des Auges ais abh\u00e4ngig von dieser Bewegung und nicht von Aenderungen der \u00e4usseren Objecte zu constatiren. In Wirklichkeit mag, wie schon fr\u00fcher bemerkt wurde, die Ausbildung des Augeimiaasses sich theilweise gleichzeitig mit dem Gesetz der Bewegungen entwickeln und die ganze Ein\u00fcbung nicht so methodisch und in einzelne Stadien getrennt vor sich gehen, wie wir es hier der Feber-","page":556},{"file":"p0557.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7, -iS.\nAUGENMAASS IM INDIRECTEN SEHEN.\n557\nsichtlichkeit wegen haben darstellen m\u00fcssen. Im Wesentlichen wird dadurch nichts ge\u00e4ndert.\nWir haben im Anf\u00e4nge dieses Paragraphen auseinandergesetzt, wie unter Hilfe der Bewegungen des Auges zun\u00e4chst ermittelt werden kann, in welcher Reihenfolge die Objecte und die durch besondere Local ze kl ten charakterisirten ihnen entsprechenden Netzhautpunkte in der Fl\u00e4che jene des Gesichtsfeldes, diese der Netzhaut geordnet sind. Es blieb nur noch \u00fcbrig, die Entstehung der bestimmten Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse zu er\u00f6rtern.\nWir haben dann gesehen, wie die Kenntniss gewisser Linien im Blickfelde, die in allen ihren Theilen \u00fcbereinstimmende Richtung haben, und als in sich selbst verschiebbar wahrzunehmen sind, der Richtlinien, durch das ausgebildete Bewegungsgesetz der Augen gewonnen werden kann.\nWenn wir nun irgend ein Object im indirecten Sehen wahrnehmen, von ihm also einen begrenzten Eindruck auf einen seitlichen Theil der Netzhaut erhalten haben, und dann den Blick jenem Objecte zuwenden, so erhalten wir hinterher einen Eindruck desselben Objects mit seiner gleichen scheinbaren Gr\u00f6sse auch auf dem Centrum der Netzhaut, und k\u00f6nnen also aus Erfahrung allro\u00e4lig lernen, welchem centralen Eindr\u00fccke ein gewisser peripherischer in Qualit\u00e4t und Gr\u00f6sse gleich gilt. Dadurch ist die M\u00f6glichkeit gegeben, auch mittels des indirecten Sehens, soweit dessen Genauigkeit ausreicht, Objecte ihrer Form und scheinbaren Gr\u00f6sse nach beurtheilen zu lernen.\nNeben der Gr\u00f6sse und Form wird aber auch eine Vergleichung der Richtung des erst indirect und dann direct gesehenen Objectes mit dem zuerst direct gesehenen eintreten, es wird wahrgenommen werden, welche Linien beider Objecte sich auf denselben Meridianen der Netzhaut ahbilden. Diese Vergleichung der Lage wird allerdings etwas verschieden ausfallen m\u00fcssen, je nachdem wir von der Prim\u00e4rstellung oder von einer Secund\u00e4rstellung des -Blicks ausgehen, obgleich das f\u00fcr normalsichtige Augen geltende LisTiNG\u2019sche Gesetz die Summe dieser Verschiedenheiten so klein als m\u00f6glich macht. Im Mittel aller F\u00e4lle aber wird die Vergleichung so ausfallen, als w\u00e4re das erste Object in der mittleren Stellung, das heisst in der Prim\u00e4rstellung fixirt worden. Ausserdem ist schon fr\u00fcher hervorgehoben worden, dass die Prim\u00e4rstellung als die bequemste und zur Orientirung vortheilhafteste am meisten vom Auge eingenommen wird, und dass wir Bewegungen, welche mit Drehung um die Blicklinie verbunden sind, zu vermeiden suchen. So werden wir also durch Erfahrung kennen lernen k\u00f6nnen, welche Richtungen in den Seitentheilen des Sehfeldes \u00fcbereinstimmen, mit den durch den Fixationspunkt gezogenen Linien, und diese Uebereinstimmung wird sich als Regel so feststellen, wie sie stattfindet, wenn der Fixationspunkt auch Hauptblickpunkt ist, das heisst s\u00e4mmtliche Linienelemente ein und derselben Richtlinie werden im Sehfelde \u00fcbereinstimmende Richtung zu haben scheinen, und s\u00e4mmtliche Richtlinien, die im Occi-pitalpunkt einen und denselben Meridian des Sehfeldes tangiren, werden \u00fcbereinstimmende Richtung haben.\nNun tritt aber diese Bestimmung der Linien von \u00fcbereinstimmender Richtung in Widerspruch mit den Bestimmungen der scheinbaren Gr\u00f6sse, welche bei","page":557},{"file":"p0558.txt","language":"de","ocr_de":"558\nDRITTKR ABSCHNITT. DIF. I.RHRR VON DEN GKSICHTSWAURNF.HMUNGEN.\n\u00a7. 28.\nVergleichung der direct und indirect gesehenen Objecte anzustellen sind. Linien von \u00fcbereinstimmender Richtung im Sinne unserer Definition dieses Begriffs k\u00f6nnen sich n\u00e4mlich nicht schneiden, denn wo sie sich schneiden, w\u00fcrden sie nicht in \u00fcbereinstimmender Richtung \u2022 erscheinen k\u00f6nnen. Sie erscheinen uns vielmehr thats\u00e4chlichsparallel und \u00fcberall in gleichem Abstande. Dadurch wird es aber bedingt, wie wir oben gesehen haben, dass die tangential gerichteten peripherischen Strecken relativ zu gross erscheinen.\nDass wir bei diesen Vergleichungen die Richtung der \u00fcbereinstimmenden Linien mehr ber\u00fccksichtigen als die Gr\u00f6sse der Objecte, h\u00e4ngt wohl davon ab, dass wir bei undeutlichen und verwaschenen Bildern, wie die peripherischen des Sehfeldes in hohem Grade sind, Richtungen von Linien noch ziemlich gut und genau erkennen k\u00f6nnen, wenn die Form und Dimensionen des Objects nur noch sehr ungenau erkannt werden. Wenn man eine feine schwarze Linie unter Umst\u00e4nden betrachtet, wo man nicht f\u00fcr sie accommodiren kann und sie als einen verwaschenen Schattenstreifen sieht, so wird man ihre Breite gar nicht, ihre L\u00e4nge nur sehr unvollkommen bemessen, ihre Richtung aber, noch sehr genau mit der eines scharf gesehenen Fadens vergleichen k\u00f6nnen, indem man diesen dem Rande des Schattenstreifens parallel oder auch gerade in die Mitte des Schattens einstellt. Nun machen die Bilder in den Seitenthcilen des Sehfeldes ungef\u00e4hr denselben subjectiven Eindruck, wenn auch aus einem ganz andern Grunde, wie Bilder, die wegen schlechter Accommodation sehr verwaschen sind, und cs scheint mir deshalb die Annahme zul\u00e4ssig, und wird auch, wie mir scheint, durch directe Beobachtung best\u00e4tigt, dass man die Richtung der durch sie verlaufenden Linien verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel sicherer bestimmt, als die Gr\u00f6sse der dort befindlichen Objecte. Es wird mir wenigstens viel schwerer, mich \u00fcber die Stellung zu entscheiden, die ich nehmen muss, um die \u00e4usseren Felder des Schachbrettmusters Fig. 170 gleich breit mit den mittleren zu sehen, als es der Fall ist, wenn ich die Linien gerade gestreckt sehen will.\nDass an den \u00e4ussersten Grenzen des schachbrettf\u00f6rmigen Feldes die Richtlinien noch etwas gekr\u00fcmmt erschienen, erkl\u00e4rt sich daraus, dass von der Prim\u00e4rstellung ausgehend diese Stellen nur mit angestrengter Seitenwendung des Auges zu erreichen waren, wie wir sie gew\u00f6hnlich nicht anwenden. Um sie mit dem Blicke ohne ungew\u00f6hnliche Anstrengung erreichen zu k\u00f6nnen, musste der Blicklinie f\u00fcr das Centrum der Scheibe eine Wendung nach der entgegengesetzten Seite gegeben werden. Bei solcher Stellung aber w\u00fcrden die Richtlinien des Sehfeldes an der betreffenden Stelle der Peripherie wirklich weniger gekr\u00fcmmt, als die Hyperbeln.\nDi dem mittleren deutlich gesehenen Theile des Sehfeldes k\u00f6nnen wir, wegen seiner geringen Ausdehnung von der Kr\u00fcmmung der Kugelfl\u00e4che und der auf ihr gezogenen Richtlinien, absehen. Wir k\u00f6nnen in diesem Theile des Sehfeldes \u00fcbereinstimmende Richtlinien als parallele gerade Linien betrachten. Hier muss auch die Vergleichung der Form, Gr\u00f6sse und Lage der Objecte, wenn wir sie bald indirect, bald direct betrachten, \u00fcbereinstimmende Resultate geben. Hier wird also auch eine genauere Vergleichung indirect gesehener Strecken mit parallelen direct gesehenen m\u00f6glich werden, w\u00e4hrend unsere Ver-","page":558},{"file":"p0559.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nAUGRNMAASS IM 1NDIRECTEN SEHEN.\n559\ngleichungen soldier Strecken von den peripherischen Theilen des Gesichtsfeldes sehr unsicher und fehlerhaft sind. Nicht \u00fcbereinstimmende Strecken werden aber auch in der Mitte des Gesichtsfeldes nicht unmittelbar, sondern nur mit Hilfe von Drehungen des Kopfes oder des Objects verglichen werden k\u00f6nnen, eine Art der Vergleichung, welche nothwendig viel unvollkommener ist, als die durch Drehung des Auges allein.\nDie oben angegebenen Thatsachen lehren nun auch weiter, dass man in der That solche Linien und Winkel, welche \u00fcbereinstimmende Lage haben, und deshalb mit denselben Netzhautpunkten zur Deckung gebracht werden k\u00f6nnen, leicht und gut auch der Gr\u00f6sse nach miteinander vergleicht, w\u00e4hrend die Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse solcher Linien und Winkel, die nicht \u00fcbereinstimmende Lage haben, sowohl eine betr\u00e4chtliche Unsicherheit, als auch gewisse regelm\u00e4ssige constante Fehler bei der Vergleichung zeigen. Bis zu einem gewissen Grade lernen wir nat\u00fcrlich auch Linien und Winkel vergleichen, die nicht \u00fcbereinstimmende Lage haben, wie die Seiten und Winkel eines Quadrats oder eines gleichseitigen Dreiecks, indem wir entweder die Objecte vor uns haben und herumdrehen, so dass wir sie in verschiedener Stellung erblicken, oder indem wir unseren Kopf drehen. Beides geschieht aber nicht so h\u00e4ufig, nicht in so regelm\u00e4ssig wiederkehrender Weise, wie die blosse Bewegung des Auges, daher die Uebung in Bezug auf die Vergleichung von Objecten nicht \u00fcbereinstimmender Lage nat\u00fcrlich sehr mangelhaft bleibt.\nBei einer unsicheren Wahrnehmung wird nun unser Urthcil auch leicht durch andere Motive, die darauf Einfluss haben, irre geleitet. Wir werden sehen, dass die T\u00e4uschung \u00fcber die Gr\u00f6sse der rechten Winkel in einer ganz besonderen Beziehung zum zwei\u00e4ugigen Sehen steht und deshalb bei verschiedenen normalsichtigen Individuen auch in ziemlich \u00fcbereinstimmender Gr\u00f6sse wiederkehrt. Die T\u00e4uschung, durch welche uns verticale Linien zu gross erscheinen im Vergleich zu horizontalen, zeigt dagegen sehr grosse Differenzen bei verschiedenen Individuen, und hier finde ich auch bei mir selbst das Ur-theil sehr wechselnd und sehr unsicher. Dabei mag vielleicht von Einfluss sein, dass die meisten Figuren der Art, gegen welche wir unsere Stellung so wechseln, oder deren Stellung gegen uns wir so wechseln lassen k\u00f6nnen, dass ihre verschieden gerichteten Linien und Winkel sich nach einander auf denselben Netzhautparthien abbilden, solche sind, die auf dem Fussboden gezogen sind, oder auf ebenen Tafeln, die wir, wie unsere B\u00fccher, so in der Hand halten, dass ihr unteres Ende dem Auge n\u00e4her ist, als das obere. Warum wir diese Haltung w\u00e4hlen, wird sich in der Lehre vom Horopter zeigen. Bei solcher Lage der Linien erscheinen aber in der That verticale Linien immer in perspectivischer Verk\u00fcrzung, und wir k\u00f6nnen dadurch geneigt werden, sie immer f\u00fcr l\u00e4nger zu halten, als sie ihrer scheinbaren Gr\u00f6sse nach sind.\nUebrigens ist ferner ersichtlich, dass wenn einmal durch irgend welche Motive festgestellt ist, welcher Meridian f\u00fcr senkrecht gehalten werden soll, und welches L\u00e4ngenverli\u00e4ltniss verticaler und horizontaler Linien gleich der Einheit erscheinen soll, dass dann auch die scheinbare Lage jedes anderen Punktes im Sehfelde bestimmt ist.","page":559},{"file":"p0560.txt","language":"de","ocr_de":"560\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 28.\nWenn wir uns hierbei beschr\u00e4nken auf den mittleren Theil des Sehfeldes, welcher ann\u00e4hernd als Ebene betrachtet werden kann, so k\u00f6nnen wir uns die geometrische Lage der Punkte durch rechtwinkelige Coordinaten gegeben denken. Es sei in Fig. 471 A B die dem Netzhauthorizont entsprechende Horizontale,\nCA eine Verticale, A der Blickpunkt. Dem entspreche die scheinbare Lage im Sehfelde ab f\u00fcr den Netzhauthorizont, ac f\u00fcr den ver-ticalen Meridian. Es sei der Punkt /\u25a0' im geometrischen Sehfelde abstehend um zwei L\u00e4ngeneinheiten von der Axe A B, um drei von der Axe AC. Tragen wir auf ab drei L\u00e4ngeneinheiten ab gleich denen von AB, und auf ac die Linie ad, welche zwei L\u00e4ngeneinheiten von AC gleich lang erscheint, und vervollst\u00e4ndigen das Parallelogramm abdf, so ist f die scheinbare Lage von F, denn der Construction gem\u00e4ss m\u00fcssen alle einzelnen Linienst\u00fccke und Winkel der beiden Figuren einander gleich erscheinen.\nDie scheinbare Lage der Punkte im mittleren, scharf gesehenen Theile des Sehfeldes, welchen wir als Ebene betrachten k\u00f6nnen, wird also nach der vorgetragenen Theorie, wie es auch in der That der Fall ist, aus der geometrischen hergeleitet werden, wenn wir die Punkte aus einem rechtwinkeligen Coordinatensystem in ein schiefwinkeliges mit ver\u00e4ndertem Axenverh\u00e4ltniss \u00fcbertragen. Indessen l\u00e4sst sich auch, wie aus bekannten S\u00e4tzen der analytischen Geometrie erhellt, in solchen F\u00e4llen immer eine bestimmte Axenrichtung eines rechtwinkeligen Systems angeben, an dem die Uebertragung dadurch vorgenommen .werden kann, dass nur die der einen Axe parallelen Coordinaten in einem bestimmten Verh\u00e4ltnisse verk\u00fcrzt oder verl\u00e4ngert werden. Die Winkel und Axen-verh\u00e4ltnisse, welche diesen Umformungen zu Grunde zu legen sind, sind schon oben angegeben.\nIch muss hier noch bemerken, dass die beschriebenen ^tats\u00e4chlichen Verh\u00e4ltnisse nicht passen zu zwei anderen Theorien, die \u00fcber die Ausmessung des Sehfeldes aufgestellt worden sind. Eine Anzahl von Physiologen hat sich der Annahme von J. M\u00fcller angeschlossen, dass die Netzhaut die F\u00e4higkeit h\u00e4tte, ihre eigenen r\u00e4umlichen Dimensionen wahrzunehmen. Dann w\u00fcrden die tangential gerichteten Strecken nahe der Peripherie des Sehfeldes nicht zu gross, wie sie es thun, sondern vielmehr zu klein erscheinen m\u00fcssen, da, wie der Querschnitt des Auges auf Taf. I, Fig. 1 lehrt, die Netzhaut gegen ihren vorderen Rand an der Ora serrata g g hin betr\u00e4chtlich enger wird, als eine um den Knotenpunkt beschriebene Halbkugel. Wie es sich unter dieser Annahme mit den radialen Dimensionen verhalten m\u00fcsste, l\u00e4sst sich nicht gut entscheiden, da die Brechung der Strahlen, welche sie bei so schiefem Einfall in Richtung zur Axe hin erleiden, und die Lage des Netzhautbildes nicht genau bestimmt \\verden k\u00f6nnen.\nC\tc\n/","page":560},{"file":"p0561.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\tT\u00c4USCHUNGEN DES AUGENMAASSES.\t561\nEine zweite Annahme, die zur Erkl\u00e4rung der Ausmessung des Sehfeldes gebraucht worden ist, ist von mehreren Physiologen aus E. H. Weber\u2019s Versuchen \u00fcber die Empfindungskreise der Haut und der Netzhaut hergeleitet worden, freilich wohl kaum, wie mir scheint, im Sinne dieses Autors 1 * 3. Danach sollen die kleinsten r\u00e4umlich unterscheidbaren Ausdehnungen als Einheiten .des Fl\u00e4chenmaasses benutzt werden. R\u00e4umliche Trennung zweier Eindr\u00fccke kann, wie schon auf Seite 215 er\u00f6rtert wurde, nur wahrgenommen werden, wenn zwischen zwei erregten Fl\u00e4chenelenienten ein nicht erregtes oder anders erregtes \u00fcbrigbleibt und wahrgenommen werden kann. Die Gr\u00f6sse der kleinsten unterscheidbaren Fl\u00e4chenelemente ist nun an verschiedenen Theilen der Netzhaut sowohl, wie ausser Weber auch Aubert und F\u00f6rster erwiesen haben, als auch an verschiedenen Stellen der Haut sehr verschieden, so dass die Entfernung der erregten Punkte an verschiedenen Theilen sehr verschieden gross gew\u00e4hlt werden muss, wenn man sie als zwei unterscheiden soll. Setzt man also zwei Zirkelspitzen auf eine Stelle der Haut, wo ihre Distanz kleiner als die kleinsten unterscheidbaren Entfernungen ist, so verschmelzen ihre Eindr\u00fccke in einen, man glaubt nur mit einer Spitze ber\u00fchrt zu sein. Setzt man sie auf eine Stelle auf, wo ihre gesonderte Unterscheidung nur undeutlich erfolgt, so ist man allerdings geneigt, sie f\u00fcr n\u00e4her zu halten, als sie wirklich sind; setzt man sie endlich an feiner unterscheidenden Theilen auf, wo ihre Trennung leicht erkannt wird, so erkennt man, wie ich wenigstens finde, richtig ihre wahre Distanz. So erscheinen mir also zum Beispiel Zirkelspitzen von vier Linien Distanz an der Zungenspitze, an der Fingerspitze, an den Lippen in gleicher Entfernung von einander, obgleich an den Lippen ein Abstand von 1j.1 Linie unterschieden wird, an der Fingerspitze dagegen nur einer von 1, an den Lippen von 2 Linien. Dagegen am Kinn und unterhalb des Kinnes, wo die Unterscheidung der Spitzen bei der genannten Distanz schwierig und unsicher wird, erscheinen sie mir, wenn ich sie unterscheide, wohl etwas n\u00e4her zusammenger\u00fcckt zu sein, als sie wirklich sind, nach dem allgemeinen Gesetze des Empfindens, wonach deutlich wahrnehmbare Unterschiede gr\u00f6sser erscheinen als undeutlich wahrnehmbare. Aber doch scheinen sie mir am Halse, so lange ich sie \u00fcberhaupt noch unterscheiden kann, niemals so nahe zu sein, als wenn ich die Spitzen eine halbe Linie oder eine Linie von einander entfernt, an die Zungenspitze ansetze. Die kleinsten unterscheidbaren Gr\u00f6ssen erscheinen also keineswegs an allen Stellen der Haut gleich gross, sondern sie erscheinen sehr verschieden gross.\nEbenso verh\u00e4lt es sich auf der Netzhaut. Wenn ich zwei kleine schwarze Kreise von 2 Millimeter Durchmesser und ebensoviel gegenseitigem Abstand im indirecten Sehen betrachte, und eine Stelle suche, wo sie zuerst mir anfangen sichtbar zu werden, so erscheinen sie mir dort keineswegs n\u00e4her aneinanderzustehn, als sie wirklich sind, und jedenfalls nicht im entferntesten so nahe, als zwei mit dem Centrum der Netzhaut fixirte Punkte, die an der Grenze der Unterscheidbarkeit sind.\n1 E. H. Weber \u00fcber den Raumsinn und die Emp\u00dfndungskreise in der Haut und im Auge. Berichte der\nS\u00e4ehs. Ges. 1852, S. 85 \u2014164.\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiolog. Optik.\t36","page":561},{"file":"p0562.txt","language":"de","ocr_de":"562\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTS WAHRNEHMUNG EN.\n\u00a7. 28.\nIch glaube deshalb, dass es eine unzul\u00e4ssige Erweiterung der WEBER\u2019schen Theorie von den Empfindlingskreisen ist, wenn man diesen Kreisen \u00fcberall dieselbe scheinbare Gr\u00f6sse zuschreiben und sie als elementare Maasseiuheiten der R\u00e4umabmessungen benutzen will. F\u00fcr das Auge w\u00fcrde aus einer solchen Annahme in der That auch folgen, dass die ganze Peripherie des Sehfeldes in allen Dimensionen relativ viel kleiner erscheinen m\u00fcsste, als Objecte gleicher Winkelgr\u00f6sse in der Mitte des Sehfeldes. Wir haben im Gegentheil gesehen, dass die tangentialen Richtungen vergr\u00f6ssert erscheinen; die radialen allerdings, wenigstens am oberen und unteren Rande des Sehfeldes verkleinert.\nDamit steht es keineswegs in Widerspruch, dass bei der Ausmessung sehr kleiner Abst\u00e4nde, f\u00fcr deren Beurtheilnng das mittels der Augenbewegungen ausgebildete Augenmaass nicht genau genug ist, die Empfindungskreise, wie schon oben bemerkt wurde, benutzt werden. Wir kommen auf diese Fragen \u00fcbrigens bei den Ph\u00e4nomenen des blinden Flecks weiter unten noch einmal zur\u00fcck.\nAusser den hier beschriebenen allgemeinen T\u00e4uschungen \u00fcber die Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse des Sehfeldes, welche vom Gesetz der Augenbewegungen und von der Art, wie wir unser Sehfeld kennen lernen, abh\u00e4ngig sind, giebt es noch eine Reihe von T\u00e4uschungen, welche von besonderen Eigenth\u00fcmlichkeiten der betrachteten Figuren abh\u00e4ngen, aber auch interessant sind, weil sie mehr oder weniger deutlich die Motive kennen lehren, denen wir bei der' Sch\u00e4tzung der Gr\u00f6sse und Formen im Sehfelde folgen.\nMan kann die hier in Betracht kommenden Ph\u00e4nomene meist auf die schon bei den Contrasterscheinungen aufgestellte Regel zur\u00fcckf\u00fchren, dass deutlich zu erkennende Unterschiede bei allen Sinneswahrnehmungen gr\u00f6sser erscheinen, als undeutlich zu erkennende Unterschiede von gleicher objectiver Gr\u00f6sse. Eine erste Folge davon ist, dass wir eine getheilte Raumgr\u00f6sse leicht f\u00fcr gr\u00f6sser halten, als eine ungetheilte, weil die directe Wahrnehmung der Theile uns deutlicher erkennen l\u00e4sst, dass die betreffende Gr\u00f6sse so viel und so grosse Theile enthalte, als wenn die Theile nicht erkennbar abgezeichnet sind. So wird man in der nebenstehenden Linie Fig. 172 leicht das St\u00fcck ab gleich bc\nhalten, obgleich in der That ab gr\u00f6sser ist als\n______________, . |\t| , . . , bc. Eine Reihe von Messungen \u00fcber diese\n5\tArt der T\u00e4uschung ist von A. Kuxdt 1 ausge-\nFis- 11-\u25a0\tf\u00fchrt worden. Er blickte nach 5 st\u00e4hlernen\nSpitzen A, B, C, D, E, die hinter einem Schirme so hervorragten, dass die Entfernung AB = 20,2 Millimt., BC= 40,2 Mm., A E == 241,9 Mm. war. Die Spitze D wurde nach dem Augenmaasse in die Mitte eingestellt. W\u00e4re sie wirklich in der Mitte gewesen, so h\u00e4tte die Entfernung CD betragen m\u00fcssen 60,55 Mm. Sie wurde aber im Mittel aus 120 Versuchen eines Beobachters gemacht gleich 57,87 Mm., so dass die scheinbare Mitte um 2,68 Mm. nach Seite der Spitzen A, B und C von der Mitte hin entfernt lag. Bei einem anderen Beobachter ergab sich im Mittel aus 120 Versuchen die Abweichung\nPoggendorff\u2019s Annalen CXX. S. 118.","page":562},{"file":"p0563.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 28.\nT\u00c4USCHUNGEN DES AUGENMAASSES.\n563\ngleich 3,95 Mm. Die Entfernung der Spitze D vom Knotenpunkte des Auges betrug in allen F\u00e4llen 338 Mm.\nZu bemerken ist, wie bei diesen Versuchen sich herausstellte, dass das rechte Auge die rechte H\u00e4lfte einer zu halbirenden Distanz gr\u00f6sser zu machen strebt, das linke Auge die linke H\u00e4lfte. Der erste Beobachter machte die dem gebrauchten Auge entsprechende H\u00e4lfte um 2,24 Mm., der zweite um 4,77 Mm. gr\u00f6sser als die andere.\nBei den beschriebenen Versuchen werden Distanzen verglichen, welche mit denselben Netzhautpunkten zur Deckung gebracht werden k\u00f6nnen. Viel auffallender werden die T\u00e4uschungen, wenn die zu vergleichenden Distanzen verschiedene Bichtung haben.\nMan betrachte Fig. 175 A und II ; die beiden liniirten Fl\u00e4chen sind richtig gezeichnete Quadrate. Beide sollten\nh\u00f6her als breit erscheinen der oben besprochenen T\u00e4uschung gem\u00e4ss. Das ist hei A auch in \u00fcbertriebenem Maasse der Fall; B sieht umgekehrt zu breit aus.\nDasselbe gilt f\u00fcr Winkel; man\nB\nFig. 175.\nFig. 171.\nbetrachte Fig. 171. Die Winkel 1,2, 5,4 sind rechte Winkel, und sollten, mit beiden Augen gleichzeitig betrachtet, so erscheinen. Aber / und 2 erscheinen spitz, 5 und 4 stumpf; noch st\u00e4rker wird die T\u00e4uschung, wenn man die Figur nur mit dem rechten Auge betrachtet; mit dem linken gesehen, sollten dagegen / und 2 stumpf erscheinen, wegen der oben erw\u00e4hnten Abweichung des verticalen Meridians; sic erscheinen aber nur etwa als rechte, in ihrer wahren Form. Dreht man die Figur, dass 2 und 5 nach unten sehen, so erscheint im Gegentheil / und 2 dem linken Auge \u00fcbertrieben spitz, dem rechten richtig. Es erscheinen die getheilten Winkel also verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig immer gr\u00f6sser, als sie ohne die Theilung erscheinen w\u00fcrden.\nDie Fig. 175 zeigt zwei gleichseitige Dreiecke; A, was horizontal getheilt ist, erscheint viel zu hoch, wie es auch ohne die Liniirung der Fall sein w\u00fcrde. In B dagegen erscheint der Winkel rechts an der Grundlinie gr\u00f6sser als der links und die Spitze des Dreiecks nach \u2014 recht s her\u00fcber ger\u00fcckt. Derselbe Ein- \u2014\t\u2022\nfluss zeigt sich hei vielen aus dem ge- \u2014 wohnlichen Leben bekannten Beispielen.\tA\nEin leeres Zimmer sieht kleiner aus als\tFlg- 17S-\nein m\u00f6blirtes, eine mit einem Tapetenmuster bedeckte Wand gr\u00f6sser als eine einfarbig angestrichene. Damenkleider mit Querstrichen lassen die Figur h\u00f6her erscheinen. Ein bekannter gesellschaftlicher Scherz ist es, dass man Jemandem\n36 *","page":563},{"file":"p0564.txt","language":"de","ocr_de":"564\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMCNGEN.\n\u00a7.28.\neinen cylindrischen Herrnhut zeigt und ihn auffordert, an der Wand vom Fussboden ab anzuzeigen, wie hoch der Hut sei. Er macht ihn in der Regel anderthalb Mal zu hoch.\nHierher m\u00f6chte auch eine von Bravais 1 beobachtete Thatsache geh\u00f6ren. Er berichtet: Wenn ein Beobachter, der sich auf dem Meere in einer gewissen Entfernung von einer K\u00fcste befindet, welche grosse Unregelm\u00e4ssigkeiten des Terrains darbietet, dieselbe so zeichnet, wie sie dem Auge erscheint, so findet er durch vergleichende mathematische Ermittlung, dass in der so erhaltenen Zeichnung die horizontalen Lineargr\u00f6ssen nach den geh\u00f6rigen Verh\u00e4ltnissen unter einander, die verticalen Winkeldistanzen aber nach einem doppelten Maasstabe gesch\u00e4tzt sind. Diese T\u00e4uschung, der man unwillk\u00fchrlich bei dieser Art Sch\u00e4tzungen unterliegt, ist nicht individuell, wie man glauben k\u00f6nnte, vielmehr beweisen zahlreiche Beobachtungen ihre Allgemeinheit. An diese F\u00e4lle schliessen sich verschiedene in neuerer Zeit bekannt gemachte optische T\u00e4uschungen an.\nMan betrachte Fig. 176 A. Nicht d erscheint als Fortsetzung der Linie\nu, was es in der That ist, sondern vielmehr f, welches etwas niedriger liegt, Noch auffallender ist diese T\u00e4uschung, wenn die Figur in kleinerem Maasstabe ausgef\u00fchrt ist.\n/ wie in B, wo die beiden St\u00fccke der /\td\u00fcnnen Linien wirklich Verl\u00e4ngerungen\n/ von einander sind, aber nicht so scheinen, und in C, wo sie so scheinen, aber es nicht sind. Zeichnet man solche Figuren wie A, ohne das St\u00fcck d, und betrachtet sie aus immer gr\u00f6sserer Entfernung (indem n\u00f6thigenfalls die Accommodation des Auges durch Brillengl\u00e4ser verbessert\nFig. 6.\nwird), so dass sie in immer kleinerer scheinbarer Gr\u00f6sse erscheinen, so findet man, dass man ef immer weiter herunterr\u00fccken muss, damit es als Verl\u00e4ngerung von a erscheine, je ferner und scheinbar kleiner die Figur ist.\nMacht man die d\u00fcnnen Linien lang wie in Fig. 177 (S. 563) A, so wird man bemerken, dass sie in der N\u00e4he der breiteren schwarzen Linie so eingebogen erscheinen, wie ich etwas \u00fcbertrieben in B gezeichnet habe, dass die entfernteren Enden der d\u00fcnnen Linie allerdings ganz richtig als Verl\u00e4ngerungen von einander erscheinen, und dass nur durch jene Einbiegungen in der N\u00e4he der sie schneidenden starken Linie der Schein entsteht, als tr\u00e4fen sie nicht auf einander.\nEs sind dies nun gerade die Erscheinungen, welche in diesem Falle die Irradiation hervorbringen muss, und es ist schwer zu scheiden, was ihr an-\n1 Fhchner Centralblalt, 374 \u2014 379; 558\u2014561.","page":564},{"file":"p0565.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 28.\nT\u00c4USCHUNGEN DES AUG\u00cbNMAASS\u00cbS.\n565\ngeh\u00f6rt und was etwa noch daran durch solche Umst\u00e4nde, wie sie theils schon erw\u00e4hnt sind, theils bei den folgenden T\u00e4uschungen noch erw\u00e4hnt werden sollen, bewirkt wird. Dass Irradiation auch von schwarzen Linien auf weissein Grunde vorkonnnt, ist schon oben S. 324 \u2014 326 er\u00f6rtert worden.\tNahe\ndem Scheitel der beiden spitzen Winkel treffen die Zerstreuungskreise der beiden schwarzen Linien zusammen und verst\u00e4rken sich gegenseitig; dadurch r\u00fcckt das Maximum des Dunkels in dem Netzhautbilde der schmalen Linie dem breiten Streifen n\u00e4her und sie erscheint gegen diesen hingelenkt. Bei den in gr\u00f6sserem Maassstabe gezeichneten Figuren derselben Art, wie Fig. 176 A, kann indessen kaum Irradiation der einzige Grund sein.\nDie Fig. i78 A und B zeigt Beispiele, welche von Hering angegeben wurden, die geraden und parallelen Linien ab und cd erscheinen in A nach aussen, in B nach innen gebrochen.\nAm auffallendsten aber ist das in Fig. 179 gegebene, von Zoellner ver\u00f6ffentlichte Beispiel. Die verticajen schwarzen Streifen der letzteren Figur sind\nA\nFig. 178.\neinander parallel, erscheinen aber convergent und divergent, so dass sie immer in entgegengesetzter Richtung von der Verticalen abzuweichen scheinen, als die kurzen schr\u00e4gen Striche, von denen sie geschnitten werden. Dabei sind die H\u00e4lften der schr\u00e4gen Striche so gegen einander verschoben, wie die H\u00e4lften der Schmalen Linien in Fig. 176. Dreht man die Zeichnung so, dass die breiten Verticalstriche unter 45\u00b0 gegen den Horizont geneigt erscheinen, so wird die scheinbare Convergenz auffallender, dagegen die scheinbare Verschiebung der H\u00e4lften der dann horizontal und vertical liegenden Querstriche weniger auffallend. Die verticalen und horizontalen Linien werden also im Ganzen weniger in ihrer Richtung ver\u00e4ndert, als die schr\u00e4g durch das Gesichtsfeld laufenden.","page":565},{"file":"p0566.txt","language":"de","ocr_de":"566\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. \u201d28.\nDiese zuletzt beschriebenen T\u00e4uschungen kann man betrachten als neue Beispiele f\u00fcr die oben gegebene Regel, dass spitze Winkel, als deutlich abgegrenzte kleine Gr\u00f6ssen, in der Regel verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig zu gross erscheinen, wenn wir sie mit stumpfen oder rechten ungetlieilten Winkeln vergleichen. Wenn nun die scheinbare Vergr\u00f6sserung eines spitzen Winkels so geschieht, dass seine beiden Schenkel scheinbar nach aussen r\u00fccken, so m\u00fcssen die T\u00e4uschungen Fig. 176, 178 und 179 eintreten. In Fig. 176 w\u00fcrden sich die d\u00fcnnen Linien dabei scheinbar um den Punkt drehen, wo sie in den dicken Streifen eintreten und dann nicht mehr in gegenseitiger Verl\u00e4ngerung liegen. In Fig. 178 werden die beiden H\u00e4lften jeder der beiden geraden Linien immer scheinbar so verstellt, dass sich die spitzen Winkel, die sie mit den schr\u00e4gen Linien machen, vergr\u00f6ssern. Dasselbe geschieht scheinbar mit den Verticalstreifen der Fig. 179.\nIndessen ist in den F\u00e4llen von Fig. 178 und 179 die angegebene Ursache unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen nur an einem kleinen Theile der Wirkung Schuld; und der gr\u00f6ssere Theil der Wirkung h\u00e4ngt, wie ich gefunden habe, von Bewegungen der Augen ab. Die genannten T\u00e4uschungen schwinden n\u00e4mlich ganz, oder bleiben nur in schwachen Resten bestehen, wenn ich einen Punkt der Zeichnungen so fixire, wie es n\u00f6thig sein w\u00fcrde, um ein Nachbild zu entwickeln, und wenn es gelingt, ein scharf gezeichnetes Nachbild zu erhalten, was namentlich f\u00fcr das ZoELLXEitsche Muster Fig. 17!) m\u00f6glich ist, so ist in dem Nachbilde keine Spur der T\u00e4uschung mehr zu erkennen.\nIn Fig. 176 hat Bewegung des Blicks keinen deutlichen Einfluss auf Verst\u00e4rkung der T\u00e4uschung, im Gegentheile verschwindet diese, wenn ich der d\u00fcnnen Linie ad mit dem Blicke folge. Dagegen verschwindet die T\u00e4uschung umgekehrt durch Fixation verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig leicht bei Fig. 178, schwerer bei Fig. 179. Doch kann ich sie auch bei dieser letztem Figur beseitigen, wenn ich fest fixire und nicht die schwarzen Streifen als Objecte, die auf weissem Grunde liegen, betrachte, sondern die weissen Streifen gleichsam als Zweige mit Fiederbl\u00e4ttchen, die auf schwarzem Grunde liegen, aufzufassen suche. Sobald mir dies gelingt, sehe ich alles richtig. So wie ich dann aber anfange, den Blick \u00fcber die Zeichnungen hin zu bewegen, ist die T\u00e4uschung in voller St\u00e4rke wieder da.\nAuch gelingt es bei diesen Figuren die T\u00e4uschung ganz oder fast ganz zu vermeiden, wenn man sie zuerst mit einem undurchsichtigen Papiere bedeckt, .\u00fcber dieses eine Nadelspitze als Fixationspunkt unbeweglich\n5*\n: /\n: z\n2 J\nS J\nw\n5$\n5*\ns $\n%\n\n\\\nl\n! !\n\\ \\\nSS 2? 4? 4P\nI\nI\n5\n\n\n!\n\nI\nFig. 17 9.","page":566},{"file":"p0567.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nT\u00c4USCHUNGEN DES AUGENMASSES.\n567\nhiuh\u00e4lt, und w\u00e4hrend mau diese ganz scharf und sicher fixirt, das bedeckende Papier zwischen ihr und der Zeichnung fortzieht. Ob man gut lixirt hat, kann man nach der Sch\u00e4rfe des dabei ausgebildeten Nachbildes beurtheilen.\nDie sicherste und leichteste Methode, den Einfluss der Augenbewegungen zu beseitigen, ist die Beleuchtung mittels des elektrischen Funkens, weil w\u00e4hrend der ausserordentlich kurzen Dauer eines solchen Funkens das Auge keine merkliche Be wegung ausf\u00fchren kann. Dazu benutze ich einen h\u00f6lzernen innen schwarz angestrichenen Kasten AB CD, Big. 180. Bei f in der vorderen und bei g in der hinteren Wand waren in der Entfernung der Augen von einander je zwei L\u00f6cher 1 2 eingebohrt worden. Durch die L\u00f6cher f blickte der Beobachter hinein, vor die L\u00f6cher g wurden innen die Zeichnungen befestigt, welche selbst mit einem Nadelstich durchbohrt waren, der auch ohne die elektrische Entladung in dem \u00fcbrigens ganz dunklen Kasten gesehen und fixirt werden konnte. An seiner untern Seite, die auf der Tischplatte BD ruht, ist der Kasten offen; wenn man die Zeichnung wechseln will, kehrt man ihn um und greift hinein. Das Zimmer wurde massig dunkel gemacht, so dass der Beobachter die elektrischen Apparate noch sehen und handhaben konnte, dass aber doch im Innern des Kastens nichts ausser jenen Nadelstichen sichtbar war. Die Dr\u00e4hte, welche zur Zuleitung der Elektricit\u00e4t dienen, sind hi, bei k ist die Unterbrechungsstelle; l ist ein Kartenstreifen, der auf der dem Funken zugekehrten Seite weiss ist und das Licht desselben vom Auge des Beobachters abh\u00e4lt, dagegen nach der Zeichnung hinwirft, Die Funken wurden durch die secund\u00e4re Spirale eines grossen Inductionsapparates von Ruhmkorff, die mit den Belegen einer Leydener Flasche verbunden war, gegeben. Den Schluss der prim\u00e4ren Spirale und deren Unterbrechung brachte der Beobachter mit der Hand hervor 3.\nEs fand sich, dass bei elektrischer Beleuchtung die T\u00e4uschung bei der Big. 176 unver\u00e4ndert blieb, dagegen bei den Zeichnungen der Big. 178 ganz schwand, bei 179 nicht immer ganz fehlte, aber, falls sie eintrat, viel schw\u00e4cher und zweifelhafter war, als sonst, w\u00e4hrend doch andererseits die Beleuchtung durch den elektrischen Funken vollkommen gen\u00fcgend war, um die Formen der gerade gesehenen Gegenst\u00e4nde deutlich zu erkennen.\nEs sind also zwei verschiedene Erscheinungen zu erkl\u00e4ren, n\u00e4mlich erstens der geringere Grad der T\u00e4uschung, der bei Vermeidung der Augenbewegungen\n1\tJe zwei L\u00f6cher, weil der Apparat namentlich auch f\u00fcr stereoskopische Versuche gebraucht werden sollte\n2\tBeim Mangel hinreichend starker elektrischer Apparate kann das von Volkjiann construirte Tachistoskop dienen (Leipziger Sitzungsber. 1850, p. 90 \u2014 98), auf welchem ein fallender Schieber f\u00fcr einen Moment die eine\noder zwei Oeffnungcn \u00f6ffnet, durch die der Beobachter blickt.\nFig. 180.","page":567},{"file":"p0568.txt","language":"de","ocr_de":"56S\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 28.\neintreten kann, und zweitens die Verst\u00e4rkung der T\u00e4uschung durch Bewegung des Auges. In ersterer Beziehung gen\u00fcgt, wie ich glaube, das Gesetz des Contrastes, wonach ein deutlich wahrnehmbarer Unterschied gr\u00f6sser erscheint, als ein weniger deutlich wahrnehmbarer. Am deutlichsten wahrnehmbar ist im indirecten Sehen die Uebereinstiinmung der Richtung gleichartiger Raumgr\u00f6ssen. Die Abweichung des Schenkels eines spitzen oder stumpfen Winkels von der Richtung des anderen Schenkels im Schnittpunkt wird deutlicher wahrgenommen, als die Abweichung desselben Schenkels von dem nicht gezeichneten Loth, welches auf dem anderen Schenkel senkrecht steht. Somit erscheint der Unterschied eines Winkels von 0\u00b0 oder 180\u00b0 relativ zu gross gegen den von 90\u00b0; ein spitzer Winkel also zu gross, ein stumpfer zu klein. Indem diese scheinbare Vergr\u00f6sserung der Winkel auf beide Schenkel vertheilt wird, entstehen die scheinbaren Verschiebungen und Richtungs\u00e4nderungen der Schenkel. Scheinbare Verschiebungen der Linien, wobei sie ihrer wirklichen Richtung parallel bleiben, werden schwer corrigirt, daher die T\u00e4uschung der Fig. 176 verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig am hartn\u00e4ckigsten ist. Richtungs\u00e4nderungen dagegen k\u00f6nnen durch eine genauere Betrachtung der Figur leichter erkannt werden, wenn dadurch scheinbare Nicht\u00fcbereinstimmung zwischen \u00fcbereinstimmenden Linien hervorgebracht worden ist, und nur dadurch, dass in Fig. 178 und 179 die \u00fcbereinstimmenden Linien, welche ver\u00e4ndert erscheinen, durch die grosse Zahl kreuzender schr\u00e4ger Linien einander im Anblick un\u00e4hnlich gemacht werden, ist es wohl \u00fcberhaupt m\u00f6glich, dass ihre Uebereinstiinmung \u00fcbersehen werden kann.\nJetzt haben wir noch den Einfluss der Bewegung auf die scheinbare Richtung gesehener Linien zu untersuchen. Einfache Versuche zeigen, dass selbst bei einfachen geraden Linien ein solcher Einfluss besteht, wenn die Richtung der Bewegung unter einem spitzen Winkel gegen die Richtung der Linie geneigt ist. Da wir eine \u00fcberwiegende Neigung haben, bei den Bewegungen unseres Auges der Richtung der hervorstechenderen Linien des Gesichtsfeldes zu folgen, so ist es bei diesen Versuchen noting, den Blickpunkt im Blickfelde so, wie man es beabsichtigt, zu f\u00fchren mittels einer Spitze, die man fortdauernd fixirt und \u00fcber die betreffende Zeichnung hingleiten l\u00e4sst.\nMan ziehe auf einem Papier eine lange gerade Linie A und bewege die Spitze, welche man fixirt, in Richtung einer zweiten geraden Linie B, welche die erste unter einem sehr kleinen Winkel schneidet. Die zweite gerade Linie braucht nicht gezeichnet*zu sein; doch schadet es auch nicht, wenn sie wirklich sichtbar gezogen wird. Wenn man der bewegten Spitze mit dem Blicke folgt, so scheint dabei die gerade Linie A auf dem Papier eine Bewegung gegen die Nadelspitze hin oder von ihr weg zu machen, je nachdem sich die Nadel ihr n\u00e4hert oder von ihr entfernt. Das Bild der Linie A verschiebt sich dabei auf der Netzhaut theils parallel sich selbst, theils in Richtung der Breite. Die erstere Bewegung wird wenig oder gar nicht bemerkt, wenn die Linie lang ist und keine deutlich gezeichneten Merkpunkte besitzt; die zweite Bewegung senkrecht zu ihrer L\u00e4nge wird dagegen desto deutlicher bemerkt.\nDabei scheint auch die Richtung der Linie A ver\u00e4ndert, und zwar so,","page":568},{"file":"p0569.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 28.\nT\u00c4USCHUNGEN DES AUGI-MAASSES.\n569\ndass der Winkel, den sie mit der Linie B macht, in der sich die Spitze bewegt, vergr\u00f6ssert erscheint. Das letztere erkennt man am besten, wenn man eine gerade Linie ab, Fig. /&/, zieht, und eine Spitze eines Zirkels so auf das Papier\nFig. 181.\naufsetzt, dass die andere sich in dem Bogen cde hin und herbewegen kann. Wenn man dann dieser beweglichen Spitze mit dem Auge folgt, so scheint die Linie a b sich abw\u00e4rts zu bewegen, so lange man die Zirkelspitze von c nach d gehen l\u00e4sst, aufw\u00e4rts, wenn sie von d nach e geht. Gleichzeitig erh\u00e4lt die ganze Linie ab scheinbar eine Richtung wie fg, so lange sich der Blick des Beobachters der Spitze folgend l\u00e4ngs cd bewegt, und eine Richtung wie hi, wenn er sich zwischen d und e bewegt. W\u00e4hrend man bei der Bewegung von c nach e durch den h\u00f6chsten Theil des Bogens bei d hindurchgeht, ver\u00e4ndert die Linie ab deutlich ihre Richtung.\nWenn man nun \u00fcber das ZoELLNER\u2019sche Muster horizontal von rechts rfach links eine Nadelspitze f\u00fchrt und ihr mit dem Blicke folgt, so kommt die Figur in die seltsamste Unruhe; der erste, dritte, f\u00fcnfte schwarze Streifen steigen aufw\u00e4rts, der zweite, vierte, sechste abw\u00e4rts; oder umgekehrt, wenn die Richtung der Bewegung umgekehrt wird. Dabei erscheinen die aufw\u00e4rtssteigenden den abw\u00e4rtssteigenden nicht parallel, sondern th\u00e9ils gegen einander, theils auch gegen die Ebene der Zeichnung in entgegengesetzter Weise geneigt, und zwar neigen sich die aufw\u00e4rtssteigenden mit ihrem oberen Ende der Richtung, in der die Nadelspitze bewegt wird, entgegen, die abw\u00e4rtssteigenden mit demselben Ende dagegen im Sinne der genannten Richtung, so dass also in besonders auffallender Weise w\u00e4hrend dieser Scheinbewegung die eigent\u00fcmliche T\u00e4uschung durch die beschriebene Figur zum Vorschein kommt.\nUm die Scheinbewegung recht deutlich zu sehen, muss man eine mittlere Geschwindigkeit mit der Nadelspitze einhalten, die weder zu gross noch zu klein sein darf, und muss den Blick ganz fest an die Nadelspitze heften. Wenn es nicht gleich gelingt , kann man auch die Nadelspitze fest stellen und fest betrachten und hinter ihr die Zeichnung vorbeiziehen. Die Ursache der Scheinbewegung ist otfenbar dieselbe, wie bei dem oben beschriebenen Versuche mit der einzelnen geraden Linie. Wir n\u00e4hern uns in geneigter Richtung den schr\u00e4gen Querstrichen und diese scheinen sich deshalb zu bewegen; sie nehmen dabei die verticalen schwarzen Streifen, mit denen sie verschmolzen sind, gleichsam mit. Wenn nun der schwarze verticale Streifen, dem wir uns n\u00e4hern, dabei eine verticale Bewegung zeigt nach aufw\u00e4rts, so ist dies eine \u00e4hnliche Erscheinung, als wir haben w\u00fcrden, wenn wir uns ihm nicht in senkrechter Richtung n\u00e4herten, sondern unter einem spitzen Winkel, dessen Spitze nach abw\u00e4rts sieht, und umgekehrt bei den abw\u00e4rtssteigenden Streifen ist die Scheinbewegung dieselbe, als wenn wir uns ihnen n\u00e4herten unter einem spitzen Winkel, dessen Spitze nach aufw\u00e4rts sieht. Da nun aber die Richtung der","page":569},{"file":"p0570.txt","language":"de","ocr_de":"570 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 28.\nwirklichen Bewegung unseres Blicks f\u00fcr alle Streifen dieselbe ist, so erscheinen uns umgekehrt die Streifen gegen die Bewegungslinie des Blicks geneigt, die aufsteigenden mit dem oberen Ende der Richtung dieser Bewegung entgegen, die absteigenden ihr folgend, wie in Fig. 182 angezeichnet ist, wo ab die Richtung\nbezeichnen soll, in der sich der Jj\tBlick bewegt, cc, dd, ee, ff die\nI\tscheinbare Lage der verticalen\nI\tStreifen in \u00fcbertriebener Divergenz,\nI\tund die Pfeile neben diesen letzteren\n\u2014I-----~\t\\ Linien die Richtung, in der sich\n/*\tso gestellte Linien scheinbar be-\nwegen w\u00fcrden, wenn der Blick Jf\tin Richtung der horizontalen Pfeile\nfortgleitet.\nMacht man die Bewegung der Spitze, der das Auge folgt, allm\u00e4lig langsamer, so wird auch die Scheinbewegung langsamer, wird leichter \u00fcbersehen, kann aber bei einiger Aufmerksamkeit erkannt werden, und gleichzeitig finde ich, dass die scheinbare Divergenz der verticalen Streifen sich weniger bestimmt zeigt. Ohne Hilfe einer leitenden Spitze kommt weder die Scheinbewegung der Streifen noch ihre scheinbare Divergenz so sch\u00f6n zum Vorschein, wie mit einer solchen, wahrscheinlich weil wir unseren Blick \u00fcber eine Zeichnung mit so hervortretenden Liniensystemen nicht so gleichm\u00e4ssig und so geradlinig hingleiten lassen k\u00f6nnen. Da \u00fcbrigens die T\u00e4uschung \u00fcber die Richtung der Streifen mit der \u00fcber ihre Bewegung gleichzeitig w\u00e4chst und f\u00e4llt, so zweifele ich nicht, dass auch die Verst\u00e4rkung der T\u00e4uschung bei den gew\u00f6hnlichen Bewegungen des Blicks dieselbe Ursache habe.\nF\u00fchrt man die fixirte Nadelspitze parallel den verticalen Streifen \u00fcber die Zeichnung, so wird die T\u00e4uschung nicht nur nicht verst\u00e4rkt, sondern sogar geschw\u00e4cht oder ganz beseitigt. Die verticalen Streifen zeigen sich dann als parallele Richtlinien im Blickfelde dadurch, dass ihre Netzhautbilder sich in sich selbst verschieben.\nDer hier beschriebene Einfluss der Scheinbewegung der verticalen Streifen auf die scheinbare Gr\u00f6sse des Winkels zwischen ihnen und der Bewegungsrichtung des Blicks l\u00e4sst sich \u00fcbrigens ganz ebenso an einem wirklich bewegten K\u00f6rper zeigen. Man lege einen mit Theilstrichen versehenen Maasstab in horizontaler Richtung auf ein Blatt Papier, setze dicht neben ihm die eine Spitze eines weit ge\u00f6ffneten Zirkels ein und bewege die andre nahe \u00fcber der Kante des Maasstabes hin und her; sie wird sich dabei genau normal zur Richtung des Maasstabes bewegen. Jetzt bewege man auch den Maasstab in seiner eigenen Richtung hin und her, so wird die Bewegungslinie der Zirkelspitze durchaus nicht mehr senkrecht zur Richtung des Maasstabes, sondern sehr stark geneigt gegen diese erscheinen, wie sie sich denn in der That in einem am Maasstabe festen Coordinatensystem wirklich als geneigt darstellen w\u00fcrde, w\u00e4hrend sie, auf ein absolut festes Coordinatsystem bezogen, senkrecht\nFig. 182.","page":570},{"file":"p0571.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 28.\nT\u00c4USCHUNGEN DES AUGENMAASSES.\n571\nzur Kaute des Maasstabes bleibt. Die Ver\u00e4nderung des Winkels ist \u00fcbrigens in diesem Falle viel bedeutender als an der ZoEtLNER\u2019schen Figur, weil bei dieser die scheinbare Lagenver\u00e4nderung nie so weit gehen kann, dass die verschobenen Streifen gegen einander stossen oder gar sich kreuzen, was dem Bilde des indirecten Sehens zu sehr widersprechen w\u00fcrde.\nDie HERiNG\u2019schen Beispiele, Fig. 178, bieten dieselben Verh\u00e4ltnisse nur in weniger auffallendem Grade. Die T\u00e4uschung wird bei ihnen verst\u00e4rkt durch Bewegungen des Blicks zwischen oben und unten, geschw\u00e4cht durch solche von rechts nach links.\nEs kann vielleicht auffallen, dass ich zweierlei anscheinend so verschiedene Ursachen zur Erzeugung derselben T\u00e4uschungen Zusammenwirken lasse. Wenn man sich aber erinnert, dass nach der hier vorgetragenen Ansicht die Kenntniss der Ausmessungen des Sehfeldes im indirecten Sehen auf Erinnerung an fr\u00fchere bei Bewegungen gemachte Erfahrungen beruht, w\u00e4hrend bei bewegtem Blick neue \u00e4hnliche Eindr\u00fccke hinzukommen, so ergiebt sich, dass die beiden Ursachen nicht so verschieden sind, wie sie in der Auseinandersetzung zu sein scheinen; sie sind nur unterschieden wie Erinnerung und gegenw\u00e4rtige Anschauung analoger Verh\u00e4ltnisse.\nEs kommt durch diese Verh\u00e4ltnisse eine Art Contrast f\u00fcr die Richtungen von Linien und f\u00fcr die Entfernungen zu Stande von \u00e4hnlicher Wirkung, wie wir ihn im 24. Paragraphen f\u00fcr die Lichtst\u00e4rken und Farben kennen gelernt haben. Die Unterschiede nahe gleicher Richtungen erscheinen vergr\u00f6ssert ; dadurch dass wir eine Linie von einer oder vielen andern geneigten Linien schneiden lassen, wird sie scheinbar nach der entgegengesetzten Seite geneigt, als jene. Die Erscheinungen des Contrastes der Lichtst\u00e4rken und Farben Messen sich mit Hilfe der Hypothese von Th. Young auf die Vergleichung verschieden starker, aber qualitativ gleicher Erregungen der Fasern zur\u00fcckf\u00fchren. Wollte man sich die Localzeichen der Netzhautfasern als Empfindungen von zwei, irgend welchen zwei Coordinatenrichtungen entsprechenden Qualit\u00e4ten denken, deren Intensit\u00e4t sich continuirlich in der Fl\u00e4che \u00e4nderte, so w\u00fcrden die Contraste der Richtungen gerade auf dieselben Eigenth\u00fcmlichkeiten der Unterscheidung der Empflndungsst\u00e4rke zur\u00fcckzuf\u00fchren sein, wie die der Farben-Da es aber gelang, den Einfluss der Augenbewegungen auf direct sichtbare Erscheinungen zur\u00fcckzuf\u00fchren, so k\u00f6nnen wir eine solche Hypothese vorl\u00e4ufig auf sich beruhen lassen. Uebrigens hat auch Zoellner bei seiner Beschreibung der T\u00e4uschung an dem Muster der Fig. 179 dieselbe auf die Bewegungen des Auges zur\u00fcckzuf\u00fchren gesucht. Ganz unzul\u00e4ssig erscheint mir dagegen die von E. Hering gegebene Erkl\u00e4rung. Derselbe meint, dass wir die Entfernung zweier Punkte nach der geradlinigen Entfernung ihrer beiden Netzhautbilder beurtheilen. Demgem\u00e4ss werden nach ihm im Allgemeinen kleine Entfernungen relativ gr\u00f6sser gesehen als grosse ungetheilte, weil bei kleinen B\u00f6gen der Unterschied zwischen dem Bogen und der Sehne, welche die Distanz seiner Enden misst, relativ kleiner ist, als bei grossen. Eben deshalb sollen kleine Winkel stets relativ zu gross im Vergleich zu ihren gr\u00f6sseren Nebenwinkeln gesehen werden. Auf dasselbe Princip hat auch A. Kundt eine ausf\u00fchrlichere","page":571},{"file":"p0572.txt","language":"de","ocr_de":"572\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 28.\nTh\u00e9orie dieser Erscheinungen zu gr\u00fcnden gesucht und Messungen in der schon oben erw\u00e4hnten Weise ausgef\u00fchrt, die sie st\u00fctzen sollen1, indem er unge-theilte Linien nach dem Augenmaass getheilten Linien gleich zu machen suchte. F\u00fcr eine gewisse L\u00e4nge der Linien stimmen auch Beobachtung und Berechnung ziemlich gut \u00fcberein, aber bei kleineren Linien ist die Differenz fast doppelt so gross, als sie nach dem aufgestellten Erkl\u00e4rungsprincip sein sollte. Herr Kundt findet n\u00e4mlich\nGesichtswinkel f\u00fcr die zu vergleichenden Distanzen\nFehler\nbeobachtet berechnet\nII\t20\u00b0\tU'\n1\t19\u00b0\t41/\nIII\t12\u00b0\t47'\n4,40\t4,62\n3,31\t4,47\n1,48\t0,84\nIch muss hinzuf\u00fcgen, dass die T\u00e4uschungen auch bei viel kleineren Figuren bestehen bleiben, bis die Objecte sich der Grenze des deutlichen Sehens n\u00e4hern, und dass bei so kleinen Objecten ein Unterschied zwischen dem Bogen und der Sehne nicht mehr merklich sein kann. Kdndt selbst hat gefunden, dass zum Beispiel seine Fig. 4 bis auf 9 Fuss Entfernung die T\u00e4uschung zeigte, wobei zwischen den betreffenden B\u00f6gen und Winkeln selbst in d\u00e8r 5ten D\u00e9cimale noch kein Unterschied vorhanden ist.\nIch halte deshalb das von Hering und Kdndt gebrauchte Erkl\u00e4rungsprincip nicht einmal f\u00fcr einen richtigen Ausdruck der Thatsachen. Wollte man es gar als Erkl\u00e4rung der wirklichen Ursache der Erscheinungen auffassen, so m\u00fcsste man die Annahmen der nativistischen Theorie dahin ausdehnen, dass uns eine Kenntniss unserer Netzhaut, und zwar nicht nur der r\u00e4umlichen Anordnung der empfindenden Punkte auf ihr, sondern sogar ihrer Kr\u00fcmmung angeboren sei.\nZu erw\u00e4hnen ist endlich noch, dass in einer Reihe von F\u00e4llen die binoctdare K\u00f6rperanschauung st\u00f6rend auf die Vergleichung der Distanzen im Gesichtsfelde einwirkt. Es macht sich hierbei geltend, dass unser nat\u00fcrliches Sehen Sehen von K\u00f6rpern ist, und dass alle unsere Uebung darauf abzweckt, die Dimensionen und Lagen der gesehenen K\u00f6rper richtig zu beurtheilen. Ich kann mit grosser Sicherheit erkennen, ob mein Zeigefinger dicker oder d\u00fcnner ist, als eine an dem entgegengesetzten Ende des Zimmers befindliche Gasr\u00f6hre, obgleich ein kolossaler Unterschied in der scheinbaren Gr\u00f6sse beider K\u00f6rper vorhanden ist. Dagegen bin ich sehr unsicher, ob mein Zeigefinger, wenn ich ihn in einer bestimmten Entfernung vom Auge halte, dieselbe scheinbare Gr\u00f6sse hat, wie ein an der anderen Seite des Zimmers befindliches Buch, oder etwa wie der Mond, vorausgesetzt, dass ich die zu vergleichenden Objecte nicht im Gesichtsfelde nahe an einander bringe. Ich finde vielmehr, dass ich eine sehr starke Neigung habe, den Gesichtswinkel, unter dem der Finger erscheint, f\u00fcr viel kleiner als den des Buches oder des Mondes zn halten, bis ich beide ganz nahe zusammenbringe oder sich im Gesichtsfelde decken lass\u00e9.\nDamit scheint es mir auch zusammenzuh\u00e4ngen, dass wir wie die Versuche\n1 Poggendorffs Annalen, 1863, CXX, 118- 158.","page":572},{"file":"p0573.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nAUSF\u00dcLLUNG DES RUNDEN FLECKS.\n573\nvon Kundt zeigen, wenn wir eine horizontale Linie zu halbiren suchen, f\u00fcr das rechte Auge deren rechte H\u00e4lfte, f\u00fcr das linke Auge die linke zu gross zu machen pflegen. Bei einer Linie von 100 Millimeter L\u00e4nge, aus 226 Millini. Entfernung gesehen, verlegte das linke Auge die Mitte ijn Durchschnitt von 40 Beobachtungen auf 50,33 Millimeter vom linken Ende entfernt, das rechte Auge nur 49,845 von demselben entfernt. Diese Abweichungen der scheinbaren von der wahren Mitte, 0,33 und 0,155 Millim. betragend, sind \u00fcbrigens viel kleiner als die Abweichungen der einzelnen Beobachtungen.vom Mittel, deren mittlerer Fehler 0,50 und 0,66 betrug, so dass eben nur in einer grossen Zahl von Versuchen die genannte Abweichung sichtbar wird.\nDiese Abweichung kann, wie mir scheint, dadurch veranlasst sein, dass wir beim binocularen Betrachten einer halbirten Linie diese symmetrisch zum Kopfe vor die Mitte des Gesichts zu halten pflegen, und wir deshalb gew\u00f6hnt sind, die rechte H\u00e4lfte mit dem rechten Auge gr\u00f6sser zu sehen, die linke mit dem linken.\nZum Schluss der Beschreibung des Sehfeldes ist noch \u00fcber seine Grenzen und L\u00fccken zu reden. Seine Ausdehnung umfasst alle Punkte des uns umgebenden Raums, von denen durch die Pupille noch Licht eindringen und noch auf empfindende Theile der Netzhaut fallen kann. Ausgeschlossen vom Sehfelde sind diejenigen Theile des Raums, namentlich also die hinter uns liegenden, von denen niemals Licht auf dem normalen Wege unsere Netzhaut erreichen kann. Die Fl\u00e4che unseres Sehfeldes entspracht also dem nach aussen projicirten Bilde unserer Netzhaut und die Grenze des Sehfeldes der Grenze der Netzhaut. Wir sind uns dieser Begrenzung bewusst, wir wissen, dass wir von den hinter uns liegenden Objecten durch das Gesicht nichts wahrnehmen, und k\u00f6nnen bei einiger Aufmerksamkeit auf das Feld des indirecten Sehens angeben, welche Gegenst\u00e4nde an dem Rande des Sehfeldes noch erscheinen, welche nicht, so weit die grosse Undeutlichkeit des Sehens mit den \u00e4ussersten Theilen der Netzhaut dies eben erlaubt. Dabei ist zu bemerken, dass in der Empfindung ein wesentlicher Unterschied ist zwischen dem Theile des (verl\u00e4ngert gedachten) Sehfeldes, der \u00fcberhaupt niemals gesehen werden kann, und dem sichtbaren Theile desselben, wenn er wegen Lichtmangels zeitweilig nicht gesehen wird. Bei Abschluss alles \u00e4usseren Lichtes haben wir ein bestimmt begrenztes dunkles Feld vor unsern Augen; wir sind uns aber wohl bewusst, dass wir dabei den hinter uns gelegenen Raum nicht dunkel sehen, sondern dass wir ihn gar nicht sehen. Die Empfindung des Dunkels ist die Empfindung des Ruhezustandes oder, wenn man will, der Mangel von Empfindung in Theilen unseres Sehnervenapparates, die erregt werden k\u00f6nnten, wenn ein Reiz auf sie wirkte. Ihr entspricht in der Wahrnehmung die Vorstellung vor uns gelegener Theile des Raums, welche unserem Auge kein Licht zusenden, was also eine bestimmte, wenn auch negative Aussage \u00fcber den objectiven Zustand dieser Theile des Raums enth\u00e4lt. Den nicht sichtbaren Theilen des Raums entspricht aber auch kein empfindendes Organ, welches den Zustand seiner eigenen Ruhe bemerken und unterscheiden k\u00f6nnte. In der Wahrnehmung wird \u00fcber sie gar nichts ausgesagt, als dass wir nichts \u00fcber sie wissen, weder ob sie hell, noch ob sie dunkel seien. Beides ist wohl zu unterscheiden.","page":573},{"file":"p0574.txt","language":"de","ocr_de":"574\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGKN.\n\u00a7. 28.\nNun giebt es aber auch innerhalb der \u00e4usseren Begrenzungslinie unseres Sehfeldes eine L\u00fccke, entsprechend der f\u00fcr Licht unempfindlichen Eintrittsstelle unseres Sehnerven, wo wir nichts sehen. Die Lage und Ausdehnung dieser Stelle ist im Anf\u00e4nge des 18. Paragraphen bestimmt worden; dort wurde auch erwiesen, dass sie wirklich unempfindlich f\u00fcr Licht sei. Wir haben jetzt zu untersuchen, wie uns die entsprechende Stelle des Sehfeldes erscheint.\nDer gew\u00f6hnliche Fall ist, dass wir gar nicht im Stande sind zu bemerken, dass eine L\u00fccke im Sehfelde sei, oder unsere Aufmerksamkeit auf das, was in der L\u00fccke erscheinen sollte, festzuheften. Dies ist nicht nur der Fall, wenn die Anschauung der Objecte, welche in die L\u00fccke fallen, erg\u00e4nzt wird durch die Wahrnehmungen des anderen offenen Auges, oder falls dies geschlossen ist, erg\u00e4nzt wird durch Bewegungen des einen ge\u00f6ffneten Auges, wobei die L\u00fccke ihren Platz im Gesichtsfelde stets wechselt und daher, was von den Objecten in dem einen Augenblicke nicht - gesehen wird, im andern erkannt werden kann. Wir bemerken vielmehr auch bei festgeheftetem Blicke die L\u00fccke nicht, wenn der der L\u00fccke benachbarte Theil des Sehfeldes einen gleich-massig erhellten und gef\u00e4rbten Grund darstellt; es erscheint uns vielmehr dann dieser ganze Theil des Feldes ohne Unterbrechung von der Farbe des Grundes ausgef\u00fcllt. Was f\u00fcr nicht gesehene Objecte sich dabei in der L\u00fccke des Sehfeldes wirklich befinden, ist nat\u00fcrlich ganz gleichg\u00fcltig. Diese verschwinden eben, wie schon oben gezeigt worden ist. Es ist dabei zu bemerken, dass wir \u00fcberhaupt das indirecte Sehen gew\u00f6hnlich nicht benutzen, um uns \u00fcber die Form, Gr\u00f6sse und Ordnung der in ihm gesehenen Gegenst\u00e4nde Auskunft zu verschaffen, sondern dass es haupts\u00e4chlich nur dazu dient, eine Art roher Skizze von der Umgebung des fixirten Punktes, auf den unsere Aufmerksamkeit gerichtet ist, zu geben und um unsere Aufmerksamkeit jeder etwa neu auftretenden oder ungew\u00f6hnlichen Erscheinung, die im seitlichen Theile des Sehfeldes zum Vorschein kommt, sogleich zuzulenken. Ein Theil des Sehfeldes nun, der wie der blinde Fleck niemals irgend welche, also auch keine auffallende Erscheinung darbieten kann, wird daher unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden niemals Gegenstand der Aufmerksamkeit. Ja ich habe gebildete und unterrichtete Leute, selbst Aerzte, gekannt, denen es nicht gelang, sich von dem Verschwinden kleiner Objecte an dieser Stelle zu \u00fcberzeugen. Wenn wir dann durch physiologisch optische Versuche uns \u00fcben, Gegenst\u00e4nde im indirecten Sehen zu erkennen, so sind es doch zun\u00e4chst nur gr\u00f6ssere durch Helligkeit oder F\u00e4rbung oder Bewegung von ihrer Umgebung abstechende Gegenst\u00e4nde, auf die wir unsere Aufmerksamkeit, ohne den Fixationspunkt zu \u00e4ndern, lenken und deren Ordnung wir erkennen k\u00f6nnen. Aber unsere Aufmerksamkeit einer bestimmten, durch gar keinen sinnlichen Eindruck ausgezeichneten Stelle, wie es die L\u00fccke des Sehfeldes ist, wenn sie auf gleichm\u00e4ssig gef\u00e4rbten Grund f\u00e4llt, im indirecten Sehen zuzuwenden verm\u00f6gen wir nicht.\nIch muss hierbei jedoch bemerken, dass ich in der letzten Zeit angefangen habe, beim Aufschlagen eines Auges gegen eine ausgedehnte weisse Fl\u00e4che und bei kleinen Bewegungen des Auges oder bei eintretender Accommodationsspannung","page":574},{"file":"p0575.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nAUSF\u00dcLLUNG DF.S BLINDEN FLECKS.\n575\nden blinden Fleck als einen schattigen Fleck zu sehen, so dass, wenn ich mit der Spitze des Zeigefingers darauf hinweise, mir die Fingerspitze verschwindet. Es ist diess eine subjective Erscheinung, welche mit den auf Seite 198 und 199 beschriebenen Erscheinungen zusammenh\u00e4ngt, und bald wieder schwindet, wenn man das Auge unbewegt ge\u00f6ffnet h\u00e4lt. Das ist also nur eine scheinbare, nicht eine wirkliche Ausnahme von dem Gesagten, denn dabei ist das Sehfeld subjects nicht einf\u00f6rmig erregt, sondern die Nachbarschaft des blinden Flecks durch besondere Erscheinungen ausgezeichnet, welche die Aufmerksamkeit auf diese Stelle zu fixiren im Stande sind. Dazwischen kommt es doch immer wieder vor, dass ich ein helles Feld ansehe, ohne im Geringsten im Stande zu sein, ohne vorg\u00e4ngigen Versuch zu sagen, wo der blinde Fleck im Sehfelde liegt.\nAnders verh\u00e4lt es sich, wenigstens f\u00fcr einen im indirecten Sehen etwas ge\u00fcbten Beobachter, wenn man Merkzeichen im Sehfelde anbringt, welche die Aufmerksamkeit gerade auf die L\u00fccke hinzuleiten im Stande sind. Dazu kann man zum Beispiel sehr zweckm\u00e4ssig ein Kreuz brauchen, dessen verticaler Schenkel durch Farbe oder Helligkeit deutlich von dem horizontalen, beide ebenso vom Grunde unterschieden sind , und deren Kreuzungsstelle vom blinden Fleck ganz \u00fcberdeckt werden kann.\nDie Marke a bezeichnet den Fixationspunkt. Die Zeichnung ist aus 16 Centimeter Entfernung anzusehen. Um sich zu \u00fcberzeugen, dass \u00ab die Kreuzungsstelle ganz + verschwindet, bedecke man sie mit einer farbigen Oblate, und wenn diese verschwunden ist, suche man bei gut fixirtem Blick\u201c zu ermitteln ob der schwarze oder der weisse Schenkel des Kreuzes im Fixationspunkte oben auf liegt. Volkmann1 und die meisten andern Beobachter, die diesen Versuch angestellt haben, glaubten bald den einen, bald den anderen Schenkel oben liegen zu sehen, \u00f6fter 2 den horizontalen, vielleicht weil der horizontale Durchmesser der L\u00fccke geringer ist, als der verticale. Macht man aber den horizontalen Schenkel k\u00fcrzer und k\u00fcrzer, so \u00fcberwiegt schliesslich die Farbe des verticalen Schenkels. Ich habe selbst das fr\u00fcher auch so zu sehen geglaubt, seitdem ich aber durch vieles Beobachten eine gr\u00f6ssere Uebung im indirecten Sehen erlangt habe, bin ich mir bei diesem Versuche ganz bestimmt bewusst, dass ich die Kreuzungsstelle nicht wahrnehmen kann. Auch Aubert, der einer der ge\u00fcbtesten Beobachter im indirecten Sehen ist, stimmt damit\n1\tBerichte der K\u00f6n. Sachs. Ges. d. Wissenschaften. 30 April 1853. S. 40.\n2\tv. W. Wittich Sludien \u00fcber den blinden Fleck, Archiv f\u00fcr Ophthalmologie 1863. IX. 3 p. 1\u201431.","page":575},{"file":"p0576.txt","language":"de","ocr_de":"576\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEX.\n\u00a7. 28.\n\u00fcberein. Er sagt: \u201eTrotz vielfacher Uebung im indirecten Sehen und vielfacher Wiederholung der von Weber, Volkmann und neuerdings von Wittich angegebenen Versuche muss ich schliesslich offen bekennen, dass ich zu keinem Urtheile dar\u00fcber kommen kann, in welcher Weise das Gesichtsfeld in dieser Stelle ausgef\u00fcllt wird. Ob ein Kreuz, welches von einer gelben und blauen Linie gebildet wird, an der Kreuzungsstelle, wenn diese auf den blinden Fleck f\u00e4llt, in der einen oder anderen Farbe erscheint, weiss ich trotz hundertfacher Wiederholung des Versuches nicht anzugeben, ebenso wenig, ob zwei Parallellinien in der Mitte zusammenr\u00fccken oder nicht, oder ob eine Kreislinie, mag sie dick oder d\u00fcnn sein, sich zum Kreise schliesst oder nicht\" *.\nSchwieriger ist es, die Aufmerksamkeit auf die L\u00fccke zu richten, wenn nur eine geradlinige Contour ohne Unterbrechung durch die L\u00fccke hinl\u00e4uft. Man schiebe ein schwarzes Blatt Papier, was durch eine verticale gerade Linie begrenzt ist, von der Schl\u00e4fenseite des Sehfeldes her \u00fcber ein weisses Blatt hin, auf welchem man einen Punkt mit einem Auge ftxirt, bis ein Tlieil der Grenzlinie in die L\u00fccke des Sehfeldes f\u00e4llt. Die meisten Beobachter glauben in diesem Falle die gerade Begrenzungslinie ununterbrochen fortlaufend zu sehen ; aber auch in diesem Falle habe ich mich neuerdings \u00fcberzeugt, dass ich erkennen kann, wann und wo ich einen Theil der Linie nicht wahrnehme. Schiebe ich das schwarze Blatt vorw\u00e4rts gegen den Fixationspunkt hin, so kann ich ganz genau den Augenblick erkennen, wo die beiden sichtbaren Enden der Begrenzungslinie zusammenscbliessen. Schwieriger ist es, deutlich, zu erkennen wann derselbe Moment beim Zur\u00fcckziehen des schwarzen Blattes an der Schl\u00e4fenseite des blinden Flecks eintritt, weil hier das indirecte Sehen schon viel unvollkommener ist. Wunderlich ist dabei, aber charakteristisch f\u00fcr das Wesen der Erscheinung, dass ich nirgends eine L\u00fccke zwischen dem weissen und schwarzen Felde sehe, obgleich ich erkenne, dass ich an einer Stelle die Begrenzungslinie nicht sehen kann, dass sich zwischen das Schwarz und Weisse nichts einschiebt, und ich doch nicht angeben kann, wo und wie geformt die Grenze sei. Auch kann ich nicht sagen, dass Weiss und Schwarz dort verwaschen in einander \u00fcbergingen, denn das Grau dieses Uebergangs w\u00e4re wieder etwas bestimmt Wahrnehmbares. Ich kann es nur vergleichen mit dem Eindruck, den man hat, wenn man im halben Dunkel lichtschwache Objecte zu fixiren und zu erkennen sucht und dann durch die Nachbilder einzelne Theile der Zeichnung ausgel\u00f6scht werden.\nSehr viel leichter, als bei einer geraden Linie, erkenne ich die L\u00fccke, wenn sie auf einen Theil einer Kreislinie oder auf die Peripherie einer Kreisfl\u00e4che f\u00e4llt; dabei kann ich auch ziemlich gut angeben, wieviel von dem Kreise fehlt.\nHabe ich im Gesichtsfelde vor mir eine grosse Zahl verschiedenartiger kleiner Objecte, so bin ich im Stande, die Stelle das blinden Flecks sogleich zu erkennen an einer gewissen Unklarheit und Undeutlichkeit , wodurch sie sich\nAubert Physiologie der Netzhaut. Breslau, 1863, \u00bb8.237 \u2014 2.38.","page":576},{"file":"p0577.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nAUSF\u00dcLLUNG DES BLINDEN FLECKS.\n577\nunterscheidet. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ich nach einem Geb\u00fcsch einer gemusterten Tapete, einem mit Buchstaben bedruckten Blatte hinsehe.\nDem entsprechend muss ich behaupten, dass \u00fcberhaupt keinerlei Empfindung dem blinden Flecke entspricht, und dass namentlich auch nicht etwa irgend welche Empfindungen aus der Nachbarschaft sich auf die L\u00fccke des Sehfeldes \u00fcbertragen, sondern bei genauer Beobachtung und bei Anwendung der n\u00f6thigen Hilfe, um die Aufmerksamkeit auf den blinden Fleck hinzulenken, kann man sich \u00fcberzeugen, dass dort die Empfindung fehlt. Man sieht in der L\u00fccke des Sehfeldes weder irgend etwas Helles oder Farbiges oder Dunkles, man sieht hier im strengen Sinne des Wortes Nichts, und dieses Nichts kann sich nicht einmal als L\u00fccke und Grenze des Sichtbaren geltend machen; denn wenn die L\u00fccke des sichtbaren Sehfeldes selbst sichtbar sein sollte, so m\u00fcsste sic in irgend einer Qualit\u00e4t des Sichtbaren erscheinen, was sie nicht Unit. Nur negativ k\u00f6nnen wir ihr Vorhandensein ermitteln dadurch, dass wir beobachten, welches die letzten Objecte sind, die wir noch sehen. Wenn wir dann ermitteln, dass diese im Raume nicht aneinanderstossen, so kommen wir zur Anerkennung der L\u00fccke und ihrer r\u00e4umlichen Lage und Gr\u00f6sse. Da nun aber hierzu Localisirung der Gesichtseindr\u00fccke n\u00f6thig ist, und diese nach unserer Auffassung erst durch Erfahrung erworben wird, so beruht dieses Auffinden der L\u00fccke in der That auf einem Urtheil; sie wird nicht unmittelbar empfunden.\nMit der gr\u00f6sseren L\u00fccke des Gesichtsfeldes hinter unserem R\u00fccken verh\u00e4lt es sich \u00fcbrigens ganz \u00e4hnlich, nur dass uns ihre Anwesenheit besser bekannt ist, als die des blinden Flecks, weil wir zu ihrer Ausf\u00fcllung zu keiner Zeit sinnliche Hilfsmittel gehabt haben, w\u00e4hrend die L\u00fccke des blinden Flecks f\u00fcr gew\u00f6hnlich durch die Wahrnehmungen des andern Auges und durch die Bewegungen des Blicks gen\u00fcgend ausgef\u00fcllt und daher nicht als Mangel f\u00fchlbar wird. Auch die Grenze des Sehfeldes k\u00f6nnen wir nur negativ bestimmen, indem wir im indirecten Sehen aufsuchen, welche Objecte noch sichtbar sind, welche nicht. Wenn wir dagegen einen einf\u00f6rmigen Grund hersteilen, zum Beispiel das Auge nach dem innern Augenwinkel drehen und ein durchscheinendes beleuchtetes Blatt Papier Vorhalten, wobei dann gegen den \u00e4ussern Augenwinkel hin nichts von den Theilen unseres Gesichts mehr sichtbar wird, sondern allein die weisse Fl\u00e4che: dann ist es absolut unm\u00f6glich zu sagen, wo diese helle Fl\u00e4che aufh\u00f6rt und wo das Nichtsehen anf\u00e4ngt. W\u00e4re dagegen dort irgend ein dunkler oder farbiger Fleck auf dem Papier, so w\u00fcrden wir sogleich die Richtung bestimmen k\u00f6nnen, in dem wir diesen sehen. Auch hier also kann sich das nicht Sichtbare nicht als Grenze des Sichtbaren geltend machen und von ihm abheben.\n\u2022 Anders verh\u00e4lt es sich nun, wenn wir in Folge unserer Empfindungen uns Vorstellungen von den Objecten bilden. Der objective Raum und die darin enthaltenen Objecte k\u00f6nnen kein Loch haben entsprechend der L\u00fccke unseres Sehfeldes. Wir befinden uns dann im Wesentlichen in der Lage von Jemandem, der ein beflecktes oder durchl\u00f6chertes Gem\u00e4lde betrachtet und daraus sich eine Anschauung von dem zu bilden sucht, was der Maler hat vorstellen wollen. Wenn hierbei ein Fleck auf irgend einen der untergeordneten Theile des Gem\u00e4l-Encvklop. cl. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik. \u25a0\t37","page":577},{"file":"p0578.txt","language":"de","ocr_de":"578\n\u25a0 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n8- 28.\ndes f\u00e4llt und die Erg\u00e4nzung selbstverst\u00e4ndlich ist, so wird der Betrachtende den Fleck vielleicht kaum beachten, oder wenigstens in seiner Vorstellung der Objecte durch ihn gar nicht gehindert werden und in dieser Beziehung den Fleck als nicht vorhanden betrachten k\u00f6nnen. Sollte der Fleck also auf eine einf\u00f6rmig gef\u00e4rbte Fl\u00e4che oder auf eine gleichm\u00e4ssig gemusterte Fl\u00e4che fallen, so wird der Beschauer ohne Weiteres sich die L\u00fccke in seiner Vorstellung mit der Farbe des Grundes ausf\u00fcllen, er m\u00fcsste denn ganz besondere Gr\u00fcnde haben zu vermuthen, dass dort die F\u00e4rbung oder das Muster urspr\u00fcnglich abweichend gewesen sei. Und ebenso wird er die Erg\u00e4nzung ohne alles Z\u00f6gern und Schwanken machen, wenn der Fleck einen kleinen Theil einer geradlinigen Kante oder einer Kreisperipherie verdeckt. Erst wenn der Fleck auf wichtige Punkte des Gem\u00e4ldes oder solche, deren Bedeutung nicht so ganz selbstverst\u00e4ndlich ist, f\u00e4llt, wird er die Aufmerksamkeit des Beschauers anziehen und ihn in der Vollendung seines Anschauungsbildes von den dargestellten Gegenst\u00e4nden st\u00f6ren.\nDieser Vergleich kann das Verh\u00e4ltniss ungef\u00e4hr klar machen; namentlich wenn man sich denkt, dass der Fleck bei einem reichen und interessanten Gem\u00e4lde auf seitlich gelegene und ganz unwichtige Nebensachen des Gem\u00e4ldes f\u00e4llt und nicht durch seine Farbe oder Helligkeit im Stande ist, die Aufmerksamkeit des Beobachters anzuziehen. Dann wird er m\u00f6glicher Weise ebenso unentdeckt bleiben, wie die L\u00fccke im Sehfelde es gew\u00f6hnlich ist. Der Vergleich hinkt nur insofern, als der Fleck auf dem Gem\u00e4lde etwas Sichtbares ist, auf welches die Aufmerksamkeit vollkommen leicht gefesselt werden kann, wenn sie einmal darauf hingelenkt war, w\u00e4hrend die L\u00fccke des Gesichtsfeldes nicht die Qualit\u00e4t von etwas Sichtbarem hat und es ganz gegen unsere Gew\u00f6hnung und Uebung ist, die Aufmerksamkeit im Felde des indirecten Sehens anders als auf einzelne positiv auffallende Ph\u00e4nomene zu richten. In beiden F\u00e4llen bilden wir uns aus den vorhandenen positiven Momenten der Empfindung unsere Vorstellung von den Objecten aus, so gut es eben geht; nur dass wir bei der L\u00fccke des Sehfeldes sehr viel schwerer auf den Mangel des Anschauungsmaterials aufmerksam werden, als bei dem Fleck des Gem\u00e4ldes. Volkmann sagt daher in dieser Beziehung mit Recht, dass man die L\u00fccke im Sehfelde durch einen Act der Einbildungskraft ausf\u00fcllt; nur muss man hinzuf\u00fcgen, dass diesem Acte der Einbildungskraft nicht die volle Evidenz der sinnlichen Anschauung zu-' kommt, wenn auch in diesem Falle allerdings schwerer als in anderen \u00e4hnlichen F\u00e4llen zu ermitteln ist, dass ein Mangel des sinnlichen Materials stattfindet. Eines der h\u00fcbschesten Beispiele, was Volkmann f\u00fcr diese Erg\u00e4nzung durch die Einbildungskraft anf\u00fchrt, ist, dass wenn man die L\u00fccke auf die bedruckte Seite eines Buches fallen l\u00e4sst, man sie mit Druckschrift ausgef\u00fcllt zu sehen glaubt, welche man freilich nicht lesen kann. Aber allerdings ist diese Ausf\u00fcllung nur so lange scheinbar vorhanden, bis man sich durch genauere Aufmerksamkeit \u00fcberzeugt, dass man an der betreffenden Stelle gar nichts wahrnimmt. Die Th\u00e4tigkeit der Einbildungskraft geht also keineswegs so weit, dass dadurch die fehlende sinnliche Empfindung ersetzt und vorgespiegelt w\u00fcrde.\nEs ist nun noch zu untersuchen, wie die r\u00e4umlichen Abmessungen durch das Augenmaass f\u00fcr die Punkte nahe der L\u00fccke ausfallen. ln dieser Beziehung","page":578},{"file":"p0579.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nAUSF\u00dcLLUNG DES BLINDEN FLECKS.\n579\nfallen die Aussagen verschiedener Beobachter sehr verschieden aus. Einige, wie namentlich v. Wittich, sehen die der L\u00fccke n\u00e4chstgelegenen Objecte gegen die L\u00fccke hingezogen und diese dadurch ausgef\u00fcllt, Andere, wie E. H. Weber, Volkmann, ich selbst, sehen die umgehenden Theile in ihrer richtigen Lagerung, abgesehen von den Verziehungen, welche die seitlichen Theile des Gesichtsfeldes \u00fcberhaupt erleiden. Bei wieder Anderen, wie bei Fdncke, wechselt es, so dass sie unter etwas ver\u00e4nderten Umst\u00e4nden bald das eine sehen, bald das andere.\nDie Unterschiede zeigen sich namentlich deutlich bei folgendem von Volkmann erfundenen Versuche: Man setze neun Buchstaben, so wie A bis / in Fig. 184, und fixire mit dem rechten Auge aus einem Abstande von 20 Centimeter das Kreuzchen bei k, so wird E in die L\u00fccke fallen. Die Gr\u00f6sse der L\u00fccke ist f\u00fcr mein Auge unter diesen Umst\u00e4nden durch den ge- k\n+\nstrichelten Kreis angegeben, in dessen Mitte E steht. Dadurch, dass man eine kleine rothe Oblate auf E legt und diese nach allen Seiten hin so weit vorschiebt, dass sie eben anf\u00e4ngt sichtbar zu werden, kann man controlliren, wie gross die L\u00fccke ist und ob auch keiner der anderen Buchstaben dadurch verdeckt wird. Sehr gut l\u00e4sst sich ein entsprechendes Muster auch herstellen mittels verschiedenfarbiger Oblaten, welche man an Stelle der Buchstaben hinlegt. An einem Muster, wie Fig. 184, sehen Volkmann und ich selbst die neun Buchstaben ABC DF GHI als Seiten eines Quadrats, in geraden Linien stehend, wie sie wirklich stehen, und die Mitte desselben leer. Wittich dagegen sieht statt der geraden Seiten des Quadrats vier gegen die Mitte convexe B\u00f6gen ABC, CFI, IHG, G DA. Funcke 1 sieht sie convex wie Wittich, wenn keine anderen geraden Linien in der N\u00e4he sind, mit denen er ihre Form vergleichen kann, dagegen gerade gestreckt, wie Volkmann, wenn durch k oder zwischen k und AD G eine verticale gerade Linie gezogen wird, oder auch, wenn die Reihe CFI durch ein weisses Papier verdeckt wird.\nEine gerade Linie, deren Mitte in die L\u00fccke f\u00e4llt, erscheint v. Wittich verk\u00fcrzt, w\u00e4hrend E. H. Weber, Volkmann und ich sie unverk\u00fcrzt sehen Eine Kreisfl\u00e4che, die nicht ganz, aber beinahe ganz vom blinden Flecke gedeckt wird, deren Rand man aber ringsum sehen kann, erscheint mir ebenso gross, wie eine ebenso weit nach der Nasenseite des Fixationspunktes liegende \u00e4hnliche Fl\u00e4che. Uebrigens glaube ich, wie schon Weber und Volkmann fanden, die\nA B ( I) I :F G II I\nFig. 184.\n1 Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Bd. III, Heft 3, S. 12 u. 13.\n37*","page":579},{"file":"p0580.txt","language":"de","ocr_de":"580 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 28.\nganze Fl\u00e4che in der Farbe des Randes zu sehen, selbst wenn von diesem nur ein schmaler Streif ausserhalb der L\u00fccke liegt. Ja, wenn die Kreisscheibe von engbedrucktem Papier geschnitten ist, so glaube ich sie in ganzer Ausdehnung mit Buchstaben bedeckt zu sehen, bis ich die Aufmerksamkeit genau auf sie richte, wo ich dann erkenne, dass ich in ihrer Mitte nichts unterscheide.\nFuncke berichtet, dass wenn die L\u00fccke auf bedrucktes Papier f\u00e4llt und er sich diesseits und jenseits derselben zwei hervorstechende Buchstaben gemerkt hat, diese einander gen\u00e4hert erscheinen. Auch in diesem Falle sehe ich die Buchstaben in ihrer richtigen Distanz.\nDiese Widerspr\u00fcche lassen sich wohl daraus erkl\u00e4ren, dass wir als Erg\u00e4nzung f\u00fcr die Beurtheilung der r\u00e4umlichen Dimensionen des Sehfeldes, welche haupts\u00e4chlich durch die Bewegungen des Auges erlernt ist, auch noch die WEBE\u00fc\u2019schen Empfindungskreise ber\u00fccksichtigen, namentlich f\u00fcr kleine, einander nahe Objecte, f\u00fcr welche die erstere Art der Beurtheilung vielleicht unvollkommenere Data giebt. Ob zwei seitlich liegende schwarze Punkte, die auf verschiedenen Seiten des Fixationspunktes sich befinden, von ihm gleich weit abstehen oder nicht, k\u00f6nnen wir nicht mit derselben Genauigkeit entscheiden, als wenn beide auf derselben Seite und nahe aneinander liegen und zwischen ihnen noch ein weisser Fleck des Grundes sichtbar ist, dann ist es nicht zweifelhaft, welcher dem Fixationspunkt n\u00e4her ist, welcher ferner.\nNun stimmen in den \u00fcbrigen Theilen des Sehfeldes beiderlei Bestimmungsweisen nothwendig \u00fcberein; in der Gegend des blinden Flecks dagegen fehlen die Eindr\u00fccke, welche wir zwischen denen des Randes der L\u00fccke erwarten sollten und welche das sinnliche Zeichen ihrer r\u00e4umlichen Trennung sein sollten. Andererseits k\u00f6nnen wir mittels der Bewegungen des Auges doch richtige Erfahrungen \u00fcber die wirkliche Lage der Randpunkte der L\u00fccke machen und sie als getrennt erkennen. Daher ist es m\u00f6glich, dass verschiedene Beobachter, die bald mehr auf dieses, bald mehr auf jenes Moment zu achten gewohnt sind, verschieden urtheilen, und dass selbst bei einem und demselben Beobachter nebens\u00e4chliche Verh\u00e4ltnisse f\u00fcr das eine oder andere den Ausschlag geben.\nIch habe fr\u00fcher bemerkt, dass im Allgemeinen die L\u00fccke eines jeden Auges beim gew\u00f6hnlichen zwei\u00e4ugigen Sehen ausgef\u00fcllt wird durch das, was das andere Auge an jener Stelle des Sehfeldes wahrnimmt. Diese Regel erleidet aber, wie Volkmann gezeigt hat, ebenfalls Ausnahmen. Bezeichnen wir den blinden Fleck des einen Auges mit a, die entsprechende Stelle des andern Auges mit a, die Umgebung von a mit b, die von a mit \u00df, die den beiden Stellen a und u entsprechende Stelle im Gesichtsfelde mit A, ihre Umgebung mit B, so lassen sich leicht folgende Versuche machen:\n1. Wir sehen* mit dem ersten Auge auf weisses Papier und schliessen das andere Auge, so empfinden wir\nauf a:\tNichts,\tauf b :\tWeiss\nauf a:\tDunkel,\tauf \u00df:\tDunkel\nund meinen zu sehen\t\t\t\nauf A:\tWeiss,\tauf B:\tWeiss.","page":580},{"file":"p0581.txt","language":"de","ocr_de":"AUSF\u00dcLLUNG DFS BLINDEN FLECKS.\n\u00a7. 28.\n581\n2.\tWir sehen mit beiden Augen auf weisses Papier, halten aber vor das zweite ein blaues Glas; wir empfinden also\nauf a: Nichts,\tauf b: Weiss\nauf a: Blau,\tauf \u00df: Blau\nund meinen zu sehen\nauf A: Blauweiss, auf B: Blauweiss.\n3.\tAehnlich fallt der Versuch aus, wenn wir mit beiden Augen durch verschiedenfarbige Gl\u00e4ser sehen, wobei ein ungleichf\u00f6rmiges und wechselndes Gemisch beider Farben im Sehfelde erscheint; auch dann zeichnet sich A von dem Rest des Feldes in keiner Weise aus.\nIn den bisherigen F\u00e4llen, wo die Stelle u ebenso beleuchtet war, wie \u00df, glaubten wir die L\u00fccke in der Fqrbe des Grundes zu sehen, wobei dann das sonderbare Resultat eintritt, dass die Stelle A. des Sehfeldes, die in dem einen Auge gar keine Empfindung, im andern die von Schwarz oder Blau hervorruft, uns weiss oder blauweiss erscheint.\n4.\nNun blicken wir nach einem schwarzen Blatte, auf dem ein weisser Kreis liegt, der der L\u00fccke a entspricht. Wir empfinden\nauf a: Nichts,\tauf b: Schwarz\nauf a: Weiss,\tauf \u00df: Schwarz.\nWir sehen\nauf A:\tWeiss,\tauf\tB:\tSchwarz.\nHalten wir vor das zweite Auge ein blaues Glas, so tritt hierbei statt Weiss nat\u00fcrlich \u00fcberall Blau ein.\n5.\tWir blicken nach einem weissen Felde, auf dem sich ein schwarzer Fleck, der L\u00fccke a entsprechend, befindet. Wir empfinden auf a:\tNichts,\tauf\tb:\tWeiss\nauf a:\tSchwarz,\tauf\t\u00df:\tWeiss\nund sehen\nauf A: Schwarz, auf B: Weiss.\n6.\tNachdem wir die Fixation des voxigen Versuchs eine Weile unver\u00e4ndert unterhalten haben, blicken wir auf einen andern Punkt der weissen Fl\u00e4che, dann erscheint ein helleres weisses Nachbild des schwarzen Flecks, welches ebenfalls dem Orte der L\u00fccke entspricht. Also auch der schwache Unterschied zwischen dem etwas helleren Weiss des Nachbildes und dem etwas matteren des Grundes gen\u00fcgt, den Gesichtseindruck der L\u00fccke zu bestimmen. Dadurch k\u00f6nnen nun auch scheinbare Widerspr\u00fcche mit Versuch 3 eintreten.\n7.\tDie Bedingungen des vorigen Versuchs werden dahin abge\u00e4ndert, dass ich vor das Auge ab ein gr\u00fcnes Glas, vor a\u00df ein rothes setze und erst so fixire, dass der schwarze Fleck der L\u00fccke a entspricht, dann sehe ich den Fleck schwarzgr\u00fcn, fast als ob ich ihn durch das gr\u00fcne Glas mit der L\u00fccke a s\u00e4he. In Wahrheit aber ist das eine Contrastfarbe im andern Auge auf a gegen den rothen Grund \u00df. Wenn .ich eine kleine Weile fixirt habe und dann eine andere Stelle des Papiers fixire, so sehe ich die Stelle A des Gesichtsfeldes rein roth, scheinbar mit dem Auge a\u00df allein. Aber","page":581},{"file":"p0582.txt","language":"de","ocr_de":"582\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 28.\nin diesem Falle ist es hier das heller rothe Nachbild des vorhergesehenen Schwarz, wodurch sich u vor \u00df auszeichnet und daher den Eindruck bestimmt.\nAus diesen letzteren Versuchen scheint also hervorzugehen, dass der Eindruck auf u das Gesammtbild wenigstens dann bestimmt, wenn a von \u00df durch Helligkeit und Farbe deutlich unterschieden ist. Doch ist auch in solchen F\u00e4llen \u00ab nicht allein bestimmend.\n8. Ich blicke nach einem hellgrauen Papier, auf dem eine weisse Oblate liegt, der L\u00fccke a entsprechend; vor das geschlossene Auge a\u00df bringe ich ein rothes Glas und \u00f6ffne es dann. Nun habe ich in der Empfindung auf a: Nichts,\tauf b: Grau\nauf a: Roth,\tauf \u00df: Mattes Roth.\nIch meine zu sehen:\nauf A : Rothweiss auf B : Grauroth.\nDas Roth auf a, wenn das Auge ab geschlossen ist, ist entschieden ges\u00e4ttigter, als es in A ist. wenn ab ge\u00f6ffnet ist, trotzdem a keinen Eindruck empf\u00e4ngt. Das Entsprechende sieht man auch bei Anwendung andersfarbiger Gl\u00e4ser. Der Unterschied wurde noch deutlicher, wenn ich nahe neben die weisse Oblate eine rothe legte, die durch das rothe Glas gesehen ebenso aussah, wie die .weisse. Die rothe Oblate muss aber, bis das Auge hinter dem rothen Glase ge\u00f6ffnet wird, verdeckt werden durch einen dem Grunde gleichfarbigen Schirm, damit sie kein Nachbild entwickelt, welches ihr Roth abschw\u00e4cht und grau macht, wenn es zur Vergleichung kommt.\nIn diesem letzteren Falle ist es unverkennbar der Einfluss des grauen Grundes in b, der uns a weisslich sehen l\u00e4sst. Es lassen sich alle diese Erscheinungen auf das Gesetz zur\u00fcckf\u00fchren, dass wir mit beiden Augen die der L\u00fccke entsprechende Stelle A des Sehfeldes um so viel heller oder dunkler als den Grund \u00df zu sehen glauben, wie wir in dem anderen Auge (\u00ab und \u00df) sie wirklich heller oder dunkler sehen. Die gemeinsame F\u00e4rbung des Sehfeldes a und \u00df wird nicht' \u00fcbergetragen auf die L\u00fccke des andern Auges, wohl aber die Differenz zwischen u und \u00df auch als f\u00fcr a und b bestehend angeschaut. Aehnliche Verh\u00e4ltnisse werden wir unten in der Lehre vom binocularen Contraste wiederfinden.\nEinigen Anstoss haben diejenigen subjectiven Erscheinungen erregt, welche gerade an der Eintrittsstelle des Sehnerven auftreten, wie die Lichtgarben bei schneller Bewegung des Auges und die hellen oder dunklen Kreisfl\u00e4chen bei elektrischer Durchstr\u00f6mung. Zu erkl\u00e4ren sind sie nur, wenn man annimmt, dass dabei die den Sehnerven unmittelbar umgebenden Netzhauttheile betroffen sind. Bei der elektrischen Durchstr\u00f6mung erkl\u00e4rt sich dies auch wohl einfach dadurch, dass die hinter der Sclerotica liegende schlecht leitende, sehnige Masse des Sehnerven die elektrische Durchstr\u00f6mung der unmittelbar davor liegenden Netzhauttheile erschwert und diese deshalb gegen das \u00fcbrige Gesichtsfeld con-trastiren. Aufsteigender Strom, der das Gesichtsfeld licht macht, l\u00e4sst den schlecht leitenden Sehnerveneintritt dunkel erscheinen, absteigender, der das Feld dunkel und r\u00f6thlichgelb macht, dagegen licht und blau.","page":582},{"file":"p0583.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 28.\nLAGE DES MITTELPUNKTS DER VISIRL1NIEN.\n583\nF\u00fcr die leuchtenden Garben bei schneller Bewegung des Auges kann man den Beweis f\u00fcr die Richtigkeit dieser Erkl\u00e4rung nicht f\u00fchren, wohl aber f\u00fcr die entsprechenden dunklen Flecke, welche man sieht, wenn man die Augen stark seitw\u00e4rts und gegen ein gleichm\u00e4ssig erleuchtetes Feld wendet. Hat man die Augen nach links gewendet, so sieht man mit dem rechten Auge einen dunklen Fleck nach rechts hin im Gesichtsfelde, dessen rechter Rand sehr gut begrenzt ist, der linke, gegen die Mitte des Gesichtsfeldes gekehrte dagegen sehr unbestimmt. Hier ist auch die L\u00fccke des Gesichtsfeldes; denn wenn man eine Bleistiftspitze vor dieses innere' Ende des dunklen Flecks schiebt, verschwindet sie; nicht aber in dem \u00fcbrigen Tlieile des dunklen Flecks.\nDagegen sieht man vor dem nach links gewendeten linken Auge den dunklen Fleck zwischen dem Fixationspunkte dieses Auges lind dem blinden Flecke liegen. Bei nach links gewendeten Augen wird also die Netzhaut in beiden Augen an der linken Seite des Sehnerven (im Gesichtsfelde ist der dunkle Fleck nach rechts gewendet) unempfindlicher gemacht. Dies ist die Seite, wo der Nervenstamm gegen die Sclerotica hingebogen wird, diese wahrscheinlich etwas einbiegt und so die Netzhaut verzerrt. F\u00fcr diese dunklen Flecke l\u00e4sst sich also erweisen, dass sie nicht der eigentlichen Eintrittsstelle des Sehnerven entsprechen, sondern daneben liegen. Die lichten Erscheinungen im dunklen Felde werden hier wohl, ebenso wie bei den Druckbildern, dieselbe Stelle einnehmen; auch meine ich bei darauf besonders gerichteter. Aufmerksamkeit erkannt zu haben, dass die Spitze der einen Garbe bis zum Fixationspunkte hinreicht, wie der eine dunkle Fleck. Hiernach sind die oben S. 198 und 199 gemachten Angaben \u00fcber den Ort dieser Flecke zu verbessern.\nWenn man nach zwei ungleich weit entfernten Punkten des Gesichtsfeldes hinsieht, f\u00fcr welche das Auge also auch nicht gleichzeitig vollkommen acconnnodirt sein kann, so sieht man wenigstens den einen derselben als Zerstreuungsbild. Der Strahlenkegel, welcher dieses Zerstreuungsbild bildet, wird abgegrenzt durch die Oeffnung der Pupille, und es liegt derjenige Strahl in der Axe dieses Strahlenkegels, welcher durch den Mittelpunkt der- Pupille gegangen ist. Wenn also auf denselben Netzhautpunkt a die Mittelpunkte zweier Zerstreuungskreise ungleich weit entfernter Punkte zusammenfallen, oder ein punktf\u00f6rmiges Bild mit der Mitte des Zerstreuungsbildes des zweiten Punktes, so m\u00fcssen diejenigen beiden Strahlen beider Objectpunkte, welche durch den Mittelpunkt der Pupille gegangen sind, ganz zusammenfallen, oder derjenige Strahl, welcher durch beide Objectpunkte geht, muss nachher durch den Mittelpunkt der Pupille gehen.\nDer Mittelpunkt der Pupille befindet sich nun im Innern des optischen Systems des Auges, vor ihm liegt die Hornhaut, hinter ihm die Kryslallinse. Die Strahlen erleiden also eine Brechung, ehe sie zu diesem Punkte gelangen, und werden auch noch wieder von ihrem Wege abgelenkt, nachdem sie ihn verlassen haben.\nStrahlen, welche von dem wirklichen Mittelpunkte der Pupille ausgehen, werden in der Hornhaut so gebrochen, dass sie nachher von dem Bilde des Mittelpunkts der Pupille, welches die Hornhaut entwirft, auszugehen scheinen werden. Umgekehrt Strahlen, welche ausserhalb des Auges gegen das Bild des Mittelpunkts der Pupille convergiren, werden durch den Mittelpunkt der Pupille selbst hindurchgehen.\nDas Bild, welches bei der Brechung der Strahlen in der Hornhaut vom Mittelpunkte der Pupille entworfen wird, ist also derjenige Punkt, welchen wir den","page":583},{"file":"p0584.txt","language":"de","ocr_de":"584\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7.28.\nKreuzungspunkt der Visirlinien genannt haben. Wenn zwei leuchtende Punkte vor dem Auge in einer durch diesen Punkt gehenden geraden Linie liegen, so fallen die Mittelpunkte ihrer Zerstreuungskreise auf der Netzhaut zusammen.\nF\u00fcr das schematische Auge, welches auf S. 111 berechnet ist, habe ich auch den Abstand des Kreuzungspunktes der Visirlinien von der Hornhaut in Millimetern berechnet:\n1.\tAbstand des Mittelpunkts der Pupille\n2.\tAbstand des Kreuzungspunktes der Visirlinien von der Hornhaut\n3.\tAbstand des Kreuzungspunktes von dem Mittelpunkte der Pupille\nFernsehend Nahesehend. 3,6 Millim. 3,2 Millim.\n3,036\t2,661\n0,564\t0,539\nIn anderer Weise bestimmt sich der Scheitelpunkt der Gesichtswinkel, wenn die Accommodation des Auges fortdauernd den beobachteten Objecten angepasst wird, weil n\u00e4mlich bei der ver\u00e4nderten Accommodation des Auges die Knotenpunkte selbst sich verr\u00fccken. Wir finden diesen Scheitelpunkt unter diesen Bedingungen \u25a0 in folgender Weise am einfachsten.\nSetzen wir voraus, es sei der Punkt A, Fig. 183, der gesuchte Scheitelpunkt \u2019der Gesichtswinkel, DA und CA zwei durch ihn gezogene gerade Linien, welche\ngleiche Winkel mit der opti-D\tsehen Axe EA machen, und\nmit ihr in einer Ebene liegen. Es wird verlangt, dass Objecte wie die beiden Pfeile, wenn ihre Endpunkte in den Linien DA und CA liegen, gleich grosse Netzhautbilder FG geben, wenn das Auge f\u00fcr die Endpunkte der betreffenden Objecte richtig accommodirt ist. Nun- sei B0 das Bild von A im fernsehenden Auge, /?, dasselbe im nahesehenden Auge. Wenn wir die Linien DA und CA als Strahlen betrachten, so werden diese so gebrochen werden, dass sie im Glask\u00f6rper von B0 oder B1 aus divergiren, um beziehlich nach F und G zu gehen.\nNun denke man sich im Punkte A ein kleines, zur Axe senkrechtes Object \u00ab, und in B0, beziehlich Bx dessen optische Bilder \u00dfa, beziehlich \u00dfx, so findet nach S. 50, Gleichung 7d), folgende Beziehung zwischen den Winkeln DAC, FB0G, FBX G und diesen Bildern statt\nnx a tang\nDAC\n9\nn2\u00dfo tang\nFBnG\na . FB G = \u00bb,& tang\u2014f-,\nwo \u00abj und n2 die Brechungsverh\u00e4ltnisse von Luft- und Glask\u00f6rper sind. Da nun\nFB\u201eG _ FH\n~~ UH.\ntang -\ntang\nF B, G\no\nFH\nWb,'\n2","page":584},{"file":"p0585.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nPARALLAXE BEI DIRECT LM UND INDIRECTES SEHEN.\n585\nso folgt\n\u00dfo-\u00df, = BBt:HBv\nDer gesuchte Scheitelpunkt der Gesichtswinkel ist also durch die Eigenschaft charakterisirt, dass wenn in ihm ein kleines, zur Axe senkrechtes (virtuelles) Object liegt, dessen Bild bei den Ver\u00e4nderungen der Accommodation seinem Abstande von der Netzhaut proportional w\u00e4chst.\nWenn man f\u00fcr die mittleren Werthe der optischen Constanten des fernsehenden und nahesehenden Auges, welche auf S. H l gegeben sind, die Lage dieses Punktes berechnet, so findet man seinen Abstand gleich 2,942 Millimeter von der Hornhaut, so dass er fast genau zusammenf\u00e4llt mit dem vorher berechneten Kreuzungspunkt der Visirlinien des fernsehenden Auges, dessen Abstand gleich 3,036 Mm. von der Hornhaut gefunden war. Bei den praktischen Anwendungen k\u00f6nnen wir daher beide Punkte als zusammenfallend betrachten, besonders da so kleine Unterschiede, wde der hier gefundene, bei dem bisher erreichbaren Grade der Genauigkeit unserer Kenntniss der optischen Constanten des Auges nicht zu verb\u00fcrgen sind.\nF\u00fcr die Gr\u00f6sse der Gesichtswinkel des unbewegten Auges w\u00fcrde es danach keinen Unterschied machen, ob wir seine Accommodation den zu beobachtenden Punkten anpassen oder das Auge f\u00fcr unendliche Ferne einrichten.\nJ. B. Listing 1 hat den Unterschied des Winkels, den zwei von zwei Object-punkteh nach dem Knotenpunkte des Auges gezogene Linien bilden, von demjenigen, welchen die von denselben Objectpunkten nach dem Drehpunkte des Auges gezogenen Linien bilden, die Parallaxe zwischen der scheinbaren Lage der Objecte bei directem und indirectem Sehen genannt. Ich w\u00fcrde es vorziehen, diesen Namen so anzuwenden, dass als Spitze des ersten Winkels der Kreuzungspunkt der Visirlinien1 2 gebraucht w\u00fcrde, weil zwei punktf\u00f6rmige Objecte im indirecten Sehen gleiche Lage haben, wenn sie in derselben Visirlinie liegen.\nDiesp Parallaxe ist gleich Null, wenn die Objecte unendlich entfernt sind; weil f\u00fcr unendlich weit entfernte Objecte die Schenkel der beiden zu vergleichenden Winkel einander paarweise parallel werden. Ist nur das eine Object unendlich entfernt, so bezeichnet die genannte Parallaxe, um wie viel sich scheinbar das n\u00e4here Object vor einem unendlich entfernten Hintergr\u00fcnde verschiebt, wenn man den. Blick auf dasselbe hinrichtet.\nUm f\u00fcr diesen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig einfachsten Fall die Gr\u00f6sse der genannten Parallaxe vergleichen zu k\u00f6nnen mit den Ungenauigkeiten der Accommodation, sei in Fig. 186 o der Drehpunkt des Auges, oc \u2014 o e \u2014 a die Entfernung des Kreuzungspunktes der Visirlinien. In der Richtung oa liege das fernere Object, b sei das n\u00e4here, so wird 6, wenn es direct fixirt wird, in der Richtung bg erscheinen und die in dieser Richtung liegenden Theile des unendlich entfernten Hintergrundes decken. Wenn aber in der Richtung oa fixirt wird, wird der Kreuzungspunkt der Visirlinien in e liegen und b in der Richtung ef erscheinen. Der Winkel ebc = fbg \u2014 e\n1\tBeitrag zur physiologischen Optik. G\u00f6ttingen 1845. S, 14 \u201416\n2\tBei Listing sind Visirlinien die vom Objecte nach dem Drehpunkt des Auges gezogenen Linien.","page":585},{"file":"p0586.txt","language":"de","ocr_de":"58<i\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. \u201d23.\nist also die Parallaxe zwischen directem und indirectem Sehen. Bezeichnen wir den Abstand des Punktes b vom Punkte c mit p, so ist\neh\ta sin \u00ab\ntons- f \u2014 \u2014 \u2014 ------------------------------\nhb p + a ( / \u2014 cos u)\nDer Durchmesser p des Zerstreuungskreises von b in einem f\u00fcr unendliche Ferne accommodirten Auge ist nach S. 99, Gleichung I b), wenn P der Durchmesser der durch die Krystallinse gesehenen Pupille und H der Abstand des vorderen Brennpunktes vom Kreuzungspunkte der Visirlinien ist\nP \u25a0 H\nund wenn ij der Winkel ist, unter dem der\u2019Radius des Zerstreuungskreises auf den unendlich entfernten Hintergrund entworfen erscheint, f aber der Abstand des Knotenpunktes der Hornhaut vom hintern Brennpunkte, so ist\ntang ij\nP \u25a0 H\n\u2022 f\nund wenn wir in dem Werthe von tangs die Gr\u00f6sse o (10,5 Millimeter) gegen n (die Entfernung des Objectes) vernachl\u00e4ssigen, so ist\nund daher rj~^> t, so lange\na sin \u00ab\ntang \u00a3 \u2014 ----------\nP\nPH 2 a/\"\n> sin a.\nEs ist aber nach den fr\u00fcher gegebenen Werthen f\u00fcr das fernsehende Auge\nH \u2014 15,869 Millimeter, f = 15,007 a \u2014 10,521\nP kann schwanken zwischen etwa 3 und 6 Millimeter; dem ersteren Werthe entspricht\na < 8\u00b0,40, dem zweiten a < 17\u00b0,33.\nSo lange die Bewegung des Auges nicht gr\u00f6sser ist, als diese Werthe des Winkels \u00ab, so lange ist die Verschiebung beim Uebergang vom indirecten zum direeten Sehen nicht gr\u00f6sser als der Radius des Zerstreuungskreises, unter dem der n\u00e4here Punkt erscheint.\nWenn man dabei ber\u00fccksichtigt, wie ausserordentlich undeutlich das indirecte Sehen in 8\u00b0 Entfernung vom Blickpunkte ist, so wird dadurch begreiflich, dass wir nur ausnahmsweise, wenn irgend ein sehr heller Punkt hinter dem Rande eines dunklen Schirms auftaucht, die Ver\u00e4nderung des Bildes, welche von den Bewegungen des Auges abh\u00e4ngt, bemerken.\nIch lasse hier noch zwei wichtige Actenst\u00fccke f\u00fcr die Lehre von dem Ver-st\u00e4ndniss der Gesichtserscheinungen folgen, welche die Beobachtungen von Che-selden und Wardrop an zwei Blindgeborenen berichten, denen erst in sp\u00e4terem Alter das Gesicht durch eine Operation wiedergegeben wurde. Cheselden operirte einen Knaben von 13 Jahren, welcher mit sehr stark getr\u00fcbten Krystaliinsen (grauem Staar) geboren war.","page":586},{"file":"p0587.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 \u201d28.\nBEOBACHTUNGEN AN BLINDGEBORENEN.\n587\nCheselden 1 berichtet Folgendes \u00fcber seine F\u00e4higkeit, Formen zu unterscheiden: \u201eAnfangs, nachdem er sein Gesicht bekommen hatte, wusste er so wenig \u00fcber Entfernungen zu urtheilen, dass er sich vielmehr einbildete, alle Sachen, die er s\u00e4he, ber\u00fchrten seine Augen, wie das, was erf\u00fchlte, seine Haut. Keine Sachen waren ih'm so angenehm, als glatte und regelm\u00e4ssige (vielleicht wegen des einfacheren und leichter zu analysirenden Gesichtseindrucks, oder wegen des Glanzes?), ob er wohl von ihrer Gestalt nicht urtheilen oder erra then konnte, was ihm an einer Sache gefiele. Er machte sich keinen Begriff von der Gestalt irgend einer Sache, unterschied auch keine Sache von der anderen, so verschieden sie auch an Gestalt und Gr\u00f6sse waren; wenn man ihm aber sagte, was das f\u00fcr Dinge w\u00e4ren, die er zuvor durchs Gef\u00fchl erkannt hatte, so betrachtete er sie sehr aufmerksam, um sie wieder zu kennen; weil er aber auf einmal zu viel Sachen zu lernen hatte, vergass er immer wieder viel davon und lernte, wie er sagte, in einem Tage tausend Dinge kennen und vergass sie wieder. Zum Exempel, er hatte oft vergessen, welches die Katze und welches der Hund war, und sch\u00e4mte sieh darum weiter zu fragen; fing also die Katze, die er durch das Gef\u00fchl kannte, betrachtete sie.sehr genau, setzte sie nieder und sagte: \u201eSo, Miezchen, nun will ich dich ein andermal kennen\u201c. \u2014 Man glaubte, er w\u00fcrde bald verstehen lernen, was Gem\u00e4lde vorstellten, es zeigte sich aber das Gegentheil. Denn zwei Monate, nachdem ihm der Staar gestoeheu war, machte er pl\u00f6tzlich die Entdeckung, dass sie K\u00f6rper mit Erh\u00f6hungen und Vertiefungen darstellten; bis dahin hatte er sie nur als buntscheckige Fl\u00e4chen angesehen. Dabei aber erstaunte er nicht wenig, dass sich die Gem\u00e4lde nicht so anf\u00fchlen Dessen, wie die Dinge, welche sie vorstellten, und dass die Theile, welche durch ihr Licht und Schatten rund und uneben aussahen, flach, wie die \u00fcbrigen, anzuf\u00fchlen waren. Er fragte, welcher von seinen Sinnen ihn betr\u00f6ge, das Gef\u00fchl oder das Gesicht. Als man ihm seines Vaters Bild in einem Angeh\u00e4nge an seiner Mutter Uhr zeigte und ihm sagte, was es w\u00e4re, erkannte er es f\u00fcr \u00e4hnlich, wunderte sich aber sehr, dass ein grosses Gesicht sich in einem so kleinen Raume vorstellen liess, welches ihm, wie er sagte, so unm\u00f6glich w\u00fcrde geschienen haben, als einen Scheffel in eine Metze zu bringen.\n\u201eAnfangs konnte er wenig Licht vertragen und hielt alles, was er sah, f\u00fcr ungemein gross; als er aber gr\u00f6ssere Sachen sah, hielt er jene f\u00fcr kleiner, weil er sich gar keine Linien ausserhalb des Umfangs, den er sah, vorstellen konnte. Dass das Zimmer, worin er w\u00e4re, ein Theil des Hauses sei, sagte er, w\u00fcsste er wohl, k\u00f6nnte aber nicht begreifen, wie das ganze Haus gr\u00f6sser als das Zimmer aussehen k\u00f6nnte.\n\u201eEin Jahr, nachdem er sein Gesicht wiedererhalten hatte, brachte man ihn auf die D\u00fcnen von Epsom, wo er eine weite Aussicht hatte; diese erg\u00f6tzte ihn gar sehr und war ihm, wie er sagte, eine neue Art von Sehen.\n\u201eAls ihm der Staar an dem andern Auge gestochen ward, kamen ihm, wie er sagte, die Sachen mit diesem Auge gr\u00f6sser vor, doch nicht so gross, als sie ihm anfangs mit dem ersten erschienen waren. Wenn er einerlei Sache mit beiden Augen ansah, so kam sie ihm noch einmal so gross vor, als mit dem zuerst erhaltenen allein; aber doppelt sah er nichts, soviel man entdecken konnte.\u201c\nHierbei ist zu bemerken, dass auch bei einer noch so undurchsichtigen Linse der Blinde immer im Stande war zu lernen, wie er die Augen bewegen musste, um von der Sonne den hellsten Eindruck zu empfangen, d. h. nach der Sonne hinzusehen. Also in der Beurtheilung der Richtung der Objecte aus der Richtung des Blicks nach ihnen hin konnte er nicht als ganz unge\u00fcbt betrachtet werden.\n1 Phil, Transact. 1128. XXXV, p. if\": Smith Uplicks Remarks, p. 21.","page":587},{"file":"p0588.txt","language":"de","ocr_de":"588\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u25a0 \"28.\nJa, es ist selbst unwahrscheinlich, dass die Linse jemals das Licht so vollst\u00e4ndig gleichm\u00e4ssig nach allen Richtungen hin verstreue, dass nicht doch am Ende die Theile der Netzhaut, welche dem Orte, wo der Focus der Strahlen sich bilden sollte, benachbart waren, etwas st\u00e4rker erleuchtet gewesen w\u00e4ren, als die \u00fcbrige Fl\u00e4che der Netzhaut. Dann konnte auch selbst ein gewisser, wenn auch\u2019 sehr unvollkommener und ungenauer Grad der Loca\u00fcsirung im Sehfelde ausgebildet sein, wie auch J. Ware1 2 bei einem \u00e4hnlichen Falle bemerkte. Letzterer fand, dass Kinder mit Cataract nicht nur die Farben gef\u00e4rbter Gegenst\u00e4nde, die man dem Auge nahe brachte, noch erkennen konnten, sondern sogar einigermassen die Entfernung. Ein siebenj\u00e4hriger Knabe, der von Ware operirt war, war von Anfang an viel geschickter und sicherer als Cheselden\u2019s Patient. Es ist sehr interessant, dass in dem beschriebenen Falle dennoch das Erlernen der Gesichtswahrnehmungen so deutlich hervortritt.\nNoch merkw\u00fcrdiger in mancher Beziehung ist ein von Wardrop 2 mitgetheilter Fall von einer Dame, welche blind, wahrscheinlich mit getr\u00fcbten Linsen geboren war. Im Alter von sechs Monaten wurde sie in Paris einer Operation unterworfen, nach welcher das rechte Auge ganz zu Grunde ging, im andern die Pupille vollst\u00e4ndig verwuchs, so dass keine Spur derselben mehr zu sehen war, ausser einigen Streifen von gelben Ausschwitzungen, die in unregelm\u00e4ssiger Weise \u00fcber die Mitte der Iris verbreitet waren. Sie war demnach viel blinder, als Staarkranke zu sein pflegen, und konnte wohl kaum mehr vom Licht und seiner Richtung erkennen, als Gesunde hinter den geschlossenen Augenlidern erkennen k\u00f6nnen. Sie konnte ein sehr helles von einem dunklen Zimmer unterscheiden, ohne indessen die Richtung des Fensters erkennen zu k\u00f6nnen, durch welches das Licht drang; dagegen bei Sonnenschein und hellem Mondschein erkannte sie die Richtung, wo das Licht herkam.\nAm 26. Januar 1826 wurde versucht, die Ausschwitzungen, die die Pupille verschlossen, zu durchschneiden, was nicht gelang. Am 8. Februar darauf wurde ein Schnitt durch die Iris gemacht, der reichlich Licht in das Auge treten liess; hinter demselben lag aber noch eine undurchsichtige Masse. W\u00e4hrend der massigen Entz\u00fcndung, welche folgte, war die Patientin gegen Licht sehr empfindlich; man bemerkte, dass sie oft versuchte ihre H\u00e4nde zu sehen. Am 17. Februar endlich wurde die OefFnung in der Iris erweitert und die opaken Massen hinter derselben entfernt, wodurch endlich das Sehen frei wurde. Ich lasse hier das Wesentliche von Wardrop\u2019s Bericht folgen:\n\u201eNach der Operation kehrte sie in einem Wagen nach Haus zur\u00fcck, die Augen nur lose mit einem seidenen Tuch verbunden; das erste, was sie bemerkte, war ein Miethwagen, der vorbeikam, wobei sie ausrief: \u201eWas f\u00fcr ein grosses Ding ist da bei uns vorbeigekommen?\u201c Im Lauf des Abends bat sie ihren Bruder, ihr seine Uhr zu zeigen, in Betreff deren sie viel Neugier bewies, und sie blickte nach ihr eine geraume Zeit, indem sie sie nahe an ihr Auge hielt. Man fragte, was sie s\u00e4he, und sie antwortete, dass eine Seite dunkel und die andere hell w\u00e4re; sie zeigte auch auf die Ziffer 12 und l\u00e4chelte. Ihr Bruder fragte, ob sie noch etwas mehr s\u00e4he? sie antwortete \u201eJa\u201c und zeigte auf die Ziffer 6 und auf die Zeiger der Uhr. Dann betrachtete sie die Kette_ und die Siegel, und bemerkte, dass eines der Siegel hell sei, was in der That sich so verhielt, da es aus Bergkrystall war. Am andern Tage bat sie Herr Wardrop wieder nach der Uhr zu sehen, was sie ver-\n1\tJ. Ware Case of a young gentleman who recovered his sight, when seven years of age. Phil, Trans. 1801. XCI. p. 382\u2014 396.\n2\tJ. Wardrop Case of a lady born blind, who received sight al an advanced age by the formation of an artificial n>i 1. Dril. Trout. 1826. III. 529 - 540.","page":588},{"file":"p0589.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nBEOBACHTUNGEN AN BLINDGEBORENEN.\n589\nweigerte, indem sie sagte, dass das Licht ihrem Auge wehe th\u00e4te und dass sie sich \u00e4usserst dumm vork\u00e4me, indem sie damit meinte, sie sei zu sehr verwirrt durch die sichtbare Welt, die ihr so zum ersten Male er\u00f6ffnet war. Am dritten Tage' bemerkte sie Th\u00fcren an der andern Seite der Strasse und fragte, ob sie roth seien; sie waren in der That von der Farbe des Eichenholzes. Am Abend blickte sie nach ihres Bruders Gesicht und sagte, sie s\u00e4he seine Nase; er forderte sie auf, danach zu greifen, was sie that; dann warf er sich ein Taschentuch \u00fcber das Gesicht und sagte, sie m\u00f6chte noch einmal hinsehen, worauf sie es scherzend fortzog und fragte: \u201eWas soll das heissen?\u201c\nAm sechsten Tage erkl\u00e4rte sie, dass sie besser s\u00e4he, als an irgend einem der vorigen Tage; \u201eaber ich kann nicht sagen, was ich sehe, ich bin ganz dumm\u201c. Sie schien in der That dadurch ganz verwirrt zu sein, dass sie nicht f\u00e4hig war, die Wahrnehmungen durch den Tastsinn mit denen durch den Gesichtssinn zu com-biniren, und f\u00fchlte sich entt\u00e4uscht, dass sie nicht f\u00e4hig war, sogleich Gegenst\u00e4nde mit dem Auge zu unterscheiden, die sie so leicht durch Betasten unterscheiden konnte.\nAm siebenten Tage bemerkte sie die Hauswirthin, bei der sie wohnte, und erkl\u00e4rte, dass sie schlank sei. Sie fragte, was die Farbe ihres Kleides sei? worauf man antwortete, es sei blau. \u201eSo ist auch das Ding auf Eurem Kopfe\u201c, bemerkte sie, was richtig war; \u201eund Euer Taschentuch ist von anderer Farbe\u201c, was auch richtig war. Sie f\u00fcgte hinzu: \u201eIch sehe Euch ziemlich gut, denke ich.\u201c Theetassen und Untertassen wurden einer Pr\u00fcfung unterzogen; \u201eWas ist dies?\u201c fragte ihr Bruder. \u201eIch weiss es nicht\u201c, antwortete sie, \u201ees sieht sehr verqueer aus; aber ich kann im Augenblick sagen, was es ist, wenn ich es anfasse.\u201c Sie sah eine Orange \u00fcber dem Kamin liegen, aber hatte keinen Begriff, was es w\u00e4re, bis sie sie ber\u00fchrte. Sie schien nun heiterer zu werden und gr\u00f6ssere Hoffnungen auf ihren Eintritt in die Welt des Sichtbaren zu hegen; auch meinte sie, dass sie ihre neu erworbenen F\u00e4higkeiten w\u00fcrde besser gebrauchen k\u00f6nnen, wenn sie nach Haus zur\u00fcckk\u00e4me, wo ihr Alles genau bekannt war.\nAm achten Tage fragte sie ihren Bruder bei Tische, was er sich da gerade n\u00e4hme; und als ihr gesagt wurde, es sei ein Glas mit Portwein, antwortete sie*: \u201ePortwein ist dunkel und sieht sehr h\u00e4sslich aus\u201c. Als Kerzen in das Zimmer gebracht wurden, bemerkte sie ihres Bruders Gesicht im Spiegel und auch das einer anwesenden Dame ; sie ging auch zum ersten Male ohne Beistand von ihrem Stuhl zu einem Sopha und wieder zur\u00fcck zu dem Stuhl. Beim Thee fiel ihr das Geschirr auf, sie bemerkte den Glanz des Porzellan und sie fragte: \u201ewas die Farbe l\u00e4ngs der Kante sei\u201c. Man sagte ihr, es sei Gelb, worauf sie erwiderte: \u201eDie Farbe will ich wieder kennen\u201c.\nAm neunten Tage kam sie zum Fr\u00fchst\u00fcck herab in sehr guter Laune; sie sagte zu ihrem Bruder: \u201eHeut sehe ich Dich sehr gut\u201c, kam zu ihm heran und reichte ihm die Hand. Sie bemerkte auch einen Miethzettel an dem Fenster eines Hauses auf der entgegengesetzten Seite der Strasse, und ihr Bruder, um sich zu \u00fcberzeugen, f\u00fchrte sie drei verschiedene Male an das Fenster, und zu seinem Erstaunen und Freude deutete sie jedesmal ganz bestimmt danach hin.\nSie brachte einen grossen Theil des eilften Tages damit zu, aus dem Fenster zu sehen, und sprach sehr wenig.\nAm zw\u00f6lften Tage wurde ihr der Rath gegeben auszugehen, wor\u00fcber sie sehr vergn\u00fcgt war. Ihr Bruder ging mit ihr, als ihr F\u00fchrer, und nahm sie mit sich zweimal um die S\u00e4ulenhallen von Coventgarden herum. Sie schien sehr erstaunt, aber offenbar erfreut zu sein ; der klare blaue Himmel zog ihre Aufmerksamkeit zuerst auf sich, und sie sagte: \u201eDas ist das H\u00fcbscheste, was ich bisher gesehen","page":589},{"file":"p0590.txt","language":"de","ocr_de":"590\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 28.\nhabe, und immer gleich h\u00fcbsch, so oft ich mich danach wende und hinsehe\u201c. Sie unterschied den Strassendamm -vom Trottoir und trat von dem einen zum andern her\u00fcber, wie Jemand, der an den Gebrauch seiner Augen gew\u00f6hnt ist. Ihre grosse Neugier und die Art, wie sie die Menge von Gegenst\u00e4nden rings herum anstarrte und danach'zeigte, erregte die Aufmerksamkeit der Vor\u00fcbergehenden und ihr Bruder brachte sie bald nach Hause, sehr gegen ihren Willen.\nAm dreizehnten Tage trug sich nichts Besonderes zu bis zur Theezeit, wo sie bemerkte, dass anderes Theegeschirr aufgesetzt war, welches nicht h\u00fcbsch sei und einen dunkeln Rand habe, was eine richtige Angabe war. Ihr Bruder forderte sie auf, in den Spiegel zu sehen und ihm zu sagen, ob sie sein Gesicht darin s\u00e4he; worauf sie, sichtbar entt\u00e4uscht, antwortete: \u201eIch sehe mein eignes; lass mich gehen\u201c.\nAm vierzehnten Tage fuhr sie in einem Wagen vier Meilen weit auf der Wandsworth-Strasse, bewunderte meistens den Himmel und die Felder, bemerkte die B\u00e4ume und auch die Themse, als sie \u00fcber Vauxhallbr\u00fccke kam. Es war heller Sonnenschein und sie sagte, dass etwas sie blende, wenn sie auf das Wasser s\u00e4he.\nAm f\u00fcnfzehnten Tage, einem Sonntage, ging sie nach einer Kapelle in einiger Entfernung; sie sah jetzt entschieden deutlicher als fr\u00fcher, aber erschien noch verwirrter als w\u00e4hrend der Zeit, wo ihr Gesicht weniger vollkommen war. Die Leute, welche auf dem Trottoir vorbeikamen, erschreckten sie; und einmal als ein Herr an ihr vorbeikam, der eine weisse Weste und einen blauen Rock mit gelben Kn\u00f6pfen hatte, die im Sonnenschein stark ergl\u00e4nzten, schreckte sie so zusammen, dass sie ihren Bruder, der mit ihr ging, von dem Trottoir herabzog. Sie erkannte, dass der Geistliche seine H\u00e4nde auf der Kanzel bewegte und dass er etwas darin hielt; es war ein weisses Taschentuch\nAm sechszehnten Tage fuhr sie aus, um eine Visite in einem entfernten Theile der Stadt zu machen; das Getreibe in den Strassen schien sie sehr zu unterhalten. Als sie gefragt wurde, wie sie an diesem Tage s\u00e4he, antwortete sie: \u201eIch sehe sehr viel, wenn ich nur sagen k\u00f6nnte, was ich sehe; aber sicherlich, ich bin sehr dumm\u201c.\nNichts Besonderes fiel am siebenzehnten Tage vor ; und als ihr Bruder sie fragte, wie es ihr ginge, antwortete sie: \u201eEs geht mir gut, und ich sehe immer besser; aber qu\u00e4lt mich nicht mit vielen Fragen, bis ich etwas besser gelernt habe, meine Augen zu gebrauchen. Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich versichert, bin durch alles Das, was ich sehe, welch\u2019 eine grosse Ver\u00e4nderung mit mir vorgegangen ist; aber ich kann nicht beschreiben, was ich empfinde.\u201c\nAchtzehn Tage nach der Operation versuchte Herr Wardrop durch einige Proben die Genauigkeit ihrer Begriffe von der Farbe, Gestalt, Form, Lage, Bewegung, Entfernung der \u00e4usseren Objecte festzustellen. Da sie nur mit einem Auge sehen konnte, konnte nichts ermittelt werden \u00fcber das Doppeltsehen mit zwei Augen. Sie erkannte offenbar die Verschiedenheit der Farben, das heisst, sie erhielt und empfand verschiedene Eindr\u00fccke von verschiedenen Farben. Als ihr verschiedenfarbige St\u00fccke Papier, 1 Y2 Zoll im Quadrat, vorgelegt wurden, unterschied sie sie nicht nur sogleich, von einander, sondern gab einigen Farben auch einen entschiedenen Vorzug; Gelb gefiel ihr am besten, und dann Rosaroth. Hierbei mag noch bemerkt werden, dass wenn sie einen Gegenstand zu pr\u00fcfen w\u00fcnschte, es ihr ziemlich schwer wurde, ihr Auge dahin zu richten und seine Lage ausfindig zu machen, indem sie ihre Hand sowohl, wie ihr Auge in verschiedenen Richtungen herum bewegte, wie Jemand mit verbundenen Augen oder im Dunkeln mit seinen H\u00e4nden umhergreift, um zu fassen, was er w\u00fcnscht. Sie unterschied auch grosse von kleinen Gegenst\u00e4nden, wenn beide ihr neben einander zum Vergleich vorge-","page":590},{"file":"p0591.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nBEOBACHTUNGEN AN BLINDGEBORENEN.\n591\nhalten wurden. Sie sagte, sie s\u00e4he verschiedene Formen an verschiedenen Gegenst\u00e4nden, die ihr gezeigt wurden. Man fragte, was sie meinte unter verschiedenen Formen, zum Beispiel langen, runden, viereckigen, und nachdem man sie gebeten hatte, mit ihrem Finger diese Formen auf ihrer anderen Hand zu zeichnen, brachte man vor ihr Auge die betreffenden Formen, wobei sie richtig nach ihnen hinwies. Sie unterschied nicht nur kleine von grossen Gegenst\u00e4nden, sondern wusste auch, was oben und unten sei. Um dies zu pr\u00fcfen, wurde eine mit Tinte gezeichnete Figur vor ihr Auge gebracht, deren eines Ende breit', das andere schmal war; sie sah deren Lage, wie sie wirklich war, nicht umgekehrt. Sie konnte auch Bewegungen bemerken; denn als ein Glas Wasser auf den Tisch vor sie gestellt wurde und als sie ihre Hand n\u00e4herte, schnell fortgezogen wurde in gr\u00f6ssere Entfernung, sagte sie sogleich: \u201eSie bewegen es; Sie nehmen es fort\u201c.\nSie schien dagegen die gr\u00f6sste Schwierigkeit zu haben in der Sch\u00e4tzung der Entfernung der Dinge; denn w\u00e4hrend ein Gegenstand dicht vor ihr Auge gehalten wurde, suchte sie wohl danach mit ausgestreckter Hand weit jenseits seiner-wirklichen Lage, w\u00e4hrend sie bei anderen Gelegenheiten nahe an ihrem Gesicht herumgriff nach einem Dinge, was weit entfernt war.\nSie lernte mit Leichtigkeit die Namen der verschiedenen Farben, und zwei Tage, nachdem ihr die farbigen Papiere gezeigt waren, bemerkte sie beim Eintritt in ein carminrothes Zimmer, dass es roth sei. Sie bemerkte auch einige Gem\u00e4lde, die an der rothen Wand des Zimmers hingen, in dem sie sass, wobei sie einige kleine Figuren auf ihnen unterschied, aber nicht wusste, was sie darstellten,, und die vergoldeten Rahmen bewunderte.\nDabei mag noch bemerkt werden, dass sie durch die Uebung ihres Gesichts nur sehr wenig Kenntniss irgend welcher Formen gewonnen hatte und unf\u00e4hig war, die Wahrnehmungen des neu gewonnenen Sinnes anzuwenden und zu vergleichen mit dem, was sie durch den Tastsinn zu erkennen gew\u00f6hnt war. Als man daher den Versuch machte, ihr einen silbernen Bleistifthalter und einen grossen Schl\u00fcssel in die Hand zu geben, so unterschied sie und kannte beide ganz genau. Aber wenn sie neben einander auf den Tisch gelegt wurden, sah sie, dass beide verschieden seien, aber sie konnte nicht sagen, welches der Bleistifthalter sei und welches der Schl\u00fcssel.\nNichts weiter kam vor in der Geschichte dieser Dame, was der Erw\u00e4hnung werth w\u00e4re, bis zum f\u00fcnfundzwanzigsten Tage nach der Operation. An dem Tage fuhr sie in einem Wagen durch Regent\u2019s Park, und schien dort mehr als gew\u00f6hnlich sich zu unterhalten, und stellte mehr Fragen \u00fcber\tdie umgebenden Gegenst\u00e4nde, zum Beispiel: \u201eWas ist das?\u201c Es ist\tein Soldat,\tw-ar\tdie Antwort.\t\u201eUnd\ndas, sieh! sieh!\u201c Es waren Kerzen von verschiedenen Farben in einem Laden-'fenster. \u201eWas ist das, das da vorbeikam?\u201c\tEs war ein\tHerr\tzu Pferde.\t\u201eAber\nwas ist da Rothes auf dem Trottoir?\u201c Es\twaren ein\tPaar\tDamen, die\trothe\nShawls trugen. Als sie in den Park kam, wurde sie gefragt, was sie vorzugsweise s\u00e4he, oder ob sie errathen k\u00f6nnte, was einzelne von den Gegenst\u00e4nden w\u00e4ren. \u201e0 ja\u201c, antwortete sie, \u201eda ist der Himmel, da ist Gras, dort ist Wasser und zwei weisse Dinge\u201c, welches zwei Schw\u00e4ne waren. Als sie auf dem R\u00fcckweg durch Piccadilly kam, erstaunte sie sehr \u00fcber die Juwelierl\u00e4den und ihre Aeusse-rungen erregten herzliches Lachen bei ihren Begleitern.\nVon da bis zu derZeit, wo sie London verliess, am 31. M\u00e4rz, sechs Wochen nach der Operation, fuhr sie fort, fast t\u00e4glich mehr Kenntniss der sichtbaren Welt zu gewinnen, aber es blieb noch viel zu lernen \u00fcbrig. Sie hatte eine ziemlich genaue Kenntniss der Farben und ihrer verschiedenen Abstufungen und Namen gewonnen; und als sie Herrn Warbrop ihren Abschiedsbesuch machte, trug sie","page":591},{"file":"p0592.txt","language":"de","ocr_de":"592\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 28.\ndas erste Kleid, was sie sich selbst ausgew\u00e4hlt hatte, helles Purpurroth, was ihr sehr zu gefallen schien, ebenso wie ihr Hut, der mit rothen B\u00e4ndern geziert war. Sie hatte noch durchaus keine genaue Kenntniss der Entfernungen oder Formen gewonnen, und bis zu dieser Zeit hin war sie immer noch verwirrt bei jedem (neuen) Gegenstand, auf den sie blickte. Auch war sie noch nicht f\u00e4hig, ohne betr\u00e4chtliche Schwierigkeit und zahllose vergebliche Versuche, ihr Auge auf einen Gegenstand zu richten, so dass, wenn sie versuchte danach hinzublicken, sie ihren Kopf nach verschiedenen Seiten wendete, bis ihr Auge den Gegenstand erfasste, nach dem sie suchte. Sie hegte indessen noch immer die Hoffnung, die sie kurz nach der Operation ge\u00e4ussert hatte, dass wenn sie nach Hause k\u00e4me, ihre Kenntniss der Aussendinge genauer und verst\u00e4ndlicher werden w\u00fcrde, und dass, wenn sie blicken k\u00f6nnte auf die Sachen, mit denen ihr Tastsinn so lange vertraut gewesen war, die Verwirrung, welche die Mannigfaltigkeit der Gegenst\u00e4nde ihr bis jetzt verursacht hatte, schwinden w\u00fcrde.\nSo weit Wardkop. Es ist bei diesem Berichte zu bedenken, dass Patientin vor der letzten Operation schon mehrere Tage lang sich bem\u00fcht hat, bei freilich noch nicht vollst\u00e4ndig wiedererlangtem Gesichtsverm\u00f6gen, ihre H\u00e4nde zu besehen, und daher wohl gelernt haben konnte, diese im Gesichtsfelde zu kennen und ihren Bewegungen mit dem Blicke zu folgen, wie sie denn auch selbst vorher schon gelernt haben konnte, ihre Augen der Sonne zuzuwenden, also einen gewissen Grad der Richtung des Blicks und die Kenntniss der ohngef\u00e4hren Richtung, aus der das ihre Augen erregende Licht herkam, erhalten haben mochte. Die optischen Bilder in ihrem Auge m\u00fcssen ziemlich gut gewesen sein, da sie die Ziffern und Zeiger einer Taschenuhr, einen Miethszettel an einem gegen\u00fcberliegenden Fenster, Wachskerzen, Juwelenschmuck am Schaufenster von der Mitte der Strasse her aus dem Wagen erkennen konnte. Das Erste, was sie als Gegenst\u00e4nde unterscheiden lernte, waren bewegliche Dinge, namentlich menschliche Gestalten und durch Farbe hervorstechende Objecte, wie die r\u00f6thlichen Thiiren, die Orange, die farbigen Kleider der Frauen. Es ist \u00fcbrigens auch bei den neugeborenen Kindern auffallend, wie viel fr\u00fcher sie menschliche Gestalten und Gesichter zu erkennen und mit dem Blicke zu verfolgen wissen, als andere Gegenst\u00e4nde. Die menschlichen Gestalten ziehen nat\u00fcrlich vor anderen Dingen das Interesse auf sich und sind durch die Art der Bewegungen, die sie ausf\u00fchren, von andern Objecten des Gesichtsfeldes wesentlich unterschieden. Bei diesen Bewegungen sind sie auch als zusammenh\u00e4ngendes Ganzes charakterisirt, und das Gesicht, als ein weissr\u00f6thlicher Fleck mit den beiden gl\u00e4nzenden Augen ist immerhin eine Stelle dieses Bildes, welche leicht wiederzuerkennen sein wird, auch f\u00fcr Jemanden, der sie erst wenige Male gesehen hat.\nWas die Unterscheidung der Formen betrifft, auf die es uns hier haupts\u00e4chlich ankommen w\u00fcrde, so ist zun\u00e4chst klar, dass in einem solchen Falle die Hauptschwierigkeit sein muss, die wechselnden perspectivischen Projectionen k\u00f6rperlicher Gegenst\u00e4nde kennen zu lernen. Denn der Blinde weiss nat\u00fcrlich gar nichts von der M\u00f6glichkeit einer solchen Projection. Aber einzelne Z\u00fcge in dem Bericht zeigen, dass die Dame auch solche Formen, die durch perspectivische Projection nicht entstellt waren, nicht zu erkennen wusste, wie zum Beispiel den Schl\u00fcssel und den Bleistifthalter. Ersterer mit Bart und Ring, von der Fl\u00e4che gesehen, musste auf der Netzhaut sich in derselben Gestalt darstcllen, wie man ihn f\u00fchlt. Wenn also ein angeborenes Verm\u00f6gen da w\u00e4re, die Formen der Netzhautbilder zu erkennen, im Sinne der nativistischen Theorie, so h\u00e4tte der Schl\u00fcssel am Ringe und Barte erkannt werden m\u00fcssen. Dazu kommt die mehrfach erw\u00e4hnte Unf\u00e4higkeit, den Ort eines indirect gesehenen Objectes mit dem Blicke und der Hand zu finden. W\u00e4ren die Richtungen der Verbindungslinien zwischen dem centralen und einem","page":592},{"file":"p0593.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 28.\nBEOBACHTUNGEN AN BLINDGEBORENEN.\n593\nseitlichen Bilde der Netzhaut schon durch angeborene Anschauung bekannt, so k\u00f6nnte es keine grosse Schwierigkeit gemacht haben, den Blick l\u00e4ngs der Verbindungslinie, der Beihe der auf dieser liegenden Bilder folgend, nach dem gew\u00fcnschten Punkte hinzuf\u00fchren.\nEs scheint mir dagegen nicht zu streiten, dass dieselbe Dame am achtzehnten Tage nach der Operation einfache Formen zu unterscheiden wusste. Wenn man den Blick l\u00e4ngs des Umfanges eines Kreises, eines l\u00e4nglichen Bechtecks, eines Quadrates laufen l\u00e4sst, wird man unter \u00e4hnlichen Umst\u00e4nden wohl bald f\u00e4hig sein, ein geradliniges Begrenzungsst\u00fcck von einem krummlinigen zu unterscheiden, eine Ecke als solche zu erkennen, zu wissen, ob man den Blick haupts\u00e4chlich von oben nach unten, oder von rechts nach links laufen l\u00e4sst, u. s. w.; was zur Erkennung der genannten Figuren gen\u00fcgen w\u00fcrde. Es ist hierbei nur noting, den Blick l\u00e4ngs einer continuirlich fortlaufenden Umfangslinie fortzuf\u00fchren, was nat\u00fcrlich leichter ist, als ihn nach einem entfernten Object im Seitentheil des Gesichtsfeldes hinzuleiten. Auch das Erkennen der Nase, als eines Vorsprunges an dem r\u00f6thlichen Fleck, den das Gesicht ihres Bruders im Gesichtsfeld bildete, l\u00e4sst sich auf diese Weise erkl\u00e4ren. Die Uhr, die' sie am ersten Abend untersuchte, hatte sie in der Hand und erkannte sie also durch das Getast; die Ziffern und Zeiger hat sie nicht als solche bezeichnet, sondern nur bemerkt, dass sie markirte Stellen f\u00fcr das Gesicht seien, w\u00e4hrend der tastende Finger durch das Uhrglas hindurch nichts davon erkennen konnte. Diese Theile zu zeigen, war ihr m\u00f6glich, indem sie das Bild ihres Fingers, was sie schon kannte, bis zu dem Bilde der genannten dunklen Objecte heranbewegte.\nAndererseits scheint mir die Geschwindigkeit, mit der die Patientin einige Dinge sehen lernte, doch zu gross gewesen zu sein, um zu der Annahme zu stimmen, die Localzeichen der Netzhautpunkte seien diseontinuirliche und ungeordnete Zeichen, f\u00fcr welche erst aus Erfahrung gelernt werden m\u00fcsste, welche Localzeichcn benachbarten Netzhautpunkten angeh\u00f6ren. Wenn die Localzeichen aber selbst continuirlich \u00fcber das Feld der Netzhaut ver\u00e4nderliche Gr\u00f6ssen sind, so w\u00fcrden von vorn herein, ohne Erfahrung, benachbarte Netzhautpunkte in der Empfindung als benachbart charakterisirt sein. Nur im letzteren Fall kann der Eindruck eines beleuchteten Fl\u00e4chenst\u00fccks der Netzhaut gleich als Beleuchtung einer zusammenh\u00e4ngenden Fl\u00e4che im Sehfelde aufgefasst werden, ohne dass vorausgehende Erfahrung lehrt, dass die Localzeichen der erregten Netzhautfasern zusammenliegenden Faserenden und nicht punktf\u00f6rmig im Felde verstreuten angeh\u00f6ren L\nGeschichte. Die Frage, ob die Kenntniss der Ausmessungen des Gesichtsfeldes angeboren sei oder erworben, wurde von den Sensualisten des vorigen Jahrhunderts eifrig discutirt. Molyneux warf die Frage auf, ob ein Blindgeborener, der durch das Gef\u00fchl einen W\u00fcrfel von einer Kugel zu unterscheiden gelernt h\u00e4tte, sie auch sogleich durch das Gesicht unterscheiden w\u00fcrde, wenn er dieses erlangte. Moly-neux und Locke 2 antworteten beide mit Nein. Juren 3 schloss sich dem an, bemerkte nur dabei, dass, wenn der Blindgeborene W\u00fcrfel und Kugel von verschiedenen Richtungen betrachten d\u00fcrfte, die letztere ihm immer dieselben, ersterer verschiedene Bilder geben und er sie daran zu unterscheiden verm\u00f6gen w\u00fcrde. Diese Ansicht, wonach alle Kenntniss der Form in den Gesichtswahrnehmungen\n1 Andere F\u00e4lle: Grant in Voigt\u2019s Magaz. IV. 1. S. 25. IIofbauer Beitr\u00e4ge II. 2. S. 249. Ware Phil. Tran*. 1801, p. 332. Home Phil. Trans. 1807, I. p. 834. Bibi. Britann. XXXVII. p. 8\". Jahr 1808. Trinchinetti in Arch, des sc. phys. et nat. de G\u00e9n\u00e8re, VI. 336. Giorn. d. ist. Lomb. 1847, fase. 46 e 47.\n- Essay concerning human understanding. B. II. Cb. 9, \u00a7.8. Siehe auch Berkeley New Theory of vision 1709\u2022 Section 79.\n3 Smith Optwks. Remarks, p. 27. Ebenso Priestley Geschichte der Optik. II. 512 der deutschen Uebersetzung Encyklop, d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t38","page":593},{"file":"p0594.txt","language":"de","ocr_de":"594 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 28.\nauf Erfahrung' und Vergleichung mit dem Tastsinn beruhe, blieb w\u00e4hrend des vorigen Jahrhunderts wohl die herrschende, so weit man \u00fcberhaupt dieser Frage Aufmerksamkeit zuwandte, bis unter dem Einfluss der Kant\u2019scIicii Lehre, dass der Raum eine angeborene Form unserer Anschauung sei, Johannes M\u00fcller 1 die entgegengesetzte Ansicht aufstellte. Nach ihm beruht F\u00fchlen und Sehen auf denselben Grundanschauungen von der Ausbreitung unserer eigenen Organe im Raume. Er geht also aus von der Annahme, dass wir eine angeborene Kenntniss der r\u00e4umlichen Dimensionen der empfindenden Thcile der Netzhaut und ihrer Anordnung von vornherein mitbringen, und dass dadurch die urspr\u00fcnglichen Ausmessungen des gesehenen fl\u00e4chenhaften Bildes unmittelbar in der Empfindung gegeben sind. Nur das nach aussen Sehen, die Beurtheilung der Entfernung, der K\u00f6rperform der Objecte sind ihm durch Erfahrung gegeben. Nach aussen sehen, heisst nach J. M\u00fcller die Gegenst\u00e4nde als ausserhalb unseres K\u00f6rpers anschauen. Nun sehen wir fortdauernd oder immer wiederkehrend Theile unseres K\u00f6rpers auf dein Felde unserer Netzhaut abgebildet, und erkennen sie als uns zugeh\u00f6rig, durch unsern Willen unmittelbar beweglich an. Das Andere, was wir sehen, wechselt, und wir sehen es also als nicht zugeh\u00f6rig oder \u00e4usserlieh unserem K\u00f6rper. Dann lernen wir sp\u00e4ter die zwei Localisationen durch den Tastsinn der Haut und durch das Sehen mit der Netzhaut in der Vorstellung vereinigen. Doch erkennt J. M\u00fcller an, dass dies wunderbar scheinen m\u00fcsse, n\u00e4mlich vom Standpunkte seiner Theorie aus; er vergleicht es mit den Wahrnehmungen, welche durch gleichzeitige Wirkung des Tastgef\u00fchls und durch Betrachten eines Spiegelbildes unseres K\u00f6rpers (z. B. beim Rasiren) zu Stande kommen k\u00f6nnen. Was das Problem des Aufrechtsehens trotz der umgekehrten Lage der Netzhautbilder betrifft, so erscheint uns nach M\u00fcller wirklich alles verkehrt, und nur weil unser eigener K\u00f6rper und die durch den Tastsinn an ihm markirten Stellen uns alle auch verkehrt erscheinen, tritt kein Widerspruch ein. Eigentlich werden also nach dieser Ansicht nicht die Bilder in den \u00e4ussern Raum durch unser Vorstellen projicirt, sondern der Anschauungsraum ist ein innerer, in den die anderweitigen Wahrnehmungen der Dinge hineingetragen werden. Conse-quenter noch hat Ueberweg 2 diese Seite der M\u00dcLLER\u2019schen Theorie dargestellt, w\u00e4hrend Hering 3 diesen Anschauungsraum zu einem Raum von drei Dimensionen macht und eigenth\u00fcmliche Hypothesen hinzugef\u00fcgt hat, um die dritte Dimension desselben durch die Anschauung entstehen zu lassen, von denen erst in den folgenden Abschnitten die Rede sein kann. Der Letztgenannte h\u00e4lt auch in dem Abschnitt \u00fcber ein\u00e4ugige Stereoskopie durchaus die Ansicht fest, dass die Netzhaut sich so vollst\u00e4ndig in ihrer R\u00e4umlichkeit anschaue, dass sogar die Distanzen der Punkte auf ihr nach der geradlinigen Sehne, statt nach dem Bogen gesch\u00e4tzt werden, eine Ansicht, deren Unbrauchbarkeit zur Erkl\u00e4rung der Gesichtst\u00e4uschungen, die sie erkl\u00e4ren soll, wir schon oben ber\u00fchrt haben, und die in directem Widerspruche zu stehen scheint mit der in \u00a7. 118 und 124 desselben Werks gemachten Annahme, wonach eine Ebene der scheinbare Ort der von beiden Netzh\u00e4uten \u00fcbereinstimmend und identisch gesehenen Punkte sein soll.\nEine unmittelbare Kenntniss der Distanzen auf der Netzhaut als Grund der Vertheilung der gesehenen Punkte im Sehfeld liegt auch denjenigen Ansichten zu Grunde, welche eine unmittelbar angeborene Projection der Bilder in Richtung bestimmter Linien nach aussen annahmen. Porterfield 4 und Bartels * Hessen\n1 Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtsinns, Leipzig 1826. \u2014 Handbuch der Physiologie des Menschen. Coblenz 1840. Bd. Il\u201c, S. 362.\n~ Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin. K. 3, \u00dfd. V, S. 268\u2014282.\n3\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie. Leipzig 1864.\n4\tOn the eye. II. 283.\n5\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtssinns. Berlin 1834.","page":594},{"file":"p0595.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nGESCHICHTE DER THEORIE DES EIN\u00c4UGIGEN SEHENS.\n595\ndiese Projection nach den Normalen der Netzh\u00e4ute geschehen, Volkmann 1 nach den Richtungslinien, das heisst den Linien, die durch die hintern Knotenpunkte gehen. In beiden Ansichten ist also wenigstens die Sch\u00e4tzung der Winkeldistanzen im Sehfelde durch angeborene Momente gegeben; \u00e4hnlich Tourtual 1 2. Volkmann hat dann sp\u00e4ter seine Ansicht noch n\u00e4her dahin specificirt, dass er glaubt, die scheinbare Gr\u00f6sse der Gesichtswinkel im Sehfelde hinge ab von der Zahl der\u2019 einzelnen empfindlichen Nervenelemente, welche auf der entsprechenden Strecke der Netzhaut l\u00e4gen 3 4 5 6. Die Ansicht von Volkmann liegt sehr vielen neueren Arbeiten \u00fcber Physiologie des Auges zu Grunde; so benutzt sie unter andern namentlich auch Recklinghausen 4, um die Erkl\u00e4rung f\u00fcr die Abweichung des scheinbar ver-ticalen Meridians und andere optische T\u00e4uschungen zu geben, indem er die M\u00f6glichkeit entsprechender Verziehungen des Netzhauthildes nachzuweisen sucht. \u00b0 Die R\u00fcckkehr der Physiologen zu der \u00e4lteren entgegenstehenden Ansicht, wonach alle Eeurtheilung des R\u00e4umlichen auf Erfahrungen beruhe, findet ihr Vorspiel auf philosophischer Seite in den Ansichten von IIerbart \u00fcber die Sinneswahrneh-niungen. Es war sein metaphysisches Princip von der Einheit der Seele, welches ihn veranlasste, alle Vorstellungen f\u00fcr qualitative und zeitlich einander folgende, nicht neben einander bestehende Processe zu erkl\u00e4ren. Daher musste er alle Raumanschauung von der Bewegung herleiten und die localen Unterschiede der Empfindung mussten qualitative sein. Lotze war es namentlich, der diese Ansichten auf die faetischen Verh\u00e4ltnisse bei den sinnlichen Wahrnehmungen zu \u00fcbertragen suchte, und an den sich physiologischerseits zun\u00e4chst Meissner 5 und Czermak 8 in ihren Untersuchungen \u00fcber den Tastsinn anschlossen. In der physiologischen Optik wurde die Aufmerksamkeit zun\u00e4chst durch das Studium der Bewegungen des Auges wieder in diese Richtung gelenkt. Einer der ersten Schritte war die von Br\u00fccke aufgestellte und in den folgenden Abschnitten zu besprechende Ansicht \u00fcber den Einfluss der Bewegungen beim stereoskopischen Sehen. Ich seihst habe in einem popul\u00e4ren Vortrage 7 8 die Sache von dieser Seite dargestcllt. W. Wundt 8 hat das Verdienst, den ersten vollst\u00e4ndigeren Versuch gemacht zu haben, die Bildung des Sehfeldes aus den Bewegungserfahrungen herzuleiten, eine Aufgabe, deren Existenz und Wichtigkeit so gut wie ganz vergessen war. Er betrachtet darin als Localzeichen die qualitativen Ver\u00e4nderungen der Empfindung auf verschiedenen Stellen der Netzhaut, die von Purkinje, Aubert und Schelske beobachtet waren und oben S. 300 \u2014 301 erw\u00e4hnt wurden. Ich habe diese Annahme in der oben gegebenen Darstellung nicht benutzt, weil ich nicht sehe, wie der Eindruck zum Beispiel von Schwarz in der Mitte des Feldes von Roth auf dem Randtheil local unterschieden werden kann, wenn kein anderes Erkennungszeichen f\u00fcr den localen Unterschied da ist, als der qualitative Unterschied, wonach Roth in der Mitte roth, am Rande des Sehfeldes schwarz erscheint. Die Beurtheilung der Distanzen im Sehfelde leitet Wundt ab von dem Gef\u00fchl der Muskelanstrengung, welche noting sei, um sie mit dem Blicke zu durchlaufen. Da die Erfahrung lehrt, dass das Urtheil. \u00fcber die\n1\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtssinnes. Leipzig 1836.\n2\tDie Sinne des Menschen. M\u00fcnster 1827.\n3\tBerichte der K\u00f6n. Sachs. Ges. der Wissenschaften. 30. April 1853.\n4\tArchiv f\u00fcr Ophthalmologie. V. 2, S. 127. \u2014 Poggendorffs Annalen, CX. 65\u201492.\n5\tBeitr\u00e4ge zur Anatomie und Physiologie der Haut. Leipzig 1852. \u2014 Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin. R 2 Bd. IV, S. 260.\n6\tSitzungsberichte der K. K. Akademie der Wiss. zu Wien 1855. XV. 466 u. XVII. 577. \u2014 Moleschott\u2019s Untersuchungen zur Nalurlehro des-Menschen. 1. 183.\n7\tUeber das Sehen des Menschen. Leipzig 1855.\n8\tBeitr\u00e4ge zur Theorie der Sinneswalirnehmung. Leipzig u. Heidelberg 1862. Abdr\u00fccke aus Zeitschr. f\u00fcr rat. Medicin 1858\u20141862.\n38","page":595},{"file":"p0596.txt","language":"de","ocr_de":"596\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 28.\nMuskelaiistreugungen einige Sicherheit nur hat, wenn fortdauernd die Wirkungen derselben mit den Gesichtsbildern verglichen werden, so bin ich von den m\u00f6glichen Erfahrungen \u00fcber die Congruenz gleicher Strecken von correspondirender Richtung ausgegangen, welche Annahme, wie mir scheint, wesentlich best\u00e4tigt wird durch die Erfahrung, dass Strecken von \u00fcbereinstimmender Richtung genau und sicher verglichen werden, solche von nicht \u00fcbereinstimmender Richtung nicht. Dadurch wird freilich nicht ausgeschlossen, dass nicht auch das von Wundt in Anspruch genommene Gef\u00fchl der Muskelanstrengung mitbenutzt werde.\nDie Untersuchungen \u00fcber die Genauigkeit des Augenmaasses wurden zun\u00e4chst veranlasst durch E. U. Weber\u2019s 1 Gesetz, welches sp\u00e4ter von Fechner 2 als psychophysisches Gesetz bezeichnet worden ist und wonach die kleinsten empfindbaren Unterschiede proportional der ganzen empfundenen Gr\u00f6sse sind. Ausser den beiden Genannten hat namentlich auch Volkmann 3 eine grosse Reihe sorgf\u00e4ltiger Messungen angestellt. Den Einfluss der Zeit, welche zwischen zwei solchen Vergleichungen verstreicht, hat F. Hegelmayer 4 untersucht.\nDen constanten Fehler in der Vergleichung horizontaler und verticaler Distanzen hat A. Fick zuerst bemerkt5, die constante Abweichung des scheinbar verticalen Meridians Recklinghausen 6, letzterer auch die scheinbare Kr\u00fcmmung der geraden Linie in den peripherischen Theilen des Sehfeldes, die Gesichtst\u00e4uschungen an Linienmustern Zoellner7, dessen Entdeckung dann von Hering8, A. Kundt 9 und Aubert 10 weiter verfolgt wurde.\nDie \u00e4ltere Geschichte und Literatur der Untersuchungen \u00fcber den blinden Fleck, wobei es sich haupts\u00e4chlich um den Nachweis der Thatsache und um die physiologische Erkl\u00e4rung der Blindheit handelt, ist auf S. 222\u2014224 gegeben. Die Untersuchungen \u00fcber die Art der Ausf\u00fcllung der L\u00fccke in der Vorstellung beginnen mit E. H. Weber\u2019s 11 Untersuchungen, denen sich A. ^ick und P. du Bois Reymond32 und Volkmann 13 anschlossen, die fast ausschliesslich richtige Localisation der rings um den Fleck gesehenen Objecte beobachteten und die Ausf\u00fcllung der L\u00fccke psychologisch erkl\u00e4rten. Dagegen trat Witticii 14 auf mit der Beobachtung falscher Localisationen, w\u00e4hrend Funcke 36 auf die M\u00f6glichkeit und das Vorkommen von individuellen Unterschieden in dieser Beziehung aufmerksam machte.\n1709. Berkeley New Theory of vision. Section 79.\n\u2014 Locke Essay concerning human understanding. B. II. Ch. 9. \u00a7. 8. 1738. Smith Opticks. Remarks, p. 27.\nI\tUeber den Tastsinn und das Gemeingef\u00fchl, S. 5.'it) in Wagner\u2019s physiologischem W\u00f6rterbuch. \u2014 Program-mala collecta, Fase. Ilf. 1851. \u2014 Berichte der s\u00e4chs. Societ\u00e4t 1852, S. 85ff.\n- Elemente der PsychophysiU. Leipzig I860. Bd. I, S. 211\u2014236.\n3\tBerichte der S\u00e4chsischen Soc. 1858, p. 140. \u2014 Physiologische Untersuchungen im Gebiete der Optik. Leipzig 1863. Heft I, S. 117-139.\n4\tYierordt\u2019s Archiv XI, S. 844\u2014853.\n5\tDe errore quodam optico asymmetria bulbi efl'ecto. Marburg 1851. Auszug in Zeitschrift f\u00fcr rationelle Medicin. R. 2. Bd. Il, S. 83.\n6\tIn den oben citirten Aufs\u00e4tzen.\n7\tPoggendorff's Annalen GX, S. 500 \u2014 523.\n3 Beitr\u00e4ge zur Physiologie. Leipzig 1861. Heft I, S. 65\u201480.\n9\tPoggendorff\u2019s Annalen CXX, S. 118.\n10\tPhysiologie der Netzhaut. Breslau 1865. S. 269 \u2014 271,\nII\tLeber den Raumsinn und die Empfindungskreise in der Haut und im Auge. Verb, der S\u00e4chsischen Ges. 1852. S. 138,\n12\tM\u00fcller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. 1853. S. 396.\n13\tBerichte der K\u00f6nigl. Sachs. Ges. 30. April 1853. S. 40.\n14\tArchiv f\u00fcr Ophthalmologie. IX. 3. 1863. S. 1\u201431.\n15\tBerichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. \u00dfd. III, Heft 3, S. 12 u. 13.","page":596},{"file":"p0597.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 28.\nLITERATUR.\n597\n4 759. Porterfield On the eye. II, 285.\n1772. Prif.stley Geschichte der Optik. II, 512 der deutschen Uebersetzimg.\n1801. J. Ware Case of a young gentleman who recovered his sight. Phil. Trans. 1801. XCI, p. 382 \u2014 396\n4811. Steinbucii Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Sinne.\n1826.\tJ. M\u00fcller Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinns. Leipzig. 1.\n\u2014\tJ. Wardrop Case of a lady, born blind. Phil. Trans. 4826. Ill, 529\u201451-0.\n1827.\tTourtual Die Sinne des Menschen. M\u00fcnster.\n4 834. Bartels Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtsinns. Berlin.\n4 836. Vom;mann Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtsinns. Leipzig.\n1840.\t.1. M\u00fcller Handbuch der Physiologie des Menschen. Coblenz. Bd. II, S. 302.\n1847- Trinchinetti Observations sur les premi\u00e8res impressions visuelles, aper\u00e7ues par deux aveugles de naissance apr\u00e8s l\u2019op\u00e9ration de la cataracte. Arch. d. sciences phys. et natur. VL 336; Giornale dell\u2019 istituto Lombardo /S 17, fasc. 46 e 47.\n1849. Waller sur un cas, o\u00f9 la vue alt\u00e9r\u00e9e faisait voir les objets plus petits que nature. Institut. XVII. No. 787, p. 39.\n1851.\tE. IL Weber Programmata collecta. Fasc. 111. \u2014 Ueber den Tastsinn und das Ge-raeingef\u00fchl S. 559 in R. Wagner\u2019s W\u00f6rterbuch der Physiologie.\n\u2022\u2014\tFick de errore quodam optico assymmetria bulbi effecto. Marburg. Auszug in\nZeitsclir. f\u00fcr ration. Medicin. 2. Bd. II, S. 83.\n1852.\tE. II. Weber \u00fcber den Raumsinn und die Empfindungskreise in der Haut und im Auge. Berichte der s\u00e4chsischen Societ\u00e4t. S. 85 ff.\n1853- Derselbe \u00fcber Gr\u00f6sse, Lage und Gestalt des sogenannten blinden Flecks im Auge und die davon abh\u00e4ngigen Erscheinungen. Berichte der s\u00e4chs. Soc. 1853, S. 149 \u2014 158; Fechner Centralblatt 1853, S. 929 \u2014 941.\n\u2014\tA. Fick und P. du Bois Reymond \u00fcber die unempfindliche Stelle der Netzhaut im menschlichen Auge. M\u00fcller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. 1853, S. 396 \u2014 407; Fechner Centralblatt, 1854, S. 57 \u2014 72.\n\u2014\tA. W. Volkmann \u00fcber einige Gesichtsph\u00e4nomene, welche mit dem Vorhandensein eines unempfindlichen Fleckes im Auge Zusammenh\u00e4ngen. Berichte der s\u00e4chs. Soc. 1853, S. 27 \u2014 50. Fechner Centralblatt 1854, S. 57 \u2014 72.\n4 854. J. Czermak \u00fcber die unempfindliche Stelle der Retina im menschlichen Auge. Wiener Ber. XII, 358 \u2014 364.\n1855.\tJ. J. Oppel \u00fcber geometrisch - optische T\u00e4uschungen. Jahresber. d. Frankfurter Vereins, 4 854 \u2014 55, S. 37 \u2014 47.\n\u2014\tH. Aubert \u00fcber den blinden Fleck. Jahresber d. schles. Ges. 1854, S. 25 \u2014 28.\n\u2014\tBudge Beobachtungen \u00fcber die blinde Stelle der Netzhaut. Verhandl. des liaturhist. Vereins der Rheinlande, 4855, S. XL1.\n1856.\tAubert und F\u00f6rster \u00fcber den Raumsinn der Netzhaut. Jahresber. d. schlesischen 'Ges. 1856, S. 33 \u2014 34.\n4 858. A. W. VoLkmann \u00fcber den Einfluss der Uebung auf das Erkennen r\u00e4umlicher Distanzen. Leipziger Ber. X. 38 \u2014 69-\n\u2014\tDerselbe, \u00fcber das Verm\u00f6gen, Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse zu sch\u00e4tzen. Leipziger Ber. X. 173 \u2014 204.\n\u2014\tG. T. Fechner \u00fcber ein psychophysisches Grundgesetz. Abhandl. d. Leipziger Ges. VI. 457 \u2014 532.\n\u2014\tJ. J. Oppel Nachlese zu den geometrisch - optischen T\u00e4uschungen. Jahresber. d. Frankf. Vereins, 1856 \u2014 57, S. 47 \u2014 55, und 4860\u201461 , S. 26 \u2014 37.\n\u2014\tUeberaveg Zur Theorie der Richtung des Sehens. Zeitsclir. f\u00fcr ration. Medicin. 3. Bd. V. S. 268 \u2014 282.\n1859. F. v. Recklinghausen Netzhautfunctionen. Archiv f\u00fcr Ophthalmologie, V, 2, S. 127\u2014179. Poggend. Ann. GX, 65 \u2014 92.\n.\u2014\tHegel.iiayer \u00fcber Sinnenged\u00e4ehtniss, Vierordt\u2019s Archiv. XI, S 844 \u2014 853.\n4 860. F. Z\u00f6llner \u00fcber eine neue Art von Psendoskopie. Poggend. Aim. CX, 500 \u2014 525.\nCosmos XV11I. 289 \u2014 290; Zeitsclir. f\u00fcr Naturw. XVI. 00\u201403.\n1864. E. Hering Beitr\u00e4ge zur Physiologie. Leipzig. Heft 1, S. 65 \u2014 80.\n\u2014\tE. Mach \u00fcber das Sehen von Lagen und Winkeln durch die Bewegung des Auges,: Wien. Ber. XLIII. 2.. S. 215 \u2014 224.\n\u2014\tF. Z\u00f6llner \u00fcber die\" Abh\u00e4ngigkeit der pseudoskopisclien Ablenkung paralleler Linien von dem Neigungswinkel der sie durchschneidenden OuerUnien, Poggend. Ann. CXIV, 587 \u2014 591.","page":597},{"file":"p0598.txt","language":"de","ocr_de":"5 98\n-1801.\n1802.\n1803.\n1861.\nI860.\nDRITTUR ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 29.\nE. Bacaloglo \u00fcber die von Herrn Z\u00f6llner beschriebene Pseudoskopie. Polend. Ann. CXI11, 333 \u2014 330; Zcitselir. f\u00fcr Naturw. XVIIi, 4i6.\nWunijt Beitr\u00e4ge zur Theorie der Sinneswahrnelnnungen. Leipzig u. Heidelberg 1802. -Abdruck aus der Zeitsehr. f\u00fcr ration. Mediein 1838 \u20141802.\nA. W. Volkhann Physiologische Untersuchungen im Gebiete der Optik. Leipzig 1803 Heft I, 139\u2014180.\nv. Wittich Studien \u00fcber den blinden Fleck. Archiv f\u00fcr Ophthalmologie IX 3 S. 9\u201446.\t\u2019\t\u2019\nO. Funke zur Lehre vom blinden Fleck. Berichte der naturf. Ges. zu Freiburg im Breisgau. Bd. III. Heft 3.\nAubert Physiologie der Netzhaut. Breslau 1803. S. 209 \u2014 271.\n\u00a7. 29. Die Richtung des Sehens.\nDie bisherigen Thatsachen bezogen sich nur auf die relative Lage der verschiedenen leuchtenden Punkte neben einander ini Gesichtsfeld. Wir m\u00fcssen nun noch \u00fcber die Beurtheilung ihrer absoluten Richtung sprechen. Dabei ist zun\u00e4chst zweierlei zu unterscheiden. Im Allgemeinen ist die Richtung einer Linie gegeben durch zwei Winkel, die sie mit den Richtungen passend gew\u00e4hlter fester Axen oder Ebenen bildet, ohne dass wir dabei festsetzen, dass die Linie durch einen bestimmten Punkt gehen solle. Wir schreiben allen mit jener ersten Linie parallelen Linien die gleiche Richtung zu. So haben zum Beispiel alle Magnetnadeln, die innerhalb einer Stadt aufgeh\u00e4ngt sind, die gleiche Richtung von S\u00fcden nach Norden. Etwas Anderes ist es, wenn wir die Richtung nicht nur im Allgemeinen gegen ein bestimmtes Coordinatsystem, wie es im Gebiete einer Stadt etwa die Lothlinie, die Niveauebene und in dieser der terrestrische Meridian darstellen, geben, sondern wenn wir die Richtungen alle auf einen bestimmten Mittelpunkt beziehen wollen. Dann sind die Richtungen darzustellen durch ganz bestimmte gerade Linien, die durch den gew\u00e4hlten Mittelpunkt hindurchgehen, und deren Richtung ausserdem durch zwei Winkel zu bestimmen ist, die sie mit passend gew\u00e4hlten festen Axen machen. In diesem Falle kann die Richtung nicht bezeichnet werden durch eine andere parallele Linie, die die gleiche Richtung hat, sondern sie muss dieselbe oder identische Richtung haben, das heisst, wenn hinreichend verl\u00e4ngert, mit der ersten Linie vollst\u00e4ndig zusammenfallen.\nSo lange man nur von Gleichheit der Richtungen spricht, sind also nur Winkel zu bestimmen, welche die Richtung deliniren; wenn man von Identit\u00e4t der Richtungen spricht, ist auch der Punkt zu bestimmen, welcher als Mittelpunkt gelten soll. Wir k\u00f6nnen sagen, dass wir im ersteren Falle nur die Richtung bestimmen, im letzteren Falle eine bestimmte Richtungs-linie.\nWenn wir nun von den Richtungen des Sehens sprechen, so beziehen wir diese allerdings auf einen Mittelpunkt, n\u00e4mlich auf uns seihst und unseren Standpunkt im Raume. Indessen giebt es eine Reihe von Erscheinungen, welche unabh\u00e4ngig sind von der Bestimmung des Mittelpunkts der Richtungslinien. Es sind dies namentlich alle diejenigen, welche beim Sehen entfernter Objecte eintreten k\u00f6nnen, der Sterne zum Beispiel oder auch weit entfernter Berge und Geb\u00e4ude. Denn solche Objecte sind nothwendig auch gross, und jede Richtungs-","page":598},{"file":"p0599.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 29.\nDAS MUSKELGEF\u00dcHL.\n599\nlinie, die durch irgend einen Punkt unseres Kopfes oder auch unseres K\u00f6rpers geht, parallel einer bestimmten Richtung, wird das Object treffen.\nDie Richtung, in der die Objecte des Sehfeldes liegen, wird im Allgemeinen, abgesehen von den schon bisher besprochenen T\u00e4uschungen, bestimmt sein, sobald erstens die Richtung der Blicklinie und zweitens die Richtung irgend eines durch den Blickpunkt gehenden Meridians gegeben ist.\nDie Richtung, in welcher der Blickpunkt liegt, wechselt mit der Stellung des Auges gegen den Kopf, beziehlich gegen den K\u00f6rper; indessen sind wir im Allgemeinen im Stande, die jedesmalige Richtung der Rlicklinie richtig zu beur-theilcn. Man hat die Empfindungen, auf denen die Wahrnehmung der durch Muskelwirkung ver\u00e4nderten Stellung der Theile unseres K\u00f6rpers beruht, das Muskel gef iihl genannt. Unter diesem Ausdruck sind aber mehrere wesentlich verschiedene Empfindungen von einander zu trennen. Wir k\u00f6nnen n\u00e4mlich wahrnehmen\n1.\tdie Intensit\u00e4t unserer Willensanstrengung, durch welche wir die Muskeln in Wirksamkeit zu setzen suchen;\n2.\tdie Spannung der Muskeln, also die Kraft, mit der diese zu wirken streben ;\n3.\tden Erfolg der Anstrengung, der, abgesehen von seiner Wahrnehmung durch\tandere\tSinnesorgane,\tnamentlich Gesicht und\tGetast, am\nMuskel sich\t\u00e4ussert\tdurch wirklich\teintretende Verk\u00fcrzung,\twobei auch\nan den Gliedern ver\u00e4nderte Spannung der sie bedeckenden Haut m\u00f6glicher Weise wahrgenommen werden kann.\nIch kann bei sehr erm\u00fcdeten Muskeln zum Reispiel im Stande sein, wahrzunehmen, dass ich den \u00e4ussersten Grad von Willensanstrengung aufbiete, um die Muskeln in Spannung zu versetzen, dass aber deren Spannung nicht mehr gen\u00fcgend ist, den Erfolg zu erreichen. Andererseits kann ich bei kr\u00e4ftigen Muskeln durch eine m\u00e4ssige Willensanstrengung eine deutlich f\u00fchlbare Spannung der Muskeln hervorbringen, ohne doch wegen irgend eines \u00e4usseren Widerstandes den Erfolg zu erreichen, den ich w\u00fcnsche. Alle diese F\u00e4lle unterscheiden sich in\tmeiner\tWahrnehmung\tvon dem Falle, wo ich\tden Erfolg\nwirklich erreiche,\tund wir m\u00fcssen diese\tverschiedenen Umst\u00e4nde\tauch in der\nTheorie des Muskelgef\u00fchls unterscheiden.\nWir beschr\u00e4nken uns in der vorliegenden Untersuchung nat\u00fcrlich auf die beim Auge vorkommenden Verh\u00e4ltnisse.\nZun\u00e4chst zeigen bekannte Erfahrungen, dass wir die Richtung unseres Blicks nicht nach der wirklich vorhandenen Stellung unseres Auges bcurtheilen, wenn dieselbe durch andere Kr\u00e4fte als die unserer Muskeln ver\u00e4ndert ist. Wenn man auf den von den Lidern bedeckten Theil des Augapfels dr\u00fcckt, oder die den Augapfel umgebende Haut zerrt, so werden dadurch kleine Aenderungen in der Stellung des Augapfels selbst hervorgebracht. Am besten gelingt dies dadurch, dass man am \u00e4usseren Augenwinkel eine Hautfalte zusammenkneift und dann das Auge nach innen wendet, so dass die den Augapfel bedeckende Bindehaut an der \u00e4usseren Seite gespannt wird. Oeffnct man beide Augen, indem man an der Hautfalte zerrt, so erh\u00e4lt man Doppelbilder, indem das Bild des","page":599},{"file":"p0600.txt","language":"de","ocr_de":"GOO\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 29.\ngezerrten Auges nach einer anderen Richtung hin verlegt wird, als das Bild des andern, und \u00f6ffnet man nur das erstere Auge, so sieht man bei jeden\u00bb Zuge an der Hautfalte eine Scheinbewegung der Gegenst\u00e4nde im Gesichtsfelde eintreten. Jeder gerade nach aussen am rechten Auge gerichtete Zug l\u00e4sst die Gegenst\u00e4nde scheinbar nach links hin weichen. Die Richtung der Gesichtslinie wird hierbei nach rechts hin verschoben; wir beurtheilen aber die Lage der Gegenst\u00e4nde so, als wenn durch die Zerrung die Richtung der Gesichtslinie unver\u00e4ndert bliebe.\nDem entsprechend zeigt sieb, dass die Lage der Nachbilder, im geschlossenen Auge oder auf einen gleichm\u00e4ssigen unbegrenzten Schirm projicirt, bei der Zerrung scheinbar unver\u00e4ndert bleibt, w\u00e4hrend diese Bilder wirklich mit dem Auge bewegt werden.\nDagegen l\u00e4sst auch w\u00e4hrend einer solchen Zerrung jede durch die Muskeln hervorgebi-achte Bewegung der Augen die scheinbare Lage der \u00e4usseren Gegenst\u00e4nde unver\u00e4ndert, w\u00e4hrend die Nachbilder sich scheinbar bewegen.\nWenn wir so durch einen \u00e4usserlichen Zug den Augapfel nach aussen rollen, wird nat\u00fcrlich der innere gerade Muskel desselben um ebenso viel gedehnt und der \u00e4ussere um ebenso viel k\u00fcrzer, als wenn eine solche Rollung durch Muskelwirkung geschieht. Denn die Muskeln sind auch im ruhenden Zustande elastische B\u00e4nder, welche sich stets so weit verk\u00fcrzen, als es die Lage ihrer Befestigungspunkte erlaubt.\nWir beurtheilen also die Richtung unserer Gesichtslinie weder nach der wirklichen Stellung des Augapfels, noch nach der von ihm abh\u00e4ngigen wirklichen Verl\u00e4ngerung oder Verk\u00fcrzung der Augenmuskeln.\nDass wir die Richtung der Gesichtslinie auch nicht nach der Spannung der Augenmuskeln beurtheilen, geht daraus hervor, dass in solchen F\u00e4llen, wo L\u00e4hmungen einzelner Augenmuskeln pl\u00f6tzlich eingetreten sind, die Patienten, wenn sie ihr Auge nach einer Richtung zu bewegen streben, nach der sie es nicht mehr bewegen k\u00f6nnen, Scheinbewegungen sehen, die bei gleichzeitig ge\u00f6ffnetem anderen Auge Doppelbilder hervorbringen. Wenn also zum Beispiel der \u00e4ussere gerade Muskel des rechten Auges oder sein Nerv gel\u00e4hmt ist, so kann das Auge nicht mehr nach der rechten Seite her\u00fcbergezogen werden. So lange der Patient es nur nach der inneren Seite wendet, macht es noch regelm\u00e4ssige Bewegungen, und er nimmt die Richtung der Objecte im Gesichtsfeld richtig wahr. Sobald er versucht es nach aussen, also nach rechts hin zu wenden, folgt es seinem Willen nicht mehr, sondern bleibt in der Mitte stehen und die Objecte bewegen sich scheinbar nach rechts, obgleich die Stellung des Auges und der Netzhautbilder im Auge unver\u00e4ndert bleibt.\nIn einem solchen Falle eines gel\u00e4hmten Muskels tritt in Folge der Willensanstrengung weder Bewegung des Auges, noch Verk\u00fcrzung der zu verk\u00fcrzenden Muskeln, noch auch erh\u00f6hte Spannung in diesen Muskeln ein. Der Willensact hat ausserhalb des Nervensystems gar keine Folgen mehr und doch urtheilen wir \u00fcber die Richtung der Gesichtslinie so, als h\u00e4tte der Wille die normalen Wirkungen ausge\u00fcbt; wir glauben, dass die Gesichtslinie sich in dem letztgenannten Falle nach rechts verschoben habe, und da die Lage der Netzhaut-","page":600},{"file":"p0601.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 92-\nDAS MUSKELGEF\u00dcHL.\n601\nbildcr auf der Netzhaut des gel\u00e4hmten Auges hierbei unver\u00e4ndert bleibt, erscheint uns das so, als machten die Objecte die irrthiimlicli vorausgesetzte Bewegung des Augapfels mit.\nIst die L\u00e4hmung nicht vollst\u00e4ndig, so dass das Auge zwar noch ein nach aussen liegendes Object fixiren kann, dazu aber einen gr\u00f6sseren Aufwand von Innervation des gel\u00e4hmten Muskels bedarf, als im normalen Zustande, so tritt doch eine falsche Vorstellung von der Richtung der Gesichtslinie und von der Lage des Objectes ein, wie man dadurch erkennen kann, dass man den Patienten schnell nach dem Objecte greifen l\u00e4sst. Er greift dann zuerst daneben *.\nDiese Erscheinungen lassen keinen Zweifel dar\u00fcber, dass wir die Richtung der Gesichtslinie nur beurtheilen nach der Willensanstrengung, mittels der wir die Stellung der Augen zu \u00e4ndern suchen. Es giebt zwar auch gewisse schwache Empfindungen in unsern Augenlidern, wenn sich die Hornhaut unter ihnen verschiebt, welche uns \u00fcber die wirkliche Stellung des Auges einiger-massen unterrichten k\u00f6nnten, und ferner f\u00fchlen wir bei angestrengten Seitenbewegungen der Augen eine erm\u00fcdende Spannung in den Muskeln, aber alle diese Empfindungen scheinen zu schwach und zu unbestimmt zu sein, als dass sie f\u00fcr die Wahrnehmung der Richtung verwerthet werden k\u00f6nnten.\nWir wissen also, welche Willensimpulse und wie stark wir sie anzuwenden haben, um das Auge in eine bestimmte beabsichtigte Steilung zu versetzen. Da unter den gew\u00f6hnlichen normalen Umst\u00e4nden sich der Bewegung des Auges keine fremden Hindernisse entgegensetzen, so kann auch meistens aus der St\u00e4rke des Willensimpulses der Effect gen\u00fcgend beurtheilt werden, viel vollst\u00e4ndiger wenigstens, als dies bei den Extremit\u00e4ten und den meisten andern beweglichen Tlieilen des K\u00f6rpers m\u00f6glich sein w\u00fcrde. Die einzige Wirkung des Willensimpulses, die wir am Auge direct und hinreichend deutlich wahrnehmen, ist die ver\u00e4nderte Lagerung der Objecte im Sehfeld bei der neuen Stellung des Auges. Es l\u00e4sst sich nun zeigen, dass wir in der That diese Ver\u00e4nderungen des Bildes fortdauernd als Controlle f\u00fcr das richtige Verh\u00e4ltniss der Willensimpulse zu ihrem Effecte benutzen.\nMan setze sich zwei Glasprismen von i 6 bis 18 Grad brechenden Winkels in ein Brillengestell zusammen, so dass die brechenden Winkel beider nach links gekehrt sind. Die Gegenst\u00e4nde des Gesichtsfeldes erscheinen durch diese Prismen alle nach links von ihrem wirklichen Orte abgelenkt. Man vermeide es zun\u00e4chst, die Hand in das Gesichtsfeld zu bringen, betrachte sich irgend ein bestimmtes erreichbares Object genau, schliesse dann die Augen und versuche mit geschlossenen Augen das Object mit dem Zeigefinger zu treffen; man wird nat\u00fcrlich links daneben vorbeifahren. Wenn man aber diese Versuche eine Weile fortgesetzt hat, oder noch schneller, wenn man die Hand in das Gesichtsfeld bringt und mit ihr kurze Zeit hindurch unter Leitung des Auges die Objecte betastet, so wird man finden, dass man bei Wiederholung des erst beschriebenen Versuchs nicht itiehr vorbeif\u00e4hrt, sondern die Objecte richtig trifft;\n1 A. v. Graefe im Archiv f\u00fcr Ophthalmologie, Bd. I. Abth. I, S. 67. Anmerkung. A. Nagel das Sehen mit zwei Augen, 1361, S. 124\u2014159. Alfred Giuefe im Archiv f\u00fcr Ophthalmologie XI. 2. S. 6\u201416.","page":601},{"file":"p0602.txt","language":"de","ocr_de":"602\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. W.\nebenso auch neue Objecte, die man an Stelle der schon bekannten bringt. Hat man dies erreicht und versucht man nun, nachdem man die Hand ans dem Gesichtsfelde entfernt, die Prismen weggenommen und irgend ein Object angeblickt hat, dies bei geschlossenen Augen zu greifen, so wird man finden, dass man jetzt mit der Hand rechts vorbeifahrt, bis durch mehrere vergebliche Versuche die Beurtheilung der Richtung, in der die Augen stehen, wieder berichtigt ist\nDass hierbei nicht etwa das Muskelgef\u00fcht der Hand und die Beurtheilung von deren Ort, sondern die Beurtheilung der Blickrichtung gef\u00e4lscht wird, er-giebt sich daraus, dass, wenn man, durch die Prismen blickend, sich gew\u00f6hnt hat, mit der rechten Hand die gesehenen Objecte zu treffen, und man die mit der rechten Hand ber\u00fchrten Objecte nun bei geschlossenen Augen mit der linken, vorher gar nicht benutzten und nicht im Gesichtsfelde gewesenen Hand zu treffen sucht, man sie ganz sicher und richtig trifft. Man bestimmt also in einem solchen Falle durch das Tastgef\u00fchl den Ort vollkommen richtig und weiss ihn nach dieser Angabe durch ein anderes tastendes Organ sicher zu finden.\nDass viertelj\u00e4hrige Kinder erst sehr langsam lernen ihre H\u00e4nde nach Gesichtsobjecten hin zu dirigiren, wenn sie schon sehr gut wissen, sie nach dem Munde oder nach einer juckenden Hautstelle, also mittels Tastempfindungen, zu lenken, lehrt die Erfahrung. Wie also hier die Uebereinstimmung zwischen Augenbewegungen und Handbewegungen erst durch Versuche gelernt wird, so muss ihre Genauigkeit auch bei Erwachsenen durch immer erneute Versuche und Beobachtungen fortw\u00e4hrend controllirt werden.\nIch habe schon fr\u00fcher angef\u00fchrt, dass die Uebereinstimmung der Bewegungen beider Augen in \u00e4hnlicher Weise gest\u00f6rt werden kann, wenn man durch ein Prisma das Bild des einen Sehfeldes allm\u00e4hlig in die H\u00f6he schiebt; dann folgt das betreffende Auge, und beide Augen fahren fort einfach zu sehen, w\u00e4hrend das eine etwas mehr nach oben gerichtet ist als das andere. Auch hier kommt es schnell zur Gew\u00f6hnung, diese Stellung als die normale Fixationsstellung zu benutzen; und wenn man die Prismen fortnimmt, f\u00e4hrt man fort in derselben Weise zu fixiren, wobei man \u00fcber einander stehende Doppelbilder der Objecte erh\u00e4lt, die sich erst bei einer Aenderung der Augenstellung schnell wieder vereinigen. Es zeigt sich hierbei, dass auch die \u00fcbereinstimmende Stellung beider Augen nach dem Erfolg geregelt wird, indem man sich gew\u00f6hnt, solche Willensimpulse zu geben, welche geeignet sind, unter den obwaltenden Umst\u00e4nden beide Fixationspunkte auf dasselbe Object zu richten.\nEs geh\u00f6rt hierher ferner die Erfahrung, dass, wenn man bewegte Objecte l\u00e4ngere Zeit zu fixiren bem\u00fcht gewesen ist, nachher ruhende Objecte in der entgegengesetzten Richtung bewegt erscheinen. Man bezeichnet das Sehen dieser Scheinbewegungen als Schwindel. Wenn man zum Beispiel in einem Eisenbahnzug reiset und eine Weile nach den draifssen dicht an der Bahn befindlichen Gegenst\u00e4nden geblickt bat, dann aber den Blick auf den Fussbodcn\n1 Der Versuch ist von Czersiak im Wesentlichen \u00e4hnlich angegeben in Wien. Berichte. XVII, 375 \u2014 577.","page":602},{"file":"p0603.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 \u201d29.\nGESICHTSSCHWINDEL.\n603\ndes Wagens wirft, so scheint dieser, der sich zum K\u00f6rper des Reisenden in relativer Ruhe befindet, in Richtung des Zuges von ihm fort zu fliehen.\nEs erkl\u00e4rt sich dies daraus, dass die Gegenst\u00e4nde an der Bahn eine scheinbare, der des Zuges entgegengesetzte Bewegung haben. So oft der Reisende einen derselben zu fixiren sucht, muss er seine Augen schnell der Richtung des Zuges entgegen bewegen. Nachdem er sich gew\u00f6hnt hat, die unter diesen Umst\u00e4nden ausge\u00fcbten Willensimpulse als die f\u00fcr die Fixation eines Objects geeigneten zu betrachten, versucht er in derselben Weise auch ruhende Objecte zu fixiren. Die genannten Willensimpulse bringen aber Bewegungen der Augen hervor, und da der Beobachter seine Augen f\u00fcr festgestellt h\u00e4lt, so scheinen sich ihm nun die Objecte und zwar der vorher angeschauten objectiven Bewegung entgegengesetzt zu bewegen.\nWenn man dagegen, w\u00e4hrend man aus dem Wagen blickt, etwa ein P\u00fcnktchen in der Fensterscheibe dauernd fixirt, so kommt der beschriebene Gesichtsschwindel nicht zu Stande, obgleich man wie vorher bewegte Objecte hat vorbeifliegen sehen, aber ohne die zu ihrer Fixation n\u00fcthigen Bewegungen zu machen. Bei ganz fester Fixation eines zum Auge relativ ruhenden Punktes verwischen sich \u00fcbrigens auch die Bilder der bewegten Objecte vollst\u00e4ndig bei der f\u00fcr diese T\u00e4uschung n\u00f6thigen Geschwindigkeit. Man kann diese nur erkennen, wenn man ihnen kurze Strecken mit den Augen folgt. Die dazu n\u00f6thigen Augenbewegungen bleiben meist unbewusst, und sie sind deshalb von Plateau 1 2 und Oppel a, welche \u00fcber diese Erscheinungen Beobachtungen angestellt haben', nicht bemerkt worden. Dass aber solche Augenbewegungen vorhanden sind, folgt aus dem Umstand, dass bei absolut fester Fixation die bewegten Bilder sich verwischen.\nDasselbe beobachtet man bei dem Drehschwindel, wenn man sich mit offenen Augen eine Weile um seine eigene L\u00e4ngsaxe gedreht hat. So wie man anh\u00e4lt, scheinen die Objecte sich noch eine Zeitlang in der Richtung fortzubewegen, in der man sich gedreht hat. Ich finde, dass nach einer Drehung mit geschlossenen Augen diese Art der Scheinbewegung nicht eintritt, so bald man die Augen erst \u00f6ffnet, wenn man wirklich bis zum festen Stehen gekommen ist. Thut man es fr\u00fcher, so tritt eine Scheinbewegung der Gegenst\u00e4nde entgegengesetzt der bisherigen Drehung des K\u00f6rpers ein; aber man \u00fcberzeugt sich auch leicht, dass der K\u00f6rper auf den F\u00fcssen noch etwa eine Viertelkreisdrehung ausf\u00fchrt, ehe er wirklich zur Ruhe kommt, zu einer Zeit, wo man ihn schon f\u00fcr ruhend h\u00e4lt. Dann ist also eine T\u00e4uschung \u00fcber die Haltung des K\u00f6rpers Ursache der Scheinbewegung der Objecte. Zuweilen kommt \u00fcbrigens auch diese der objectiven Drehung des K\u00f6rpers entgegengesetzte \u25a0Schwindelbewegung nach der Drehung mit offenen Augen zum Vorschein, wie denn \u00fcberhaupt dieser Versuch nicht so rein ist wie die andern, bei denen der K\u00f6rper des Beobachters nicht mitbewegt wird.\nEs kommen auch solche Arten von Gesichtsschwindel vor, wo verschiedene\n1\tPlateau in PoggenilorlT\u2019s Annalen, I.XXX, 281. \u2014 Bull, de Bruxelles, XM.\n2\tOppel ebenda, XCIX, 5i3.","page":603},{"file":"p0604.txt","language":"de","ocr_de":"604 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 29.\nTlieile des bewegten K\u00f6rpers verschieden gerichtete Bewegung gehabt haben. Wenn man z. B. die in Fig. 150, S. 381 dargestellte Scheibe mit der Spirale rotiren l\u00e4sst, so scheint die Spirale, je nach der Richtung ihrer Drehung, sich entweder fortdauernd auszudehnen oder zusammenzuziehen. H\u00e4lt man die Scheibe pl\u00f6tzlich an, so scheint sie nachher sich einen Augenblick zusammenzuziehen, wenn sic sich vorher ausdehnte, oder auszudehnen, wenn sie sich vorher zusammenzog. Und auch andere Objecte, z. B. ein bedrucktes Blatt Papier, was man unmittelbar nach der Spirale betrachtet, zeigen eine solche Contractions-oder Dilatationsbewegung.\nViel weniger deutlich ist eine \u00e4hnliche Schwindelbewegung, die sich nach Anblick einer rotirenden sternf\u00f6rmigen Figur einstellt, und wobei der objectiv ruhende K\u00f6rper, den man betrachtet, sich ein wenig in entgegengesetzter Richtung zu drehen scheint, als der Stern.\nAm deutlichsten werden diese letztem Scheinbewegungen, wenn man den Blick nach dem ruhenden Mittelpunkte der Axe richtet, dabei aber im indirecten Sehen auf die bewegte Figur achtet, welche nicht so schnell rotiren darf, dass man ihre einzelnen Z\u00fcge nicht mehr wahrzunehmen im Stande w\u00e4re, aber auch nicht so langsam, dass man sie ganz ohne Schwierigkeit wahrnimmt. Wenn man ganz scharf den Mittelpunkt der Axe fixirt und nur auf diesen achtet, so hat man allerdings auf den Seitentheilen der Netzhaut ebenso, wie vorher die bewegte F\u2019igur, aber die Schwindelbewegung tritt nicht ein. Es scheint mir daraus hervorzugehen, dass bei diesem Achten auf die bewegte Figur leise Augenbewegungen im Spiele sind, wahrscheinlich kreisf\u00f6rmige Bewegungen, deren Richtung immer auf denjenigen Theil des Sehfeldes hinzielt, auf den die Aufmerksamkeit des indirecten Sehens gerade gerichtet ist. In der That w\u00fcrde ohne solche Bewegungen, die der bewegten Figur nachfolgen, die letztere nicht ganz so deutlich erscheinen k\u00f6nnen, als sie es bei derjenigen Art des \u00c4nblickens thut, die den Schwindel entwickelt. Wenn dieselbe Art des Blickens nachher auf einen ruhenden Gegenstand angewendet wird, muss dieser nat\u00fcrlich eine entgegengesetzte Scheinbewegung zeigen.\nSo lange wir eine grosse Zahl ruhender Gesichtsobjecte vor uns haben, ist es leicht, an diesen fortdauernd sich \u00fcber den Grad der Innervation zu vergewissern, der noting ist, um das Auge in bestimmten Stellungen festzuhalten. Wenn man dagegen \u00fcberwiegend bewegte Massen vor sich hat, ist es schwer, das Urtheil \u00fcber Ruhe und Bewegung richtig zu erhalten. Wenn man auf einem Balken \u00fcber einen schnell fliessenden Bach gehen will, muss man vermeiden nach dem Wasser zu sehen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Wenn man auf einem der unteren Ger\u00fcste des Schlosses Laufen an den Rheinfall hcrantritt und nichts vor sich sieht als die st\u00fcrzende Wassermasse, so entsteht eine Neigung hinten\u00fcber zu fallen. Eben deshalb wird man auf Schiffen so verwirrt in der Oricntirung; man f\u00fchlt den Zug der Schwere scheinbar bald nach rechts, bald nach links, bald nach vorn oder nach hinten gehend, weil man die Richtung der Verticale nicht mehr zu finden weiss. Nach l\u00e4ngerer Gew\u00f6hnung erst lernt man, wie ich an mir selbst erfahren habe, die Schwerkraft als Orientirungsmittcl brauchen, und dann h\u00f6rt auch der Schwindel","page":604},{"file":"p0605.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 29.\nGESICHTSSCHWINDEL.\n605\nauf. Dem Neuling scheint in der Caj\u00fcte eines Schiffs das in Cardanischer Aufh\u00e4ngung befestigte Barometer hin und her zu schwanken, welches in Wirklichkeit immer senkrecht h\u00e4ngt, die Caj\u00fcte dagegen festzustehen, w\u00e4hrend ihn selbst die Schwerkraft bald hier, bald dorthin zerrt. Sobald man den Schwindel verloren hat, sieht man das Barometer feststehen und die Caj\u00fcte schwanken. Wie sehr aber hierbei die Sicherheit der Innervation der Augenmuskeln zeitweilig leidet, zeigt sich daran, dass Passagiere, die seekrank waren, sogar nachher am Lande, bei jeder schnellen Bewegung der Augen die W\u00e4nde des Zimmers, in dem sie sich befinden, scheinbar dieselben Bewegungen ausf\u00fchren sehen, welche die Caj\u00fcte des Schiffs zu machen pflegte.\nAlle diese Erscheinungen lassen deutlich erkennen, dass eine fortdauernde Controlle der f\u00fcr die Augenstellungen und Augenbewegungen nothwendigen Innervationsst\u00e4rke durch die Beobachtung ihres Erfolgs an den Gesichtsbildern stattfinden muss, wenn richtige Urtheile \u00fcber die Richtung der Gesichtslinie und der fixirten Gegenst\u00e4nde gef\u00e4llt werden sollen.\nEine andere Art von T\u00e4uschung, die hierher geh\u00f6rt, hat F. Z\u00f6llner 1 beschrieben. Man zeichne auf ein Blatt Papier einen Kreis und schneide in ein anderes dunkles und steifes Blatt einen Schlitz, der l\u00e4nger ist als der Durchmesser des Kreises und dessen Breite l/10 bis 3/10 dieses Durchmessers betr\u00e4gt. Man halte das Blatt mit dem Schlitz fest und schiebe unter ihm das Blatt mit dem Kreise hin und her, so dass der Kreis selbst hinter dem Schlitz sich vollst\u00e4ndig vorbeischiebt, bald in der einen, bald in der anderen Richtung. Unter diesen Umst\u00e4nden erscheint der Kreis wie eine Ellipse, deren gr\u00f6ssere Axe senkrecht zur Richtung der Bewegung gestellt ist. Der Grund davon ist darin zu suchen, dass der Beobachter, indem er die bewegte Figur zu sehen sich bestrebt, unwillk\u00fchrlich und ohne es deutlich zu wissen, ihr mit den Augen folgt, aber mit geringerer Geschwindigkeit. Dadurch entstehen nach einander auf den verschiedenen Streifen der Netzhaut, auf denen der Spalt w\u00e4hrend dieser Bewegung sich abbildet, Eindr\u00fccke von dem gerade vorliegenden St\u00fccke des Kreises gerade wie bei dem Anorthoskop, nur dass bei diesem der Spalt selbst bewegt, das Auge ruhig ist, w\u00e4hrend hier das Auge bewegt ist und der Spalt stillsteht. Der optische Eindruck ist hierbei derselbe, als ob der Spalt sich in entgegengesetzter Richtung wie das Auge bewegte, also auch entgegengesetzt dem bewegten Bilde, und dies giebt im Anorthoskop, wie oben S. 352 \u2014 354 auseinandergesetzt ist, eine scheinbare Verk\u00fcrzung der Figur nach der Richtung der Bewegung.\nDass Augenbewegungen der Grund dieser T\u00e4uschung sind, kann man daraus erkennen, dass man bei der Geschwindigkeit, welche die T\u00e4uschung am besten zeigt, \u00fcberhaupt nichts mehr von der Figur erkennen kann, sobald man ganz fest einen Punkt am Rande des Spalts fixirt. Um die Figur erkennen zu k\u00f6nnen, muss man ihr eben mit dem Auge folgen. Ausserdem kann ein zweiter Beobachter auch solche Augenbewegungen bemerken, wie Z\u00f6llner gefunden hat.\nUeber eine neue Art anorthoskopischcr Zerrbilder in PoggendorfPs Annalen, 1863.","page":605},{"file":"p0606.txt","language":"de","ocr_de":"606\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICIITSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 29.\nWenn man den Kreis sehr langsam hinter dem Spalte vorbeizieht, so erscheint er im Gegentheil in Richtung der Bewegung verl\u00e4ngert zu sein. Das mag davon herriihren, dass die Tlieile der Begrenzungslinie, welche im Spalte erscheinen, wegen der scheinbaren Vergr\u00f6sserung der spitzen Winkel steiler gegen die Seiten des Spaltes zu stehen scheinen, als sie wirklich sind. Dasselbe w\u00fcrde aber in Wirklichkeit der Fall sein, wenn eine quer verl\u00e4ngerte Ellipse hinter dem Spalt vorbeigezogen w\u00fcrde, daher der Beobachter denn die Figur als eine solche Ellipse deutet.\nNachdem wir uns durch die* vorher beschriebenen Thatsachen \u00fcberzeugt haben, dass die Uebereinstimmung zwischen den Wahrnehmungen durch das Gesicht und denen des Tastsinns auch beim ausgebildeten Auge eines Erwachsenen dauernd nur durch die fortlaufende Vergleichung mit der Erfahrung erhalten wird, erledigt sich die so \u00fcberm\u00e4ssig viel verhandelte Frage \u00fcber den Grund, warum wir die Gesichtsobjecte aufrecht sehen trotz des verkehrten Netzhautbildes, ganz von selbst. Der Tastsinn an und f\u00fcr sich ist f\u00e4hig, vollst\u00e4ndige Raumanschauungen auszubilden, selbst ohne alle Hilfe durch den Gesichtssinn; wir wissen dies durch die Erfahrungen an blindgeborenen Personen. Ja, die Richtung der Schwere, welche das Oben und Unten bestimmt, wird sogar ausschliesslich durch den Tastsinn und nicht durch den Gesichtssinn unmittelbar wahrgenommen. Dass die Gesichtsempfindungen an und f\u00fcr sich, ohne alle vorausg\u00e4ngige Erfahrung Vorstellungen von einer bestimmten Richtung des Gesehenen horvorrufen sollen, ist eine, wie mir scheint, vollkommen unn\u00f6thige Hypothese, und noch weniger begr\u00fcndet ist vom Standpunkte der cmpiristischen Ansicht aus die Voraussetzung, dass die Vorstellung der Richtung hierbei sogar beeinflusst sein soll durch den Ort, wo sich das Bild auf der Netzhaut befindet, dass ein unten abgebildeter Punkt auch deshalb unten erscheinen m\u00fcsste, w\u00e4hrend doch das nat\u00fcrliche Bewusstsein nicht einmal von der Existenz einer Netzhaut oder optischer Bilder auf ihr, geschweige denn von der Lage derselben etwas weiss.\nIn der nativistischen Theorie der Sinneswahrnehmungen, wo man voraussetzt, dass die Nervenreizung auch unmittelbar und unabh\u00e4ngig von aller Erfahrung die Vorstellung eines gewissen Orts des wahrgenommenen Objects hervorbringen soll, muss allerdings vorausgesetzt werden, dass die angeborenen Localisationen durch das Gesicht in einer gewissen angeborenen Uebereinstimmung mit denen durch den Tastsinn sich befinden, sei es nun, dass man sich denkt, die Sehnervenfasern, welche von den unteren Seiten der Netzh\u00e4ute kommen, wendeten sich im Gehirn nach oben, und es entst\u00e4nde dort ein richtig gestelltes Bild der Objecte, was die Seele anschaute, oder dass man das Anschauen in den Netzh\u00e4uten vor sich gehen l\u00e4sst und die Tastwahrnehmungen entsprechend den auch verkehrt gesehenen eigenen H\u00e4nden und Beinen des Beobachters ebenfalls verkehrt in dieses Anschauungsbild eintragen l\u00e4sst, wo dann also alle unsere Raumvorstellung verkehrt sein und bleiben w\u00fcrde. Es ist hier nat\u00fcrlich der weiteste Spielraum f\u00fcr die wildesten Hypothesen er\u00f6ffnet.\nIch meine, dass eine angeborene Uebereinstimmung der Localisationen durch den Gesichtssinn und Tastsinn den Erfahrungen gegen\u00fcber, welche die Wirk-","page":606},{"file":"p0607.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 29.\nCENTRUM DER SEHRICHTUNGEN.\n607\nsamkeit der fortdauernden Controlle fiir die richtigen Beziehungen beider Sinne auf einander durch die Erfahrung beweisen, nicht festgehalten werden kann, weil man sonst in die Schwierigkeit kommt, dass die angeblich angeborene und durch unmittelbare Empfindung gegebene Uebereinstimmung jeden Augenblick durch Erfahrung, also durch Urtheilsacte so ver\u00e4ndert und \u00fcberw\u00e4ltigt werden kann, dass von dieser hypothetischen Empfindung sich gar nichts mehr merklich macht.\nMeines Erachtens hat der Streit \u00fcber den Grund des Aufrechtsehens nur das psychologische Interesse zu zeigen, wie schwer selbst M\u00e4nner von bedeutender wissenschaftlicher Bef\u00e4higung sich dazu verstehen, das subjective Moment in unseren Sinucswahrnehmungen wirklich und wesentlich anzuerkennen und in ihnen Wirkungen der Objecte zu sehen, statt unver\u00e4nderter Abbilder (sit venia verbo) der Objecte, welcher letztere Begriff offenbar sich seihst widerspricht.\nWir haben bisher nur untersucht, in welchen Richtungen wir weit entfernte Objecte zu sehen glauben; es bleibt noch \u00fcbrig, das Centrum zu bestimmen, auf welches diese Richtungslinien bezogen werden, was namentlich f\u00fcr die Beurtheilung der Richtung naher Objecte nicht gleichg\u00fcltig ist. Gew\u00f6hnlich ist fr\u00fcher die Annahme gemacht worden, dass jedes Auge die gesehenen Gegenst\u00e4nde in Richtung der auf Seite 69 definirten Richtungslinien nach aussen setze, wonach dann die Richtungen, in denen nahe Gegenst\u00e4nde gesehen werden, im Allgemeinen f\u00fcr beide Augen verschieden sein w\u00fcrden. In dieser Beziehung hat aber neuerdings E. Hering auf eine merkw\u00fcrdige T\u00e4uschung aufmerksam gemacht, verm\u00f6ge deren wir die Richtung der gesehenen Gegenst\u00e4nde so wahrnehmen, als ob beide Augen in der Mittelebene des Kopfes st\u00e4nden und auf ihren gemeinsamen Fixationspunkt gerichtet w\u00e4ren.\nEs m\u00f6gen im Anfang beide Augen A. und B, Fig. 187, hinausblicken in parallelen Richtungen A a und Bb, das Auge B aber m\u00f6ge dann geschlossen werden, w\u00e4hrend A noch immer das unendlich weit entfernte Object a fixirt und die Richtungen beider Augen also unver\u00e4ndert bleiben. Man sicht a unter diesen Umst\u00e4nden in richtiger Richtung.\nJetzt accommodire man A f\u00fcr einen viel n\u00e4her gelegenen Punkt f der Linie A a, wobei also die Lage des Auges A und seiner Gesichtslinie Aa, so wie der Ort des Netzhautbildes von a auf der Netzhaut des Auges A, ganz unver\u00e4ndert bleiben und das Netzhautbildchen nur etwas weniger scharf begrenzt wird. Der Erfolg ist, dass eine Scheinbewegung des Objects a eintritt, wodurch es etwa in die Richtung A c hin\u00fcberr\u00fcckt. So wie man wieder f\u00fcr unendliche Ferne accommodirt, weicht a scheinbar an seinen ersten Platz zur\u00fcck,","page":607},{"file":"p0608.txt","language":"de","ocr_de":"608 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 20.\nNun ver\u00e4ndert sich bei diesem Versuche durchaus nicht die Richtung der Gesichtslinie A a, wenigstens nicht um eine bemerkbare und in Betracht kommende Gr\u00f6sse, sondern nur die Stellung des verschlossenen Auges B ver\u00e4ndert sich, weil bei dem Sti-eben, f\u00fcr den Punkt f zu accommodiren, sich gleichzeitig auch die andere Gesichtslinie auf f hinrichtet, Die Gesichtslinie des Auges B kommt also, w\u00e4hrend f fixirt wird, in die Richtung Bf.\nUmgekehrt ist es mir m\u00f6glich, meine Gesichtslinien etwas divergent zu machen auch bei geschlossenen Augen, so dass das Auge B in der Richtung B\u00df blickt. Diese Divergenz kann ich nur langsam erreichen und sehe deshalb keine deutliche Scheinbewegung. Dagegen tritt eine solche ein, wenn ich mit der Anstrengung f\u00fcr die Divergenz pl\u00f6tzlich nachlasse und nun die Gesichtslinien in parallele Stellung zur\u00fcckspringen. Dabei sehe ich dann das Object \u00ab etwa aus der Stellung y nach a zur\u00fcckweichen.\nEs hat also nicht nur die Stellung des sehenden Auges A, sondern auch die des geschlossenen Auges B Einfluss auf unsere Beurtheilung der Richtung, in der der fixirte Gegenstand liegt. Wenn das ge\u00f6ffnete Auge unbeweglich stehen bleibt, das geschlossene Auge sich aber nach rechts oder links bewegt, bewegt sich scheinbar auch der vom ge\u00f6ffneten Auge fixirte Gegenstand nach rechts oder links.\nF\u00fcr meine beiden Augen ist die Gr\u00f6sse dieser Scheinbewegung ziemlich verschieden; sie ist gering, wenn das rechte ge\u00f6ffnet ist und fixirt, viel gr\u00f6sser, wenn das linke ge\u00f6ffnet, das rechte geschlossen ist. Die Richtung der Gesichtslinie wird also nach den Innervationen, welche auf beide Augen gleichzeitig ausge\u00fcbt werden, bestimmt und nicht allein nach der des ge\u00f6ffneten Auges. Dabei d\u00fcrfen wir wohl vermuthen, dass die scheinbare Richtung der Gcsichts-linie im Allgemeinen der mittleren Richtung der Gesichtslinien beider Augen entspricht, wobei aber bei Leuten, die gew\u00f6hnt sind, beim Mikroskopiren und Teleskopiren ein Auge vorzugsweise zu gebrauchen, die scheinbare Richtung sich der wahren Richtung der Gesichtslinie des bevorzugten Auges mehr ann\u00e4hert, als der des andern Auges. Genauere Aufschl\u00fcsse \u00fcber die scheinbare gleichzeitige Richtung beider Gesichtslinien werden wir sp\u00e4ter durch das Ph\u00e4nomen der Doppelbilder erhalten.\nIch habe nun gefunden, dass auch f\u00fcr die scheinbare Lage des Netzhauthorizonts eine \u00e4hnliche Abh\u00e4ngigkeit von den Raddrehungen beider Augen besteht, wie f\u00fcr die scheinbare Richtung der Gesichtslinie.\nDie darauf bez\u00fcglichen Versuche gelangen mir selbst am einfachsten in folgender Weise. Ich spannte \u00fcber das eine Ende einer cylindrischcn R\u00f6hre von etwa einem Fuss L\u00e4nge einen schwarzen Faden als Durchmesser aus, nahm das andere Ende der R\u00f6hre vor ein Auge, w\u00e4hrend das zweite Auge geschlossen war, hielt vor das entferntere Ende der R\u00f6hre ein weisses Blatt Papier, so dass ich nichts von den Gegenst\u00e4nden des Zimmers sah, und suchte nun den schwarzen Faden durch Drehung der R\u00f6hre um ihre L\u00e4ngsaxe m\u00f6glichst genau horizontal oder vertical zu stellen, und zwar mit parallel gerichteten Blicklinien, eine Bedingung, die ich auch bei verschlossenem zweiten Auge zu erf\u00fcllen gelernt habe. Wenn ich dann das weisse Papier von dem vorderen Ende der","page":608},{"file":"p0609.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 29.\nCENTRUM DER SEHRICHTUNGEN.\n609\nR\u00f6hre wegzog, konnte ich die Richtung, welche ich dem Faden gegeben hatte, mit der Richtung verschiedener objectiver horizontaler und verticaler Linien vergleichen, die sich im Zimmer vorfanden. Ich setzte mich bei diesen Versuchen fest auf einen Lehnstuhl und bog den Kopf bald vorn\u00fcber, bald hinten\u00fcber, oder hielt ihn vertical, w\u00e4hrend die R\u00f6hre immer horizontal gehalten, dabei aber bald gerade aus, bald nach rechts, bald nach links gerichtet wurde, so dass sich dabei die Blicklinie nach einander in alle m\u00f6glichen Lagen gegen den Kopf einstellte.\nEs zeigte sich, dass ich in allen diesen Stellungen, soweit das Auge sich ohne f\u00fchlbaren Zwang bewegen konnte, bei parallelen Blickrichtungen die horizontal erscheinende Linie wirklich horizontal stellte und die vertical scheinende nur um einen solchen Winkel von der wirklich verticalen abweichen liess, wie der scheinbar verticale Meridian des betreffenden Auges vom wirklich verticalen abweicht.\nEs geht also namentlich aus diesen Versuchen hervor, dass keineswegs in jeder Stellung des Auges der urspr\u00fcnglich horizontale Meridian, den wir Netz-hauthorizont genannt haben, immer f\u00fcr horizontal und der darauf senkrechte f\u00fcr vertical gehalten wird L Im Gegentheil bei seitlich und stirnw\u00e4rts oder wangenw\u00e4rts gerichtetem Blick kann der Netzhauthorizont Winkel bis zu zehn Graden mit der Horizontalebene machen, und doch wird auch dann eine wirklich horizontale und in der horizontalen Visirebene liegende Linie f\u00fcr horizontal gehalten.\nAnders gestaltet sich die Sache, wenn man die Augen convergiren l\u00e4sst. Man schaue bei hinten\u00fcber gebogenem Kopfe durch das horizontal geradeaus gerichtete Rohr und richte den Faden bei parallelen Gesichtslinien horizontal. Pr\u00fcft man seine Richtung, so findet man ihn dann, wie gesagt, wirklich horizontal. Jetzt fixire man einen Punkt des Fadens selbst, oder accommodire m\u00f6glichst f\u00fcr die N\u00e4he, w\u00e4hrend die Richtung des Blicks unver\u00e4ndert bleibt. Sogleich erleidet der Faden eine sehr auffallende scheinbare Drehung, und zwar in dem Sinne, wie sich der Netzhauthorizont des anderen Auges des Beobachters dreht, indem dieses Auge aus der Parallelstellung in die Convergenzstellung \u00fcbergeht. Blickt man also zum Beispiel bei hinten \u00fcbergebogenem Kopfe mit dem rechten Auge horizontal gerade aus, so senkt sich bei eintretender Conver-genz das rechte Ende des Fadens scheinbar, w\u00e4hrend sich das linke hebt. Bei vorn\u00fcbergebogenem Kopfe ist es umgekehrt. Umgekehrt auch f\u00fcr das linke Auge. Soll der Faden bei convergenten Augen horizontal erscheinen, so muss die R\u00f6hre um einige Grade im entgegengesetzten Sinne seiner scheinbaren Ablenkung gedreht werden, worauf er hei wiederhergestellten parallelen Blickrichtungen nicht mehr horizontal erscheint. Die hierbei anzuwendenden Drehungen der R\u00f6hre sind viel bedeutender, als die ausserordentlich kleinen wirklichen Drehungen meines beobachtenden Auges bei eintretender Convergenz des andern (siehe Seite 469) und k\u00f6nnen durch diese nicht erkl\u00e4rt werden1 2.\n1\tHerr E. Hering hat die Regel in dieser Form aufgestellt (Beitr\u00e4ge zur Physiologie S.254), aber er hat nicht in parallelen Augenstellungen experimentirt und nicht in solchen Blickrichtungen, wo sich die Abweichung h\u00e4tte zeigen k\u00f6nnen, da sein Fixationspunkt immer in der Medianebene lag.\n2\tMessungsreihen \u00fcber die Gr\u00f6sse dieser Winkel konnte ich nicht machen, weil oft wiederholte starke Ac-commodationsanstrengungen mir bald heftiges Kopfweh machen.\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t39","page":609},{"file":"p0610.txt","language":"de","ocr_de":"610 DRITTER A\u00dfSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7\u2022 29.\nWir haben hier vielmehr eine Erscheinung gleicher Art, wie bei der Beurteilung der Richtung der gesehenen Gegenst\u00e4nde. Trotz der unver\u00e4nderten Haltung des sehenden Auges bringt die ver\u00e4nderte Richtung und Drehung des nicht sehenden ein ver\u00e4ndertes Urtheil \u00fcber die Richtungen der horizontalen und verticalen Linien hervor.\nDa nicht alle Beobachter die F\u00e4higkeit haben, willk\u00fchrlich ohne entsprechenden Fixationspunkt ihre Augen parallel oder convergent zu stellen, habe ich die Methode f\u00fcr parallele Gesichtslinien noch in folgender Weise abge\u00e4ndert. Vor einer breiten einf\u00f6rmig an gestrichenen grauen Wand wurde ein langer schwarzer Faden mit einem kleinen Gewichte vertical aufgeh\u00e4ngt. An dem Gewichte waren rechts und links noch horizontale F\u00e4den befestigt, die durch Ringe gingen. Einer dieser F\u00e4den wurde durch ein kleines Gewicht gespannt gehalten, der andere war zum Beobachter hingeleitet, der etwa sechs Fuss von dem verticalen Faden entfernt sass, und je nachdem der Beobachter diesen Faden anzog oder nachliess, wurde der verticale Faden etwas nach rechts oder links von der Verticallinie abgelenkt. Der Beobachter blickte durch eine cylindrische, horizontal gehaltene R\u00f6hre nach dem verticalen Faden, so dass er keine anderen verticalen oder horizontalen Linien im Gesichtsfelde hatte, und suchte jenen Faden gen\u00e0u vertical zu stellen. Das untere Ende des verticalen Fadens bewegte sich vor einer kleinen Scale, an der seine Ablenkung abgelesen werden konnte.\nNach dieser Methode hat Herr Dr. Dastich im hiesigen physiologischen Laboratorium Versuche angestellt. Sein linkes Auge, welches normalsichtig war, wurde haupts\u00e4chlich gebraucht, da das rechte kurzsichtig ist. Um den Faden vertical zu sehen, stellte er das untere Ende desselben stets etwas nach rechts, entsprechend dem Sinne der Abweichung des scheinbar verticalen vom wirklich verticalen Meridian. Die Abweichung von der Verticale betrug:\nLinkes Auge.\nKopf senkrecht, geradeaus sehend:\t1 0 32'\nnach rechts sehend: 2\u00b0 4' nach links sehend :\t1 0 49'\nKopf vorgebeugt, geradeaus sehend:\t1 0 37'\nrechts oder links sehend: 2\u00b0 22' Kopf zur\u00fcckgebeugt, geradeaus sehend: 1 0 37' rechts oder links sehend: 2\u00b0 7'\nRechtes A uge.\nKopf senkrecht, geradeaus sehend:\t\u2014 0\u00b0 42'.\nDie Schr\u00e4gstellungen waren alle so weit von der Prim\u00e4r Stellung entfernt, als es ohne f\u00fchlbare Anstrengung der Augenmuskeln anging. Zwischen den nach unten rechts und nach unten links gekehrten Blickrichtungen h\u00e4tte sich ein Unterschied von etwa 160 zeigen m\u00fcssen, wenn immer derselbe Meridian des Auges der verticalen Richtung entspr\u00e4che; statt dessen war der Unterschied unmerklich klein. Ebenso bei den nach oben rechts und oben links gekehrten Blickrichtungen. Die kleinen Unterschiede, welche sich \u00fcberhaupt zwischen den Winkeln des linken Auges hier zeigen, m\u00f6gen von kleinen Un-","page":610},{"file":"p0611.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 29.\nCENTRUM DER SEHRICHTUNGEN.\n611\nregelm\u00e4ssigkeiten der Augenbewegung herr\u00fchren, vielleicht auch von dem Umstande, dass die Blickrichtungen zwar nahehin, aber doch nicht absolut parallel waren. Nach brieflichen Mittheilungen sind die Linien, welche Herr A. Volkmann als senkrecht einstellt bei parallelen Gesichtslinien weder immer absolut senkrecht, noch mit dem verticalen Meridiane \u00fcbereinstimmend, sondern scheinen etwa mitten zwischen der Richtung einer absolut verticalen Ebene und der des verticalen Meridians des Auges zu liegen. Herr Volkmann ist kurzsichtiger als Herr Dastich und ich selbst, und es k\u00f6nnte diese Abweichung vielleicht davon herr\u00fchren, dass kurzsichtige Augen \u00fcberhaupt bei parallelen Blicklinien nicht genau genug sehen, um eine sichere Ein\u00fcbung zu gewinnen.\nDie Differenz, welche durch die Convergenzstellungen entsteht, kann man bei diesen Versuchen dadurch nachweisen, dass man erst den entfernten langen Faden senkrecht einstellt, dann bei derselben Kopfhaltung den in der R\u00f6hre ausgespannten Faden, diesen fortdauernd fixirend, und endlich die Stellung beider F\u00e4den vergleicht.\nWenn man endlich mit convergentem Blicke einen Punkt in der Medianebene des Kopfes fixirt, so werden, wie Hering 1 gefunden hat, Linien f\u00fcr horizontal gehalten, welche der Lage des Netzhauthorizonts des betreffenden Auges entsprechen. Er steckte zu dem Ende zwei Cylinder vom Durchmesser des Gesichts in einander, deren L\u00e4nge etwa 5\u20146 Zoll betrug. Ueber das vordere Ende eines dieser Cylinder war ein Faden gespannt, dessen Mitte fixirt wurde und der durch Drehung des Cylinders scheinbar horizontal gestellt werden konnte. Die Einstellung wurde 10 bis 20 mal wiederholt und dann das Mittel genommen.\nDie beschriebenen Thatsachen zeigen, dass in Bezug auf die Raddrehungen ein \u00e4hnlicher Einfluss beider Augen besteht, wie in Bezug auf die Beurtheilung der Richtungen, und es scheint, dass man die bisher vorliegenden Thatsachen (die allerdings noch genaueren Messungen unterzogen werden m\u00fcssen) unter folgende Regel anschaulich vereinigen kann, welche eine Erweiterung des von Hering f\u00fcr die Richtungen des Sehens aufgcstellten Princips sein w\u00fcrde.\nMan denke sich in der Mitte zwischen beiden Augen ein imagin\u00e4res mittleres Cyclopenauge, welches auf den gemeinsamen Fixationspunkt beider Augen gerichtet ist, und dessen Raddrehungen nach demselben Gesetze erfolgen, wie die der beiden wirklichen Augen. Man denke sich die Netzhautbilder aus einem der wirklichen Augen in dieses imagin\u00e4re Auge \u00fcbertragen, so dass Blickpunkt auf Blickpunkt und Netzhauthorizont auf Netzhauthorizont f\u00e4llt. Dann werden die Punkte des Netzhautbildes nach aussen projicirt, in der Richtungslinie des imagin\u00e4ren Cyclopenauges 2.\nStellen wir also zum Beispiel unser rechtes Auge fest, lassen aber das linke aus paralleler in convergente Stellung \u00fcbergehen, also sich nach rechts\n1 Beitr\u00e4ge zur Physiologie S. 254 \u2014 236. Die Polemik, welche Herr Hering, auf diesen Versuch gest\u00fctzt, gegen mein Princip der leichtesten Orientirung gef\u00fchrt hat, und ebenso die Begr\u00fcndung seines dagegen aufgestellten Princips der vermiedenen Scheinbewegung f\u00e4llt ober zu Boden , weil das Resultat dieses Versuchs mit seinen Angaben nur \u00fcbereinslimmt, wenn der Fixations punkt in der Medianebene liegt.\n1 Der wesentliche Unterschied gegen die Regel von Hering ist, dass ich das Cyclopenauge Raddrehungen machen lasse, w\u00e4hrend Hering dessen Netzhauthorizout immer in der Visirebene liegen l\u00e4sst.\n39 *","page":611},{"file":"p0612.txt","language":"de","ocr_de":"612\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 29.\nbewegen-, wobei es im Allgemeinen auch eine Raddrehung machen wird, so m\u00fcsste sich auch das Cyclopenauge um einen etwa halb so grossen Winkel nach rechts drehen und eine etwa halb so grosse Raddrehung machen. Die Folge davon ist, dass die Gesichtsbilder des rechten ruhenden Auges scheinbar um denselben Winkel verschoben und gedreht werden, wie das Cyclopenauge.\nSo lange der Fixationspunkt in der Medianebene liegt, erleidet das Cyclopenauge keine Raddrehung, und dem entsprechend erscheinen f\u00fcr alle diese Stellungen die Netzhauthorizonte horizontal.\nUm die Erkl\u00e4rung dieses sonderbaren Verhaltens zu geben, m\u00fcssen wir uns erinnern, dass unser nat\u00fcrliches Sehen binocular ist, und dass wir unmittelbar aus der Erfahrung nur lernen die Lagenverh\u00e4ltnisse von K\u00f6rpern, die wir fixiren, zu beurtheilen in Reziehung auf die Lage unseres eigenen K\u00f6rpers, den wir f\u00fchlen. Rechts f\u00fcr uns ist ein K\u00f6rper, der rechts von der Mittelebene unseres K\u00f6rpers liegt, der aber, wenn er dieser n\u00e4her als unser rechtes Auge ist, mit schwacher Linkswendung des rechten Auges bei starker Rechtswendung des linken gesehen werden kann. Wir gehen nicht darauf aus, die Richtung der Objecte gegen jedes einzelne unserer Augen, nicht einmal gegen unseren Kopf, sondern vielmehr gegen unseren Rumpf, als den Tr\u00e4ger unserer Bewegungsorgane zu beurtheilen. Auf die letztere Beziehung kommt es in praktischer Beziehung wesentlich an.\nDas sinnliche Zeichen f\u00fcr ein rechts gelegenes Object ist also nicht, dass eines oder beide Augen bei seiner Fixation nach rechts gewendet sind, sondern nur, dass ihre mittlere Richtung nach rechts gewendet ist. Die Eindr\u00fccke der einzelnen Augen von einander zu sondern, sind wir auch nur in wenigen F\u00e4llen ge\u00fcbt, n\u00e4mlich in denen, wo es praktische Wichtigkeit hat, wie beim zwei\u00e4ugigen Sehen von K\u00f6rpern. Daher sind wir gut ge\u00fcbt, die gemeinsame mittlere Richtung und Drehung beider Augen wahrzunehmen und nach ihr die Lage der fixirten Objecte zu beurtheilen, aber schlecht ge\u00fcbt, die Richtung jedes einzelnen Auges zu beurtheilen oder \u00fcberhaupt im Bewusstsein zu trennen, was dem einen oder anderen Auge angeh\u00f6rt.\nWenn wir also von Richtung des Sehens reden, so sind wir nicht gew\u00f6hnt und nicht ge\u00fcbt die verschiedene Richtung beider Augen von einander zu unterscheiden, und beziehen diese Richtung \u00fcberhaupt auf die Mittelebene unseres Kopfes, beziehlich unseres K\u00f6rpers. In diesem Sinne hat Hering Recht, wenn er die Projectionen beider Augen in das Gesichtsfeld auf einen gemeinsamen Mittelpunkt, der zwischen beiden in der Mittelebene des K\u00f6rpers, in der Gegend des Nasenr\u00fcckens liegt, bezieht. Es ist dies ein richtiger Ausdruck der Thatsachen, wenn ich es auch nicht, wie der genannte Beobachter, als urspr\u00fcngliches Fundament f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der Gesichtserscheinungen benutzen m\u00f6chte, schon deshalb nicht, weil auf einen Theil der hierher geh\u00f6rigen Erscheinungen die Richtung der Aufmerksamkeit einen merklichen Einfluss hat.\nMan blicke mit einem Auge nach einem entfernten Objecte und halte vor den unteren Theil des Gesichtes ein Blatt Papier so, dass man die eigenen H\u00e4nde und Arme nicht sehen kann. Man schiebe dann den Zeigefinger der rechten Hand unter dem deckenden Schirme so in die H\u00f6he, als wollte man","page":612},{"file":"p0613.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 29.\nLOCALISATION DER SUBJECTIVES ERSCHEINUNGEN.\n613\nnach dem gesehenen Gegenst\u00e4nde hinzeigen. Der Finger wird hinter dem Papier links von dem fixirten Gegenst\u00e4nde zum Vorschein kommen, wenn man mit dem rechten Auge hinblickt, rechts, wenn man mit dem linken sieht.\nUmgekehrt ist der Erfolg, wenn man nicht nach einem entfernten Objecte, sondern nach einem nahen, etwa einem P\u00fcnktchen am Rande des Papierschirmes, blickt und den Finger in gr\u00f6sserer Entfernung so hervorzuschieben sucht, dass er gerade hinter diesem P\u00fcnktchen erscheine.\nDieser Erfolg entspricht der von Heking aufgestellten Regel. Reim gew\u00f6hnlichen unbefangenen Sehen beziehen wir die Sehrichtungen auf unsere Nasenwurzel und schieben den Finger ein zwischen diese und das fixirte Object, wobei er denn in der That nicht in die wirkliche Gesichtslinie zu liegen kommt.\nDer hier beschriebene Versuch misslingt aber auch oft, Wenn ich n\u00e4mlich meine Aufmerksamkeit auf den Umstand concentrire, dass ich nur mit dem rechten Auge sehe und lebhaft an den Ort des rechten Auges im Kopfe denke und dann den Finger vorschiebe, um das fixirte Object zu verdecken, so schiebe ich ihn wirklich in der richtigen Richtung vor.\nWir kommen auf die hier besprochenen Erscheinungen noch wieder zur\u00fcck in der Lehre vom Doppelsehen.\nHierher geh\u00f6rt auch die Erfahrung, die ich oft gemacht habe, dass, wenn ich hei geschlossenen Augen einen Zeigefinger in die H\u00f6he halte und ihn mit noch geschlossenen Augen zu fixiren suche, ich im Moment des Oeffnens Doppelbilder des Fingers sehe, welche parallele oder fast parallele Richtung der Rlicklinien anzeigen, wobei diese Linien auf beiden Seiten ungef\u00e4hr gleich weit am Finger vorbeischiessen. Sonderbarer Weise erhalte ich aber eine deutlichere Vorstellung vom Orte des Fingers, wenn ich bei geschlossenen Augen seine Spitze mit dem Daumen derselben Hand ber\u00fchre und reibe. Dann bin ich in der That im Stande, schon bei geschlossenen Lidern die Augen so einzustellen, dass ich den Finger einfach sehe im Augenblick, wo ich sie aufschlage. Dasselbe geschieht auch, wenn ich mit dem Finger einen \u00e4usseren festen K\u00f6rper ber\u00fchre und betaste.\nWenn nun endlich durch die Vergleichungen der Tast- und Gesichtswahrnehmungen die Kenntniss der Richtung gewonnen ist, in der wir die gesehenen objectiven Gegenst\u00e4nde zu suchen haben, so ergiebt sich daraus auch schliesslich die Localisation der anderweitig entstandenen optischen Dilder und subjectiven Erregungen unserer Netzhaut und unseres Sehnervenapparats.\nWir verlegen n\u00e4mlich alle Erregungen der Sehnervenfasern nach dem Gesetze hinaus in den Raum, dass wir Lichterscheinungen in denjenigen Theilen des Sehfeldes oder beider Sehfelder zu haben glauben, in denen k\u00f6rperliche Objecte erscheinen w\u00fcrden, welche im Stande w\u00e4ren, durch ihr Licht die entsprechenden Stellen der Netzh\u00e4ute zu beleuchten. Die Richtigkeit dieser Re-hauptung zeigt sich einfach dann, wenn wir subjective Erscheinungen hervor-rufen, w\u00e4hrend gleichzeitig wirkliche Objecte im Gesichtsfelde gesehen werden. Wenn wir z. R. ein Nachbild von der Sonne im Auge entwickelt haben und nach der Landschaft hinsehen, so deckt sich dieses Nachbild mit gewissen","page":613},{"file":"p0614.txt","language":"de","ocr_de":"614 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 29.\n\u00e4usseren Objecten, welche wir wegen der Existenz des Nachbildes schlechter sehen, als wir sonst gethan h\u00e4tten. Gewisse Theile der Netzhaut sind erm\u00fcdet; die Bilder derjenigen \u00e4usseren Objecte, welche sich darauf abbilden, sind dunkler als sonst. Der Inbegriff dieser dunkleren Objecte im Gesichtsfelde ist das Nachbild. Es ist also selbstverst\u00e4ndlich, dass das Nachbild im Gesichtsfelde zusammenf\u00e4llt mit denjenigen Objecten, welche sich auf der erm\u00fcdeten Stelle der Netzhaut abbilden. Ebenso k\u00f6nnen Schatten entoptischer Objecte, Gei\u00e4ss-figuren, Druckbilder, elektrische Bilder im Gesichtsfelde mit \u00e4usseren Objecten zusammenfallen. Eine solche Coincidenz bewirkt allemal, dass die Empfindung des von aussen kommenden Lichts gewisser Punkte des Gesichtsfeldes entweder ausgel\u00f6scht, oder geschw\u00e4cht, oder mit anderen subjectiven Lichtempfindungen gemischt wird. Indem wir die entsprechende Ver\u00e4nderung in dem Aussehen gewisser \u00e4usserer Punkte bemerken, kann nat\u00fcrlich die Ver\u00e4nderung im Gesichtsfelde nicht anders localisirt werden, als diejenigen Punkte, welche ver\u00e4ndert erscheinen, schon localisirt sind, und die subjective Erscheinung muss nach denselben Regeln in die Aussenwelt hinausverlegt werden, welche als Ergebnis der Erfahrung f\u00fcr die durch wirkliches \u00e4usseres Licht wahrgenommenen Punkte erlernt worden sind.\nNun k\u00f6nnen freilich einzelne subjective Lichterscheinungen auch im ganz dunklen Gesichtsfelde Vorkommen, wo sie nat\u00fcrlich nach derselben Regel localisirt werden. Wenn sie hier auch nicht mit wahrnehmbaren Bildern wirklich gesehener \u00e4usserer Gegenst\u00e4nde zusammenfallen, so ist doch f\u00fcr jede Stelle der Netzhaut durch Erfahrung die Richtung schon bekannt, in welcher gesehene Objecte liegen m\u00fcssten, die sich auf ihr abbilden, mit \\Velchen alsdann das subjective Ph\u00e4nomen zusammenfallen w\u00fcrde. Dass auch im dunklen Felde die subjectiven Erscheinungen, Nachbilder zum Beispiel, nach demselben Gesetze wie die Eindr\u00fccke wirklich gesehener Objecte localisirt werden, zeigt sich empirisch dann, wenn wir das dunkle Gesichtsfeld, ohne das Auge zu bewegen, pl\u00f6tzlich hell machen; so sehen wir auch das Nachbild, und zwar ohne dass es seinen Platz ver\u00e4nderte, nunmehr mit bestimmten Objecten vor uns zusammenfallen und diese decken. Da es beim Uebergang von Dunkel zu Hell seinen Platz nicht \u00e4nderte, so war es also schon vorher so localisirt, wie die \u00e4usseren Objecte, mit denen es schliesslich zusammenfiel.\nDiese Betrachtungen lassen wohl \u00fcber die Richtigkeit unseres Gesetzes keinen Zweifel, wonach jeder Eindruck auf die Netzhaut genau in denjenigen Theil des Gesichtsfeldes verlegt wird, wo ein \u00e4usseres Object erscheinen w\u00fcrde, welches passend gelegen ist, um bei geradlinigem Einfall des Lichtes in das Auge denselben Eindruck auf die Netzhaut zu machen.\nDas Gesetz l\u00e4sst sich auch durch directere Versuche erweisen, aber freilich nicht mit sehr grosser Sch\u00e4rfe. Wir wissen, dass ein rechts gelegenes leuchtendes Object auf der linken Seite der Netzhaut abgebildet wird, ein links gelegenes auf der rechten, ein oben liegendes unten, ein unten liegendes oben. Bei Leuten mit d\u00fcnnen und .durchscheinenden Augenh\u00e4uten k\u00f6nnen wir das optische Bild eines sehr hellen Lichtes, ja sogar an den angegebenen Stellen durch die Sclerotica scheinen sehen (S. 65). Wenn wir nun die rechte Seite","page":614},{"file":"p0615.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 29-\nLOCALISATION DER SUBJECTIVEN ERSCHEINUNGEN.\n615\ndes Auges mit dem Nagel dr\u00fccken, sehen wir das Druckbild links (S. 196). Wenn wir durch eine Brennlinse starkes Licht aussen auf die rechte Seite der Sclera auffallen lassen, erscheint uns links im Gesichtsfelde eine entsprechende Lichterscheinung. Wenn wir an der genannten Stelle einen absteigenden elektrischen Strom aus dem Auge austreten lassen, erscheint uns ebenfalls links der entsprechende helle Fleck.\nWenn wir das Auge dagegen links reizen, haben wir die subjective Erscheinung rechts im Gesichtsfelde, wenn wir unten reizen, haben wir sie oben, wenn oben, unten.\nDie optischen T\u00e4uschungen, welche auf diesem Principe beruhen, sind sehr zahlreich. Wir k\u00f6nnen sie in folgende Hauptklassen eintheilen:\n1)\tDie Lichtstrahlen des Objects sind, ehe sie in das Auge treffen, von ihrem Wege abgelenkt worden durch Reflection, Refraction oder Diffraction. Wenn das Licht nach der Ver\u00e4nderung seines Weges homocentrisch bleibt, so glauben wir im Allgemeinen, mit Vorbehalt der beschriebenen Urtheilst\u00e4uschungen, das Object an derjenigen Stelle des Raumes zu sehen, wo der Durchschnittspunkt der in das Aug\u00e9 eintretenden ( n\u00f6tigenfalls r\u00fcckw\u00e4rts verl\u00e4ngerten) Strahlen liegt. Wir nennen diesen Durchschnittspunkt deshalb das optische Bild des Objectes (S. 37). Von dieser Art sind die optischen Wirkungen unserer dioptrischen und katoptrischen Fernr\u00f6hre und Mikroskope, unserer ebenen und kugelig gekr\u00fcmmten Spiegel, der Loupen und anderer Glaslinsen, so wie auch der Prismen, wenn sie so angewendet werden, dass sie merklich homocentrisches Licht geben. Ich brauche hier auf die Wirkung dieser Instrumente nicht n\u00e4her einzugehen, da die Lehre davon einen breit und sorgf\u00e4ltig ausgebildeten Zweig der physikalischen Optik bildet. Alle diese Instrumente entwerfen optische Bilder der Objecte, welche wir statt der letzteren zu sehen glauben, sie bringen also optische T\u00e4uschungen hervor, aber solche, deren Irrthum wir leicht zu vermeiden wissen, w\u00e4hrend wir im Stande sind an den vergr\u00f6sserten oder sonst ver\u00e4nderten optischen Bildern mancherlei zu c\u00eekennen, was wir bei directer Betrachtung des Objects nicht erkennen k\u00f6nnen. Ein ebener Spiegel l\u00e4sst uns die Objecte von einem Standpunkte aus sehen, den wir in Wirklichkeit oft nicht einnehmen k\u00f6nnen, n\u00e4mlich vom Standpunkte eines hinter der Spiegelebene befindlichen Beobachters, der z. B. unser eigenes Gesicht von vorn erblickt, was wir direct nicht k\u00f6nnen. Ein Prisma trennt uns die Bilder eines lichten Objects, welche den verschiedenen einfachen Farben seines Lichts entsprechen, und so fort.\nWenn bei der Ver\u00e4nderung des Weges das Licht nicht homocentrisch bleibt, erblicken wir dagegen mehr oder weniger verwaschene lichte Stellen in denjenigen Theilen des Gesichtsfeldes, welche den beleuchteten Stellen der Netzhaut entsprechen. Von dieser Art sind die Erscheinungen des Regenbogens, die Diffractionsfransen, das Glitzern bewegten Wassers und so weiter.\n2)\tDas Licht f\u00e4llt geradlinig in das Auge, letzteres ist aber nicht f\u00fcr den leuchtenden Punkt accommodirt. Ist die Pupille frei, so erscheinen in einem solchen Falle im Gesichtsfelde statt leuchtender Punkte leuchtende Fl\u00e4chen mehr oder weniger unregelm\u00e4ssig gebildet in Form der be-","page":615},{"file":"p0616.txt","language":"de","ocr_de":"616 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. -29.\nkannten strahligen Figur kleiner Zerstreuungskreise (S. 138); kleinere Objecte, wie die Mondsichel, erscheinen sehr gew\u00f6hnlich als doppelt oder mehrfach (S. 139). Es sind diese Erscheinungen bedingt dadurch, dass das Licht eines Punktes des Objects nicht mehr auf einen einzelnen Punkt der Netzhaut con-centrirt wird, sondern sich \u00fcber eine kleine Fl\u00e4che derselben zerstreut. Der beleuchteten Netzhautfl\u00e4che entsprechend wird eine fl\u00e4chenhaft ausgebreitete Lichterscheinung im Gesichtsfelde gesehen.\nWenn nicht die ganze Pupille frei ist, sondern man durch ein Kartenblatt mit einer engen Oeffnung blickt, so erscheinen die Objecte auch in falscher Richtung und Gr\u00f6sse; bewegt man das Kartenblatt, so bewegt sich auch scheinbar der Gegenstand, wie dies auf S. 95 und 96 erkl\u00e4rt ist. Hier hat allerdings jeder helle Punkt des Objects ein fast punktf\u00f6rmiges Bild auf der Netzhaut, aber dieses hat wegen der mangelhaften Accommodation des Auges nicht seine normale Lage.\nWenn man durch Kartenbl\u00e4tter mit zwei oder drei Oeffhuugen sieht, erblickt man bei mangelhafter Accommodation die Objecte verdoppelt oder verdreifacht.\nDiese Versuche sind wichtig, weil sie erkennen lassen, dass auch die genaue Accommodation des Auges mit zu den Bedingungen des normalen Sehens geh\u00f6rt, auf welches sich die Ein\u00fcbung bei der Localisation der Sinneseindr\u00fccke bezieht. Wir projiciren die Zerstreuungskreise oder die Theile der Zerstreuungskreise, welche beim Sehen durch enge Oeffnungen stehen bleiben, so in das Gesichtsfeld, als w\u00e4ren es Bilder, die bei genauer Accommodation gebildet w\u00e4ren. F\u00fcr jeden beleuchteten Punkt der Netzhaut setzen wir auch dabei wieder einen lichten Punkt in das Gesichtsfeld. Es haben auch diese Versuche bei der Entwickelung der physiologischen Optik einige Wichtigkeit gehabt, weil sie erkennen Hessen, dass nicht die Richtung, in welcher ein Lichtstrahl in das Auge gelangt, noch die Richtung, in welcher er die Netzhaut trifft, sondern nur der Ort der Netzhaut, welcher getroffen wird, die Richtung der Projection bestimmen. Betrachtet man Fig. 30 auf S. 96, so weichen hier die Projectionslinien f <f und g y wesentlich von den wirklichen Richtungen der gebrochenen und ungebrochenen Strahlen ab.\n3)\tEs erscheinen k\u00f6rperliche Objecte aus dem Auge selbst, wie die entoptischen Objecte, fliegenden M\u00fccken, Gef\u00e4ssschatten, Netzhautgrube u. s. w., wie sie im 15. und zum Theil im 25. Paragraphen beschrieben sind. Diese beschatten die hintere Schicht der Netzhaut und erscheinen deshalb im Gesichtsfelde selbst als Schatten. Die optische T\u00e4uschung versetzt hierbei also Gegenst\u00e4nde, die im Auge liegen, nach aussen und zwar meistentheils in verkehrter Lage, da gew\u00f6hnlich der Schatten des Objects auf der Netzhaut aufrecht stehend ist. Da die Lage dieser Gebilde sich nur durch ihre subjective Erscheinung bestimmen l\u00e4sst, so lehren sie f\u00fcr die Theorie nichts Neues.\n4)\tDie Nerven werden gereizt, oder ihre Erregungsst\u00e4rke wird ver\u00e4ndert. In diesen F\u00e4llen ist nicht das Licht selbst, sondern die Licht-empfmdung ver\u00e4ndert; hierher geh\u00f6ren die Druckbilder, das Acconmiodations-phosphen, die leuchtenden Garben an der Eintrittsstelle des Sehnerven bei Be-","page":616},{"file":"p0617.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 29.\nLOCALISATION DER SUBJECTIVEN ERSCHEINUNGEN.\n617\nwegung des Auges, das Eigenlicht der Netzhaut, die elektrischen Erscheinungen, wie sie im 17. Paragraphen beschrieben sind. Bei dieser letzten Klasse von Erscheinungen besteht die T\u00e4uschung nicht mehr allein in einer falschen Localisation eines leuchtenden oder dunklen Objects. Es ist vielmehr gar kein solches vorhanden, sondern nur die Empfindung, welche der Regel nach durch solche Objecte hervorgebracht zu werden pflegt.\nBei gesunden Menschen im wachen Zustande treten alle diese t\u00e4uschenden Erscheinungen, welche wir beschrieben haben, im Gesichtsfelde wohl ein, und lassen sich nicht einmal beseitigen durch die bessere Einsicht, wodurch sie als T\u00e4uschungen anerkannt werden. Indessen ist diese bessere Einsicht in der Regel vorhanden, die T\u00e4uschung ist als T\u00e4uschung anerkannt. Wenn wir durch ein optisches Instrument oder in einen Spiegel sehen, so wissen wir, dass wir unter abge\u00e4nderten Bedingungen sehen, und lernen bald die richtigen Urtheile \u00fcber die wirkliche Beschaffenheit der Gegenst\u00e4nde mittelst des falschen Bildes f\u00e4llen. Wir lernen zum Beispiel nach dem Anblick des Spiegelbildes uns rasiren, k\u00e4mmen u. s. w., trotzdem dieses Bild \u00fcberall rechts und links verkehrt zeigt. Wir lernen nach einiger Uebung mit Nadeln unter der Loupe oder selbst unter dem zusammengesetzten Mikroskope zu pr\u00e4pariren, obgleich beide Instrumente jede Bewegung unserer Hand in \u00fcbertriebener Gr\u00f6sse, das letztere auch in verkehrter Richtung zeigen, so dass wir also sogar eine neue Ein\u00fcbung unserer Bewegungen nach falschen optischen Bildern ausbilden k\u00f6nnen.\nBei den \u00fcbrigen Erscheinungen, welche in dem Auge selbst ihren Grund finden, scheint es namentlich der Umstand, dass die subjectiven Ph\u00e4nomene sich mit dem Auge bewegen, zu sein, welcher sie als subjectiv erkennen l\u00e4sst. Bei schnell aufblitzenden Erscheinungen der Art, welche ebenso schnell wieder verschwunden sind, f\u00e4llt dieses Merkmal fort, und da kann man in der That oft zweifelhaft sein, ob man etwas Wirkliches gesehen habe. Wenn man zum Beispiel im Finsteren seinen Weg sucht und im indirecten Sehen bei einer Bewegung des K\u00f6rpers und Auges seitlich ein Lichtschein aufblitzt, ist mitunter der bestunterrichtete Beobachter ausser Stande bestimmt zu sagen, ob ein solcher objectiv oder subjectiv war. Dass manche Gespenstergeschichten durch solche subjective Erscheinungen hervorgerufen sind, ist sehr wahrscheinlich. Das Eigenlicht der Netzhaut ist reich an Gestaltungen, denen von einem furchtsamen Menschen leicht allerlei wunderliche Deutungen untergeschoben werden k\u00f6nnen, namentlich wenn er das Auge starr auf die gef\u00fcrchtete Erscheinung richtet und daher nicht bemerken kann, dass sie sich mit dem Auge bewegt. In Fiebern und Gehirnkrankheiten, wo die regelrechte Verbindung der Vorstellungen gest\u00f6rt ist, die einzelnen nicht fest gehalten, verglichen und combinirt werden k\u00f6nnen, fehlt dann auch die zur Anerkennung der subjectiven Natur der genannten optischen Erscheinungen n\u00f6thige Ueberlegung, und es kn\u00fcpfen sich daran h\u00e4ufig phantastische Vorstellungen. Im S\u00e4uferwahnsinn sind schwarze Flecke im Gesichtsfelde, welche sich mit dem Auge schnell umherbewegen; diese erwecken die Vorstellung von herumlaufenden M\u00e4usen, schwarzen K\u00e4fern oder Fliegen. In Fieberphantasien erkennt man aus den Beschreibungen der Kranken dagegen oft die lichten und farbigen Punkte","page":617},{"file":"p0618.txt","language":"de","ocr_de":"618\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 29.\nund Kreise wieder, welche bei leichtem Druck auf das Auge auch bei Gesunden hervorgebracht werden k\u00f6nnen und bald f\u00fcr Feuerfunken, bald f\u00fcr feurige Augen u. s. w. gelten.\nBei den bisher beschriebenen Erscheinungen ist von uns immer angenommen worden, dass der Kopf aufrechte Haltung habe, oder wenn nicht, dass wir eine richtige Kenntniss seiner Neigung haben. Schliesslich ist noch eine T\u00e4uschung zu erw\u00e4hnen, welche von einer falschen Sch\u00e4tzung der Richtung der Kopfes herr\u00fchrt. Aubert 1 brachte in einem Fensterausschnitt eines \u00fcbrigens verdunkelten Zimmers einen Spalt von 5 Centimeter L\u00e4nge und 2 Centimeter Breite an, der den einzigen hellen und sichtbaren Gegenstand in dem umgebenden Raume bildete. War diese helle Linie vertical und neigte er den Kopf nach rechts, so dass das rechte Ohr sich nach unten richtete, so erschien die Linie geneigt von rechts unten nach links oben. Neigung des Kopfes nach links gab die entgegengesetzte Scheinverschiebung der Linie. War die Linie unter 45 Grad gegen den Horizont geneigt und verlief von links unten nach rechts oben, so\u2018erschien sie bei der Neigung des Kopfes nach rechts vertical, ja \u00fcber die Verticale hinaus nach entgegengesetzter Richtung gedreht. Bei der Neigung nach links erschien sie horizontal, ja \u00fcber die Horizontale hinausgedreht. Das Maximum der Drehung der hellen Linie trat ein, wenn der Kopf um etwa 135\u00b0 geneigt war.\nDie Drehung der hellen Linie folgt der Neigung des Kopfes, wenn diese langsam ausgef\u00fchrt wird, ziemlich unmittelbar; neigt man aber den Kopf pl\u00f6tzlich bedeutend, so vergehen einige Secunden, bevor die Linie die Drehung vollendet.\nWenn man bei unver\u00e4ndert schiefer Haltung des Kopfes das Zimmer beleuchten l\u00e4sst, so erscheint die verticale Linie wieder vertical. L\u00e4sst man das Licht ausl\u00f6schen, so geht sie in ihre fr\u00fchere Neigung zur\u00fcck.\nWir haben es hierbei nicht zu tliun mit einer wirklichen Drehung des Auges im Kopfe, wie man sich mit Hilfe von Nachbildern \u00fcberzeugen kann. Ein im verticalen Meridian des Auges entwickeltes Nachbild scheint bei einer Drehung des Kopfes um einen rechten Winkel nach rechts im dunklen Zimmer nicht horizontal zu liegen, wie es wirklich liegt, sondern schr\u00e4g von links unten nach rechts oben, und eine objective helle Linie, welche wirklich diese letztere Neigung hat, erscheint vertical.\nDie T\u00e4uschung beruht vielmehr darauf, dass wir im Dunkeln die Seitenneigung unseres Kopfes f\u00fcr kleiner halten, als sie wirklich ist.\nStatt im dunklen Zimmer zu beobachten, kann man die Linie auch an einer einf\u00f6rmig angestrichenen Wand anbringen und vor das Gesicht einen cylindrischen Schirm anbringen, der den Anblick aller seitw\u00e4rts gelegenen Gegenst\u00e4nde verhindert.\nEs geh\u00f6ren hierher ferner die bekannten Erscheinungen \u00fcber die Scheinbewegung der gesehenen Gegenst\u00e4nde, wenn unser K\u00f6rper selbst auf einem Nachen oder in einem langsam und leise vorw\u00e4rts bewegten Eisenbahnwagen in Bewegung ist, oder umgekehrt die t\u00e4uschende Erscheinung einer eigenen\n1 Virchow Archiv f\u00fcr pathologische Anatomie und Phys. Bd. XX.","page":618},{"file":"p0619.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 29.\nANTIRRHEOSKOP.\n619\nscheinbaren Bewegung, wenn wir selbst zwar ruhig sitzen, aber die vor uns befindlichen Gegenst\u00e4nde mit constanter Geschwindigkeit bewegt sind. Das gr\u00f6sste Beispiel der ersteren Art ist die scheinbare Buhe der Erde und die scheinbare Bewegung des Sternenhimmels. Zweifel entstehen oft, wenn auf einer Station zwei Eisenbahnziige neben einander halten, in deren einem sich der Beobachter befindet und den andern betrachtet. Wenn dann einer von beiden sich in Bewegung setzt, ist es oft schwer zu ermitteln, ob dies der eigene oder der andere ist, wenn es nicht gelingt feststehende Theile des Erdbodens oder der Geb\u00e4ude zu sehen. Auch in Sternwarten mit drehbarem Kuppeldach, wie solche f\u00fcr die Aufstellung des Heliometers gebraucht werden, tritt bei der Drehung des Daches wohl die T\u00e4uschung ein, dass sich der Fussboden drehe und das Dach still stehe.\nIm Allgemeinen h\u00e4lt man dabei gew\u00f6hnlich den gr\u00f6sseren Theil des gesehenen Gesichtsfeldes f\u00fcr ruhend, den kleineren f\u00fcr bewegt. Dann kommt aber hinzu, dass wir beim Anf\u00e4nge einer Bewegung St\u00f6sse oder Ersch\u00fctterungen unseres K\u00f6rpers oder wenigstens Wirkungen der Tr\u00e4gheit seiner schweren Masse zu f\u00fchlen erwarten. Wenn nun die Bewegung sehr leise beginnt, wie die eines Nachens, so glauben wir nicht uns in Bewegung zu befinden, oder wenn wir St\u00f6sse gef\u00fchlt haben, wie von einem dicht daneben fahrenden Eisenbahnzuge, die sich auf den stehenden \u00fcbertragen, so glauben wir bewegt zu sein. Wenn die eine oder andere Deutung gleich m\u00f6glich ist, kann der Beobachter auch willk\u00fchrlich die eine oder andere Anschauung in sich erzeugen.\nF\u00fcr die Beobachtung des Gesichtschwindels, der durch eine angeschaute Bewegung entsteht und den Herr J. J. Oppeo an str\u00f6mendem Wasser (dem Rhein bei Schaffhausen kurz vor dem Falle) bemerkt hatte, hat derselbe einen Apparat construirt, den er Antirrheoskop nennt und mit dem man die Erscheinung jederzeit beobachten kann. Derselbe besteht aus f\u00fcnf parallel neben einander liegenden Walzen von 2V2 Zoll Durchmesser und 2% Fuss L\u00e4nge, welche durch eine gr\u00f6ssere Rolle alle nach derselben Richtung in Umdrehung gesetzt werden k\u00f6nnen. Jede Walze ist mit weissem Papier \u00fcberzogen, auf dem je zwei schwarze Spiralen von je 2V2 Windungen gezeichnet sind. Jede Spirale besteht wiederum aus einem breiten mittleren schwarzen Streifen von 4'/2 Zoll. Breite, neben dem in einer Entfernung von je einem halben Zoll zwei schm\u00e4lere schwarze Streifen von einem halben Zoll Breite hergehen. Das weisse Band zwischen dem schwarzen Streifen der einen und der n\u00e4chstbenachbarten Spiralwindung hat dann wieder 4 */2 Zoll Breite, so dass Weiss und Schwarz symmetrisch vertheilt sind. Wird nun die gr\u00f6ssere Scheibe, deren Rand mit Reibung an den Enden der Walzen schleift, gedreht, so drehen sich alle Walzen in gleichem Sinne, die mittleren mit etwas gr\u00f6sserer Geschwindigkeit als die \u00e4usseren, um die ungleiche Bewegung des Wassers im Flusse nachzuahmen. Die Spiralb\u00e4nder scheinen dann mit gleichf\u00f6rmiger Geschwindigkeit sich der L\u00e4nge der Walzen parallel zu verschieben, und wenn der Beobachter eine Zeit lang auf die scheinbar bewegten B\u00e4nder hingeblickt hat und nun auf ruhige Objecte sieht, scheinen diese r\u00fcckw\u00e4rts zu gehen.\nHerr Oppel hat vor den Walzen auch noch ein Gesichtszeichen befestigt, um den Blick fixirt zu halten. Da aber bei fester Fixation dieses Zeichens, wie es scheint,. der Versuch ihm oft misslungen ist, und er glaubte, dass feste Fixation zur Erzeugung des Schwindels noting und dass die feste Fixation nur durch den Anblick der bewegten Masse gehindert sei, so hat er als Fixationszeichen ein rautenf\u00f6rmiges Holzt\u00e4felchen von % Zoll- Breite und % Zoll H\u00f6he angewendet, welches selbst langsam durch die Mechanik des Instruments gedreht wurde und dem Beschauer bald die eine, bald die andere Seite zukehrte. Hiermit gelangen die Versuche, weil, wie ich selbst meine, durch diese Einrichtung dauernde feste Fixation ein","page":619},{"file":"p0620.txt","language":"de","ocr_de":"620\nDRITTER ARSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 29. j\nund desselben festen Punktes unm\u00f6glich gemacht war, da jeder Punkt des Holzt\u00e4felchens, den man etwa h\u00e4tte fixiren wollen, abwechselnd schwand und wieder zum Vorschein kam. Ich selbst muss nach meinen Versuchen gerade das Entgegengesetzte von Oppel behaupten, n\u00e4mlich, dass bei ganz strenger Fixirung des Blicks der Schwindel nicht zu Stande kommt, sondern nur durch die unwillk\u00fchrlichen und meist unbewussten kleinen Bewegungen, mittels deren wir den bewegten K\u00f6rpern folgen. Darin aber hat Oppel Recht, dass gr\u00f6ssere will-k\u00fchrliche Bewegungen des Auges, mit denen wir bewusster Weise eine l\u00e4ngere Strecke hindurch dem bewegten K\u00f6rper folgen, der T\u00e4uschung hinderlich sind.\nDass man die Objecte aufrecht sieht, ohngeaclitet ihre Netzhautbilder verkehrt sind, schrieb Kepler 1 der Seele zu, welche den Eindruck auf einen untern Theil der Netzhaut sich so vorstellen soll, als wenn er von den Strahlen eines h\u00f6heren Punktes der Sache entst\u00e4nde. Ebenso Scheiner z. Priestley 3 leitet diese Eigenth\u00fcmlichkeit der Gesichtsvorstellungen aus der Vergleichung mit dem Tastsinn her. Descartes 4 erl\u00e4utert die nat\u00fcrliche Methode, die Gr\u00f6sse, Lage und Entfernung der Gegenst\u00e4nde aus der Richtung der Augenaxen zu beur-theilen, indem er sie vergleicht mit der Art, wie ein Blinder von der Gr\u00f6sse und Entfernung einer Sache vermittels zweier St\u00e4be, selbst von unbekannter L\u00e4nge, urtheilt, wenn seine H\u00e4nde, worin er die St\u00e4be h\u00e4lt, in einer bekannten Entfernung und Lage gegen einander sind. Uebrigens veranlasste die Frage wegen des Aufrechtsehens der Objecte eine grosse Menge , von Schriften 1 2 3 * 5 6 7.\nKepler 6 fand auch schon die richtige Regel f\u00fcr die scheinbare Lage der durch brechende oder spiegelnde Instrumente gesehenen Objecte, indem er sie in den Convergenzpunkt der in das Auge tretenden Strahlen verlegte. Die Schwierigkeiten, welche sp\u00e4ter zu vielfachen Discussionen \u00fcber diesen Punkt f\u00fchrten, betrafen nicht sowohl die Richtung, in der das Object gesehen wurde, als vielmehr seine Entfernung, wovon im folgenden Abschnitt zu sprechen sein wird.\nPorterfield 7 glaubte, dass wir verm\u00f6ge einer urspr\u00fcnglichen Einrichtung unserer Natur die Gegenst\u00e4nde irgendwo in der geraden Linie sehen, die senkrecht auf die Netzhaut an der Stelle, wohin das Bild f\u00e4llt, gezogen wird. Dieselbe Annahme wurde auch von d\u2019Alembert 8 * 10, Bartels \u00e4 und vjelen Anderen festgehalten. Volkmann 10 hat f\u00fcr die Normalen der Netzhaut die Richtungslinien gesetzt, welches nach der auf S. 69 gegebenen Definition die durch das Netzhautbild und den (hintern) Knotenpunkt des Auges gezogenen Linien sind. Diese Linien sind in der That die richtigen, um objectiv bei physikalischen Untersuchungen den leuchtenden Punkt zu finden, wenn der Ort des Netzhautbildes in dem gut accommo-dirten Auge und dessen Stellung vollst\u00e4ndig gegeben sind. So spielen also die Richtungslinien eine wichtige Rolle in der physiologischen Optik, namentlich, wo es sich darum handelt, zu ermitteln, mit den Bildern welcher \u00e4usseren Objecte irgend welche Erregungen der Netzhaut durch Licht oder durch innere Reize sich decken. So weit wir also den Ort der gesehenen Gegenst\u00e4nde objectiv richtig beurtheilen, so weit ist Volkmann\u2019s Darstellungsweise im Recht. Eine solche richtige Beurtheilung trifft aber fast nur zu f\u00fcr die direct mit beiden Augen gesehenen Punkte und selbst f\u00fcr diese nicht immer. Alle indirect gesehenen Punkte verlegen wir in falsche Richtungen, indem wir den Winkel zwischen ihrer Richtungslinie und der Blicklinie zu klein nehmen, wie der vorige Paragraph gelehrt hat, und so oft wir die Augen convergiren lassen und auf n\u00e4here Objecte richten, beurtheilen wir die Richtungen der gesehenen Objecte falsch, wie die oben beschriebenen Versuche lehren. Eine Hauptschwierigkeit der Theorie von Volkmann ist die Erkl\u00e4rung der binocularen Doppelbilder,\n1\tPara\u00fcpomena p. 169. - Smith Of ticks. Rem. p. 4.\n2\tOculus p. 192.\n3\tGeschichte der Optik, \u00fcbersetzt von Kl\u00fcgel, Leipzig 1776, S. 69.\n3 Dioptrice p. 68 und De homme p.66.\n5\tKaestner im Hamburger Magazin VIII, St. 4, Art. 8 \u2014IX, St. 1, Art. 4. \u2014 Lichtenberg in Erxleben\u2019s Naturlehre, 6. Aufl., S. 328. \u2014 Rudolphi Physiologie II, 227. \u2014 L. Fick in M\u00fcllers Archiv f\u00fcr Anatomie 1854, S. 220. \u2014 Noch andere unten im Literaturverzeichnis.\n6\tPara\u00fcpomena p. 285 und p. 69 \u2014 70.\n7\tOn the eye II, 285.\n8\tOpuscula mathem. I, p. 26.\n8 Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtssinnes, Berlin 1834.\n10 Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtssinnes, Leipzig 1836, und Artikel Sehen in R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch der Physiologie. \u2014 S. auch Mile \u00fcber Richtungslinien des Sehens, Poggendorlfs Annalen XLII, 245, und M\u00fcller\u2019s Archiv f\u00fcr Anatomie 1838, S. 387.'","page":620},{"file":"p0621.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 29.\nLITERATUR.\n621\nwie Hering 1 richtig bemerkt hat. Wir k\u00f6nnen also die Theorie von Volkmann nicht als ein angeborenes und elementares Gesetz auffassen, welches an und f\u00fcr sich schon die Richtung des Gesehenen bestimmte. Ein wesentliches Verdienst Hering\u2019s ist es, den Einfluss der Convergenzstellungen hierbei in das Licht gestellt zu haben.\nDen Einfluss der Schwindelbewegungen und Scheinbewegungen haben untersucht Plateau -, Oppel 3 und Zoellner 4; den Einfluss falscher Beurtheilung der Kopfstellung Aubert \u00e4' \u00fcber den Einfluss der L\u00e4hmung einzelner Muskeln A. v. Graefe 6 und Nagel 1 2 3 4 5 6 7.\n1604. Kepler ad Vitellionem Paralipomena p. 169; 285; 69 \u2014 70.\n1619. Scheiner Oculus, Oenipontii 1619, p. 192.\n1637. Descartes Dioptrice. Leyden, p. 68.\n1667. Honoratus Fabri Synopsis optica. Lugd.\n1709. Berkeley Essay towards a new theory of vision.\n1740. Le Cat Trait\u00e9 des sens. Rouen.\n\u2014\tWedel \u00fcber den Radius visorius des Honoratus Faber in Halleri Disput\u00e2t, anat\nIV, 216.\t.\n1754. Condillac Trait\u00e9 des sensations.\n1759. Porterfield a treatise on the eye. Edinb. Vol. II, p. 285.\n1761. d\u2019Alembert Opuscula mathem. I, p. 26; 265.\n1771.\tBoehm de Visione erecta. Acta Hassiaca. 64.\n1772.\tPriestley History and present slate of discoveries relating to vision, light and colours Uebers. y. Kl\u00fcgel. Leipzig 1775, p. 69.\n1783.\tRochon im Recueil de M\u00e9moires sur la M\u00e9canique et Physique. VI, p. 241.\n1784.\tDu Tour M\u00e9moire pour \u00e9tablir que le point visible est vu dans le rayon qui va de ce point \u00e0 l\u2019oeil. M\u00e9moires de savans \u00e9trang. Paris. VI, p. 241.\n\u2014\tFearn a rationale of the laws of cerebral vision, composing the laws of single and erect vision, deduced upon the Principle of Dioptrics. London.\n1788. Walter Berliner deutsche Abhdl. 3.\n1793.\tAraldi Esame di uno fra i diversi dubbi messi dal celebre d\u2019Alembert ai principi dell\u2019 Ottica; con alcune considerazioni sopra la teorica psicologica della visione. Memor. dell\u2019 Istit. nazion. Ital. I, p. 451.\n1794.\tLichtenberg in Erxleben\u2019s Naturlehre. 6. Aufl. S. 328.\n\u2014\tKaestner im Hamburger Magazin VIII, St. 4, Art. 8; IX, St. 1, Art. 4.\n1820. Rudolphi Physiologie II, 227.\n1826. J. M\u00fcller zur vergleichenden Physiologie des Gesichtsinns. Leipzig.\n1834. Bartels Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtsinns. Berlin.\n1836.\tVolkmann Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtsinns. Leipzig. Auch in R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch der Physiologie. Artikel: Sehen.\n1837.\tMile \u00fcber Richtungslinien des Sehens. Poggend. Ann. XLII, 245; und in .1. Muller\u2019s Anat. u. Physiol. 1838, S. 387.\n1844.\tI). Brewster Law of visible position in single and binocular vision. Edinb. Trans.\nXV, 1844.\n1849. Plateau sur de nouvelles applications curieuses de la persistance des impressions de la r\u00e9tine. Bull, de Bruxelles XVI, II, 30, 254. Institut XVIII, No. 835 p. 5. Phil. Magaz. XXXVI, 434, 436. Poggend. Ann. LXXX, 150, 287.\n1852. H. Boens \u00c9tude sur la vision de l\u2019homme et des animaux. Bull, de Bruxelles XIX, 2, p. 155 \u2014161. (Cl. des sciences, 1852, p. 443 \u2014 449.)\n\u2014\tLotze Medizinische Psychologie, S. 362\u2014369.\n1854.\tL. Fick Bemerkungen zur Physiologie des Sehens. M\u00fcller Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. 1854, S. 220 \u2014 225.\nA. v. Graefe Beitr\u00e4ge zur Physiologie und Pathologie der schiefen Augenmuskeln. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. I, 1, S. 67.\n1855.\tH. Helmholtz \u00fcber das Sehen des Menschen, ein popul\u00e4r wissenschaftlicher Vortrag. Leipzig. S. 20\u201442.\n\u2014\tE. B. Hunt On our sense of the vertical and horizontal. Silliman J. (2) XX, 308\u2014375.\n1\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie. Leipzig 1861. S. 35\u201464.\n2\tBulletin de Bruxelles T. XVI. \u2014 PoggendorfPs Annalen LXXX, S. 287.\n3\tPoggendorfTs Annalen XCIX, 543.\n4\tEbenda CX, 500.\n5\tVirchow\u2019s Archiv f\u00fcr pathologische Anatomie XX, 381\u2014393.\n6\tArchiv f\u00fcr. Ophthalmologie I, 1, S. 67.\n7\tDas Sehen mit zwei Augen. Breslau 1861. S. 124\u2014129.","page":621},{"file":"p0622.txt","language":"de","ocr_de":"622\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 30.\n4 856. J. J. Oppel Neue Beobachtungen und Versuche \u00fcber eine eigenth\u00fcmliclie, noch wenig bekannte Reactionsth\u00e4tigkeit des menschlichen Auges. Poggend. Ann. XC1X, 540\u2014564.\n4858. Ueberweg zur Theorie der Richtung des Sehens. Zeitschr. f\u00fcr ration. Medicin. (3) Bd. V, 268\u2014282.\n4 860. J. J. Oppel zur Theorie einer eigenthiimlichen Reactionsth\u00e4tigkeit des menschlichen Aimes in Bezug auf bewegte Netzhautbilder. Jahresber. d. Frankfurter Vereins, 4859 \u20141860, 64\u201464; Zeitschr. f\u00fcr Naturw. XVII, 258 \u2014 260.\n__ H. Aubert eine scheinbare bedeutende Drehung von Objecten bei Neigung des\n-Kopfes nach rechts und links. Virchow Archiv XX, 381 \u2014393.\n1861. Nagel das Sehen mit zwei Augen. Breslau. S. 424 \u2014129.\n\u2014 E. Hering Beitr\u00e4ge zur Physiologie. Leipzig. Heft 4, S. 35 \u2014 64.\n4862.\tF. Z\u00f6llner \u00fcber eine neue Art anorthoskopischer Zerrbilder. Poggend. Ann. CXV1I, 477 \u2014 484; Zeitschr. f\u00fcr Naturw. XXI, 163.\n4863.\tJ. Czermak \u00fcber das sogenannte Problem des Aufrechtsehens. Wiener Ber. XVII, 566 \u2014 574.\n1865. Alfred Graefe \u00fcber einige ' Verh\u00e4ltnisse des Binocularsehens bei Schielenden. Archiv f\u00fcr Ophthalmologie XI, 2, S. 6\u20144 6.\n\u00a7. 30. Wahrnehmung der Tiefendimension.\nWir haben in den beiden vorangehenden Paragraphen beschrieben, wie sich die gesehenen Objecte in der Fl\u00e4che des Sehfeldes scheinbar neben einander ordnen, und welche Momente auf die Art dieser Anordnung, die scheinbaren Abst\u00e4nde der einzelnen Objecte im Sehfelde Einfluss haben. Wir haben dabei allerdings zur Erleichterung der geometrischen Auffassung uns erlaubt f\u00fcr das Sehfeld die Gestalt einer Kugel anzunehmen, aber dabei ausdr\u00fccklich hervorgehoben, dass die scheinbare Anordnung im Sehfelde \u00fcberhaupt eben nur eine fl\u00e4chenhafte Anordnung, nach zwei Dimensionen ausgedehnt, sei, aber keineswegs eine Anordnung auf irgend einer bestimmten Fl\u00e4che, die ihre feste Lage und Gr\u00f6sse h\u00e4tte. Die Form dieser Fl\u00e4che des Sehfeldes blieb vielmehr vollst\u00e4ndig unbestimmt. Eben deshalb kann sie aber nun noch jede beliebige Form annehmen, so bald irgend welche neue Momente der Wahrnehmung hinzutreten, die \u00fcber eine solche Aufschluss geben.\nDas ein\u00e4ugige Sehen giebt zun\u00e4chst nur die Wahrnehmung der Richtung, in der der gesehene Punkt liegt. Dieser kann sich in der Visirlinie, in der er liegt, hin und her bewegen, ohne dass in dem Eindruck auf das Auge sich etwas \u00e4ndert mit Ausnahme der Gr\u00f6sse des Zerstreuungskreises, den er auf der Netzhaut erzeugt; und so lange die Verschiebung die L\u00e4nge von Czermak\u2019s Accommodationslinie (s. S. 92) nicht \u00fcberschreitet., wird diese Ver\u00e4nderung des Zerstreuungskreises gar keine wahrnehmbare Gr\u00f6sse haben. Welche Fehler wir in der Wahrnehmung der Richtung einer solchen Visirlinie begehen, ist im vorigen Paragraphen auseinandergesetzt worden. Das ein\u00e4ugige Sehen giebt uns also zun\u00e4chst weiter nichts als die scheinbare Richtung der Visirlinie, in der der gesehene Punkt zu suchen ist.\nUm nun eine vollst\u00e4ndige Kenntniss der wirklichen Vertheilung der gesehenen Objecte im Raume zu erhalten, ist es weiter noch n\u00f6tliig, in der genannten Visirlinie auch den Abstand jedes gesehenen Punktes vom Auge zu kennen. Zur Kenntniss der Fl\u00e4chendimensionen des Feldes muss auch noch die Kenntniss seiner Tiefendimension kommen. Die t\u00e4gliche Erfahrung lehrt uns, dass wir auch diese Tiefendimensionen beurtheilen, bald mehr, bald","page":622},{"file":"p0623.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nWAHRNEHMUNG DER TIEFENDIMENSION.\n623\nweniger genau. Wir haben also zu untersuchen, auf welche Weise wir zur Kenntniss der Abst\u00e4nde der gesehenen Objecte von unserem Auge kommen.\nHierbei sind zweierlei Hilfsmittel zu trennen, die einen geh\u00f6ren der Erfahrung \u00fcber die besondere Natur der gesehenen Objecte an und geben also nur Vorstellungen des Abstandes, die andern geh\u00f6ren der Empfindung an und geben eine wirkliche Wahrnehmung des Abstandes. Zu diesen letzteren geh\u00f6ren: 1) das Gef\u00fchl der nothwendigen Accommodations-anstrengung, 2) die Beobachtung bei bewegtem Kopf und K\u00f6rper, 3) der gleichzeitige Gebrauch beider Augen.\nEhe wir untersuchen, wann und wieviel diese letztgenannten Hilfsmittel der Wahrnehmung leisten, wird es noting sein die aus der Erfahrung genommenen Momente zu untersuchen, um abscheiden zu k\u00f6nnen, was diesen angeh\u00f6rt. Diesen geh\u00f6rt alles an, was wir zu unterscheiden wissen in Bezug auf die Tiefendimensionen des Gesichtsfeldes mit einem Auge, bei unbewegtem Kopfe, an Gegenst\u00e4nden, die weit genug entfernt oder so verwaschen gezeichnet sind, dass keine deutlich f\u00fchlbare Accommodationsanstrengung f\u00fcr ihre Betrachtung stattfindet. Es kommt hierbei in Betracht erstens die mitgebrachte Kenntniss der Gr\u00f6sse der gesehenen Objecte, dann die ihrer Form, ferner die Vertheilung des Schattens, endlich die Tr\u00fcbung der vor ihnen liegenden Luft.\nDerselbe Gegenstand aus verschiedener Entfernung gesehen giebt verschieden grosse Netzhautbilder und erscheint unter verschiedenen Gesichtswinkeln. Je entfernter er ist, desto kleiner der Gesichtswinkel, unter dem er erscheint. Wie also die Astronomen aus der Messung der wechselnden Gesichtswinkel, unter denen uns Sonne und Mond erscheinen, die Aenderungen in der Entfernung dieser Gestirne berechnen k\u00f6nnen, so k\u00f6nnen wir aus dem Gesichtswinkel, oder was dem entspricht, aus der Gr\u00f6sse des Netzhautbildchens eines gesehenen Gegenstandes von bekannter Gr\u00f6sse, eines Menschen zum Beispiel, die Entfernung sch\u00e4tzen, in der er sich von uns befindet. Es sind namentlich Menschen und Hausthiere, welche in dieser Beziehung werthvolle Merkzeichen in der Landschaft bilden, weil sie durch ihre Bewegung leicht erkennbar sind, nur wenig in der Gr\u00f6sse wechseln und ihre Gr\u00f6sse uns sehr gut bekannt ist. Namentlich Milit\u00e4rs pflegen gut ge\u00fcbt zu sein, auf den Abstand entfernter Truppenmassen auf unbekanntem Terrain in dieser Weise richtig zu schliessen, so wie man denn auch zu milit\u00e4rischen Zwecken verschiedene kleine optische Apparate eingerichtet hat, mit denen man den Gesichtswinkel f\u00fcr die H\u00f6he eines entfernten Mannes messeu und danach seine Entfernung ablesen kann. H\u00e4user, B\u00e4ume und Culturpflanzen dienen demselben Zwecke weniger sicher, wegen ihrer weniger constanten Gr\u00f6sse, wobei denn auch gelegentlich starke Irrth\u00fcmer unterlaufen. Ein Bewohner der Ebene h\u00e4lt Weinberge leicht f\u00fcr Kartoffelfelder, oder Tannen auf fernen hohen Bergen f\u00fcr Heidekraut, und sch\u00e4tzt danach die Entfernungen und Gr\u00f6ssen der Berge zu klein. Aus derselben R\u00fccksicht brauchen die Maler Staffage von Menschen und Vieh in Landschaften, um die Gr\u00f6sse der dargestellten Dinge einigermassen kenntlich zu machen.\nDamit h\u00e4ngt nun auch noch zusammen, dass dieselben Objecte, wie der Mond oder ferne Berge, wenn wir sie wegen tr\u00fcberer Luft oder aus anderen","page":623},{"file":"p0624.txt","language":"de","ocr_de":"624\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 30.\n.Gr\u00fcnden f\u00fcr ferner halten, uns gleichzeitig auch immer in demselben Maasse an Gr\u00f6sse zu wachsen scheinen. Ferner die Erfahrung, dass ferne Tlieile der Landschaft, durch ein vergr\u00f6sserndes Fernrohr gesehen, dem Beschauer in der Regel nicht vergr\u00f6ssert sondern nur gen\u00e4hert erscheinen, und er sich erst durch Oeffnung des andern Auges davon \u00fcberzeugen muss, dass die Bilder auch vergr\u00f6ssert sind.\nDa \u00fcbrigens diese Beziehung zwischen Entfernung und Gr\u00f6sse erst durch lange Erfahrung erlernt werden muss, wird es nicht auffallen k\u00f6nnen, dass Kinder hierin ziemlich unge\u00fcbt sind und leicht grobe Irrth\u00fcmer machen. Ich selbst entsinne mich noch, dass ich als Kind an einem Kirchthurm (der Garnisonskirche zu Potsdam) vor\u00fcbergegangen bin und auf dessen Gallerie Menschen sah, die ich f\u00fcr P\u00fcppchen hielt, und dass ich meine Mutter bat sie mir herunterzulangen, was, wie ich damals glaubte, sie k\u00f6nnen w\u00fcrde, wenn sie den Arm ausstreckte. Der Zug hat sich meinem Ged\u00e4chtnisse eingepr\u00e4gt, weil mir an meinem Irrthum das Gesetz der perspectivischen Verkleinerung deutlich wurde.\nZur Kcnntniss der Gr\u00f6sse kommt ferner in sehr vielen F\u00e4llen die Kenntniss der Form der gesehenen Objecte, namentlich in solchen F\u00e4llen, wo das eine zum Theil vom andern gedeckt wird. Wenn wir zum Beispiel in der Entfernung zwei H\u00fcgel sehen, von denen der eine mit seiner Basis sich vor den andern vorschiebt und den letzteren zum Theil verdeckt, so schliessen wir daraus unmittelbar, dass der deckende vor dem gedeckten liegt; denn wenn dies nicht der Fall w\u00e4re, so m\u00fcsste der andere einen \u00fcberstehenden Theil und eine nach unten sehende Begrenzungsfl\u00e4che haben, wie sie an H\u00fcgeln nie vorkommt, und ausserdem m\u00fcsste der Zufall cs mit sich bringen, dass diese \u00fcberh\u00e4ngende Grenzlinie desselben gerade in der Contourlinie des andern H\u00fcgels, wo dieser nicht deckt, ihre Fortsetzung f\u00e4nde. Es w\u00e4re dies eine an sich m\u00f6gliche Auslegung des gesehenen Bildes, die aber aller Erfahrung widerspr\u00e4che. Dasselbe kann nat\u00fcrlich bei allen m\u00f6glichen Arten von Gegenst\u00e4nden Vorkommen, die sich theilweis decken. Selbst wenn uns ihre Gestalt noch durchaus unbekannt ist, wird in den meisten F\u00e4llen der Umstand, dass die Contourlinie des deckenden Objects, wo sie \u00fcber die Contourlinie des bedeckten hingeht, ihre Richtung nicht \u00e4ndert, entscheidend sein, um den deckenden von dem gedeckten Gegenst\u00e4nde zu unterscheiden. Man kann auch leicht T\u00e4uschungen hervor\u00dfringen, wenn man absichtlich ein deckendes Papierblatt so h\u00e4lt, dass es eine Ecke darbietet, wo es mit dem theilweis gedeckten zusammenst\u00f6sst, an letzterem aber die Contour in derselben Richtung fortl\u00e4uft.\nAm auffallendsten sind die T\u00e4uschungen, die auf diesem Principe beruhen, an spiegelnden und brechenden Fl\u00e4chen, die vor ihrer dem Beobachter zugekehrten Seite ein optisches Bild entwerfen. Die meisten Personen \u00fcberzeugen sich nur schwer davon, dass dieses Bild vor dem Spiegel in der Luft liegt; denn sie sehen L\u00fccken im Bilde, wo der Spiegel ein Fleckchen hat, sie sehen das Bild begrenzt durch den Rand des Spiegels, sie sehen \u00fcberhaupt alle kleinen Unregelm\u00e4ssigkeiten des Spiegelbelegs ungetr\u00fcbt durch das Bild hindurch. Das Bild erscheint durchaus als der bedeckte, also hintere Gegenstand, w\u00e4hrend es in der That der vordere ist. Ja selbst, wenn man mit Hilfe des zwei\u00e4ugigen","page":624},{"file":"p0625.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7.30.\nPERSPECTIVE REGELM\u00c4SSIGER K\u00d6RPER.\n625\nSehens, der Kopfbewegungen und der Accommodation sinnliche Momente in das Spiel bringt, welche die Wahrnehmung des Bildes an seinem richtigen Orte unzweideutig feststellen k\u00f6nnten, ist es nicht immer ganz leicht, sich von der T\u00e4uschung frei zu machen. Das beste Mittel ist noch, dass man in der Ebene des Bildes einen Schirm anbringt mit einem Ausschnitt, in dem das Bild erscheint, w\u00e4hrend der Rand der spiegelnden oder brechenden Fl\u00e4che, die es entwirft, dadurch verdeckt wird. Dann sieht der Beobachter leicht, dass das Bild in der Ebene des Schirmes liegt1.\nEs geh\u00f6rt hierher ferner auch die Erfahrung, dass subjective Gesichtserscheinungen bei ge\u00f6ffneten Augen immer auf die Fl\u00e4che der im Gesichtsfelde sichtbaren k\u00f6rperlichen Objecte projicirt erscheinen. Da sie bei Bewegungen des Auges sich mitbewegen, werden sie gleich als subjective Erscheinungen von den objectiven getrennt, und es wird ihnen keine Realit\u00e4t zugeschrieben, sondern sie erscheinen nur als Flecken auf den reellen Objecten, wenn die Aufmerksamkeit ihnen \u00fcberhaupt zugewendet wird. Dies geschieht in der Regel sogar dann, wenn binoculare Nachbilder in beiden Augen entwickelt sind, welche die Wahrnehmung einer bestimmten Localisation im Raume m\u00f6glich machen w\u00fcrden. Auch solche ist man meist geneigt auf die gesehenen reellen Objecte zu projiciren, statt eine stereoskopische Raumanschauung von ihnen auszubilden, und nur bei besonders darauf gerichteter Aufmerksamkeit gelingt das letztere.\nIn vielen F\u00e4llen gen\u00fcgt es zu wissen oder zu vermuthen, dass der gesehene Gegenstand eine Form von gewisser Regelm\u00e4ssigkeit hat, um sein perspectivisclies Bild, wie es uns entweder das Auge oder eine k\u00fcnstlich gefertigte Zeichnung zeigt, richtig als K\u00f6rperform zu deuten2. Wenn ein Haus, ein Tisch oder andere von Menschen gefertigte Gegenst\u00e4nde dargestellt sind, d\u00fcrfen wir voraussetzen, dass deren Winkel rechte sind und deren Fl\u00e4chen Ebenen oder cylindrische und kugelige Fl\u00e4chen. Das gen\u00fcgt, um nach einer richtigen perspectivischen Zeichnung sich richtige Anschauungen des Objects zu bilden. Eine perspectivische Zeichnung eines Hauses oder eines physikalischen Apparates verstehen wir ohne Schwierigkeit, selbst wenn sie recht verwickelte Verh\u00e4ltnisse darstellt, Ist sie gut schattirt, so wird der Ueberblick noch leichter. Aber die vollkommenste Zeichnung oder selbst Photographie eines Meteorsteines, eines Eisklumpens, mancher anatomischen Pr\u00e4parate und \u00e4hnlicher unregelm\u00e4ssiger Gegenst\u00e4nde giebt kaum ein Bild ihrer k\u00f6rperlichen Form. Namentlich Photographien von Landschaften, Felsen, Gletschern bieten dem Auge oft nichts als ein halbverst\u00e4ndliches Gewirr grauer Flecken, w\u00e4hrend dieselben Photographien bei passender stereoskopischer Combination die aller-schlagendste Naturwahrheit wiedergeben.\nWenn dergleichen regelm\u00e4ssig gebildete Producte menschlichen Kunstfleisses, deren Grundformen rechtwinkelige Parallelepipede, Cylinder und Kugelfl\u00e4cheu sind, aus der N\u00e4he betrachtet werden, so dass die vorderen Theile in einem deutlich gr\u00f6sseren Maasstabe auf der Netzhaut sich abbilden als die hinteren, so\n1\tDar\u00fcber siehe Dove in Poggentlorff\u2019s Annalen LXXXV.\n2\tRecklinghausen im Archiv f\u00fcr Ophthalmologie V, 2, S. 1G3. Encvklop. d. Physik. IX. Helmholtz. Physiolog. Optik.\n40","page":625},{"file":"p0626.txt","language":"de","ocr_de":"626\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 30.\nl\u00e4sst eine richtige perspectivische Abbildung derselben meist nur eine Deutung zu, und wir kommen nicht in Verlegenheit zu erkennen, welches die vorderen, welches die hinteren Theile sind. Werden sie aus grosser Ferne gesehen, oder sind sie sehr flach im Relief, so kann es aber zweifelhaft werden, wie sie zu deuten sind. Dahin geh\u00f6rt die von Sinsteden 1 an einer Windm\u00fchle gemachte Beobachtung , die sich des Abends gegen den hellen Himmel projicirte, so dass sie nur wie in einer Silhouette halb von der Seite erschien, als gleichm\u00e4ssig dunkles Object auf hellem Grunde, und nur ihre Umrisslinie sichtbar war. Er beobachtete n\u00e4mlich, dass die Fl\u00fcgel der M\u00fchle bald in der einen, bald in der andern Richtung herumzugehen schienen. Bei einem solchen Anblicke bleibt es n\u00e4mlich unentschieden, ob die Frontseite der M\u00fchle, welche die Fl\u00fcgel tr\u00e4gt, oder die R\u00fcckseite dem Beobachter zugekehrt ist, und ob er also die Fl\u00fcgel selbst schr\u00e4g von vorn oder von hinten sieht. S\u00e4he er sie von vorn, so w\u00fcrde die perspectivisch der M\u00fchle zugekehrte Seite der Fl\u00fcgel ihm die n\u00e4here sein; s\u00e4he er sie von hinten, so w\u00fcrde diese ihm die fernere sein. Je nachdem er die eine oder andere Auslegung w\u00e4hlt, scheint die ihm zugekehrte Seite der Fl\u00fcgel bei der Drehung aufzusteigen oder abzusteigen, und er erh\u00e4lt also beim Wechsel der Deutung des Bildes auch eine scheinbar umgekehrte Bewegung der Fl\u00fcgel. Ob man nun in die eine oder andere Deutung der Erscheinung verf\u00e4llt, h\u00e4ngt zun\u00e4chst scheinbar vom Zufall ab. Auch lassen sich die Gr\u00fcnde, warum die Erscheinung oft pl\u00f6tzlich wechselt, nicht immer ermitteln; dagegen kann man auch willk\u00fchrlich den Wechsel herbeif\u00fchren, n\u00e4mlich dadurch, dass man sich das entgegengesetzte Verhalten der M\u00fchle lebhaft vorstellt. So wie man dann den sinnlichen Eindruck als vollkommen \u00fcbereinstimmend mit dieser Vorstellung wahrnimmt, tritt die Vorstellung als sinnliches Anschauungsbild ein.\nEs geh\u00f6rt hierher auch folgende von Sohroeder 2 angegebene Figur, welche ohne Schattirung in Fig. 188 wiedergegeben ist. Dieselbe wird zuerst und am\nleichtesten als die geometrische Projection einer Treppe aufgefasst werden, so dass die mit a bezeichnete Fl\u00e4che dem Beschauer n\u00e4her ist, als die mit b be-zeichnetc, welche letztere die Wand darstellt, an die die Treppe sich anlehnt. Sie kann aber auch so aufgefasst werden, als s\u00e4he man ein \u00fcberh\u00e4ngendes Mauerst\u00fcck b, welches nach unten und links treppenf\u00f6rmig endet, so dass die Fl\u00e4che b n\u00e4her, a ferner w\u00e4re und der Beobachter von unten und links her nach der treppenformigen Fl\u00e4che schaut. Die erstere Deutung ist uns die gel\u00e4ufigere, und sie tritt deshalb meist zuerst ein, doch schl\u00e4gt sie auch leicht und ohne bestimmt zu bezeichnenden Grund in\nFig. 188.\n1\tPoggendorff\u2019s Annalen CXI, 336 \u2014 339. Mohr ebenda 638\u2014642.\n2\tPoggendorfTs Annalen CV, 298.","page":626},{"file":"p0627.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 30.\nUMKEHRUNG DES RELIEFS.\n627\ndie zweite um. So wie ich mir aber lebhaft die eine oder andere K\u00f6rperform vorstelle, so tritt auch sogleich die Anschauung derselben an der Figur hervor. Gelingt es nicht von selbst aus der ersten Anschauung in die zweite \u00fcberzugehen, so kann man das, wie Schroeder bemerkt, dadurch bewirken, dass man das Buch langsam umdreht, bis das untere Ende desselben nach oben gekehrt ist, und w\u00e4hrend der ganzen Zeit die Figur betrachtet. Dann bleibt die Fl\u00e4che a, die einmal dem Beschauer n\u00e4her vorgestellt wird, ihm fortdauernd die n\u00e4here, und nach einer Drehung um 180\u00b0 hat man genau dieselbe Figur wieder, wie im Anfang, nur dass die Buchstaben a und b ihre Lage vertauscht haben, und dass nur scheinbar die rechts oben gelegene senkrechte Fl\u00e4che die n\u00e4here geworden ist. Bei Schroeder ist dieselbe Figur in zweierlei Weise schattirt, was den Erfolg weiter nicht ver\u00e4ndert.\nAehnliches kann man an einer grossen Zahl perspectivischer Linienzeichnungen, zum Beispiel solchen, welche regelm\u00e4ssige K\u00f6rper, Krystall-modelle u. s. w. in geometrischer Projection (also wie von einem unendlich entfernten Punkte aus gesehen) darstellen, beobachten. Dieselbe Ecke oder Kante kann bald einspringend, bald ausspringend erscheinen. Oft wechselt die Vorstellung unwillk\u00fchrlicli. Ich finde aber, dass man sie auch immer willk\u00fchrlicli wechseln lassen kann, wenn man lebhaft eine andere Deutung sich vorstellt.\nEs schliessen sich hieran die Beobachtungen \u00fcber die scheinbare Umkehrung des Reliefs von Matritzen f\u00fcr Medaillen, wobei indessen auch die Beschattung einen Einfluss aus\u00fcbt. Wenn man von einer Medaille, welche in ziemlich flachem Relief geschnitten ist, einen Abguss in Gyps oder Stearin macht, der also eine Matritze darstellt, an der alle convexen Kr\u00fcmmungen des Originals concav, alle hervorragenden Theile vertieft erscheinen, und man diese Matritze so legt, dass sie von schr\u00e4g \u00fcberfallendem Tageslicht beleuchtet wird, und also kr\u00e4ftig schattirt erscheint, so glaubt man, mit einem Auge danach hinsehend, sehr leicht eine Patritze zu sehen von der urspr\u00fcnglichen Form der Medaille. Sieht man mit beiden Augen gleichzeitig nach der Matritze hin, so schwindet in der Regel die T\u00e4uschung; ebenso wenn man den Kopf oder die Form hin- und herbewegt. Je ruhiger Auge und Object sind, desto leichter tritt die T\u00e4uschung ein. Namentlich ist sie unter den angegebenen Umst\u00e4nden fast unvermeidlich, wie Schroeder besonders hervorgehoben hat, wenn das Relief einen menschlichen Kopf oder K\u00f6rper, oder auch thierische Formen, Bl\u00e4tter und dergleichen darstellt. Bei blossen Buchstaben und Ornamenten bleibt die T\u00e4uschung viel leichter aus.\nDabei tritt nun eine eigenth\u00fcmliche T\u00e4uschung auch betreffs der Beleuchtung ein. Eine Hohlform n\u00e4mlich zeigt die Schatten an der dem Fenster zugekehrten Seite, die Lichter an der abgekehrten; eine erhabene Form umgekehrt.\nWenn uns daher die Matritze als Patritze erscheint, so erscheint sie auch gleichzeitig von der dem Fenster entgegengesetzten Seite her beleuchtet zu sein. Dazu kommt nun noch, dass eine so schr\u00e4g beleuchtete erhabene Form einen merklichen Schlagschatten auf den ebenen Grund werfen m\u00fcsste, welcher Schlagschatten nat\u00fcrlich an der verkehrt gesehenen Matritze fehlt. Dadurch entsteht, wie Schroeder es nennt, eine Art magischer Beleuchtung des Reliefs, die\n40 *","page":627},{"file":"p0628.txt","language":"de","ocr_de":"628\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 30.\ngleichsam aus dem Innern zu kommen scheint. Die Ursache davon scheint mir zu sein, dass der Schlagschatten auf dem ebenen Grunde fehlt, und daher dieser Grund wie transparent beleuchtet erscheint.\nMan kann \u00fcbrigens, wie schon Rittenhouse und nach ihm viele Andere bemerkten, die T\u00e4uschung erh\u00f6hen und erleichtern dadurch, dass man auch die Beleuchtung der Matritze umkehrt. Entweder, wie Oppel in seinem Anaglyptoskop 1 gethan hat, dadurch, dass man das Licht des Fensters durch einen Schirm abh\u00e4lt und daf\u00fcr einen Spiegel an der entgegengesetzten Seite anbringt, den der Beobachter nicht bemerkt; dann erscheint die scheinbare Patritze vom Fenster her beleuchtet zu sein. Oder man kann die Matritze durch ein spiegelndes rechtwinkeliges Prisma betrachten oder durch eine Linse, die ein umgekehrtes Bild von ihr entwirft. In allen diesen F\u00e4llen erscheint die Beleuchtung richtig, obgleich sie immer etwas fremdartiges durch den fehlenden Schlagschatten beh\u00e4lt, namentlich, wenn das Relief sehr stark ist. Die Beobachtung durch eine umkehrende Linse trennt ausserdem f\u00fcr den Beobachter die Form aus ihrer \u00fcbrigen Umgebung los und erfordert eine unver\u00e4nderliche Lage des Auges, weil das Bild der Medaille sonst von der Grenze der Linse verdeckt wird. Alle diese Umst\u00e4nde beg\u00fcnstigen die T\u00e4uschung. Daher ist es wohl zu erkl\u00e4ren, dass man sie bei solchen umgekehrten von Linsen und Spiegeln entworfenen Bildern zuerst wahrgenommen hat.\nDass es im Ganzen viel seltener gelingt, Patritzen als scheinbare Matritzen zu sehen, scheint nur davon herzur\u00fchren, dass jene gew\u00f6hnlich einige Schlagschatten zeigen, welche die Deutung der convexen als eine hohle Form unm\u00f6glich machen.\nEine eigent\u00fcmliche hierher geh\u00f6rige T\u00e4uschung beschreibt D. Brewster 2. Fusstapfen im Sande erschienen ihm erh\u00f6ht. Es zeigte sich, dass der Wind helleren Sand hineingeweht und an einem Rande aufgeh\u00e4uft hatte, so dass dieser Rand scheinbar st\u00e4rker beleuchtet erschien. Auch der Mond, bei Tage durch ein umkehrendes Fernrohr betrachtet, erscheint, wie Schweizer bemerkt, zuweilen in verkehrtem Relief.\nSchroeder macht noch auf einige andere T\u00e4uschungen \u00e4hnlicher Art aufmerksam. Wenn wir ein rechteckiges Streifchen Papier auf eine horizontale Tischplatte legen und schr\u00e4g von oben her mit einer umkehrenden Linse besehen, so sollte bei richtiger Umkehrung der obere Rand des Bildes vom Papier und der Tischplatte dem Beobachter n\u00e4her erscheinen, der untere ferner. Der Regel nach verh\u00e4lt es sich umgekehrt, wir glauben vielmehr den Tisch und das Papier in ihrer wirklichen Richtung zu sehen, und wenn eine feine Nadel schr\u00e4g in das Papier eingestochen wird, von der eine passend gestellte Lampenflamme einen scharf begrenzten Schlagschatten wirft, so erscheint uns verm\u00f6ge derselben Umkehrung oft das Bild des Schattens als das der \"Nadel und umgekehrt. Brewster bemerkt, dass bei dieser Art der T\u00e4uschung ein in die Ebene eingeschnittenes Intaglio wegen der Umkehrung leicht als Relief hervortritt, weil man die n\u00e4here Seife desselben f\u00fcr die entferntere h\u00e4lt.\n1\tPoggendorfTs Annalen XCIX, 466 \u2014 469.\n2\tAthenaeum 1860, 2, p. 24; Rep. of Brit. Assoc. 1860, 2, p. 7\u20148.","page":628},{"file":"p0629.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nEINFLUSS DES SCHATTENS AUF DIE BEURTHEILUNG DER FORM.\n629\nVon noch gr\u00f6sserer Wichtigkeit, als die verschiedenartige Beleuchtung der Fl\u00e4chen eines K\u00f6rpers je nach ihrer Neigung gegen die einfallenden Strahlen, sind die Schlagschatten. Wenn wir eine erleuchtete Fl\u00e4che' sehen, so muss sich der leuchtende K\u00f6rper vor dieser Fl\u00e4che befinden, und wenn ein Schlagschatten auf sie f\u00e4llt, so muss sich der Schatten werfende K\u00f6rper ebenfalls voider Fl\u00e4che befinden, die den Schatten empf\u00e4ngt. (Vor und hinter ist hier in Beziehung auf die Fl\u00e4che zu nehmen, nicht in Beziehung auf die Stellung des Beobachters.) Dadurch ist also eine gewisse geometrische Beziehung des Schatten werfenden K\u00f6rpers zur beschatteten Fl\u00e4che unzweideutig festgestellt. Eine wie entscheidende Rolle die Schlagschatten in der Deutung der Gesichtserscheinungen spielen, werden wir sp\u00e4ter bei den pseudoskopischen Erscheinungen noch ersehen. Auch ist allgemein bekannt, eine wieviel deutlichere Vorstellung eine gut schattirte Zeichnung von einem Gegenst\u00e4nde giebt, als eine, die blos seine Umrisse darstellt; wie viel vortheilhafter f\u00fcr eine Landschaft, namentlich wenn man sie aus der H\u00f6he sieht, die Beleuchtung des Sonnenaufgangs und Sonnenuntergangs ist, als die der hochstehenden Sonne. Es kommen hier nicht blos die reicheren Farben in Betracht, welche die tief stehende Sonne giebt, sondern auch namentlich die bessere Modellirung der Formen des Terrains, welche durch die reichere Schattirung entsteht. Im Allgemeinen sind ja wenige Abh\u00e4nge so steil, dass sie bei hoch stehender Sonne nicht beleuchtet w\u00e4ren. In der Mittagsbeleuchtung ist daher mit wenigen Ausnahmen alles hell und wenig Schatten vorhanden; die Formen der Berge und Th\u00e4ler, wo sie nicht sehr schroff sind, sind deshalb wenig deutlich. Wenn dagegen die Sonne schr\u00e4g steht und viele Abwechselung von Licht und Schatten giebt, so wird alles viel deutlicher und verst\u00e4ndlicher.\nEin weiteres von der Beleuchtung hergenommenes Moment f\u00fcr die Beur-tlicilung der Entfernung namentlich entfernterer Gegenst\u00e4nde giebt die sogenannte Luftperspective. Wir verstehen darunter die Tr\u00fcbung und Farbenver\u00e4nderung des Bildes ferner Objecte, welche durch die unvollkommene Undurchsichtigkeit der vor ihnen liegenden Luftschicht bewirkt wird. Die Luft, wenn sie schwach mit Wassernebel gef\u00fcllt ist, wie es in ihren tieferen Schichten, namentlich in der N\u00e4he grosser Wasserfl\u00e4chen, gew\u00f6hnlich der Fall ist, wirkt wie ein tr\u00fcbes Medium, welches beleuchtet vor dunklem Hintergr\u00fcnde selbst bl\u00e4ulich erscheint, eindringendes Licht heller Objecte aber mit r\u00f6thlicher Farbe durchl\u00e4sst. Je dicker die Luftschicht zwischen dem Auge des Beobachters und dem fernen Objecte ist, desto st\u00e4rker wird dessen Farbe ver\u00e4ndert, entweder in das Bl\u00e4uliche, wenn es dunkler, oder in das R\u00f6thliche, wenn es heller als die vorliegende Luftschicht ist. So erscheinen ferne Berge blau, die untergehende Sonne roth.\nDen Einfluss, den die Luftperspective auf unser Urtlieil aus\u00fcbt, k\u00f6nnen wir leicht bemerken, wenn die Luft ungew\u00f6hnlich klar oder ungew\u00f6hnlich tr\u00fcb ist. Im ersteren Falle erscheinen ferne Bergreiheu sehr viel n\u00e4her und kleiner, im zweiten ferner und gr\u00f6sser als gew\u00f6hnlich. F\u00fcr den Bewohner der Ebene beruht darauf eine gew\u00f6hnliche Art der T\u00e4uschung, wenn er in das Hochgebirge kommt. In der Ebene, namentlich in der N\u00e4he grosser Wasserfl\u00e4chen,","page":629},{"file":"p0630.txt","language":"de","ocr_de":"630\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESIC1ITSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 30.\nist die Luft gew\u00f6hnlich tr\u00fcb, im Hochgebirge gew\u00f6hnlich ausserordentlich durchsichtig. So erscheinen denn dem Reisenden entfernte Berggipfel, namentlich wenn sie mit Schnee bedeckt im Sonnenschein gl\u00e4nzen, so klar, wie er sonst nur nahe Gegenst\u00e4nde gesehen hat, und er sch\u00e4tzt deshalb im Allgemeinen alle Distanzen und H\u00f6hen viel zu klein, bis er, ihre Dimensionen selbst durchmessend, durch Anstrengung und Erfahrung eines Bessern belehrt wird.\nHierher geh\u00f6rt auch die ber\u00fchmte Frage, warum der Mond nahe dem Horizonte gr\u00f6sser aussieht, als wenn er hoch am Himmel steht, trotzdem er wegen der atmosph\u00e4rischen Strahlenbrechung im verticalen Durchmesser dort eigentlich kleiner aussehen sollte. Dass er am Horizonte gr\u00f6sser erscheint, weil er uns dort weiter entfernt erscheint, haben schon Ptolemaeds und die arabischen Astronomen1 richtig gewusst. Die eigentliche Frage ist also, warum erscheint uns das Himmelsgew\u00f6lbe am Horizonte entfernter als im Zenith. Es sind eine Menge Motive daf\u00fcr angef\u00fchrt worden, warum dies so sei; ich glaube auch, dass nicht nur eines, sondern viele verschiedene Motive dahin Zusammenwirken, wobei freilich schwer auszumitteln ist, welches das \u00fcberwiegende in jedem einzelnen Falle sei.\nZun\u00e4chst ist zu bedenken, dass kein entscheidender Grund da ist, warum der Sternenhimmel uns als eine regelm\u00e4ssige Kugelfl\u00e4che erscheinen sollte. Er zeigt unendlich entfernte Objecte; daraus folgt nur, dass er als irgend welche Fl\u00e4che von unbestimmter Form erscheinen kann, wenn irgend welche andere Motive ihm eine solche zuweisen. Wenn wir im leeren Raume schwebten und ihn gleichzeitig und gleichm\u00e4ssig in seiner ganzen Ausdehnung \u00fcberschauen k\u00f6nnten, oder wenn seine Bewegung so schnell w\u00e4re, dass wir eine wirkliche sinnliche Anschauung davon erhalten k\u00f6nnten, m\u00f6chte mehr Grund sein, ihn gerade als Kugelfl\u00e4che anzuschauen. So aber ist in der That seine scheinbare Richtung und Gestalt eine sehr wechselnde, je nachdem das St\u00fcck, was wir von ihm sehen, von verschiedenen irdischen Gegenst\u00e4nden . eingefasst ist, und wir einen h\u00f6heren oder tieferen Punkt fixiren. Wir werden sp\u00e4ter noch sehen, dass wir eine Neigung haben, ihn hei ruhiger binocularer Fixation eines Punktes f\u00fcr eine auf die jedesmaligen Blicklinien senkrechte Ebene zu halten.\nGanz anders ist es mit dem Wolkenhimmel. Die Wolken sind meistens zwar auch weit genug von uns entfernt, dass wir mittels der Erkennungsmittel, welche das zwei\u00e4ugige Sehen und die Bewegung unseres K\u00f6rpers uns gew\u00e4hren, nichts oder so gut wie nichts \u00fcber ihre Entfernung ausmachen k\u00f6nnen. Aber sie sind oft parallelstreifig, sie bewegen sich meistens in gleicher Richtung und mit constanter Geschwindigkeit \u00fcber das Himmelsgew\u00f6lbe hin, sie erscheinen in der N\u00e4he des Horizontes strichf\u00f6rmig, von der hohen Kante gesehen und so beleuchtet, dass man sie als perspectivisch verk\u00fcrzte horizontal gedehnte K\u00f6rper erkennen kann. Alles das kann dazu dienen, uns erkennen zu machen, dass die wahre Form des Wolkenhimmels wenigstens im Zenith ein sehr plattes Gew\u00f6lbe ist. Am Horizont freilich verlassen uns diese Hilfs-\n1 Moistecla Histoire des Malh\u00e9m. 'Vol. I, p. 309 u. 352. \u2014 Rogkri Bacon\u00efs Perspect., p. 118. \u2014 Porta de re-fractione, p. 21, 128. \u2014 Priestley Geschichte der Optik. Periode 6, Kap. 8.","page":630},{"file":"p0631.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 30.\nMOND AM HORIZONT.\n631\nmittel, und da erscheinen dann die Wolken wie die Berge gleichm\u00e4ssig auf eine von unten nach oben ansteigende und allm\u00e4hlig sowohl in den Erdboden, wie in das Himmelsgew\u00f6lbe \u00fcbergehende Fl\u00e4che gemalt zu sein. Da wir nun kein Mittel der sinnlichen Anschauung haben, um die Entfernung des Wolkenhimmels von der des Sternenhimmels zu trennen, so scheint es nur nat\u00fcrlich, dass wir dem letzteren die wirkliche Form des ersteren, so weit wir sie unterscheiden k\u00f6nnen, mit zuschreiben, und dass auf diese Weise die doch immer sehr vage, unbestimmte und ver\u00e4nderliche Vorstellung von der flach kuppelf\u00f6rmigen W\u00f6lbung des Himmels entsteht.\nRecht entschieden und \u00fcberraschend tritt \u00fcbrigens die Vergr\u00f6sserung des Mondes oder der Sonne nur dann auf, wenn die Luft am Horizont recht dunstig ist und die genannten Himmelsk\u00f6rper nur noch eine geringe Lichtst\u00e4rke zeigen. Dann haben wir an ihnen dieselbe Wirkung wie an fernen Bergen, sie sehen viel entfernter als bei klarer Luft und deshalb gr\u00f6sser aus. Auch verst\u00e4rken passende irdische Objecte am Horizont die Wirkung sehr. Wenn der Mond zum Beispiel neben oder hinter einer etwa zwei tausend Fuss entfernten Baumkrone untergeht, welche selbst 20 Fuss Durchmesser hat, so erscheint er unter demselben Gesichtswinkel, aber viel weiter entfernt, also auch viel gr\u00f6sser als der Baum ; w\u00e4hrend er hinter flachem Horizonte untergehend keinen Gegenstand zur Vergleichung findet, an dem wir erkennen k\u00f6nnten, dass seine geringe scheinbare Gr\u00f6sse einer sehr bedeutenden absoluten Gr\u00f6sse entspricht.\nWenn man mittels einer planparallelen Glastafel ein Reflexbild des Mondes entwirft, welches scheinbar nahe am Horizonte gelegen ist, so finde ich nicht, dass dasselbe entschieden gr\u00f6sser aussieht, als der direct gesehene Mond oben am Himmel, obgleich man die scheinbare Gr\u00f6sse des reflectirten Mondes dann leicht mit den gleichzeitig gesehenen irdischen K\u00f6rpern vergleichen kann. Es fehlt aber dem Spiegelbilde das Aussehen, als sei es durch den dunstigen Theil der Atmosph\u00e4re gesehen.\nAuch scheint mir, dass die scheinbare Vergr\u00f6sserung am Horizonte viel bemerklicher am Monde auftritt, als an der Sonne, die, wenn man ihre Gestalt \u00fcberhaupt noch erkennen kann, gew\u00f6hnlich auch noch hell genug ist, dass man sie nicht ganz bequem betrachten kann, und dass sie also auch nicht unmittelbar mit den irdischen Objecten des Horizonts auf eine Linie gestellt werden kann. Bei recht klarem Himmel ist aber die T\u00e4uschung auch f\u00fcr den Mond nicht gerade sehr evident. Sie h\u00e4ngt immer in sehr hohem Grade vom Zustande der Atmosph\u00e4re ab.\nDie bisher genannten Motive sind es allein, welche die Maler benutzen k\u00f6nnen, um durch fl\u00e4chenhafte Zeichnungen und Gem\u00e4lde eine Vorstellung von den dargestellten k\u00f6rperlichen Objecten zu geben. Leichter ist ihre Aufgabe, wo es sich um Objecte von wohlbekannter oder von geometrisch regelm\u00e4ssiger Form handelt, ersteres namentlich bei menschlichen und thierischen Gestalten, letzteres bei H\u00e4usern, Ger\u00e4then und anderen Erzeugnissen menschlichen Kunst-lleisses. Bei solchen ist eine richtige perspectivische Zeichnung schon meistens ausreichend und kann durch eine richtige Schattengebung sehr lebendig gemacht","page":631},{"file":"p0632.txt","language":"de","ocr_de":"632\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 30.\nwerden. In der Kunst der kr\u00e4ftigen Schattengebung, welche die K\u00f6rperform so sehr deutlich heraustreten l\u00e4sst, sind bekanntlich die alten Meister des Portr\u00e4tirens so ausgezeichnet gewesen. Ein allseitig beleuchtetes, schwach beschattetes Gesicht, noch so richtig dargestellt, giebt einen lebhaften Eindruck allenfalls, so lange man die dargestellte Person noch oft sieht, aber es verliert seine Lebendigkeit bald, wenn dies nicht mehr geschieht. Schwieriger ist die Aufgabe des Malers, wenn er Naturgegenst\u00e4nde von unregelm\u00e4ssiger Form darzustellen hat, Landschaften, Berge, Felsen. Die Staffage mit Menschen, Thieren, B\u00e4umen, H\u00e4usern giebt dann ein wichtiges \u00e4usser-liches Hilfsmittel ab, um die Entfernung der dargestellten Objecte ungef\u00e4hr zu bezeichnen. Luftperspective aber und Schatten sind die Hauptmittel. Daher ist nicht jede Beleuchtung einer Landschaft zur Darstellung geeignet. Ein gewisser Grad der Tr\u00fcbung der Luft und eine niedrig stehende Sonne, welche viel Wechsel von Schatten und Licht hervorbringt, sind wesentliche Erfordernisse, um nur die Formen der Landschaft deutlich werden zu lassen, abgesehen von den reicheren und mannigfacheren F\u00e4rbungen, die auch ihre Sch\u00f6nheit erh\u00f6hen.\nDie bisher beschriebenen Motive der Tiefenanschauung sind auch in psychologischer Beziehung interessant und wichtig, weil sie zeigen, welchen Einfluss die Erfahrung auf unsere scheinbar ganz unmittelbar und ohne Hilfe geistiger Th\u00e4tigkeiten gewonnenen Sinneswahrnehmungen hat. Die Gesetze der Beleuchtung, des Schlagschattens, der Lufttr\u00fcbung, der perspectivischen Darstellung und Deckung verschiedener K\u00f6rper, die Gr\u00f6sse der Menschen und Thiere u. s. w. k\u00f6nnen wir erst durch Erfahrung kennen gelernt haben ; wenigstens hat noch kein Vertheidiger der angeborenen Anschauungen ihre angeborene Urspr\u00fcnglichkeit zu behaupten gewagt, und f\u00fcr einige derselben,' welche l\u00e4ngere Ein\u00fcbung erfordern, kann man, wie oben bemerkt, bei Kindern direct naeh-weisen, dass sie nicht angeboren sind. Und doch gen\u00fcgen diese Momente in vielen Verh\u00e4ltnissen, um eine Anschauung der r\u00e4umlichen Formen und Verh\u00e4ltnisse von vollkommener sinnlicher Lebhaftigkeit hervorzurufen, ohne dass irgend ein Bewusstsein davon in uns rege wird, wie hierbei die Vergleichung des jetzigen Eindrucks mit fr\u00fcheren Eindr\u00fccken \u00e4hnlicher Art in das Spiel kommt. Das gegenw\u00e4rtige Bild ruft in uns wach die Erinnerung an alles, was in fr\u00fcheren Gesichtsbildern Aehnliches sich gefunden hat, und auch an alles, was von sonstigen Erfahrungen mit diesen fr\u00fcheren Gesichtsbildern regelm\u00e4ssig verbunden war, also zum Beispiel die Anzahl von Schritten, die wir haben machen m\u00fcssen, um an einen Menschen heranzukommen, dessen Erscheinung im Gesichtsfelde eine gewisse Gr\u00f6sse gehabt hatte u. s. w. Diese Art der Association der Vorstellungen geschieht nicht bewusst und nicht willk\u00fchrlich, sondern wie durch eine blinde Naturgewalt, wenn auch nach den Gesetzen unseres eigenen Geistes, und sie tritt deshalb in unseren Wahrnehmungen ebenso gut als eine \u00e4ussere uns zwingende Macht auf, wie die von aussen kommenden Eindr\u00fccke, und was wir daher vermittels dieser auf die gesammelten Erfahrungen sich st\u00fctzenden Ideenassociationen den gegenw\u00e4rtigen Empfindungen hinzuf\u00fcgen, erscheint ebenso gut, wie letztere, uns ohne Willk\u00fchr und ohne bewusste Th\u00e4tigkcit von","page":632},{"file":"p0633.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nENTFERNUNG NACH DER ACCOMMODATION BEURTHEILT.\n63S\nunserer Seite als unmittelbar gegeben, also als unmittelbare Wahrnehmung, w\u00e4hrend es doch nur zu den Vorstellungen zu rechnen ist.\nBesonders interessant sind hierbei solche F\u00e4lle, wie die T\u00e4uschungen \u00fcber das Relief von Medaillen, von perspectivischen Zeichnungen und andere \u00e4hnliche, wo ein Schwanken zwischen zwei Deutungen m\u00f6glich ist. Hier finden wir, dass wir beim ersten Anblick in eine dieser Deutungen unwillk\u00fchrlich verfallen, und zwar der Regel nach wohl in diejenige, welche die gr\u00f6sste Anzahl \u00e4hnlicher Erinnerungsbilder zur\u00fcckruft, wie bei den Reliefs von menschlichen Gesichtern, wo wir der Regel nach die der Wirklichkeit entsprechende convexe Form zu sehen glauben. In andern F\u00e4llen schwankt es unwillk\u00fchrlich, wie bei Sinsteden\u2019s Windm\u00fchle, wenn durch \u00e4ussere Zuf\u00e4lligkeiten oder Bewegungen des Auges bald diese bald jene Aehnlichkeit uns n\u00e4her tritt. Aber wir k\u00f6nnen auch absichtlich einen Wechsel der Deutung hervorbringen, wenn wir die Vorstellung der entgegengesetzten Figur m\u00f6glichst lebhaft in uns aufrufen, bis deren Aehnlichkeit mit dem eben angeschauten Gesichtsbilde sich geltend macht, wo sie dann von selbst und ohne weitere Anstrengung stehen bleibt. W\u00e4hrend der Zeit aber, wo sie stehen bleibt, besteht sie mit der vollen Energie sinnlicher Gewissheit, und wenn sich in Folge irgend eines wechselnden Umstandes die entgegengesetzte Deutung wieder hervordr\u00e4ngt, hat auch diese wiederum dieselbe Deutlichkeit und Sicherheit, wenn auch das selbstbewusste Denken nun aufmerksam wird, dass es mit einer zweideutigen Anschauung zu thun hat.\nWir gehen jetzt \u00fcber zur zweiten Klasse der Momente, auf denen sich die Tiefenwahrnehmung st\u00fctzt, solche n\u00e4mlich, denen bestimmte sinnliche Empfindungen zu Grunde liegen. Unter ihnen ist zuerst zu er\u00f6rtern, wie viel die Accommodation des Auges leisten kann. Es ist kein Zweifel dar\u00fcber, dass Jemand, der seine Accommodations\u00e4nderungen viel beobachtet hat und das Muskelgef\u00fchl der dazu geh\u00f6rigen- Anstrengung kennt, im Stande ist anzugeben, ob er bei der Fixirung eines Gegenstandes oder eings optischen Bildes f\u00fcr grosse oder kleine Sehweiten accommodirt. Aber die Beurtheilung der Entfernung mittels dieses Hilfsmittels ist \u00e4usserst unvollkommen. Wundt 1 hat dar\u00fcber Versuche angestellt, indem er den Beobachter mit einem Auge durch eine Oeffnung eines feststehenden Schirms nach einem vertical ausgespannten schwarzen Faden hinblicken liess. Eine weisse Tafel bildete den Hintergrund. Der Faden konnte l\u00e4ngs einer horizontal liegenden Scale verschoben und in gemessene Entfernungen vom Beobachter gestellt werden. Ueber seine absolute Entfernung konnten dabei 'so gut wie gar keine Angaben gemacht werden; wohl aber zeigte es sich, dass, wenn dem Faden nach einander zwei verschiedene Stellungen gegeben wurden, mittels der ver\u00e4nderten Accommodation erkannt werden konnte, ob sich der Faden entfernt oder gen\u00e4hert habe. Doch wurde dabei eine Ann\u00e4herung des Fadens, wobei die active Muskelanstrengung des Accommodationsapparats zunehmen muss, deutlicher erkannt, als eine Entfernung desselben. Die bei den Versuchen eintretende Erm\u00fcdung des Auges\nBeitr\u00e4ge zur Theorie der Sinneswahrnehmung. Leipzig und Heidelberg 1862. S. 103\u2014118.","page":633},{"file":"p0634.txt","language":"de","ocr_de":"634\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 30.\nbewirkte eine wachsende Unsicherheit in der Wahrnehmung auch der Ann\u00e4herungen. Wundt giebt folgende Resultate seiner Versuche\nEntfernung des Fadens vom Auge 250 Ctm.\n220\n200\n180\n100\n80\nf\u00fcr\nU n t e r s c h e i d U n g s g r e n z e\nAnn\u00e4herung\nf\u00fcr Entfernung 12\n12\n10\n8\n8\n8\n5\n12\n12\n12\n11\n7\n50-\n40\n4,5\n4,5\n6.5\n4.5\nWenn zwei F\u00e4den in verschiedener Entfernung gleichzeitig aufgespannt wurden, ergaben sich dieselben Resultate wie f\u00fcr die Ann\u00e4herung eines Fadens.\nIch habe am Ende einer innen geschw\u00e4rzten R\u00f6hre einen schwarzen Schirm mit zwei senkrechten Spalten angebracht, dann den einen mit einem rothen, den andern mit einem blauen Glase geschlossen. Ich bedurfte einer erheblich st\u00e4rkeren Accommodationsanstrengung, um den rothen Streifen deutlich zu sehen, als f\u00fcr den blauen. Nach langen Vergleichen beider Streifen entstand auch endlich der Eindruck, als w\u00e4re der rothe Streifen n\u00e4her, der blaue ferner, aber die T\u00e4uschung trat schwer ein und schwand leicht wieder, sie liess sich nur durch fortdauernd wechselnde Accommodation f\u00fcr den einen und den andern Streifen unterhalten. Die T\u00e4uschung liess sich dadurch unterst\u00fctzen, dass ich den rothen Streifen etwas breiter machte und ihm auch dadurch das Ansehen eines n\u00e4heren Objectes gab.\nWichtiger aber und genauer als alle die genannten Hilfsmittel, die Entfernungen zu sch\u00e4tzen, ist die Vergleichung der perspectivischen Bilder, welche derselbe Gegenstand, von verschiedenen Standpunkten aus gesehen, darbietet. Eine solche Vergleichung kann praktisch in doppelter Weise zu Stande kommen, entweder monocular bei Fortbewegung des Kopfes und K\u00f6rpers, oder binocular mittels der beiden verschiedenen Bilder, welche beide Augen gleichzeitig von demselben Gegenst\u00e4nde geben. Da die beiden Augen etwas verschiedenen Ort im Raume haben, so sehen sie auch die vor uns liegenden Gegenst\u00e4nde von zwei etwas verschiedenen Gesichtspunkten aus und erzeugen dadurch eine \u00e4hnliche Verschiedenheit der Bilder, wie sie durch Fortbewegung im Raume nach einander hervorgebracht wird.\nWenn wir vorw\u00e4rts gehen, so bleiben die Gegenst\u00e4nde, welche sich am Wege ruhend befinden, hinter uns zur\u00fcck; sie gleiten in unserem Gesichtsfelde scheinbar an uns vorbei, und zwar in entgegengesetzter Richtung, als wir fortschreiten. Entferntere Gegenst\u00e4nde thun dasselbe, aber langsamer, w\u00e4hrend sehr entfernte Gegenst\u00e4nde, wie die Sterne, ruhig ihren Platz im Gesichtsfelde behaupten, so lange wir die Richtung unseres K\u00f6rpers und Kopfes beibehalten. Es ist leicht ersichtlich, dass die scheinbare Geschwindigkeit der Winkelverschiebungen der Gegenst\u00e4nde im Gesichtsfelde hierbei ihrer wahren Entfernung umgekehrt proportional sein muss, so dass aus der Geschwindigkeit der schein-","page":634},{"file":"p0635.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nTI EFENWAHRNEHMUNG DURCH BEWEGUNG.\n635\nbaren Bewegung sichere Schl\u00fcsse auf die wahre Entfernung gemacht werden k\u00f6nnen.\nDie Gegenst\u00e4nde verschiedener Entfernung verschieben sich dabei auch scheinbar gegen einander. Die entfernteren gehen im Vergleich zu den n\u00e4heren scheinbar in Richtung des Beobachters vorw\u00e4rts, die n\u00e4heren umgekehrt scheinbar zur\u00fcck. Dadurch entsteht eine sehr deutliche Anschauung ihrer verschiedenen Entfernung. Wenn man zum Beispiel in einem dichten Walde still steht, ist es nur in undeutlicher und gr\u00f6berer Weise m\u00f6glich, das Gewirr der Bl\u00e4tter und Zweige, welches man vor sich hat, zu trennen; zu unterscheiden, welche diesem und jenem Baume angeh\u00f6ren, in welcher Entfernung die einzelnen hinter einander sich befinden u. s. w. So wie man aber sich fortbewegt, l\u00f6st sich alles von einander, und man bekommt sogleich eine k\u00f6rperliche Raumanschauung von dem Walde, gerade so, als wenn man ein gutes stereoskopisches Bild desselben ans\u00e4he.\nAuch ist leicht eiuzusehen, dass sich durch diese scheinbaren Verschiebungen der einzelnen St\u00e4mme, Aeste und Bl\u00e4tter gegen einander der wirkliche Wahl im unmittelbaren sinnlichen Eindr\u00fccke durchaus unterscheiden muss von jedem noch so vollkommenen Gem\u00e4lde dieses Waldes. Wenn wir an der ebenen Fl\u00e4che des Gem\u00e4ldes uns vor\u00fcberbewegen, bleibt die scheinbare Lage aller Theile desselben gegen einander im Gesichtsfelde durchaus die gleiche. Die, welche entfernte Objecte darstellen, verschieben sich gegen den Beobachter durchaus in derselben Weise, als benachbarte Theile, welche nahen Objecten entsprechen. Ein Gem\u00e4lde kann immer nur den Anblick des Gegenstandes von einem einzigen festen Gesichtspunkte aus gesehen darstellen; wollen wir durch dasselbe eine m\u00f6glichst vollkommene T\u00e4uschung hervorrufen, so muss auch der Beschauer seinen Standpunkt unver\u00e4ndert beibehalten. Jede Bewegung l\u00e4sst sogleich den Unterschied zwischen dem Urbilde und dem Abbilde in sinnlicher Erscheinung hervortreten.\nN\u00e4here Gegenst\u00e4nde bewegen sich schneller, entferntere langsamer. Wenn wir selbst uns ungew\u00f6hnlich schnell bewegen, zum Beispiel in Eisenbahnz\u00fcgen, so erscheinen uns die schnell vor\u00fcbergleitenden Gegenst\u00e4nde deshalb leicht zu nah, und in Folge dessen auch kleiner, als sie sind. Es ist dies eine Gesichtst\u00e4uschung, welche von vielen Personen beobachtet und beschrieben wird l. Ich selbst habe diese Verkleinerung niemals recht deutlich sehen k\u00f6nnen, wie es denn viele solche T\u00e4uschungen giebt, welche bei der Gewohnheit gr\u00f6sserer Aufmerksamkeit auf die Gesichtserscheinungen von selbst schwinden, weil der Beobachter sich in seinem Urtheil von den st\u00f6renden Einfl\u00fcssen unabh\u00e4ngig zu machen lernt.\nAuch bei wissenschaftlichen Beobachtungen kann man die scheinbaren relativen Verschiebungen verschieden entfernter Gegenst\u00e4nde oft benutzen. Soll man zum Beispiel das Fadenkreuz eines Fernrohrs auf das Bild des Objectes genau einstellen, so bewege man das Auge hinter dem Ocular ein wenig hin und her, von rechts nach links und zur\u00fcck. Mau wird dann sogleich sehen,\nDove in Poggendorft\u201d s Annalen 1847. LXXI, S. 118.","page":635},{"file":"p0636.txt","language":"de","ocr_de":"636\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 30.\nob das Fadenkreuz dabei im Verh\u00e4ltniss zum Bilde still steht oder sich verschiebt. Im ersten Falle f\u00e4llt es mit dem Bilde zusammen. Im zweiten ist es vor oder hinter ihm; und welches von beiden der Fall sei, ergiebt sich ebenfalls sogleich.\nDie Bestimmungen der Fixsternparallaxen beruhen bekanntlich auf derselben scheinbaren Verschiebung, wobei nur als Mittel der Fortbewegung des Beobachters die Bewegung der Erde um die Sonne benutzt wird.\nIch glaube auch, dass die Ver\u00e4nderungen des Retinalbildes bei Bewegungen des K\u00f6rpers es haupts\u00e4chlich sind, wodurch ein\u00e4ugige Personen sich richtige Anschauungen von den k\u00f6rperlichen Formen der Umgebungen verschaffen. Wenn Jemand, der zwei gesunde Augen besitzt, eines derselben schliesst und unregelm\u00e4ssig gestaltete, unbekannte Gegenst\u00e4nde ein\u00e4ugig betrachtet, so erh\u00e4lt er eine falsche oder mindestens unsichere Vorstellung von ihrer Form. ' So wie er sich aber bewegt, gewinnt er sogleich die richtigen Anschauungen.\nAuch vergesse man nicht, worauf bisher noch nicht immer der n\u00f6thige Nachdruck gelegt worden ist, dass in allen physiologisch-optischen Versuchen, wo es sich um Beurtheilung der Entfernung eines irgend wie gesehenen Objectes oder Bildes handelt, wohl darauf zu achten ist, dass der Kopf seine Lage gegen das Gesehene nicht \u00e4ndere, sonst tritt sogleich eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gute und genaue Bestimmung der wirklichen Entfernung durch die dabei beobachtete Verschiebung ein.\nBei den bisher besprochenen Aenderungen des Retinalbildes durch Bewegung entsteht eine Anschauung von den Entfernungsunterschieden nur dadurch, dass das augenblicklich bestehende Bild verglichen wird mit den in der Erinnerung bewahrten unmittelbar vorhergegangenen Bildern im Auge. Wir haben schon in der Lehre vom Contrast hervorgehoben, dass eine Vergleichung mittels der Erinnerung viel unsicherer zu sein pflegt, als eine Vergleichung zweier gegenw\u00e4rtiger sinnlicher Eindr\u00fccke. So ist nun auch die Beurtheilung der Entfernungen mittels der gleichzeitigen Bilder beider Augen viel vollkommener, sicherer und genauer, als sie durch Bewegungen wenigstens innerhalb so geringer Distanzen, wie die Entfernung der Augen von einander ist, gewonnen werden kann.\nJedes einzelne Auge zeigt uns ein perspectivisches Bild der vor uns gelegenen Gegenst\u00e4nde. Da aber beide Augen nicht denselben Platz im Raume einnehmen, also die Objecte von etwas verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten, so sind die beiden perspectivischcn Bilder, welche sie von ihnen entwerfen, auch etwas von einander verschieden. Wenn ich ein Blatt Papier so vor mich hinhalte, dass es in die verl\u00e4ngerte Mittelebenc meines Kopfes f\u00e4llt, so sehe ich mit dem rechten Auge die rechte Seite des Papiers, mit dem linken die linke. Das entferntere Ende dieses Papiers erscheint im Bilde meines rechten Auges rechts, in dem des linken links von dem n\u00e4heren zu liegen. Aehnliche Unterschiede, mehr oder weniger merklich, wird man bei genauerer Aufmerksamkeit viele finden, so oft man mit beiden Augen eine Anzahl verschieden entfernter Gegenst\u00e4nde betrachtet. Es sind Unterschiede derselben Art und Gr\u00f6sse, wie sie entstehen, wenn man das Gesichtsfeld ein\u00e4ugig ansieht, das Auge aber fortbewegt um eine Strecke, welche der Entfernung beider Augen von einander gleich ist.","page":636},{"file":"p0637.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nBINOCULARE TIEF RN W A HRN K HM UN G.\n637\nBetrachtet man dagegen eine ebene Zeichnung oder ein ebenes Gem\u00e4lde, so erhalten beide Augen dadurch durchaus dasselbe Netzhautbild (abgesehen etwa von den perspectivischen Verziehungen, die die Ebene des Gem\u00e4ldes selbst in \u00ablen beiden Netzhautbildern erleiden kann), w\u00e4hrend der im Gem\u00e4lde dargestellte Gegenstand, wenn er nicht selbst eben ist, noth wendig in beiden Augen verschiedene Netzhautbilder hervorrufen w\u00fcrde. Dadurch ist also wiederum in der unmittelbaren sinnlichen Anschauung ein Kennzeichen gegeben, wodurch sich der Anblick eines jeden nach drei Dimensionen ausgedehnten Objects unterscheiden muss von dem Anblick eines ebenen Bildes desselben Objects.\nAuch ist klar, dass, wenn der Ort der beiden Netzhautbilder eines leuchtenden Punktes gegeben ist, daraus f\u00fcr die wissenschaftliche Untersuchung wenigstens, wenn auch noch nicht nothwendig f\u00fcr das gemeine Bewusstsein, unzweideutig der Ort des leuchtenden Punktes gefunden werden kann. Man lege durch jedes Netzhautbild und den Knotenpunkt des betreffenden Auges eine gerade Linie, so muss, wie wir fr\u00fcher gezeigt haben, der leuchtende Punkt selbst in jeder dieser beiden Richtungslinien liegen. Also liegt er, wo sich beide schneiden.\nW\u00e4hrend also durch das ein\u00e4ugige Sehen bei ruhendem Kopfe nur die Richtung, in welcher der gesehene Punkt sich befindet, bestimmt ist, giebt das zwei\u00e4ugige Sehen hinreichende Beobachtungsthatsachen, dass aus ihnen auch die Entfernung des gesehenen Punktes bestimmt werden kann, wenigstens insoweit, als die vorhandenen Data hinreichende Genauigkeit dazu haben und zu dem angegebenen Ende zweckm\u00e4ssig benutzt werden. Im Allgemeinen ist die Genauigkeit in der Bestimmung der Entfernung desto kleiner, je gr\u00f6sser diese selbst ist, da weit entfernte Gegenst\u00e4nde in beiden Augen nicht mehr merklich verschiedene Bilder geben.\nDass nun in der That auf diesem Wege ausserordentlich genaue und deutliche sinnliche Anschauungen der Entfernungen gewonnen werden, l\u00e4sst sich mittels der stereoskopischen Bilder zeigen; es sind dies Bilder, von denen je zwei zusammengeh\u00f6rige die beiden Ansichten darstellen, welche das rechte und das linke Auge desselben Beobachters von dem dargestellten Objecte haben.\nWir haben gesehen, dass ein einzelnes ebenes Bild, mit beiden Augen gesehen, stets einen andern Eindruck machen muss, als der Gegenstand des Bildes, selbst gesellen, machen w\u00fcrde. Wenn wir nun aber beiden Augen verschiedene Bilder zeigen, einem jeden dasjenige, welches es bei Betrachtung des Gegenstandes selbst wirklich gesehen haben w\u00fcrde, so sind wir im Stande, denselben Eindruck auf beiden Netzh\u00e4uten hervorzurufen, den der r\u00e4umlich ausgedehnte Gegenstand wirklich gemacht haben w\u00fcrde, und unter diesen Umst\u00e4nden gewinnen wir durch die beiden Bilder in der That dieselbe Anschauung der k\u00f6rperlichen Form, wie bei wirklicher Betrachtung des Gegenstandes selbst.\nZwei Bilder, welche einen stereoskopischen Effect machen sollen, m\u00fcssen also zwei verschiedenen perspectivischen Ansichten desselben Gegenstandes entsprechen, welche von verschiedenen Gesichtspunkten aus aufgenommen sind. Sie d\u00fcrfen einander also nicht gleich sein, vielmehr m\u00fcssen, verglichen mit den Bildern unendlich entfernter Punkte, die Bilder n\u00e4herer Punkte in der Zeichnung f\u00fcr das rechte Auge desto mehr nach links hin, in dem Bilde f\u00fcr","page":637},{"file":"p0638.txt","language":"de","ocr_de":"638\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 30.\ndas linke Auge desto mehr nach rechts hin liegen, je n\u00e4her die Objecte dem Beobachter sind. Denkt man sich 'also die Zeichnungen so aufeinander gelegt, dass die Bilder der unendlich entfernten Gegenst\u00e4nde aufeinander fallen, so werden die Bilder der n\u00e4heren Objecte desto weiter auseinander fallen, je n\u00e4her sie sind. Ihre Distanz kann inan die stereoskopische Parallaxe nennen. Diese ist positiv, wenn die n\u00e4heren Punkte f\u00fcr das\u2019rechte Auge nach links, f\u00fcr das linke nach rechts abweichen. Die stereoskopische Parallaxe ist gleich gross f\u00fcr Objecte , welche gleichen Abstand von der Ebene der Zeichnung haben.\nSind keine unendlich entfernten Objecte in der Zeichnung dargestellt, so kann man nur die Unterschiede der stereoskopischen Parallaxe ermitteln in Bezug auf irgend welchen beliebigen Punkt des Objects. Die Parallaxe in Bezug auf solchen Ausgangspunkt ist dann positiv f\u00fcr die n\u00e4heren, negativ f\u00fcr die entfernteren \u00fcbrigen Punkte.\nNennen wir den Abstand der Augen 3 a, den Abstand der Zeichnung von den Augen b, den Abstand des Objects von einer parallel der Zeichnung durch die Augen gelegten Ebene q, und e die stereoskopische Parallaxe, so ist diese\n___ 3ab\n~\t9\nwird also desto kleiner, je entfernter das Object, und f\u00fcr unendlich entfernte Objecte gleich Null.\nDie zusammengeh\u00f6rigen stereoskopischen Bilder m\u00fcssen bei einem solchen Versuche so vor die beiden Augen gebracht werden, dass die unendlich entfernten Punkte darin beiden Augen in derselben Richtung erscheinen. Man kann dies ohne Instrument erreichen, wenn man beide Bilder neben einander legt, eins rechts, das andere links, so dass zusammengeh\u00f6rige Punkte derselben etwa so weit von einander entfernt sind, als die Knotenpunkte der beiden Augen des Beobachters. Wenn der Beobachter sich dann mit parallel gerichteten Gesichtslinien vor die Bilder stellt, so sieht er sie beide mit beiden Augen in gleicher Richtung und die stereoskopische T\u00e4uschung tritt ein. Freilich sicht er hierbei mit dem rechten Auge nicht blos das rechte Bild, sondern links daneben auch noch das f\u00fcr das linke Auge bestimmte Bild, und ebenso mit dem linken Auge nicht blos das letztere Bild, sondern rechts daneben auch noch das andere. Wenn die richtige Stellung der Augen gefunden ist, sieht der Beobachter also neben einander scheinbar drei Bilder, von denen die beiden \u00e4ussern nur mit je einem Auge gesehen sind (das rechte vom linken, das linke vom rechten Auge) und nicht k\u00f6rperlich erscheinen, das mittlere beiden Augen zugleich angeh\u00f6rt und k\u00f6rperlich erscheint.\nBei dem beschriebenen Versuche ist die Anwesenheit der drei Bilder st\u00f6rend; ausserdem muss man f\u00fcr die N\u00e4he accommodiren, w\u00e4hrend man die Gesichtslinien parallel eiustelit, wie es beim Betrachten ferner Gegenst\u00e4nde der Fall ist, und wobei man gew\u00f6hnt ist die Accommodation f\u00fcr die Ferne einzurichten. Deshalb geh\u00f6rt einige Uebung dazu, ehe man in dieser Weise ohne weitere Hilfsmittel stereoskopisch sehen lernt. Uebrigens ist die dabei entstehende Gesichtst\u00e4uschung ebenso vollkommen, wie bei der Anwendung der gleich zu beschreibenden","page":638},{"file":"p0639.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 30.\nDAS STEREOSKOP.\n639\nInstrumente. Unge\u00fcbte erleichtern sich das Gelingen des Versuchs, wenn sie nach den beiden Zeichnungen durch zwei innen geschw\u00e4rzte R\u00f6hren blicken, weil dann die Nebenbilder fortfallen, und wenn sie dabei den beiden Zeichnungen eine geringere Distanz geben, als die der Augen ist. Bei einiger Uebung gelingt es auch ohne solche Hilfe ; und es ist dies sogar die bequemste Art, grosse Mengen stereoskopischer Bilder hinter einander durchzusehen. Statt die Gesichtslinien nach einem weit entfernten Punkte einander nahehin parallel zu richten, kann man sie auch nach einem n\u00e4heren Punkte convergiren lassen und die stereoskopischen Bilder zur Deckung bringen, indem man das rechte Auge nach dem linken, das linke nach dem rechten Bilde hinwendet, wobei ihre Blicklinien-sicli also zwischen den Bildern und dem Beobachter schneiden. Die Stellung der Augen ist dabei also so, als wenn man diesen Schnittpunkt fixirte, und dort, also den Augen n\u00e4her, als die Bilder wirklich sind, erscheint auch der stereoskopisch gesehene Gegenstand. Bei diesem Versuche muss man aber nat\u00fcrlich auch das f\u00fcr das rechte Auge bestimmte Bild nach links legen, das f\u00fcr das linke nach rechts, sonst wird die stereoskopische Parallaxe negativ, und man bekommt verkehrtes Relief, wovon man sich leicht \u00fcberzeugen kann, wenn man zwei neben einander liegende Linienzeichnungen ohne Schattirung, zum Beispiel von Krystallmodellen bald mit ungekreuzten, bald mit gekreuzten Blicklinien combinirt.\nDie Instrumente, welche unter dem Namen der Stereoskope zur Betrachtung der stereoskopischen Bilder gebraucht werden, haben nur zum Zweck, dem Beobachter die Auffindung und Erhaltung der richtigen Augenstellung zu erleichtern und die st\u00f6renden Nebenumst\u00e4nde wegzuschaffen ; f\u00fcr die Erzeugung der Gesichtst\u00e4uschung sind sie ohne wesentlichen Vortheil.\nDas erste war das Stereoskop von Wheatstone, im Durchschnitte (lai-gestellt in Fig. 189. Der wesentliche Theil des Instruments sind zwei Spiegel ab und \u00ab fl, welche unter 45\u00b0 gegen den Horizont geneigt sind, und deren nach oben gekehrte Fl\u00e4chen spiegeln; cd und yd sind Brettchen, an denen die Zeichnungen, angebracht werden. Der Beobachter, dessen Augen durch r und q angedeutet sind, blickt von oben her in die Spiegel.\nDas Licht, was von cd kommt, wird vom Spiegel ab gegen das Auge r so reflectirt, als k\u00e4me es von dem Spiegelbilde ff. Aber auch das von y8 kommende Licht wird durch den Spiegel a\u00df nach dem Auge p so reflectirt, als k\u00e4me es vom Bilde ff. So glauben also beide Augen das betreffende Bild bei ff zu sehen, und wenn nun die beiden Bilder Unterschiede zeigen, wie sie ein bei f befindlicher Gegenstand zeigen\nSv\nFig. 189.\n-If","page":639},{"file":"p0640.txt","language":"de","ocr_de":",640 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 30.\nw\u00fcrde, so entsteht derselbe sinnliche Eindruck, als s\u00e4he der Beobachter bei ff nicht die Bilder, sondern den r\u00e4umlich ausgedehnten Gegenstand. Da die Zeichnungen hierbei durch Spiegel gesehen werden, welche rechts in links verkehren, so m\u00fcssen sie negative stereoskopische Parallaxe haben.\nDas Stereoskop von Brewster, welches gegenw\u00e4rtig am meisten verbreitet ist, enth\u00e4lt zwei Prismen p und n mit convexen Fl\u00e4chen, St\u00fccke aus einer dicken Convexlinse von 0,18 Meter Brennweite, die optisch wirken wie die Combination eines ebenen Prisma mit einer Convexlinse. Die beiden Zeichnungen befinden sich neben einander auf demselben Blatte. Das rechte Auge r blickt durch das Prisma p nach der Zeichnung ab, das linke Auge p durch das Prisma n nach der Zeichnung a\u00df; die Scheidewand g hindert, dass jedes Auge die f\u00fcr das andere bestimmte Zeichnung sehen kann. Die von den Zeichnungen ausgehenden Strahlen cp und yn werden durch die Prismen in die Richtungen pr und np, welche sich verl\u00e4ngert in q schneiden, gebrochen. Durch die convexen Fl\u00e4chen der Prismen werden die Strahlenb\u00fcndel zugleich weniger divergent gemacht, so dass beide Augen ein Bild der zugeh\u00f6rigen Zeichnung in ftp sehen. Das Object erscheint k\u00f6rperlich in der Lage fcp. \u00abDas Ganze ist in einen passenden Holzkasten eingeschlossen; um transparente Bilder betrachten zu k\u00f6nnen, befindet sich hinter den Zeichnungen ab a\u00df eine mattgeschliffene Glasplatte. Die Bilder werden durch passende Spalte an den Seiten des Kastens bei a und \u00df ein- und ausgeschoben.\nDas Stereoskop von Brewster ist viel compendi\u00f6ser, als das von Wheatstone, man kann leichter eine gleichm\u00e4ssige Beleuchtung beider Bilder bewirken und die Zeichnungen erscheinen vergr\u00f6ssert; doch ist zu bemerken, dass an den Grenzen von Hell und Dunkel schmale farbige-R\u00e4nder auftreten, wenn die Prismen nicht achromatisch gemacht werden, was \u00fcbrigens in manchen dieser Instrumente geschehen ist. Andere Formen von Stereoskopen werden weiter unten beschrieben werden.\nAm schlagendsten treten die Wirkungen des Stereoskops hervor an Zeichnungen, welche nur Umrisse von K\u00f6rpern und Fl\u00e4chen darstellen, wo alle weiteren Hilfsmittel der T\u00e4uschung, Farbe, Schatten u. s. w. fortfallen, und doch die schwarzen Linien von der Fl\u00e4che des Papiers vollkommen losgel\u00f6st und durch den Raum hin gezogen erscheinen. Selbst die verwickeltesten stereometrischen Zeichnungen, Darstellungen von Krystallmodellen, die ohne Stereoskop gesehen kaum verst\u00e4ndlich sind, l\u00f6sen sich vollst\u00e4ndig auf und erscheinen als r\u00e4umliche Gebilde.\nW\u00e4hrend bei solchen Linienfiguren der Unterschied zwischen dem stereoskopischen und nicht stereoskopischen Anblicke am auffallendsten ist, ist die Lebhaftigkeit der T\u00e4uschung selbst nat\u00fcrlich am gr\u00f6ssten, wenn auch durch eine naturgetreue Schattirung die K\u00f6rperform herausgehoben ist. Doch ist es fast unm\u00f6glich, mit dem\nab und a\u00df, Fig. 190,\nFig. 190.","page":640},{"file":"p0641.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nSTEREOSKOPISCHE BILDER.\n641\nBleistift oder dem Pinsel in der Schattirung von Zeichnungen die feinen Unterschiede beider Bilder genau wiederzugeben, welche dem Bilde des rechten und linken Auges entsprechen, und nur mit Hilfe der Photographie gelingt es, die genaue Uebereinstimmung beider Bilder zu erreichen, welche f\u00fcr einen guten stereoskopischen Eindruck noting ist. Da dergleichen stereoskopische Photographien jetzt \u00fcberall im Handel zu haben sind, so darf ich voraussetzen, dass sie meinen Lesern allgemein bekannt sind. Sie werden angefertigt, indem man denselben Gegenstand zwei Mal photographisch abbildet, und zwar von zwei etwas verschiedenen Standpunkten aus. Entweder thut man es gleichzeitig mit zwei photographischen Apparaten oder schnell nach einander mit demselben Apparate. Die Anwendung von zwei Apparaten ist namentlich bei schnell ver\u00e4nderlichen Gegenst\u00e4nden n\u00f6thig. Schon wenn die Objecte von der Sonne direct beleuchtet sind, verschieben sich die Schlagschatten oft merklich zwischen der Aufnahme des ersten und zweiten Bildes, da doch gew\u00f6hnlich 5 bis 10 Minuten vergehen, ehe der Apparat f\u00fcr die zweite Aufnahme eingestellt ist. Noch nothwendiger ist die Anwendung zweier photographischer dunkler Kammern, wenn sogenannte instantan\u00e9 Bilder von beweglichen Gegenst\u00e4nden, Wellen, Schilfen, Pferden u. s. w. gemacht werden sollen, bei denen unter Ben\u00fctzung scharfer Sonnenbeleuchtung und sehr empfindlicher photographischer Pr\u00e4parate die Expositionszeit auf einen Bruchtheil einer Secunde beschr\u00e4nkt werden kann.\nDie Naturwahrheit solcher stereoskopischer Photographien und die Lebhaftigkeit, mit der sie die K\u00f6rperform darstellen, ist nun in der That so gross, dass manche Objecte, zum Beispiel Geb\u00e4ude, die man aus stereoskopischen Bildern kennt, .wenn man sp\u00e4ter in Wirklichkeit vor sie hintritt, nicht mehr den Eindruck eines unbekannten oder nur halb bekannten Gegenstandes machen. Man gewinnt in solchen F\u00e4llen durch den wirklichen Anblick des abgebildeten Gegenstandes, wenigstens f\u00fcr die Formverh\u00e4ltnisse, keine neuen und genaueren Anschauungen mehr, als man schon hat. Wie viel durch das stereoskopische Sehen gewonnen wird, ist auch hierbei nat\u00fcrlich am auffallendsten an den Bildern solcher Gegenst\u00e4nde, welche sich schlecht zur Darstellung in einer einfachen Zeichnung oder Gem\u00e4lde eignen, wie zum Beispiel an Bildern von unregelm\u00e4ssigen Felsen, Eisbl\u00f6cken, mikroskopischen Objecten, Thieren, W\u00e4ldern u. s. w. Namentlich die Abbildungen von Gletschereis mit seinen tiefen Spalten, welche durch die Masse des Eises hindurch erleuchtet sind, machen eine \u00fcberraschende Wirkung. Das einzelne Bild, einzeln betrachtet, macht in solchem Falle gew\u00f6hnlich nur den Eindruck eines unverst\u00e4ndlichen Aggregats grauer Flecke, w\u00e4hrend in der stereoskopischen Combination die Formen der Eisbl\u00f6cke, so wie das transparente und reflectirte Licht derselben auf das deutlichste hervortreten. Es wird in diesem Falle das Verst\u00e4ndniss des einzelnen Bildes so schwer, weil einmal schon so unregelm\u00e4ssige Formen, wie die der Eisbl\u00f6cke, auch bei blosser Beleuchtung durch auffallendes Licht nicht deutlich wiederzugeben sind, vollends aber bei der transparenten Beleuchtung auch die gew\u00f6hnlichen Gesetze der Schattirung ganz abge\u00e4ndert werden.\nSehr \u00fcberraschend ist auch die stereoskopische Darstellung gl\u00e4nzender Gegenst\u00e4nde, z. B. einer von leichten Wellen bewegten Wasserfl\u00e4che; doch k\u00f6nnen\nKncvklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physioiog. Optik.\t41","page":641},{"file":"p0642.txt","language":"de","ocr_de":"DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u25a030.\n042\nwir die stereoskopische Darstellung des Glanzes erst im folgenden Paragraphen besprechen.\nWir gehen nun \u00fcber zur Untersuchung der Genauigkeit, mit welcher sich die Tiefendimensionen des Gesichtsfeldes mittels der gleichzeitigen Th\u00e4tigkeit beider Augen beurtheilen lassen. Dabei haben wir zu unterscheiden die Beurtheilung der absoluten Entfernung der gesehenen Objecte, und die Beurtheilung der Entfernungsunterschiede verschiedener Objectpunkte. Die erstere kann bei Ausschluss der fr\u00fcher besprochenen Momente nur gest\u00fctzt werden auf die Empfindung des absoluten Grades der Ct^ivergenz, in welchem sich die beiden Blicklinien befinden, wenn sie auf einen gewissen Objectpunkt gerichtet sind; die Unterschiede der beiden Netzhautbilder k\u00f6nnen dazu nichts beitragen, oder wenigstens sind, wie es scheint, diejenigen Unterschiede der Bilder, welche etwa dazu beitragen k\u00f6nnten, zu unbedeutend, als dass daraus ein wirklicher Nutzen gezogen w\u00fcrde. \u2014 Die Beurtheilung der Entfernungsunterschiede verschiedener Objectpunkt\u00e9 beruht auf dem Unterschiede der Bilder in beiden Sehfeldern. Sie k\u00f6nnte beruhen, einmal auf einer Perception des Unterschiedes der beiden Netzhautbilder hei ruhenden Blicklinien, oder auf einer Perception der Bewegungs unterschiede, welche eintreten, wenn die Augen von der Fixation eines Objectpunkts zu der eines andern \u00fcbergef\u00fchrt werden. Bei den bisherigen Versuchen hat sich noch kein Unterschied in der Sch\u00e4rfe der Wahrnehmung herausgestellt, der von der Vermeidung oder Ausf\u00fchrung von Augenbewegungen abhinge, und die Vergleichung der Netzhautbilder scheint daher mit so \u00fcberwiegender Feinheit vollzogen zu werden, dass die \u00dfewegungsunterschiede daneben nicht ber\u00fccksich-.tigt zu werden brauchen. Wir werden sp\u00e4ter indessen sehen, dass namentlich hei schwer zu combinirenden Bildern die Evidenz der T\u00e4uschung durch die Bewegungen des Auges wesentlich unterst\u00fctzt wird.\nWir beginnen mit der Beurtheilung der Entfernungsunterschiede, soweit dieselbe von der Vergleichung verschiedener Netzhautbilder abh\u00e4ngt, wobei aber wohl zu verstehen ist, dass hier die Differenzen der Bilder in beiden Sehfeldern als solche noch nicht zum Bewusstsein kommen, sondern nur die Unterschiede der Tiefendimension, die von jenen Unterschieden abh\u00e4ngen, aufgefasst und gesch\u00e4tzt werden.\nDie Vergleichung der beiden Netzhautbilder, wie sie sich in der Wahrnehmung der Tiefendimension zu erkennen giebt, ist ausserordentlich genau, und es werden darin zuweilen Unterschiede wahrgenommen, welche kaum in andererWeise ohne k\u00fcnstliche Messinstrumente wahrgenommen werden k\u00f6nnen. Schon bei den gew\u00f6hnlichen stereoskopischen Photographien sind die Unterschiede beider Bilder meistens so klein, dass eine ausserordentlich genaue Untersuchung dazu geh\u00f6rt dieselben zu entdecken, und gew\u00f6hnlich bemerkt man Unterschiede nur l\u00e4ngs der Contourlinien vorderer Gegenst\u00e4nde, welche die dahinter liegenden bald im rechten, bald im linken Bilde etwas mehr verdecken.\nDove 1 hat schon folgende Beispiele von der Genauigkeit des stereoskopischen Sehens gegeben:\n1 Optische Studien von W. H. Dovk. Berlin 1859. S. 26\u201436.","page":642},{"file":"p0643.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nGENAUIGKEIT DER BINOCUI.AREN TIEFEN WAHRNEHMUNG.\nfi43\nWenn man zwei Medaillen, die mit demselben Stempel geschlagen sind, aber aus verschiedenen Metallen, stereoskopisch combinirt, so sieht das Gesammt-bild schr\u00e4g liegend und gew\u00f6lbt aus, nicht eben. Der Grund davon beruht darin, dass die Metalle durch den Druck des Stempels beim Pr\u00e4gen comprimirt werden und sich nachher ihrer verschiedenen Elasticit\u00e4t entsprechend wieder verschieden stark ausdehnen. Deshalb sind Medaillen aus verschiedenen Metallen gepr\u00e4gt nicht genau gleich gross, aber ihre Gr\u00f6ssenunterschiede sind ausserordentlich klein. Ich selbst habe bei Professor Dove solche Medaillen gesehen, eine aus Silber, eine aus Bronze bestehend, deren Gr\u00f6ssenunterschied mit blossem Auge gar nicht zu entdecken war, selbst wenn man sie aufeinander legte, und die doch ein deutlich gew\u00f6lbtes Bild gaben.\nWenn in einer Buchdruckerpresse derselbe Satz von Buchstaben zwei Mal gesetzt wird, so ist es, wenigstens ohne ungew\u00f6hnliche Vorsichtsmassregeln, nicht m\u00f6glich, die Abst\u00e4nde der Buchstaben genau gleich zu machen. In Folge dessen erscheinen im Stereoskop bei der Combination zweier solcher Drucke einzelne Worte und Buchstaben vor oder hinter den andern liegend. Ganz eben erscheint ein solcher Druck nur, wenn beide Exemplare mit demselben Buchstabensatze gedruckt sind; und auch dann kann das Ganze noch gew\u00f6lbt und schr\u00e4g liegend erscheinen, wenn durch verschiedene Befeuchtung oder Zerrung das Papierblatt im Ganzen sich gedehnt hat; doch erscheinen dann keine unregelm\u00e4ssigen Erh\u00f6hungen einzelner Buchstaben.\nWie man auf diese Weise die zweite Auflage eines Drucks von der ersten unterscheiden kann, so kann man auch nachgemachte Geldpapiere von \u00e4chten unterscheiden, weil es nicht m\u00f6glich ist in der Copie den Abstand der Buchstaben so genau gleich denen des Orginals zu machen, dass nicht Erhebungen und Vertiefungen einzelner unter ihnen zum Vorschein k\u00e4men, wenn man ein \u00e4chtes und ein un\u00e4chtes Papier im Stereoskope combinirt. Auch an zwei \u00e4chten Exemplaren desselben Werthpapiers zeigen sich \u00fcbrigens solche Theile, welche mit verschiedenen Druckplatten gedruckt sind, gew\u00f6hnlich in verschiedener Ebene, und man kann mittels des Stereoskops leicht ermitteln, wieviel Platten zum Drucke des Papiers angewendet sind. Sehr bequem ist dieselbe Methode auch, um an Maasst\u00e4ben zu controlliren, ob die Theilstriche alle gleich gross sind. Man braucht nur zw7ei verschiedene Theile desselben Maasstabs stereoskopisch zum Decken zu bringen. Sind die Theile gleich gross, so erscheinen alle Theilstriche in einer Ebene zu liegen. Sind die Theile unregelm\u00e4ssig, so treten einige Striche vor, andere zur\u00fcck.\nEin anderes Beispiel solcher kleinen Verschiebungen, welche durch stereoskopische Gombinationen leicht sichtbar werden, und welches mir gelegentlich auffiel, ist folgendes. Wenn man mit einem Auge frei, mit dem anderen aber durch den warmen Luftstrom \u00fcber dem Schornstein einer brennenden Lampe nach der Tapete des Zimmers blickt, so sieht man bei einiger Aufmerksamkeit eine grosse einspringende und eine ausspringende Falte in der Tapete, als h\u00e4tte sich diese von der Mauer losgel\u00f6st. Sieht das rechte Auge durch den warmen Luftstrom, so erscheint rechts die vorspringende, links die zur\u00fcckspringende Falte; umgekehrt dem linken Auge. Am deutlichsten wird das\n41 *","page":643},{"file":"p0644.txt","language":"de","ocr_de":"644\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 30-\nFig. 191.\nPh\u00e4nomen, wenn sich der Beobachter etwa drei Fuss von'der Wand aufstellt, und die lampe in die Mitte dieser Entfernung. Dann fallen die beiden ausspringenden Falten f\u00fcr beide Augen an denselben Ort zusammen und die Wirkung verst\u00e4rkt sich somit, Die Erscheinung erkl\u00e4rt sich durch die Brechung des Lichts in dem warmen Luftstrom. Sei dessen Querschnitt durch den Kreis A in Fig. 19t angedeutet, r und p seien die beiden Augen des Beobachters, a, b, c\nPunkte der Wand, so erscheinen diese dem Auge r in Richtung der drei geradlinigen Richtungsstrahlen ra, rb und rc. In das Auge p gelangen die Strahlen aber auf den Wegen aaxQ, b<j und cc'p, wegen der Brechung in dem warmen Luftstrome A. Nur der durch dessen Mitte gehende Strahl \u00f6p kann geradlinig bleiben. Dem Auge p erscheinen die Punkte c und a also in Richtung der Verl\u00e4ngerung der Strahlen pc' und pa', beiden Augen zusammen also in y und \u00ab, wo sich beziehlich pc' mit rc und pa' mit ra schneidet. So erscheint also die Tapete hervorgetrieben auf der Seite des Auges, welches durch den warmen Luftstrom sieht, auf der andern Seite zur\u00fccktretend.\nIch habe noch einige Versuche angestellt \u00fcber den Grad von Genauigkeit, der in der stereoskopischen Vergleichung der beiden Netzhautbilder erreicht werden kann. Zu dem Ende habe ich drei gleiche Nadeln senkrecht befestigt an dem Ende dreier vierkantiger kleiner Holzbalken, diese neben einander auf einen ebenen Tisch gelegt, so dass sich die drei Nadeln neben einander in Abst\u00e4nden von je 12 Millimetern und nahehin in derselben Ebene befanden. Ich stellte mich dann so auf, dass meine Augen sich in oder etwas unter der verl\u00e4ngerten oberen Ebene der drei B\u00e4lkchen befanden, und ich also die drei Nadeln sah, ohne die Begrenzungslinie desjenigen Endes der Holzbalken sehen zu k\u00f6nnen, an welchem die Nadeln befestigt waren. Die Entfernung meiner Augen von den Nadeln betrug 340 Millimeter. Unter diesen Umst\u00e4nden konnte ich nur mittels der Vergleichung der beiden Netzhautbilder erkennen, ob die Nadeln genau in einer verticalen Ebene sich befanden oder nicht. Waren sie es nicht, so konnten sie durch Verschiebung eines der H\u00f6lzer, in denen sie befestigt waren, in eine Ebene gebracht werden, so gut es der Beobachter eben erkennen konnte, und wenn man nachher das eine Auge in Richtung dieser Ebene brachte und nach den Nadeln hinblickte, konnte man leicht erkennen, in wie weit die Einstellung der Nadeln gelungen war. Es ist dabei zu bemerken, dass man die Abst\u00e4nde der Nadeln von einander nicht zu gross machen darf, weil sich dann eine eigenth\u00fcmliche T\u00e4uschung des Urtheils einmischt, die im folgenden Abschnitt bei der Lehre vom Horopter besprochen werden soll. F\u00fcr den Zweck sind die oben angegebenen Distanzen passend und machen jene T\u00e4uschung ohne Einfluss. Ich habe mich unter diesen Umst\u00e4nden nie, auch nur um eine halbe","page":644},{"file":"p0645.txt","language":"de","ocr_de":"GENAUIGKEIT DER BINOCULAREN TIEFENWAHRNEHMUNG.\n645\n\u00a7. 30.\nDicke der Nadeln, d. h\". um y4 Millimeter geirrt, wenn die Ebene der Nadeln senkrecht zur Gesichtslinie war. War dieselbe stark gegen die Gesichtslinie geneigt, so war die Vergleichung nicht ganz so sicher. Wenn eine Nadel uni ihre eigene Dicke, also um ya Millimeter, vor oder hinter die Ebene der andern getreten war, war dies mit vollkommener Sicherheit zu erkennen. Man kann unter diesen Umst\u00e4nden leicht berechnen, um wieviel das Bild der mittleren Nadel verglichen mit denen der beiden \u00e4usseren in dem einen Auge anders lag, als in dem andern, wenn dieselbe ya Millimeter vor der Ebene der beiden anderen sich befand. Die Distanz meiner Augen betr\u00e4gt 68 Millimeter. Auf die Ebene der beiden andern Nadeln projicirt, w\u00fcrde die Lage der mittleren Nadel in den\n1\t68 I\t,\t,\n- \u2022 5-77: = 777 Millimeter verschieden gewesen sein. Eine\n2\t340\t10\t0\nMillimeter auf 340 Mm. Distanz liegt schon an der Grenze der klein-\nbeiden Netzhautbildern\n1\nBreite von\n10\nsten sichtbaren Abst\u00e4nde. Sie entspricht einem Winkel von 60x/a Winkelsecunden, oder 0,0044 Millimeter Distanz auf der Netzhaut. Daraus folgt also, dass die Vergleichung der Netzhautbilder beider Augen zum Zweck des stereoskopischen Sehens mit derselben Genauigkeit geschieht, mit welcher die kleinsten Abst\u00e4nde von einem und demselben Auge gesehen w erd en.\nSehr kleine Unterschiede, herr\u00fchrend von der verschiedenen Brechbarkeit verschiedenfarbiger Lichtstrahlen, kommen auch zur Wirkung nach einer Bemerkung von Brewster, wenn man durch eine Convexlinse von zwei bis drei Zoll Breite nach einem rothen und einem blauen Objecte hinsieht, die in gleicher Entfernung vom Beobachter sich befinden. Dann erscheint das rothe n\u00e4her als das blaue.\nDie stereoskopische Unterscheidbarkeit der Tiefendistanzen nimmt f\u00fcr entferntere Gegenst\u00e4nde schnell ab. Das mathematische Gesetz daf\u00fcr hat eine \u00e4hnliche Form, wie das f\u00fcr die Bilder von Convexlinsen. Es sei r die Distanz des entfernteren Punktes vom Auge, o die des n\u00e4heren, und f eine Constante, von der die Genauigkeit abh\u00e4ngt, so ist die Tiefendistanz der Punkte unterscheidbar, wenn\nI I .\t/\n>\nf\nNach den eben angef\u00fchrten Messungen k\u00f6nnen wir den Werth von f gleich oder gr\u00f6sser als 240 Meter setzen. Setzen wir statt r den Abstand des Objects, statt (i den Abstand des Bildes von einer convexen Linse, deren negative Brennweite gleich f ist, so wird\n/\t/ _ /\ne\tr f\nWenn man also irgend einen Gegenstand durch eine \u00e4usserst schwache Concavlinse von 240 Meter negativer Brennweite ansehen w\u00fcrde, so w\u00fcrde das Bild des Gegenstandes an der Stelle des entferntesten Objects liegen, welches stereoskopisch noch, als vor jenem ersten liegend, erkannt werden k\u00f6nnte. Wer","page":645},{"file":"p0646.txt","language":"de","ocr_de":"646\nDRITTER ABSCHNITT. DIE I.EIIRE VON DEN CESICIITSWAHRNEUMUNGKN.\n\u00a7\u2022 30.\ndaran gew\u00f6hnt ist, die Lage der Linsenbilder zu \u00fcbersehen, wird hierdurch gleich erkennen, dass in der Entfernung nur\u201c sehr grosse Tiefendimensionen, iu der N\u00e4he dagegen sehr kleine erkannt werden k\u00f6nnen.\nDie Gr\u00f6sse f in dieser Formel bezeichnet die weiteste Distanz, in welcher ein Object stereoskopisch noch von unendlich weit dahinter gelegenen Gegenst\u00e4nden unterschieden werden kann.\nUeber die Energie, mit welcher die stereoskopische Vergleichung der Netzhautbilder die Vorstellung verschiedener Entfernung giebt, im Vergleich mit den \u00fcbrigen Hilfsmitteln des Sehens, ist namentlich eine Ab\u00e4nderung des Stereoskops, das Pseudoskop, lehrreich. Dieses Instrument ist dazu bestimmt, die bino\u00e7ularen Bilder wirklicher Gegenst\u00e4nde so zu ver\u00e4ndern, dass man falsche stereoskopische Reliefs davon erh\u00e4lt. Das Pseudoskop von Wheatstone enth\u00e4lt zwei rechtwinkelige Glasprismen, deren Kanten rechtwinkelig zur Visir-ebene gestellt sind, und durch welche der Beobachter in einer ihrer Hypotenusen-ll\u00e4che parallelen Richtung hindurchblickt. Es ist oben auf Seite 476 und in Fig. 139 schon der Gang der Strahlen in einem solchen Prisma angegeben worden. Man sieht durch ein solches Prisma Objecte, die in Richtung des ihrer Hypotenusenfl\u00e4che parallelen unabgelenkten Strahls liegen, an ihrem richtigen Orte, die rechts daneben befindlichen dagegen durch die Spiegelung nach links, die links befindlichen nach rechts verlegt. Da jedes Auge die Objecte in dieser Weise durch die Spiegelung symmetrisch umgelagert erblickt, so sind die Bilder beider Augen wieder mit einander in Uebereinstimrnung. Die beiden Prismen werden \u00fcbrigens in kurze R\u00f6hren eingesetzt, so dass ihre Hypotenusenfl\u00e4che der Axe der R\u00f6hre parallel ist. Die R\u00f6hren m\u00fcssen um ihre eigene Axe und um eine zur Visir-ebene senkrechte Axe drehbar sein, damit man die beiden Bilder in \u00fcbereinstimmende Stellung bringen kann.\nDass dabei auch das stereoskopische Relief verkehrt werden muss, l\u00e4sst sich leicht an einem einfachen Beispiele erkennen. Man denke sich als Object symmetrisch zu der Mittelebene des Kopfes gelegen einen viereckigen Balken. Beide Augen werden von diesem die vordere Fl\u00e4che sehen, das rechte auch noch etwas von der rechten Seitenfl\u00e4che, das linke etwas von der linken. Wenn man nun aber durch das Pseudoskop sieht, erscheint dem rechten Auge das, was es von der rechten Seitenfl\u00e4che sieht, links neben der vorderen Fl\u00e4che zu liegen. Das linke Auge sieht umgekehrt etwas von einer Seitenfl\u00e4che rechts von dieser. Das kann nun an einem Balken nicht Vorkommen, wohl aber an einer hohlen Rinne von viereckigem Querschnitt, welche an der dem Beobachter zugekehrten Seite ge\u00f6ffnet ist. In einer solchen w\u00fcrde das rechte Auge in der That ein verk\u00fcrztes Bild der linken Seitenfl\u00e4che sehen, das linke Auge eines der rechten. Dem entsprechend erscheint nun auch der Balken durch das Pseudoskop in der That als eine hohle Rinne. Ebenso erscheinen \u00fcberhaupt convexe K\u00f6rper als concav, n\u00e4here Gegenst\u00e4nde entfernter und so fort.\nDie pseudoskopische T\u00e4uschung gelingt \u00fcbrigens doch nur an einer kleinen Zahl von Gegenst\u00e4nden, weil ihr theils die Kenntniss der gew\u00f6hnlichen Formen, theils die Schlagschatten hindernd in den Weg treten. Ich habe schon fr\u00fcher hervorgehoben, dass die Schlagschatten immer unzweideutige Auskunft \u00fcber","page":646},{"file":"p0647.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 30.\nPSEUDOSKOP END TELESTEREOSKOP.\n647\ngewisse geometrische Verh\u00e4ltnisse geben. Der schattengebende K\u00f6rper muss immer vor der beschatteten Fl\u00e4che liegen. Wenn nun auf einer ebenen Fl\u00e4che irgend ein hervorspringender K\u00f6rper liegt, so wirft er seinen Schatten auf die Unterlage. Im Pseudoskop sollte er nun eigentlich hinter der Fl\u00e4che liegend erscheinen, als w\u00e4re er in diese eingegraben. Dann hat aber der Schlagschatten keinen Sinn und st\u00f6rt die M\u00f6glichkeit der T\u00e4uschung. Ebenso hinderlich ist es, wenn eine vorliegende Fl\u00e4che eine hinterliegende theilweise verdeckt. Dann sieht das rechte Auge an der rechten Seite der vorliegenden Fl\u00e4che etwas mehr von der hinterliegenden als das linke, und das hat ebenfalls bei der pseudoskopisehen Umkehrung keinen Sinn.\nDie K\u00f6rper, welche man pseudoskopisch sehen will, muss man deshalb im Allgemeinen frei im Raume aufstellen, vor einer entfernteren gleichm\u00e4ssig gef\u00e4rbten Wand als Hintergrund, auf die sie keinen deutlichen Schlagschatten mehr werfen k\u00f6nnen, und die keine auffallenden Merkzeichen hat, die sich selbst als Gesichtsobject darb\u00f6ten. Ferner muss man vermeiden, dass ein Theil des Objects perspectivisch einen andern Theil theilweise deckt. Passende Objecte sind zum Beispiel Cylinder von beschriebenem oder gedrucktem Papier, von Holz etc., welche wie hohle Rinnen aussehen, Cigarren, welche wie ein hohles Tabaksblatt aussehen, Medaillen, von vorn beleuchtet, welche wie Siegel vertieft erscheinen. Sehr lebhaft finde ich die T\u00e4uschung bei der pseudosko-pischen Betrachtung eines hohlen Glascylinders, der eine einge\u00e4tzte Thei-lung zur Abmessung von Fl\u00fcssigkeiten tr\u00e4gt. Ist die Theilung dem Beschauer zugekehrt, so erscheint sie durch das Pseudoskop an der abgewendeten Seite des Cylinders. Auch verticale Dr\u00e4hte oder F\u00e4den, die sich in verschiedener Entfernung vom Beobachter befinden, geben ein sehr geeignetes Object. Die n\u00e4heren erscheinen durch das Pseudoskop entfernter, die entfernteren nahe.\nWo die Bekanntschaft mit der wirklichen Form der Objecte oder der Schlagschatten hindernd entgegentritt, gelingt es oft noch durch eine lebhafte Vorstellung der pseudoskopisehen Form, wie sie erscheinen sollte, die Vorstellung derselben hervorzurufen; und wenn sie sich einmal gebildet hat, bleibt sie auch ohne M\u00fche bestehen. Andererseits kann man auch wohl wieder die Anschauung der wirklichen Form zur\u00fcckrufen, doch f\u00fchlt man sich bei dieser- durch die dazu nicht stimmenden Differenzen der beiden Netzhautbilder immer einigermassen beunruhigt und gest\u00f6rt.\nW\u00e4hrend das Pseudoskop das Relief der gesehenen Gegenst\u00e4nde umkehrt, wird es von dem Telestereoskop st\u00e4rker hervorgehoben, als es in der nat\u00fcrlichen Anschauung geschieht, und das letztere Instrument ist deshalb besonders brauchbar, um an sehr entfernten Gegenst\u00e4nden, die im nat\u00fcrlichen Sehen keine oder nur eine sehr undeutliche stereoskopische Anschauung geben, das Relief deutlicher hervorzuheben. F\u00fcr die Betrachtung sehr weit entfernter Gegenst\u00e4nde sind die menschlichen Augen nicht weit genug von einander entfernt, um zwei merklich verschiedene Bilder derselben zu geben, man muss also die Distanz der Gesichtspunkte k\u00fcnstlich vergr\u00f6ssern, um zwei hinreichend verschiedene Bilder zu erhalten. Dies geschieht im Telestereoskop mit Hilfe von","page":647},{"file":"p0648.txt","language":"de","ocr_de":"648 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEH3IUNGEN.\t\u00a7. 30.\nvier Planspiegeln, welche in Fig. 192 bei a, b, u und \u00df im Durchschnitt dargestellt sind. Die beiden Augen des Beobachters befinden sich bei r und p. Die Linien\nFig. 192.\nchar lind y\u00dfag bezeichnen den Gang der Lichtstrahlen. Die vier Spiegel sind in einem Kasten, dessen W\u00e4nde im Durchschnitt dargestellt sind, so befestigt, dass sie kleine Drehungen erlauben, um die Bilder zur Coincidenz zu bringen. Es gen\u00fcgt, wenn die Spiegel a und \u00ab rechtwinkelig zu einander und zur Basis des Kastens befestigt sind, dass der Spiegel \u00df mittels einer Stellschraube um eine horizontale, und der Spiegel b durch eine andere Schraube um eine verticale Axe gedreht werden kann. Um ein grosses Gesichtsfeld zu haben, muss man die \u00e4usseren Spiegel m\u00f6glichst gross machen.\nWenn r, den Ort des Spiegelbildes bezeichnet, welches das System der beiden Spiegel a und b vom Auge r entwirft, und ebenso pt das Spiegelbild von p, entworfen durch die Spiegel a und \u00df, so sieht das Auge r mittels der beiden Spiegel die vorliegende Landschaft so, wie sie einem in rt befindlichen Auge ohne die Spiegel erscheinen w\u00fcrde; und das Auge p sieht die Landschaft, wie sie von Pl aus erscheint. Da nun die Punkte r, und p, viel weiter auseinanderliegen als die wirklichen Augen r und p, so sind auch die Differenzen der beiden Bilder der Landschaft, wie sie von ?'j und o, aus gesehen erscheinen w\u00fcrde, viel gr\u00f6sser, als die nat\u00fcrlichen Differenzen in beiden Augen, und demgem\u00e4ss erscheint nun auch das stereoskopische Belief der entfernten Objecte, namentlich entfernter Bergz\u00fcge und Terrainformen, viel deutlicher als dem blossen Auge. Wenn die Spiegel so gestellt sind, dass unendlich entfernte Objecte durch das Telestereoskop mit parallelen Gesichtslinien gesehen werden, so erh\u00e4lt die Landschaft dadurch das Ansehen, als wenn der Beobachter nicht die nat\u00fcrliche Landschaft, sondern ein sehr zierliches und genaues Modell derselben vor sich hatte, welches im Verh\u00e4ltniss der Distanzen rlul : rp (Fig. 192) verkleinert ist,","page":648},{"file":"p0649.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 30.\nBEURTHEILUNG DER ABSOLUTEN ENTFERNUNG.\n649\nEtwas \u00e4hnliches wie das Telestereoskop leisten auch die meisten stereoskopischen Photographien von Landschaften, weil in der Regel der Abstand der beiden Gesichtspunkte auch bei der photographischen Aufnahme viel gr\u00f6sser gew\u00e4hlt wird, als die nat\u00fcrliche Distanz der Augen. Andererseits k\u00f6nnen mittels der Photographie stereoskopische Bilder selbst von Himmelsk\u00f6rpern, namentlich sch\u00f6n vom Monde, erhalten werden, wenn man zwei zu verschiedenen Zeiten aufgenornmene Bilder combinirt, wobei die betreffenden Gestirne der Erde etwas verschiedene Seiten zugewendet haben. Obgleich der Mond der Erde im Ganzen fortdauernd dieselbe Seite zukehrt, so kommen doch kleine Schwankungen in seiner Stellung vor, welche es m\u00f6glich machen von ihm stereoskopische Bilder zu erhalten, wenn man ihn in zwei verschiedenen Monaten photographirt, in solchen Augenblicken, wo die Beleuchtung desselben durch die Sonne genau dieselbe war. Solche Photographien geben nicht blos die Kugelgestalt unseres Trabanten deutlich wieder, sondern auch einzelnes von dem Relief seiner Ringgebirge.\nDie Beurtheilung der absoluten Entfernung eines zwei\u00e4ugig gesehenen Objects w\u00fcrde, wenn alle andern Mittel der Sch\u00e4tzung fehlen, vollzogen werden k\u00f6nnen mittels des Gef\u00fchls f\u00fcr den Grad der Convergenz, in die unsere auf das Object gerichteten Blicklinien sich stellen. Doch ist dieses Gef\u00fchl ziemlich unsicher und ungenau, und wir sind in dieser Beziehung unter Umst\u00e4nden ziemlich bedeutenden T\u00e4uschungen ausgesetzt.\nUm zun\u00e4chst zu erweisen, dass wir in der That die absolute Entfernung der gesehenen Objecte und demgem\u00e4ss auch ihre Gr\u00f6sse nach der Convergenz der Blicklinien beurtheilen, so lange nicht andere hindernde Umst\u00e4nde dazwischentreten, dient der von Wheatstone angegebene Versuch. Dieser hatte sich sein Spiegelstereoskop so einrichten lassen, dass erstens die beiden Bilder den Spiegeln gen\u00e4hert und von ihnen entfernt werden konnten. Die parallelen W\u00e4nde, an welchen die Bilder aufgestellt sind, sind auf Schlitten verschiebbar, die beiden Arme des Stereoskops aber drehbar um eine feste Axe, welche zwischen den Spiegeln liegt. Je n\u00e4her die beiden Bilder den Spiegeln gebracht werden, desto gr\u00f6sser werden die beiden Retinabilder ohne Ver\u00e4nderung der Convergenz. Dabei nimmt die scheinbare Gr\u00f6sse des gesehenen Objects zu, ohne Ver\u00e4nderung seiner scheinbaren Entfernung. L\u00e4sst man dagegen die Bilder an den Armen des Instruments unverr\u00fcckt, dreht aber die Spiegel um ihre mittlere Axe, so \u00e4ndert sich die Convergenz, w\u00e4hrend die Gr\u00f6sse des Netzhautbildes unver\u00e4ndert bleibt. Dabei vermindern sich scheinbare Gr\u00f6sse und Entfernung des gesehenen Objects, wenn die Convergenz zunimmt.\nAehnliche Verkleinerung und Vergr\u00f6sserung der Objecte l\u00e4sst sich auch an jedem Paar stereoskopischer Zeichnungen beobachten, die man entweder mit blossen Augen oder mit dem Linsenstereoskope vereinigt, wenn man die Zeichnungen einander n\u00e4hert oder von einander entfernt. Einen Apparat, um die n\u00f6thigen Messungen hierbei anstellen zu k\u00f6nnen, hat H. Meyer1 angegeben.\nWendt hat directe Versuche angestellt \u00fcber die Sch\u00e4tzung der Entfernung\n1 PoggendorfTs Annalen. LXXXV, S. 198 \u2014 207.","page":649},{"file":"p0650.txt","language":"de","ocr_de":"650 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7.30.\nnach dem Grade der Convergenz. Er blickte dabei nach einem schwarzen verticalen Faden, der vor einem entfernteren gleichm\u00e4ssig weissen Grunde sich abzeichnete, und zwar blickte er durch einen horizontalen gegen den Faden hin etwas r\u00f6hrenf\u00f6rmig verl\u00e4ngerten Schlitz mit beiden Augen, so dass er nur den mittleren Theil des Fadens, nicht seine Enden sah, und auch von den seitlich gelegenen Gegenst\u00e4nden nichts, was ihm als Maasstab der Entfernung h\u00e4tte dienen k\u00f6nnen. Der Faden war an einem horizontal in der Medianebene des Beobachters ausgespannten Drahte aufgeh\u00e4ngt und verschiebbar. Zun\u00e4chst suchte er die absolute Entfernung zu beurtheilen, und zu vergleichen mit der L\u00e4nge eines in der Hand gehaltenen Maasstabes. Die Resultate in Centimeter angegeben, waren folgende:\nWirkliche Entfernung 180 160 HO 120 100 90 80 70 50 40\nIn allen diesen F\u00e4llen ist die gesch\u00e4tzte Entfernung kleiner gewesen, als die wirkliche. Ich habe eine \u00e4hnliche Versuchsreihe nach etwas abge\u00e4ndertem Plane und mit dem entgegengesetzten Erfolge gemacht. Dicht vor das Gesicht in die Medianebene hielt ich ein Blatt steifen Papiers und blickte nach einem vertical herabh\u00e4ngenden Faden. Das Papier verdeckte dem rechten Auge alles, was sich links in einigem Abstande\tneben\tdem Faden\tbefand,\tdem linken Auge,\nwas sich rechts neben dem Faden\tbefand.\tN\u00e4herte\tich\tnun\tvon der rechten\nSeite her einen Bleistift dem Faden,\tso sah\tich diesen\tnur\tmit\tdem rechten Auge,\nnicht mit beiden. Ich versuchte dann mit\tdem Bleistift\tden\tFaden zu treffen,\nindem ich Hin schnell vorschob. Dann ging aber immer der Bleistift hinter dem Faden vorbei. Oeffnete ich die vorher geschlossenen Augen, nachdem ich meine Stellung ver\u00e4ndert hatte, richtete sie auf den Faden und versuchte dann schnell ihn in der angegebenen Weise zu treffen, so war die Entfernung zwischen Bleistift und Faden gering. Wartete ich l\u00e4nger, indem ich fortdauernd den Faden fixirte, so wurde der Fehler immer gr\u00f6sser, wohl wegen steigender Erm\u00fcdung der inneren Augenmuskeln.\nSehr viel genauer war die Perception der Entfernungs\u00e4nderung, wenn bei Wundt\u2019s Versuchen der Faden gen\u00e4hert oder entfernt wurde. Die kleinsten wahrnehmbaren Unterschiede waren hierbei in Centimetern:\nGesch\u00e4tzte Entfernung.\n120\n92\n78\n58\n48\n47\n47\n37\n22\n2\u00f6","page":650},{"file":"p0651.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 30.\nBKURTHEILUNG DEIl ABSOLUTEN ENTFERNUNG.\n651\nE n t f e rnung des Fadens vorn Auge\nI 80 170 160 150 130 110 80 70 50\nUnterscheid uligsgrenze\nf\u00fcr Ann\u00e4herung 3,5\nf\u00fcr Entfernung.\n5\n3\n3\n3\n\"3\n4\n3\n3\n3\n2\n1,5\n1\n2\n2\n1,5\n1\nBei 180 Centimeter Entfernung ist jedes Auge um 1\u00b0 1' nach innen gewendet, und eine Ann\u00e4herung des Fadens um 3,5 Centimeter entspricht einer Verschiebung jedes einzelnen Netzhautbildes um 72 Winkelsecunden. Diese Gr\u00f6sse ist schon an der Grenze des durch das Auge Unterscheidbaren. Bei den geringeren Abst\u00e4nden des Fadens werden dagegen erst gr\u00f6ssere Winkelverschiebungen bemerkt; bei 50 Centimeter Abstand eine solche von 263 Secunden.\nUebrigens bleibt es bei diesen Versuchen wohl noch zweifelhaft, ob die beiden Augen dem Faden gefolgt und das Netzhautbild auf der Netzhaut ruhend geblieben ist, oder ob die Augen festgehalten wurden und die Verschiebung des Netzhautbildes bemerkt wurde. Die geringere Genauigkeit bei den st\u00e4rkeren Convergenzen w\u00fcrde dann daraus zu erkl\u00e4ren sein, dass bei vorhandener Con-vergenzanstrengung die Lage des Augapfels schwerer festzuhalten ist, als bei unangestrengter Parallelstellung.\nDie Unvollkommenheit in der Beurtheilung der Entfernung des Fixationspunktes zeigt sich auch, wenn wir bei geschlossenen Augen einen Bleistift in einiger Entfernung vor unserem Gesicht halten und die Augen hinter den Augenlidern auf denselben hinzurichten suchen, so dass wir ihn fixiren, wenn wir bei unver\u00e4nderter Augenstellung die Augen \u00f6ffnen. Meist sind sie dann zu wenig convergent gestellt, und man sieht den Bleistift doppelt, wenn man sie \u00f6ffnet. Doch gelingt es viel besser sie richtig einzustellen, wie ich schon oben bemerkt habe, wenn man die Spitze des Bleistifts betastet und daran mit der Fingerspitze reibt. Man erh\u00e4lt dann eine deutlichere sinnliche Vorstellung von seinem Orte, und dann gelingt es mir gew\u00f6hnlich die geschlossenen Augen so darauf zu richten, dass ich beim Oeffnen derselben keine Doppelbilder sehe.\nDie Unsicherheit, mit der wir den absoluten Grad der Convergenz beurtheilen und danach die absolute Entfernung des fixirten Objects, macht sich in vielen F\u00e4llen merklich. Wenn man zum Beispiel ein Blatt Papier, auf dem stereoskopische Bilder gezeichnet sind, in der Hand h\u00e4lt und die Bilder combinirt, so erscheinen dieselben der Regel nach auf oder nahe vor der Fl\u00e4che des Papiers, dessen Ort wir kennen, zu liegen, w\u00e4hrend doch die parallel oder nahe parallel gestellten Blicklinien sich erst in sehr grosser Entfernung hinter dem Papiere schneiden sollten, und dort der scheinbare Ort des k\u00f6rperlich erscheinenden Objects sein sollte. Ebenso gelingt es in der Regel nicht, negative Nachbilder eines hellen Objects zu einer k\u00f6rperlichen Anschauung zu combi-","page":651},{"file":"p0652.txt","language":"de","ocr_de":"652\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GES1CHTSWAHRNEHJIUNGEN.\n\u00a7\u2022 30.\nniren ; sondern sie erscheinen auf die Oberfl\u00e4che desjenigen reellen Objects, auf welches die Augen gerade gerichtet sind, projicirt zu sein. Zuweilen indessen, wenn die Nachbilder recht scharf und deutlich sind, und wenn die vorliegende reelle Oberfl\u00e4che keine hervortretende Zeichnung hat, gelingt es auch wohl das Nachbild mit k\u00f6rperlichen Dimensionen und selbst\u00e4ndiger Lage im Raume zu erkennen.\nAuch wenn man stereoskopische Zeichnungen im Stereoskop combinirt, wo man ausser ihnen keinen andern Gegenstand sieht, mit dem inan die absolute Entfernung des erscheinenden Raumbildes vergleichen k\u00f6nnte, ist man ziemlich unsicher \u00fcber die absolute Entfernung desselben; und wenn man die Lage des scheinbar gesehenen Objects mit der Hand ausserhalb des Kastens zu bezeichnen sucht, begeht man \u00e4hnliche Fehler, wie Wundt sie bei der Sch\u00e4tzung der Entfernung des zwei\u00e4ugig gesehenen Fadens fand. Blickt man dann abwechselnd \u00fcber dem Instrumente hinweg und durch dasselbe, so kann man leicht die Lage der Hand mit der des stereoskopischen Raumbildes vergleichen und den Fehler sch\u00e4tzen, den man gemacht hat. Auch hierbei finde ich, wie Wundt, dass ich meist geneigt bin, das Raumbild f\u00fcr n\u00e4her zu halten, als es ist. Sehr viel besser als mit der nach dem Gef\u00fchl bestimmten Lage der nicht gesehenen Hand pflegt dagegen die Vergleichung mit ein\u00e4ugig rechts und links vom Stereoskop gesehenen Objecten zu gelingen. Die K\u00e4sten der BREW'STER\u2019sehen Stereoskope sind meistens nicht so breit, dass man nicht mit dem rechten Auge einige von den rechts liegenden reellen Objecten, mit. dem linken links liegende sehen k\u00f6nnte, deren Entfernung und Gr\u00f6sse bekannt ist. Trotzdem man diese nur ein\u00e4ugig sieht, und trotzdem die Entfernung des stereoskopischen Raumbildes nur durch das zwei\u00e4ugige Sehen bestimmt wird, macht man meist ziemlich genaue Bestimmungen, die nicht viel ge\u00e4ndert werden, wenn man nachher das Rauinbild mit zwei\u00e4ugig \u00fcber oder unter dem Stereoskop gesehenen reellen Objecten vergleicht.\nDieses letztere Verfahren zeigt, dass die Beurtheilung der Entfernung nach der Convergenz der Gesichtslinien unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden und wenn sie durch keinerlei beirrende Einfl\u00fcsse gest\u00f6rt wird, ziemlich gute Resultate giebt. Aber es ist eines derjenigen Momente der Beurtheilung, welches leicht \u00dcberwegen wird durch andere, die ihm widersprechen, wie in dem vorher citirten Beispiele der Bilder, die sich auf eine Fl\u00e4che von bekannter Entfernung pro-jiciren.\nAuch die sogenannten Tapetenbilder1 zeigen unzweideutig den Einfluss der Convergenz. Wenn man n\u00e4mlich nach einer Tapete, deren Muster sich gleichm\u00e4ssig wiederholt, mit convergenten Blicklinien hinsieht, so gelingt es bei gewissen Graden der Convergenz entsprechende Theile des Musters zur Deckung zu bringen, entweder das erste mit dem benachbarten zweiten, oder auch das erste mit dem dritten oder vierten. Man sieht alsdann ein verkleinertes Bild der Tapete, welches, dem Beobachter n\u00e4her, scheinbar in der Luft schwebt, desto n\u00e4her und kleiner, je gr\u00f6sser die Convergenz ist. Wenn hierbei\n1 II. Meyer in Roser und Wunderlich Archiv. 1842. Bd. 1. \u2014 D. Brewster in Philos. Matjaz. XXX, 306.","page":652},{"file":"p0653.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nBEURTHEILUNG DER ABSOLUTEN ENTFERNUNG.\n653\njeder Theil des Musters sich mit n\u00e4chstbenachbarten gleichen deckt, ist das Bild nicht so klein und nah, als wenn er sich mit dem dritten oder vierten gleichen deckt.\nDahin geh\u00f6rt auch der Fall, wo stereoskopische Bilder vereinigt werden, deren correspondirende Punkte weiter von einander entfernt sind als die Mittelpunkte der Augen, die also nur bei divergenter Richtung der Blicklinien vereinigt werden k\u00f6nnen. Beobachter, welche wenig in der Erzeugung divergenter Augenstellungen ge\u00fcbt sind, erreichen dies am besten, wenn sie zwei zusammengeh\u00f6rige stereoskopische Zeichnungen auseinander schneiden, sie dann in ein gew\u00f6hnliches Stereoskop einlegen und sie nun langsam von einander entfernen, w\u00e4hrend sie sie fortdauernd vereinigt zu sehen suchen. Oder man zeichnet, wie Rollet 1 und Becker tliaten, unter einander auf einem Papier eine Reihe von stereoskopischen Figuren, die einander einzeln congruent sind, aber immer weiter auseinander r\u00fccken. Die genannten Beobachter haben eine Reihe von Figuren gegeben, deren jede einzelne einen gr\u00f6sseren Kreis, vor dessen Fl\u00e4che ein kleinerer liegt, stereoskopisch darstellen. Die Mittelpunkte der kleinen Kreise des n\u00e4chstfolgenden Paars sind immer so weit von einander entfernt, wie die der grossen des vorausgehenden Paars. Hat man also die letzteren vereinigt, so vereinigen sich auch die kleinen Kreise des n\u00e4chsten Paars von selbst; von denen gelangt man zur Vereinigung der grossen dieses selben Paars, von diesen zur Vereinigung der kleinen eines dritten Paars und so fort. Die Mittelpunkte des ersten Paars kleiner Kreise sind 44 Millimeter distant, die der letzten grossen 93 Millimeter, und doch kann ich bei einer Augendistanz von 68 Millimeter auch die letzteren in 30 Centimeter Abstand vereinigen.\nIn solchen F\u00e4llen k\u00f6nnen sich die Blicklinien nun in gar keinem Punkte des vor uns gelegenen Raums schneiden, sondern nur hinter unserem Kopfe, und dennoch glauben wir ebenso gut, wie bei richtiger Distanz der Bilder, ein stereoskopisches Raumbild vor uns zu haben. H\u00f6chstens werden wir durch das Gef\u00fchl ungew\u00f6hnlicher Anstrengung unserer Augen benachrichtigt, dass dieselben eine ungew\u00f6hnliche Stellung haben. Und wenn wir ein stereoskopisches Raumbild, welches mit divergenten Sehaxeu betrachtet wird, vergleichen mit reellen sehr entfernten Objecten, die \u00fcber dem Stereoskop sichtbar sind, einer weit entfernten Bergkette zum Beispiel, so erscheint uns jenes Raumbild nur eben noch sehr viel weiter entfernt, als die entferntesten reellen Objecte.\nAuch wenn wir reelle ferne Objecte durch zwei Prismen ansehen, von etwa vier Grad brechendem Winkel, deren brechende Kanten nach aussen gekehrt sind, so m\u00fcssen wir sie mit divergenten Gesichtslinien betrachten, und sie erscheinen uns wohl etwas entfernter, als mit blossen Augen, im Ganzen aber doch nicht viel anders. Das unendlich Entfernte macht sich in unseren Gesichtsanschauungen eben nicht geltend als eine Grenze, die nicht \u00fcberschritten werden k\u00f6nnte. Abnehmende Convergenz der Gesichtslinien ist f\u00fcr uns Zeichen wachsender Entfernung des Objects. Diesem Zeichen gem\u00e4ss urtheilen wir\n1 Wiener Sitzungsberichte. 10. Mai i861. \u00dfd. XLIII. \u2014 Combination bei divergenten Gesichtslinien auch schon fr\u00fcher ausgef\u00fchrt durch Burckhardt in Verhandl. d. naturforsch. Ges. zu Basel. I, 145.","page":653},{"file":"p0654.txt","language":"de","ocr_de":"654 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 30.\nauch, wenn die Convergenz bis zu negativen Werthen abnimmt, obgleich dann kein vor uns liegender reeller Raumpunkt solcher Convergenz mehr entspricht. Selbst wenn wir durch das Gef\u00fchl mehr oder weniger sicher wahrnehmen sollten, dass wir mit einer Augenstellung sehen, die bei der normalen Betrachtung wirklicher Objecte nie vorgekommen ist, so w\u00fcrden wir den Eindruck nach der Regel, der wir bei abnormen Sinneseindr\u00fccken zu folgen pflegen, doch immer nur vergleichen k\u00f6nnen demjenigen, welcher ihm am \u00e4hnlichsten ist und sich nur durch geringere Convergenz der Gesichtslinien davon unterscheidet, dem Eindruck weit entfernter reeller Objecte auf das Auge.\nWegen der Unvollkommenheit, mit der wir den Grad der Convergenz be-urtheilen, k\u00f6nnen nun auch T\u00e4uschungen in der Beurtheilung der zwei\u00e4ugig gesehenen Raumformen Vorkommen, indem wir eine Interpretation der Gesichtserscheinungen machen, welche f\u00fcr eine andere Convergenz passend w\u00e4re, aber nicht f\u00fcr die wirklich stattflndende richtig ist. Am auffallendsten ist dies an solchen Gegenst\u00e4nden, deren Netzhautbilder bei verschiedenen Graden der Convergenz gleich guten Sinn haben w\u00fcrden. Man befestige zum Beispiel an einem hoch \u00fcber und vor unserem Auge gelegenen horizontalen Querbalken in einigen Zollen Entfernung von einander drei N\u00e4gel, h\u00e4nge an diesen drei feine schwarze Seidenf\u00e4den mittels loser weiter Schleifen auf und spanne sie durch kleine Gewichte. Zun\u00e4chst richte man die F\u00e4den so, dass alle drei in einer Ebene h\u00e4ngen. Dann setze man sich gerade vor die F\u00e4den um Armesl\u00e4nge von ihnen entfernt, so dass der mittlere in der Medianebene des Gesichtes liegt und die Ebene der F\u00e4den senkrecht zu dieser Medianebene sei. Hinter den F\u00e4den muss sich in gr\u00f6sserer Entfernung ein gleiclim\u00e4ssig gef\u00e4rbter Grund ohne besonders markirte Punkte befinden. Man betrachte die F\u00e4den aufmerksam, ob sie wohl wirklich in einer Ebene zu liegen scheinen; es zeigt sich dann, dass der mittlere scheinbar vor der Ebene der beiden andern sich befindet, desto mehr je n\u00e4her man das Gesicht den F\u00e4den bringt. Nun schiebe man den mittleren Faden etwas zur\u00fcck, so dass die F\u00e4den in einer gegen den Beobachter concaven Cylinderfl\u00e4che liegen, und setze sich wieder davor. Betrachtet man sie nun aus gr\u00f6sserer Entfernung, so erscheinen sie in einer gegen den Beobachter concaven Fl\u00e4che zu liegen; n\u00e4hert man sich mehr, so wird diese eben, endlich bei noch gr\u00f6sserer Ann\u00e4herung tritt der mittlere Faden, obgleich er hinter der Ebene der beiden andern liegt, scheinbar vor die Ebene der beiden andern nach vorn heraus. Die Entfernung, aus der die F\u00e4den als eine Ebene erscheinen, ist f\u00fcr verschiedene Beobachter sehr verschieden. Herr E. Hering, der diesen Versuch durch Anwendung von F\u00e4den verbessert hat, nachdem ich ihn schon zuvor mit Nadeln in der oben beschriebenen Weise ausgef\u00fchrt hatte, findet, dass er sich um die ganze L\u00e4nge des Durchmessers des durch die F\u00e4den zu legenden geraden kreisf\u00f6rmigen Cylinders entfernen m\u00fcsse, um die F\u00e4den in einer Ebene zu sehen, und bringt dies mit seiner Horoptertheorie in Zusammenhang, wovon weiter unten mehr. Ich selbst sehe aus einer solchen Entfernung die Fl\u00e4che der F\u00e4den noch deutlich concav gegen mich hin, ebenso die Herren Dr. Berthold, Dr. Bernstein und Dr. Dastich, die in meinem Laboratorium dar\u00fcber Versuche anstellten. Die Herren Berthold und Dastich mussten","page":654},{"file":"p0655.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nBEURTHE1LUNG DER ABSOLUTEN ENTFERNUNG.\n655\nsich bis etwa zur H\u00e4lfte jenes Durchmessers n\u00e4hern, ich selbst noch mehr, n\u00e4mlich auf etwa 3/10, ehe ich die F\u00e4den in einer Ebene erblickte; am n\u00e4chsten musste Herr Dr. Bernstein herangehen. Das Verh\u00e4ltniss blieb f\u00fcr verschiedene Entfernungen der F\u00e4den von einander und f\u00fcr verschiedene Abst\u00e4nde des mittleren Fadens von der Ebene der beiden andern ziemlich dasselbe, so dass Herr Dr. Berthold die F\u00e4den immer dann nahehin eben sah, wenn seine Nasenwurzel etwa in der Axe des Cylinders sich befand, der durch die F\u00e4den zu legen ist, ich selbst aber immer bis nahe, aber nicht ganz zur Mitte des Radius, oder bis auf ein Viertel des Durchmessers herangehen musste.\nDabei zeigte sich auch ein Einfluss der Erm\u00fcdung der Augen, indem n\u00e4mlich beim ersten Uebergang aus paralleler Richtung zur Convergenz auf die F\u00e4den der Fehler in der Beurtlieilung ihrer Lage kleiner ausf\u00e4llt, und man n\u00e4her heran zu gehen geneigt ist, um sie eben zu sehen. Bei l\u00e4nger andauernder Convergenz aber tritt dann der mittlere Faden etwras vor, und man muss wieder weiter zur\u00fcckgehen.\nHier sind einige Beobachtungsresultate f\u00fcr mein Auge bei l\u00e4ngerer Betrachtung erhalten; die Maasse sind Millimeter:\nAbstand der beiden\tAbstand des mitt-\tDurchmesser\tDistanz, von der\tDistanz in\n\u00e4usseren F\u00e4den von\tleren von der Ebene\tdes\tich die F\u00e4den in\tTheilen des\neinander\tder beiden andern\tCylinders\teiner Ebene sah\tDurchmessers\n256\t1 0,5\t1 57 1\t450\t0,286\n256\t6\t2737\t730\t0,267 -\n117\t4,2\t819\t237\t0,289\n117\t8,1\t429\t129\t0,301\n120\t2\t1802\t550\t0,305\nDie T\u00e4uschung bei diesen Versuchen erkl\u00e4rt sich aus der oben bemerkten Thatsache, dass, w'enn wir nur nach dev Convergenz der Gesichtslinien die Entfernung beurtheilen, wir dieselbe gew\u00f6hnlich f\u00fcr kleiner halten, als sie wirklich ist, und sie \u00fcberhaupt unsicher beurtheilen.\nWenn wir nun auf eine senkrechte durch senkrechte parallele Linien ein-getheilte Ebene blicken, so erscheinen die nach rechts hin gelegenen Streifen derselben dem rechten Auge unter gr\u00f6sserem Gesichtswinkel als dem linken, weil sie erstens jenem Auge n\u00e4her sind, und weil zweitens seine Gesichtslinie die genannten Streifen unter einem weniger spitzen Winkel trifft, als die des linken Auges. Umgekehrt erscheinen die nach links gelegenen Streifen dem linken Auge breiter, als dem rechten. Je n\u00e4her die Augen der besagten Ebene kommen, desto gr\u00f6sser werden die Differenzen der Gesichtswinkel f\u00fcr den gleichen Streifen. Um nun entscheiden zu k\u00f6nnen, ob die wahrgenommenen Differenzen dieser Art der Projection einer ebenen Fl\u00e4che oder einer gekr\u00fcmmten angeh\u00f6ren, m\u00fcsste man die Entfernung des Objects nach der Convergenz der Gesichtslinien sehr genau sch\u00e4tzen k\u00f6nnen. Denn die gleichen Differenzen der beiderseitigen Bilder w\u00fcrde auch ein entfernteres Object zeigen k\u00f6nnen, wenn es gegen den Beobachter convex w\u00e4re, oder ein n\u00e4heres, wenn es gegen den Beobachter concav w\u00e4re. Dass wir nun das gesehene zwei\u00e4ugige Bild bei den beschriebenen Versuchen so interpretiren, als geh\u00f6rte es einem entfernteren","page":655},{"file":"p0656.txt","language":"de","ocr_de":"656\nDRITTER ABSCHNITT. DIF, LEHRE VON DEN G ESICHTS W AIIRN EI1MUN G EN.\n\u00a7. 30.\nObjecte an, r\u00fchrt, wie ich glaube, nicht oder wenigstens nicht allein davon her, dass wir die Entfernung des Objects unter \u00e4hnlichen Umst\u00e4nden meist als zu gross sch\u00e4tzen, wie die oben beschriebenen Versuche bei dem Zielen mit dem ein\u00e4ugig gesehenen Bleistift auf den zwei\u00e4ugig gesehenen Faden zeigen; denn in der That m\u00fcsste der Irrthum \u00fcber die Entfernung gr\u00f6sser sein, als er wirklich sich bei jenen Versuchen herausstellt, wenn er die gleiche Aenderung in der scheinbaren Form des Raumbildes geben sollte. So w\u00fcrden wir in dem ersten Falle der auf Seite 633 gegebenen Beobachtungen die Entfernung auf 627 Millimeter statt auf 430, in dem dritten auf 330 statt auf 237 sch\u00e4tzen m\u00fcssen. So gross habe ich die Irrth\u00fcmer nie gefunden. Ich glaube vielmehr, dass wir hier eine falsche Auslegung machen, weil ein anderer Umstand wegf\u00e4llt, der sonst unser Urtheil unterst\u00fctzt. Wenn wir n\u00e4mlich nicht blos gleich-massig fortlaufende gerade Linien in \u00e4hnlicher Lage wie die F\u00e4den bei dem zuletzt beschriebenen Versuche vor Augen haben, sondern Linien, welche deutlich sichtbare Merkpunkte darbieten, oder Objecte, an denen auch horizontale Grenzlinien Vorkommen, so erscheinen uns die verticalen L\u00e4ngen, welche dem rechten Auge n\u00e4her liegen, unter gr\u00f6sserem Gesichtswinkel, als dem linken Auge und umgekehrt.\nDass diese Unterschiede in den verticalen Dimensionen f\u00fcr beide Augen in Betracht kommen, zeigt evident die Vergleichung der stereoskopischen Figuren auf Taf. VI A und B. Das Figurenpaar A zeigt die beiden Projectionen einer nahe vor dem Gesicht befindlichen, schachbrettartig gemusterten Ebene und erscheint als Ebene. Das Paar B dagegen zeigt die beiden Projectionen einer schachbrettartig gemusterten, weit entfernten und eylindrisch gekr\u00fcmmten Fl\u00e4che und erscheint als solche. Nun sind die verticalen Linien in dem einen Paar Zeichnungen genau so weit von einander entfernt, wie die entsprechenden verticalen Linien in dem andern Paare von Zeichnungen. Wenn also die scheinbare Kr\u00fcmmung nur von der gegenseitigen Lage der verticalen Linien abhinge, wie man bisher meist vorausgesetzt hat1, so m\u00fcssten beide Zeichnungen genau dieselbe Fl\u00e4chenkr\u00fcmmung darbieten. An und f\u00fcr sich entspricht die relative Lage der verticalen Linien aber ebenso gut einem nahe liegenden ebenen, wie einem entfernteren convexen Schachbrett, und erst die F\u00fchrung der queren Linien giebt f\u00fcr die eine oder andere Deutung den Ausschlag. Umgekehrt sind in Taf. VI Fig. C die horizontalen Distanzen der Verticallinien \u00fcberall gleich gross, die begrenzenden Ouerlinien aber gekr\u00fcmmt und am \u00e4ussern Rande der Figuren weiter von einander entfernt, als am innern, wTie es in den Bildern einer nahen concaven Fl\u00e4che der Fall sein w\u00fcrde. Aus der Combination beider Zeichnungen entsteht auch wirklich das binoculare Bild einer gegen den Beobachter concaven Fl\u00e4che, trotz paralleler Stellung der Blicklinien, die einem nahen Objecte nicht entspricht. Wenn wir hier nur nach den Unterschieden in horizontaler Richtung urtheilen wollten, die ganz fehlen, so m\u00fcsste C als ein ebenes Schachbrett erscheinen. Die unpassende Convergenz st\u00f6rt hier ebenso wenig, wie bei der Betrachtung der Doppelzeichnung A Taf. VI, wo wir urtheilen,\n1 Und wie es namentlich Herr E. Hering als Grundgesetz des binocularen Sehens ausgesprochen hat.","page":656},{"file":"p0657.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 30.\nEINFLUSS DER VERTICALEN DIFFERENZEN.\n657\ndass wir eine nahe ebene Fl\u00e4che vor uns haben, trotzdem die dazu n\u00f6thige Konvergenz fehlt. Die Aehnlichkeit der beiden Bilder A mit denen einer nahen Ebene entscheidet unsere Deutung trotz des Gef\u00fchls unpassender Convergenz.\nWenn man nun die Bilder so w\u00e4hlt, dass Verschiedenheiten in den verticalen Dimensionen f\u00fcr beide Augen gar nicht Vorkommen k\u00f6nnen, also zum Beispiel wie in dem oben besprochenen Versuche drei verticale F\u00e4den, ganz gleichm\u00e4ssig fortlaufend und ohne Merkpunkte, betrachtet, so fallt ein Theil derjenigen Zeichen fort, an denen wir sonst die N\u00e4he der Bilder erkennen. Die Differenzen, welche die horizontalen Abst\u00e4nde der F\u00e4den in den beiden Netzhautbildern zeigen, sind nicht begleitet von den sonst immer gleichzeitig vorkommenden entsprechenden verticalen Differenzen, oder wenigstens sind letztere nicht wahrnehmbar, und da wir in der Beurtheilung der N\u00e4he durch Convergenz nicht sehr sicher sind, so beurtheilen wir die drei F\u00e4den wie ein Object, welches etwas ferner ist, und an dem alsdann die vorhandenen Differenzen der horizontalen Dimensionen nur Vorkommen k\u00f6nnen, wenn es gegen den Beobachter convex ist.\nDa bei verschiedenen Individuen die Sicherheit der Beurtheilung der Entfernung durch Convergenz sehr verschieden ist, so erkl\u00e4rt es sich, dass die T\u00e4uschung an den drei verticalen F\u00e4den bei verschiedenen Individuen sehr verschiedenes Maass hat. Bei Herrn E. Hering ist die T\u00e4uschung am meisten entwickelt; bei demselben scheint aber auch die Beurtheilung der Entfernung nach der Convergenz der Gesichtslinien besonders unvollkommen zu sein, da Cr sie nach seinen eigenen Beobachtungen ganz zu l\u00e4ugnen geneigt ist.\nZur Pr\u00fcfung der gegebenen Erkl\u00e4rung habe ich auf die drei schwarzen F\u00e4den kleine Goldperlen aufgezogen und dieselben in Zwischenr\u00e4umen von etwa vier Centimeter von einander befestigt. Sie dienten als Merkpunkte an den F\u00e4den, die auch im indirecten Sehen deutlich sichtbar waren. Die oben beschriebene T\u00e4uschung war danach bis auf einen geringen Rest geschwunden. W\u00e4hrend ich hei drei ganz schwarzen F\u00e4den, deren \u00e4ussere 256 Millimeter von einander entfernt waren, und die aus 450 Millimeter Entfernung betrachtet wurden, den mittleren 10,5 Millimeter hatte zur\u00fcckschieben m\u00fcssen, um sie eben zu sehen, brauchte ich ihn nach Anbringung der Perlen nur 2 Millimeter zur\u00fcckzuschieben. Bei 120 Millimeter Abstand der \u00e4usseren F\u00e4den, wobei der mittlere 2 Millimeter zur\u00fcckgeschoben war, musste ich fr\u00fcher 550 Millimeter abgehen, nach Anbringung der Perlen nur 230 Millimeter.\nAuch wenn man den drei schwarzen F\u00e4den irgend einen andern Gegenstand nahe bringt, der hinreichend viele Merkpunkte darbietet, so erkennt man die Kr\u00fcmmung der Fl\u00e4che, in der die F\u00e4den h\u00e4ngen, selbst wenn der gen\u00e4herte Gegenstand an sich gar keine geraden Linien zur Vergleichung darbietet. Ich benutzte dazu zum Beispiel einen S f\u00f6rmig gekr\u00fcmmten ausgeschnitzten Papierschneider, und selbst wenn ich seinen am st\u00e4rksten gekr\u00fcmmten Rand den F\u00e4den zuwendete, liess er die T\u00e4uschung \u00fcber deren Stellung fast ganz schwinden.\nDa es sehr schwierig ist, ausser durch Maschinen eine hinreichend genaue Uebereinstimmung der verticalen Linien in stereoskopischen Bildern hervorzubringen , habe ich Versuche \u00fcber den Einfluss der Convergenz noch in folgender Weise angestellt. Ich habe zwei rechtwinkelige Prismen neben einander be-\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz , Physiol. Optik.\t42","page":657},{"file":"p0658.txt","language":"de","ocr_de":"658\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEIIM\u00fcNGEN.\n\u00a7\u2022 30.\nfestigt, so dass ihre Querschnitte wie die rechtwinkeligcn Dreiecke in Fig. 195 liegen, dass ihre Kanten einander parallel und zwei ihrer Kathetenfl\u00e4chen unter\neinem kleinen Winkel \u00ab gegen einander geneigt sind. Trifft der Strahl af bei b nahehin ... .\tsenkrecht auf eine Katheten-\nfl\u00e4che solcher Prismen, so tj\twird der Strahl zwei Mal\nhei c und d reflectirt, wie die Figur anzeigt, und tritt schliesslich aus der letzten Fl\u00e4che in der Richtung eg von seiner ersten Richtung aus um einen Winkel abgelenkt, der das Doppelte des Winkels \u00ab betr\u00e4gt *. Wenn man in der angegebenen Weise durch ein solches Doppelprisma bei senkrechter Stellung seiner Kanten blickt, so sieht man genau dasselbe Netzhautbild, wie mit blossem Auge, aber um es zu sehen, muss man das Auge etwas mehr nach rechts oder links wenden, als es ohne das Prisma noting w\u00e4re.\nBlickt man durch ein solches Prisma nach drei parallelen verticalen F\u00e4den, die in einer Ebene sich befinden und deren mittelster daher den unbewaffneten Augen ein wenig vor die Ebene der beiden andern vorzutreten scheint, so muss man die Augen, je nachdem man die Fl\u00e4che b oder e des Prisma ihm zukehrt, mehr convergiren oder mehr divergiren lassen, als vorher, sieht aber genau dieselben Netzhautbilder. Im Falle die Divergenz vergr\u00f6ssert wird, erscheint der mittlere Faden noch st\u00e4rker vortretend als bisher; im Falle die Convergenz vermehrt wird, tritt er in die Ebene der andern scheinbar zur\u00fcck, oder sogar hinter dieselbe. Da die Prismenzusammenstellung eine ganz geringe telestereo-skopische Wirkung hat, so bringe man f\u00fcr Convergenz die Fl\u00e4che e vor das rechte, f\u00fcr Divergenz b vor das rechte Auge; oder man bringe nach einander beide Fl\u00e4chen vor das linke Auge; die telestereoskopiscbe Wirkung des kleinen Apparats ist in den ersten beiden F\u00e4llen gleich, wo der Abstand der Gesichtspunkte durch die Prismen vergr\u00f6ssert wird, und ebenso in den letzteren beiden F\u00e4llen, wo dieser Abstand verkleinert wird.\nAus diesem Versuche folgt, dass dieselben Netzhautbilder die Vorstellung eines concaven, ebenen oder convexen Objects hervorbringen, je nachdem die Convergenz der Augen gr\u00f6sser oder kleiner ist, dass also die Convergenz bei solchen Objecten wohl beachtet wird.\nAndererseits betrachte man durch die Prismencombination eine ebene mit deutlich sichtbaren Figuren oder Buchstaben bedeckte Fl\u00e4che, deren Netzhautbilder daher nur bei einem bestimmten Convergenzgrade einem wirklichen Objecte\n1 Es ist hierbei keine Verzerrung des Bildes dureh die Brechung an den Glasfl\u00e4chen zu f\u00fcrchten, wie sie hei schiefwinkeligen Prismen vorkommt und hei stereoskopischen Versuchen sehr st\u00f6rend werden kann, weil die Ver\u00e4nderungen nur derselben Art sind, wie sie beim Sehen senkrecht durch eine dicke planparallele Glasplatte Vorkommen; in der Mitte des Bildes verschwindend klein und nach den Seiten hin symmetrisch, so dass sie bei den hier zu machenden Versuchen nicht st\u00f6ren k\u00f6nnen.","page":658},{"file":"p0659.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 30.\nOPTISCHER SINN DER RELIEFBILDER.\n659\nentsprechen k\u00f6nnen, so wird man dieselbe auch bei vermehrter oder verminderter Convergenz eben sehen. In einem solchen Falle k\u00f6nnen die Netzhautbilder nur einem bestimmten Objecte angeh\u00f6ren, und die Anschauung dieses Objects entsteht auch bei unpassender Convergenz. Aehnlich verh\u00e4lt es sich bei den F\u00e4den mit Perlen; auch da ist die Wirkung der vermehrten Convergenz und Divergenz sehr unbedeutend, und inan beobachtet haupts\u00e4chlich nur die telestereoskopische Wirkung der scheinbar vermehrten Distanz der Gesichtspunkte.\nGanz anders wirken die gew\u00f6hnlichen einfachen Prismen von schwachem brechenden Winkel. Wenn man durch die Mitte eines solchen unter dem Minimum der Ablenkung blickt, die brechende Kante der Nase zugekehrt, so erscheinen alle Objecte nach innen abgelenkt und erfordern erh\u00f6hte Convergenz zu ihrer Betrachtung. Aber gleichzeitig erscheinen alle Verticallinien nasenw\u00e4rts concav, die schl\u00e4fenw\u00e4rts gelegenen Theile des Bildes zu schmal, die nasenw\u00e4rts gelegenen zu breit, Horizontallinien dagegen nach der Nasenseite diver-girehd. Daraus folgt, dass, wenn das rechte Auge durch ein solches Prisma blickt, die Objecte zwei\u00e4ugig gesehen, n\u00e4her erscheinen und so, dass sowohl ihre geraden Horizontallinien wie ihre geraden Verticallinien gegen den Beschauer concav erscheinen. Durch die scheinbare Vergr\u00f6sserung der verticalen Abst\u00e4nde all der inneren Seite werden die Unterschiede der nat\u00fcrlichen Projection, wonach die jenseits der Medianebene gelegenen Theile des Objects scheinbar kleiner sind, zum Tbeil oder ganz ausgeglichen. Das Object erscheint ungef\u00e4hr in derselben Entfernung wie vorher, oder auch trotz der vermehrten Convergenz etwas gr\u00f6sser und ferner. Unter diesen Umst\u00e4nden kann die Verbreiterung der nasenw\u00e4rts gelegenen und Verschm\u00e4lerung der schl\u00e4fenw\u00e4rts gelegenen Theile des Bildes nur auf eine concave W\u00f6lbung desselben bezogen werden. Die Kr\u00fcmmung der Verticallinien bedingt die scheinbare\" Concavit\u00e4t derselben.\nKehrt man die scharfe Kante .des Prisma nach aussen, so erscheinen ebene Objecte im Gegentheil convex gegen den Beobachter.\nMit den hier betrachteten Erscheinungen, wobei zwei\u00e4ugig Bilder von Objecten bei bald vermehrter, bald verminderter Convergenz der Augen betrachtet werden, h\u00e4ngt auch die M\u00f6glichkeit zusammen, Reliefbilder der Objecte zu construirai, welche bei geringerer Entfernung und bei geringeren Tiefendimensionen als das Original doch den Eindruck des letzteren nach seinen wirklichen Formen und Dimensionen, seiner wirklichen Beschattung, und zwar nicht nur f\u00fcr monoculare, sondern selbst f\u00fcr binoculare Betrachtung nachahmen, indem sie ann\u00e4hernd auch dieselben Unterschiede beider Netzhautbilder hersteilen, wie sie die Betrachtung des Originals selbst ergeben w\u00fcrde. Ehen deshalb ist ein Reliefbild aus dem richtigen Standpunkte angesehen eine sehr viel vollkommenere Art der Nachahmung, wenigstens der Form des Objects, als es das vollkommenste ebene Bild je sein kann. Es geh\u00f6ren dahin nicht nur die Basreliefs und Hautreliefs der Sculptur, welche menschliche K\u00f6pfe, Figuren und Figurengruppen darstellen, sondern auch Theaterdecorationen, welche Landschaften oder Zimmer, Kirchenportale, welche perspectivisch verk\u00fcrzte S\u00e4ulenhallen darstellen u. s. w.\n42 *","page":659},{"file":"p0660.txt","language":"de","ocr_de":"660\nDRITTRR ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 30.\nMan kann die empirisch von den K\u00fcnstlern 1 gefundenen Regeln der Relief-constructionen aus einem einfachen stereoskopischen Versuche herleiten. Man bringe eine stereoskopische Doppelzeichnung, deren beide Bilder aber auf getrennten Papierst\u00fccken ausgef\u00fchrt sind, zun\u00e4chst in solcher Lage zur Vereinigung, dass sie bei richtig gew\u00e4hltem Convergenzgrade der Augen gerade denselben Anblick wie das Orginal gew\u00e4hren. Dann n\u00e4here man beide Bilder einander, aber so, dass beide in derselben Ebene bleiben. Dabei w\u00e4chst die Convergenz der Gcsichtslinien, w\u00e4hrend die Netzhautbilder der beiden Bilder keine, oder wenigstens nur unverh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleine Ver\u00e4nderungen erleiden, und der sinnliche Eindruck bleibt also, abgesehen von der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig undeutlichen Wahrnehmung der vermehrten Convergenz, fast derselbe wie zuvor. Denken wir uns nun das Object construirt, welches in der neuen Lage der Bilder diesen entsprechen w\u00fcrde, so ist dieses ein Reliefbild des Originalobjects. An dem Relief ist zu unterscheiden eine Hauptebene (Ebene des Hintergrundes), in die alle die unendlich weit entfernten Punkte des Originals zu liegen kommen, und eine ihr parallele Congruenzebene, in der die Punkte liegen, die mit ihrem Bilde zusammenfallen. Wenn das Relief dem Beschauer das Original in nat\u00fcrlicher Gr\u00f6sse darstellen soll, muss die Congruenzfl\u00e4che durch die Augen des Beschauers gehen. Will man dagegen den Anblick des Originals nicht in nat\u00fcrlicher Gr\u00f6sse, sondern den eines verkleinerten oder vergr\u00f6sserten Modells desselben wiedergeben, so kann die Congruenzfl\u00e4che auch anders gelegt werden, so dass der Gesichtspunkt, welcher den Mittelpunkt beider Augen des Beobachters repr\u00e4sentirt, nicht in ihr liegt.\nAlle Ebenen des Originals bleiben im Reliefbild Ebenen, alle geraden Linien bleiben gerade Linien.\nAlle Ebenen des Originals und alle geraden Linien ; die der Congruenzfl\u00e4che parallel sind, bleiben dieser und sich selbst parallel auch im Relief.\nAlle anderen einander parallelen Ebenen des Originals schneiden sich im Relief in einer geraden Linie des Hintergrundes.\nAlle parallelen Geraden des Originals, die nicht der Congruenzfl\u00e4che parallel sind, schneiden sich in einem Punkte des Hintergrundes.\nAlle Ebenen und Geraden, die durch den Gesichtspunkt gehen, behalten ihre Lage bei auch im Reliefbild.\nEndlich, wenn f und </> die Abst\u00e4nde beziehlich eines Punktes des Originals und seines Bildes von der Congruenzfl\u00e4che bezeichnen und g den Abstand des Hintergrundes von der Congruenzfl\u00e4che, so ist\n1\n<P f ~ 9\ndie Gleichung, welche den Abstand <f giebt; dieselbe, welche den Abstand des Bildes ff von einer Concavlinse von der Brennweite \u2014 g ergeben w\u00fcrde.\nGanz wie in den Bildern einer solchen werden die Bilder entfernter Gegenst\u00e4nde sehr nahe zusammenger\u00fcckt, w\u00e4hrend die von n\u00e4heren Objecten\n1 J. A. Breysig Versuch einer Erl\u00e4uterung der Reliefsperspective. Magdeburg 1798.","page":660},{"file":"p0661.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nLAGE DER SCHEINBAR VERTICALEN LINIEN.\n661\nrelativ gr\u00f6ssere Tiefendimensionen erhalten. Eine Concavlinse zeigt also ein richtig construirtes Reliefbild der durch sie gesehenen Objecte.\nWenn man die Congruenzebene und die Ebene des Hintergrunds Zusammenf\u00e4llen l\u00e4sst, so wird aus dem Reliefbild ein perspectivisches ebenes Bild.\nIn den Reliefbildern werden gleich gut wahrnehmbare Theile der Tiefen-dimensionen dargestellt durch gleich grosse Tiefenunterschiede; und in diesem Sinne k\u00f6nnen wir sagen, dass wir die objective Welt binocular wie in einem Reliefbild sehen. Wie in einem solchen sind selbst grosse Abst\u00e4nde sehr entfernter Gegenst\u00e4nde von einander, in Richtung der Tiefe genommen, nur sehr schwach wahrnehmbar, w\u00e4hrend selbst kleine Tiefenabst\u00e4nde naher Objecte deutlich ausgedr\u00fcckt sind.\nSchliesslich habe ich noch gewisse Fehler zu besprechen, welche bei der Beurtheilung von Linienrichtungen beim zwei\u00e4ugigen Sehen eintreten, und auf welche E. Hering aufmerksam gemacht hat. Wenn man n\u00e4mlich nach einem langen vertical h\u00e4ngenden Faden hinsieht, der sich vor einer entfernteren gleichm\u00e4ssig angestrichenen Wand befindet, welche keine deutlich sichtbaren Merkpunkte oder Linien darbietet, nach denen man sich \u00fcber die Lage der Verticale oder Horizontale orientiren k\u00f6nnte, den Faden selbst aber so lang macht, dass man seinen oberen und unteren Endpunkt nicht sehen kann, oder aber ihn durch einen Hohlcylinder von der Breite des Gesichts hindurch betrachtet, der den Anblick seiner Enden und seitlicher Gegenst\u00e4nde ausschliesst, so kann man bei zwei\u00e4ugiger Betrachtung doch noch beurtheilen, ob der Faden wirklich vertical sei oder nicht, und wenn er nicht vertical erscheint, ihn durch Verschiebung seines unteren Endes vertical zu machen suchen. Dabei zeigt es sich, wie ich \u00fcbereinstimmend mit Hering 1 finde, dass, wenn bei der gew\u00e4hlten Kopfstellung die horizontale Visirebene sich in ihrer Prim\u00e4rlage und der Faden sich in der Medianebene befindet, der wirklich verticale Faden auch f\u00fcr vertical gehalten wird. Wenn man dagegen den Kopf nach hinten \u00fcbergebeugt hat, so dass die Visirebene unterhalb ihrer Prim\u00e4rlage sich befindet, w\u00e4hrend der Faden in der Medianebene bleibt, so muss man das untere Ende des Fadens vom Beobachter entfernen. Ist umgekehrt der Kopf vorn\u00fcbergeneigt und die Visirebene \u00fcber ihrer Prim\u00e4rlage, so muss man das untere Ende des Fadens dem Beobachter n\u00e4hern, damit der Faden vertical erscheine.\nWenn der Faden sich nicht in der Medianebene befindet, sondern rechts von derselben, so erscheint er bei aufrechter Kopfhaltung, wenn die horizontale Visirebene in ihrer Prim\u00e4rlage befindlich ist, wieder vertical, wenn er wirklich vertical ist, und wieder muss sein unteres Ende gen\u00e4hert werden, wenn der Kopf vorn \u00fcbergebeugt wird. Um die Ebene ann\u00e4hernd zu bestimmen, in der er geneigt werden muss, um vertical zu erscheinen, habe ich um den unteren Theil des Fadens einen zweiten gelegt, der eine lose Schlinge bildete, und mittels dieses zweiten den ersten so an mich herangezogen, dass jener vertical schien. Wenn ich dann nach dem horizontalen Faden herabblickte, wobei der verticale in stark divergirenden Doppelbildern erscheint, halbirte gew\u00f6hnlich der horizon-\u00bb\nBeitr\u00e4ge zur Physiologie. Heft V, S. 297.","page":661},{"file":"p0662.txt","language":"de","ocr_de":"662\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 30.\ntale den Winkel dieser Doppelbilder, woraus folgt, dass der vertical erscheinende Faden, wenigstens naliehin, soweit die hier erreichbare Genauigkeit zu beur-theilen zul\u00e4sst, in der den Convergenzwinkel halbirenden Verticalebene liegen musste.\nBei hinten \u00fcbergeneigtem Kopfe dagegen musste ich das untere Ende des Fadens von mir wegziehen, wobei die Richtung des ziehenden Fadens aber, so weit erkennbar, dieselbe blieb, wie vorher.\nDie Erkl\u00e4rung dieser Thatsachen scheint mir zusammenzuh\u00e4ngen mit dem im vorigen Paragraphen Seite 611 erw\u00e4hnten Umstande, dass bei convergirenden Augen, die Richtung und Lage der gesehenen Objecte so beurtheilt wird, als wenn das Auge eine der mittleren Sehrichtung parallele Richtung und die entsprechende Raddrehung h\u00e4tte. Die stattfindende Convergenz der Augen wird hierbei nicht ber\u00fccksichtigt. Wenn wir diese auf den hier vorliegenden Fall \u00fcbertragen, so w\u00fcrde folgen, dass diejenigen Linien vertical zurVisir-cbene erscheinen, welche sich abbilden auf solchen Meridianen des Auges, welche bei der Stellung des Auges parallel der mittleren Sehrichtung wirklich vertical sein w\u00fcrden zur Visirebene.\nWenn der Fixationspunkt in der Medianebene liegt, so wird die mittlere Sehrichtung der Medianebene parallel sein, und bei Augen, die dem LisriNu\u2019schen Gesetze folgen, keine Drehung um ihre L\u00e4ngsaxe bedingen. Also werden die in der Prim\u00e4rstellung zur Visirebene verticalen Meridiane auch bei geneigter Visirebene zu dieser normal sein, so lange die Augen der mittleren Sehrichtung, also der Medianebene parallel gerichtet sind. Geht man aber zur Convergenz-stellung \u00fcber, so werden sie bei nach unten geneigter Visirebene sich so drehen, dass die vorher senkrechten Medianebenen derselben nach oben hin convergiren, umgekehrt bei nach oben geneigter Visirebene. Die Schnittlinie jener beiden Meridianebenen w\u00fcrde die scheinbar zur Visirebene senkrechte Linie sein, welche im ersteren Falle nach oben, im andern nach unten sich dem Beobachter n\u00e4hert.\nBei den seitlich nach unten oder oben geneigten Blickrichtungen sind aber nicht mehr dieselben Meridiane der Augen zur Visirebene normal, wie in der Prim\u00e4rstellung. Dass auch der scheinbar verticale Faden sich in beiden Augen nicht auf den in der Prim\u00e4rstellung verticalen Meridianen abbildet, kann man leicht erkennen, wenn man gerade vor sich an der Wand einen verticalen Streifen befestigt, der deutliche Nachbilder liefert. Diese Nachbilder bilden dann zum Theil sehr grosse Winkel mit dem scheinbar verticalen Faden, sobald man diesen fixirt. Der scheinbar verticale Faden scheint also hier zu liegen in denjenigen Meridianen, welche bei der der mittleren Sehrichtung parallelen Blickrichtung vertical sein w\u00fcrden 1.\nZu bemerken ist aber, dass nach Volkmann\u2019s Versuchen, die ich selbst best\u00e4tigt finde, bei mangelnder Raddrehung und monocularem Sehen die scheinbar\n1 Herr E. Hering hat diese Erscheinungen mit der Horopterlehre in Verbindung gebracht, wovon im folgenden Paragraphen mehr. Ich bemerke, dass die vertical zur Visirebene erscheinenden Linien bei mir nie im Horopter liegen, sondern stets in gekreuzten Doppelbildern erscheinen. Da bei Herrn Hering\u2019s Augen die Abweichung der zum Netzhauthorizont wirklich und scheinbar verticalen Meridiane fehlt oder sehr gering ist, so N\\irt seine Regel f\u00fcr sein Auge, wenigstens in den Medianstellungen, von denen er spricht, individuelle Richtige keit haben.","page":662},{"file":"p0663.txt","language":"de","ocr_de":"LAGE DER SCHEINBAR VERTICALEN LINIEN.\n663\n\u00a7\u25a0 30.\nzum Netzhauthorizont verticalen Meridiane auch absolut vertical erscheinen, w\u00e4hrend beim binocularen Sehen die verticale Linie entsprechen muss den beiden zur Visirebenc absolut verticalen Meridianen. Beim binocularen Sehen hebt sich also der einander entgegengesetzte Einfluss, den die Neigung der scheinbar verticalen Meridiane beider Augen auf die Beurthcilung der Stellung einer Senkrechten haben k\u00f6nnte, gegenseitig auf. Dass dies f\u00fcr die Neigungen nach rechts und links hin geschieht, erkl\u00e4rt sich leicht; zu bemerken aber ist, dass f\u00fcr die Beurthcilung der Neigung der gesehenen Linie nach vorn oder nach hinten\u00fcber die Abweichung der scheinbar verticalen Meridiane ohne Wirkung bleibt. Wir werden im n\u00e4chsten Abschnitte sehen, dass diese Abweichung sich wahrscheinlich an der Anschauung horizontaler Linien erzeugt hat, und daraus erkl\u00e4rt sich dann, dass sie uns nicht \u00fcber verticale Linien t\u00e4uscht.\nEin \u00e4hnlicher Irrthum \u00fcber die Tiefendistanz kommt nun \u00fcbrigens nicht blos bei solchen Linien vor, die durch den Fixationspunkt gehen und in der Medianebene liegen, sondern auch hei anders gerichteten Linien, die durch den Fixationspunkt gehen und nur naliehin senkrecht zur mittleren Schlichtung . sind. Die scheinbare Lage solcher Linien entspricht dem vorher aufgestellten Gesetze. Wir deuten sie so, als wenn wir dieselben Netzhautbilder erhalten h\u00e4tten bei einer Stellung der Augen, parallel der mittleren Sehrichtung.\nIn dieser Beziehung hat Recklinghausen gezeigt, dass, wenn man auf einer ebenen Fl\u00e4che einen Stern zeichnet, aus einer Anzahl von Linien bestehend, die sich in einem Punkte schneiden, und man diesen Mittelpunkt fest mit nach oben gerichtetem Blick flxirt, die nach oben gerichteten Strahlen des Sterns in einer concaven Kegelfl\u00e4che zu liegen scheinen, die nach unten gerichteten in einer convexen; umgekehrt, wenn man den Kreuzungspunkt der Strahlen mit nach unten gerichtetem Blicke flxirt. Ich finde die T\u00e4uschung noch auffallender, wenn man die naliehin horizontalen Strahlen wegl\u00e4sst und statt der auf Papier gezeichneten Linien feine glatte Dr\u00e4hte benutzt, die man in einem Korke so feststeckt, dass sic von einem Punkte aus divergiren und in einer Ebene liegen.\nDer Theorie nach, welche aus dem oben angef\u00fchrten Gesetze hergeleitet ist, m\u00fcssen die besagten Linien scheinbar in einer Kegelfl\u00e4che zweiten Grades liegen, deren Spitze im Fixationspunkte liegt, die ferner durch die beiden Blick-linien geht und deren Durchschnitt mit der durch die Mittelpunkte der Augen senkrecht zur Visirebene gelegten Ebene eine Ellipse ist, deren verticale Axe etwas gr\u00f6sser ist, als die horizontale.\nRecklinghausen hat auch durch Versuche die Lage solcher Linien ermittelt, die zur mittleren Sehrichtung hei gehobenem oder gesenktem Blicke senkrecht erschienen. Er benutzte dazu einen feinen glatten Draht, der in der Mitte mittels eines feinen Cliarniergelenks so verstellt werden k\u00f6nnte, dass er verschiedene Neigung gegen die mittlere Schlichtung (Halbirungslinie des Conver-genzwinkels) erhielt. Das Gelenk, was ihn trug, war andererseits an einer runden Eisenstange befestigt, welche in der Verl\u00e4ngerung der mittleren Sehrichtung lag und um ihre L\u00e4ngsaxe gedreht werden konnte. Durch Drehung um diese Axe konnte der Ebene, in welcher der Draht sich bewegte, verschiedene Neigung gegen die Visirebene gegeben und bei jeder Stellung dieser Ebene die Stellung","page":663},{"file":"p0664.txt","language":"de","ocr_de":"664 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 30.\ndes Drahtes gesucht werden, bei welcher sein oberes und unteres Ende gleich weit vom Beobachter entfernt schien.\nDie Theorie fordert fiir die genannten Lagen des Drahtes wiederum eine durch den Fixationspunkt und die Blicklinien gehende Kegelfl\u00e4che zweiten Grades. Die Messungen von Recklinghausen stimmten sehr gut mit dieser Folgerung der Theorie. Er nannte diese Fl\u00e4che die Normalfl\u00e4che, weil in ihr die zur mittleren Sehrichtung scheinbar normalen Linien liegen.\nDiese Normalfl\u00e4che w\u00fcrde f\u00fcr solche Augen, welche keine Abweichung des scheinbar verticalen Meridians haben, mit der im n\u00e4chsten Paragraphen zu untersuchenden Horopterfl\u00e4che f\u00fcr Linien, die durch den Fixationspunkt gehen, zusammenfallen. Dagegen ist sie mit dieser nicht identisch bei Augen, deren scheinbar verticale Meridiane nicht mit den wirklich verticalen zusammenfallen \\ wie sich im n\u00e4chsten Abschnitte zeigen wird.\nWenn man ein System eoncentrischer Kreise auf ein Blatt zeichnet und bei eonvergirenden Gesichtslinien und geneigter Blickebene deren Mittelpunkt \u2022 fixirt, so erhalten diese Kreise ebenfalls eine kleine scheinbare Drehung um ihre horizontale Axe in demselben Sinne, wie die verticalen Linien, aber von geringerer Gr\u00f6sse. Hat man nun einen verticalen Diameter der Kreise hinzugef\u00fcgt, so wird dieser st\u00e4rker geneigt, als die Kreise, und l\u00f6st sich scheinbar von ihnen los. Bei gehobener Blickebene erscheint das obere Ende des Durchmessers dem Beobachter n\u00e4her als die Ebene der Kreise, das untere entfernter. Umgekehrt bei gesenkter Blickebene.\nDa die horizontal verlaufenden B\u00f6gen der Kreise keine sichere binoculare Anschauung geben, erscheinen sie auch zuweilen winkelig verbogen und dem Durchmesser anzuhaften.\nAuch dieser Versuch gelingt sehr viel leichter, wenn man Kreise und Durchmesser aus sehr feinen Dr\u00e4hten zusammenf\u00fcgt. Die hierbei vorkommende T\u00e4uschung erfordert, dass der Beobachter am Bilde die stattgefundene Drehung der Augen nicht erkennen k\u00f6nne. Auf einem Papierblatte sind in der Regel Merkpunkte genug, an denen der Beobachter erkennt, dass er zwei gegen einander gedrehte Bilder desselben Objects vor sich hat. Die Objecte i\u00fcr die hier beschriebenen Versuche m\u00fcssen so beschaffen sein, dass sie auch unter Voraussetzung kleiner Drehungen ihres Netzhautbildes noch eine reelle Deutung zulassen. Wir fanden oben ein \u00e4hnliches Verh\u00e4ltniss f\u00fcr die Erkennung der Convergenz aus gewissen Eigenth\u00fcmlichkeiten der Bilder.\nRegeln der stereoskopischen Projection.\nEs sei in Fig. 194 (S. 66b) die Ebene des Papiers die Visirebene, in der P und Q die Mittelpunkte der Visirlinien f\u00fcr beide Augen darstellen. Es\" sei AB der Durchschnitt einer stereoskopischen Zeichnung, deren Ebene normal sowohl zur N isirebene als zur Medianebene des Kopfes sei, der gew\u00f6hnlichen Haltung entsprechend, in der man stereoskopische Zeichnungen zu betrachten pflegt. CD sei die Medianlinie der \\ isirebene, S ein darzustellender Punkt, der auch ausserhalb der\nRecklinghausen selbst hat diesen Unterschied nicht gemacht; denn obgleich er die Abweichung des scliein-ar verucalen Meridians entdeckt hat, hat er den Einfluss dieser Abweichung auf die Lage der identischen Stellen noch nicht gekannt.\t'\t'\t\u2022","page":664},{"file":"p0665.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nCONSTRUCTION STEREOSKOPISCHER BILDER.\n665\nB\nVisirebene liegen kann ; in diesem Falle stellt das S in der Zeichnung den Fuss-punkt des von ihm auf die Visirebene gef\u00e4llten Perpendikels dar. Um die Projection des Punktes S in den beiden Zeichnungen zu finden, ziehe man die Linien SP und SQ, welche die Ebene der Zeichnung in 1{ und T schneiden.\nDie letzteren beiden Punkte sind diejenigen, in welchen S beziehlich f\u00fcr das Auge P oder Q darzustellen ist. Um die Lage dieser Punkte zu bezeichnen, wollen wir rechtwinkelige Coordinaten benutzen, welche beziehlich der Visirebene, der Medianebene und der Ebene der zu machenden Zeichnung parallel seien, deren Mittelpunkt 0, der Durchschnittspunkt der drei genannten Ebenen ist. Und zwar seiOA die Richtung der positiven x, 0 D die der positiven z, die y senkrecht zur Ebene des Papiers. Bezeichnen wir demgem\u00e4ss die Coordinaten\n1) des Punktes P mit x = -h a\nz = \u2014 b '\ny = o\nJA\nFig. 494.\n2) des Punktes Q x = \u2014 a\ny \u2014 o\nmit\n3) des Punktes S\n\u00ab\ny = \u00df\ni) des Punktes Ii mit x = H0\ny = \u25a0\u00bb \u00bb\ns = 0\nz = y\n5) des Punktes x =\ny =\nz \u2014 0,\nso sind die Bedingungen daf\u00fcr, dass die Punkte P, R, S in einer geraden Linie liegen a \u2014 a\t\u00df ______ y b\n\u00df \u2014 vo \"\n\u25a0h\n7\n\u20221)\nund die Bedingungen, dass Q, T, S in einer geraden Linie liegen, \u00ab -f- a\t\u00df\ty + b\nZun\u00e4chst zeigt sich, dass\n\u00df \u2014 v1\n2).\n\u00dfb\n- \u2014 - \u2014\t, ,\t.....................1a),\ny o\ndass also in beiden Bildern die H\u00f6hen entsprechender Punkte \u00fcber der Ilorizontal-linie AB gleich gross sein m\u00fcssen.\nDie beiden Gleichungen ergeben ferner\n\ny (a\u2014a) y -A-b y (aa) y-A-b\n\u2022 y a\nb-A-y ab \u2014 y a","page":665},{"file":"p0666.txt","language":"de","ocr_de":"DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n666\nDie Differenz e dieser beiden Werthe\n2ya\n6 + y\n\u00a7.30.\t,\n|i\n1 b)\nist unabh\u00e4ngig von den Werthen von a und fl-, sie ist also f\u00fcr alle Objectpunkte dieselbe, welche als in gleicher Entfernung hinter der Ebene der Zeichnung liegend angenommen werden. Diese Differenz (t0 \u2014 i-J bezeichnet die Gr\u00f6sse der Verschiebung, welche die Punkte der einen Zeichnung im Vergleich zu denen der andern nach rechts oder nach links hin erlitten haben. Dabei ist angenommen, dass die Zeichnungen so aufeinander gelegt sind, dass Punkte, die in dieser Ebene der Zeichnung selbst gedacht werden (z. B. die Linie, welche die Zeichnung einrahmt), aufeinander fallen. In vielen F\u00e4llen ist es dagegen passender, die Zeichnungen so zu vergleichen, dass unendlich weit entfernte Punkte aufeinander fallen, zum Beispiel die Punkte p, q, welche durch die beiden parallel mit CD gerichteten Blicklinien Pp und Qq getroffen werden. Setzen wir y = oo, so wird nach Gleichung I b)\nund setzen wii und so ist\nIn dieser Gleichung bezeichnet 2 a die Distanz beider Augen, b den Abstand der Zeichnung, p den Abstand des Objects von einer Ebene, die durch die Mittelpunkte beider Augen senkrecht zur Visirebene gelegt ist. F\u00fcr alle reellen, vor den Augen liegenden Punkte muss e immer positiv sein, weil 2a, b und p immer positiv sind. Dabei liegt in dem Bilde f\u00fcr das rechte Auge jeder n\u00e4here Punkt mehr nach links als in dein des linken Auges. Zugleich l\u00e4sst die Gleichung 1 c) erkennen, dass die stereoskopische Differenz e f\u00fcr sehr grosse Abst\u00e4nde p sehr klein ist und erst f\u00fcr kleine Werthe von p gross wird.\nDen Umstand, dass die Gr\u00f6sse von e gleich gross ist f\u00fcr Gegenst\u00e4nde, die alle in derselben, der Ebene der Zeichnung parallelen Ebene liegen, hat O. N. Rood 1 benutzt, um ein Instrument zu construiren, mit dem man von gegebenen einzelnen perspectivischen Zeichnungen beliebiger Objecte ein Paar zusammengeh\u00f6rige stereoskopische Zeichnungen copiren kann. Das Original, mit Oel transparent gemacht, wird auf einer horizontalen Glasplatte befestigt und von unten her beleuchtet. Darauf wird ein ebener viereckiger Rahmen gelegt, dessen untere Seite mit Schreibpapier \u00fcberzogen ist. Dieser Rahmen kann mittels einer Stellschraube um kleine Distanzen von rechts nach links verschoben werden. Man zeichnet nun zun\u00e4chst eine Zeichnung vollst\u00e4ndig nach, ohne die Stellung des Rahmens zu ver\u00e4ndern, und die andere so, dass man mit den ganz vorn befindlichen Linien beginnt und dann zu den n\u00e4chst entfernteren \u00fcbergeht und so fort. Bei jedem Uebergange aber zu entfernteren Punkten verschiebt man den Rahmen, der die Copie tr\u00e4gt, ein wenig, entsprechend dem Tiefenabstande. So erh\u00e4lt man zwei Zeichnungen, welche stereoskopisch combinirt ein k\u00f6rperliches Relief zeigen.\nWenn zwei Punkte von verschiedenem Abstande p; und pw stereoskopisch\nfoo \u2014\t2 Oj\ne = fco \u2014 \u00a3\nb y \u2014 p,\n\u2014\n0 \u2018 '\nIc).\n1 American Journal of Science and Arts. Vol. XXXI, p, 71. Jan. 1861.","page":666},{"file":"p0667.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 30.\nCONSTRUCTION STEREOSKOPISCHER BILDER.\n667\nprojicirt sind und die entsprechenden stereoskopischen Differenzen mit e; und e, bezeichnet werden, so ist\nNehmen wir hierin f\u00fcr ef \u2014- eu den kleinsten in der Zeichnung erkennbaren Abstand, so erhalten wir zusammengeh\u00f6rige Werthe der Abst\u00e4nde p; und gn, welche an der Grenze der erkennbaren Unterschiede liegen. Setzen wir zur Abk\u00fcrzung\n2 ab\t.\nso wird die Gleichung 2 a)\n/ ____________1\nf Q, Qu\ndie oben f\u00fcr diesen Fall gegebene Formel. Wenn wir die 'mittlere geometrische Proportionale zwischen p, und p;( mit r bezeichnen, so l\u00e4sst sich die letzte Formel auch schreiben\nr2\n9\u00ab ~~ Q\u2018 \u2014 7\u2019\nd. h. die stereoskopisch unterscheidbaren Unterschiede der Entfernung wachsen wie die des Quadrats der mittleren Entfernung r.\nUm die Ver\u00e4nderungen zu \u00fcbersehen, welche das stereoskopische Relief bei verschiedenen Verschiebungen der Bilder liefert, m\u00fcssen wir die scheinbaren Coor-dinaten des Objectpunktes a, ji, y ausdr\u00fccken durch die Coordinaten seiner beiden Bilder \u00ef;, i'/;) v. Aus den obigen Gleichungen I) und 2) ergiebt sich\noder\n11 \u2014 ci\tu \u2014J\u2014 a\na \u2014 t0\ta \u2014 \u00eej\n a (jji ^q)\nSa + S, \u2014 !\u00bb\n\u00df = y =\n2 va\n2a -J\u2014\t\u2014 \u00a30\n^ (\u00a3q ^1)\n2 a -f- \u00ffj \u00a30\noder wenn wir wie vorher die stereoskopische Differenz\n2a -h g, \u2014\t= e\nsetzen und das arithmetische Mittel von i?0 und ^ mit \u00ff bezeichnen, so ist\n2a\na = \u00ff \u2014\n* e\n2a\n3 a).\nP = y -+- b\n. 2a b \u2014\u25a0 e","page":667},{"file":"p0668.txt","language":"de","ocr_de":"668\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 30.\nWenn wir ein Paar zusammengeh\u00f6riger stereoskopischer Zeichnungen beide nach einer Seite bewegen, also \u00a3 vergr\u00f6ssern, w\u00e4hrende, v, b unver\u00e4ndert bleiben, so vergr\u00f6ssern sich die Werthe von a, w\u00e4hrend \u00df und p unver\u00e4ndert bleiben.\n2a\nDie Yergr\u00f6sserung von a ist aber im Verh\u00e4ltniss \u2014 gr\u00f6sser als die von Eli-\nminiren wir die stereoskopische Differenz e aus der eisten und dritten Gleichung, so wird\n\u00a5\n\u201c =\nDie Vergr\u00f6sserungen von a sind also auch proportional der scheinbaren Entfernung p des Objectpunktes; d. h. also die Punkte, welche vor der Verschiebung scheinbar gerade hinter einander lagen, d. h. gleiche Werthe von \u00a3 hatten, liegen nach der Verschiebung in einer geraden Linie, die durch den mitten zwischen den Mittelpunkten beider Augen liegenden Punkt zu ziehen ist.\nWenn wir ein Paar zusammengeh\u00f6riger stereoskopischer Zeichnungen, die auf einem Blatte ausgef\u00fchrt sind, von dem Auge entfernen, also b vergr\u00f6ssern, w\u00e4hrend v, e und a unver\u00e4ndert bleiben, so bleiben die Werthe von \u00ab und \u00df unver\u00e4ndert, die Tiefendimension p aber w\u00e4chst in demselben Verh\u00e4ltnisse wie b. Man beobachtet dies in der That leicht, wenn man ein solches Paar stereoskopischer Bilder mit parallelen Gesichtslinien zur Coincidenz bringt; ihr Relief wird desto tiefer, je weiter man die Bilder vom Auge entfernt.\nUm endlich die Ver\u00e4nderungen \u00fcbersehen zu k\u00f6nnen, welche eintreten, wenn man die stereoskopischen Zeichnungen einander n\u00e4hert oder von einander entfernt, schreiben wir die Gleichungen 3 a) in folgender Form\n\u00ab_____j\t]\np\tb\t1\nJL = _L\tt..............................3b)\np\tb\t(\n/\t____ e\tI\np\t'\t2 ab\t]\nund bemerken dabei, dass \u00e2\u00c7 = \u00a30 \u2014(\u2014\tund e = 2a+?, \u201410 ist. Wenn man nun\ndas rechte Bild nach links, das linke nach rechts schiebt um die L\u00e4nge rh so verkleinert man \u00a30 und vergr\u00f6ssert \u00a7' um die L\u00e4nge folglich bleibt \u00ff (so wie auch v) unge\u00e4ndert, w\u00e4hrend der Werth von e um 2 ?/ w\u00e4chst. Nennen wir nun \u00dfj und pj die Werthe von a, \u00df, p welche nach dieser Verschiebung gelten, so verwandeln sich die Gleichungen 3 b) in folgende\n\u00fci\t\u2014\t\u00cbl\t\u2014\t\u2014\np,\tb \u2019 pj\tb\nJ_______e + Sy\nPj\t2ab\nDr\u00fcckt man in diesen nun y\u00bb v und e durch ihre Werthe in 3b) aus, so erh\u00e4lt man","page":668},{"file":"p0669.txt","language":"de","ocr_de":"CONSTRUCTION VON RELIEFBILDERN.\n669\n\u00a7. 30.\nHierin sind u, \u00df, p die urspr\u00fcnglichen Coordinaten des betreffenden Objectpunktes, bezogen auf ein Coordinatensystem, dessen Mittelpunkt in der Mitte zwischen den Mittelpunkten beider Augen liegt und den wir den Gesichtspunkt nennen wollen, alt \u00dft und p, sind die entsprechenden Coordinaten f\u00fcr die scheinbare Lage des Punktes, welche er nach der gegenseitigen N\u00e4herung der richtigen stereoskopischen Projektionen hat. Durch die Gleichungen 4) ist f\u00fcr jeden Punkt die Lage seines Bildes nach solcher Verschiebung eindeutig gegeben. Die ersten beiden Gleichungen sagen aus, dass der scheinbare und wahre Ort des Punktes beide in der gleichen vom Mittelpunkt der Coordinaten aus gezogenen geraden Linie liegen. Die dritte Gleichung zeigt an, dass seine Entfernung von der durch beide Augen gelegten Verticalebene ver\u00e4ndert, und zwar bei positiven Werthen von 7/\nab\t,\nverringert ist. Setzen wir die Gr\u00f6sse \u25a0\u2014= p, so wird die letzte Gleichung\n/\t_\t/ /\nC'l\t~\t('\tV\n4 a)\ndieselbe, welche die Entfernungen des Objects p und seines Bildes pj f\u00fcr eine Concavlinse von der Brennweite p geben w\u00fcrde.\nF\u00fcr unendlich weit entfernte Punkte wird p == oo und p, = p.\nEs bezeichnet also p die Entfernung der Ebene, auf der sich alle unendlich weit entfernten Punkte des Originals abbilden, welche wir mit Breysig die Haupt-ebene nennen k\u00f6nnen.\nWenn der Objectpunkt a, \u00df, p irgend einen Punkt einer bestimmten Ebene bezeichnet, also f\u00fcr ihn eine Gleichung von der Form existirt\nAa + B\u00df A- Cq D = 0...................................5),\nso ergiebt sich aus den Gleichungen 4) und 4 a)\nAui + B\u00dfj +\t\u2014 \u2014J p, + D = 0 .\t. . 5a).\nDie Bildpunkte liegen also auch in einer Ebene ; und wenn A = B = 0, das heisst die Ebene des Originals der durch beide Augen gehenden Verticalebene p = 0 parallel ist, so ist die Bildebene derselben Ebene also auch ihrem Original parallel. Wenn andererseits D \u2014 0 ist, das heisst die Originalebene durch den Mittelpunkt der Coordinaten, oder den Gesichtspunkt geht, so f\u00e4llt die Bildebene ganz mit ihrem Original zusammen.\nWenn wir im Original eine Schaar paralleler Ebenen haben, deren Gleichung in der Form 5) gegeben ist und die einzeln dadurch unterschieden sind, dass D f\u00fcr jede einen andern Werth hat, so reducirt sich die Gleichung 5a) f\u00fcr die Bildebenen, wenn man darin p, = p setzt, auf\nA Wj \u2014B\u00dfj -j\u2014 Cp - - 0...........................4 c),\nwelche unabh\u00e4ngig von D ist. Das heisst die Abbilder aller jener parallelen Ebenen schneiden die Ebene p, = p (die Hauptebene) in derselben geraden Linie, deren Gleichung in 4 c) gegeben ist.\nDie Abbilder einer Schaar paralleler Ebenen schneiden sich also entweder einander und die Hauptebene gar nicht, oder sie schneiden sich und die Hauptebene alle in einer geraden Linie, ihrer Fluchtlinie. ' Da nach der vorher gemachten Bemerkung diejenige in jener Schaar paralleler Ebenen, welche durch den Mittelpunkt des Coordinatensystems geht, mit ihrem Bilde zusammenfallen muss, so muss diese","page":669},{"file":"p0670.txt","language":"de","ocr_de":"670\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTS WAHRNEHMUNG EN.\n\u00a7\u2022 30.\n|i\nEbene auch die Hauptebene in der Fluchtlinie schneiden. Um die Fluchtlinie einer Schaar paralleler Ebenen zu finden, lege man ihnen parallel also eine Ebene durch den Gesichtspunkt; diese schneidet die Hauptebene in der gesuchten Fluchtlinie.\nWenn wir ferner die Gleichungen 4) in die Form setzen\nui\nUQ i\nP\n= 0 , \u00dft \u2014 \u00df p ab\nQ' \u2014 ab-h\u00e7r,\u2019\nso crgiebt Sich, dass f\u00fcr p = 0, sein muss\nPi = Q \u2014 0 \u00bb \u00abi ~ u, \u00dfi = \u00df i\ndass also f\u00fcr jeden Punkt der Ebene q = 0 das Abbild mit dem Original zusammenf\u00e4llt.\nNennen wir diese Ebene q~0 die Congrue n zehen e (Breysig\u2019s Bildebene ), so ist das Bild jeder Ebene A des Originals zn c\u00f6nstruiren, indem man eine Ebene legt durch die Schnittlinien von A mit der Congruenzebene und die zu A geh\u00f6rige Fluchtlinie.\nGerade Linien des Originals sind zu betrachten als Schnittlinien je zweier Ebenen. Ihr Bild muss die Schnittlinie der Abbilder beider Ebenen, also wieder eine gerade Linie sein. Eine Schaar paralleler gerader Linien kann angesehen werden als das System der Schnittlinien von zwei Schaaren paralleler Ebenen. Bie Abbilder dieser Ebenen m\u00fcssen sich beziehlich mit der Hauptebene in den beiden zugeh\u00f6rigen Fluchtlinien schneiden, und ihre Schnittlinien, das heisst die Abbilder aller jener parallelen geraden Linien des Originals werden durch den Schnittpunkt beider Fluchtlinien gehen m\u00fcssen, wenn die beiden Fluchtlinien sich \u00fcberhaupt schneiden, was sie nicht thun w\u00fcrden, wenn die Schaar der gegebenen geraden Linien der Hauptebene und Antlitzebene parallel w\u00e4re.\nDie Abbilder paralleler gerader Linien, wenn sie der Hauptebene nicht parallel sind, schneiden diese also in einem Punkte, dem Fluchtpunkte.\nDieser Fluchtpunkt f\u00fcr eine gerade Linie des Originals, die der Hauptebene nicht parallel ist, wird gefunden, wenn man durch den Gesichtspunkt mit der betreffenden Geraden eine Parallele legt; wo diese die Hauptebene schneidet, ist der Fluchtpunkt.\nDas Abbild einer geraden Linie des Originals findet man, indem man ihren Schnittpunkt mit der Congruenzebene durch eine Gerade mit dem zugeh\u00f6rigen Fluchtpunkte verbindet.\nMan sieht, dies sind genau dieselben Constructionsregeln, welche f\u00fcr Reliefbilder vorgeschrieben worden sind, mit der einzigen Ausnahme, dass bei Reliefbildern die Ebene, deren Punkte mit ihren Bildern zusannnenfallen (Breysig\u2019s Bildebene), nicht nothwendig durch die Augen selbst geht. Diese Bedingung ist n\u00e4mlich nur dann nothwendig zu erf\u00fcllen, wenn die Gr\u00f6sse des durch das Reliefbild dargestellten Gegenstandes unver\u00e4ndert erscheinen soll.\nDenkt man sich n\u00e4mlich s\u00e4mmtliche Coordinate!! der Punkte des Originals proportional verkleinert oder vergr\u00f6ssert, setzt man also in die Gleichungen 4) statt\n\u00ab >\t\u00df,\tQ,\nbeziehlich\n1la,\tM/S,\tMp,","page":670},{"file":"p0671.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nCONSTRUCTION VON RELIEfBILDERN\u00bb\n671\nso verwandeln sieh die Gleichungen 4) in\n\u00ab\na\n\u00dft _ \u00df\n/\nPi\tQ\n1 ' '/\n--------1---------\n6).\nno\nP\nWenn p unendlich ist, wird p1=p,.also die Ebene p' = p ist die Haupt-ebene, in der die unendlich entfernten Punkte abgebildet werden.\nWenn im Original die Ebene\nAu + B\u00df I Co -|- I) 0 .\t.\nbesteht, so erh\u00e4lt man mittels der Gleichungen 6) f\u00fcr das Bild\n5)\n0 .\t.\t.\t.\t5b).\nWenn D=0, so ist die zweite Gleichung identisch mit der ersten und die Originalebene f\u00e4llt mit ihrem Bilde zusammen. Dieser Bedingung gen\u00fcgen die Ebenen, welche durch den Punkt u =\u00b1 \u00df = p = 0 gehen, der also die Bedeutung des Gesichtspunktes hat. Endlich schneiden sich die Ebenen 5) und 5b), wo\noder\nDie durch die Gleichung 5c) gegebene Ebene, die den Gesichtspunkt nicht enth\u00e4lt, ist also die Congruenzebene. Sobald also das P\u00abelief nach den gew\u00f6hnlich angenommenen Regeln construirt ist und der Gesichtspunkt nicht in der Congruenzebene liegt, so ist cs, aus dem richtigen Gesichtspunkte betrachtet, optisch \u00e4hnlich der Darstellung eines verkleinerten oder vergr\u00f6sserten Modells des Originals, in welchem der Gesichtspunkt des Beobachters seine relative Lage behalten hat. Dabei ist dann der Gesichtswinkel, unter dem das Reliefbild erscheint, noch derselbe wie f\u00fcr das Original. Wenn die Congruenzebene zwischen Beobachter und Relief liegt, entspricht letzteres einem linear vergr\u00f6sserten Objecte, wenn die Bildebene dagegen hinter dem Beobachter liegt, einem linear verkleinerten Objecte.\nWenn die Congruenzebene sich der Hauptebene unendlich n\u00e4hert (n = \u00a9o), so verwandelt sieh das Reliefbikl in eine ebene perspectivische Zeichnung.\nDie Ver\u00e4nderungen, welche scheinbar vor sich gehen, wenn man zwei richtige stereoskopische Abbildungen eines Objects in ihrer eigenen Ebene einander n\u00e4hert oder entfernt, sind also von derselben Art, wrie sie bei der Ausf\u00fchrung von Reliefbildern des Originals stattfinden. Man beobachtet die Erscheinung auch leicht an stereoskopischen Bildern, wenn man die angegebenen Bewegungen ausf\u00fchrt, und kann durch dieses Mittel leicht die gew\u00fcnschte richtige Tiefenanschauung des Objects hervorbringen. Doch ist- zu bemerken, dass wir auch ohne den Bildern die richtige Entfernung zu geben, bei bekannten Objecten meistens die richtige Tiefenanschauung bilden, w'eil wir nicht sehr empfindlich f\u00fcr den absoluten Werth der Convergenz unserer Gesichtslinien sind, und eben deshalb leicht, wenn andere Vergleichungspunkte fehlen, so urtheilen, als h\u00e4tten unsere Blicklinien den Grad der Convergenz, der einer richtigen Tiefenanschauung des Objects entsprechen w\u00fcrde.","page":671},{"file":"p0672.txt","language":"de","ocr_de":"672\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u25a0 30.\nEs ist hierbei freilich zu bemerken, dass bei einer solchen Verschiebung stereoskopischer Bilder nicht blos der Grad der C\u00f6nvergenz der Gesichtslinien ge\u00e4ndert wird, sondern auch die Ansicht der Bilder selbst, weil bei unver\u00e4nderter Fixation derselben Punkte die Gesichtslinien, wenn sie vor der Verschiebung senkrecht auf der Fl\u00e4che des Bildes waren, es nach der Verschiebung nicht mehr sind und daher auch das Bild sich etwas anders auf die Netzhaut projicirt. Es l\u00e4sst sich aber leicht einsehen, dass, wenn wir die Bilder selbst so drehen wollen, dass ihr Netzhautbild unver\u00e4ndert bleibt, die nach entsprechenden Punkten der Bilder gezogenen geraden Linien sich gr\u00f6sstentheils nicht mehr schneiden w\u00fcrden, und also kein reeller Punkt gleichzeitig den beiden Punkten in den Zeichnungen entsprechen w\u00fcrde. Wie die Projection des Bildes in solchen \u00bbF\u00e4llen geschieht, kann erst im folgenden Abschnitte bei der Lehre vom Horopter ermittelt werden.\nWenn man stereoskopische Bilder durch convexe oder concave Linsen ansieht, welche dicht vor die beiden Augen des Beobachters gestellt sind, und deren Mittelpunkte gleich weit von einander entfernt sind wie die Mittelpunkte beider Augen, so wachsen dadurch die Gr\u00f6ssen e, \u00a3 und v der Gleichungen 3a) in demselben Maasse, wie die scheinbare Entfernung des Bildes b; es bleiben demnach die Werthe der Gr\u00f6ssen a, \u00df und q unge\u00e4ndert. Solche Linsen ver\u00e4ndern also nicht die scheinbare Lage und Gr\u00f6sse des stereoskopischen Reliefs. Es ist dies wichtig wegen der Brillengl\u00e4ser, welche, wenn sie richtig gestellt sind, keine Gr\u00f6ssenver\u00e4nderung im Gesammtbilde hervorbringen, trotzdem jedes einzelne optische Bild in der That vergr\u00f6ssert oder verkleinert ist.\nDamit aber Brillengl\u00e4ser richtige Gr\u00f6ssen und Entfernungen der Objecte zeigen, ist es wesentlich noting, dass ihre optischen Mittelpunkte gerade so weit von einander entfernt sind, wie die Knotenpunkte der parallel gestellten Augen. Wenn in Fig. 195 a0 der optische Mittelpunkt eines concaven Brillenglases ist, 6 das Object, a0f0 die optische Axe des Glases, so liegt das Bild \u00df0 von b in der Verbindungslinie von a0 mit b; und wenn man von b und \u00df0 die Lothe bf0 und \u00df0(['(s auf die optische Axe f\u00e4llt, die Brennweite des Glases mit p bezeichnet und alsdann setzt\naocr\u201e = s\u2019\nso ist nach den Theoremen des \u00a7. 9, S. 63: 1 1 '1\nFtg. 19\u00f6.\nr s\tp\nDadurch ist die Lage von \u00df0 gegeben. WTenn nun die Linse parallel ihrer Hauptebene verschoben wird, so dass ihr optischer Mittelpunkt in a1 und ihre optische Axe in fx liegt, so wird das Bild von b in die Verbindungslinie von b mit a, r\u00fccken, \u00fcbrigens in dem Lothe rp0 \u00df0 bleiben. Das Bild verschiebt sich also um die L\u00e4nge\n\u00dfo \u00dfi = \u201c\u00ab\u00bb, X\t,\nao I 0\t1\nwenn wir die Verschiebung des Glases a0at \u2014 a setzen. Daraus folgt mit H\u00fclfe der obigen Gleichung zwischen r und s\n\u00dfo\u00dfi\nr\na-------\nr-hp","page":672},{"file":"p0673.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 30.\nTHEORIE BINOCULAR!',R BRILLEN UND DES TELESTEREOSKOPS.\n673\nDenken wir uns dicht hinter den Concavlinsen bei o ein Auge stehend, welches nach den Bildern \u00df0 und \u00df1 hinblickt und diese Bilder auf die feste Ebene cc projicirt in y0 und y,, so ist die scheinbare Verschiebung der Projection auf dieser Ebene, deren Abstand von aa wir mit A bezeichnen wollen,\nA\na A P\nZo 7i = /?\u201e \u00dfI \u25a0\nalso unabh\u00e4ngig von der Lage des Objects b. Die Verschiebung des optischen Bildes bei Verschiebung der Concavlinse von aQ nach ist also gerade dieselbe, als wenn man eine perspectivische Zeichnung des Objects auf der Ebene cc um die Gr\u00f6sse y0y, versch\u00f6be. Denken wir uns die Projectionsebene cc im Brennpunkte dei Linse, machen wir also A p, so wird y.y^ \u2014 \u00ab, also gleich der wirklichen Verschiebung des Glases.\nDie Erscheinungen, welche entstehen, wenn Brillengl\u00e4ser vor den Augen seitw\u00e4rts verschoben werden, sind also dieselben, welche bei gegenseitiger Entfernung oder N\u00e4herung stereoskopischer Zeichnungen sich zeigen. Der Versuch best\u00e4tigt vollkommen diese Folgerung der Theorie. Stehen die Centren der Concavbrillen-gl\u00e4ser einander n\u00e4her als die Augenmittelpunkte, so erscheinen die Gegenst\u00e4nde zu nah, im andern Falle zu weit. Bei Convexbrillen ist es umgekehrt, weil p das entgegengesetzte Vorzeichen hat.\nEs ist dieser Umstand bei der Verfertigung der Brillen 1 wohl zu beachten, namentlich auch deshalb, weil eine fortgesetzte angestrengte Haltung des Auges leicht Schmerzen im Auge und Im Kopfe hervorbringt. Concavbrillen, deren optische Mittelpunkte nicht weit genug von einander entfernt sind, zwingen die Augen fortdauernd zu convergiren; sind die Mittelpunkte im Gegentheile zu weit entfernt, so muss der Beobachter divergiren. Am schlimmsten ist es, wenn ein Mittelpunkt h\u00f6her als der andere liegt. Namentlich die Nasenklemmer sind in dieser Beziehung oft falsch construit. Wenn die optischen Mittelpunkte der Gl\u00e4ser in der Mitte ihrer Fl\u00e4che sitzen, so sind sie einander zu nah und zwingen zum dauernden Convergiren. Auch H\u00f6henabweichungen treten leicht ein, weil der Klemmer sich in der Regel nicht ganz horizontal auf dem Nasenr\u00fccken festsetzt.\nBlickt man nach wirklichen Objecten durch zwei parallel gestellte Teleskope, zum Beispiel Binocles, so erh\u00e4lt man denselben Erfolg, als wenn man die entsprechenden stereoskopischen Zeichnungen dem Auge n\u00e4hert; die Gesichtswinkel werden f\u00fcr alle Theile des Bildes gleichm\u00e4ssig vergr\u00f6ssert. Das entspricht nun, wie wir oben f\u00fcr diesen Fall bei den Zeichnungen gesehen haben, einer Ann\u00e4herung und Verk\u00fcrzung der Tiefendimensionen des Objects ohne Ver\u00e4nderung seiner zur Gesichtslinie senkrechten Dimensionen. Durch Binocles erscheinen also die Objecte gen\u00e4hert, \u00fcbrigens in nat\u00fcrlicher Gr\u00f6sse, aber verflacht, als Basrelief. Das ist auch an menschlichen Gesichtern deutlich zu erkennen ; sie nehmen immer einen unnat\u00fcrlichen, halb bildartigen Ausdruck an.\nDie Theorie des Telestereoskops ergiebt sich leicht, wenn man bedenkt, dass ein Beobachter die Objecte in einem Planspiegel so sieht, nur symmetrisch von rechts nach links umgekehrt, wie das Spiegelbild des Beobachters die wirklichen Gegenst\u00e4nde durch das Glas des Spiegels hindurch sehen w\u00fcrde.\nEs sei A A Fig. 496 (S. 674) der erste, B B der zweite Spiegel, C das Auge des Beobachters. Das Auge C sieht im ersten Spiegel BB die Dinge so, wie das\n1 Die stereoskopischen Erscheinungen, zu denen Brillengl\u00e4ser Veranlassung geben, sind genauer untersucht von F. C. Donders in Anomalies of accommodation and refraction. London 1864, p. 152 \u2014 169.\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\n43","page":673},{"file":"p0674.txt","language":"de","ocr_de":"674\nDRITTER ABSCHNITT. DIR LEIIRR VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 30.\nB\nSpiegelbild D dieses Auges sie durch HB hindurch sehen w\u00fcrde. Dabei muss die Entfernung Cb = Db sein. Das Spiegelbild D sieht wieder die Dinge im Spiegel A A\nso, wie sie E, das von A A entworfene Spiegelbild, von D durch A A hindurch sehen w\u00fcrde, und der Ort von E ist dadurch bestimmt, dass Ea l\u00e4ngs des rellectirten Strahls gemessen gleich Da l\u00e4ngs des einfallenden gemessen sein muss. Daraus folgt, wie schon oben erw\u00e4hnt ist, dass das Auge C durch die zwei Spiegel die Landschaft so sicht, wie sie von E aus direct gesehen erscheinen w\u00fcrde. Nun ist die stereoskopische Differenz e zweier Bilder, projicirt auf eine Zeichnung in der Entfernung b, wie Gleichung le) lehrt,\n&\nc\nE\nFig. 1'J\u00df.\n2 Ab\nwo 2A die Entfernung der beiden Ge-\nsichtspunkte bezeichnet, und r die Entfernung des Objects von der gemeinsamen verticalen Ebene beider Augen. Jene Entfernung 2 A ist im Telestercoskop die Entfernung der beiden von jo zwei Spiegeln entworfenen Spiegelbilder der Augen des Beobachters (r,Pj der Fig. 191, Seite 648). Setzen wir nun diesen Werth von e in die Gleichungen 3a), so wird, wenn unendlich entfernte Punkte mit parallelen Gesichtsaxen gesehen werden:\na x\t\u00df\n\u00ab = ?\u00c4I =\np\ta x\n\u00df = IT =\n= b-\nDanach verhalten sich also \u00ab, \u00df, q zu einander beziehlich wie \u00c7, v, b, welche letzteren wir als die wirklichen Entfernungen ansehen k\u00f6nnen, aber die scheinbare\na\nEntfernung p ist kleiner als r im Verh\u00e4ltniss \u2014, und in demselben Verh\u00e4ltnisse\nA\nsind also auch die \u00fcbrigen scheinbaren Dimensionen reducirt. Die Landschaft erscheint also dann, wie ein richtig eonstruirtes verkleinertes Modell.\nDasselbe gilt f\u00fcr photographische Landschaftsbilder, wenn wir f\u00fcr 2 A die Entfernung der beiden Punkte nehmen, an denen sich der Mittelpunkt des Objectiv-glases der Camera obscura bei den beiden photographischen Aufnahmen befunden hat. Bei der Anordnung des Stereoskops ist darauf zu achten, dass unendlich entfernte Punkte der Photographien mit parallelen Gesichtslinien combinirt werden, und dass die Abst\u00e4nde der Platte von dem Auge oder den Linsen des Stereoskops gleich denen der Platte in der Camera obscura von dem Objectivglase derselben sein m\u00fcssen; sonst bekommt man ein falsches Relief. Beide Bedingungen sind gew\u00f6hnlich in den k\u00e4uflichen Stereoskopen und den dazu geh\u00f6rigen Bildern nicht erf\u00fcllt.","page":674},{"file":"p0675.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 30.\nTHEORIE VON RECKLINGHAUSEN\u2019S BEOBACHTUNGEN.\n675\nRecklinghausen\u2019s Normalfl\u00e4che. Man denke sich ein rechtwinkeliges Coor-dinatensystem, dessen Mittelpunkt im Fixationspunkte liegt, die xyEbene in der Visirebene; die sa;Ebene sei die Medianebene des K\u00f6rpers. Die Coordinaten des rechten Auges seien;\nx = a\ty \u2014 b\tz = O,\ndie des linken Auges;\nx \u2014 a y \u2014 \u2014 b z \u2014 O,\nso dass 2 b die Distanz der Mittelpunkte beider Augen bezeichnet, a den Abstand des Fixationspunktes von der Verbindungslinie der Augenmittelpunkte.\nDie Blicklinie des rechten Auges ist gegeben durch die Gleichungen\nT ~ -f = o und * = 0..............................0,\ndie Blicklinie des linken Auges durch die Gleichungen\nC\u00df\tV\n\u2014 H- y = 0 und z \u2014 0 .\t.\t.\t.\t.\t.\t.\t\\ a).\nBildet man aus den beiden Gleichungen 1) durch Multiplication der ersten mit dem constanten Factor p und Addition der zweiten die neue Gleichung\nM.',' I)1'1 \"........................................o\u201e.\nso ist dies die Gleichung einer Ebene, die durch die rechte Blicklinie geht, denn f\u00fcr alle Punkte dieser Blicklinie sind die beiden Gleichungen 1), folglich auch 1 b) erf\u00fcllt. Nach bekannten S\u00e4tzen ist der Cosinus des-Winkels a, den die Normale dieser Ebene mit der sAxe, oder die Ebene selbst mit der Visirebene, z = 0, macht, gegeben durch die Gleichung\ncos a\nd*\n\n1 c).\nBilden wir entsprechend aus den Gleichungen 1 a) die neue\nso geht diese durch die linke Blicklinie und der Werth von cos a ist f\u00fcr sie derselbe, wie in 1 c).\nAus i c) folgt\np =\ntan g a\noder wenn wir setzen\na ~ r cos y, b = r sin y,\nwo y der halbe Convergenzwinkel, und r die Entfernung jedes Auges vom Fixationspunkte ist:-\np = r tang a sin y \u2022 cos y ,\n43*","page":675},{"file":"p0676.txt","language":"de","ocr_de":"DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DUN GESICHTSWAlIRNF.HMl'NGEN.\n\u00a7. 30.\n(>7(i\nwonach Oie Gleichungen I I\u00bb) und I d) werden:\n(x sin\ty \u2014 y cos y) tang \u00ab\t-t- s\t= 0..................I b)\n\u2014 (a? sin\tv\tij cos ;) fang \u00ab\t-f- s\t\u2014 0....................Id).\nSubtrahirt man die zweite von der ersten, so erh\u00e4lt man\n,r sin y \u2014 0 ,\ndas heisst, die Schnittlinie der beiden Ebenen I b) und Id) liegt in der durch den Eixationspunkt. senkrecht zur Yisirebene und zur Medianebene gelegten Ebene x \u2014 0, welches\tauch\tder\tWinkel n\tsei. Diese Schnittlinie sei\teine gesehene\tLinie, dann\nsind\tdie\tbeiden\tEbenen I bl\tund\tI dl die Ebenen\tihrer\tRichtungsstrahlen.\nWar nun die bisher betrachtete Stellung der Augen eine ohne Raddrehung, so k\u00f6nnen wir \u00fcbergehen zu einer Stellung mit Raddrehung, indem wir in I bl den Winkel \u00ab um d vergr\u00f6ssern. in Id) um ebenso viel verkleinern. Dann bekommen wir f\u00fcr die neue Lage beider Ebenen :\ntans ( \u00ab -+- d 1 = ----------------:\u2014\n\"\ty cos \u25a0/ \u2014\u25a0 x sin y\ntang (\u00ab \u2014 d ) =\ny cos y a\u2019 sut y\nBilden wir hieraus die Tangente der Differenz beider Winkel, so erhalten wir:\n2 z x sin -/\noder\ntan\u00ab (2d) = -5--------- .\t,\ny~ cos y \u2014 Je sin y \u2014|- z\n-\u25a0 -f- y- cos\u2019;. \u2014 x\" sin2p \u2014 2zx sin ;\u2022 \u2022 cotang ( 2 J ) = 0 .\t.\t2),\nwelches die Gleichung eines Tiegels ist, dessen Spitze im Mittelpunkt der Coordi-naten liegt. Aus der Gleichung i) erhellt n\u00e4mlich, dass wenn x, y, z Werthe sind, die der Gleichung 2) gen\u00fcgen, auch nx, ny und nz gen\u00fcgen: daraus folgt, dass jede durch einen Punkt der Fl\u00e4che 2) um^den Anfangspunkt der Coordinaten gezogene gerade Linie ganz in der Fl\u00e4che \u00ce) liegt, dass diese also ein Kegel ist.\nDie in den Gleichungen 11 und I a) angegebenen Werthe der Coordinaten f\u00fcr die Blieklinien gen\u00fcgen ebenfalls der Gleichung i f. Die Kegelfl\u00e4che geht also durch die Blieklinien.\nDa nun nach den oben aufgestellten Grunds\u00e4tzen bei medianem Fixationspunkte die Gesichtsbilder so ausgelegt werden, als w\u00e4re keine Raddrehung erfolgt, so werden das vor der Drehung in der Ebene x = 0 gezogene Strahlenb\u00fcndel und das auf dem Kegel der Gleichung 2) gelegene nicht unterschieden werden, und das Strahlenb\u00fcndel wird also eben oder kegelf\u00f6rmig erscheinen, je nachdem in der ersten oder zweiten Stellung der Augen die Netzhauthorizonte mit\u2019 der Yisirebene zusammenfallen.\nDabei ist noch zu bemerken, dass diejenigen Kanten des Kegels, welche den Blicklinien sehr nahe kommen und also gegen die Augen des Beobachters selbst hingeriehtet erscheinen m\u00fcssten, ein zu k\u00fchnes und unwahrscheinliches Relief geben und\" deshalb besser vermieden werden. Ausserdem ist zu bemerken. dass diejenigen Kanten der Kegelfl\u00e4ehe. die zwischen den Augen durchgehen, in den Bildern beider Netzh\u00e4ute gerade entgegengesetzte Richtung bekommen, und deshalb von ihnen abzusehen ist.\nL'm die scheinbare Lage von Kreisen zu berechnen, deren Mittelpunkt fixirt wird und deren Ebene senkrecht zur Halbirungslinie des Convergenzwinkels ist,","page":676},{"file":"p0677.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nTHEORIE VON RECKLINGHAUSEN\u2019S BEOBACHTUNGEN.\n677\nbenutzen wir den Satz, dass, wenn die- Gleichung einer Ebene in der Normalform gegeben ist,\nU \u2014 ax +\t+ ca 4- d\nund\na2 + b2 -+- c2 = 1\nder Ausdruck U den Abstand des Punktes (x, y, z) von der Ebene U\u20140 bezeichnet, wobei d den Abstand des Mittelpunkts der Coordinaten von derselben Ebene anzeigt.\nBringen wir die Gleichung 1 b) auf die Form\nx sin y sin \u00ab \u25a0\u2014 y cos y sin a -f- z cos a \u2014 U .\t.\t.\t.\t3),\nnehmen wir dazu eine zweite Ebene, die auch durch die Blicklinie geht, in der aber der Winkel \u00ab um einen Rechten gewachsen ist und die deshalb auf 3) senkrecht steht,\nx sin y cos a \u2014 y cos y cos a -\u2014 z sin a \u2014 V.\t.\t.\t.\t3 a),\nund endlich eine dritte Ebene, die auf der Blicklinie senkrecht steht,\nx cos y -+- y sin y \u2014 r \u2014 W...........................3 b),\nso sind U, V, XV rechtwinkelige Coordinaten des Punktes (cc, y, z) bezogen auf das System dieser drei Ebenen und\nI\u00df + 4- v2 = Wz .................................3c)\nm\tn\nist die Gleichung eines Kegels zweiten Grades, der seine Spitze im Mittelpunkte des rechten Auges hat und dessen drei Hauptaxen in den Schnittlinien der Ebenen\nU = 0 ,\tV \u2014 0 ,\tW = 0\nliegen.\nDie Schnittlinie des Kegels 3 c) mit der Ebene, x= 0, ist gegeben durch die Gleichung\nif COS 2y\nsm \u00ab ,\n;\u20142\u2014t-m\n2 (COS \u00ab \u00bbi2\nsin a\n+ 2yz cos y cos \u00ab sin a ^\tj\n= if sin 2y \u2014 2ry sin y -j- r2.\nWenn wir nun verlangen, dass bei derjenigen Raddrehung des Auges, wo u = 0, diese Schnittlinie ein Kreis sei, muss sein\ncos f n2\nsin y \u2014 \u2014-,\n' m\n3d).\nF\u00fcr symmetrische Stellungen des andern Auges muss gleichzeitig y und u negativ genommen\twerden.\tSetzen\twir also\nx\tsin y\tsin a\t-f-\ty\tcos y\tsin\ta\t-\\-\tz\tcos \u00ab\t=\tU'\n\u2014 x\tsin y\tcos\u00ab\t\u2014\ty\tcos y\tcos\u00ab\t-f-\tz\tsin a\t=\tV\ncc\tcos y\t\u2014\ty\tsin y\t\u2014\tr\t==\tW,","page":677},{"file":"p0678.txt","language":"de","ocr_de":"678\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 30.\nso ist\n4r U'1 2 -+\u25a0 4r V'2 = W'2.........................3 e)\nm\tn\ndie Gleichung eines entsprechenden Kegels, dessen Axe die Blicklinie des zweiten Auges ist, dessen Spitze im Mittelpunkte dieses Auges liegt, und der, wenn a = 0 gemacht wird, die Ebene x = 0 und die ihr parallelen Ebenen ebenfalls in einem Kreise schneidet, wie der Kegel 3 c).\nIst nun die Stellung der Augen a = 0 eine mit Raddrehung verbundene Stellung derselben, und die Schnittlinie der beideij Kegel ein objectiv vorhandener Kreis, so wird das Netzhautbild nach den oben gegebenen Regeln so gedeutet, als w\u00e4ren dieselben Netzhautbilder ohne Raddrehung erhalten worden. Das scheinbar vorhandene Object muss also eine Schnittlinie der Kegel 3 c) und 3e) sein. Wenn wir deren Gleichungen von einander subtrahiren, so bleiben nur diejenigen Glieder stehen, welche in beiden verschiedenes Vorzeichen haben, diese sind:\n1\n\u2014 y cos y sin a (x sin y sin a z cos u)\n1\n----V cos y cos u (cc sin y cos a \u2014 z sin a)\n\u2014 y sin y (x cos y \u2014 r).\nDiese Gleichung wird erf\u00fcllt, wenn entweder\ny = 0\nTsin2\u00ab\tcos 2a\t,1\tr 1\ti~\\\n\u2014r-H\t1\t\u2014 + /\t\u25a0+\u2022 jz cos y cos asm\u00ab K \u2014\u2022 -v I\t\nL m\tn\tJ\tL m\tnw\nr sin y.\nDie erste Schnittlinie l\u00e4ge also in der Medianebene, und wird sich nicht leicht als Object darstellen, die Ebene der zweiten wird mit Ber\u00fccksichtigung der Gleichung 3d)\nx (1 \u2014 sin 2\u00ab sin 2y) \u2014 z sin y sin \u00ab cos a \u2014 \u20145-------------------- . . .\t3f).\n(n -j- 1) cos y\nF\u00fcr den Fall, dass a \u2014 0, wird diese Gleichung\nrn2\nx =\t.\t------ = cc0.\n(m^ -+- /) cos y\t0\nDie Schnittlinie der beiden Kegel liegt also in diesem Falle in der Entfernung x0 vor der Ebene, \u00e6=0, in einer dieser parallelen Ebene, und ist ein Kreis. Wenn a nicht gleich Null ist, ist die Ebene der Schnittlinie geneigt gegen die Ebene x = 0 um einen Winkel tj, dessen Tangente ist\ntang y =\nsin y sin a cos a 1 \u2014 sin 2y sin 2a\nund sie schneidet die Visirebene z = 0 in der Linie\n1 \u2014 sin 2a sin 2y \u2019\nalso etwas entfernter vom Auge, als vorher. Die Schnittlinie ist in diesem Falle eine Ellipse.","page":678},{"file":"p0679.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nFORMEN VON STEREOSKOPEN.\n679\nDie nahebin verticalen Axenebeiien der beiden Kegel V = 0 und V' \u2014 0\nschneiden, sich in der geraden Linie, deren Gleichungen sind\nx sin y = y tang a\ny = o\nf\u00fcr a \u2014 0 werden die Gleichungen dieser Linie\nx \u2014 0, z = 0.\nEine zur Visirebene senkrechte Linie erscheint also bei der Raddrehung a beider Augen gegen die Ebene x \u2014 0 geneigt unter dem Winkel r\u2019, dessen Tangente ist\ntang rix\nSin a cos \u00ab \u2022 sin y\nWenn nun die Winkel \u00ab und y, wie dies bei den praktisch ausf\u00fchrbaren Versuchen immer der Fall sein wird, klein sind, so ist\ntang rj >> tang ij.\nDer senkrechte Durchmesser des Kreises erscheint also st\u00e4rker gegen die Ebene x=0 geneigt, als die Ebene des Kreises, und daher scheint er sich vom Kreise zu l\u00f6sen, wrie dies Recklinghausen beobachtet hat. Da gerade die horizontal verlaufenden Theiie der Kreislinie nur eine sehr unbestimmte binoculare Localisation geben, so kann der Kreis auch verbogen erscheinen, wo der Durchmesser ihn schneidet, ohne sich von ihm zu l\u00f6sen.\nBetrachtet man nicht einen Kreis, sondern Ellipsen, so findet die Gleichung 3d) nicht statt, und man findet, dass Ellipsen mit l\u00e4ngerer verticaler Axe sich im Sinne einer verticalen Linie neigen m\u00fcssen, dieser desto n\u00e4her kommend, je schmaler sie sind. Ellipsen dagegen mit l\u00e4ngerer horizontaler Axe neigen sich entgegengesetzt, auch um so st\u00e4rker, je schmaler sie sind.\nAb\u00e4nderung des Linsenstereoskops von Helmholtz. Da die Entfernung entsprechender Punkte in den gew \u00f6hnlichen photographischen Stereoskopenbildern nicht immer gleich der der Augen ist, sie zuweilen auch verschiedene H\u00f6he \u00fcber der Grundlinie haben, so muss man, um eine m\u00f6glichst nat\u00fcrliche Projection der Objecte zu erreichen, das Instrument jedem Bilde adaptiren k\u00f6nnen. In einem Stereoskop, was ich von Herrn Oertling in Berlin erhalten hatte, war dies in einfachster Weise dadurch erreicht, dass zwei prismatische Linsen in zwei cylindrischen, drehbaren R\u00f6hren sassen. Je nachdem man den brechenden Winkel der Prismen mehr nach einw\u00e4rts oder nach ausw\u00e4rts stellte, konnte man eine gr\u00f6ssere oder geringere Convergenz der Augen hervorbringen und auch H\u00f6henunterschiede corrigiren. In anderer Weise, wobei die Einstellung leichter wird und die Unregelm\u00e4ssigkeiten der Brechung in prismatischen Gl\u00e4sern m\u00f6glichst klein bleiben, habe ich denselben Zweck erreicht in dem in Fig. 197 (S. 680) perspectivisch und in Fig. 198 im Querschnitt in % der nat\u00fcrlichen Gr\u00f6sse dargestellten Instrumente. Der Zweck desselben ist namentlich auch st\u00e4rkere Vergr\u00f6sserungen anwenden zu k\u00f6nnen, als die gew\u00f6hnlichen Stereoskope geben, wobei man einen dem nat\u00fcrlichen noch mehr entsprechenden Eindruck erreicht. Doch ist zu bemerken, dass fast nur Photographien auf Glas eine solche st\u00e4rkere Ver-gr\u00f6sserung ertragen. Der Kasten ist \u00e4hnlich dem'des Stereoskops von Brewster mit prismatischen Linsen eingerichtet; durch die Schlitze parallel der Bodenplatte AA, welche selbst gr\u00f6sstentheils durch eine mattgeschliffene Glasplatte gebildet ist, wird das Bild eingeschoben. Der Beschauer blickt durch die beiden cylindrischen R\u00f6hren B\u201e i\u00fc, welche nur centrirte Convex-","page":679},{"file":"p0680.txt","language":"de","ocr_de":"6S0 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTS WAHRNEHMUNGEN.\t\u00a7. 30.\nlinsen, nicht Prismen *, enthalten, daraufhin. Beide R\u00f6hren enthalten zun\u00e4chst dem Auge eine Linse von 12 Centimeter Brennweite und gegen ihr unteres Ende hin eine solche von\n4 8 Centimeter Brennweite. Die letztere kann ausge-schraubt werden, wenn man nur die gew\u00f6hnliche Vergr\u00f6sserung der Stereoskope zu haben w\u00fcnscht, bei welcher aber die Bilder (Landschaften) meist kleiner erscheinen als das wirkliche Object dem unbewaffneten Auge von dem betreffenden Standpunkte aus erscheinen w\u00fcrde. Jede der R\u00f6hren B0 und \u00fc, sitzt in einem zwischen Schienen verschiebbaren rechtwinkeligen Schlitten, so dass \u00df0 in der Richtung von oben nach unten ( beziehlich zum Beobachter), Bt dagegen von rechts nach links verstellt werden kann durch Drehung der Schrauben C0 und Cj. In Fig. 197 ist dargestellt, wie dieSchrau-ben auf die Schlitten wirken, unmittelbar, C0 mittels eines Winkelhebels.\nIch pflege die R\u00f6hren erst so weit herauszuziehen , bis das photographische Bild im Brennpunkte der Concavlinsen steht, was sich leicht erkennen l\u00e4sst, wenn man von unten auf die matte Glasplatte blickt und das Bild entfernter heller Objecte auf der Fl\u00e4che der stereoskopischen Darstellung auff\u00e4ngt. Ist der Beschauer kurzsichtig, so lasse ich ihn lieber durch die ihm gew\u00f6hnte Brille hineinsehen. Dadurch dass man das Bild in den Brennpunkt der Linsen bringt, hat man den Vortheil, dass es erstens auch bei Bewegungen des Kopfes vor den Gl\u00e4sern wie ein unendlich entferntes Object erscheint; zweitens dass die Deckung der Bilder auch nicht gest\u00f6rt wird, wenn der Beobachter den Kopf nach der Seite neigt. Namentlich also, wenn man das Stereoskop fest aufstellt und den Beschauer davor treten l\u00e4sst, um hindurchzusehen, so erh\u00e4lt er, was die Formen betrifft, in allen Beziehungen denselben optischen Eindruck, als blickte er nach den entfernten reellen Objecten. Die, Schrauben C0 und fj werden dann gebraucht, um den Stand der beiden optischen Bilder zu corrigiren. Indem ich meine Augen etwas convergiren lasse, erzeuge ich Doppelbilder von irgend einem hell hervortretenden Objecte, und sehe zu, ob diese gleich hoch neben einander stehen; wenn nicht, so corrigire ich mit der Schraube C0 so lange, bis dies der Fall ist. Die Einstellung in den Brennpunkt kann man dann noch genauer controlliren, wenn man seitliche\nFig. 198.\n1 Auch Herr Claudet hat bemerkt (fYuc. lioyal Soc. VIII, 104\u2014110), dass es richtiger ist und nat\u00fcrlichere Hilder rieht, wenn man Landschaftsbilder durch Linsen mit parallelen Gesichtslinien combinirt.","page":680},{"file":"p0681.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 30.\nFORMEN VON STEREOSKOPEN.\n6S1\nNeigungen des Kopfes macht. Um ann\u00e4hernd die richtige Convergenz hervorzubringen, gehe ich mit dem Kopfe etwas zur\u00fcck von den Gl\u00e4sern, blicke \u00fcber das Stereoskop fort nach wirklichen Gegenst\u00e4nden und vergleiche deren Entfernung mit der scheinbaren der Objecte im Stereoskop. Danach l\u00e4sst sich dann mittels der Schraube Cj leicht die n\u00f6thige Correction machen.\nDie Objecte erscheinen durch ein solches Instrument gesehen bei richtiger Einstellung nicht nur viel gr\u00f6sser und viel entfernter, sondern auch k\u00f6rperlicher als durch die gew\u00f6hnlichen Instrumente, welche fast immer zu starke Convergenz verlangen und deshalb die Gegenst\u00e4nde als Basreliefs erscheinen lassen. Man hat auch den sehr wesentlichen Yortheil, dass man die sonst so leicht eintretende Erm\u00fcdung und Schmerzhaftigkeit der Augen hierbei g\u00e4nzlich vermeiden kann.\nAusser dem schon genannten Spiegelstereoskop von Wheatstone, dem Linsenstereoskop von Brewster in seinen verschiedenen Modificationen, dem Pseudosk'op, welches auch gebraucht werden kann, um je zwei Zeichnungen mit einander zur Deckung zu bringen, k\u00f6nnen auch stereoskopische Wirkungen mit nur einer Zeichnung und einem Prisma erzeugt werden Wenn die Zeichnung n\u00e4mlich einen zur Medianebene des Beschauers symmetrisch gebildeten Gegenstand darstellt, so wie er vom rechten Auge gesehen wird, so w\u00fcrde die entsprechende Ansicht des linken Auges ihr symmetrisch oder ihrem Spiegelhilde congruent sein. Statt der zweiten Zeichnung kann man also auch wirklich ein Spiegelbild der ersten setzen, indem man mit dem linken Auge durch ein rechtwinkeliges Glasprisma parallel dessen Hypotenusenfl\u00e4che hindurchsieht, wobei, wie mehrfach schon erw\u00e4hnt ist, der Beschauer ein in der Hypotenusenfl\u00e4che durch totale Reflexion entworfenes Spiegelbild d\u00e9s Objectes sieht. Das rechte Auge blickt inzwischen direct nach der Zeichnung. Wenn man die Bilder beider Augen zum Decken bringt, sieht man das k\u00f6rperliche Relief. Nimmt man das Prisma vor das linke Auge, so sieht man das umgekehrte Relief. Man kann auf diese Weise oft Zeichnungen zu stereoskopischen Effecten benutzen, die gar nicht dazu bestimmt sind, wie zum Beispiel photographische Portr\u00e4ts, welche von vorn mit einer sehr kleinen Abweichung nach einer Seite hin aufgenommen worden sind.\nAehnliche stereoskopische Effecte erreichte Dove 1 2, indem er nach einer passenden Zeichnung mit einem astronomischen und einem Galilei\u2019schen Fernrohr von gleicher Vergr\u00f6sse-rung hinsah. Ersteres kehrt die Zeichnung um, letzteres nicht. Man kann hierzu dieselben Zeichnungen brauchen, wie f\u00fcr das einfache Prismenstereoskop, nur muss die obere H\u00fclft\u00e8 des dargestellten K\u00f6rpers auch mit der untern symmetrisch sein.\nDas einfachere Telestereoskop ohne Vergr\u00f6sserung habe ich oben beschrieben; ich habe ein \u00e4hnliches Instrument mit zwei Fernrohren construiren lassen, mit welchem man entfernte Gegenst\u00e4nde in ihrer k\u00f6rperlichen Form stereoskopisch sehen kann. Der optische Theil des Instruments ist dargestellt auf Taf. IV, Fig. 3. Das Licht, was von den Objecten kommt, wird zun\u00e4chst aufgefangen durch die beiden ebenen Spiegel ua und alal. Diese Spiegel m\u00fcssen aber von der gr\u00f6ssten Vollendung sein, weil sie sonst bei der Vergr\u00f6sserung durch die Fernrohre verzerrte Bilder geben. Durch drei Schrauben werden sie gegen die Platte k und k' angezogen, w\u00e4hrend zwischen ihnen und der Platte Federn liegen, die sie so weit entfernen, als die Schrauben es zulassen. Mittels der Schrauben kann man die Stellung der Spiegel so weit ab\u00e4ndern, dass die Bilder beider Seiten zusammenfallen. Die Objectiv-linsen der Fernrohre liegen hei e und c'. Sie sind in R\u00f6hren eingesetzt, welche mittels der gezahnten Triebe i und die in gezahnte Stangen h und 7t' eingreifen, hin und liergescho-ben werden k\u00f6nnen, um die Focaldistanz des Fernrohrs reguliren zu k\u00f6nnen. Zwei Ocular-linsen eines terrestrischen Oculars liegen bei d und e. Dann f\u00e4llt das Licht auf das Prisma b, um in den Seitenr\u00f6hren auf die dritte und vierte Ocularlinse g zu fallen. Das Prisma b kann mittels der in den dahinter liegenden Metallklotz p eingreifenden Schraube verschoben\n1\tDove Poggenil. Ann. LXXXIII, 183. Berliner Monatsberichte. 1850, p. 152. Brewster Phil. Mag. (4) 111, 16 \u2014 26. Rep. of Bril. Assoc. 1819, 2, p. 5.\n2\tPoggenil. Ann. LXXX, 416. Berliner Monatsberichte. 1850, p. 152.","page":681},{"file":"p0682.txt","language":"de","ocr_de":"682\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSVVAIIRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u202230.\nwerden, um die optisclie Axe der beiden Theile des Fernrohrs in Uebereinstimmung zu setzen. Endlich dient der gezahnte' Trieb m dazu die beiden Ocularr\u00f6hren mit den ganzen Fernrohren von einander zu entfernen oder einander zu n\u00e4hern, um sie der Augendistanz des Beobachters anzupassen.\nDa die Entfernung der Spiegel an dem Instrumente 1080 Millimeter betr\u00e4gt, so ist sie 16 mal gr\u00f6sser als die der menschlichen Augen, und die stereoskopischen Unterschiede werden also 16 mal gr\u00f6sser, als f\u00fcr die unbewaffneten Augen. Da die Vergr\u00f6sserung auch eine sechszehnmalige ist, so ist die Wirkung des Instruments die, als s\u00e4he man das Object mit unbewaffneten Augen aus einer sechszehnmal kleineren Entfernung, als man es wirklich sieht.\nDen entgegengesetzten Effect von dem telestereoskopischen erh\u00e4lt man nach einer Bemerkung von Oppel 1, wenn man zwei einander congruente K\u00f6rper in der Entfernung der Augen von einander, beide gleich gerichtet, aufgestellt und mit parallelen Gesichtslinien betrachtet.\nStereoskopisches Mikroskop. Ein solches nach Nachet\u2019s neuerer Construction ist dargestellt in Fig. 199. Bei a ist das Objectivlinsensystem. Das durchtretende Strahlen-\nbiindel trifft zun\u00e4chst auf das kleine reflectirende Glasprisma bei b, die eine H\u00e4lfte des Strahlenb\u00fcndels gebt an diesem vorbei und durch das Rohr E zum Ocular e, um in das eine Auge des Beobachters zu fallen. Die andere H\u00e4lfte des Strahlenb\u00fcndels dagegeh, welche in das beinahe rechtwinkelige Prisma b eintritt, wird von dessen Hypotenusenfl\u00e4che reflectirt und gegen das zweite Prisma c hin geworfen, um hier noch einmal reflectirt zu werden in das Rohr F hinein und zum Ocular f, durch welches es in das andere Auge des Beobachters f\u00e4llt. Mittels der Schraube g kann das ganze Rohr F mit dem Prisma c dem Rohre E gen\u00e4hert oder von ihm entfernt werden, um das Instrument dem Abstande der beiden Augen des jedesmaligen Beobachters anzupassen. Da die Lichtb\u00fcndel, welche aus den Ocularen \u00ab und f austreten, sehr schmal sind, so muss ihre Entfernung der der Pupillen genau gleich sein, damit beide Augen ein Bild empfangen. In den englischen Instrumenten \u00e4hnlicher Art sind beide R\u00f6hren fest verbunden, und die Accommodation f\u00fcr die Augendistanz des Beobachters wird dadurch erreicht, dass man die Ocularst\u00fccke der R\u00f6hren mehr oder weniger herauszieht.\nDie stereoskopische Wirkung bei diesen Instrumenten ist sehr auffallend und erleichtert die Beobachtung von Objecten verwinkelterer Form ausserordentlich. Sie kommt vermittels ganz anderer Umst\u00e4nde zu Stande als in den \u00fcbrigen stereoskopischen Instrumenten. Wir haben in diesem Falle n\u00e4mlich keine von zwei verschiedenen Standpunkten Fig. 199.\taus aufgenommenen Bilder des Objects, da das eine Ob-\njectivlinsensystem des Mikroskops die beiden Bilder f\u00fcr beide Augen entwirft und nur die eine H\u00e4lfte des Lichts an das eine Auge, die andere an das andere vertheilt wird. Eine stereoskopische Wirkung kommt hier nur deshalb zu Stande, weil allein die Punkte der Focalebene des Mikroskops ein punktf\u00f6rmiges Bild geben; alle Punkte aber, die vor oder hinter der Focalebene liegen, geben kleine Zerstreuungskreise, und wegen der Ilalbirung des Strahlenb\u00fcndels f\u00e4llt die eine H\u00e4lfte eines jeden Zerstreuungskreises in das rechte, die andere in das linke Auge. Da nun die rechte H\u00e4lfte des Zer-streuungskreiscs anders liegt als die linke, so kommt dadurch eine stereoskopische Wirkung zu Stande.\n1 Jahresbericht des Frankfurter Vereins 1858 \u2014 59, p. 6i\u201475.","page":682},{"file":"p0683.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 30.\nFORMEN VON STEREOSKOPEN.\n683\nNach den auf Seite 56 bis 39 gegebenen Regeln k\u00f6nnen die Hauptpunkte und Brennpunkte des ganzen optischen Systems eines Mikroskops leicht gefunden werden. Der erste Hauptpunkt liegt unterhalb des Objectivglases, der erste Brennpunkt ebenfalls, aber dem Objeetiv n\u00e4her. Der zweite Haupt- und Brennpunkt liegen oberhalb des Oculars, und zwar wieder der Brennpunkt' diesem n\u00e4her. Das Auge des Beobachters k\u00f6nnen wir uns im zweiten Brennpunkte befindlich denken und p die Brennweite des ganzen Systems nennen. Sind nun f und <jp die Entfernungen beziehlich des Objects vom ersten Brennpunkte nach oben und des Bildes vom zweiten Brennpunkte nach unten, so ist nach S. 49 Gleichung 7b)\n\nBezeichnet b die Gr\u00f6sse des Objects, \u00df die seines Bildes, so ist\nJL _ P \u2014 <P __ P_ _ b f\u2014p f ~ p\u2018\nDenken wir uns nun das Auge accommodirt f\u00fcr das Bild \u00df, und vor oder hinter dem Gegenst\u00e4nde b noch ein anderes Object b', welches, da jenes erste durchsichtig ist, mit ihm zugleich gesehen werden kann, und dessen Entfernung vom Brennpunkte f sein mag, so ist die Entfernung seines Bildes vom Auge und vom zweiten Brennpunkte\nworaus folgt\ncp\u2019 \u2014 cp\np2\nr-r\nff\nDer Winkel, unter dem die Strahlen vom Bilde b aus in das Objectivglas fallen, sei a, der zugeh\u00f6rige Divergenzwinkcl der Strahlen des Bildes \u00df sei a, so ist nach Seite 50, Gleichung 7d) und Seite 54, Gleichung 9)\noder\nb tang a = \u00df tang a f\ntang \u00ab = \u25a0\u2014 tang a\nund ebenso f\u00fcr die Bilder V und \u00df1 nebst den zugeh\u00f6rigen Divergenzen der Strahlen ai und a\u2019 ist\nf\ntang a' = \u2014 tang a1.\nP\nDer Radius g des Zerstreuungskreises in der Ebene des Bildes \u00df, f\u00fcr welche das Auge accommodirt ist, ist, wie leicht ersichtlich,\n9 = (cp1 \u2014 cp) tang u1 = j- (f\u2014f) tango'.\nDa nur Gegenst\u00e4nde beobachtet werden k\u00f6nnen, f\u00fcr welche der Zerstreuungskreis sehr klein ist, also cp1 \u2014 cp und f \u2014 f sehr klein sind, so kann die Ver\u00e4nderlichkeit des Winkels a1 f\u00fcr verschiedene sichtbare Objecte und sein Unterschied vom Winkel a vernachl\u00e4ssigt werden, und wir k\u00f6nnen deshalb unter dieser Beschr\u00e4nkung die letzte Gleichung schreiben\no =\t(f-n.\nNun f\u00e4llt von\u2019 diesem Zerstreuungskreise bei der beschriebenen Einrichtung des stereoskopischen Mikroskopes die eine H\u00e4lfte in das rechte, die andere in das linke Auge. Dadurch wird jede zur Visirebene verticale Linie des Bildes, sei sie nun isolirt gezogen oder Theil einer gleichm\u00e4ssig gef\u00e4rbten Fl\u00e4che, verwandelt in einen Streifen von der Breite q,","page":683},{"file":"p0684.txt","language":"de","ocr_de":"684\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 30.\nso dass die Verbreiterung in dem einen Bilde nach rechts hin, im anderen nach links hin geschieht. Zwei solche Streifen haben also in den beiden Bildern eine stereoskopische Parallaxe gleich q im Vergleich mit den Punkten der Focalebene.\n1st f kleiner als f, liegt also das Object weiter vom Objectivglase als diejenigen Punkte, f\u00fcr deren Bild das Auge accommodirt ist, so ist cp' gr\u00f6sser als cp, das heisst das Bihl von l)' liegt unterhalb des Bildes von b, und in der Ebene von b sind die Strahlen des Bildes V schon gekreuzt. Dann f\u00e4llt die rechte H\u00e4lfte des Zerstreuungskreises in das rechte Auge des Beobachters, die linke in das linke Auge, die stereoskopische Parallaxe ist also negativ, verglichen mit der des Bildes b, und iq scheint, wie es wirklich liegt, hinter b zu liegen. Dabei, gelangt die eine H\u00e4lfte des Zerstreuungskreises durch doppelte Spiegelung in das entsprechende Auge des Beobachters und erscheint deshalb nicht von rechts nach links verkehrt, sondern in nat\u00fcrlicher Lage.\nUmgekehrt verh\u00e4lt sich alles, wenn das Object b' oberhalb b liegt.\nIn den Instrumenten von Nachet kann man den Schieber, der die Prismen enth\u00e4lt, so weit hervorziehen, dass das kleine Glasprisma b der Fig. 190 vor die andere (rechte) H\u00e4lfte der Oeffnung tritt, dann erh\u00e4lt man einen pseudoskopischen Effect ; was in Wirklichkeit unten liegt, erscheint dann oben.\nAehnlich wirkt der binoculare Augenspiegel, welcher in Fig. 200 nach Naciiet\u2019s Construction abgebildet ist. A ist ein Concavspiegel von Glas, von dessen Mitte die Be-\nlegung weggenommen ist. Die vordere und hintere Fl\u00e4che des Glases haben gleiche Kr\u00fcmmung, so dass es die Strahlen ungebrochen durchgehen l\u00e4sst. Der Spiegel dient zur Beleuchtung des zu beobachtenden Auges. Zwischen ihn und das Auge wird eine Convexlinse gehalten, deren reelles umgekehrtes Bild der Beobachter betrachtet, wie in dem auf Seite 178 Fig. 94 schematisch dargestellten Versuche. Das Licht, welches vom beobachteten Auge kommt, theilt sich hinter der Oeffnung, indem es auf die beiden reflectirenden Prismen \u00ab und b f\u00e4llt. Das Prisma a hat einen parallelogrammatischen Querschnitt; zwei seiner Winkel sind gleich halben Rechten. Die Prismen b und c zusammengenommen bilden ein Prisma von derselben Gestalt, wie a, welches aber quer durchschnitten ist, damit man den Theil c mittels der Schraube cl dem andern Theil b n\u00e4hern und davon entfernen kann. Dadurch wird das Instrument der Augendistanz des Beobachters angepasst. Die Strahlen, welche durch die mittlere Oeffnung zuerst rechtwinkelig in die vordere Fl\u00e4che des Prisma a eingetreten sind, werden dann von der kleinen Seite des Parallelogramms gegen die zweite nach aussen gekehrte kleine Seite reflectirt, und von dieser letztem zum zweiten Male reflectirt gegen die Oeffnung e hin, und treten durch diese aus in das eine Auge des Beobachters. Die zweite H\u00e4lfte der Strahlen, welche in das Prisma b eintreten, werden ebenso von dessen geneigter Fl\u00e4che gegen die geneigte Fl\u00e4che von c reflectirt, und von dieser gegen die Oeffnung h hin, um in das zweite Auge des Beobachters zu fallen. In die Oeffnungcn e und h sind schwach brechende Prismen eingesetzt, damit der Beobachter mit schwach convergenten Blicklinien das gemeinsame Bild betrachten kann. Die Prismen sitzen in je einem Schieberchen, welches ausserdem noch zwei andere Prismen mit convexen Fl\u00e4chen enth\u00e4lt, die, wenn sie vorgeschoben werden, zugleich vergr\u00f6ssernd wirken.\nDie vortheilhafteste Stellung der Convexlinse, durch welche man beobachtet, ist, wenn sie ein Bild der Pupille des beobachteten Auges auf die Oeffnung des Spiegels wirft, wie auf","page":684},{"file":"p0685.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nFORMEN VON STEREOSKOPEN.\n685\nSeite 179 bis 181 er\u00f6rtert ist. Unter diesen Umst\u00e4nden f\u00e4llt das Licht, was durch die rechte H\u00e4lfte der Pupille kommt, in das links gelegene Prisma a, und das von der linken Seite der Pupille kommende in das rechts gelegene Prisma b. Das rechte Auge des Beobachters sieht also den Hintergrund des beobachteten Auges, wie er von der linken H\u00e4lfte der Pupille aus erscheint, das linke Auge, wie er von ihrer rechten H\u00e4lfte aus erscheint. Da das Bild \u00fcbrigens auch verkehrt ist, so giebt dies einen richtigen stereoskopischen Effect, der sehr merklich und f\u00fcr die medicinische Beobachtung des Augenhintergrundes sehr n\u00fctzlich ist.\nSchliesslich will ich hier noch die eigenth\u00fcmliche Methode der Stereoskopie von Roll-. mann 1 erw\u00e4hnen. Er zeichnet beide Projectionen auf dieselbe schwarze Tafel, die eine mit rothen Linien, die andere mit blauen. Dann nimmt er vor das eine Auge ein rothcs Glas, vor das andere ein blaues und sieht nun mit jenem nur die rothen Linien, mit diesem nur die blauen , die sich dann zum Relief verbinden lassen. Wenn man blaue und rothe Gl\u00e4ser vertheilt, kann man eine solche Zeichnung vielen Personen zu gleicher Zeit zeigen. Herr J. C. d\u2019Almeida entwirft die betreffenden Bilder mittels zweier Linsen, vor deren eine ein rothes, vor die andere ein gr\u00fcnes Glas eingeschaltet ist, auf einen Schirm.\nEs k\u00f6nnen \u00fcbrigens die verschiedenartigsten brechenden und spiegelnden Apparate gebraucht werden, um die f\u00fcr stereoskopische Zwecke gew\u00fcnschte Verschiebung der Bilder hervorzubringen, wobei bald beide, bald nur ein Bild verschoben wird. Wie Wheatstone urspr\u00fcnglich zwei Planspiegel benutzt hat, so hat Bbewster 2 ein \u00e4hnliches mit zwei Spiegeln, ein anderes mit einem Spiegel, das letztere entweder mit einer oder zwei Zeichnungen beschrieben. Statt der Spiegel k\u00f6nnen auch, wie Dove 3 und Brewster vorgeschlagen haben, total reflectirende Prismen, eines oder zwei, im letzteren Falle wieder je eines vor ein Auge, oder beide zum Reversionsprisma verbunden, vor ein Auge gestellt, gebraucht werden. Ebenso gen\u00fcgt ein schwach brechendes Prisma mit ebenen Fl\u00e4chen, um eines der Bilder bis zur Deckung mit dem andern zu verschieben. E. Wilde 4 brauchte zu demselben Zweck das doppelt reflectirende Prisma einer Camera lucida.\nUm ohne Ablenkung der Lichtstrahlen die Combination stereoskopischer Bilder zu erzielen, schl\u00e4gt Brewster vor, vor sie eine Glasplatte mit einem schwarzen Fleckchen, welches man flxirt, in passender Entfernung zu halten. Herr Faye 5 wendet einen Schirm mit zwei L\u00f6chern an, so dass jedes Auge nur die zugeh\u00f6rige Zeichnung sieht, Herr Elliot 6 zwei gekreuzte R\u00f6hren, durch die das rechte Auge das linke Bild sieht und umgekehrt. Zu bemerken ist, dass wegen der Schwierigkeit die passende Accommodation herzustellen weitsichtige Beobachter leichter bei gekreuzten Gesichtslinien, kurzsichtige bei ungekreuzten combiniren.\nJ. Duboscq 7 hat prismatische Linsen in ein Opernguckerstativ gesetzt und dadurch die an der Wand h\u00e4ngende Doppelzeichnung betrachtet, so dass man durch N\u00e4herung und Entfernung die Convergenz der Augenaxen ver\u00e4ndern kann, wodurch das Relief vergr\u00f6ssert oder verkleinert wird. \u2014 Um beliebig grosse Bilder zu combiniren, stellt er in seinem Panoramenstereoskop die Bilder \u00fcber einander und zwei, um eine horizontale Axe drehbaren, neben einander stehenden Spiegeln gegen\u00fcber. Der Beobachter blickt zwischen den Bildern oder unter ihnen hindurch nach den Spiegeln, die so gestellt sind, dass die entsprechenden Tlieile der Bilder sich decken. Die Bilder k\u00f6nnen beliebig breit gemacht werden und vor den Augen des Beobachters vorbeigleiten. Eine andere Form zur Combination grosser Bilder, die dem Stereoskop von Brewster \u00e4hnlicher ist, mit achromatischen ebenfl\u00e4chigen Prismen und davon getrennten Linsen, beide verschiebbar um Correctionen des Bildes auszuf\u00fchren, hat Herr Duboscq sp\u00e4ter beschrieben 1 2 3 4 5 6 * 8.\n1\tPoggend. Ann. XC, 1SG \u2014187.\n2\tPhil. Magaz; (4) III, 16 \u2014 26.\n3\tPoggend. Ann. LXXXVIII, 183.\n4\tPoggend. Ann. LXXXV, 63 \u2014 67.\n5\tComptes rendus. XL\u00cfI\u00cf, 673 \u2014 674. Poggend. Ann. XCIX, 641\u2014642.\n6\tPhil. Mag. (4) Xfll, 78.\nT Cosmos. \u00ce, 97 \u2014 104 ; 703 \u2014 705.\n8 Comptes rendus. XLIV, 148\u2014150,","page":685},{"file":"p0686.txt","language":"de","ocr_de":"686\n\u00a7. 30-\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\nIn das Panoramenstereoskop k\u00f6nnen statt der Bilder nun auch rotirende stroboskopische Scheiben eingesetzt werden, so dass man die bewegten Figuren auch k\u00f6rperlich sieht. Diese Einrichtung \u00abriebt das Stere ophantasko p oder Bioskop. Ein Instrument, was dasselbe Resultat giebt, hat Herr Czermak unter dem Namen Stereophoroskop beschrieben. Er w\u00e4hlte dazu das gew\u00f6hnliche Linsenstereoskop, f\u00fcr welches beide Bilder auf einen und denselben Pappstreifen neben einander geklebt werden. Diese Pappstreifen mit ihren je zwei Bildern wurden an den Seitenfl\u00e4chen eines mehrseitigen uin eine horizontale Axe drehbaren Prisma befestigt. Dm das Prisma herum in der Entfernung von einigen Zollen von den Bildern l\u00e4uft noch ein G\u00fcrtel von Pappdeckelst\u00fccken, in welche die n\u00f6thigen Oeffnungen eingeschnitten sind um in den richtigen Momenten die Zeichnungen zu sehen. Ausserhalb dieses G\u00fcrtels wird die Prismencombihation eines B\u00fcEWsTEit\u2019schen Stereoskops festgestellt, so dass der Beobachter durch sie und durch die vorbeipassirenden Spalten nach den Bildern hinsehen kann.\nHerr C. Clarke * 2 hat das BREWsTE\u00df\u2019sche Stereoskop mit einem Fusse versehen, Herr Kilbarn 3 es zum Zusammenlegen eingerichtet. Smith und Beck 4 haben einen Fuss, eine festere Bahn f\u00fcr die Bilder, reichlichere Beleuchtung von allen Seiten, achromatische Linsen angebracht, Samuel 5 eine Vorrichtung, um die Entfernung der Bilder von den Linsen der Sehweite des Beobachters anzupassen.\nEigent\u00fcmlich ist die Einrichtung von Claudet\u2019s S tcreo mono s kop 6. Er bemerkte, dass die Bilder einer Camera obscur a, auf einer mattgeschliffenen Glasplatte entworfen und binocular betrachtet, etwas stereoskopisches Relief zeigen. Die Erscheinung erkl\u00e4rt sich dadurch, dass jede* Auge auf der matten Glasplatte diejenigen Strahlen am st\u00e4rksten sieht, welche in Richtung seiner eigenen Gesichtslinie auffallen. Er construirte darauf das Stereomo-noskop, welches mittels zweier Linsen zwei zusammengeh\u00f6rige stereoskopische Bilder auf dieselbe Stelle einer matten Glasfl\u00e4che entwirft. Wenn die Glasplatte binocular betrachtet wird sieht jedes Auge nur das f\u00fcr dasselbe bestimmte Bild, und es entsteht der Eindruck des Reliefs.\nUm Ver\u00e4nderungen in der Stellung der Bilder f\u00fcr Dntersuchungen \u00fcber den optischen Effect solcher Verschiebungen vornehmen zu k\u00f6nnen, hat Wheatstone 7 an seinem oben beschriebenen Spiegelstereoskope die parallelen W\u00e4nde, an denen die Bilder aufgestellt sind, auf Schlitten verschiebbar gemacht; ausserdem sind die beiden Arme des Stereoskops drehbar um eine feste Axe zwischen den beiden Spiegeln, so dass man den Convergenzwinkel der Augen ver\u00e4ndern kann. Herr Hardie 8 hat zu \u00e4hnlichem Zwecke, um pseudoskopische Reliefs hervorzubringen, ein dem sp\u00e4ter von mir construirten und oben beschriebenen Telestereoskope \u00e4hnliches Instrument mit zwei Spiegelpaaren construirt. Man kann damit die Bilder bald verkehrt, bald in ihrer wahren Lage zeigen, das Belief \u00fcbertreiben, schw\u00e4chen oder umkehren. Herr H. Meyer 9 hat zu demselben Zwecke die Bilder des WHEATSTora\u2019schen Spiegelstereo-sk\u00f6ps nach ihrer Fl\u00e4che verschiebbar gemacht, und eine Scale zur Messung der Verschiebungen hinzugef\u00fcgt: Doch hat die von Wheatstone vorgeschlagene Einrichtung, wo sich die Bilder im Kreise bewegen und ihr Abstand von den Augen ganz unver\u00e4ndert gelassen werden kann, wohl den Vortheil, dass sie bei Seitenverschiebungen der Bilder die Netzhautbilder derselben ganz unver\u00e4ndert l\u00e4sst, w\u00e4hrend bei Meyer\u2019s Einrichtung kleine Correctionen wegen der Ver\u00e4nderlichkeit des Abstandes der Bilder von den Augen bei Verschiebungen l\u00e4ngs einer ebenen Fl\u00e4che berechnet werden m\u00fcssen.\nAehnliche Ver\u00e4nderungen 10 der Convergenz bei der Betrachtung wirklicher K\u00f6rper hat\n\u25a0 Wiener Berichte. XV, S. 463 \u2014 466. Ein anderes \u00e4hnliches Instrument Stereotrope von Shaw in Proc. Royal Soc. XI, 70-73.\n2\tCosmos. Ill, 123. \u2022\n3\tCosmos. Ill, 1*10.\n4\tAthenaeum. 1858, II, 269 \u2014270. London J. of Arts. Juni 1860.\n5\tRep. of Brit. Assoc. 1858 , 2, p. 19.\n0 Proc. Royal Soc. IX, 194\u2014196.\n7\tPhil. Transact. 1852, p.1\u201417.\n8\tPhil. Magaz. (4) V, 442\u2014 446.\n9\tPoggendoriFs Annalen. LXXXV, 198 \u2014 207.\n10\tWiener Sitzungsber. XLII, 488\u2014502.","page":686},{"file":"p0687.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nFORMEN VON STEREOSKOPEN.\n687\nRollet erreicht, indem er vor jedes Auge schr\u00e4g gerichtet eine planparallele dicke Glasplatte stellte. Je nachdem deren vordere Fl\u00e4chen der Nasenseite oder der Schl\u00e4fenseite des betreffenden Auges zugekehrt sind, machen sie die Blicklinien divergenter oder convergenter. Die Erscheinungen waren dabei den Erfahrungen von Wheatstone entsprechend.\nS tere os kop enb ilder sind theils durch perspectivische Construction der betreffenden Zeichnungen verfertigt und durch Lithographie oder Kupferstich vervielf\u00e4ltigt worden *, theils durch Photographie. Unter den ersteren sind nur die nicht schattirten Linienzeichnungen geometrischer Gestalten, regelm\u00e4ssiger K\u00f6rper oder Krystallmodelle von guter Wirkung. Sie sind gleichzeitig die Evidentesten Beispiele der stereoskopischen Wirkungen, da hier alle Mittel der Beleuchtung und Schattirung fehlen, welche die T\u00e4uschung unterst\u00fctzen k\u00f6nnten. Zu ihrer Construction geh\u00f6rt aber eine ausserordentliche Genauigkeit, wenn sie nicht verzerrt aussehen sollen, da schon die allerkleinsten Abweichungen sehr merkliche Ver\u00e4nderungen des Reliefs nach sich ziehen k\u00f6nnen. Es k\u00f6nnen ganz ausserordentlich verwickelte geometrische Gestalten durch dieses Mittel zu einer klaren k\u00f6rperlichen Anschauung gebracht werden. Da \u00fcbrigens dergleichen Zeichnungen \u00fcberall k\u00e4uflich zu haben sind, so gebe ich hier keine Beispiele derselben. Die bisherigen Versuche dergleichen lithographirte Figuren auch zu scliat-tiren, sind ziemlich misslungen, weil die Abstufungen des Schattens in den beiden entsprechenden Figuren nicht gleiclim\u00e4ssig genug gemacht werden k\u00f6nnen. Der Hilfsapparat von Rood zur Construction solcher Zeichnungen ist schon oben S. GOS erw\u00e4hnt worden.\nWeit vollkommener ist die Wirkung der stereoskopischen Photographien, die zuerst von Professor Moser in K\u00f6nigsberg gemacht wurden, deren Anfertigung schon einen ausgedehnten-Industriezweig bildet und in denen wir Landschaften und Geb\u00e4ude aller Theile der Erde, Statuen, Thiere, Blumen u. s. w. dargestellt finden. Dieselben wurden fr\u00fcher meist so gemacht, dass man mit derselben Camera obscura nach einander Ansichten des Objects von zwei verschiedenen Punkten aufnahm. Das hatte aber den Nachtheil, dass bei heller Sonnenbeleuchtung die Schlagschatten w\u00e4hrend der Zeit zwischen der ersten und zweiten Aufnahme ihren Ort wechselten und dann einen falschen Effect in dem Bilde machten. Diese Schatten erscheinen dann mitunter wie k\u00f6rperliche in der Luft befindliche dunkle Schirme. Ich fand einen solchen Effect an einem Bilde von Paris, wo durch die Stellung des Zeigers an der Uhr eines Kirch-\u2019 thurms constatirt werden konnte, dass nur f\u00fcnf Minuten zwischen der Aufnahme der beiden Bilder vergangen waren. Dazu kommt die Schwierigkeit der zwei zu pr\u00e4parirenden lichtempfindlichen Platten u. s. w. In neuerer Zeit werden deshalb nach D. Brewster\u2019s 2 Vorschlag vielfach Instrumente mit zwei Objectivgl\u00e4sern benutzt, welche auf zwei verschiedenen Abschnitten derselben Platte gleich die beiden Bilder geben. Die Centra der beiden Objectiv-linsen haben den Abstand der menschlichen Augen von einander, oder auch wohl einen etwas gr\u00f6sseren 70 bis 73 Millimeter und die Camera obscura selbst bildet also gleichsam ein umgekehrtes Stereoskop. Diese Instrumente sind sehr zweckm\u00e4ssig zur Aufnahme naher Gegenst\u00e4nde und sie geben unmittelbar die Ansicht, wie sie ein am Orte des Instruments ruhig weilender Beobachter von dem Objecte gehabt haben w\u00fcrde. Sie haben namentlich den Vortheil, dass man bei scharfer Sonnenbeleuchtung durch instantan\u00e9 Exposition der Platte gute Bilder von beweglichen Objecten, Menschen, Thieren, Schiffen, ja selbst prachtvolle Bilder der Wellen einer bewegten Wasseroberfl\u00e4che erzielen kann. Aber sie gen\u00fcgen eigentlich nicht f\u00fcr Landschaften mit weit entfernten Objecten, weil die Distanz der Gesichtspunkte zu klein ist, um in diesen hinreichend grosse Unterschiede zu erhalten, und die ferneren Theile der Landschaft deshalb gew\u00f6hnlich ganz flach aussehen 1 2 3. F\u00fcr diese ist es besser eine Art telestereoskopischer Wirkung zu erzielen, dadurch dass man zwei Aufnahmen von zwei entfernten Punkten macht. So habe ich zum Beispiel unter den sehr vollendeten photographischen Landschaften von Braun in D orn ach Abbildungen des Wetterhorn von je zwei verschiedenen\n1\tHerr Hessemer hat sehr gute der Art herausgegeben und die Regeln der Construction besprochen in Dinglek\u2019s polytechn. Journal. LXXXIX, 111\u2014121.\n2\tPhil. Mag. (4) III, 26 \u2014 30; 1852. Rep. of Brit. Assoc. 1849 , 2, p. 5.\n3\tUeber die Wahl des Winkels Claudet im Cosmos, IV, 65 \u2014 67, 147. \u2014 Sutton im Cosmos, IX, 313\u2014319.","page":687},{"file":"p0688.txt","language":"de","ocr_de":"688\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. .\t\u00a7. 30.\nPunkten von Grindelwald aus gefunden, zwei desselben Berges von zwei verschiedenen Punkten der Bachalp aus, ebenso der Jungfrau von Murren aus, welche eine ausgezeichnete sch\u00f6ne Modellirung der Bergform geben, wenn man die urspr\u00fcnglichen Bilderpaare aus einander schneidet und je zwei aus verschiedenen Paaren combinirt, die also gr\u00f6sserer Distanz der Gesichtspunkte entsprechen, als wenn man die zusammengeh\u00f6rigen combinirt. Im letzteren Falle erkennt man die k\u00f6rperliche Form der Berge ebenso wenig, wie ein stillsitzender Beobachter- im ersteren erkennt man sie besser, \u00e4hnlich einem Beobachter, der hin- und hergeht und die nach einander entstehenden Ansichten des Berges vergleicht..\nStereoskopische Abbildungen mikroskopischer Gegenst\u00e4nde von -sehr sch\u00f6ner Wirkung sind von Babo 1 angefertigt worden. Bei der Aufnahme wurde die Neigung des Objecttischs gegen die Axe des Mikroskops f\u00fcr die beiden Bilder verschieden gemacht und so die stereoskopische Parallaxe gewonnen.\nBewegliche Bilder hat Herr J. G. Halske verfertigt. Zuerst machte er in einem Doppelbilde, einen abgestumpften Kegel darstellend, die mittleren kleinen Kreise in einer horizontalen Linie verschiebbar. Am h\u00fcbschesten war aber die Erscheinung zu sehen auf einer schwarzen horizontalen kreisf\u00f6rmigen Scheibe von etwa drei Zoll Durchmesser, die um ihre Axe sich sehr leicht drehte und, einmal angestossen, ziemlich lange in Bewegung blieb. Auf dieselbe wurde eine kleinere weisse Kreisscheibe (Oblate) gelegt und die Scheibe mit einem Auge durch ein passend befestigtes total reflectirendes rechtwinkeliges Prisma betrachtet, mit dem andern frei. Wenn sich der kleinere Kreis bei der Drehung rechts vom Mittelpunkt befand, sah ihn das freie Auge rechts, das durch das Prisma schauende Auge aber wegen der Spiegelung links vom Mittelpunkte, und so wurde die stereoskopische Parallaxe hergestellt. Der kleine Kreis schien durch die Fl\u00e4che des grossen hindurch wechselnd bald aufzusteigen, bald hinabzusinken.\nGeschichte. Die \u00e4lteren Ansichten \u00fcber die Tiefenwahrnehmung schlossen sich zun\u00e4chst an die Frage \u00fcber die scheinbar verschiedene Gr\u00f6sse des Blondes. Ptolemae\u00fcs (150 n. Chr.) sagt schon, dass die Seele von der Gr\u00f6sse der Gegenst\u00e4nde nach einer vorgefassten Sch\u00e4tzung ihrer Entfernung urtheilt; diese scheine gr\u00f6sser, wenn viele Gegenst\u00e4nde zwischen dem Auge und der betrachteten Sache liegen, wie es der Fall ist, wenn die Himmelsk\u00f6rper nahe beim Horizont sind 1 2. An einer andern Stelle freilich schreibt er die Yergr\u00f6sserung der Brechung der Strahlen durch die D\u00fcnste zu3 4 5 6. Alhazen4 (im 10. Jahrh.j widerlegt die letztere Ansicht und kehrt zur ersteren zur\u00fcck. Ihm pflichtet' Roger Baco bei, w\u00e4hrend Porta 5 es bestreitet. Yitellio 6 (1270) schliesst sich Alhazen an und macht auch darauf aufmerksam, dass \u00fcberhaupt das Himmelsgew\u00f6lbe am Horizont scheinbar entfernter sei, als im Zenith. Kepi.er 7 8, dem sich Cartesius 8 im Wesentlichen anschloss, sagt \u00fcber die Beur-theilung der Entfernung schon, die Entfernung der beiden Augen sei die Grundlinie, deren man sich zur Messung der Entfernung der gesehenen Objecte bediene. Und weil ein Auge von beiden Augen diese Art zu messen lerne, so k\u00f6nne, auch bei verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleinen Entfernungen die Breite des Sterns im Auge als Grundlinie dienen. Dann bemerkt er weiter, dass man auch mit einem Auge die verschiedenen Grade des Lichts zu sch\u00e4tzen und die Gr\u00f6sse mit der Entfernung der Sache durch die Uebung zu vergleichen wisse, indem man durch die Erfahrung lerne, wie weit man die Hand darnach auszustrecken und dahin zu gehen habe. Er kannte also schon die Hauptmomente dieser Beurtheilung, abgesehen von der Verschiedenheit der Bilder.\nGassendi 9 konnte indessen in Bezug auf den Mond wieder behaupten, er erscheine gr\u00f6sser in der N\u00e4he des Horizonts, weil dann wegen des schw\u00e4cheren Lichts die Pupille\n1\tBericht der Freiburger Ges. II, 312 \u2014 314.\n2\tMontucla Hist, des Math\u00e9m. Vol. I. p. 309. \u2014 Rogehi Baconis Perspcct., p. 118. \u2014 Priestley Geschichte der Optik, \u00fcbersetzt von Kl\u00fcgel, p. 11\u201412. \u2014 Gregory Geometria. Pars univers., p. 141. \u2014 Malebranche Recherche de la v\u00e9rit\u00e9. P. I. \u2014 Huygens in Smith Oplichs. Art. 586. \u2014 Logan in Phil. Trans. XXXIX, 404.\ns Almagest L. Ill, c. 3. Auch Strabo in Geogr. I, 3.\n4\tAlhazen L. VII, p, 53\u201454.\n5\tDe refractione, p. 24, 128.\n6\tOptica, Editio Risneri, p. 412. Basel 1572.\n7\tParalipomena, p. 62 \u2014 66. 1604.\n8\tDioptr. p. 68. De bomine, p. 66\u201471.\n8 Gassendi Opera, Vol. II, p. 325.","page":688},{"file":"p0689.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7.30.\nGESCHICHTE DER STEREOSKOPIE.\n689\nsich erweitere. Hobbes 1 ging auf die Erkl\u00e4rungen der Alten zur\u00fcck und bestimmte die scheinbare Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes als ein St\u00fcck einer Kugelfl\u00e4che. Pater Go\u00fcye 2, Molyneux 3 und Samuel D\u00fcnn1 11 bemerkten dagegen, dass es nicht n\u00f6thig sei, Gegenst\u00e4nde zwischen dem Auge und dem Monde zu haben, und dass doch die T\u00e4uschung nicht (wenigstens nicht immer) aufh\u00f6re. Desaguliers 5 arrangirte Versuche, wobei die Zuschauer zu falschen Schl\u00fcssen \u00fcber die Entfernung inducirt' wurden und demgem\u00e4ss auch die Gr\u00f6sse falsch beurtheilten. Berkeley c hob das tr\u00fcbe Ansehen und die Lichtschw\u00e4che des Mondes am Horizonte hervor, Umst\u00e4nde, die jedenfalls einen sehr deutlichen Einfluss haben. Auch Smith 7 untersuchte den Einfluss der scheinbaren Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes; er stellte eine Reihe Sch\u00e4tzungen an \u00fcber scheinbar gleiche Distanzen, die bald dem Zenith, bald dem Horizont n\u00e4her gelegen waren, und fand, dass die Entfernung des Horizonts scheinbar drei bis vier Mal gr\u00f6sser sei, als die des Zeniths. Lambert 8 verglich den Querschnitt des Himmelsgew\u00f6lbes mit einer Muschellinie. Auch die Gestalt und Breite des Regenbogens wird dadurch ver\u00e4ndert, er erscheint flach elliptisch, seine Mitte schmaler als die Fusspunkte; ebenso werden Sonnenh\u00f6fe, Sterndistanzen scheinbar ver\u00e4ndert. Smith hat auch folgenden h\u00fcbschen Versuch angegeben. Wenn man in den Brennpunkt einer Convexlinse eine kleine kreisrunde Oblate stellt, so erscheint deren Bild, durch die Linse gesehen, immer unter demselben Gesichtswinkel, wie weit auch der Beobachter sich entferne, so lange seine R\u00e4nder \u00fcberhaupt noch durch die Linse sichtbar sind. Scheinbar w\u00e4chst aber die Gr\u00f6sse des Bildes ausserordentlich, wenn sich der Beobachter entfernt, weil wir es nicht in unendlicher Entfernung, sondern no'ch hinter der Linse befindlich denken.\nSmith, der gegen Berkeley\u2019s Einmischung der Luftperspective pojemisirte, muss indessen doch zugeben, dass der Mond am Horizont bald gr\u00f6sser, bald kleiner aussieht. Auch Euler 9 schliesst sich Berkeley an.\nDen Einfluss, den die scheinbare Entfernung auf die Sch\u00e4tzung der absoluten Gr\u00f6sse hat, hoben auch Malebranche und Bouguer 10 gegen Varignon 11 hervor. Ueber die Mittel, die Entfernung zu beurtheilcn, sprachen sich de la Hire 12 und Porterfield 13 ebenfalls den bisher erw\u00e4hnten Ansichten entsprechend aus.\nUmkehrung des Reliefs ist auch schon fr\u00fch bemerkt worden und zwar zuerst bei der Betrachtung durch umkehrende Mikroskope oder Teleskope von Jablot 14 und G. P. Gmelin l\u00e4, und wurde von Ritteniiouse 16 auf verkehrte Beleuchtung geschoben. Muncke 17 hob dagegen hervor, dass sie auch bei der Betrachtung durch eine einfache Loupe eintreten kann. Abat f\u00fcgte die h\u00fcbsche Beobachtung hinzu, dass, wenn man eine mit Wasser halb gef\u00fcllte Glasflasche im umgekehrten Bilde eines Hohlspiegels betrachtet, der leere Theil gef\u00fcllt, der gef\u00fcllte leer erscheint, weil man die Fl\u00fcssigkeit sich immer unterhalb der Grenzfl\u00e4che denkt. Die neueren Ermittelungen und Ansichten \u00fcber die Umkehrung des Reliefs sind oben schon angef\u00fchrt worden.\nDass die Bilder, welche beide Augen von einem k\u00f6rperlichen Gegenst\u00e4nde erhalten m\u00fcssten, etwas verschieden seien, hatten Euklid, Galen, Porta, Aguilonius 18 schon gewusst und Schwierigkeiten darin gefunden. Leonardo da Vinci 19 hob schon hervor, dass bei dem zwei\u00e4ugigen Sehen von K\u00f6rpern dadurch ein Unterschied gesetzt werde, der durch kein Gem\u00e4lde nachgeahmt werden k\u00f6nnte. Smith 20 blickte mit parallelen Gesichtslinien nach den\n1\tRobin\u2019s tracts. Vol. II, p. 241\u2014244.\n2\tMein. de l'Acad. de Paris. 1700. p. 11.\n3\tPhilos. Transact. Vol. I, p. 221.\n4\tPhilos. Transact. Vol. LU, p. 462.\n5\tPhilos. Transact. Vol. VIII, p. 130.\n\u00b0 Essay toward a new theory of vision. Dublin 1709. p. 30. \u2014 Robin mathemal. tracts. II, 242.\n7\tOptik, deutsche Ausg. S. 418.\n8\tBeitr\u00e4ge. I, g. 60\u201478.\n9\tBriefe an eine deutsche Prinzessin. S. 317.\n10\tMein, de VAcademie. 1755. p. 99 u. 156.\n11\tEbenda. 1717.\n,2 Mein, de Paris. 1694.\n13\tTreatise on the eye. 1739.\n14\tDescription de plusieurs nouveaux microscopes. 1712.\n15\tPhilos. Transact. 1747.\n10\tTransact, of the American Philos. Society. 1786. II.\n17 Gehler\u2019s physik. W\u00f6rterbuch, neu bearbeitet. Leipzig 1828. IV, 1433.\n13 S. Brewster the stereoscope, its history, theory and construction. London 1836.\n19\tTrattalo della pittura.\n20\tSystem of Optics. II, 388 u. 326.\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz , Physiolog. Optik.\n44","page":689},{"file":"p0690.txt","language":"de","ocr_de":"DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 30.\nfiflO\nbeiden Schenkeln eines Cirkels, die bis zur Augendistanz ge\u00f6ffnet waren, und bemerkte pl\u00f6tzlich, wie sich beide Schenkel zu einem vereinigten, der in weite Entfernung hinauszureichen schien. Es war dies eine stereoskopische Wahrnehmung. Aehnliche Wahrnehmungen an Linealen und F\u00e4den sind von Wells 1 gemacht worden.\nWie viel die Verschiedenheit der Bilder beider Augen zur Unterscheidung der Tiefendimensionen beitr\u00e4gt, wurde aber erst durch Wheatstone\u2019s geistreiche Erfindung des Stereoskops nachgewiesen. Die erste Nachricht davon wurde 1833 ver\u00f6ffentlicht1 2, die ausf\u00fchrliche Beschreibung der Erscheinungen und ihre Theorie 1838 3. Nach D. Brewster\u2019s Angaben 4 5 * h\u00e4tte ein Mathematiker J. Elliott in Edinburg cs ebenfalls im Jahre 1834 erfunden und 1839 ver\u00f6ffentlicht. Ein Dritter, der die Erfindung in Anspruch nimmt, ist Herr G. Maynard \u00e4. Herr Wiievtstone kann jedenfalls den Vorrang der Priorit\u00e4t behaupten, und ist aucli sein Aufsatz von 1838, der die Beschreibung des Spiegelstereoskops enth\u00e4lt, voll von einer reichen Men\"?, von Versuchen und Beobachtungen, durch welche alle wesentlichen hierher geh\u00f6rigen Verh\u00e4ltnisse deutlich dargelegt und erwiesen werden. Sp\u00e4ter wurde im Jahre 1839 von Dr. A. Brown 6 im Museum Wicar in Lille eine Doppelzeiclinung von Jacopo Ciiimenti (geboren 1554, gestorben 1640) gefunden, einen .Mann darstellend, der auf einem Schemel sitzt und in der einen Hand einen Cirkel, in der andern einen Lothfaden h\u00e4lt. Die beiden Zeichnungen, stereoskopisch vereinigt, geben eine Art von Belief. D. Brewster glaubte annehmen zu d\u00fcrfen, dass sie von Ciiimenti zur Pr\u00fcfung der Theorie von Porta, die 1593 ver\u00f6ffentlicht war, ausgef\u00fchrt seien. Seitdem sind photographische Abbildungen dieser Zeichnungen in den Handel gekommen. Die beiden Bilder des Mannes sind in der That von verschiedenen Gesichtspunkten aus aufgenommen; ich muss indessen gestehen, dass ich es f\u00fcr unwahrscheinlich halte, dass der Zeichner sie f\u00fcr einen stereoskopischen Versuch bestimmt habe; denn gerade der Sessel, der Cirkel und der Faden, welche leicht richtig zu construiren gewesen w\u00e4ren, sind als Nebendinge behandelt und so unregelm\u00e4ssig und verschiedenartig gezeichnet, dass sie sich nicht vereinigen lassen. Und h\u00e4tte der Zeichner die Theorie pr\u00fcfen wollen, so m\u00fcsste man eher erwarten, dass die leicht zu zeichnenden Dinge richtig, die schwer zu zeichnenden, Avie die Gestalt des Menschen, ungenau gemacht worden w\u00e4ren. Es scheint mir wahrscheinlicher, dass der Zeichner, mit der ersten Figur nicht ganz zufrieden, sie noch einmal von einem etwas anderen Standpunkte aus gezeichnet und zwar zuf\u00e4llig auf dasselbe Blatt.\nDie jetzt gew\u00f6hnliche Form des Linsenstereoskops wurde von D. Brewster 1843 ver\u00f6ffentlicht. Die Uebersicht der weiteren Erfindungen gibt die nachfolgende Uebersicht der Literatur; die Geschichte der Theorie dieser Erscheinungen wird bei den n\u00e4chsten Paragraphen folgen. Die Untersuchungen \u00fcber die Fehler der reinen binocularen Localisation sind erst in den letzten Jahren von Recklinghausen7, Hering8, J. Towne und mir selbst9 in Angriff genommen worden, bed\u00fcrfen aber noch vielfach erneuerter Wiederholung und Erweiterung von andern Beobachtern.\n1. Tiefenwahrneh.mung ohne R\u00fccksicht auf die Verschiedenheit der beiden\nN e t z h a il t h i 1 der.\n180. Claudius Ptolemaeus. Syntaxis mathematica (Almagest). Lib. HI, Cap. 3 und Optica.\n1038. Alhazen. Opticae thesaurus. Lib. VII, p. 53 \u2014 84. Edit. Risneri. Basil. 1372. 1-21 4\u201494. Roger Baco. Opirs majns. London 1733. Perspective, p. 118.\n1271. Vitellio. Optica, p. 412. Edit. Risneri. Basil. 1872.\n1883. B. Porta. De refractione. p. 24, 128.\n588__1679. Hobbes in Robin\u2019s Mathematical tracts. London 1761. Vol. II, p. 241\u2014244.\n1604. Kepler. Paralipomena. p. 62 \u2014 66.\n1644. Descartes. Dioptrice. Amstelodami. p. 68. De homine. p. 66 \u2014 71.\n1658. P. Gassendi. Opera omnia. Lugd. 1658. Vol. II, p.398.\n1667. J. Gregory. Geomctriae pars universalis. Venetiae. p. 111.\n1\tEssay upon single vision with two eyes. 1792. Zweite Atifl. ISIS.\n2\tIn H. Mayo's Outlines of human physiology, p. 283.\n3\tPhilosophical Transactions. 1838. P. II, 8 . 371\u201439V.\n4\tLiverpool and Manchester Photographic Journal. 1857, January I, p. 4\t,. \u2014 January I5. p. 21\t23.\n5\tToronto Itoyal Standard. 1836. Toronto Times. 1837, October 8.\n* Photographic Journal. I860, May 15. \u2014 Encyclop. Brilann. Arlikel: Stereoskope.\n7\tNelzhautfunctionen im Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. V, 147\u2014173.\n8\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie. Leipzig 1864. 4. urul o. Heft.\n3 Im Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. X, 1, S. 27 \u2014 -40.","page":690},{"file":"p0691.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\n1674.\n1687.\n1694.\n1700.\n1709.\n1712.\n1717.\n1728.\n1736.\n1748.\n1785.\n1788.\n1789. 1762.\n1765.\n1768.\n1772.\n1786.\n1828.\n1847.\n1848. 1850. 1853. 1888.\n1856.\n1858.\n1859.\n1860.\n1862.\nLITERATUR DER MONOCULAREN TIEFENWAHRNEHMUNG.\n691\nMalebranche. Recherche de la v\u00e9rit\u00e9. Paris. P. I.\nMoeyneux Why celestial objects appear greatest near the horizon. Phil Tran?\n4 681. Vol. I, p. 221.\t*\t\u2022\nde la Hire. Sur diff\u00e9rents accidents de la vue. Ane. M\u00e9moires de Paris IX Tii. Gouye. M\u00e9m. de Paris. 1700, p. 11.\nBerkeley. Essay toward a new theory of vision. Dublin, p. 30 \u2014 Auch in Bn sms mathematical tracts. II, 242. London .1761.\nJablot. Description de plusieurs nouveaux microscopes. (Umkehrung des Reliefs 1 Varignon. Lignes suivant lesquelles des arbres doivent \u00eatre plant\u00e9s pour \u00eatre vues\ndZn\u00e9LdetM\u00e9m!^de^plarT\u00e9ildil.Cha9Ue \u00b0rd\u00b0m\u00e9e \u00e0 ces lignes sous des anOles desinus R. Smith. Optik Deutsche Ausgabe. S. 418. Ebenda Huygens in Art. 586 J. Logan. Some thoughts on the sun and the moon, when near the horizon appearing larger than when near the zenith. Phil. Trans. 1736.\ty\nJ. T. Desaguliers. Attempt to explain the phenomenon of the horizontal moon appearing larger than when elevated, supported by an experiment. Phil. Trans. 1736. JLII, p. 462.\nG>ielin- De falla ci Yisione per microscopia composita notata. Phil. Trans.\n'1 745.\nP. Bouguer. Sur la grandeur apparente des objets. M\u00e9m. de Paris. 1755.\nJ. E. Montucla. Histoire des math\u00e9matiques. Paris 1758. Vol I p 309 W. Porterfield. A treatise on the eye. Edinb. 2 Yol. '\nSam. Dunn. An attempt to assign the cause, why the sun and moon appear to'the naked eye larger, when they are near the horizon. Phil. Trans. 4 762. Yol. VIII\nL\u00eeln m5B-72.BBdT\u00a7To-e78raUCh ^ Mathematik >lnd de\u2122 Anwendung.\nL. Euler. Lettres \u00e0 une Princesse d\u2019Allemagne. Petersb. 1768 \u2014 72 Deutsch von F. Rries. Leipzig 1792 \u2014 94. S. 317.\t'\t'on\nPriestley. Geschichte der Optik, deutsch von Kl\u00fcgel. Leipzig 1776. II 491\u2014811 D. Rittenhouse. Explanation of an optical deception. Transact. American Philos. Society. 1786. II. \u2014 Edinb. Journal of science. VII, 99.\nMuncke. Art : Gesicht in Gehler\u2019s physik. W\u00f6rterbuch; neu bearbeitet. Leipzig 4\u00f62o. IV, I 4o5.\tr \u00b0\nD Brewster. On the conversion of relief by inverted vision. Edinb. Phil. Trans X\\ , 657; Phil. Magaz. XXX, 432; Athenaeum. 1847, Nr. 1029, p. 773.\nWaller .Sur un cas, o\u00f9 la vue alt\u00e9r\u00e9e faisait voir les objets plus petits que nature Inst. XVH, Nr. 787, p. 39.\nDe Haldat. M\u00e9moire sur quelques illusions d\u2019optique et particuli\u00e8rement sur la modification des images oculaires. C. R. XXXII, 357.\nH. Denzler. Ueber eine Sinnest\u00e4uschung psychologischen Ursprungs Mitth d naturforsch. Ges. in Z\u00fcrich. Ill, 216 \u2014 218.\t' '\nJ. J Oppel. Ueber ein Anaglyptoskop. (Vorrichtung, vertiefte Formen erhaben XCIXhe466-469eSber' d\u2018 Frankfurter Vereins\u2018 1854-55, p. 55-57; Pogg. Ann.\nA. Weber Ueber die scheinbare Umkehrung des Erhabenen und Vertieften. Arch fur Ophthalm. II, 1, p. 141\u2014146.\nH. Schroeder. Ueber eine optische Inversion bei Betrachtung verkehrter durch optische Vorrichtung entworfener physischer Bilder. Pogg. Ann. CV, 298 \u2014 311 W. V undt. Beitr\u00e4ge zur Theorie der Sinneswahrnehmung. Heule und Pfeufer Zcitschr. (3) VII, 279 \u2014 317, \u00fcber den Einfluss der Accommodation auf die r\u00e4umliche 1 lefenwahrnehmung.\nL. Panum. Die scheinbare Gr\u00f6sse der gesehenen Objecte. Archiv f\u00fcr Ophthalmol Y, 4 , p. 4 \u2014 36.\nD.\tBrewster. On some optical illusions connected with the inversion of perspective Athenaeum, 1860, 2, p. 24; Rep. of Brit. Assoc. 1860, 2, p. 7 \u2014 8.\nSinsteden. Ueber ein neues pseudoskopisches Bewegungsph\u00e4nomenen. Poge Ann CXI, 336\u2014339. Cosmos. XVIII, 290 \u2014 292.\t88\nMohr. Ueber pseudoskopisehe Wahrnehmungen. Pogg. Ann. CXI, 638_____________642.\nE.\tEmerson. On the perception of relief. Siltiman J. (2) XXXIV 312 \u2014 314-\nPhil. Mag. (4) XXV, 125 \u2014 130.\t\u2019\n44","page":691},{"file":"p0692.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\n(\u00fc)2 DRITTER AQgCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICIITSWAHRNEHMUNGEN.\n1862. R. T. Lewis. On the changes in the apparent size of the moon. Phil. Mag. (4) XXIII, 380 \u2014 382.\n\u2014\tT. Zeno \u00fcber dasselbe.' Phil. Mag. (4) XXIV, 390 \u2014 392.\n__ G. Schweizer. Leber eine merkw\u00fcrdige optische T\u00e4uschung, die bei der Betrachtung des Mondes durch Fernrohre Vorkommen kann. Pull, de Moscou. 1862, 1, p. 336 \u2014 332. Astronom. Nachrichten. LVIII, 182\u2014192.\n2. Stercoskopie und binocnlare Tiefenwahrnehmungeil.\n300 v. Chr. Eukudes. Optice er Katoptrice.\n1583. R- Porta. De refractione.\n1613. Aguilonius. Opticorum Libri VI. Antwerp.\n,1001. Leonardo da Vinci (geboren 1452, gest. 1519). Trattato delta pittura. Rom 1681.\n1728. R. Smith. Optics. II, 388 und 826.\n1792. W. C. Wells. Essay upon single vision with two eyes. London 1792. Neue Auflage. London 1818.\n1811. Derselbe. Observations and experiments on vision. Phil. Trans. 1811.\n1833. A. Mayo. Outlines of human physiology, p.288.\n1838. C. Wheatstone. Contributions to the physiology of vision. Part I. On some remarkable and hitherto unobserved phenomena of binocular vision. Phil. Trans. 1838. P. II, p. 371\u2014394.\n1841.\tE. Br\u00fccke, lieber die stereoskopischen Erscheinungen. Muller\u2019s Archiv. 1841, p. 489.\n1842.\tTourtual. Die Dimension der Tiefe. Munster.\n184t. D. Brewster. Law of visible position in single and binocular vision and on the representation of solid figures by the union of dissimilar plane pictures in the retina. Eclinb. Phil. Trans. XV. Phil. Magaz. XXIV, 336 \u2014 439.\n1880. Derselbe. Notice of a chromatic stereoscope. Edinb\u25a0 J. XLVIII, 180. Institut. Nr. 880, p. 128. Phil. Mag. (4) III, 31. Silliman J. (2) XV, 289 \u2014 290.\n\u2014\tDuboscq. Description du st\u00e9r\u00e9oscope de M. Brewster construit par lui. C. P. XXXI, 898; Bull, de la Soc. d\u2019encouragement. 1881 , p. 43. Dingler polyt. Journal. CXX, 139. Athenaeum. 1861, p. 1380.\n\u2014\tH. W. Dote. Leber das Binocularsehen prismatischer Farben und eine neue stereoskopische Methode. Pogg. Ann. LXXX, 446. Beil. Monatsber. 1880, p. 182. Arch, de Gen\u00e8ve. XIX, 219.\n\u2014\tDerselbe. Beschreibung mehrerer Prismenstereoskope und eines einfachen Spiegelstereoskops. Pogg. Ann. LXXXIII, 183. Berl. Monatsber. 1831, p. 246. Phil. Mag. (4) II, 29. Inst. Nr. 937, p. 404.\n\u2014\tDerselbe. Leber eine bei dem Doppeltsehen einer geraden Linie wahrgenommene Erscheinung.. Berl. Monatsber. 1880, p. 363. Inst. Nr. 907, p. 128.\n1832. J. Dubosc\u00f6- Nouveaux st\u00e9r\u00e9oscopes. Cosmos. I, 97\u2014104; 703\u2014708.\n\u2014\tD. Brewster. Description of several new and simple stereoscopes for exhibiting, as solids, one or more representations of them on a plane. Phil. Mag. (4) III, 16 \u2014 26. Trans, of Scott. Soc. of arts. 1849. llep. of Prit. Assoc. 1849, 2, p. 5. Arch. d. sc. phys. XIX, 200 \u2014 204. Dingier polyt. J. CXX1V, 109 \u2014 112. Silliman J. (2) XV, 140 \u2014 142; 288 \u2014 289.\n\u2014\tDerselbe. Account of a binocular camera and of a method of obtaining drawings of full length and colossal statues. Phil. Mag. (4) III, 26 \u2014 30. Trans, of Scott. Soc. of arts. 1849. Pep. of Brit. Assoc. 1849, 2, p. 3.\n\u2014\tDerselbe. Sur la vision binoculaire et le st\u00e9r\u00e9oscope. Cosmos. I, 422 \u2014 428. North British Review. 1832, May.\n__ E. Wilde. Leber die Anwendung der Camera lucida zu einem Stereoskope. Pogg.\nAnn. LXXXV, 63 \u2014 67.\n\u2014\tC. Wheatstone. Contributions to the physiology of vision. P. 11. On some remarkable and hitherto unobserved phenomena of binocular vision. Phil. Mag. (4) HI, 149 \u2014 182; 804 \u2014 823. Inst. 1832, p. 179 \u2014180. Arch.cl.sc. phys. XIX, 196\u2014200. H. Meyer. Leber die Sch\u00e4tzung der Gr\u00f6sse und der Entfernung der Gesichtsobjecte aus der Convergenz der Augenaxen. Pogg. Ann. LXXXV, 198 \u2014 207. Arch. d. sc. phys. XX, 137 \u2014 138. Cosmos. I, p. 47.\n\u2014\tDove in Pogg. Ann. LXXXV, p. 407 \u2014 408.\n1883. W. Rollmann. Notiz zur Stereoskopie. Pogg. Ann. LXXXIX, 350^\t381.\n\u2014\tDerselbe. Zwei neue stereoskopische Methoden. Pogg. Ann. XC, 186 \u2014 187.\nZeitsehr. f\u00fcr Naturwiss. III, 97 \u2014100. Fechner Centralblatt. 1885, p. 980\t981.","page":692},{"file":"p0693.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 30.\nLITERATUR DER B1N0C\u00d6LAREN TIEFENWAHRNEHMUNG.\n693\n4853. W. Hardie. Description of a new pseudoscope. Phil. Mag. (4) V, 442 \u2014 446.\n\u2014\tC. Clarke. Perfectionnements apport\u00e9s au st\u00e9r\u00e9oscope. Cosmos. Ill, 123.\n\u2014\tKilb\u00fcrn. St\u00e9r\u00e9oscope- \u00e9crin. Cosmos. III, 770.\n1854.\tJ. Duboscq. St\u00e9r\u00e9oscope cosmoramique ou optique st\u00e9r\u00e9oscopique. Cosmos. IV, 33\u201435.\n\u2022\u2014\tClaudet. Th\u00e9orie des images st\u00e9r\u00e9oscopiques. Cosmos. IV, 65 \u2014 67.\n\u2014\tDerselbe. Angle st\u00e9r\u00e9oscopique. Cosmos. IV, 147.\n\u2014\tG. Knight. On a stereoscopic cosmoramic lens. Athenaeum. 1854, p. 1241 \u20141242. Cosmos- V, 240. Hep. of Prit. Assoc. 1854, 2, p. 70.\n\u2014\tMoigno. Invention du st\u00e9r\u00e9oscope par r\u00e9fraction. Cosmos. V, 241.\n\u2014\tSjiee. Sur la perspective binoculaire. Cosmos. V, 512 \u2014 513.\n1855.\tJ. Czermak. Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtssinnes. Wiener Ber. XII, 322 \u2014 366; XV, 425 \u2014 466; XVII, 563 \u2014 576.\n\u2014\tF. Bbrckiiardt. Ueber Binocularsehen. Verhandl. d. naturf. Ges. in Basel. I, 123 \u2014 154.\n\u2014\tSoret. Sur un ph\u00e9nom\u00e8ne de vision binoculaire. Biblioth. univ. de Gen\u00e8ve. Octobre 4 855.\n4856. W. B. Rogers. Observations on binocular vision. Silliman J. (2) XXI, 80 \u2014 95; 473 \u2014 489; 439. Edinb. J. (2) III, 210 \u2014 217.\n\u2014\tD. Brewster on Mr. Roger\u2019s theory of binocular vision. Proc, of Edinb. R. Soc. HI, 356 \u2014 358.\n\u2014\tJ. J. Oppel. Notizen \u00fcber Stereoskopie, insbesondere \u00fcber eine einfache ver* gr\u00f6ssernde Modification des Stereoskops ohne Spiegel und Gl\u00e4ser. Jahresber. 4. Frankfurt. Vereins. 1855 \u20141856, p. 37 \u2014 56.\n\u2014\u25a0\tFaye. Sur un nouveau syst\u00e8me de st\u00e9r\u00e9oscope. C. R. XLIH, 673 \u2014 674. Pogg.\nAnn. XCIX, 641 \u2014642. Cosmos. IX, 374 \u2014 375. Inst. 1856, p. 349. Arch, de sc. phys. XXXIII, 221. Dingier polyt. J. CXLIIf, 316.\n\u2014\tZinelli. Neue Methode, die Bilder im Relief zu sehen. Zeitschr. f\u00fcr Mathematik. 1856, 1, p. 320 \u2014 321. Horn photogr. J. 1856, Nr. 10. Dingier polyt. J. CXL, 315.\n\u2014\tH. Goldschmidt. Sur lu vision st\u00e9r\u00e9oscopique. Cosmos. IX, 657.\n\u2014\tH. Meyer. Beitrag zur Lehre von der Sch\u00e4tzung der Entfernung aus der C\u00f4nver-genz der Angenaxen. Archiv f. Ophthalmologie. II, 2, p. 92 \u2014 94.\n\u2014\tJ. M. Hessemer. Ueber die Anfertigung stereoskopischer Bilder. Dingier polyt. J. LXXXIX, 44 4 \u2014124 .\n\u2014\tLugeol. Stereoscopic experiment. Silliman J. (2) XXII, 104.\n\u2014\tSutton. Sur la th\u00e9orie du st\u00e9r\u00e9oscope. Cosmos. IX, 34 3 \u2014 319.\n\u2014\tD. Brewster. The stereoscope, its history, theory and construction. London 4856.\n\u2014\tA. Claiidet. On various phenomena of refraction through semilenses or prisms, producing anomalies in the illusion of stereoscopic images. Proc. of It. Soc. VIII, 104\u2014 410. Athenaeum. 1856, p. 1029. Cosmos. XI, 283 \u2014 285. Inst. 1856, p. 346. Phil. Mag. (4) XIII, 74\u201475. Rep. of Brit. Assoc. 1856, 2, p. 9\u201410.\n\u2014\tD. Brewster. R\u00e9clamation de priorit\u00e9. Cosmos. VIII, 549 \u2014 552.\n\u2014\tWheatstone. R\u00e9ponse aux assertions de Sir D. Brewster. Cosmos. VIII, 625\u2014628.\n1857.\tDove. Ueber die Unterschiede nionocularer und binocularer Pseudoskopie. Berl.\nMonatsber. 1857, p. 221 \u2014 226. Pogg. Ann. Cl, 302 \u2014 308.\n\u2014\tDove. Darstellung von K\u00f6rpern durch Betrachtung einer Projection derselben vermittels eines Prismenstereoskops. Berl. Monatsber. 1857, p. 291.\n\u2014\tA. Cima. Sopra un nuovo fenomeno di stereoscopia. Cimenta. VI, 185 \u2014192. C. It. XLV, 664. Phil. Mag. (4) XIV, 480. Pogg. Ann. CII, 319. Inst. 4857, p. 364 \u2014 365. Cosmos. XI, 353 \u2014 354.\n\u2014\tJ. G. Halsiie. Stereoskop mit beweglichen Bildern. Pogg. Ann. C, 657\u2014658.\n\u2014\tJ. Elliot. The telescoping sterescope. Phil. Mag. (4) XIII, 78. Silliman J. (2) XXIII, 292.\n\u2014\tDerselbe. On two new forms of the stereoscope, intended for the purpose of uniting large binocular pictures. Phil. Mag. (4) XIII, 104\u2014108; 248 \u2014 219.\n\u2014\tH. Helmholtz. Das Telestereoskop. Pogg. Ann. Cl, 494 \u2014 496; CII, 467 \u2014175. Verhandl. d. naturhist. Vereins d. Rheinl. 1857. Ann. de chimie. (3) LII, 118 \u2014124. Phil. Mag. (4) XV, 19 \u2014 24. Inst. 1858, p.63 \u2014 64. Silliman J. (2) XXV, 297\u2014 298. Dingier polyt. J. CXLIV, 268 \u2014 270. Polytechn. Centralbl. 1857, p. 4 449 \u2014 1450; 1858, p. 4 80 \u2014186. Cimento. VI, 239\u2014240. Cosmos. XI, 352 \u2014 353.\n\u2014\tJ. Duboscq. Note sur une nouvelle disposition de st\u00e9r\u00e9oscope \u00e0 prismes r\u00e9fringents,\na angle variable et lentilles'mobiles. C. R. XLIV, 148\u2014150. Cosmos. X, 91\t92,","page":693},{"file":"p0694.txt","language":"de","ocr_de":"694\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 30.\n1857. W. Crookes. Th\u00e9orie des images st\u00e9r\u00e9oscopiques. Cosmos. X, 461\u2014462.\n\u2014\tD. Brewster and C. Wheatstone ira Liverpool and Manchester Photographic J. 1867, January 1, p. 4\u20147; January 16, p. 21\u201423. (Priorit\u00e4tsstreit.)\n1888. Dove, lieber den Einfluss des Binocularsehens bei Beurtheilung der Entfernun\u00ab-durch Spiegelung und Brechung gesehener Gegenst\u00e4nde. Berl. Monatsber. 1868\u00b0 p. 312\u2014318. Pogg. Ann. CIY, 328 \u2014 329. Inst. 1868, p. 282 \u2014283.\n\u2014\tW. Barbie. On the telestereoscope. Phil. Mag. (4) XV, 156 \u2014157. (Priorit\u00e4ts-reclamation.)\n\u2014\tSmith and Beck. Improvements to the stereoscope. Athenaeum. 1888, II, 269\u2014270.\n\u2014\tA. Bobi.in. Exp\u00e9rience d\u2019optique permettant d\u2019obtenir d\u2019une seule \u00e9preuve photographique la sensation d\u2019un corps en relief. Hull, de Brux. (2) V, 304 \u2014 306 Inst 1888, p. 431 \u2014432. C. R. XLV1I, 444.\n\u2014\tClaudet. On the stereomonoscope. Phil. Mag. (4) XVI, 462 \u2014 463. Proc, of Roy Soc. IX, 194\u2014196. Dingier polyt. J. CLI, 72 \u2014 73. Cosmos. XII, 493.\n\u2014\tJ. C. D\u2019Almeida.\tNouvel appareil st\u00e9r\u00e9oscopique.\tC. It.\tXLVII, 61\u201463.\n1859.\tF. v. Reciilingnadsen. Netzhaul.functionen. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. V, 2, 127\u2014179 Pogg. Ann. CX, 65\u201492.\n\u2014\tE. Br\u00fccke. Eine Dissectionsbrille. Arch, f\u00fcr Ophthalm. V, 2, p. 181\u2014183.\nH. W. Dove. Stereoskopische Darstellung eines durch einen Doppelspath binocular betrachteten Typendrucks. Berl. Monatsber. 1889, p. 278 \u2014280. Pogg. Ann. CVI 685\u2014687. Phil. Mag. (4) XVII, 414 \u2014 415.\n\u25a0 Derselbe. Anwendung des Stereoskops, um einen Druck von seinem Nachdruck, \u00fcberhaupt ein Original von seiner Copie zu unterscheiden. Berl. Monatsber. 1889, p. 280 \u2014 288. Pogg. Ann. CVII, 657 \u2014 660. Phil. Mag. (4) XVII, 415 \u2014 417. Dingier polyt. J. CLIII, 481\u2014454. Polytechn. Centralbl. 1859, p. 741\u2014744.\n\u2014\tJ. M\u00fcller. Stereoskopische Mondphotographie.\tPogg.\tAnn. CVII, 660.\tBer.\td.\nFreiburger Ges.\tII, 67. Dingier polyt. J. CLIII,\t75.\n\u2014\tW. de la Rue.\tReport of the present state of\tcelestial photography in\tEngland.\nStereoscopic pictures of the moon. Rep. of bris. Assoc. 1859, 1, p.143 \u2014 145 Cosmos. XV, 519 \u2014 521.\n\u2014\tDerselbe. Stereoscopic pictures of the larger planets. Rep. of Brit. Assoc. 1859, 1 p. 148, 149.\nJ. J. Oppel. Ueber das Einfachsehen doppelter Bilder bei gekreuzten Augenaxen. Jahresber. d. Frankfurt. Vereins. 1858 \u2014 59, p. 22 \u2014 38; p. 64\u201475.\nSamuel. On an early form of the lenticular stereoscope constructed for the use of schools. Rep. of Brit. Assoc. 1858, 2, p. 19.\nH. W. Dove. Optische Studien, Fortsetzung der in der Farbenlehre enthaltenen. Berlin 1859. (Sammlung der bisher citirten Aufs\u00e4tze.)\n\u2014\tJ. Beck. On producing the-idea of distance in the stereoscope. Rep. of Brit. Assoc. 1858, 2, p. 7.\nE. Douliot. Sulla percezione de\u2019 rilievi nello steroscopio e nella natura. Cimento. X, 342 \u2014 352.\n1860.\tP. Volpicelli. M uno steroscopio diaframmatico. Cimento. XII, 181\u2014189.\n\u2014\tJ. Beck. Verbesserungen an Stereoskopen. Bond. J. of arts. Juni 1860. Dingier polyt. J. CLV1I, 277\u2014278.\nH. W. Dove. Ueber die Nicht-Identit\u00e4t der Gr\u00f6sse der durch Pr\u00e4gen und Guss in derselben Form von verschiedenen Metallen erhaltenen Medaillen. Pogg. Ann. CX 498 \u2014 499. Phil. Mag. (4) XX, 327. Dingier polyt. J. CLV1I, 280 \u2014 281.\nA. Bollet. Physiologische Versuche \u00fcber binoculares Sehen, angestellt mit H\u00fclfe . planparalleler Glasplatten. Wiener Ber. XL1I, 488 \u2014 502.\n\u2014\tE. Br\u00fccke. Ueber prismatische Brillen. Wiener med. Wochenschrift. 9. Juni 1860.\n\u2014\tGiraud Teulon eben dar\u00fcber. C. B. L, 382 \u2014 385.\n-1861. W. Wundt. Beitr\u00e4ge zur Theorie der Sinneswahrnehmung. Vierte Abhandl. Ueber das Sehen mit zwei Augen. Heule und Pfeufer Zeitschr. (3) XII, 145 \u2014 262. Pogg. Ann. CXVI, 617\u2014628. (Die citirten Aufs\u00e4tze sind gesammelt erschienen unter dem Titel: W. Wundt Beitr\u00e4ge zur Theorie der Sinneswahrnehmnng. Leipzig und Heidelberg 1862.)\nO. Becker und A. Bollet. Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Sehen der dritten Dimension. Wiener Ber. XLIII, 2, p. 667 \u2014 706.\nH. W. Dove. Ueber Binocularsehen und subjective Farben. Berliner Monatsber. 1801, p. 521\u2014522. Pogg. Ann. CXIV, 163\u2014168.","page":694},{"file":"p0695.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 31.\nDIE BINOCULAREN DOPPELBILDER.\n695\n4861. E. v. Babo. Dcber die stereoskopische Darstellung mikroskopischer Gegenst\u00e4nde. Ber. d. Freiburger Ges. II, 312 \u2014 314.\n\u2014\tT. du Moncel. Rapport sur les appareils st\u00e9r\u00e9oscopiques de Mr. Ph. Benoist. Bull. . de la Soc. d\u2019encour. 1861, 1, 198\u2014201.\n1862. J. Towne. The stereoscope and stereoscopic results. Guy\u2019s Hospital Reports. 1862 und 1863, p. 103; Xi, 144 \u2014180.\n\u2014\tE. Hering. Beitr\u00e4ge zur Physiologie. Leipzig 1861 \u201464.\t2. bis 5. Heft.\n1864. Knapp. Expos\u00e9 des avantages de T ophthalmoscope binoculaire. Ann. d\u2019oculistique. 1864.\n\u00a7.31. Das binoculare Doppeltsehen.\nWir haben bisher die Erscheinungen des zwei\u00e4ugigen Sehens betrachtet, insofern sie sinnliche Zeichen f\u00fcr eine bestimmte Lage der gesehenen Raumobjecte sind. Es bleibt noch \u00fcbrig die subjectiven Erscheinungen, die sich hierbei zeigen, zu untersuchen.\nIch habe oben auseinandergesetzt, wie im monocularen Sehen neben der Anschauung der wirklichen Vertheilung der Objecte nach den drei Dimensionen des Raumes sich, wenn man auf die Art, wie sie gesehen werden, achtet, die Anschauung ihrer Vertheilung in dem fl\u00e4chenhaften Gesichtsfelde ausbildet. Wenn nun mit zwei Augen gesehen wird, so erscheinen die Gegenst\u00e4nde in dem Sehfelde jedes Auges, aber da die R\u00fcder in beiden Sehfeldern, wie wir schon gesehen haben, im Allgemeinen nicht gleich sind, so k\u00f6nnen sie sich im gemeinschaftlichen Gesichtsfelde auch nicht absolut decken, sondern es bleiben gewisse Ungleichheiten beider Sehfelder bestehen und werden wahrgenommen. In diesem Kapitel sollen die Erscheinungen betrachtet werden, welche von der Ungleichheit der r\u00e4umlichen Verh\u00e4ltnisse der Rilder beider Sehfelder herr\u00fchren, im n\u00e4chsten die, welche won der ungleichen Releuclitung oder F\u00e4rbung der Sehfelder oder ihrer Theile verursacht werden.\nEs ist wohl zu beachten, dass diese Betrachtungsweise des Gesichtsfeldes als solchen, nicht die nat\u00fcrliche und zuerst erworbene Art des Wahrnehmens ist, sondern vielmehr stets erst durch bewusste Reflexion auf die Beschaffenheit unserer Gesichtseindr\u00fccke veranlasst wird. Wir betrachten dann nicht mehr die Welt der Objecte an sich, wie sie ist, sondern wir beobachten, wie sie uns von unserem dermaligen Standpunkte aus erscheint. Es ist dann wesentlich die Erscheinung, die uns interessirt, entweder weil wir sie als Zeichner nachbilden, oder als Physiologen theoretisch untersuchen wollen.\nSo wie wir nun im zwei\u00e4ugigen Sehen anfangen das Gesichtsfeld als solches zu untersuchen, bemerken wir, dass die Ordnung der Objecte in den beiden Sehfeldern nicht \u00fcbereinstimmt. Indem wir zum Beispiel durch das Fenster nach den B\u00e4umen draussen sehen, sind wir im Stande das Laubwerk mit dem linken Auge noch etwas weiter nach rechts hin zu verfolgen, als mit dem rechten. Wir sehen mit jenem Auge am rechten Rande des Fensters noch Theile des Laubwerks, die wir mit dem rechten nicht sehen k\u00f6nnen, welche f\u00fcr das rechte durch den Rahmen des Fensters verdeckt sind. Wir sehen also den Rahmen des Fensters in den beiden Gesichtsfeldern an zwei verschiedene Theile der Laubmasse angrenzen.\nEbenso verdeckt das Fensterkreuz dem rechten Auge einen andern Theil der Laubwand, als dem linken. Indem wir also der Laubwand mit dem Blicke","page":695},{"file":"p0696.txt","language":"de","ocr_de":"696\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 34.\nfolgen, tritt uns zwei Mal das Fensterkreuz an zwei verschiedenen Stellen entgegen, die Laubwand, wenn auch unvollst\u00e4ndig verdeckend. Das Fensterkreuz erscheint also in zwei Stellen des Gesichtsfeldes, es erscheint doppelt.\nWenn man dagegen den Blick auf das Fensterkreuz oder die Glasscheiben richtet und ihn entlang wandern l\u00e4sst \u00fcber die kleinen Flecken der einen Scheibe, dann \u00fcber den mittleren verticalen Balken des Kreuzes, dann \u00fcber die andere Scheibe, so kann es kommen, dass ein Baumstamm, der im Gesichtsfelde des rechten Auges rechts neben und hinter dem verticalen Holze erscheint, f\u00fcr das linke Auge links daneben liegt. Also wird auch das fernere Object in der durchlaufenen Reihenfolge der betrachteten Punkte zwei Mal Vorkommen und doppelt erscheinen.\nWir haben im Paragraphen 28 gesehen, dass wir die Reihenfolge der Punkte im Gesichtsfelde nicht blos durch wirkliche Bewegung bestimmen k\u00f6nnen, sondern sie auch lernen nach der Reihenfolge ihrer neben einander liegenden Netzhautbilder im Auge zu beurtheilen. Wir brauchen also auch nicht den Blick wirklich \u00fcber das Gesichtsfeld hingehen zu lassen, um die Doppelbilder zu sehen, sondern k\u00f6nnen dauernd einen Punkt fixiren und doch die verschiedene Anordnung der Objecte in beiden Sehfeldern erkennen. Wenn dasselbe Object entweder auf verschiedenen Seiten des fixirten Punktes erscheint, oder aber die Gr\u00f6sse und Richtung seines Abstandes vom Fixationspunkte in hinreichend auffallender Weise verschieden ist, wird man erkennen, dass das betreffende Object in zwei verschiedene Stellen des Gesichtsfeldes eingeordnet erscheint.\nEs seien in Fig. 201 60 und bx die beiden Augen, welche den Punkt a fixiren, der ihnen demnach einfach an seinem wahren Orte im Raume erscheint. Der Punkt c, welcher n\u00e4her als a ist, wird dem Auge b0 rechts von dem Punkte a im Gesichtsfelde erscheinen m\u00fcssen, da c rechts von der Gesichtslinie aba liegt. Dem Auge bx erscheint aber c links von a zu liegen. Also kommt es im gemeinsamen Gesichtsfelde einmal rechts, einmal links von a vor, erscheint also doppelt und zwar in sogenannten ungleichnamigen Doppelbildern, da das scheinbar rechts liegende Bild von a dem linken Auge, das scheinbar links liegende dem \u00abechten Auge angeh\u00f6rt.\nUmgekehrt ist es mit dem entfernter liegenden Punkte d. Er erscheint im Gesichtsfelde des rechten Auges 6, rechts neben a, in dem des linken Auges links neben a, folglich in gleichnamigen Doppelbildern.\nEin etwas anderer Fall ist der in Fig. 202 dargestellte; b0 und bx sind wieder die Augen, a der gemeinsame Fixationspunkt. Der Punkt c liege ausserhalb des Winkels b(jab1, in geringerem Abstande von den Augen als der Fixationspunkt. Dies Mal liegt c allerdings in den Gesichtsfeldern beider Augen nach links von a, weil die Richtungslinien cb0 und cbx beide nach links bezieh-lich von a&0 und abx liegen. Aber der Winkel cb0a ist viel kleiner als der Winkel cb1a. Im Gesichtsfelde von b0 ist also c um einen viel kleineren Winkel von a entfernt, als im Gesichtsfelde des andern Auges. Ist diese Differenz merklich genug, so erscheint das Bild wieder an zwei verschiedenen Orten des gemeinsamen Gesichtsfeldes, also doppelt. Die Doppelbilder sind aber in diesem Falle nicht so deutlich, als wenn sic auf verschiedenen Seiten des","page":696},{"file":"p0697.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 31.\nDIE BINOCULAREN DOPPELBILDER.\n697\nFig. \u00bbOl.\nFixationspunktes liegen, wie in Fig. 20L Namentlich wenn sie sich mehr von a entfernen und in die Seitentheile des Gesichtsfeldes zu liegen kommen, muss ihr Abstand und der Unterschied ihrer Helligkeit von der der Umgebung schon ziemlich bedeutend sein, wenn sie bemerkt werden sollen. Etwas deutlicher werden sie, wenn sich zur Seite von a, etwa gleich weit von den Augen abstehend wie a, ein scharf bezeichnetes Object f zwischen den verl\u00e4ngerten Schenkeln des Winkels b0cb1 befindet, so dass im gemeinsamen Gesichtsfelde die Doppelbilder von c auf verschiedenen Seiten von f liegen. Man hat dann im Gesichtsfelde des Auges 60 die scheinbare Reihenfolge acf, in dem von 6, die Folge afc. Dann ist es leichter die Trennung der Bilder zu erkennen, als wenn man sie vor einem gleichm\u00e4ssig gef\u00e4rbten und erleuchteten Hintergrund sieht.\nEndlich kann man auch Doppelbilder sehen, wenn die Bilder desselben Punktes in den Gesichtsfeldern beider Augen zwar gleiche Distanz von dem fixirten Punkte haben, aber hinreichend verschiedene Richtung, dass deren Unterschied auff\u00e4llig genug ist.\nDies ist der Fall, wenn der Punkt c hoher oder tiefer und gleichzeitig den Augen ein wenig n\u00e4her als der Punkt a gelegen ist.\nWir sehen also diejenigen Objectpunkte im Allgemeinen doppelt, welche in beiden Sehfeldern hinreichend verschiedene scheinbare Lage beziehlich zum Blickpunkte haben, dass diese Verschiedenheit durch die Sch\u00e4tzung des Augen-maasses bemerkt werden kann. Solche Objecte dagegen, welche scheinbar gleiche Lage gegen den Fixationspunkt im Sehfelde haben, sehen wir einfach.\nIch will ein von beiden Augen als einfach gesehenes Bild ein Ganzbild nennen, die zwei Bilder zusammengenommen, welche von demselben Objecte entworfen werden, welches nicht einfach gesehen wird, ein Doppelbild, jedes einzelne der letzteren dagegen ein Halbbild.\nWir haben nun n\u00e4her zu untersuchen, welche Punkte beider Sehfelder cheinbar gleiche Lage zum Fixationspunkte haben und also im gemeinsamen","page":697},{"file":"p0698.txt","language":"de","ocr_de":"698 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 31.\nGesichtsfelde sich decken. Ich nenne solche Punkte Deckpunkte oder cor-respondirende Punkte; man hat sie auch, einer besonderen theoretischen Auffassung zu Liebe, identische Punkte genannt. Da jedem Punkte jedes Sehfeldes ein Netzhautpunkt entspricht, so kann man auch von Deckpunkten, correspondirenden oder identischen Punkten der beiden Netzh\u00e4ute reden. Punkte, welche einander nicht correspondiren, nenne ich mit Fechnfr disparat.\t0\n1. Die Blickpunkte der beiden Sehfelder normaler Augen sind Deckpunkte. Der Blickpunkt jedes Sehfeldes entspricht der anatomisch ausgezeichneten Stelle der Netzhaut, der Mitte der Fovea centralis, der Stelle des deutlichsten Sehens. Der Blickpunkt ist der flxirte Punkt des Gesichtsfeldes. Mit dem ausgesprochenen Satze gleichgeltend ist es also auch zu sagen, der flxirte Punkt des vor uns liegenden Raumes werde stets einfach gesehen, und ein Objectpunkt, der sich auf den beiden Centren der Netzhautgruben abbilde, werde einfach gesehen.\nEs ist dies ein Satz, der sich bei allen Beobachtungen normaler Augen best\u00e4tigt, von gewissen F\u00e4llen des Schielens, wo er Ausnahmen erleidet, werden wir unten handeln.\nWenn wir nach dem Grunde dieses Verhaltens fragen, so kommen wir auf die viel besprochene Frage, warum wir mit zwei Augen doch einfach sehen. Wenn man die Siunesempfindungen einfach als Zeichen ansieht, deren Deutung erlernt werden muss, so bietet die Beantwortung keine besondere Schwierigkeit. Fast alle \u00e4usseren Objecte afficiren gleichzeitig verschiedene Nervenfasern unseres K\u00f6rpers und bringen zusammengesetzte Sinnesempfindungen hervor, die wir in ihrer Zusammensetzung als das gegebene sinnliche Zeichen des betreffenden Objects auffassen lernen, ohne uns der Zusammensetzung dieses Zeichens selbst bewusst zu werden. Im Gegentheil lernen wir die zusammengesetzte Beschaffenheit der Empfindung in den bei weitem meisten F\u00e4llen dieser Art erst durch wissenschaftliche Analyse kennen. Die Empfindung einer bestimmten Klangfarbe ist zusammengesetzt aus einer Mehrzahl von Empfindungen vieler einfacher T\u00f6ne; einen Stift, den wir in der Hand halten, f\u00fchlen wir mit zwei Fingern und also durch zwei Gruppen getrennter Nervenfasern, wir riechen denselben Geruch mit zwei Nasenh\u00f6hlen, das scheinbar einfache Gef\u00fchl des Nassen, welches ein ber\u00fchrter K\u00f6rper erzeugt, ist aus dem des Glatten und des Kalten zusammengesetzt u. s. w. In der That ist kein Grund, aus einer complicirten Wirkung auf ein so compiicirtes Reagenz, wie unser K\u00f6rper ist, auf ein entsprechend complicates Object zu schliessen.\nEs wird also im Allgemeinen durchaus von der Erfahrung abh\u00e4ngen, ob eine h\u00e4ufig wiederkehrende Gruppe von Empfindungen als das sinnliche Zeichen eines oder mehrerer Objecte von uns kennen gelernt wird.\nBer\u00fccksichtigen wir nun, dass der normale Gebrauch der Augen derjenige ist, wobei wir das Object, welches unsere Aufmerksamkeit zur Zeit fesselt, mit beiden Augen fixiren, also auf den Centren der beiden Netzhautgruben abbilden, mit denen wir es am genausten sehen k\u00f6nnen, so ergiebt sich daraus, dass die beiden Centra der Netzhautgruben immer Bilder desselben einen \u00e4usseren","page":698},{"file":"p0699.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 31.\nLAGE DER CORRESPONDIRENDEN PUNKTE.\n699\nObjects abbilden werden, dessen Einheit \u00fcbrigens durch den Tastsinn, so oft als n\u00f6thig, zu constatiren ist, und dass ihre Empfindungen daher in r\u00e4umlicher Beziehung immer als gleichgeltend kennen gelernt werden. Wir sehen also einfach mit beiden Blickpunkten, weil beim nat\u00fcrlichen normalen Gebrauche der Augen auf beiden Netzhautgruben immer dasselbe Object abgebildet ist, von dessen nur einmaligem Vorhandensein wir durch den Tastsinn unterrichtet sind oder uns unterrichten k\u00f6nnen.\nDie entgegengesetzte Ansicht dagegen, wonach gewisse Empfindungen unseres K\u00f6rpers schon vor aller Erfahrung gewisse Raumvorstellungen hervorzurufen imstande sind, muss annehmen, dass die beiden Netzhautcentra ebenso, wie jedes andere Paar zusammengeh\u00f6riger Deckstellen beider Netzh\u00e4ute, durch einen angeborenen Mechanismus identische Raumanschauungen geben. Dies war auch der Grund, aus welchem die Deckstellen der Netzh\u00e4ute zuerst als identische Stellen bezeichnet wurden, Eine kritische Vergleichung beider Ansichten l\u00e4sst sich erst am Schl\u00fcsse des folgenden Paragraphen geben.\nBei vielen F\u00e4llen sogenannten concomitirend en Schielens finden sich Ausnahmen von dem Gesetze, dass die Netzhautgruben Deckstellen sind, namentlich bei solchen Individuen, deren beide Augen ann\u00e4hernd gleich gut brauchbar zum Sehen sind. Bei der genannten Art des Schielens k\u00f6nnen beide Augen nicht parallel gerichtet werden, sondern stehen entweder convergent oder divergent, und zwar so, dass bei allen Richtungen der Gesichtslinien der Winkel der Convergenz oder Divergenz naheliin die gleiche Gr\u00f6sse beh\u00e4lt. Hat ein Auge eine betr\u00e4chtlich gr\u00f6ssere Sehsch\u00e4rfe, als das andere, so pflegt der Kranke die Objecte nur mit dem besseren Auge zu fixiren, und nur wenn man dieses mit der Hand bedeckt, fixirt er sie mit dem andern Auge. Sind beide Augen von ziemlich gleicher Sehsch\u00e4rfe, so ist das Schielen alternirend, das heisst der Patient braucht zum Fixiren bald das eine, bald das andere Auge, beur-theilt \u00fcbrigens mit beiden Augen die Richtung der gesehenen Gegenst\u00e4nde richtig. In der Mehrzahl dieser letzteren F\u00e4lle mm zeigt es sich, dass die beiden Fixationspunkte nicht mehr Deckstellen sind, sondern dem Centrum der Netzhautgrube des einen Auges eine andere, je nach der Richtung des Schielens mehr nach innen oder aussen gelegene Stelle der andern Netzhaut correspon-dirt. Der Schielende sieht alsdann einfach trotz der falschen Stellung seiner Augen. Der Nachweis, dass er wirklich mit beiden Augen sieht, und nicht etwa blos das eine Bild vernachl\u00e4ssigt, wie man sonst anzunehmen pflegte, kann gef\u00fchrt werden, wenn man vor eines seiner Augen ein Prisma mit der brechenden Kante nach oben oder unten gekehrt Dringt. Er sieht dann, wie ein Normalsichtiger, zwei \u00fcbereinanderstehende Doppelbilder des Objects. Durch das Prisma wird n\u00e4mlich das Bild des einen Auges nach oben verschoben, und bei einer solchen Trennung des binocularen Ganzbildes in \u00fcbereinander stehende Halbbilder kann man leicht und sicher erkennen, ob beide Halbbilder gesehen werden, und ob das eine oder das andere mehr nach rechts oder links steht. Ebenso treten Doppelbilder auf, wenn man vor das eine Auge ein Prisma mit der brechenden Kante nach links oder rechts gekehrt h\u00e4lt, wodurch das eine Halbbild seitlich verschoben wird, selbst wenn das Prisma so gew\u00e4hlt und","page":699},{"file":"p0700.txt","language":"de","ocr_de":"700 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 31.\nso gehalten ist, dass nun Bilder des gleichen Objects auf die beiden Netzhaut-centra fallen. Auch wenn dergleichen Patienten noch f\u00e4hig sind, durch besondere Anstrengung die Augen in parallele Stellung zu bringen, wo sie entfernte Objecte einfach sehen sollten, sehen sie diese doppelt.\nDasselbe geschieht nun auch, wenn durch eine gelungene Operation den Augen die normale Stellung wiedergegeben ist. Die Patienten werden dann in den ersten Tagen Yon den Doppelbildern sehr gequ\u00e4lt, sp\u00e4ter lernen sie diese zu \u00fcbersehen, bis dann endlich, nach einem Jahre oder l\u00e4ngerer Zeit, sich das normale Identit\u00e4tsverh\u00e4ltniss hergestellt findet. Doch geschieht das letztere nicht in allen F\u00e4llen, namentlich nicht in solchen, wo das eine Auge eine erheblich geringere Sehsch\u00e4rfe hat, als das andere; in solchen bleiben meist die nach der Operation auftretenden Doppelbilder in unver\u00e4nderter Stellung zu einander bestehen, aber das undeutlichere wird hei der Orientirung vernachl\u00e4ssigt. Endlich kommen auch F\u00e4lle vor, wo diese Vernachl\u00e4ssigung des einen Bildes so weit geht, dass es selbst mit Hilfe von Prismen und farbigen Gl\u00e4sern nicht zur Wahrnehmung gebracht werden kann.\nEbenso wie hei geringer Sehsch\u00e4rfe des einen Auges die Patienten nach der Operation sich von den Doppelbildern leichter befreien durch Vernachl\u00e4ssigung des einen, als durch Ausbildung eines neuen Identit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses, so bildet sich auch bei Schielenden mit einem schlecht sehenden Auge weniger leicht die beschriebene Incongruenz der Netzh\u00e4ute aus. Bei solchen zeigen sich dann selbst nach jahrelangem Schielen noch immer die beiden Netzhautcentra als correspondirend. Dasselbe ist der Fall in allen denjenigen F\u00e4llen, wo der Convergenz-, beziehlich Divergenzwinkel, den die Blicklinien miteinander bilden, ver\u00e4nderlich ist, entweder bei verschiedener Richtung des Sehens oder periodisch wechselnd zu verschiedenen Zeiten, weil in solchen F\u00e4llen die Bilder, welche die Netzhautgrube des einen Auges treffen, auf sehr verschiedene Stellen der andern Netzhaut fallen und sich desshalb keine feste Gew\u00f6hnung der Zusammengeh\u00f6rigkeit ausbilden kann \\\nAuch zeigte sich in. der That bei Schielenden, deren eines Auge verminderte Sehsch\u00e4rfe .hat, dass sie beim Vorhalten eines rotlien Glases vor ein Auge Doppelbilder bald sehen, bald pl\u00f6tzlich wieder nicht sehen, ohne dass sich die Stellung des Auges ge\u00e4ndert hat, oder dass sie nach der Operation das farbige Halbbild bald rechts, bald wieder links von dem ungef\u00e4rbten Bilde sehen, oder gar nicht zu sagen wissen, ob es rechts oder links sei. Bei einem solchen Auge, dessen Bilder wegen ihrer Unvollkommenheit wenig beachtet werden, bleibt, wie es scheint, die Orientirung \u00fcberhaupt immer eine unsichere, und die Erinnerung an das vor dem Schielen vorhanden gewesene Identit\u00e4tsverh\u00e4ltniss k\u00e4mpft gleichsam mit dem neuen, was sich nicht recht sicher und bestimmt\n1 Der Nachweis, dass viele Schielende mit beiden Augen und doch einfach sehen, wurde geliefert von PiCKFor.D in Roser und Wunderlich\u2019s Archiv f\u00fcr physiologische Heilkunde, 1842, S. \u00d690. Die ersten F\u00e4lle von Incongruenz beschrieben durch Albrecht v. Graefe im Archiv f\u00fcr Ophthalmologie, I, 1, 234; dar\u00fcber auch Nagel, Das Sehen mit zwei Augen. Leipzig 1861. S. 130\u2014135, Die Resultate aus einer gr\u00f6sseren Zahl von Beobachtungen giebt Alfred Graefe im Archiv f\u00fcr Ophthalmologie, XI, 2, p. 1\u201446. Ferner F. C. Donders im Archiv f\u00fcr die holl\u00e4ndischen Beitr\u00e4ge zur Natur- und Heilkunde, Bd. Ill, S. 337 und 338; Anomalies of accommo-dalion and refr., p. 164\u2014166. Es sind dies Beobachtungen von fundamentaler Wichtigkeit f\u00fcr die Theorie des Binocularsehcns, und w\u00e4re eine m\u00f6glichst h\u00e4ufige und genaue Wiederholung derselben zu w\u00fcnschen.","page":700},{"file":"p0701.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7.34.\tLAGE DER CORRESPONDIRENDEN PUNKTE.\t701\nausbilden kann. Alfred Graefe bemerkt mit Recht, dass hier gerade das Schwanken der Aussagen charakteristisch f\u00fcr den Vorgang sei.\n2. Die Netzhauthorizonte beider Augen correspondiren einander. Ich habe oben auf Seite 462 die Netzhauthorizonte f\u00fcr normalsichtige Augen definirt als diejenigen Meridiane beider Augen, welche bei paralleler Richtung derselben in der Prim\u00e4rstellung mit der Visirebene zusammenfallen, und schon angef\u00fchrt, dass diese mit einander correspondiren. Bei kurzsichtigen Augen ist das meist nicht der Fall, und ich habe oben schon vorgeschlagen, als Netzhauthorizonte diejenigen Meridiane zu betrachten, welche in die Visirebene fallen bei einer solchen Stellung der Augen, wo eine Reihe Deckstellen beider Netzh\u00e4ute in der genannten Ebene liegt. Dies wird f\u00fcr kurzsichtige Augen meist eine etwas nach abw\u00e4rts gerichtete Convergenzstellung sein. Dann w\u00fcrde der oben hingestellte Satz nur Consequenz der Definition des Begriffs \u201eNctzhaut-horizont\u201c sein. Es ist aber noch zu bemerken, dass die Netzhauthorizonte auch dadurch ausgezeichnet sind, dass bei der Lage des Fixationspunktes in der Medianebene f\u00fcr das Augenmaass ihre Ebenen in der Visirebene zu liegen scheinen.\nGenaue Bestimmungen \u00fcber die Lage der Netzhauthorizonte sind von Volkmann f\u00fcr seine (etwas kurzsichtigen) Augen gegeben worden1. An einer ebenen, vor den Augen befindlichen senkrechten Wand waren zwei Drehscheiben so angebracht, dass der Drehpunkt einer jeden in der optischen Axe des bez\u00fcglichen, auf die unendliche Ferne gerichteten Auges lag. Auf jeder Scheibe war eine feine Linie verzeichnet, die entweder einen Durchmesser oder einen Radius bildete und mit der Umdrehung der Scheibe ihre Lage ver\u00e4nderte. Die Gr\u00f6sse der Drehung konnte mittels einer am Rande der Scheiben angebrachten Gradtheilung gemessen werden.\n1. Versuchsreihe: Links ein Durchmesser horizontal gestellt; der Durchmesser der rechten Scheibe wurde gesucht ihm parallel zu stellen. Um die Linien getrennt zu sehen, war es noting, den Kopf ein wenig nach der Seite zu neigen. Im Mittel aus 3 0 Versuchen betrug\nder Kreuzungswinkel...........................0\u00b0,443\nder wahrscheinliche Beobachtungsfehler........0\u00b0,08.\n2.\tVersuchsreihe: Der rechte Durchmesser war horizontal gestellt, der linke wurde ihm parallel gestellt; sonst ebenso,\nKreuzungswinkel............0\u00b0,853\nwahrscheinlicher Fehler .... 0\u00b0, 1 1.\n3.\tVersuchsreihe: Der linke Durchmesser liegt horizontal, der rechte wird so eingestellt, dass er beim Decken mit ihm eine m\u00f6glichst feine Linie darstellt. Wieder im Mittel aus 30 Versuchen\nKreuzungswinkel............0\u00b0,397\nwahrscheinlicher Fehler . . . . 0\u00b0, 13.\nPhysiologische Untersuchungen im Gebiete der Optik. Leipzig 1864. Heft 2, S. 206 \u2014 208 und","page":701},{"file":"p0702.txt","language":"de","ocr_de":"702\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 31.\n4.\tVersuchsreihe: Ebenso, nur ist der rechte Durchmesser festgestellt, der linke wird bewegt,\nKreuzungswinkel............0\u00b0,467\nwahrscheinlicher Fehler .... 0\u00b0,1 4.\n5.\tVersuchsreihe: Links ein horizontal gerichteter Radius; der Radius der rechten Scheibe wird so gestellt, dass er mit jenem eine gerade Linie zu bilden scheint. Im Mittel aus 30 Versuchen\nKreuzungswinkel.............0\u00b0,46\nwahrscheinlicher Fehler .... 0\u00b0,I2S.\n6.\tVersuchsreihe: Ebenso, nur liegt der rechte Radius fest, der linke wird gestellt,\nKreuzungswinkel.............0\u00b0,463\nwahrscheinlicher Fehler .... 0\u00b0,096.\nMan sieht, dass diese Versuche alle nahe \u00fcbereinstimmende Resultate geben, n\u00e4mlich\n1.\t0\u00b0,443\n2.\t0\u00b0,553\n3.\t0\u00b0,397\n4.\t0\u00b0,467\n5.\t0\u00b0,460\n6.\t0\u00b0,463\nMittel :\t0\u00b0,464\nDer Sinn dieser Abweichung ist ein solcher, dass die \u00e4ussere Seite jedes Netzhauthorizontes etwas tiefer liegt, als die innere.\n7.\tVersuchsreihe: Endlich hat Volkmann noch Versuche angestellt, bei denen er nur eine Scheibe mit dem linken Auge betrachtete und den darauf gezeichneten Durchmesser horizontal zu stellen suchte; dabei stellte er im Mittel von 30 Versuchen das linke Ende um 0\u00b0,203 zu tief.\n8.\tVersuchsreihe: Ebenso, nur wurde das rechte Auge gebraucht. Das rechte Ende des Durchmessers wurde um 0\u00b0,2 3 3 zu tief gestellt.\nDie Summe beider Abweichungen 0\u00b0,203 -f- 0\u00b0,233 = 0\u00b0,43G entspricht hinreichend genau dem oben gefundenen Kreuzungswinkel der Netzhauthorizonte.\nNach den Methoden der ersten vier Versuchsreihen fand Volkmann bei einigen andern Beobachtern den Kreuzungswinkel der Netzhauthorizonte, wie folgt\nProfessor H. Welcher .... 0\u00b0,72\nStud. med. K\u00e4herl..........0\u00b0,2 6\nDr. Schweigger-Seidel. . . . 0\u00b0,43.\nBei meinen eigenen Augen habe ich Versuche nach der Methode von Volk-mann\u2019s 5. und 6. Reihe angestellt und finde keine merkliche Abweichung der Netzhauthorizonte, wenn ich vorher nur ferne Gegenst\u00e4nde angeblickt, oder durch l\u00e4ngere Fortsetzung der Versuche meine Gesichtslinien parallel erhalten habe. Komme ich aber vom Lesen oder Schreiben, wobei meine Augen also convergirten, so finde ich eine kleine Abweichung in demselben Sinne, wie Volkmann, und von wechselnder Gr\u00f6sse, die bei l\u00e4ngerer Fortsetzung der Versuche wieder verschwindet.\nHerr Dr. Dastich, dessen linkes Auge normalsichtig, das rechte kurzsichtig ist, fand eine Abweichung von 0\u00b0,3t.","page":702},{"file":"p0703.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nLAGE DER CORRESPONDIRENDEN PUNKTE.\n703\nWas nun die vermuthliche Entstehungsweise dieses Tdentit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses der horizontalen Meridiane betrifft, so m\u00fcssen wir beachten, dass wir bei Fixation eines bestimmten Objectpunktes in denjenigen beiden Meridianen der Sehfelder und der Netzh\u00e4ute, welche mit der Visirebene zusammenfallen, immer eine Reihe von Bildern derselben Objectpunkte finden werden, wie auch \u00fcbrigens die Schnittlinie der Visirebene mit der Oberfl\u00e4che des Objects verlaufen m\u00f6ge. F\u00fcr alle andere Meridiane dagegen wird da\u00ab Verh\u00e4ltniss, je nach der Lage und Form des Objects sehr wechseln. Geht zum Beispiel durch den Fixationspunkt, eine gerade senkrechte Linie, so werden deren Bilder in die senkrechten Meridiane der Sehfelder und auf die entsprechenden Netzhautpunkte fallen. Ist die gesehene Linie oben gegen den Beobachter hingeneigt, so fallen ihre Bilder in zwei nach oben convergirende Meridiane der Sehfelder; entfernt sie sich dagegen nach oben hin von dem Beobachter, so wird sie in zwei nach oben diver-girenden Meridianen erscheinen. So ist es also mit Ausnahme der in der Visirebene gelegenen Meridiane f\u00fcr jeden andern Meridian je eines Auges von der Form und Lage des gesehenen Objects abh\u00e4ngig, welcher Meridian des andern Auges die Bilder der auf jenem abgebildeten Objectpunkte empf\u00e4ngt. Nur die in der Visirebene liegenden Meridiane enthalten entsprechende Bilder unabh\u00e4ngig von der Form und Lage der Objecte.\nNun k\u00f6nnen allerdings bei verschiedenen Richtungen der Augen verschiedene Netzhautmeridiane in die Visirebene fallen. Wir d\u00fcrfen aber wohl voraussetzen, dass bei nat\u00fcrlicher Lebensweise des Menschen, wenn nicht zu anhaltend einseitige Besch\u00e4ftigungen mit bestimmter Haltung des K\u00f6rpers und der Augen eingeschlagen werden, die Augen sich \u00fcberwiegend oft in oder nahe der Prim\u00e4rlage befinden, und dass also diejenigen Netzhautmeridiane, die in der Prim\u00e4rstellung der Augen mit der Visirebene zusammenfallen \u2014 das sind aber die Netzhauthorizonte \u2014, unter allen andern am h\u00e4ufigsten entsprechende Bilder empfangen und daher f\u00fcr sie die Gew\u00f6hnung gleicher Raumprojection sich ausbildet.\nUeberwiegende Besch\u00e4ftigung mit nahen Gegenst\u00e4nden, die mit nach unten gerichteten convergirenden Blicken betrachtet werden, w\u00fcrde dagegen das Auftreten einer solchen Abweichung, wie sie Volkmann an sich und anderen beobachtet hat, bedingen k\u00f6nnen, denn bei einer solchen Richtung des Blickes r\u00fccken wirklich seine Netzhauthorizonte in die Visirebene.\n_ 3. Die zu den Netzhauthorizonten scheinbar verticalen Meridiane decken sich. Es ist schon oben auf Seite \u00f6i6 hervorgehoben worden, dass diejenigen Meridiane der Sehfelder, welche f\u00fcr das Augenmaass einen scheinbar richtigen rechten Winkel mit den Netzhauthorizonten bilden, in Wahrheit mit ihrem oberen Ende etwas nach aussen geneigt sind. Liegen also die Netzhauthorizonte in der Visirebene, so divergiren die scheinbar verticalen Meridiane etwas nach oben und convergiren nach unten. Diese \u00bbeiben scheinbar verticalen Meridiane, welche also in den beiden Sehfeldern scheinbar dieselbe Lage gegen den Fixationspunkt und Netzhauthorizont haben, zeigen sich als correspondirend in dem binocularen Gesichtsfelde.\nDen Kreuzungswinkel der correspondirenden scheinbaren Verticallinien kann man nach denselben Methoden finden, wie den der Netzhauthorizonte, ausge-","page":703},{"file":"p0704.txt","language":"de","ocr_de":"704\nDRITTER ABSCHNITT. DIE-LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 3t\nnommen diejenige, wobei die Linien zum Decken gebracht werden. Dabei verschmelzen n\u00e4mlich zwei einander \u00e4hnlich gef\u00e4rbte Linien zu leicht zu einem stereoskopischen Gesammtbilde, selbst wenn sie noch ziemlich disparate Richtungen haben. Man kann dies aber vermeiden, wenn man den beiden Linien ganz verschiedene F\u00e4rbung giebt, zum Beispiel einen weissen Faden auf schwarzem Grund mit einem schwarzen auf weissem combinirt. Die sichersten und \u00fcbereinstimmendsten Urtheile bei solchen Vergleichungen habe ich schliesslich bei folgender Methode gewonnen.\nAn einer senkrechten h\u00f6lzernen Tafel wird ein Blatt schwarzen Papiers ausgespannt und auf diesem neben einander befestigt erstens ein rother 3 Millimeter breiter und von zwei parallelen geraden R\u00e4ndern begrenzter Papierstreifen, und zweitens ein blauer Faden. Beide erhalten nahehin senkrechte Richtung, nach oben ein wenig divergirend, und solche Entfernung von einander, dass ihr Abstand in der H\u00f6he der Augen des Beobachters dem Abstande dieser Augen gleich ist. Der Papierstreifen wird mit beiden Enden festgesteckt, der Faden mit dem oberen Ende; sein unteres ist durch ein kleines Gewicht gespannt. Das untere Ende des Fadens schiebt man so viel, als noting, mit einer Nadel zur Seite, die man schliesslich fest sticht, wenn der Faden die richtige Lage hat. Man blickt nun nach dem Faden und Streifen mit parallelen Gesichtslinien, so dass der blaue Faden auf der Mitte des rothen Streifens erscheint, und verschiebt den Faden so lange, bis er in seiner ganzen L\u00e4nge genau auf der Mitte des Streifens zu liegen scheint. Dann steckt man die Nadel fest. Indem man die Entfernung des Fadens vom Streifen am oberen und unteren Ende abmisst, und auch den verticalen Abstand der gemessenen Punkte, kann man den Winkel, den ihre Richtungen machen, leicht bestimmen.\nDer obige Satz ergiebt sich am directesten, wenn man in der beschriebenen Weise die Abweichung der horizontalen und verticalen Decklinien bestimmt und ausserdem die Winkel, welche die zu einer Horizontallinie scheinbar normal gerichteten Linien mit jener machen. Solche Bestimmungen hat Herr Dr. Dastich in meinem Laboratorium ausgef\u00fchrt und folgende Wertlie gefunden:\nWinkel zwischen den scheinbar verticalen Decklinien: 2\u00b0 40'\nWinkel zwischen\tden\tNetzhauthorizonten:\t0\u00b0\t18'\nDifferenz 2\u00b0\t22'.\nDerselbe fand die Abweichung vom rechten Winkel f\u00fcr sein rechtes Auge -I 0 12' f\u00fcr\tsein linkes\tAuge\t1 0\t21'\nSumme:\t2\u00b0\t33'.\nDie Differenz der ersten beiden Winkel, im Betrag von 2\u00b0 22', ist der Winkel, den die scheinbar verticalen Meridiane mit einander bilden w\u00fcrden bei einer Stellung der Augen, wo die Netzhauthorizonte in die Visirebene fallen. Sie ist der Summe 2\u00b0 33' so nahe gleich, als die Genauigkeit solcher Versuche erwarten l\u00e4sst. Das heisst also, die scheinbar verticalen Decklinien unterscheiden sich nicht merklich von denjenigen Linien, die nach dem Augenmaass normal zu den Netzhauthorizonten scheinen.","page":704},{"file":"p0705.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nLAGE DER CORRESPONDIRENDEN PUNKTE.\n705\nDasselbe geht \u00fcbrigens auch indirect aus Volkmann\u2019s Versuchen hervor. Derselbe hat n\u00e4mlich ausser den schon erw\u00e4hnten Versuchen, einen monocular ge-gesehenen Durchmesser seiner Scheiben horizontal zu stellen (7. und 8. Versuchsreihe), auch Versuche gemacht, ihn vertical zu stellen, wobei er also die absolut verticale Pachtung einzuhalten suchte, nicht die normale gegen eine horizontale sichtbare gerade Linie. Da indessen schon oben bemerkt ist, dass die Netzhauthorizonte ihm absolut horizontal erschienen unter den Umst\u00e4nden des Versuchs, so folgt, dass ihm die hier bestimmten scheinbar verticalen Richtungen auch normal zu den Netzhauthorizonten erscheinen mussten.\n9.\tVersuchsreihe: Die Scheibe wird mit dem linken Auge betrachtet und der Durchmesser scheinbar vertical gestellt. Im Mittel von 30 Versuchen betr\u00e4gt die Abweichung l\u00b0,307.\n10.\tVersuchsreihe: Ebenso mit dem rechten Auge; Abweichung im Mittel 0\u00b0,82.\nDie Winkel zwischen den scheinbar verticalen Decklinien hat er nach denselben Methoden bestimmt, wie f\u00fcr die horizontalen, und folgende Zahlen erhalten\nMethode\tMittelwerth\tWahrscheinlicher Fehler.\nder Versuchsreihe 1\t2\u00b0,23\t0\u00b0,1 6\n\u00bb \u00bb 2\t2\u00b0,06\t0\u00b0,07\n\u00bb\t5\t2\u00b0, 1 6\t0\u00b0,22\n\u00bb \u00bb 6\t2\u00b0, 1 4\t0\u00b0,21\nGesammtmittel :\t2\u00b0, 15\t\nNun ist die Summe der Abweichungen der jedem einzelnen Auge normal erscheinenden Linien :\n\\ \u00b0,307 H- 0\u00b0,82 = 2\u00b0,127\nder Abweichung der Decklinien von einander so nahehin gleich, dass daraus folgt, die f\u00fcr das Augenmaass in jedem Sehfelde vertical erscheinenden Linien seien auch Decklinien, und dies entspricht wieder unserem Satze.\nAuf Volkmann\u2019s Veranlassung wiederholte Herr Schweigger- Seidel die Versuche. Die Abweichung der scheinbar verticalen Linie von der wirklich Verticalen fand er f\u00fcr das linke Auge gleich 0\u00b0,663, f\u00fcr das rechte Auge gleich 0\u00b0,657. Die Summe beider Gr\u00f6ssen ist l\u00b0,32. Damit nahe \u00fcbereinstimmend fand sich der Winkel zwischen den beiden scheinbar verticalen Decklinien bei ihm gleich 1\u00b0,44.\nVolkmann hat endlich auch Versuchsreihen noch in der Weise angestellt, dass der Diameter der einen Scheibe horizontal lag und er den der andern im binocularen Gesammtbilde senkrecht zu jenem zu stellen suchte. Auch diese Versuche zeigen gute Uebereinstimmung mit den fr\u00fcheren und mit dem oben hingestellten Satze, dass die scheinbar verticalen Meridiane Decklinien seien, und dieser Satz ist wieder ein F all des oben hingestellten allgemeineren, dass Linien die in den monocularen Sehfeldern scheinbar gleiche Lage haben, Decklinien sind. Nachdem n\u00e4mlich fest-gestellt ist, dass die Netzhauthorizonte Decklinien sind, m\u00fcssen die zu ihnen und dem Fixationspunkt scheinbar gleiche Lage habenden scheinbaren Verticalen auch Decklinien sein.\nDer Winkel der scheinbaren Verticallinien hat bei normalsichtigen Augen, wie es scheint, immer ziemlich dieselbe Gr\u00f6sse von etwa 2'/2 Grad; bei kurzsichtigen Augen habe ich ihn meist viel kleiner gefunden. Auch E. Hering, der kurzsichtig ist, hat ihn f\u00fcr seine Augen beinahe gleich Null gefunden.\nIn den theoretischen Untersuchungen \u00fcber das monoculare Gesichtsfeld\nEncyklop. d. Physik, IX. Helmholtz, Physiolog. Optik.\t45","page":705},{"file":"p0706.txt","language":"de","ocr_de":"706\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 34.\nfanden wir, dass die dort betrachteten Vorg\u00e4nge bei der Ausbildung des Augen-maasses f\u00fcr diesen Winkel keine bestimmte Gr\u00f6sse ergaben, ihn vielmehr unbestimmt Hessen. Gr\u00fcnde, die seine Gr\u00f6sse zu bestimmen scheinen, werden wir weiter unten in der Lehre vom Horopter finden.\n4. In den scheinbar verticalen Decklinien sind Punkte, welche gleich weit von den Netzhauthorizonten abliegen, Deckpunkte. Auch hier\u00fcber liegen genaue Versuche von Volkmann vor. Jedes Auge hatte ein rechtwinkeliges Kreuz vor sich, gebildet aus der Horizontalen a a', Fig. 205, und den\nb\tb'\nFig. 203.\nsenkrechten s und s', deren Abstand dem der Augen des Beobachters gleich zu machen ist. Unterhalb der Horizontallinie und nach aussen von der Vertical-linie jedes Kreuzes war eine zweite Horizontallinie b und b' gezogen, von denen die eine b fest, die andere b' beweglich war, so dass sie sich selbst parallel verschoben werden konnte. Der Beobachter flxirte die Mittelpunkte beider Kreuze mit parallelen Gesichtslinien, so dass sie sich scheinbar deckten, und verschob dann die bewegliche Horizontallinie b' so lange, bis sie scheinbar die genaue Fortsetzung der festen Horizontallinie b im andern Sehfelde bildete.\nIm Mittel aus je 30 Versuchen erhielt er den Abstand der beweglichen Hori-\nzontallinie\nBewegliche Horizontale rechts: .... 5,54\nBewegliche Horizontale links............5,47\nAbstand der festen Horizontale .... 5,50.\nDer Abstand der Linien von den Augen war 300 Millimeter, die Dilferenzen zwischen den beiden verglichenen Gr\u00f6ssen liegen unter der Grenze der wahrnehmbaren Abst\u00e4nde.\nUm eine feste Uebung in der Vergleichung verticaler Distanzen zwischen beiden Sehfeldern zu erlangen, sind die Verh\u00e4ltnisse des nat\u00fcrlichen Sehens besonders g\u00fcnstig. So oft n\u00e4mlich der Fixationspunkt in der Medianebene des K\u00f6rpers liegt, der Blick also geradeaus gerichtet ist, k\u00f6nnen oberhalb und unterhalb des Fixationspunktes liegende Objectpunkte zwar beiden Augen in etwas disparaten Meridianen erscheinen, aber ihr Winkelabstand vom Fixationspunkte wird immer in beiden Sehfeldern derselbe sein m\u00fcssen, auch wenn jene Punkte","page":706},{"file":"p0707.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 34.\nLAGE DER CORRESPONDIRENDEN PUNKTE.\n707\ndem Auge betr\u00e4chtlich n\u00e4her oder ferner liegen, als der fixirte Punkt; und es wird desshalb, so oft wir geradeaus blicken, Gelegenheit gegeben sein, Erfahrungen zu machen, welche -verticale Dimensionen des einen Sehfeldes denen des andern entsprechen. Dem entsprechend werden wir sp\u00e4ter Anden, dass vertical \u00fcbereinander liegende Doppelbilder besonders leicht erkannt werden.\n5. In den Netzhauthorizonten sind solche Punkte, welche gleich weit vom Fixationspunkt abliegen, Deckpunkte. Volkmann hat hier\u00fcber Versuchsreihen angestellt nach \u00e4hnlicher Weise wie die zuletzt erw\u00e4hnten, nur dass statt der festen und beweglichen Horizontallinie rechts von der Ver-ticallinie jedes Kreuzes eine zweite Verticallinie angebracht war, die eine fest oberhalb der Horizontallinie des Kreuzes, die andere beweglich darunter. Wieder im Mittel von je dreissig Versuchen fand sich der Abstand der beweglichen Verticallinie,\nwenn sie rechts lag, ... . 5,24 Millimeter.\nwenn sie links lag,........5,21\t\u201e\nAbstand der festen Verticale 5,20\t\u201e\nDie Unterschiede sind hier also wieder kleiner, als die kleinsten wahrnehmbaren Gr\u00f6ssen. Volkmann machte also auch diese Bestimmung mit sehr grosser Genauigkeit.\nIch selbst finde diese Art des Einstellens sehr viel schwerer, als die von horizontalen Linien, weil bei mir eine scheinbare stereoskopische Vereinigung der Verticallinien des Kreuzes, welche \u00fcxirt werden sollen, eintritt, auch wenn meine Blicklinien etwas mehr convergiren oder divergiren, als zur genauen Vereinigung n\u00f6tliig ist; und dabei schwanken dann die seitlichen Verticallinien hin und her, so dass ich nach Belieben bald die eine, bald die andere der Axirten Verticallinien n\u00e4her sehen kann. Sicherer gelingt mir der Versuch, wenn auch von den Axirten Verticallinien die eine nur oberhalb, die andere nur unterhalb der Horizontalen gezogen ist.\nDie Vergleichung horizontaler Distanzen in beiden Sehfeldern kann im Allgemeinen nur dann ein constantes Resultat geben, wenn sie an unendlich entfernten Objecten, des irdischen Horizontes zum Beispiel, angestellt wird. Die Entfernung zweier Punkte des Horizontes in den Bildern beider Sehfelder muss allerdings immer die gleiche sein, und durch Vergleichung solcher Bilder werden wir lernen k\u00f6nnen, welche horizontale Strecken in beiden Sehfeldern (be-zielilieh auf beiden Netzh\u00e4uten) gleich gross sind. An allen n\u00e4heren Gegenst\u00e4nden werden nur ausnahmsweise zwei horizontal neben einander gelegene Objectpunkte in beiden Sehfeldern unter gleichem Distanzwinkel erscheinen, wegen der Verschiedenheit ihrer perspectivischen Projection\u00ab!. Dem entsprechend Anden wir auch, dass horizontal neben einander liegende Doppelbilder viel leichter verschmelzen und schwerer als doppelt erkannt werden, als vertical \u00fcber einander liegende. Dennoch reicht, wie Volkmann\u2019s Versuche zeigen, unter g\u00fcnstigen Bedingungen und bei sehr h\u00e4uAger Wiederholung der Versuche die vorhandene Uebung in der Vergleichung beider Sehfelder aus, um die Gleichheit oder Ungleichheit zweier solcher Distanzen ziemlich genau und richtig zu erkennen. Es kommt freilich noch hinzu, dass wegen der symmetrischen An-\n45*","page":707},{"file":"p0708.txt","language":"de","ocr_de":"708 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 31.\nOrdnung beider Augen keine unsymmetrische Vertheilung der Fehler zwischen beiden Augen eintreten kann. Wenn a und ax zwei gleiche Strecken in den \u00e4usseren H\u00e4lften beider Sehfelder sind, b und 6, gleich grosse auf den inneren H\u00e4lften, so ist wegen der Symmetrie der Augen kein Grund vorhanden a f\u00fcr gr\u00f6sser oder kleiner als ot, und b f\u00fcr gr\u00f6sser oder kleiner als zu halten. Da wir ferner durch das Augenmaass richtig erkennen, dass a = b, und dass a = &j, so werden wir auch richtig erkennen, dass die Decklinien a = 61 und b = Oj sind.\t'\nNachdem wir festgestellt haben, welche Richtungen in beiden Sehfeldern, beziehlich auf beiden Netzh\u00e4uten, als scheinbar horizontale Decklinien sich entsprechen, welche als verticale Decklinien, welche L\u00e4ngen auf den ersteren und welche auf den letzteren gleich gross erscheinen, so sind die n\u00f6thigen St\u00fccke gegeben, um die scheinbare Lage aller Punkte des einen monocularen Gesichtsfeldes mit denen des andern vergleichen zu k\u00f6nnen. Von einer genauen Vergleichung der Lage der Doppelbilder kann, wie schon oben hervorgehoben wurde, nur in den mittleren Theilen der Sehfelder die Rede sein, da an ihren peripherischen Theilen sowohl die Erkennung der Deckstellcn, wie auch die Abmessung der Distanzen durch das Augenmaass zu unsicher ist. Wir werden also den bei unserer vorliegenden Untersuchung in Betracht kommenden mittleren Theil jedes Sehfeldes als eine Ebene ansehen k\u00f6nnen.\nEs sei in Fig. 304 o der Fixationspunkt des rechten Auges in der Fl\u00e4che\ndes Papiers, o' der des linken Auges; a Je sei die scheinbare horizontale, bl die scheinbar verticale Linie f\u00fcr jenes, a1 k' und l'l' seien dieselben beiden im andern Sehfelde. Es seien ferner co \u2014 c'o' gleiche L\u00e4ngen auf den beiden scheinbar verticalen Linien abgeschnitten, dann erscheinen auch beide Linien gleich lang und c und c' sind Deckpunkte. Ebenso seien do = d'o' gleiche L\u00e4ngen auf den scheinbaren Horizontalen. Durch c denke man eine Parallele ef mit oft, durch c' ebenso eine Parallele e'f' mit a'k' gelegt. Jeder Punkt von f muss nicht blos wirklich, sondern auch scheinbar gleich grossen Abstand von ak haben wie c, da die Abst\u00e4nde von parallelen Linien durch das Augenmaass richtig und genau verglichen werden k\u00f6nnen. Ebenso muss jeder Punkt von e'f scheinbar den","page":708},{"file":"p0709.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nLAGE DER CORRESPONDIRENDEN PUNKTE.\n709\ngleichen Abstand von a'k' haben wie c', und da die scheinbaren Abst\u00e4nde des Punktes c von der Linie ak und des Punktes c' von der Linie a'k' als gleich vorausgesetzt sind, so m\u00fcssen die Linien ef und e'f' in beiden Sehfeldern erscheinen als Horizontallinien, die gleichen Abstand von den sich deckenden Netzhauthorizonten haben, und m\u00fcssen also selbst Decklinien sein, wenn der oben vorangestellte Satz richtig ist, dass alle Punkte, welche in beiden Sehfeldern scheinbar gleiche Lage haben, Deckpunkte seien.\nEbenso folgt, dass die Linien gh und g'h' Decklinien sind, und schliesslich, dass die Punkte m und m', in denen sich ef mit gh und e'f mit g'h' schneidet, Deckpunkte sind.\nDiese Schl\u00fcsse zusammengefasst kann man so aussprechen, dass unter Voraussetzung der G\u00fcltigkeit des mehrerw\u00e4hnten Grundsatzes diejenigen Punkte beider S ehfelder Deckpunkte sind, welche gleiche und gleich gerichtete Abstand e von den scheinbar horizontalen und scheinbar verticalen Decklinien haben.\nUm diesen Satz an der Erfahrung zu pr\u00fcfen, kann man die stereoskopischen Figuren D, Taf. VII, gebrauchen. Um eine zu leichte Verschmelzung corre-spondirender Linien zu verhindern, ist die rechte Seite mit weissen Linien auf schwarzem Grunde, die linke mit schwarzen Linien auf weissem Grunde gezeichnet. Die Figuren sollen mit parallelen Blicklinien angesehen werden, so dass beide sich im gemeinsamen Gesichtsfelde scheinbar decken. Wer dies nicht erreichen kann, brauche das Stereoskop. Die rechte Seite bildet f\u00fcr mein rechtes Auge, die linke f\u00fcr mein linkes ein scheinbar genau rechtwinkeliges Gitter; ich hoffe, dass dies f\u00fcr die meisten normalsichtigen Leser der Fall sein wird. Andernfalls muss jeder Beobachter sich \u00e4hnliche Figuren f\u00fcr seine Augen passend zeichnen, so dass sowohl die horizontalen wie auch die verticalen Linien der einen Figur mit den entsprechenden der andern denjenigen Winkel bilden, welcher noting ist, damit sie hei paralleler Blickrichtung zur Deckung gebracht werden k\u00f6nnen. Der Abstand der Mittelpunkte beider Figuren ist gleich dem Abstande der Augenmittelpunkte des Beobachters zu machen; die Abst\u00e4nde der horizontalen Linien von einander sind in beiden Figuren gleich zu machen, ebenso die Abst\u00e4nde der Verticalen von einander.\nFixire ich nun den Mittelpunkt des rechten Gitters mit dem rechten, den des linken Gitters mit dem linken Auge, so fallen in dem gemeinschaftlichen Gesichtsfelde alle Linien des einen auf die entsprechenden des andern, was man leicht erkennen kann, da \u00fcbrigens die schwarzen Linien der linken Seite nicht leicht mit den weissen der rechten Seite verschmelzen 1.\nDer Versuch, der mit der Fig. D, Taf. VII, ausgef\u00fchrt ist, giebt uns nun auch Aufschluss dar\u00fcber, wie correspondirende Punkte in beiden Augen zu finden sind. Man richte die Gesichtslinien parallel der Medianebene auf die beiden Mittelpunkte der genannten Figuren, deren Ebene selbst senkrecht zur Gesichts-\n1 Ein Beobachter, welcher durch die gr\u00f6ssere Anzahl der Linien verwirrt zu werden f\u00fcrchten sollte, wie Herr E. Hering, kann die entsprechenden Beobachtungen auch leicht an einer Reihe von einfacheren Liniensystemen ausf\u00fchren, wie ich es \u00fcbrigens selbst auch geihan habe, ehe ich mir die beschriebenen Gitter construirt hatte, Ich hatte nicht geglaubt dies in meinem Aufsalze \u00fcber den Horopter erw\u00e4hnen zu m\u00fcssen, will es hier aber ausdr\u00fccklich hervorheben, da es Veranlassung zu kritischen Einw\u00fcrfen gegeben hat.","page":709},{"file":"p0710.txt","language":"de","ocr_de":"710\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 31.\nlinie stehen soll, und denke sich durch die Horizontallinien der Figuren und durch die Knotenpunkte der Augen Ebenen gelegt, Diejenigen Ebenen, welche durch die mittlere Horizontallinie gehen, auf der der Fixationspunkt liegt, fallen unter diesen Umst\u00e4nden mit den Netzhauthorizonten beider Augen zusammen. Die anderen Ebenen schneiden sich unter einander und den Netzhauthorizont in einer zur Gesichtslinie normalen Horizontallinie, die wir die Ae([uatorialaxe des Netzhauthorizontes nennen wollen. Den Winkel zwischen einer der beschriebenen Ebenen und dem Netzhauthorizonte nennen wir den H\u00f6henwinkel der betreffenden Ebene. F\u00fcr alle Punkte einer solchen Ebene ist die scheinbare H\u00f6he \u00fcber der Yisirebene gleich, wenn wir sie auf ein unendlich entferntes Gesichtsfeld projicirt denken; dem entsprechend nennen wir sie eine Ebene gleichen H\u00f6henwinkels.\nEbenso denken wir uns Ebenen construirt durch jede der verticalen Linien der Figuren und den Knotenpunkt des betreffenden Auges. Die mittlere derselben, welche den Fixationspunkt enth\u00e4lt, ist die Ebene des scheinbar verticalen Meridians und wird von s\u00e4mmtlichen anderen Ebenen dieser Art in einer zur Gesichtslinie normalen Linie geschnitten, welche wir die Aequatorialaxe des scheinbar verticalen Meridians nennen. Den Winkel zwischen einer solchen Ebene und der Ebene des scheinbar verticalen Meridians nennen wir Breitenwinkel, und z\u00e4hlen diesen in beiden Augen als positiv nach rechts hin, negativ nach links. Die Ebenen, welche den Breitenwinkel ein-schliessen, selbst nennen wir Ebenen gleichen Breitenwinkels.\nNach Feststellung dieser Begriffe l\u00e4sst sich die Lage identischer Punkte in beiden Sehfeldern leicht finden. Man denke sich durch den betreffenden Punkt des Gesichtsfeldes und die Aequatorialaxen sowohl des Netzhauthorizonts als auch des scheinbar verticalen Meridians Ebenen gelegt, durch welche der H\u00f6henwinkel und der Breitenwinkel f\u00fcr den betreffenden Punkt des Gesichtsfeldes gegeben wird. Identisch sind solche Punkte beider Gesichtsfelder, welche gleiche H\u00f6henwinkel und gleiche Breitenwinkel haben.\nDiese Definition identischer Punkte st\u00fctzt sich auf einen direct auszuf\u00fchrenden Versuch. Denkt man sich die beiden Figuren, welche die Eintheilung des Gesichtsfeldes darstellen, zu unendlichen Ebenen erweitert, so erh\u00e4lt man die Abtheilungen der identischen Punkte bis zu 90\u00b0 auf jeder Seite der Gesichtslinie. Dies gen\u00fcgt auch vollkommen f\u00fcr diesen Zweck, denn wenn auch das Gesichtsfeld jedes einzelnen Auges nach aussen etwas weiter als 90\u00b0 reicht, so ist das binoculare Gesichtsfeld doch viel kleiner, weil der Nasenr\u00fccken dem andern Auge diese \u00e4ussersten Theile des Feldes verdeckt. Uebrigens ist eine genaue Bestimmung der identischen Punkte durch den Versuch auch nur m\u00f6glich f\u00fcr diejenigen Stellen beider Sehfelder, die dem Fixationspunkt ziemlich nahe liegen, denn in gr\u00f6sserer Entfernung wird die Entscheidung dar\u00fcber, welche: indirect gesehene Gegenst\u00e4nde beider Gesichtsfelder sich decken, welche nicht,,, so ausserordentlich unbestimmt, dass nur ganz erhebliche Differenzen der Doppelbilder \u00fcberhaupt wahrgenommen werden k\u00f6nnen.\nEs ist noch zu bemerken, dass nicht auf allen correspondirenden Meridianeni der Sehfelder die Deckpunkte gleichweit vom Blickpunkte entfernt sind, wie:","page":710},{"file":"p0711.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nLAGE DER CORRESPONDIRENEN PUNKTE.\n711\ndies von den scheinbar horizontalen und scheinbar verticalen Decklinien gilt. Wenn man in der Fig. 204 von den Fixationspurikten o und o' die Diagonalen om und o'm' nach den Deckpunkten m und m! zieht, so ist om l\u00e4nger als o'm' und doch sind beides correspondirende Strecken auf correspondirenden Meridianen. Der genannte Unterschied ist klein.\nBezeichnet man die Strecken\nund\nmd = co \u2014 m'd' = c' o' mit a mc -- od = ml c' = o' d' mit b\nund die Abweichung der beiden Winkel cod und c'o'k' von 90\u00b0 mit f, so sind die correspondirenden L\u00e4ngen\nmo = yo? + b'1 + 2cib sin \u00a3\nml o' = Yd1 -f- 62 \u2014 2 ab sin t.\nRelativ am gr\u00f6ssten wird dieser Unterschied, wenn a \u2014 b; dann werden n\u00e4mlich diese L\u00e4ngen\nm o\n2 a cos\nund\nml o' = 2a cos\n43\u00b0 +\nWenn d = /\u00b0 i3', wie f\u00fcr meine Augen, so ist das Verh\u00e4ltniss dieser beiden Gr\u00f6ssen wie 1:1,0215, oder wie 47:48. Um diesen Unterschied zu beobachten, habe ich das Liniensystem der Fig. 203 angewendet. Das rechte\nAuge fixirt o', das linke a, die Linien ac und a'c' fallen dann im binocularen Bilde scheinbar in eine zusammen, ebenso ab und a'b'. Die Linie fg ist auf einen andern Papierstreifen gezogen, der um den entfernten Punkt g drehbar ist. Man sucht nun, w\u00e4hrend man a und a' streng fixirt, gf so einzustellen, dass sie als Fortsetzung der Linie cd erscheint. Dann fand sich, dass ich alf etwa gleich 19,5 Millimeter machte, w\u00e4hrend ad 20 Millimeter betrug. Man muss nat\u00fcrlich gleichzeitig genau darauf achten, dass ac und a'c' als eine un-","page":711},{"file":"p0712.txt","language":"de","ocr_de":"712\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u25a0 31.\nunterbrochene Linie erscheinen. Der Unterschied, um den es sich hier handelt, liegt ziemlich an der Grenze des Wahrnehmbaren.\nIch finde, dass die zuletzt erw\u00e4hnten Unterschiede sich auch merklich machen, wenn ich zwei Systeme concentrischer Kreise, das linke mit schwarzen Linien auf weissem Grund gezeichnet, das rechte mit weissen Linien auf schwarzem Grunde ausgef\u00fchrt, wie O Taf. IX, hei fester Fixation ihrer Mittelpunkte mit parallelen Gesichtslinien zum Decken bringe. Dann decken sich die weissen und schwarzen Linien wirklich in dem verticalen und horizontalen Meridian; aber in den schr\u00e4g liegenden Meridianen fallen sie neben einander, und zwar nach oben rechts und unten links die schwarzen nach aussen, dagegen oben links und unten rechts die wTeissen. Der nach oben rechts gerichtete Radius des rechten Feldes m\u00fcsste n\u00e4mlich l\u00e4nger gemacht werden, als der nach oben rechts gerichtete Radius des linken Feldes, um ihm gleich zu erscheinen. Folglich erscheint jener k\u00fcrzer, dieser l\u00e4nger.\nEs ergiebt sich aus der oben hingestellten Betrachtungsweise auch ein Gesetz f\u00fcr die Gr\u00f6sse derjenigen Winkel, welche verschieden gerichtete Decklinien mit einander machen. Die Berechnung, welche unten nachzusehen ist, ergiebt f\u00fcr die Winkeldifferenz J zweier correspondirender Meridiane bei parallelen Blicklinien den Ausdruck\n/t \u2014 '/\t2 t sin 1 2\u00df,\nworin y der Winkel zwischen den Netzhauthorizonten in der betreffenden Augenstellung, 2e der Winkel zwischen den scheinbar verticalen Meridianen, und \u00df der Mittelwerth des Winkels ist, den die beiden zu vergleichenden Decklinien mit ihren Netzhauthorizonten bilden.\nEine Reihe von Messungen, welche Volkmann \u00fcber die Winkel zwischen cor-respondirenden Meridianen angestellt hat1, machen eine Vergleichung dieser Formel mit der Erfahrung m\u00f6glich. In der folgenden Tabelle sind die Constanten y und <) der obigen Formel nach der Methode der kleinsten Quadrate aus den gesammten Beobachtungen bestimmt worden.\nKreuzungswinkel correspondirender Meridiane fiir Volkmank\u2019s Augen.\nNeigung gegen die Verticale 90\u00b0 \u2014 \u00df\n0\u00b0\n15\u00b0\n30\u00b0\n45\u00b0\n60\u00b0\n75\u00b0\n90\u00b0\nKreuzungswinkel\t\t\tDifferenz zwischen\nbeobachteter\twahrschein-\tberechnet\tBeobachtung und\nMittelwerth\tlicher Fehler\t\tRechnung\n2\u00b0, 15\t0\u00b0,1 06\t20,166\t\u2014 0,016\n1 \u00b0,99\t0 \u00b0,064\t2\u00b0,062\t\u2014 0,072\n1 u,78\t0\u00b0,195\t10,781\t\u2014 0,001\n1 \u00b0,51\t0\u00b0,07\u00e4\t1\u00b0,397\t-+- 0,113\n1 \u00b0,15 2\t0\u00b0,114\t1 \u00b0,013\t-1- 0,137 -\n0\u00b0,81\t0 \u00b0,0 84\t0\u00b0,732\t~H 0,078\n0\u00b0,46 3\t0\u00b0,062\t0\u00b0,628\t\u2014 0,168\n7 = 0\u00b0, 628\t2\u00d4 \u2014 l\u00b0,S57S.\nDie Avahrscheinlichen Fehler des Beobachtungsmittels sind aus den von Volkmann f\u00fcr die einzelnen Reihen angegebenen Werthen berechnet. Man sieht, dass die\n1\tVersuch 100 bis 112 im zweiten Hefte seiner Physiologischen Untersuchungen im Gebiete der Optik. S. 202-213.\n2\tBei Volkmann, S. 213, ein Rechnungsfehler.\ns Mittel aus de beiden Versuchsreihen 106 und 107.","page":712},{"file":"p0713.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 34.\nDER HOROPTER.\n713\nAbweichung zwischen Rechnung und Beobachtung im Allgemeinen nicht gr\u00f6sser ist, als die wahrscheinlichen Fehler, welche bei solchen Beobachtungsreihen Vorkommen, und wir d\u00fcrfen die Uebereinstimmung zwischen Theorie und Beobachtungen wohl f\u00fcr befriedigend ansehen.\nNachdem wir die Lage der Deckpunkte in den beiden Sehfeldern bestimmt haben, k\u00f6nnen wir dazu \u00fcbergehn, die Lage derjenigen Punkte des \u00e4usseren Raumes zu bestimmen, welche sich auf correspoudirenden Stellen beider Netzh\u00e4ute abbilden und deshalb einfach gesehen werden. Man nennt den Inbegriff dieser Punkte den Horopter. Derselbe ist im Allgemeinen eine Curve doppelter Kr\u00fcmmung, welche als die Schnittlinie zweier Fl\u00e4chen zweiten Grades (Hyperboloide mit einer Mantelfl\u00e4che, Kegel oder Cylinder) angesehen werden kann. Die Schnittlinie zweier Fl\u00e4chen zweiten Grades ist im Allgemeinen vom vierten Grade, das heisst, kann von einer Ebene in je vier Punkten geschnitten werden. In dem hier vorliegenden Falle haben aber die beiden schneidenden Fl\u00e4chen eine gerade Linie gemein, welche nicht Horopter ist, und der Rest der Schnittlinie ist eine Curve dritten Grades, das heisst eine solche, welche von einer beliebigen Ebene nur in drei Punkten geschnitten werden kann. Diese Curve hat die bemerkenswerthe Eigenschaft, dass wenn man durch irgend einen festen Punkt derselben einerseits und durch alle andern Punkte der Curve andererseits gerade Linien legt, diese Linien einen Kegel zweiten Grades bilden. W\u00e4hlt man als Spitze des Kegels einen unendlich entfernten Punkt der Curve (dieselbe l\u00e4uft n\u00e4mlich mit mindestens zwei Aesten in das Unendliche hinaus), so wird der Kegel ein Cylinder, dessen Basis eine Curve zweiten Grades ist. Um eine Anschauung von der Gestalt einer solchen Curve dritten Grades zu geben, k\u00f6nnen wir uns dieselbe auf eine Cylinderfl\u00e4che gezeichnet denken und die Cylinderfl\u00e4che in die Ebene abgerollt.\nDie ausgezogene Curve eabef der Fig. 206 w\u00fcrde dann die Form der\nFig. 206.","page":713},{"file":"p0714.txt","language":"de","ocr_de":"714 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 31.\nCurve darstellen. Man denke sich das Papier zu einem Cylinder mit kreisf\u00f6rmiger Basis zusammengerollt, so dass die Linien g g und hh aufeinander fallen, so w\u00fcrde die gezeichnete Curve die Form einer Curve dritten Grades erhalten. Die punktirte Curve bezeichnet die Schnittlinie einer Ebene (zum Beispiel der Visirebene) mit dem Cylinder. Von dieser Ebene wird die Curve dritten Grades in drei Punkten a,b,c geschnitten. An zwei Stellen e und f l\u00e4uft die Curve in das Unendliche aus, indem sie sich asymptotisch der geraden Linie g g oder der damit identischen hh n\u00e4hert.\nBetrachten wir die Curve dritten Grades als Horoptercurve, so muss dieselbe durch die Mittelpunkte der Visirlinien beider Augen gehen. Es seien b und c die Orte der beiden Augen, a der Fixationspunkt. Dann f\u00e4llt das St\u00fcck der Curve, welches zwischen ihnen liegt, n\u00e4mlich bc zwischen beide Augen in das Innere des Kopfes und kann nicht als Theil des Horopters (wenigstens nicht nach dem gew\u00f6hnlichen Sprachgebrauche, dem die oben gegebene Definition entspricht) angesehen werden, weil Punkte dieses Theils, wenn sie Strahlen aussenden und diese wirklich in beide Augen fallen k\u00f6nnten, sich auf den beiden \u00e4usseren, also nicht correspondirenden Netzhauth\u00e4lften abbilden w\u00fcrden; wie denn \u00fcberhaupt die ganze Bestimmung des Horopters f\u00fcr die den Augen sehr nahe gelegenen Raumpunkte, von denen sie nur breite Zerstreuungsbilder bilden k\u00f6nnen, alle praktische Bedeutung verliert. Der Horopter, als solcher, besteht dann also aus zwei vollkommen getrennten Zweigen, eb und fc, aus denjenigen beiden St\u00fccken der Curve dritten Grades, welche zwischen den Augen und Unendlich liegen. Da es f\u00fcr die mathematische Behandlung bequemer ist, die Curve dritten Grades in ihrem ganzen Zusammenhang zu betrachten, wollen wir sie die Horoptercurve nennen und den Namen des Horopters oder Punkthoropters f\u00fcr diejenigen St\u00fccke derselben bewahren, welche einfach gesehen werden. In der Horoptercurve schneiden sich also correspondirende Visirlinien, aber bald beide mit ihren vorderen Abschnitten, bald die eine nur mit der hinteren Verl\u00e4ngerung; wo das letztere geschieht, ist sie nicht Horopter.\nUnter gewissen Bedingungen kann die Horoptercurve sich \u00fcbrigens ihrer geraden Asymptotenlinie g g und der zu einer ebenen Curve zweiten Grades zusammengelegten Linie aa so weit n\u00e4hern, dass sie mit ihnen zusammenf\u00e4llt. Dann besteht die Horoptercurve also aus einer geraden Linie und einer ebenen Curve zweiten Grades, die sich in einem Punkte schneiden. Die beiden getrennten Zweige der Horoptercurve sind dann in diesem Schnittpunkte zusam-mengestossen. Es geschieht dies, so oft die beiden Netzhauthorizonte gleiche, aber nach entgegengesetzten Seiten gekehrte Winkel mit der Visirebene bilden, w\u00e4hrend der Fixationspunkt in endlicher Entfernung liegt, und diese Bedingung ist bei Augen, deren Bewegungen dem LisTiN\u00df\u2019sclien Gesetze folgen, wiederum erf\u00fcllt, wenn der Fixationspunkt entweder in der Medianebene des Kopfes, oder in der Prim\u00e4rlage der Visirebene liegt. Im ersten Falle liegt der Fixationspunkt auf der geraden Horopterlinie, im zweiten auf dem Kegelschnitt, der unter dieser Bedingung ein Kreis wird, J. M\u00fcller\u2019s Horopterkreis. Und endlich wenn der Fixationspunkt sowohl in der Medianebene des Kopfes, als auch in der Prim\u00e4rlage der Visirebene liegt, so schneiden sich in ihm die gerade Ho-","page":714},{"file":"p0715.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nDER HOROPTER.\n715\nropterlinie und der Kreis. Genauere Constructionsmethoden f\u00fcr die Lage der Horopterlinien werden unten mit der mathematischen Theorie des Horopters gegeben werden.\nIn einem einzigen Falle ist der Horopter eine Fl\u00e4che, und zwar eine Ebene, wenn n\u00e4mlich der Fixationspunkt in der Medianebene in unendlicher Entfernung liegt und die Netzhauthorizonte, wie es bei normalsichtigen Augen mindestens sehr angen\u00e4hert zu sein pflegt, dabei in der Yisirebene liegen. Diese Horopterebene ist dann der Yisirebene parallel; ihre Entfernung von dieser h\u00e4ngt ab von der Gr\u00f6sse der Divergenz der scheinbar verticalen Meridiane beider Sehfelder; sie geht n\u00e4mlich durch die Schnittlinie der genannten beiden Meridianebenen und pflegt f\u00fcr \u25a0normalsichtige Augen, die geradeaus gegen den Horizont gerichtet sind, mit der Fussbodenebene des stehenden Beobachters nahehin zusammenzufallen, w\u00e4hrend sie bei kurzsichtigen meist in gr\u00f6sserer Entfernung liegt.\nDie Entfernung der Mittelpunkte meiner Augen von einander ist 6 8 Millimeter, ihre H\u00f6he \u00fcber dem Boden 1 660. Legt man durch ihre Mittelpunkte und die Medianlinie des Fussbodens Ebenen, so schneiden sich diese unter einem Winkel von 2\u00b0 20' 48\"; der Winkel zwischen meinen scheinbar verticalen Meridianen betr\u00e4gt 2\u00b0 22'. Bei Herrn Dr. Knapp, welcher normalsichtig ist, betr\u00e4gt die Augendistanz 62,S, die H\u00f6he der Augen \u00fcber dem Boden 1 627 Millimeter. Dies entspricht einem Winkel von 2\u00b0 14' 2 0\". Die Beobachtung ergab im Mittel 2\u00b0 8'. Bei Herrn Professor Volkmann, der schwach kurzsichtige Augen von derselben Distanz und nahehin derselben H\u00f6he \u00fcber dem Boden hat, wie ich selbst, ist die Abweichung etwas gr\u00f6sser, da der Winkel zwischen den scheinbar verticalen Meridianen nur 2 0 9' betr\u00e4gt. Bei Herrn Dr. Dastich ist die Augendistanz 62,8, die H\u00f6he \u00fcber dem Boden 1 640, der entsprechende Winkel w\u00fcrde 2\u00b0 11' sein; der Convergenzwinkel der verticalen Meridiane war bei ihm gr\u00f6sser 2\u00b0 33' bis 2\u00b0 40'.\nIch halte es f\u00fcr nicht unwahrscheinlich, dass in diesem Verli\u00e4ltniss der Grund f\u00fcr die schiefe Lage der scheinbar verticalen Meridiane liegen mag. Wir sahen oben, dass das Augenmaass im monocularen Gesichtsfelde keinen sicheren Anhaltspunkt f\u00fcr ihre Feststellung giebt, weil Winkel, deren Schenkel nicht \u00fcbereinstimmende Richtung haben, nicht durch Deckung mit denselben Netzhautstellen verglichen werden k\u00f6nnen. Wenn wir nun beide Augen gebrauchen und sie auf weit entfernte Gegenst\u00e4nde richten, welche allein constante Resultate f\u00fcr die Vergleichung der Ausmessungen beider Sehfelder geben, so haben wir oberhalb des Horizonts meist den Himmel, der bei Tage keine scharfgezeichneten Objecte darbietet, und unterhalb des Horizonts den Fussboden, der nicht nur bestimmte Merkpunkte in Menge darzubieten pflegt, sondern dessen Beachtung im indirecten Sehen wesentlich nothwendig ist, wenn wir vorw\u00e4rts gehen. Daraus kann sich dann bei normalsichtigen Augen die Uebung bilden, die Bilder derjenigen Netzhautpunkte gleich zu localisiren, auf welchen beim Gehen die gleichen Punkte des Bodens sich abzubilden pflegen. Kurzsichtige Augen, die den Fussboden nicht deutlich sehen, werden diesem Einfl\u00fcsse entzogen sein und ihre Identit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse mehr an nahen Gegenst\u00e4nden ausbiN den m\u00fcssen.\nZu erw\u00e4hnen ist noch, dass wenn bei aufrechter Haltung des K\u00f6rpers und Kopfes ein Punkt der Fussbodenlinie betrachtet wird, der auch in der Median-","page":715},{"file":"p0716.txt","language":"de","ocr_de":"716\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 31.\nebene des Kopfes liegt, zwar nicht die ganze Bodenebene Horopter ist, aber doch die gerade Horopterlinie ganz in die Bodenfl\u00e4che f\u00e4llt.\nEs scheinen \u00fcbrigens auch Augen vorzukommen, hei denen die scheinbar verticalen Meridiane nicht ganz gerade sind, sondern in der Gegend des Fixationspunktes eine schwache Knickung haben, so dass ihre oberen H\u00e4lften einen kleineren Winkel mit einander machen, als die unteren. Ein in optischen Beobachtungen sehr ge\u00fcbter Studirender beschrieb mir die Erscheinungen in seinen Augen so. Da scheint dann der Einfluss des Fussbodens nur f\u00fcr die unteren Theile der Sehfelder (obere Netzhauth\u00e4lften) sich geltend gemacht zu haben, w\u00e4hrend f\u00fcr die anderen Theile nicht das Bed\u00fcrfniss gerade Linien als gerade zu sehen entscheidend war, sondern Beobachtungen an steiler stehenden Objectfl\u00e4chen ein selbst\u00e4ndiges Identit\u00e4tsverh\u00e4ltniss ausbildeten.\nDie bisherigen Angaben bezogen sich auf den Horopter, als Ort von Punkten, welche einfach gesehen werden sollen. Wenn Linien einfach gesehen werden sollen, so ist nur n\u00f6tliig, dass die Linien beider Netzh\u00e4ute, auf denen sie abgehildet sind, Decklinien seien, ohne dass gerade Punkt f\u00fcr Punkt der Bilder correspondirt. Wenn ein zweites Bild einer Linie in Richtung der Linie selbst verschoben ist, kann es mit dem ersten doch noch in ganzer L\u00e4nge sich decken. Dieser Fall wird namentlich an geraden Linien, die sich in sich selbst fortdauernd congruent verschieben k\u00f6nnen, Vorkommen. Die Fl\u00e4che, in welcher gerade Linien bestimmter Richtung liegen m\u00fcssen, um in dieser Weise zwei correspondirende Bilder zu liefern, heisst ein Linienhoropter. Derselbe heisst Verticalhoropter f\u00fcr die Linien, die in den beiden Sehfeldern normal zu den Netzhauthorizonten erscheinen, Horizontalhoropter f\u00fcr die, welche den Netzhauthorizonten parallel erscheinen. Ein solcher Linienhoropter f\u00fcr Linien, deren Bilder in den Sehfeldern parallele Richtung haben, ist im Allgemeinen ein Hyperboloid mit einer Mantelfl\u00e4che, was in besonderen F\u00e4llen in einen Cylinder oder Kegel \u00fcbergehen kann. Der Linienhoropter f\u00fcr solche Systeme gerader Linien, die sich in einem Punkte der Horoptercurve schneiden, ist ein Kegel zweiten Grades, welcher den gemeinsamen Schnittpunkt mit den andern Punkten der Horoptercurve verbindet.\nUeberliaupt wird jede gerade Linie, welche durch zwei Punkte der Horoptercurve geht, einfach gesehen, und durch jeden binocular gesehenen Punkt des Raumes l\u00e4sst sich mindestens eine einfach erscheinende gerade Linie legen. Diese letztere l\u00e4sst sich folgendermassen finden. Von dem betreffenden Punkte werden die Yisirlinien nach beiden Augen gezogen; die eine sei bezeichnet mit o, die andere mit b'. Im ersten Auge giebt es eine Visirlinie b, die mit b' correspondirt, und im zweiten Auge eine solche a!, die mit a correspondirt. Man lege eine Ebene durch a und b, eine zweite durch \u00ab' und b'; die Linie, in der beide Ebenen sich schneiden, ist die gesuchte einfach gesehene Linie.\nIch lasse hier noch die Beschreibung der Constructionen folgen, mittels deren man in den beiden oben erw\u00e4hnten einfacheren F\u00e4llen die Lage des Vertical- und Horizontalhoropters und damit auch die Lage der Horoptercurve finden kann, unter der Voraussetzung, dass die Augen des Beobachters dem Bewegungsgesetze von Listing folgen und in der Prim\u00e4r-","page":716},{"file":"p0717.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 31.\nLINIENHOROPTER.\n717\nStellung keine merkliche Abweichung der Netzhauthorizonte von der Visirebene haben.\nA. Fixationspunkt in der Medianebene. Der Verticalhoropter ist ein Kegel, der Horizontalhoropter besteht aus zwei sich schneidenden Ebenen, die Horoptercurve aus einer geraden Linie und einem ebenen Kegelschnitt.\nIn Fig. 207 falle die Ebene der Zeichnung zusammen mit der Medianebene\ndes Kopfes des stehenden Beobachters, und die Haltung des Kopfes sei so, dass die Prim\u00e4rlage der Blicklinien horizontal und parallel Jo in die Ferne gerichtet sei. Der Punkt o sei der zwischen den Mittelpunkten der Visirlinie beider Augen mitten inne gelegene Punkt. Man errichte in o das Loth oa auf der Linie oA und mache es so lang, dass sich in seinem tiefsten Punkte a die scheinbar verticalen Aequatorialaxen der Augen, wie sie in der Prim\u00e4rlage der Blicklinien gestellt sind, schneiden. Eine horizontal durch a gelegte Ebene, die durch DE geht, ist dann der Horopter f\u00fcr die Sehrichtung oA. Diese Ebene f\u00e4llt, wie bemerkt, bei normalsichtigen Augen nahehin mit der Fussbodenfl\u00e4che zusammen.\nNun werde B Fixationspunkt, welcher Punkt in der Ebene der Zeichnung, das lieisst in der Medianebene des Kopfes des Beobachters angenommen wird. Bo ist die Schnittlinie der Visirebene mit der Medianebene. In der Visirebene denken wir uns den M\u00dcLLER\u2019schen Kreis construirt, der durch B und die Centra der Visirliuien beider Augen geht; sein medianer Durchmesser sei Up. Man errichte auf Bp das Loth pb, in welchem die Spitze des Verticalhoropter-kegels liegt.\nUm den Ort dieser Spitze zu finden, nehmen wir einen dritten Fixationspunkt zu Hilfe C, der so gew\u00e4hlt ist, dass wenn wir unter o' das Centrum der Visirlinien des einen oder andern Auges verstehen, welcher Punkt also etwas vor oder hinter der Ebene der Zeichnung in einem in o errichteten Perpendikel liegen m\u00fcsste, dann die Linie Co' den Winkel J.o' B halbirt.\nDie Visirebene f\u00fcr den Fixationspunkt C ist dann die eine Ebene des Horizontalhoropters f\u00fcr den Fixationspunkt B. Die zweite Ebene des Horizontal-","page":717},{"file":"p0718.txt","language":"de","ocr_de":"718\nDRITTER ABSCHNITT. DIE I.EIIRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 31.\nhoropters ist die Medianebene. Construirt man in der Visirebene f\u00fcr C den M\u00dcLLER\u2019schen Kreis, das heisst einen Kreis, der durch den Fixationspunkt und die beiden Centra der Visirlinien geht, und dessen Durchmesser Cq sein m\u00f6ge, so werden einfach gesehen i. alle geraden Linien \u00fcberhaupt, welche in der Ebene Coo' liegen, 2. alle gerade Linien in der Medianebene, welche durch den Punkt q gehen. Bei den letzteren aber freilich correspondirt das Bild ihres entfernteren Endes im einen Auge mit dem Bilde des n\u00e4heren Endes im andern.\nMan errichte in q ein Loth auf Cq, welches die Linie DE in c schneidet, dann ist Bc die gerade Horopterlinie und der Punkt f, in welchem sich Bc und pb schneiden, ist die Spitze des Verticalhoropterkegels, welcher \u00fcbrigens durch den M\u00dcLLER\u2019schen Kreis vom Durchmesser Bp in der Visirebene des Beobachters geht, und dadurch gegeben ist.\nW\u00e4hrend also die eine Linie des Punkthoropters die Gerade Bf ist, ist die zweite diejenige Ellipse, in welcher der Kegel die Ebene Coo' schneidet.\nDer Schnitt Bp des Kegels ist kreisf\u00f6rmig und steht rechtwinkelig auf der Kante pf des Kegels; ein Schnitt, der auf der diametral gegen\u00fcber liegenden Kante Bf senkrecht steht und die Medianebene in Go schneiden mag, muss ebenfalls kreisf\u00f6rmig sein. Die durch die Mittelpunkte der Augen gelegten Schnitte des Kegels, welche zwischen Bo und Go hineinfallen, m\u00fcssen Ellipsen mit l\u00e4ngerer Oueraxe sein. Die ausserhalb des Winkels Bo G fallen, wie Co m\u00fcssen Ellipsen mit l\u00e4ngerer medianer Axe sein, beziehlich Parabeln oder Hyperbeln, wenn sie die Linie Bf erst jenseits f schneiden sollten.\nB. Der Fixationspunkt in der Prim\u00e4rlage der Blickebene. Der Verticalhoropter ist in diesem Falle ein Hyperboloid, welches die Visirebene in einem Kreise (M\u00dcLLER\u2019schen Horopterkreise) schneidet, der durch den Fixationspunkt und die beiden Centra der Visirlinien geht. Der Horizontalhoropter besteht aus zwei Ebenen, von denen die eine die Visirebene, die andere normal dazu ist. Die Horoptercurve besteht aus dem M\u00dcLLER\u2019schen Kreise und einer geraden Linie.\nEs seien in Fig. 208 a und b die Centra der Visirlinien f\u00fcr beide Augen,\nc der fixirte Punkt, so ist der durch abc gelegte Kreis der M\u00dcLLER\u2019sche Horopterkreis und ein Theil der Horoptercurve. Es sei ferner fg die Medianlinie der Visirebene, so schneidet die gerade Horopterlinie den Kreis in f, also seitlich vom Fixationspunkte. Man ziehe den Durchmesser cd und die Linie fd. In letzterer errichte man eine Ebene normal zur Ebene des Kreises; diese ist die zweite Ebene des Horizontalhoropters. Alle geraden Linien, die in dieser Ebene liegen und durch den Punkt d gehen , werden einfach gesehen; andererseits auch alle geraden Linien, die in der Visirebene liegen.\n/\nFig. 208.","page":718},{"file":"p0719.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 31.\nVERGLEICHUNG DER SEHFELDER.\n719\nUm die gerade Horopterlinie vollst\u00e4ndig zu construiren, schneide man auf fd die L\u00e4nge fh \u2014 fa ab, errichte in h ein Loth auf der Yisirebene; dieses schneidet die Fussbodenfl\u00e4che, das heisst die unendliche Horopterebene f\u00fcr die Prim\u00e4rlagen der Blicklinien, in demselben Punkte wie die gerade Horopterlinie, und dadurch ist letztere zu finden.\nWenn die Abweichung der scheinbar verticalen Meridiane gleich Null ist, wird die gerade Horopterlinic senkrecht zur Ebene des Kreises.\nEmpirisch kann man die Richtung des Linienhoropters finden, wenn man einen gl\u00e4nzenden geraden Draht oder einen weissen gespannten Faden vor dunklem Grunde so richtet, dass man ihn durch zwei verschiedenfarbige Gl\u00e4ser einfach sieht, oder besser so, dass man bei etwas vermehrter oder verminderter Convergenz der Augen ihn in parallelen Doppelbildern erblickt. H\u00e4lt man zum Beispiel einen senkrechten Draht nahe vor die Augen in der Medianebene des Kopfes und fixirt seine Mitte bei horizontaler Blickrichtung, so wird man finden, dass sein oberes Ende im rechten Auge etwas nach links, im linken nach rechts hin\u00fcber geneigt erscheint. Fixirt man einen Punkt, der nahe hinter der Mitte des Drahtes liegt, so erscheint dieser in nach oben divergirenden gekreuzten Doppelbildern ; fixirt man einen etwas n\u00e4heren Punkt, so erscheint der Draht in nach unten divergirenden ungekreuzten Doppelbildern. Um den Draht durch zwei farbige Gl\u00e4ser genau einfach, oder um ihn in genau parallelen Doppelbildern zu sehen, muss man sein oberes Ende etwas vom Beobachter entfernen. Es wurde diese Erscheinung zuerst von Baum beobachtet und von Meissner, wie fr\u00fcher erw\u00e4hnt ist, zur Untersuchung der Raddrehungen der Augen benutzt. Sowie n\u00e4mlich durch Raddrehung der Winkel zwischen den scheinbar verticalen Decklinien ver\u00e4ndert wird, muss auch die Neigung des Drahtes gegen die Visirebene ge\u00e4ndert werden, wenn er einfach erscheinen soll. Je entfernter der Fixationspunkt und je mehr die Blickebene gehoben ist, desto st\u00e4rker muss der Draht gegen diese Ebene geneigt werden. Bei gesenkter Blickrichtung und nahem Fixationspunkte dagegen kann er senkrecht gegen die Blickebene, oder sogar mit seinem oberen Ende dem Beobachter zugeneigt stehen.\nNachdem wir in solcher Weise bestimmt haben, welche Dimensionen in beiden Sehfeldern als gleich und ungleich erscheinen, haben wir noch die Genauigkeit dieser Vergleichung der Sehfelder zu untersuchen. Diese Genauigkeit ist, wie schon im vorigen Paragraphen er\u00f6rtert wurde, sehr gross, wenn es sich wie beim gew\u00f6hnlichen Gebrauche der Augen darum handelt, Verschiedenheiten der Tiefendimensionen der gesehenen Objecte zu erkennen. Die Vergleichung ist dagegen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig ungenau und mancherlei T\u00e4uschungen unterworfen, wenn es sich darum handelt, Doppelbilder zu erkennen, oder die Lage der Bilder in den beiden Sehfeldern zu vergleichen. Obgleich das letztere der einfachere Vorgang zu sein scheinen k\u00f6nnte, w\u00e4hrend die Beurtheilung des stereoskopischen Reliefs mannigfache Erfahrungsmomente zu H\u00fclfe nehmen muss, so ist die letztere doch um so besser einge\u00fcbt, weil sie von der hervorragendsten praktischen Wichtigkeit ist, w\u00e4hrend die Wahrnehmung der Doppelbilder und ihrer Lage gegen einander nur die Erscheinung der Objecte, nicht diese selbst betrifft. Ebenso vergleichen wir die wirklichen Dimensionen zweier ver-","page":719},{"file":"p0720.txt","language":"de","ocr_de":"720\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 31.\nschieden entfernter Objecte viel sicherer, als die Gesichtswinkel, unter denen sie erscheinen, obgleich die letzteren unmittelbar gleichen oder ungleichen Netzhautstrecken entsprechen, w\u00e4hrend bei ersterer Vergleichung eine lange Ein\u00fcbung durch Erfahrung nothwendig ist, um den Einfluss der Entfernung auf die Gr\u00f6sse der Netzhautbilder desselben Objects kennen zu lernen.\nWas zun\u00e4chst die Beurtheilung der Tiefendiniensionen mittels des binocu-laren Sehens betrifft, so geschieht diese am genauesten bei denjenigen Objecten, welche im Horopter liegen und genau einfach gesehen werden, gewisse oben schon erw\u00e4hnte T\u00e4uschungen ausgenommen, die von mangelhafter Sch\u00e4tzung der Convergenz der Gesichtslinien herriihren. Weniger genau ist dieselbe f\u00fcr Objectpunkte die sich zwar vom Horopter entfernen, aber noch nicht so weit, dass die entstehenden Doppelbilder als solche wahrgenommen w\u00fcrden, am geringsten endlich bei Objecten, welche in deutlich getrennten Doppelbildern erscheinen, um so geringer, je weiter diese auseinander treten.\nIch habe schon fr\u00fcher 1 2 darauf aufm\u00ebrksam gemacht, und dasselbe ist durch E. Hering 2 best\u00e4tigt worden, dass die Doppelbilder keineswegs, wie es die \u00e4ltere Annahme war, in der gleichen Entfernung wie das fixirte Object erscheinen und etwa auf eine imagin\u00e4re Horopterfl\u00e4che, die durch den Fixationspunkt gehen sollte, projicirt w\u00fcrden. Sondern die Doppelbilder erscheinen nahehin in der richtigen Entfernung, wo sich das entsprechende Object befindet. Man kann sich davon durch einfache Versuche leicht \u00fcberzeugen. Man fixire ganz fest und ohne die Augen zu verwenden einen Punkt der Wand in der Entfernung von einigen Fuss und halte dabei ein Blatt steifen Papiers so vor den unteren Theil des Gesichts, dass sein oberer Rand einige Zoll vor den Augen und ungef\u00e4hr in derselben H\u00f6he liegt. Der Papierschirm verdeckt in dieser Stellung alle Gegenst\u00e4nde, die vor dem Beobachter unterhalb seiner Visirebene liegen. Nun lasse man von einem seitlich stehenden Gehilfen eine Stricknadel von unten her in einer beliebig von ihm gew\u00e4hlten Entfernung so in die H\u00f6he schieben, dass ihr oberes Ende dem Beobachter sichtbar, und zwar, wenn dieser gut und sicher fixirt, von Anfang an nur in Doppelbildern sichtbar wird. Sogleich wird der Beobachter eine Vorstellung von der Entfernung des Drahtes erhalten, auch wenn er nicht ein einziges Mal seinen Fixationspunkt verlassen und die Nadel einfach gesehen hat. Zur Probe versuche er nach dem verdeckten Theile derselben zu greifen, so dass ihm seine Hand auch durchaus verdeckt bleibt. Er wird den Draht gleich beim ersten Versuche treffen, oder wenigstens ganz nahe daran vorbeifahren. Damit der Beobachter hierbei kein Urtheil aus der scheinbaren Dicke des Drahtes auf seine Entfernung bilde, was freilich kaum zu f\u00fcrchten ist, lasse er den Gehilfen aus einem Vorrath verschieden dicker Nadeln eine beliebige w\u00e4hlen.\nAuch bei den Versuchen mit beweglichen stereoskopischen Objecten, welche scheinbar ihre Entfernung vom Beobachter \u00e4ndern, wie bei dem oben, S. 688 beschriebenen Instrumente von Halske, kommen oft deutlich getrennte Doppel-\n1\tArchiv f\u00fcr Ophthalmologic. X, 1, S. 27.\n2\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie. Heft 5, S. 335.","page":720},{"file":"p0721.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nGENAUIGKEIT DER TIEFENWAHRNEHMUNG.\n72 L\nbilder zum Vorschein, namentlich bei schneller Bewegung, der die Blicklinien nicht schnell genug folgen k\u00f6nnen, wodurch aber die T\u00e4uschung \u00fcber die scheinbare Tiefenbewegung durchaus nicht gehindert wird.\nNur bei sehr weit getrennten Doppelbildern, wie sie namentlich von weit entfernten Objecten sich bilden, wenn ein naher Gegenstand fixirt wird, und an denen kaum noch die Zusammengeh\u00f6rigkeit beider Bilder erkannt wird, h\u00f6rt die binoculare Tiefenwahrnehmung auf und es kann dann wie beim monocularen Sehen die Winkelgr\u00f6sse des entfernten Objects mit der Winkelgr\u00f6sse des fixir-ten verglichen werden. Von dem flxirten Objecte kennt man aber die wahre lineare Gr\u00f6sse, und diese wird dann unwillk\u00fchrlich der Maasstab auch f\u00fcr das Bild des entfernteren Objects. Wendet man sich also zum Beispiel gegen die H\u00e4user jenseits der Strasse und fixirt den vorgehaltenen Finger, so werden die in weit getrennten Doppelbildern sichtbaren H\u00e4user scheinbar gr\u00f6sser, wenn man den Finger entfernt, kleiner, wenn man ihn n\u00e4hert. Im ersten Falle nimmt die Winkelgr\u00f6sse des Fingers ab; relativ zu ihm wird die Winkelgr\u00f6sse der H\u00e4user also gr\u00f6sser, und wir brauchen den Finger als constanten Maasstab, da dessen lineare Gr\u00f6sse und Entfernung fortdauernd deutlich wahrgenommen wird, die der entfernten H\u00e4user aber nicht.\nWie nun bei solchen weit von einander getrennten Doppelbildern die zunehmende Unsicherheit der binocularen Tiefenwahrnehmung leicht auff\u00e4llt, so l\u00e4sst sich andererseits auch f\u00fcr die ganz und beinahe einfach gesehenen Objecte nachweisen, dass ihr Relief desto genauer erkannt wird, je weniger sie sich vom Horopter entfernen, \u2014 abgesehen immer von den oben erw\u00e4hnten besonderen T\u00e4uschungen.\nUm dies f\u00fcr die gerade Horopterlinie zu zeigen, nehme man eine d\u00fcnne gerade Stricknadel und biege sie in der Mitte ganz wenig, so dass ihre beiden H\u00e4lften einen Winkel von etwa 175\u00b0 mit einander machen. Man halte sie dann vor sich, so dass beide Schenkel dieses Winkels in der Medianebene des Kopfes liegen, wobei sie f\u00fcr ein Auge, was sich auf dem Nasenr\u00fccken des Beobachters bef\u00e4nde, ganz gerade erscheinen w\u00fcrde, und auch f\u00fcr jedes der wirklichen Augen die schwache Biegung, in starker perspectivischer Verk\u00fcrzung gesehen, ganz unmerklich wird. Doch erkennt man unter diesen Umst\u00e4nden, mit beiden Augen zugleich sehend, die Knickung der Nadel, vorausgesetzt dass diese ungef\u00e4hr die Richtung der geraden Horopterlinie hat, und also bei Fixation eines entfernteren oder etwas n\u00e4heren Punktes in merklich parallelen Doppelbildern erscheint. Man erkennt die Knickung der Nadel aber nicht, wenn man derselben eine andere Richtung in der Medianebene giebt, wobei sie einen erheblichen Winkel mit der geraden Horopterlinie macht.\nF\u00fcr den M\u00dcLLER\u2019schen Horopterkreis habe ich den Versuch in folgender Weise eingerichtet: Auf einen Tisch, nahe \u00fcber dessen Rande sich meine Augen befanden, legte ich neben einander zwei Brettchen. In das eine wurden neben einander, etwa ein Centimeter von einander entfernt, zwei feine lange Stecknadeln festgesteckt, in das zweite H\u00f6lzchen eine Nadel derselben Art. Die H\u00f6lzchen wurden so neben einander gelegt, dass die drei Nadeln sich etwa gleich weit vom Beobachter befanden, die beiden \u00e4usseren gleich weit von der\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t46","page":721},{"file":"p0722.txt","language":"de","ocr_de":"DRITTER ABSCHNITT. DIE REHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 31.\n72-2\nmittleren entfernt. Ein passender Schirm bewirkte, dass ich nur die K\u00f6pfe und den oberen Theil der drei Nadeln sehen konnte, die etwa 50 Centimeter von meinen Augen entfernt waren. Ich untersuchte nun, wie weit ich die seitliche Nadel nach vorn oder hinten verschieben konnte, ehe ich merkte, dass die drei Nadeln nicht mehr in einer Ebene, sondern in einem Bogen standen. Wenn die Verschiebung auch nur eine halbe Nadeldicke, also etwa ein Viertel Millimeter betrug, merkte ich es schon. Der Winkelunterschied in der Stellung der mittleren Nadel im Verh\u00e4ltniss zu den beiden \u00e4usseren betrug hierbei nur 21 Secunden. Um aber eine so grosse Genauigkeit zu erreichen, musste die Richtung der Nadelreihe der Richtung entsprechen, die der Horopterkreis an dem betreffenden Orte hatte. Wenn die Nadeln also gerade vor mir, die mittlere in der Medianebene meines Kopfes und die rechte und linke gleich weit von mir entfernt waren, so urtheilte ich mit grosser Genauigkeit, ob sie in einer Ebene standen. Befand sich aber die rechte Nadel etwas n\u00e4her zu mir, die linke ferner, so war ich weit weniger sicher in der Entscheidung, ob sie in einer geraden Linie oder in einem Bogen standen. Befand sich die mittlere Nadel dagegen rechts seitw\u00e4rts von der Mittelebene meines Kopfes, wo die Richtung des Horopterkreises sich nach rechts hin dem Beobachter n\u00e4hert, so musste auch die rechte Nadel mir etwas n\u00e4her stehen, als die linke, wenn ich die gr\u00f6sste Sicherheit in der Beurtheilung des Reliefs der Nadelreihen haben sollte. War die Reihe der Nadeln bei dieser Stellung senkrecht gegen die Blickrichtung, so war die Wahrnehmung, ob sie einen Bogen oder eine gerade Linie bildeten, merklich schwieriger. Am g\u00fcnstigsten war es also immer, wenn die Richtung der Nadelreihe der Richtung der Tangente des Horopterkreises entsprach L\nEs ist bei diesem Versuche zu bemerken, dass man die Nadeln nicht zu weit auseinander r\u00fccken darf, weil sonst die erw\u00e4hnte T\u00e4uschung eintritt, verm\u00f6ge deren wir einen gegen uns concaven horizontalen Bogen f\u00fcr gerade zu halten geneigt sind. Bei den oben angegebenen Entfernungen der Nadeln w\u00fcrde die Tiefe des Bogens, der als gerade Linie erscheint, f\u00fcr die meisten Augen weniger als 0,1 Millimeter betragen, also viel kleiner sein als die wahrnehmbaren Verr\u00fcckungen1 2 3. Und auch bei solchen gr\u00f6sseren Entfernungen der Nadeln, wo die T\u00e4uschung sichtbar werden sollte, wird man finden, dass der Spielraum zwischen den Verschiebungen, welche einen anscheinend concaven und convexen Bogen Vort\u00e4uschen, sehr viel kleiner ist, wenn die Reihe der Nadeln der Richtung des Horopterkreises sich anschliesst, als wenn sie mit ihr einen Winkel bildet.\nWenn wir geradeaus nach einem Punkt des Horizonts blicken, ist der Horopter eine unterhalb der Visirebene liegende horizontale Ebene, welche bei normalsichtigen Augen meist ganz oder nahehin mit der Fussbodenfl\u00e4che des stehenden Beobachters zusammenzufallen scheint. Wenn wir einen Punkt in der Medianlinie der Fussbodenebene fixiren, so ist zwar nicht die ganze Ebene\n1\tDer Sinn dieses Versuchs ist von Herrn E. Hering in seiner Kritik g\u00e4nzlich missverstanden worden.\n2\tDass ich in meiner fr\u00fcheren Arbeit angegeben habe: ein Bogen, dessen Kr\u00fcmmung etwa der des Horopterkreises entspricht, erscheine gerade, beruhte auf Messungen bei zu kleinen Distanzen der Nadeln; der Bogen\nist in der That betr\u00e4chtlich flacher, als der des Horopterkreises.","page":722},{"file":"p0723.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u202231.\nGENAUIGKEIT DER TIEFENWAHRNEHMUNG.\n723\nHoropter, aber die gerade Horopterlinie liegt auch dann doch ganz in der Fussbodenebene. An der Fussbodenebene beobachte ich nun entsprechende Erscheinungen, welche schliessen lassen, dass auch in diesem Falle die Beurthei-lung des Reliefs der Fussbodenebene besonders genau ist, weil sie Horopterfl\u00e4che ist. Um dies zu pr\u00fcfen, betrachte man, auf ebenem Felde stehend, zun\u00e4chst das Relief der Bodenfl\u00e4che in gew\u00f6hnlicher Weise. Man sieht diese Fl\u00e4che mit ihren kleinen W\u00f6lbungen und Senkungen deutlich horizontal bis in ziemlich grosse Entfernungen. Nun sehe man nach derselben Fl\u00e4che entweder mit seitw\u00e4rts geneigtem Kopfe unter dem Arme durch, oder mit abw\u00e4rts geneigtem Kopfe zwischen den Beinen, wobei man aber auf einen Stein oder Erdh\u00fcgel steigt, so dass die H\u00f6he des Kopfes \u00fcber der horizontalen Fl\u00e4che nicht merklich ge\u00e4ndert wird. Man wird nun die ferneren Theile der Bodenfl\u00e4che nicht mehr horizontal, sondern wie eine auf die Himmelsfl\u00e4che gemalte Wand sehen. Ich habe viele solche Beobachtungen auf der von Heidelberg nach Mannheim f\u00fchrenden Strasse angestellt. Vor mir lag hinter einer Reihe von Feldern der Neckar, der einen Einschnitt in das ebene Terrain macht, jenseits wieder ebenes Land, welches sich etwa eine Meile weit bis an den Oelberg bei Schriesheim ausdehnt. Bei aufrechter Haltung des Kopfes erkannte ich vollkommen gut die weitgedehnte Ebene jenseits des Flusses; bei schr\u00e4ger oder verkehrter Haltung schien das Terrain vom Flusse aus unmittelbar zu dem Oelberg in die H\u00f6he zu steigen. Eine Hecke, die durch ein St\u00fcck Feld von einem dahinter liegenden Hause getrennt war, was ebenfalls bei aufrechtem Kopfe deutlich zu sehen war, schien bei schr\u00e4ger Haltung ganz nahe vor dem Hause zu liegen, und so weiter. Auch die kleinen Unebenheiten der Strasse waren mir bei nat\u00fcrlicher Kopfhaltung viel plastischer.\nAlle diese Erscheinungen treten ebenso ein, wenn man, statt den Kopf umzudrehen, das Bild umkehrt. Am vortheilhaftesten sind dazu rechtwinkelige Prismen zu verwenden mit horizontal liegender Hypotenusenfl\u00e4che, durch welche man, wie oben Seite 4-76 er\u00f6rtert ist, die vorliegenden Gegenst\u00e4nde verkehrt sieht. Ich klebte zwei solche Prismen in der Entfernung meiner beiden Augen von einander entfernt, auf ein ebenes Brettchen und beobachtete durch sie die Landschaft. Bas stereoskopische Relief der Bodenfl\u00e4che schwand hierbei ebenso, wie beim Sehen zwischen den F\u00fcssen durch. Andererseits sieht man durch sie zuweilen das Relief niedrig liegender Wolken besser als mit blossen Augen, weil die Wolken, durch die Prismen gesehen, in Richtung des Fussbodens zu liegen kommen.\nWenn man endlich mit verkehrtem Kopfe zwischen den Beinen hindurch und gleichzeitig durch die umkehrenden Prismen die Landschaft betrachtet, so hat man wieder das deutliche Relief der Bodenfl\u00e4che wie beim nat\u00fcrlichen Sehen. In diesem Falle ist das Spiegelbild der Bodenfl\u00e4che wieder im Horopter der umgekehrten Augen. Dieser letzte Versuch zeigt, dass nicht die ungew\u00f6hnliche Stellung des Kopfes an sich, noch die ungewohnte Richtung des Bildes an der mangelhaften Genauigkeit der Tiefenwahrnehmung Schuld sind, sondern die verkehrte Lage des Bildes gegen die Augen.\n46 *","page":723},{"file":"p0724.txt","language":"de","ocr_de":"724 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 31.\nHiermit stimmt es ferner \u00fcberein, dass Herr E. Hering1, dessen Angen eine sehr geringe Abweichung der scheinbar verticalen Meridiane haben, erkl\u00e4rt, dass er die ferneren Theile der Fussbodcnfl\u00e4che mit zwei Augen nicht anders als bei monocularer Betrachtung sehe.\nWie wesentlich die richtige Wahrnehmung des Reliefs der Bodenfl\u00e4che beim Gehen ist, ist ersichtlich. Meistens gehen wir vorw\u00e4rts, ohne die Bodenfl\u00e4che direct anzusehen, und bleiben doch gen\u00fcgend unterrichtet \u00fcber die kleinen Unebenheiten ihrer Form. Wie sehr selbst eine ganz kleine scheinbare Verschiebung des Bildes der Bodenfl\u00e4che st\u00f6ren kann, habe ich neuerdings noch vielf\u00e4ltig erfahren. Wegen eines geringen Grades von Kurzsichtigkeit trug ich bei einer Gebirgsreise eine Concavbrille (Nasenklemmer) mit ganz schwachen Gl\u00e4sern (36 Zoll Brennweite), um die Fernsichten besser zu sehen. Die Gl\u00e4ser habe ich so abschleifen lassen, dass ihre optischen Centra gleich weit von einander stehen, wie'meine Augen, so dass ferne Objecte, durch die Centra der Brille gesehen, keine sichtliche Tiefenverschiebung erleiden, wie dies geschieht, wenn die Centra der Gl\u00e4ser einander zu nahe stehen. Dennoch ist eine kleine Verschiebung der durch die unteren Theile der Gl\u00e4ser gesehenen Objecte da, weil die Axen der beiden Gl\u00e4ser durch die sie verbindende Feder nicht ganz genau parallel gehalten werden, und wenn ich genau auf den Fussboden achte, so scheint dieser dicht vor meinen Fiissen eine kleine ansteigende W\u00f6lbung zu haben, die von einer falschen stereoskopischen Wirkung der Gl\u00e4ser herr\u00fchrt. Obgleich dies so schwach ist, dass es nur bei aufmerksamer Betrachtung bemerkt werden kann, macht mir dieser Umstand es unm\u00f6glich, die Brille zu gebrauchen, wenn ich schnell steile steinige Gebirgswege hinabgehen will, wo es noting ist, den Fuss ganz sicher zu setzen, und die Zeit fehlt, jeden Stein, auf den man treten will, einzeln zu betrachten und seine Entfernung zu sch\u00e4tzen. Trotzdem ich durch die Brille die Steine etwas sch\u00e4rfer sehe, als mit blossen Augen, gehe ich sicherer ohne die Brille. Es war mir dies ein auffallender Beweis f\u00fcr die Genauigkeit und Schnelligkeit, mit der die einge\u00fcbte Association zwischen Sinnescmpfmdungen und Bewegungen eintritt.\nMit der Ver\u00e4nderung dos Reliefs bei ver\u00e4nderter Kopfhaltung scheint mir auch die scheinbare Ver\u00e4nderung der Farben der Landschaft zusammenzuh\u00e4ngen, die dabei eintritt. So lange wir ihre Tiefendimensionen deutlich wahrnehmen, sind die Ver\u00e4nderungen der Farben der Objecte durch die zwischengelagerte Luft die nat\u00fcrlichen und gewohnten Attribute der Ferne, die uns daher nicht als solche auffallen. Sobald wir aber die Wirkung des Reliefs zerst\u00f6ren durch Umkehrung des Kopfes oder Umkehrung des Bildes und die Landschaft als ebenes Bild sehen, so wird unsere Aufmerksamkeit auf die Farben hingelenkt. Auch bei monocularer Betrachtung der Landschaft ist noch ein geringer Unterschied da, wenn man erst aufrecht und dann unter dem Arme durchsieht, der mir davon herzuriihren scheint, dass der obere Thcil der Netzhaut gegen das Gr\u00fcn des Bodens, der untere gegen das Blau des Himmels erm\u00fcdet ist, und deshalb die Farben etwas lebhafter werden, wenn sie auf neue Stellen der Netzhaut\n1 Beitr\u00e4ge zur Physiologie. Heft \u00f6, S. 355. Dass mir die Fussbodcnfl\u00e4che nicht, wie er aus seiner Theorie schliesst, als eine verticale Ebene erscheint, brauche ich wohl kaum zu versichern.","page":724},{"file":"p0725.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\n725\nVERSCHMELZUNG DER DOPPELBILDER.\nfallen. Aber dieses cigcnth\u00fcmliche Heraustreten der Luftt\u00f6ne an den fernen Objecten finde ich nur bei binocularer Betrachtung recht deutlich. Auch hierf\u00fcr ist es charakteristisch, dass f\u00fcr Herrn Hering seiner Versicherung nach mono-culare und binoculare Betrachtung keinen Unterschied macht.\nDer Grund dieser besondern Genauigkeit des Reliefs im Horopter ist, wie auch E. Hering annimmt, in dem psychophysischen Gesetze von Rechner zu suchen. F\u00fcr Gegenst\u00e4nde im Horopter sind die scheinbaren Entfernungen vom Fixationspunkte gleich; die kleinsten Abweichungen von der Gleichheit dieses Verh\u00e4ltnisses erkennen wir leicht und genau. Einer solchen entspricht eine Abweichung des betreffenden Objectpunkts vom Horopter. Wenn dagegen die Form von Objecten beurtheilt werden soll, welche nicht im Horopter liegen, so kommt es auf die Verh\u00e4ltnisse zwischen den Distanzen der Doppelbilder ihrer verschiedenen Punkte an und nicht mehr bloss auf die Existenz eines Unterschiedes zwischen beiden Bildern. Correspondirende Netzhautpunkte sind nach unserer Ansicht solche, deren gegenseitige Lage in der Erfahrung am h\u00e4ufigsten verglichen worden ist, nach der anatomischen Hypothese solche, welche einen nat\u00fcrlichen Zusammenhang in ihrer Localisation haben. Durch beide Voraussetzungen erkl\u00e4rt es sich, dass die Vergleichung correspondirender oder nahe-hin correspondirender Netzhautbilder besser und sicherer geschieht als die von disparaten.\nWir pflegen deshalb auch unwillkiihrlich Objecte, die wir genau und bequem sehen wollen, m\u00f6glichst in den Horopter zu bringen. Wenn man bei m\u00f6glichst bequemer Haltung des Buches, in dem man liest, schwach divergirende Doppelbilder der verticalen Linien bildet, findet mau sie einander parallel, die verticale Horopterlinie f\u00e4llt also in die Ebene des Papiers. F\u00fcr solche Augen, die der Betrachtung ferner Objecte angepasst sind, stehen dann allerdings die horizontalen Linien des Papiers nicht im Horopter. Es mag das der Grund sein, warum in der Form der europ\u00e4ischen Buchstaben verticale Linien so auffallend bevorzugt sind gegen die horizontalen.\nDie zweite Art der Vergleichung der beiderseitigen Sehfelder ist die, wobei wir die scheinbare Vertheilung der Objecte im gemeinschaftlichen Gesichtsfelde beachten und die Doppelbilder wahrzunehmen suchen. Ich habe schon oben angef\u00fchrt, dass die Erkennung der Doppelbilder im Allgemeinen nur in der Mitte der Sehfelder gut geschieht und in deren peripherischen Theilen sein-grobe Ungenauigkeiten zeigt. Der wichtigste Umstand aber, welcher die Wahrnehmungen der verschiedenen Lage zweier Halbbilder eines und desselben Objects verhindert, ist die Vorstellung von der Einheit dieses ihres Objects. Wenn, wie wir wahrscheinlich zu machen gesucht haben, die Abmessungen der Sehfelder auf einer einge\u00fcbten Sch\u00e4tzung durch das Augenmaass beruhen, so beruht auch die Wahrnehmung der Doppelbilder auf Augenmaass und kann wie alle Sch\u00e4tzungen durch Augenmaass ausserordentlich weit irre gef\u00fchrt werden durch allerlei psychische Einfl\u00fcsse, namentlich durch solche, welche uns die, sei es wahre, sei es falsche Vorstellung aufdr\u00e4ngen, dass die beiden Bilder einem und demselben Objecte angeh\u00f6ren. Am schwersten bemerken wir daher die Verschiedenheit der beiden Bilder wirklicher k\u00f6rperlicher Objecte, wenn dieselbe","page":725},{"file":"p0726.txt","language":"de","ocr_de":"726\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 31.\nnicht sehr gross und auffallend ist; daher denn auch die meisten Laien das Ph\u00e4nomen der Doppelbilder gar nicht kennen, obgleich sie solche fast fortdauernd in ihrem Gesichtsfelde gehabt haben m\u00fcssen. Schwer trennen wir auch Doppelbilder von Linien gleicher F\u00e4rbung und Helligkeit, wenn dieselben so gezogen sind, dass ihre Deutung als Bilder einer und derselben objectiven Linie sehr nahe liegt. Am meisten erschwert aber wird die Wahrnehmung der Doppelbilder durch die Augenbewegungen. Bei der Betrachtung eines Objectes fixiren wir nach einander verschiedene Punkte seiner Oberfl\u00e4che, sodass die Netzhautgruben fortdauernd von correspondirenden Bildern getroffen werden. Diese Theile der Bilder werden zugleich am deutlichsten wahrgenommen und fesseln unsere Aufmerksamkeit am meisten. So wie unsere Aufmerksamkeit sich einem seitlich gelegenen Punkte des Objects zuzuwenden beginnt, welcher vielleicht in Doppelbildern erscheint, so gleiten unsere Augen fast unwillk\u00fchrlich zu seiner Fixation \u00fcber, was wir nur durch besonders dahin gerichtete Aufmerksamkeit und Willensanstrengung hindern k\u00f6nnen.\nWill man also Doppelbilder m\u00f6glichst gut erkennen, so muss man erstens Augenbewegungen vermeiden und einen bestimmten, wohl bezeichneten Fixationspunkt festhalten. Zweitens ist es vortheilhaft, den zu unterscheidenden Bildern verschiedene Farbe oder Helligkeit zu geben, was ihre Deutung als Bilder desselben Objects erschwert oder unm\u00f6glich macht. Drittens kann man oft allerlei andere Ungleichheiten der Bilder durch theilweise Verdeckung, durch Hinzuf\u00fcgung ungleicher Merkzeichen hervorbringen, um die Aufmerksamkeit des Beobachters auf ihre Verschiedenheit hinzulenken, und dadurch die Unterscheidung der Doppelbilder zu einer ziemlich grossen Feinheit treiben.\nMethoden, mittels deren man den genannten Schwierigkeiten aus dem Wege gehen und m\u00f6glichst genaue Vergleichungen der scheinbar gleichen Abmessungen in beiden Sehfeldern erhalten kann, sind oben bei der Aufgabe, die Lage der correspondirenden Punkte und Linien zu suchen, beschrieben worden. Aber auch wenn man die besten Methoden anwendet, ist die Vergleichung correspon-dirender Raumgr\u00f6ssen der beiden Gesichtsfelder merklich unvollkommener, als die entsprechender Raumgr\u00f6ssen in demselben Felde.\nUm bestimmte Zahlen hierf\u00fcr zu gewinnen, sind die oben beschriebenen Versuche von Volkmann sehr geeignet. Bei denen, welche nach dem Schema der Fig. 205 angestellt und auf Seite 706 beschrieben sind, verglich er die ver-ticalen Abst\u00e4nde zwischen je zwei Paaren von Horizontallinien, von denen das eine Paar im rechten Sehfelde rechts von der Mittellinie, das andere im linken Sehfelde links von der Mittellinie lag. Im gemeinschaftlichen Gesichtsfelde schienen beide Paare in der Mittellinie zusannnenzustossen. Das eine Paar der Linien hatte einen festen Abstand von 5,5 Millimeter von einander. Im Mittel von je 30 Beobachtungen solcher Art, wobei Volkmann den Abstand des zweiten beweglichen Paars dem des andern gleich zu machen versuchte, gewann er zwar sehr gut stimmende Mittelwerthe, die nur um 0,01 und 0,03 Millimeter von dem richtigen Werthe abwichen. Sieht man aber die einzelnen Beobachtungen an, so findet man, dass er in der ersten Reihe (bewegliche Horizontale rechts) einmal den Abstand 6,0, und dann wieder 5,0 mit 5,5 f\u00fcr identisch","page":726},{"file":"p0727.txt","language":"de","ocr_de":"VERSCHMELZUNG DER DOPPELBILDER.\n727\n\u00a7\u25a0 31.\nhielt, und in der zweiten Reihe kommt wieder 5,0 und 5,85 unter den Einzel-beobachtungen vor. ln anderen Reihen, wo die Linien vertical gezogen waren, kommt 5,55 und 4,75 vor als gleich mit 5,2, und dann wieder 5,55 und 4,85 als gleich mit 5,2.\nEs w\u00fcrde nun allerdings ganz unm\u00f6glich sein, wenn man die beiden Linienpaare in demselben Sehfelde neben einander liegend und an einander an-stossend erblickte, so grosse Fehler zu machen. Die Schwierigkeit bei der binocularcn Vergleichung scheint mir haupts\u00e4chlich ihren Grund darin zu finden, dass die Fixation schwer ganz fest gehalten wird, und die beiden Sehfelder deshalb fortdauernde kleine Schwankungen in Bezug auf die Art, wie sie sich decken, zu machen pflegen. Um dies zu pr\u00fcfen, habe ich auf ein Papierblatt zwei parallele Linien in 5,5 Millimeter Abstand gezeichnet, die bis zum Rande reichen, auf einem zweiten zwei schwach convergirende, die am einen Ende 4,5, am andern 6,5 Millimeter von einander entfernt sind, und nun das erste Blatt auf das zweite gelegt, so dass das convergirende Linienpaar zum Theil sichtbar bleibt und als Fortsetzung des parallelen Paars erscheint. W\u00e4hrend ich nun das obere Blatt fortdauernd ein wenig hin und herbewegte und dadurch die Schwankungen der Sehfelder nachmachte, suchte ich mit einem Auge zu ermitteln, ob die convergirenden Linien, wo sie am Rande des Papierblatts hervorkommen, gleich weit von einander abstanden, wie die parallelen. Hierbei wurden also beide Linienpaare in demselben Gesichtsfelde gesehen und durch die Bewegungen des einen Paars das Schwanken der Augenaxen bei der bino-cularen Betrachtung nachgemacht. Andererseits konnte ich das convergente Linienpaar mit einem weissen Papierblatt theilweise verdecken und es dann, soweit es sichtbar war, wie bei den Versuchen von Volkmann binocular zur Ber\u00fchrung mit dem Paar paralleler Linien bringen, so dass im gemeinschaftlichen Gesichtsfelde beide Paare an einander stiessen und das eine als Fortsetzung des andern erschien. Diese Methode ist noch etwas vortheilhafter, als Volkmann s , bei dem je eine Linie jedes Paars ganz ausgezogen war und sich mit der correspondirenden deckte, w\u00e4hrend bei meinen Versuchen, wie bei dem auf Seite 711 beschriebenen und nach dem Schema der Fig. 203 angestellten Versuche, gar keine Deckung, sondern nur scheinbare Fortsetzung je zweier Linien vorkam. Abweichungen in den Abst\u00e4nden beider Linienpaare von Y Millimeter wurden immer gleich erkannt, solche von y4 Millimeter kaum \u00fcbersehen. Dabei stellte sich heraus, dass ich die binoculare Vergleichung der correspondirenden Abst\u00e4nde ziemlich eben so gut vollzog, als die monoculare derselben Abst\u00e4nde in dem gleichen Sehfelde, wenn ich im letzteren Falle durch fortdauerndes Hin- und Herbewegen der einen Zeichnung das Schwanken der beiden Sehfelder gegen einander nachahmte.\t.\nAuffallend gross sind auch die einzelnen Fehler in den Versuchen, wo Volkmann die Richtung einer Linie in einem Sehfelde mit der einer anderen im anderen Sehfelde verglich. Es kommen hierbei Abweichungen vom Mittel im Betrage eines halben Grades sehr h\u00e4ufig, solche bis zu einem Grade zuweilen vor. Zwei Linien aber, die im monocularen Sehfelde unter einem Winkel von 179 Grad zusammenstossen, f\u00fcr eine gerade Lime zu halten, ist ganz un-","page":727},{"file":"p0728.txt","language":"de","ocr_de":"728\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 31.\nm\u00f6glich, und kaum wird man bei solchen, die unter 1791/2 Grad zusammen-stossen, die Abweichung \u00fcbersehen. Noch weniger w\u00e4re es m\u00f6glich, im mo-nocularen Felde zwei nahe neben einander hinlaufende gerade Linien, die eine Neigung von einem ganzen oder halben Grade gegen einander haben, f\u00fcr parallel zu halten. Dass nun solche Abweichungen bei Vergleichung beider Sehfelder \u00fcbersehen werden, scheint mir nur erkl\u00e4rlich zu sein aus den Schwankungen in der Gr\u00f6sse der Raddrehungen beider Augen, die man, wie ich oben bemerkt habe, auch mittels der Nachbilder wahrnehmen kann. Dass trotz dieser Schwankungen in den einzelnen Versuchen doch die Mittelzahlen 'vieler Versuche ein recht genaues Resultat geben k\u00f6nnen, braucht nicht aufzufallen.\nDie sehr viel gr\u00f6ssere Genauigkeit, welche bei der Beurtheilung der Tiefendimensionen wirklicher Objecte erreicht wird, m\u00f6chte sich demnach wohl gr\u00f6sstentheils aus dem Umstande erkl\u00e4ren, dass wir ausserordentlich viel besser einge\u00fcbt sind, an den Contouren eines binocular gesehenen Gegenstandes von bekannter K\u00f6rperform mit den Blicklinien entlang zu laufen, als eine unver\u00e4nderliche Fixation bei ungleichen Bildern beider Netzh\u00e4ute festzuhaltcn.\nIch muss in dieser Beziehung auf eine Thatsache aufmerksam machen, die ich oft beobachtet habe. Wenn ich eine schwer zu combinirende stereoskopische Zeichnung vor Augen habe, so gelingt es nur m\u00fchsam zu einander geh\u00f6rige Linien und Punkte zur Deckung zu bringen, und bei jeder Augenbewegung gleiten sie wieder aus einander. So wie ich aber ein lebhaftes Anschauungsbild von der dargestellten k\u00f6rperlichen Form gewonnen habe, was oft wie durch einen gl\u00fccklichen Einfall pl\u00f6tzlich auftritt, so gleite ich mit vollster Sicherheit mit beiden Augen \u00fcber die Figur hin, ohne dass ihre Bilder sich wieder trennen. Mit dem Anschauungsbilde der K\u00f6rperform ist auch die Regel f\u00fcr die Art der Bewegung der Blicklinien bei der Betrachtung des K\u00f6rpers gegeben, ja es kann, wie ich glaube, mit Recht die Frage aufgeworfen werden, ob denn das Gesichtsanschauungsbild einer K\u00f6rperform \u00fcberhaupt einen anderen reellen Inhalt hat, als den, diese Regel f\u00fcr die Bewegungen der Augen zu sein. Wenigstens m\u00fcssen wir diese Frage verneinen, wenn wir die Ausmessung der Sehfelder aus den bei den Augenbewegungen gemachten Erfahrungen herleiten.\nWir wollen uns jetzt zur Untersuchung derjenigen Umst\u00e4nde wenden, durch welche die Genauigkeit in der Vergleichung beider Sehfelder beschr\u00e4nkt wird, wo also theils Bilder, die auf nicht correspondirenden Punkten beider Netzh\u00e4ute abgebildet sind, zusammenzufallen, theils solche, die auf correspondirenden abgebildet sind, verschiedene Stellung im Gesichtsfelde einzunehmen scheinen.\nDer Hauptgrund f\u00fcr die Verschmelzung der Bilder disparater Netzhautpunkte ist die Aehnlichkeit, welche sie mit den beiden perspectivischen Bildern eines und desselben Objects haben. Je vollkommener eine solche Aehnlichkeit ist, desto schwerer wird es uns, uns loszumachen von der Vorstellung des einen r\u00e4umlichen Objects und die Anordnung und gegenseitige Entfernung der einzelnen gesehenen Linien und Punkte im Sehfelde unabh\u00e4ngig von jener Anschauung zu vergleichen.\nBetrachten wir zum Beispiel die beiden senkrechten Linicnpaarc der","page":728},{"file":"p0729.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 34.\nVERSCHMELZUNG DER DOPPELBILDER.\n729\nFig. E, Tnf. VII, so dass wir die rechte Linie des rechten Paares mit dein rechten, die rechte Linie des linken Paares mit dem linken Auge fixircn, so erscheinen uns in dem Gesammtbilde zwei Linien, von denen die rechte etwas tiefer zur\u00fcckliegt, als die linke. Die beiden Bilder der linken Linie k\u00f6nnen dabei nicht auf correspondirende Netzhautstellen fallen, weil die beiden Linien des rechten Paares 3,5 Millimeter von einander entfernt sind, die des linken nur 2,7, also 0,8 Millimeter weniger. Dessen ungeachtet finde ich es fast unm\u00f6glich, zu erkennen, dass die eine oder andere der beiden scheinbar schr\u00e4g hinter einander stehenden Linien in einem Doppelbilde erscheint. Nur bei sehr anhaltend strenger Fixation der einen Linie sehe ich Andeutungen davon auftauchen. Es wird vielleicht einzelne Beobachter geben, welche auch in diesem Falle die Doppelbilder leicht sehen, andere, denen es gar nicht gelingt; denn es zeigen sich in dieser Beziehung sehr grosse individuelle Unterschiede.\nBei den beiden Linienpaaren H Taf. VII ist der Unterschied der Entfernungen gr\u00f6sser (3,7 und 7 Millimeter, Unterschied 3,3 Millimeter). Bringe ich sie zur Deckung, so gelingt es mir auch diese als ein weit hinter einander liegendes Linienpaar zu sehen, aber die Doppelbilder der einen oder auch wohl beider Linien verschwinden mir dabei niemals ganz, weil ihr Abstand jetzt verli\u00e4ltnissm\u00e4ssig zu gross ist.\nDi der Fig. J haben die beiden senkrechten Linienpaare ebenfalls ziemlich verschiedene Abst\u00e4nde (6,7 und 9,2 Millimeter, Unterschied 2,5 Millimeter), doch ist der Unterschied ihrer Abst\u00e4nde geringer, als in den Linienpaaren II, und durch die oberen und unteren Begrenzungslinien, welche das perspectivische Bild einer rechteckigen Tafel herstellen, ist die Verschmelzung erleichtert. Bei dieser Figur ist f\u00fcr mich der Unterschied gerade hinreichend, dass ich leicht und vollst\u00e4ndig die stereoskopische Vereinigung vollziehe, und andererseits doch auch mit geringer Anstrengung der Aufmerksamkeit die vorhandenen Doppelbilder erkennen kann. Fixire ich im letzteren Falle eine der senkrechten Linien, so erscheint mir die andere im Doppelbilde, und zwar sehe ich die k\u00fcrzere rechte Linie des Gesammtbildes leichter doppelt als die l\u00e4ngere linke. Fixire ich die rechte Linie des Gesammtbildes und vermehre ganz langsam die Con-vergenz der Augen, indem ich sehr vorsichtig und leise die betreffende Muskelanstrengung, die ich aus langer Uebung kenne, eintreten lasse, so kann ich die rechte Linie des Gesammtbildes in Doppelbilder von sehr geringem Abstand (etwa \\ bis \\ y2 Millimeter) aus einander treiben, wobei auch die linke Verticale in Doppelbildern erscheinen muss, was mir auch f\u00fcr Augenblicke zu erkennen gelingt. Doch ist es sehr schwer, eine solche Augenstellung ohne bestimmtes Fixationsobject f\u00fcr einige Zeit festzuhalten, und das fortdauernde Schwanken der Blicklinien verr\u00e4th sich durch das entsprechende Schwanken des Abstandes der beiden Doppelbilder der rechten Linie. Leichter gelingt es mir, an der Fig. II den Blick so festzuhalten, dass das linke Linienpaar ganz innerhalb des rechten erscheint und alle vier Linien einzeln gesehen werden.\nHat der Beobachter also seine Augenbewegungen hinreichend in seiner Gewalt, so kann er die beiden Bilder willk\u00fchrlicli in jeder beliebigen Lage zum Decken bringen und auch im Allgemeinen in jeder Lage die Doppel-","page":729},{"file":"p0730.txt","language":"de","ocr_de":"730 DR1TTI.R ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7\u2022 31.\nbilder erkennen, vorausgesetzt, (lass diese nicht allzu nahe neben einander\nliegen.\t.\t.\nIch bin mir auch wohl bewusst, welche Art von Willensintention ich anwenden muss, um die Doppelbilder entweder zu sehen, oder nicht zu sehen. Will ich sie nicht sehen, so suche ich durch den Blick abzumessen, wie viel die rechte Linie der Fig. E, H oder J mehr von mir entfernt ist, als die linke, ich wende also meine ' Aufmerksamkeit den Tiefendimensionen zu. Will ich die Doppelbilder sehen, so suche ich zu beurtheilen, welche Form das Ge-sammtbild als gezeichnete Figur in der Ebene des Papiers hat, wie gross etwa der horizontale Abstand der verticalen Linien nach der Ebene des Papiers gemessen sei, und \u00e4hnliches. Es erscheint mir dies durchaus als ein \u00e4hnlicher Unterschied, wie er bei der Beurtheilung der Form der Fl\u00e4chen eines Cubus zum Beispiel vorkommt, den ich in irgend einer schr\u00e4gen Stellung vor mir habe. Ich kann mir den Cubus einmal darauf ansehen, ob seine Fl\u00e4chen wirklich rechtwinkelig seien, und seine Kanten gleich lang, was sich bis zu einem gewissen Grade der Genauigkeit ja auch bei einer schiefen Ansicht desselben erkennen l\u00e4sst. Oder ich kann den Cubus zeichnen wollen und mir seine Fl\u00e4chen darauf ansehen, wie sie als Parallelogramme im Sehfelde erscheinen. Dann werde ich darauf achten, um wie viel gr\u00f6sser die stumpf erscheinenden Winkel aussehen, als die spitz erscheinenden, wie viel gr\u00f6sser die eine Diagonale seiner Fl\u00e4chen erscheint als die andere, und so fort. Mit beiden Anschauungsweisen kann ich nach Willk\u00fchr wechseln. Sind die Fl\u00e4chen per-spectivisch sehr verzogen, so werde ich, w\u00e4hrend ich deutlich wahrnehme, dass die Winkel der Begrenzungsfl\u00e4chen alle gleich und alle Rechte sind, doch nicht ganz \u00fcbersehen k\u00f6nnen, dass die drei um eine Ecke herum gelagerten Rechten im Bilde gleich vier Rechten erscheinen, und \u00fcberhaupt, dass die verschiedenen rechten Winkel verschieden gross erscheinen. Wenn, aber die Ansicht nur wenig schief ist, werde ich vielleicht auch bei der gr\u00f6ssten Aufmerksamkeit und Uebung nicht erkennen k\u00f6nnen, dass die Winkel im Sehfelde verschieden gross erscheinen; so zum Beispiel, wenn mein Auge sich in der Vei-l\u00e4ngerung einer der Kanten befindet, und ich also \u00fcberhaupt nur eine Fl\u00e4che des Cubus und diese mit geringer Neigung gegen die Blicklinie vor nur habe. Ueberhaupt sind wir viel mehr ge\u00fcbt, die wahre k\u00f6rperliche Form, als die Erscheinung im Gesichtsfelde richtig abzusch\u00e4tzen, worin eine Hauptschwierigkeit des Zeichnens nach K\u00f6rpern besteht.\nGenau so verh\u00e4lt es sich mit den Tiefenanschauungen im Gesichtsfelde und mit den Doppelbildern. Ich wende meine Aufmerksamkeit den Tiefendimensionen zu; dann sind die verschiedenen Entfernungen entsprechender Bildpunkte in den beiden Netzhautbildern das erfahrungsm\u00e4ssige sinnliche Zeichen fur ein und dieselbe r\u00e4umliche Dimension des \u00e4ussern Objects, und ihre Verschiedenheit dr\u00e4ngt sich der Aufmerksamkeit des Beobachters nur dann auf, wenn sie sehr gross ist; wie die scheinbar rhomboidische Gestalt der Fl\u00e4chen des W\u00fcrfels nicht ganz vergessen werden kann, trotz der richtigen gleichzeitigen Wahrnehmung ihrer wirklichen quadratischen Gestalt, wenn die perspectivischen Verziehungen sehr gross sind.","page":730},{"file":"p0731.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nVERSCHMELZUNG DER DOPPELBILDER.\n731\nDann aber wieder kann ich meine Aufmerksamkeit der Erscheinung im Gesichtsfelde zuwenden, und werde nun Verschiedenheiten der beiden Bilder bemerken k\u00f6nnen, die ich vorher \u00fcbersah ; dabei wird sich aber die Wahrnehmung der Tiefendimension ebenso aufdr\u00e4ngen k\u00f6nnen und mich verleiten, sehr kleine Verschiedenheiten der beiden Ansichten des K\u00f6rpers zu \u00fcbersehen, wie die Wahrnehmung der wirklichen Gestalt des W\u00fcrfels mich vollst\u00e4ndig hindern kann sehr kleine perspectivische Verziehungen seiner Fl\u00e4chen zu erkennen. Im einen, wie im andern Falle handelt es sich darum, die Verschiedenheit gewisser Raumgr\u00f6ssen im Gesichtsfelde zu erkennen, welche wir erfahrungsm\u00e4ssig als den sinnlichen Ausdruck gleicher Gr\u00f6ssen im objectiven Raume kennen, nur dass einmal die beiden zu vergleichenden Gr\u00f6ssen in den beiden verschiedenen Sehfeldern liegen, im anderen Falle beide in demselben Gesichtsfelde.\nWenn ich \u00fcbrigens in den Fig. H und J die Tiefendimensionen zur Anschauung zu bringen suche, so gelingt dies am besten, wenn ich den Blick vom einen zum anderen Ende der Tiefendistanz wandern lasse. Aber es gelingt auch, wenn gleich weniger lebhaft bei festgehaltenem Blicke, und zwar finde ich an den von Zeit zu Zeit auftauchenden Doppelbildern, dass ich dann so fixire, dass die Mitte der linken Figur auf die Mitte der rechten f\u00e4llt und beide Verticallinien des Gesammtbildes in Doppelbildern erscheinen. Es ist dies die Stellung, welche die geringsten Distanzen s\u00e4mmtlicher Doppelbilder giebt.\nUebrigens wird das Sehen der Doppelbilder erleichtert, wenn man irgend welche, oft selbst sehr unbedeutende Incongruenzen in den beiden zu vereinigenden Bildern anbringt, welche der Deutung, als geh\u00f6rten sie beide ein und demselben r\u00e4umlichen Objecte an, widersprechen. So braucht man, wie Volkmann gezeigt hat, in der Fig. E nur eine H\u00e4lfte einer der Linien mit einem weissen Blatte zu verdecken, oder zwei Horizontallinien in verschiedener H\u00f6he in den Zwischenr\u00e4umen der beiden Paare von Verticallinien zu ziehen, so dass sich H \u00e4hnliche Figuren bilden, deren Querstriche aber verschieden hoch liegen. Oder man mache, wie in Fig. P, Taf. IX das eine Linienpaar schwarz auf wcissem Grunde, das andere weiss auf schwarzem Grunde, wodurch die stereoskopische Vereinigung erschwert, wenn auch nicht unm\u00f6glich gemacht wird. In Fig. G, Taf. VII sind die Linienpaare der Fig.E copirt und nur zwei Punkte hinzugef\u00fcgt, welche gleiche Entfernung von der links liegenden Linie jedes Paares haben, wobei aber der eine innerhalb, der andere ausserhalb der rechten Linie f\u00e4llt. Vereinigt man die beiden Punkte, indem man sie fixirt, so erscheinen die daneben liegenden beiden Linien sogleich getrennt, denn da die eine rechts, die andere links von dem fixirten Punkte sich befindet, so ist dies ein viel auffallenderer Unterschied, als wenn sie beide an derselben Seite des Fixationspunktes, und nur verschieden weit entfernt l\u00e4gen. Aber auch, wenn man nicht den Punkt, sondern die linke Linie des Gesammtbildes fixirt, erscheint der Punkt einfach, w\u00e4hrend die scheinbar hinter ihm durchgehende rechte Linie jetzt ziemlich leicht als doppelt erkannt wird. Es dr\u00e4ngt sich hier die Wahrnehmung auf, dass die rechte Linie der linken ein Mal n\u00e4her als der Punkt erscheint, und ein Mal ferner, und wir erkennen nun, dass der Punkt beide Male gleich weit von der linken Linie ent-","page":731},{"file":"p0732.txt","language":"de","ocr_de":"732\nDRITTER ABSCHNITT. DIE I.EIIRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 31.\nfernt ist, die rechte Linie aber ungleich weit. Dahei tritt durch eine Art Con-trastwirkung der Punkt, der in der Ebene des Papiers erscheinen sollte, vor dieselbe hinaus, als w\u00e4re er im rechten Bilde der linken Linie etwas n\u00e4her, im linken ferner.\nDie Verschmelzung kann auch erfolgen zwischen Punkten, die etwas verschiedene H\u00f6he \u00fcber oder unter dem Netzhauthorizonte haben, z. B. wenn man die beiden Linienpaare der Fig. F, Taf. VIF zum Decken bringt, von denen das linke 3, das rechte 3,7 Millimeter Abstand hat. Bei der Betrachtung reeller Objecte findet dieser Fall seine Analogie, wenn man zwei Horizontallinien, die seitlich von der Medianebene gelegen sind, vor Augen hat. Diese sind dann dem einen Auge n\u00e4her als dem anderen, und ihr Abstand erscheint ersterem gr\u00f6sser als letzterem. Aber die Unterschiede in den verticalen Abst\u00e4nden, welche bei der Betrachtung reeller Objecte Vorkommen, pflegen ver-h\u00e4ltnissm\u00e4ssig klein zu sein gegen diejenigen, welche zwischen den horizontalen Abst\u00e4nden Vorkommen. Damit scheint es zusammenzuh\u00e4ngen, dass nur solche Bilder verschmelzen, deren verticale Dimensionen sehr geringe Verschiedenheit haben. Auch l\u00f6st sich die Verschmelzung dieser Linienpaare F sowohl, als auch selbst solcher, deren Abst\u00e4nde noch viel weniger verschieden sind, ziemlich bald hei anhaltender fester Fixirung.\nEs ist ferner hervorzuheben, dass nicht bloss auf den seitlich von der Netzhautgrube gelegenen Theilen der Netzh\u00e4ute disparate Bilder verschmelzen k\u00f6nnen, sondern selbst solche, die dicht bei und auf dem Centrum der Netzhautgrube liegen. Wenn ich die beiden Kreuze der Fig. L, Taf. VIII zum Decken bringe und den Mittelpunkt des Gesammtbildes fixire, m\u00fcssen die beiden nach rechts von den Kreuzen gelegenen Verticallinien in eine scheinbar continuirlich fortlaufende Linie verschmelzen. Das ist auch der Fall, wenn ich sehr sorgf\u00e4ltig und genau die Mitte des Kreuzes fixire, aber durchaus nicht immer, wenn ich auf das Fixiren nicht besonders achte; sondern bald scheint die obere, bald die untere Verticallinie weiter vom Kreuze entfernt zu sein, so dass der gegenseitige Abstand der beiden halben Verticallinien wohl bis zu einem Millimeter oder selbst mehr betr\u00e4gt, ohne dass dabei erkennbare Doppelbilder der Vcrti-calen des Kreuzes auftreten. Betrachte ich zuerst das Blatt selbst, also in Convergeuzstellung, und treibe nun die Augen aus einander, bis die Kreuze auf einander fallen, so bleibt der obere Theil der seitlichen Verticalen, der dem rechten Bilde angeh\u00f6rt, gew\u00f6hnlich der entferntere. Es bleibt also etwas zu viel Convergenz der Augenstellung bestehen. Aber ich kann absichtlich auch die Augen noch etwas weiter aus einander treiben (was f\u00fcr mich immer noch Convergenzstellung ist, da der Abstand meiner Augen 66 Millimeter und der der Zeichnungen nur 63,5 betr\u00e4gt); dann tritt die obere H\u00e4lfte der Verticallinie dem Kreuze n\u00e4her als die untere. In diesem Falle verrathen die Schwankungen der leicht vergleichbaren seitlichen Verticallinien, dass Schwankungen der Augenstellung da sind, die sich nicht durch Doppelbilder der scheinbar fixirten Verticallinie des Kreuzes verrathen. Es ist dies ein Umstand, der bei Versuchen \u00fcber Doppelbilder wohl zu beachten ist. Man darf nicht glauben, dass bei gew\u00f6hnlicher, nicht sehr genauer Fixation eines Punktes dieser immer auf","page":732},{"file":"p0733.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 31.\nVERSCHMELZUNG DER DOPPELBILDER.\n733\ngenau correspondirenden Punkten der Netzhautcentren abgebildet ist. So finde icli auch, dass ich die Figuren E und F immer so fixire, dass das engere Linienpaar ganz innerhalb des weiteren f\u00e4llt. Um dies zu sehen, brauche ich nur von einem Ende her die H\u00e4lfte des einen Linienpaars mit einem weissen Blatte zu verdecken.\nIch hatte eine \u00e4hnliche Figur wie L erst gebrauchen wollen, um die Gr\u00f6sse der correspondirenden Strecken auf der Horizontallinie zu bestimmen, fand sie aber f\u00fcr mich dazu ganz unbrauchbar, weil die Verticale des Kreuzes mir auch bei ziemlich grossen Verschiebungen der seitlichen Verticalen immer noch einfach erschien. Dagegen gelang der Versuch viel besser, wenn ich auch von der Verticale des Kreuzes in der einen Figur die obere, in der andern die untere H\u00e4lfte wegliess.\nEs kann auch eine Verticale des einen Bildes mit zwei ihr naheliin correspondirenden des andern verschmelzen. In Fig. T, Taf. V sind links zwei, rechts drei Linien. Bringt man die rechts liegende Linie beider Gruppen zum genauen Decken, so f\u00e4llt das Bild der einen linken Linie der linken Gruppe mitten zwischen die beiden linken Linien der rechten Gruppe hinein und verschmilzt mit diesen. Es entsteht dabei der Eindruck eines Gesainmtbildes von drei Linien, deren \u00e4usserste linke dem Beobachter n\u00e4her, die dicht daneben liegende zweite dem Beobachter ferner ist, als die rechte Linie. Die drei Linien scheinen ein rechtwinkeliges Prisma zu begrenzen; sie sind auch der richtige optische Ausdruck eines solchen, dessen eine Fl\u00e4che verl\u00e4ngert durch das linke Auge des Beobachters geht. Um zu erkennen, wo das Bild der einfachen linken Linie liegt, ist deren Mitte mit einem st\u00e4rkeren Punkte bezeichnet. Fixire ich die rechte Linie des Gesainmtbildes, so f\u00e4llt dieser Punkt bald auf die eine, bald auf die andere Linie des entsprechenden Linienpaares, bald mitten hinein. Das verr\u00e4th Schwankungen der Convergenz.\nSo kann auch ein Kreis mit einem anderen verschmelzen, der etwas gr\u00f6sser oder etwas kleiner ist, wie die Kreise der Fig. R, Taf. X. Es entspricht das dem reellen Falle, wo der Beobachter einen seitlich von seiner Medianebene gelegenen Kreis (oder Kugel) betrachtet, der dem einen Auge n\u00e4her ist, als dem anderen. Dabei sind die vertical verlaufenden Theile beider Kreise leicht und ziemlich dauernd zu verschmelzen, die horizontal verlaufenden Bogenst\u00fccke trennen sich dagegen leicht, wenn der Unterschied der Radien beider Kreise nicht relativ sehr klein ist. Der Fixationspunkt ist dabei im Centrum des Ge-sammtbildes angenommen. Zu beachten ist bei diesem Versuche, dass ich mich dabei ertappte, wie ich, ohne es zu wissen, den Kopf nach der Seite des gr\u00f6sseren Kreises hingewend\u00e9t hatte, wodurch die scheinbare Gr\u00f6sse beider Kreise nabebin gleich wurde. Da gelang nat\u00fcrlich die Verschmelzung sehr viel vollst\u00e4ndiger. Wenn man dagegen einen Kreis mit zwei anderen zu verschmelzen sucht, von denen der eine etwas kleiner, der andere etwas gr\u00f6sser ist, als jener, wie in Fig. S, Taf. X, so findet die Verschmelzung an den nahe senkrecht verlaufenden Theilen der Kreise allerdings statt, und zwar meist so, dass der einfache Kreis an einer Seite mit dem gr\u00f6sseren, an der anderen Seite mit dem kleineren zusammenf\u00e4llt. Oben und unten dagegen trennen sich die Kreise","page":733},{"file":"p0734.txt","language":"de","ocr_de":"734 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7.31.\nund man sieht Bogen des einfachen Kreises vom grossen zum kleinen hin\u00fcberlaufen. Man sieht also im Gesammtbilde zwei Kreise, zwischen denen oben und unten allerdings in einer gewissen verwirrten und nicht recht deutlichen Weise noch je ein verbindender Bogen her\u00fcberl\u00e4uft. Der innere Kreis erscheint rechts hinter, links vor dem \u00e4usseren zu liegen, verm\u00f6ge einer \u00e4hnlichen stereoskopischen Wirkung wie bei den Verticalen der Fig. T, Taf. X. Auch hier tritt die Verschmelzung ein. soweit in den combinirten Zeichnungen eine Aehnlichkeit mit reellen Objecten gefunden werden kann; wo diese fehlt, trennen sie sich.\nVolkmann 1 hat eine Reihe von Messungen angestellt \u00fcber die Grenzwerthe der Differenzen, die beim stereoskopischen Sehen noch verschwinden k\u00f6nnen. Er blickte mittels eines Stereoskops nach zwei Paaren von je zwei schwarzen Linien auf weissem Grunde, die wir ab und cd nennen wollen. Eine dieser Linien d war ein Menschenhaar, in einem Schieber ausgespannt und mit diesem verschiebbar. Der Schieber wurde anf\u00e4nglich so gestellt, dass die Linie a mit c und b mit d sich stereoskopisch vereinigte, dann wurde die bewegliche Linie d ihrer Nachbarin c so lange entweder gen\u00e4hert oder von ihr entfernt, bis sie sich von der mit ihr stereoskopisch vereinigten Linie 6 des andern Paares trennte. Der durch die Linsen des Stereoskops ver\u00e4nderte Gesichtswinkel war so gross, als w\u00fcrden die Linien aus 150 Millimeter Distanz betrachtet.\nWenn auch der Beobachter bei diesen Versuchen die Aufgabe hatte, die eine Linie des Gesammtbildes fest zu fixiren, so glaube ich nach meinen oben beschriebenen Erfahrungen doch annehmen zu d\u00fcrfen, dass er in Wahrheit die Augen so gestellt hat, dass beide Linien in nahe gleich weit von einander entfernten Doppelbildern gesehen worden w\u00e4ren, falls er die letztem h\u00e4tte unterscheiden k\u00f6nnen, so dass die wahren Abst\u00e4nde der verschmelzenden Doppelbilder nur etwa halb so gross, oder etwas mehr als halb so gross sein m\u00f6chten, als die Differenzen der beiden verglichenen Abst\u00e4nde.\nIch lasse hier eine Uebersicht von Volkmann\u2019s Resultaten folgen, deren jedes einzelne das Mittel aus 15 Beobachtungen ist. Die Werthe der Distanz cd sind die \u00e4ussersten, welche mit ab zu vereinigen waren, die L\u00e4ngen sind in Millimetern angegeben.\nNr.\tBeobachter\ta b\tc d\tab \u2014 cd\tBemerkungen.\n1\tVolkmann\t5,3\t3,46 7,57\t1,84 \u2014 2,27\tLinien vertical\n2\t\t5,3\t4,52\t+ 0,78\tebenso, zwei Monate\n\t\t\t6,62\t\u2014 1,32\tsp\u00e4ter\n3\t\t1,5\t0,91 3,25\t-+- 0,59 \u2014 1,75\tebenso\n4\t\t8,0\t5,91 10,99\t-+- 2,09 \u2014 2,99\tebenso\n5\t\t5,3\t4,88 6,05\t+ 0,42 \u2014 0,75\tLinien horizontal\n* Archiv f\u00fcr Ophthalmologie- II, 2, S. 32\u201459.","page":734},{"file":"p0735.txt","language":"de","ocr_de":"VERSCHMELZUNG DER DOPPELBILDER.\n\u00a7. 31.\n735\nNr.\tBeobachter\ta b\tcd\tab \u2014 cd\n6\tVolkmann\t1,5\t1,15 1,97\t1 + c o -4 Cf:\nw 1\t\t8,3\t7,26 9,01\t-1- 4,04 \u2014 0,71\nS\tSolger\t5,3\t2,13 10,00\t-+- 3,17 \u2014 4,70\n9\t\t5,3\t4,66 5,91\t0,64 \u2014 0,61\n10\tKrause\t5,3\t3,21 8,48\t-1- 2,09 \u2014 3,18\n11\t\t5,3\t4,92 5,86\t-+- 0,38 \u2014 0,56\nBemerkungen. Linien horizontal\nebenso\nLinien vertical Linien horizontal Linien vertical Linien horizontal\nEs zeigt sich in diesen Beobachtungen eine betr\u00e4chtliche individuelle Verschiedenheit f\u00fcr verschiedene Beobachter, und auch bei demselben Beobachter f\u00fcr verschiedene Grade der Uebung.\nF\u00fcr Herrn Volkmann selbst wurden n\u00e4mlich, wie die Zahlen ergeben, die Doppelbilder eher sichtbar, nachdem er zwei Monate lang \u00e4hnliche.Versuche fortdauernd angestellt hatte. Dass f\u00fcr ihn \u00fcberhaupt die Doppelbilder bei kleinern Unterschieden der Bilder schon sichtbar wurden, als f\u00fcr die beiden anderen Beobachter, mag sich ebenfalls daraus erkl\u00e4ren, dass er von Anfang in physiologisch optischen Beobachtungen viel ge\u00fcbter war; doch ist auch wohl anzunehmen, dass \u00fcberhaupt die Geschicklichkeit im Augenmaass hei verschiedenen Anwendungen desselben betr\u00e4chtliche individuelle Verschiedenheiten zeigen wird. Die Zahlen zeigen ferner, dass, wie schon oben erw\u00e4hnt worden ist, verticale Abweichungen in den beiden Gesichtsfeldern zwischen horizontalen Linien viel leichter erkannt werden, als horizontale; die letztem zeigen auch eine geringere Breite individueller Abweichung. Wenn man dabei ber\u00fccksichtigt, dass wahrscheinlich nur die halbe Breite der angegebenen Differenzen zu nehmen ist, dass davon noch die Breite der Linien seihst mit etwa Vio Millimeter abgeht, dass endlich der kleinste sichtbare Abstand in 150 Millimeter Entfernung etwa ]/20 Millimeter betr\u00e4gt, so bleibt bei einigen von den Versuchen an den Horizontallinien f\u00fcr die Verschmelzung in der That wenig Breite \u00fcbrig. Andere Versuchsreihen von Volkmann zeigen, dass \u00fcberhaupt bei wachsendem Winkel zwischen den Linienpaaren und der Verticallinie die zu verschmelzenden Unterschiede ihrer Abst\u00e4nde continuirlich kleiner werden und ihr Minimum bei horizontaler Richtung zeigen.\nWeiter suchte Volkmann auch die gr\u00f6ssten Unterschiede der Richtung je zweier Linien auf, welche die stereoskopische Vereinigung derselben noch zu-liessen. Beide Linien waren als Durchmesser auf drehbaren Scheiben gezogen, wurden erst mit einander parallel gestellt unter dem in der Tabelle bemerkten Winkel gegen die Verticale. Dann wurde die rechte Scheibe so weit bald nach rechts, bald nach links gedreht, bis die stereoskopische Vereinigung aufh\u00f6rte, die Differenz in der Richtung beider Linien ist dann als Winkelabstand angegeben.\n","page":735},{"file":"p0736.txt","language":"de","ocr_de":"736\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAIIRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 31.\nDie Zahlen sind Mittelwcrthe aus je 20 (Volkmann) oder 30 (Solger) Beobachtungen; die L\u00e4nge der Linien ist mit D bezeichnet.\nWinkel\t\tWinkelabsi\tand\nmit der\tVolkmann\t\tSoLfiER\nVerticale\t/> == 60 Mm.\tD \u2014 20 Mm.\tD \u2014 G0 Mm.\n0\u00b0\t5,5\u00b0\t7,4\u00b0\t17,5\u00b0\n10\u00b0\t5,1 0\t6,9\u00b0\t15,5\u00b0\n20\u00b0\t4,4\u00b0\t6,1 0\t14,0\u00b0\n30\u00b0\t3,8\u00b0\t5,8\u00b0\t11,5\u00b0\nAO\u00bb\t3,7\u00b0\t5,3\u00b0\t10,2\u00b0\n50\u00b0\t3,4\u00b0\t4,4\u00b0\t8,9\u00b0\n60\u00b0\t2,7\u00b0\t4,1 0\t6,2\u00b0\n70 0\t2,4\u00b0\t3,3\u00b0\t4,5\u00b0\n80\u00b0\t1,9\u00b0\t2,8\u00b0\t3,9\u00b0\n90\u00b0\t1,5\u00bb\t2,1 0\t2,9\u00b0\nEs geht daraus hervor, wie nahehin verticale Linien hei viel gr\u00f6sseren Unterschieden ihrer Richtung mit einander verschmelzen, als nahehin horizontale, und dass auch hier betr\u00e4chtliche individuelle Unterschiede Vorkommen. K\u00fcrzere Linien verschmelzen leichter als l\u00e4ngere.\nWheatstone, der Erfinder des Stereoskops, schloss aus seinen Versuchen, dass ebenso, wie disparate Bilder bei der stereoskopischen Projection in eines vereinigt werden k\u00f6nnten, so auch correspondirende Punkte zweier Netzhautbilder an zwei verschiedene Stellen des Raums verlegt und also doppelt gesehen werden k\u00f6nnten. Diese Folgerung ist vielfach bestritten worden. Wenn man sie aber nur in ihrem richtigen Sinne und ihrer nothwendigen Beschr\u00e4nkung auffasst, wird sie nicht wohl geleugnet werden k\u00f6nnen. Denn wenn einmal zugegeben wird, dass unter gewissen Umst\u00e4nden und in gewissem Sinne disparate Bilder einfach gesehen werden, so folgt nothwendig, dass unter denselben Umst\u00e4nden und in demselben Sinne auch correspondirende Bilder doppelt gesehen werden m\u00fcssen. Es seien AC und BD Fig. 209 zwei Fl\u00e4chen, A und\nFig. 209.\nB gr\u00fcn, C und D roth. Sie m\u00f6gen irgend welchen stereoskopischeu Bildern angeh\u00f6ren und f\u00fcr den Beschauer sich vereinigen in das einfache Bild einer","page":736},{"file":"p0737.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nTRENNUNG CORRESPONDIRENDER BILDER.\n737\ngegen ihn geneigten Fl\u00e4che, wobei die Linie ab sich mit der Linie cd vereinigt, obgleich diese Linien in ihrer Richtung nicht genau correspondiren. Die fixirten Punkte beider Zeichnungen m\u00f6gen f und g sein und senkrecht \u00fcber diesen die beiden correspondirenden Punkte h und i liegen. Die letzteren werden auf verschiedenen Seiten von ab und cd liegen k\u00f6nnen, weil diese Linien der An-jmhme irach'nicht.co\u00ffrgs.poridirejnie sind lip der Jlgur sind die Punkte durch Kreuzehen bezeichnet, aber nur \u00fcni ihre Lage anzudeuten; es wird angenommen, dass sie sich in den stereoskopischen Bildern von dem Grunde, auf dem sie liegen, durch nichts auszeichnen. Dann wird in dem gemeinsamen Bilde der scheinbar wahrgenommerien geneigten Fl\u00e4che alles Gr\u00fcn links, alles Roth rechts von der binocular gesehenen Grenzlinie beider Fl\u00e4chen gesehen, also auch noth-wendig der im Gr\u00fcn liegende Punkt h links, der im Roth liegende correspon-dirende Punkt i rechts von der Grenzlinie beider Farben. Die Ordnung der Punkte in jedem einzelnen Sehfelde wird offenbar durch den gemeinschaftlichen Sehact nicht umge\u00e4ndert werden k\u00f6nnen. Die beiden Punkte h und i werden dann also auf zwei verschiedenen Punkten der scheinbar vorhandenen geneigten Fl\u00e4che localisirt, nicht aber auf zwei Punkte des Sehfelds; denn auf dieses wird hierbei \u00fcberhaupt nicht geachtet. Aber nat\u00fcrlich wird das eben nur so lange geschehen, als unter dem Einfluss des k\u00f6rperlichen Anschauungsbildes eine genaue Vergleichung der relativen Lage von ab und cd zu den Netzhauthorizonten verhindert wird. Sobald wir unsere Aufmerksamkeit von dem scheinbar vorhandenen k\u00f6rperlichen Objecte ab und der Form der Bilder im Sehfelde zulenken, wird es uns bei hinreichender Uchung vielleicht gelingen, die Linien a c und c d von einander getrennt zu sehen, zwischen ihnen einen Streifen, auf dem sowohl Gr\u00fcn wie Roth liegt, und hier das Gr\u00fcn des Punktes h mit dem Roth des Punktes i zusammenfallend.\nIch bemerke hierbei noch, dass von den Vertheidigern der angeborenen Identit\u00e4t der Netzhautstellen angenommen wird, durch den sogenannten Wettstreit der Sehfelder w\u00fcrden in einem solchen Falle die Theile des andern Bildes, welche den Grenzen der farbigen Fl\u00e4chen entspr\u00e4chen, ausgel\u00f6scht. Unmittelbar neben jeder Contour w\u00fcrde das Gr\u00fcn und Roth, was ihr anliegt, den correspondirenden gleichfarbigen rothen oder gr\u00fcnen Grund unterdr\u00fccken. Aber auch dies zugegeben, so w\u00fcrde doch die Lage der Punkte h und i so gew\u00e4hlt werden k\u00f6nnen, dass aut ihnen Gleichgewicht des Wettstreits stattf\u00e4nde, und dann w\u00fcrden alle unsere Einw\u00e4nde wieder gelten.\nDie Punkte h und i d\u00fcrfen \u00fcbrigens nicht gleichartig bezeichnet sein in der Zeichnung, weil sie sonst die Vorstellung eines Objects, welches hinter der vereinigten Linie ab \u2014 cd l\u00e4ge, hervorbringen w\u00fcrden; dann w\u00fcrde also in der Raumanschauung das neben einander Liegen der Punkte und Linien nicht in Betracht kommen.\nWill man solche Deckpunkte, deren Bilder getrennt erscheinen sollen, bezeichnen, so muss man sie verschieden bezeichnen. Hierf\u00fcr hat Wheatstone einen viel besprochenen Versuch vorgeschlagen, bei dem in dem einen Sehfelde eine starke schwarze Linie, in dem andern mit ihr correspondirend eine ganz feine steht. Diese wird aber unter einem kleinen Winkel von einer andern Encjklop. d. Physik. IX. IIeumoltz, Physiol. Optik.\t47","page":737},{"file":"p0738.txt","language":"de","ocr_de":"738\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 31.\nstarken gekreuzt, und bei stereoskopischen Combinationen vereinigen sich scheinbar die beiden starken Linien zu einer gegen die Pap'ierfl\u00e4che geneigten Linie, w\u00e4hrend die schwache daneben in der Papierfl\u00e4che erscheint. In Wheatstone\u2019s Figur sind nun allerdings die Neigungsunterschiede der beiden zu vereinigenden Linien so gross, dass die meisten \u00c9eobachter sie leicht in Doppelbildern sehen . werden, wie dies auch von. verschiedenen Seiten bervorgehaben, ist. Wheatstone seihst geh\u00f6rt offenbar zu denjenigen Beobachtern, die \u2022sehr weit getrennte Doppelbilder noch \u00fcbersehen k\u00f6nnen, und es muss jeder Beobachter die Neigungs-unterschiede der zu vereinigenden Linien seihen Augen anpassen. Ich finde die Wirkung noch sicherer, wenn man jederseits eine st\u00e4rke und eine schwache Linie zieht, die sich unter einem Winkel kreuzen, so dass eine starke der schwachen der andern Seite correspondirt, wie dies in M, Taf. VIII, f\u00fcr meine Augen passend geschehen ist. F\u00fcr Beobachter mit anderer Divergenz der scheinbar verticalen Meridiane wurde freilich eine etwas-andere Stellung der Figuren noting sein. In der genannten Figur hier vereinigt sich mir die starke mit der starken, die schwache mit der schwachen Linie, und es gelingt mir in keiner Weise zu sehen, dass die linke starke sich mit der rechten schwachen deckt. Nur wenn ich durch ver\u00e4nderte Divergenz der Augen die Bilder aus einander schiebe, sehe ich, dass die genannten beiden Linien einander vollkommen parallel erscheinen. Man muss auch nicht glauben, dass eines der Bilder beim Beschauen ganz verschw\u00e4nde und \u00fcbersehen w\u00fcrde; dann k\u00f6nnte keine stereoskopische Wirkung da sein. Es erscheint aber das gekreuzte Linienpaar deutlich mit dem obern Ende dem Beschauer gen\u00e4hert, wenn man seine Lage mit den daneben gezogenen d\u00fcnnen Verticallinien vergleicht. Eine solche stereoskopische Wirkung w\u00fcrde nicht eintreten k\u00f6nnen, wenn die rechte d\u00fcnne Linie gar nicht gesehen w\u00fcrde.\nEine \u00e4hnliche Wirkung erh\u00e4lt man von der Fig. N, Taf. VIII, wo die beiden \u00e4usseren Grenzlinien der oberen H\u00e4lfte des schwarzen Streifens correspon-diren, und ebenso ihre Fortsetzungen, die inneren Grenzlinien, der unteren H\u00e4lfte. Im Gesammtbilde sieht man einen schwarzen Streifen, und an diesem erscheinen die beiden Grenzlinien, die sich correspondiren, an entgegengesetzten Seiten. Auch in dieser Figur wird die Neigung der schwarzen Dreiecke von solchen Beobachtern, die eine andere Divergenz der verticalen Meridiane haben, etwas ge\u00e4ndert werden m\u00fcssen.\nIn den Beispielen M und N werden es die meisten Beobachter unm\u00f6glich finden, zu sehen, dass die sich scheinbar vereinigenden Linien im gemeinsamen Gesichtsfelde sich wirklich nicht decken, und dass im Gegentheil die rechte d\u00fcnne und linke dicke Linie der Figur M, die entgegengesetzten R\u00e4nder der Streifen in N aufeinanderfallen. Ich will indessen nicht l\u00e4ugnen, dass bei einem in der Beobachtung von Doppelbildern recht ge\u00fcbten Beschauer die Beobachtung gelingen k\u00f6nnte. Ich selbst bemerke wohl mitunter bei recht scharfer Fixirung der Mittelpunkte, dass ich die betreffenden Linien nicht eigentlich einfach sehe, aber ohne die Doppelbilder bestimmt trennen zu k\u00f6nnen. Noch leichter trennt man sie, wenn man, wie W. v. Bezold, die Figuren mit Tusche auf einer Glasplatte ausf\u00fchrt, so dass man bei pl\u00f6tzlich ge\u00e4nderter Beleuchtung die eine","page":738},{"file":"p0739.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 34.\nTRENNUNG CORRESPONDIRKNDER BILDER.\n739\nhell auf dunklem Grunde, die andere dunkel auf hellem Grunde sehen kann. Dann schwindet das Streben zur Verschmelzung,, und man erkennt leicht die disparate Lage der Bilder. Ich will hier nur hervorheben und nur das kann ich als den wahren Sinn des WuEATSTONE\u2019schen Versuchs betrachten, dass, so lange man in die k\u00f6rperliche Anschauung versenkt bleibt, selbst bei festgehaltenem Fixationspunkte, die Eindr\u00fccke' c\u00f6rfespondirender Punkte benutzt werden, um differente Theile des k\u00f6rperlichen Gesammtbildes auszuf\u00fcllcn. Wenn man sich unter Umst\u00e4nde versetzt, welche einen Irrthum in der Vergleichung der zwei verschiedenen Bilder beider Sehfelder m\u00f6glichst beg\u00fcnstigen, werden Bilder disparater Punkte vereinigt und Bilder correspondirender Punkte getrennt. Das erstere kann, wie gezeigt wurde, sogar nicht ohne das andere vor sich gehen; das zweite ist eine logische Folge des ersten. Daraus folgt aber nicht, wenn man die Art der Beobachtung passend ver\u00e4ndert, um die Vergleichung der Bilder beider Sehfelder m\u00f6glichst ungest\u00f6rt vollziehen zu k\u00f6nnen, und sich die Bilder disparater Punkte in Folge dessen trennen, dass dann die Bilder correspondirender Punkte sich nicht wieder vereinigen sollten.\nHinzuzuf\u00fcgen ist noch, dass auch bei der Beleuchtung durch den elektrischen Funken die stereoskopische Combination der letzt beschriebenen Figuren M und N ganz vollkommen eintritt, und dass man dabei keine Spur von den Doppelbildern sieht, die im gemeinsamen Sehfelde erscheinen sollten, wenn die Bilder correspondirender Punkte einfach auf einander gelegt w\u00fcrden. Die Wirkung ist also durchaus nicht von Augenbewegungen abh\u00e4ngig.\nWir haben noch einige andere Umst\u00e4nde zu besprechen, die bei der Verschmelzung von zwei verschiedenen Netzhautbildern zu ber\u00fccksichtigen sind.\nErstens ist zu bemerken, dass, so lange stereoskopische Tiefenwahrnehmung da ist, nicht, wie einige Anh\u00e4nger der angeblichen Identit\u00e4t der Netzh\u00e4ute angenommen haben, das eine der beiden Doppelbilder etwa deshalb verschwindet, weil es vollst\u00e4ndig \u00fcbersehen wird und gar nicht zur Empfindung kommt. Wenn letzteres der Fall w\u00e4re, w\u00fcrde keine binoculare Tiefenwahrnehmung stattfinden k\u00f6nnen, die eben nur auf der Verschiedenheit der Bilder und auf der Perception dieser Verschiedenheit beruht. Ja, die sehr grosse Genauigkeit der Tiefenwahr-nehmung zeigt sogar, dass die Verschiedenheit der Bilder auch mit grosser Genauigkeit wahrgenommen wird, freilich nicht als eine Verschiedenheit in der Ausf\u00fcllung der Sehfelder, sondern nur als sinnlicher Ausdruck der verschiedenen Entfernung der Objectpunkte. Wo keine Tiefen Wahrnehmung zu Stande kommt, da kommt es allerdings vor, dass einzelne Theile der Bilder zeitweise oder ganz verl\u00f6schen; wir werden diese F\u00e4lle im n\u00e4chsten Paragraphen genauer zu besprechen haben.\nZweitens ist noch der Einfluss der Augenbewegungen auf die Verschmelzung der Doppelbilder zu besprechen. In dieser Beziehung hat E. Bruecke die Meinung aufgestellt, dass wir eine Wahrnehmung der Tiefendimensionen des Objects nur dadurch bekommen, dass wir fortdauernd mit den Blicklinien an den verschiedenen Contouren des gesehenen Objects entlang laufen und hierbei nach einander alle einzelnen Punkte dieser Contouren auf den identischen Cen-tren der Netzhautgrube abgebildet erhalten. Da nun unsere Aufmerksamkeit der","page":739},{"file":"p0740.txt","language":"de","ocr_de":"740 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 31.\nRegel nach auf die Bilder der am genauesten sehenden Stelle der Netzhaut con-centrirt ist, so konnte mit Grund die Frage aufgeworfen werden, ob nicht deshalb die Doppelbilder der \u00fcbrigen Theile des Objects \u00fcbersehen werden, weil f\u00fcr gew\u00f6hnlich die am genauesten gesehenen und unsere Aufmerksamkeit am meisten fesselnden Theile der Bilder correspondirende sind. Es ist dieser Ansicht von BriJecke'gegen\u00fcber z\u00fczugeben, dass in der That die darin betonten Momente von grossem Gewicht f\u00fcr die Gewinnung vollst\u00e4ndiger Tiefenans.ch'auungen sind, und dass die von ihm gegebene Beschreibung der Art, wie sie entstehen, den Verh\u00e4ltnissen des gew\u00f6hnlichen unbefangenen Sehens vollkommen entspricht. Eine Vereinigung von sehr differenten Bildern gelingt in der That nur mittels der Augenbewegungen, indem man nach einander die einzelnen Theile der Bilder einfach sieht und die Aufmerksamkeit ihren nat\u00fcrlichen Gang gehen l\u00e4sst, wobei sie immer auf diejenigen Theile vorzugsweise gerichtet ist, welche fixirt werden. Auch wird durch dieses Herumf\u00fchren des Blicks die Tiefenanschauung entschieden genauer und lebendiger, als bei Fixation eines Punktes, was ich daraus erkl\u00e4ren m\u00f6chte, dass nur die Tiefenunterschiede derjenigen Bildpunkte genau erkannt werden, die dem jedesmaligen Horopter sehr nahe liegen. Dadurch also, dass man die Convergenz wechseln l\u00e4sst und nach einander alle Punkte des wirklichen oder scheinbaren Objects in den Horopter oder ihm mindestens sehr nahe bringt, erh\u00e4lt man nach einander eine genaue Anschauung aller Tiefenunterschiede. Fixirt man den Blick l\u00e4ngere Zeit auf einen Punkt, so treten im Gegentheil die Doppelbilder leichter hervor und die Tiefenunterschiede namentlich derjenigen Punkte, welche in sehr disparaten Doppelbildern erscheinen, werden undeutlich. Ja, die Doppelbilder, welche man durch sehr anhaltende strenge Fixation eines Punktes nicht von einander l\u00f6sen kann, liegen so nahe an der Grenze der Unterscheidungsf\u00e4higkeit der Augen, dass ich glaube annehmen zu d\u00fcrfen, dass sie nur wegen der unvermeidbaren kleinen Augenbewegungen nicht auch aufgel\u00f6st werden. Indessen war die von Bruecke aufgestellte Theorie etwas zu ausschliesslich, wenn er meinte, dass alle Tiefenwahrnehmungen nur durch Augenbewegungen gewonnen und alle Doppelbilder nur durch successives Einfachsehen der einzelnen Punkte beseitigt werden k\u00f6nnten. Es wurde n\u00e4mlich von Dove gezeigt, dass auch bei instantaner Beleuchtung durch einen elektrischen Funken stereoskopische Effecte erhalten und Doppelbilder verschmolzen werden k\u00f6nnen. Es kann dazu der auf Seite 567 beschriebene Apparat gebraucht werden. Nur muss man daf\u00fcr sorgen, dass im Momente der elektrischen Beleuchtung die beiden Blicklinien auf correspondirende Theile des Bildes gerichtet seien. Zu dem Ende pflege ich zwei feine Nadelstiche durch correspondirende Punkte der zu vereinigenden Zeichnungen zu machen. Die Wand des dunkeln Kastens, in welchem das Bild angeheftet wird, ist hinter diesen Nadelstichen selbst durchbohrt und das Zimmer nicht ganz verdunkelt, so dass der Beobachter die beiden Nadelstiche mittels des schwachen hindurchfallenden Lichtes sehen kann. Er richtet auf sie die Blicklinien, so dass ihre Bilder im gemeinschaftlichen Sehfelde sich decken, und dann l\u00e4sst er den Funken \u00fcberschlagen. Dabei geben stereoskopische Zeichnungen von nicht zu grossen Differenzen, wie E, M und N, Taf VII und VIII, ganz deutliche und lebendige Tic-","page":740},{"file":"p0741.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nSTEREOSKOPIE BEI MOMENTANER BELEUCHTUNG.\n741\nfenanschauung ohne wahrnehmbare Doppelbilder ; solche von gr\u00f6sseren Differenzen, wie II, zerfallen aber in einzelne Linien und geben keine Tiefenanschauung. Auch alle \u00fcber einander stehenden Horizontallinien, wie in F, trennen sich auffallend leicht. Hat man dabei einfache Zeichnungen von wenigen Linien vor sich, so \u00fcbersieht man bei der instantanen Beleuchtung das Ganze auf einmal. Hat man dagegen complicirte stereoskopische Photographien vor sich mit vielen Einzelheiten, so gewinnt man nur von einem gewissen Theile des Ganzen einen deutlichen Eindruck und braucht mehrere Funken, um nach einander das Ganze zu \u00fcbersehen. Dabei ist es sonderbar, dass w\u00e4hrend man die beiden Nadelstiche fest fixirt und in Deckung erh\u00e4lt, man willk\u00fchrlich vor dem Funken die Aufmerksamkeit auf eine beliebige Stelle des dunklen Gesichtsfeldes richten kann, und dann w\u00e4hrend, des Funkens einen Eindruck nur von den Objecten erh\u00e4lt, die in dieser Gegend des Sehfeldes erscheinen. Es ist in dieser Beziehung die Aufmerksamkeit ganz unabh\u00e4ngig von der Stellung und Accommodation des Auges, \u00fcberhaupt von irgend einer der bekannten Ver\u00e4nderungen in und an diesem Organe, und demgem\u00e4ss kann sie mit einer selbstbewussten und willk\u00fchr-liclien Anstrengung auf eine bestimmte Stelle in dem absolut dunklen und unterschiedslosen Gesichtsfelde hingerichtet werden. Es ist dies einer der auffallendsten Versuche f\u00fcr eine k\u00fcnftige Theorie der Aufmerksamkeit.\nDie Versuche mit momentaner Beleuchtung sind auch noch in sofern f\u00fcr die Rolle, welche die Aufmerksamkeit bei den Doppelbildern spielt, interessant, als es bei solchen Bildern, die wie J ohne grosse Anstrengung sowohl stereoskopisch einfach, als auch mit geringer M\u00fche als Doppelbilder gesehen werden k\u00f6nnen, leicht gelingt, beides auch beim Lichte des elektrischen Funkens zu sehen. Der erste Eindruck ist gew\u00f6hnlich der stereoskopisch einfache; wenn man aber in Pausen von etwa 10 Sccunden, in denen die Nachbilder vollst\u00e4ndig erl\u00f6schen k\u00f6nnen, die Beobachtung wiederholt, so f\u00e4ngt man an die Doppelbilder zu sehen, trotzdem man immer denselben Punkt fixirt und jede nachfolgende Lichteinwirkung der ersten absolut gleich ist. Ja, selbst bei solchen Figuren, wie M, wo es mir relativ schwer wird die Doppelbilder zu sehen, kann ich sie auch bei instantaner elektrischer Beleuchtung endlich sehen, wenn ich mir vorher lebhaft vorzustellen suche, wie sie aussehen m\u00fcssen. Der Einfluss der Aufmerksamkeit ist hier reiner zu beobachten, weil jede Einwirkung der Augenbewegungen ausgeschlossen ist. Die gleichen Versuche k\u00f6nnen auch mit Vor,kmann's schon oben beschriebenem Tachistoskop ausgef\u00fchrt werden.\nFerner ist zu bemerken, dass es verschiedenen zuverl\u00e4ssigen Beobachtern, wie Wheatstone \\ Rogers1 2 und Wundt 3, gelungen ist, auch Nachbilder, welche nicht ganz genau correspondirende Lage hatten, zu einer stereoskopischen Tie-fenwahrnehmung zu verschmelzen. Rogers hat es sogar m\u00f6glich gefunden, erst das Nachbild in dem einen, dann im andern Auge zu entwickeln und schliesslich beide Nachbilder stereoskopisch zu combiniren. Dadurch ist der Einfluss, den\n1\tMl. Transact. 1838. T. II, p. 392\u2014393.\n2\tSilliman\u2019s Journal (2) XXX, November 1860.\n3\tBeitr\u00e4ge zur Theorie der Sinneswalirnehmung. S. 286\u2014287.","page":741},{"file":"p0742.txt","language":"de","ocr_de":"742\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u25a0 31.\ndie vorausg\u00e4ngige Anschauung der wirklichen Bilder auf die Deutung der Nachbilder allenfalls haben k\u00f6nnte, vermieden. An positiven Nachbildern, die ich selbst durch momentanes Anschauen hell beleuchteter Gegenst\u00e4nde entwickelt hatte, habe ich \u00fcbrigens auch deutliche Tiefenanschauung gehabt.\nAuch diese Versuche zeigen, wie die mit dem elektrischen Funken, dass keine Bewegung der Augen n\u00f6thig ist, um Tiefenwahrnehmung zu vermitteln, denn hei jeder Bewegung verschieben sich die Nachbilder mit dem Auge und durch keine Augenbewegung k\u00f6nnen disparate Bilder zu correspondirenden gemacht werden. Uebrigens gelingen die Versuche mit den Nachbildern schwer; diese m\u00fcssen sehr scharf entwickelt sein, und seihst wenn sie es sind, besteht immer eine Neigung, sie auf die Fl\u00e4che des reellen Hintergrunds, den man anschaut, zu projiciren und als blosse Flecke auf dessen Oberfl\u00e4che anzusehen.\nPanum hat die Regel f\u00fcr das Verschmelzen der Doppelbilder in der Weise ausgesprochen, dass einander \u00e4hnliche Contouren, welche auf nahehin eorrespon-denten Netzhautpunkten sich abbilden, mit einander verschmelzen sollen. Er bezeichnet dabei den Umfang derjenigen Punkte der andern Netzhaut, welche mit ein und demselben Punkte der ersten Netzhaut verschmelzen k\u00f6nnen, als den correspondirenden Empfindungskreis jenes Punktes. Diesen Empfindungskreisen schreibt er nach Maassgabe der oben er\u00f6rterten Thatsachen einen gr\u00f6sseren horizontalen Durchmesser, einen kleineren verticalen zu. Ich habe dagegen in der hier gegebenen Darstellung das Verschmelzen der Doppelbilder davon abh\u00e4ngig gemacht, dass die Sicherheit und Genauigkeit der Abmessungen des Augenmaasscs f\u00fcr die entsprechenden Dimensionen beider Bilder nicht gross genug sei, um nicht Irrth\u00fcmer zu erlauben, und dass ein solcher Irrthum beg\u00fcnstigt werde durch die Anschauung des einen k\u00f6rperlich ausgedehnten Objects, welches man vor sich hat oder vor sich zu haben glaubt. Es hat schon Volkmann gegen Panum\u2019s Fassung des Gesetzes solche F\u00e4lle, wie G, Taf. VII, geltend gemacht, wo durch Zusetzung eines Punktes oder anderer kleiner Incongruenzen beider Bilder die Verschmelzung gest\u00f6rt wird. Panum hat dawider entgegnet, dass in diesen F\u00e4llen immer eine Un\u00e4hnlichkeit der Contouren auftrete, welche auch nach seiner Fassung des Gesetzes die Verschmelzung hindern m\u00fcsste. Gegen andere Versuche von Volkmann, aus denen hervorgeht, dass Linienpaare von kleinem Abstande bei gleicher Differenz des Abstandes nicht so leicht verschmelzen, als solche von gr\u00f6sseren Abst\u00e4nden, hat er die Antwort gegeben, dass eng an einander stehende Linien sich bei der Fixation ganz nahe am Centrum der Netzhautabbilden, und dass dort die correspondirenden Empfindungskreise kleiner seien und deshalb die Doppelbilder nicht verschmelzen k\u00f6nnten. Volkmann\u2019s letzterw\u00e4hnte Beobachtung k\u00f6nnen wir aber in folgender Weise wiederholen. In Fig. U, Taf. X, sind jederseits 5 Linien gezeichnet; die Paare 1 und 3, sowie 4 und \u00f6 haben in der linken Gruppe den Abstand von i Millimeter, in der rechten 5 Millimeter. In das Innere des Paares \\\u2014 3 ist jederseits noch die Linie 2 hineingesetzt worden, welche beiderseits von 1 den gleichen Abstand von 3 Millimeter hat und daher von der Linie 3 links nur 1, rechts aber 2 Millimeter absteht. Fixirt man nun die Linie 4 des Gesammtbildes, so erscheint 5 einfach und etwas nach hinten liegend. Fixirt man dagegen fest und","page":742},{"file":"p0743.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nUNTERSCHEIDUNG DER BILDER BEIDER AUGEN.\n743\nsicher 1, so erscheinen die beiden Linien 3 von einander getrennt, die Linie 2 dagegen nat\u00fcrlich einfach und mit 1 in gleichem Tiefenabstande. Nur bei Bewegungen des Blicks kann man auch 3 einfach sehen, wobei dann die ganze Gruppe als ein vierkantiges senkrechtes Prisma erscheint, auf dessen vorderer Fl\u00e4che noch eine Linie, n\u00e4mlich 2, parallel mit den Kanten gezogen ist. Nun liegen aber bei der Fixation der Linie I des Gesammtbildes die beiden Linien 3 gerade so auf den Netzh\u00e4uten, wie bei Fixation von i die beiden Linien 5 liegen. Das Hinderniss der Vereinigung besteht offenbar in der Linie 2, die aber nicht zwischen beiden, sondern links von beiden liegt, und nach Panum\u2019s Fassung des Gesetzes die Vereinigung nicht hindern sollte. Fasst man aber die Vereinigung der Doppelbilder als eine T\u00e4uschung des Augenmaasses, so ist aus dem Fechner\u2019-schen Gesetze klar, dass die Unterscheidung zwischen 1 und 2 Millimeter des Abstandes, wie ihn die Linien 2 und 3 haben, sicherer sein muss, als zwischen 4 und 5 Millimeter bei den Linien 4 und S.\nAuch bei den Versuchen mit Kreisen kommt Achnliches vor. Wenn man zwei etwas ungleiche Kreise gezeichnet hat, die sich binocular verschmelzen lassen, und man umgiebt beide concentrisch mit einem andern Kreise, der auf beiden Seiten gleichen Radius hat, einen Radius wenig gr\u00f6sser als der des gr\u00f6sseren der beiden ersten Kreise, so trennen sich jezt die Bilder der beiden innern Kreise verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig leicht.\nEine Frage endlich, die sich hier anschliesst und die ebenfalls in theoretischer Beziehung Wichtigkeit hat, ist die, ob wir die Eindr\u00fccke des einen Auges von denen des andern unterscheiden. Di dieser Beziehung ist zu bemerken, dass wir auch bei instantaner elektrischer Beleuchtung die Tiefenunterschiede stereoskopisch gesehener Liniengruppen immer richtig sehen, niemals verkehrt, und dass selbst, wenn ich mir m\u00f6glichst deutlich das umgekehrte Relief der Figur vorzustellen suchte, um mit Absicht eine T\u00e4uschung herbeizuf\u00fchren, was mir bei der Umkehrung des Reliefs von Medaillen bei monocularer Betrachtung meist schnell gelingt, ich es unm\u00f6glich fand, das stereoskopische Relief zu \u00e4ndern1. Eine solche Verkehrung des Reliefs w\u00fcrde aber nothwendig eintreten m\u00fcssen, wenn man den Eindruck der beiden Netzhautbilder verwechseln k\u00f6nnte mit demjenigen Eindr\u00fccke, welcher bei Vertauschung der beiden Netzhautbilder unter einander eintreten w\u00fcrde. Daraus folgt also zun\u00e4chst, dass der momentane Eindruck, den zwei Netzhautbilder machen, deutlich und bestimmt verschieden sein muss von demjenigen, welchen dieselben Netzhautbilder machen w\u00fcrden, wenn jedes auf die correspondirenden Punkte des andern Auges \u00fcbertragen w\u00fcrde.\nEtwas anderes ist es, dass wir f\u00fcr gew\u00f6hnlich kein bestimmtes Bewusstsein davon haben, mit welchem Auge wir das eine oder andere Bild sehen. Das wissen wir nicht oder nur unvollkommen und nur durch nebens\u00e4chliche Umst\u00e4nde zu beurtheilen, wie wir denn aus unseren Sinnesempfindungen nichts herauszulesen wissen, was wir nicht durch oft wiederholte Beobachtungen als ihre Bedeutung kennen gelernt haben. Dass also zwei nahe an einander stehende\n1 Dieselben Beobachtungen von Aubert und Marbach in Aubert Physiologie der Netzhaut. S. 315. Breslau 1865, mit vielfach abge\u00e4nderten Figuren. Neuerdings hat auch Donders im Wesentlichen dieselben Resultate erhalten.","page":743},{"file":"p0744.txt","language":"de","ocr_de":"744 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\t\u00a7. 31.\nDoppelbilder gewisser Art mit gewissen Localzeichen ein Object, welches ferner von uns ist als der Fixationspunkt, und nicht ein n\u00e4heres bedeuten, k\u00f6nnen wir vollkommen gelernt haben, ohne doch gen\u00fcgende Uebung zu haben, um aus den Localzeichen der Bilder herauszulesen, welches von den beiden Halbbildern dem rechten oder linken Auge angeh\u00f6rc. Um letzteres zu ermitteln, m\u00fcssen wir erst das eine Auge schliessen oder verdecken, was wir beim gew\u00f6hnlichen Sehen nicht thun, wobei wir, wie oben erw\u00e4hnt, auf die Doppelbilder ja auch gar nicht zu achten pflegen. Wir wissen deshalb in der Regel auch ohne einen besonders darauf zielenden Versuch nicht anzugeben, welchem Auge das'eine, welchem das andere Doppelbild angeh\u00f6rt. Auch die Augenbewegungen helfen dabei nicht viel, weil wir bei Convergenzbewegungen \u2014 und auf solche k\u00e4me es hier an \u2014 keine deutliche Vorstellung davon haben, nach welcher Richtung sich jedes einzelne Auge verschiebt.\nDagegen sehen wir fortdauernd die am weitesten rechts gelegenen Theile des gemeinsamen Gesichtsfeldes nur mit dem rechten Auge; dem linken werden sie durch die Nase verdeckt; und ebenso sehen wir die ganz links gelegenen Objecte nur mit dem linken Auge, und dem entsprechend urlheilen wir denn leicht, dass, wenn jene Gegend des Gesichtsfeldes einem Auge ganz verdunkelt ist, wir die gesehenen Objecte mit dem andern Auge sehen. Rogers hat einen Versuch mit auffallendem Erfolge angegeben, der hierher geh\u00f6rt. Man mache aus schwarzem Papier eine R\u00f6hre von etwa 2 Zoll Durchmesser, halte sie vor das rechte Auge und sehe damit nach dem Hintergr\u00fcnde des Zimmers, am besten nach links hin\u00fcber, w\u00e4hrend man gleichzeitig einige Zoll vor dem linken Auge ein Quartblatt schwarzen Papiers h\u00e4lt, welches diesem den gesehenen Theil des Zimmerhintergrundes verdeckt. Dann tritt sehr energisch die T\u00e4uschung ein, als s\u00e4he man mit dem linken Auge durch eine Oeffnung des Papiers nach dem Hintergr\u00fcnde des Zimmers, w\u00e4hrend' doch das Papier keine Oeffnung hat, und nicht das linke, sondern das rechte Auge durch die Oeffnung der R\u00f6hre blickt.\nUebrigens muss ich doch wiederum bemerken, dass, wenn ich zwei stereoskopische Photographien vor mir habe, von denen eine einen dunklen oder verwaschenen Fleck hat, ich gew\u00f6hnlich den Eindruck habe, als w\u00e4re das Auge, womit ich den Fleck sehe, getr\u00fcbt, und dass ich unwillk\u00fchrlich versuche, mit den Lidern dieses Auges die Tr\u00fcbung wegzuwischen, was doch ein Zeichen ist, dass ich in einem solchen Falle empfinde, in welchem Auge die undeutliche Stelle abgebildet ist.\nWas die Richtung betrifft, in der wir die Doppelbilder sehen, so ergiebt sich diese aus dem, was \u00fcber die Richtung der monocular gesehenen Bilder oben schon gesagt worden ist. Wir sehen das Bild jedes Auges so, als h\u00e4tte das von E. Hering angenommene imagin\u00e4re cyklopische Auge das entsprechende Netzhautbild erhalten, w\u00e4hrend es nach dem Fixationspunkte hingerichtet ist. Wird also binocular gesehen, so kann man sich beide Netzhautbilder in das imagin\u00e4re cyklopische Auge sich gegenseitig deckend eingetragen denken, und dann entsprechend in den Raum projicirt. Ihre Entfernung vom Beobachter wird so weit richtig beurtheilt, als die bei Doppelbildern unvollkommene stereoskopische Tiefenwahr-","page":744},{"file":"p0745.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nBERECHNUNG DER LAGE DER CORRESPONDIRENDEN PUNKTE.\n745\nnehmung und die Hilfsmittel der monocularen Beurtheilung der Entfernung- dies m\u00f6glich machen.. Aus der angegebenen von E. Hering und J. Towne1 geipach-ten Beobachtung erkl\u00e4rt sich nun auch, warum die Doppelbilder immer getrennt in den Raum projicirt werden. W\u00fcrden sie in der richtigen Richtung ihrer Visirlinien projicirt, so w\u00fcrden sie an denjenigen Ort verlegt werden k\u00f6nnen, wo die betreffenden Visirlinien sich schneiden, und dann einfach erscheinen. In Wahrheit wird aber durch die irrth\u00fcmliche Beziehung der Sehrichungen auf ein Centrum in der Mittelebene des Gesichts bewirkt, dass zwei verschiedene Sehrichtungen vor dem Beobachter im Raume sich nie wieder schneiden k\u00f6nnen und die in ihrer Richtung projicirten Bildpunkte nothwendig immer getrennt bleiben m\u00fcssen. Ueber den vermuthlichen Grund dieses Irrthums ist schon oben gesprochen worden.\nGesetze der correspondirenden Punkte und Linien. Man denke sich' zwei Ebenen normal zu den beiden Blicklinien in gleicher Entfernung von deren Kreuzungspunkte. In der einen seien die Coordinated x und y, in der andern ein beliebig gelegtes anderes System \u00a3 und v. F\u00fcr die Schnittpunkte der beiden Blicklinien mit den Ebenen sei x = y = 0 und g \u2014 v \u2014 0. Die Ebenen der Netzhauthorizonte m\u00f6gen die beiden Ebenen in den Linien\nax\t-+- by =\t0\tund\ta\u2018\u00a7\t-J-\t\u00dfv =\t0\nschneiden; die scheinbar verticalen Meridianebenen in den Linien cx\t\u20141~ dy =\t0\tund\t-f-\tSv \u2014\t0.\nWenn nun die Coefflcienten so gew\u00e4hlt sind, dass\na2 -+- 62\t=\t\u00ab2 -i-\t\u00df2\t=\t/.1\nc2 + cf\t=\tf +\t<)2\t=\t/ )\n1)\nla),\n1 b),\nwelchen Bedingungen man immer dadurch Gen\u00fcge leisten kann, dass man beide Coefficienten je einer Gleichung mit einem constanten Factor multiplicirt, wobei die Gleichungen 1) und 1 a) weiter nicht ge\u00e4ndert werden, so bedeutet nach einem bekannten Satze der analytischen Geometrie der Ausdruck\nax -+- by\ndie Entfernung des Punktes (x, y) von der Linie, deren Gleichung ist ax by \u2014 0. Entsprechende Bedeutung haben die andern Ausdr\u00fccke, die in den Gleichungen 1) und la) gleich Null gesetzt sind. Den erw\u00e4hnten Factoren, mit welchen die Coef-ficienten dieser Gleichungen zu multipliciren sind, kann man ausserdem ein solches Vorzeichen geben, dass die Ausdr\u00fccke\nax -I- by und ag -|- \u00dfv\npositiv auf correspondirenden Seiten der beiden Netzhauthorizonte, und ebenso die Ausdr\u00fccke\ncx + dy und y'S, -f- Sv\npositiv sind auf correspondirenden Seiten der scheinbar verticalen Meridianebenen.\n1 Herr J. Towne hat die wichtigen Beobachtungen \u00fcber die scheinbaren Sehrichtungen unabh\u00e4ngig von Herrn . E. Hering gemacht. Er berichtet mir brieflich, dass er die Versuche schon im Jahre 18\u00d69 gezeigt habe. Seine\nPublicationen, so weit sie mir bekannt geworden sind, datiren aber erst von 1862 ab.","page":745},{"file":"p0746.txt","language":"de","ocr_de":"746\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 31.\nDie Versuche haben uns zu dem Gesetze gef\u00fchrt, dass solche Punkte beider Ebenen correspondiren, welche gleich weit von den Ebenen der Netzhauthorizonte abstehcn und ausserdem gleich weit von den Ebenen der scheinbar vertiealen Meridiane entfernt sind. Sind die vorausgenannten Bedingungen bez\u00fcglich der Coeffieienten in den Gleichungen I) und 1a) erf\u00fcllt, so sind die Bedingungen der Correspondenz :\nax -j- by' ---\t\u00dfv\ncx -f- dy = y g -+- du\nEine gerade Linie des einen Feldes nennen wir correspondent einer des anderen Feldes, wenn jeder Punkt der ersten einen corre-spondenten Punkt in der andern findet.\nWenn wir beliebige Constanten mit l, m, n bezeichnen, so ist die Linie:\nl (ax -f- by) -+- m (cx + dy) H- n = 0.......................id),\ncorrespondent mit der Linie im andern Felde\nl (a'4 -+- \u00dfv) -f- m (y\u00a3 -4- du) n \u2014 0.......................i e).\nDenn wenn wir f\u00fcr irgend welche constanten Werthe von (x, y) im zweiten Felde die Linie ziehen:\n\u00abg -H \u00dfv = ax + by................................if),\nso ist f\u00fcr deren Schnittpunkt mit der Linie 1 e) auch\ny g -1- \u00f6v \u2014 cx H- dy ,\nwie aus der Subtraction der Gleichungen 1 d) und 1 e) in diesem Falle folgt. Der Schnittpunkt von 1 e) und 1 f) ist also in diesem Falle correspondent mit dem Punkte (x, y).\nEs wird sich die Gleichung jeder geraden Linie\nfx -+- gy + h = 0...............................1g)\nleicht auf die Form 1 d) bringen lassen, indem man setzt\noder\nf = la -f- mc g\tlb + md\nh \u2014 n\n df\u2014gc ad \u2014 bc\nrn\nbf \u2014 ag\nbc\u2014 ad\nn \u2014 h,\nwodurch die drei Coeffieienten der Gleichung 1 d) eindeutig bestimmt sind. Indem man dann aus der Gleichung Id) die Gleichung 1 e) bildet, findet man die corre-spondirende Linie von 1 g).\nWenn wir die Gleichung 1 d) dividiren durch\nk \u2014 Y (la -I- me)2 -F (lb -H md)2,\nso kommt die Gleichung auf die Normalform der Fl\u00e4chengleichungen, wobei die","page":746},{"file":"p0747.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 31.\nBERECHNUNG DER LAGE DER CORRESPOMRENDEN PUNKTE.\n747\nGr\u00f6sse \u2014 den Abstand zwischen der Fl\u00e4che 1 d) und dem Nullpunkte der Coordi-naten bezeichnet. Setzen wir\nX = Y{lu -4- rnyf -+- (l\u00df-\\-mdf, n\nso bezeichnet \u2014 dieselbe Distanz f\u00fcr die Fl\u00e4che 1 c). Beide Distanzen sind also\ny.\nnur dann gleich, wenn\n/i2 = x2.\nMit Ber\u00fccksichtigung der Gleichung 1 b) wird dies :\n2ml(ac-\\-bd) \u2014 2ml (ay -+- \u00df\u00f6) = 0.\nWenn nun nicht\nac -f- bei = ay -f- \u00df\u00f6\nist, das heisst, wenn die beiden Ebenenpaare 1) und 1 a) in jedem Auge nicht gleiche Winkel mit einander machen, so ist jene Bedingung nur zu erf\u00fcllen, wenn entweder m = 0 oder 1 \u2014 0 ist, das heisst, wenn die Ebenen id) und le) entweder mit den Ebenen 1) oder mit den Ebenen la) zusammenfallen. Diese beiden sind durch die angegebene Eigenschaft also vor allen anderen correspondirenden Ebenenpaaren, welche durch die Blicldinie gehen, ausgezeichnet. Wir k\u00f6nnen deshalb die genannten beiden Ebenen als Hauptmeridianebenen bezeichnen.\nBerechnung correspon dirender Strecken und Winkel in beiden Augen. Legen wir der Bequemlichkeit wegen die x und g Axe in den Netzhauthorizont, so wird in den Gleichungen 1)\na \u2014 a \u2014 0 , b = \u00df \u2014 1\nund setzen wir die Lage der scheinbar verticalen Meridiane, wie dies wenigstens in der Regel sehr nahehin der Fall ist, als symmetrisch voraus, so ist zu nehmen\nwo t die Abweichung zwischen dem scheinbar und wirklich verticalen Meridiane jedes Auges bezeichnet. Dann ist\nc = cos a\ty = cos a\nd = \u2014 sin a d = sin a.\nDie Gleichungen der Netzhauthorizonte sind dann\ny \u2014 0 und v = 0................................. I h),\ndie der scheinbar verticalen Linien\nx cos a \u2014 y sin a = 0 und g cos a -(- v sin a = 0\t.\t.\t.\t1 i)\nund die Gleichungen correspondirender Linien, welche durch die Blickpunkte gehen, werden nach 1 d) und \\ e)\nxm cos a -F- y (I \u2014 m sin a) \u2014 0 g m cos a -f- v ( l -d- m sin a ) \u2014 0.","page":747},{"file":"p0748.txt","language":"de","ocr_de":"74S\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u202231.\nSind s und a die Winkel, welche diese Linien mit den Axen der x und \u00a3 machen, so ist\nworaus folgt :\nV\ntang s = \u2014 = x\ntang a = \u2014 \u2014\n\u2022tang (o \u2014 s) = tang (er -+- s) \u2014\nm cos s / \u2014 m sin \u00a3\nm cos \u00a3\n1\t-f- m sin \u00a3 \u2019\n2 m2 cos \u00a3 sin \u00a3 l2 -+- m2 cos (2e)\n2\tml cos \u00a3\nl2\nSetzen wir nun\n\u2014 \u2014 tang/?,\nso wird\n' tang (er \u2014 s) tang (u + j)\ntang2/? \u2022 sin (2e)\nI + tang2 \u00df cos (2t)\n\u2014 tang (2\u00df) cos \u00a3\noder da t ein verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleiner Winkel ist und deshalb cos t = cos 2e \u2014 /\nund sin(2\u00a3) = 2\u00a3 gesetzt werden kann\n\u00df = -\n2 \u00a3 sin 1\nvon der Visirebene ab gerechnet werden, so muss zu der Differenz noch der Winkel y hinzukommen, den die Netzhauthorizonte machen, und wir erhalten dann\nf\u00fcr ihre Differenz\nJ = y -f- 2e sin 2\u00df...............................2).\nCorrespo ndiren de Visirlinien und Ebenen. Ziehen wir durch jeden einzelnen eines Paars correspondirender Punkte und den Mittelpunkt der Visirlinien des zugeh\u00f6rigen Auges gerade Linien, so sind diese correspondirende Visirlinien. Punkte, die in solchen correspondirenden Visirlinien liegen, werden auf Deckstellen beider Netzh\u00e4ute abgebildet.\nBefindet sich in den bisher betrachteten Ebenen der (x,y) und (\u00a3, v) ein Paar correspondirender gerader Linien verzeichnet, so liegen deren Visirlinien alle in zwei durch die Mittelpunkte der Visirlinien gehenden Ebenen, welche correspondirende Ebenen genannt werden k\u00f6nnen.\nJedes Paar gerader Linien, welches in einem Paare correspondirendei Ebenen gezogen ist, bildet sich auf correspondirenden Linien beider Netzh\u00e4ute ab.\nWenn zwei correspondirende Ebenen sich schneiden, so bildet sich die Schnittlinie auf correspondirenden Linien beider Netzh\u00e4ute ab.\nDie Coordinate!! der Mittelpunkte der Visirlinien seien\nz \u2014 e\nt\u2014e.\nx \u2014 0,\n\u00a7 = 0,\ny \u2014 o,\n11 = 0,","page":748},{"file":"p0749.txt","language":"de","ocr_de":"EINFACH GESEHENE LINIEN.\n749\n\u00a7. 31.\nNach bekannten S\u00e4tzen der analytischen Geometrie ist die Gleichung', einer Ebene, welche durch den Punkt (\u00e6, y, z) geht, -von der Form\nh\nfx-\\rgy+\u2014{e \u2014 z) = 0.\n.\u2022 -\u25a0..-Setzen wir.Q, '..so .kommt diese ..Gleichjing .juimftt\u00e7.lhar .auf die .,form' 1 g). und ist nach der dort ange\u2019gebenen Methode die correspondirende Linie in der (\u00a3,ij Ebene, und danach die correspondirende Ebene zu finden.\nBilden wir die Gleichungen\nA = ax -hby B = cx -+- dy C \u2014 z \u2014 e\nso sind alle Ebenen, deren Gleichungen von der Form sind\nIA mB nC = 0 )\ni.....................3 a)\nin -+-\t-+- nE = 0 )\ncorrespondirende Ebenen. Denn die Gleichungen sind von der Form derjenigen, welche durch die Mittelpunkte der Visirlinien gehen, und wenn wir z = 0 und \u00c7=0 setzen, behalten wir nach dem in Id) und le) ausgesprochenen Satze die Gleichungen correspondirender Linien \u00fcbrig, die in den xy und '\u00a7v Ebenen liegen. Folglich sind die Ebenen correspondirend.\nCorrespondirende Visirlinien sind zu geben als Schnittlinien je zweier Paare correspondirender Ebenen.\nGleichungen f\u00fcr die einfach gesehenen Geraden. Bisher haben wir die Lage der correspondirenden Linien und Ebenen nur in Bezug auf die Lage des zugeh\u00f6rigen Auges betrachtet, aber die Lage der Augen gegen einander und zu den Objecten des Raumes noch gar nicht ber\u00fccksichtigt. Um das letztere zu thun, denken wir uns die Lage aller Punkte und der Augen-selbst auf ein gemeinsames rechtwinkeliges Coordinatensystem der \u00c7, i), j bezogen. ' Wenn wir die <c, y, z und \u00a3, v, \u00c7 durch diese neuen Coordinaten ausdr\u00fccken, werden ihre Werthe bekanntlich lineare Functionen der j:, 1), g, und ebenso auch die linear aus x, y, z, bezieli-lich g, v, \u00c7 zusammengesetzten Gr\u00f6ssen A, B, C und 31, 33, (&.\nDurch j e den Ra u m punkt geht im Allgemein en eine einfach ges eh en e gerade Linie. Der Beweis hierf\u00fcr ist zu f\u00fchren, wie folgt. Die Gleichungen correspondirender Ebenen sind nach 3 a)\nIA - { vi B -j\u2014 n C ^ 0 j\t,, | .\nin+ \u00abs + ng.= \u00f6 )\nBeide zusammengenommen geben die Lage ihrer Schnittlinie, welche, wie schon bemerkt wurde, einfach gesehen und also eine gerade Horopterlinie wird.\nWenn man in 3a) f\u00fcr \u00ff, 1), g die Coordinaten irgend eines beliebigen Punktes \u00a3o> tyo > setzt, werden sich doch immer die Coefficienten l, m, n so bestimmen lassen, dass die beiden Gleichungen 3b) erf\u00fcllt sind. Da man durch Multiplication mit einem gemeinsamen Factor einem der Coefficienten einen beliebigen Werth geben kann, so sind nur zwei zu bestimmen, wozu die beiden Gleichungen im Allgemeinen ausreichen. Man erh\u00e4lt\n3) =\t-+- \u00dfv j\n33 \u2014\t-1- \u00d6v >..................3),\n6 = \u00a3 \u2014 e j","page":749},{"file":"p0750.txt","language":"de","ocr_de":"750 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 31. '\nJ_ _ B0 \u00a30 -330C0\nn - A0S80-^B0\n\u2014 ASo \u2014\n\u00ab\tst 0B0-A0\u00ae0\\\n\u2022Dadurch sind Wertlre.der 'Verh\u00e4ltnisse von l, rn, n bestimmt, welche den Gleichungen 3a) gen\u00fcgen, un'd zwar iin Allgemeinen eindeutig, vorausgesetzt, dass\ndie obigen Br\u00fcche nicht von der Form \u2014 werden, was geschieht, wenn\na9<\u00ef0 = x,cq\nMo = S0C0\nworaus dann im Allgemeinen folgt, dass auch\nA0\u00ae0 = %0B0\nWir werden sp\u00e4ter sehen, dass diese drei letzteren Gleichungen den Punkten der Horoptercurve entsprechen. Mit Ausnahme also dieser Punkte l\u00e4sst sich durch jeden Punkt des Raumes eine und nur eine gerade und einfach gesehene Linie legen, durch die mittels der Gleichungen 3 c) gegebenen Punkte aber beliebig viele.\nFl\u00e4chen zweiten Grades, auf denen die einfach gesehenen Linien liegen. Wenn man zwei Paare correspondirender Fl\u00e4chen hat\nl0 A + ?n0 B -+- n\u00fc C \u2014 0 , Z0 3t -4- m0\u00a9 -f- n0 \u00df = 0 |\t^\nA -+- m1 B -+- n1 C \u2014 0 , 3t -t- \u00bb\u00bb, t\u00f6 -f- nl S = 0 )\nso schneiden sich die beiden rechts stehenden Fl\u00e4chen in einer Visirlinie, die links stehenden in der correspondirenden Visirlinie. Multiplieirt man nun die unteren Gleichungen mit einem neuen Factor k und addirt sie zu den oberen, so erh\u00e4lt man\n(l0 -+- klx)A -+\u25a0 (m0 -+- kmJBA- K -+- knJC \u2014 0 )\t^\n(la + klt)ft-F- {m0 -+- kmx)S\u00d6 -+- (n0 -+- AnJS = 0 )\nEs sind dies die Gleichungen eines dritten Paars correspondirender Fl\u00e4chen, welche aber ebenfalls durch dasselbe Paar Visirlinien gehen, wie die Fl\u00e4chen der Gleichungen 4). Da n\u00e4mlich f\u00fcr die Punkte der einen Visirlinie die beiden Gleichungen links unter 4) erf\u00fcllt sind, ist auch nothwendig die obere Gleichung 4a) f\u00fcr dieselben Punkte erf\u00fcllt, das heisst die Punkte jener Visirlinien liegen auch in der der letzteren Gleichung entsprechenden Fl\u00e4che. Dasselbe gilt f\u00fcr die rechtsstehenden Gleichungen unter 4) und die untere unter 4 a).\nDie beiden Gleichungen 4 a) geben zusammen eine einfach gesehene gerade Linie, da sie einzeln genommen correspondirenden Ebenen entsprechen. Lassen wir nun den Factor k sich continuirlich ver\u00e4ndern, so wird im Allgemeinen auch die einfach gesehene gerade Linie ihre Lage ver\u00e4ndern, und zwar in eontinuirlicher Weise. Alle diese geraden Linien, welche auf solche Weise durch continuirliche Aenderung von k sich ergeben, werden sich zu einer Fl\u00e4che zusammenschliessen, deren Gleichung sich ergiebt, wenn wir aus den beiden Gleichungen 4a) den Factor k elimini-ren. So erhalten wir als Gleichung f\u00fcr die Fl\u00e4che, in der die genannte Reihe einfach gesehener gerader Linien liegt:\n[ l0A + m0 B -+- n0 C] [/, 31 -h -f-1\\ \u00a3]\n\u2014\t+ m,-B-T-n,C] [/\u201e3( +\t= 0","page":750},{"file":"p0751.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7.34.\tMATHEMATISCHE BESTIMMUNG DES HOROPTERS.\t.\t751\noder wenn wir die Multiplication ausf\u00fchren.:\n(J.*\u00bb! \u2014 hm0) [iS \u2014 315] + (7,\u00ab\u201e \u2014 /\u201e\u00bb\u00bb,) [2\u00cf C + 4g]\n-+- (mljnt \u2014 wi,w0)[.Bg\u2014 SBC] =0...........................' . . 4b).\nDa .die Gr\u00f6ssen- A, B, C, .so wie 21, S, \u00df lineare Functionen von y, t), j sind, so. ist die Gleichung 4b) die einer Fl\u00e4che zweiten Grad.es., und zwar einer, solchen, in''deren Oberfl\u00e4che unendlich lange gerade Linien gezogen werden k\u00f6nnen. Unter den Fl\u00e4chen zweiten Grades lassen dies zu die Hyperboloide mit einer Mantelfl\u00e4che, welche im Grenzfall in Kegel, Cylinder oder auch tfwei sich schneidende Ebenen \u00fcbergehen k\u00f6nnen.\nVergleichen wir nun die Gleichung 4b) mit den' Gleichungen 3c), Welche die Punkte geben, durch welche unendlich viele einfach gesehene gerade Linien gezogen werden k\u00f6nnen:\nAd -\t2IC\t=\t0\t)\nSBC \u2014\tB\u00a3\t=\t0\ti...................... 4c),\n%B \u2014\tAS8\t=\t0)\nso sehen wir, dass auch dies Gleichungen von Hyperboloiden sind, und zwar derselben Art, wie die Fl\u00e4che 4b), welche letztere bei bestimmten Werthen der Coefficienten l,m,n in je eine der Gleichungen 4 c) \u00fcbergehen kann.\nNehmen wir zwei von den letzteren, zum Beispiel\nA(E - 21C = 0 )\n(.........................4d),\n\u00c6 \u00df \u2014 SBC = 0\\\nso werden dieselben sich in einer Curve schneiden m\u00fcssen, da sie jedenfalls zwei Punkte gemein haben, n\u00e4mlich die Mittelpunkte der Visirlinien, f\u00fcr deren einen\nA = B = C \u2014 0,\nw\u00e4hrend f\u00fcr den andern\n21 = SB = g = 0\nund jede dieser beiden Annahmen den beiden Fl\u00e4chengleichungen gen\u00fcgt. Ausserdem ist leicht zu sehen, dass auch die Annahme\nC \u2014 g = 0\nden beiden Fl\u00e4chengleichungen gen\u00fcgt, das heisst, die gerade Schnittlinie der beiden Fl\u00e4chen C\u20140 und \u00df = \u00d6 muss beiden Hyperboloiden angeh\u00f6ren, also mit zu ihrer gesammten Schnittlinie geh\u00f6ren. Diese Schnittlinie setzt sich also zusammen aus einer geraden Linie C=0, g \u2014 0, und einem anderen St\u00fcck, welches im Allgemeinen eine Curve doppelter Kr\u00fcmmung sein wird.\nAus den beiden Gleichungen 4 d) k\u00f6nnen wir g eliminiren, indem wir die obere mit B, die untere mit A multipliciren und addiren. Wir erhalten\n(4 33 \u2014 2IB)C = 0.\nWenn also C nicht gleich Null ist, so folgt aus dieser Elimination die dritte\nder Gleichungen 4 c)\n2I\u00df \u2014 ASB = 0................................4e).\nSollte C gleich Null sein, so w\u00fcrde nach 4d) entweder auch g ^=: 0 sein\nm\u00fcssen, oder gleichzeitig A = B = 0. Nur im letzteren Falle w\u00fcrde die Gleichung 4 e)","page":751},{"file":"p0752.txt","language":"de","ocr_de":"752\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON' DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 31.\ngiltig sein; die Bedingungen A = B =. C = 0 geh\u00f6ren dem Mittelpunkte der Vi-sirlinien des einen Auges an.\nDaraus folgt, dass f\u00fcr die Punkte der Schnittlinie der Fl\u00e4chen 4d), welche nicht der geraden Linie C = & = 0 angeh\u00f6ien, 'auch die Gleichung 4 e) erf\u00fcllt ist, dass also die drei Fl\u00e4chen 4e) sich in ein und derselben Curve doppelter Kr\u00fcmmung schneiden. Je zwei der Fl\u00e4chen haben immer noch eine gerade Schnittlinie, die aber in Allgeirmiffcir'infcht' dfcr dritten' -Fi\u00e4bhe afrgth\u00f6rt. \u2022\nWenn man nun die Gleichungen, dreier Fl\u00e4chen hat \u2022\n\u25a0 ; \u2022\t\u2022 x = o \u25a0 x= o- . z = o,\ndie eine .gemeinsame Schnittlinie besitzen, so -wird auch jede Fl\u00e4che, deren Gleichung von der Form ist\nIX -+- m F-t- n Z = 0,\ndurch dieselbe Schnittlinie gehen. Da n\u00e4mlich f\u00fcr die Punkte der Schnittlinie die ersteren drei Gleichungen erf\u00fcllt sind, ist f\u00fcr dieselben auch nothwendig die letztere erf\u00fcllt.\nNun ist die Gleichung 4 b) in der angegebenen Weise aus den drei Gleichungen 4c) zusammengesetzt. Folglich gehen alle die unendlich vielen Hyperboloide, auf denen die einfach gesehenen Linien liegen, durch die gemeinsame Schnittcurve der Gleichungen 4 c).\nDiese Curve ist eine sogenannte Curve dritten Grades, das heisst, sie kann von einer und derselben Ebene in drei Punkten geschnitten werden. Da n\u00e4mlich die Schnittlinie zweier Fl\u00e4chen zweiten Grades wie zum Beispiel der beiden Fl\u00e4chen 4d) im Allgemeinen vom vierten Grade ist und in vier oder zwei Punkten von einer Ebene geschnitten werden kann, einer dieser Schnittpunkte aber nothwendig der geraden Linie angeh\u00f6rt (Parallelismus wird als Schneidung im Unendlichen betrachtet), so bleiben nur drei Schnittpunkte oder einer f\u00fcr die Curve. So schneidet zum Beispiel die Visirebene die Horoptercurve im Fixationspunkte und in den Mittelpunkten beider Augen. Denkt man sich die schneidende Ebene unendlich weit entfernt, so wird sie auch in ein oder drei Punkten schneiden m\u00fcssen, was dann ein oder drei Paare nach entgegengesetzten Richtungen in das Unendliche auslaufender Zweige der Curve giebt.\nDie Curve dritten Grades ist Horoptercurve, das heisst, in ihr schneiden sich correspondirende Visirlinien. Die drei Gleichungen 4 c) k\u00f6nnen wir n\u00e4mlich auch schreiben\nA = A = \u00a3...................................\n3t \u00a9\t\u00a3\t;\nNun sind die Gleichungen 4) die Gleichungen zweier correspondirender Visirlinien. Nehmen wir die der einen\nl0 A m0 B + n0 C \u2014 0 ) l^A \u2014(\u2014 B \u2014F 0\t0 j\nund setzen voraus, dass sie durch einen Punkt der Curve dritten Grades geht, in welchem dann die Gleichungen 4f) erf\u00fcllt sind, so folgt: wenn wir die beiden 3t\nGleichungen 4 g) niit \u2014 'multipliciren mit Ber\u00fccksichtigung von 4 f), dass f\u00fcr den-selben Punkt auch sei\nZ\u201e3I -f- m0S\u00d6 + ti,S = 0 /j3t -+- )#, t\u00f6 + n,6 = 0,","page":752},{"file":"p0753.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 3-1.\nEINFACHERE FORMEN MES HOROPTERS.\n753\ndass also derselbe Punkt auch der correspondirenden Visirlinie angeh\u00f6rt. Es schneiden sich also correspondirende Visirlinien in je einem Punkte der gemeinsamen Schnittlinie der Fl\u00e4chen 4c). Diese ist die Horoptercurve. Dass nicht alle St\u00fccke dieser Curve auch gleichzeitig Horopter sind, ist schon oben erw\u00e4hnt worden.\nKegel zweiten Grades, welche durch die Horoptercurve gehen. Wenn die beiden correspondirenden Visirlinien der Gleichungen 4) sich in einem Punkte schneiden, der alsdann der Horoptercurve angeh\u00f6rt, so gehen auch alle die durch die beiden Visirlinien gelegten Ebenen der Gleichungen 4 a) durch denselben Punkt, folglich auch alle Schnittlinien dieser Ebenen, aus denen sich die Oberfl\u00e4che zweiten Grades zusammensetzt. Eine Fl\u00e4che zweiten Grades, in der ein System unendlich langer gerader Linien liegt, die alle durch einen und denselben Punkt gehen, ist ein Kegel zweiten Grades.\nJeder Punkt der Horoptercurve ist also die Spitze eines Kegels zweiten Grades, in dessen Mantel die ganze Horoptercurve liegt. Dieser Kegel kann in besonderen F\u00e4llen in einen Cylinder (Kegel mit unendlich entfernter Spitze) oder in ein Paar sich schneidender Ebenen (Kegel, dessen elliptische Basis eine unendlich lange Axe hat) \u00fcbergehen.\nJede gerade Linie, welche zwei Punkte der Horoptercurve schneidet, geh\u00f6rt zwei solchen Kegeln an und wird also einfach gesehen.\nWenn sich einer der Kegel in ein Ebenenpaar verwandeln kann, so besteht die Horoptercurve aus einem ebenen Kegelschnitt und einer geraden Linie, die den Kegelschnitt in einem Punkte schneidet. Denn man denke sich zur Construction der Horoptercurve ausser dem einen Kegel, der durch die beiden Ebenen dargestellt wird, noch einen zweiten, dessen Spitze in einer der beiden Ebenen liegen muss, so schneiden diese sich in zwei geraden Linien und einem Kegelschnitt. Die eine Gerade aber geh\u00f6rt nicht zur Horoptercurve.\nEinzelne F\u00e4lle. Um nun die wirkliche Berechnung der Horoptercurve in einzelnen F\u00e4llen ausf\u00fchren zu k\u00f6nnen, m\u00fcssen ^wir die Ausdr\u00fccke A, B, C und \u00a7t, 48, \u00df wirklich bilden als Functionen von y, 1), 3. Wir nehmen an, dass der Fixationspunkt der Nullpunkt dieses letztem Systems sei, die Visirebene die Ebene der y, t), die 3 positiv nach oben steigend. Die Ilalbirungslinie des Convergenz-winkels der beiden Gesichtslinien sei die Axe der y, der Convergenzwinkel selbst sei 2y, die Entfernung des Mittelpunkts der Visirlinien im rechten Auge vom Fixationspunkte sei a, die des linken \u00abrr Dann sind die Coordinate]! f\u00fcr den Mittel-\npunkt der Visirlinien\t\t\t\t\nim rechten Auge:\ty =\ta cos y,\t1) \u2014 a sin y,\tII\nim linken Auge:\t\u00a5 =\tcos y,\tt) = \u2022\u2014 \u00dfjSin y ,\t3 = 0.\nNehmen wir nun ein zweites Coordinatensystem zu Hilfe: yJt t),, 3j, welches gegen das erste um die 3 Axe und den Winkel y gedreht ist, so dass seine y, Axe mit der Gesichtslinie des rechten Auges zusammenf\u00e4llt, so haben wir\n= y cos y + 1) sin y i)j = \u2014 \u00ff sin y H- l) cosy 3i = 3 >\nwas den beiden Bedingungen gen\u00fcgt, dass\n\u00ef\u00ee + \u00cf\u00cf = ? + f\nund dass f\u00fcr y, = o, t)j = 0, die oben angegebenen Werthe der Coordinaten f\u00fcr den Mittelpunkt des rechten Auges sich finden.\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz , Physiolog. Optik.\n48","page":753},{"file":"p0754.txt","language":"de","ocr_de":"754\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 31.\nIn dem System t), 3,) f\u00e4llt die Axe der zusammen mit der Axc der : in dem oben in den Gleichungen i) bis 1 i) gebrauchten System der x, y, z, so dass\nf, \u2014 a \u2014 s 4- e.\nDas System der xyz ist gedreht gegen das erstere um den Winkel 9, den der Netzhauthorizont mit der Visirebene macht; also ist\nx\t\u2014\tt), cos 9 \u2014\t3, sin3-\ny\t\u2014\t^ sin 9 -f-\t3, cos\u00f6 ,\nwobei der Winkel 9 positiv gerechnet ist f\u00fcr eine Drehung des oberen Endes des senkrechten Meridians nach rechts herum, also beim Blick nach links oben und rechts unten. Demgem\u00e4ss ist\nx\t=\t\u2014 \u00a3\tsin y\tcos 9 -+- tj\tcos y cos\t9\t\u2014\t3\tsin 9\ny\t=\t\u2014\u25a0 j\tsin y\tsin 9 -+- 1)\tcos y sin\t9\t+\t3\tcos 9\nz\t\u2014\t\u2014 f\tcos y\t\u2014 t)\tsin y\t-+-\t\u00ab\tH-\te\nDaraus bilden sich nun nach Gleichungen 3) mit Ber\u00fccksichtigung von 1 h) und 1 i), sowie der dort vorausgeschickten Festsetzungen, die Ausdr\u00fccke:\nA \u2014 y =. \u2014 \u00a3 sin y sin 9 -h l) cos y sin 9 + 3 cos 9 B = x cos \u00a3 \u2014 y sin \u00a3\n= \u2014 j sin y cos (\u00a3+\u00a3) -F-l) cos y cos (tf + \u00a3) \u2014 3 sin(tI-J-\u00a3\nC = z \u2014 e = a \u2014 \u00e7 cos y \u2014 1} sin y\nIn \u00e4hnlicher Weise finden sich die Ausdr\u00fccke 21, iS, 2, wenn 9' der Rad-drehungswinkel f\u00fcr das linke Auge ist:\n2t = H- je sin y sin 91 -1- 1) cos y sin 9t + 3 cos 91 i\u00f6 \u2014 f sin y cos (3-, \u2014 t) -h 1} cos y cos (9^\u2014\u00a3) \u00df = a1 \u2014 J cos y -h t) sin y\nVereinfachte Formen der H or op ter curv e. Solche finden sich namentlich in den F\u00e4llen, wo ein Paar correspondirender Ebenen ganz in einander f\u00e4llt. Dann schneidet sich n\u00e4mlich nothwendig jede in dieser Ebene liegende Visirlinie des einen Auges mit der correspondirenden des andern und giebt einen Punkt der Horoptercurve, der in der Ebene liegt. Sollten die Visirlinien parallel laufen, so geben sie unendlich entfernte Punkte dieser Curve. Dann ist also ein Theil der Horoptercurve eine ebene Curve oder eine gerade Linie. Ist das erstere der Fall, und machen wir irgend einen Punkt dieser Curve zum Mittelpunkt eines durch die Horoptercurve gelegten Kegels, so wird ein Theil dieser Kegelil\u00e4che eine Ebene, der Rest der Kegelil\u00e4che kann dann nur eine zweite Ebene sein. Denn nur der Grenzfall, wo der Kegel in zwei sich schneidende Ebenen \u00fcbergeht, erlaubt, dass ein Theil der Kegeloberfl\u00e4che eben sei. Wenn diese anderen Ebenen, die nicht durch die dem Horopter angeh\u00f6rige ebene Curve gehen, eine gemeinsame Schnittlinie haben, so kann diese nur eine gerade Linie sein, die durch einen Punkt der erw\u00e4hnten ebenen Curve gehen muss. Zugleich folgt, dass die Curve eine Curve zweiten Grades sein muss, denn nur unter dieser Bedingung k\u00f6nnen die Kegel, welche ihre Spitze in der geraden Linie haben, Kegel zweiten Grades sein.","page":754},{"file":"p0755.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nEINFACHERE FORMEN DES HOROPTERS.\n755\nist zweitens die Schnittcurve der correspondirenden Visirlinien eine gerade Linie, so folgt, dass jeder Kegel, der einen ausserhalb dieser geraden Linie liegenden Theil der Horoptercurve zur Spitze hat, einen ebenen Theil hat, folglich aus zwei Ebenen besteht, und dass daher der Rest der Horoptercurve eine ebene Curve sein m\u00fcsse.\nAuch ist leicht einzusehen, dass wenn die Horoptercurve aus einer geraden Linie und einem Kegelschnitt besteht , die Augenmittelpunkte in dem letzteren liegen m\u00fcssen und die Ebene desselben ein correspondirendes und zusammenfallendes Ebenenpaar beider Augen darstellt. Denn es kann nicht ein Auge in der Curve, ein anderes in der geraden Linie liegen; sonst w\u00fcrde ein B\u00fcndel von Visirlinien des ersteren, welches nach den Punkten der Curve geht und daher in einer Ebene liegt, im zweiten in einer gekr\u00fcmmten Kegeloberfl\u00e4che liegen, was nicht angeht. Und sollten beide Augen in der geraden .Linie liegen , so m\u00fcsste diese ein Paar corre-spondirender Visirlinien vertreten, und giebt es dann ausserhalb dieser geraden Linie noch irgend einen Punkt der Horoptercurve, z. B. den Fixationspunkt, so w\u00e4re die durch ihn und die Augen gelegte Ebene Vertreterin eines correspondirenden Ebenenpaars und m\u00fcsste eine Horoptercurve enthalten.\nDie Bedingung f\u00fcr die Zusammensetzung der Horoptercurve aus einem ebenen Kegelschnitt und einer diesen schneidenden geraden Linie ist also, dass es Werthe von l, m, n giebt, f\u00fcr welche die Gleichungen\nlA-\\-mB-\\-nC \u2014 0 m -+- mS\u00d6 + n(i = 0\nidentisch werden. Bringt man mittels der Gleichungen 5a) und 5 b) diese Gleichungen auf die Form\nA \"+\u25a0 fi1) + fd + /s \u2014 \u00f6\n'I \u00a5 + \u00abTi ty+fa\u00e4 +\nso muss sein\nL = L \u00c4 A & L.\n<P <fi Vi\nDer letzte Bruch ist unabh\u00e4ngig von l, m, n ; in den drei ersten sind Z\u00e4hler und Nenner lineare Functionen von l, m, n. Indem man jeden der drei ersten Br\u00fcche dem letzten gleich setzt, erh\u00e4lt man drei lineare Gleichungen f\u00fcr l, m, n ohne constantes Glied, und daraus folgt, dass die Determinante der Coefficienten von l, m, n gleich Null sein muss. Dies giebt eine Gleichung zwischen den Gr\u00f6ssen a, Oj, II, it, und y, welche erf\u00fcllt sein muss, wenn die Horoptercurve die oben angegebene Gestalt erhalten soll. Es ist nicht noting, diese Rechnung hier durchzuf\u00fchren, da uns nur diejenigen Stellungen der Augen n\u00e4her interessiren, die nach dem LisTixu\u2019schen Gesetze m\u00f6glich sind.\nGeometrisch l\u00e4sst sich die Bedingung hierf\u00fcr folgendermassen ausdr\u00fccken. Bezeichnen wir die Linie, welche die beiden Mittelpunkte der Visirlinien verbindet, mit F. Diese Linie kann sowohl als eine der Visirlinien des rechten Auges, wie als eine des linken betrachtet werden. Im ersteren Sinne muss es zu ihr eine cor-respondirende Visirlinie II im linken Auge geben, im zweiten Sinne eine corre-spondirende G im rechten Auge. Wenn G und II sich schneiden, so liegen sie mit F in einer Ebene, welche dann f\u00fcr beide Augen correspondirend liegt, da zwei Paar correspondirender Visirlinien in ihr liegen, F und G f\u00fcr das rechte, F und H f\u00fcr das linke Auge. Bei jeder Stellung der Augen wird es also m\u00f6glich sein, durch Drehung des einen um seine Gesichtslinie eine Stellung herbeizuf\u00fchren, welche der Horoptercurve die gew\u00fcnschte einfache Gestalt giebt.\n48 *","page":755},{"file":"p0756.txt","language":"de","ocr_de":"756\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u202231.\nF\u00fcr An geil, Welche dem Gesetze von Listing folgen, symmetrisch gebildet sind und deren Netzhauthorizonte bei parallelen Blicklinien in der Visirebene liegen, ist es klar, dass die genannte Bedingung erf\u00fcllt ist, erstens bei den symmetrischen Stellungen der Augen, wo die Linien G und II auch symmetrisch liegen und sich daher in der Medianebene schneiden m\u00fcssen, zweitens wenn die Visirebene sich in ihrer Prim\u00e4rstellung befindet, weil- dann die einander correspondivenden Netzhauthorizonte in ihr liegen. Es sind dies \u00fcbrigens theoretisch nicht die einzigen F\u00e4lle der Art, sondern es w\u00fcrden f\u00fcr Augen, die dem LisTiN\u00df\u2019schen Gesetze genau folgen, in nach unten und seitlich gerichteten Stellungen noch gewisse sehr grosse Entfernungen des Fixationspunktes existiren, in denen die Visirebene f\u00fcr beide Augen eorrespondirend w\u00e4re und daher eine ebene Ellipse als Horoptercurve enthalten m\u00fcsste. Von irgend welcher praktischer Wichtigkeit sind aber diese F\u00e4lle nicht, da bei sehr grossen Entfernungen des Fixationspunktes \u00fcberhaupt die Beobachtungen \u00fcber die Lage der einfach gesehenen Punkte zu unbestimmt werden. In Augen, wo die Abweichung der scheinbar verticale\u00bb Meridiane fehlt, r\u00fccken die erw\u00e4hnten Lagen des Fixationspunktes in unendliche Entfernung hinaus.\nMit Auslassung kleiner Gr\u00f6ssen ist in solchen F\u00e4llen die Entfernung p des Fixationspunktes von dem Mittelpunkte eines mitten zwischen den Augen gelegenen ideellen Auges, wenn \u00ab der Erhebungswinkel, y der Seitenwendungswinkel dieses Auges w\u00e4re, a der halbe Abstand der wirklichen Augen, t die halbe Abweichung der scheinbar verticale\u00bb Meridiane von einander\n\u2014\u2014\t- f ~\na cos y\nsin \u00a3 sin \u00df cos \u00df\nu.\nIn der N\u00e4he der Medianebene, wo y = 0 und in der N\u00e4he der Prim\u00e4rlage der Visirebene, wo u = 0, wird \u00df\u20140 und p unendlich lang. Positive Werthe hat es nur f\u00fcr ein negatives a, also unterhalb der Visirebene.\nWir wollen jetzt die beiden erst erw\u00e4hnten F\u00e4lle behandeln, in denen der Horopter aus einer geraden Linie und einer ebenen Curve besteht, F\u00e4lle, welche eine gewisse Wichtigkeit f\u00fcr die Beobachtungen haben.\nA. Der Fixationspunkt liegt in der Medianebene in unendlicher Entfernung. Dann wird in den Gleichungen 5a) und \u00f6b)\na = a,\td- \u2014 \u2014 9,\n\u2022\nA\t=\t\u2014\t\u00a3 sin y *sin 9 -b\tt) cos y\tsin 9 -f- 3\tcos 9\nB\t=\t\u2014\t\u00a3 siny cos (9 \u2014I\u2014 e) H\u2014\tIj cosy cos + f)\t~\tS\tsin\t(9\tA\nC = a \u2014 \u00a3 cos y \u2014 1) sin y\n\u2014\t\u2014\t\u00a3 sin y sin 9 \u2014\tt; cos y\tsin 9 -b 5\tcos 9\n<8\t=\t\u00a3 siny cos (9 -b e)\t-+- 1) cosy cos (9 -b 0 -b\t3\tsin\t(9 -b O\n(J = a \u2014 \u00a3 cos y -b 1) sin y\nZusammenfallende correspondirende Ebenen finden sich, wenn wir setzen\nA sin y -b C cos y sin 9 \u2014 0 31 sin y + S cos y sin 9 = 0,","page":756},{"file":"p0757.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 31.\n\u25a0EINFACHERE FORMEN DES HOROPTERS.\n757\ndenn beide Gleichungen geben identisch, vorausgesetzt, dass nicht sin y und sin 3 gleichzeitig gleich Null sind:\n\u00a3 sin 3 \u25a0\u2014 3 sin y cos 3 \u2014 a cos y sin 3 = 0 \u25a0\t.\t.\t.\t6 a).\nDies ist also die Ebene des Kegelschnitts. Ferner wird f\u00fcr\n1) = 0 und \u00a3 sin y cos (3 -|- e) \u2014 \u2014 3 sin (3 + f).\t.\t.\t6 b)\nA \u2014 21 ' = \u2022\u2014 \u00a3 sin y sin 3 + 3 cos-3\nB = 23 = 0 C = E = a \u25a0\u2014 \u00a3 cos y.\nAlso sind die Punkte der durch die Gleichungen 6 b) gegebenen geraden Linie f\u00fcr beide Augen correspondirend, und jene Linie ist die gerade Horopterlinie.\nIhr parallel m\u00fcssen die Kanten des Cylinders sein, auf dem die Horopterlinie liegt, und diejenigen Ebenen, die sich in den Cylinderkanten schneiden. Bildet man die Gleichung der correspondirenden Ebenen:\nA cos y sin (9 + f) \u2014 C sin y cos e \u2014 0 2i cos y sin ( 9 + s) \u2014 E sin y cos t = 0,\nso reduciren sich diese f\u00fcr 1) = 0 auf\na tang y cos s\t.\t,n ,\t,\t\u25a0\t.\tn\n-----\u2014------- \u2014 r sin y cos (3 + t ) \u2022\u2014 3 sin 3+f\t\u2014 0.\nco s 9\t'\nIhre Schnittlinie ist also, wie man aus der Vergleichung mit 6b) sieht, der geraden Horopterlinie parallel und liegt wie diese in der Medianebene.\nAndererseits schneiden sich in der geraden Horopterlinie gem\u00e4ss 6b) die Ebenen\nB = S\u00d4 \u2014 0\nund die correspondirenden Ebenen\nA cos y sin (3 H- e) + % B \u2014 C sin y cos \u00a3 = 0 21 cos y sin (3 + f) + *3) \u2014 E sin y cos e = 0\nschneiden sich also ebenfalls in Linien, die der geraden Horopterlinie parallel sind. Eliminirt man aus ihnen \u2022/., so erh\u00e4lt man\n(.433 \u2014 jB?I) cos y sin (3 + r) \u2014 (33C-\u2014-BE) sin y cos\u00ab = 0\nals Gleichung des Cylinders. Diese Gleichung redueirt giebt:\n<r sin 4 cos 2 y\nin -y cos 2e . , I . \u201e\no\u201c-----27T = t) Sin 2y cos2 (3 + 0\n>s y cos 3\tL\nsin 9 \u2022 sin 2 (3 + \u00ab)\n2 cos 3\n+ j^\u00a3 siny cos (3 + t) + 3 sin (3+t)\n\u00ab sin y cos \u00a3 2 cos y cos 3\n]]\n6 c).\nEs ist dies die Gleichung eines Cylinders, welcher die Ebenen 3 = Const, schneidet in Kegelschnitten, deren \u00a3Axe stets reell ist, n\u00e4mlich\na cos \u00a3\n2 cosy cos 3 cos (3+0","page":757},{"file":"p0758.txt","language":"de","ocr_de":"758\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 31.\nDie Axe dagegen ist dies nicht nothwendig, ihr Quadrat ist\na2 tang 2y cos 2e\n^\t4 cos fr cos (fr -I- 0 [sin 2y cos (fr 4- t) cos fr -I- sin fr sin (4 4- 0\nIn diesem Ausdrucke werden cos fr und cos (4 4-\u00ea) f\u00fcr die ausf\u00fchrbaren Augenbewegungen immer positiv sein. Wenn aber tang S\u2019tang (4 4- i) negativ wird und sein absoluter Werth dabei gr\u00f6sser als der von sin 2y, so wird Y imagin\u00e4r und der Schnitt eine Hyperbel. Da t der Regel nach einen kleinen positiven Werth hat, so muss fr zu diesem Zwecke noch kleinere negative Werthe haben, was nur bei abw\u00e4rts gerichteten Gesichtslinien und weiter Entfernung des Fixationspunktes eintreten kann.\nDie F Axe dieses in der Visirebene liegenden Kegelschnitts f\u00e4llt mit der der ebenen Horoptercurve zusammen; um die mediane Axe der letzteren zu finden, setze man den Werth von 3 aus der Gleichung 6 a) in 6 c) und zugleich 1) = 0, so kann man f\u00fcr das eine und andere Ende der betreffenden Axe die Coordinaten j0, und \u00ff,, g, finden. Die Gr\u00f6sse der stets reellen Axe X1 ist dann gegeben durch die Gleichung\n= -j(\u00a3i \u2014 \u00efo)2 + -J U \u201c \u00e4o)2\nq2 sin2y cos 2t (sin 2y cos 2 fr -I- sin 23-)\n4 cos 2y cos 24[sin 2y cos fr cos (4 4- \u00a3) 4- sin fr \u2022 sin (4 -I- \u00a3)]2\nund es findet sich\nX\\\tsin 2y 4- tang 2 fr\nY2 sin V 4- tang fr \u2022 tang (fr 4- O\nMan kann zur Construction der Horoptercurve statt des bisher betrachteten Cylinders auch den Kegel des Verticallioropters\n\u2014 2\u00d4C = 0\nbenutzen, oder\n[\u00e7 sin y cos (44-i) 4- 3 sin (44-f)] [a \u2014J cos y] \u2014 i)2 cos y sin y cos (44-f) = 0\nf\u00fcr 3=0, das heisst in der Visirebene, ist die Schnittlinie ein Kreis, gegeben durch folgende Gleichung:\nl _ a \\2\t.2 ___ a2\n1*\t2 cos y) \u201d\t4 cos 2y\nDieser Kreis geht durch die Punkte\n\u00a5 = 0\na\nX \u2014 --------,\nCOS y\n\u00a3 = a cos y \u00a3 = a cos y\nt) = 0\ni) = 0\nt) = a sin y I) = \u2022\u2014 a sin y.\nDie zwei ersten sind der Fixationspunkt und der ihm diametral gegen\u00fcber liegende Punkt, die beiden andern sind die Mittelpunkte beider Augen. Dadurch ist dieser Kreis gegeben.","page":758},{"file":"p0759.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 31.\nEINFACHERE FORMEN DES HOROPTERS.\n759\nDer Kegel schneidet die Medianebene, \u00cf) = 0, in den beiden Linien y sin y cos (& -f- f) \u2014 \u2014 J sin ( ^ H\u2014 \u00ab )\n\u00a3 cos y \u2014 a.\nErsteres ist die gerade Horopterlinie, die zweite ist senkrecht zur Visirebeno und schneidet diese in dem dem Fixationspunkt diametral gegen\u00fcberliegenden Punkte des Kreises. Die Ordinaten der Spitze des Kegels sind also\na\n^ cos y\nJ = \u2014 a tang y \u2022 cotang ( & -F- \u00a3 ).\nUm die Lage der betreffenden Linien und Ebenen zu finden f\u00fcr Augen, welche dem Gesetze von Listino folgen, setzen wir den Erhebungswink.el zwischen der Prim\u00e4rlage der Visirebene und ihrer actuellen Lage gleich \u00df, und haben dann\ntang d- \u2014\nsin y sin \u00df cos y cos \u00df\nDie Gleichung 6 a) f\u00fcr die Ebene der Horoptercurve wird dann\n7)\n(y \u2014 a cos y)\ncos y -+- cos \u00df sin \u00df\n.\t.\t7 a).\nDie Gleichungen f\u00fcr die Prim\u00e4rrichtung der Gesichtslinien sind unter diesen Umst\u00e4nden:\ni) =\t\u00b1asiny und\t3 =\t(y\u2014 a cos y) tang \u00df\t. . .\t.\t7\tb).\nDie\tGleichungen\tf\u00fcr die actuellen\tLagen\tder Blicklinien sind\n3 = 0 und\t1) =\t\u00b1 y tang y..................7\tc).\nDer Fixationspunkt ist auf den letzteren Linien in der Entfernung a von den Mittelpunkten der Augen. Schneiden wir auch auf den Linien 7 b) einen Punkt in der Entfernung a vom Mittelpunkte des betreffenden Auges ab, so sind dessen Coordinaten\ny = a (cosy\u2014 cos \u00df), i) = \u00b1asiny, 3 = \u2014 a sin/?........................7d).\nDie Coordinaten-eines Punktes dagegen, der in der Mitte zwischen diesem Punkte 7d) und dem Fixationspunkte liegt, f\u00fcr welchen letzteren\ny \u2014 0\tt) = 0\t3 = 0\nsind halb so gross als die Coordinaten 7 d), also\n/ / /\ny = \u2014a(cosy \u2014 cos/9), l) = d=yOSiny, 3 = \u2014 y a sin \u00df.. 7e).\nDiese letzteren Werthe erf\u00fcllen nun die Gleichung 7 a) und es liegen also die beiden Punkte 7 e) in der Ebene der Horoptercurve.\nDie Ebene des Kegelschnitts, der der Horoptercurve angeh\u00f6rt, wird also bei medianem Fixationspunkte gefunden, wenn man die Winkel, welche die prim\u00e4re und die actuelle Lage jeder Blicklinie bilden, halbirt und durch die Halbirungslinie eine Ebene legt. Dieser Umstand ist bei der Construction auf Seite 717, Fig. 207, benutzt.","page":759},{"file":"p0760.txt","language":"de","ocr_de":"760\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7.31. '\nWenn man ferner durch den Mittelpunkt jedes Auges eine Ebene legt, senkrecht zu der Verbindungslinie desselben Punktes mit dein zugeh\u00f6rigen Punkte der Gleichungen 7e), so ist deren Gleichung\n(Ic\u2014a cosy) (cosy+cos^) \u2014 (a sinyipt)) sin y -+- 3 sin \u00df \u2014 0 . . . . 7f).\nNimmt man hierzu noch die Gleichung einer Ebene, welche in der Entfernung \u2014 a sin y cotang \u00a3 unterhalb der Prim\u00e4rlage der Visirebene 7 d) liegt und deren Gleichung ist:\n3 \u2022 cos \u00df 0 cotang \u00a3 \u2022 sin y = (\u00e7\u2014a cos y) sin \u00df .\t.\t.\t7 g),\nso ergiebt sich, dass die Ebenen, welche durch die gerade Horopterlinie gehen, n\u00e4mlich\ny sin y -+- 3 tang (# + e) = 0,\tt) = 0\nund die beiden Ebenen 7 f) und 7 g) durch einen Punkt gehen, da die Werthe von j \u00cf) 3 aus je drei dieser Gleichungen, mit Ber\u00fccksichtigung von 7) in die vierte gesetzt, diese identisch machen. Darauf beruht die Construction der geraden IIo-ropterlinie oben in Fig. 208.\nB.\tFixationspunkt in der Mittelebene in unendlicher Entfernung. Eine besondere Untersuchung verdient noch der Fall, wenn sin y und sin it gleichzeitig gleich Null sind, ein Fall, den wir oben bei der Gleichung 6a) von der Untersuchung ausschliessen mussten. Es sind alsdann die Gesichtslinien einander parallel in die Ferne gerichtet. Die Entfernung a des Fixationspunktes und die Coordinate \u00a3 wird unendlich gross, aber die Gr\u00f6sse a sin y, welche die halbe Entfernung der Augen ist, blei\u00dft constant, wir wollen sie mit 6 bezeichnen, und j \u2014 a mit \u00a7. Dann wird\n*\t=\ti\t2*\t=\t3\nB\t=\t\u2014\tb\tcos \u00a3 -+- 1) cos e \u2014 3 sin \u00a3\tSS\t\u2014\tb cos \u00a3\t-+- t) cos \u00a3 H- 3 sin \u00a3\nC\t=\t-\tg\t6\t=\t\u2014 S.\nDann sind also die Bedingungen der Correspondenz, dass\n4 = a, b = \u00ae, c = e\nvollst\u00e4ndig erf\u00fcllt f\u00fcr alle Punkte f\u00fcr welche\nb cos \u00a3 + 3 sin t \u2014 0.\nDies sind die Punkte einer Ebene, die in der Entfernung \u2014- 6 cotang \u00a3 unterhalb der Visirebene liegt. Diese bildet also in diesen F\u00e4llen den Horopter.\nC.\tDer Fixationspunkt liegt in der Prim\u00e4rlage der Visirebene. Nach dem LisTiuo\u2019schen Gesetze wird\n& \u2014 $' = <)\nund also nach 5 a) und 5 b)\nA = 3\nB = \u2014 \u00e7 siny cos e -j- t) cos y cos t \u2014 3 sin t C \u2014 a \u2014 \u00a3 cos y \u25a0\u2014 t) sin y 2L = 3\n93 = \u00ff sin y cos \u00a3 + 1) cos y cos e -+- 3 sin e \u00df = at \u2014 \u00a3 cos y -J- t) sin y","page":760},{"file":"p0761.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 31.\nEINFACHERE FORMEN DES HOROPTERS.\n761\nDer Kegel\nA&\n2t C = 0\nwird\na L\u201ci\n\u2014 a -|- 21) sin y] = 0\nund zerf\u00e4llt idso in die beiden Ebenen\n\u00e0 = 0 und t) =\na \u2014 a,\nDie Fl\u00e4che\n2 sin y\nA S\u00e4 \u2014 812\u00bb = 0\nwird\n2 3 [\u00e7 sin y cos f 4- 3 sin s] = 0 und zerf\u00e4llt also in die beiden Ebenen\n3 = 0 und \u00a3 sin y $ tang a = O\n8 a) 8 b).\n8 c).\nDie Fl\u00e4che endlich\nB<& \u2014 S\u00d6C = O\nwird\n\u2014 (\u00ff sin y cos a -1- 3 sin f) (a, + a \u2014 2% cos y) -+- 2tf cos y sin y cos e\n+ (a,\u2014 a) \u00ef) cos y cos t \u2014 0,\nwas die Gleichung eines Hyperboloids ist. Die Schnittlinie desselben mit der Ebene 3 = 0 ist\n/\ta + a V ( a \u2014a\\2\t1\t\u00ab2 + a\\ \u2014 2aa\tcos 2y\nF -\ttt^)\t+ P>\t+ ts-,)\t= t--------------bnriTF----------\nein Kreis, welcher durch die Punkte\n\u00a3\t=\t0\ti)\t=\t0\ny.\t=\ta cos y\tl)\t=\ta sin y\nJE\t=\ta, cos y\tl)\t=\t\u2014 a, sin y\nhindurchgeht, der M\u00dcLLER\u2019sche Horopterkreis.\nDie gerade Linie des Horopters ist demgem\u00e4ss die durch die beiden unter 8 b) und 8 c) aufgef\u00fchrten Gleichungen gegebene Linie\n\u2022 .\ta \u2014 a, .\t.\t,\nt) = - . . \u25a0\tund r\tsin y\t-+- 3\ttang\ta = 0.\n2 sin y\tc <\t0 a\nIhr Schnittpunkt mit der Visirebene liegt auch im Horopterkreise, sie l\u00e4uft der Medianebene I) = 0 parallel. Die Entfernung des Schnittpunktes von den beiden Augenmittelpunkten ist die gleiche, n\u00e4mlich\n\u25a0J/a2 \u2014 2aax cos 2y -f- \u00ab2 ______ b\n2 sin y\tsin y \u2019\nwenn wir die halbe Distanz der Augen von einander mit b bezeichnen.\nso wird\nb\nsin y \u2019\nb\ntang e\nMacht man","page":761},{"file":"p0762.txt","language":"de","ocr_de":"762\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 31.\nDiese letztere Gr\u00f6sse ist aber die Entfernung- der Iloropterfl\u00e4che unter der Visirebene, wenn beide Gesichtslinien der Medianebene parallel sind, und so ergiebt sich die oben angegebene Construction der geraden Horopterlinie.\nDie Frage \u00fcber den Grund des Einfach- und Doppelsehens ist schon sehr alt. Schon Galenus 1 (geh. 113 p. C.) machte zur Erkl\u00e4rung des ersteren die Annahme, dass sich Sehnervenfasern im Chiasma der Sehnerven verb\u00e4nden. Dieser anatomischen Hypothese schlossen sich sp\u00e4ter an I. Newton2, Rouault 3, Hartleys W. H. Wollaston5, Joh. M\u00fcller\u00ab. Eine zweite Ansicht suchte die Schwierigkeit durch die Annahme zu beseitigen, dass wir immer nur mit einem Auge auf einmal s\u00e4hen. Dieser Meinung war Porta 7. Ihm schlossen sich Gassendi8, Tacquet, Gall und du Tour 9 an. Letzterer berief sich dabei namentlich auf die Ph\u00e4nomene des Wettstreits zwischen beiden Gesichtsfeldern und beschr\u00e4nkte die Annahme auch dahin, dass bald gleichzeitig mit beiden Augen, bald nur mit einem gesehen werden sollte.\nDie dritte davon verschiedene Ansicht war die sogenannte Projectionstheorie, wobei das Einfachsehen f\u00fcr einen Act unseres Verst\u00e4ndnisses der Gesichtsempfindungen erkl\u00e4rt wird. In ihrem Sinne \u00e4ussert sich schon Keppler io; mit ihm gleichzeitig stellte Aguilonius 11 die Iheorie auf, dass wir die Gesichtsbilder immer auf eine gewisse durch den Fixationspunkt gehende Ebene projicirten, die er den Horopter nannte, und dass sie einfach oder doppelt erschienen, je nachdem ihre Projection einfach oder doppelt w\u00e4re. N\u00e4her an Keppler\u2019s Ansicht schliesst sich Porterfield an, indem er meint, wir s\u00e4hen die Objecte nicht doppelt, weil jedes Auge sie an ihren richtigen Platz verlegt; was sp\u00e4ter dann so formulirt wurde, dass wir sie in den Kreuzungspunkt der Visirlinien verlegen. In dieser Form ausgesprochen, w\u00fcrde das Gesetz mit der Existenz der Doppelbilder im Widerspruch sein. Porterfield erw\u00e4hnt wohl solche, die bei einer durch Druck oder Zerrung herbeigef\u00fchrten Zw-angsstellung des Auges eintreten, setzt hier aber voraus, dass ein Irrthuin \u00fcber die Stellung des Auges stattfinde.\nDiese drei Ansichten liegen auch den neueren Theorien meist mehr oder w-eniger vermischt zum Grunde; ein wesentlicher Fortschritt geschah aber durch genauere Untersuchungen der thats\u00e4chlichen Verh\u00e4ltnisse.\nDas Gesetz der Erscheinungen wurde zuerst genauer und im Wesentlichen richtig von J. M\u00fcller 12 formulirt, indem er das Einfachsehen und Doppeltsehen davon abh\u00e4ngig machte, ob sich die Bilder des betreffenden Punktes auf identische oder nicht identische Punkte beider Netzh\u00e4ute entwerfen. F\u00fcr die Lage der identischen Punkte gab er die der Hauptsache nach richtige Regel, dass sie von der B\u00fctte der Netzh\u00e4ute in gleicher Richtung gleich weit entfeint l\u00e4gen. Er spricht sich dabei nicht mit Bestimmtheit f\u00fcr eine besondere anatomische Hypothese (Vereinigung der identischen Fasern im Chiasma der Sehnerven oder im Gehirn) aus, behauptet aber, der Grund der Identit\u00e4t m\u00fcsse ein organischer sein.\nGenauere Bestimmungen der Lage der identischen oder correspondirenden Punkte wurden sp\u00e4tei namentlich von Volkmann 13 gegeben. Blit der beobachteten Lag# der identischen Punkte war aber die Annahme des Aguilonius, dass der Horopter eine Ebene sei, unvertr\u00e4g-licli. Schon Vieth 14 und Joh. BI\u00fcller hatten eingesehen, dass sein Schnitt mit der Visir-\n1 De usu partium. Lib. X, cap. 12.\nI\tOpticks. im p. 320. Query 18.\ns Trait\u00e9 do physique. Paris 1671 und 1682. Part. I, cap. 3I.\n4\tObservations on man. I, 207.\n5\tPhil. Trans. 1824. I, 222.\n6\tZur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinns. Leipzig 1826.\n7\tDe refractione. p. 142. 1593.\n8\tOpera. Vol. II, p, 395.\n9\tActa Paris. 1743. p. 334. M\u00e9m. des savants eirang. 111,514. IV, 499. V, 677.\n10\tDioptrice. Propos. LXII.\nII\tOpticorum Libri VI. Antwerp. 1613.\n\u201d\t\"f vergleichenden Physiologie des Gesiehtsinns. Leipzig 1826. p. 71. Lehrbuch der Physiologie,\nloi\u00fc. 11, 376-\u201487.\n\u201c Physiologische Untersuchungen im Gebiete der Optik von A. W. Volkmann. Zweites lieft. Leipzig 1861.\n1\u2018 Gilbert's Annalen. LV1I1, 233.","page":762},{"file":"p0763.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 34.\nGESCHICHTE DES BINOCULAREN DOPPELTSEHENS.\n763\nebene ein durch den Fixationspunkt lind die beiden Augen gehender Kreis sein m\u00fcsse. Sp\u00e4ter zeigten A. P. Pr\u00e9vost 1 und Burckiiardt, dass in den Augenstellungen ohne Raddrehung zu dem M\u00dcLLER\u2019schen Kreise noch eine gerade Linie komme, dass der Horopter also \u00fcberhaupt im Allgemeinen keine Fl\u00e4che sei. Hering 2 erwies, dass der Horopter im Allgemeinen immer eine Linie sein m\u00fcsse; damit war seine Bedeutung im Sinne des Aguilonius aufgehoben. Die allgemeine. L\u00f6sung des Horopterproblems, welche noch die Kenntniss des Augenbewegungsgesetzes erfordert und \u00fcbrigens eine rein mathematische Aufgabe war, habe ich selbst und Herr E. Hering fast gleichzeitig gegeben 3. Daran schliesst sich dann noch eine Arbeit von H. Hankel 4, in welcher eine ausf\u00fchrlichere analytische Behandlung des Problems gegeben ist, aber ohne Ber\u00fccksichtigung der hier sehr einflussreichen Abweichung der scheinbar verticalen Meridiane.\nDaneben ist dann seit Wheatstone\u2019s Erfindung des Stereoskops die Aufmerksamkeit der Forscher haupts\u00e4chlich mit der Verschmelzung der Doppelbilder besch\u00e4ftigt gewesen, weil sich an diese namentlich die theoretischen Fragen ankn\u00fcpfen \u00fcber die Art des Zusammenwirkens beider Augen. Diese theoretischen Fragen k\u00f6nnen wir erst am Schl\u00fcsse des n\u00e4chsten Paragraphen besprechen. Den grossen Einfluss, welchen die Bewegung der Augen auf die Verschmelzung der disparaten Bilder k\u00f6rperlicher Objecte und stereoskopischer Zeichnungen habe, zeigte zun\u00e4chst Br\u00fccke 5; dass dagegen eine solche Verschmelzung auch bei absoluter Vermeidung aller Augenbewegungen doch auch Vorkommen kann (wenn auch in viel geringerem Grade), bewies Dove 6 durch Anwendung der elektrischen Beleuchtung, Beobachtungen, welche sp\u00e4ter durch Volkmann 7, August 8, Recklinghausen 9 mit abge\u00e4nderten Methoden wiederholt und best\u00e4tigt wurden. Ueber die Grenze und die Bedingungen der Verschmelzung enthalten namentlich die Arbeiten von Panum 10 11 und Volkmann 11 eine grosse\n1\tEssai sur la th\u00e9orie de la vision binoculaire. Gen\u00e8ve 1843; und Poggendorff\u2019s Ann. 1844. Bd. LXII, S. 548.\n2\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie. Heft III, S. 196\u2014199. Leipzig 1863. Heft IV, 1864.\n3\tMeine erste Mittlieilung wurde gemacht der naturhistorisch mcdicinischen Gesellschaft zu Heidelberg am 24. October 1862, das Manuscript eingereicht am 8. November 1862. Darin sind zum ersten Male Gleichungen f\u00fcr die Form des Horopters im allgemeinen Falle gegeben, freilich noch nicht in ihrer einfachsten Form, indem er als Schnittlinie einer Fl\u00e4che zweiten und einer vierten Grades ausgedr\u00fcckt ist. Auch ist darin noch nicht die Abweichung .der scheinbar verticalen Meridiane ber\u00fccksichtigt. Die Gestalt des Horopters im allgemeinen Falle ist darin kurz beschrieben. Ehe diese nur als vorl\u00e4ufige betrachtete Mittheilung durch den Druck ver\u00f6ffentlicht war (Herbst 1863), erschien das 3. Heft der Beitr\u00e4ge zur Physiologie von Herrn E. Hering, worin der Nachweis gef\u00fchrt war, dass der Horopter jedenfalls immer mindestens eine Linie (wenn nicht Fl\u00e4che) sein m\u00fcsse, die Gestalt desselben aber nur f\u00fcr die schon fr\u00fcher behandelten einfacheren F\u00e4lle wirklich bestimmt war. Dann folgte mein Aufsatz \u00fcber den Horopter im Archiv f\u00fcr Ophthalmologie X, 1, S. 1\u201460, dessen Correctur schon Mitte M\u00e4rz 1864 vollendet war, worin der Horopter als Schnittlinie zweier Fl\u00e4chen zweiten Grades dargestellt und der Einfluss der Abweichung der scheinbar verticalen Meridiane er\u00f6rtert ist. Ohne Kenntniss dieser Arbeit zu haben, hat Herr E. Hering im Juni 1864 sein 4. Heft zum Druck gesendet, welches ebenfalls die R\u00fcckf\u00fchrung auf die Schnittlinie zweier Fl\u00e4chen zweiten Grades enth\u00e4lt mit Benutzung der hierzu sehr geeigneten STEiNEii\u2019schen Geometrie. Die dabei gegen meine erste Arbeit gerichtete Kritik beruht wesentlich auf dem Missverst\u00e4ndnisse, dass ich von dem geredet habe, was ich oben Horopter, Herr Hering von dem, was ich die Iloroptercurve genannt habe, und dass beides nicht ganz identisch ist, wie ich in Poggendorff\u2019s Annalen CXXIII S. 138\u2014161 auseinandergesetzt habe. Endlich enth\u00e4lt das 5. Heft von Hering\u2019s Beitr\u00e4gen wieder eine Kritik meiner zweiten Arbeit, aus der ich nur einen Punkt (S. 350) erw\u00e4hnen will, in welchem Herr Hering in der That Recht hat; dass n\u00e4mlich auf S. 44 meiner Abhandlung der Winkel tj allgemein gleich 7j, gesetzt worden ist. Es ist das eine Fl\u00fcchtigkeit, die mir bei der letzten, vor einer Reise sehr eilig gemachten Ueberarbeitung des Aufsatzes untergelaufen ist, in dem Streben die mathematische Abtheilung m\u00f6glichst zusammenzudr\u00e4ngen. Ich hatte vorher die beiden F\u00e4lle, in denen jene Behauptung richtig ist, einzeln behandelt und der Fehler hat also auch weiter keinen Einfluss auf die Richtigkeit der Consequenzen. Die \u00fcbrigen Ausstellungen, welche Herr Hering macht, haben theils nur pers\u00f6nliches Interesse, und werden von Lesern, die sich f\u00fcr dergleichen interessiren sollten, ohne weitere Er\u00f6rterungen meinerseits leicht erledigt werden, theils k\u00f6nnen sie nur durch vielfach wiederholte Beobachtungen vieler Individuen entschieden werden. W'as ich von solchen habe beibringen k\u00f6nnen, ist obeq geschehen.\n4\tPoggendorffs Annalen. CXXII, 575 \u2014 588.\n5\tM\u00f6ller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. 1841. S. 459.\n6\tMonalsber. d, Berl. Akad. 1841, 29. Juli.\n7\tLeipz. Berichte. 1859, S. 90\u201498.\n8\tPogg. Ann. CX, 582\u2014593.\n9\tEbenda. CXIV, 170\u2014173.\n10\tPhysiologische Untersuchungen \u00fcber das Sehen mit zwei Augen. Kie 1858; und in Reighert und du Bois Reymond Archiv. 1861. 63\u2014227.\n11\tArchiv f\u00fcr Ophthalmologie. II, 2, 1 \u2014100; und Physiol. Untersuchungen im Gebiete der Optik. Heft II.","page":763},{"file":"p0764.txt","language":"de","ocr_de":"764\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 31.\nMenge sorgf\u00e4ltig gemachter Beobachtungen und Messungen. Der viel bestrittene Versuch von Wheatstone , wonach die Eindr\u00fccke identischer Punkte zur Ausf\u00fcllung verschiedener Stellen des Anschauungshildes von den wahrgenommenen k\u00f6rperlichen Objecten gebraucht werden k\u00f6nnen, wurde einerseits best\u00e4tigt durch Nagel 1 und W\u00fcndt 1 2. Andererseits wurde dagegen hervorgehoben, dass man bei hinreichender Aufmerksamkeit und Anwendung passender Mittel, um die Doppelbilder leichter sichtbar zu machen, auch immer die Bilder getrennt sehen k\u00f6nne, von Volkmann3, E. Hering4 5, W. Bezold \u00e4. Dass beides nicht nothwendig im Widerspruch steht, habe ich oben er\u00f6rtert.\n113. Galenus. De usu partium. Lib. X, c. 12.\n1593. Porta. De refractione. p. 142.\n1611. Keppler. Dioptrice. Propos. LXII.\n1613. Aguilonius. Opticorum libri VI. Antwerp.\n1658. Gassendi. Opera. Vol. II, p. 395.\n1669. Tacquet. Opera mathematica.\n1671. Rohault. Trait\u00e9 de physique. Paris 1671 und 1682. Part. I, cap. 31.\n1704. I. Newton. Optice. Quaestro XXV.\n1743. Du Tour. Act. Paris 1743 p. 334.\n1759.\tPorterfield. Ou the eye. II, 285.\n1760.\tDu Tour. Pourquoi un objet sur lequel nous fixons les yeux, par oit-il unique? M\u00e9m. des savants \u00e9trang. Ill, 514. IV, 499. V, 677.\n1818. G. U. A. Vietii. Ueber die Richtung der Augen. Gilbert\u2019s Ann. LVIII, 233.\n182 4. W. H. Wollaston. On the semi- decussation of the optic nerves. Phil. Transact. 1824. I, 222. Edinb. Phil. Journ. XXII, 420. Annals of Philos. 1824, April, p. 306.\n1826.\tJoh. M\u00fcller. Beitr\u00e4ge zur vergleichenden Physiologie des Gesichtsinns. Leipzig.\n1827.\tTourtual. Die Sinne des Menschen, p. 234.\n1838. Ch. Wheatstone. On some remarkable and hitherto unobserved phenomena of binocular vision. Phil. Transact. 1838. P. II, p. 384 \u2014 385.\n1840.\tJon. M\u00fcller. Handbuch der Physiologie des Menschen. Coblenz. Bd. II, S. 376\u2014387.\n1841.\tE. Br\u00fccke. Ueber die stereoskopischen Erscheinungen in .1. M\u00fcller\u2019s Archiv f\u00fcr Anal, und Physiol. 1841. S. 459.\nDove. Beil. Monatsb. 1841 , 29. Juli.\n1843.\tA. P. Pr\u00e9vost. Essai sur la th\u00e9orie de la vision binoculaire. Gen\u00e8ve. Auch in Poggendorffs Ann. 1844. LXII, 548.\n1844.\tD. Brewster. Law of visible position in single and binocular vision. Edinb. Phil. Trans. XV.\n1849.\tLocke. On-single and\tdouble vision. Phil. Mag.\tXXXIV,\t195. Silliman Amer.\nJ. VII, 68.\n\u2014\tLatiirop. Results additional to those offered by Dr. Locke. Silliman Journ. VIL 343.\n1852.\tA. M\u00fcller. Ueber das\tBeschauen der Landschaften\tmit normaler und abgc\u00e4nderter\nAugenstellung. Pogg.\tAnn. LXXXY1, 147 \u2014152.\tCosmos.\t1, 336.\n\u2014\tD. Brewster. Sur la\tvision binoculaire et le st\u00e9r\u00e9oscope.\tNorth-British Review.\n1855, May. Cosmos. I, 422 \u2014 425; 450 \u2014 453.\n1854.\tA. v. Graefe. Ueber Doppeltsehen nach Schieloperationcn und Iiicongruenz der Netzh\u00e4ute. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. I, 1, p. 82 \u2014120.\n\u2014\tF. Burckhardt. Ueber Binocularsehen. Verhandl. der naturf. Ges. in Basel. I, 123 \u2014 154.\n\u2014-\tMeissner. Physiologie des Sehorgans. Leipzig 1854.\n1855.\tII. Emsmann. Ueber Doppeltsehen. Pogg. Ann. XCVI, 588 \u2014 602.\n\u2014\tW. B. Rogers. Observations on binocular vision. Silliman J. (2) XX, 86 \u2014 98; 204 \u2014 220; 318\u2014335. XXI, 80 \u2014 95; 173\u2014189; 439. Cosmos. VHI, 229 \u2014230. Arch, des sc. phys. XXX, 247.\u2014249. Edinb. J. (2) HI, 210 \u2014 217.\n1 Lias Sehen mit zwei Auge\u00bb. Leipzig und Heidelberg 1861.\n3\tHe.m.k und Pfeuffer Zeitschr. f\u00fcr ration. Mediein. (3) XII , 249.\n3\tArchiv f\u00fcr Ophthalmol. H, 2, S. 72 \u2014 86.\n4\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie. Heft II, S. 81 \u2014131.\n5\tSitzungsber. d. Bayrischen Aliad. der Wissensch. Math. Phys. Klasse. 10. Dec. 1864.","page":764},{"file":"p0765.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 31.\nLITERATUR DES BINOCULAREN DOPPELTSEHENS.\n765\n185G. D. Brewster on Mr. Roger\u2019s theory of binocular vision. Proc. of Edinb. Soc III 336 \u20143S8.\tm\n1837. Giraud Teulon. Kote sur le m\u00e9canisme de la production du relief dans la vision binoculaire. C. It. XLV, 366\u2014369; Inst. 1837. 345 \u2014 346. Cosmos XI, 459 \u2014 461-490 \u2014492; 495 \u2014 495.\n\u2014\tD. Brewster. The stereoscope. London.\n1858.\tE. Claparede. Quelques mots sur la vision binoculaire et sur la question de l\u2019Horop-tre. Arch. d. sc. phys. (2) III, 138 \u2014 168. III, 225\u2014267; 111,-362 \u2014 368.\n\u2014\tP. L. Panum. Physiologische Untersuchungen \u00fcber das Sehen mit zwei Augen. Kiel.\n1859.\tA.\tP. Pr\u00e9vost.\tNote sur la vision\tbinoculaire Arch.\td. sc. phys. (2) IY,\t105 \u2014111.\n\u2014\tE.\tClapar\u00e8de.\tRemarques sur la\tnote pr\u00e9c\u00e9dente.\tEbenda p. 112.\n\u2014\tJ. v. IIasner. Ueber das Binocularsehen. Prager Ber. 1829, p. 10. Abhandl. der Kgl. B\u00f6hmischen Ges. (5) X, 23 \u2014 34.\n\u2014\tA. W. Volkmann. Das Tachistoskop, ein Instrument, welches bei Untersuchung des momentanen Sehens den Gebrauch des elektrischen Funkens ersetzt. Leipz Ber. 1859. p. 90 \u201498.\n\u2014\tDerselbe. Die stereoskopischen Erscheinungen in ihrer Beziehung zu de\u00e7 Lehre von den identischen Netzhautstellen. Archiv f\u00fcr Ophthalm. V, 2, p. 1 \u2014100.\n\u2014\tA.\tGraefe. Beitrag zu der Lehre\t\u00fcber den Einfluss der Erregung nicht\tidentischer\nNetzhautpunkte\tauf die Stellung\tder Sehaxen.\tArch, f\u00fcr Ophthalmol. V 1\n128 \u2014 132.\n\u2014\tF. v. Recklinghausen. Netzhautfunctionen. Archiv f\u00fcr Ophthalm. V, 2, p. 127 \u2014179; Pogg. Ann. CX, 68 \u2014 92.\n1860.\tF. August. Ueber eine neue\tArt stereoskopischer Erscheinungen. Pogg. Ann.\nCX, 582 \u2014 593. Phil. Mag. (4)\tXX, 329 \u2014 336. Ann. de chim. (3) LX, 306 \u2014 809.\n\u2014\tW. Rogers. Some experiments\tand inferences in regard to binocular vision: Edinb. 3.\n(2) XII, 285\u2014287. Silliman\tJ. (2) XXX, 387 \u2014 390; 404 \u2014 409. Rep. of Brit\nAssoc. 1860.\t2, p. 17\u201418.\n\u2014\tH. W. Dove. Ueber Stereoskopie (gegen v. Recklinghausen\u2019s Zweifel betreffs der elektrischen Beleuchtung stereoskopischer Bilder). Pogg. Ann. CX, 494 \u2014 498.\n\u2014\tGiraud Teulon. De l\u2019unit\u00e9 de jugement ou de sensation dans l\u2019acte de la vision binoculaire. C. R. LI, 17\u201420. Cosmos. XVII, 24 \u2014 27. Inst. 1860. p. 217.\n\u2014\tT. Hayden. Sulla funzione della macchia gialla del S\u00f6mmering nel produrre Vimita della percezione visitale nella visione bioculare. Cimento XI, 285 \u2014 257.\n1861.\tA. Nagel. Das Sehen mit zwei Augen und die Lehre von den identischen Netzhautstellen. Leipzig und Heidelberg.\t1861. p. 1\u2014184. Verhandl. d. naturh.\nVereins d. Rheinl. XVII. Sitzungsber. p. 9 \u201412.\n\u2014\tF. v. Recklinghausen. Zum k\u00f6rperlichen Sehen. Pogg. Ann. CXIV, 170 \u2014173. (Die Wirkung instantaner Beleuchtung betreffend.)\n\u2014\tW. Wundt. Ueber das Sehen mit zwei Augen. Henle u. Pfeuffer. (3) XII 145 \u2014 262.\n\u2014\tP. L. Panum. Ueber die einheitliche. Verschmelzung verschiedenartiger Netzhauteindr\u00fccke heim Sehen mit zwei Augen. Reichert. Arch, f\u00fcr Anat. u. Physiol 1861. p. 63\u2014111 ; 178\u2014227.\n\u2014\tF. Burckhardt. Die Empfindlichkeit des Augenpaars f\u00fcr Doppelbilder. Pogg. Ann. CXII, 596\u2014606. Verhdl. der naturh. Ges. in Basel. III, 33 \u2014 44.\n\u2014\tO.\tN. Rood.\tOn the relation between our perception of distance and colour.\tSilli-\nman J. XXXII, 184 \u2014185.\n1862.\tBahr. Ueber die Nichtexistenz identischer Netzhautstellen. Arch, f\u00fcr Ophthalm. VIII, 2, p. 179 \u2014 184.\n\u2014\tA.\tNagel.\tUeber die ungleiche Entfernung von Doppelbildern, welche in\tver-\nschiedener H\u00f6he gesehen werden. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. VIII, 2, 368\u2014387.\n\u2014\tE.\tHering. Beitr\u00e4ge zur Physiologie. 2. bis 5. Heft. Leipzig 1862 \u20141864.\n1863.\tL.\tHermann.\tNotiz \u00fcber die Gestalt der Horopterfl\u00e4che bei convergenten Secund\u00e4r-\nstellungen. Centralbl. f\u00fcr medicinische Wissenschaften. 1863. Nr. 51.\n\u2014\tJ. Towne. The stereoscope and stereoscopic results. Gay\u2019s hospital rep. 1862 bis 1865. F, C. Bonders. Die Refractionsanomalien des Auges und ihre Folgen. Archiv f\u00fcr die holl\u00e4ndischen Beitr\u00e4ge. III, p. 358. Pogg. Ann. CXX, p. 452.\n\u2014\tA. W. Volkmann. Ueber identische Netzhautstellen. Berliner Monatsber. 1863. August. (Abweichung der scheinbar verticalen Meridiane.)\n\u2014\tII. Helmholtz. Ueber die normalen Bewegungen des menschlichen Auges. Archiv f\u00fcr Ophthalm. IX, 2, p. 188 \u2014190. (Dieselbe Abweichung beschrieben.)","page":765},{"file":"p0766.txt","language":"de","ocr_de":"766\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 32.\n1863.\tE. Hering \u00fcber W. Wundt\u2019s Theorie des binocnlaren Sehens. Pogg. Ann. CXIX,\n115; CXXII, 476.\t\u2022\nw. Wundt \u00fcber Dr. E. Hering\u2019s Kritik meiner Theorie des Binocularsehens. Ebenda CXX, 172.\nA. W. Volkmann, Vorl\u00e4ufige Mittheilung \u00fcber den Horopter und die Axendrehung des Auges. Centralblatt f\u00fcr die medicinischen Wissenschaften. 1863. Nr. 51.\n1864.\tE. Hering. Das Gesetz der identischen Sehrichtungen. Reichert und du Bois Reymond Archiv. 1864. S. 27.\n\u2014\tDerselbe. Bemerkungen zu Volkmann\u2019s neuen Untersuchungen \u00fcber das Binocular-sehen. Ebenda S. 303.\n\u2014\t\\V. v. BeZold. Zur Lehre vom binocularen Sehen. Sitzungsber. der K\u00f6nigl. Bayrischen Akad. Math. Phys. Kl. 10. Dec, 1864.\n\u2014\tH. Helmholtz. Ueber den Horopter. Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. X, 1\u201460.\n\u2014\tDerselbe. Bemerkungen \u00fcber die Form des Horopters. Pogg. Ann. CXXI1I, 158\u2014161.\n1865.\tD. Brewster on Hemiopia in Phil, Mag. (4) XXIX, 506\u2014507.\n1858. H. Aubert. Physiologie der Netzhaut. 280 \u2014 331.\n\u00ab=-\tE. HEriNg in Reichert und Du Bois Reymond Archiv. 1865.\n\u2014\tA. Graefe. Ueber einige Verh\u00e4ltnisse des Binocularsehens, bei Schielenden mit Beziehung auf die Lehre von der Identit\u00e4t der Netzh\u00e4ute. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. XI, 2, 1\u201446.\n\u00a7. 32. Wettstreit der Sehfelder.\nIll Hell beiden vorausgehenden Paragraphen haben xvir gesehen, dass wir beim unbefangenen zwei\u00e4ugigen Sehen Bilder k\u00f6rperlicher Objecte in den Raum vor uns projiciren, dass wir aber auch andererseits, wenn wir auf das gemeinschaftliche Gesichtsfeld unserer Augen als solches achten, die beiden verschiedenen perspectivischen Projectionen, welche von den Objecten auf misera Netzh\u00e4uten entworfen werden, als einander superponirt in der Fl\u00e4che des gemeinsamen Gesichtsfeldes erblicken k\u00f6nnen. Die erste Art des Sehens tritt vorzugsweise ein beim Sehen k\u00f6rperlicher Objecte, wenn unsere Aufmerksamkeit den Gegenst\u00e4nden zugewendet ist. Wir wenden dann immer die Gesichtslinien beider Augen demjenigen Objecte zu, auf welches sich unsere Aufmerksamkeit zur Zeit richtet, und wir sehen dieses also immer einfach und deutlich, und die ferner oder n\u00e4her liegenden Gegenst\u00e4nde, welche zur Zeit im mehr oder weniger indirecten Sehen doppelt erscheinen k\u00f6nnten, bleiben unbeachtet. Um Doppelbilder zu sehen, m\u00fcssen wir auf unsere Gesichtseindr\u00fccke als solche achten und zu abstr\u00e2hiren suchen von den wahrge-nommenen Objecten. Am ungest\u00f6rtesten werden die Doppelbilder und die entsprechenden Erscheinungen der Congruenz oder Incongruenz der einzelnen Punkte beider Sehfelder beobachtet, wenn man nicht nach wirklichen Objecten hinsieht, sondern nach zwei verschiedenen Zeichnungen mit verschiedenartig gef\u00e4rbten oder erleuchteten Linien und Feldern, wie dergleichen von uns gebraucht wurden, um die correspondirenden Stellen der Gesichtsfelder zu finden.\nIn den bisherigen F\u00e4llen waren die Doppelbilder, welche gesehen wurden, mehr oder weniger \u00e4hnlich den Bildern, welche man gelegentlich von einem und demselben \u00e4usseren Objecte erhalten kann, und uns deshalb gel\u00e4ufig und bekannt als Zeichen eines nicht im Horopter liegenden Objectes, -so dass wir mittels derselben sogar die Entfernung des ihnen entsprechenden Objects noch ann\u00e4hernd richtig beurtheilen konnten.\t\u2666","page":766},{"file":"p0767.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 32.\nWETTSTREIT DER CONTOURE.\n767\nWir haben nun noch die F\u00e4lle zu untersuchen, wo beide Gesichtsfelder gef\u00fcllt sind mit ganz verschiedenartigen Formen, welche keine Combination zu dem Bilde eines K\u00f6rpers Zulassen. In solchen F\u00e4llen sieht man im Allgemeinen beide Bilder .gleichzeitig und im Gesichtsfelde einander superponirt. Aber gew\u00f6hnlich herrscht in einzelnen Theilen des Gesichtsfeldes mehr das eine Bild vor, in anderen mehr das andere; und unter Umst\u00e4nden wechselt das auch, so dass, wo eine Zeit lang nur Theile des einen Bildes sichtbar waren, nun die Theile des anderen hervortreten und jene ersteren verdr\u00e4ngen. Dieser Wechsel, in welchem die Theile beider Bilder bald neben einander, bald nach einander sich gegenseitig verdr\u00e4ngen, pflegt man den Wettstreit der Sehfelder zu nennen.\nAm einfachsten und regelm\u00e4ssigsten sind diejenigen F\u00e4lle, wo das eine Sehfeld in ganzer Ausdehnung gleichm\u00e4ssig gef\u00e4rbt oder erleuchet ist; man bemerkt dann nur die Objecte, welche das andere Sehfeld enth\u00e4lt. Wenn man also zum Beispiel ein Auge schliesst und mit dem anderen das bedruckte Blatt ansicht, so sieht man die Buchstaben und das weisse Papier im Sehfelde, ohne das Dunkel des anderen Sehfeldes zu bemerken. Dabei ist zu beachten, dass das Papier dabei nicht gerade entschieden dunkler anssieht, als wenn man es mit beiden Augen betrachtet. Das Schwarz des einen Feldes mischt sich also nicht mit dem Weiss des anderen, sondern hat eben weiter gar keinen Einfluss auf die Erscheinung des anderen Bildes.\nEbenso ist es nun, wenn man das bisher verschlossene Auge \u00f6ffnet und ein Blatt weissen Papiers nahe davorh\u00e4lt, so dass das bisher dunkle Sehfeld gleichm\u00e4ssig weiss beleuchtet wird. Auch dann sieht man die Buchstaben im anderen Felde unver\u00e4ndert, und wenn das gleichm\u00e4ssig weisse Papier nicht heller ist als das bedruckte, so erscheint letzteres auch nicht heller, wenn das andere Sehfeld gleichm\u00e4ssig weiss, als wenn es gleichm\u00e4ssig schwarz ist. Wenn man sich aber so wendet, dass das weisse vor das eine Auge gehaltene Papier lebhaft von der Sonne beschienen wird, so erh\u00e4lt man allerdings beim Oeffnen des betreffenden Auges den Eindruck, dass das bedruckte Papier heller wird, wenn das andere Sehfeld erleuchtet wird, als wenn es dunkel bleibt.\nAehnlich verh\u00e4lt es sich nun auch, wenn nur gr\u00f6ssere Theile des einen Sehfeldes gleichm\u00e4ssig beleuchtet, in dem entsprechenden Theile des anderen aber Figuren enthalten sind. Betrachtet man zum Beispiel die folgenden Buchstaben\nAB BC\nso, dass die beiden B auf einander fallen und einfach gesehen werden, so erscheinen sie wie\nABC\nund zwar so, dass das A und C nicht merklich dunkler sind, als das doppel\u00e4ugig gesehene B. In diesem Falle also ist links vom B nur das linke Gc-","page":767},{"file":"p0768.txt","language":"de","ocr_de":"768 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. '\t\u00a7. 32.\nsichtsfeld beachtet -worden, welches das A enth\u00e4lt, und rechts vom B tritt das C des rechten Sehfeldes hervor, w\u00e4hrend der gleichm\u00e4ssig weisse Grund des anderen Feldes sich nicht merklich geltend macht.\nWenn nun in beiden Sehfeldern breitere schwarz und weisse. Figuren Vorkommen , deren Grenzlinien in dem gemeinsamen Sehfelde sich gegenseitig durchschneiden, so ergiebt sich im Allgemeinen die Regel, dass l\u00e4ngs und in der N\u00e4he jeder Grenzlinie dasjenige Sehfeld pr\u00e4dominirt, dem diese Grenzlinie angeh\u00f6rt. Bringt man also zum Beispiel die beiden schwarzen Streifen der Fig. V, Taf. XI, zum Decken, so dass die weissen Punkte in ihrer Mitte zusammenfallen, so entsteht ein Gesammtbild, wie es Fig.2IOctwa darstellt. Die beiden\nFig. 210.\nStreifen erscheinen als Kreuz, dessen Mitte ganz schwarz ist, weil hier Schwarz und Schwarz sich decken. Der Grund erscheint weiss, weil auf ihm Weiss und Weiss sich decken. In den vier Schenkeln des Kreuzes deckt sich jedesmal Weiss des einen Feldes mit Schwarz des anderen; sie erscheinen aber keineswegs gleichm\u00e4ssig erhellt durch eine Mischung dieses Schwarz und Weiss. Vielmehr sind sie fast ganz schwarz an ihren Enden, wo sie an den weissen Grund stossen, und fast ganz weiss, wo sie an das mittlere schwarze Quadrat stossen, und dazwischen sind Uebcrg\u00e4nge des Schwarz in Weiss, die aber keineswegs eine ruhige Beleuchtungsart behalten und sich deshalb auch durch keinerlei bildliche Dartellung vollkommen wiedergeben lassen, sondern mannichfach wechseln. Das Ende jedes Streifens f\u00e4llt zusammen mit einem Theil des gleichm\u00e4ssig weissen Grundes des andern Gesichtsfeldes, und verdr\u00e4ngt diesen, so dass es fast ganz ganz schwarz erscheint. Nahe der Mitte jedes Streifens aber laufen \u00fcber ihn die Grenzlinien des anderen aus dem anderen Sehfelde hin, und hier tritt also das Weiss des anderen Feldes l\u00e4ngs der Grenzlinie auf dem Schwarz des erstgenannten Streifens deutlich hervor.\nIn den bisher betrachteten F\u00e4llen standen sich immer gegen\u00fcber eine Figur mit bestimmten Contouren und ein ganz leeres gleichm\u00e4ssiges Feld. Dabei zeigte sich, dass die Contouren sich immer sichtbar machen und den Eindruck des leeren Feldes verdr\u00e4ngen. Setzen wir nun statt des ganz leeren Feldes ein solches, welches ein feines gleichm\u00e4ssig wiederholtes Linienmuster enth\u00e4lt, rieh-","page":768},{"file":"p0769.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u25a0 32.\nWETTSTREIT DER CONTO\u00fcRE.\n769\nten wir zum Beispiel das linke Auge auf das schwarze Kreuz der Fig. W, Taf. XI, und gleichzeitig das rechte auf das carrirte Feld, so \u00fcberwiegt im ersten Augenblick auch hier in der Regel das Kreuz so, als ob wir es auf einen reinen Grund projicirten, und nur in seiner Mitte und jenseit seines Umfanges wird vielleicht das Linienmuster sichtbar. Betrachten wir es ohne bestimmte Richtung unserer Aufmerksamkeit l\u00e4ngere Zeit in dieser Weise, so tritt zeitweilig das Linienmuster auch wohl \u00fcber das ganze Feld hervor und verdeckt das ganze Kreuz oder wenigtens einzelne Theile desselben. Dagegen muss ich hervorheben, dass ich mich jeden Augenblick im Stande finde, meine Aufmerksamkeit jedem Theile des Linienmusters, auch denen, die gerade auf den Rand des Kreuzes fallen, willk\u00fchrlich und ausschliesslich zuzuwenden, und dass ich dann nur das Linienmuster sehe, w\u00e4hrend das Kreuz meist ganz schwindet. Ich brauche nur eine Reihe von Quadraten des Linienmusters zu z\u00e4hlen, oder die Quadrate zu vergleichen, ob sie gleich gross, ob sie rechtwinkelig sind und so weiter. W\u00e4hrend und so lange ich in dieser Weise meine Aufmerksamkeit fest auf die Quadrate fixire, bleiben sie mir auch im Gesicht. So wie ich im Gegentheil eine Ecke oder Seite des Kreuzes in \u00e4hnlicher Weise beobachte, verschwindet das Linienmuster mehr oder weniger vollst\u00e4ndig, und ich sehe anhaltend das Kreuz.\nDer Wettstreit wird noch auffallender, wenn die beiden sich deckenden Figuren gleich stark hervortretende Contoure haben. Bringt man zum Beispiel die beiden Linienpaare der Fig. 211 zum Decken, so pflegen die meisten Beob-\nFig. 311.\nachter im Anfang nur die senkrechten Linien an der Kreuz un gs stelle zu sehen, w\u00e4hrend die horizontalen im Zwischenraum der Verticallinien oder auch selbst noch ausserhalb dieses Zwischenraums verschwinden. Bei l\u00e4ngerem Fixiren tauchen sie von Zeit zu Zeit auf, w\u00e4hrend daf\u00fcr die verticalen verschwinden und umgekehrt. Aber auch hier kann ich beliebig das Bild des einen oder anderen Paares festhalten, wenn ich meine Aufmerksamkeit darauf richte und etwa untersuche, ob irgend welche Unregelm\u00e4ssigkeiten an den Linien des einen oder anderen Paares Vorkommen.\nIn complicirterer Weise zeigt sich derselbe Wettstreit an den mit verschieden gerichteten parallelen Linien bedeckten Feldern der Fig. X, Taf. XL Man sieht Encyklop. d. Physik. IX. Helmhoitz, Physiol. Optik.\t49","page":769},{"file":"p0770.txt","language":"de","ocr_de":"770\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 32.\nliier keine gleichm\u00e4ssige Kreuzung der Linien in dem Gesammtbilde, wodurch ein \u00e4hnliches Linienmuster, wie das der Fig. W derselben Tafel, sich zusammensetzen w\u00fcrde; sondern man sieht meist eine ungleichm\u00e4ssige Mischung beider Muster, so dass an einzelnen Stellen des Feldes das eine, an anderen das andere vorherrscht, wobei diese Stellen selbst \u00fcbrigens einem fortdauernden Wechsel unterworfen sind. Die schwarzen Quadrate in der Mitte der Felder sollen als Fixationszeichen dienen, wenn der Beobachter eine unver\u00e4nderte Lage beider Felder \u00fcber einander zu erhalten w\u00fcnscht. Ohne einzelne correspondirende und stark hervorstechende Theile der Figur ist dies sonst gar nicht m\u00f6glich, vielmehr schwanken die Blicklinien dann fortdauernd zwischen verschiedenen Graden der Con-vergenz hin und her.\nZuweilen tritt auch wohl in ganzer Ausdehnung der Fl\u00e4che das eine System allein f\u00fcr kurze Zeit auf. Auch hier finde ich, dass ich vollkommen willk\u00fchr-lich im Stande bin, meine Aufmerksamkeit bald dem einen, bald dem anderen Liniensysteme zuzuwenden, und dass dann dieses System f\u00fcr einige Zeit allein gesehen wird und das andere vollkommen verschwindet. Dies geschieht zum Beispiel, wenn ich versuche die Linien erst des einen und dann des anderen Systems zu z\u00e4hlen. Ich finde ferner, dass dieses Beachten des einen Liniensystems auch nicht von bestimmten Augenbewegungen abh\u00e4ngig ist; denn ich kann meinen Blick sowol an den Linien, auf die ich achte und die ich sehe, entlang gleiten lassen, als auch rechtwinkelig gegen ihre Richtung und also parallel der Richtung des anderen Systems fortf\u00fchren, so dass ich von einer Linie zur anderen gehe, ohne dass ich aufh\u00f6re, nur das System zu sehen, welches ich sehen will. Aber allerdings finde ich, wie Wunut, dass es leichter ist, das Bild derjenigen Linien festzuhalten, deren Richtung man mit dem Blicke folgt; in der That ist dies auch die gew\u00f6hnliche Art unsere Aufmerksamkeit einer Linie zuzuwenden, dass wir den Blick an ihr entlang laufen lassen, und indem wir die Bewegung unserer Augen absichtlich nach der Linie richten, sind wir auch sicher, unsere Aufmerksamkeit an die Linie zu fesseln.\nEs ist aber allerdings schwer, die Aufmerksamkeit l\u00e4ngere Zeit an eines der Liniensysteme von Fig. 2/4 zu fesseln, wenn man nicht damit irgend einen bestimmten Zweck verbindet, der eine fortdauernde active Th\u00e4tigkeit der Aufmerksamkeit bedingt, wie eben das Z\u00e4hlen der Linien oder die Vergleichung ihrer Zwischenr\u00e4ume und so weiter ist. Ein anhaltender Ruhezustand der Aufmerksamkeit ist ja auch unter anderen Verh\u00e4ltnissen kaum f\u00fcr einige Zeit zu unterhalten. Der nat\u00fcrliche ungezw\u00e4ngte Zustand unserer Aufmerksamkeit ist herumzuschweifen zu immer neuen Dingen, und so wie das Interesse eines Objectes ersch\u00f6pft ist, so wie wir nichts Neues mehr daran wahrzunehmen wissen, so geht sie wider unseren Willen auf anderes \u00fcber. Wollen wir sie an ein Object fesseln, so m\u00fcssen wir eben an diesem selbst immer Neues zu finden suchen, besonders wenn andere kr\u00e4ftige Sinneseindr\u00fccke sie abzulenken streben. Durch diese Eigent\u00fcmlichkeit unserer psychischen Th\u00e4tigkeit erkl\u00e4ren sich, wie mir scheint, die oben beschriebenen Thatsachen.\nDie letztgenannten Versuche kann man vielfach variiren; wenn man zum Beispiel das quadratische Muster der Fig. IF, Taf. XI, mit einem danebengelegten Blatte","page":770},{"file":"p0771.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 32.\nWETTSTREIT DER CONTOURS.\n771\nbedruckten Papiers zur Deckung bringt, kann man ohne Schwierigkeit die Buchstaben lesen oder andererseits das Linienmuster betrachten. Dasselbe ist der Fall, wenn man eine fein ausgef\u00fchrte Landkarte oder eine Photographie mit einem bedruckten Blatte zum Decken bringt; es m\u00fcssen nur nicht die Zeichnungen der einen Seite durch Helligkeit allzu hervorstechend sein gegen die der anderen Seite, und auch einander nicht zu \u00e4hnlich. Wenn man zum Beispiel zwei verschiedene Druckbl\u00e4tter mit gleicher Art von Druck combinirt, so verbindet der Beobachter unwillk\u00fchrlich Theile der einen Parthie von Buchstaben mit solchen der anderen Seite doppel\u00e4ugig, und dadurch mischen sich dann die Buchstaben beider Seiten leicht durch einander.\nIch will namentlich hier auch noch hervorheben, dass es mir gelingt, ganz schwache und zart gezeichnete Objecte des einen Sehfeldes zu sehen und dauernd zu beobachten, selbst wenn sie sich mit sehr kr\u00e4ftig gezeichneten Con-touren des anderen Feldes decken. So kann ich die Faserung und die kleinen Fleckchen eines weissen Papierblattes verfolgen, w\u00e4hrend im anderen Felde stark gezeichnete schwarze Figuren stehen. Oder ich kann eine mit einem d\u00fcnnen weissen Blatte zugedeckte und kaum erkennbare Druckschrift lesen, welche sich binocular etwa mit dem Gitter oder dem Kreuze der Fig. W, Taf. XI, deckt. Oder ich kann mittels eines Spiegels, den ich vor das eine Auge halte, das helle Bild des Fensters zur binocularen Deckung mit einer verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig schwach erleuchteten Druckschrift bringen und diese lesen, ohne dass sie mir jemals durch das viel hellere Bild des Fensters verdr\u00e4ngt wird. Nat\u00fcrlich kann ich ebenso gut das Spiegelbild des Fensters betrachten, wobei mir die Druckschrift verschwindet. Dass man bei einem solchen Versuche sehr schwach beleuchtete Objecte des einen Feldes nicht immer erkennen kann, wenn das andere Auge auf ein sehr helles Feld gerichtet ist, findet seine Erkl\u00e4rung dadurch, dass die Pupillen beider Augen unter dem Einfl\u00fcsse des hellen Lichts sich verengern und das Netzhautbild des dunkleren Feldes also wirklich noch sehr viel dunkler wird, als es ist, wenn das helle Bild verdeckt wird.\nAus den beschriebenen Erfahrungen geht hervor, dass der Mensch die F\u00e4higkeit hat die Bilder jedes einzelnen Sehfeldes einzeln und fiir sich wahrzunehmen, ungest\u00f6rt von dem anderen Sehfelde, wenn es nur mittels eines der angegebenen Hilfsmittel gelingt, die Aufmerksamkeit ganz auf die Objecte dieses einen Feldes zu fesseln. Diese Thatsache ist wichtig, weil aus ihr hervor-geht, dass der Inhalt jedes einzelnen Sehfeldes, ohne durch organische Einrichtungen mit dem des anderen verschmolzen zu sein, zum Bewusstsein gelangt, und dass die Verschmelzung beider Sehfelder in ein gemeinsames Bild, wo sie vorkommt, also ein psychischer Act ist.\nUm den Unterschied recht hervorzuheben, brauchen wir nur zu vergleichen die binoculare Verschmelzung der beiden schr\u00e4gen und verschieden gerichteten Liniensysteme der Fig. X, Taf. XI, mit der monocularen Vereinigung beider in dem Liniensysteme der Fig W. Wir k\u00f6nnen auch in dem letzteren die Linien des einen Systems z\u00e4hlen oder ihre Abst\u00e4nde vergleichen, dabei werden aber niemals die Linien des anderen Systems aus dem Bilde verschwinden, wie\n49 *","page":771},{"file":"p0772.txt","language":"de","ocr_de":"772\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN G ES1\u00c7HTS W AH RN EHMCN G EN.\n\u00a7. 32.\ndies bei der binocularen Vereinigung unter diesen Bedingungen der Regel nach geschieht. Bei monocularer Betrachtung des combinirten Liniensytems der Fig. W haben wir nur einen sinnlichen Eindruck, den wir durch keine Anstrengung der Aufmerksamkeit ver\u00e4ndern k\u00f6nnen, wenn wir auch diese oder jene Z\u00fcge desselben vorzugsweise beachten. Verschm\u00f6lzen die beiden entsprechenden Bilder der Fig. X wirklich zu einem einzigen und einfachen sinnlichen Eindr\u00fccke, so w\u00fcrde dieser durch Anstrengung der Aufmerksamkeit allein in keiner Weise in seine Bestandtheile zu zerlegen sein. Charakteristisch ist es auch, dass wenn man mittels einer unbelegten Glasplatte im monocularen Gesichtsfelde das Bild des bellen Himmels mit einem bedruckten Blatte zum Decken bringt, man bei gewissen Beleuchtungsgraden die Buchstaben nicht lesen kann, w\u00e4hrend man sie sehr wohl lesen kann, wenn man binocular den sehr viel st\u00e4rkeren Reflex einer belegten Spiegelplatte mit ihnen zur Deckung bringt.\nDer Wettstreit der Sehfelder, wie er sieb bei binocularer Verschmelzung der obigen Bilder entwickelt, entspricht dem hin und herschwankenden Zustande der nicht angestrengten und nicht interessirten Aufmerksamkeit, die von einem Eindruck zum anderen zu wandern pflegt und so allm\u00e4hlich eine Uebersicht der vorliegenden Objecte gewinnt. Dass dieser Wechsel nicht auf einer organischen Einrichtung des Nervensystems beruht, wie Panum und E. Hering es auffassen, wenigstens auf keiner anderen, als die unseren Seelenth\u00e4tigkeiten zu Grunde liegt, scheint mir evident aus der Thatsache der Selbstbeobachtung hervorzugehen, dass wir durch die bekannten und oben genannten rein psychischen Mittel, die Aufmerksamkeit zu fesseln, das Schwanken sogleich anhalten k\u00f6nnen, ohne dass dabei irgend eine bemerkbare Acnderung der \u00e4usseren Umst\u00e4nde, der Richtung oder Bewegung der Augen und so weiter, stattfindet. Panum hat darin Recht, dass es nicht gen\u00fcgt die Aufmerksamkeit auf das verschwindende oder verschwundene Bild richten zu wollen, wobei er die Aufmerksamkeit f\u00fcr eine dem bewussten Willen des Beobachters absolut unterth\u00e4nige Th\u00e4tigkeit erkl\u00e4rt. Das letztere ist nun doch nur in gewisser Beschr\u00e4nkung richtig. Wir bewegen unsere Augen auch willk\u00fchrlich, aber ein Unge\u00fcbter kann die Absicht, sie convergiren zu lassen, nicht so unmittelbar ausf\u00fchren. Wohl aber kann er in jedem Moment die Absicht ausf\u00fchren ein nahes Object anzublicken, wobei die Augen convergiren. Ebenso wenig k\u00f6nnen wir die Absicht unsere Aufmerksamkeit an einem bestimmten Objecte festzuhalten, wenn wir uns diese Absicht in dieser Form innerlich aussprechen, erreichen, sobald das Interesse an dem Objecte ersch\u00f6pft ist; aber wir k\u00f6nnen uns neue Fragen in Bezug auf das Object stellen, so dass ein neues Interesse daran entsteht, und dann wird die Aufmerksamkeit gefesselt bleiben. Das Verh\u00e4ltniss ist also, wie bei dem oben genannten Beispiele; es ist-keine unmittelbare, sondern eine mittelbare Willk\u00fchr. Wir k\u00f6nnen durch unsern Willen Acte ausf\u00fchren, bei denen das Auge oder die Aufmerksamkeit die Richtung erh\u00e4lt, die wir w\u00fcnschen, obgleich wir nicht durch einen direct darauf gerichteten Willensact ohne Zwischenglieder die Richtung des Auges oder der Aufmerksamkeit bestimmen k\u00f6nnen. Dagegen trifft allerdings, wie ich wiederum gegen Panum behaupten muss, die andere charakteristische Eigenschaft der Aufmerksamkeit auch f\u00fcr den Wettstreit der","page":772},{"file":"p0773.txt","language":"de","ocr_de":"WETTSTREIT DER CONTOURE.\n773\n\u00a7\u2022 32.\nSehfelder zu, dass sie durch geeignete Methoden au die allerschw\u00e4chsten Sin-neseindriicke gefesselt werden kann, w\u00e4hrend die allerst\u00e4rksten im anderen Sehfelde sie abzulenken streben. Nat\u00fcrlich ist dabei desto gr\u00f6ssere Anstrengung n\u00f6thig, je ung\u00fcnstiger das Verh\u00e4ltnis der St\u00e4rke f\u00fcr die beachteten Eindr\u00fccke ist.\nDa wir nun \u00fcbrigens, wie die oben beschriebenen Versuche mit momentaner Beleuchtung deutlich zeigen, im Stande sind gleichzeitig eine gewisse Anzahl von Gegenst\u00e4nden zu beachten und dadurch einen gewissen Theil des Sehfeldes auszuf\u00fcllen, so wird auch hierbei im Allgemeinen zu erwarten sein, dass sich zun\u00e4chst das Gesichtsfeld f\u00fcllt mit denjenigen Objecten, die den st\u00e4rkeren Eindruck machen, oder dass bei gleich starken Reizen in beiden Sehfeldern ein Schwanken eintritt, oder ein Suchen nach einem zusammenh\u00e4ngenden und verst\u00e4ndlichen Eindr\u00fccke, wobei denn nicht nothwendig immer im ganzen Gesichtsfelde nur der Eindruck des einen Auges vorzuherrschen braucht. Charakteristisch f\u00fcr dieses Suchen nach einem verst\u00e4ndlichen Eindr\u00fccke ist auch das fortdauernde Schwanken der Blicklinien. Es ist kaum m\u00f6glich, die beiden Bilder in gleicher Lage dauernd in Deckung zu halten.\nEtwas Anderes ist es, wenn sich die beiden verschiedenen Bilder als sinnliches Zeichen eines \u00e4usseren Objects betrachten lassen, dann wendet sich die Aufmerksamkeit sogleich der Wahrnehmung von diesem zu, ohne der Verschiedenheit der beiden Netzhautbilder zugelenkt zu werden.\nWas nun den merkw\u00fcrdigen Einfluss der Contoure in dem Wettstreit der Sehfelder betrifft, so bin ich ebenfalls der Meinung, dass derselbe im Wesentlichen auf psychischer Gew\u00f6hnung beruht. Erw\u00e4gen wir n\u00e4mlich, in welcher Weise unser Auge das Gesichtsfeld zu durchmustern hat, um eine vollst\u00e4ndige Kenntniss desselben zu erhalten, so ist klar, dass es ganz unn\u00fctze M\u00fche sein w\u00fcrde, dasselbe nach einander auf alle einzelnen Punkte einer ausgedehnten gleichm\u00e4ssig beleuchteten Fl\u00e4che richten zu wollen; wir w\u00fcrden dadurch nichts weiter erkennen. Es gen\u00fcgt vielmehr den Blick \u00fcber die Grenze der Fl\u00e4che hinzuf\u00fchren und auf alle diejenigen einzelnen Punkte zu richten, die sich von der Fl\u00e4che abheben. Sobald dies geschehen ist, haben wir eine so genaue Kenntniss von der Fl\u00e4che, als das Auge uns geben kann. Es sind deshalb namentlich die im indirecten Sehen sichtbaren Contoure, denen wir bei der Durchmusterung des Gesichtsfeldes erst unsere Aufmerksamkeit und dann unsern Blick zuzuwenden haben. Es ist bekannt, wie schwer es ist, einen kleinen Gegenstand der im indirecten Sehen nicht bemerkt wird, auf einer ausgedehnten hellen Fl\u00e4che aufzuflnden; bezeichnend nennt zum Beispiele Goethe die Lerche \u201eim blauen Raum verloren\u201c. Andererseits zieht .ein etwas gr\u00f6sserer und auch f\u00fcr das indirecte Sehen hinreichend scharf gezeichneter Gegenstand unmittelbar unseren Blick auf sich, und wenn man sich selbst bei der Betrachtung eines noch unbekannten Objects beachtet, wird man leicht bemerken, wie man mit dem Blicke den Contouren folgt, Gew\u00f6hnung und Uebung m\u00fcssen also nothwendig dahin wirken, unsere Aufmerksamkeit den Contouren zuzuwenden. Auch bei den Contrasterscheinungen habe ich darauf aufmerksam gemacht, wie die Contoure namentlich in das Gewicht fallen,","page":773},{"file":"p0774.txt","language":"de","ocr_de":"774\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 32.\nMan k\u00f6nnte auch daran denken, dass die Erregung der Netzhauttheile*l\u00e4ngs einer Grenze von Weiss und Schwarz lebhafter sei, so oft durch die Bewegungen des Auges Elemente der Netzhaut aus dem Schwarz in das Weiss r\u00fccken. Diese ausgeruhten Elemente w\u00fcrden allerdings st\u00e4rker erregt werden, als die schon l\u00e4nger von Weiss getroffenen. Indessen glaube ich nicht, dass dieser Umstand hier wesentlich in Betracht kommt, weil wir bei den oben beschriebenen Versuchen die Richtung der Augenbewegungen ohne entscheidenden Einfluss gefunden haben, und weil die Contoure in den Doppelbildern sich auch gleich heim ersten Aufschlag der Augen geltend machen, wo noch keine Nachbilder entwickelt sein k\u00f6nnen.\nPanum\u2019s Annahme dagegen, dass die Contoure an und f\u00fcr sich die Netzhaut st\u00e4rker erregen, scheint mir durch keine einzige sichere Thatsache unterst\u00fctzt und zur Erkl\u00e4rung der hier vorliegenden Erscheinungen g\u00e4nzlich unn\u00f6thig zu sein. Bei den Contrasterscheinungen haben wir allerdings gesehen, dass der Unterschied der Beleuchtung oder F\u00e4rbung zweier Felder l\u00e4ngs einer Contour, wo beide zusarnmenstossen, st\u00e4rker hervortritt als wenn beide von einander getrennt sind, und sogar relativ zu gross erscheint. Wenn wir aber von den Nachbildern absehen, so lassen sich die Erscheinungen des simultanen Contrastes darauf zur\u00fcckf\u00fchren, dass wir besser ge\u00fcbt und sicherer sind in der Vergleichung der Beleuchtung zweier neben einander liegenden Netzhautpunkte, welche bei den Bewegungen des Auges viel h\u00e4ufiger unmittelbar hinter einander von derselben Beleuchtung getroffen werden, als dies bei entfernteren der Fall ist. Dass uns ein solcher Unterschied relativ zu gross erscheint und dadurch dann Irrth\u00fcmer in der Beurtheilung der F\u00e4rbungen entstehen, entspricht der allgemeinen Regel, dass wir \u00fcberhaupt deutlich wahrnehmbare Unterschiede f\u00fcr gr\u00f6sser zu halten geneigt sind, als undeutlich wahrnehmbare. Man k\u00f6nnte einen solchen deutlicher wahrnehmbaren Unterschied vielleicht als einen st\u00e4rkeren psychischen Reiz bezeichnen, und es mag zum Theil darin begr\u00fcndet sein, dass er die Aufmerksamkeit st\u00e4rker zu fesseln strebt. Einen st\u00e4rkeren Nervenreiz dabei anzunehmen, vorausgesetzt, dass Nachbilder vermieden werden, sehe ich keinen Grund.\nAehnliche Erscheinungen des Wettstreits treten nun auch ein, wenn beiden Augen verschiedenfarbige oder verschieden erleuchtete Felder dargeboten werden. Wenn man durch zwei verschiedenfarbige Gl\u00e4ser von lebhaften Farben, zum Beispiel mit dem rechten Auge durch ein rothes, mit dem linken durch ein blaues Glas, welche ungef\u00e4hr gleiche Helligkeit haben, nach den \u00e4usseren Objecten sieht, so erblickt man diese fleckig roth und blau und zwar so, dass die Farben oft wechseln. Der unruhige sonderbare Farbenwechsel ist anfangs meist am lebhaftesten, bald stumpft sich die Empfindlichkeit f\u00fcr die Farben ab und das Aussehen wird dann ein ruhigeres in einer unbestimmten mehr grauen Farbe, welche noch stellenweise und zeitweise zwischen einem r\u00f6thlichercn oder blaueren Tone wechselt, und welche manche Beobachter f\u00fcr die Mischfarbe aus den beiden vereinigten, also in diesem Falle f\u00fcr Rosa erkl\u00e4ren. Ich selbst muss sagen, dass ich trotz vieler und mannichfach ver\u00e4nderter Versuche in keinem Falle die Mischfarbe mit einiger Evidenz habe sehen k\u00f6nnen. Zum","page":774},{"file":"p0775.txt","language":"de","ocr_de":"WETTSTREIT \u00dcMR FARBEN.\n775\n\u00a7. 32.\nTheil bestimmen auch die Eigenth\u00fcndichkeiten der Objecte, ob inan mehr die eine oder die andere Farbe sieht. Hellere Objecte erscheinen \u00fcberwiegend roth, dunklere blau, wohl deshalb, weil \u00fcberhaupt bei gr\u00f6sserer Lichtst\u00e4rke Roth, bei schw\u00e4cherer Blau in der Empfindung \u00fcberwiegt, Objectiv rothe Objecte erscheinen nat\u00fcrlich auch roth, blaue blau, weil ein jedes durch das gleichnamige Glas gesehen heller erscheint, als durch das anders gef\u00e4rbte. Auch hier spielt wieder die Aufmerksamkeit auf das eine oder andere Feld eine merkliche Rolle. Obgleich es sehr schwer ist, die Aufmerksamkeit gerade nur der Farbe des einen Feldes zuzuwenden, wenn sie dabei nicht unterst\u00fctzt ist durch Contoure, die diesem Felde angeh\u00f6ren, so gelingt es doch einzelnen Beobachtern (Funke *, J. Dingle, Voelckers 1 2, Volkmann 3, E. A. Weber4, Welcher 5, mir selbst), die Aufmerksamkeit auf das rechte Auge und was es sieht, und dann ebenso auf das linke zu fixiren, wobei demi auf den Objecten die Farbe des zugeh\u00f6rigen Glases zum Vorschein kommt. Fechner 6, dem der Wechsel durch wilt-k\u00fchrliche Anstrengung weniger gut gelang, glaubt diesen Wechsel von einer unwillk\u00fchrlichen Bewegung oder Compression des Auges ableiten zu d\u00fcrfen, welche nach seinen Beobachtungen nur \u00fcberhaupt den Wechse.l der Farbe beg\u00fcnstige, aber nicht gerade den Wechsel in der beabsichtigten Richtung. Sehr viel besser noch gelingt der Versuch, wenn man die Gl\u00e4ser so h\u00e4lt, dass Spiegelbilder schwach erleuchteter, seitw\u00e4rts liegender Gegenst\u00e4nde von ihnen in das Auge geworfen werden. So wie man nun die Aufmerksamkeit einem dieser Spiegelbilder zuwendet, sei es ein noch so schwach sichtbares Schattenbild, so erscheint sogleich an der betreffenden Stelle des Sehfeldes die Farbe des be-\ntreffenden Glases. Und wenn in derselben Stelle des Gesichtsfeldes gleichzeitig ein Spiegelbild des andern Glases sichtbar ist und man wendet diesem die Aufmerksamkeit zu, so tritt auch die andere Farbe hervor.\nUm diesen Versuch methodisch auszuf\u00fchren, stellte ich eine blaue und rothe Glasplatte ( II und R in Fig. 212) senkrecht auf einen Tisch; C ist ein dunkler Schirm, der an der nach \u00df gekehrten Seite ein mit Buchstaben bedruck-\tA\ntes Blatt tr\u00e4gt, D ein eben solcher, an dessen innerer Seite irgend ein anderes mit den Buchstaben nicht leicht zu verwechselndes Muster, also etwa eine Zahlentabelle angebracht ist. Bei A befindet sich ein weisser Schirm, 0 und O' sind die Augen des Beobachters. Die Beleuchtung regelt man so, dass die Buchstaben und die Zahlen, welche der Beobachter in ihren von den Glasplatten ent-\tHg.\nworfenen Spiegelbildern sieht, eben noch sicht-\n1 Lehrbuch der Physiologie. 1. Aufl. Cd. II, 873.\n- Muller\u2019s Archiv. 1838, p. 61 lind 63.\n3\tNeue Beitr\u00e4ge zur Physiol, des Gesichts, p. 97, 99.\n4\tProgramma Colleg. 118.\n5\tUeber Irradiation. 1832. p. 107.\t,\t,\t,\n6\tAbhandlungen der S\u00e4chsischen Ges. d. Wiss. MI. (I860.) 399\t*08.","page":775},{"file":"p0776.txt","language":"de","ocr_de":"776\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 32.\nbar sind, wenn der Bogen A stark beleuchtet ist. Scheinbar liegen fiir den Beobachter die Spiegelbilder der Buchstaben und Zahlen auf dem Bogen A. Ich sehe nun ganz regelm\u00e4ssig, wenn ich den Buchstaben mit dem Auge zu folgen suche, den Grund blau, wenn ich den Zahlen folge, dagegen roth. Also die auf das Bild der einen Netzhaut gerichtete Aufmerksamkeit bringt auch den zugeh\u00f6rigen farbigen Grund zum Vorschein. Hierbei ist noch zu bemerken, dass die Contoure, welche in diesem Falle den einen Eindruck \u00fcberwiegen machen, Grenzen von Weiss und Schwarz sind, ohne dass die Intensit\u00e4t der sichtbar werdenden Grundfarbe an ihnen eine Ver\u00e4nderung erleidet. Oder wenn man die ganze gemischte Beleuchtung zusammennimmt, so erscheinen die Buchstaben links reinblau auf weisslichem Blau, die Zahlen rechts reinroth auf weisslichem Both. Bei den Contrasterscheinungen w\u00fcrde die Aufmerksamkeit nur dem Gegensatz von Schwarz und Weiss, nicht dem Blau oder Roth zugelenkt werden, was bei den hier beschriebenen binocularen Versuchen gerade im Gegentheil geschieht.\nNoch einfacher gelingt mir dieser Versuch sehr leicht und gut, wenn ich nach dem Himmel blicke und vor das eine Auge ein rothes, vor das andere ein blaues Glas nehme, beide aber so gegen die Gesichtslinien neige, wie in Fig. 212, dass ich in jedem der Gl\u00e4ser schwache Spuren der Spiegelbilder seitlich gelegener Objecte sehe, und nun bald das eine, bald das andere Glas ein wenig bewege, so dass sich auch die von ihnen entworfenen Spiegelbilder ein wenig bewegen. Acht\u00ae! man auf diese bewegten Bilder, die \u00fcbrigens ganz verwaschen und lichtschwach sein d\u00fcrfen, so tritt sogleich am Himmel die Farbe des entsprechenden Glases heraus. Es ist ein wunderliches Schauspiel, wenn so pl\u00f6tzlich, wie auf Commando, der blaue Himmel ganz roth, oder der rothe ganz blau wird.\nOb bei der binocularen Deckung verschiedenfarbiger Felder die Mischfarbe gesehen werde, oder nicht, dar\u00fcber sind verschiedene Beobachter direct entgegengesetzter Meinung, W\u00e4hrend H. Meyer, Volkmann, Meissner, Funke, denen ich mich selbst auch anschliessen muss, niemals die Mischfarbe gesehen haben, erkl\u00e4ren ebenso entschieden Dove, R\u00e9gnault, Br\u00fccke, Ludwig, Panum, Hering, dass sie sie gesehen haben, und zwar nicht bloss bei matten und weisslichen Farben, sondern selbst bei ges\u00e4ttigten. Dove berichtet, dass er sic selbst an den allerges\u00e4ttigtesten Farben, denen des prismatischen Spectrum gesehen habe, indem er ein objectiv auf die Wand geworfenes Spectrum gleichzeitig mit einem umkehrenden und einem nicht umkehrenden Fernrohr binocular betrachtete. Ausserdem empfiehlt er als besonders geeignet Polarisationsfarben. Wenn man vor eine schwarze Glasplatte, die das Licht unter dem Polarisationswinkcl reflectirt, d\u00fcnne Glimmer oder Gypsbl\u00e4ttchen in passender Lage anbringt, und vor das rechte Auge ein Nicou\u2019sclies Prisma in der Lage h\u00e4lt, wo es das von der Glasplatte reflectirte Licht im Maximum durchl\u00e4sst, vor das linke Auge ein ebensolches Prisma, um einen rechten Winkel gedreht, so dass es das reflectirte Licht nicht durchgehen l\u00e4sst, so sieht man mit beiden Augen die Krystallbl\u00e4ttchen farbig, und zwar zeigen sie f\u00fcr beide Augen genaue Complement\u00e4rfarben. Dove und R\u00e9gnault haben nun in solchen F\u00e4llen diese","page":776},{"file":"p0777.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 32.\nBINOCULARE FARBENMISCHUNG.\nIll\nComplement\u00e4rfarbcn sich binocular zu Weiss vereinigen gesehen. Ich habe diese Versuche wiederholt und mir sind sie regelm\u00e4ssig und vollst\u00e4ndig misslungen. Ich sehe sowohl mit spectralen als mit Polarisationsfarben genau denselben Wettstreit und Wechsel der verschiedenen einfachen Farben, ohne dass die Mischfarbe zum Vorschein kommt, wie bei Pigmentfarben und den Farben gef\u00e4rbter Gl\u00e4ser. Ich habe auch senkrecht zur Axe geschnittene Ouarzplatten zu diesen Versuchen sehr vortheilhaft gefunden. Wenn man die NicoL\u2019schen Prismen vor den Augen dreht, kommen neue Farben zum Vorschein. Ich sehe aber immer beide Farben getrennt, und gleichsam eine durch die andere, und kann immer augenblicklich angeben, ohne ein Auge zu schliessen, welche Farben da sind. Zur Vergleichung mit den Farben hat man dabei den hellweissen Grund der spiegelnden Platte, der die Mischfarbe zeigt, welche zum Vorschein kommen sollte, und eben deshalb ist es leicht, bei diesen Versuchen den grossen Unterschied zwischen der binocularen Vereinigung verschiedener Farben und ihrer wirklichen Vereinigung zu erkennen.\nObgleich ich einsehe, wie misslich es ist, so vielen ausgezeichneten und zuverl\u00e4ssigen Beobachtern in einer Sache zu widersprechen, in der vielleicht ausserordentlich grosse individuelle Unterschiede bestehen, so will ich hie,r doch einige Umst\u00e4nde anf\u00fchren, welche bei meinen eigenen Versuchen zuweilen den Schein einer Mischfarbe hervorbrachten, w\u00e4hrend sich bei genauerer Untersuchung herausstellte, dass f\u00fcr mein Auge wenigstens eine solche nicht vorhanden war.\nZuerst ist folgendes zu bemerken: wenn man die binoculare Combination zweier Farben vor sich hat und ausserdem auch noch beide Componenten einzeln, wenn man also z. B. mit parallelen Augenaxen nach einem blauen Felde blickt, welches seitw\u00e4rts an ein rothes anst\u00f6sst, so dass ein Doppelbild der Grenzlinie erscheint und auf der einen Seite sich Blau mit Blau, auf der andern Roth mit Roth, in der Mitte aber Roth mit Blau deckt, so unterscheidet sich das mittlere Blau von dem reinen Blau an seiner Seite allerdings dadurch, dass zu ihm im Gesichtsfelde auch noch mehr oder weniger Roth hinzukommt, und Jemand, der die Mischungsregeln der Farben kennt und gew\u00f6hnt ist, aus Blau und Roth sich Violett oder Purpur zusammensetzen zu sehen, k\u00f6nnte dies mit Roth zusammengesetzte Blau nun wohl f\u00fcr Violett erkl\u00e4ren. Auch kommt es ja selbst im monocularen Felde vor, dass wirklich bestehendes Violett vermittels des Contrastes gegen nebenstehendes Blau, oder weil das Blau einer \u00fcber die Farben hingebreiteten Decke oder der Gesammtbeleuchtung des Feldes anzugeh\u00f6ren scheint, vom Beobachter in Blau und Roth aufgel\u00f6st wird. Wir haben Beispiele der Art im 24. Paragraphen besprochen. Es kann also wirklich monocular zu Violett vereinigtes Roth und Blau unter Umst\u00e4nden so getrennt erscheinen, wie das binocular sich deckende f\u00fcr meine Augen immer erscheint, und dadurch kann ein solcher Beobachter vielleicht verleitet werden zu glauben, dass wo er Blau und Roth gleichzeitig sieht, dass da Violett oder Purpur sei. Wenn man nun aber die wirkliche Mischfarbe der beiden gesehenen Farben zur Erscheinung bringt, so tritt der Unterschied schlagend hervor. Die beste und genaueste Methode die Mischfarbe hervorzubringen, ist folgende.","page":777},{"file":"p0778.txt","language":"de","ocr_de":"778\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHBIUNCEN.\n\u00a7\u2022 32.\nMan legt zwei blaue und zwei rothe quadratische Felder wie die eines Schachbretts zusammen, so dass z. B. das rechte obere und linke untere blau, das linke obere und rechte untere roth sind. Dann bringt man vor jedes Auge ein doppeltbrechendes achromatisirtes Kalkspathprisma in derjenigen Stellung, dass es \u00fcber einander liegende Doppelbilder giebt. Indem die Doppelbilder der farbigen Felder sich theilweis \u00fcber einander schieben, entsteht f\u00fcr jedes Auge l\u00e4ngs der horizontalen Trennungslinie der farbigen Felder ein aus Roth und Blau monocular gemischter, also rosarother Streifen. Jetzt blickt man mit parallelen Gesichtslinien nach den Feldern hin, so dass ihre Bilder sich binocular \u00fcber einander schieben. Dann hat man oben rechtes Blau und linkes Roth sich deckend, in der Mitte Rosaroth mit Rosaroth, unten rechtes Roth mit linkem Blau. Unter diesen Umst\u00e4nden ist es f\u00fcr meine Augen ganz deutlich, dass in der bi-nocularen Combination von Blau und Roth keine Spur von dem Rosenroth, wie es der mittlere Streifen zeigt, enthalten ist, sondern nur die beiden einzelnen Farben getrennt.\nPanum legt Gewicht darauf, dass die binocular zu mischenden Farben nicht zu lebhaft und nicht zu verschieden sein d\u00fcrfen, weil sonst der Wettstreit der Sehfelder zu lebhaft und unruhig sei, und man dadurch verhindert werde die Mischfarbe zu erkennen. Ich habe deshalb nach der bei den Contrasterscheinungen schon fr\u00fcher beschriebenen Methode von H. Meyer die zu combinirenden farbigen Felder mit feinem weissen Papier \u00fcberdeckt, so dass durch das Papier die unterliegenden Farben nur schwach durchschimmerten. Als ich nun diese sehr weisslichen Farben zur Deckung brachte, glaubte ich in der That zuerst wirklich eine Mischfarbe zu sehen. Indessen wenn ich die wirkliche Mischfarbe der beiden Felder auch noch daneben brachte, erkannte ich wieder den Wettstreit der Sehfelder in den binocular gedeckten Feldern.\nZuweilen gelingt es, unter einer Auswahl farbiger und grauer Papiere einzelne zu finden, die genau die Mischfarbe zweier anderen, wie sie durch ein doppeltbrechendes Prisma hergestellt wird, darbieten; dann werden die Versuche noch leichter und schlagender. Ich legte neben einander ein Blatt von gr\u00fcnem und rosenrothem Glanzpapier, so dass ihre Grenzlinie vertical war. Quer dar\u00fcber, also horizontal, legte ich einen Streifen grauen Papiers, welches der Mischfarbe von jenen beiden Farben entsprach. Das Ganze wurde mit feinem weissen Papier \u00fcberdeckt. Wenn ich nun diese Felder mit einem doppelt-brechenden Prisma so ansah, dass die Doppelbilder horizontal auseinander geschoben wurden, so deckte sich l\u00e4ngs des horizontalen grauen Streifens Grau mit Grau, dar\u00fcber und darunter in der Mitte Rosa mit Gr\u00fcn, welche ebenfalls Grau gaben, und dieses letztere Grau ging ununterscheidbar \u00fcber in das Grau des horizontalen Streifes. Wenn ich aber nach Entfernung des doppeltbrechenden Prisma binoculare Doppelbilder erzeugte, so hob sich der Streifen, wo Grau auf Grau lag, sehr entschieden ab von dem, wo Rosa auf Gr\u00fcn lag, und im letzteren erschienen wieder die beiden Farben neben einander. Nahm ich aber den mittleren grauen Streifen fort, so erkannte ich den Wettstreit der Sehfelder nicht mehr deutlich und bemerkte dann in diesem Felde nur das Gemeinsame beider Farben, n\u00e4mlich das Weiss.","page":778},{"file":"p0779.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7.32.\nBINOCULARE FARBENMISCHUNG.\n779\nIn andern F\u00e4llen sind es Nachbilder, die eine scheinbare Mischung hervorbringen. Dazu l\u00e4sst sich sehr gut die eben beschriebene Anordnung benutzen: oben ein grauer Streifen, unten rechts gr\u00fcn, links rosenroth, welche beide letzteren Farben, durch das doppeltbrechende Prisma gemischt, das obere Grau geben. Ich bringe die beiden unteren Felder zur binocularen Deckung und sehe anfangs nur lebhaften Wettstreit zwischen ihnen. Wenn ich aber lange anhaltend fixire, f\u00e4ngt endlich das binocular gemischte Feld an, dem oberen Grau \u00e4hnlich zu werden, und nur wenig bald nach der Seite des Roth, bald nach der des Gr\u00fcn hin abzuweichen. Wenn ich aber nun das Roth mit Gr\u00fcn bedecke und dabei das eine oder andere Auge schliesse, so erscheint mir das Nachbild des Gr\u00fcn auf Gr\u00fcn, w\u00e4hrend in dem Theile des Feldes, wo vorher Rosa lag, jetzt das reine ges\u00e4ttigte Gr\u00fcn sichtbar wird. Da sieht man denn sehr deutlich, dass das durch Erm\u00fcdung ver\u00e4nderte Gr\u00fcn in der That dem Grau des oberen Streifens sehr \u00e4hnlich geworden ist. Dasselbe findet man am Rosa-roth, wenn man das Griin verdeckt. Die scheinbare Mischung der Farben zu Weiss beruht also in diesem Falle darauf, dass die Farben selbst in der Empfindung in Folge der entstehenden complement\u00e4ren Nachbilder dem Grau viel \u00e4hnlicher geworden sind, und dass der Unterschied und Wettstreit der einander \u00e4hnlich gewordenen Farben zuletzt nicht mehr so auff\u00e4llt, wie der der urspr\u00fcn-lichen lebhaften.\nIn gewissen F\u00e4llen kann die auf S. 401 erw\u00e4hnte Induction der Farbe des Grundes \u00fcber ein kleines andersfarbiges Feld scheinbare binoculare Mischung hervorbringen. Ich betrachtete einen blauen horizontalen Streifen auf rothem Grunde l\u00e4ngere Zeit in Doppelbildern in starrer Fixation, indem ich ein schwarzes auf dem Blau angebrachtes P\u00fcnktchen mit einem ebensolchen auf dem Roth binocular vereinigte. Anfangs sah ich nur den Wettstreit des Roth und Blau auf dem Theil des Feldes, wo sich Roth und Blau deckte. Endlich aber bemerkte ich, dass wirkliches Violett eintrat. Als ich aber nun das eine Auge schloss, erkannte ich das inducirte Roth auch monocular auf dem blauen Streifen.\nAm auffallendsten endlich finde ich den Schein einer binocularen Mischung in einem schon von H. Meyer und Payum 1 besprochenen Falle. Es befinde sich rechts ein gelbes Feld, auf dem horizontal ein rosenrother Streifen liegt, links ein blaues mit einem verticalen Streifen von demselben Rosenroth. Man bringe das gelbe und blaue Feld zur binocularen Deckung, so dass die beiden rosenrothen Streifen sich scheinbar kreuzen, so erscheint der linke, welcher gr\u00f6sstentheils auf das gelbe Feld f\u00e4llt, allerdings viel gelblicher, als der rechte, der sich gr\u00f6sstentheils mit dem blauen Felde deckt. In der Mitte, wo beide Felder sich kreuzen, sieht man reines Rosenroth, oder vielmehr, wie mir scheint, das gelbliche Rosenroth des einen geht hier unter dem bl\u00e4ulichen Rosenroth des anderen Streifens gleichsam unversch'molzen hindurch. Pak\u00fcm betrachtet die gelbliche F\u00e4rbung des einen Rosenroth, die bl\u00e4uliche des anderen als Folge ihrer binocularen Mischung mit der Farbe des gegen\u00fcber stehenden\n1 Physiologische Untersuchungen \u00fcber das Sehen mit zwei Augen. Kiel 1858. S. il, Pig. 27 und 29.","page":779},{"file":"p0780.txt","language":"de","ocr_de":"780 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 32.\nFeldes. Zu beachten ist hierbei, dass die Ver\u00e4nderung der beiden rosarotlien Streifen am lebhaftesten wird, wenn man den Blick wandern l\u00e4sst, weil dann der auf Gelb liegende das blaue Nachbild des Gelb bekommt, der auf Blau liegende das gelbe Nachbild des Blau. Aber in schw\u00e4cherem Grade ist die Wirkung allerdings auch bei fest fixirendem Blick vorhanden. Doch kann man auch in diesem Falle sich \u00fcberzeugen, dass man es hierzun\u00e4chst mit einer Contrast-wirkung zu thun hat. Die ver\u00e4nderte F\u00e4rbung des Rosaroth bleibt n\u00e4mlich auch bestehen, wenn man durch Schluss des anderen Auges die binoculare Mischung aufhebt. Man schliesse das rechte Auge, welches nach dem gelben Felde gerichet ist, so bleibt der rosenrothe Streif auf dem noch \u00fcbrigen blauen Felde so gelblich, wie er vorher war. Im Moment des Augenschlusses verschwindet freilich noch das ihn binocular deckende Gelb, wie eine Art gelben Nebels, durch welchen hin man ihn sah, aber die scheinbare F\u00e4rbung des Rosenroth selbst bleibt dabei ganz unver\u00e4ndert. Ebenso erscheint der rosenrothe Streif auf dem Gelb unver\u00e4ndert bl\u00e4ulich roth, wenn man auch das nach dem Blau blickende linke Auge schliesst. Daraus folgt also, dass die Ver\u00e4nderung des Rosa nicht oder wenigtens nicht allein, von binocularer Mischung herr\u00fchrt, sondern eine Contrastwirkung ist. Schon von Anfang an, auch bei mo-nocularer Betrachtung, erscheint das Rosa auf dem blauen Felde durch Contrast gelblicher, das auf dem gelben Felde bl\u00e4ulicher. Sobald man die beiden Felder zur Deckung bringt, wird die Contrastwirkung allerdings viel lebhafter; ist sic aber einmal so lebhaft entwickelt, so schwindet sie auch nicht wieder, wenn man selbst ein Auge schliesst und somit die binoculare Deckung aufhebt. Bei jedem Contraste ist die Beurtheilung der Farbe, wie wir uns im 24. Paragraphen zu zeigen bem\u00fchten, innerhalb eines gewissen Intervalls unsicher. Nebenum-st\u00e4nde bewirken, dass man die gesehene Farbe eher nach der einen Seite dieses Intervalls, als nach der anderen verlegt. Bei dem hier besprochenen Versuche kann die binoculare Deckung mit der Complement\u00e4rfarbe des Grundes, auf dem der rosarothe Streifen liegt, wohl als ein solcher Nebenumstand betrachtet werden. Uebrigens komme ich unten noch auf die Lehre von den bi-nocularen Contrasten wieder zur\u00fcck.\nWas die Theorie der binocularen Zusammensetzung der Farben betrifft, so ist diese, wenn wir von Th. Young\u2019s Farbentheorie ausgehen, von ihrer monocularen Mischung nur dadurch unterschieden, dass die den drei verschiedenen Grundfarben entsprechenden.Nervenfasern, welche in verschiedenem Grade gereizt werden, dort auf beide, hier nur in einer Netzhaut vertheilt sind. Die drei verschiedenartigen Nervenfasern, welche demselben Punkte einer Netzhaut angeh\u00f6ren, haben entweder dasselbe Localzeichen, oder wenn sie verschiedene Localzeichen haben, so kann doch keine m\u00f6gliche Erfahrung Vorkommen, bei der sie durch Objecte, die in verschiedenen Theilen des Gesichtsfeldes l\u00e4gen, erregt w\u00fcrden. Eine Veranlassung zu getrennter Localisation dieser Empfindungen in Bezug auf die Richtungen im Sehfeld kann also nicht Vorkommen. Ihre verschiedenen Empfindungen verschmelzen also in eine zusammengesetzte Empfindung, die Empfindung einer Mischfarbe, welche der Regel nach als das sinnliche Zeichen f\u00fcr eine bestimmte Beschaffenheit des \u00f6rtlich einfachen Ob-","page":780},{"file":"p0781.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 32.\nBINOC\u00dcLARR FARBENMISCHUNG.\n781\njects auftritt, das sich in jenem Theile des Sehfeldes befindet. Und doch haben wir gesehen, dass auch hei monocularer Mischung F\u00e4lle eintreten, ',vo wir eine der zusammengesetzten Farben durch die andere hindurch zu sehen glauben, wenn entweder die ungleichm\u00e4ssige Vertheilung des Lichts, oder die Bewegung eines \u00f6rtlich begrenzten Bildes, oder die Anwesenheit eines Theils der Farbe im ganzen Gesichtsfelde uns darauf hinleiten eine farbige Beleuchtung oder eine farbige Decke von einem farbigen Objecte zu trennen.\nBei ungleichartiger Beleuchtung correspondirender Theile beider Netzh\u00e4ute ist nun der Eindruck ein solcher, wie er bei einer von allen Seiten gleich-massigen Beleuchtung eines einfachen Objects niemals Vorkommen kann. Dennoch versetzen wir (aber wahrscheinlich nicht in Folge einer angeborenen Einrichtung unseres Nervensystems, sondern nur in Folge von Ein\u00fcbung) beide Farben in eine und dieselbe Gegend des gemeinsamen Gesichtsfeldes. So sieht man also zwei Farben in dem gleichen Felde und empfindet jede getrennt von der andern. Am \u00e4hnlichsten ist dieses Gesichtsbild jedenfalls denjenigen F\u00e4llen monocularer Mischung, wo wir zwei farbige Objecte hinter einander in der gleichen Stelle des Sehfeldes sehen oder zu sehen vermeinen, und von einer Zahl der Beobachter, wozu ich mich selbst rechnen muss, wird die Sache also auch jedenfalls nur so gesehen. Dabei tritt das Schwanken der Aufmerksamkeit ein, die sich entweder dem einen oder anderen Felde zuwendet, und giebt sich als Wettstreit zu erkennen. Etwas dem Wettstreit \u00e4hnliches, nur sehr viel schw\u00e4cher entwickelt, kann man \u00fcbrigens auch im monocularen Felde sehen, wenn man mittels einer unbelegten Glasplatte das Spiegelbild eines Objectes mit dem durch die Platte gesehenen anderen Objecte zum Decken bringt, vorausgesetzt dass beide nahehin gleich hell und deutlich gezeichnet sind, aber ganz verschiedenes Muster haben. Dann kann man entweder das eine oder andere Object betrachten, das nicht beachtete tritt auch in diesem Falle mehr zur\u00fcck, wenn es auch nie so vollst\u00e4ndig schwindet, wie bei binocularer Deckung. Durch kleine Bewegungen der reflectirenden Platte kann man sich n\u00f6thigenfalls die Trennung der beiden Bilder sehr erleichtern.\nDa \u00fcbrigens nach Young's Theorie die Anschauung von Mischfarben doch immer nur darauf beruht, dass drei verschiedene Farbenempfindungen in dieselbe Stelle des Sehfeldes hinein projicirt werden, und es selbst bei monocularer Mischung nur-auf einem je nach den Nehenumst\u00e4nden verschieden ausfallenden Acte des Urtheils beruht, ob dieselben als sinnliches Zeichen einer einfachen Qualit\u00e4t eines Objects oder zweier verschiedenen Qualit\u00e4ten zweier Objecte angesehen werden, so erscheint es andererseits nicht unm\u00f6glich, dass bei der binocularen Deckung zweier Farben von der Verschiedenheit, welche zwischen dieser Art des Eindrucks und dem der monocularen Mischung stattfindet, abgesehen werde, und die Farben so vereinigt wie bei letzterer angesehen werden. Nach Young\u2019s Farbentheorie ist die Mischfarbe ja auch weiter nichts als die Addition dreier verschiedenartiger, sich sonst gegenseitig nicht beeinflussender Eindr\u00fccke, welche dieselbe Localisation haben, und die Urtheilsacte, nach denen bald Vereinigung, bald Trennung eintritt, k\u00f6nnen bei verschiedenen Beobachtern je nach Ein\u00fcbung und verschiedener individueller Erfahrung nat\u00fcrlich sehr ver-","page":781},{"file":"p0782.txt","language":"de","ocr_de":"782\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 3-2.\nschieden ausfallen. Dass dabei die Vereinigung sehr \u00e4hnlicher Farben, die also viel Gemeinsames und wenig Verschiedenes haben, leichter erfolgen kann, als die sehr verschiedener, ist an und f\u00fcr sich selbstverst\u00e4ndlich. Dazu kommt auch noch, dass kleine Verschiedenheiten des Eindrucks auf beide Augen h\u00e4ufig auch bei Betrachtung desselben reellen Objects Vorkommen k\u00f6nnen, wenn dass eine Auge mehr erm\u00fcdet oder ausgeruht ist als das andere, oder wenn seitlich sehr helles oder farbiges Licht einf\u00e4llt, welches in ihm zerstreut wird, und so weiter. Die Ausgleichung solcher kleinerer Verschiedenheiten kann also zur Sache der Gewohnheit werden und \u00fcbersehen werden. Wenn man freilich ein Feld, welches einen solchen Eindruck darbietet, dicht neben ein anderes stellt, in welchem zwei gleiche Farben zur Deckung kommen, so erkennt man die Verschiedenheit und bemerkt den Wettstreit, der auch zwischen wenig differenten Eindr\u00fccken vor sich geht.\nIn ganz eigenth\u00fcmlicher Weise endlich macht sich die binoculare Combination verschieden farbiger oder verschieden beleuchteter Felder geltend in stereoskopischen Zeichnungen. Macht man n\u00e4mlich in dem einen von zwei zusammengeh\u00f6rigen Bildern eines K\u00f6rpers eine Fl\u00e4che weiss, die man in dem andern Bilde schwarz l\u00e4sst, oder giebt man ihnen verschiedene, am besten nicht zu sehr verschiedene Farben, so erscheint eine solche Fl\u00e4che in der stereoskopischen Combination gl\u00e4nzend, w\u00e4hrend alle diejenigen Theile des K\u00f6rpers, die in beiden Zeichnungen gleiche F\u00e4rbung und Beleuchtung haben, matt erscheinen. Uebrigens ist dieser Schein des Gl\u00e4nzenden oder Matten durchaus unabh\u00e4ngig davon, ob die Fl\u00e4chen der Zeichnung wirklich matt oder gl\u00e4nzend sind, vorausgesetzt, dass sie im letzteren Falle nicht gespiegeltes Licht in das Auge des Beobachters zur\u00fcckwerfen.\nMan kann sogar stereoskopische Linienzeichnungen, zum Beispiel von Kry-stallmodellen, einerseits mit schwarzen Linien auf weissem Grunde, andererseits mit weissen Linien auf schwarzem Grunde ausf\u00fchren und solche Zeichnungen stereoskopisch combiniren. Man erh\u00e4lt dabei den Eindruck, als w\u00e4re der K\u00f6rper, den man sieht, aus einer dunklen gl\u00e4nzenden Masse, wie Graphit, ausgef\u00fchrt und l\u00e4ge auf einer Fl\u00e4che von Graphit. Ein solches Beispiel zeigt Fig. Q, Tuf. IX.\nAuch in photographischen Stereoskopbildern von gl\u00e4nzenden Gegenst\u00e4nden, z. B. gl\u00e4nzenden Pflanzenbl\u00e4ttern, Atlas u. s. w., wird man h\u00e4ufig Stellen finden, welche in beiden Zeichnungen verschieden helle Reflexe zeigen und in dem combinirten Bilde den Eindruck des Glanzes hervorrufen. Am ausgezeichnetsten vielleicht ist dieser Eindruck auf momentanen Photographien einer welligen, von der Sonne beschienenen Wasserfl\u00e4che. Ebenso wird man sich bei Betrachtung objectiver gl\u00e4nzender K\u00f6rper sehr oft \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dass einzelne Stellen derselben dem einen Auge einen viel st\u00e4rkeren Reflex zusenden als dem andern.\nHierin scheint mir auch der Grund zu liegen, warum in stereoskopischen Zeichnungen verschieden beleuchtete Fl\u00e4chen combinirt gl\u00e4nzend erscheinen. Wenn eine matte Oberfl\u00e4che von Licht getroffen wird, so sendet sie dieses Licht gleichm\u00e4ssig nach allen Richtungen in der Weise zur\u00fcck, dass sie von allen Richtungen aus gesehen gleich hell erscheint. Folglich wird sie auch unter","page":782},{"file":"p0783.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 32.\nGLANZ IM STEREOSKOP.\n783\nden normalen Bedingungen des Sehens unseren beiden Augen immer gleich hell erscheinen. Gl\u00e4nzende Fl\u00e4chen dagegen sind solche, die eine mehr oder weniger regelm\u00e4ssige spiegelnde Reflexion zeigen. Sie k\u00f6nnen eine Menge gr\u00f6sserer oder kleinerer h\u00fcgeliger Unebenheiten zeigen; wenn die Oberfl\u00e4che dieser H\u00fcgel polirt ist und \u00fcberwiegend einer bestimmten Richtung sich n\u00e4hert, so werden sie doch auffallendes Licht in \u00fcberwiegender Menge in derjenigen Richtung zur\u00fcckwerfen, in der eine regelm\u00e4ssig spiegelnde Fl\u00e4che alles Licht zur\u00fcckwerfen w\u00fcrde. Unter diesen Umst\u00e4nden wird es oft. Vorkommen, dass eines unserer Augen sich in der Richtung des zur\u00fcckgeworfenen Lichts befindet, das andere nicht. Dem ersteren erscheint dann die betreffende Fl\u00e4che stark erleuchtet, dem anderen schwach. Sehen wir also im Stereoskope an dem Bilde eines K\u00f6rpers eine Fl\u00e4che mit beiden Augen verschieden stark erleuchtet, so erhalten wir einen sinnlichen Eindruck, den in Wirklichkeit nur gl\u00e4nzende, aber niemals matte Fl\u00e4chen hervorbringen k\u00f6nnen, und die betreffende Fl\u00e4che erscheint uns deshalb gl\u00e4nzend.\nEbenso kann es Vorkommen, dass ein gl\u00e4nzender K\u00f6rper, der von farbigen umringt ist, dem einen Auge reflectirtes Licht von einer, dem andern.von anderer Farbe zusendet, also beiden Augen verschiedenfarbig erscheint, w\u00e4hrend ein matter K\u00f6rper unter den normalen Bedingungen des Sehens nothwendig beiden Augen immer gleichfarbig erscheinen muss. Wenn also im Stereoskop dieselbe Fl\u00e4che in der einen Zeichnung anders gef\u00e4rbt ist als in der andern, so erregt uns das einen sinnlichen Eindruck, wie ihn nur gl\u00e4nzende K\u00f6rper hervorbringen k\u00f6nnen. Da sich in der Regel die Farbe des gl\u00e4nzenden K\u00f6rpers selbst mit der der beiden Reflexe mischt und die letzteren selten ganz rein nur die eine Farbe reflectiren, so sind die Unterschiede in der F\u00e4rbung solcher Reflexe gl\u00e4nzender K\u00f6rper f\u00fcr beide Augen in der Regel nicht sehr gross, und dem entsprechend gelingt cs besser Glanz hervorzubringen durch Verbindung von Farben, die nicht sehr verschieden sind, als durch sehr gl\u00e4nzende und sehr differente. Letztere lassen mehr Wettstreit als Glanz sehen.\nNach den Beobachtungen von Wundt tritt der Glanz in der Combination zweier farbigen Felder am besten hervor, wenn beide ungef\u00e4hr gleich stark mit dem Grunde, auf dem sie liegen, contrastiren, schw\u00e4cher, wenn eines viel st\u00e4rker contrastirt; dann \u00fcberwiegt n\u00e4mlich dasselbe im Wettstreite der Sehfelder zu sehr und unterdr\u00fcckt das andere. Legt man zum Beispiel ein helles gelbes und ein dunkles blaues Quadrat von gleicher Gr\u00f6sse auf weissen oder schwarzen Grund, und bringt sie zur binocularen Deckung, so unterscheidet sich im einen Falle das Gelb zu wenig vom weissen Grunde, im andern das Blau zu wenig vom schwarzen Grunde, und der Glanz ist viel schw\u00e4cher, als wenn man beide Quadrate auf grauen Grund legt, der sich von beiden gleich stark unterscheidet.\nAuch dadurch, dass man auf dem einen Quadrate Zeichnungen mit scharfen Contouren anbringt, kann man dieses im Wettstreit so beg\u00fcnstigen, dass die Erscheinung des Glanzes undeutlich wird.\nAuch kann man binocularen Glanz hervorbringen, ohne gerade stereoskopische Zeichnungen zu benutzen, wenn man durch zwei verschieden gef\u00e4rbte Gl\u00e4ser nach buntgef\u00e4rbten Objecten hinsieht, zum Beispiel durch ein blaues und","page":783},{"file":"p0784.txt","language":"de","ocr_de":"784\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 32.\nein rothes Glas nach einem in Blau und Roth ausgef\u00fchrten Muster. Durch jedes Glas erscheint die gleichnamige Farbe hell, die andere dunkel, und man sieht das Muster sehr auffallend gl\u00e4nzend. Wichtig ist dabei die Bemerkung von Dove, dass, wenn im Wettstreit der Augen die eine oder andere Farbe sich ganz hervordr\u00e4ngt, der Glanz verschwindet, im Moment des Uebergangs aber, wo beide neben einander sichtbar sind, der Glanz auftritt.\nDer Metallglanz ist dadurch charakterisirt, dass das regelm\u00e4ssig reflectirte Licht selbst schon gef\u00e4rbt und nicht weiss ist, wie das der durchsichtigen Stoffe. Metallglanz kommt deshalb auch K\u00f6rpern zu, welche die Farben d\u00fcnner Bl\u00e4ttchen geben', wie bunte Vogelfedern, und gewissen stark gef\u00e4rbten und brechenden Stoffen, wie Indigo.\nDie Erscheinung des stereoskopischen Glanzes ist f\u00fcr die Theorie der Th\u00e4tigkeit beider Netzh\u00e4ute deshalb von Interesse, weil daraus mit Sicherheit hervorgeht, was bei den verschiedenen Aussagen verschiedener Beobachter \u00fcber die Erfolge der binocularen Deckung verschiedener Bilder vielleicht zweifelhaft bleiben k\u00f6nnte, dass zwei heterogene Lichtwirkungen auf correspondirende Netzhautstellen stets einen durchaus andern sinnlichen Eindruck machen, als zwei gleichartige Einwirkungen auf dieselben Stellen. Wenn das eine Auge Schwarz sieht und das andere in dem correspondirenden Theile des Sehfeldes Weiss, so ist der sinnliche Eindruck der einer gl\u00e4nzenden weisslichen Fl\u00e4che. Wenn wir aber das weisse Licht, was bisher auf die eine Seite allein fiel, auf beide Seiten gleich-massig vertheilen, also Grau mit Grau combiniren, so giebt das den Eindruck von mattem Grau, welcher ganz bestimmt unterschieden ist von dem Eindruck des gl\u00e4nzenden Weiss, den die erste Combination machte.\nDasselbe gilt f\u00fcr den durch binoculare Vereinigung verschiedener Farben erzeugten Glanz.\nMan kann zwar denselben Schluss schon aus der Thatsache ziehen, dass zwei stereoskopische Zeichnungen, binocular eombinirt, nicht so erscheinen, als w\u00e4ren alle Linien auf dasselbe Blatt aufgetragen, sondern den Eindruck eines K\u00f6rpers geben. Indessen ist hierbei allerdings der Einfluss der Augenbewegungen von Wichtigkeit, und nur bei momentaner Beleuchtung durch den elektrischen Funken f\u00e4llt dieser ganz weg.\nIch bemerke noch, dass ich auch solche Zeichnungen, welche stereoskopischen Glanz zeigen, bei der Beleuchtung durch den elektrischen Funken betrachtet habe, und dass auch hierbei der Eindruck des Glanzes vollkommen zur Erscheinung kommt. Diese Thatsache ist wichtig, weil dadurch die Erkl\u00e4rung beseitigt wird, dass der Glanz auf dem Wechsel der Beleuchtung und F\u00e4rbung beruht, den der Wettstreit verursacht. Den Wechsel im Wettstreit bei nicht angestrengter Aufmerksamkeit habe ich nie schneller als in Perioden von etwa 8 Secunden, meist aber sehr viel langsamer vor sich gehen sehen. Wenn nun auch der Lichteindruck in der Netzhaut einen kleinen Bruchtheil einer Secunde dauert, so ist w\u00e4hrend dieser Zeit keine merkliche Aenderung durch den Wettstreit der Sehfelder m\u00f6glich. Man kann aber in dieser kurzen Zeit erkennen, dass man die beiden verschiedenen Eindr\u00fccke beider Sehfelder gleichzeitig und in derselben Stelle des gemeinschaftlichen Gesichtsfeldes sieht.","page":784},{"file":"p0785.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 32.\nBINOCULARER CONTRAST.\n785\nDen Eindruck des Glanzes k\u00f6nnen \u00fcbrigens auch monocular gesehene Bilder und Objecte hervorbringen, zum Beispiel dadurch, dass ihre Beleuchtung bei Bewegungen des Beobachters sich schnell ver\u00e4ndert; dabei kommen die Elemente, aus denen sich der stereoskopische Glanz zusammensetzt, nicht gleichzeitig, aber schnell hinter einander zur Beobachtung. Ferner erscheinen bewegte Objecte gl\u00e4nzend, wenn die Beleuchtung ihrer einzelnen Tlieile schnell hinter einander sich ver\u00e4ndert, wie es zum Beispiel bei einer bewegten Wasserfl\u00e4che geschieht. Es gen\u00fcgt selbst, wenn nur die verschiedenartige Beleuchtung der Tlieile einer Fl\u00e4che die bekannten Formen der Lichtreflexe unvollkommen spiegelnder K\u00f6rper nachahmt. Wundt hat monocularen Glanz hervorgebracht, indem er ein dunkles Quadrat auf andersfarbigem dunklen Grunde durch eine unbelegte Glasplatte betrachtete, deren Vorderseite gleichzeitig ein helleres Quadrat auf hellerem Grunde spiegelte, so dass die Spiegelbilder mit dem erstgenannten sich nahehin deckten. Der Glanz verschwand, wenn das gespiegelte Quadrat scheinbar genau an demselben Orte sich befand, wie das wirklich dort vorhandene, dann sah man nur die Mischfarbe. Der Glanz kam aber zum Vorschein, wenn das gespiegelte scheinbar hinter dem wirklichen lag. Lag es vor ihm, so schien eher das gespiegelte zu gl\u00e4nzen. Es wurde hierbei also die Anschauung hervorgebracht, als s\u00e4he man hinter und durch das wirklich vorhandene Quadrat noch ein anderes, was dann als ein von ersterem entworfenes Spiegelbild erschien, und das gab den Anschein des Glanzes. Diese Versuche zeigen besonders gut, dass es hier nicht auf besondere Qualit\u00e4ten der F\u00e4rbung ankommt, sondern darauf, die T\u00e4uschung hervorzubringen, als reflectirte eine gesehene Fl\u00e4che noch ein anderes Bild.\nDer Schein der Durchsichtigkeit tritt auch bei binocularer Deckung zweier verschiedenfarbiger Felder zuweilen ein, worauf Wundt aufmerksam machte. Bringt man zum Beispiel ein helles gelbes und dunkleres blaues Quadrat auf weissem Grunde zu einer unvollst\u00e4ndigen binocularen Deckung, so erscheint das Blau da, wo man die Grenze des Gelb und Weiss von ihm gedeckt sieht, durchsichtig. Dagegen fehlt dieser Schein, wo das Gelb die Grenze von Blau und Weiss deckt. Auf schwarzem Grunde erscheint dagegen das Gelb durchsichtig. Das st\u00e4rker mit dem Grunde contrastirende Feld erscheint \u00fcberhaupt der Regel nach als das durchsichtige, entsprechend dem objectiven Verh\u00e4ltniss, wonach etwas, was durch ein durchscheinendes Medium, dessen Substanz selbst, deutlich wahrgenommen wird, gesehen wird, immer nur undeutlich gesehen wird, w\u00e4hrend die Grenzen dieses Mediums, unbedeckt von anderem durchscheinenden, sich der Regel nach scharf markiren werden.\nEs sind schliesslich noch einige Erscheinungen zu besprechen, welche als Contrast zwischen den Empfindungen beider Augen auszulegen sind, oder wenigstens ausgelegt werden k\u00f6nnen.\nZun\u00e4chst hat namentlich Fechner darauf aufmerksam gemacht, wie ausserordentlich gut kleine Unterschiede der augenblicklichen Farhenstimmung beider Augen, d. h. der Weise, in welcher die Augen die Farben empfinden, wahrgenommen werden, wenn man nach einem kleinen hellen Objecte auf schwarzem Grunde sieht und dessen binoculares Bild durch ver\u00e4nderte Augenstellung\nEneyklop. d, Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t50","page":785},{"file":"p0786.txt","language":"de","ocr_de":"786\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 32.\nin Doppelbilder auseinander schiebt. Ist das eine Auge zum Beispiel geschlossen gewesen und hat das andere w\u00e4hrend der Zeit helle weisse Fl\u00e4chen angesehen, so erscheint unmittelbar hinterher von den zwei Doppelbildern eines weissen Streifens auf schwarzem Grunde dasjenige, welches dem erm\u00fcdeten Auge angeh\u00f6rt, dunkler und auch violetter als das andere, welches dem vorher aus-geruliten Auge angeh\u00f6rt. Hat man dagegen mit dem freien Auge nach einer farbigen Fl\u00e4che gesehen, so erscheint dessen Bild nachher in der Complement\u00e4r-farbe, das andere der inducirenden Farbe gleichfarbig. Hierbei ist die Comple-ment\u00e4rfarbe in dem erm\u00fcdeten Auge in der Vergleichung der beiden Doppelbilder sehr viel l\u00e4nger sichtbar, als wenn man beide Augen nach derselben farbigen Fl\u00e4che hat blicken lassen und in beiden daher die gleiche Farbenstimmung nachbleibt. So ist es zum Beispiel ohne dieses Hilfsmittel der Doppelbilder sehr schwer zu erkennen, dass das Nachbild einer m\u00e4ssig erleuchteten weissen Fl\u00e4che eine bl\u00e4uliche F\u00e4rbung hat, w\u00e4hrend dieser Umstand in der Vergleichung mit dem Doppelbilde des ausgeruhten Auges, welches hell orangegelb erscheint, sogleich sichtbar wird. Ist der Unterschied der Helligkeit beider Bilder zu gross, so kann man die Vergleichung sehr erleichtern, wenn man das des freien Auges entsprechend verdunkelt, indem man entweder durch eine feine Oeffnung in einem schwarzen Papierblatte blickt, oder durch ein doppelbrechendes Prisma, welches zwei Bilder des hellen Streifens, jedes von halber Helligkeit des directen Bildes zeigt, oder auch durch ein farbloses graues Brillenglas, von dessen Farblosigkeit man sich vorher \u00fcberzeugt hat.\nEs geht aus diesen Versuchen hervor, dass die Vergleichung zwischen den Farbenempflndungen naheliin correspondirender Stellen beider Netzh\u00e4ute mit grosser Genauigkeit geschehen kann, scheinbar sogar mit gr\u00f6sserer Genauigkeit und viel l\u00e4ngere Zeit hindurch, als dies der Fall ist, wenn die beiden Farben durch die entsprechenden Stellen einer Netzhaut verglichen werden sollen. Um n\u00e4mlich die Farbe, in der die Netzhaut zum Beispiel Weiss empfindet, zu vergleichen mit der, in der es die nicht erm\u00fcdete thut, muss man durch starres Fixiren eines weissen Objects auf schwarzem Grunde ein scharf gezeichnetes Nachbild entwickeln und dies nachher auf gleichm\u00e4ssig weissem Grunde betrachten. Abgesehen davon, dass die Anstrengung des starren Fixirens ziemlich betr\u00e4chtlich ist und vielleicht Einfluss auf den Verlauf des Processes hat, abgesehen ferner davon, dass man den Vortheil nicht hat, das helle Bild beliebig verdunkeln zu k\u00f6nnen, so verschwinden die begrenzten Nachbilder auf einer Netzhaut auch bald f\u00fcr die Wahrnehmung, weil wir \u00fcberhaupt gleichbleibende Helligkeit\u00ab- oder Farbenunterschiede zwischen zwei verschiedenen Netzhautstellen, die durch Wechsel nicht aufgefrischt werden, schwer bemerken.\nWir haben im \u00a7. 24 gesehen, dass wir geneigt sind, deutlich wahrnehmbare Unterschiede der Helligkeit und Farbe f\u00fcr gr\u00f6sser zu halten, als undeutlich wahrnehmbare, und dass der gr\u00f6ssere Theil der sogenannten Contrasterschei-nungen hierauf zur\u00fcckzuf\u00fchren ist. Eine solche Contrastwirkung \u00e4ussert sich nun im vorliegenden Falle dadurch, dass auch das unver\u00e4nderte Bild sich im Gegens\u00e4tze zu dem ver\u00e4nderten f\u00e4rbt, erhellt oder verdunkelt. So sieht das reine Weiss des unermiideten Auges gelb aus, neben dem violetten Grau des durch","page":786},{"file":"p0787.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 32.\nBINOCULARER CONTRAST.\n787\nWeiss erm\u00fcdeten, oder ersteres gr\u00fcn, wenn das letztere durch das Nachbild von Gr\u00fcn rosarot!) gef\u00e4rbt ist u. s. f.\nStatt das eine Doppelbild durch ein Nachbild zu f\u00e4rben, kann man es auch direct durch ein farbiges Glas f\u00e4rben, welches man vor das betreffende Auge bringt. Aber ich finde auch hier, was wir schon oben f\u00fcr die Contrasterschei-nungen als charakteristisch fanden, dass eine schwache Farbe eine viel deutlichere Contrastwirkung hervorbringt, als eine sehr ges\u00e4ttigte. Gr\u00fcnliches Fensterglas oder gelbr\u00f6thliches Bouteillenglas zeigt die complement\u00e4re Farbe auf dem jenseitigen Doppelbilde viel deutlicher, als wenn man durch sehr tief gef\u00e4rbtes Glas blickt, selbst wenn man im letzteren Falle das Bild des anderen' Auges durch passende graue Gl\u00e4ser auf dieselbe Lichtst\u00e4rke herunterbringt, als das farbige Bild.\nJa es ist sogar ein Contrast m\u00f6glich zwischen solchen Farben, die auf correspondirenden Stellen beider Netzh\u00e4ute liegen. Man lege einen schwarzen Streifen auf einen weissen Grund, schiebe sein Bild zu Doppelbildern auseinander und bringe dann vor das eine Auge ein blaues, vor das andere ein graues Glas, welche beide ungef\u00e4hr gleich dunkel sind. Man sieht dann das eine Bild des schwarzen Streifen umgeben von hervortretendem Blau, das andere von hervortretendem Weiss, w\u00e4hrend im \u00fcbrigen Grunde Blau und Weiss mehr oder weniger gleichm\u00e4ssig \u00fcber einander lagern. Dabei zeigt sich das Weiss, was l\u00e4ngs der Contour des schwarzen Streifens hervortritt, entschieden gelblich. Nimmt man beide Gl\u00e4ser fort, so erscheint gelbliches Weiss, wo vorher Blau vorherrschte, und bl\u00e4uliches Weiss, wo wir es vorher gelblich sahen.\nVertauschen wir bei diesem Versuche die blaue Glasplatte mit einer gelben, so wechselt auch in den Bildern \u00fcberall Gelb mit Blau.\nEs muss wohl als sehr auffallend betrachtet werden, dass unter dem Einfluss der Contoure des Schwarz unsere Aufmerksamkeit sich dem benachbarten Weiss so ausschliesslich zuwendet und es von dem im gemeinschaftlichen Gesichtsfelde \u00fcberdeckenden Blau so vollst\u00e4ndig trennt, dass dieses Weiss sogar gelblich aussehen kann. Dies gelbliche Weiss zeigt \u00fcbrigens auch darin seinen Charakter als Contrastfai\u2019be, dass es kurze Zeit stehen bleibt, selbst wenn wir das Auge hinter dem blauen Glase ganz scliliessen. Auch bei den farbigen Schatten (S. 394) fanden wir, dass das einmal \u00fcber die Art der Farbe festgestellte Urtheil bestehen blieb, selbst nachdem die contrastirende Farbe, deren Anwesenheit zu dem Irrthume verleitet hatte, aus dem Gesichtsfelde entfernt war.\nIn den bisherigen Versuchen fand der Contrast statt in der Vergleichung zweier Farben, welche den entgegengesetzten Gesichtsfeldern angeh\u00f6ren. Es kann nun aber auch die Wirkung monocularen Contrastes durch binoculare Vergleichung mit dem entgegengesetzten Contraste gesteigert werden. Man lege rechts einen Bogen rosarothen, links einen Bogen gr\u00fcnen Papiers, so dass beide in der Mitte an einander stossen; ferner lege man nahe der Grenzlinie auf jede Seite einen Streifen weissen Papiers. Betrachtet man diese beiden Streifen mit freien Augen, so ist in der Regel gar keine Contrastf\u00e4rbung an den beiden Papierstreifen zu bemerken, wenn nicht schon starke Nachbilder der beiden Farben entwickelt sind. Blickt man mit einem Auge durch eine\n50 *","page":787},{"file":"p0788.txt","language":"de","ocr_de":"788\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTS WAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 32.\nschwarze R\u00f6hre nach einem dieser Streifen, w\u00e4hrend das andere Auge geschlossen ist, so bemerkt man allerdings eine schwache complement\u00e4re Contrast-f\u00e4rbung. H\u00e4lt man aber zwei schwarze R\u00f6hren vor beide Angen, so dass das rechte den einen Streifen mit einem St\u00fcck des rothen Grundes, das linke den anderen mit einem St\u00fcck des gr\u00fcnen Grundes sieht, ohne dass man \u00fcbrigens die Streifen binocular zum Decken bringt, so treten die complemcnt\u00e4ren F\u00e4rbungen der beiden Streifen in einer sonst kaum beobachteten St\u00e4rke auf. Die Wirkung nimmt an St\u00e4rke immer mehr zu, wenn man den Versuch l\u00e4ngere Zeit fortsetzt, ohne den Blick auf einen bestimmten Punkt festzuheften. Dabei entstehen nat\u00fcrlich immer st\u00e4rkere Nachbilder des Grundes, und da das rechte Auge nur rothen, das andere nur gr\u00fcnen Grund sieht, so kann bei allen Bewegungen des Auges sich im rechten Auge immer nur Gr\u00fcn, im linken immer nur Roth als Grund entwickeln und die Contrastwirkung nur verst\u00e4rken.\nDies w\u00e4re nun ein successiver Contrast, einer der auf Nachbildern beruht. Wenn man zu Anfang des Versuchs schnell die Angen auf die weissen Streifen hinwendet und sic m\u00f6glichst schnell in der richtigen Lage fixirt, so sieht man ebenfalls, wenn auch viel schw\u00e4cher die Contrastfarben. Indessen da unter den Umst\u00e4nden dieses Versuchs Nachbilder des Grundes durch die Vergleichung der F\u00e4rbung in beiden Sehfeldern besonders leicht sichtbar werden, so hielt ich es f\u00fcr noting, eine Versuchsweise zu suchen, welche ganz sicher vor jeder Entstehung eines Nachbildes des Grundes sch\u00fctzte. Zu dem Ende befestigte ich auf einer Glasplatte zwei Papierstreifen, parallel zu einander in \u2022senkrechter Richtung, von denen der rechte oben schwarz und unten grau, der linke oben grau und unten schwarz war. Die Glastafel brachte ich \u00fcber eine rechts mit rothem, links mit gr\u00fcnem Papier belegte Fl\u00e4che, so dass der rechte Papierstreifen \u00fcber rothem, der linke \u00fcber gr\u00fcnem Grunde lag. Vor dem Beginn des Versuchs schob ich aber weisses Papier zwischen die Glastafel und die farbige Fl\u00e4che, so dass die letztere ganz verdeckt war. Nun fixirte ich mit beiden Augen die grauschwarzen Streifen so, dass sie sich deckten, wobei sowohl die obere als untere H\u00e4lfte des Bildes aus der Deckung einer schwarzen und einer grauen Streifenh\u00e4lfte besteht. In der Mitte jedes Streifens hatte ich einen weissen Punkt angebracht als Fixationspunkt, Indem ich die beiden weissen Punkte binocular vereinigte, war ich im Stande, das gemeinsame Bild der grauschwarzen Streifen ganz sicher festzuhalten. Wenn ich nun das weisse Papier entfernte, so dass die farbige Fl\u00e4che dahinter zum Vorschein kam, so entstanden allerdings Spuren einer Contrasti\u00e4rbung, die aber ausserordentlich schwach waren. Das Grau, welches auf gr\u00fcnem Grunde lag, erschien r\u00f6tldich, das auf rothem Grunde befindliche gr\u00fcnlich. Dagegen gen\u00fcgten wenige kurze Bewegungen des Blicks von rechts nach links und zur\u00fcck, um die Contrastfarben gleich in voller Intensit\u00e4t zum Vorschein zu bringen. Die anf\u00e4nglichen schwachen Contrastf\u00e4rbungen waren schw\u00e4cher, als sie beim monocularen Contrast zum Vorschein kommen. Noch schw\u00e4cher war die Wirkung, wenn das Grau durch Weiss ersetzt wurde.\nDie reinen Wirkungen des simultanen Contrastes auf den beiden grauen","page":788},{"file":"p0789.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 32.\nBU\u00ceOCULARER CONTRAST.\n789\nStreifen wurden also geschw\u00e4cht durch die binoculare Vergleichung. Indem das Grau des einen Sehfeldes dem des anderen binocular gen\u00e4hert wurde, wurde eine genauere Vergleichung zwischen den beiden Grau m\u00f6glich, als vorher im monocularen Felde, wo die beiden Streifen durch weite Strecken Gr\u00fcn und Roth von einander getrennt waren. In dieser Beziehung verhalten sich also die Erscheinungen des successiven Contrastes, welche auf einer Ver\u00e4nderung der Empfindung durch Nachbilder beruhen, ganz anders, als die des simultanen Contrastes, welche wir als Irrth\u00fcmer des Urtheils aufgefasst haben. Erstere treten durch binoculare Vergleichung auffallender hervor, letztere werden im Gegentheil berichtigt.\nBei der bisher beschriebenen Form des Versuchs wurde eine binoculare Deckung der grauen Streifen mit farbigem Grunde vermieden, sie deckten sich vielmehr mit Schwarz. Nun kann man aber durch ver\u00e4nderte Convergenz der Augen ihre Bilder so weit aneinander schieben, dass sie sich nicht decken, sondern nur ber\u00fchren. Bringt man sie in diese scheinbare Lage, w\u00e4hrend zun\u00e4chst noch der weisse Bogen darunter liegt, \u00fcberzeugt sich dabei von dem gleichen Aussehen des Grau an beiden Streifen und nimmt dann das weisse Papier fort, um den farbigen Grund sichtbar zu machen, so erscheint der von Roth umgebene Streifen, der sich binocular mit Gr\u00fcn deckt, entschieden gr\u00fcn, der andere, der von Gr\u00fcn umgeben ist und sich mit Roth deckt, ebenso entschieden roth. Man erh\u00e4lt ganz frappant den Eindruck, als f\u00e4nde eine binocu hire Mischung des Grau mit den beiden Farben des Grundes statt. Schiebt man den weisseu Bogen wieder unter die Glasplatte, so schwinden augenblicklich die F\u00e4rbungen, wie es bei einer Mischung der Farben des Grundes mit dem Grau sein m\u00fcsste.\nAber ein anderer Versuch zeigt, dass wir es hier nicht mit einer Mi schung zu thuu haben. Schliesse ich das rechte Auge, wenn ich die Streifen compleinent\u00e4rgef\u00e4rbt vor mir sehe, so bleibt nur der von Gr\u00fcn umgebene Streif sichtbar, und obgleich eine Art rothen Schleiers sich von ihm zur\u00fcckzieht, n\u00e4mlich das ihn binocular\tdeckende\tRoth, so\tbleibt seine K\u00f6rperfarbe,\tdas\nGrau, doch so r\u00f6thlich, als\tcs vorher\twar; das\tw\u00e4re nicht m\u00f6glich, wenn\tdas\nr\u00f6tliliche Aussehen des Grau nur auf einer (binocularen) Mischung mit Roth beruhte. So wie aus der\tMischung\tdas Roth\tfortfiele, m\u00fcsste sich die\turspr\u00fcngliche Farbe herstellen\tund eher durch den\tContrast gr\u00fcnlich werden.\tIch\nglaube vielmehr, dass der Erfolg dieser Versuche so zu erkl\u00e4ren ist: Wir haben vorher gesehen, dass wenn in beiden Sehfeldern Grau enthalten ist und sich beides binocular mit Schwarz deckt, wir den Farbenton der beiden Grau sehr genau vergleichen k\u00f6nnen, und dass durch diese unmittelbare Vergleichung der beiden Grau Wirkungen monocularen Contrastes, die uns geneigt machen k\u00f6nnten, die beiden Grau f\u00fcr verschiedenartig zu halten, geschw\u00e4cht werden. In dem letztbeschriebenen Versuche dagegen deckt sich Grau, welches von Roth umgeben ist, und welches wir deshalb geneigt sind, f\u00fcr gr\u00fcnlich zu halten, binocular mit Gr\u00fcn, und das andere durch Contrast mit der gr\u00fcnen Umgebung r\u00f6thlich gef\u00e4rbte Grau deckt sich binocular mit Roth. Hier kann diese binocu-lare Deckung der beiden Fl\u00e4chen, welche zu vergleichen sind mit zwei ver","page":789},{"file":"p0790.txt","language":"de","ocr_de":"790\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u25a0 32.\nschiedenen und lebhaften Farben die Vergleichung sehr unsicher machen und daher den Contrast verst\u00e4rken.\nSchiebt man nachher eine weisse Fl\u00e4che unter, an der die Augen ihr Ur-theil \u00fcber das Weiss wieder berichtigen k\u00f6nnen, so schwindet augenblicklich . der Contrast. Auch wenn eine schwarze untergeschoben wird, so ist sogleich eine genaue und ungef\u00e4lschte Vergleichung der beiden grauen Streifen m\u00f6glich, welche den Contrast derselben schwinden macht. Wenn man dagegen nur ein s Auge schliesst, so treten keine Momente ein, die das Urtheil berichtigen k\u00f6nn-ten, und der Contrast bleibt bestehen.\nWir k\u00f6nnen das Resultat der bisher beschriebenen Versuche dahin zusam-menfassen: Wenn im binocularen Felde das rechte Auge das Bild \u00ab, das linke das Bild \u00df dicht neben einander erblickt und \u00ab sich mit dem Grunde b, \u00df mit dem Grunde a deckt, so ist die Vergleichung der objectiven oder durch Nach- | bilder ver\u00e4nderten F\u00e4rbung von \u00ab und \u00df sehr genau, so oft der Grund \u00ab dieselbe F\u00e4rbung wie b hat; sie ist dagegen sehr unsicher, so oft a und 6 verschiedene Farbe oder Beleuchtung haben. Ersteres zerst\u00f6rt monoculare Simul-tancontraste, letzteres beg\u00fcnstigt sie.\nBei einigen anderen Versuchen \u00fcber binocularen Contrast kommt, wie bei vielen des monocularen Contrastes, in Betracht, dass wir die objectiven Farben der K\u00f6rper von der Farbe einer weit verbreiteten Beleuchtung zu trennen ge\u00fcbt sind.\nDahin geh\u00f6rt zun\u00e4chst Fechner\u2019s 1 sogenannter paradoxer Versuch. Man blicke nach einer weissen Fl\u00e4che, schliesse und \u00f6ffne abwechselnd das rechte Auge, so wird man finden, dass im Moment des Schlusses die weisse Fl\u00e4che, welche nun nur noch vom linken Auge gesehen wird, ein wenig dunkler erscheint, als w\u00e4hrend der Oeffnung beider Augen. Der Ausschluss des Lichtes von dem einen Auge bringt also, wie man erwarten musste, eine Verdunkelung des Bildes hervor, freilich eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig ausserordentlich schwache, f\u00fcr manche Augen kaum wahrnehmbare. Nun \u00e4ndere man die Bedingungen des Versuchs dadurch ab, dass man vor das rechte Auge ein ziemlich stark verdunkelndes graues Glas nimmt. Wenn man jetzt das rechte Auge \u00f6ffnet, erscheint die weisse Fl\u00e4che im Gegcntheil dunkler; wenn man es schliesst, heller. Also wenn mehr Licht in die Augen f\u00e4llt, haben wir scheinbare Ver-dunkelung, wenn weniger, Erhellung. Nimmt man immer hellere graue Gl\u00e4ser, so schwindet dieser negative Erfolg und geht endlich in den positiven \u00fcber, den die freien Augen zeigen, n\u00e4mlich Oeffnung des geschlossenen Auges giebt Erhellung. Geht man im Gegentheil zu sehr dunkeln Gl\u00e4sern \u00fcber, so kommt man zuletzt an eine Grenze, wo es einerlei bleibt, ob das Auge hinter dem Glase offen oder geschlossen ist, indem das einfallende Licht keine in Betracht kommende Wirkung mehr aus\u00fcbt. Eine mittlere Verdunkelung der Gl\u00e4ser giebt also ein Maximum des Erfolgs. Fechner selbst brauchte dazu Gl\u00e4ser, die zwischen 0,03 und 0,05 des einfallenden Lichts- durchliessen. Statt der grauen Gl\u00e4ser kann sehr zweckm\u00e4ssig Aubert\u2019s oben beschriebener Episkotister augewendet werden.\nAbhandl. der Sachs. Ges, d. Wiss. VII, 416\u2014463.","page":790},{"file":"p0791.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 32.\nBINOCULARER CONTRAST.\n791\nDass die Bewegung der Pupille hierbei ohne Einfluss ist, wurde controlirt, indem der Beobachter mit dem freien Auge durch eine enge Oeffnung von geringerem Durchmesser als die Pupille blickte. Man kann auch \u00fcberhaupt bei diesen Versuchen enge Oeflhungen in schwarzen Papierbl\u00e4ttern, statt der dunklen Gl\u00e4ser, zur Verdunkelung des Bildes anwenden.\nDer Erfolg dieses paradoxen Versuchs k\u00f6nnte so ausgelegt werden, als wenn die Lichtempfindung in dem einen Auge unter Umst\u00e4nden die im anderen Auge herabsetzte , als wenn also ein antagonistisches Verh\u00e4ltnis zwischen beiden Netzh\u00e4uten best\u00e4nde; aber eine leichte Modification des Versuchs beweist, wie ich gefunden habe, dass es sich hier um ganz etwas anderes handelt.\nMan stelle sich so auf, dass man vor sich im Gesichtsfelde einen wohl begrenzten und contourirten weissen Gegenstand hat, z. B. eine weisse, den Fenstern gegen\u00fcber gelegene Th\u00fcr, und w\u00e4hle ein dunkles Glas, mit dem der paradoxe Versuch gut gelingt, wenn man nach dieser Th\u00fcr hinblickt. Dann schiebe man zwischen die Th\u00fcr und das von dem dunklen Glase bedeckte Auge nahe vor diesem ein weisses Blatt Papier so ein, dass es diesem Auge die Th\u00fcr verdeckt und das ganze Gesichtsfeld dieses Auges einnimmt. Indem man das Blatt mehr oder weniger schr\u00e4g gegen das Licht wendet, wird man ihm leicht eine solche Beleuchtung geben k\u00f6nnen, bei der es eben so hell ist, wie die dahinter liegende Th\u00fcr. Jetzt wiederhole man den Versuch, er wird den umgekehrten Erfolg geben, wie vorher. Oeffnung des geschlossenen Auges hinter dem dunklen Glase und dem Papier l\u00e4sst die Th\u00fcr ganz wenig heller werden, indem sich eine Art lichten Nebels \u00fcber sie ergiesst: das ist n\u00e4mlich das binocular deckende Bild des weissen Papiers. Nachdem man dies constatirt hat, ziehe man nun das weisse Blatt fort, w\u00e4hrend beide Augen ge\u00f6ffnet sind, so dass man mit beiden Augen die Th\u00fcr sieht. Jetzt erscheint die Th\u00fcr betr\u00e4chtlich verdunkelt, obgleich die Helligkeit jener Stellen der beiden Sehfelder, in denen sie erscheint, ganz unver\u00e4ndert geblieben ist L\nDiese Aenderung des Versuchs zeigt, dass es sich hierbei nicht um eine Aenderung in der Empfindung des Lichts, sondern nur um eine Aenderung unseres Urtheils \u00fcber die K\u00f6rperfarbe des weissen Objects handelt. Ist das eine Gesichtsfeld ausgef\u00fcllt mit Dunkel (bei geschlossenem Auge) oder mit gleich-massig vertheiltem schwachen Lichte (Bild des weissen Papiers durch das dunkle Glas gesehen), so rechnen wir diese gleiclnn\u00e4ssig und weit \u00fcber die Grenzen des der Th\u00fcr entsprechenden Gesichtsfeldes ausgedehnte Beleuchtung nicht der K\u00f6rperfarbe der Th\u00fcr zu, sondern bilden uns unser Urtheil \u00fcber diese Farbe ganz allein nach der Aussage desjenigen Auges, welches die Umrisse der Th\u00fcr erkennt. H\u00f6chstens erscheinen die Ab\u00e4nderungen der Beleuchtung im anderen Auge als ein dunkler oder heller Nebel, der sich vor die Th\u00fcr und die \u00fcbrigen Gegenst\u00e4nde hinlegt. Wenn wir aber mit dem verdunkelten Auge ebenfalls die Umrisse der Th\u00fcr erkennen und diese in dunklem Grau erblicken, so erscheint uns dieses Grau der K\u00f6rperfarbe der Th\u00fcr eben so angeh\u00f6rig, wie das\n1 Dass es bei diesem Versuch darauf ankommt, ob man begrenzte oder unbegrenzte Fl\u00e4chen mit dem verdunkelten Aug^ sicht, hat auch Herr Hering beobachtet. (Beitr\u00e4ge zur Physiologie. S. 311\u2014312.)","page":791},{"file":"p0792.txt","language":"de","ocr_de":"792\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 32.\nWeiss des entgegengesetzten Auges, und die Th\u00fcr seihst erscheint uns deshalb verdunkelt. Sie erscheint dann wie ein grauer, mit weissem Licht erhellter und gl\u00e4nzender K\u00f6rper. Nat\u00fcrlich aber muss diese Verdunkelung ausbleiben, wenn entweder die Verdunkelung durch das Glas sehr gering ist und sich daher das im zweiten Auge hinzukommende Licht nur als Licht merklich macht, oder wenn im Gegentheil die Verdunkelung so gross ist, dass die Objecte kaum noch erkannt werden k\u00f6nnen.\nAchnliche Verh\u00e4ltnisse kommen auch monocular vor bei dem von Smith und Br\u00fccke 1 angegebenen Versuche, den Fechser den seitlichen Fensterversuch nennt. Man kann diesem Versuche eine andere Form gehen, wie ich gefunden habe, bei der sich die Bedingungen des Erfolges noch sicherer \u00fcbersehen lassen, als bei jener ersten Form. Ich habe eine planparallele Platte Uranglas in zwei H\u00e4lften theilen lassen. Dieses Glas sieht im Kerzenlicht ganz ungef\u00e4rbt aus, Aveil es nur die violetten und einen Theil der blauen Strahlen absorbirt, deren Menge im Kerzenlicht sehr unbedeutend ist; bei Tage, wenn die Substanz, des Glases selbst nicht stark erleuchtet ist, erscheinen Aveisse Gegenst\u00e4nde durch das Glas schwach gelblich. Wird die Masse des Glases selbst aber durch directes Sonnenlicht getroffen, so geht intensiv gr\u00fcnes Fluo-rescenzlicht von allen seinen Theilen aus. Wenn ich vor jedes Auge eine solche Platte Uranglas nehme, beide so beschattet, dass nur das von dem Objecte kommende Licht sie trifft., und das Bild eines weissen Feldes auf sclnvarzem Grunde in ein Doppelbild aus einander treibe, so erscheinen nat\u00fcrlich beide Bilder des Aveissen Feldes in gleicher gelblich weisser Farbe. Wenn ich nun aber das eine Glasst\u00fcck von directen Sonnenstrahlen treffen lasse, so f\u00fcllt sich das Sehfeld des dahinter stehenden Auges mit dem gr\u00fcnen Lichte der Fluores-cenz, und nun sieht nach wenigen BcAvegiiugen des Auges das zugeh\u00f6rige Doppelbild des Weiss, Avelches noch dazu mit gr\u00fcnem Lichte \u00fcbergossen ist, rosaroth aus, Av\u00e4hrend das Doppelbild des anderen Auges heller und gr\u00fcnlich erscheint, obgleich es objectiv rein Aveiss ist. Wir haben also hier in dem Auge, welches durch das fluorescirende Glas sieht und dessen Grund deshalb gleichm\u00e4ssig mit scliAvachein gr\u00fcnen Lichte bestrahlt wird, eine so vollst\u00e4ndige Trennung des begrenzten Weiss von dem unbegrenzt ausgegossenen Gr\u00fcn, dass an jenem Weiss sogar die rosenrothe F\u00e4rbung zum Vorschein kommt, Avelchc durch die Erm\u00fcdung des Auges gegen Gr\u00fcn bedingt Avird. Im Contrast dazu erscheint dann das andere nicht gr\u00fcne Bild gr\u00fcnlich.\nBei dem urspr\u00fcnglichen Versuche von Smith Avar es, Avie Avir oben gesehen haben, das rothe durch die Augenh\u00e4ute eingedrungenc Licht, Avelches das gleichseitige Bild dunkler und blaugr\u00fcn, das andere roth erscheinen l\u00e4sst. Dieses rothe Licht kann sichtbar gemacht Averden, Avenn man mit dem seitlich beleuchteten Auge schwarze Buchstaben auf weissem Grunde betrachtet; diese sehen hierbei oft leuchtend roth aus. Nat\u00fcrlich erscheint dann auch das dem seitlich beleuchteten Auge angeh\u00f6rige Halbbild eines in Doppelbilder aus einander geschobenen schAvarzen Flecks auf weissem Grund r\u00f6thlich in Vergleich mit\n*\n' S. oben S.-i09 \u2014 4i0.","page":792},{"file":"p0793.txt","language":"de","ocr_de":"THEORIE DES GLANZES.\n793\n\u00a7. 32.\ndem des anderen Anges. Concentrirt man dagegen durch eine Linse gr\u00fcnes oder blaues Licht auf einen Punkt der Sclerotica, so ist das weisse Bild in diesem Auge rosenroth oder gelb. Da die Erkl\u00e4rung dieses Versuches bezweifelt worden istso ist die Modification desselben mit den Uranglasplatten, wobei alle concurrirenden Umst\u00e4nde deutlicher zu \u00fcbersehen sind, wohl \u00fcberzeugender.\nDie Erscheinungen des binocularen Contrastes erkl\u00e4ren sich also von dem von uns eingehaltenen Standpunkte leicht. Fasst man dagegen, wie es fr\u00fcher meist geschah, die Contrastfarben als Ver\u00e4nderungen der Empfindung auf, welche durch die Reizung einer Netzhautstelle in den benachbarten hervorgerufen werden, so folgt auch f\u00fcr den binocularen Contrast mit Notliwendigkeit, dass er durch Einwirkung der Empfindungen der einen Netzhaut auf die der anderen entstehe, und man hat deshalb hierin mit einen Grund f\u00fcr die angeborene anatomische Verbindung correspondirender Nervenfasern gesucht.\nEs ist hier noch die von Dove, dem Entdecker des stereoskopischen Glanzes, aufgestellte Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung zu erw\u00e4hnen. Dove unterscheidet an gl\u00e4nzenden K\u00f6rpern das von der Oberfl\u00e4che reflectirte weisse. und das aus den oberfl\u00e4chlichen Schichten der Substanz hervordringende gef\u00e4rbte Licht. Glanz entsteht nach ihm dadurch, dass man die beleuchtete K\u00f6rpersubstanz hinter der beleuchteten Oberfl\u00e4che sehe, also zwei Arten von Licht, das eine durch das andere durchscheinend. Er glaubt nun, dass, wenn wir zwei Farben, z. B. Roth im einen, Blau im anderen Felde combiniren, wir auf verschiedene Entfernung derselben vom Auge schliessen, weil wir verschiedene Accommodation anwenden m\u00fcssen, um sie scharf zu sehen, Ich habe diese Erkl\u00e4rung nicht beibehalten, weil die seit Aufstellung derselben angestellten Versuche \u00fcber Beurtheilung der Entfernung mittels der Accommodation, namentlich in einem Falle, wo, wie hier, die Convergenz der Augen constant erhalten werden muss, es mir h\u00f6chst unwahrscheinlich machen, dass eine solche Wahrnehmung scheinbar verschiedener Entfernung der Farben m\u00f6glich sei. Ausserdem tritt die Schwierigkeit ein, dass Weiss und Schwarz zusammen combinirt auch Glanz geben. Hierbei glaubt Dove nun annehmen zu d\u00fcrfen, dass, weil Weiss die Pupille zusammenziehen macht, was ebenfalls bei st\u00e4rkerer Accommodationsanstrengung geschieht, Schwarz sie aber erweitert, die Betrachtung von Weiss und Schwarz verschiedene Accommodationsgef\u00fchle gebe. Dagegen ist zu bemerken, dass bei den vorliegenden Versuchen gleichzeitig ein Auge Weiss, das andere Schwarz sieht und beide Pupillen dabei dieselbe mittlere Weite einnehmen, zweitens, dass alle Accommodation sich nicht auf die Mitte einer gleichfarbigen Fl\u00e4che, sondern nur auf ihre Contoure beziehen kann, und nicht einzusehen ist, wie daraus ein Unterschied des Accommodationsgef\u00fchls entstehen k\u00f6nne, dass im einen Bilde Weiss rechts, Schwarz links von der Grenze, oder Weiss \u00fcber, Schwarz unter der Grenze liegt, im anderen umgekehrt. Ich habe deshalb die oben gegebene Erkl\u00e4rung als die einfachere der urspr\u00fcnglichen des ber\u00fchmten Entdeckers dieser Erscheinung zu substituiren mir erlaubt.\nGeschichte. Der Wettstreit der Sehfelder erregte schon fr\u00fch die Aufmerksamkeit der Beobachter. D\u00fc Tour benutzte ihn schon, um seine Meinung, dass der Regel nach nur ein Auge auf einmal sehe, und wir deshalb die Objecte einfach s\u00e4hen trotz der Anwesenheit zweier Augen, zu unterst\u00fctzen. Haldat wollte dagegen Mischung der Farben gesehen haben, was er mit der von Newton und sp\u00e4ter von Wollaston und J. M\u00fcller angenommenen\n1 Fechner \u00fcber den seitlichen Fenster- und Kerzenversuch, lierichle der Kon. S\u00e4chsischen Ges. <1. Wiss. 1861. S. 27 \u2014 56.","page":793},{"file":"p0794.txt","language":"de","ocr_de":"794\n\u00a7\u25a0 32.\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\nHypothese von .der anatomischen Vereinigung correspondirendcr Sehnervenfasern in Zusammenhang brachte. Ihm schlossen sich an M\u00f6nnich, Janin, Walther. Dagegen J. M\u00fcller selbst, der die Lehre der Identit\u00e4t der Netzhautstellen und ihrer Gonsequenzen haupts\u00e4chlich ausgebildet hat und der gewiss am meisten dabei interessirt gewesen w\u00e4re, eine binoculare Farbenmischung zu sehen, keine solche erw\u00e4hnt, sondern nur den Wettstreit gesehen hat. Wie auch die sp\u00e4teren Beobachter verschieden geurtheilt haben, ist oben schon erw\u00e4hnt. Es scheinen in dieser Beziehung sehr grosse individuelle Unterschiede zu bestehen. So lange man die Empfindung einer Mischfarbe als eine einfache Wirkung zweier combinirter Ursachen ansah, schien eine solche Empfindung nur in einer und derselben Nervenfaser zu Stande kommen zu k\u00f6nnen, und die Beobachtung wirklicher binocularer Farbenmischung schien deshalb den Beweis der anatomischen Verschmelzung je zweier correspondirender Fasern liefern zu k\u00f6nnen, und musste andererseits bei Annahme einer solchen Hypothese auch noth-u endig erwartet werden. Der YouNG\u2019schen Farbentheorie gegen\u00fcber verliert freilich dieser Punkt sehr an Wichtigkeit, wie schon oben hervorgehoben ist.\nEin wesentlicher Fortschritt war die Entdeckung der objectiven Bedeutung der binocula-ren Vereinigung verschiedener Farben oder Helligkeiten in dem Ph\u00e4nomen des stereoskopischen Glanzes durch Hove. Der oben besprochenen Theorie dieses Ph\u00e4nomens, der sich auch Brewster anschloss (dabei, wie es scheint durch ein Missverst\u00e4ndniss, Dove\u2019s eigene Theorie bek\u00e4mpfend),. stellte sp\u00e4ter zuerst J. J. Oppel die oben vorgetragene einfachere entgegen. Ohne von diesem zu wissen, kam ich selbst auf dieselbe Ansicht der Sache und hob die Wichtigkeit des Ph\u00e4nomens f\u00fcr die Theorie der Empfindungen correspondirender Stellen hervor.\nDie Ph\u00e4nomene des binocularen Contrastes wurden erst in den letzten Jahren studirt, namentlich durch Fechser in einer sehr ausgedehnten Arbeit; einzelne dahin geh\u00f6rige Beobachtungen waren schon fr\u00fcher von E. Br\u00fcckj:, II. Meyer, Panum gemacht worden.\n1743.\n1760.\n1772.\n1784.\n1791.\n1793.\n1799.\n1806.\n1814.\n1826.\n1836.\n1,838.\n1841. 1846.\n1848.\n1849.\nnu Tour. M\u00e9m. de Paris. 1743. p. 33 4.\nDerselbe. Pourquoi un objet sur lequel nous fixons les yeux paroit-il unique? Mem. des savons \u00e9tr. III.\nJanin. M\u00e9moires et observations sur l\u2019oeil. Lyon et Paris. S. 39. Deutsch: Abhandl. \u00fcber das Auge und seine Krankheiten. Berlin 1776. S. 38.\nJ. Elliot. Anfangsgr\u00fcnde derjenigen Theile der Naturlehre, welche mit der Arzneiwissenschaft in Verbindung stehen. Uebersetzt von Bertram. Leipzig 1784.\nW. G. Wells. Essay upon single vision with two eyes. London.\nM\u00f6nnich. Untersuchung der Frage, ob man mit beiden Augen zugleich und gleich deutlich sehe. Deutsche Abhandl. d. Berl. Akad. 1790 \u2014 91. S. 46.\nWalther. Von der Einsaugung und Durchkreuzung der Sehnerven. Berlin 1794 Deutsche Abhandl. d. Berl. Akad. 1793. S. 3.\nL. A. v. Arnim. Ueber scheinbare Verdoppelung der Gegenst\u00e4nde f\u00fcr das Auge Gilbert\u2019s Ann. III, p. 236.\nCh. N. A. Haldat du Lys. Sur la double vision. Journ. cle physique. LXI1I, p. 3S7. Ackermann und Herholt. Sieht der Mensch mit einem Auge allein oder mit beiden zugleich. Kopenhagen.\nJ. M\u00fcller. Beitr\u00e4ge zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinns. Leipzig S. 191 \u2014194.\t1 8\nA. W. Volkmann. Neue Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichts. Leipzig. S. 97 \u2014 99. Wheatstone. Contributions to the physiology of vision. Phil. Trans. 1838. II p. 386 \u2014 387.\nV\u00f6lckers in J. Muller\u2019s Archiv f\u00fcr Anat. u. Phys. 1838. S. 61 u. 63.\nDove in Monatsber. d. Berl. Akad. 1841. S. 2S1.\nA. Seebeck. Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Geh\u00f6r- und Gesichtssinns. Pogg. Ann. LXVIII, 449.\nE. Harless. Physiologische Beobachtung und Experiment. N\u00fcrnberg. 1848. S. 43. Foucault et R\u00e9gnault. Note sur quelques ph\u00e9nom\u00e8nes de la vision au moyen des deux yeux. C. B. XXVIII, 78. Phil. Mag. XXXIV, 269. Inst. XVII, Nr. 783. de Haldat. Optique oculaire. Nancy. \u2014 Arch, des se. phys. et nat. XII, 43. Inst. XVII, Nr. 786. p. 29.","page":794},{"file":"p0795.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 32.\nLITERATUR \u00dcBER DEN STREIT DER SEHFELDER.\n795\n-1850. H. W. Dove. Ueber die Ursache des Glanzes und der Irradiation, abgeleitet aus chromatischen Versuchen mit dem Stereoskop. Pogg. Ann. LXXX1II, 169. Berl. Monatsber. 1851. S. 252. Phil. Mag. (4) IV, 241. Arch. d. sc. phys. et natur. XXI, 209. Inst. Nr. 991. p. 421.\n\u2014\tDerselbe. Ueber das Binocularsehen prismatischer Farben und eine neue stereoskopische Methode. Pogg. Ann. LXXX, 446. Berl. Monatsb. 1850. S. 152. Arch, des sc. phijs. et natur. XIX, 219.\n\u25a0\u2014 * II. Meyer. Ueber einen optischen Versuch. Wiener Ber. VII, 454. Arch. d. sc. phys. et natur. XIX, 13S.\n1852.\tD. Brewster. Examination of Dove\u2019s theory of lustre. Allien. 1852. p. 1041, Cosmos. I, 577 \u2014 578. Silliman J. (2) XV, 125.\n\u2014\tH. Welker. Ueber Irradiation und einige andere Erscheinungen des Sehens. Giessen. S. 107.\n1853.\tE. Br\u00fccke. Ueber die Wirkung complement\u00e4r gef\u00e4rbter Gl\u00e4ser beim binocul\u00e4ren Seilen. Wiener Ber. XI, 213\u2014216. Pogg. Ann. XC , 606 \u2014 609.\n1854.\tF. Burckhardt. Ueber Binocularsehen. Verhdl. d. naturforsch. Ges. in Basel. I, 123\u2014154.\n\u2014\tJ. J. Oppel. Ueber die Entstehung des Glanzes bei zweifarbigen, insbesondere bei schwarzen und weissen stereoskopischen Bildert], Jahresber. d. Frankf. Vereins. 1853 \u2014 54. S. 52 \u201455, 1854\u201455. S. 33 \u201437.\n\u2014\tF. Burckhardt. Zur Irradiation. Verb. d. naturf. Ges. in Basel. I, 154 \u2014157.\n1855.\tD. Brewster. On the binocular vision of surfaces of different colours. Athen. 1855. p. 1120. Inst. 1855. p.375. Rep. of Brit. Assoc. 1855, 2, p. 9.\n\u2014\tW. Dove. Ueber die von ihm gegebene Erkl\u00e4rung des Glanzes. Berl. Monatsber. 1855. S. 691 \u2014694. Inst, 1856. p. 118 \u2014119.\n1856.\tII. Helmholtz. Ueber die Erkl\u00e4rung der steroskopischen Erscheinung des Glanzes. Verband!, d. naturhist. Vereins d. Rheinlande. S. XXXVIII\u2014XL.\n\u2014\tII. Meyer. Ueber den Einfluss der Aufmerksamkeit auf die Bildung des Gesichtsfeldes \u00fcberhaupt und die Bildung des gemeinschaftlichen Gesichtsfeldes beider Augen im Besondern. Archiv f\u00fcr Ophthalmologie II, 2. S. 77 \u2014 92.\n1857.\tDove. Ueber Binocularsehen durch verschieden gef\u00e4rbte Gl\u00e4ser. Berl. Monatsber. 1857. S. 208 \u2014211. Pogg. Ann. Gl, 147 \u2014151.\n\u2014\tPaalzow. Ueber subjective Farben und die Entstehung des Glanzes. Berl. Monatsber. 1857. S. 435.\n1858.\tJ. Dingle. On a new law of binocular vision. Allien. 1858. II, 458.\n\u2014\tJ. J. Oppel. Ueber das \u201eGlitzern\u201c, eine eigenth\u00fcmliche Art des Glanzes und die stereoskopische Nachahmung desselben. Jahresber. d. Frankf. Vereins. 1856 \u2014 57. S.56 \u201462.\n\u2014\tP. L. Panuji. Physiologische Untersuchungen \u00fcber das Sehen mit \u00abzwei Augen. Kiel. S. 38 \u201442.\n1860.\tTh. Fechner. Ueber einige Verh\u00e4ltnisse des binocul\u00e4ren Sehens. Berichte d. s\u00e4clis. Ges. d. Wriss. VII, 337\u2014-564.\n\u2014\tF. Z\u00f6llner. Ueber eine neue Beziehung der Retina zu den Bewegungen der Iris. Pogg. Ann. CXI, 481 \u2014499; 660.\n\u2014\tH. W. Dove. Optische Notizen. Pogg. Ann. CX, 286\u2014-288.\n1861.\tE. Br\u00fccke. Ueber den Metallglanz. Wiener. Ber. XLIII, 2. p. 177 \u2014192.\nD. Brewster. On binocular lustre. Athen. 1861.\t(2) p. 411. Rep. of Brit.\nAssoc. 1861. 2, p. 29 \u2014 31.\n\u2014\tO. N. Rood. Upon some experiments connected with Dove\u2019s theory of lustre.. Silliman J. (2) XXXI, p.339 \u2014 345. Phil. May. (4) XXII, 38 \u2014 45.\n\u2014\tH. W. Dove. Ueber den Glanz. Berl. Monatsber. 1861. S. 522 \u2014 525. Pogg. Ann. CXIV, 165 \u2014 168.\n-\u2014\tP. I,. Panum. Ueber die einheitliche Verschmelzung verschiedenartiger Netzhaut-\neindr\u00fccke beim Sehen mit zwei Augen. Reichert\u2019s und Du Bois Archiv f\u00fcr Anat. u. Physiol. 63 \u2014 227.\n1862.\tWh Wundt. Ueber die Entstehung des Glanzes. Pogg. Ann. CXVI, 627 \u2014 031.\n\u2014\tO. N. Rood. On some stereoscopic experiments. Silliman J. (2) XXXIV, 199 \u2014 202.\n\u2014\tG. Fh. Fechner. Ueber den seitlichen Fenster- und Kerzenversuch. Leipz. Ber. 1862. S. 27 \u2014 56.\n\u2014\tW. W\u2019undt. Beitr\u00e4ge zur Theorie der Sinneswahrnehmung. Leipzig und Heidelberg. S. 299 \u2014 375.","page":795},{"file":"p0796.txt","language":"de","ocr_de":"796\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESIOUTSWAURNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 33.\nI\n'1864. E. Hebing. Beitr\u00e4ge zur Physiologie S. Heft. Leipzig, p. 312\u20143|6.\n'I8G5. E. Javal. De la neutralisation dans l\u2019acte de la vision. -Ann. d\u2019oculistique. LIY p. S \u201416.\n\u00a7. 33. Kritik der Theorien.\nNachdem ich die Uebersicht der Thatsachen, die sieh bei der Untersuchung der Gesichtswahrnehnmngen ergeben, beendigt habe, -tfird es n\u00fctzlich sein, noch einmal einen R\u00fcckblick auf den Zusammenhang der theoretischen Vorstellungen zu werfen und zu pr\u00fcfen, welche den Thatsachen gegen\u00fcber als zul\u00e4ssig, welche als unzul\u00e4ssig oder unwahrscheinlich erscheinen.\nEs ist dabei von vorn herein zu bemerken, dass unsere Kenntniss der hierher geh\u00f6rigen Erscheinungen noch nicht so vollst\u00e4ndig ist, um nur eine Theorie zu erlauben und jede andere auszuschliessen. Bei der Wahl zwischen den verschiedenen theoretischen Ansichten scheint mir unter diesen Umst\u00e4nden bisher mehr eine Neigung zu gewissen metaphysischen Betrachtungsweisen, als der Zwang der Thatsachen, ihren Einfluss auf die verschiedenen Forscher ausge\u00fcbt zu haben, namentlich da in dem psychologischen Gebiete noch prin-cipielle Fragen hinzukommen, die in dem Bereiche der unorganischen Naturerscheinungen l\u00e4ngst vollst\u00e4ndig beseitigt sind.\nManche Naturforscher sind in der Lehre von den Gesichtswahrnehmungen, wie mir scheint, allzu bereit gewesen, allerlei anatomische Structuren zu suppo-niren oder auch neue Qualit\u00e4ten der Nervensubstanz vorauszusetzen, welche nicht die geringste Aehnlichkeit mit dem haben, was wir sonst von den physikalischen und chemischen Eigenschaften der Naturk\u00f6rper im Allgemeinen oder den Nerven im Besonderen bestimmt wissen, Structuren und Eigenschaften, welche nur dazu dienen, f\u00fcr ein oder einige wenige Ph\u00e4nomene des Sehens Erkl\u00e4rungen herzustellen, die wenigstens den \u00e4usseren Anschein naturwissenschaftlicher Erkl\u00e4rungen haben sollten, und bei denen die ganz unzweifelhafte Einmischung psychischer Ph\u00e4nomene entweder ganz geleugnet oder als relativ unwichtig hingestellt wurde.\nIch gebe zu, dass wir noch weit entfernt von einem naturwissenschaftlichen Verst\u00e4ndniss der psychischen Erscheinungen sind. Die M\u00f6glichkeit eines solchen Verst\u00e4ndnisses entweder absolut zu leugnen, wie die Spiritualisten, oder andererseits absolut zu behaupten, wie die Materialisten, dazu kann wohl die Neigung zu dieser oder jener Richtung der Speculation treiben; dem Naturforscher, der sich an die factischen Verh\u00e4ltnisse zu halten und deren Gesetze zu suchen hat, ist dies eine Frage, f\u00fcr welche er keine Entscheidungsgr\u00fcnde besitzt. Man muss nicht vergessen, dass der Materialismus ebenso gut eine metaphysische Speculation oder Hypothese ist, wie der Spiritualismus, und ihm deshalb nicht das Recht einr\u00e4umen, in der Naturwissenschaft \u00fcber factische Verh\u00e4ltnisse ohne factische Grundlage entscheiden zu wollen.\nWelche Ansicht man aber auch von den psychischen Th\u00e4tigkeiten haben und welche Schwierigkeit ihre Erkl\u00e4rung auch bieten mag, so sind sie jedenfalls factisch vorhanden und ihre Gesetze sind uns bis zu einer gewissen Grenze wohlbekannt aus der t\u00e4glichen Erfahrung. Ich f\u00fcr mein Thcil halte es","page":796},{"file":"p0797.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. .33.\nKRITIK DER THEORIEN.\n797\nf\u00fcr sicherer, die Erkl\u00e4rung der Erscheinungen des Sehens anzukn\u00fcpfen an andere, freilich selbst noch weiterer Erkl\u00e4rung bed\u00fcrftige, aber doch jedenfalls vorhandene und thats\u00e4chlich wirksame Vorg\u00e4nge, wie es die einfacheren psychischen Th\u00e4tigkeiten sind, als sie auf ganz unbekannte, nur ad hoc erfundene, durch keinerlei Analogie gest\u00fctzte Hypothesen \u00fcber die Einrichtung des Nervensystems und die Eigenschaften der Nervensubstanz zu gr\u00fcnden. Zu dem letzteren Schritte w\u00fcrde ich mich erst berechtigt glauben, wenn alle Versuche der Erkl\u00e4rung aus bekannten Verh\u00e4ltnissen gescheitert sein sollten.\nDas letztere ist nun meines Erachtens aber bei der psychologischen Erkl\u00e4rung der Gesichtswahrnehmungen keineswegs der Fall; im Gegentbeil je aufmerksamer ich die Erscheinungen studirt habe, desto gleiehm\u00e4ssiger und \u00fcbereinstimmender hat sich \u00fcberall die Einwirkung der psychischen Vorg\u00e4nge gezeigt, und desto consequeuter und zusammenh\u00e4ngender stellte sich mir dieses ganze Gebiet von Erscheinungen dar.\nIch habe deshalb keinen Anstand genommen, in den vorausgehenden Paragraphen die Thatsachen durch Erkl\u00e4rungen, die wesentlich auf die einfacheren psychischen Vorg\u00e4nge der Ideenassociation gest\u00fctzt sind, in Verbindung und in Zusammenhang zu setzen. Dass eine solche Ansicht nicht neu ist, habe ich in den geschichtlichen Uebersichten schon erw\u00e4hnt. Wenn in der j\u00fcngsten Zeit die Ansichten einzelner Physiker und Physiologen, die diese Richtung einschlugen, wie Wheatstone, Volkmann, H. Meyer, Nagel, Classen, Wundt, mehr Opposition als Anerkennung fanden, so glaube ich, dass dies, abgesehen von der Abneigung unseres Zeitalters gegen philosophische und psychologische Untersuchungen, davon herr\u00fchrt, dass es an einer zusammenh\u00e4ngenden Darstellung aller Erscheinungen dieses Gebiets fehlte, und deshalb von Seiten der unerledigten Erscheinungsgebiete immer wieder Zweifel aufstiegen gegen diejenigen, welche von den genannten Forschern bearbeitet waren. Ich habe deshalb die vorliegende Gelegenheit benutzt, um das ganze Gebiet nach dieser Richtung hin durchzuarbeiten und eine Uebersicht davon zu geben.\nIch erlaube mir einen kurzen Ueberblick der zur Erkl\u00e4rung von mir benutzten Principien zu geben. Der Hauptsatz der empiristischen Ansicht ist: Die Sinnesempfindungen sind f\u00fcr unser Bewusstsein Zeichen, deren Bedeutung verstehen zu lernen unserem Verst\u00e4nde \u00fcberlassen ist. Was die durch den Gesichtssinn erhaltenen Zeichen betrifft, so sind sie verschieden nach Intensit\u00e4t und Qualit\u00e4t, das heisst nach Helligkeit und Farbe, und ausserdem muss noch eine Verschiedenheit derselben bestehen, welche abh\u00e4ngig ist von der Stelle der gereizten Netzhaut, ein sogenanntes Local Zeichen. Die Localzeichen der Empfindungen des rechten Auges sind durchg\u00e4ngig von denen des linken verschieden.\nWir f\u00fchlen ausserdem den Grad der Innervation, die wir den Augenmuskelnerven zufliessen lassen. Die Anschauung der Raumverh\u00e4ltnisse und der Bewegung sind nicht nothwendig aus den Gesichtswahrnehmungen, oder wenigstens nicht aus diesen allein, herzulciten, da sie bei Blindgeborenen ganz genau und vollst\u00e4ndig auch unter Vermittelung des Tastsinnes gewonnen werden, sie k\u00f6nnen also f\u00fcr unseren Zweck als gegeben vorausgesetzt werden.","page":797},{"file":"p0798.txt","language":"de","ocr_de":"798\nDRITTER A\u00dfSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GES1CHTSWAHRNEHM\u00dcNGEN.\n\u00a7\u202233. '\nl\nDurch Erfahrung k\u00f6nnen wir offenbar lernen, welche anderen Empfindungen des Gesichts oder der anderen Si^ne ein Object, welches wir sehen, uns machen wird, wenn wir die Augen oder unsern K\u00f6rper fortbewegen und jenes Object von verschiedenen Seiten betrachten, betasten u. s. w. Der Inbegriff \u2018 aller dieser m\u00f6glichen Empfindungen in eine Gesammtvorstellung zusammengefasst, ist unsere Vorstellung von dem K\u00f6rper, welche wir Wahrnehmung nennen, so lange sie durch gegenw\u00e4rtige Empfindungen unterst\u00fctzt ist, Erinnerungsbild, wenn sic das nicht ist. In gewissem Sinne also, obgleich dem gew\u00f6hnlichen Sprachgebrauehe widersprechend, ist auch eine solche Vorstellung von einem individuellen Objecte schon ein Regriff, weil sie alle die m\u00f6glichen einzelnen Empfindungsaggregate umfasst, welche dieses Object, von verschiedenen Seiten betrachtet, ber\u00fchrt oder sonst untersucht, in uns hervorrufen kann. Das ist der thats\u00e4chliche und reelle Inhalt einer solchen Vorstellung von einem bestimmten Objecte; einen anderen hat sie nicht, und dieser Inhalt kann ohne Zweifel unter Voraussetzung der oben genannten Data durch Erfahrung gewonnen werden.\nDie einzige psychische Th\u00e4tigkeit, die dazu gefordert wird, ist die gesetz-massig wiederkehrende Association zweier Vorstellungen, die schon oft mit einander verbunden gewesen sind, welche Association desto fester und zwingender wird, je \u00f6fter die Wiederholung stattgefunden hat.\nSo weit also unsere durch Gesichtsbilder vermittelten Vorstellungen von den Objecten richtig sind, erkl\u00e4ren sie sich einfach aus den vorangestellten Princi-pien. Es fragt sich nun aber, wie ist es m\u00f6glich, dass Sinnest\u00e4uschungen Vorkommen. Unter diesen m\u00fcssen wir zwei Klassen unterscheiden. Erstens solche, bei denen die \u00e4usseren Umst\u00e4nde, unter denen die Einwirkung auf unsere Sinne geschieht, ungew\u00f6hnliche sind, wie bei der Betrachtung der optischen Bilder von Spiegeln, Linsen oder hei der Combination stereoskopischer Darstellungen. Hier wird der Eindruck, den bestimmte Objecte machen, unter ungew\u00f6hnlichen Bedingungen erzeugt. Obgleich wir dies wissen, ruft der Eindruck nach dem Gesetze der Vorstellungsassociationen doch die Vorstellung der der Regel nach mit ihm verbunden gewesenen anderen Sinneseindr\u00fccke, das heisst die Vorstellung des betreffenden Objects hervor.\nDie zweite Klasse von Sinnest\u00e4uschungen ist diejenige, wobei wir wirkliche Objecte bei ungew\u00f6hnlichem Gebrauche unserer Sinnesorgane falsch sehen. Zu ihrer Erkl\u00e4rung ist zu beachten, dass, sobald eine bestimmte Art des Gebrauchs unserer Sinneswerkzeuge geeignet ist, uns deutlichere und sicherere Wahrnehmungen der Objecte zu geben, als jede andere, wir jene, die wir deshalb die n or hi aie. genannt haben, m\u00f6glichst viel oder ausschliesslich anzuwenden uns ein\u00fcben. Brauchen wir dann unsere Sinnesorgane in abweichender Weise, so rufen die gewonnenen Eindr\u00fccke uns naturgem\u00e4ss die Vorstellungen solcher Objecte hervor, welche beim normalen Gebrauche der Organe dieselben oder m\u00f6glichst \u00e4hnliche Eindr\u00fccke gegeben haben w\u00fcrden.\nBeim normalen Gebrauche der Augen kommt in Betracht, erstens, dass in jedem. Auge die Centralgrube der Netzhaut die deutlichste Unterscheidung nahe neben einander gelegener Bilder zul\u00e4sst, zweitens, dass wir deutliche","page":798},{"file":"p0799.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 33.\nPRIPiCIPIEN DER EMPIRISTISCHEN ERKL\u00c4RUNGEN.\n799\nEindr\u00fccke nur behalten, wenn wir durch fortw\u00e4hrende Augenbewegungen die Ausbildung scharf gezeichneter Nachbilder vermeiden, drittens, dass wir an einer ausgedehnten Fl\u00e4che von gleiclnn\u00e4ssiger Beleuchtung alles deutlich gesehen haben, was an ihr deutlich zu sehen ist, wenn wir alle Theile ihres Umfangs deutlich gesehen haben. Daraus ergiebt sich, dass wir beim normalen Gebrauche der Augen beide Blicklinien auf den Punkt richten, der gerade unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, und die Augen f\u00fcr ihn accommodiren, dieselben aber niemals l\u00e4ngere Zeit unbewegt lassen, was auch dem eigenth\u00fcmlichen Bewegungstriebe unserer Aufmerksamkeit nicht entsprechen w\u00fcrde, vielmehr den Blick namentlich an den Contouren der gesehenen Objecte entlang laufen lassen.\nDaraus folgt die gewohnheitsm\u00e4ssige Verbindung der Bewegungen beider Augen miteinander und mit der Accommodation; eine Gewohnheit, gegen die so schwer anzuk\u00e4mpfen ist und die doch jeden Augenblick durch willk\u00fchrliche Anstrengung \u00fcberwunden werden kann, wie oben gezeigt wurde, wenn man die Augen allm\u00e4lig unter Bedingungen bringt, wo nur mittels ungew\u00f6hnlicher Verbindungen die Zwecke des Sehens erreicht werden k\u00f6nnen. Daraus folgt ferner die Schwierigkeit, den Blick l\u00e4ngere Zeit gegen die einge\u00fcbte Gewohnheit auf einem Punkte festzuhalten, daraus der grosse Einfluss hervortretender Con-toure auf unsere Aufmerksamkeit und auf die Bewegung unseres Blicks; daraus auch weiter, dass unsere Aufmerksamkeit so schwer zu einer genaueren Analyse der Erscheinungen des indirecten Sehens, des blinden Flecks, der Doppel-fcilder und so weiter, festzuhalten ist, indem wir gewohnheitsm\u00e4ssig sogleich unseren Blick auf die die Aufmerksamkeit besch\u00e4ftigenden Stellen hinzuwenden streben. Daher wir denn auch haupts\u00e4chlich wegen der gewohnheitsm\u00e4ssig eintretenden Augenbewegungen selbst die st\u00e4rker auseinander weichenden Doppelbilder der vor uns befindlichen Gegenst\u00e4nde nicht zu sehen pflegen und sie eben desshalb vielen, selbst erwachsenen Leuten unbekannt bleiben.\nDass die Verbindung zwischen der Raddrehung jedes einzelnen Auges und der Richtung der Gesichtslinie unter dieselbe Kategorie f\u00e4llt, dass sie unter abge\u00e4nderten Bedingungen des Sehens zu Gunsten der optischen Zwecke selbst abge\u00e4ndert werden kann, habe ich oben gezeigt und versucht die Sicherheit der Orientirung, verm\u00f6ge deren wir die unver\u00e4nderte Lage ruhender Gegenst\u00e4nde trotz der Verschiebungen ihres Bildes auf der Netzhaut erkennen, als denjenigen Zweck nachzuweisen, der durch die Erf\u00fcllung des Listing\u2019scheu Gesetzes f\u00fcr unsere Augenbewegungen so weit als m\u00f6glich erreicht wird.\nDa nachweisbar zu Gunsten von optischen Zwecken von allen diesen Gesetzen der Augenbewegungen Ausnahmen unter dem Einfl\u00fcsse willk\u00fchrlicher Anstrengung eintreten k\u00f6nnen, so k\u00f6nnen diese Gesetze nicht auf mechanisch wirkende anatomische Einrichtungen begr\u00fcndet sein; andererseits halte ich es nicht f\u00fcr unm\u00f6glich, sondern sogar f\u00fcr wahrscheinlich, dass das Wachsthum der Muskeln und vielleicht selbst die Leitungsf\u00e4higkeit der Nervenbahnen sich den Forderungen, die an sie gemacht werden, im Laufe jedes individuellen Lebens und vielleicht selbst durch Vererbung im Laufe des Lebens der Gattung so anpasst, dass die geforderten zweckm\u00e4ssigsten Bewegungen auch die","page":799},{"file":"p0800.txt","language":"de","ocr_de":"SOO DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 33.\nleichtesten werden. Jedenfalls ist dieser anatomische Mechanismus, so weit ein solcher besteht, nur erleichternd, nicht zwingend.\nMittels der Vugenbewegungen ist es ferner m\u00f6glich die Ordnung der gesehenen Punkte im Gesichtsfelde kennen zu lernen, das heisst, zu lernen, welche Localzeichen der Empfindungen den einander unmittelbar benachbarten Punkten entsprechen. Das specielle Gesetz der Augenbewegungen bestimmt dann weiter, welche Raumgr\u00f6ssen des Gesichtsfeldes ihrer Gr\u00f6sse nach genau mit einander verglichen werden k\u00f6nnen, welche nicht. Genau verglichen werden diejenigen, deren Bild durch blosse Bewegung des Auges auf denselben Punkten oder Linien der Netzhaut abgebildet werden kann; eine Regel, welche durch die Thatsaclien durchaus best\u00e4tigt wird. Dagegen finden sich bei der Vergleichung solcher Raumgr\u00f6ssen, die nicht auf denselben Netzhauttheilen abgebildet werden k\u00f6nnen, theils constante, theils inconstante Fehler. Die constanten Fehler lassen sich zum Theil darauf zur\u00fcckf\u00fchren, dass wir (wenigstens als Kinder, w\u00e4hrend der Ausbildung unseres Auges) als h\u00e4ufigstes Gesichtsobject entferntere Gegenst\u00e4nde und den bis zu ihnen hin sich erstreckenden Fussbodcn vor Augen haben. Ich erinnere an die Abweichung der scheinbar vertiealeu Meridiane und an die falsche Zeichnung der Quadrate.\nEndlich zeigt sich der Einfluss des Gesetzes der Augenbewegungen auch in der F\u00fchrung der scheinbar geraden (oder k\u00fcrzesten) Linien des Gesichtsfeldes. Verlegen wir die Blicklinie in ihre Prim\u00e4rlage, welche wir als ihre h\u00e4ufigste und wichtigste Stellung betrachten d\u00fcrfen, so sind es diejenigen Linien, die nach dem Gesetze der Augenbewegungen sich in sich selbst verschieben k\u00f6nnen.\nIch habe die Ableitung dieser Gesetze auf gar keine bestimmte Annahme \u00fcber die Art der Localzeichen begr\u00fcndet. Sie w\u00fcrde passen, auch wenn diese Zeichen ganz willk\u00fchrlich \u00fcber die Netzhaut ausgew\u00fcrfelt w\u00e4ren, ohne dass irgend welche Aclmlichkeit der Localzeichen benachbarter Punkte vorausgesetzt w\u00fcrde. Es w\u00fcrde dadurch allerdings die Schwierigkeit der Ein\u00fcbung betr\u00e4chtlich erh\u00f6ht werden. Ich halte es dagegen nicht f\u00fcr unwahrscheinlich und der Analogie anderer organischer Einrichtungen gem\u00e4ss, dass die Localzeichen benachbarter Punkte einander \u00e4hnlicher seien, als die entfernter Punkte, und dass somit die Art des Localzeichens eine continuirliche Function der Coordinaten der Netzhautpunkte sei. Indessen wie auch dieses System der Localzeichen, von welcher Art sie selbst sein m\u00f6gen, so kann ihre besondere Einrichtung die Orientirung wohl erleichtern; aber auch hier fordern die Consequenzen der empiristisehen Theorie, mit denen die Erscheinungen durchaus \u00fcbereinstimmen, dass jede solche Einrichtung nur erleichternd f\u00fcr die Ein\u00fcbung des Augemnaasses, nicht entscheidend f\u00fcr seine definitiven Resultate sei.\nZu diesen anatomischen Einrichtungen geh\u00f6rt dann auch die Zahl der empfindlichen Elemente zwischen je zwei Netzhautpunkten. Diese mag namentlich bei der Unterscheidung sehr kleiner Distanzen nicht unwichtig sein, nach dem Gesetze, dass deutlich unterscheidbare Gr\u00f6ssen beim Mangel anderer Hilfsmittel der Beurtheilung uns gr\u00f6sser erscheinen, als undeutlich unterscheidbare. Dass die Anzahl der empfindlichen Elemente bei der Sch\u00e4tzung der gr\u00f6sseren Distanzen ohne allen Einfluss sei, ist oben gezeigt worden.","page":800},{"file":"p0801.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 33.\nPRINCIPIEN DER EMPIRISTISCHEN ERKL\u00c4RUNGEN. \u2019 '\n801\nF\u00fcr die empiristische Theorie ist es \u00fcbrigens ganz gleichg\u00fcltig, wie die Netzhaut gestaltet ist, wie das Bild auf ihr liegt und wie.es verzerrt ist, wenn es nur scharf begrenzt ist ; sie hat es nur und allein zu thun mit der Projection der Netzhaut, welche die optischen Medien nach aussen entwerfen.\nDie Richtung, in der die gesehenen Objecte sich zu unserem K\u00f6rper befinden, wird beurtheilt mit Hilfe der Innervationsgef\u00fchle der Augenmuskelnerven, aber fortdauernd controllirt nach dem Erfolge, das heisst nach der Verschiebung der Bilder, welche die Innervationen hervorbringen. Sehen wir durch Prismen und nehmen wir dabei Bewegungen mit unserem K\u00f6rper und unseren im Gesichtsfelde erscheinenden H\u00e4nden vor, so lernen wir bald, trotz der falschen Richtung der einfallenden Strahlen durch das Prisma richtig sehen. Die Erscheinungen des Bewegungsschwindels zeigen ebenso eine Ver\u00e4nderung in der Beurtheilung der Wirkung gewisser Innervationen an.\nWir beurtheilen den absoluten Grad der Convergenz unsicherer, als die gleich gerichteten Bewegungen beider Augen, vielleicht weil f\u00fcr die Convergenz eine anhaltendere Erm\u00fcdung zu Stande kommen kann, welcher nicht durch Erm\u00fcdung f\u00fcr Divergenz das Gleichgewicht gehalten wird, w\u00e4hrend eine l\u00e4ngere Wendung der Augen nach rechts nicht leicht ohne dazwischenfallende Wendungen nach links Vorkommen m\u00f6chte, wobei die Erm\u00fcdung sich gleichm\u00e4ssiger auf die antagonistischen Muskeln vertheilt.\nTheils deshalb, theils aber auch, weil wir consequent die subjectiven Momente in unseren Sinnesempfindungen unbeachtet lassen und also bei Fixirung eines nahen Gegenstandes die ganze Summe von Gesichtseindr\u00fccken und Innervationsgef\u00fchlen nur als das sinnliche Zeichen f\u00fcr ein dort gelegenes Object betrachten, ohne zu analysiren, welche Eindr\u00fccke dem rechten oder linken Auge angeh\u00f6ren, welche Stellung dieses oder jenes hat, beurtheilen wir die Richtung der Objecte gegen unseren K\u00f6rper nach der gemeinsamen mittleren Richtung beider Augen, auch wenn wir nur mit einem Auge das Object wirklich sehen. Es entspricht dies der Regel, dass wir bei Eindr\u00fccken, die wir unter ungew\u00f6hnlicher Art des Gebrauches der Organe (ein\u00e4ugigem Sehen) erhalten, nach der Aehnlichkeit mit den Eindr\u00fccken bei normalem Gebrauch (doppel\u00e4ugigem Sehen) urtheilen; daher die von J. Towne und E. Hering aufgefundene Regel f\u00fcr die Projection der Gesichtsbilder nach aussen, mit den Modificationen, die ich f\u00fcr die Raddrehungen bei schr\u00e4gen Blickrichtungen habe anbringen m\u00fcssen.\nWir kommen jetzt zum doppel\u00e4ugigen Sehen. So lange wir im objectiven Gebiete verweilen, beim Sehen von K\u00f6rpern oder von stereoskopischen Bildern, sind die Erscheinungen einfach zu erkl\u00e4ren und leicht verst\u00e4ndlich nach der empiristischen Theorie; auch ist der Einfluss der Erfahrung in diesem Gebiete meistens selbst von den Anh\u00e4ngern nativistischer Theorien, mit Ausnahme einiger der neusten Arbeiten, anerkannt worden. Die T\u00e4uschungen, welche hier Vorkommen, erkl\u00e4ren sich aus der Unsicherheit der Sch\u00e4tzung der Convergenz. Wenn wir den Augen Bilder zeigen, welche von reellen Objecten nur bei einem bestimmten Grade der Convergenz gegeben sein k\u00f6nnten, so geben wir ihnen die entsprechende Deutung, auch wenn zur Zeit wirklich ein anderer Grad von Convergenz besteht. Dazu kommt, dass wir wegen der mangelnden Sicherheit Encjklop. d, Physik. IX. Helhhoitz, Physiol. Optik.\t51","page":801},{"file":"p0802.txt","language":"de","ocr_de":"802\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN CESICIITSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 33.\ndes Convergenzgef\u00fchls, auch keine Sicherheit in der Beurtheilung der Differenzen der Raddrehungen haben, welche die convergenten Augen bei gehobener und gesenkter Blickebene zeigen. Wenn daher die Abweichungen in den Linien der gesehenen Bilder uns nicht aufmerksam machen, dass Drehung vorhanden sei, so urtheilen wir so, als ob keine da w\u00e4re, und es treten dann die von Recklinghausen und von Hering beschriebenen T\u00e4uschungen ein.\nWenn nun aber bei festgehaltenem Fixationspunkte die Aufmerksamkeit der fl\u00e4chenhaften Anordnung der Gegenst\u00e4nde im Gesichtsfelde zugelenkt wird, so sieht jedes Auge eine andere Anordnung derselben und die beiden Bilder k\u00f6nnen nicht ganz congruiren; wenn also einzelne Punkte derselben congruiren, so m\u00fcssen andere Punkte der Bilder disparat sein und diese erscheinen dann an zwei verschiedenen Stellen des gemeinschaftlichen Sehfeldes, als Doppelbilder. Punkte der Netzh\u00e4ute, beziehlich Punkte der beiden Sehfelder, deren Bilder im gemeinschaftlichen Gesichtsfelde zusammenfallen, hat man identische oder correspondirende Punkte genannt.\nDi Bezug auf die Natur der correspondirenden Punkte ergeben nun die Thatsachen mit Entschiedenheit so viel:\nDie Bilder correspondirender Punkte werden in der Regel in dieselbe, die Bilder nicht correspondirender Punkte in verschiedene Stellen des gemeinschaftlichen Gesichtsfeldes verlegt ; doch kommen kleinere Abweichungen von beiden Tlieilen dieser Regel vor, wenn wir die beiden Bilder zur Anschauung eines k\u00f6rperlichen Objects vereinigen.\n2.\tDie Empfindungen, welche durch die Erregung correspondirender Netzhautpunkte hervorgebracht werden, sind nicht identisch, sondern verschieden. Wir m\u00fcssen dies nothwendig seliliessen aus der Thatsache, dass wir auch beim Lichte des elektrischen Funkens von einer stereoskopischen Linienzeichnung immer das richtige Relief erhalten. W\u00e4ren die Empfindungen correspondirender Punkte ununterscheidbar gleich, so m\u00fcsste ebenso oft und ebenso leicht das umgekehrte Relief erscheinen '. Wir schlossen dasselbe zweitens daraus, dass verschiedene Beleuchtung oder F\u00e4rbung entsprechender Fl\u00e4chen in zwei stereoskopischen Bildern eine andere Anschauung, n\u00e4mlich die des Glanzes, hervorbringt als jede, wie immer gew\u00e4hlte, gleichartige F\u00e4rbung beider Fl\u00e4chen. Dass hierbei Augenbewegungen und der Wettstreit der beiden Sehfelder keinen Einfluss haben, zeigt sich namentlich bei der Beleuchtung auch dieser Bilder mit dem elektrischen Funken.\n3.\tUnter dem Einfluss habitueller abnormer Augenstellungen bei Schielenden \u00e4ndert sich das Verh\u00e4ltniss der Correspondcnz der beiden Netzh\u00e4ute.\nHieraus scliliesse ich, dass jede anatomische Hypothese unzul\u00e4ssig ist und unvereinbar mit den Thatsachen, welche eine vollst\u00e4ndige Verschmelzung der beiderseitigen Empfindungen voraussetzt, also namentlich jede, welche eine Vereinigung der von correspondirenden Netzhautstellen kommenden Fasern zu\n1 Donders giebt an (Anomalies of accommodation and refraction. London 1834. p. 162 und 166), dass bei unbewegtem Auge oft das pseudoskopische Bild statt des stereoskopischen erscheine. In einer eben erschienenen Abhandlung im Nederlandsch Archief (1866), wo er \u00e4hnliche Vorsichtsmassregein angewenoet hat, wie oben S. 740 angegeben sind, hat er aber im Wesentlichen dieselben Resultate, wie Aubert und ich erhallen.","page":802},{"file":"p0803.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 33.\nPRINCIPIEN DER EMP1RISTISCHEN ERKL\u00c4RUNGEN.\n803\neiner Faser annimmt, die den beiderseitigen Eindruck ungetrennt dem Gehirne zuleiten soll. Nur eine solche Form der anatomischen Hypothese w\u00fcrde mir zul\u00e4ssig erscheinen, wonach beide Eindr\u00fccke theils gesondert, theils aber auch mit einer gemeinsamen oder gleichen Wirkung im Gehirn zur Perception kommen; also etwa so, dass die Faser A von dem rechten Auge sich spaltet in die Fasern a und a, die correspondirende Faser B in die Fasern b und \u00df, dass a und b gesondert in das Centralorgan des Sehens eintreten und verschiedene Eindr\u00fccke hervorbringen, a und \u00df aber sich vereinigen, um einen beiden gemeinsamen dritten Eindruck zu machen.\nEine so modificirte Annahme w\u00fcrde mir zul\u00e4ssig, aber weder wahrscheinlich noch nothwendig erscheinen. Vielmehr ergeben die Consequenzen der bisher aufgestellten Erkl\u00e4rungen auch hier eine, wie mir scheint, vollst\u00e4ndig gen\u00fcgende Erkl\u00e4rung ohne eine solche Annahme. Beim normalen Sehen sind immer die Blicklinien auf denselben objectiven Punkt gerichtet, dem gleichzeitig auch die Aufmerksamkeit zugewendet ist; auf allen anderen Punkten der Netzh\u00e4ute dagegen kommen bald gleiche, bald ungleiche Eindr\u00fccke vor; daher wird vor allen Bingen die Localisation der Eindr\u00fccke der Netzhautgruben eine \u00fcbereinstimmende. Ist es dagegen wegen einer Erkrankung der Muskeln nicht m\u00f6glich die dazu geh\u00f6rige Stellung der Augen herbeizuf\u00fchren, und wird daf\u00fcr eine andere Stellung habituell, so bestimmt diese auch, mit welchem Punkte der anderen Netzhaut die Netzhautgrube jedes Auges correspondent wird.\nDie Identit\u00e4t der Meridiane bestimmt sich danach, wo sich am h\u00e4ufigsten Reihen derselben Punkte abbilden. Dies geschieht zun\u00e4chst in der Prim\u00e4rstellung der Blickebene, die wir als mittlere und gew\u00f6hnlichste Stellung dieser Ebene betrachten d\u00fcrfen, auf den Netzhauthorizonten. Demn\u00e4chst scheinen bei vielen normalsichtigen Augen die nach dem Horizont hinlaufenden Linien des Fussbodens einen bestimmenden Einfluss auf die Lage der verticalen correspondirenden Meridiane auszu\u00fcben.\nSind diese beiden Paare correspondirender Meridiane bestimmt, so bestimmen sich die \u00fcbrigen Abmessungen der Sehfelder und damit die Lage der con-gruirenden Punkte in beiden vollst\u00e4ndig nach dem oben beschriebenen Verfahren mittels der Augenbewegungen.\nDa hiernach die Vergleichung der Dimensionen beider Sehfelder und die Lage der congruenten Punkte in ihnen ein Ergebniss der Ausbildung des Augen-maasses ist, so sind kleine Irrungen in diesen Abmessungen m\u00f6glich, wenn sich mil grosser Lebhaftigkeit die Anschauung k\u00f6rperlicher Einheit der beiden Bilder aufdr\u00e4ngt. Sind die Entfernungen der Doppelbilder von einander dagegen sehr auffallend, so kann eine ann\u00e4hernd richtige Deutung derselben mit der Wahrnehmung ihrer Trennung im Gesichtsfelde zusammen bestehen. Alles, was die Vereinigung der Doppelbilder zum k\u00f6rperlichen Anschauungsbilde erschwert oder die Vergleichung ihrer Lage im Gesichtsfelde erleichtert, Vermeidung aller Augenbewegungen und Uebung in ihrer Beobachtung macht sie leichter sichtbar. Je nach der Richtung der Aufmerksamkeit kann man solche, die an der Grenze der Wahrnehmbarkeit liegen, auch beim Lichte des elektrischen Funkens, welches allen Einfluss der Augenbewegungen aufhebt, bald sehen, bald nicht sehen.\n5 t *","page":803},{"file":"p0804.txt","language":"de","ocr_de":"804\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 33.\nAlles dies sind Umst\u00e4nde, die mit der aufgestellten Erkl\u00e4rung sehr gut zusammenstimmen und aus ihr hergeleitet werden k\u00f6nnen.\nDie Erscheinungen des Wettstreits endlich h\u00e4ngen von der Eigenth\u00fcmlich-keit unseres Bewusstseins ab, dass es entweder nur einen Eindruck auf ein Mal, oder nur ein solches Aggregat von Eindr\u00fccken aufnehmen kann, die sich zu einer einfachen. Vorstellung verbinden. Abgesehen von den bekannten t\u00e4glichen Erfahrungen zeigt sich diese Eigenth\u00fcmlichkeit desselben sehr deutlich bei der bekannten Zeitdifferenz zwischen den Gesichts- und Geh\u00f6rwahrnehmungen in der astronomischen Beobachtung, der Sterndurchg\u00e4nge, ferner in der kleinen Zahl von Gesichtsobjecten, die man beim Lichte des elektrischen Funkens und w\u00e4hrend der kurzen Nachdauer seines Eindrucks wahrnehmen kann. Die Form der Vereinigung der Eindr\u00fccke beider Sehfelder ist die Anschauung k\u00f6rperlicher Objecte. Wo diese wegen der Art der beiden Bilder misslingt, tritt das im Wettstreit der Sehfelder sich zeigende Schwanken der Aufmerksamkeit ein, wenn diese nicht durch scharfgezeichnete Contoure des einen Feldes gefesselt ist. Ich habe oben die Methoden beschrieben, nach denen es gelingt die Aufmerksamkeit auf eines der Felder zu fesseln und dem Schwanken ein Ende zu machen. Dadurch besonders kann auch der Nachweis gef\u00fchrt werden, dass dieser Wettstreit nur ein Ph\u00e4nomen der Aufmerksamkeit ist.\nAus dieser Uebersicht der aufgestellten Erkl\u00e4rungen geht hervor, dass dabei von den psychischen Vorg\u00e4ngen nur die unwillk\u00fchrlich erfolgenden der Ideenassociation und des unwillk\u00fcrlichen Flusses der Vorstellungen in Betracht kommen , welche nicht unter der directen Herrschaft unseres Selbstbewusstseins und unseres Willens stehen, wenn wir auch dadurch, dass wir selbstbewusste Vorstellungen und Zwecke mit jenen in Concurrenz bringen, einen gewissen Einfluss auf deren Lauf haben k\u00f6nnen. Eben darin liegt es nun, dass die Ergebnisse jenes Ablaufs der Vorstellungen uns entgegentreten als durch eine Macht gegeben, die wir nicht oder nur zum kleinen Theile beherrschen k\u00f6nnen, und die unserem Willen und Selbstbewusstsein daher als eine fremde, objective Naturmacht entgegentritt, gerade wie die unmittelbar von aussen gegebenen sinnlichen Empfindungen. Was also von Resultaten psychischer Vorg\u00e4nge dieser Art sich mit den Sinnesempfindungen verbindet, erscheint uns ebenso durch \u00e4usseren Einfluss gegeben wie die unmittelbare Empfindung, und nicht durch selbstbewusste und freie Ueberlegung gefunden, nicht von uns erdacht. In dieser Beziehung hat die empiristische Ansicht vielf\u00e4ltiges Missverst\u00e4ndniss von Anh\u00e4ngern sowohl, als von Gegnern erfahren, und ich mache deshalb auf diesen Punkt noch besonders aufmerksam. Will man diese Vorg\u00e4nge der Association und des nat\u00fcrlichen Flusses der Vorstellungen nicht zu den Seelenth\u00e4tigkeiten rechnen, sondern sie der Nervensubstanz zuschreiben, so will ich mn den Najnen nicht streiten. Hier w\u00fcrde die empiristische Theorie mit derjenigen Form der nati-vistischen, wie sie Panum zum Beispiel aufgestellt hat, sich vielleicht vereinigen lassen, nur dass er als nat\u00fcrlich gegeben ansieht, was mir nur durch die Erfahrung gewonnen zu sein scheint.\nWas nun die verschiedenen nativistischen Theorien betrifft, so ist ihr Kernpunkt, dass sie die Localisation der Eindr\u00fccke im Gesichtsfelde von","page":804},{"file":"p0805.txt","language":"de","ocr_de":"DIE MTIVISTISCHEN THEORHiN.\nS\u00d63\n\u00a7\u2022 33.\neiner angeborenen Einrichtung abieiten, entweder so, dass die Seele eine directe Kenntniss der Ausdehnungen der Netzhaut haben soll, oder so, dass in Folge der Reizung bestimmter Nervenfasern gewisse Raumvorstellungen vermittels eines angeborenen, nicht weiter definirbaren Mechanismus entstehen. J. M\u00fcller namentlich hat diese Ansicht in der ersten Form durchgef\u00fchrt. Er sagt1 2 3 4: \u201eDer Begriff des Raumes kann nicht erzogen werden, vielmehr ist die Anschauung des Raumes und der Zeit eine nothwendige Voraussetzung, selbst Anschauungsform f\u00fcr alle Empfindungen. Sobald empfunden wird, wird auch in jenen Anschauungsformen empfunden. \"Was aber den erf\u00fcllten Raum betrifft, so empfinden wir \u00fcberall nichts, als nur uns selbst r\u00e4umlich, wenn lediglich von Empfindung, von Sinn die Rede ist; und so viel unterscheiden wir von einem objectiven erf\u00fcllten Raum durch das Urtheil, als Raumtheile unserer selbst im Zustande der Affection sind, mit dem begleitenden Bewusstsein der \u00e4usseren Ursache der Sinneserregung. Die Netzhaut sieht in jedem Sehfelde nur sich selbst in ihrer r\u00e4umlichen Ausdehnung im Zustande der Affection; sie empfindet sich selbst in der gr\u00f6ssten Ruhe und Abgeschlossenheit des Auges r\u00e4umlich dunkel.\u201c\nDiese Ansicht erweitert daher die von Kant aufgestcllte Ansicht, dass Raum und Zeit urspr\u00fcnglich gegebene Formen unserer Anschauungen seien, dahin, dass auch die specielle Localisation jedes Eindrucks durch die unmittelbare Anschauung gegeben sei. Die meisten deutschen Physiologen folgten dieser Ansicht von M\u00fcller, und es wurden von ihnen mancherlei Erkl\u00e4rungen der Gesichtserscheinungen auf die besonderen Eigenth\u00fcmlichkeiten der Form der Netzhautbilder gebaut. So hat Recklinghausen 2 die Abweichung der scheinbar rechten \"Winkel dadurch zu erkl\u00e4ren versucht, dass die Fl\u00e4che der Netzhaut schief gegen die Gesichtslinie des Auges gerichtet sei und deshalb die optischen Bilder eines rechten Winkels in dem Netzhautbilde schiefwinklig werden k\u00f6nnten. Diese Beschaffenheit der Netzhautbilder sollte dann unmittelbar wahrgenommen werden k\u00f6nnen. E. Hering 3 und A. Kundt 4 haben sogar angenommen, die Seele schaute die Entfernungen zwischen zwei Netzhautpunkten direct nicht nach dem Bogen auf der Netzhaut, sondern nach der Sehne an,, und versuchten daraus die Erkl\u00e4rung der oben beschriebenen T\u00e4uschungen der monocularen Localisation im Gesichtsfelde herzuleiten. Dass diese Hypothese zur Erkl\u00e4rung derjenigen Erscheinungen, zu deren Gunsten sie allein erfunden ist, keineswegs gen\u00fcgt, ist oben schon angef\u00fchrt worden.\nDie besprochene Annahme der nativistischen Theorien ist eigentlich eine Verzichtleistung auf jede Erkl\u00e4rung der Localisationsph\u00e4nomene. Dar\u00fcber l\u00e4sst sich nat\u00fcrlich nicht weiter rechten, und namentlich kann es J. M\u00fcller in keiner \"Weise zum Tadel gereichen, dass er zu einer Zeit, wo noch alle Beobachtungen \u00fcber das Gesetz der Augenbewegungen fehlten, und aus einem Versuche, diese f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der Localisation zu gebrauchen, nichts als ganz vage Folgerungen gezogen werden konnten, in seinen Erkl\u00e4rungsversuchen nicht weiter zu\n1\tZur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinns. S. Bi ff.\n2\tNetzhaulfunctionen im Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. V, 2, S. 128\u2014141.\n3\tBeitr\u00e4ge zur Physiologie, Heft 1 , S. 65\u201480.\n4\tPoggendorffs Annalen. 1863. CXX, 118 \u2014 158.","page":805},{"file":"p0806.txt","language":"de","ocr_de":"806\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 33.\ngehen geneigt war. Dass dagegen aus dem Gesetze der Augenbewegungen, soweit wir es bisher in seinen Grundz\u00fcgen kennen, sich auch die Grundz\u00fcge des Augenmaasses herleiten lassen, die in der nativistischen Ansicht gar keine weitere Erkl\u00e4rung finden, habe ich oben zu zeigen mich bem\u00fcht.\nEine noth wendige Consequenz der erw\u00e4hnten Ansicht, dass die Localisation der Eindr\u00fccke im Gesichtsfelde urspr\u00fcnglich gegeben sei, ist dann die, dass auch urspr\u00fcnglich gegeben sein muss, welche Punkte der einen Netzhaut mit denen der anderen dieselbe Localisation geben, also correspondirend, oder, wie die nativistische Ansicht es bezeichnet hat, identisch sind. Hier in der Lehre von der angeborenen und anatomisch begr\u00fcndeten Identit\u00e4t, welche also als eine nothwendige Consequenz der nativistischen Ansicht betrachtet werden muss, treten nun aber die schon oben bezeichneten wesentlichen Schwierigkeiten dieser Ansicht auf; daher dieses Gebiet auch immer der Haupttummelplatz der Streitigkeiten gewesen ist.\nErstens n\u00e4mlich konnten die Beobachtungen der k\u00f6rperlich ausgedehnten Objecte schon lehren, und zeigte namentlich die Erfindung des Stereoskops durch Wheatstone, dass wir keineswegs immer Doppelbilder sehen, wo nach der strengen Identit\u00e4tstheorie dergleichen zu erwarten sind, und dass dieselben unter dem Einfl\u00fcsse der Anschauung k\u00f6rperlicher Ausdehnung verschwinden. Nun wurde zwar von Br\u00fccke mit Recht der grosse Einfluss der Augenbewegungen hierbei hervorgelioben; indessen auch wenn man diesen Einfluss eliminirt, bleibt doch immer die Thatsache bestehen, dass auch der ge\u00fcbteste Beobachter gewisse einander nahe stehende \u00e4hnliche Doppelbilder mit einander untrennbar verschmiltzt, w\u00e4hrend er einander eben so nahe stehende \u00e4hnliche Bilder im monocularen Felde, oder in der F\u00e4rbung verschiedene Bilder im binocularen Felde mit der gr\u00f6ssten Leichtigkeit von einander unterscheidet. Noch gr\u00f6sseren Anstoss haben die Anh\u00e4nger der Identit\u00e4tstheorie an der von Wheatstone behaupteten Thatsache genommen, dass unter Umst\u00e4nden auch die Eindr\u00fccke identischer Netzhautpunkte getrennt und an zwei verschiedene neben einander liegende Stellen des Objects verlegt, werden k\u00f6nnten. Dass das letztere aber eine nothwendige Consequenz des ersteren sei und bei richtig angestellten Versuchen auch that-s\u00e4chlich beobachtet werde, habe ich oben ausgef\u00fchrt. Man muss nur nicht, wie es von den Gegnern der Behauptung Wheatstone\u2019s immer geschehen ist, verlangen, dass bei der Trennung identischer Eindr\u00fccke viel mehr geleistet werde, als bei der Vereinigung disparater Eindr\u00fccke unter gleichen Umst\u00e4nden geleistet werden kann.\nDas wesentliche Gewicht der Thatsaclien anerkennend, stellte Panum eine Modification der Identit\u00e4tstheorie auf, wonach jeder Punkt a der einen Netzhaut einem gewissen correspondirenden Empfindungskreise A in der andern identisch sein sollte, so dass das Bild des Punktes a verschmelzen k\u00f6nnte mit einem Bilde auf jedem einzelnen Punkte von A, welches \u00e4hnliche Contouren darb\u00f6te. Dabei sollte aber eine verschiedene Tiefenwahrnehmung entstehen, wenn a mit verschiedenen Punkten des Kreises A verschm\u00f6lze. Ob es mit diesem oder jenem verschm\u00f6lze, sollte davon abh\u00e4ngen, wo sich im Empfindungskreise A eine Contour vorf\u00e4nde, die der durch a hinziehenden \u00e4hnlich sei. Aus den","page":806},{"file":"p0807.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 33.\nPANUM\u2019S THEORIE.\n807\nWettstreitserscheinungen beweist Panum die dominirende Macht der Contoure im gemeinschaftlichen Gesichtsfelde beider Augen, wobei er freilich wohl den Sieg der Contoure als zu unbedingt und dauernd betrachtet hat. Wettstreit findet nach ihm haupts\u00e4chlich zwischen un\u00e4hnlichen, aber nahe gleich starken Farben und Contouren statt. Aehnliche streben zu verschmelzen.\nWenn man die von Panum aufgestellten S\u00e4tze blos als zusammenfassenden Ausdruck der Thatsachen ansehen will, was er selbst auch als das Wesentlichere und Wichtigere betont, so sind sie der Hauptsache nach richtig. Ich w\u00fcrde gegen seine Darstellung der Thatsachen nur einzuwenden haben, 1. dass ich mich von der wirklichen Existenz binocul\u00e4rer Mischfarben auch in den von ihm beschriebenen Versuchen nicht habe \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, 2. dass Herr Panum keine gen\u00fcgenden Methoden die Aufmerksamkeit zu fesseln, angewendet und daher die grosse Rolle, welche die Aufmerksamkeit hei dem Wettstreite der Sehfelder und hei der Unterscheidung der Doppelbilder spielt, nicht gen\u00fcgend erkannt hat. 3. Dass er die Augenbewegungen beim Fixiren der Bilder t\u00fcr theiiweis unwillk\u00fchrliche Reflexbewegungen h\u00e4lt, w\u00e4hrend ich selbst bei mir wohl eine Neigung zu gewissen gewohnheitsm\u00e4ssigen Stellungen anerkennen kann, die aber nicht im geringsten die Willk\u00fchr der Bewegung beeinflusst, wenn ich eine andere Stellung der Blickpunkte hervorzubringen w\u00fcnsche, 4. Dass bei der Verschmelzung der Doppelbilder doch nicht blos die Aehnlichkeit der Contoure und der Grad der Ann\u00e4herung an eine correspondirende Lagerung entscheidet, sondern auch die Anwesenheit oder Abwesenheit anderer Vergleichungspunkte f\u00fcr die richtige Abmessung der scheinbaren Lage beider Contoure im gemeinsamen Gesichtsfelde. Das Letztere hatten schon Bergmann\u2019s 1 Versuche gezeigt, und in \u00e4hnlicher Weise zeigt es der oben S. 742 beschriebene Versuch an Fig. U, selbst wenn man von Volkmann\u2019s Versuchen absehen wollte, gegen welche Panum den Einwand.erhoben hat, dass in ihnen kleine, wenn auch unbedeutende Ver\u00e4nderungen der Contoure durch zugesetzte Linien und Punkte angebracht sind, die an der Stelle das Verschmelzen hindern. Aber wie Bergmann\u2019s und meine Versuche zeigen, hindern auch correspondirend gelegene Linien, welche beide auf der gleichen Seite von zwei disparaten liegen und die Aehnlichkeit von deren Contouren gar nicht beeintr\u00e4chtigen, das Verschmelzen derselben, welches ohne die Anwesenheit jener correspondirenden Linien eintreten w\u00fcrde.\nDie von Herrn Panum aufgestellten Erkl\u00e4rungen sind nun nach den Verwahrungen und Erl\u00e4uterungen derselben, die er in seiner zweiten Arbeit 1 2 dazu gegeben hat, kaum etwas mehr, als dass jede Klasse von Beobachtungen zu einem besonderen Verm\u00f6gen der Nervenapparate erhoben wird. So schreibt er den beiden Augen oder ihren Nervenapparaten eine binoculare Energie der Farbenmischung zu, verm\u00f6ge deren sich binocular gesehene Farben zur Mischfarbe vereinigen k\u00f6nnen. Daneben giebt es aber auch eine andere bin o-culare Synergie des Altcrnirens, verm\u00f6ge deren binocular gesehene Farben sich auch nicht vereinigen, sondern in Wettstreit gerathen k\u00f6nnen. Die\n1\tG\u00f6ttinger gelehrte Anzeigen, 1859. S. 1055\u201410G3.\n2\tReichert und du Bois-Reymond Archiv f\u00fcr Anat. und Physiol. 1861. S. 63\u2014111.","page":807},{"file":"p0808.txt","language":"de","ocr_de":"808 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 33.\nletztere soll \u00fcberwiegen, wenn die beiderseitig einwirkenden Erregungen sehr intensiv, oder die Erregbarkeit des Sehorganes sehr gross ist. Disparate Bilder k\u00f6nnen vereinigt werden mittels einer dritten binocularen Synergie des Einfachsehens durch correspondirende Empfindungskreise. Die Tiefenwahrnehmung endlich kommt zu Stande mittels einer vierten speciftschen Synergie der binocularen Parallaxe.\nDie Contoure der Figuren werden als besonders starke Nervenreize betrachtet und die Augenstellungen im Wesentlichen als unwillk\u00fchrlich eintretende Reflexbewegungen, und auch in Bezug auf die genannten Synergien betont es Herr Panum besonders, dass sie als physiologische, nicht als psychische Kr\u00e4fte zu betrachten seien.\nIch muss gestehen, dass ich nicht klar verstanden habe, in welcher Weise Herr Panum sich denkt, dass neben der Verschmelzung disparater Punkte in correspondirenden Empfindungskreisen doch der Hauptsatz der Identit\u00e4tslehre, wonach die Eindr\u00fccke identischer Stellen verschmelzen m\u00fcssen, noch bestehen k\u00f6nne, auf welchen wirklichen oder anscheinenden Widerspruch Herr Volkmann aufmerksam gemacht hatte. Herr Panum erkl\u00e4rt, seine S\u00e4tze behaupteten, dass die Eindr\u00fccke, welche correspondirenden Empfindungskreisen angeh\u00f6ren, verschmelzen k\u00f6nnten, die aber auf identischen Stellen verschmelzen m\u00fcssten. Daraus w\u00fcrde aber doch immer folgen, dass, so oft der Eindruck a einer Netzhaut mit dem einer disparaten Stelle \u00df verschmilzt, nothwendig auch a mit dem der identischen Stelle \u00ab der zweiten Netzhaut, folglich auch a und \u00df, zwei Stellen desselben Bildes mit einander verschmelzen m\u00fcssen, wenn nicht eines von ihnen ausgel\u00f6scht wird, was jedenfalls in vielen F\u00e4llen, wie in den oben beschriebenen Versuchen, nicht der Fall ist. In Figuren wie M und N Taf. VIII sind beide identisch liegende, aber nicht verschmelzende Linien durch Contoure hervorgehoben; keine von ihnen verschwindet durch Wettstreit mit der andern, sonst k\u00f6nnte keine stereoskopische Tiefenwahrnehmung durch ihre Vereinigung mit einer disparaten Linie des andern Bildes auch in der Beleuchtung durch den elektrischen Funken zu Stande kommen. Ebenso m\u00fcssen zwischen zwei verschmelzenden disparaten Grenzlinien verschieden gef\u00e4rbter Fl\u00e4chen immer gewisse identische Punkte existiren, f\u00fcr welche der Wettstreit der durch die benachbarten Contoure hervorgetriebenen Farben im Gleichgewicht ist und die also beide gesehen und dabei an verschiedene Punkte des angeschauten k\u00f6rperlichen Objects verlegt werden. Uebrigens ist dieser Streitpunkt, so viel ich einsehe, unerheblich f\u00fcr die Theorie; ich muss ihn ausserdem nach dem Ergebniss meiner eignen Beobachtungen zu Gunsten von Wheatstones Behauptung als erledigt betrachten. Wenn man auch die Nothwendigkeit der Verschmelzung der Eindr\u00fccke auf identischen Stellen fallen l\u00e4sst, so behalten dieselben doch immer die factische Bedeutung, dass \u00e4hnliche Eindr\u00fccke beider Netzh\u00e4ute desto leichter verschmelzen, je n\u00e4her sie an identische Stellen treffen. Das scheint mir auch die einzig richtige Beschreibung des Identit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses zu sein, was man \u00fcbrigens auch als seinen Grund betrachten m\u00f6ge, und dadurch dass Herr Panum dieses Verh\u00e4ltniss durch bezeichnende Ausdr\u00fccke scharf hervorgehoben hat, hat er einen wesentlichen Fortschritt in der Lehre vom binocularen","page":808},{"file":"p0809.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 33.\nE. BERING\u2019S THEORIE.\n809\nSehen bewirkt, den ich gern anerkenne; auch w\u00fcrde ich gewiss der Letzte sein, der gegen seine Scheu und Vorsicht in der theoretischen Verallgemeinerung der beobachteten Thatsachen Einspruch erh\u00f6be, und w\u00fcrde seine theoretischen Versuche, die er selbst als Nebensache zu betrachten auffordert, hier nicht kritisirt haben, wenn ich nicht \u00fcberhaupt die m\u00f6glichen Erkl\u00e4rungsformen des vorliegenden Gebiets zu besprechen gen\u00f6thigt w\u00e4re, und wenn nicht ein Theil von Panum\u2019s theoretischen Ansichten auch die Grundlage der unten zu besprechenden neueren Theorie von E. Hering bildete.\nDer Leser wird aus der gegebenen Uebersicht entnehmen, dass die Erkl\u00e4rungen, welche Herr Pan um giebt, wenigstens so weit sie sich auf die Verschmelzung und den Wettstreit der Bilder beziehen, in der That nur der Form nach Erkl\u00e4rungen sind, indem die Thatsachen in einem abstracten Begriff zusammengefasst werden, und nur in der Verwahrung gegen die Einmischung psychischer Vorg\u00e4nge, welche sich aber \u00fcberall auf unvollst\u00e4ndige Beobachtung der Thatsachen st\u00fctzt, beziehen sie sich wenigstens negativ auf das urs\u00e4chliche Verh\u00e4ltniss. Uebrigens werden in ihnen der Nervensubstanz Formen der Th\u00e4tig-keit beigelegt, die wir wohl aus dem Gebiete der niederen Seelenth\u00e4tigkeiten kennen, aber denen Aehnliches im Gebiete der K\u00f6rperwelt noch niemals aufgefunden ist.\nIn deutlicherer und fester ausgebildeter Gestalt kehren uns die Grundz\u00fcge \u2022der Theorie von Panum in der von E. Hering aufgestellten Theorie des bino-cularen Sehens entgegen. Diese Theorie ist \u00fcberhaupt unter den bis jetzt aufgestellten wohl die consequenteste Form, welche die nativistische Theorie erhalten hat, und verdient deshalb eine eingehendere Besprechung. Ein bedeutender Fortschritt der HERiNG\u2019schen Theorie liegt darin, dass sie von einer richtigeren Kenntniss der scheinbaren Sehrichtung der angeschauten Objecte ausgeht, wodurch wesentliche Schwierigkeiten der fr\u00fcheren Theorien beseitigt werden.\nHerr Hering nimmt an, dass die einzelnen Netzhautpunkte im erregten Zustande ausser den Farbenempfindungen noch dreierlei verschiedene Arten von Raumgef\u00fchlen hervorrufen. Ein erstes entspricht dem H\u00f6henwerth der betreffenden Netzhautstelle, das zweite dem Breitenwerth. Die H\u00f6hengef\u00fchle und Breitengef\u00fchle, welche zusammen das Richtungsgef\u00fchl f\u00fcr den Ort im gemeinschaftlichen Gesichtsfelde ergeben, sind f\u00fcr correspondirende Netzhautpunkte gleich. Ausserdem existirt ein drittes Raumgef\u00fchl besonderer Art, ein Tiefengef\u00fchl, welches in je zwei identischen Netzhautpunkten gleiche, aber entgegengesetzte Werthe, dagegen auf symmetrisch gleich gelegenen gleiche und gleichsinnige Werthe haben soll. Das Tiefengef\u00fchl der \u00e4usseren Netzhauth\u00e4lften ist positiv, das heisst entspricht gr\u00f6sserer Tiefe, das der inneren Netzhauth\u00e4lften negativ, das heisst: entspricht gr\u00f6sserer Ann\u00e4herung.\nDurch diese Annahme ist zun\u00e4chst das oben schon von mir bezeichnete nothwendige Erforderniss einer mit den Thatsachen vereinbaren Identit\u00e4tstheorie erf\u00fcllt, die Eindr\u00fccke eorrespondirender Netzhautstellcn sind zwar theilweise gleich, n\u00e4mlich betreffs ihres Richtungsgef\u00fchls, theilweise aber verschieden, n\u00e4mlich durch ihr Tiefengef\u00fchl. Bis hierher w\u00fcrde ich die Annahmen von","page":809},{"file":"p0810.txt","language":"de","ocr_de":"810\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICUTSWAHRNEHMUNGEN.\n\u00a7\u2022 33.\nHering sogar f\u00fcr die von mir vertretene empiristische Theorie zwar nicht nothwendig, aber vortheilhaft finden, eine solche Annahme w\u00fcrde die Erkl\u00e4rung der Ein\u00fcbung des Augenmaasses in der Erziehung des Gesichtsinns wesentlich erleichtern. Nur w\u00e4ren dabei die \u201eRaumgef\u00fchle\u201c als Localzeichen zu betrachten, deren r\u00e4umliche Bedeutung erst durch Erfahrung zu lernen w\u00e4re. Gleiche Zeichen aber f\u00fcr das bezeichnete Gleiche zu haben, w\u00fcrde offenbar vortheilhaft sein.\nNur in einer Beziehung macht die Abweichung der scheinbar verticalen und identischen Meridiane eine Abweichung von den HERiNG\u2019schen Annahmen noting f\u00fcr diejenigen Augen, die damit behaftet sind, nach den Versuchen die ich selbst und Herr Dastich angestellt haben. Die H\u00f6hen- und Breitenwerthe n\u00e4mlich w\u00fcrden bei uns ebenfalls f\u00fcr identische Stellen gleich zu nehmen sein, aber die positiven und negativen Tiefenwerthe w\u00fcrden nicht durch die correspondirenden scheinbar verticalen Meridiane, sondern durch die wirklich verticalen Meridiane zu scheiden sein. Wir sehen n\u00e4mlich bei symmetrischer Augenstellung, wie ich schon oben bemerkt habe, eine Linie, die auf den beiden wirklich verticalen, aber nicht identischen Meridianen abgcbildet ist, senkrecht zur Visirebene, dagegen eine solche, die auf den beiden scheinbar verticalen identischen Meridianen abgebildet ist, gegen den Beobachter geneigt, mit ihrem oberen Ende entfernter als mit dem untern. So viel ich sehe, hat diese Abweichung weiter keinen Einfluss auf die ferneren Consequenzen der Theorie.\nNun stossen wir freilich auch hei Hering wieder auf das Mysterium der* Identit\u00e4tslehre: Auf Deckpunkte (d. h. correspondirende Punkte) fallende gleiche oder verschiedene Lichtreize losen stets nur eine einfache Lichtempfindung aus. Sie m\u00fcssen also nothwendig vereinigt werden, wie an vielen Stellen des Buches betont wird, w\u00e4hrend andererseits doch auch disparate Bilder correspondirender Empfindungskreise vereinigt werden k\u00f6nnen. Auch bei Hering scheint mir dieser Satz mehr eine Folge einer polemischen Stimmung gegen vielleicht zu eingreifende Gegner der Identit\u00e4tstheorie zu sein, als ein nothwendiges Erforderniss der Theorie. Er k\u00f6nnte, so viel ich sehe, ohne Schaden f\u00fcr den Zusammenhang beseitigt werden, indem man daf\u00fcr setzte, dass Bilder von \u00e4hnlichen Contouren und \u00e4hnlicher F\u00e4rbung desto leichter verschmelzen, je n\u00e4her sie identischen Stellen kommen.\nF\u00fcr dieses Einfachsehen mit disparaten Netzhautstellen nimmt nun Herr Hering nicht wie Herr Panum einen organischen Grund an, sondern einen psychischen, indem er sich darauf st\u00fctzt, dass zur Trennung zusammengesetzter Empfindungen Uebung und eine gewisse Schulung der Aufmerksamkeit nothwendig sei, ein Satz, der durchaus richtig ist und eine viel gr\u00f6ssere Zahl von den anscheinenden Widerspr\u00fcchen in den Erscheinungen dieses Gebietes zu erkl\u00e4ren im Stande ist, als Herr Hering daraus erkl\u00e4rt. Namentlich tritt f\u00fcr seine Theorie hier folgende Schwierigkeit ein. Wenn a und a correspondirende Netzhautstellen sind, b eine dem a benachbarte in demselben Auge wie a, und gleiche Bilder auf b und a entworfen werden, so verschmelzen sie nach Herrn Hering\u2019s Meinung, weil sie in Qualit\u00e4t gleich, im Richtungsgef\u00fchl sehr \u00e4hnlich und nur in Tiefengef\u00fchlen erheblich verschieden sind, und weil wir uns nicht die Zeit nehmen, diese Bilder getrennt zu betrachten, sondern, wenn wir auf sie","page":810},{"file":"p0811.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 33.\nE. BERING'S THEORIE.\n811\naufmerksam werden, zur Fixation beider forteilen \u2014 was seiner Meinung zufolge freilich durch eine Art von Reflexbewegung geschehen soll \u2014, und sie dann einfach sehen. Nun frage ich, warum unterscheiden wir denn aber so sehr viel eher und leichter, wenn zwei gleichartige Bilder auf die Netzhautstellen a und b fallen. Diese sind dann n\u00e4mlich nicht blos qualitativ gleich und haben in den Richtungsgef\u00fchlen denselben kleinen Unterschied, wie b und a, sondern sie haben auch einen ebenso kleinen Unterschied im Tiefengef\u00fchl, w\u00e4hrend b und a in diesem einen sehr grossen Unterschied darbieten. Aus Herrn Hering\u2019s Darstellung w\u00fcrde also folgen, dass die Empfindungen a und b noch sehr viel leichter verschmelzen m\u00fcssten, als die von a und b, was aber der Erfahrung geradezu widerspricht. Herr Hering kann nun darauf antworten, dass wenn wir a oder b zu fixiren suchen, nur eins fixirt werden kann, und dass wir daher gelernt haben a und b zu unterscheiden, nicht aber \u00ab und b. Damit w\u00fcrde er aber ganz auf dem Standpunkte der empiristischen Theorie angekommen sein, wonach wir die Empfindungen der Localzeichen zu unterscheiden und zu deuten lernen m\u00fcssen.\nUnd gerade diese Gelegenheit, wo Herr Hering selbst gezwungen ist, in der psychischen Theorie L\u00f6sung der Schwierigkeiten zu suchen, die seine Ansicht hervorruft, benutzt er um gegen Yolkmann\u2019s und Anderer psychologische Erkl\u00e4rungen zu polemisiren. Yolkmann\u2019s Fehler, wenn man es so nennen will, ist dabei aber im 'Wesentlichen nur der, dass er die psychischen Processe, auf die es hier ankommt, mit denjenigen Benennungen belegt hat, die wir ihnen geben, wenn sie in das Selbstbewusstsein erhoben werden. Zum Tlieil haben wir gar keine anderen bezeichnenden Benennungen als diese, weil wir Vorg\u00e4nge nur benennen k\u00f6nnen, sofern wir von ihnen wissen. Wenn also diejenigen Vorg\u00e4nge dieser Art, von denen wir nur aus ihren Resultaten wissen, als unbewusste Seelenvorg\u00e4nge bezeichnet werden, so hat dies seinen guten Sinn und ist eben die einzige Bezeichnung, die wir daf\u00fcr haben, wenn wir nicht bei jeder Gelegenheit weitl\u00e4uftige Umschreibungen machen wollen.\nBei der binoculareu Verschmelzung zweier Eindr\u00fccke erhalt nun nach Hering die Gesammtempfindung den mittleren Werth des Richtungsgef\u00fchls sowohl als des Tiefengef\u00fchls. Da die Tiefengef\u00fchle identischer Stellen gleich gross sind, aber von entgegengesetztem Zeichen, so wird der Mittelwertli des Tiefengef\u00fchls bei Verschmelzung identischer Eindr\u00fccke gleich Null. Bei gleichseitigen Doppelbildern f\u00e4llt, wie leicht zu sehen ist, der Mittelwerth des Tiefengef\u00fchls positiv aus, das Object erscheint entfernter, bei ungleichseitigen Doppelbildern ist der Mittelwerth negativ, das Object erscheint n\u00e4her, als die identisch abgebildeten Objecte.\nWenn jeder Netzhauteindruck sich nothwendig mit dem der correspondiren-den Stelle der andern Netzhaut stets in gleicher St\u00e4rke vereinigen m\u00fcsste, so w\u00fcrde der mittlere Tiefenwerth dieser Vereinigung immer gleich Null sein. Nur dadurch dass im Wettstreite der Eindruck desjenigen Sehfeldes, welches die Contour tr\u00e4gt, die Empfindung des andern unterdr\u00fcckt, wird der Tiefenwerth der Contour frei und kann mit seinem eigenth\u00fcmlichen Werthe in die Vereinigung","page":811},{"file":"p0812.txt","language":"de","ocr_de":"812 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7.33.\nmit der entsprechenden Contour im andern Sehfelde cintreten. Auch dieser Erkl\u00e4rung widersprechen die oben gegebenen Modificationen des Wheatstone\u2019-schen Versuches, bei denen un\u00e4hnliche Contouren, die sich nicht vereinigen, auf Deckstellen liegen und selbst beim Lichte des elektrischen Funkens sich jede von beiden im stereoskopischen. Bilde mit ihrem Tiefenwerthe geltend macht, zum Zeichen, dass keine von ihnen im Wettstreite untergeht.\nAuf diese Annahme baut nun Herr Hering seine Raumconstruction. Er nimmt an, alle Bildpunkte, die den Tiefenwerth Null haben, erscheinen durch einen unmittelbaren Act der Empfindung in einer Ebene, der Kernfl\u00e4che des Sehraums. Denken wir uns in dieser den Punkt, welcher den beiden Netz-hautcentren entspricht, als Anfangspunkt eines rechtwinkeligen Coordinatensystems, die den Tiefenwerthen entsprechenden Coordinaten senkrecht zur Kernfl\u00e4che, so w\u00fcrden die drei Coordinaten jedes gesehenen Punktes proportional sein den H\u00f6henwerthen, Breitenwerthcn, Tiefenwerthen des zu dem binocularen Eindr\u00fccke geh\u00f6rigen Raumgef\u00fchls, und es w\u00e4re nach Hering in dieser Weise eine Ver-theilung der gesehenen Punkte im Sehraum gegeben, die wenigstens in der Anordnungsweise der Punkte der wirklichen Anordnung derselben entspr\u00e4che, wenn auch die Verh\u00e4ltnisse der einzelnen linearen Distanzen nun noch vielfach nach der Erfahrung zu corrigiren w\u00e4ren. Da auch die K\u00f6rpertheile des Beobachters mit in diesem so ausgef\u00fcllten Sehraume erscheinen, so wird dadurch auch die r\u00e4umliche Beziehung der gesehenen Objecte zum Beobachter zugleich mit zur Anschauuung gebracht.\nDas sind die wesentlichen Grundz\u00fcge der Theorie von Hering. Die \u00e4lteren nativistischen Theorien des Sehens hatten nur die Vertheilung der gesehenen Punkte im Gesichtsfelde f\u00fcr angeboren, die Wahrnehmung der Tiefendimensionen dagegen f\u00fcr einen Act des Urtheils gehalten. Panum hatte zuerst die Hypothese aufgestellt, aber nicht in bestimmterer Form ausgef\u00fchrt, dass die binoculare Parallaxe eine unmittelbare Empfindung der Tiefenverh\u00e4ltnisse geben k\u00f6nnte. Dies hat Herr Hering in der beschriebenen Weise bestimmter auszuf\u00fchren gesucht und dadurch der nativistischen Theorie ein noch weiteres Feld einger\u00e4umt, als ihr bisher gegeben war. Das von ihm aufgestellte System verr\u00e4th einen klar und consequent denkenden Kopf, es ber\u00fccksichtigt die bisher bekannt gewesenen Thatsachen vollst\u00e4ndig und auch einige wichtige neue, die Herr Hering selbst hinzugef\u00fcgt hat, und kann deshalb, wie ich glaube, als ein gutes Specimen dieser Klasse von Theorien angesehen werden, weshalb ich mir erlaube, meine Kritik speciell gegen die Theorie von Herrn Hering zu richten.\nDer erste Einwand, den ich zu machen h\u00e4tte und der mir f\u00fcr mein Denken allerdings als ganz un\u00fcbersteiglich erscheint, ist der, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie eine einzelne Nervenerregung ohne vorausgegangene Erfahrung eine fertige Raumvorstellung zu Stande bringen kann. Ich erkenne aber an, dass dieser Einwand vielleicht von zu metaphysischer Natur ist, um auf naturwissenschaftlichem Boden geh\u00f6rt zu werden, und merke ihn deshalb hier nur an f\u00fcr diejenigen Leser, die ihn mit mir theilen. Ich wende mich deshalb sogleich zu den Gegengr\u00fcnden, die dem Bereiche der erfahrungsm\u00e4ssigen Thatsachen entnommen sind.","page":812},{"file":"p0813.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 33.\nE. BERING\u2019S THEORIE.\n813\nDass die Annahmen der Panum - HERiNG\u2019schen Theorie von der Verschmelzung der beiden Gesichtsfelder den Thatsachen widersprechen, habe ich schon oben erw\u00e4hnt. Der Annahme, dass die beiderseitigen Eindr\u00fccke in eine Empfindung verschmelzen m\u00fcssen, wobei nur abwechselnd in langsamer Schwankung bald der eine, bald der andere vorherrschen k\u00f6nne, wird widerlegt durch die M\u00f6glichkeit, stereoskopischen Glanz wahrzunehmen bei momentaner Beleuchtung. Die Annahme, dass in den F\u00e4llen, wo disparate Contoure verschmelzen, die identisch zu ihnen geh\u00f6rigen Bilder der anderen Netzhaut unterdr\u00fcckt seien, wird widerlegt durch das Gelingen des Wheat st oNE\u2019schen Versuchs, wenn er richtig ausgef\u00fchrt wird, und namentlich durch sein Gelingen bei momentaner Beleuchtung, wobei die Augenbewegungen keinen Einfluss haben k\u00f6nnen.\nEine weitere Fundamentalhypothese der HERiNG\u2019schen Theorie ist es, dass die Punkte, welche auf identischen Netzhautstellen sich abbilden (oder allgemeiner, die den Tiefenwerth Null haben), immer in einer Ebene zu liegen scheinen sollen, dass das Vortreten oder Zur\u00fccktreten der binocular gesehenen Objectpunkte vor oder hinter diese Ebene (Kernfl\u00e4che des Sehraums) nur davon abh\u00e4ngen solle, ob sie positive oder negative stereoskopische Parallaxe haben. Ich habe oben auf Seite 656 ff. cin^Reihe von\u2019Versuchen beschrieben, aus denen hervorgeht, dass auch wenn alle anderweitigen Anhaltspunkte der Tiefenanschauung fehlen, einfache Liniensysteme, welche genau dieselbe binoculare Parallaxe darbieten, stereoskopisch combinirt, bald als gew\u00f6lbte, bald als ebene Fl\u00e4che erscheinen k\u00f6nnen, je nachdem durch die Querlinien mehr Aehnliclikeit mit den binocularen Bildern eines nahen und mit convergenten Blicklinien gesehenen Objects oder denen eines mit parallelen Gesichtslinien gesehenen fernen Objects entsteht.\nIch habe ferner gezeigt, dass wenn ein System von verticalen F\u00e4den, die in der Cylinderfl\u00e4che des L\u00e4ngshoropters liegen, Herrn Hering in einer Ebene zu liegen scheint, was, wie er andeutet, selbst fiir seine Augen nicht streng richtig ist, dies eine individuelle Eigent\u00fcmlichkeit seiner Augen ist, die bei keinem der von mir untersuchten Individuen, auch bei mir selbst nicht vorkam, und dass bei den meisten Beobachtern der Irrthum in der Beurteilung der Convergenz der Augen, der dieser Erscheinung zu Grunde zu liegen scheint, viel kleiner ist, als dass der von Herrn Hering behauptete Erfolg zu Stande kommen k\u00f6nnte.\nEine Hauptschwierigkeit oder, wie mir scheint, Unm\u00f6glichkeit der Hering\u2019-schen Theorie sind die Tiefengef\u00fchle. \u2018So lange Eindr\u00fccke der einen Netzhaut mit correspondirenden oder disparaten der andern Netzhaut sich vereinigen, wo es sich nur um die Differenz der Tiefengef\u00fcble beider Stellen handelt, tritt, so viel ich sehe, keine wesentliche Schwierigkeit ein, ausser den eben angef\u00fchrten. Wenn aber das Bild einer Netzhaut, ohne zu verschmelzen, f\u00fcr sich stehen bleibt und im Wettstreite mit dem der andern Netzhaut dominirt, so nimmt Herr Hering an, und muss auch nothwendig annehmen, dass das Tiefengef\u00fchl des im Wettstreite siegenden Eindrucks ebenfalls unverschmolzen mit dem der correspondirenden Deckstelle der andern Netzhaut zur Herrschaft kommt.\nHerr Hering 1 glaubt auch einige Versuche anf\u00fchren zu k\u00f6nnen, in denen\n1 Beitr\u00e4ge zur Physiologie. 5. Heft. S. 338 \u2014342.","page":813},{"file":"p0814.txt","language":"de","ocr_de":"814 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICIITSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 33.\nsolche monoculare Bilder mit dem ihnen allein zugeh\u00f6rigen Tiefeneindruck zur Erscheinung k\u00e4men.\na.\tWenn man einen Punkt in der Medianebene fixirt und ein zweiter liegt vor oder hinter dem Fixationspunkte, so erscheint dieser in Doppelbildern, die ebenfalls vor oder hinter dem Fixationspunkte nahe dem wahren Orte ihres Objects erscheinen. Diese Beobachtung widerspricht der HERiNo\u2019schen Theorie nicht, beweist aber auch nichts f\u00fcr sie, ela wir eben hinreichende Uebung haben, den Ort eines in nicht zu entfernten, aber erkennbaren Doppelbildern gesehenen Objects nahehin richtig zu beurtheilen. Dass hier die Erfahrung und nicht die Tiefengef\u00fchle entscheiden, geht aus den weiteren Versuchen hervor, wo beide in Widerspruch kommen und wo die Erfahrung, wie mir scheint, immer oder wenigstens, wie Herr Hering zugiebt, in der Regel siegt.\nb.\tZwei K\u00fcgelchen werden neben einander an F\u00e4den aufgeh\u00e4ngt, die Sehlinien hinter ihnen gekreuzt, so dass drei Kugeln erscheinen, eine mittlere binocular gesehene, zwei seitliche monocular, die rechte vom linken, die linke vom rechten Auge gesehen. Nach Hering sollen die seitlichen K\u00fcgelchen n\u00e4her als das mittlere erscheinen. Ich habe den Versuch wiederholt und finde seinen Erfolg abh\u00e4ngig von der Kopfhaltung. Ist mein Kopf bt* der Fixation der K\u00fcgelchen hinten \u00fcbergebeugt, die Visirebene also unter ihre Prim\u00e4rlage geneigt, so erscheint mir der binocular gesehene mittlere Faden mit dem unteren Ende, welches das K\u00fcgelchen tr\u00e4gt, gen\u00e4hert, wie oben S. 661 schon er\u00f6rtert ist, und dann auch das mittlere K\u00fcgelchen n\u00e4her als die seitlichen. Ist der Kopf vorn \u00fcbergebeugt, so tritt der entgegengesetzte Anschein ein, der dann freilich dem von Hering\u2019s Theorie geforderten dem Sinne nach entspricht, aber offenbar einen ganz anderen Grund hat. Biegt man den Kopf bald nach vorn, bald nach hinten, so wechselt auch das K\u00fcgelchen seine Stellung.\nc.\tWenn man einen Stecknadelknopf fixirt, und daneben ist ein senkrechter Draht angebracht etwas nach links und etwas n\u00e4her als die Stecknadel, so erscheint dieser in Doppelbildern, deren rechtes dem linken Auge angeh\u00f6rt und einen negativen Tiefenwerth haben sollte, das linke geh\u00f6rt dem rechten Auge an und sollte einen positiven Tiefenwerth haben. Das rechte m\u00fcsste also viel n\u00e4her, das linke viel ferner als die Stecknadel erscheinen. Herr Hering giebt zu, dass eine solche Tiefenanschauung nur ausserordentlich schwer und fl\u00fcchtig gesehen werde, weil, wie er meint, die kleinste Schwankung der Convergenz das Urtheil \u00fcber den Ort des Objectes berichtige. Um ihm aber nicht Unrecht zu thun, will ich lieber den Erfolg dieses Versuches mit seinen eigenen Worten beschreiben: \u201eIch sehe zun\u00e4chst und \u00fcberhaupt immer dann, wenn meine Augen sich irgendwie, wenn auch nur sehr wenig bewegen, die beiden Trugbilder des n\u00e4heren Drahtes zwar gesondert, aber beide n\u00e4her als die fixirte einfach erscheinende Stecknadel. Fixire ich aber anhaltend und fest und concentr\u00e9e meine ganze Aufmerksamkeit m\u00f6glichst auf die fixirte Stecknadel, so tritt das eine, dein linken Auge angeh\u00f6rige Trugbild pl\u00f6tzlich hinter die Stecknadel und erscheint mit solcher Energie jenseits derselben, dass ich diesen Eindruck durchaus dem zwingenden Eindr\u00fccke vergleichen muss, mit welchem Stereosko-penbilder sich pl\u00f6tzlich in die Tiefe ausbreiten. Die Erscheinung tritt gerade","page":814},{"file":"p0815.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 33.\nE. HEMG\u2019S THEORIE.\n815\ndann am sichersten ein, wenn ich am wenigsten daran denke. Die geringste Schwankung des Blickes aber, oder nur der Gedanke an das zweite n\u00e4her erscheinende Trugbild versetzt das andere sogleich wieder vor die Kernfl\u00e4che; denn es tritt dann die Beziehung beider Bilder auf ein und dasselbe Object ein und st\u00f6rt den rein sinnlichen Eindruck. Aber auch ganz von selbst schwindet die Erscheinung, sobald das Trugbild infolge der Ruhe des Auges in eine ung\u00fcnstige Phase des Wettstreits eintritt, wie dies oben er\u00f6rtert wurde. Daher denn mancherlei sich vereinigt, um den Versuch zu st\u00f6ren. Ueberhaupt kann ich ihn nur denjenigen empfehlen, die grosse Uebung im indirecten Sehen haben und wirklich fest fixiren k\u00f6nnen, nicht hlos es zu k\u00f6nnen glauben. Man lernt das feinste Doppelsehen nicht in einem Jahre, auch nicht in zweien\u201c.\nEinige Seiten vorher bemerkt Herr Hering hierher geh\u00f6rig noch, indem er die St\u00f6rungen der Empfindung bei diesen Versuchen beschreibt: \u201eHierzu kommt nun noch, dass bei irgend ausgedehnten Trugbildern der Wettstreit nicht immer in allen Theilen des Trugbildes gleiche Phasen zeigt, dass vielmehr das Trugbild st\u00fcckweise Sieger und Besiegter im Wettstreite ist, wodurch eine sichere und feste Localisation ganz unm\u00f6glich wird. Dr\u00e4ngen sich auf diese Weise St\u00fccke des auf der betreffenden Deckstelle der andern Netzhaut liegenden Bildes mit ihren entgegengesetzten Tiefenwerthen in das Trugbild derart hinein, dass sie gleichsam Bestandtheile desselben werden, so kann die Localisation sogar entgegengesetzt der a priori zu erwartenden ausfallcn\u201c.\nDiesem letzteren Theile der Beschreibung entspricht nun vollkommen das, was ich selbst bei einer m\u00f6glichst sorgf\u00e4ltigen und gewissenhaften Anstellung des Versuchs gesehen habe. Ich habe so fest und so lange die Stecknadel fixirt, dass mir schliesslich die negativen Nachbilder alles ausl\u00f6schten. Ich habe gesehen, dass zu der Zeit, wo nur noch einzelne Theile der Doppelbilder des Drathes im Wettstreit mit dem correspondirenden Grunde und mit den Nachbildern zeitweilig nebelhaft auftauchen, sie bald fern, bald nah erscheinen, das eine ebenso oft und ebenso energisch, wie dos andere; aber ich habe mich nicht \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dass dies \u00fcberwiegend in dem Sinne der Herin G\u2019schen Theorie geschieht, und w\u00fcrde es nie unternommen haben, aus einer an solchen halb erl\u00f6schenden Bildern gemachten Beobachtung das Fundament f\u00fcr eine neue Theorie des Sehens zu machen. Indessen gehe ich zu, dass ich ungeschickt gewesen sein mag; nur wird Herr Hering entschuldigen m\u00fcssen, wenn ich durch diesen ihm selber so \u201ezwingenden Beweis f\u00fcr die Richtigkeit der Theorie\u201c mich nicht f\u00fcr \u00fcberzeugt erkl\u00e4ren kann.\nd.\tPanum\u2019s Versuche \u00fcber die stereoskopische Vereinigung zweier senkrechter Linien im einen Felde mit einer im andern finden leicht ihre Erkl\u00e4rung, wie oben Seite 733 schon bemerkt ist. Ein solches Bild ist der richtige optische Ausdruck eines Linienpaares im Raume, von denen eine f\u00fcr das eine Auge die andere deckt.\ne.\tWenn man nur ein Auge \u00f6ffnet und mit dem anderen allein irgend eine zur Antlitzfl\u00e4che senkrechte Ebene betrachtet, so m\u00fcsste die scld\u00e4fenw\u00e4rts gekehrte Seite derselben positive Tiefenwerthe haben, die nasenw\u00e4rts gekehrte","page":815},{"file":"p0816.txt","language":"de","ocr_de":"816 DRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAHRNEHMUNGEN. \u00a7. 33.\nnegative, die Ebene sollte deshalb stark gegen die Gesichtslinie geneigt erscheinen. Dass sie es nicht thut, erkl\u00e4rt Herr Hering dadurch, dass wir der Erfahrung zulieb, die uns lehrt, wie die gesehene Ebene gegen unseren K\u00f6rper liegt, die Kernfl\u00e4che des Sehraums in unserer Anschauung eine Achtelswendung machen lassen, wodurch die richtige Lage der gesehenen Fl\u00e4che wieder hergestellt werde.\nWir k\u00f6nnen den Versuch aber so modificiren, dass diese Ausflucht abgeschnitten ist. Man nehme vor die Mitte des Gesichts einen schwarzen Papierstreifen , dessen Breite der Distanz der Augen von einander gleichkommt. Dann sieht das rechte Auge nur die rechte H\u00e4lfte der vorliegenden Objecte, das linke nur die linke H\u00e4lfte. Das ganze Gesichtsfeld bis auf einen kleinen im Zerstreuungskreise der beiden R\u00e4nder des Papierstreifens liegenden mittleren Streifen wird monocular gesehen. Ein nennenswerther Wettstreit zwischen dem Schwarz des Papiers und den hellen Bildern des Zimmers tritt bei hin und wieder wechselnder Richtung des Blicks nicht ein; keinerlei Augenbewegungen sind im Stande, das Urtheil \u00fcber die wahre Entfernung der gesehenen Objecte zu unterst\u00fctzen. Eine Achtelswendung der Kernfl\u00e4che w\u00fcrde in diesem Falle die Schwierigkeit ebenfalls nicht heben. Alle Bedingungen also bei diesem Versuche scheinen mir dazu angethan, die von Herrn Hering supponirten Tiefengef\u00fchle rein zu Erscheinung kommen zu lassen, und man sollte erwarten nun die beiden Theile der Wand an der Stelle, wo die Grenze der beiden Sehfelder liegt, sich unter einem ziemlich kleinen spitzen Winkel (der HERiNG\u2019schen Theorie zufolge m\u00fcsste dieser Winkel dem Convergenzwinkel der Augen gleich sein) zusammenstossen zu sehen, wie eine Messerschneide die gegen den Beobachter gekehrt ist. Davon ist aber keine Spur zu sehen, die Wand erscheint ganz flach, gerade so, wie sie mit beiden Augen gesehen erscheint.\nDie andern T\u00e4uschungen aber, die von der Abweichung der scheinbar ver-ticalen Meridiane, der etwa vorhandenen Raddrehungsdifferenz beider Augen und so weiter abh\u00e4ngen, sind bei diesem Versuche alle deutlich zu sehen. Soll nun die Erfahrung, dass die Wand eben ist, die eine t\u00e4uschende Empfindung beseitigen? Warum beseitigt dann die andere Erfahrung, dass die horizontalen Linien der Wand alle gerade, ihre verticalen alle parallel sind, welche ich noch bis zu dem Augenblick, wo ich den Papierschirm vorschiebe, machen und fortsetzen kann, nicht auch die von der Raddrehung und der Abweichung der Meridiane abh\u00e4ngigen T\u00e4uschungen?\nAuch selbst in F\u00e4llen, wo die Contoure der gesehenen Bilder vollkommen denen eines objectiven Gegenstandes entsprechen, und also die Tiefengef\u00fchle mit den mittels der Augenbewegungen zu machenden Beobachtungen sich in vollkommener Uebereinstimmung befinden, wie bei den pseudoskopischen Versuchen, kommen Tiefenwahrnehmungen nicht zu Stande, wenn die Schlagschatten widersprechen; und der Zusammenhang der K\u00f6rperform mit dem Schlagschatten ist doch gewiss ein Erfahrungsmoment. Und selbst, wenn die Schlagschatten nicht widersprechen, sondern nur die Erinnerung an die vorher gesehene wahre Form des pseudoskopisch betrachteten K\u00f6rpers, sind viele Leute, die auf die binoculare Parallaxe vielleicht wenig zu achten gew\u00f6hnt sind, gar nicht, manche","page":816},{"file":"p0817.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7. 33.\nE. HERING'S THEORIE.\n817\nerst nach l\u00e4ngerer Betrachtung hei wechselnder Blickrichtung im Stande, den pseudoskopischen Eindruck zu erhalten.\nAus allen diesen Thatsachen folgt, dass die Herin G\u2019schcn Tiefengef\u00fchle nur wirken, wenn auch die durch die Erfahrung gegebenen Momente eine Tiefen-wahrnehmung fordern, dass sie spurlos verschwinden, sobald die erfahrungs-m\u00e4ssige Auslegung der Gesichtserscheinungen, oder auch nur die Erinnerung an die Form des individuellen Objects widerspricht. Muss man daraus nicht schliessen, dass jene Tiefengef\u00fchle, wenn sie \u00fcberhaupt existiren, mindestens so schwach und undeutlich sind, dass sie gar keinen nennenswerthen Einfluss den aus der Erfahrung genommenen Momenten gegen\u00fcber aus\u00fcben k\u00f6nnen, und dass daher die Tiefenanschauung ohne sie ganz eben so gut zu Stande kommen muss als mit ihnen, beziehlich wider sie, wie es nach Hering\u2019s Annahmen geschehen soll?\nSchliesslich f\u00fchrt uns dies auf eine letzte wesentliche Schwierigkeit, der noch keine nativistische Theorie der Raumanschauung entgangen ist, wenn sie sich nicht ganz auf allgemeine Andeutungen beschr\u00e4nkte. Es muss n\u00e4mlich in diesen Theorien immer vorausgesetzt werden, dass wirklich vorhandene Empfindungen durch eine Erfahrung, die sie als unbegr\u00fcndet nach weist, aufgehoben werden k\u00f6nnen. Daf\u00fcr ist aber nicht ein einziges wohl constatirtes Beispiel da. Bei allen Sinnest\u00e4uschungen, welche durch anomal erregte Empfindungen hervorgerufen werden, wird die t\u00e4uschende Empfindung nie beseitigt durch die widersprechende bessere Erkenntniss des Objects und durch die Einsicht in die Ursache der T\u00e4uschung. Die Druckbilder, die feurigen Garben am Sehnerveneintritt, die Nachbilder u. s. w. bleiben an ihrem scheinbaren Orte im Gesichtsfelde bestehen, ebenso gut wie das von einem Spiegel entworfene Bild scheinbar hinter dem Spiegel fortf\u00e4hrt gesehen zu werden, obgleich wir von allen diesen Erscheinungen sehr wohl wissen, dass ihnen keine reelle Existenz zukommt. Es kann allerdings die Aufmerksamkeit abgelenkt sein und bleiben von Empfindungen, die zu den Objecten der Aussenwelt in gar keiner Beziehung stehen, wie zum Beispiel von den Empfindungen der schw\u00e4cheren Nachbilder, der entop-tischen Objecte und andern. Es k\u00f6nnen ferner m\u00e4ssig grosse Irrth\u00fcmer in der Sch\u00e4tzung ihrer Intensit\u00e4t durch Contrast eintreten, oder wenn sie als gemeinschaftliche Wirkung zweier Objecte angeschaut werden, k\u00f6nnen sie falsch an die beiden Objecte vertheilt werden, wie das bei den Contrasterscheinungen vorkommt. Einer der Haupteinw\u00fcrfe gegen die fr\u00fcheren Formen der empiristischen Theorie ist es ja immer gewesen, so lange man bewusste Schl\u00fcsse und In-ductionsschl\u00fcsse noch nicht gen\u00fcgend unterschied, dass die Sinnest\u00e4uschungen durch die Einsicht in ihren Mechanismus und durch die entgegenstehende Erfahrung nicht aufgehoben werden. Was sollte aus unseren Sinneswahrnehmungen werden, wenn wir die F\u00e4higkeit h\u00e4tten, einen Theil derselben, der uns gerade nicht in den Zusammenhang unserer Erfahrungen passte, nicht nur nicht zu beachten, sondern in sein Gegentheil zu verkehren?\nDenken wir zum Beispiel an den Fall zweier seitlich von der Medianebene liegenden Doppelbilder ein und desselben Objects. Das eine l\u00f6st nach Hering\u2019s Theorie eine positive Tiefenempfindung aus, das andere eine negative, und zwar\nEncyklop. d. Physik. IX. IIelsiiioltz, Physiol. Optik.\t52","page":817},{"file":"p0818.txt","language":"de","ocr_de":"818\nDRITTER ABSCHNITT. DIE LEHRE VON DEN GESICHTSWAIIRNEHMUNGEN.\n\u00a7. 33.\nnicht etwa eine von geringer Gr\u00f6sse, sondern wie cs seine Theorie der stereoskopischen Ph\u00e4nomene voranssetzt, von sehr betr\u00e4chtlicher und sehr deutlich erkennbarer Gr\u00f6sse. Aber weil wir wissen, dass die Doppelbilder zu einander geh\u00f6ren und Bilder eines Objects in einer uns mehr oder weniger gut bekannten Entfernung sind, sollen wir den Unterschied ihrer Tiefenempfindungen gew\u00f6hnlich nicht erkennen, selbst wenn wir darauf achten, ob das eine oder das andere etwa uns n\u00e4her oder ferner erscheine. Nun erzeuge man einmal einen schwachen Farbenunterschied beider Bilder, indem man ein Auge vorher gegen eine Farbe erm\u00fcdet oder es von der Seite her beleuchtet, so haben wir einen wirklichen Unterschied der Empfindung beider Doppelbilder. Aber dieser Unterschied tritt hervor, auch wenn er zu den aller schw\u00e4chsten geh\u00f6rt, und ohne Hilfe des binocularen Contrastes vielleicht gar nicht wahrnehmbar ist, trotzdem wir wohl wissen, dass die beiden Bilder Bilder desselben Objectes sind und also gleiche Farbe haben m\u00fcssen, und trotzdem die F\u00e4rbung keine objective, sondern eine subjective ist, und wir dies ebenfalls wissen.\nDann betrachte man das ganze System der Localisation, wie sie nach Hering durch unmittelbare Raumempfindung urspr\u00fcnglich gegeben ist. Nach allen kleineren Verbesserungen, die man etwa noch daran anbringen k\u00f6nnte, um es der 'Wirklichkeit genauer anzupassen, w\u00fcrde es immer nur so viel leisten k\u00f6nnen, dass es eine richtige Localisation der Objecte f\u00fcr eine einzige Stellung der Blicklinien g\u00e4be. In allen unendlich vielen anderen F\u00e4llen w\u00fcrde es mehr oder weniger falsch und durch Erfahrung zu verbessern sein. Die hypothetischen Annahmen von Hering machen also \u2014 vielleicht \u2014 die Erkl\u00e4rung der Gesichtswahrnehmungen in einem einzelnen Falle leichter, um sie in allen andern desto schwieriger zu machen; und jedenfalls muss man schliessen: Wenn die der Erfahrung entnommenen Momente im Stande sind, die richtige Erkenntniss der r\u00e4umlichen Verh\u00e4ltnisse selbst entgegenstehenden directen Raumempfindungen gegen\u00fcber herzustcllen, so m\u00fcssen sie noch viel eher und leichter im Stande sein, dieselben richtig erkennen zu machen, wenn keine solche Hindernisse zu \u00fcberw\u00e4ltigen sind V\nSobald wir dagegen alle Anschauung der Raumverh\u00e4ltnisse auf Erfahrung zur\u00fcckf\u00fchren, wie dies in der empiristischen Theorie geschieht, so k\u00e4mpft in den Sinnest\u00e4uschungen niemals Empfindung gegen Erfahrung, sondern nur die eine Induction, welche unter gewissen beschr\u00e4nkten Bedingungen gewonnen ist, gegen die andere, die unter andern Bedingungen gewonnen ist. Wir haben es dann mit einem Kampfe gleichartiger M\u00e4chte zu thun und verstehen, dass bald die eine Seite, bald die andere je nach den ver\u00e4nderten Umst\u00e4nden, oder auch beide wechselnd unter gleich bleibenden Umst\u00e4nden unterliegen k\u00f6nnen.\n1 Ich w\u00fcnsche, dass man diese Kritik, die ich im Interesse der Sache gegen Herrn E. Hering\u2019s Ansichten zu richten gezwungen war, nicht als einen Ausdruck pers\u00f6nlicher Gereiztheil wegen der Angriffe ansehen m\u00f6ge, die er gegen meine letzten Arbeiten gerichtet hat. Ich glaube, dass der Standpunkt einer nativistischen Theorie des Sehens, auf den sich Herr Hering gestellt hat, einen consequent denkenden Kopf ziemlich nothwendig zu der Art von Hypothesen f\u00fchren musste, welche seiner Theorie zu Grunde liegen; und ich habe die Angriffe speciell gegen seine Ansichten gerichtet, weil sie mir die klarste und conscquenteste Durchf\u00fchrung der nativistischen Theorie zu enthalten schienen, die zur Zeit noch m\u00f6glich ist. Die Einw\u00fcrfe, welche Herr Hering gegen meine Arbeiten gemacht hat, habe ich im Laufe dieser letzten Abtheilung zu beantworten gesucht, so weit sie sachliches Interesse haben. Die, welche nur pers\u00f6nliches Interesse haben, habe ich vorgezogen unerw\u00e4hnt zu lassen, ausser, wo ich anerkennen musste, dass Herr Hering Recht gehabt hat.","page":818},{"file":"p0819.txt","language":"de","ocr_de":"\u00a7\u2022 33.\nFORMEN DER EMPIRISTISCHEN THEORIE.\n819\nIch erkenne aber durchaus an, dass die hier discutirten Fragen noch nicht vollkommen spruchreif sind. Ich habe meinen eigenen Standpunkt theils wegen der Einfachheit der Erkl\u00e4rungen, die sich aus ihm ergeben, so gew\u00e4hlt, theils aber auch besonders aus methodologischen R\u00fccksichten, indem ich es n\u00e4mlich stets f\u00fcr rathsam halte, die Erkl\u00e4rungen der Naturprocesse auf die m\u00f6glichst geringste Zahl und auf m\u00f6glichst bestimmt gefasste Hypothesen zu bauen. Andererseits aber muss ich doch auch sagen, dass, je mehr ich im Fortgang dieser Untersuchungen, die mich einen guten Tlieil meines Lebens hindurch besch\u00e4ftigt haben, lernte meine Augenbewegungen und meine Aufmerksamkeit mit freiem Willen zu beherrschen, es mir desto unzul\u00e4ssiger erschien, die wesentlichen Ph\u00e4nomene dieses Gebiets aus einem vorher schon gegebenen Nerven-mechanismus erkl\u00e4ren zu wollen.\nWas die, Unterschiede meiner liier gegebenen Darstellung, deren Wesentliches ich schon in einer popul\u00e4ren Vorlesung im Jahre 1855 ver\u00f6ffentlicht habe, von anderen neueren Arbeiten betrifft, die auf der Grundlage einer empiristischen Theorie des Sehens fussen, so habe ich f\u00fcr die Abmessung der r\u00e4umlichen Verh\u00e4ltnisse des Sehfeldes sowohl, als der Entfernung der gesehenen Objecte weniger Nachdruck auf die Muskelgef\u00fchle gelegt, als Wundt, weil ich dieselben aus den oben angef\u00fchrten Gr\u00fcnden glaube f\u00fcr ziemlich ungenau und ver\u00e4nderlich halten zu m\u00fcssen. Ich habe vielmehr die haupts\u00e4chlichsten Abmessungen des Sehfeldes aus der Deckung verschiedener Bilder mit denselben Netzliauttheilen hergeleitet. Wundt hat namentlich die hierher geh\u00f6rigen psychischen Ph\u00e4nomene einer ausf\u00fchrlichen und sehr dankenswerthen Bearbeitung unterworfen. Einzelne Beobachtungen, in denen ich von ihm abweiche, sind oben notirt.\nA. Nagel erkl\u00e4rt die Entstehung der binocularen Doppelbilder aus der Annahme, dass beide Augen ihre Netzhautbilder auf zwei verschiedene Kugelfl\u00e4chen nach aussen projicirten. Der Mittelpunkt dieser Kugelfl\u00e4chen wird im Kreuzungspunkt der Visirlinien des entsprechenden Auges angenommen, und beide Kugelfl\u00e4chen sollen sich im Fixationspunkte schneiden. Dabei muss also eigentlich jeder Punkt, der nicht in der Schnittlinie beider Kugeln liegt, in Doppelbildern erscheinen. Diese Projectionen denkt sich Nagel nun von dem Halbirungspunkt der Verbindungslinie beider Augenmittelpunkte aus angesehen, und je nachdem sich dabei die Doppelbilder decken, oder gekreuzt oder gleichseitig neben einander liegend erscheinen, sollen sic es auch im Gesichtsfelde thun.\nNagel\u2019s Theorie kommt zwar der Wahrheit schon ziemlich nahe; aber einmal ist sie etwas k\u00fcnstlich, da sie eine doppelte Projection voraussetzt, zweitens fehlt in Wirklichkeit die Anschauung einer verschiedenen Entfernung der beiden Doppelbilder, welche Nagel\u2019s Theorie in den meisten F\u00e4llen fordert; endlich w\u00fcrde ihr zufolge die Lage der einfach gesehenen Bilder nicht immer genau mit der Wirklichkeit stimmen. Uebrigens ist dies wohl der einzige wesentliche Punkt, in welchem meine oben gegebene Theorie von der Nagel\u2019s abweicht.\nDie richtige Theorie der Doppelbilder und ihrer Lage wurde dagegen von A. Classen gegeben, wenn auch dabei mit Unrecht die factische Richtigkeit der von Hering angegebenen Ph\u00e4nomene, welche sich auf das scheinbare Centrum der Richtungslinien mitten zwischen beiden Augen beziehen, geleugnet ist. Ich selbst bin zwar, ebenso wenig wie Herr Classen, geneigt, diese Erscheinung zur Grundlage aller unserer Localisationen zu machen, und halte sie nur f\u00fcr eine nebenher gehende Sinnest\u00e4uschung, die bei mir selbst auch f\u00fcr das rechte und linke Auge in verschiedenem Grade stattfindet und durch gesch\u00e4rftere Aufmerksamkeit \u00fcberwunden werden kann; aber es ist eine T\u00e4uschung, die wirklich besteht.\nEine wesentlichere Abweichung zwischen der von mir gegebenen Darstellung der Theorie und Classen\u2019s ist, dass er den Ortssinn der Netzhaut und die Projection in das Sehfeld als urspr\u00fcnglich gegeben und nicht erworben betrachtet. Wenn aber die Lage der einzelnen\n52*","page":819},{"file":"p0820.txt","language":"de","ocr_de":"820\nNACHTR\u00c4GE\nNetzhautpunkte zu einander durch eine angeborene Empfindung gegeben ist, dann ist auch die Identit\u00e4t correspondirender Punkte angeboren, da deren gleiche Lage gegen den Blickpunkt dann ebenfalls urspr\u00fcnglich in der Empfindung gegeben sein muss. Es hat diese Abweichung indessen auf die Darstellung derjenigen Capitel des Sehens, die Classen ausf\u00fchrlich behandelt, namentlich die Lehre vom Mnskelsinn und vom Binocularsehen, keinen Einfluss, und es finden sich bei ihm eine grosse Menge interessanter .L\u00e4uterungen aus der pathologischen Beobachtung f\u00fcr die vorgetragenen physiologischen Lehren.\nDie der empiristischen Theorie sich anschliessenden Ansichten von H. Meyer, Donders, Volkmann, A. Fick, einzelne Theilc der Theorie betreffend, sind jede an ihrer Stelle erw\u00e4hnt worden.\nDarstellungen dtr empiristischen Theorie.\n1855.\tHelmholtz. Ueber das Sehen des Menschen. Ein popul\u00e4r wissenschaftlicher Vortrag, gehalten zu K\u00f6nigsberg i. Pr., zum Besten von Kant\u2019s Denkmal. Leipzig, L. Voss.\n1861.\tA. Nagel. Das Sehen mit zwei Augen und die Lehre von den identischen Netzhautstellen. Leipzig und Heidelberg.\n1862.\tW. Wundt. Beitr\u00e4ge zur Theorie der Sinneswahrnehmung. Leipzig und Heidelberg.\n1863.\tA. Classen. Das Schlussverfahren des Sehactes. Bostock.\n1864.\tA. Fick. Lehrbuch der Anatomie und Physiologie der Sinnesorgane. Lahr. Heft 2. \u25a0\u2014 YV. Wundt. Vorlesungen \u00fcber Menschen- und Thierseele. Leipzig, Voss. Zwei\nB\u00e4nde.\nNachtr\u00e4ge.\n\u00a7 1. Formen des Sehorgans im Allgemeinen.\nUeber Insectenaugen.\n1856.\tDujardin. Remarques sur certaines dispositions de Vappareil de la vision chez les\ninsectes. C. R. XLH, 941. Inst. 1856.\t194.\n\u00a7. 2. Sehnenhaut und Hornhaut.\nUeber Dimensionen des Auges.\n1855. Sappey. In Gazette m\u00e9dicale. 1855. Nr. 26, 27.\n1857.\tArlt im Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. Ill, 2. S. 87.\n1858.\tNunneley. On the organs of vision. London, p. 129.\n1861. v. J\u00e4ger. Ueber die Einstellungen des dioptrischen Apparats im menschlichen Auge. Wien.\nMessungen der Hornhautkr\u00fcmmuug.\n1859.\tJ. H. Knapp. Die Kr\u00fcmmung der Hornhaut des menschlichen Auges. Habilitationsschrift. Heidelberg. \u2014 Auch im Archiv f\u00fcr Ophthalmol. VI, 2. S. 1\u201452.\n1860.\tMeyerstein. Beschreibung eines Ophthalmometers nach Helmholtz. Pogg. Ann. CXI, 415 \u2014 425. Henle u. Pfeufer Zeitschr. XI, 185 \u2014192.\n1864. B. Sciielske. Ueber das Verh\u00e4ltniss des intraoeularen Drucks zur Hornhautkr\u00fcmmung. Archiv f\u00fcr Ophthalm. X, 2. p. 1\u201446.\n\u00a7. 3. Die Uvea.\nDar\u00fcber, dass der mittlere Theil der Iris im normalen Auge der Linse-anliegt, scheint allgemeines Einverst\u00e4ndniss zu herrschen. Nur dar\u00fcber sind die Ansichten noch verschieden, wie viel freien Raum man sich zwischen dem peripherischen Theile der Iris und den vorderen R\u00e4ndern der Ciliarforts\u00e4tze und","page":820},{"file":"p0821.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR ANATOMIE DES AUGES.\n821\nder Zonulafalten zu denken habe, ob auch hier der Zwischenraum nur spaltf\u00f6rmig sei, wie Cramer, van Reeken, Rouget und Henke annehmen, oder oh dort der Meinung von Arlt gem\u00e4ss ein offener ringf\u00f6rmiger Raum, einer hintern Augenkammer entsprechend, existire. Da im todten Auge die Ciliarforts\u00e4tze blutleer und zusammengefallen sind, und man nicht genau wreiss, wie weit sie durch Blut aufgeschwellt werden, so ist dar\u00fcber schwer zu entscheiden.\nIn den Figuren Taf. I, Fig. / und 5 habe ich die Ciliarforts\u00e4tze wohl zu weit mit der Iris in Verbindung gebracht; ich habe den Zusammenhang dieser Theile nach Durchschnitten getrockneter Pr\u00e4parate, wie Fig. 2 eines ist, gezeichnet, in denen aber durch das Trocknen der einspringende Winkel der Pigmentschicht zwischen Ciliarforts\u00e4tzen und Iris herausgezerrt und verflacht worden zu sein scheint. An frischen Pr\u00e4paraten sind die Ciliarforts\u00e4tze an ihrem vorderen Ende allerdings durch einen viel tieferen Einschnitt von der Iris getrennt, als die angegebenen Figuren es darstellen.\n1855.\tvan Reeken. Ontleedkundig onderzoek van den toestel vom accommodatie van het Oog. Onderzoekingen gedaan in het Physiol. Laborat. der Utreehtsche Hooge-school. Jaar VII, 248 \u2014 386.\n\u2014\tRouget in Geiz. me'd. 1833. Nr. 30.\n1860. W. Henke. Der Mechanismus der Accommodation f\u00fcr N\u00e4he und Ferne. Archiv f\u00fcr Ophthalm. VI, 2. S. S3 \u2014 72.\n1863.\t0. Recker. Lage und Function der Ciliarforts\u00e4tze im lebenden Menschenauge.\nWien. Medic. Jahrb\u00fccher. S. 150.\nIn Betreff des Ciliarmuskels ist die Entdeckung von H. M\u00fcller und Rouget zu erw\u00e4hnen, dass die inneren gegen die Ciliarforts\u00e4tze hingekehrten Theile dieses Muskels zwischen die oben beschriebenen meridional gerichteten Fasern eine grosse Menge ringf\u00f6rmig, dem Aequator der Linse parallel verlaufende B\u00fcndel eingewebt enthalten. Diese \u00e4quatorial verlaufenden Fasern gehen \u00fcbrigens vielf\u00e4ltig in meridional gerichtete \u00fcber. Ueber die Wirkung dieser Fasern unten mehr in den Nachtr\u00e4gen zu \u00a7. 13.\n1856.\tC. Rouget. Recherches anatomiques et physiologiques sur les appareils \u00e9rectiles. Appareil de l\u2019adaptation de l\u2019oeil. C. R. XLII, 937 \u2014 941. Institut. 1856. p. 193 \u2014194. Cosmos. VIII, 559 \u2014 560.\n\u2014\tH. M\u00fcller. R\u00e9clamation de priorit\u00e9. C. R. XLII, 1218\u20141219.\n\u2014\tC. Rouget. R\u00e9ponse \u00e0 une r\u00e9clamation de priorit\u00e9 address\u00e9e par M. M\u00fcller. C. R. XLII, 1255\u20141256. Institut. 1856. p. 245. Cosmos. IX, 9,\n1857.\tH. M\u00fcller. Ueber einen ringf\u00f6rmigen Muskel am Ciliark\u00f6rper. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. Ill, 1.\n\u2014\tArlt. Zur Anatomie des Auges. Ebenda. III, 2.\n1858.\tH. M\u00fcller. Einige Bemerkungen \u00fcber die Biunenmuskeln des Auges. Ebenda. IV, 2. p. 277 \u2014 283.\nWas den Dilatator der Pupille betrifft, so ist dessen Existenz und Lage auch immer noch eine sehr bestrittene Frage. Die Gef\u00e4sst\u00e4mme der Iris sind ziemlich stark mit Muskelfasern belegt; ausser diesen Fasern beschreiben verschiedene Anatomen verschiedene Fasersysteme, die sie als Dilatator pupillae betrachten, die dagegen von anderen wieder geleugnet werden.\nJ. Henle. Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. II, 635. Braunschweig I866.","page":821},{"file":"p0822.txt","language":"de","ocr_de":"822\nNACHTR\u00c4GE\n\u00a7. 4. Die\nDie feinere Anatomie der Netzhaut und ist betr\u00e4chtlich verfeinert worden. Zusammenfassung der von ihm selbst ur sultate folgende Schichten:\nMusivische Schicht............\nAeussere Faserschicht ....\n! Graue Substanz\nWeisse Substanz Grenzmembran..................\nNetzhaut.\nhat die Anatomen noch viel besch\u00e4ftigt J. Henle unterscheidet in der neusten anderen Beobachtern erhaltenen Re-\n11 ) St\u00e4bchenschicht 2) Aeussere Limitans 3) K\u00f6rnerschicht.\n4) Aeussere Faserschicht.\n!5) Aeussere granulirte Schicht 6) Aeussere gangli\u00f6se Schicht 7) Innere granulirte Schicht 8) Innere gangli\u00f6se Schicht 9) Nervenfaserschicht 10) Limitans hyaloidea.\nDavon vertritt 1 die St\u00e4bchenschicht, 3 die \u00e4ussere K\u00f6rnerschicht, 4 und 5 die Zwischenk\u00f6rnerschicht, 6 die innere K\u00f6rnerschicht, 7 die feingranulirte Schicht, 8 Nervenzellenschicht, 9 die Ausbreitung des Sehnerven der oben S. 20 gegebenen Aufz\u00e4hlung.\nDie St\u00e4bchen der hintersten Netzhautschicht sind selbst aus je zwei st\u00e4bchenf\u00f6rmigen Gliedern zusammengesetzt, von denen das innere aus einer schw\u00e4cher lichtbrechenden Substanz besteht und dicker ist (0,0018 bis 0,0022 Mm. Durchmesser) als das \u00e4ussere st\u00e4rker lichtbrechende (0,0013 bis 0,0018 Durchmesser). Die inneren Abtheilungen der St\u00e4bchen liegen in gleichem Niveau mit den dickeren flaschenf\u00f6rmigen Innengliedern der Zapfen, deren \u00e4ussere Abtheilungen, die oben schon erw\u00e4hnten Zapfenst\u00e4bchen, mit den \u00e4usseren Abtheilungen der St\u00e4bchen in einer Reihe liegen, aber k\u00fcrzer sind als diese und deshalb nicht so weit gegen die Aderhaut reichen. Der Durchmesser des dickeren inneren Theils der Zapfen steigt bis 0,004 und 0,00\u00f6 Mm.; nur in der Netzhautgrube, wo zwischen den Zapfen keine St\u00e4bchen mehr stehen, sind die Zapfen d\u00fcnner (inneres Ende 0,002 bis 0,0025 Mm. nach M. Schultze, in einem kleinen Bezirk 0,0015 bis 0,002 nach H. M\u00fcller, zwischen 0,0031 und 0,0036 nach Welcher). Die Zapfen des gelben Flecks zeichnen sich ausserdem nach M. Schultze durch eine fast doppelt so grosse L\u00e4nge vor denen der \u00fcbrigen Netzhaut aus.\nDie K\u00f6rnerschicht (\u00e4ussere K\u00f6rners chicht) enth\u00e4lt nach Henle in vielen Schichten \u00fcbereinander ellipsoidische K\u00f6rner, die im frischen Zustande eine eigenth\u00fcmliche, sehr zierliche Querstreifung zeigen. Jedes Korn zeigt in der Regel drei hellere B\u00e4nder, die durch dunklere getrennt und der optische Ausdruck von Schichten zweier abwechselnder Substanzen sind, die der Fl\u00e4che der Netzhaut parallel das Korn durchziehen. An gut erh\u00e4rteten Pr\u00e4paraten sieht man diese K\u00f6rner in regelm\u00e4ssigen Reihen, die senkrecht zur Netzhautfl\u00e4che sind, \u00fcbereinander geschichtet. Sie verhalten sich auch gegen Rea-gentien wesentlich anders als die Nervenzellen, so dass sie von diesen durchaus zu unterscheiden sind. Ihre l\u00e4ngere Axe, welche senkrecht zur Fl\u00e4che der","page":822},{"file":"p0823.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR ANATOMIE DES AUGES.\t\u00a723\nNetzhaut steht, misst 0,006 bis 0,007 Mm., die kleinere Axe mitunter nicht viel mehr als die H\u00e4lfte.\nIn die K\u00f6rnerschicht ragen auch hinein die oben schon erw\u00e4hnten Zapfenk\u00f6rner, welche einen Kern enthalten und sich nach innen hin in eine cylin-drische glatte gl\u00e4nzende Faser von 0,0015 Mm. Durchmesser fortsetzen, welche durch die Dicke der K\u00f6rnerschicht zu verfolgen ist, und dann bald mit, bald ohne eine zellen\u00e4hnliche Anschwellung an die \u00e4ussere granulirte Schicht tritt.\nHier scheint sich dieselbe nach M. Schultze in eine grosse Zahl feinster Fasern aufzul\u00f6sen, die in die \u00e4ussere granulirte Schicht eintreten und dann nicht weiter zu verfolgen sind. Von den St\u00e4bchen gehen ebenfalls feine Nervenfasern ab, mit denen die K\u00f6rner der \u00e4usseren K\u00f6rnerschicht Zusammenh\u00e4ngen und welche den Zapfenfasern entsprechen, nur viel feiner sind als diese. Auch diese haben eine Anschwellung, wo sie an die \u00e4ussere granulirte Schicht stossen, und lassen sich in diese hinein nicht verfolgen.\nEine besondere Faserschicht (\u00e4ussere Faserschicht Henle) ist in der Regel nur in und um den gelben Fleck und an der Ora serrata der Netzhaut, also l\u00e4ngs ihres \u00e4usseren Randes zu erkennen. Die Fasern des gelben Flecks laufen radial, von dem Centrum der Netzhautgrube als Mittelpunkt aus divergirend, nach allen Seiten, und laufen haupts\u00e4chlich der Fl\u00e4che der Netzhaut parallel, indem sic theils biindelweis aus der K\u00f6rnerschicht aufsteigen und an die horizontal streichenden Faserz\u00fcge sich anschliessen, theils von diesen sich losl\u00f6send in die \u00e4ussere granulirte und Nervenzellenschicht sich einsenken. Diese Fasern stellen wahrscheinlich die Verbindung zwischen den Zapfen der Netzhautgrube und den in ihrer Umgebung massenhaft angeh\u00e4uften Nervenzellen her; freilich macht es die grosse Menge der genannten Fasern nach Henle\u2019s Meinung zweifelhaft, ob alle einem solchen Zwecke dienen. Welche Rolle diese Fasern wahrscheinlich bei der Erzeugung von Haidinger\u2019s B\u00fcscheln im polarisirten Lichte spielen, ist auf S. 422\u2014423 auseinandergesetzt.\nAn den \u00fcbrigen vorderen Schichten der Netzhaut sind wesentlich neue Verh\u00e4ltnisse nicht aufgefunden worden. Ein grosser Theil der radi\u00e4ren, M\u00fcller\u2019-schen Fasern, namentlich die, welche mit der Membrana limitans hyaloidea verschmelzen, sind jedenfalls Bindegewebfasern. Ueber den Verlauf der eigentlichen Nervenfasern, die nach Max Schultze an ihrem perlschnur\u00e4hnlichen Ansehen erkannt werden k\u00f6nnen, ist mit Ausnahme ihres Verlaufs in der vordersten Schicht der Netzhaut, der Ausbreitung des Sehnerven, noch nichts Vollst\u00e4ndiges bekannt.\nIm Grunde der Netzhautgrube verschmelzen die beiden Nervenzellenschichten mit einander und mit der K\u00f6rnerschicht, hinter diesen liegen die Zapfen, alle andern Schichten fehlen.\n4856 II. M\u00fcller. Anatomische Beitr\u00e4ge zur Ophthalmologie. Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. 11,2. S. 1. 111,1. S. 1. IV, 4. S. 209.\n\u2014 Derselbe. Anatomisch-physiologische Untersuchungen \u00fcber die Retina bei Menschen und Wirbelthieren. Siebold und K\u00f6lliker Zeitschrift f\u00fcr wissensch. Zoologie. VIII, 1. C. R. XLIII. Oct. 20.\n1857. C. Bergmann. Anatomisches und Physiologisches \u00fcber die Netzhaut des Auges. Zeitschr. f\u00fcr rationelle Medicin. (3) II, 83,\n1808. N\u00fcnneley. On the structure of the retina. Quarterly Journal of microscop, science. 1858. Juli. 217.","page":823},{"file":"p0824.txt","language":"de","ocr_de":"824\nNACHTR\u00c4GE\n1859.\tRitter. Ueber den Bau der St\u00e4bchen und \u00e4usseren Endigungen der Radialfasern an der Netzhaut des Frosches. Archiv f\u00fcr Ophthalm. Y, 2. S. 101.\n\u2014\tM. Schultze. De retinae structura penitiori. Bonn.\n\\ 859. E. v. Wahl. De retinae textura in monstro anencephalo. Dissert. Dorpat.\n1860.\tW. Manz. Ueber den Bau der Retina des Frosches. Zeitschr. f\u00fcr ration. Medicin. (3) X, 301.\n\u2014\tG. Braun. Eine Notiz zur Anatomie und Bedeutung der St\u00e4bchenschichte der Netzhaut. Wiener Sitzungsber. XLII, 15 \u201418.\n-\u2014 W. Krause. Ueber den Bau der Retinast\u00e4bchen beim Menschen. G\u00f6ttinger Nachrichten. 1861. Nr. 2. Zeitschr. f\u00fcr ration. Medicin. (3) XI, 175.\n1861.\tM. Schultze. Sitzungsber. der niederrheinischen Ges. 1861. S. 97. Archiv f\u00fcr Anatomie und Physiol. 1861. S. 785. Archiv f\u00fcr mikrosk. Anatomie. II, 175 \u2014 286.\n\u2014\tRitter im Archiv f\u00fcr Ophthalm. VIII, 1.\n1862.\tH. M\u00fcller. Bemerkungen \u00fcber die Zapfen am gelben Fleck des Menschen. W\u00fcrzburger naturwiss. Zeitschr. II, 218.\n\u2014\tDerselbe. Ueber das Auge des Cham\u00e4leon. Ebenda. III, 10.\n1863.\tSchiess. Beitrag zur Anatomie der Retinast\u00e4bchen. Zeitschr. f\u00fcr ration. Medicin. (3) XVIII, 129.\n\u2014\tH. Welcher. Untersuchung der Retinazapfen bei einem Hingerichteten. Ebenda. XX, 173.\n\u2014\tW. Krause. Ebenda. XX, 7.\n1865.\tBlessig. De Retinae textura. Dissert. Dorpat.\n1866.\tJ. Henle. Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. II, 636 \u2014 670,\n\u00a7. 5. Die Krystallinse.\n1852. D. Brewster. On the development and extinction of regular doubly refracting structures in the cristalline lenses of animals after death. Phil. Mag. (4) III, 192 \u2014 198.\n1859. G. Valentin. Neue Untersuchungen \u00fcber die Polarisationserscheinungen der Kry-stallinsen des Menschen und der Thiere. Archiv f\u00fcr Ophthalm. IV, I, 227 \u2014 268.\n\u2014\tD. Brewster. On certain abnormal structures in the crystalline lenses of animals and in the human crystalline. Rep. of Brit. Assoc. 1858. 2, p. 7.\n1863. F. J. v. Becker. Ueber den Bau der Linse bei dem Menschen lind den Wirbelthieren. Archiv f\u00fcr Ophthalm. IX (2), 1\u201442.\n\u00a7.10. Brechung der Strahlen im Auge.\nDonders giebt folgende Uebersiclit einer grossen Anzahl von Messungen der Hornliautkr\u00fcinmung in der Gesichtslinie. Die Mittelwerthe derselben waren in Millimetern.\nA. M\u00e4nner.\n1)\t20 unter\t20\tJahren\t7,932\n2)\t51 unter\t40\t\t7,882\n3)\t28 \u00fcber\t40\t\t7,819\n4)\t11 \u00fcber\t60\t\t7,809\n\t\t\tMittel\t7,858\n\t\t\tMaximum\t8,396\n\t\t\tMinimum\t7,28\n\tB.\t\tWe iber.\t\n1)\t6 unter\t20\tJahren\t7,720\n2)\t22 unter\t40\t>5\t7,799\n3)\t16 \u00fcber\t40\t? J\t7,799\n4)\t2 \u00fcber\t60\t5\u00bb\t7,607\n\t\t\tMittel\t7,799\n\t\t\tMaximum\t8,487\n\t\t\tMinimum\t7,115","page":824},{"file":"p0825.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR D10PTRIK DES AUGES.\n825\nC. Nach der Sehweite.\n1)\t27\tNormalsichtige\t7,785\n2)\t25\tMyopische\t7,874\n3)\t26\tHypermetropische\t7,96.\n1852\u201461. L. L. Vall\u00e9e. Th\u00e9orie de l'oeil. C. R. XXXIV, 321 \u2014323, 718 \u2014 720-720 \u2014 722; 789 \u2014 792; 872\u2014876. XXXV, 679 \u2014 681. LI, 678 \u2014 680. LI\u00cf, 702 \u2014 703; 1020 \u20141021. Mein, des savants \u00e9trangers. XII, 204\u2014264. XV,98\u2014IIS-119\u2014140.\n1857.\tW. Zehender. IJeher die Brewstersche Methode zur Bestimmung der Brechungsexponenten fl\u00fcssiger und festweicher Substanzen. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. Ill, 2, S. 99.\n1858.\tN. Lubimoff. Recherches sur la grandeur apparente des objets. C. R. XLVII, 24\u201427. Ann. de chimie. (3), LIV, 13 \u2014 27.\n1860. Breton. Note sur une propri\u00e9t\u00e9 du cristallin de l\u2019oeil humain. C. fi. L, 498 \u2014 499.\n1864. Giraud Teulon. Nouvelle \u00e9tude de la marche des rayons lumineux dans l\u2019oeil. Ann. d\u2019oculistique. 1864.\n\u2014 F. C. Donders. On the anomalies of accommodation and refraction of the eue. London, p. 38 \u2014 71.\n\u00a7. 'll. Zerstreuungsbilder auf der Netzhaut.\nDie Lehre von den individuellen Verschiedenheiten des Refractionszustands der Augen ist namentlich durch die wichtigen Arbeiten von Donders vollst\u00e4ndig aufgehellt worden und hat denn auch schon die fruchtbarste Anwendung in der Augenheilkunde gefunden, nicht blos direct f\u00fcr die Verbesserung mangelhaften Accommodationsverm\u00f6gens durch Brillen, sondern auch indirect, indem eine Reihe bisher dunkler Krankheitszust\u00e4nde sich als Folge mangelhafter Refraction und Accommodation des Auges ergaben.\nDer Fortschritt, den Donders gemacht hat, h\u00e4ngt namentlich davon ab, dass er getrennt hat die Erscheinungen, welche einem abnormenRefractions-grade im Ruhezust\u00e4nde des Auges angeh\u00f6ren bei der Accommodation f\u00fcr die Ferne, von denen, welche sich auf die gr\u00f6ssere oder geringere Breite der Accommodation beziehen und die also in einer Aenderung des Refractions-zustandes durch Muskelth\u00e4tigkeit bestehen. *\nF\u00fcr die Ansicht, dass der Zustand des Fernsehens der Ruhezustand des Auges sei, f\u00fcr welche schon die subjective Empfindung sehr entschieden spricht und die auch meiner oben gegebenen Darstellung zu Grunde liegt, f\u00fchrt Donders noch weiter an, dass durch gewisse narkotische Stoffe (namentlich Atropin, das Alkaloid der Belladonna) eine L\u00e4hmung des Ringmuskels der Pupille und der Accommodation hervorgebracht wird, wobei das Auge f\u00fcr seinen Fernpunkt eingerichtet ist, ohne diesen Refractionszustand \u00e4ndern zu k\u00f6nnen. Sollte ein muskul\u00f6ser Apparat da sein, dessen Contraction die Accommodation f\u00fcr die Ferne verst\u00e4rken k\u00f6nnte, so m\u00fcsste man die sehr unwahrscheinliche Annahme machen, dass dieser durch das Atropin nicht gel\u00e4hmt, sondern in eine dauernde krampfhafte Zusammenziehung gebracht w\u00fcrde.\nDaneben lehren pathologische Beobachtungen, dass wenn durch L\u00e4hmung des Nervus oculomotorius der Accommodationsapparat gel\u00e4hmt wird, das Auge sich stets auf seinen fr\u00fcheren Fernpunkt dauernd einstellt. Dagegen sind durchaus keine F\u00e4lle von Bewegungsl\u00e4hmungen des Auges beobachtet worden, wobei der Fernpunkt sich gen\u00e4hert h\u00e4tte.","page":825},{"file":"p0826.txt","language":"de","ocr_de":"826\nNACHTR\u00c4GE\nDie gr\u00f6sste Sehweite entspricht also dem Ruhezust\u00e4nde des Auges. Als normale Lage des Fernpunktes kann die in unendlicher Ferne betrachtet werden. Solche Augen nennt Donders emmetropisch (von ;'/j/u-too\u00e7, modum tenens, und tliip, oculus), um die Vieldeutigkeit des Ausdrucks \u201enormale \u201c oder \u201enormalsichtige\u201c Augen zu vermeiden. Emmetropische Augen k\u00f6nnen nat\u00fcrlich noch an mancherlei anderen Fehlern leiden und brauchen nicht \u201enormal\u201c zu sein.\nAugen, deren Fernpunkt vor ihnen, aber nicht in unendlicher Ferne liegt, nennt er brachymetropisch oder, mit dem \u00e4lteren Namen, myopisch; diese Augen k\u00f6nnen nur divergirend einfallcnde Strahlenb\u00fcndel auf der Netzhaut vereinigen.\nAugen, die im Gegentheil nicht nur parallele, sondern auch convergirend einfallende Strahlen vereinigen k\u00f6nnen, heissen hypermetropisch.\nDie myopischen Augen k\u00f6nnen sich ohne Hilfe eines Brillenglases f\u00fcr weit entfernte Objecte nicht einstellen; es mangelt ihnen also ein wichtiger Theil der F\u00e4higkeit eines emmetropischen Auges. Die hypcrmetropischen dagegen sind gen\u00f6thigt jedes Mal, wo sie ein reelles Object fixiren wollen, eine Accommodationsanstrengung zu machen, wodurch mannigfache und h\u00e4ufig sehr st\u00f6rende Erm\u00fcdungserscheinungen herbeigef\u00fchrt werden. Beiderlei Arten der Abweichung sind also f\u00fcr den praktischen Gebrauch des Auges nachtheilig und werden deshalb von Donders unter dem Namen der ametropischen Augen zusammengefasst.\nDer Grund dieser Abweichungen beruht der Regel nach auf der verschiedenen L\u00e4nge der Augenaxen, die in den hypermctropischen k\u00fcrzer ist, als in den emmetropischen. Damit h\u00e4ngt auch die Lage des Drehpunkts dieser Augen zusammen, der, wie auf Seite 459 bemerkt wurde, in den myopischen Augen weiter nach hinten, in den hypermetropischen weiter nach vorn liegt. Die Hornhaut und Linse zeigen in der Regel keine Kr\u00fcmmungs\u00e4nderungen, aus denen die Ametropie erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnte.\nUm den Zustand solcher abweichender Augen vollst\u00e4ndig zu bestimmen, muss ferner die Gr\u00f6sse der Ver\u00e4nderung bestimmt werden, welche durch active Muskelanstrengung in ihrem Brechungszustande hervorgebracht werden kann. Wenn wir ein emmetropisches Auge, welches zwischen unendlicher Ferne und einer Sehweite von 6 Zoll sich f\u00fcr jedes Object einstellen kann, und ein stark myopisches, welches zwischen 6 und 3 Zoll Entfernung accommodiren kann, mit einander vergleichen, so scheint auf den ersten Anblick vielleicht das letztere eine viel engere Grenze der Accommodationsf\u00e4higkeit zu haben, als das erstere. Wenn wir aber dicht vor ein solches myopisches Auge eine Concavlinse von 6 Zoll Brennweite setzen, welche ihm erlaubt unendlich entfernte Gegenst\u00e4nde deutlich zu sehen, so werden wir finden, dass dasselbe Auge mit Hilfe dieser Brille nun auch, wie das zuerst genannte emmetropische Auge zwischen unendlicher Ferne und 6 Zoll Abstand accommodiren kann,,also eine ebenso grosse Breite der Accommodation hat, wie das erstere. Die genannte Linse mit 6 Zoll negativer Brennweite entwirft n\u00e4mlich von Objecten, die 6 Zoll hinter ihr liegen, ein virtuelles Bild in 3 Zoll Entfernung , f\u00fcr welches sich also das supponirte myopische Auge accommodiren kann.","page":826},{"file":"p0827.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR DIOPTRIK DES AUGES.\n827\nWir k\u00f6nnen also die Accomniodationsbreite zweier verschieden fernsichtiger Augen nicht unmittelbar nach dem Abstand ihres Fernpunkts vom Nahpunkte mit einander vergleichen, sondern wir m\u00fcssen sie durch eine Vorgesetzte Linse erst auf gleichen Refractionszustand gebracht denken, um sie vergleichen zu k\u00f6nnen.\nSoll eine solche Linse die Objecte nicht vergr\u00f6ssern oder verkleinern, so muss ihr zweiter Knotenpunkt mit dem ersten des Auges zusammenfallen (was sich praktisch, wenn es der M\u00fche werth erscheinen sollte, bei dicken convex-concavcn Linsen erreichen lassen w\u00fcrde; vergleiche Seite 61 und 62). Nennen wir die Entfernung des Fernpunktes eines gegebenen Auges vom ersten Knotenpunkte F, die des Nahepunktes N, und A die Entfernung des n\u00e4chsten Punktes, f\u00fcr den das mit einer Linse von der negativen Brennweite F versehene Auge sich noch accommodiren kann, so ist\nJ_ _ / __ 1\nT ~n ~ T\n1\nund die Gr\u00f6sse \u2014 wird von Donders als Maass der Accomniodationsbreite benutzt.\nJ.\nDie Einheit dieses Accommodationsmaasses ist also Eins dividirt durch das L\u00e4ngenmaass, wozu bisher, den Brillennummern entsprechend, entweder Pariser oder Preussische Zolle gew\u00e4hlt sind. Man k\u00f6nnte sich vielleicht erlauben, eine solche Einheit ein Zolltel zu nennen, wenn Verwechselungen verschiedener L\u00e4ngenmaasse zu f\u00fcrchten w\u00e4ren.\nSo haben also gleiche Accomniodationsbreite von ein Sechstel I. ein emmetropisches Auge, dessen Sehweite von 6 Zoll bis Unendlich geht, 2. ein myopisches, dessen Sehweite von 3 bis 6 Zoll geht, 3. ein hypermetropisches, dessen Sehweite von -1-12 bis \u25a0\u2014 12 Zoll geht, da\n=\t= JL_L IUI.\n6 oo\t5\t6\t12\t\\\t12J\t6\n1\nDie Gr\u00f6sse der Accommodation \u2014 nimmt mit zunehmendem Lebensalter con-\nA\ntinuirlich ab, und zwar bei ganz oder nahehin emmetropischen Augen ann\u00e4hernd proportional den Jahren, so dass sie im zehnten Jahre im Mittel 1 * 3/s Zolltel betr\u00e4gt, im 6\u00f6. Jahre Null wird. Verlust der Accommodationsf\u00e4liigkeit findet also im h\u00f6heren Lebensalter regelm\u00e4ssig Statt, und auf diesen Zustand hat Donders den Namen der Presbyopie beschr\u00e4nkt. Dabei ist aber noch zu bemerken, dass im h\u00f6heren Alter, etwa vom 50. Jahre ab, auch der Fernpunkt des Auges etwas hinausr\u00fcckt, fr\u00fcher ennnetropische Augen also hypermetropisch, schwach myopische emmetropisch werden.\nDie allm\u00e4lige Verminderung der Accomniodationsbreite hangt wahrscheinlich davon ab, dass die Festigkeit der \u00e4usseren Schichten der Krystallinse w\u00e4chst und die Linse deshalb weniger nachgiebig wird. Vermehrung des Brechungs-coefficienten ihrer \u00e4usseren Schichten muss nach Seite 75 auch eine Verminderung der Brechung in der Linse zur Folge haben und also den hintern Brennpunkt des Auges nach hinten r\u00fccken lassen.","page":827},{"file":"p0828.txt","language":"de","ocr_de":"828\nNACHTR\u00c4GE\nZu erw\u00e4hnen ist noch, dass wir der Regel nach immer Convergenz- und Accommodationsanstrengung gleichzeitig vollfdhren und daher auch unwillk\u00fchrlich eine bestimmte Verbindung zwischen beiden Anstrengungen einhalten (siehe S. 472\u2014 475). Jemand, der seine Accommodation nicht willkiihrlich beherrschen gelernt hat, accommodirt deshalb besser f\u00fcr die Ferne bei parallelen Gesichtslinien und erreicht die st\u00e4rkste Anstrengung der Accommodation besser bei stark convergenten Gesichtslinien.\nDonders unterscheidet daher I. die absolute Accommodationsbreite, wo der Fernpunkt genommen wird bei parallelen (oder selbst divergenten) Blicklinien, der N\u00e4hepunkt bei m\u00f6glichst stark convergenten. Der Nahepunkt der Accommodation liegt hierbei ferner als der Convergenzpunkt. Es ist dies die gr\u00f6sste erreichbare Accommodationsbreite, sie betrug bei einem emmetro-\ni\npischen Beobachter im Alter von 15 Jahren--\n3,69\n2. Die binoculare Accommodationsbreite. Die Convergenz wird hierbei nicht st\u00e4rker gemacht, als zur Fixirung des Punktes, f\u00fcr den man accommodirt, n\u00f6thig ist. Man erreicht hierbei nicht ganz denselben Grad der Accommodation, wie im ersten Falle. Die Breite der binocularen Accommodation\n/]\ndesselben Beobachters war \u2014\u2014 \u2022\no^y\n3. Die relative Accommodationsbreite f\u00fcr einen gegebenen Grad der Convergenz. Dieser war f\u00fcr denselben Beobachter bei parallelen Gesichts-\n.1\nlinien nur gleich \u2014, erreichte bei einer Convergenz von I I 0 ihr Maximum\nvon, blieb dann bei steigender Convergenz ziemlich unver\u00e4ndert, so dass \\\nsie bei 23\u00b0 noch\u2014 betrug, und bei der Stellung des binocularen Nahpunkts,\nbei 38\u00b0 Convergenz,\n1\nIn der Stellung des absoluten Nahpunkts, bei 73\u00b0\nConvergenz, war sie Null.\nF\u00fcr \u00e4rztliche Zwecke m\u00fcssen also bestimmte Grade der Convergenz gew\u00e4hlt werden, um vergleichbare Grade der Accommodation zu erhalten, und man muss mit passend gew\u00e4hlten Linsen, die man vor das Auge setzt, dem Patienten die Accommodation bei einem solchen Convergenzgrade m\u00f6glich zu machen suchen.\nF\u00fcr die Bestimmung des Fernpunkts empfiehlt sich die parallele Richtung der Gesichtslinien auf ein entferntes Object; die Brennweite der schw\u00e4chsten concaven Linsen, welche einem myopischen, oder der st\u00e4rksten convexen Linsen, welche einem hypermetropischen Auge noch vollkommen genaues Sehen sehr entfernter Objecte gestatten, ist unmittelbar gleich der Entfernung des Fernpunktes vom Auge. F\u00fcr die Bestimmung des Nahpunktes schreibt Donders vor, ihn durch passende Convexgl\u00e4ser stets bis auf etwa 8 Zoll heranzubringen, wenn er weiter abliegen sollte, um einer gen\u00fcgenden Accommodationsanstrengung sicher zu sein. Dabei muss dann nat\u00fcrlich der Einfluss der Linse auf die Lage des gesehenen Bildes in Rechnung gebracht werden.","page":828},{"file":"p0829.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR DIOPTRIK DES AUGES.\n829\nAls Probeobjecte zur Pr\u00fcfung der Sehweite unge\u00fcbter Beobachter dienen Buchstaben und Ziffern verschiedener Gr\u00f6sse 1.\nIm Ganzen ist es rathsam bei Augen, deren Sehweite f\u00fcr die gew\u00e4hlte Besch\u00e4ftigung nicht gen\u00fcgt, rechtzeitige Unterst\u00fctzung durch passende Brillen anzuwenden. Presbyopische Augen brauchen eine Convexbrille beim Lesen und Schreiben, \u00fcberhaupt bei der Besch\u00e4ftigung mit nahen Objecten, um die Zerstreuungskreise zu vermindern. Des Abends und bei schwacher Beleuchtung, wenn die Pupille weit ist und deshalb die Zerstreuungskreise gr\u00f6sser, ist eine st\u00e4rkere Brille nothwendig als bei Tage und bei st\u00e4rkerer Beleuchtung. In der Regel gen\u00fcgt eine Brille, welche den Nahepunkt auf 10 bis 12 Zoll heranbringt; nur bei sehr alten Leuten, zwischen 70 und 80 Jahren, wo die Gesichtssch\u00e4rfe sich betr\u00e4chtlich vermindert, \u00e4st es w\u00fcnschenswerth, die Objecte bis auf 8 oder 7 Zoll heranbringen zu k\u00f6nnen, um sie unter gr\u00f6sserem Gesichtswinkel zu sehen.\nBei myopischen Augen ist namentlich darauf zu sehen, dass bei der Besch\u00e4ftigung mit nahen Gegenst\u00e4nden geb\u00fcckte Haltung des Kopfes und starke Convergenz der Augen vermieden wird, weil die Verd\u00fcnnung, Ausbauchung und Zerrung der Membranen im hinteren Theile des Auges durch gesteigerten Blut-und Muskeldruck schnell w\u00e4chst und die h\u00f6heren Grade der Myopie das Sehverm\u00f6gen sehr erheblich beeintr\u00e4chtigen und gef\u00e4hrden. Bei den schw\u00e4cheren Graden von Kurzsichtigkeit, wobei der Fernpunkt \u00fcber 5 Zoll vom Auge liegt, ist es im Allgemeinen zul\u00e4ssig concave Brillengl\u00e4ser anzuwenden und fortdauernd zu tragen, welche den Fernpunkt in unendliche Ferne r\u00fccken. Das myopische Auge wird dadurch einem emmetropischen \u00e4hnlich gemacht. Dabei ist aber sehr sorgf\u00e4ltig darauf zu achten, dass B\u00fccher, Papierbl\u00e4tter, auf denen geschrieben wird, und Handarbeiten nicht n\u00e4her als 12 Zoll den Augen gen\u00e4hert werden. Bei \u00fcbrigens guter Beschaffenheit des Auges ist in dieser Entfernung ohne Schwierigkeit m\u00f6glich zu lesen und zu schreiben. Zwingen die Umst\u00e4nde gebieterisch zu feinerer Arbeit, die den Augen n\u00e4her gebracht werden muss, so ist der Gebrauch schw\u00e4cherer Concavgl\u00e4ser und vielleicht achromatisirter prismatischer Gl\u00e4ser, die auf der Nasenseite dicker als auf der Schl\u00e4fenseite sind, rathsam, weil dann die sehr gen\u00e4herten Objecte mit geringerer Convergenz und geringerer Anstrengung der Accommodation gesehen werden k\u00f6nnen.\nGl\u00e4ser, welche die Myopie vollkommen ncutralisiren, k\u00f6nnen zuweilen bei solchen Kurzsichtigen, die noch nie Brillen getragen haben, erst nach einiger Gew\u00f6hnung an schw\u00e4chere Gl\u00e4ser, statt deren man nach und nach sch\u00e4rfere substituirt, angewendet werden, weil die Verbindung zwischen Accommodation und Convergenz den neuen Umst\u00e4nden allm\u00e4lig angepasst werden muss. Bei geringerer Acconnnodationsbreite oder merklich verminderter Gesichtssch\u00e4rfe ist es \u00fcberhaupt rathsamer, f\u00fcr nahe Objecte schw\u00e4chere Brillen zu tragen, die f\u00fcr die gew\u00f6hnlichen Besch\u00e4ftigungen gen\u00fcgen, und f\u00fcr ferne Objecte eine Lorgnette zu Hilfe zu nehmen.\n1 Dergleichen sind herausgegeben von Jaeger jun.: Schriftscalen, Wien 1857; und Snellen, Test types for the determination of the acuteness of vision; London, Williams and Norgate; Paris, Germer Bailli\u00e8re; Berlin, Peters; Utrecht, Greven. Die letztem sind in regelm\u00e4ssiger Abstufung der Gr\u00f6sse ausgef\u00fchrt und mit Nummern versehen, welche die Zahl der Pariser Fusse angeben, um welche entfernt ein normales Auge die Buchstaben noch lesen kann, Aehnliche auch von Giraud Teulon. Paris, Nachet.","page":829},{"file":"p0830.txt","language":"de","ocr_de":"830\nNACHTR\u00c4GE\nBei h\u00f6heren Graden von Myopie ist das \u00c4uge \u00fcberhaupt schon leidend und gef\u00e4hrdet; es sind dann mancherlei andere R\u00fccksichten noch zu nehmen, die hier nicht weiter er\u00f6rtert werden k\u00f6nnen, und der Rath eines intelligenten Arztes jedenfalls nothwendig. Ueberhaupt ist die Gleichgiltigkeit, womit die meisten Kurzsichtigen den Zustand ihrer Augen betrachten, die Ursache sp\u00e4terer Entwickelung gef\u00e4hrlicher Augenkrankheiten und vieler Erblindungen, und es kann nicht genug vor Nachl\u00e4ssigkeit in dieser Hinsicht gewarnt werden.\nHypermetropischc Augen brauchen convexe Linsen, und zwar w\u00e4hle man im Anfang, wo sie ihre fortdauernde Accommodationsanstrengung noch nicht ganz zu beseitigen wissen, etwas zu starke Gl\u00e4ser, durch die sie schon ferne Objecte nicht mehr ganz deutlich sehen k\u00f6nnen. Je mehr sie sich der Accommodationsanstrengung entw\u00f6hnen, desto st\u00e4rkere Gl\u00e4ser werden n\u00f6thig. Bei verminderter Accommodationsbreite brauchen sie st\u00e4rkere Convexgl\u00e4ser f\u00fcr die N\u00e4he, schw\u00e4chere f\u00fcr die Ferne. Die sehr bedeutenden Beschwerden der fortdauernden Accommodationsanstrengung werden durch passende Gl\u00e4ser ganz beseitigt, und es ist einer der bedeutendsten praktischen Triumphe der neueren Ophthalmologie, dass die \u00e4usserst hartn\u00e4ckige Asthenopie, die auf Hyperm\u00e9tropie beruht und die die Verzweiflung der Patienten und Aerzte war, nachdem ihr Grund erkannt worden ist, durch ein so einfaches Mittel so leicht beseitigt werden kann.\n4 885. Stellwag v. Carion. Die Accommodationsfehler des Auges. Wiener Sitzungsbcr. XVI, 187.\n\u2014\tCzerbak. Accommodationslinien. Ebenda. XV, 425, 457.\n1886. A. v. Graefe. Ueber Myopia in distans nebst Betrachtungen \u00fcber das Sehen jenseits der Grenzen unserer Accommodation. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. II, 1, p. 158 \u2014186.\n1857. J. J. Oppel. Ueber das Sehen durch kleine Oeffnungen und das GERiiAM\u2019sche Diaskop. Jahresber. d. Frankfurter Vereins. 4856\u20141857. p. 37\u201442.\n4 858. F. C. Donders. Winke betreffend den Gebrauch und die Wahl der Brillen. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. IV, 1, 286 \u2014 300.\n1859.\tM. Mac-Gillavry. Onderzoekingen over de hoegrootheid der acconnnodatie. Dissert\u00e2t. Utrecht 1858. Henle u. Pfeufer. Zeitschrift f\u00fcr ration. Medicin. (3)\nVI,\t612 \u2014 613.\n1860.\tF. C. Donders. Beitr\u00e4ge zur Kenntniss der Refractions- und Accommodations anomalien. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. VI, 1. S. 62 \u2014 4 OS. VI, 2. S. 24 0 \u2014 283.\nVII,\t4. p. 155 \u2014 204. Verslagen en Mededeelingen der K. Acad. Amsterdam 4861. p. 4 59 \u2014 201. Jaarlijksch Verslag betrekkelijk het Nederlandsch Gasthuis voor Ooglijders. I, 63 \u2014 205. II, 25 \u2014 68. IV, 4 \u20144 48.\n.\u2014\tC. Landsberg. Beschreibung eines neuen Optometers und Ophthalmodiastometers.\nPogg. Ann. CX, 435 \u2014 452. Polytechn. Centralbl. 4860. p. 405\u2014 406.\n\u2014\tA. Burow. Ueber den Einfluss peripherischer Netzhautparthien auf die Regelung der accommodativen Bewegungen des Auges. Archiv f\u00fcr Ophthalm. VI, 4, 106 \u2014110.\n1861.\tCh. Aeey. Die Accommodationsgeschwindigkeit des menschlichen Auges. Henle u. Pfeufer. Zeitschrift. (3) XI, 300 \u2014 304.\n\u2014\u2022\tGiraud Teulon. Des moiwemens de d\u00e9centration lat\u00e9rale de l\u2019appareil cristallin.\nC. R. LII, 383 \u2014385. Inst. 1861. p. 82. Cosmos. XVIII, 284\u2014286.\n\u2019\u2014\tII. Dor. Des diff\u00e9rences individuelles de la r\u00e9fraction de l\u2019oeil. J. d. la physiologie.\nXI, XII. Arch. il. sciences phys. (2) X, 82 \u2014 85.\n\u2014\tH. de Brieder. De stoornissen der accommodatie van het oog. Dissert\u00e2t. Utrecht. \u2014 Jaarlijksch Verslag betr. het Niederl. Gasthuis. II, 69 \u2014142.\n\u2014\tv. Jaeger jun. Ueber die Einstellungen des dioptrischen Apparats im menschlichen Auge. Wien 1864.\n\u2014\tStellwag v. Carion. Zur Litteratur der Refractions- und Accommodationsanoma-lien. Zeitschr d. K. K. Ges. d. Aerzte. 1861.","page":830},{"file":"p0831.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR DIOPTRIK DES AUGES.\n831\n4 802. de Haas. Geschiedkundig onderzoek omtrent de Hypermetropia en hare gevoHen. Dissert. Utrecht; Jaarlijksch Verslag betr. het Niederl. Gasthuis. III, 457._208.\n4 803. A. Bur.ow. Vorl\u00e4ufige Notiz \u00fcber die Construction eines neuen Optometers. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. IX, 2, 228 \u2014 234.\n\u2014\tDerselbe. Ein neues Optometer. Berlin. 4 803.\n\u2014\tDerselbe. Ueber die Reihenfolge der Brillenbrennweiten. Berlin. 4 864.\n\u2014\tA. v. Graefe. Ein Optometer. Deutsche Klinik. 4 863. S. 4 0.\n4 804. F. C. Bonders. On the anomalies of accommodation and refraction of the eye. London, p. 4 \u2014635.\nIf>65. E. Javal. Une nouvelle r\u00e8gle \u00e0 calcul. Ann. d\u2019ocul. Bruxelles. LIII, 4 84 .\n4 866. J. W. Verschoor. Optometers en Optometrie. Zesde Jaarlijksch Verslag van het Ned'erl. Gasthuis. voor Ooglijders. p. 97 \u2014 4 60.\n\u00a7. \\ 2. Mechanismus der Accommodation.\nHinsichtlich der Erscheinungen, die mit dem Mechanismus der Accommodation in Verbindung stehen, ist ein Versuch von Bahr hier zu erw\u00e4hnen. Derselbe betrachtete im Zustande der Accommodation ein nahes scharf beleuchtetes Rechteck, bis ein kr\u00e4ftiges Nachbild in seinem Auge entwickelt war, und warf dieses dann mit nachlassender Accommodation auf eine ferne Fl\u00e4che, auf der er die scheinbare Gr\u00f6sse des Nachbildes bestimmte. Da nun die Gr\u00f6sse des Bildes auf der Netzhaut proportional ist dem Abstande der Netzhaut vom hinteren Knotenpunkte des Auges, und die Gr\u00f6sse des Netzhautbildes in beiden Beobachtungen dieselbe war, so l\u00e4sst sich aus einem solchen Versuche berechnen, in welchem Verh\u00e4ltniss sich der Abstand der Netzhaut vom zweiten Knotenpunkte \u00e4ndert. Bahr fand aus seinen Versuchen eine Verschiebung des Knotenpunkts nach vorn um 0,35 Millimeter; meine auf Seite Hl angestellte Berechnung ergiebt 0,4. F\u00e4nde eine Verl\u00e4ngerung des Augapfels statt, so m\u00fcsste die Ver\u00e4nderung jener Entfernung viel bedeutender sein, und wenn eine solche Verl\u00e4ngerung der einzige Grund der Accommodation w\u00e4re, bis zu 3 Millimeter betragen, was demnach, wie auch diese Versuche von Bahr zeigen, nicht der Fall sein kann.\nKnapp 1 hat an vier individuellen Augen die Lage des Fernpunkts und Nahepunkts, die Kr\u00fcmmung und Lage der Hornhaut und der Linsenfl\u00e4chen beim Sehen f\u00fcr die Ferne, wie bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he bestimmt und gefunden, dass die aus den Kr\u00fcmmungs\u00e4nderungen der Krystallinse berechnete Accommodation hinreichend gut mit der wirklich statBindenden Accommodations-breite \u00fcbereinstimmte, so dass die Annahme einer Verl\u00e4ngerung des Auges hierdurch ausgeschlossen war.\nBonders2 hat sich in zwei f\u00fcr die Untersuchung sehr g\u00fcnstigen F\u00e4llen, wo die Linse durch Staaroperation entfernt war, \u00fcberzeugt, dass in solchen Augen, welche nat\u00fcrlich nur mit Hilfe einer Vorgesetzten Convexlinse deutlich sehen k\u00f6nnen, keine Spur von Accommodation vorhanden ist, trotzdem bei dem Bestreben, nahe Objecte Zusehen, Convergenz und Verengerung der Pupille eintrat. W\u00e4re eine Verl\u00e4ngerung des Augapfels durch den Druck der Augenmuskeln m\u00f6glich, so w\u00fcrde eine solche auch bei Augen ohne Linse eine gewisse Breite der Accommodation bewirken k\u00f6nnen. Es bleibt nach allen diesen That-\n1\tArchiv f\u00fcr Ophthalmol. VI, 2, p. 1\u201452.\n2\tOn the anomalies of accommodation and refraction. London, p. 320\u2014321.","page":831},{"file":"p0832.txt","language":"de","ocr_de":"832\nNACHTR\u00c4GE\nSachen wohl nicht zweifelhaft, dass eine Verl\u00e4ngerung des Augapfels hei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he nicht stattfindet.\nDie Messung der Kr\u00fcmmungen der Krystallinse kann viel sch\u00e4rfer, als nach den oben beschriebenen Methoden, mit dem Ophthalmometer ausgef\u00fchrt werden, wenn man in einer dunkeln Kammer Sonnenlicht anwendet, um die Linsenreflexe hervorzubringen, wie es B. Rosow gethan hat.\nWas nun die Muskeln betrifft, welche die Form\u00e4nderung der Linse hervorbringen, so ist zun\u00e4chst zu bemerken, dass F\u00e4lle beobachtet worden sind, in denen die Iris wirkungslos war und doch vollst\u00e4ndig gen\u00fcgende Accommodation stattfand. Ich selbst habe einen Astronomen gesehen, bei dem also optische Versuche leicht anzustellen waren und der die Erscheinungen, auf die es ankam, wohl kannte, bei welchem eine vollst\u00e4ndige L\u00e4hmung der Iris eingetreten war und der doch vollkommen gut acconnnodirte. Ferner hat A. v. Geaefe 1 bei einem Arbeiter, dem im Folge einer Verletzung des Auges die Iris vollst\u00e4ndig entfernt worden war, nach der Heilung vollkommen gute Accommodation gefunden.\nEs bleibt also nur der Ciliarmuskel, dem wir die Accommodation zuschreiben k\u00f6nnen. In diesem ist nun zun\u00e4chst durch van Reeken, bestimmter durch H. Mueller und Rouget eine Schicht circular verlaufender Fasern entdeckt worden, welche in dem gegen die Ciliarforts\u00e4tze hin gewendeten Winkel des Muskels liegen, \u00fcbrigens mit l\u00e4ngs verlaufenden Fasern durchflochten sind, und auch vielf\u00e4ltig sich bogenf\u00f6rmig umbiegen und in L\u00e4ngsfasern \u00fcbergehen, so dass aus dieser anatomischen Anordnung der Circularfasern zun\u00e4chst wohl zu schliessen ist, dass die Circularfasern des Ciliarmuskels mit den L\u00e4ngsfasern desselben nur zusammen wirken k\u00f6nnen. F\u00fcr die Wirkung auf die Zonula ist eine solche Anordnung der Muskelfasern offenbar sehr g\u00fcnstig; denn h\u00e4tten wir lauter Radialfasern im Muskel, wie er in den \u00e4lteren Beschreibungen geschildert wurde, so w\u00fcrde die nach innen sehende Ecke des Muskels eingezogen worden sein, die Zonula w\u00fcrde eine Ausbiegung, convex gegen den ScHLEMM\u2019schen Kanal (Taf. I, Fig. 3 s), hin bekommen haben, und dabei viel weniger erschlafft sein als bei der bestehenden Einrichtung, wo eine solche Ausbiegung vermieden wird. Die Circularfasern des Muskels n\u00e4mlich m\u00fcssen die entsprechende Kante des Muskels gegen die Spitze der Ciliarforts\u00e4tze und gegen den Linsenrand hin hervorziehen und dadurch bewirken, dass auch der mittlere Theil der Zonula in Richtung ihrer Faltenr\u00e4nder gegen den Linsenrand verschoben wird, ohne dabei nach aussen gegen den ScHLEMM\u2019schen Kanal hin gezogen zu werden.\nOb, wie H. Mueller annimmt, die Radialfasern des Ciliarmuskels einen Druck auf die Ciliarforts\u00e4tze aus\u00fcben und dieser sich fortpflanzt auf den Linsenrand, ist schwer zu beurtheilen, da wir nicht wissen, ob die Ciliarforts\u00e4tze im lebenden Auge prall genug mit Blut gef\u00fcllt sind, um einen merklichen Druck auf die Linse auszuiiben, und viele Ophthalmologen es \u00fcberhaupt als zweifelhaft betrachten, dass sie die Linse auch nur ber\u00fchren!\nW. Henke hat angenommen, dass nur die Circularfasern des Ciliarmuskels\n1 Archiv f\u00fcr Ophthalmologie. VII, 2, p. 130\u2014161.","page":832},{"file":"p0833.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR DIOPTRIK DES AUGES.\n833\ndie Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he bewirken, dagegen die L\u00e4ngsfasern durch ihre Spannung wieder die Accommodation f\u00fcr die Ferne zur\u00fcckf\u00fchren sollen. Er betrachtet dabei Sie beiden Ans\u00e4tze der L\u00e4ngsfasern des Muskels als fest, glaubt, derselbe w\u00fcrde bogenf\u00f6rmig nach innen gezogen durch die Wirkung der Ringfasern und strecke sich, wenn die Accommodation nachl\u00e4sst, durch active Spannung wieder gerade, indem er die Ringfasern wieder ausdehnt. Ich halte eine solche Wirkungsweise f\u00fcr sehr unwahrscheinlich, erstens aus allen den Gr\u00fcnden, welche gegen eine active Accommodation f\u00fcr die Ferne sprechen, zweitens weil die Faserschichten des Ciliarmuskels zu sehr verflochten sind und sogar L\u00e4ngsfasern in Ringfasern und Ringfasern in L\u00e4ngsfasern \u00fcbergehen. Dabei ist eine isolirte Wirkung der einzelnen Fasern kaum zu begreifen. Das von Henke dagegen angef\u00fchrte Eeispiel der Iris ist nach den neueren Untersuchungen \u00fcber den Dilatator Iridis von sehr zweifelhaftem Werthe. Ferner scheinen mir sowohl das Ligamentum pectinatum als vorderer Ansatzpunkt, wie auch die Aderhaut als hinterer Ansatzpunkt des Muskels viel zu nachgiebig zu sein, um eine erhebliche Wirkung des Muskels in Henke\u2019s Sinne bei so ung\u00fcnstiger Zugrichtung zuzulassen. Endlich m\u00fcsste sich nach Henke\u2019s Vorstellung bei der Accommodation f\u00fcr die N\u00e4he die \u00e4ussere Fl\u00e4che des Muskels von der Sklera abheben und hei der f\u00fcr die Ferne wieder anlegen. Es ist aber nicht abzusehen, wo eine Fl\u00fcssigkeit herkommen soll, die den leeren Raum dieser Spalte ausf\u00fcllen k\u00f6nnte, und wenn eine solche nicht da w\u00e4re, w\u00fcrde der Luftdruck jede Nachgiebigkeit des Muskels verhindern.\nIch muss gestehen, dass mir noch immer die oben auf Seite 110 gegebene Ansicht vom Mechanismus der Accommodation am wahrscheinlichsten erscheint; Versuche, die ihre Richtigkeit zu erweisen scheinen, sind so eben von C. V\u00f6lckers und V. Hensen angek\u00fcndigt worden.\n1855.\tRuete. De Irideremia congenita. Progr. acad. Leipzig. Virchow Archiv. XII, 342.\n\u2014\tvan Reeken. Ontleedkundig Onderzoek van den toestel voor accommodatie van liet oog. Onderzoekingen gedaan in het Physiol. Laborat. der Utrecht'sche Hooge-school. Jaar. VII, 248 \u2014 286.\n1856.\tJ. P. Maunoir. M\u00e9moire sur l\u2019ajustement de l\u2019oeil aux diff\u00e9rentes distances. Arch, des sciences phys. XXXI, 309 \u2014 316.\n\u2014\tBreton. Adaptation de la vue aux diff\u00e9rentes distances, obtenue par une compression m\u00e9canique, exerc\u00e9e sur le globe oculaire. C. R. XLIII, 1161 \u20141162. Inst, 1856. p. 455. Cosmos. IX, 690. X, 29 \u201430.\n\u2014\tGoousir. Notice respecting recent discoveries on the adjustment of the eye to distinct vision, Proc. of Edinb. Soc. Ill, 343 \u2014 345. Edinb. J. (2) III, 339 \u2014 342.\n1857.\tStoltz. Accommodation artificielle ou m\u00e9canique de l\u2019oeil \u00e0 toutes les distances. C. R. XL1V, 388 \u2014 390; 618 \u2014 620. Arch, des sciences phys. XXXV, 139. Ci-mento VI, 154\u2014155. Cosmos. X, 320'\u2014321.\n\u2014\tBaiir. De oculi accommodatione exp\u00e9rimenta nova. Dissert\u00e2t. Berlin.\n\u2014\tH. M\u00fcller. Ueber einen ringf\u00f6rmigen Muskel am Ciliark\u00f6rper. Archiv f\u00fcr Ophthalm. III, 1, IV, 2. S. 277 \u2014285.\n1859.\tJ. Manniiardt. Bemerkungen \u00fcber den Accommodationsmuskel und die Accommodation. Ebenda. IV, 1. S. 269 \u2014 285.\u201c\n\u2014\tCh. Archer. On the adaptation of the human eye to varying distances. Phil. Mag. 14) XVII, 224 \u2014 225.\n\u2014\tRespighi. Still\u2019 accommodamento dell\u2019occhio humano per la visione distinta. Mem. di Bologna. VIII, 355\u2014389. Zeitschr. f\u00fcr Chemie. 1859. S. 10 \u201418.\n\u2014\tMagni. Dell\u2019addatamento dell\u2019occhio umano alia visione distinta. Cimento X, 12 \u2014 20.\n1860.\tJ. H. Knapp. Ueber die Lage und Kr\u00fcmmung der Oberfl\u00e4chen der menschlichen\nEncyklop. d. Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\t53\n","page":833},{"file":"p0834.txt","language":"de","ocr_de":"834\nNACHTR\u00c4GE\nKrystallinse und den Einfluss ihrer Ver\u00e4nderungen bei der Accommodation auf die Dioptrik des Auges. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. VI, 2, S. 1\u201452. VII, 2, S. 136\u2014138.\n1860.\tW. Henke. Der Mechanismus der Accommodation f\u00fcr N\u00e4he und Ferne. Ebenda. VI, 2, S. 53 \u2014 72.\n__ L. Happe. Die Bestimmungen des Sehbereichs und dessen Correction, nebst Erl\u00e4uterungen \u00fcber den Mechanismus der Accommodation. Braunschweig 1860.\n1861.\tA. v. Graefe. Fall von acquirirter Aniridie als Beitrag zur Accommodationslehre. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. Vll, 2, S. 150 \u2014161.\n1863.\t0. Becker. Lage und Function der Ciliarforts\u00e4tze im lebenden Menschenauge. Wiener Medic. Jahrb\u00fccher. 1863.\n1864.\tE. F\u00f6rster. Zur Kenntniss des Accommodationsmechanismus. Sitzungsber. d. Ophthalmol. Ges. Erlangen. S. 75 \u201486. Klinische Monatsbl. f\u00fcr Aug\u00e9nheilk. Sept, bis Dec. 1864.\n1865.\tB. Rosow. Zur Ophthalmometrie. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. XI, 2, S. 129 \u2014134.\n\u2014\tMandelstamm. Zur Ophthalmometrie. Ebenda. XI, 2, S. 259\u2014265.\n\u00a7. \\ 3. Von der Farbenzerstreuung im Auge.\n1853. L. L. Vall\u00e9e. Sur Vachromatisme de l\u2019oeil. C. R. XXXVI, 142 \u2014144; 480 \u2014 482.\n1855.\tCzermak. Zur Chromasie des Auges. Wiener Sitzungsber. XVII, 563.\n1856.\tA. Fick. Einige Versuche \u00fcber die chromatische Abweichung des menschlichen Auges. Archiv f\u00fcr Ophthalm. II, 2, 70 \u2014 76.\n1862.\tF. P. Leroux. Exp\u00e9riences destin\u00e9es 'a mettre en \u00e9vidence le d\u00e9faut d,\u2019achromatisme de l\u2019oeil. Ann. de chimie. (3) LXVI, 173 \u2014182. Cosmos. XX, 638 \u2014 639.\n\u2014\tTrouessart. D\u00e9faut d\u2019achromatisme de l\u2019oeil. Presse scientifique, p. 72 \u2014 74.\n\u00a7. \\ 4. Monochromatische Abweichungen.\nDie hierher geh\u00f6rigen Formen der Abweichungen sind seit Ver\u00f6ffentlichung des obigen Paragraphen im \u00e4rztlichen Interesse ausf\u00fchrlicher studirt worden, namentlich von Donders und Knapp. Wiiewf.ll hat f\u00fcr sie den sehr zweckm\u00e4ssig gew\u00e4hlten Namen des Astigmatismus vorgeschlagen (\u00ab privativum und oTtyfiu von aziCw, pungo, d. h. \u201eohne Brennpunkt\u201c). Er unterscheidet regul\u00e4ren und irregul\u00e4ren Astigmatismus; ersterer umfasst die oben unter Nr. 5, Seite 140\u2014145, beschriebenen Erscheinungen, welche davon her-r\u00fcliren, dass die Kr\u00fcmmung der brechenden Fl\u00e4chen des Auges, namentlich der Hornhaut in verschiedenen Meridianen verschieden ist. Der irregul\u00e4re Astigmatismus dagegen, welcher sich in den Erscheinungen der Polyopia monocu-laris \u00e4ussert, umfasst diejenigen Erscheinungen, welche davon herr\u00fchren, dass auch die in jeder einzelnen Meridianebene des Auges einfallenden Strahlen nicht genau in einen Brennpunkt vereinigt werden.\nDer irregul\u00e4re Astigmatismus r\u00fchrt in der Regel von der Krystallinse her, wie schon oben Seite 141 gezeigt wurde, abgesehen von solchen F\u00e4llen, wo kegelf\u00f6rmige Erhebungen, Geschw\u00fcre und \u00e4hnliche Leiden der Hornhaut krankhafter Weise entstanden sind. Es zeigt sich dies auch darin, dass bei Augen ohne Linse die Polyopie ganz wegf\u00e4llt und solche Augen die Erscheinungen des regul\u00e4ren Astigmatismus, namentlich die bald linienf\u00f6rmige, bald ovale Form der kleinen Zerstreuungskreise, wie sie auf Seite 247 abgebildet sind, viel regelm\u00e4ssiger und deutlicher zeigen als normale Augen.\nDonders hat die Erscheinungen, welche jeder einzelne Sector der Krystallinse hervorbringt, dadurch noch genauer untersucht, dass er einen kleinen Schirm mit sehr kleiner Oeffnung vor dem Auge herumf\u00fchrte und so bewegte, dass das Licht bald durch den einen, bald durch den andern Sector der Linse","page":834},{"file":"p0835.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR DIOPTRIK DES AUGES.\n835\nfiel. Es zeigte sich dabei erstens, dass jeder einzelne Sector der Linse die auffallenden Strahlen naliehin in einen Punkt vereinigt, dass aber die Brennpunkte der verschiedenen Sectoren nicht zusammenfallen. Zweitens ist aber auch die Vereinigung der Strahlen durch jeden einzelnen Sector nicht ganz genau, sondern die der Augenaxe n\u00e4heren scheinen einen entfernteren Vereinigungspunkt zu haben als die peripherisch einfallenden Strahlen. Daher dr\u00e4ngen sich in dem Zerstreuungskreise jedes Sectors die Strahlen gegen die Peripherie hin zusammen, ehe der Ort der engsten Vereinigung erreicht ist, und nachher dr\u00e4ngen sie sich an der centralen Seite des Zerstreuungskreises zusammen.\nDer regul\u00e4re Astigmatismus zeigt sich in fast allen menschlichen Augen in geringem Grade. Seine Gr\u00f6sse kann nach demselben Principe, wie die Breite der Accommodation gemessen werden. Astigmatische Augen haben, wie oben angef\u00fchrt wurde, verschiedene Sehweite f\u00fcr Linien von verschiedener Biehtung im Gesichtsfelde. Wenn die gr\u00f6sste dieser Sehweiten P ist und bei demselben unver\u00e4nderten Accommodationszustande die kleinste f\u00fcr eine andere Linienrichtung gleich p. so brauchen wir als Maass des Astigmatismus\nSo lange As kleiner ist als \u2014, bringt es noch keine erhebliche St\u00f6rung\ndes Sehens hervor; wenn es aber gr\u00f6sser ist, wird die Gesichtssch\u00e4rfe merklich beeintr\u00e4chtigt, und es kann solchen Augen durch Brillengl\u00e4ser mit cylindrischen Fl\u00e4chen geholfen werden, deren Brennweite man der Gr\u00f6sse As gleich gross w\u00e4hlt, und deren geradlinige Cylinderkanten man, wenn die cylindrische Kr\u00fcmmung convex ist, der Biehtung der entferntesten deutlich gesehenen Linien parallel macht. Ist die cylindrische Kr\u00fcmmung concav, so stellt man die Cylin-derkanten im Gegentheil senkrecht zu jener Biehtung. Die zweite Fl\u00e4che der Cylinderlinsen kann man sph\u00e4risch schleifen, so dass die gleichzeitig etwa vorhandene Myopie oder Hyperm\u00e9tropie corrigirt wird.\nEin System cylindrischer Linsen ist auch das beste Mittel schnell herauszufinden, ob und wie grosser Astigmatismus vorhanden sei, und welches die Bichtungen des Meridians gr\u00f6sster und kleinster Sehweite sind. Astigmatische Linsen mit ver\u00e4nderlichem Grade von Astigmatismus kann man sich nach einem Vorschl\u00e4ge von Stokes zusammensetzen aus zwei gleichen Cylinderlinsen, die man aufeinander legt. Stellt man sie so, dass ihre Cylinderkanten sich rechtwinkelig schneiden, so sind sie nicht astigmatisch, sondern wirken zusammen wie eine sph\u00e4rische Linse. Dreht man sie unter einem kleineren oder gr\u00f6sseren Winkel, so kann man ihnen beliebig wachsende Gr\u00f6sse des Astigmatismus geben.\nEinen zweckm\u00e4ssigen Apparat zur schnellen Messung des Astigmatismus hat E. Javal durch Herrn Nachet in Paris construirai lassen. Zwei Sterne von je 24 Linien werden durch Convexlinsen mit parallelen Gesichtslinien betrachtet. Man entfernt die Zeichnungen so weit, bis nur noch eine der Linien scharf gesehen wird. Dann werden Cylinderlinsen, die in zwei drehbaren kreuzf\u00f6rmigen Fassungen sitzen, entweder einzeln oder zu zweien combinirt vorgeschoben, bis man eine St\u00e4rke gefunden hat, bei der alle Linien des Sterns gleich\n53*","page":835},{"file":"p0836.txt","language":"de","ocr_de":"836\nNACHTR\u00c4GE\ndeutlich erscheinen. Das Centrum der beiden drehbaren Kreuze ist selbst an einem beweglichen Arme befestigt, der um die optische Axe der Convexlinse gedreht werden kann, um der Kr\u00fcmmung des cylindrischen Glases die richtige Richtung geben zu k\u00f6nnen.\nDie von Dondees und Knapp ausgef\u00fchrten Messungen der Hornhaut astigmatischer Augen haben ergeben, dass mit wenigen Ausnahmen die Hornhaut den regelm\u00e4ssigen Astigmatismus bedingt, und dass er bei h\u00f6heren Graden h\u00e4ufig ein wenig vermindert wird durch einen entgegengesetzten Astigmatismus der Krystallinse.\nDie Richtung der Linien, f\u00fcr welche die Sehweite am gr\u00f6ssten ist, ist wie in den oben angegebenen F\u00e4llen von A. Fick und mir selbst in der Regel der verticalen Richtung n\u00e4her als der horizontalen; doch kommt auch, wie b\u00e8i Th. Young, in nicht allzu seltenen F\u00e4llen das Umgekehrte vor.\n4852. A. M\u00fcller. Ueber das Beschauen der Landschaften mit normaler und abge\u00e4nderter Augenstellung. (Angeblich von Astigmatismus herr\u00fclncnd.) Pogg. Ann. LXXXV1, 4 47 \u2014 4 52. Cosmos. I, 336.\n__ A. Beer. Ueber den optischen Versuch des Herrn Lib-ri. Pogg. Ann. LXXXVI1,\n44 5 \u2014 420.\n__ J. Hippesley. Phenomena\tof light.\tAthen.\t4 852.\tp. 4069 \u20141070; 4368.\n__ r. W. II. Hardy. Phenomena of light. Ebenda, p. 4 306.\n1853. Fechner. Ueber einige Verschiedenheiten des Sehens in verticalem und horizontalem Sinne nach verschiedenen Beobachtungen. Fechner Centralblatt. S. 73 \u2014 85; 96 \u2014 99; 374\u2014379; 558 \u2014 561.\n__ L. L. Vall\u00e9e. Th\u00e9orie de l\u2019oeil. C. R. XXXVI, 769 \u2014 773; 865 \u2014 867.\n__ Fliedner. Zur Theorie des Sehens. Pogg. Ann. LXXXVIII, 29 \u2014 44.\n__ H. Meyer. Ueber die sph\u00e4rische Abweichung des menschlichen Auges. Ebenda\nLXXXIX, 540 \u2014 568.\n__ Beer. Ueber den Hof um\tKerzenflammen.\tEbenda. LXXXVIII, 595 \u2014 597.\n__ Powell. On a peculiarity\tof vision.\tIlep.\tof Brit.\tAssoc. 4852, 2, p. 44.\n4854. J. P. Depigny. (Hof um Kerzenflammen.) Arch, des sciences phys. XXVI, 466 \u2014 472.\n__ j. Gut. Ueber Hoppeltsehen mit\teinem\tAuge.\tHenle und Pfeefer Zeitschr.\n(2) IV, 395 \u2014 400.\n4 855. Ueber den Gang der Lichtstrahlen im Auge. Verhandl. der naturforsch. Ges. in Basel. I, 269 \u2014 282. Arch, des sciences phys. XXXII, 4 45\u2014 146.\n__ H. Meyer. Ueber den die Flamme eines Lichts umgebenden Hof u. s. w. Pogg.\nAnn. XCVI, 235 \u2014 262; 603 \u2014 607; 607 \u2014 609.\n1856.\tDerselbe. Ueber die Strahlen, die ein leuchtender Punkt im Auge erzeugt. Ebenda. XCY1I, 233\u2014260. XCVIII, 244 \u2014 242.\n1857.\tvan der Willigen. Eine Lichterscheinung im Auge. Pogg. Ann. CH, 175\u2014176.\n\u2014\tJ. Tyndall. Im Phil. Mag. (4) XI, 332. (Ein Fall, wo Interferenzringe im Gesichtsfelde erschienen, \u00e4hnlich denen eines mit Lycopodium bepulverten Glases.)\n1858.\tG. M. Cavallieri. Sulla cagione del vedere le stelle e i punti luminosi affetti da raggi. Cimento VIII, 321\u2014360.\n1860.\tF. Z\u00f6llner. Beitr\u00e4ge zur Kenntniss der chromatischen und monochromatischen Abweichung des menschlichen Auges. Pogg. Ann. CXI, 329 \u2014 336. Ann. de chimie. (3) LX, 506 \u2014 509.\n__ Wiiarton Jones. Analysis of my sight, with a view to ascertain the focal power of\nmy eyes for horizontal and for vertical rays, and to determine whether they possess a power of adjustment for different distances Proc. of Roy. Soc. X, 380 \u2014 385.\n\u2022 Phil. Mag. (4) XX, 480 \u2014 483.\n1861.\tDonders. Beitr\u00e4ge zur Kenntniss der Kefractions - und Accommodationsaiiomalien. Arch, f\u00fcr Ophthalm. VII, 4, S. 155 \u2014 204.\n4 862. J. H. Knapp. Ueber die Asymmetrie des Auges in seinen verschiedenen Meridianen. Arch, f\u00fcr Ophthalm. VIII, 2, S. 185 \u2014 241.\n\u2014\tGiraud Teulon. Causes et m\u00e9canisme de certains ph\u00e9nom\u00e8nes de polyopie monoculaire. C. R. L1V, 904\u2014 906; 1130 \u20141431. Inst. 1862. p. 438 \u2014 439; 473.\n\u2014\tF. C. Bonders. Astigmatismus und cylindrische Gl\u00e4ser. Berlin.","page":836},{"file":"p0837.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR DIOPTRIK DES AUGES.\n837\n4863. B. A. Pope. Beitr\u00e4ge zur Optik des Auges. Archiv f\u00fcr Ophthalm. IX, 4, S. 41\u201463..\n\u25a0\u2014 C. Kugel. Ueber die Wirkung schief vor das Auge gestellter sph\u00e4rischer Brillengl\u00e4ser beim regelm\u00e4ssigen Astigmatismus. Ebenda. X, 1, S. 89 \u2014 96.\n\u2014\tMiddelburg. De Zidplaats van het Astigmatisme. Utrecht.\n\u2014\tPu. H. Knauthe. Ueber Astigmatismus. Dissert. Leipzig.\n1864. F. C. Donders. Der Sitz des Astigmatismus (nach Middelburg\u2019s Resultaten). Archiv f\u00fcr Ophthalm. X, 2, S. 83 \u2014 408.\n\u2014\tJ. H. Knapp. Ueber die Diagnose des irregul\u00e4ren Astigmatismus. Monatsbl. f\u00fcr Augenheilkunde. 1864. S. 304 \u2014 316.\n\u2014\tDonders. Anomalies of accommodation and refraction. London. 1864. p. 449\u2014536.\n4865. L. Kugel. Ueber die Sehsch\u00e4rfe bei Astigmatikern. Archiv f\u00fcr Ophthalm. XI, 1,\nS. 4 06 \u2014 113.\n\u2014\tH. Kaiser. Zur Theorie des Astigmatismus. Ebenda. XI, 3, S. 486 \u2014 229.\n\u2014\tX. Galezowski. \u00c9tude sur la diplopie monophthalmique. Ann. d\u2019oculistique. LIY, 199 \u2014 208.\n4 866. E. Javal. Sur le choix des verres cylindriques. Ann. d\u2019oculist. LV, p. 5\u201429.\n\u2022\u2014 Derselbe. Histoire et bibliographie de l\u2019astigmatisme. Ebenda. LY, p. 105 \u2014 127.\n\u00a7, \\ 5. Die Entoptischen Erscheinungen.\nVierordt hat, wie auf Seite 382 bemerkt ist, auf hellen Fl\u00e4chen bei inter-mittirendcr Beleuchtung \u2014 er bewegte vor den Augen die Hand mit gespreizten Fingern hin und her \u2014 eine str\u00f6mende Bewegung gesehen, die er f\u00fcr die Blutbewegung in den Netzliautgef\u00e4ssen erkl\u00e4rte; Meissner und ich selbst haben diese Bewegung nur in Form uferloser Str\u00f6mchen gesehen, denen ich Vierordt\u2019s Deutung nicht zu geben wagte. Doch folgt daraus nicht, dass Yierordt die Erscheinung nicht deutlicher und bestimmter gesehen haben kann, und dass es nicht wirklich bei ihm ein Ausdruck des Blutlaufs war.\n/\nAusserdem hatten Purkinje und J. M\u00fcller (siehe oben Seite 424 bis 426), wenn sie nach einer ausgedehnten hellen Fl\u00e4che blickten, helle Punkte im Gesichtsfelde erscheinen und eine Strecke fortlaufen sehen, so dass dieselben nach unregelm\u00e4ssigen Pausen immer wieder an denselben? Stellen auftauchen und immer wieder denselben Weg mit derselben ziemlich grossen Geschwindigkeit zur\u00fccklegen. Diese Erscheinung sicht man nun nach einer Bemerkung von O. N. Rood sehr viel besser, wenn man durch ein dunkles blaues Glas nach dem Himmel sieht. Ich fixire dabei einen Punkt der Fensterscheibe, um die bewegten K\u00f6rperchen immer wieder an derselben Stelle zu sehen und die Lage ihrer Bahnen, mit der auf dieselbe Fensterscheibe projicirten Gef\u00e4ssligur zu vergleichen.\nNachdem ich diese Beobachtungen wiederholt habe, glaube ich nun ebenfalls nicht mehr zweifeln zu k\u00f6nnen, dass sie von der Blutbewegung herr\u00fchren, und zwar so, dass ein einzelnes gr\u00f6sseres K\u00f6rperchen sich in einem der engeren Gef\u00e4sse klemmt. Dann pflegt vor einem solchen das Gef\u00e4ss relativ leer zu werden, hinter ihm dagegen stauen sich die Blutk\u00f6rperchen in gr\u00f6sserer Menge an. Sobald das Henininiss sich l\u00f6st, str\u00f6mt der ganze Haufen schnell davon. Es sind dies Vorg\u00e4nge, die man bei Beobachtung des Capillarkreislaufes mit dem Mikroskope oft sieht. Bei dem genannten Versuche geht im Sehfelde voran ein hellerer l\u00e4nglicher Streifen, entsprechend der leeren Stelle des Ge-fasses vor dem Hemmniss; diesem folgt ein dunklerer Schatten, der, wie ich glaube, den zusammengedr\u00e4ngten Blutk\u00f6rperchen entspricht.\nIn meinem rechten Auge sehe ich diese Erscheinung in zwei parallelen Ge-t\u00e4sschen links neben dem Fixationspunkt sehr deutlich und oft sich wiederho-","page":837},{"file":"p0838.txt","language":"de","ocr_de":"838\nNACHTR\u00c4GE\nlen, zuweilen in beiden gleichzeitig; die Bewegung ist scheinbar nach oben gerichtet und das bewegte Gebilde verschwindet, indem es sich mit betr\u00e4chtlich gesteigerter Geschwindigkeit durch eine Sf\u00f6rmige Kr\u00fcmmung hindurchwindet. Nun finde ich im entoptischen Bilde des Gef\u00e4ssbaums sowohl die beiden parallelen Gef\u00e4sse an der angegebenen Stelle, als auch die S f\u00f6rmige Kr\u00fcmmung ihrer Vereinigungsstelle, welche in ein gr\u00f6sseres Venenst\u00e4mmchen hin\u00fcberf\u00fchrt, so dass beide Beobachtungsmethoden sich vollst\u00e4ndig entsprechen. Uebrigens sind die genannten Gef\u00e4sse nicht die einzigen, in denen eine solche Bewegung sichtbar wird, sondern es giebt noch viele andere Stellen in dem Sehfelde desselben Auges, die aber weiter vom Fixationspunkte abliegen und nicht so charakteristische Formen haben.\nDanach w\u00fcrde die genannte Erscheinung also als der optische Ausdruck kleiner Hemmungen des Blutlaufs zu betrachten sein, die nur in gewissen Engp\u00e4ssen des Gef\u00e4ssbaums und nur beim Vor\u00fcbergang etwas gr\u00f6sserer K\u00f6rperchen aufzutreten pflegen.\n1883. Trouessart. Suite des recherches concernant la vision. C. It. XXXVI, 144 \u2014146.\n1836. Vierordt. Wahrnehmung des Blutlaufs in den Netzhautgef\u00e0ssen. Archiv f\u00fcr physiol. Heilkunde. 1886. Heft II.\n\u2014 Meissner. Im Jahresbericht f\u00fcr 1856. IIenle und Pfedfer Zeitschr. (3) I, 565 \u2014 566.\n1857. J. Jago. Ocular spectres, structures and functions as mutual exponents. Proc Roy. Soc. VIII, 603 \u2014 610. Phil. Mag. (4) XV, 545 \u2014 550.\n1860.\t0. N. Rood. On a probable means of rendering visible the circulation in the eye.\nSilliman J. (2) XXX, 264 \u2014 265; 385 \u2014 386.\n1861.. L. Reuben. On normal quasi-vision of the moving blood-corpuscles within the retina of the human eye. Silliman J. (2) XXXI, 325 \u2014 388; 417.\n\u00a7. 16. Das Augenleuchten und der Augenspiegel.\nDie Form des Augenspiegels, die sich schliesslich am Allgemeinsten bei den Augen\u00e4rzten eingeb\u00fcrgert hat, ist der oben beschriebenen Form des Coccius\u2019-schen oder ZEHENDER\u2019schen Spiegels am \u00e4hnlichsten, nur mit der Aenderung, dass an Stelle des ebenen oder convexen Spiegels mit einer beleuchtenden Convexlinse, wie sie jene Instrumente haben, ein concaver Spiegel ohne Convexlinse getreten ist, von 5\u20146 Zoll Brennweite, 1 Zoll Durchmesser. Die Spiegel werden bald von Metall gemacht, was den Vortheil einer reineren Oeffnung mit scharfen, nicht reflectirenden R\u00e4ndern giebt; oder es sind belegte Glasspiegel, in der Mitte durchbohrt. Bei diesen letzteren ist die Spiegelfl\u00e4che besser vor Verletzung gesch\u00fctzt, und sie sind auch meist heller als gew\u00f6hnliche Metallspiegel. Ein Nachtheil aber ist es, namentlich f\u00fcr die Beleuchtung im aufrechten Bilde, dass der Rand zwischen der spiegelnden Fl\u00e4che und der Oeffnung nicht so schmal und scharf gemacht werden kann, wie bei den Metallspiegeln.\nDie Beobachtung des eigenen Augenhintergrundes nach Coccius ist auf Seite 211 beschrieben worden; es gen\u00fcgt dazu jeder durchbohrte, am besten ein convexer Spiegel. Ein anderes Autophthalmoskop, in welchem das linke Auge nach der beleuchteten Netzhaut des rechten Auges hinsieht, ist von F. Heymann beschrieben worden. Durch die Oeffnung eines durchbohrten Planspiegels f\u00e4llt Licht in das rechte Auge; das linke blickt in Richtung der Oeff-","page":838},{"file":"p0839.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR DIOPTRIE DES AUGES.\n839\ninnig jenes Spiegels, in welcher Richtung es ein Spiegelbild des rechten Auges sieht. Vor das rechte Auge ist, wie in Ruete\u2019s Spiegel eine Convexlinse (2%, Zoll Brennweite) gesetzt, in deren Brennpunkt die Pupille jenes Auges sich befindet. Dieselbe entwirft zugleich ein umgekehrtes Bild der Netzhaut in ihrem Brennpunkte. Nahe diesem Bilde ist ein reflectirendes rechtwinkeliges Prisma aufgestellt, uni die Strahlen gegen den durchbohrten Spiegel hinzulenken. Eine zweite Convexlinse, die zwischen Prisma und Spiegel, sowie eine dritte, welche vor dem linken Auge steht, bilden eine Art gebrochenen kleinen Fernrohrs , durch welches das beobachtende linke Auge das Netzhautbild sieht, und durch welches auch gleichzeitig beiden Augen die Accommodation f\u00fcr das Loch im Spiegel unm\u00f6glich gemacht wird.\nUm die beobachtete Netzhautstelle wechseln zu k\u00f6nnen, schiebt Heymann noch ein prismatisches Brillenglas von verschiedener St\u00e4rke, dessen brechende Kante nach verschiedenen Richtungen hin gewendet werden kann, vor das beobachtende Auge.\nDer binoculare Augenspiegel von Gikaud Teulon ist beschrieben auf Seite 641.\n1855.\tE. Jaeger. Beitr\u00e4ge zur Pathologie des Auges mit Abbildungen in Farbendruck. Wien.\n\u2014\tDerselbe. Ergebnisse der Untersuchung des menschlichen Auges mit dem Augenspiegel. Wien. Ber. XV, 319 \u2014 344.\n1856.\tCasterani. Ophthalmoscope. Cosmos. VIII, 012.\n\u2014\tW. Zeiiender. Ueber die Beleuchtung des inneren Auges durch heterocentrische Glasspiegel. Archiv f\u00fcr Ophthalm. II, 2, S. 103 \u2014130.\n1857.\tJ. Porko. La lunette panfocale, employ\u00e9e comme ophthalmoscope. C. II. XLV, 103 \u2014104. Cosmos. XI, 96 \u2014 97.\n\u2014\tA. Bur.ow. Ueber Construction heterocentrischer Augenspiegel und deren Anwendung. Archiv f\u00fcr Ophthalm. 111, 2, 68 \u2014 80.\n\u2014\tSchneller. Ein Mikrometer am Augenspiegel. Ebenda. 111, 2, S. 121\u2014186.\n\u2014\tR. Liebreich. De Vexamen de l\u2019oeil au moyen de Vophthalmoscope. Bruxelles (Extrait de la traduction du Trait\u00e9 pratique des maladies des yeux par Mackenzie).\n1859. A. Zander. Der Augenspiegel, seine Formen und sein Gebrauch. Leipzig u. Heidelberg.\n1861. O. Becker. Ueber Wahrnehmung eines Reflexbildes im eigenen Auge. Wiener Med. Wochenschrift I860, p. 670 \u2014 672; 684\u2014688. (Bildchen der hinteren Linsenfl\u00e4che von der Hornhaut nach hinten reflectirt ).\n1863.\tBurow jun. Notiz betreffend die Beobachtung des eigenen Augenhintergrundes. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. IX, 1, S. 155 \u2014160.\n\u2014\tF. Heymann. Die Autoskopie des Auges. Leipzig.\n\u2014\tR. Liebreich. Atlas der Ophthalmoskopie. Berlin, Hirschwald.\n1864.\tC. Sciiweigger. Vorlesungen \u00fcber den Gebrauch des Augenspiegels. Berlin,\n\u25a0\u2014\tA. Coccius. Beschreibung eines Oculars zuin Augenspiegel. Archiv f\u00fcr Ophthalm.\nX, 1 , S. 123 \u2014 147.\n\u2014\tR. Schirmer. Ueber das ophthalmoskopische Bild der Macula lutea. Ebenda. X, 1, p. 148 \u2014151.\n\u25a0\u2014\tWintrich. Ueber die Benutzung des zweckm\u00e4ssig abgeblendeten zerstreuten Tages-\nlichts zur Oto-, Ophthalmo- und Laryngoskopie. Erlanger Medic. Neuigkeiten. 1864, 9. April.\n\u00a7. 1 7. Von der Reizung des Sehnervenapparats.\nAuf Seite 205 ist darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Wirkungen constanter elektrischer Str\u00f6me auf den Sehnervenapparat nicht, wie es bis dahin geschehen war, als Reizung, sondern als Ver\u00e4nderungen der Reizempf\u00e4nglichkeit durch den elektrotonischen Zustand aufzufassen seien. Aber die Annahme, welche","page":839},{"file":"p0840.txt","language":"de","ocr_de":"840\nNACHTR\u00c4GE\nich dort gemacht habe, dass die dauernde innere Erregung der Sehnervenfasern, f\u00fcr welche die Empfindlichkeit gesteigert werde, am Hirnende des Nerven stattfinde, passt nicht zu den Erscheinungen, welche bei der Einstr\u00f6mung der Elek-tricit\u00e4t durch einen schmalen Zuleiter unmittelbar in den Augapfel selbst auf-treten und die auf Seite 206 schon theilweise nach Purkinje beschrieben sind. Es ist aus diesen vielmehr zu schliessen, dass es die Radialfasern der Netzhaut sind, deren elektrotonischer Zustand zur Erscheinung kommt, und dass die constante Erregung derselben an der hinteren Fl\u00e4che der Netzhaut stattfindet.\nLegt man die negative Elektrode iin Nacken an und benutzt als positive Elektrode ein kegelf\u00f6rmig zugespitztes und mit Salzwasser getr\u00e4nktes St\u00fcck Schwamm, was an einem Stiel von Metall befestigt ist und nahe am \u00e4usseren Augenwinkel an die wohlbefeuchteten Augenlider mit seiner Spitze angelegt wird, so erscheint das Gesichtsfeld nach der Nasenseite hin dunkel, auf der Schl\u00e4fenseite hell; die Eintrittsstelle des Sehnerven, welche in den hellen Theil f\u00e4llt, erscheint dunkel. Wendet man das Auge so, dass der Fixationspunkt an die Grenze des hellen und dunklen Theils f\u00e4llt, so erscheint von ihm aus ein helles Lichtb\u00fcschel gegen den dunklen Theil, ein dunkles B\u00fcschel gegen den hellen Theil des Gesichtsfeldes gekehrt. Diese beiden oval abgegrenzten B\u00fcschel bedecken etwa die Ausdehnung des gelben Flecks.\nKehrt man die Stromesrichtung um, so vertauschen sich Hell und Dunkel der ganzen Erscheinung. Wie Umkehr der Stromesrichtung wirkt f\u00fcr einen Augenblick auch Unterbrechung des Stroms.\nAlle diese Erscheinungen erkl\u00e4ren sich einfach aus dem elektrotonischen Zustande der radial verlaufenden Nervenbahnen der Netzhaut, wenn man annimmt, dass an ihrem hinteren Ende eine fortdauernde schwache Reizung durch innere Ursachen unterhalten werde, wie eine solche sich in dem Eigenlicht der Netzhaut zu erkennen giebt.\nWenn die positive Elektricit\u00e4t auf der \u00e4usseren Seite des Auge s in den Augapfel einstr\u00f6mt, an der inneren und hinteren Seite wieder ausstr\u00f6mt, so wird die Erregbarkeit der Netzhaut an ihrer hinteren Fl\u00e4che dort geschw\u00e4cht, hier vermehrt werden; daher die innere H\u00e4lfte des Sehfeldes, welche der \u00e4usseren Netzhauth\u00e4lfte entspricht, dunkel, die \u00e4ussere H\u00e4lfte desselben hell erscheinen muss. Der Sehnerv wirkt wahrscheinlich als schlecht leitende Masse und schw\u00e4cht den Strom nahe seiner Eintrittsstelle, daher diese sich durch entgegengesetzte Beleuchtung vor ihrem Grunde auszeichnet. Steht der gelbe Fleck an der Grenze der entgegengesetzt durchstr\u00f6mten Netzhauttheile, so geht in ihm die Str\u00f6mung nach der Fl\u00e4chenrichtung der Netzhaut. Im gelben Fleck haben wir aber auch in der Fl\u00e4che der Membran verlaufende Faserb\u00fcndel. Diese werden also von der positiven Elektricit\u00e4t in der Richtung von der Schl\u00e4fe nach der Nase durchflossen, das heisst, die Fasern an der Schl\u00e4fenseite der Netzhautgrube werden durchflossen in der Richtung gegen ihr mit den Zapfen in Verbindung stehendes Ende hin, die an der Nasenseite der Netzhautgrube von diesem Ende weg. In jenen wird die Erregung gesteigert, in diesen vermindert; daher das helle B\u00fcschel auf der Nasenseite des Fixationspunktes im Gesichtsfelde, das dunkle B\u00fcschel auf seiner Schl\u00e4fenseite.","page":840},{"file":"p0841.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n841\nAendert man die Eintrittstelle des Stroms, so verschiebt sich die ganze Erscheinung entsprechend.\n1858. J. Czermak. Ueber das Accommodationspliosphen. Wiener Ber. XXVII, 78_80.\nArchiv f\u00fcr Ophthalmologie. VII, \\, p. -147 \u2014154.\n1803.\tR. Schelske. Ueber Farbenempfindungen. Archiv f\u00fcr Ophthalmol. IX, (3) S. 39 \u2014 62.\n1804.\tAubert. Physiologie der Netzhaut. Breslau. S. 333 \u2014 390.\n\u00a7. 18. Von der Reizung durch Licht.\nHerr A. Volkmann hat neue Versuche ver\u00f6ffentlicht, aus denen er schliesst, dass die Zapfen der Netzhautgrube nicht fein genug seien, um die wirklich stattfindende Sehsch\u00e4rfe des menschlichen Auges zu erkl\u00e4ren. Die Hauptversuche sind mit zwei feinen Dr\u00e4hten ausgef\u00fchrt, die vor hellem Grunde ausgespannt waren und mittels einer Mikrometerschraube so weit einander gen\u00e4hert werden konnten, bis der Zwischenraum zwischen ihnen dem Auge verschwand. Volkmann betrachtete diesen Zwischenraum als das kleinste sichtbare Object, und zog von seiner wirklichen Breite noch die Irradiationss\u00e4ume ab, durch welche die Breite der Dr\u00e4hte scheinbar vergr\u00f6ssert wird. Dadurch erhielt er ausserordentlich kleine Werthe f\u00fcr die kleinsten Bilder, welche sehr viel kleiner erschienen als die Zapfen der Netzhaut. Ich muss ihm gegen\u00fcber aber festhalten, was ich oben auf Seite 217 auseinandergesetzt habe, dass aus derlei Versuchen nicht folgt, dass die empfindenden Elemente der Netzhaut kleiner als das Bild des Zwischenraums der F\u00e4den seien, sondern nur, dass sie kleiner seien als die Distanz von der Mitte des einen dunklen Streifen bis zur Mitte des andern ; und die letzteren Distanzen sind auch bei Volkmann\u2019s Versuchen nicht merklich kleiner, als sie fr\u00fcher von andern Beobachtern immer gefunden worden sind.\nHerr Dr. Hirschmann hat die Versuche mit Systemen paralleler Dr\u00e4hte, wie sie oben S. 218 und 219 beschrieben sind, mit vielen Variationen wiederholt, um die g\u00fcnstigsten Bedingungen herauszufinden, und ist dabei ebenfalls bis zu Wertlien von etwa 50 Secunden Gesichtswinkel gekommen, welches auf der Netzhaut einer Breite von 0,00365 Millimeter entspricht. Nun ist aber nach den neuesten Messungen der Durchmesser der Zapfen in der Netzhautgrube, nach M. Schultze\t0,0020\tbis\t0,0025\nnach H. M\u00fcller\t0,0015\tbis\t0,0020\nnach Welcher\t0,0031\tbis\t0,0036.\nDie Zapfen w\u00e4ren hiernach also fein genug, um der Genauigkeit der genannten Wahrnehmungen zu entsprechen.\nBei anderen Versuchen hat Volkmann Buchstaben, Ziffern und andere Formen von Objecten betrachtet und sucht es wahrscheinlich zu machen, dass die Anzahl der Zapfen, auf welche das Bild dieser Objecte f\u00e4llt, nicht gross genug sei, um die betreffenden Formen unterscheiden zu k\u00f6nnen. Dabei scheint mir aber noch in Betracht zu kommen, dass wenn das Auge sich bewegt, das Bild eines Buchstaben sich nach einander auf verschiedenen Gruppen von Zapfen und in relativ verschiedener Lage zu den einzelnen Zapfen abbilden kann, und dass Unterschiede, die in der einen Lage des Bildes vielleicht verschwinden, in einer andern deutlich werden k\u00f6nnen.","page":841},{"file":"p0842.txt","language":"de","ocr_de":"842\nNACHTR\u00c4GE\nIch glaube deshalb nicht, dass wir gezwungen sind die Ansicht, dass die Zapfen der Netzhaut die empfindenden Elemente seien, aufzugeben. Andererseits kann nach den neuesten Beobachtungen von M. Schultze in Betracht kommen, dass die gegen die Aderhaut gewendeten und durch schwarzes Pigment von einander getrennten, stabf\u00f6rmigen Enden der Zapfen des gelben Flecks nur 0,00066 Mm. messen, und sie vielleicht allein, nicht die ganzen Zapfen die empfindlichen Elemente sind.\nDie \u00e4rztlichen Bestimmungen der Sehsch\u00e4rfe werden in der Regel mit Buchstaben von verschiedener Gr\u00f6sse ausgefiihrt, welche man aus gr\u00f6sserer Entfernung und mit passender Unterst\u00fctzung der Accommodation durch Brillengl\u00e4ser betrachten l\u00e4sst. Als Maass der Sehsch\u00e4rfe eines Auges benutzt man einen Bruch, dessen Z\u00e4hler der Abstand ist, in welchem jene Buchstaben noch gelesen werden konnten, dessen Nenner dagegen die Entfernung ist, aus der sie unter einem Winkel von 5 Winkelminuten erscheinen. Die letzteren Entfernungen sind bei Buchstabenproben, welche Snellen ver\u00f6ffentlicht hat, schon angegeben.\nIm Durchschnitt findet sich nacli Vroesom de Haan diese Genauigkeit im \\ 0. Lebensjahre gleich 1,1, im 40. gleich 1,0, im 80. gleich 0,5 und nimmt \u00fcberhaupt mit steigendem Lebensalter continuirlich ab.\nNach den Beobachtungen von E. Javal ist aber bei Correction des Astigmatismus und guter Beleuchtung (gleich der von 500 Kerzen in 1 Meter Entfernung) die Genauigkeit des Sehens um x/4 bis y3 gr\u00f6sser, als de Haan angab.\n1854.\tBergmann. Zur Kenntniss des gelben Flecks der Netzhaut. Henle und Pfeufer Zeitschr. (2) 245\u2014252.\n1855.\tBudge. Beobachtungen \u00fcber die blinde Stelle der Netzhaut. Yerhandl. des naturhist. Vereins d. Rheinlande. 1855. S. XLI.\n1860.\tG. Braun. Notiz zur Anatomie der St\u00e4bchenschicht der Netzhaut. Wien. Ber. XLII, S. 15\u201419.\n\u2014\tG. M. Cavallieri. Sul punto cieco dell\u2019 occhio. Atti dell\u2019 Istituto Lombardo. II, 89 \u2014 91.\n1861.\tH. M\u00fcller. Bemerkungen \u00fcber die Zapfen am gelben Fleck des Menschen. W\u00fcrzburger Zeitschrift f\u00fcr Naturk. II, 218 \u2014 221.\n1862.\tH. Snellen. Letterproeven ter bepaling der gezigtsscherpte, Utrecht.\n\u2014\tJ. Vroesom de Haan. Onderzoek naar den invloed van den leeftijd op de gezigtsscherpte. Utrecht.\n\u2014\tA. W. Volkmann. Physiologische Untersuchungen im Gebiete der Optik. Leipzig. Heft 1, S. 65.\n1863.\tWittich. Studien \u00fcber den blinden Fleck. Archiv f\u00fcr Ophthalm. IX, 3, S. 1\u201438.\n\u2014\tK. Vierordt. Ueber die Alessung der Sehsch\u00e4rfe. Ebenda. S. 219 \u2014 223.\n1864.\tAubert. Physiologie der Netzhaut. Breslau. S. 187 \u2014 251.\n\u2014\tW. Zehender. Historische Notiz zur Lehre vom blinden Fleck. Archiv f\u00fcr Ophthalm. X, 1, S. 152 \u2014155.\n\u2014\tO. Funke. Zur Lehre von den Empfindungskreisen der Netzhaut. Bericht der naturforsch. Ges. zu Freiburg i. Br. HI, S. 89 \u2014 116.\n\u2014\tDonders. Anomalies of accommodation and refraction. London, p. 188 \u2014 203.\n\u00a7. \\ 9. Die einfachen Farben.\nUeber die Durchstrahlbarkeit der Augenmedien f\u00fcr W\u00e4rme liegen neue Versuche von J. Janssen und R. Franz vor. Beide fanden die Absorptionskraft der Augenmedien f\u00fcr W\u00e4rmestrahlen verschiedener Art, namentlich auch f\u00fcr dunkle Strahlen der des Wassers sehr \u00e4hnlich. Nur die Hornhaut und Kry-stallinse scheinen nach Franz von den rothen Strahlen etwas mehr zu absorbiren","page":842},{"file":"p0843.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR LEHRE VON DFN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n843\nals Wasser. Beide Beobachter schliessen aus ihren Versuchen, dass W\u00e4rmestrahlen in merklicher Menge zur Netzhaut gelangen k\u00f6nnen, und dass der Grund, warum wir sie nicht empfinden, nicht in der Absorption der Strahlen, sondern in der Unempfindlichkeit der Netzhaut liege.\n1856. G. Wilson. On the transmission of actinic rays of tight through the eye and their relation to the yellow spot of the retina. Proc. of EdinU. Soc. Ill, 371-\u2014375. Edinb. J. (2) IV, 147 \u2014 149.\n1858.\tJ. Regnauld. Fluorescence des milieux de l'oeil. Inst\u25a0 1858. p. 410.\n1859.\tJ. Setschenow. Ueber die Fluorescenz der durchsichtigen Augenmedien. Archiv f\u00fcr Ophthalm. V, 2, S. 205 \u2014 209.\n\u2014\tJ. Smith. On the cotise of colour and the theory of light. Rep. of Brit. Assoc. 1859. (2) p. 22 \u2014 23. Proc. of Manchester Phil. Soc. 1859 \u2014 1860. p. 147 \u2014 1 49. Athen. 1859. (2) p. 434.\n1860.\tJ. Regnauld. Etude sur la fluorescence des milieux transparents de l\u2019oeil. Cosmos. XVI, 88 \u2014 90. Journ. de Pharm. (3) XXXVII, 104\u2014111.\n\u2014\tJ. Janssen. Sur l\u2019absorption de la chaleur rayonnante obscure dans les milieux de l\u2019oeil. C. R. LI, 128 \u2014131, 373 \u2014 374. Ann. de chim. (3) XL, 71\u201493. Journ. de pharm. (3) XXXVIII, 189 \u2014 192. Cosmos. XVII, 139\u2014140. Cimento XII, 132 \u2014 133.\n1862. \u00c7. Franz. Ueber die Diathermansie der Medien des Auges. Pogg. Ann. CXV, 266 \u2014 279. Phil. Mag. (4) XXIV, 176 \u2014 185. Arch, des sciences phys. (2) XVI, 140 \u2014141. Cimento XVII, 27.\n\u00a7. 20. Die zusammengesetzten Farben.\nCl. Maxwell hat eine wichtige Reihe von Versuchen \u00fcber Mischung der Spectralfarben angestellt, um die Farbent\u00f6ne der drei Grundfarben und die Form der drei Intensit\u00e4tscurven Fig. 119 Seite 201 zu bestimmen, welche nach Th. Young\u2019s Theorie die St\u00e4rke der einzelnen Grundfarben f\u00fcr jede Stelle des Spectrum ausdr\u00fccken. Er liess zu dem Ende weisses Licht durch drei Spalten, deren Weite und Stellung ge\u00e4ndert werden konnte, in einen dunklen Kasten treten. Das Licht ging dann durch zwei Prismen und wurde durch eine Linse auf einen Schirm vereinigt, wo es demnach drei theihveis sich deckende prismatische Spectra bildete. Ein Spalt in diesem Schirm liess eine der Mischfarben austreten, um in das Auge des Beobachters zu fallen. Der letztere, durch den Spalt blickend, sah vor sich die Fl\u00e4che der Linse gleichm\u00e4ssig bedeckt mit der betreffenden Mischfarbe. Durch eine andre Abtheilung des Kastens fiel von demselben weissen Lichte ein, ohne durch ein Prisma zu gehen. Durch einen passend angebrachten Spiegel von schwarzem Glase wurde dieses Weiss dem Beobachter ebenfalls zugelenkt, und dieser erblickte es als ein weisses Feld dicht neben der Linse. Seine Aufgabe bestand darin, die Stellung und Weite der drei Spalten, welche das prismatisch zerlegte Licht lieferten, so lange zu \u00e4ndern, bis die Mischfarbe der drei prismatischen Farben dem unver\u00e4ndert gespiegelten Weiss genau gleich aussah.\nEine bequemere Form gab Maxwell dem Instrumente sp\u00e4ter dadurch, dass er das durch die Prismen gegangene Licht von einem Concavspiegel wieder durch die Prismen zur\u00fcckwerfen liess. Dadurch wird das Ganze k\u00fcrzer und der Beobachter kommt dicht neben die Schlitze zu sitzen, so dass er diese selbst cinstellen kann, was ein grosser Vortheil ist.\nMaxwell brauchte als Grundfarben 1. ein Roth zwischen den Fraueniiofer\u2019-schen Linien C und D, von letztrer doppelt so weit entfernt, als von ersterer.","page":843},{"file":"p0844.txt","language":"de","ocr_de":"844\nNACHTR\u00c4GE\nEs w\u00e4re dies nach unseren oben festgesetzten Farbenbezeichnungen Scharlachroth \u00fcbergehend nach Orange. 2. ein Gr\u00fcn nahe der Linie E. 3. ein Blau zwischen F und G, von letzterem doppelt so weit entfernt, als von ersterem; etwa auf dem Uebergang von Cyanblau zu Indigblau.\nAus diesen dreien wurde w\u00e4hrend einer Beobachtungsreihe von Zeit zu Zeit immer wieder Weiss zusammengesetzt und die Breite der Spalten, die dazu n\u00f6thig war, notirt, um dadurch die unver\u00e4nderte Mischung des normalen weissen Lichts zu constatiren. Durch die Breite der Spalten wurde die Quantit\u00e4t des hierbei n\u00f6thigen Lichts gemessen. Dazwischen wurde dann aus je zweien der Grundfarben und einer beliebig gew\u00e4hlten dritten Farbe Weiss zusammengesetzt und der Ort der dritten Farbe im Spectrum nach einer neben den drei Spalten angebrachten Scala, so wie die Breite der Spalten notirt.\nWar das Weiss hinreichend unver\u00e4ndert geblieben, so erhielt man auf diese Weise eine Reihe von Farbengleichungen, aus denen der Ort der beobachteten Spectralfarben in einer Farbentafel bestimmt werden konnte, nachdem der Ort der gew\u00e4hlten drei Grundfarben in derselben willk\u00fchrlich festgesetzt war. Auf diese Weise erh\u00e4lt man nach wirklichen Beobachtungen die Form der Curve der Fig. 120 Seite 293, w'elche ich dort nach blosser Sch\u00e4tzung entworfen habe. Die von Maxwell so entworfenen Curven f\u00fcr zwei Beobachter schliessen sich der Umfangslinie des Dreiecks ARV sehr viel n\u00e4her an, als es in Fig. 120 der Fall ist, so dass die Curve zwei fast geradlinige Theile erh\u00e4lt. Ihre am meisten hervorspringenden Biegungen, die also den Ecken des vollst\u00e4ndigen Farbendreiecks am n\u00e4chsten zu kommen scheinen, entsprechen etwa den drei oben genannten Grundfarben. Doch m\u00fcsste nach den Beobachtungen des ersten Beobachters das Blau, nach denen des zweiten das Roth etwas mehr gegen das Ende des Spectrum hin genommen werden. Aber gerade f\u00fcr die lichtschwachen \u00e4ussersten Farben des Spectrum hatte die Beobachtung Schwierigkeit.\nAbweichend von der Fig. 120 ist es in Maxwell\u2019s Projectionen ferner, dass die Farbencurve mit ihren beiden Enden in Roth und Violett sich der dritten Seite des Dreiecks anzulegen scheint.\nMaxwell\u2019s Resultat widerspricht einigermassen meinem auf Seite 279 angegebenen und durch directen Versuch gewonnenen Satze, dass die Mischung zweier Spectralfarben immer etwas weisslicher ist, als die einfache Spectralfarbe, die jener Mischfarbe im Farbenton am n\u00e4chsten kommt. Daraus w\u00fcrde folgen, dass die Farbencurve nirgends gerade Strecken enthalten kann; denn die Farben, die auf einer geraden Liuie liegen, k\u00f6nnen durch gegenseitige Mischung aus einander gewonnen werden. Dieser Widerspruch mag sich daraus erkl\u00e4ren, dass gerade an den Grenzen des Farbendreiecks die Farbent\u00f6ne sich relativ am schnellsten \u00e4ndern m\u00fcssen, und dass deshalb, wenn auch seine Seiten eine nur sehr schwache Convexit\u00e4t, die bei Maxwell\u2019s indirecterer Untersuchungsmethode nicht bestimmt zum Vorschein kommt, haben, und ihre Sehne deshalb dem Bogen sehr nahe liegt, doch auf der Sehne schon merklich anders aussehende Farben liegen k\u00f6nnen, als auf dem Bogen.\nMaxwell hat ferner aus seinen Versuchen berechnet, in welcher St\u00e4rke die drei von ihm gew\u00e4hlten Grundfarben in den einzelnen prismatischen Farben","page":844},{"file":"p0845.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n845 '\nvorhanden sind und danach die Curven construirt, die ich in Fig. 119 schematisch angegeben habe. Seine Curven haben etwas spitzere Gipfel als die der Fig. 119, und die des Roth steigt wieder am violetten Ende, die des Blau am rothen Ende des Spectrum ein wenig.\nEs w\u00e4re wohl noch zu w\u00fcnschen, dass durch \u00e4hnliche Versuche, wie Maxwell\u2019s, untersucht w\u00fcrde, oh man aus gelblichem Gr\u00fcn und Goldgelb wirklich ganz genau spectrales Gelb, aus \u00e4usserstem Roth und Indigblau wirklich genau das spectrale Violett u. s. w. zusammensetzen kann, um danach die Form der Grenzen der spectralen Farbentafel noch directer zu bestimmen. Zu bemerken ist, dass die beiden Beobachter hei Maxwell ihre Mischungen aus Spectralfar-ben nicht ganz gleich zusammensetzten, um sie dem Weiss gleich zu machen, und dass jeder von ihnen die Mischungen, welche der andere gemacht hatte, nicht als vollkommenes Weiss anerkannte. Auch zeigte die Curve der Helligkeiten bei dem zweiten Beobachter (Maxwell selbst) in der Gegend der Linie F eine st\u00e4rkere Vertiefung, als bei dem ersten. Maxwell macht es wahrscheinlich, dass daran die verschiedene Intensit\u00e4t der Pigmentirung des gelben Flecks Schuld sei, da das gelbe Pigment (s. Seite 420) namentlich das Licht der Linie F zu absorbiren scheint. Deshalb erscheinen weisse Mischfarben, die jenes Blau enthalten, auch im indirecten Sehen nicht mehr weiss, wass ich selbst ebenfalls schon fr\u00fcher bemerkt hatte (s. Seite 305).\nDa die prismatischen Farben also bei verschiedenen Individuen durch verschieden intensive Schichten gelbgef\u00e4rbter Substanz gerade zu den mittleren Theilen der Netzhaut dringen m\u00fcssen, so wird ihre St\u00e4rke dadurch verschieden ge\u00e4ndert, und die von zwei Individuen entworfenen Farbendreiecke zeigen Abweichungen in der Vertheilung der Farben, wie sie dadurch entstehen k\u00f6nnen, dass man die (\u00fcbrigens willk\u00fchrlich festzusetzenden) Helligkeitseinheiten der drei Grundfarben ver\u00e4ndert. So wirkt in Maxwell\u2019s eigenen Augen das Roth relativ st\u00e4rker, das Blau relativ schw\u00e4cher, als in denen des andern Beobachters.\nAuch die Farbenempfindungen, welche constante elektrische Str\u00f6me hervorbringen, lassen sich nach Schelske mit objectiven Farben zusammensetzen und geben \u00e4hnliche Resultate. Der aufsteigende Strom mischt den gesehenen \u00e4usseren Farben bl\u00e4ulich violettes Licht zu, der absteigende Strom entzieht ihnen eine Quantit\u00e4t dieser Farbe. Es lassen sich sogar Farbengleichungen hersteilen f\u00fcr zwei Farbenscheiben, deren eine sich auf einer aufsteigend durchflossenen Netzhauth\u00e4lfte abbildet, die andere auf einer absteigend durchflossenen.\nDie obenauf Seite 300 erw\u00e4hnte Rothblindheit an der Grenze des Sehfeldes hat Schelske n\u00e4her studirt, indem er Farbengleichungen f\u00fcr die peripherischen Theile der Netzhaut herstellte zwischen Gelb und Blau einerseits; andrerseits Roth, oder Grau, oder Gr\u00fcn. Von den Spectralfarben erschien die Gegend der Linie F fast weiss, die brechbareren blau, Violett dunkelblau, die weniger brechbaren gr\u00fcn, das \u00e4usserste Roth sehr schwach und farblos, graulich.\nDass farbenblinde Personen alle Farben f\u00fcr ihr Auge aus je zwei Grundfarben zusammensetzen k\u00f6nnen, ist durch viele Beobachter constatirt worden. Zu einer genaueren Feststellung der fehlenden Grundfarbe haben diese Versuche aber noch nicht gef\u00fchrt, weil die Versuche mit Farbenscheiben, zu verschiedenen","page":845},{"file":"p0846.txt","language":"de","ocr_de":"846\nNACHTR\u00c4GE\nZeiten und mit verschiedenen Individuen angestellt, ziemlich ver\u00e4nderliche Resultate geben. Einmal hat der Wechsel der \u00e4usseren Beleuchtung, das von den gef\u00e4rbten Zimmerw\u00e4nden oder anderen Objecten reflectirte Licht sehr grossen Einfluss, wie ausser Maxwell auch E. Rose hervorgehoben hat. Dann bringt die Pigmentirung des gelben Flecks bei Farbenblinden nat\u00fcrlich eben solche Differenzen hervor, wie sie Maxwell bei Gesunden nachgewiesen hat. Bei der Beobachtung an Farbenscheiben, wo man Pigmentfarben benutzt, wird aber durch solche Absorption in dem gelben Pigment nicht blos die Helligkeit dieser Farben, sondern auch ihre Mischung ge\u00e4ndert, sie erhalten also, wenn man die zwei wirklichen Grundfarben und den Punkt des Schwarz in dem Farbendreieck feststellt, verschiedene Lage nach der Intensit\u00e4t der Pigmentirung des Auges. Wenn man aber drei solchen Pigmentfarben als Grundfarben im Farbendreieck constante Lage giebt, so bekommen umgekehrt die wirklichen Grundfarben und das Schwarz verschiedene Lage f\u00fcr verschiedene Individuen. Solche Verschiedenheiten in der Lage des Schwarz hat nun E. Rose beobachtet bei Farbenblinden, auch wenn er sie gleichzeitig und unter \u00fcbrigens gleichen \u00e4usseren Verh\u00e4ltnissen beobachtete, und daraus gefolgert, dass die Theorie von Th. Young nicht richtig sein k\u00f6nne. Indessen scheinen sich die vermeintlichen Widerspr\u00fcche einfach aus den angegebenen Verh\u00e4ltnissen erkl\u00e4ren zu lassen. Dies wird best\u00e4tigt durch Rose\u2019s Bemerkung, dass zu constanten Gleichungen nur zu kommen war, wenn die Farbenblinden immer denselben Punkt der Scheibe fixirten; jede Aenderung des Fixationspunktes ver\u00e4nderte bei vielen von ihnen die Farbengleichung. Es zeigt sich hierbei die Verschiedenheit, welche die Pigmentirung in der Farbenempfindung verschiedener Tlieile derselben Netzhaut hervorbringt.\nDaneben kommen nun auch F\u00e4lle unvollkommener Farbenblindheit vor, wie sie Herr Gladstone an sich beschreibt und wie sie auch von Herrn Dr. Hirschmann in meinem Laboratorium an einem Studirenden gefunden worden ist. Dabei wird die Einmischung ziemlich grosser Quantit\u00e4ten von Roth in eine Farbe nicht bemerkt. Uebersteigt aber die Menge des Roth eine gewisse Grenze, so wird es wahrgenommen. Wird dies \u00fcbersehen und betrachtet man ein solches Auge als ganz rothblind, so werden seine Farbengleichungen nat\u00fcrlich auch nicht genau mit den theoretischen Forderungen stimmen k\u00f6nnen.\nDie von E. Rose bei Tageslicht angestellten Beobachtungen ergeben \u00fcber\u00ab einstimmend mit Maxwell\u2019s und meinen Beobachtungen den schwarzen Punkt in der N\u00e4he des Scharlachroth, etwas nach dessen blauer Seite hin\u00fcber. Die meisten Beobachtungen aber hat E. Rose wohl nicht ganz zweckm\u00e4ssig bei k\u00fcnstlicher Beleuchtung mit Photogen angestellt, welche relativ arm an Blau ist, und wo gerade der Gehalt an Blau nach der bei wechselndem Luftzuge wechselnden Temperatur der Flamme verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig am meisten variirt. Da nun hierbei den Farbenblinden die Empfindung des Roth fehlt, Blau sehr wenig und in schwankender Menge in der Beleuchtung enthalten ist, noch dazu das brechbarere Blau, welches am meisten der Absorption in dem Pigment des gelben Blicks unterworfen ist und also bei solcher Beleuchtung in allen Farben f\u00fcr die Rothblinden Gr\u00fcn bei weitem \u00fcberwiegen muss, so d\u00fcrfen wir uns nicht","page":846},{"file":"p0847.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n847\nwundern, wenn unter diesen Umst\u00e4nden die von verschiedenen farbenblinden Beobachtern gefundenen Farbengleicliungen selbst an einem und demselben Abend nicht gut. \u00fcbereinstimmen. Ihre Punkte f\u00fcr Schwarz liegen in dem Farbendreieck alle zwischen Blau und Roth, aber, wie es durch die Schw\u00e4che des Blau bedingt wird, dem Blau n\u00e4her, als bei Tagesbeleuchtung.\nEs sind die Beobachtungen von E. Rose also durchaus nicht hinreichend, um die G\u00fcltigkeit der Theorie von Th. Young zu ersch\u00fcttern.\nVon den Mitteln, die derselbe Beobachter zur Untersuchung der Farbenblinden angewendet hat, ist noch zu erw\u00e4hnen: erstens die Beobachtung von Interferenz-spectren, entworfen durch Glasplatten mit feinen parallelen Linien, durch welche der Beobachtende nach einem erleuchteten Spalt hinsah. Zu jeder Seite des Spalts sieht man bekanntlich durch eine solche Platte eine Reihe von Spectren, von denen aber nur das erste ganz isolirt ist; das Roth des zweiten deckt schon das Violett des dritten. Farbenblinde, denen das rothe Ende des Spectrum verk\u00fcrzt ist, sehen auch das zweite Spectrum noch vom dritten getrennt. Hierbei wird aber nat\u00fcrlich viel auf die Beleuchtungsst\u00e4rke des Spalts ankommen. Zu einer vorl\u00e4ufigen Orientirung \u00fcber die Beschaffenheit eines untersuchten Auges scheint aber diese Bcobaclitungsweise recht brauchbar zu sein.\nSehr zweckm\u00e4ssig hat zweitens Herr E. Rose statt des Farbenkreisels, dessen richtige Einstellung immer viel Zeit und Geduld erfordert, die Farben benutzt, in denen Quarzplatten im polarisirten Lichte erscheinen. In seinem Instrumente, welches er Farbenmesser nennt, folgen in einer R\u00f6hre hinter einander: Ein Nicolsches Prisma A, ein rechteckiges Diaphragma B, ein doppeltbrechendes Prisma C, eine Quarzplatte D von 5 Millimeter Dicke, ein zweites Nicoffsches Prisma E, dann das Auge des Beobachters. Dieser erblickt zwei Bilder des Diaphragma B, entworfen von dem doppeltbrechenden Prisma C, beide Bilder dicht an einander stossend. Wegen der Drehung der Polarisationsebene in der Quarzplatte sind beide genau complement\u00e4r gef\u00e4rbt und ihre Farben k\u00f6nnen durch Drehung des Nicoffschen Prisma A ge\u00e4ndert werden. Drehung des andern Nicoffschen Prisma E ver\u00e4ndert die Helligkeit der Farben, ohne ihre Zusammensetzung zu \u00e4ndern, und wird gebraucht um beide gleich hell zu machen. Ein normales Auge kann bei einer Quarzplatte von der genannten Dicke keine Farbengleichung zu Stande bringen, wohl aber ein rothblindes Auge. Die als gleich eingestellten Farben sind rotli und blaugr\u00fcn; auch hier machen \u00fcbrigens verschiedene rothblinde Personen etwas verschiedene Einstellungen. Wenn man dickere Quarzplatten nimmt, oder mehrere gleichsinnig drehende Platten \u00fcber einander schichtet und noch eine aus zwei Prismen zusammengesetzte Platte von ver\u00e4nderlicher Dicke hinzuf\u00fcgt, wie sie in den Apparaten von Soleil zur Bestimmung des Zuckergehalts angewendet sind, kann man auch Farbengleichungen f\u00fcr das normale Auge herstellen, indem man ein Weiss aus Roth, Gr\u00fcn, Violett, ein zweites aus Gelb und Blau erh\u00e4lt. Doch zeigte sich auch hier zwischen den nicht farbenblinden Augen von Herrn Dr. Hirschmann und meinen eigenen ein Unterschied, wie ihn Maxwell\u2019s Untersuchungen erwarten Dessen.\nIn dem Santonin ist \u00fcbrigens ein Mittel gefunden worden, um auch gesunde Augen vor\u00fcbergehend violettblind zu machen. Damit die Wirkung schnell ein-","page":847},{"file":"p0848.txt","language":"de","ocr_de":"848\nNACHTR\u00c4GE\ntrete und nicht zu lange anhalte, nimmt man 10 bis 20 Gran santoninsauren Natrons. Nach 10 bis 15 Minuten f\u00e4ngff die Ver\u00e4nderung an und dauert mehrere Stunden. Uebrigens treffen dabei auch Uebelkeiten, grosse M\u00fcdigkeit und Gesichtsliallucinationen auf, so dass ein solcher Versuch nicht ohne Beschwerde ist. Durch gr\u00f6ssere Dosen werden Thiere get\u00f6dt|t. Die der Wirkung des Santonins unterworfenen Personen sehen helle Objecte gr\u00fcngelb, dunkle Fl\u00e4chen dagegen mit Violett \u00fcberzogen; das violette Ende des Spectrum verschwindet, Ihr Farbensystem ist dichromatisch, oder wenigstens ann\u00e4hernd so. Bei den Versuchen mit der Quarzplatte zeigte sich, dass bei massiger St\u00e4rke der Beleuchtung Farbengleichungen mit nur zwei Grundfarben im Santoninrausch hergestellt werden konnten, aber nicht bei gr\u00f6sserer Lichtst\u00e4rke. Die hergestellten Farbengleichungen blieben aber nicht l\u00e4ngere Zeit constant, sondern der Zustand ver\u00e4nderte sich fortdauernd ziemlich merklich. Es waren gelbe und violette Mischfarben, die f\u00fcr gleich erkl\u00e4rt wurden.\nDer Querschnitt des Sehnerven, mit dem Augenspiegel betrachtet, zeigte sich nicht gelbgef\u00e4rbt, so dass keine, oder wenigstens keine merkliche gelbe F\u00e4rbung der Augenfl\u00fcssigkeiten vorhanden war. Dagegen waren die Blutgef\u00e4sse der Netzhaut stark gef\u00fcllt.\nBeurtheilen wir diese Erscheinungen nach den Voraussetzungen von Young\u2019s Farbentheorie, so ist zu schliessen, dass die Empfindlichkeit der violettempfin-denden Nervenfasern an sich nicht verloren war, wohl aber die Endorgane (Zapfen der Netzhaut) unempfindlich gegen die Einwirkung des violetten Lichts geworden waren. Violettes und blaues Licht afficirte also das Auge nicht mehr, trotzdem offenbar aus inneren Erregungsursachen auf allen dunkleren Objecten Violett gesehen wurde. Es erinnert dies an das Gr\u00fcn, mit dem sich alle dunklen Fl\u00e4chen bedecken, wenn man ein rothes Glas dicht vor beide Augen nimmt. Ob sich nun im Santoninrausch blos der gew\u00f6hnliche Grad der inneren Netzhautreizung oder ein st\u00e4rkerer bemerklich machte, ist schwer zu entscheiden. Ja, es scheint sogar fraglich, ob wir es hier nicht blos mit einer Erregung der violettempfindenden Fasern durch das Santonin zu thun haben, welche die Empfindlichkeit des Auges gegen das objective violette Licht durch Erm\u00fcdung lierabsetzt und so eine unvollkommene Violettblindheit hervorbringt.\nDie Ver\u00e4nderung der objectiven Farben l\u00e4sst sich im Ganzen als Violettblindheit betrachten; ob die Schwankungen des Urtheils, welche E. Rose, sowohl bei den Farbenscheiben, wie mit den Polarisationsfarben des Quarzes beobachtet hat, vorn der wechselnden Injection der Netzhautgef\u00e4sse mit Blut, welches einigermassen, wie ein absorbirendes farbiges Medium wirken k\u00f6nnte, herr\u00fchren, ist aus den Versuchen noch nicht zu entscheiden.\nDaneben k\u00f6nnte man hier freilich ebenso, wie bei den nat\u00fcrlich Farbenblinden auch daran denken, dass nicht die Leistungsf\u00e4higkeit der Nervenfasern aufgehoben w\u00fcrde, sondern die Gestalt der Intensit\u00e4tscurven Fig. 119 f\u00fcr die drei Arten lichtempfindlicher Elemente sich \u00e4nderte, wobei dann eine viel gr\u00f6ssere Ver\u00e4nderlichkeit in dem Verhalten der objectiven Farben gegen das Auge eintreten k\u00f6nnte. Daf\u00fcr liesse sich anf\u00fchren, dass, wie E. Rose einige Male beobachtet hat, im Santoninrausch rothes und gelbes Licht gesehen, aber f\u00fcr","page":848},{"file":"p0849.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR LEHRE VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n849\nviolett gehalten wurde, als ob die Zapfen der violettempfindenden Fasern in ihrer Reaction gegen Licht denen der rothempfindenden \u00e4hnlicher geworden waren. Andererseits scheint sich nach den Beobachtungen von Hirschmann diese Erscheinung hinreichend aus der Verbreitung subjectiven violetten Lichts \u00fcber das ganze Gesichtsfeld, wie sie bei der Santoninwirkung eintritt, zu erkl\u00e4ren.\n'1858. de Martini. Effets produits sur la vision par la santonine. C. R. XLVII, 259 \u2014260.\n\u2014\tA. y. Baumgartner. Ein Fall ungleichzeitiger Wiederkehr f\u00fcr verschiedene Farben\" Wiener Ber. XXIX, 257 \u2014 258.\n\u2014\tG. Wilson. A note on the statistics of colour blindness. Year book of facts 4 858\np. 138 \u2014 4 39.\t1\t'\n4 859. J. F. W. Herschel. Remarks on colour blindness. Proc. of R. Soc X 72 si Phil\nMag. (4) XIX, 448\u2014 458.\n\u2014\tW. Pole. On colour blindness. Phil. Trans. CXLIX, 323 \u2014 339. Ann. de chimie\n(3)\tLXIII, 243 \u2014 256.\n\u2014\tT. L. Phipson. \u2018Action de la santonine sur la vue. C. R. XLVIII, 593________594.\n\u2014\tLef\u00e8vre. Action de la santonine. Ebenda. 448.\n\u2014\tE. Rose. Ueber die Wirkung der wesentlichen Bestandtheile der Wurmbl\u00fcthen Virchow Arch. XVI, 233 \u2014 253.\n4 860. J. J. Oppel. Einige Beobachtungen und Versuche \u00fcber partielle Farbenblindheit. Jahresber. d. Frankfurter Vereins. 4859 \u2014 4860. S. 70 \u2014 444.\n\u2014\tGladstone. On his oivn perception of colour. Athen. 4 860. II, 24. Rev of Prit\nAssoc. 4860.\t(2) p. 42 \u2014 4 3.\n\u2014\tE. Rose. Ueber die Farbenblindheit durch Genuss der Santons\u00e4ure. Vircliow Archiv. XIX, 522 \u2014 536. XX, 245 \u2014 290.\n\u2014\tA. de Martini. Sur la coloration de la vue et de l\u2019urine produite par la santonine. C. R. L, 544\u2014545. Inst. 4860. p. 4 08 \u2014 409.\n\u2014\tGu\u00e9pin. Note sur l\u2019action de la santonine sur la vue et son action th\u00e9raveutiaue C. R. LI, 794 \u2014 795.\n\u2014\tJ. C. Maxwell. On the theory of compound colours and the relations of the colours\nin the spectrum. Proc. Roy. Soc. X, 404 \u2014 409; 484\u2014486. Phil. Trans. CL 57 \u2014 84. Phil. Mag. (4) XXI, 4 41 \u2014146. Cimento XII, 33\u201437. Rep. of Brit. Assoc. 1860\t(2), p. 4 6.\n4 864. J. J. Oppel. Nachtr\u00e4gliche Bemerkungen zu dem vorj\u00e4hrigen Aufsatze \u00fcber Farbenblindheit. Jahresber. d. Frankf. Vereins. 1860 \u2014 4864. S. 42 \u2014 47.\n\u2014\tJ. Z. Laurence. Some observations on the sensibility of the eye to colour. Phil. Man\n(4)\tXXII, 220 \u2014 226.\n\u2014\tE. Rose. Ueber stehende Farbent\u00e4uschungen. Archiv f\u00fcr Ophthalm. VII (2), S. 72 \u2014 408.\n4 862. J. J. Oppel. Zur Veranschaulichung der Achromatopsie f\u00fcr nicht damit Behaftete.\nJahresber. d. Frankf. Vereins. 4 864 \u2014 1 862. S. 48 \u201455.\n4863. R. Schelske. Ueber Farbenempflndungen. Archiv f\u00fcr Ophthalm. IX, 3, S. 39 \u2014 62.\n\u2014\tE. Rose. Ueber die Hallucinationen im Santonrausch, Virchow Archiv. XXVIII.\n4 864. Aubert. Physiologie der Netzhaut. Breslau. S. 4 54 \u2014 4 86.\n4 865. R. Schelske. Ueber Rothblindheit in Folge pathologischen Proceses. Archiv f\u00fcr Ophthalm. XI ( 4 ), 4 74 \u20141 78.\n\u2014\tC. Boiin, Ueber das Farbensehen und die Theorie der Mischfarben. Pogg. Ann. CXXV, 87\u20141 18. (Versuch einer Theorie, \u00e4hnlich der von Grailich.)\n4 866. E. Br\u00fccke. Die Physiologie der Farben f\u00fcr dieZwecke der Kunstgewerbe. Leipzig.\n\u00a7. 21. Von der Intensit\u00e4t der Lichlempfindung.\n4 854. J. J. Oppel. Ueber den Einfluss der Beleuchtung auf die relative Lichtst\u00e4rke verschiedener Farben. Jahresber. des Frankf. Vereins. 4853 \u2014 54. S. 44\u201449.\n1858. A. C. Twining. The relation of illumination to magnifying power, when visibility is maintained.\n4861. IL Aubert. Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Netzhaut. Ablid. der schlesischen Gesellsch. 1 864. S. 49 \u2014 4 03.\nVolkmann. Ueber den Einfluss der Extension eines Lichtreizes auf des'sen Erkennbarkeit. G\u00f6ttinger Nachrichten. 1864. S. 4 70 \u20141 76.\nDerselbe. Ueber die Irradiation, welche auch bei vollst\u00e4ndiger Accommodation des Auges Statt hat. M\u00fcnchener Ber. 4864. (2) 75 \u2014 78.\nRncyklop. d. Physik. IX. IJrioniOLTZ, IMiysioIog. Optik.\n54","page":849},{"file":"p0850.txt","language":"de","ocr_de":"850\nNACHTR\u00c4GE\n1862.\tAubert. Ueber subjective Lichterscheinungen. Pogg. Ann. CXVII, 638 \u2014 641.\n1863.\tv. Wittich. Ueber die geringsten Ausdehnungen, welche man farbigen Objecten geben kann, um sie noch in ihrer specifischen Farbe wahrzunehmen. K\u00f6nigsberger Medic. Jahrb\u00fccher. IV, S. 23 \u2014 55.\n__ Volkmann. Physiologische Untersuchungen im Gebiete der Optik. Heft 1. Leipzig 1863.\n1864.\tG. Th. Fechner. Ueber die Frage des psychophysischen Grundgesetzes mit R\u00fccksicht auf Albert's Versuche. Leipziger Ber. 1864.\n__ Aubert. Physiologie der Netzhaut. Breslau. S. 23 \u2014153.\n\u00a7. 22. Dauer der Lichtempfindung.\nE. Br\u00fccke hat die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass bei Scheiben, wie Fig. 157, Seite 339, wenn sie mit einer gewissen Geschwindigkeit rotiren, die mittleren Ringe heller erscheinen, als die inneren oder \u00e4usseren, dass also bei einer gewissen Geschwindigkeit des Wechsels zwischen Weiss und Schwarz die Summe des Lichteindrucks nicht nur gr\u00f6sser ist, als bei langsamerem Wechsel, wobei jede Farbe ungest\u00f6rt von der andern f\u00fcr sich zur Erscheinung kommt, sondern auch gr\u00f6sser als bei schnellerem Wechsel, wobei Weiss und Schwarz sich zu gleichm\u00e4ssigem Grau vereinigen. Er fand, dass der Eindruck am st\u00e4rksten war, wenn auf die Secunde l7*/2 Licliteindr\u00fccke kamen, und dass er etwa doppelt so viel brauchte, um ganz gleichm\u00e4ssiges Grau zu sehen.\nBlickte er nach einer Scheibe, in welcher statt der weissen Sectoren Oeff-nungen waren, mit einer rothen Glasscheibe verdeckt, so wurde bei derjenigen Geschwindigkeit, welche die st\u00e4rkste Lichtwirkung gab, das Roth gleichzeitig weisslicher, was Br\u00fccke von der Einmischung des auf S. 377 erw\u00e4hnten positiven complement\u00e4ren Nachbildes des Roth ableiten zu k\u00f6nnen glaubt. Spectrales Gr\u00fcn wird unter denselben Umst\u00e4nden gelber, spectrales Blau nicht ver\u00e4ndert.\nEs handelt sich hierbei offenbar um eine coinplicirte Wechselwirkung zwischen Erregung und Erm\u00fcdung der Netzhaut. So oft der Eindruck des Weiss beginnt, steigert sich anfangs die Erregung eine gewisse kurze Zeit bis zu einem Maximum, um nachher durch die allm\u00e4lig zunehmende Erm\u00fcdung wieder abzunehmen. Ich bemerke dabei, dass ich mir Nachbilder von solchen flimmernden rotirenden weissschwarzen Scheiben, sowohl ohne Einschaltung eines rothen Glases, als mit einer solchen entwickelt habe, und dass der endliche nach-dauernde Zustand der Erm\u00fcdung f\u00fcr alle Theile der Scheibe genau derselbe und in dem Nachbild keine Spur eines Unterschieds zwischen den flimmernden und nicht flimmernden Ringen zu sehen ist, obgleich andrerseits das Nachbild scharf genug war, dass ich den Rand der Scheibe und den kleinen Knopf, der das Ende der Axe bildete, sehr wohl darin erkennen konnte.\nNehmen wir nun an, dass nach dem Vor\u00fcbergang jedes schwarzen Sectors dieser mittlere Zustand der Erm\u00fcdung wicderhergestellt sei, wie er schliesslich im Nachbilde andauert, so werden die ersten Momente des eintretenden Weiss den st\u00e4rksten Eindruck machen; wird der Eindruck dann abgebrochen, wenn er sein Maximum erreicht hat, so machen eben alle Sectoren der betreffenden Reihe dies\u00e8n Maximaleindruck, w\u00e4hrend bei einer geringeren Zahl l\u00e4nger dauernder Eindr\u00fccke die Zahl dieser Maxima eine geringere ist und die Dauer des allm\u00e4lig sich abschw\u00e4chenden Eindrucks die Verminderung ihrer Anzahl","page":850},{"file":"p0851.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR LEHRK VON DEN GESICHTSEMPFINDUNGEN.\n851\nnicht ersetzen kann. Ich m\u00f6chte den Eindruck der flimmernden Ringe einer solchen Scheibe auf mein Auge auch nicht so beschreiben, dass ich sagte, der ganze flimmernde Ring zeige eine gr\u00f6ssere Helligkeit \u2014 denn der ganze Ring hat ja fortdauernd seine dunklen Stellen \u2014; vielmehr erscheint das Weiss, soweit es sichtbar ist, auf den flimmernden Ringen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig am hellsten und reinsten, und es macht deshalb einen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig starken Eindruck auf das Auge. Der Eindruck eines hellen Lichts wird ja dadurch nicht aufgehoben, dass unmittelbar darauf Dunkel folgt.\nBlickt man nun durch ein rothes Glas nach der rotirenden Scheibe, so erscheint auf den schwarzen Sectoren das complement\u00e4re Blaugr\u00fcn des Eigenlichtes der Netzhaut (siehe Seite 368) sehr deutlich, dasselbe was auch in dem schliesslichen Nachbilde zur\u00fcckbleibt. Auf den flimmernden Sectoren, wo das Roth im Maximum seiner Helligkeit und Reinheit erscheint, ist es allerdings auffallend, wie sich im Gegensatz dazu auch das complement\u00e4re Blaugr\u00fcn st\u00e4rker der Aufmerksamkeit aufdr\u00e4ngt, so dass diese Ringe namentlich im indirec-ten Sehen geradezu bl\u00e4ulich auf dem rothen Grunde der Scheibe erscheinen. Ich muss aber von Br\u00fccke\u2019s Beschreibung darin abweichen, dass mir zwischen diesem flimmernden Blaugr\u00fcn das Roth des Ringes gerade ges\u00e4ttigter und gl\u00e4nzender erscheint, als auf den anderen Ringen, wenn ich meine Aufmerksamkeit darauf richte. Es ist dies ein solcher Fall, wo man zwei Farben entgegengesetzter Art scheinbar an demselben Orte \u00fcbereinander sieht, und es scheint mir, dass die abweichendste, wenn auch lichtschw\u00e4chere, das Blaugr\u00fcn, sich der Aufmerksamkeit am meisten aufdr\u00e4ngt. Indessen gebe ich zu, dass diese ganze. Lehre von dem farbigen Abklingen farbigen Lichtes noch eine zu .grosse Menge unerkl\u00e4rter complicirter Erscheinungen enth\u00e4lt, als dass man jetzt schon die Erkl\u00e4rungen der Einzelheiten vollkommen feststellen k\u00f6nnte.\nA. Fick hat die auf Seite 340 erw\u00e4hnten Versuche von Plateau wiederholt, und glaubt kleine Abweichungen von dem dort aufgestellten Gesetze gefunden zu haben, dass der Eindruck einer rotirenden Scheibe so ist, als w\u00e4re das Licht jedes Ringes gleichm\u00e4ssig \u00fcber den ganzen Ring ausgebreitet.\n1838. D. Brewster. On the duration of luminous impressions of certain points of the retina. Athen. 1838. II, 521.\n1860. W. Dove. Ueber einen besonderen Farbenkreisel des Herrn Lohmeier in Hamburg. Berl. Monatsber. 1860. S. 491. (Ist gleich dem Seite 350 beschriebenen D\u00e4daleum.)\n\u2014\tGoodciiild. Trocheidoskop. Dingier J. CLY1I, 181\u2014184. Pract. median. J. 1860. April 4. (Farbenscheiben f\u00fcr Contrasterscheinungen benutzt.)\n1862.\tF. Z\u00f6llner. Ueber eine neue Art anorthoskopischer Zerrbilder. Pogg. Ann. CXVI1, 477 \u2014 484.\n\u2014\tJ. J. Oppel. Vorl\u00e4ufige Notiz \u00fcber eine eigenth\u00fcmliche Augent\u00e4uschung in Bezug auf Rotationsrichtungen. Jahresber. d. Frankf. Vereins. 1861 \u20141862. S. 56 \u2014 37.\n\u2014\tD. Brewster. On the compensation of impressions moving over the retina. Rep. of\nBrit. Assoc. 1861\t(2), p. 29.\n1863.\tA. Fick. Ueber den seitlichen Verlauf der Erregung in der Netzhaut. Reichert und du Bois Archiv. 1863. S. 739 \u2014 764\n1864.\tE. Br\u00fccke. Ueber den Nutzeffect intermittirender Netzhautreizungen. Wiener Ber. XLIX, 21. Jan. 1864\n\u2014\tAubert. Physiologie der Netzhaut. Breslau. S 96 \u2014103.\n54 *","page":851},{"file":"p0852.txt","language":"de","ocr_de":"852\nNACHTRAG!\u2019\n\u00a7. 23. Die Ver\u00e4nderungen der Reizbarkeit.\n1857.\tMelsens. Recherches sur la persistance des impressions de la r\u00e9tine. Bail, de Bruxelles (2) III, 21A \u2014 252. CI. d. sc. 4 857. p. 735 \u2014777.\n1858.\tH. Aebert. lieber das Verhalten der Nachbilder auf den peripherischen Theilen der Netzhaut. Moleschott\u2019s Untersuchungen zur Naturlehre. IV, 215\u2014239.\n\u2014\u2022\tJ. M. S\u00e9guin. Note sur les couleurs accidentelles. C. U. XLVII, 198 \u2014 200.\n1859.\tH. Aubert. Ueber die durch den elektrischen Funken erzeugten Nachbilder. Moleschott Untersuchungen. V, 279 \u2014 314.\n1861. J. Smith. On the chromascope. Rep. of Brit. Assoc. 1860 (2), p. 05\u201466. Ebenda. 1861\t(2). 33.\n4 862. Aubert. Untersuchungen \u00fcber die Sinnesth\u00e4tigkciten der Netzhaut. Pogg. Ann. CXV, 87 \u2014 116. CXVI, 249\u2014278.\n\u2014 Rose. Presentations of colour produced under novel conditions. Rep. of Brit. Assoc. 1861\t(2), p. 33. (Aus interraittirendem Weiss und Schwarz).\n1864.\tAubert. Physiologie der Netzhaut. Breslau. S. 347 \u2014 386.\n1865.\tE. Br\u00fccke. Ueber Erg\u00e4nzungsfarben und Contrastfarben. Wiener Sitzungsber. LI.\n\u00a7. 24. Vom Contraste.\nBurckhardt hat eine Reihe von Versuchen \u00fcber die Contrastfarben in Nachbildern angestellt, welche im Allgemeinen ausserordentlich lebhaft sind, weil die Bedingungen f\u00fcr die Erzeugung des Contrastes hier besonders g\u00fcnstig sind. Dergleichen F\u00e4lle sind oben auf\tSeite 371\tund\t400 erw\u00e4hnt.\tDas Nachbild von Weiss, welches von einfarbigem Grunde\tumgeben ist, erscheint diesem\nGrunde gleichfarbig. Stossen an das weisse Feld zwei verschiedene Farben in gleicher Ausdehnung an, so erscheint\tdas Nachbild\tdes Weiss in\tder Mischfarbe der beiden Farben des Grundes.\tEntwirft\tman\tdas Nachbild\tauf farbigen\nGrund, so mischt sich der Farbe dieses Grundes noch die hinzu, welche das Nachbild auf weissem Grunde zeigen w\u00fcrde. Sehr h\u00fcbsch ist folgender Versuch. Eine Farbenscheibe mit zwei farbigen Sectorcn fixirt man, w\u00e4hrend sie still steht. Dann f\u00e4ngt man pl\u00f6tzlich an zu drehen, w\u00e4hrend man fortf\u00e4hrt zu fixi-ren. Man sieht das Nachbild dann auf der Scheibe in umgekehrter F\u00e4rbung der Sectorcn.\n1858.\tCiietreul. Note sur quelques exp\u00e9riences de contraste simultan\u00e9e des couleurs. C. It. XLVII, 196\u2014198. Dingier J. CXLIX, 435\u2014436.\n1859.\tNardo. Nota suite ombre colorale ottenute col solo concorso di luce bianche. Cimen-to IX, 352 \u2014 356. Atti dell\u2019 Islit. Veneto. V. Zeitschr. f\u00fcr Chemie. 1860. p. 18 \u2014 20.\n\u2014\tRagona. Su taluni fenomeni di colora\u00fcone soggettiva. Atli dell\u2019 Acad. Palermit. III. Zeitschr. f\u00fcr Chemie. 1859. p. 20\u201424.\n1860.\tG. Th. Fechner. Ueber die ContrastempfiiKlung. Leipzig. Ber. i860. S. 71\u2014145.\u2019\n\u2014\tOsann. Ueber Erg\u00e4nzungsfarben. W\u00fcrzb. Zeitschr. I, 61 \u2014 77.\n\u2014\u25a0\tFechner. Einige Bemerkungen gegen die Abhandlung Prof. Osann's \u00fcber Erg\u00e4nzungsfarben. Lcipz. Ber. 1860.\t146\u2014165.\n\u2014\u00bb\tJ. J. Oppel. Ueber farbige Schatten bewirkt durch weisses Licht. Jahresber. des\nFrankf. Vereins. 1859 \u20141860. S. 65\u201469.\n1861.\tRossolini. S\u00fclle ombre colorate. Atti dell\u2019 Istit. Lombardo. II, 318 \u2014 321.\n1862.\tH. Aubert. Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Netzhaut. Abhandl. der schlesischen\nGesellsch. 1861\t(1), S. 49 \u2014103, S. 344,\n\u2022\u2014\tG. Th. Fechner. Ueber den seitlichen Fenster- und Kerzenversuch. Leipz. Ber.\n1862. S. 27 \u201456.\n1865. Fr. Burckhardt. Die Contrastfarben im Nachbilde. Basler Verhandl. 1865.","page":852},{"file":"p0853.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR LEHRE VON DEN AUGENBEWEGUNGEN.\nSo3\nj. 25. Verschiedene subjective Erscheinungen.\n4 85t). H. M\u00fcller. Ueber die elliptischen Lichtstreifen von Purkinje. Verhandl. der W\u00fcrzburger Ges. IX , 30-\n1860.\tJ. Czermau. Ueber die entoptische Wahrnehmung der St\u00e4bchen- und Zapfenschicht. Wiener Ber. XLI, 644 \u2014 648.\n1861.\tDerselbe. Zur objectiven Erkl\u00e4rung einiger sogenannten subjectiven Gesichtsei--scheinungen. Wiener Ber. XL11I (2), S. 163\u2014 474.\n\u2014 Purkinje. Bemerkungen \u00fcber eine subjective Lichterscheinung. Prager Ber. 1861.\nS. 84.\n\u2014\tL. Reuben. On normal quasi-vision of the moving blood-corpuscles within the retina of the human eye. Silliman J. (2) XXXI, 325\u2014 338; 417.\n\u2014\tD. Brewster. On certain affections of the retina. Phil. Mag. (4) XXI, 20 \u2014 24. Silliman J. (2) XXXI, 417.\n\u2014\tDerselbe. On the optical study of thd retina. Athenaeum. 1861. p. 412. Rep. of\nBrit. Assoc. 1861.\t(2) p. 29\n\u00a7. 27. Dio Augenbewegungen.\nF\u00fcr die Theorie der Augenbewegungen m\u00f6chte ich hier nachtr\u00e4glich noch einen vielleicht nicht ganz unwichtigen Umstand erw\u00e4hnen. Die Befestigung des Auges an der Conjunctiva und selbst in dem Bindegewebe und Fettpolster der Augenh\u00f6hle ist eine solche, dass eine Verschiebung nach dem LiSTiNa\u2019schen Gesetz verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig die geringste Spannung dieser Theilo liervorbringen wird. Jede st\u00e4rkere Raddrehung des Auges, die vom LiSTiN\u00df\u2019schen Gesetze abwiche, w\u00fcrde nothwendig eine Zerrung und theilweise Faltung einzelner Streifen der Conjunctiva hervorbringen m\u00fcssen. So w\u00fcrde auch von dieser Seite her die Bewegung nach dem LisTiNo\u2019schcn Gesetze als die mit der geringsten Anstrengung und Unbequemlichkeit verbundene erscheinen, wie dies Fick und Wundt f\u00fcr die Muskeln geschlossen haben.\nZusatz zu Seite 5 16. Die stereographische Projection der Punkte einer Kugel in eine Ebene giebt noch ein bequemes Mittel ab, durch einfache Liniencon-struction die Gr\u00f6sse der Raddrehungen des Auges sowohl anschaulich, als auch messbar zu machen, im Fall man weitl\u00e4ufige Rechnungen vermeiden will.\nEs seien also die Punkte des Blickfeldes stereographisch in eine Ebene eingetragen. Hat man, wie Fick, Meissner, Wundt, die als Longiludo und Lalitudo bezeichneten Winkel f\u00fcr die Messung gebraucht, so kann man f\u00fcr die Eintragung in das Gesichtsfeld ein Linienschema gebrauchen, wie das der Meridiane und Parallelkreise auf einer Karte der \u00f6stlichen oder westlichen Erdhemisph\u00e4re. Die Meridiane messen Fick\u2019s Longitudo (l der Gleichungen 4 e) und 4f) Seite 497), die Parallelkreise seine Latitude) (m derselben Gleichungen). Die Meridiane einer solchen Hemisph\u00e4renkarte sind bekanntlich Kreisb\u00f6gen, welche durch beide Pole gehen und den geradlinigen Aequator schneiden in einer Entfernung vom Mittelpunkte,\nwenn R den Radius des Umfangs der Karte bezei-\nchnet. Die Parallelkreise schneiden die Peripherie an Punkten, deren Bogenentfernung von den Enden des Aequators gleich m ist, und den vertical en Durchmesser\ndes Kreises in einer Entfernung, welche gleich R tang gaben k\u00f6nnen alle diese Kreise construirt werden.\nist. Nach diesen An-","page":853},{"file":"p0854.txt","language":"de","ocr_de":"854\nNACHTR\u00c4GE\nBenutzt mau die ErhebungsWinkel X und die Seitenwendungswinkel /.i, so muss man die beiden Pole nach rechts und links legen, den Aequator vertical. Auch dann messen die Meridiane den Winkel X, die Parallelkreise den Winkel /.i.\nHat man, wie Volkmann die Lage der Punkte nach Meridianen des Blickfeldes und nach ihrem Winkelabstand vom Pole des Blickfeldes bestimmt, so muss man Liniennetze gebrauchen, \u00e4hnlich denen der polaren Hemisph\u00e4renkarten. Die Meridiane des Blickfeldes sind dann gerade Linien, die durch den Mittelpunkt des Kreises gehen und dieselben Winkel mit einander machen, wie jene Meridiane. Der Bogen\u00ab,\nvom Pol aus gemessen, ist auf ihnen durch die L\u00e4nge R tang\ndarzustellen.\nIn Fig. 213 stelle der Kreis afbg den Umfang des halbkugelf\u00f6rmigen Blickfeldes in stereographischer Projection dar; c sei sein Mittelpunkt und der Anfangspunkt\nf\u00fcr die Winkelmessungen, h der Punkt, f\u00fcr den die Raddrehung des Auges zu bestimmen sei. Wir unterscheiden zwei F\u00e4lle:\n1. Der Mittelpunkt c entspricht der Prim\u00e4rlage des Auges.\nConstruction. F\u00e4lle ein Loth hi von h auf die Horizontallinie ab und verl\u00e4ngere es bis zum Punkte i, der ebenso weit von ab entfernt ist, wie h. Ziehe hf und if. Der Winkel hfi ist dann gleich dem Winkel, um den der verticale Meridian des Auges gegen die Verticallinie gedreht ist. Dies ist der Winkel k' der Gleichungen 4 e) und 41) Seite 497.\nBeweis. Wenn c die Prim\u00e4rlage des Auges ist, und der Blick von c nach h l\u00e4ngs der geraden Linie ch (die einen Meridian des Blickfeldes darstellt) bewegt wird, so verschiebt sich c h nach dem LiSTiN\u00f6\u2019schen Gesetze in sich selbst. Da nun gleiche Fl\u00e4chenwinkel in den stereograpischen Projectionen immer durch gleiche ebene Winkel dargestellt sind, so muss ein verticales Linienelement des Sehfeldes, welches- den Blickpunkt c schneidet, beim Blicke nach h denselben Winkel mit der","page":854},{"file":"p0855.txt","language":"de","ocr_de":"ZUR LEHRE VON DEN AUGENBEWEGUNGEN.\n855\nLinie cl machen, wie vorher, das heisst wieder vertical gerichtet sein. Dagegen eine durch das Auge und h gehende absolut verticale Ebene schneidet das Blickfeld in dem durch den Bogen fhig dargestellten gr\u00f6ssten Kreise. Der Winkel zwischen dem verticalcn Netzhautmeridian und der durch die Blicklinie gelegten Verticalebene ist gleich dem Winkel zwischen der Tangente des Kreises fhig in h und der vertiealen Linie hi, welche Sehne des Kreises ist, und dieser Winkel ist wiederum gleich dem Peripheriewinkel \u00fcber der Sehne hi; ein solcher ist hfi. Denn l\u00e4sst man die Spitze des Peripheriewinkels \u00fcber der Sehne hi dem Punkte h unendlich nahe r\u00fccken, so wird daraus jener Winkel zwischen der Sehne und der Tangente in h.\nDen Winkel hfi kann man construirai, ohne den Kreis fhig zu construirai; deshalb habe ich ihn in der oben vorgeschriebenen Construction benutzt. Um den Sinn der Drehung zu bezeichnen, bemerke man: es liegt der verticale Meridian der Netzhaut gegen die. absolute Verticale so gedreht, wie die Linie fi gegen fh liegt (in dem Falle der Fig. 245 also rechts herumgedreht).\nConstruction f\u00fcr die Lage des Netzhauthorizontes. Man f\u00e4lle von h ein Loth auf den vertiealen Durchmesser fg, verl\u00e4ngere es bis zum Punkte k, der ebenso weit von fg entfernt ist, wie h; ziehe ha und ka, so ist kah der Winkel, den der Netzhauthorizont mit der Visirebene macht, bei der Richtung des Blicks nach h. Und zwar liegt der Netzhauthorizont gegen die Visirebene so gedreht, wie ak gegen ah, das heisst in dem Falle der Fig. 245, links herum.\nBeweis, wie vorher.\n2. Wenn der Mittelpunkt c nicht der Prim\u00e4rstellung der Blicklinie entspricht.\nIn diesem Falle kommt zu den Winkeln hfi und hak noch eine Correction hinzu, die in folgender Weise durch Construction gefunden werden kann.\nConstruction. Die Richtung der Prim\u00e4rstellung der Gesichtslinie entspreche dem Punkte m der Projection. Man ziehe mc und verl\u00e4ngere es bis n soweit, dass\nne. mc \u2014 ac. ac.\nDann ist n die Projection des dem Punkte m im kugeligen Blickfelde diametral gegen\u00fcberliegenden Punktes. Man ziehe hn, so ist die Drehung des vertiealen Netzhautmeridians gegen die Verticale gleich\n< hfi \u2014 2 <f hnm\nund die Drehung des Netzhauthorizonts gegen die Visirebene gleich\n\u2014 < kah \u2014 2 <C hnm.\nDie Winkel subtrahiren sich, wenn ihr zweiter Schenkel gegen den nach h gerichteten Schenkel gleichsinnig gedreht ist; sic addiren sich, wenn die zweiten Schenkel ungleichsinnig gedreht sind.\nBeweis. Da m und n diametral gegen\u00fcberliegende Punkte sind, so stellen die durch m und n gelegten Kreise, so wie auch die gerade Linie mn, Meridiane des Blickfeldes vor, welche durch die Prim\u00e4rstellung der Blicklinie gehen und sich also in sich selbst verschieben, wenn sie vom Blicke durchlaufen werden. Es sei zuerst der B\u00fcck nach c gerichtet und nehme das Nachbild einer vertiealen Linie auf; dieses ist selbst vertical und f\u00e4llt in die Linie fg. Jetzt wandere der Blick nach m. Das Nachbild, wo es m schneidet, muss wieder vertical liegen. Jetzt","page":855},{"file":"p0856.txt","language":"de","ocr_de":"856\nNACHTR\u00c4GE ZUR PHYSIOLOGISCHEN OPTIK.\nf\u00fchre man den Blick von in nach h, l\u00e4ngs des gr\u00f6ssten Kreises, der durch den Bogen mhn dargestellt ist; das Nachbild muss in h mit der Tangente des Kreises denselben Winkel machen, wie die Verticale mit der Tangente in m. Das Nachbild wird also abgelenkt von seiner verticalen Richtung um den Winkel, den die Tangenten in m und h mit einander machen, oder um den doppelten Betrag des auf dem Bogen hm stehenden Peripheriewinkels hnm. Um so viel kleiner wird also auch der Winkel zwischen dem Nachbilde und dem verticalen gr\u00f6ssten Kreise fhig, verglichen mit dem fr\u00fcheren Falle, wo die Prim\u00e4rlage in c war.\nDie gleiche Betrachtung gilt f\u00fcr horizontale Nachbilder, die im Netzhauthorizonte liegen.\n\u00a7. 32. Wettstreit der Sehfelder.\nDurch einen Irrthum ist die Beschreibung von Albert's auf S. 790 erw\u00e4hntem Episko-tister ausgefallen. Derselbe besteht aus zwei aneinander gelegten, geschw\u00e4rzten Messingscheiben, in deren jeder vier Sectoren von je 48\u00b0 ausgeschnitten sind, und die sich gegen einander so verschieben lassen, dass vier Spalten \u00fcbrig bleiben, deren Breite von 0\u00b0 bis 48\u00b0 beliebig ver\u00e4ndert werden kann. Werden dieselben in schnelle Rotation versetzt, so erhalten sie das Ansehen und die Wirkung eines grauen Glases von einem leicht und genau zu berechnenden Grade der Lichtschw\u00e4chung. Das Instrument ist von Aubert beschrieben in seiner Physiologie der Netzhaut S. 30. 34. 283; ein \u00e4hnliches hatte auch schon Talbot construira s. Poggendorffs Annalen. 1838. XXXV, 489.","page":856},{"file":"p0857.txt","language":"de","ocr_de":"Sac h- Register.\n(Die Ziffern bedeuten die Seitenzahlen.)\nAberration, sph\u00e4rische 39. 437.\nAbkling en, farbiges, der Nachbilder 371 \u2014 382. Nach momentanem Eindruck 374 \u2014 372. Nach l\u00e4ngerem Eindruck 373 \u2014 376. Nach farbiger Beleuchtung 376 \u2014 379. Nach wiederholtem Eindruck von Weiss 380 \u2014 382.\nAbsorption der dunklen W\u00e4rme im Auge 234 \u2014232. 84-2 \u2014 843, Der ultravioletten Strahlen 232\u2014233.\nAbsorptionsfarben, ihr Zustandekommen 274. Ihre Mischung 274 \u2014 276.\nAbstand des Brennpunkts von der Netzhaut nach verschiedener Entfernung des Objects 4 00. Der Cardinalpunkte des Auges von einander 08. 4 4 4 \u2014 4 1 2. Der Cardinalpunkte der Krystallinse 81.\nAbweichung, chromatische, in Linsen 38. chromatische, im Auge 4 23 \u2014 4 36, sph\u00e4rische der gebrochenen Strahlen 39. 137. Der scheinbar verticalen Meridiane 543 \u2014 346. 703\u2014707. Deren Grund 715 \u2014 716. Der Gesichtslinie von der Augenaxe 70. 86. Der Sehweiten f\u00fcr horizontale und verticale Linien 140 \u2014143.\nAccommodation 92\u2014123. Ihre Erscheinungen 92\u2014 102. Ihr Mechanismus 103 \u2014 4 23. 831\u2014833. Beobachtet im Augenspiegel 189. Ihre Breite 825\u2014828. Abh\u00e4ngigkeit von der Convergenz 475, A. f\u00fcr die Ferne ist der Ruhezustand des Auges 823, A. an ausgeschnittenen Augen 107 \u2014 4 08. Theorien ihres Mechanismus 410\u2014\u25a0 111. 118\u2014123. 831\u2014833, A. als Mittel zur Beurtheilung der Entfernung 633 \u2014 634.\nAccommo d ationslinien 92.\nAccommodationsphosphen 199.\nAchromatische Linsen 39.\nAchromatopsie 294 s. Farbenblindheit.\nAdaptation des Auges 92 s. Accommodation.\nAderhaut 12\u201413 s. Chorioidea.\nA.\nAmetropische Augen 826. Anaglyptoskop 628.\nAnalogieschl\u00fcsse 430. 447 \u2014 453. Anordnung, fl\u00e4chenhafte, der gesehenen Objecte 533 \u2014 534. 800.\nAnorthoskop 352 \u2014 354. 605. Anschauung, Definition 435, Zusammenhang mit den Augenbewegungen 728 s. Wahrnehmung.\nAn t irrhe osko p 619.\nAplanatische, brechende Fl\u00e4chen 39.137. Arteriae ciliares 14, centralis Retinae 24, s. Netzhautgef\u00e4sse.\nAstigmatismus 140 \u2014143. 445. 446. 834\u2014 836.\nAstrometer 329.\nAsymmetrie des brechenden Apparats im Auge 86, des scheinbar verticalen Meridians 545\u2014546; s. Astigmatismus. Atrope Linie 483. 492.\nAtropin, Wirkung auf die inneren Augenmuskeln 825.\nAufmerksamkeit, Einfluss auf die Wahrnehmungen 431. Mittel sie zu fesseln 772 \u2014 774.\nAugapfel, Dimensionen 7. Befestigung 27. 457. 853.\nAuge der wirbellosen Thiere 2 \u2014 3. Der Wirbelthiere 3 \u2014 4.\nAugenaxe 67. Ver\u00e4nderung ihrer L\u00e4nge bei Accommodation 107. 417. 831. Augenh\u00f6hle 27.\nAugenkammer, hintere 49. 25. 820 \u2014 824, vordere 25.\nAugenleuchten 464 \u2014167- 189 \u2014190. 208. Augenlider 29.\nAugenmaass 536 \u2014 572, f\u00fcr lineare parallele L\u00e4ngen 541\u2014544, f\u00fcr Linienkr\u00fcmmung 545, f\u00fcr Parallelismus 545, f\u00fcr Winkel 546, f\u00fcr nicht parallele L\u00e4ngen 540 \u2014 547, Theorie f\u00fcr das Blickfeld 547 \u2014 548.","page":857},{"file":"p0858.txt","language":"de","ocr_de":"858\nSACH-REGISTER.\n800. A. im indirecten Sehen 550\u2014 860, T\u00e4uschungen 862 \u2014 872 s. auch Tiefenwahrnehmung.\nAugenmuskeln, \u00e4ussere 28. Hypothetische Wirkung bei der Accommodation d 07. 147.\n831. Wirkung bei den Augenbewegungen 470 \u2014 471.\nAugenspiegel 167. 480 \u2014 187. 838 \u2014 839.\nbinocularer 684 \u2014 685. Theorie 173 \u2014180. Autophthalmoskop 838.\nHas allinie 461.\nBeleuchtung des Augengrundes 166. 180\u2014 183, momentane 867. 740 \u2014 744. 784\u2014785, farbige 393 \u2014 398. 407 \u2014 411, Mittel ihre Farbe zu erkennen 397 \u2014 398 , Intermitti-rende erscheint continuirlich 338 \u2014 342, zur Beobachtung bewegter K\u00f6rper angewendet 342 \u2014 344, farbiges Abklingen derselben 380 \u2014 382. 881.\nBelladonna, ihre Wirkung auf Iris und Ciliarmuskel 828.\nBewegungen des Auges 487 \u2014 828. 883 \u2014 886, beider Augen von einander abh\u00e4ngig 471 \u2014 478. 799. Des Bluts entoptisch sichtbar 382. 424 \u2014 428. 837 \u2014 838, des Kopfes giebt Tiefenwahrnehmung 634\u2014636, scheinbare bei Schwindel 602 \u2014 60S. 619, intermittirender Bilder 349, subjectiver Erscheinungen 202.\nBilder, optische 37. 618, entworfen durch eine Kugelfl\u00e4che 46. 47, ihre Gr\u00f6sse steht in Beziehung zur Convergenz der Strahlen 80, auf der Netzhaut 61\u201465. 90 \u2014 92. 188, gespiegelte der Krystallinse 4 05, von Prismen entworfen 237. 282 \u2014 259.\nBindehaut 29.\nBinoculares Sehen 636 \u2014 794. 801 \u2014820, Empiristische Theorien desselben 801\u2014807. 818 \u2014 820. Theorie von Panum 807 \u2014 809. von Hering 809 \u2014 818.\nBioskop 686.\nBlendung oder Iris 12.\nBlickebene 461, ihre Prim\u00e4rlage 537.\nBlickfeld 461. 536.\nBlicklinie 460.\nBlickpunkte 460. 536, sind Deckpunkte 698.\nB.\nBlinde, ihre Wahrnehmungen nach der Operation 586 \u2014 893.\nBlindeFIeck 210\u2014213. 222. Messung seiner Gr\u00f6sse 212, Seine Ausf\u00fcllung 573 \u2014 583.\nBlutlauf, subjectiv sichtbar 382. 424 \u2014 425. 837 \u2014 838.\nBrachymetro pische Augen 826-\nBraun, als Farbe 281.\nBrechung des Lichts 35, ihr Gesetz aus-gedr\u00fcckt durch die optische L\u00e4nge 239, Br. an einer Kugelfl\u00e4che 42 \u2014 50, in cen-trirten Systemen von Kugelfl\u00e4chen 50 \u2014 60, in Linsen 60 \u2014 64, im Auge 64 \u2014 89, in der Hornhaut 67. 70'\u201471, in der Krystall-linse 71\u201476. 79 \u2014 83, in Prismen 225. 249\u2014261, in einem Ellipsoid 142.\nBrechungsverh\u00e4ltniss 36, die der Augenmedien 76\u201479, totales der Krystallinse 81 , verschiedenfarbiger Strahlen 230.\nBre ch un gs verm\u00f6gen 36.\nBrechungswinkel 36.\n'Breitenwinkel 710.\nBrennebene 40. 48.\nBrennlinien 43, auf der Iris sichtbar 109, nicht homocentrischer Strahlen 4 43. 247.\nBrennpunkte 39. 47. 56, des Auges 67, f\u00fcr verticale und horizontale Linien verschieden 4 40. 4 45, ihre analytischen Bedingungen 248, wechselnde Entfernung von der Netzhaut 100.\nBrennweiten 39 \u2014 40, verhalten sich wie die Brechungsverh\u00e4ltnisse des ersten und letzten Medium 54 \u2014 85, der Linsen 63, des Auges 68. Aenderungen bei der Accommodation 411.\nBrillen 97. 829 \u2014830. Ihre stereoskopische Wirkung 672.\nc.\nCamera obscura 38, kann stereoskopisch wirken 686.\nCanal godronn\u00e9 oder Petiti 26.\nCardinalpunkte optischer Systeme 39. 47 \u2014 48. 53. 55, ihr Gebrauch 41, des Auges 67. 83 \u2014 85, des accommodirten Auges 1 1 4. 834 .\nGausalgesetz, sein Ursprung und seine Bedeutung 453 \u2014 485.\nCentrirung, mangelhafte des Auges 86.\nCentrirte, optische Systeme 37. Brechung in ihnen 50\u2014 60.\nCentrum, optisches der Linsen 60, der\nRichtungslinien 69, der Visirlinien 93, der Blicklinien 460, der Sehrichtungen 607.\nChiasma nervorum opticorum 27.\t762.\n802 \u2014 803.\nChorioidea 12 \u201413, ihre Gef\u00e4sse im Augenspiegel sichtbar 488 , nicht ganz undurchscheinend 157.\nChromatischeAbweichung der Glaslinsen 38, des Auges 125\u2014 4 36.\nCiliarforts\u00e4tze 12.\nCiliarmuskel 12. 824. Wirkung bei Accommodation 410. 832 \u2014 833.\nCirculi arteriosi Iridis 14.","page":858},{"file":"p0859.txt","language":"de","ocr_de":"SACH-REGISTER.\n859\nComplement\u00e4rfarben 277 \u2014 278, in den Nachbildern 367 \u2014 371. Durch Contrast 388 ff. 393 \u2014 400. 404 \u2014 414. 780 ff.\nCongruenzebene in der Reliefperspective 660. 670.\nConjugirte Verein igungspunkte der Strahlen 37. 45.\nCo nj une tiva 29.\nContrast 388 \u2014 417, simultaner 388. 392 \u2014 414. 852, successiver 388 \u2014 392, scheinbare Umkehrung 400 \u2014 402, C. auf kleinem Felde 401 \u2014 407, Theorie desselben 414 \u2014 416, f\u00fcr Linienrichtungen 571, binocularer 785\u2014793.\nC on trolle der Augenstelhingen durch die Bilder 601 \u2014602. 801.\nConvergenz, Einfluss auf Raddrehung der Augen 468 \u2014 469 , Einfluss auf Beurtheilung\nD\nD\u00e4daleum 350.\nDaltonismu s 294.\nDauer der Lichtempfindung 336. 344\u2014 346.\nDeckpunkte 698 s. CorrespondirendePunkte.\nDem ours Membran 5.\nDescemetsclie Membran 5.\nDiffraction des Lichts 33, in der Pupille 144----146.\nDilatator Pupillae 13. 821.\nDirectes S eben 65.\nDirections kreise 493, erscheinen gerade 548 \u2014554.\nDisparate Punkte 698.\nDispersion des Lichts 34, im Auge 125. 131. 233.\nDivergenz der Augen 475, Einfluss auf die Tiefenwahrnehmung 653.\nDonders\u2019 Gesetz der Augenbewegungen 462, theoretische Begr\u00fcndung 479.\nDoppelbilder, monoculare 139. 616, bino-\nder Richtung 607\u2014613, Mittel zur Beur-thejlung der Entfernung 649 \u2014 659. 801, Einfluss auf Accommodation 828.\nGornea s. Hornhaut.\nC orresp ondiren de Empfindu ngskreise 742. 806 \u2014 809.\nCorrespondirende Punkte beider Netzh\u00e4ute 698\u2014713, verschieden in das Gesichtsfeld projicirt 736 \u2014 739, Geometrische Bestimmung ihrer Lage 745 \u2014 750, Theorie ihres Ursprungs 762. 802. 803.\nCurve dritten Grades 713. 752.\nCyanblau 227, seine Absorption im gelben Fleck 418 \u2014 424. 845-\nCy cl openauge, imagin\u00e4res 611. 744 \u2014 745.\nCylindrische Brillengl\u00e4ser 147. 835 \u2014 836.\nculare 695 \u2014 745, gleichnamige und ungleichnamige 696 \u2014 697, ihre scheinbare Entfernung 719 \u2014 720.\t813 \u2014 818, ihre\nVerschmelzung 725 \u2014\u2022 736. Einfluss der Augenbewegungen darauf 739 \u2014 742, Richtung, in der sie projicirt werden 744\u2014745.\nDrehungen des Auges, geometrisch 486 \u2014 497, stereographisch dargestellt 514\u2014515.\nDrehungsaxen f\u00fcr die Augenmuskeln 470\u2014 471. Lage ihrer Ebene nach Listing\u2019s Gesetz 467 \u2014 468. 490\u2014491.\nDrehungscentrum des Augapfels 458. 516.\nDrehungsgesetz des Auges 463, seine theoretische Begr\u00fcndung 479 \u2014 486. 497 \u2014 509, seine Pr\u00fcfung mittels der Nachbilder 517 \u2014 519, mittels des blinden Flecks 520. durch binoculares Sehen 522 \u2014 524.\nDruck im Auge 6, Einfluss auf den Blutlauf 198, subjective Erscheinungen, die er hervorruft 197. 428. 614. 616.\nDruckbilder 196.\nEigenlicht der Netzhaut 201.313. 357. 364.\nEigenschaften der Objecte bestehen in ihren 'Wirkungen auf andere 444\u2014445.\nEinfallsebene, Einfallsloth, Einfallswinkel 35.\nElektrische momentane Beleuchtung 567. 740\u2014741. 784 \u2014 785. 802.\nElektrische Reizung des Sehnervenapparats 202 \u2014 207. 845.\nEmmetropische Augen 828.\nEmpfindungen, subjective schwer zu beobachten 431 \u2014 433, zusammengesetzte zu analysiren 433\u2014435, nicht durch Vorstellung zu beseitigen 437. 817, unmittelbar auf das Object bezogen 449. 453. 541 , ihre Bedeutung als Symbole \u00e4usserer Qualit\u00e4ten I94. 442. 797.\nEmpfindungskreise 561, correspondirende 742. 806 \u2014 809.\nEmpiristische Theorie der Wahrnehmungen 435. 441 \u2014535. 606. 796 \u2014 804. 819.\nEntfernung der Objecte, beurtheilt nach scheinbarer Gr\u00f6sse 623, nach der Deckung der Objecte 624, nach der Luftperspective 629, nach der Accommodation 633 \u2014 634, mittels Bewegung 634\u2014636, binocular 636 , nach der Convergenz 649 \u2014 654.\nEntoptische Erscheinungen 148\u2014163. 616. 837 \u2014 838.\nEntoptische Parallaxe 150. 161.\nEpiskotisten 790. 856.\nErfahrung, Einfluss auf die Wahrnehmungen 436 \u2014 441 , auf das Princip des Experimen-","page":859},{"file":"p0860.txt","language":"de","ocr_de":"860\nSACH - REGISTER.\ntirais gegr\u00fcndet 450 \u2014 453 s. Empiristische Theorie.\t\u00bb\nErhebungswinkel des Blicks 461. 496. Erm\u00fcdung der Netzhaut durch Licht 362. 850, f\u00fcr Convergenz 655. 801 , durch Ac-commodationsanstrengung 830.\nErregung der Netzhaut durch Licht 194 \u2014195. 209 \u2014 223, mechanische 195 \u2014 200, durch innere Ursachen 200\u2014202, elektrische 202 \u2014 207. 839 \u2014 841. Erweiterer der Pupille 13. 821.\nF.\nFarben, einfache 225, Festsetzung ihrer Namen 227. 236, erscheinen ver\u00e4nderlich nach der Lichtintensit\u00e4t 234. 319, ihre Ueberg\u00e4nge 235, verglichen mit den T\u00f6nen der Scala 236. 269 \u2014 270, gemischte 272 \u2014\n289.\t843 \u2014 845, zwei in demselben Felde \u00fcbereinander gelagert 273. 407. 781, ihr Aussehn an der Grenze des Gesichtsfelds 301. 845, inducirte, inducirende, reagirende, resultirende F. 388, prim\u00e4re und reagirende 357, der Nachbilder 366 \u2014 383.\nFarbenblindheit 294\u2014'299. 845 \u2014 848, peripherische der normalen Augen 301. 845. Farbenkreis s. Farbentafel. Farbenkreisel s. Farbenscheiben. Farbenmesser (E. Rose) 847. Farbenmischung, monoculare 272 \u2014 288, binoculare 774 \u2014 782. 789. Farbenpyramide 283.\nFarbenscheiben 274. 288 \u2014 289. 341 \u2014 350. 851.\nFarbentafel, das System der Farben darstellend 282\u2014290. 844.\nFarbentheorie von Brewstek 265. 268.\n290,\tvon Goethe 267 \u2014 268, von Grailich 301 \u2014302, von Tu. Young 291 \u2014294. 320. 367. 369. 377. 386. 780 \u2014 782. 846 \u2014 848.\nFarbentou 280.\nFarbenunterscheidung auf kleinen Feldern 300.\nFarbenwechsel im Nachhilde 359. 367. 371 \u2014382.\nFarbenzerstreuung 34, im Auge 125. 131. 233, im Prisma 225 \u2014 227. 259 \u2014 261.\nFarbige Schatten 393.\nFehler des Augenmaasses 543, der Brechung im Auge s. Abweichung.\nFernpunkt der Accommodation 97. 826.\nFixationspunkt 188. 460. 536 s. auch Fovea centralis und Gelbe Fleck.\nFixiren 65. 460. 473 \u2014 476, bewegter Objecte 603 \u2014 606, Ungenauigkeit desselben 707. 732\u2014733.\nFl\u00e4chenhafte Anordnung der gesehenen Objecte 533.\nFlatternde Herzen 383. \u25a0\nFluorescenz 34. 228, der Hornhaut und Linse 233, Beobachtung derselben 266.\nFluchtlinie 669.\nFluchtpunkt 670.\nForamen opticum 27.\nFovea centralis 21, im Augenspiegel sichtbar 188, entoptisch sichtbar 158. 418 \u2014 421, Abmessungen 418.\nFRAUNHOFER\u2019sche Linien 226, ihre Wellenl\u00e4ngen 230.\nFrontalschnitt 460.\nFussboden als Horopterfl\u00e4che 715. 722 \u2014 725.\nG.\nGanzbild 697.\nGelbe Fleck der Netz haut 21. 822 \u2014 823, entoptisch sichtbar 157 \u2014 158, subjectiv sichtbar 418 \u2014 421, im Augenspiegel sichtbar 188, bei elektrischer Durchstr\u00f6mung sichtbar 206, Stelle des genausten Sehens 214\u2014217, correspondiren beiderseitig 698\u2014 701, Verschmelzung von Doppelbildern auf ihnen 732.\nGenauigkeit des Sehens kleiner Objecte 215 \u2014 216, deren peripherische Abnahme 219. 221, des Augenmaasses 541 \u2014544. 546, der Tiefenwahrnehmungen 719 \u2014 722, der Trennung von Doppelbildern 734 \u2014 736.\nGesichtsaxe 70. 460.\nGesichtsfeld 66. 533, Unterscheidung vom Sehfeld 536.\nGesichtslinie 70. 460.\nGesichtspunkt in der Perspective 660. 669.\nGesichtst\u00e4uschungen, ihr Princip 428.\n439, ihre Klassen 613 \u2014 618.\nGesichts Wahrnehmungen, Definition 427.\nGesichtswinkel 99.\nGlanz 782 \u2014 785. 802.\nGlashaut 25 \u2014 26.\nGlask\u00f6rper 25, die entoptisch gesehenen K\u00f6rperchen darin 153.\nGrau, als Farbe 280 \u2014 281. Gravesandesche Schneiden 262.\nGr\u00fcn, aus Blau und Gelb nicht mischbar 273.\n276. 279. 306.\nGr\u00fcnblindheit 299.\nGrundfarben, drei 289 \u2014 294. 306\u2014307. 843 \u2014 845, von Brewster 265 \u2014 268. 290, vier von Leonardo da Vinci 306. Grundlinie 461.\nGuajakharz als lichtempfindliche Substanz 232.","page":860},{"file":"p0861.txt","language":"de","ocr_de":"SACH-REGISTER.\n861\nH.\nHaarstrahlenkranz 138.\nHaidinger\u2019s Polarisationsbiiseliel 421 \u2014 423.\nHalbbild 097.\nHauptblickpunkt 493. 536.\nHauptbrennweite 39. 53.\nHauptebenen optischer Systeme 39. 53, der Reliefperspective 660. 671.\nHaupt meridianebenen 747.\nHauptpunkte 39. 48. 83. 86, des Auges 67.\nHauptvisirlinie 538.\nHelligkeit der optischen Bilder 170 \u2014174, der Augenspiegelbilder 175\u2014I7G, der prismatischen Bilder 260, der Farben 280, subjective und objective 309\u2014316, intermitti-renden Lichtes 339\u2014341. 850 \u2014 851, subjective mit der Zeit abnehmend 365.\nHerzen, flatternde 383.\nH\u00f6hen winkel 710.\nHomocentrisches Licht 37, bei prismatischer Brechung 252 \u2014 256.\nHorizontalhoropter 716.\nIlorizo nt als chn itte, anatomische 460.\nHornhaut 5, Kr\u00fcmmung derselben 8. 824 \u2014 825, unver\u00e4ndert bei der Accommodation 106. 112. 119, entoptisch gesehen 151, fluorescirend 233. 267.\nHoropter 713\u2014-719.762, Construction desselben 717 \u2014 719, geometrisch bestimmt 749 \u2014 761.\nHoroptercurve 714. 752.\nHoropterkreis J. M\u00fcller\u2019s 714 \u2014 718.\nHumor a que us 25.\nHyaloidea 25.\nHyperm\u00e9tropie 826.\nIdentische Punkte der Netzh\u00e4ute 698 \u2014 713, verschieden in das Gesichtsfeld proji-cirt 736 \u2014 739, Geometrische Bestimmung ihrer Lage 745 \u2014 750, Theorie ihres Ursprungs 762. 802 \u2014 803.\nIdentit\u00e4tstheorie 441.\nIndigblau als Farbe 227.\nIndirectes Sehen 66, seine Genauigkeit 219\u2014221, f\u00fcr Farben 301. 845.\nInnervationsgef\u00fchl der Augenmuskeln 600 \u2014 605. 797.\nIntensit\u00e4t der Lichtempfindung 309 \u2014 316, verschiedenes Gesetz f\u00fcr verschiedene Farben 317.\nInterferen zspectrum , Abweichung vom\nI.\nprismatischen 230, Mittel zur Pr\u00fcfung von Farbenblinden 847.\nIntermittirende Beleuchtung, scheinbar continuirlich 338 \u2014 342, zur Beobachtung bewegter K\u00f6rper 342 \u2014 344, giebt Farbenerscheinungen 380 \u2014 382. 851.\nIris 12, ihre Ansatzweise 115, ihre Entfernung von der Hornhaut 16, der Linse anliegend 15. 820 \u2014 821, bei der Accommodation 103 \u2014 104. 112. 832, entoptisch sichtbar 150.\nIrradiation 321\u2014327. 334.841, von Dunklem \u00fcber Helles 324 \u2014 320, Theorie von Plateau 326 \u2014 327. 335.\nK.\nKaustische Linie 43.\nKernfl\u00e4che des Sehraums (Hering) 8I2. Kleinste wahrnehmbare Objecte 215\u2014219.\n841\u2014842.\nKnotenebenen 55.\nKnotenpunkte 39. 48. 55, des Auges 67. Ver\u00e4nderung bei der Accommodation 111. 831.\nKreuzspinngewebefigur 426. Kreuzungspunkt der Richtungslinien 69.\n88, der Visirlinien 88, 93.\nKreuzungswinkel correspondirender Meridiane 705 \u2014 712.\nKrystaliinse 23 \u2014 25, Ver\u00e4nderungen bei der Accommodation 104. 110\u2014115.831 \u2014 833, entoptisch gesehen 141. 151\u2014152, fluorescirend 233. 267, Brechung des Lichts in derselben 71\u201476. 79 \u2014 83.\nK\u00fcnstliches Auge 102.\nKurzsichtigkeit 97. 826.\nL.\nL ampr ot ometer 329.\nLandschaft, ihre Farben 433 \u2014 434. 724. Lateral 460.\nLatitudo der Blickrichtung 460. 496. Lavendelgrau 234.\nLeitungsf\u00e4higkeit der Nerven 192.\nLicht, allgemeine Eigenschaften desselben 30 \u2014 34, einfaches 224, intermittirendes 33S\u2014346, prim\u00e4res und reagirendes 357.\nLichtchaos des dunklen Gesichtsfeldes 201. 357.\nLichtempfindliche Elemente der Netzhaut 11.\nLichtempfindung als specifische Energie des Sehnerven 193\u2014 194, ihre Erregungsweisen 194\u2014207. 839 \u2014 840, Ort ihrer Entstehung 200 \u2014 218, ihre Qualit\u00e4ten 224 \u2014 237, 272 \u2014 301. 843 \u2014 849, ihre","page":861},{"file":"p0862.txt","language":"de","ocr_de":"862\nSACH-REGISTER.\nIntensit\u00e4t 309 \u2014 321, ihre Dauer 336 \u2014 355, 850 \u2014 851, ihre allm\u00e4iige Abnahme bei constanter Beleuchtung 365 \u2014 366, ihre Nachdauer 356 \u2014 384, ihre objective Deutung 427 \u2014455.\nLichtschattenfigur 381.\nLichtstaub des dunklen Gesichtsfeldes 201. 357.\nLichtstrahlen, ihre Selbst\u00e4ndigkeit 33, normal zur Wellenfl\u00e4che 241.\nLichtstreifen von den Lidern herr\u00fchrend 151, wandelnde im dunklen Felde 202.\nLigamentum Iridis pectinatum 13, Suspensorium lentis 26.\nLinienhoropter 716.\nM\nMacula lutea Retinae 19.\nMedial 460.\nMedianebene 460.\nMedianlinie der Blickebene 461. MEiBOJi\u2019sche Dr\u00fcsen 29.\nMembrana limitans 21, hyaloidea 25. Meridiane des Blickfeldes 537, des Sehfeldes 538, scheinbar verticale 546. 559 \u2014 560, 703 \u2014 706, correspondirende beider Augen 701 \u2014706. 708 \u2014 709. 747 \u2014 749. Mikroskop, binoculares 682 \u2014 684. Mischung der Farben 272 \u2014 289, der Spectralfarben 274. 303 \u2014 305. 843 \u2014 845, auf dem Farbenkreisel 274. 289. 341 \u2014342. 845 \u2014 846, durch eine Glasplatte 274. 305 \u2014 306, andre Methoden 306, Unterschied von der Pigmentmischung 274 \u2014 276. 307.\nLinsen, ihre Gestalt und Cardinalpunkte 61, s. ausserdem Krystallinse.\nListing\u2019s Gesetz der Augenbewegungen 466, seine theoretische Begr\u00fcndung 479 \u2014 486. 497 \u2014 509. 853, geometrische Darstellung 489 \u2014 497, stereographische Darstellung 515\u2014 516, Einfluss auf das Augen-maass 547\u2014560, auf die Form des Horopters 716 \u2014 725. 755 \u2014 762.\nLocalisirung der subjectiven Erscheinungen 613 \u2014 619.\nLocalzeichen 530. 797. 800.\nLoEWE\u2019sche Ringe 419.\nLongitudo der Blickrichtung 461. 496.\nLuftperspective 629.\nMitempfindung 201. 327.\nMond am Horizont 630 \u2014 631. Monochromatische Abweichungen 834 \u2014 836.\nMonocular es Gesichtsfeld 529 \u2014 597. MoRGAGNi\u2019sche Fl\u00fcssigkeit 24. Mouches volantes 152.\nM\u00fccken, fliegende 152.\nM\u00fc l l e it\u2019s che Faser n 20, Kreis 714. 718. Muskelgef\u00fchl 599, controllirt durch Gesichtsbilder 601.\nMusculus crystallinus 107. 121, ciliaris s. tensor Chorioideae 18- 821, dessen Wirkung bei der Accommodation 110. 832\u2014833. M. Sphincter et Dilatator Pupillae 4 3. 108. 821, M. recti et obliqui s. A u g en mus ke 1 n. Myopie 97. 826.\nN.\nNachbilder 337 \u2014 386, positive 337. 358 \u2014\n360,\tnegative 337. 358. 360 \u2014 364, ihr Farbenwechsel 359. 371 \u2014383, ihre Dauer\n361,\tfarbige 367 \u2014 371, Theorien dar\u00fcber 383 \u2014 385, geben stereoskopische Tiefenwahrnehmung 741 \u2014742, verursachen den successiven Contrast 388\u2014392, im binocu-laren Contrast 785 \u2014 787.\nNachwirkung des Lichteindrucks 336. N\u00e4hepunkt 97.\nNativistische Theorie der Gesichtswahrnehmungen 435. 441. 442. 535. 606.804 \u2014 819.\nNaturgesetze sind Gattungsbegriffe 454. Nebelstreifen wandelnde Goethe\u2019s 202. Nerven, motorische und sensible 191. Nervenenden in der Netzhaut 209. 213. 822 \u2014 823.\nNervenpapillen 222.\nNervenzellen der Netzhaut 20. 823. Netzhaut, ihr Bau 19. 822 \u2014 824, ihre\nmechanische Reizung 4 95 \u2014 200, innere Reizung und Eigenlicht 200 \u2014 201 , elektrische Reizung 202\u2014207. 839 \u2014 841, Reizung durch Licht 1 94 \u2014 209, nur in den hinteren Schichten empfindlich 213, ideelle 540.\nNetzhautbild 64, \u00e4usserlich sichtbar 65, im Augenspiegel sichtbar 188.\nNetzhautgefasse entoptisch sichtbar 456\u2014 164, im Augenspiegel 188, durch Druck sichtbar 197; ihr Verschwinden 402.\nNetzhautgrube 21, als Fixationspunkt 65. 4 88, im Augenspiegel sichtbar 188, entoptisch 158. 418 \u2014 421, Abmessungen 418, bei elektrischer Reizung. 206. 840.\nNetzhauthorizont 462. 538, correspon-dirend in beiden Augen 701.\nNormaler Gebrauch des Auges 429. 438 \u2014 439. 529. 798 \u2014 799.\nNormalfl\u00e4che Recklinghausen\u2019s 664. 675\u2014 679.\nNormalsichtige Augen 826.","page":862},{"file":"p0863.txt","language":"de","ocr_de":"SACH-REGISTER.\n863\nOccipitalpunkt des Sehfelds 493. S36. 548.\nOphthalmometer, Beschreibung 8 \u2014 10, zur Messung der Hornhautkr\u00fcmmung 10 \u2014 11, zur Messung des Abstandes der Pupille 16'\u201418, zur Messung der Brennweiten todter Linsen 79\u201481, der Linsenkr\u00fcmmung im lebenden Auge 112 \u2014115. 831 \u2014832, der Brechnngsindices fl\u00fcssiger Substanzen 78 \u2014 79.\nOphthalmoskop Cramer\u2019s121, s. Augenspiegel.\nOphthalmotrop 471. 520 \u2014 527.\nOptische L\u00e4nge eines Strahls 238 ff. Optometer 100.\nOra serrata Retinae 19.\nOrbita 27.\nOrientirung \u00fcber verticale und horizontale Richtung, monocular 608 \u2014 612, binocular 661 \u2014664.\nOrt, scheinbarer und geometrischer im Blickfelde 537, im Sehfelde 538.\nOrthoskop Czermak\u2019s 14.\nP.\nPalpebrae 29.\nParadoxer Versuch Fechner\u2019s 409. 790. Parallaxe, entoplisclie 150. 161, des indi-recten Sehens 539. 585, stereoskopische 638. Pars ciliaris Retinae 22.\nPerception definirt 435.\nPerspective der Reliefbilder 660 \u2014 661. PETiT\u2019scher Canal 26. Ph\u00e4nakistoskop 349.\nPhosphen 196, der Accommodation 199. Photometrie 327 \u2014 334.\nPigment der Aderhaut 12. Polarisationsb\u00fcschel Haidinger\u2019s 421 \u2014 423.\nPolyopia monophthalmica 146. Presbyopie 97. 827.\nPrim\u00e4rstellung der Blicklinie 463. 484.\nihre Auffindung 517 \u2014 518.\nPrincip der leichtesten Orientirung 480 \u2014 485. 497 \u2014 509. 799\u2014800.\nProjection der Netzhautbilder 90.\t441.\n594 \u2014 595. 611 , der subjectiven Erscheinungen 613 \u2014 618, stereoskopischer Bilder 664 \u2014 667.\nProjectionstheorLe 441.\nPr\u00fcfung der Sehweite 100 \u2014102. 130. 138 \u2014 139. 829.\nPseudoskop 646 \u2014 647. 681. 816.\nPsychophysisches Gesetz Fechner\u2019s 312, f\u00fcr die Helligkeiten 312, f\u00fcr die Sterngr\u00f6ssen 312 \u2014 313, f\u00fcr die Tiefenwahrnehmungen 725, f\u00fcr Erkennung der Doppelbilder 743.\nPunkthoropter 714.\nPupille 12, Entfernung von Hornhaut 16, Ver\u00e4nderung bei der Accommodation 103. 112. 119, ihre Bewegungen entoptisch sichtbar 150.\nPurpur, seine Zusammensetzung 276 \u2014 277.\nQ.\nQuadrate erscheinen im Sehfelde verzogen 324. 543. 563.\nR\nRaddrehung des Auges 462, ihr Gesetz 463 \u2014 467. 853 \u2014 856, Einfluss der Conver-genz 469, willk\u00fchrliche 476 \u2014 478, ihr Einfluss auf die Orientirung monocular 609 \u2014 613, binocular 661 \u2014664. 675 \u2014 679.\nReciprocit\u00e4t der optischen Bilder 168\u2014175.\nReducirtes Auge nach Listing 69, seine Dispersion 126. 131.\nReducirtes optisches System 60.\nReflexe der Krystallinse 105.\nReflexion an kugeligen Fl\u00e4chen 45.\nRefraction s. Brechung.\nRefractionszust\u00e4nde des Auges und ihre Anomalien 97. 825 \u2014 830.\nReiz, Reizung 192.\nReizbarkeit 192, ihre Ver\u00e4nderungen durch Lichtwirkung 356 \u2014 385, durch elektrische Str\u00f6me 205 \u2014 206. 839\u2014841.\nReliefbilder 659 \u20146CI.\nReliefperspective 667 \u2014671.\nRetina 19, s. Netzhaut.\nReversionsprisma als Stereoskop 685, im Pseudoskop 681, um willk\u00fchrliche Raddrehungen hervorzubringen 476 \u2014 477.\nRichtlinien im Sehfelde 549.\nRichtung des Sehens 598 \u2014 621.\t801,\nscheinbare der verticalen und horizontalen Linien, monocular 608 \u2014 612, binocular 661 \u2014664.\nRichtungslinien des Sehens 69. 598.\nRichtungsstrahl 69.\nRingmuskel der Pupille 13.\nRothblindheit 294. 845, an der Peripherie des Sehfeldes 301. 845.","page":863},{"file":"p0864.txt","language":"de","ocr_de":"864\nSACH-REGISTER.\nS\u00e4ttigung der Farben 280, verschiedene der Spectralfarben 278 \u2014 280 , die gr\u00f6sste durch Nachbilder zu erhalten 370.\nSagittal 460.\nSANSON\u2019sche Bildchen -16. 4OS.\nSantonin, Wirkung auf das Sehen 847 \u2014 848.\nSchatten, farbige, 393, ihr Einfluss auf Erkennung der Form 629. 646 \u2014 647. 816.\nScheinbarer Ort im Blickfelde S37, im Sehfelde 538, der subjectiven Erscheinungen 613 \u2014 619.\nScHEiNER\u2019scher Versuch 93. 119. 146. 616, zur Pr\u00fcfung der Sehweiten 101, zur Farbenmischung 306.\nSchematisches Auge nach Listing 68. 84, bei Accommodation 111.\nSchielende mit Abweichung der Deckpunkte 699 \u2014 701. 802.\nSchlagschatten als Mittel die Form zu erkennen 629. 646 \u2014 647. 816.\nSchlemm\u2019sc her Canal 6. 108. 115.\nSchl\u00fcsse unbewusste 430. 447 \u2014 449.\nSchwankungen der Anschauungsform 440. 633.\nSchwarz als K\u00f6rperfarbe 280, unterschieden von dem Mangel der Empfindungsf\u00e4higkeit 577.\nSchwerpunktsc onstruction f\u00fcr Mischfarben 284\u2014289.\nSchwindel 602 \u2014 605. 619.\nSchwingungsdauer der Lichtoscillationen 32.\nSclerotica 4.\nSeliaxe 70.\nSehfeld 538, Verschiebung gegen das Blickfeld 539. 583 \u2014 586, seine Ausmessung nach dem Augenmaasse 550 \u2014 554, seine L\u00fccken 573\u2014583.\nSehnenhaut 4.\nSehnerv 19, s\u00e7ine Reizung bei der Durchschneidung 200, unempfindlich gegen Licht 209.\nSehnervenapparat 193, seine Erregung durch verschiedene Reize 194, durch mechanische Reizung 195\u2014200.\nSehnerveneintritt im Augenspiegel sichtbar 188, bei Bewegung sichtbar 198. 582 \u2014 583, bei elektrischer Reizung 206, gegen Licht unempfindlich 210, Ausf\u00fcllung der L\u00fccke 573 \u2014 583.\ns.\nSehsch\u00e4rfe 215 \u2014 222. 841\u2014842.\nSehsinnsubstanz 193.\nSeitenwendungswinkel desBlicks461.496.\nSinnesempfindungen als Zeichen der Objecte 194. 442.\nSinnesnerven, ihre specifischen Energien 193.\nSinnest\u00e4uschungen 429. 439. 798.\n. Specifische Energie der Sinnesnerven 193.\nSpectralfarben, ihre Reihenfolge 227\u2014229, ihre Brechungsverh\u00e4ltnisse und Wellenl\u00e4ngen 230, Ver\u00e4nderung ihres Ausselms mit der Intensit\u00e4t 233\u2014234. 320, ihre Ueberg\u00e4nge 235\u2014236, Vergleich mit den T\u00f6nen der Scala 236 \u2014 237, ihre Mischung 274. 276 \u2014 278. 303 \u2014 305. 843 \u2014 845, ihre verschiedene S\u00e4ttigung 278\u2014280, ihre Stellung in der Farbentafel 288. 844, ihre Stellung in Young\u2019s Theorie 291, sie sind noch weiss-lich 293 \u2014 294. 370.\nSpectrum, prismatisches 225, theoretische Bedingungen f\u00fcr seine Reinheit 259, Helligkeit desselben 260 \u2014 261, Methode der Darstellung 261 , Einfluss der Tr\u00fcbung der Gl\u00e4ser 263, seine Grenzen 229, Abweichung vom Interferenzspecfrum 230.\nSphincter Pupillae 13.\nSt\u00e4bchenschicht der Netzhaut 19. 822\u2014\u25a0 823, Reflexion des Lichts darin 167, ihre Empfindlichkeit gegen das Licht 214.\nStephantaskop 686.\nStereographische Projection 510 853 \u2014 856.\nStereom-onoskop 686.\nStereophoroskop 686.\nStereoskop 637 \u2014 642, verschiedene Formen 679 \u2014 681. 685 \u2014 687.\nStereoskopische Bilder 687 \u2014 688, Regeln ihrer Construction 66 4\u2014666.\nStereoskopische Differenz 666.\nStereoskopisches Mikroskop 682-\u2014 684, Augenspiegel 684.\nStrahlen, senkrecht zur Wellenfl\u00e4che 243, allgemeine Form d\u00fcnner B\u00fcndel 243\u2014249.\nStrahlige Form kleiner Lichtbilder 138 \u2014 141.\nStroboskopische Scheiben 349 \u2014 350.\nSubjective Licht erschein un gen 195 -207. 418 \u2014 426, schwer zu beobachten 431 \u2014 433, ihre Localisation 613 \u2014 618 s. auch Nachbild und Contrast.\nT.\nTacliistoskop 567. 741..\nT\u00e4uschung \u00fcber Neigung des Kopfes 618, \u00fcber Convergenz 654\u2014658, \u00fcber Richtung binocularer Linien 661 \u2014664, binocularer Kreise 664, Mathematische Theorie beider 675\u2014679, T. des Augenmaasses 562 \u2014 572, \u00fcber Farben s. Nachbild und Contrast.\nTapetenbilder, binoculare 652.\nTapetum der Thieraugen 167. 189. Telestereoskop 647 \u2014 649, Theorie 673 \u2014 674, mit Fernrohren 681 \u2014682.\nTensor Chorioideae 12.821, Wirkung bei der Accommodation 110. 832 \u2014 833. Thaumatrop 349.","page":864},{"file":"p0865.txt","language":"de","ocr_de":"SACII-RKGISTKR,\n865\nThr\u00e4nencan\u00e4lchen 20.\nThr\u00e4nenpunkte 29.\nTiefendimensionen des Gesichtsfeldes 022\u2014090, beurtheilt nach der scheinbaren Gr\u00f6sse 023, nach der Deckung der Objecte 024, nach der perspectivischen Form 625, nach den Schlagschatten 029, binocular 636 \u2014 690, Genauigkeit der Wahrnehmung 642 \u2014 645. 719 \u2014 722, Einfluss der Bewe-\ngung 739 \u2014 742, in Nachbildern 741 \u2014742, Theorie derselben nach Panum und Heiung 806. 809 \u2014 848\nTiefenwerthe Hering\u2019s 813.\nTransversal 460.\nTractus optici 27.\nTr\u00fcbung der Augenmedien 142, Einfluss auf das Spectrum 263.\nu.\nUltraviolettes Licht 228 \u2014 229, dringt zur Netzhaut 232\u2014233, Farbenton 234 \u2014 235, Beobachtungsweise 264\u2014267, gebraucht um die Krystallinse sichtbar zu machen 267. Umkehrung des Relief 626\u2014\u2019628.\nUnterscheidung der Bilder beider Augen 612. 743 \u2014 744.\nUndulationstheorie 30.\nUnendlich diinne brechende Schicht ist einzuschalten erlaubt 60.\nUvea 42. 820 \u2014 824.\nVasa v o rt ic o s a 14.\nVenae ciliares 14.\nVergr\u00f6sserung durch kleine Oeffnungen 90, im Augenspiegel 4 78 \u2014179.\nVerticale Stereoskop. Differenzen 656\u2014659. Verticalhoropter 716.\nVorstellung, Definition 435. 7!\nViolette Gl\u00e4ser zur Pr\u00fcfung der Dispersion 127 \u2014 430.\nViolettsehen nach Santoningenuss 847 \u2014 848.\nVisirebene 461.\nVisirlinien 93. 99. 461. 531 \u2014532.\n, Art ihrer Wahrheit 443\u2014-447.\nw.\nW\u00e4rme strahlende, Unterschied vom Licht 4 95, dunkle 230, Grund ihrer Unsichtbarkeit 231 \u2014232. 842\u2014843.\nW\u00e4sserige Feuchtigkeit 25.\nWahrnehmung aus Empfindung und Erfahrung combinirt 435 \u2014 437, der relativen Richtung 530\u2014598, der absoluten Richtung 398\u2014620, der Tiefendimensionen 622\u2014688.\nWasserblau 228.\nWeiss als zusammengesetzte Farbe 277 \u2014 279, controllirt mittels des Eigenlichts 397. Weitsichtigkeit 97. 827.\nWellenfl\u00e4che 243.\nWellenl\u00e4ngen des Lichts 32, 236, des \u00e4usser-sten im Spectrum 231.\nWettstreit der Sehfelder 739. 766 \u2014 782. 804, der Contoure 767 \u2014 774, der Farben 774 \u2014 782.\nWillk\u00fchr in den Augenbewegungen 471 \u2014479.\nZapfen der Netzhaut 19. 823, sind gegen Licht empfindlich 214, als r\u00e4umliche Elemente des Sehens 216. 841 \u2014843. Zerrung am Auge giebt Scheinbewegung 600.\nZerstrcuungsbilder 90. 825.\nz.\nZerstreuungskreise 90, ihre Gr\u00f6sse berechnet 98, ihre farbigen R\u00e4nder 428, ihre Helligkeit \u25a0 4 32 \u2014 136, ihre sternf\u00f6rmige Figur 138, nicht homocentrischer Strahlen 247, ihre Projection in das Gesichtsfeld 646. Zonula Zinnii 19. 26. 140.\n00\nEnevklop. d. Physik. IX. Hzi.muoi.tz, Physiol. Optik.","page":865},{"file":"p0866.txt","language":"de","ocr_de":"Namen-Register.\n(Die Ziffern bedeuten die Seitenzahlen.)\nEs sind nur die Namen aus dem Text, nicht die aus den literarischen Bebersichten aufgenommen.\nAbat 689.\nAdams (George) 102. Adda 118.\nAepinus 163. 385. Aguilonius 689. 762. Aim\u00e9 (Georges) 146. Airy 146. 269.\nAlbert 329. d\u2019Alembert 136. 620. Alhazen 688. d\u2019Almeida (J. C.) 685. Appel 542.\nAppia 163.\nBabbage 190.\nBabinet 313. 331. 332. v. Babo 688.\nBaco (Roger) 688.\nBaco v. Yerulam 207.\nBahr 831.\nBartels 88. 514. 620.\nBaudrimont 146.\nBaum 719.\nBeck, Smith and, 686.\nBecker, 0., 653.\nBecquerel, A. C., 76.\nBeer, August, 144. 146. 331. Beguelin, Nie. de, 416.\nBehr 189. 385.\nBergmann, C., 217 \u2014 219. 223. 807. Berkeley, G., 455. 689.\nBernard, F., 269. 331.\nBernoulli, D., 222.\nBernstein 654 \u2014 655.\nBertiiold 468. 519- 654 \u2014 655.\nBesio 119.\nBessel, Fr. W., 88. 334.\nBezold, W. v, 764.\nBidlow 121.\nA.\nArago 311. 330. 331. 334. d\u2019Arcy 354.\nAristoteles 207. 208. 267.\nArmati (Salyino degli) 102.\nArnold 122.\nAubert (H.), Genauigkeit des Sehens 216. 219 \u2014 221. 561; Unterscheidung der Farben auf kleinen Feldern 300. 595; Nachbilder des elektr. Funken 359 \u2014 360. 379. 384. 386; Schwinden der Nachbilder 364.366 ; farbiges Abklingen 371 ; Orientirung bei geneigtem Kopfe 486. 618. Episkotister 790. 856. August, F., 763.\nB.\nBillet -S\u00e9lis 354.\nle Blond 307.\nBoeriiave 122.\nBonacursius 385.\nBonnet 123.\nBouguer, P., 311. 328. 334. 416. 689.\nBowman 24.\nBoyle, R., 385.\nBrandes, H. W., 416. 417.\nBraun 687.\nBravais 564.\nBrewster (David), Brechungsverh\u00e4ltnisse der Augenmedien 76\u201478. 83. 88; Accommo-dafionstheorie120; entoptische Erscheinungen 162. 163; Aderhaut gegen Licht empfindlich 222; Farbentheorie 265. 268 \u2014 269- 273. 290, Photometrie 330, flatternde Herzen 383; Polarisationsb\u00fcschel 421. 423; Umkehrung des Reliefs 628; Stereoskop 640. 645. 652. 681. 685. 687. 690; Glanz 794.\nBrockedon 385.\nBrown, Alexander, 690.\nBr\u00fccke, E., Messung des Augapfels 6; Ciliarmuskel 13; Messungen der Netzhautelemente 22; Epithelium der Linsenkapsel 23, Zonula","page":866},{"file":"p0867.txt","language":"de","ocr_de":"NAMEN-REGISTER.\n867\n27; Astigmatismus 148; Reflexion des Lichts in den St\u00e4bchen 167; Augenleuchten 189, Absorption der Grenzstrahlen des Spectrum 231 \u2014233; Nachbilder 382. 384. 386; flatternde Herzen 383; Contrast 388. 417; paradoxer Versuch 409. 792 \u2014 794; Einfluss der Augenbewegungen aufDoppelbilder 739\u2014\n740. 763; binoculare Farbenmischung 776; Lichtst\u00e4rke flimmernden Lichtes 880 \u2014 881. Buffon 122. 385. 416.\nBunsen 329.\nBurckhardt 683. 763. 852.\nBurow 85. 88. 120. 121. 164. 527.\nBusold 348. 355.\nc.\nCahours 76.\nCampbell 87.\nCamper 121.\nCardanus 208.\nCartesius 121. 268. 334. 455. 620. 688.\nCary 146.\nCastel 269. le Cat 222.\nCauchy 230. 237.\nCavallo 354.\nChallis 147. 301. 306.\nCiieselden 586 \u2014 588.\nChevreul 388- 391. 417.\nChimenti 690.\nChossat 76. 78.\nCima 232.\nClarke 686.\nClassen 456. 797. 819.\nI)\nDaguerre 332.\nDalton 294.\nDancer 350.\nDarxvin, 385.\nDastich 469. 610. 611. 655. 702. 704. 718. Davy (Humphrey) 306.\nDavy (Mari\u00e9) 223.\nDeciiales 163.\nDemokrit 207.\nDesaguliers 089.\nDescartes 121. 268. 334. 455. 620. 688. Dingle 775.\nDouer 458. 527.\nDollond 136.\nDominis (M. A. de) 207.\nDoncan 152. 162. 163.\nDonders, Ansatz des Ciliarmuskels 13; Netzhautgrube ist Fixationspunkt 65; Mechanismus der Accommodation 108. 110. 119. 122; entoptische Objecte 153. 156. 162.\n163 ; stenop\u00e4ische Brillen 165 ; Augenspiegel 185 \u2014 186. 188; Ver\u00e4nderungen der Netzhautgef\u00e4sse durch Druck 198; blinde Fleck entspricht dem Sehnerveneintritt 210. 213; Absorption des Ultraviolett im Auge\nClaudet 686.\nClaa'el 123.\nCoccius, Reflex der Netzhautgrube 65. 188; Augenspiegel 186. 838; Selbstbeobachtung des Sehnerveneintritts 211 \u2014 212.\nConrad i 120.\nCornelius 456.\nCourtivron 223.\nCramer, Iris der Linse anliegend 19. 821; Mechanismus der Accommodation 107'\u2014110. 112. 116. 118. 120 \u2014122; Irradiation 335. Cranmore 1 46.\nCumming 189.\nCzermak, J., Orthoskop 14, Accommodations-linien 92 ; Mechanismus der Accommodation 116, Phosphene 198\u2014199; Farbenmischung durch Scheiner\u2019s Versuch 306; Analogie mit Tastsinn 595; Stereophoroskop 686.\n232 \u2014 233 ; Drehungscentrum des Auges 458 \u2014 459. 516. 527; Gesetz der Augenbewegungen 462. 467. 528; Willk\u00fchr bei denselben 475 ; Einfluss der Convergenz auf Raddrehung 524; Correspondirende Punkte bei Schielenden 700; Stereoskopie bei elektrischer Beleuchtung 802; Theorie des Sehens 820; Hornhautkr\u00fcmmung 824; Re-fraetionsanomalien 825 \u2014 830; Accommodation fehlt nach Staaroperation 833; Astigmatismus 834 \u2014 830.\nDove, Farbenmischungsmethoden 306; wechselndes Helligkeitsverh\u00e4ltniss der Farben 317. 334; subjective Farben 386; Genauigkeit des stereoskopischen Sehens 642 \u2014 643; Stereoskope 681. 685; bei elektrischer Beleuchtung 740. 763; binoculare Farbenmischung 776; Glanz 793.\nDraper 215. 233. 269.\nDrobisch 269.\nDu-Bois-Reymond, F.., 206. 215. 3S3.\nDu-Bois-Reymond, P., 211. 222. 596.\nDuboscq 685.\nDuges 119.\nDunn 689.\nE.\nEisenlohr, Fr., 231. Elliot 685. 690. Empedokles 207.\nEmsmann 344. 354. Engel 118. Englefield 119.\n00","page":867},{"file":"p0868.txt","language":"de","ocr_de":"868\nNAMEN-REGISTER.\nEpikubus 207. 334. Epkens 485. Erlach, v., 423.\nFaraday 354. du Fay 307.\nFaye 685.\nFechner , kleinste Helligkeitsimterschiede 314\u2014314; psychophysisches Gesetz 312. 334; Irradiation 335; Schwankungen der Beleuchtung in den Nachbildern 364; farbiges Abklingen von weissein Licht 374. 373 \u2014 376; von farbigem Licht 378\u2014379; Theorie der Nachbilder 383\u2014386; inducirte gleiche Farbe 403. 44 7; Contrastfarben 44 6; Augenmaass 544 \u2014542. 596; Wettstreit der Sehfelder 775, binocularer Contrast 785. 794; paradoxer Versuch 790\u2014792.\nFermat 238.\nFichte 456.\nFick, L., 446.\nFick, A., Astigmatismus 440 \u2014 447. 836; blinder Fleck 244. 222; Irradiation 324: Augenbewegungen 464. 483. 520. 528. 853;\nEsser 4 89.\nEuklides 689.\nEuler 4 36. 268. 689.\nWirkung der Augenmuskeln 525; Vergleichung verticaler und horizontaler Distanzen 324. 596; Empiristische Theorie 820; Helligkeit intermittirenden Lichts 851.\nFischer 447. 355.\nFizeau 234. 237.\nFleischer 267.\nFliedner 446. 335.\nF\u00f6rster 216. 249 \u2014 221, 561.\nForbes 4 4 7. 4 24. 4 36. 307.\nFoucault 237.\nFranklin 203.\nFranz 842.\nFraunhofer 78. 425 \u2014 427. 436. 226 \u2014 227. 333.\nFresnel 268.\nFries 420.\nFuncke 579\u2014580. 596. 775 \u2014 776.\nFunk 267.\nGr.\nGalenus 689. 762.\nGalilei 334.\nGall 762.\nGassendi 334. 688. 762.\nGauss 87 \u2014 88. le Gentil 334.\nGergonne 385.\nGerling 64. 4 48.\nGiraud -Teulon 644. 829. 839.\nGladstone 846.\nGmelin, G. P., 689.\nGodart 385.\nGoethe, subjective Lichterscheinungen 204 \u2014 208; Farbentheorie 267 \u2014 268; Farbenmischung 273; Nachbilder 385; farbige Schatten 446; indirectes Sehen 773.\nGouye 689.\nGraefe, Albrecht v., 424. 624. 700. 832. Graefe, Alfred, 700 \u2014 704.\nGrailicii 304.\nGrassmann 283. 295. 307.\nGriffin 24 3. v. Grimm 4 23.\nGrotiiuss 44 6.\nGrove 386.\nGruithuisen 4 89.\nGudden 463.\nGuerard 4 46.\nGuericke, 0. v., 416 Gut 4 46.\nH.\nHaan, Vroesom de, 842.\nHaeseler 4 22.\nHaidinger 44 9. 424. 423. 823.\nIIaldat 4 4 7. 4 4 9. 793.\nHall 4 19.\nHaller 4 02. 4 4 8. 207. 222.\nHalske 688. 720.\nHamilton 4 47.\nHankel 763.\nHannover 26. 424. 213. 222.\nHardie 686.\nHartley 268. 762.\nHasner 4 04.\nHassenfratz 4 46.\nHassenstein 4 89.\nHauser 208.\nHay 307.\nHegel 456.\nHegelmayer 596.\nHeineren 4 47.\nHelmholtz, Ophthalmometer und Hornhaut-messungen 8 \u2014 41; Iris der Linse anliegend 45\u201416; Entfernung der Iris von der Hornhaut 16 \u2014 4 8; die Theorie der centrirten optischen Systeme mit Hilfe des Conver-genzgesetzes der Strahlen entwickelt 50 \u2014 60; Netzhautbild mit dem Augenspiegel zu untersuchen 65. 4 88; seine Aenderung bei der Accommodation beobachtet 93. 4 89; Theorie der Brechung in der Krystallinse","page":868},{"file":"p0869.txt","language":"de","ocr_de":"NAMEN-REGISTER.\nSC9\n7-1-70; .Messung der \u00dfrechungsverh\u00e4ltnisse 78 \u2014 79; Messung der optischen Constanten an todten Krystallinsen 79 \u2014 84 ; Entfernung der hintern Linsenfl\u00e4che von der Hornhaut 82\u201483; Discussion der optischen Constanten f\u00fcr das Auge 83 \u2014 85 ; unvollkommene Centrirung des Auges 86; Vortreten des Pupillarrandcs bei Accommodation 104. 112 \u2014113; Beobachtungsmethode der Linsenreflexe 105. 114\u2014115; R\u00fcckbewegung des Ansatzes der Iris 109; Wirkung des Ciliarmuskels 110; Berechnung eines schematischen Auges 111\u2014112, Ansatz der Iris und des Ciliarmuskels 115\u2014116; Messung der Farbenzerstreuung im Auge 126; diese berechnet am reducirten Wasserauge 126 \u2014 127. 131; Helligkeit der Zerstreuungskreise berechnet 132 \u2014 136; sternf\u00f6rmige Zerstreuungskreise des eigenen Auges 138; Berechnung der Diffraction in der Pupille 144 ; Gr\u00f6sse des eigenen Astigmatismus 145; Bewegung der entoptischen Objecte 155; Blutlauf in der Netzhaut sichtbar 837\u2014838; Bedingungen des Augenleuchtens 104 \u2014166. 190; Augenleuchten mittels der unbelegten Glasplatte 166.182\u2014183; Augenspiegel 167. 183; Theorie desselben 168 \u2014 180; Beschreibung der eigenen Phosphene 196 \u2014 200; wandelnde Nebelstreifen 202; Beobachtungsmethode und Erscheinungen elektrischer Reizung 203\u2014204; Einfluss des elcktrotonischen Zustandes 205. 839 \u2014 840; die Nervensubstanz wird durch Licht nicht erregt 209. 213; Form und Gr\u00f6sse des eigenen blinden Flecks 212 \u2014 213; wie die kleinsten Objecte zu messen und zu berechnen sind 215\u2014216. 217\u2014218; Theorie des Spectrum 225 \u2014 226. 238 \u2014 261; Sichtbarkeit des Ultraviolett 228\u2014229. 232 \u2014 233. 266 \u2014 267; Ver\u00e4nderung der Farbe nach der Intensit\u00e4t 233 \u2014 234. 320; Fluores-ccnz im Auge 234 \u2014 235; Kritik der Vergleichungen des Spectrum mit der Tonleiter 230 \u2014 237. 269 \u2014 270; Reinigung des Spectrum 263 \u2014 265; Kritik von Brewster\u2019s Theorie 268\u2014269. 290; Unterschied bei der Mischung farbiger Pigmente und farbigen Lichts 274 \u2014 276; complement\u00e4re Spectral-farben und ihre Wellenl\u00e4ngen 277\u2014278; ihre S\u00e4ttigungsgrade 278 \u2014 279; Lage der Spectralfarben in der Farbentafel 288; Mo-dificationen von Th. Young\u2019s Farbentheorie 292 \u2014 293; Versuche mit einem Farbenblinden \u00fcber die fehlende Grundfarbe 297; Kritik von Grailich\u2019s Farbentheorie 301 \u2014302; Methoden zur Mischung von Spectralfarben 303 \u2014 305; Mischung mittels der unbelegten Glastafel 305 \u2014 306; kleinste wahrnehmbare Unterschiede der Lichtst\u00e4rke 314\u2014315; Modification von Fechner's Gesetz hierf\u00fcr 315 \u2014 316; Einfluss auf Malerei 316; un: gleiche Steigerung der Lichtintensit\u00e4t bei\nSpectralfarben 317 \u2014 318; Einfluss davon auf das Weiss 319; das psychophysische Gesetz bei der Irradiation 323; Begrenzung dunkler Zerstreuungskreise 325; Pr\u00fcfung des Gesetzes f\u00fcr die Helligkeit intermittiren-den Lichts 339 \u2014 341. 345; Farbenkreisel 346; Methode zur Beobachtung positiver Nachbilder 358\u2014361 ; die Lichtst\u00e4rke negativer Nachbilder mit dem psychophysischen Gesetz in Beziehung gebracht 363; positive Nachbilder mittels elektrischer Reizung negativ gemacht 364 ; Wechsel zwischen positiv und negativ 364\u2014365; ges\u00e4ttigteste Farben durch Nachbilder gewonnen 368\u2014-371; Nachbild der Sonnenscheibe 374 \u2014 375; letzte Stadien des farbigen Abklingens 375; \u00fcber die positiv complement\u00e4ren Bilder 376 \u2014377 ; \u00fcber die Theorie der Nachbilder 383 \u2014 385; Theorie des simultanen Contrastes 392 \u2014 393. 396\u2014398. 414\u2014416; Kritik der F\u00e4lle, wo die reagirende Farbe der in-ducirenden gleichnamig ist 400 \u2014 403; Einfluss einer scheinbar vorhandenen farbigen Decke oder Beleuchtung auf den Contrast 406 \u2014 409; Contrast auf rotirenden Scheiben 410 \u2014 414; Erkl\u00e4rung der Polarisationsb\u00fcschel 422 \u2014 423; Empiristische Theorie der Wahrnehmungen 428\u2014455; Gesetz der Augenbewegungen gepr\u00fcft 463\u2014468. 517 \u2014 520; Abweichungen wegen der Convergenz 469; die Combinationen der Bewegungen beider Augen mit einander und mit der Accommodation sind der Willkiihr unterworfen 472\u2014476; Willk\u00fchr in der Raddrehung 476 \u2014 479; Hypothese \u00fcber den Ursprung des Gesetzes 479 \u2014 485. 497 \u2014\n509\t; Geometrische Darstellung des Listing\u2019-schen Gesetzes 486\u2014497; Stereographische\n510\t\u2014 516. 853 \u2014 856; \u00fcber das fl\u00e4chenhafte Sehfeld 530\u2014-541. 547 \u2014 548; Augenmaass f\u00fcr die Geradheit von Linien 545; Die scheinbar geraden Linien 548 \u2014 559; Contrast im Augenmaass 562 \u2014 563; Einfluss der Augenbewegungen auf die T\u00e4uschungen des Augenmaasses 566 \u2014 573; \u00fcber Ausf\u00fcllung des blinden Flecks 574 \u2014 577; Parallaxe des indirecten Sehens berechnet 583 \u2014 586; wir empfinden als Muskelgef\u00fchl der Augen nur die Innervationsst\u00e4rke 599 \u2014 601 , und controlliren nach den Bildern 601\u2014606; Modification von IIering\u2019s Gesetz der Sehrichtungen 608 \u2014 613; Einfluss der Bewegung auf die Tiefenanschauung 634 \u2014 635; Versuche \u00fcber Genauigkeit des stereoskopischen Sehens 643 \u2014 645; Tele-stereoskop 647\u2014649. 673 \u2014 674. 687\u2014688; T\u00e4uschungen wegen falscher Sch\u00e4tzung der Convergenz 654 \u2014 659. 661 \u2014 664. 675 \u2014 679 ; Begr\u00fcndung der Reliefperspective 659 \u2014 661. 667 \u2014 671; vergr\u00f6sserndes Stereoskop 679\u2014681; Theorie des stereoskopischen Mikroskops 682 \u2014 684; Lage der","page":869},{"file":"p0870.txt","language":"de","ocr_de":"870\nNAMEN-REGISTER.\ncorrespondirenden Punkte 708\u2014713. 745\u2014 752; Form des Horopters 713 \u2014 719. 752 \u2014 762; scheinbare Lage der Doppelbilder 720; Genauigkeit der Tiefenvvahrnehmung im Horopter am gr\u00f6ssten 721\u2014725; die Vorstellung von der K\u00f6rperform eines Objects ist Regel f\u00fcr die Augenbewegungen 727 \u2014 728; Bemerkungen \u00fcber Verschmelzung der Doppelbilder 730\u2014734; verbesserte Formen von Wheatstone\u2019s Versuch 736 \u2014 739; stereoskopische Versuche bei elektrischer Beleuchtung 740\u2014741; Versuch gegen Panum\u2019s Theorie 742; Leitung der Aufmerksamkeit im Wettstreit der Sehfelder 769 \u2014 776; Kritik der binocularen Farbenmischung 776\u2014782- 789 \u2014 790; Theoriedes Glanzes 782\u2014785. 793; \u00fcber Fechner\u2019s paradoxen Versuch 791 \u2014793; Kritik der Theorien 796\u2014820.\nHenke 832 \u2014 833.\nHenie 23. 27. 123. 459. 822 \u2014 823.\nHerbart 456. 595.\nHering, E., nativistische Theorie des Sehens 441. 594. 805. 809 \u2014 84 8; Einfluss der Convergenz auf Raddrehung 509; Genauigkeit der Nachbildversuche 519 \u2014 520. 528; T\u00e4uschungen des Augenmaasses 564. 565. 571. 596; Gesetz der Sehrichtungen 607.\n609. 644\u2014643. 624.744\u2014745; T\u00e4uschungen der Tiefenwahrnehmung 654 \u2014 657. 661 \u2014 662. 690 ; Abweichung der scheinbar ver-ticalen Meridiane 705. 724; Lage correspon-dirender Linien 709; scheinbare Entfernung der Doppelbilder 720; Genauigkeit des Reliefs im Horopter 725; Form des Horopters 763 \u2014 764; Wettstreit der Sehfelder 772; paradoxer Versuch Fechner\u2019s 791.\nBerschel , J., 294. 312.\nHevelius 222.\nHeymann 838 \u2014 839.\nHimly 422. 385.\nde la Hire 402. 119. 4 46. 163. 190. 222. 268. 385. 689.\nHirschmann 841. 847\u2014849.\nHobbes 689.\nHoltzjiann 306.\nHome 419. 120.\nHooke 215. 218. 222. 268.\nHorn, Andreas, 87.\nHorner 350.\nHorrockes 334.\nHueck 448. 419 \u2014 424. 462. 527.\nHumboldt, A. v., 329.\nHume 455.\nHunter 424. 527.\nHuygiiens 87. 402. 268.\nJablot 689. Jacobson 120. Jago 163. Jamin 423. Janin 794. Janssen 842.\nKXherl 702.\nKant 207. 208. 428. 441. 456. 594. 805. Karsten, G., 233.\nKepler 87. 4 02- 4 20. 207. 334. 335. 620.\n688. 762.\nKilbarn 686.\nKircher 385.\nKnapp 526. 715. 831. 834. 836.\nKnoblauch 231.\nKnochenhauer 88. 386. 527.\nJaval 835. 842.\nJohnson 313.\nJones (Wharton) 190.\nJoslin 324.\nJunge 456. 527.\nJurin 4 02. 4 36. 4 46. 222. 385. 593.\nKoelliker 42. 20. 24 \u201424. 27. 160. 214.\n222. 418.\nKoenig 121.\nKohlrausch 8. 418.\nKrause, C., 6. 7. 22. 24. 83. 527.\nKrause, W., 74. 76. 78. 79. 83. 84. 735. Kries 4 02.\nKundt 5G2. 571 \u2014572. 596. 805.\nKussjiaul 190.\nL.\nLaiblin 197.\nLambert 269. 282. 307. 328. 689.\nLampadius 329.\nLangenbeck, M., 121.\nLeeuwenhoek 121.\nLeiiot 87. 385.\nLeibnitz 455.\nLimencey 329.\nLissajou 345.\nListing, schematisches Auge 67 \u2014 69; Brechungsverh\u00e4ltnisse der Augenmedien 78; op-\ntische Constanten des Auges 83 \u2014 85. 88 \u2014 89; Accommodationstheorie 123; entop-tische Erscheinungen 150\u2014452. 463; Gr\u00f6sse des blinden Flecks 212 \u2014 213; Gesetz der Augenbewegungen 463 \u2014 467.\t528;\nParallaxe im indirecten Sehen 585.\nLocke 385. 455. 593.\nLoewe 419.\nLotze 456. 595.\nLudwig 776.\nLuedicke 355.","page":870},{"file":"p0871.txt","language":"de","ocr_de":"NAMEN-REGISTER,\n871\nM\nMach 345.\nMackenzie 163.\nMagendie 118.\nMairan 269.\nMalebranche 689.\nMariotte 222. 385. 431.\nMaskelyne 136.\nMasson 311. 314. 334\nMatthiessen 127. 136.\nMaurolycus 87. 102. 267.\nMaxwell, Beweis des Farbenmisclmngsge-setzes 288 \u2014 289.\t307; Farbenblindheit\n294; Farbenscheiben 348; Sichtbarkeit des gelben Flecks 420 \u2014 421 ; Polarisations-biischel 423; Mischung von Spectralfarben 843 \u2014 848.\nMayer, Tobias, 216 \u2014 219. 222.\nMayer, H., 102. 118.\nMaynard 690.\nMazeas 416.\nMeckel 122.\nMeissner, Sichtbarkeit der Netzhautgef\u00e4sse 157 \u2014 138.\t163; Druckbilder 198.\t837;\nAugenbewegungen 461.\t468.\t521. 522.\n853; Empfindungskreise 595; Lage des Horopters 719; binoculare Farbenmischung 776.\nMelloni 215. 231. 269.\nMelville 416.\nMery 190. 222.\nMeyer, Georg Hermann, \u00fcber Sanson\u2019s Linsenbildchen 16 ; Beurtheilung der Entfernung nach Convergenz 649. 652. 686; binoculare Farbenmischung 776.\t779; empiristische\nTheorie 794. 797. 820.\nN.\nN\u00e4chst 682. 684. 835.\nNagel 456.. 621. 764. 797. 819.\nNero 102.\nNeumann 332.\nNewton, Farbenzerstreuung im Auge 136; mechanische Beizung der Netzhaut 208; Farbennamen 227, 228; Farben mit Ton-\nMeyer, Martin Hermann, Lichtstrahlen im Sehfelde von den Augenlidern 146; Irradiation 335; Contrast 398.\t404.\t417.\n778.\nMeyerstein 187.\nMichell 222.\nMile 88. 102. 119. 527.\nMill, Stuart, 447. 453.\nM\u00f6nnicke 794.\nle Moine 122.\nMolinetti 122.\nMoll weide 136.\nMolyneux 593. 689.\nMonro 122.\nMorgagni 163.\nMorton 119.\nMoser 88. 120. 215. 234. 687.\nde la Motte 102.\nM\u00fchlbach 87.\nM\u00fcller , Heinrich -, Structur der Netzhaut 21. 214.223.419.422. 841; Gef\u00e4ssschatten 157. 159; Beweis f\u00fcr die Empfindlichkeit der hintern Netzhautschicht 162.164; Ciliarmuskel 821. 832.\nM\u00fcller, Johannes, Accommodationsmechanis-mus 120; Augenleuchten 189; subjective Erscheinungen 201. 202. 208. 424. 837; blinder Fleck 222; Irradiation 335; Raumanschauung der Netzhaut 456. 560. 594. 805; Drehung des Auges 527; Horopter 714; anatomische Identit\u00e4t der Netzh\u00e4ute 762. 794.\nM\u00fcller, Johann Heinrich Jacob, 350.\nMuncke 88. 222.\nMuschenbroek 346. 355.\nleiter verglichen 236. 269 ; Farbentheorie 267 \u2014 269; Mischung der Farben 274. 306\u2014-307; Construction der Farbentafel 282 \u2014 283. 288; Dauer des Lichteindrucks 354; Nachbilder385; Identit\u00e4tshypothese 762.793. Niedt 146.\nNug\u00fcet 267.\no.\nOlbers 119. 122.\tOsann 386. 394. 416. 417.\nOppel 301. 603. 619. 621. 628. 794.\nPanum 742. 763. 772 \u2014 779. 806 \u2014 809. Pappenheim 87. 120.\nParis 349.\nParrot 122. 355.\nP\u00c9CLET 146.\nPecquet 222.\nPemberton 121.\nPernot 329.\nP.\nPerrault 222. Persius 334. Petit 19.\nPfaff 203. 762. Pfl\u00fcger 205. Picard 222. PlCKFORD 700. Pitcairn 103.","page":871},{"file":"p0872.txt","language":"de","ocr_de":"872\nNAMEN1 - REGISTER.\nPitter 329.\nPlagge 87.\nPlateau, Farbenmischung 307; Irradiation 322. 326 \u2014 327. 334\u2014335; Helligkeit inter-mittirenden Lichts 340. 851 ; Dauer des Eindrucks 344\u2014345; stroboskopische Scheiben 349. 355; Anorthoskop 382 \u2014 354; Schwanken der Nachbilder 364; farbiges Abklingen 372 \u2014 373. 383. 386; Contrast 416\u2014417; Schwindel 603. 621.\nPlato 207.\nPlattner 120.\nPlempius 120.\nPlixius 102. 306.\nPogson 313. 323.\nPohlmann 416.\nPoppe 122.\nPorta 87. 688. 689. 690.\nPorterfield 101. 102. 120. 222. 594. 620. 689. 762.\nPotter 328. 330.\nPouillet 332.\nPowell, Baden 230.\nPr\u00e9vost 189. 763.\nPriestley 620.\nPrieur de la C\u00f4te d\u2019Or 386.\nPtolemaeus 630. 688.\nPurkinje, Linsenreflexe 16; Accommodations-mechanismus 121; mehrfache Bilder 146; Gef\u00e4ssflgur 163 \u2014164; Druckbilder 196 \u2014 200. 208; Eigenlicht der Netzhaut 202; elektrische Erregung 208\u2014207. 208; kleinste Objecte 217; peripherische Farbenblindheit 301. 595; Blau bei schw\u00e4chstem Lichte sichtbar 317. 334; Nachbilder 366; Lichtschattenfigur 381\u2014382. 386; subjective Erscheinungen 424 \u2014 426.\t43 I ; Blutlauf\nsichtbar 837.\nQ.\nQuetelet 329. 330.\nR.\nRagona-Scina 405. 417.\nRamsden 119.\nReade 87.\nRecklinghausen, Verziehungen des Netzhautbildes 595 \u2014 596. 805; T\u00e4uschungen der Tiefenanschauung 663\u2014664. 675\u2014679. 690; Tiefenanschauung bei elektrischer Beleuchtung 763.\nv. Reeken 821. 832.\nRees 232.\nR\u00e9gnault 776.\nRekoss 185.\nRemak 21. 214.\nRitchie 328.\nRittenhouse 628. 689.\nRitter 118. 205\u2014208. 361.\nRitterich 527.\nRogers 741. 744.\nRollet 687.\nRollmann 685.\nRood 837.\nRose, E., 846 \u2014 848.\nRosow 832.\nRouget 821. 832. le Roy 119. 203.\nRudolphi 189.\nRuete , Optometer 101; Accommodations-mechanismus 120\u2014121; Augenspiegel 184. 190; Augenbewegungen 463. 527 \u2014 528; Wirkung der Augenmuskeln 470. 525 \u2014 526. Rumford 328. 416.\nSaemann 186.\nSamuel 686.\nSamson 16.\nSchafh\u00e4utl 333.\nScheiner 87. 93. 102. 120. 620. Schelling 456.\nSchelske 595. 845.\nScHERFFER 385.\nSCHICKARD 334.\nSchrank, v. Paula, 416. Schr\u00f6der 626\u2014628.\nSchr\u00f6der van der Kolk, 122. Sciiultze, Max, 822 \u2014 823. 841. ScHUURMAN 524.\nSchuyder 147.\nSchweigger-Seidel 702. 705. Schweizer 628.\ns.\nScHWERD 330.\nScORESBY 386.\nSecchi 332.\nSecretan 329.\nSeebeck 215. 299.\nSegner 354.\nS\u00e9guin 371. 374. 376. 386. Seiler 208.\nSenff 8. 84. 112. 120.\nSerre 122. 208.\nSetschenow 234.\nSilbermann 421. 423. Sinsteden 382. 386. 626. 633. Smith and Beck 686.\nSmith v. Fochabers 409. 792. Smith, Robert, 121. 222. 689 Snellen 842. 849.","page":872},{"file":"p0873.txt","language":"de","ocr_de":"NAMEN-REGISTER.\n873\nSolger 735.\nSpira , Alexander de, 102. Splittgerber 386.\nStamm 88. 527.\nStampfer 349. 355. Steifensand 163.\nSteinbuch 197. 425. 456.\nTacquet 762. Talbot 332. Thomas 24. Thomson 213. Tiberius 208. Tiedemann 189 du Tour 762.\nUchatius 350. Ueberweg 594.\nValentin 121. 527.\nVall\u00e9e 87. 120. 136.\nVarignon 689-\nVierordt 197. 382. 837.\nVieth 762.\nVinci, Leonardo da, 306. 416. 689.\nVitellio 688.\nVolkers 775.\nVolkmann, Netzhautbildchen am lebenden Auge \u00e4usserlich sichtbar 65; Centrum der Piichtungslinien zu bestimmen 85. 88. 89; optische Ver\u00e4nderung bei Accommodation erwiesen 118; sph\u00e4rische Aberration des Auges 147; kleinste Objecte 217 \u2014 218. 223. 841; Methode der Farbenmischung 306. 307; kleinste Helligkeitsunterschiede 311.334; Irradiation des Dunklen 324; Trennung von Mischfarben in der Anschauung\nw\nWaitz 456.\nWallace 120.\nWaller 306.\nWallmark 146.\nWalther 122. 794.\nWardrop 586. 588 \u2014 593.\nWare 588 \u2014 596.\nWeber, C , 120.\nWeber, Ernst Heinrich, Structur der Netzhaut 22; Dicke ihrer Venen 160; Breite des blinden Flecks 213. 222; lichtempfindliche Elemente 214; kleinste Objecte 216. 218. 223; psychophysisches Gesetz 312. 596; Empfindungskreise 561 \u2014562; Ausf\u00fcllung des blinden Flecks 576 579. 596; Wettstreit 775.\nWelcher 335. 524. 702. 775. 841.\nEncvklop. d, Physik. IX. Helmholtz, Physiol. Optik.\nSteinheil 312. 330. 334.\nStellwag v. Carion 19. 121. 146. 190. Stokes 226 \u2014 229. 422. 423. 835. Struve 313.\nSturm 118. 120. 122.\nSzokalsky 122. 123. 527.\nT.\nTourtual 136. 416. 527. 695. Towne 690. 745. 801. Treviranus 118. 222. van Trigt 185. 186. Trouessart 146.\nTroxler 386.\nTindall 299.\nu.\nUlrich 187.\nUnger 270.\n407. 409 ; Einfluss der Convergenz auf die Kaddrehung 462 \u2014 463.\t468\u2014469. 509;\nMethode der Beobachtung f\u00fcr die Augenbewegungen 522 \u2014 524. 527\u2014528. 854; Augenmaass f\u00fcr L\u00e4ngen 541 \u2014544. 596; Abweichung der scheinbar verticalen Meridiane 546. 715; Tachistoskop 567. 741; Ausf\u00fcllung des blinden Flecks 575 \u2014 576. 579 \u2014582; Projection in das Gesichtsfeld 595. 620 \u2014 621. 811. 820; scheinbar senkrechte Linien 611. 662 \u2014 663; Lage der correspondirenden Netzhautpunkte 701 \u2014 707. 712. 762; Verschmelzung der Doppelbilder 726 \u2014 727. 763\u2014764. 734 \u2014 735; gegen Panum 742. 807; Wettstreit 775 \u2014 776.\nVolta 208.\nWeller 123.\nWells 690.\nWheatstone, flatternde Herzen 383; Stereoskop 639. 640. 685. 690. 763; Pseudoskop 646 ; Beurtheilung der Entfernung nach Convergenz 649. 686. 687'; Bilder identischer Stellen verschieden projicirt 736 \u2014 739. 764; Nachbilder stereoskopisch 741 ; Theorie des Sehens 797. 808.\nWhewell 835.\nWilcke 203.\nWild 332.\nWilde 685.\nWilson 299. 300.\nv. Wittich 107. 575. 576. 579. 596.\nWolf 102.\nWollaston 121. 136. 793.\n56","page":873},{"file":"p0874.txt","language":"de","ocr_de":"874\nNAMEN-REGISTER.\nW\u00fcnsch 306.\nWundt, Theorie des Sehens 456. 60S. 797. 820; Augenbewegungen 461. 483 \u2014 486. 320. 828. 833 ; Ophthalmotrop 527 ; Augen-maass f\u00fcrQuadrate 543; Tiefenwahrnehmung\nY.\nYoung, Thomas, Optometer 101; Linse con-tractil 107. 121; Hornhaut unver\u00e4ndert bei der Accommodation 112. 120; keine Verl\u00e4ngerung der Augenaxe 117 ; strahlenf\u00f6rmige Zerstreuungskreise von der Linse herr\u00fchrend 141. 146; Astigmatismus seines Auges 145..\nmittels Accommodation 633 \u2014 634; mittels der Convergenz 649\u2014631; Nachbilder stereoskopisch combinirt 741'; Wheatstone\u2019s Versuch 764; Wettstreit 770; Glanz 783 \u2014 785.\n147; Druckbilder 190. 208; Breite des blinden Flecks 212 \u2014 213; Undulationstheorie erwiesen durch Interferenz 268 ; Vergleich des Spectrum mit Tonleiter 269; Farbentheorie 291\u2014294. 306\u2014307- 367. 835.\nZehender 187. Zinn 222.\nz.\nZ\u00f6llner 351. 565. 571. 590. 605. 621. ZsCHOKKE 416.\nDruck von F. A. Brockhaus in Leipzig.","page":874},{"file":"p0875.txt","language":"de","ocr_de":"Berichtigungen,\nSeite 14, \u201e 17, >, 23, \u00bb 24, \u201e 32, \u201e 48, \u201e 51, \u201e 52,\n55\nZ. 13\tv.\tu.,\tlies:\t\u201eeben\u201c\tstatt:\nZ. 32\tv.\to.,\t\u201e\t\u201e\u00a7 von h\u201c\t\u201e\nZ. 18\tv.\tu.,\t\u201e\t\u201e0,002\u201c\nZ. 5 ii. 4 v. u., vertausche VII und VIII Z. 14\tv.\to.,\t\u201e\t\u201eFortpflanzungsgeschwindigkeit\u201c,,\nZ. 2\tv.\tu.,\t\u201e\t\u201etP2 mit \u2014//2.\u201c\t\u201e\nZ. 25\tv.\to.,\t\u201e\t\u201eEbene\u201c\t\u201e\ndie Gleichung vor der 8) muss heissen:\n\u00bbffi =\niVl H- ko\ndie Gleichung nach der Gleichung 9) muss heissen:\n\u201en, y, ~ fim-t-1\t\u201c\tstatt:\ndie dann folgende Gleichung:\n\u00abl\n\u201eyni-t-1 = --------y,\t\u201e\n\u00bbm+y\n\u201eschwach\u201c\n\u201ed von y\u201c\n\u201e0,02\u201c\n\u201eFortpflanzungsrichtung mit \u2014ff,\u201c\n\u201e Linie \u201c\nWin ym\ntim-1-1\n\u25a0 7l\n\u201e 57, in der Gleichung\t11 c) und den vorhergehenden ist zu setzen :\t\t\n\tfn statt f2 und (3, statt\t\u00df'\t\n\u201e 71, Gleichung 1) lies:\t\u201ed\u201c\tstatt:\t\nEbenda Gleichung 1 b) \u201e\t\u201ea\u201c\t\t\u201eA\u201c\nSeite 77, Gleichung 2a) \u201e\t\u201eF\u201c\t55\t\n\u201e 85, Z. 5 v. o., streiche: \u201eder Linse\u201c\t\t\t\n\u201e 114, Z. 15 v. u., lies :\t\u201e0,078 Mm.\u201c\t,,\t\u201e0,088 Mm.\u201c\n\u201e 145, Z. 6 v. o., \u201e\t\u201e1 Min.\u201c\t,,\t\u201e2 Min.\u201c\n\u201e 180, Z. 8 v. u.,\t\u201e\t\u201eConvexspiegel\u201c\t\u201e\t\u201e Cohcavspiegel\u201c\n,, 181, Z. 18 v. u.,\t\u201e\t\u201e Goncavspiegel\u201c\t55\t\u201eConvexspiegel\u201c\n\u201e197, Z. 6 v. u.,\t\u201e\t\u201eNetzhaut\u201c\t55\t\u201eAderhaut\u201c\n\u201e 245, Z. 7 v. o., \u201e\t71\t,\t* ,, \u00bbKo H- -5- oder cc \u2014 j'\t\u00bb\t7C\t, \u201e ci G\t\t oder a\t\u2014 9\t-0\n\u201e 251 , Z. 5 v. u.,\t\u201e\t4\u00eeu\t\t4z (< ~\n\t\u201dz/\u00ff\tT\t\" 4v\n\u201e 441, Z. 19 v. u., \u201e\t\u201enativistisch\u201c\t55\t\u201enaturalistisch\u201c\n\u201e 488, Z. 7 v. u., \u201e\t\u201esin \u201c\t,,\t\u201esin v\u201c\n\u201e 496, Gleichung 4c) \u201e\t\u201etangfe'\u201c\tdas\t\u201etaug ft,\u201c und streiche Wurzelzeichen im Nenner\n\u201e 548, Z. 17 v. u., \u201e\t\u201eSeite 493\u201c\t,,\t\u201eSeite GO\u201c\n\u201e 832, Z. 7 v. u.,\t\u201e\t\u201eCircularfasern\u201c\t,5\t\u201eRadialfasern \u201c","page":875},{"file":"z0001.txt","language":"de","ocr_de":"\u25a0' *8*\n\n","page":0},{"file":"z0002.txt","language":"de","ocr_de":"!\n.\n\n\u25a0\n\n","page":0},{"file":"z0003.txt","language":"de","ocr_de":"'\n. .\t\u00ef\n\n\n,\t4 %\n\n\n\n\n4\n\n\n\n\u00ee\ni","page":0}],"identifier":"lit39509","issued":"1867","language":"de","pages":"1-874","startpages":"1","title":"Handbuch der physiologischen Optik","type":"Book"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:22:49.655613+00:00"}