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{"created":"2022-01-31T12:27:58.780213+00:00","id":"lit4073","links":{},"metadata":{"alternative":"Handbuch der Physiologie. Band 4: Handbuch der Physiologie des Kreislaufs, der Athmung und der thierischen W\u00e4rme","contributors":[{"name":"Rosenthal, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Handbuch der Physiologie. Band 4: Handbuch der Physiologie des Kreislaufs, der Athmung und der thierischen W\u00e4rme, edited by Ludimar Hermann, 163-286. Leipzig: Verlag von F. C. W. Vogel","fulltext":[{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"DIE\nPHYSIOLOGIE DER ATHEMBEWEGUNGEN\nUND DER\nINNERVATION DERSELBEN\nProf. Dr. J. ROSENTHAL in Erlangen.\nli *","page":163},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"ERSTES CAPITEL.\nBau und Einrichtung des Athmungsapparats.\nI. Vorbemerkungen.\nDer wesentlich chemische Vorgang des Gasaustausches zwischen den Organismen und den sie umgebenden Medien bedarf bei den h\u00f6heren .Thieren einer Unterst\u00fctzung durch mechanische Bewegung der mit dem Blut in Ber\u00fchrung kommenden Luft. Diese Bewegung ist f\u00fcr den Process des Gasaustausches an sich gleichg\u00fcltig; sie vermehrt nur die Intensit\u00e4t desselben, indem sie die Spannungsdifferenzen zwischen den Gasbestandtheilen des Blutes und der Luft nicht unter ein gewisses Minimum sinken l\u00e4sst und dadurch die Geschwindigkeit des Gaswechsels auf einer betr\u00e4chtlichen H\u00f6he erh\u00e4lt.\nW\u00e4hrend bei vielen niederen Thieren die ohne Zweifel auch dort vorhandene Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe von Kohlens\u00e4ure nur allein durch Diffusion an der Leibesoberfl\u00e4che stattfindet, finden wir doch auch bei solchen h\u00e4ufig eine Unterst\u00fctzung des Gasaustausches durch Bewegung des umgebenden Wassers, welches entweder in die allgemeine Leibesh\u00f6hle, oder in besondere, den Leib durchziehende R\u00f6hren abwechselnd eingesogen und ausgestossen wird. Bei den mit Kiemen athmenden Thieren findet in der Regel ein stetiges oder rhythmisches Str\u00f6men des Wassers an den Kiemen vorbei statt. Bei den Luftthieren, welche mit Tracheen athmen, ist ein regelm\u00e4ssiges Ein- und Ausstr\u00f6men der Luft sehr wahrscheinlich, obgleich die Kr\u00e4fte, welche eine solche Bewegung zu unterhalten verm\u00f6chten, nur ungen\u00fcgend bekannt sind. Bei allen Lungen-thieren endlich ist eine hin- und hergehende Bewegung der Luft durch abwechselnde Verkleinerung und Vergr\u00f6sserung des Lungenraums nachweisbar.\nAuch bei diesen, mit Lungen athmenden Thieren dient neben den Lungen die allgemeine Hautdecke immer noch als Athmungs-apparat. Der Antheil aber, welcher der Hautathmung zuf\u00e4llt, ist je nach ihrer Beschaffenheit ein sehr verschiedener. Bei den nackten Amphibien z. B. ist die stets feuchte, nur mit d\u00fcnnem Epithel bedeckte, sehr blutreiche Hautoberfl\u00e4che im Stande, einen erheblichen","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166 Rosenthal, Die Physiologie der Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nTheil des Gaswechsels zu vermitteln; bei ihnen spielt daher die Lungenathmung eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringe Rolle und diese Thiere k\u00f6nnen deshalb, der Lungen beraubt, noch nahezu gleich gut ath-men. Je mehr aber die Hautathmung zur\u00fccktritt, je wichtiger die Lungenathmung f\u00fcr die Erhaltung des normalen Gasbestandes im Blut ist, desto mehr haben auch die Hilfsvorrichtungen zu bedeuten, welche die regelrechte Functionirung der Lunge unterst\u00fctzen. In dem Maasse ferner als bei diesen h\u00f6heren Thieren auch die Energie des gesammten Stoffwechsels eine lebhaftere ist, als die Menge des auf die Gewichtseinheit Thier verbrauchten Sauerstoffs und der daf\u00fcr erzeugten Kohlens\u00e4ure gr\u00f6sser ist, kommt auch den zur fortw\u00e4hrenden L\u00fcftung der Lunge dienenden Athembewegungen eine erh\u00f6hte Bedeutung f\u00fcr die Erhaltung der regelm\u00e4ssigen Functionirung aller Organe zu. Dementsprechend finden wir denn auch bei diesen h\u00f6chstorganisirten Thieren (V\u00f6geln und S\u00e4ugern) nicht nur eine besondere Einrichtung des Circulationsapparats, durch welche das gesummte Blut bei jedem Umlauf in toto durch die Lungen gef\u00fchrt wird, um dort seine Kohlens\u00e4ure abzugeben und Sauerstoff aufzunehmen, sondern wir sehen ausserdem, dass alle Organe, vor allem aber das Centralnervensystem und das Herz von diesem ungest\u00f6rten Gaswechsel in hohem Grade abh\u00e4ngig sind und ihre Functionen einstellen, sobald irgend eine St\u00f6rung desselben erfolgt. Auf der anderen Seite aber finden wir, dass durch einen von dem Gasgehalt des Blutes selbst abh\u00e4ngigen Mechanismus das Centralnervensystem die Athembewegungen nicht nur best\u00e4ndig unterh\u00e4lt, sondern auch regelt und den jedesmaligen Anforderungen des Organismus innerhalb gewisser Grenzen anzupassen vermag.\nHiermit h\u00e4ngt es auch zusammen, dass bei sonst gleicher Organisation kleinere S\u00e4ugethiere und V\u00f6gel, welche im Verh\u00e4ltniss zu ihrer K\u00f6rpermasse eine gr\u00f6ssere Oberfl\u00e4che haben und deshalb mehr W\u00e4rme verlieren, energischer athmen als gr\u00f6ssere, w\u00e4hrend dieses Verh\u00e4ltniss bei den sogenannten Kaltbl\u00fctern weniger ausgepr\u00e4gt ist. Auf diese Beziehungen zwischen K\u00f6rpergr\u00f6sse und Stoffwechsel hat zuerst Bergmann die Aufmerksamkeit gelenkt, wor\u00fcber in dem Abschnitt von der thierischen W\u00e4rme noch weiter gehandelt werden wird.\nII. Anordnung des Atlnnungsapparats.\nWenn wir von den niederen Thieren absehen und nur die Anordnung des Athmungsapparats bei den S\u00e4ugethieren ins Auge fassen, so finden wir, dass die L\u00fcftung der Lunge, ihre abwechselnde Ver-","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Bau u. Einrichtung d. Athmungsapparats. Vorbemerkungen. Anordnung. 167\nkleinerung und Vergr\u00f6sserung, mittelbar zu Stande kommt dadurch, dass die elastische Lunge luftdicht in den Thorax eingef\u00fcgt, verm\u00f6ge des Drucks der mit dem Binnenraum der Lunge frei communiciren-den Atmosph\u00e4re an die Innenwand des Thorax angepresst wird und deshalb die Bewegungen des letzteren mitmachen muss. Alle Kr\u00e4fte, welche die W\u00e4nde des Thorax zu bewegen im Stande sind, m\u00fcssen daher mittelbar den Binnenraum der Lunge vergr\u00f6ssern oder verkleinern, w\u00e4hrend diese selbst jenen Bewegungen nur passiv folgt, sie beg\u00fcnstigend oder hemmend, je nachdem es sich um eine Verkleinerung oder Vergr\u00f6sserung handelt. Denn da die Lunge verm\u00f6ge ihrer Elasticit\u00e4t fortw\u00e4hrend das Bestreben hat, sich zu verkleinern, so muss sie diesen Zug auch auf die Thoraxwandungen \u00fcbertragen, welche freilich nur an einer Stelle (dem Zwerchfell) nachgiebig genug sind, diesem Zuge in erheblicher Weise zu folgen.\nAus dieser Anordnung folgt zun\u00e4chst die kuppelf\u00f6rmige Ausbiegung des Zwerchfells nach oben, welche zugleich die Bedingung herstellt, dass die Verk\u00fcrzung seiner Muskelfasern eine Abflachung dieser Kuppelw\u00f6lbung und somit eine Verl\u00e4ngerung des Lungenraums, einen Volumzuwachs durch Zunahme der L\u00e4ngenausdehnung desselben zur Foke haben muss. Ferner der Einfluss des Bauchinhalts auf den Thoraxraum, indem jede Vermehrung des intraabdominalen Drucks die W\u00f6lbung des Zwerchfells vergr\u00f6ssern und dadurch eine Verkleinerung des Lungenvolums herbeif\u00fchren muss. Drittens der negative Druck, welcher durch die elastischen Lungen innerhalb des Thoraxraums erzeugt wird, und welcher je nach den Volumschwankungen des Thoraxraumes einen gr\u00f6sseren oder geringeren Werth erlangt. Da ausser den Lungen auch noch andere Organe, insbesondere das Herz und die grossen Gef\u00e4sse im Thoraxraum liegen, so muss dieser negative Druck sich auch in ihnen geltend machen und daraus erkl\u00e4rt sich dann der Einfluss, welchen die Athembewegungen auf das Gef\u00e4sssystem aus\u00fcben. Viertens endlich folgt aus jener Anordnung, dass jede Er\u00f6ffnung der Pleurah\u00f6hlen ein sofortiges Zusammenfallen der Lungen veranlassen muss und dass dann Bewegungen des Thorax nicht weiter auf die Lungen wirken.\nIII. Beschreibung des Thorax L\nNach dieser vorl\u00e4ufigen Auseinandersetzung der allgemeinen Verh\u00e4ltnisse des Athmungsapparats wenden wir uns zur Untersuchung\n1 Vgl. Henle, Knochenlehre. S. 55 ff. Die anatomischen Verh\u00e4ltnisse sind nat\u00fcrlich als bekannt vorausgesetzt und nur diejenigen Punkte kurz angegeben, welche zum Verst\u00e4ndniss der Mechanik des Thorax unbedingt n\u00f6thig erschienen.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168 Rosenthal, Die Physiologie der Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nseiner einzelnen Bestandteile. Der Thorax oder Brustkorb, der ver\u00e4nderliche Beh\u00e4lter der Lungen, wird gebildet von dem Brusttheil der Wirbels\u00e4ule, den von diesen ausgehenden Rippen und dem vorn zwischen den Rippen gelegenen Sternum; seinen untern Abschluss bildet das Zwerchfell, seine obere Oeffnung dient der Luftr\u00f6hre, dem Oesophagus und den Gef\u00e4ssen und Nerven zum Durchtritt. Der relativ festeste Theil dieser Wandungen, der Brusttheil der Wirbels\u00e4ule, ist nach vorn concav. Indem diese Concavit\u00e4t durch die Muskeln der Wirbels\u00e4ule ver\u00e4ndert wird, nimmt die gesummte L\u00e4nge des Brustkorbs zu oder ab, was nicht nur schon f\u00fcr sich allein das Volum der Thoraxh\u00f6hle ver\u00e4ndert, sondern auch den andern beweglichen Theilen, n\u00e4mlich den Rippen, einen gr\u00f6sseren Spielraum f\u00fcr ihre Bewegungen verschafft.\nDie Wandungen des Thorax werden durch die Rippen gebildet, welche von beiden Seiten der Wirbels\u00e4ule in einem Bogen nach vorn ziehen und sich dort an das Brustbein anlegen; die sieben obersten Rippen stehen unmittelbar mit diesem (durch die Rippenknorpel) in Verbindung, die achte, neunte und zehnte mittelbar, indem ihre Knorpel mit dem Knorpel der siebenten verschmelzen ; die elfte und zw\u00f6lfte Rippe endlich erreichen das Brustbein gar nicht mehr, sondern enden frei zwischen den Muskellagen. Man nennt die beiden letzten Rippen deshalb auch freie Rippen und die f\u00fcnf letzten zusammen falsche Rippen, im Gegensatz zu den sieben obern oder wahren Rippen.\nAn jeder Rippe haben wir einen hinteren kn\u00f6chernen und einen vorderen knorpeligen Theil zu unterscheiden. Der Knorpel der ersten Rippe ist mit der Seitenfl\u00e4che des Brustbeins fest verwachsen, die Knorpel der zweiten bis siebenten Rippe jedoch h\u00e4ngen mit dem Brustbein durch wahre Gelenke zusammen. Der kn\u00f6cherne Theil beginnt mit einem etwas angeschwollenen K\u00f6pfchen, welches eine \u00fcberknorpelte Gelenkfl\u00e4che tr\u00e4gt und mittels derselben an den Rippenpfannen der Wirbelk\u00f6rper eingelenkt ist. In einiger Entfernung vom K\u00f6pfchen hat jede Rippe an ihrer hintern Fl\u00e4che eine Hervor-ragung, Tuberculum costae, mit einer schwach gew\u00f6lbten Gelenkfl\u00e4che zur Articulation mit der entsprechenden Pfanne an dem Querfortsatz des betreffenden Wirbels. Das St\u00fcck der Rippe vom Capi-tulum bis zum Tuberculum heisst der Rippenhals, Collum costae, der \u00fcbrige Theil der kn\u00f6chernen Rippe heisst der Rippenk\u00f6rper.\nAlle Rippen sind in zweierlei Art gekr\u00fcmmt, erstlich mit einer Concavit\u00e4t nach der Medianebene, zweitens mit einer Knickung in ihrer Ebene von oben nach unten. Da ausserdem die Querfortsatz-","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Bau ii. Einrieht. cl. Athmungsapparats. Beschreib, d. Thorax. Zwerchfell. 169\npfanne tiefer liegt als die Rippenpfanne, so folgt daraus, dass die vordem Enden der Rippenk\u00f6rper tiefer liegen als die K\u00f6pfchen. Von diesen vordem Enden geht der Knorpel der ersten Rippe noch um ein geringes tiefer nach abw\u00e4rts, um an das Sternum zu gelangen; bei der zweiten bis zehnten Rippe aber steigt der Knorpel nach aufw\u00e4rts und es entsteht so ein nach oben offener Winkel, welcher bei der zweiten bis vierten Rippe am Anfang des Rippenknorpels, bei den folgenden Rippen aber im Knorpel selbst in einiger Entfernung vom Knochenende liegt.\nDie untere Grenze des Thorax f\u00e4llt seitlich mit dem untern Rande der zw\u00f6lften Rippe zusammen, vorne zieht er an der hintern Fl\u00e4che des Schwertfortsatzes in dessen ob\u00e9ra. Theil hin, hinten geht er an der Wirbels\u00e4ule bis zum vierten oder dritten Lendenwirbel herab.\nDie Zwischenr\u00e4ume, welche die Rippen offen lassen, sind von den Intercostalmuskeln ausgef\u00fcllt, so dass wir die Seitenwandungen des Thorax als durch die Wirbels\u00e4ule, die Rippen, das Sternum vollkommen geschlossen betrachten k\u00f6nnen. Der Boden wird, wie schon gesagt, durch das Zwerchfell gebildet. Die obere Oeffnung stellt eine kartenherzf\u00f6rmige Fl\u00e4che dar, welche steil von hinten nach vorn abf\u00e4llt ; ihre hintere Einbiegung entspricht dem Vorsprung des ersten Brustwirbels, ihre vordere abgestutzte Spitze wird durch den ob\u00e9ra Rand des Manubrium sterni gebildet.\nIV. Das Zwerchfell.1\nDas Zwerchfell stellt einen platten Muskel dar, dessen Fasern ringsum von der Innenfl\u00e4che der Leibesh\u00f6hle an der Grenze zwischen Bauch und Brust entspringen und nach innen und oben zu einer centralen aponeurotischen Sehnenausbreitung, dem Centrum tendineum, verlaufen. Seine Muskelurspr\u00fcnge zerfallen nach den Theilen, von denen sie herkommen, in einen Lumbaltheil, die beiden Costaltheile und den Sternaltheil. Der Lumbal- oder Vertebraltheil entspringt mit zwei medialen Zacken oder Pfeilern vom dritten (rechts meist vom vierten) Lendenwirbel, und zwei lateralen Zacken von den Seitenfl\u00e4chen des ersten oder Lendenwirbels. Durch den medialen Theil treten Aorta und Oesophagus durch. Der Costaltheil entspringt in einer Linie, welche, dem untern Rande des Brustkorbs folgend, von der Spitze der zw\u00f6lften bis zur Mitte der siebenten Rippe schr\u00e4g aufsteigt, dann vorn zum Gelenke zwischen sechsten und siebenten\n1 Vgl. Henle, Muskellehre. S. 74 ff.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170 Rosenthal, Die Physiologie der Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nRippenknorpel zieht; dort beginnt der Sternaltheil, vom Costaltheil meist durch eine sehnige L\u00fccke getrennt, welcher mit mehreren Zacken vom untern Rande des Schwertfortsatzes und von dem hintern Blatt der Scheide des M. rectus abdominis entspringt.\nS\u00e4mmtliche Muskelfasern des Zwerchfells ziehen erst, den Thoraxwandungen anliegend, nach aufw\u00e4rts und gehen dann in einem Bogen rechtwinklig umbiegend in eine nahezu horizontale Lage \u00fcber. Nur die von der vordem Wand entspringenden Fasern weichen schon bald nach ihrem Ursprung etwas von der Brustwand ab, so dass hier ein schmaler, nach oben sich verbreiternder keilf\u00f6rmiger Raum zwischen Brustwand und Zwerchfell \u00fcbrig bleibt. Auf einem Sagittalschnitt (Fig. 1) erscheint daher vorn die Kr\u00fcmmung des Zwerchfells gleichm\u00e4ssiger als hinten, wo sie mehr eine pl\u00f6tzliche Knickung macht, und das Centrum tendineum ist weiter nach hinten In einem Frontal-\nFig. 1. Sagittalschnitt durch den Band der 2. Pappe rechterseits. Nach Henle. Zwischen den Buchstaben c und t ist das Centrum tendineum.\ngelegen.\nschnitt erscheint (Fig. 2) die rechte Seite durch die Leber nach oben gedr\u00e4ngt, so dass das Centrum tendineum mehr nach rechts gelegen ist und die obere Fl\u00e4che des Zwerchfells eine nach links abfallende Neigung hat. Der h\u00f6chste Punkt des Zwerchfells entspricht etwa\no o\nder Verbindungsstelle der f\u00fcnften Rippe mit dem Brustbein.\nV. Der Inhalt der Brusth\u00f6hle L\nDie Trachea theilt sich in der H\u00f6he des f\u00fcnften Brustwirbels in die beiden Bronchen; der rechte Bronchus ist k\u00fcrzer und etwas weiter als der linke. Jeder Bronchus theilt sich wieder in zwei Zweige, der untere Zweig rechterseits abermals in zwei, so dass also auf der rechten Seite drei, auf der linken Seite zwei Hauptbronchi sich in die entsprechenden Lappen der beiden Lungen einsenken.\nDie beiden Lungen liegen, durch den Inhalt der Mediastinal-\n1 Ygl. Henle. Eingeweidelehre. S. 268 ff.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Bau u. Einrichtung des Athmungsapparats. Der Inhalt der Brusth\u00f6hle. 171\nh\u00f6hle, n\u00e4mlich das Herz, die grossen Gef\u00e4sse, Oesophagus u. s. w. getrennt, in zwei seitlichen H\u00f6hlen des Thorax, deren jede vollkommen in sich geschlossen ist (Pleurah\u00f6hlen). Der mittlere Raum des Thorax, welcher die eben genannten Organe enth\u00e4lt, ist durch die von den Seitenfl\u00e4chen der Wirbelk\u00f6rper nach dem Brustbein hin\u00fcbergehenden Scheidew\u00e4nde von den Pleurah\u00f6hlen abgegrenzt. Im vorderen- Theile weichen diese W\u00e4nde auseinander und fassen das Herz zwischen sich ; der Raum vor dem Herzen wird als Mediastinum anticum, der hinter dein Herzen als Mediastinum posticum bezeichnet.\nWegen der Erweiterung des Mediastinal-raums durch das Herz erhalten daher die inneren Fl\u00e4chen der Lungen eine auf dem Horizontalschnitt S-f\u00f6rmige Kr\u00fcmmung mit einem\nscharfen vorderen und einem abgerundeten\nFig. 2. Henle.\nFrontalsclinitt durch die Spitze der 12. Rippe. Nach Zwischen den Buchstaben c und t ist das Centrum tendineum.\nhinteren Rande. Die\n\u00e4ussere Fl\u00e4che jeder Lunge ist convex und legt sich der innern Fl\u00e4che der Rippen bis zu der concaven Rinne an dem Uebergang des Wirbelk\u00f6rpers in den Rippenbogen (Sulcus pulmonalis, Lungenfurche) innig an. Die untere Fl\u00e4che ist entsprechend der Zwerchfellsw\u00f6lbung concav und reicht am \u00e4usseren Umfang tiefer nach unten als am innern. Der untere Rand ist schart, an seinem \u00e4ussern Umfang mehr als an seinem innern. Nach oben geht die Lunge in eine abgestumpfte Spitze \u00fcber, welche \u00fcber dem Schl\u00fcsselbein nur durch Weichtheile bedeckt ist.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172 Rosenthal, Die Physiologie der Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nAn der inneren Fl\u00e4che, etwas unterhalb der Mitte, ist der Hilus, an welchem die Bronchien, Gef\u00e4sse und Nerven eintreten, an denen die Lunge wie an einem Stiel befestigt ist. Jede Lunge ist durch eine Furche in einen oberen vorderen und einen unteren hinteren Lappen geschieden, welche nur durch Gef\u00e4sse, Bindegewebe und den Pleura\u00fcberzug Zusammenh\u00e4ngen. Der obere Lappen der rechten Lunge ist durch eine horizontale Furche wieder in zwei, einen gr\u00f6sseren oberen und einen kleineren mittleren, geschieden. Die rechte Lunge hat ein gr\u00f6sseres Volum als die linke, haupts\u00e4chlich wegen der etwas nach links abweichenden Lage des Herzens; ihre Spitze steht meist etwas h\u00f6her als die der linken, ebenso ihr unterer Rand, entsprechend der Lage des Zwerchfells und der Leber (vgl. Fig. 1 u. 2).\nDie Lunge ist in ihrer ganzen Ausdehnung von der Pleura pul-m on alls \u00fcberzogen, einer mit elastischen Fasern durchzogenen bindegewebigen Membran, die mit einem einfachen Pflasterendothel bekleidet ist. Die Pleura senkt sich in die obenerw\u00e4hnten Furchen, welche die Lappentheilung bedingen, ein; am Hilus geht sie von den Lungen auf die Nachbarorgane \u00fcber, bekleidet diese als Pleura parietalis (mediastinalis, costalis, diaphragmatica) und bildet so einen geschlossenen ser\u00f6sen Sack als Auskleidung einer H\u00f6hle (Pleurah\u00f6hle), wrnlche jedoch im normalen Zustande als Hohlraum nicht existirt, indem sie ganz von der Lunge ausgef\u00fcllt ist, w\u00e4hrend da, wo diese nicht hinreicht, ihre Wandungen dicht aneinanderliegen. So haben wir am unteren Theil des Thoraxraumes eine Aneinanderlagerung der Pleura diaphragmatica und der Pleura costalis und am inneren Rande der Lunge in einem freilich viel geringeren Grade eine Aneinanderlagerung der Pleura mediastinalis und der Pleura costalis anzunehmen.\nDie Bronchien theilen sich nach ihrem Eintritt in -den Hilus unter spitzen Winkeln, die daraus entstehenden Aeste verlaufen dann, indem sie rechtwinklig Seiten\u00e4ste abgeben, nahezu gerade nach der Oberfl\u00e4che der Lunge hin. Ihre End\u00e4stchen und die vorher abgegebenen Aeste theilen sich ihrerseits wiederholt gablig, so dass eine baumf\u00f6rmige Verzweigung entsteht. Die letzten Aestchen gehen dann, indem sie sich pl\u00f6tzlich trichterartig erweitern, in blinde S\u00e4ckchen \u00fcber, welche durch d\u00fcnne h\u00e4utige Vorspr\u00fcnge in eine Anzahl mit einander und mit dem Bronchus communicirender Hohlr\u00e4ume getheilt sind. Diese letzteren bezeichnen wir als Alveolen, die trichterf\u00f6rmigen Ueberg\u00e4nge der kleinsten Bronchien in die Alveolen als Infundibula.\nDie gr\u00f6sseren Bronchien haben, wie die Trachea, unvollst\u00e4ndige","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Bau u. Einriclitung des Athmungsapparats. Die luftzuf\u00fchrenden Wege. 173\nKnorpelringe. Diese gehen allm\u00e4hlich mit der Verkleinerung der Bronchien in einzelne, unregelm\u00e4ssig gestaltete Knorpelplatten und -Streifen \u00fcber und h\u00f6ren zuletzt in den kleinsten Bronchien ganz auf. Zwischen den Knorpeln und nach aussen von denselben ist eine Lage glatter Muskelfasern, welche jedoch nach Henle an den Endigungen der Bronchien fehlt, w\u00e4hrend andre (Moleschott, Gerlach) die Muskelfasern selbst in der Alveolarwand noch als vorhanden annehmen. Nach Henle besteht daher das Infundibulum und die Alveolarwand nur aus einer wasserhellen, sehr zarten Grundmembran, welche in den L\u00fccken der Gef\u00e4ssschlingen Zellkerne und an ihrer Aussenfl\u00e4che feine elastische Fasern tr\u00e4gt. Diese sind am dichtesten an den M\u00fcndungen der Alveolen angeh\u00e4uft, welche sie in dichten B\u00fcndeln umgeben. Die Auskleidung der Bronchien bildet eine mit reichlichen traubenf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen besetzte und mit einem Flimmerepithel belegte Schleimhaut. Ueber das Epithel der Alveolen sind die Ansichten getheilt. Henle und A. leugnen es ganz, andere nehmen entweder ein vollst\u00e4ndiges, die Alveolen auskleidendes' oder ein unvollst\u00e4ndiges, nur in den Zwischenr\u00e4umen der Gef\u00e4ssschlingen vorhandenes Plattenepithel an.1\nDie Verzweigungen der A. pulmonalis bilden auf den Wandungen der Alveolen ein ausserordentlich dichtes Capillarnetz, dessen L\u00fccken h\u00e4ufig enger sind als die Weite der Gef\u00e4sse. Die Verzweigungen der A. bronchialis versorgen die W\u00e4nde der Bronchien und ihre Capillaren stehen an der Grenze der Alveolen mit dem Capillarnetz der A. pulmonalis in Zusammenhang.\nVI. Die luftzuf \u00e4hrenden Wege.\nDer Binnenraum der Lungen steht durch die Bronchien mit der Trachea und durch diese mit dem Bachenraume in Verbindung. Von hier aus bestehen zwei Communicationen mit der Aussenluft : durch die Mund- und durch die Nasenh\u00f6hlen. Da die erstere in der Hegel geschlossen ist, so betrachtet man die Nasenh\u00f6hlen als den Anfang des Resph'ationstractus, welcher demnach in der Rachenh\u00f6hle den Digestionstractus kreuzt. In dieser besteht dann noch durch die Eustachischen Trompeten eine Verbindung mit den Trommelh\u00f6hlen, so dass respiratorische Druckschwankungen sich auch in letztere fortpflanzen und auf das Trommelfell wirken k\u00f6nnen.\n1 Ygl. Henle, Eingeweidelehre. S. 281 ff., wo auch die Literatur \u00fcber die Frage zusammengestellt ist.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174 Rosenthal, Die Physiologie der Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nDie Nasenl\u00f6cher als Eingangs\u00f6ffnungen des Respirationstractus k\u00f6nnen durch Muskeln erweitert werden; solche Erweiterung kommt bei manchen Thieren (z. \u00df. Kaninchen) als regelm\u00e4ssige Begleiterscheinung der Athembewegungen vor, ist aber beim Menschen nur ausnahmsweise bei forcirter Athmung vorhanden. Die gr\u00f6sste Enge des Respirationstractus liegt an der Eingangsstelle vom Rachenraum in den Kehlkopf. Hier haben wir zu unterscheiden die oberen und die unteren Plicae thyreo-arytenoideae. Letztere lassen, indem sie weiter nach innen reichen, nur eine schmale mediane Spalte, die Glottis, zwischen sich, an welcher wir einen vordem engern und einen hintern weitern Abschnitt unterscheiden k\u00f6nnen. Der vordere Abschnitt, welcher von den freien R\u00e4ndern der Falten (den Stimmb\u00e4ndern) begrenzt wird, kann geschlossen sein, w\u00e4hrend der hintere in Gestalt eines Dreiecks mit nach vorn gerichteter Spitze offen bleibt und dem Respirationsstrom freien Durchtritt gestattet. Man bezeichnet daher diesen hintern Theil, welcher durch den Theil der Falten, in denen die Cartilagines arytenoideae eingeschlossen sind, gebildet wird, als Glottis respiratoria, den vorderen Theil als Glottis vocalis. In der Regel aber geht der Luftstrom durch die ganze Spalte, indem die Falten in der Ruhestellung eine schr\u00e4ge Lage mit einer oberen lateralen und einer unteren medialen Fl\u00e4che einnehmen, wodurch sie ein wenig von einander entfernt sind. Werden die Cartilagines arytenoideae einander gen\u00e4hert, so schliesst sich die Glottis in der Mittellinie und der Lungenbinnenraum ist ganz von der Rachenh\u00f6hle abgeschlossen, wie es z. B. geschieht, um fremden K\u00f6rpern den Eintritt in die Trachea zu verwehren. Dieser Abschluss kann noch gesichert werden durch Ueberlagerung der Epiglottis \u00fcber den Kehlkopfseingang, wie sie z. B. beim Hin\u00fcbergleiten eines Bissens aus der Mund- in die Rachenh\u00f6hle statttindet.\nDie Bewegungen der Stimmb\u00e4nder und des ganzen Kehlkopfs, soweit sie nicht zur Stimmbildung sondern zum Athmungsmechanis-mus in Beziehung stehen, werden sp\u00e4ter besprochen werden. Auch die Trachea kann Bewegungen vollf\u00fchren, namentlich ist sie durch eine Schicht glatter Muskelfasern einer Verk\u00fcrzung f\u00e4hig, w\u00e4hrend die zwischen den Enden der unvollkommenen Knorpelringe befindlichen transversalen Muskelfasern kaum eine andere Wirkung haben k\u00f6nnen, als die federnden Knorpel etwas anzuspannen und dadurch das Lumen der Trachea um ein geringes zu vermindern.1\n1 L. Schr\u00f6tter (Wiener Sitzgsber. Math.-naturw. KI. (3), LXYI. 251) hat mittels des Kehlkopfspiegels stossweise Bewegungen an der Bifurcationsstelle der Trachea gesehen, welche jedoch von dem Herzen und den grossen Gef\u00e4ssen mitgetheilt sind.","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Bau u. Einriclitimg des Athmungsapparats. Die Lungenelasticit\u00e4t. 175\nYII. Die Lungenelasticit\u00e4t.\nAus der vorausgesekickten kurzen Besckreibung des Thorax und seines Inhalts ersehen wir, dass der Tkoraxraum von seinem Inhalt, den Lungen und den Gebilden des Mediastinalraumes nicht vollkommen ausgef\u00fcllt wird. Denn die Pleura costalis und Pleura dia-pkragmatica sind, wie wir gesehen haben, an dem ganzen untern Umfang des Thorax bis zu einer gewissen H\u00f6he in unmittelbarer Ber\u00fchrung, hinten in gr\u00f6sserer Ausdehnung als vorn; und dasselbe findet, wenngleich in viel geringerem Maasse an den vordem oder innern B\u00e4ndern der Lungen mit der Pleura costalis und Pleura media-stinalis statt. Soweit aber der \u00fcbrig bleibende Raum des Thorax oder der beiden Pleurah\u00f6hlen von den Lungen eingenommen wird, entspricht er nicht etwa der nat\u00fcrlichen Gr\u00f6sse der Lungen, sondern ist gr\u00f6sser als diese, wie daraus hervorgeht, dass unmittelbar nach Er\u00f6ffnung der Pleurah\u00f6hlen, auch an der Leiche, die Lungen sich zusammenziehen und nicht mehr den Thoraxraum ausf\u00fcllen. Daraus folgt, dass die Lungen \u00fcber ihr normales Maass ausgedehnt sind und nur durch den auf ihrer Innenfl\u00e4che von der Trachea und den Bronchen her wirkenden Luftdruck an der Thoraxwand festgehalten werden.\nDass das Gewebe der Lungen einen hohen Grad von Elasticit\u00e4t besitzen muss, geht aus seiner Structur hervor. Wenn aber, wie dieser Versuch beweist, die Ausdehnung, welche die Lungen im Thorax haben, nicht ihrer Gleichgewichtslage entspricht, sondern dem Zustande einer gewissen Dehnung \u00fcber ihr normales Maass, so muss die Elasticit\u00e4t der Lungen stets eine Verkleinerung ihres Volums anstreben, und wenn diese Kraft nicht ausreicht, eine Entfernung der Pleura pulmonalis von der Pleura parietalis zu bewirken, so kann dies offenbar nur davon herr\u00fchren, dass die elastische Spannung des Lungengewebes geringer ist als der Luftdruck, welcher auf die Binnenfl\u00e4che der Lunge mit einem Druck von 760 Mm. Hg oder von etwas \u00fcber 1 Kg. auf den Quadratcentimeter wirkt. Da aber auf die Aussenfl\u00e4cke des Thorax dieser Luftdruck auch wirkt, so ist klar, dass an allen Stellen, wo die Thoraxwand nachgeben kann, der \u00e4ussere Luftdruck mit einer der Lungenelasticit\u00e4t entsprechenden Kraft wirkend, eine Verkleinerung des Thoraxraumes durch Eindr\u00fccken der Thoraxwand herbeif\u00fchren muss.\nSolche nachgiebige Stellen sind aber: 1) die Zwischenrippenr\u00e4ume, welche nur durch Weichtheile geschlossen sind; 2) die obere Apertur des Thorax zwischen dem Sternum, den Schl\u00fcsselbeinen","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176 Rosenthal. Lie Physiologie der Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nbezw. ersten Rippen und der Wirbels\u00e4ule ; 3) das Zwerchfell ; 4) die Verbindungen des Tkoraxraumes mit den ausserhalb desselben gelegenen K\u00f6rpertkeilen durch Blutgef\u00e4sse. Die Trachea, welche durch die obere Thoraxapertur hindurch zieht, ist durch ihre Knorpel vor der Zusammendr\u00fcckung durch den \u00e4usseren Luftdruck gesch\u00fctzt. Auf alle diese Theile wirkt nun in der That der Luftdruck in dieser Weise. Die Weiektkeile der Zwischenrippenr\u00e4ume und der oberen Thoraxapertur werden etwas nach innen eingedr\u00fcckt, soweit bis die Spannung derselben dem Druck das Gleichgewicht h\u00e4lt. Wegen der K\u00fcrze der betreffenden weichen Gebilde, namentlich in den Intercostalr\u00e4umen kann das Eindr\u00fccken nicht sehr erheblich sein; doch sieht man es deutlich bei magern Personen. Anders jedoch beim Zwerchfell. Dieses d\u00fcnne, platte Gebilde von sehr erheblicher Oberfl\u00e4chenausdehnung mit seinen langen und deshalb einer erheblichen Dehnung f\u00e4higen Muskelfasern bildet den nachgiebigsten Theil der Thoraxwandungen. Und obgleich die untere Fl\u00e4che des Zwerchfells nicht unmittelbar biosliegt, sondern nur durch die Bauch -decken und die Baucheingeweide hindurch dem Luftdruck zug\u00e4nglich ist, so sind doch erstere so beweglich und letztere verm\u00f6ge ihrer Verschiebbarkeit und ihrer Anf\u00fcllung mit Luft und ganz- oder halbfl\u00fcssigen Massen ungef\u00e4hr wie eine mit Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllte Blase anzusehen, durch welche hindurch der Luftdruck gleickm\u00e4ssig auf die untere Fl\u00e4che des Zwerchfells \u00fcbertragen wird. Indem also auf diese untere Fl\u00e4che der Luftdruck, auf seine obere aber der Luftdruck minus der Elasticit\u00e4t der Lungen wirkt, muss das Zwerchfell nach oben steigen und m\u00fcssen die Lungen sich zusammenziehen, bis die dem schliesslichen Volum der Lungen entsprechende Zugkraft derselben gleich ist der Spannung der Zwerchfellfasern. Die letzteren befinden sich also in denselben Verh\u00e4ltnissen wie die Fasern eines durch ein Gewicht gedehnten Muskels. Nur dass im letzteren Falle die Muskelfasern geradlinig gestreckt sein werden, w\u00e4hrend in unserm Falle ein Theil der Faserl\u00e4nge durch den Luftdruck gegen die Seitenw\u00e4nde des Brustkorbs gedr\u00e4ngt und dadurch eine fast rechtwinklige Kr\u00fcmmung dieses Theils gegen den mittleren, haupts\u00e4chlich durch das Centrum tendineum gebildeten und nahezu horizontal stehenden Theil herbeigef\u00fchrt wird. Ueber die aus diesen Verh\u00e4ltnissen sich ergebenden Grenzen der Lungenausdehnung in gesunden und kranken Zust\u00e4nden erlangt man durch die Percussion Aufschluss.1\n1 Vgl. die Handb. der Pathologie und Therapie und \u00fcber Diagnostik, ferner : A. van Klefeens. Akademisch Proefschrift over de benedenste Grens der Longen. Groningen IS 67.","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Bau ii. Einrichtung d. Athmungsapparats. iUhembewegungen. 177\nW\u00e4ren die Seitenwandungen des Thorax ganz unbeweglich, so k\u00f6nnten die eben besprochenen Verh\u00e4ltnisse nur auf die Stellung des Zwerchfells von Einfluss sein. Aber da die Rippen, wenngleich in viel geringerem Grade als das Zwerchfell, auch beweglich sind, so wird auch auf diese der Luftdruck einwirken und ihnen eine Stellung zuweisen, bei welcher der \u00e4ussere Luftdruck und der Zug der Lun-genelasticit\u00e4t nebst der Elasticit\u00e4t und der Schwere des Brustkorbs einander gerade das Gleichgewicht halten oder mit anderen Worten eine Stellung, bei welcher die algebraische Summe aller auf die Thoraxwandung wirkenden Kr\u00e4fte = Kuli ist. Diese Stellung der Thoraxwandungen wollen wir die Normalstellang nennen. Es ist diejenige, welche wir an der Leiche nach L\u00f6sung der Todtenstarre finden, so lange noch nicht Aenderungen in den Elasticit\u00e4tsverh\u00e4lt-nissen der Gewebe durch postmortale Ver\u00e4nderungen derselben eingetreten sind.\nVIII. Die Athembewegungeii. Inspiration und Exspiration.\nWenn wir von der eben definirten Normalstellung ausgehen, so muss offenbar jede Kraft, welche im Stande ist, eine Aenderung in dem Gleichgewicht zwischen der Lungenelasticit\u00e4t und der Spannung der Gebilde, aus denen die Thoraxwandungen bestehen, herbeizuf\u00fchren, eine Bewegung in dem einen oder dem andern Sinne veranlassen. Sehen wir vorl\u00e4ufig davon ab, ob eine selbst\u00e4ndige Aenderung der Lungenelasticit\u00e4t m\u00f6glich ist, so muss jede Kraft, welche den Thorax erweitert, zur Folge haben, dass der \u00e4ussere Luftdruck, durch die Trachea und die Bronchien auf die Binnenfl\u00e4che der Lungen wirkend, auch diese ausdehnt, so dass ihre Oberfl\u00e4che, der Innenfl\u00e4che des Thorax folgend, die Erweiterung mitmacht. Eine solche Bewegung, welches auch die Kr\u00e4fte sein m\u00f6gen, die sie veranlassen, muss also zur Folge haben, dass Luft durch die Trachea in die Lunge einstr\u00f6mt. Wir nennen das eine Inspiration oder Einathmung. Ebenso muss jede Kraft, welche den Thorax verengert, die Folge haben, dass auch die Lunge kleiner wird, und dass Luft aus der Lunge durch die Trachea entweicht. Wir nennen das eine Exspiration oder Ausathmung. Durch einen regelm\u00e4ssigen Wechsel zwischen Ein- und Ausathmung kommt die regelm\u00e4ssige Athmung zu Stande.\nWird der Thorax aus seiner Normalstellung erweitert, so m\u00fcssen die Elasticit\u00e4t der Lunge und die Widerst\u00e4nde der Thoraxwandungen selbst \u00fcberwunden werden. Ein solche Erweiterung kann also nur durch active Muskelkr\u00e4fte herbeigef\u00fchrt werden. H\u00f6ren diese Kr\u00e4fte\nHandbuch der Physiologie. Bd.IYa.\t12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178 Rosenthal, Die Physiologie der Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nauf, so m\u00fcssen die Elasticit\u00e4t der Lungen und jene Widerst\u00e4nde den Thorax von selbst wieder in seine Normalstellung zur\u00fcckf\u00fchren, er muss sich also wieder verengern. Da nun aber hierdurch wieder Luft aus der Lunge ausgetrieben wird, so haben wir in dem beschriebenen Vorgang eine Inspiration und eine darauf folgende Exspiration, von denen die erstere durch active Muskelkr\u00e4fte, die letztere nur allein durch die R\u00fcckkehr in die Normalstellung zu Stande gekommen ist. Ganz \u00e4hnlich ist es, wenn eine Verkleinerung des Thorax durch aktive Muskelkr\u00e4fte erfolgt; sobald diese naehlassen, muss der Thorax wieder in seine Normalstellung zur\u00fcckkehren. Es wird also in diesem Falle zuerst eine Exspiration und dann eine Inspiration erfolgen, von denen die erstere durch active Muskelkr\u00e4fte, die zweite nur allein durch den Nachlass der ersteren erfolgt. Also sehen wir, dass sowohl die Inspiration wde die Exspiration entweder durch aktive Muskelkr\u00e4fte oder ohne diese (rein passiv) erfolgen kann, und dass ferner weder Inspiration noch Exspiration allein auf-treten, sondern immer die eine nach der andern, ausgenommen den Fall, dass die Muskeln, welche den Thorax erweitert oder verengert haben, ihn in diesen Stellungen durch dauernde (tetanische) Contraction festhalten.\nIX. Inspiratorische Wirkung des Zwerchfells.\nUnter den vielen Muskeln, welche eine Erweiterung des Thorax bewirken k\u00f6nnen, nimmt das Zwerchfell die erste Stelle ein. Seine Wirkungsweise ist auch leicht zu verstehen, denn sie ergibt sich aus dem \u00fcber die Lage des Zwerchfells und die Elasticit\u00e4t der Lungen Gesagten ganz von selbst. Verk\u00fcrzen sich die Muskelfasern des Zwerchfells, so m\u00fcssen sie vor allen Dingen dahin streben, sich gerade zu strecken. Wir k\u00f6nnen die s\u00e4mmtlicken Ursprungsstellen an der ganzen Peripherie des Thorax als nahezu unbeweglich ansehen; ebenso ist das Centrum tendineum verk\u00e4ltnissm\u00e4ssig schwer beweglich, da es durch die Anheftung am Mediastinum festgehalten und durch die Baucheingeweide, auf denen es liegt, namentlich durch Leber und Magen gest\u00fctzt wird. Bei der Verk\u00fcrzung der Muskelfasern wird daher das Centrum tendineum verk\u00e4ltnissm\u00e4ssig wenig nach abw\u00e4rts bewegt, dagegen strecken sich die gekr\u00fcmmten Fasern und es entsteht so rings um den unteren Thoraxumfang ein keilf\u00f6rmiger Raum mit nach unten gerichteter Schneide, wie dies Fig. 3 zeigt. Der Construction ist der in Fig. 1 dargestellte Sagittalschnitt zu Grunde gelegt. Die gestrichelte Curve zeigt die Lage des Zwerch-","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Bau u. Einrichtung d. Athmungsapparats. Athembewegungen. 179\nfells bei massiger, die punktirte Curve die bei starker Contraction. Die Figuren sind von mir nach Analogie dessen, was man an Thie-ren beobachtet, entworfen. Denn eine directe Beobachtung des Zwerchfells ist ja am Menschen unm\u00f6glich; aber es ist kein Zweifel,\ndass die Bewegung bei diesem genau ebenso erfolgt wie bei irgend einem anderen S\u00e4ugethier, da die anatomischen und physikalischen Verh\u00e4ltnisse absolut gleich sind. In dem Momente, wo in den Muskelfasern des Zwerchfells das Contractionsbestreben beginnt, ist das S. 176 geschilderte Gleichgewicht zwischen der Lun-genelasticit\u00e4t und der Dehnung der Zwerchfellsmuskelfasern nicht mehr vorhanden. Letztere gewinnen das Uebergewicht; in Folge dessen muss der \u00e4ussere Luftdruck, welcher auf die Binnenfl\u00e4che der Lunge wirkt, diese ausdehnen und die Lunge muss den Raum, welcher durch die Abw\u00e4rtsbewegung\n\u2022 \\\nFig. 3. Stellung des Zwerchfells bei verschiedenen Graden der Contraction.\n\ndes Zwerchfells frei wird, ausf\u00fcllen.\nDie Vergr\u00f6sserung des Thoraxraumes durch die Zwerchfellcon-traction findet also in der Richtung nach unten statt, w\u00e4hrend die anderen Dimensionen des Thorax unge\u00e4ndert bleiben. Ja bei sehr starken Zwerchfellscontractionen kommt sogar, da die Rippenurspr\u00fcnge des Zwerchfells und der Schwertfortsatz etwas nachgeben, eine Verengerung des Thorax an seinem unteren Umfange zu Stande, welche aber auf das Volum des Thorax einen sehr geringen Einfluss hat. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Einziehung der Rippen erheblicher sein w\u00fcrde, wenn nicht die durch das Zwerchfell nach abw\u00e4rts gedr\u00e4ngten Baucheingeweide, indem sie nach vorn und den Seiten ausweichen (da hinten die Wirbels\u00e4ule als unnachgiebig anzusehen ist), eine st\u00e4rkere Spannung der Bauchdecken bewirken und dadurch einen Widerstand erzeugen w\u00fcrden, welcher eine erhebliche Verengerung der Bauchh\u00f6hle verhindert.\nDementsprechend sah Duchenne 1 bei der k\u00fcnstlich durch elek-\nVf-C f\n\"S Plh* t\n<?4 * * %\n?\u00a3* Os\nJ-\n*\n\u25a0*r\u00bbt \u2022\n\nl'Z+Us.\n1 Duchenne, Mouvements de la respiration. Paris 1866.\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180 Rosenthal, Die Physiologie der Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\ntrische Reizung der Plirenici bewirkten Zwerckfellseontraction die unteren Rippen nach aussen (und etwas nach oben) geben, solange die Bauchh\u00f6hle uner\u00f6ffnet war. Wurde aber letztere er\u00f6ffnet und die Baucheingeweide entfernt, so hatte die Zwerchfellzusammen-ziehung im Gfegentheil eine Einziehung der unteren Rippen zur Folge. Doch kommt diese auch ohne Er\u00f6ffnung der Bauchh\u00f6hle bei den st\u00e4rksten Zwerckfellcontractionen vor, wie ich h\u00e4ufig bei Kaninchen gesehen habe und wie auch beim Menschen beobachtet worden ist.\nIndem nun die Lungen in jenen am unteren Ende des Thorax entstehenden Raum hineingedr\u00e4ngt werden, erleiden sie eine Verl\u00e4ngerung, denn die Lungenspitze bleibt ja durch diese Zwerchfellswirkung ganz unber\u00fchrt. Der scharfe Lungenrand r\u00fcckt auf dem ganzen unteren Thoraxumfang nach unten. Man kann dies an Tkie-ren direct beobachten, entweder indem man die Bauchh\u00f6hle er\u00f6ffnet, die Baucheingeweide bei Seite und etwas nach unten verschiebt und das Zwerchfell von unten her beobachtet; man sieht dann durch das d\u00fcnne und darum durchscheinende Zwerchfell hindurch den scharfen Lungenrand und seine Bewegung. Oder aber man entfernt die Hautdecken und die Muskeln, welche den Thorax von aussen bedecken, und l\u00f6st dann in einem der unteren Intercostalr\u00e4ume, welche dem Lungenrand entsprechen, auch die Intercostalmuskeln vorsichtig ab, bis man durch die Pleura costalis hindurch den Lungenrand beobachten kann. Beim Menschen kann man die Abw\u00e4rtsschiebung des unteren Lungenrandes nicht sehen, wohl aber durch akustische Ph\u00e4nomene (Auscultation und Percussion) nachweisen.\nLegt man ein solches Pleurafenster in einem h\u00f6heren Intercostal-raum an, so dass man nicht den Lungenrand, sondern einen Theil der Lungenoberfl\u00e4che zur Ansicht bekommt, so sieht man gleichfalls die Bewegungen der Lunge ; man erkennt sie leicht durch die Pigmentflecke der Oberfl\u00e4che. Bei jeder Zwerchfellscontraction r\u00fcckt ein solcher Fleck, der gerade im Gesichtsfelde liegt, nach abw\u00e4rts und kehrt nach dem Aufh\u00f6ren der Zwerchfellswirkung wieder in seine Lage zur\u00fcck. Aber der Grad dieser Verschiebung ist um so geringer, je h\u00f6her der beobachtete Punkt der Lungenoberfl\u00e4che liegt. Die Erkl\u00e4rung dieser Thatsache ist leicht, wenn man bedenkt, dass die Lunge wie ein elastischer K\u00f6rper sich verh\u00e4lt, dessen h\u00f6chste Stelle unbewegt bleibt, w\u00e4hrend die Kraft, welche ihn ausdehnt, an seinem unteren Ende wirkt. Ein an einem Ende festgehaltener, durch einen Zug am anderen Ende ausgedehnter Kautschukstreif w\u00fcrde sich geradeso verhalten. Trotz dieser Verschiedenheit in dem Grade der \u00e4usseren Verschiebung ist doch die Ausdehnung,","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Ban u. Einricht. cl. Athmungsapparats. Mechanik cl. Rippenbewegungen. 181\nwelche jedes Element des elastischen K\u00f6rpers erf\u00e4hrt, die gliche. Und so m\u00fcssen wir auch annehmen, dass der Rauminhalt jedes Alveolarraums um einen gleichen Bruchtheil vergr\u00f6ssert wird, wenngleich die Raumvergr\u00f6sserung nur am unteren Ende der Lunge Platz greift. Die akustischen Begleiterscheinungen der Athembewegungen (Athmungsger\u00e4usche), welche an dem ganzen Lungengebiet h\u00f6rbar sind, beweisen dies auch.1\nX. Mechanik der Rippenbewegiingeii.\nDa jede Rippe an zwei Stellen mit den Wirbelk\u00f6rpern (bezw. den Querforts\u00e4tzen) in Gelenkverbindung ist, so kann eine merkliche Bewegung einer Rippe nur um eine Axe erfolgen, welche durch die Kr\u00fcmmungsmittelpunkte dieser beiden Gelenkfl\u00e4cken geht, d. h. um eine Linie, welche nahezu mit der Axe des Rippenhalses zusammenf\u00e4llt. WT\u00e4ren die Rippen gerade, so w\u00fcrden sie sich also nur um ihre eigenen Axen drehen k\u00f6nnen. Da aber alle Rippen, wenngleich in verschiedenen Graden, gekr\u00fcmmt sind, so wird bei Drehung des Rippenhalses um seine Axe jeder Punkt des Rippenk\u00f6rpers einen Kreisbogen beschreiben, dessen Mittelpunkt im Fusspunkt eines von dem betreffenden Punkte auf die Drehungsaxe (oder ihre Verl\u00e4ngerung) gef\u00e4llten Lothes liegt.\nBetrachtet man den Brustkorb von der Seite (im Profil), so sieht man, dass alle Rippen nach abw\u00e4rts geneigt sind. An der ersten Rippe setzt sich diese Neigung vollst\u00e4ndig, an der 2. fast vollst\u00e4ndig bis zum Sternum fort, an den folgenden bis zur 10. geht sie an der Vorderfl\u00e4che des Thorax wieder in eine, den Rippenknorpeln ange-k\u00f6rige Aufw\u00e4rtssteigung \u00fcber. Die Neigung der Rippen ist, wie man an Fig. 4 sieht, bei der ersten Rippe am st\u00e4rksten, bei der zweiten am geringsten und nimmt von dieser bis zur zw\u00f6lften allm\u00e4hlich zu, so dass die zw\u00f6lfte Rippe wieder ungef\u00e4hr dieselbe Neigung hat wie die erste.\nAus dieser geneigten Lage der Rippen folgt unmittelbar, dass jeder Punkt des Rippenk\u00f6rpers bei einer Hebung der Rippe sich in horizontaler Richtung von der Wirbels\u00e4ule entfernen, bei der Senkung dagegen sich der Wirbels\u00e4ule n\u00e4hern muss. Weil aber die Drehungsaxe der Rippe eine Richtung von vorn und innen nach aussen und hinten und zugleich von innen und oben nach aussen und unten hat, so liegen die Drehungsebenen nicht vertical, sondern sind von unten,\nI Vgl. a. Stern, Allg. Wiener med. Zeit. 1873. Ko. 10.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182 Rosenthal. Die Physiologie der Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\ninnen und vorn nach oben, aussen und hinten gerichtet, und daraus folgt, dass die seitlichen Punkte der Rippen bei der Hebung derselben zugleich nach aussen und bei der Senkung derselben zugleich nach innen r\u00fccken m\u00fcssen. Alles dies zusammengenommen ergibt\nalso, dass jede Rippenhebung mit einer Ver-gr\u00f6sserung der Thoraxdurchmesser in der Richtung von vorn nach hinten und von rechts nach links, also mit einer Erweiterung des Thorax, jede Senkung der Rippen aber mit einer Verminderung jener Durchmesser, also mit einer Verengerung des Thorax verbunden sein muss. Mit anderen Worten : Jede Rippenhebung bewirkt eine Inspiration, jede Rippensenkung bewirkt eine Exspiration. Der Grad der Ausdehnung oder Verengerung, welche der Thorax bei gleicher Drehung der Rippen erf\u00e4hrt, ist nicht in allen H\u00f6hen derselbe, da hierauf die L\u00e4nge und Neigung der Rippen und die Stellung der\nFig 4. Ansicht des Brustkorbes von der Seite. Nach Hexle. Dl\u2019ehungSaxe EinfluSS\nhaben, welche Momente alle von Rippe zu Rippe wechseln. An einer sp\u00e4teren Stelle wird dies noch weiter zu besprechen sein.\nBei dieser Betrachtung der Rippenbewegung wurde jede Rippe als selbstst\u00e4ndig und ihre Bewegung nur als abh\u00e4ngig von der Lage ihrer Drehungsaxe an der Wirbels\u00e4ule angesehen. Nun h\u00e4ngen aber alle Rippen untereinander (abgesehen von den zwei letzten, welche auf die Gestalt des Thorax nur geringen Einfluss haben) und mit","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Bau u. Einricht, d. Athmungsapparats. Mechanik d. Rippenbewegungen. 183\ndem Sternum zusammen und ihre Bewegungen sind daher, soweit nicht die Rippenknorpel nachgeben k\u00f6nnen, gegenseitig von einander abh\u00e4ngig. Wenn die vorderen Enden der Rippen der Wirbels\u00e4ule gen\u00e4hert oder von ihr entfernt werden, so muss das Sternum an dieser Bewegung theilnehmen, und wenn der Grad der Entfernung oder Ann\u00e4herung bei den einzelnen Rippen ungleich ist, so kann das nur geschehen, wenn zugleich das Sternum um eine horizontale (auf seiner L\u00e4ngsaxe senkrecht stehende) Linie gedreht oder seine einzelnen Theile gegen einander geknickt werden, oder wenn die Rippenknorpel eine Drehung erfahren. Nun besteht zwar das Sternum urspr\u00fcnglich aus sechs nur durch Knorpel verbundenen, also etwas gegen einander beweglichen St\u00fccken, welche durch Zwischenknorpel .verbunden sind; von diesen erhalten sich im Erwachsenen aber nur zwei: die den Insertionen des zweiten Rippenpaares entsprechende Synchondrose zwischen Manubrium und Corpus und die den Insertionen des siebenten Rippenpaares entsprechende zwischen Corpus und Processus ensiformis. Die erste Rippe ist mit dem Corpus durch einen festen Zwischenknorpel verbunden; die Knorpel der zweiten bis siebenten Rippe bilden mit Gruben an den Seitenfl\u00e4chen des Sternums wahre Gelenke ; und die Knorpel der achten bis zehnten Rippe sind untereinander auch durch Gelenke verbunden. Wenn nun auch diese Verbindungen bis zu einem gewissen Grade nach-geben k\u00f6nnen, so muss doch ein so complicirtes Ger\u00fcst in seinen Bewegungen sehr beschr\u00e4nkt, sein und eine feste Gleichgewichtslage haben, in welche es, wenn durch Kr\u00e4fte aus derselben gebracht, wieder zur\u00fcckfedert. Diese Federkraft des Thoraxger\u00fcstes und die Schwere der Thoraxwandungen m\u00fcssen sich zu der S. 175 ff. er\u00f6rterten Wirkung der Lungenelasticit\u00e4t kinzuaddiren, um den schliesslichen Gleichgewichtszustand herbeizuf\u00fchren, welchen wir als Normalstellung des Thorax bezeichnet haben. Und jede Kraft, welche den Thorax in der einen oder anderen Richtung aus dieser Normalstellung herausf\u00fchrt, muss alle diese Widerst\u00e4nde \u00fcberwinden, und sobald die Kraft zu wirken aufh\u00f6rt, muss der Thorax wieder von selbst in die Normalstellung zur\u00fcckkehren.\nXI. Muskeln, welche die Rippen heben.\n(Inspiratorische Muskeln.)\nAlle Muskeln, welche auf irgend eine Weise die Rippen .heben, sei es direct oder indirect, m\u00fcssen, wie wir gesehen haben, inspiratorisch wirken. Wir k\u00f6nnen unterscheiden zwischen Muskeln, welche","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nunmittelbar die Rippen heben und zwar entweder alle oder nur\neinzelne, da jede Hebung auch nur einer einzelnen Rippe auf alle wirkt, indem sie durch die Gewebe der In-tercostalr\u00e4ume und durch das Sternum zu einem bis zu einem gewissen Grade nur als Ganzes zu bewegenden Ger\u00fcst zusammengefasst sind ; und zwischen solchen, die auf das Sternum und die Clayicula wirken und dadurch mittelbar die Rippen heben. Endlich ist zu bemerken, dass die Streckung der Wirbels\u00e4ule in ihrem Brusttheil die einzelnen Rippen von einander entfernt und dadurch nicht nur den Brustraum an sich ger\u00e4umiger macht, sondern auch die Wirkung der rippenhebenden Muskeln g\u00fcnstiger gestaltet.\nVon den Tuberosit\u00e4ten des obersten Hals- und der elf obersten Brustwirbel entspringen kurze dreiseitige Muskeln, welche sich am oberen Rand und der hinteren Fl\u00e4che der n\u00e4chsten Rippe ansetzen {Mm. levatores costa-rum breves vgl. Fig. 5). An den unteren Rippen inseriren sich ausserdem noch andere, welche, eine Rippe \u00fcberspringend, sich erst an der zweitn\u00e4chsten inseriren {Mm. levatores eo-starum longi, Fig. 5. F. c. 1.). An ihrer Function als Rippenheber kann nach ihrer Anordnung kein Zweifel bestehen. Da sie sich sehr nahe der Drehungsaxe inseriren, wirkt ihr Zug-unter ung\u00fcnstigen mechanischen Verh\u00e4ltnissen, aber eine geringe Hebung wird am vorderen Rippenende schon einen betr\u00e4chtlichen Ausschlag bewirken. Dementsprechend sind ihre Fig. 5. Mm. levatores costarnm breves et Fasern sehr kurz und ihre Querschnitte\nlongi. Nach Henle.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Bau u. Einricht, cl. Athmimgsapparats. Inspiratorische Muskeln. 185\nverh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gross. Diese Muskeln sind von den \u00fcbrigen K\u00fcckenmuskeln bedeckt und ihre Wirkung am lebenden Menschen nicht zu beobachten. Beim Kaninchen haben Teaube1 und ich2 ihre Wirkung als Rippenheber nach Entfernung aller anderen Muskeln nackweisen k\u00f6nnen.\nAn den vorderen Enden der beiden obersten Rippen inseriren sich die Mm. scaleni und zwar der anticus und m\u00e9dius an der ersten, der posticus an der zweiten Rippe. Sie entspringen von den Halswirbeln, und da diese viel weniger beweglich sind als die Rippen, so kann die rippenhebende Wirkung derselben nicht zweifelhaft sein. Auch f\u00fchlt man das Anspannen dieser Muskeln deutlich w\u00e4hrend der Inspiration, namentlich bei mageren Menschen, wenn man die Finger auf die Supraclaviculargegend anlegt. Bei Tkieren kann man die Contraction derselben leicht sehen, wenn man sie bloslegt, und noch besser, wenn man eine oder mehrere ihrer Zacken von der Rippeninsertion abtrennt. Indem sie die beiden obersten Rippen heben, m\u00fcssen die \u00fcbrigen aus den angef\u00fchrten Gr\u00fcnden die Bewegung mitmachen.\nDie Mm. sternocleidomastoidei wirken als Inspiratoren, wenn der Kopf durch die Nackenmuskeln nach hinten fixirt und dadurch ihre oberen Insertionsstellen festgestellt werden. Indem sie das Sternum heben, m\u00fcssen alle Rippen der Bewegung folgen, und es kann durch diese Muskeln eine recht erhebliche Erweiterung des Thorax bewirkt werden. Ihre Th\u00e4tigkeit kann am lebenden Menschen sehr leicht gef\u00fchlt und gesehen werden, erfolgt aber nur bei forcirter Atkmung.\nDer M. pectoralis minor entspringt vom Proc. coracoides des Schulterblattes und inserirt sich an den vorderen Enden der Knochen der dritten bis f\u00fcnften, zuweilen auch der zweiten oder der sechsten Rippe. Bei der leichten Beweglichkeit des Schulterblattes ist eine Wirkung auf die Rippen seitens dieses Muskels nat\u00fcrlich nur m\u00f6glich, wenn das Schulterblatt anderweitig gut fixirt ist; doch kann sie unter diesen E'mst\u00e4nden in sehr wirksamer Weise zu Stande kommen. Die Beobachtung am Lebenden ist wegen der tiefen Lage schwer.\nF\u00fcr diese Fixation des Schulterblattes spielt neben anderen Muskeln jedenfalls der M. serratus anticus eine wesentliche Rolle. Eine unmittelbare inspiratorische Wirkung aber kann ich ihm nicht zuerkennen.\nDer M. serratus posticus superior entspringt vom Nackenbande,\n1\tTraube, Beitr. z. exper. Pathol, u. Physiol. Heft 2. S. 114.\n2\tRosenthal, Die Athembewegungen u. s. w. S. 178.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186 Rosenthal. Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\ndem siebenten Hals- und den zwei oder drei obersten Brustwirbeln und inserirt sieb an der zweiten bis f\u00fcnften (zuweilen auch sechsten) Rippe, etwas nach aussen vom Winkel. Seine Anordnung und Wirkungsweise ist analog der der Mm. levatores costarum.\nDer M. iliocostalis cervicis Henle (M. cervicalis descendens aut.) entspringt von dem vierten bis sechsten Halswirbel und setzt sich an die vierte bis neunte Rippe (einzelne \u00fcberspringend) mit vier oder f\u00fcnf Zacken lateralw\u00e4rts von den Rippenwinkeln. Hexle beschreibt ihn als einen Theil des Sacrospinalis, er ist aber physiologisch von den anderen Theilen desselben zu trennen, da er seiner Anordnung nach unzweifelhaft inspiratorisch wirkt, die anderen Th eile aber ebenso unzweifelhaft exspiratorisch. Doch ist dies nur aus der anatomischen Anordnung abgeleitet, da eine Beobachtung der Wirkung dieser Muskeln weder vom Menschen noch von Thieren vorliegt. 1\nXII. Muskeln, welche die Rippen senken. (Exspiratorische Muskeln.)\nDie wichtigsten und wirksamsten exspiratoriseken Muskeln sind die Muskeln der Bauchwand.\nDie Mm. reeii abdominis, welche zu beiden Seiten der Symphyse von den Schambeinen entspringen und sich an der f\u00fcnften bis siebenten Rippe inseriren, theils am Knochen, theils an den Knorpeln, ziehen nicht nur diese drei Rippen, sondern auch die tieferen, \u00fcber welche sie wegziehen und mit denen ihre Scheiden durch straffes Bindegewebe verbunden sind, und somit den ganzen Brustkorb nach abw\u00e4rts. Ihre Th\u00e4tigkeit kann bei mageren Individuen durch die Bauchhaut hindurch, bei Thieren nach Abpr\u00e4parirung der Bauchhaut leicht beobachtet werden. Zuweilen kommt noch ein M. pyramidalis vor, welcher am Becken dicht unterhalb'der Sehne des Rectus entspringt und sich in der Sehnenscheide des letzteren verliert. Er kann die Wirkung desselben unterst\u00fctzen, ist aber jedenfalls von geringer Bedeutung.\nVom Becken und von der gemeinsamen Fascie der Bauchmuskeln steigt der M. obliquas abdominis externus schr\u00e4g lateralw\u00e4rts nach oben und inserirt sich an den sieben untersten Rippen (zuweilen auch noch an der f\u00fcnften), welche er nach abw\u00e4rts zieht. Seine Wirkung ist am Menschen nicht direct zu beobachten; bei\n1 Die Versuche von Sebson (Philos. Transact. 1S46) scheinen mir nicht ganz beweisend zu sein.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Bau u. Einricht, d. Athmungsapparats. Exspiratorische Muskeln. 187\nThieren (Kaninchen u. a.) sieht man sie leicht, wenn man den Muskel bioslegt ; und wenn man die Fasern von ihrem Ursprung\u2019 abl\u00f6st, so sieht man, wie sie sich bei der Exspiration verk\u00fcrzen.1 Auch der 31. obliquus internus kann, da er vom Becken entspringt und sich an die drei unteren Hippen ansetzt, als Rippensenker wirken, doch ist die Anordnung seiner Fasern zu diesem Zweck viel ung\u00fcnstiger als beim Obliquus externus. Dies gilt noch mehr vom 31. abdominis transverstis, bei welchem nur die obersten von den Querforts\u00e4tzen der Bauchwirbel medianw\u00e4rts und aufw\u00e4rts ziehenden, an die Knorpel der sechs unteren Hippen sich ansetzenden Fasern eine auch nur geringe Wirkung auf die Bewegung der Hippen haben k\u00f6nnen.\nDahingegen m\u00fcssen alle diese Muskeln der Bauchwand in anderer Welse auf die Athmung einwirken. Da sie alle Theile einer convexen Fl\u00e4che darstellen (auch die Mm. recti wegen der freilich nur geringen Kr\u00fcmmung in der Richtung von oben nach unten), so muss die Contraction dieser Muskeln einen Druck in der Richtung normal zu jener Fl\u00e4che auf den Inhalt der Bauchh\u00f6hle aus\u00fcben. Dieser Inhalt, zum grossen Theil aus den verschiebbaren, mit Luft und Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllten D\u00e4rmen bestehend, hat fast die Eigenschaften einer Fl\u00fcssigkeit; der Druck pflanzt sich in ihm nach allen Richtungen fort. Nun ist der Widerstand der hinteren Wand der Bauchh\u00f6hle sehr bedeutend, dagegen der der oberen und theilweise auch der der unteren Wand gering. Das Zwerchfell, welches die obere Wand bildet, ist am nachgiebigsten. Sobald also die Bauchmuskeln sich zusammenziehen, werden sie die Baucheingeweide nach oben dr\u00e4ngen, das Zwerchfell wird sich noch st\u00e4rker kuppelf\u00f6rmig in den Thoraxraum hineinw\u00f6lben und diesen von unten her verengern. Die Bauchmuskeln sind also in ihrer Gesammtheit und abgesehen von ihrer F\u00e4higkeit, die Rippen zu senken, wirksame Exspirationsmuskeln. Wenn aber das Zwerchfell erst contrahirt und dann die in die Lunge aufgenommene Luft durch Verschluss der Stimmritze am Entweichen verhindert wird, dann bietet das so durch die Lungenluft gest\u00fctzte Zwerchfell einen gr\u00f6sseren Widerstand und eine Contraction der Bauchmuskeln wirkt nun auf den Inhalt der Bauchh\u00f6hle nach unten zu, d. h. in das kleine Becken dr\u00e4ngend. Ein solches Zusammenwirken des Zwerchfells und der Bauchmuskeln nennt man die Bauch presse ; es hat mit den Athembewegungen nichts zu\n\n\n\n<\n<6\nfr.\n1 Bosenthal. Athembewegungen. S. 153 lind an mehreren anderen Stellen. \u2014 Der Angabe von Beau u. Maissiat (Arch. g\u00e9n. de m\u00e9d. III. p. 252), dass die Mm. recti beim Hunde selbst bei starker Exspiration sich nicht zusammenziehen, muss ich nach meinen Beobachtungen widersprechen.","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188 Rosenthal, Die Physiologie cl. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nthun. Dagegen halte ich es f\u00fcr unzweckm\u00e4ssig, den Ausdruck Bauchpresse auf die exspiratorisch wirkende Th\u00e4tigkeit der Bauchmuskeln allein anzuwenden.\nAuf der B\u00fcckenseite sind folgende Muskeln als Bippensenker vorhanden :\n1.\tDer il/, serratus posticus inf., welcher von der Fascia lumbo-dorsalis der untersten Brust- und oberen Lendenwirbel entspringt und sich an den unteren Band der vier untersten Bippen ansetzt. Er bildet gleichsam das Spiegelbild des M. serratus post. sup.\n2.\tDer M. iliocostalis lumborum; er entspringt vom Darmbein, von den Dornen der untersten Bauch- und obersten Kreuzwirbel, erstreckt sich an der Wirbels\u00e4ule nach aufw\u00e4rts und gibt an jede Bippe eine Zacke, welche sich am unteren Bande nahe dem Winkel ansetzt. An den oberen Bippen gesellen sich zu ihnen von den Bippen aufsteigende Faserz\u00fcge. Diese (M. iliocostalis cervicis, vgl. S. 186) k\u00f6nnen keinenfalls als Bippensenker functioniren und auch die Wirksamkeit der von unten aufsteigenden Zacken kann nur eine erhebliche sein, soweit er sich vom Becken und den Wirbeln nach den unteren Bippen hin erstreckt, also nur an derjenigen Portion, die Hexle eben als iliocostalis lumborum bezeichnet.\n3.\tDer M. quadratus lumborum, der vom Darmbeinkamm und den Querforts\u00e4tzen der Bauchwirbel zu der untersten Bippe zieht.\nUeber die Wirkung aller dieser Muskeln ist, abgesehen von dem, was sich aus ihrem anatomischen Verhalten ergibt, so gut wie nichts bekannt.1\nXIII. Die Musculi intercostales.\nIch habe die Besprechung der Intercostalmuskeln auf einen besonderen Abschnitt aufgespart, weil \u00fcber ihre Wirkungsweise viele Meinungen vorgebracht worden sind und die Ansichten der Autoren auch heute noch auseinander gehen. Dass Muskeln, welche zwischen zwei Bippen ausgespannt sind, bei ihrer Verk\u00fcrzung sowohl auf die obere derselben senkend als auf die untere hebend wirken m\u00fcssen, ist an sich unzweifelhaft. Es kann sich also nur darum handeln, ob durch die Anordnung dieser Muskeln ein Moment gegeben ist, durch welches die eine oder die andere dieser Wirkungen \u00fcberwiegt, und ob der Thorax als Ganzes im Sinne dieser Besultante bewegt wird.\n1 Vgl. die Angaben von Haller (Elem. V. 59). Beau & Maissiat und Sibson a. a. 0.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Bau u. Einrichtung d. Athmungsapparats. Exspiratorische Muskeln. 189\nWir unterscheiden : 1. Mm. intercostales ext er ni, welche die Zwischenr\u00e4ume der Rippenknochen von den Mm. levatores costarum an bis vorn zu den Rippenknorpeln einnehmen und median-abw\u00e4rts geneigt sind. \u2014 2. Mm. intercostales inierni, welche sich von den Rippenwinkeln bis zu den Knorpeln erstrecken (also am hinteren Rippen-\ntheil fehlen) und median-aufw\u00e4rts geneigt sind.\nQ\no.\nMm. intercarti-\nlayinei, welche zwischen den Rippenknorpeln an den oberen Rippen bis dicht an das Brustbein reichen, an den unteren Rippen weniger constant sind. Die Richtung ihrer Fasern ist eine median-aufw\u00e4rts ansteigende.\nDie jetzt meistverbreitete Annahme ist nun, dass die Mm. intercostales externi Rippenheber also Inspiratoren, die M. intercostales interni Rippensenker, also Exspiratoren seien. Von den Mm. inter-cartilaginei nehmen wohl auch die meisten jetzigen Plrysiologen an, dass sie die Rippen heben. Der Ursprung dieser Lehre wird auf Hamberger zur\u00fcckgef\u00fchrt, obgleich (wie dieser selbst angibt) schon vor ihm Willis dasselbe gelehrt hat. Was Hamberger eigen-th\u00fcmlich zugeh\u00f6rt , ist der auch heute noch in den meisten Lehrb\u00fcchern (freilich meistens falsch) wiedergegebene geometrische Beweis, den er f\u00fcr seine Ansicht zu f\u00fchren suchte. Zwischen ihm und Haller entspann sich dann \u00fcber die Frage ein \u00e4usserst heftiger Streit, dessen einzelne Phasen aus der von Hamberger selbst herausgegebenen Zusammenstellung zu ersehen sind.1\nDer Beweis, welchen Hamberger f\u00fcr die inspiratorische Wirkung der Intercostales externi f\u00fchrt, ist folgender: Seien ac und bd (Fig. 6) zwei Rippen, a und b die Drehpunkte derselben an der Wirbels\u00e4ule, cd ein St\u00fcck des Sternums, welches sich Hamberger als gegen die Rippen frei beweglich denkt in der Art, dass ab de ein ver\u00e4nderliches Parallelogramm mit feststehender einer Seite, ab, darstellt. Die Kraft, mit welcher ein in der Richtung ef zwischen den Rippen ausgespannter Muskel wirkt, ist gleich f\u00fcr den Punkt e wie f\u00fcr den Punkt J\\ Diese Kraft wirkt auf die obere Rippe ac in der Richtung eh nach abw\u00e4rts, auf die untere\na\nFig. 6. Wirkung der Mm. intercostales externi (Copie ron Hamberger Fig. 1.)\n1 Georgii Erhardi Hambergeri de respirationis mechanismo et usu genuino dissertatio. \u2014 Una cum scriptis quae vel illi opposita sunt vel ad controversiam de mechanismo illo agitatam pertinent. Accedunt his notae in quibus ad argumenta, dubia et criminationes respondetur et sententia in dissertatione proposita ab oppu-gnationibus vindicatur. Jenae MDCCXXXXYIII. \u2014 Hamberger's erste Abhandlung de respirationis mechanismo erschien 1727.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nRippe in der Richtung fg nach aufw\u00e4rts. Die nach aufw\u00e4rts und nach abw\u00e4rts wirkenden Componenten sind einander gleich ; da aber die erstere an dem l\u00e4ngeren Hebelarm bf die zweite an dem k\u00fcrzeren Hebelarm ae angreift, so hat die erstere das Uebergewicht und das ganze System muss nach oben gehen. Dasselbe m\u00fcsste der Fall sein, wenn der K\u00f6rper cd fehlte und die Rippen vorn in einem Punkt zusammenstiessen, was offenbar mit R\u00fccksicht auf die unteren Rippen angemerkt ist.1\nHamberger beweist dann, dass Hebung der Rippen gleichbedeutend ist mit Erweiterung des Thorax. Die dazu gebrauchte Figur\ngebe ich in unserer Figur 7 wieder. Wenn die Rippen ac und bd in die Stellung ug und bf \u00fcbergef\u00fchrt werden, so ist erstlich bd = bf> be ; also steht fg (d. h. das Sternum) weiter von ab, der Wirbels\u00e4ule, ab; die Parallelogramme ab cd und abgf haben die gleiche Basis ab, aber die H\u00f6he des letzteren bf ist gr\u00f6sser als die des ersteren be, also ist auch sein Fl\u00e4cheninhalt gr\u00f6sser. F\u00e4llt man aus b das Loth bh auf ac, so ist bk <f ba, also ist der Abstand der Rippen nach der Hebung gr\u00f6sser. Eine solche Hebung k\u00f6nnte durch Verk\u00fcrzung einer Muskelfaser von der Richtung ak zu Stande kommen, denn in der neuen Lage w\u00fcrde sie gleich al ak\nFig. 7. Hamberger's Beweis, dass Rippenhebung den Thorax erweitert (Copie seiner Figur 2).\n1 In einfacherer Weise l\u00e4sst sich der Beweis folgendermaassen f\u00fchren: Sei k die Kraft, mit welcher eine in der Richtung ef wirkende Muskelfaser sich con-trahirt, a der Winkel, welchen dieselbe mit den Rippen macht, so ist die Com-ponente, welche die obere Rippe nach unten zieht, und ebenso die Componente, welche die untere Rippe hebt, gleich k. sin \u00ab. Letztere \u00fcberwiegt, weil der Hebelarm hf gr\u00f6sser ist als der Hebelarm ae.\nVon den Einwendungen, welche Haller gegen Hamberger vorgebracht hat, ist keiner von wesentlichem Belang. Je weiter eine schr\u00e4ge Faser von der Wirbels\u00e4ule absteht, desto geringer ist nach Haller das Yerh\u00e4ltniss der beiden Hebelarme ae : bf. Bei den vorderen Muskeln muss der Unterschied so gering werden, dass er nach Haller\u2019s Meinung nicht in Betracht kommt gegen den Umstand, dass jede tiefere Rippe beweglicher ist als die h\u00f6heren (dies ist aber nicht richtig, wie wir im zweiten Capitel sehen werden) und darum schreibt Haller allen Intercostalmuskeln die Function zu, die Rippen zu heben. Haller \u00fcbersieht dabei, dass es gar nicht auf das geometrische Verh\u00e4ltniss, sondern nur auf die Differenz der Hebelarme ankommt, welche \u00fcberall nur von der Neigung der Muskelfaser abh\u00e4ngt.\nYon neueren Forschern ist besonders Henle Gegner der HAMBERGER\u2019schen Anschauungen. Nach seiner Meinung k\u00f6nnen die Intercostalmuskeln die Rippen weder heben noch senken, sondern dienen allein dazu, die Intercostalr\u00e4ume gegen die Schwankungen des Drucks resistenter zu machen. Das Hauptargument f\u00fcr diese Anschauung w\u00fcrde das Vorkommen von Muskelfasern von der Art der Intercostales an sogenannten Rippenfenstern sein, wenn nicht auch dieses von wenig Werth w\u00e4re, da Muskeln, die nicht functioniren, auch sonst bekannt sind.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"I. Bau u. Einricht, d. Athmungsapparats. Exspiratorische Muskeln. 191\nsein; wohingegen eine Faser von der Richtung ck in die Lage gl kommen und dabei gr\u00f6sser werden m\u00fcsste, also eine solche k\u00f6nnte die Hebung nicht bewirken. In gleicher Weise wie f\u00fcr die Intercostales externi wird nun f\u00fcr die Interni abgeleitet, dass sie die Rippen senken m\u00fcssten und dass dabei das Sternum der Wirbels\u00e4ule gen\u00e4hert w\u00fcrde. Alles dies wird dann an einem Modell aus Holzst\u00e4ben und F\u00e4den, welche in der Richtung der beiden Muskelgattungen angespannt werden, erl\u00e4utert.1\nUeber die Mm. intercartilaginei spricht er sich folgendermaassen aus : Zwar seien ihre oberen Insertionen weiter von den Drehpunkten an den Wirbeln entfernt als ihre unteren ; daher m\u00fcsse das Sternum mit sammt den Rippen und Knorpeln, wenn es gehoben sei, durch ihre Wirkung gesenkt werden. Ist es aber nicht gehoben, so kann es nur wenig gesenkt werden, wegen seiner Befestigung an den Schl\u00fcsselbeinen. Dagegen ist es um eine horizontale Axe, welche durch die Sternoclaviculargeleuke geht, drehbar. Da aber die Contraction der Mm. intercartilaginei zwei Componenten habe, die in der Richtung der Rippenknorpel selbst gelegen sind und die am unteren Knorpel, welche in der Richtung von vorn nach hinten wirke, an einem gr\u00f6sseren Hebelarm angreife, so m\u00fcsse das Sternum nach vorn gestossen und also der Thorax erweitert werden.\nIch habe die Auseinandersetzungen Hamberger\u2019s etwas ausf\u00fchrlicher mitgetheilt, weil sie in den gangbaren Lehrb\u00fcchern meist unrichtig dargestellt sind und namentlich der eigentliche Kern, die R\u00fccksicht auf die L\u00e4nge der Hebelarme \u00fcbersehen worden ist. Gegen seine Ableitung der Wirkung der Intercostales interni und externi ist meiner Meinung nach nichts einzuwenden. Dagegen kann ich seine Darstellung der Wirkungsweise der Intercartilaginei nicht ganz klar finden. Doch l\u00e4sst sich dieselbe leicht durch eine kleine Ab\u00e4nderung verbessern. Es seien (Fig. 8) a cd die obere, bef die untere Rippe, a und b die Drehpunkte an der Wirbels\u00e4ule, d und / die Drehpunkte am Sternum, c und e die Gelenke zwischen Rippenknochen und Rippenknorpel. Wegen der Kr\u00fcmmung der Rippen ist jede als ein geknickter Stab zu betrachten, welcher in dem Winkel c oder e gestreckt werden kann. Eine solche Streckung muss statt-\n1 Derartige Modelle werden in den Vorlesungen vielfach benutzt, um die Theorie zu erl\u00e4utern; die Muskeln werden dabei in der Regel durch elastische B\u00e4nder dargestellt. Gad (Arch. f. Physiol. 1878. S. 584) benutzt wirkliche Froschmuskeln, die in passender Weise befestigt und gereizt werden. Alle diese Modelle weichen von den wirklichen Verh\u00e4ltnissen der Rippen darin ab, dass sie auf die Bewegung zwischen Rippenknochen und Rippenknorpel keine R\u00fccksicht nehmen.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192 Rosenthal. Die Physiologie d. Athenibewegungen u. d. Innervation derselben.\nfinden durch einen Zug, der in der Richtung gh wirkt, im Winkel e, wodurch dieser gehoben und der Abstand bf vergr\u00f6ssert, also das\nSternum nach vorn gedr\u00e4ngt wird. Allerdings wird derselbe Zug auch den Winkel c nach abw\u00e4rts dr\u00fccken, aber diese Wirkung wird \u00fcbercompensirt durch den Zug des n\u00e4chst h\u00f6heren M. intercartilagineus, welcher bei /P, also an einem\na\nf l\u00e4ngeren Hebelarm angreift als der abw\u00e4rts wirkende Zug bei g. Und dies gilt f\u00fcr alle wahren Rippen bis zur ersten, die jedoch wegen ihrer K\u00fcrze und\nFig. 8. Wirkung der Mm. intercartilaginei.\nder abweichenden Beschaffenheit ihres Knorpels nach unten hin so gut wie unbeweglich ist.\nGanz dieselbe Betrachtung kann aber auch auf eine zwischen den kn\u00f6chernen Rippen in der Richtung der Linie kl wirkende Kraft, also auf die Intercostales extend, angewandt werden, wobei die Punkte c und e der beiden Rippen als die beweglichsten angesehen werden. Eine solche Kraft muss die untere Rippe heben und die obere senken, aber die hebende Wirkung muss bei der Richtung der Faserung \u00fcberwiegen. Und dies wird auch nicht durch den oben in der Anmerkung erw\u00e4hnten Einwand von Haller entkr\u00e4ftet. Denn wenn auch der Unterschied der Hebelarme bei einer jeden einzelnen Muskelfaser nur gering ist, die Summe aller dieser an sich kleinen Differenzen auf die ganze L\u00e4nge des Rippenpaares muss doch eine recht erhebliche sein.\nBei dieser Auffassung der Rippe als eines gegliederten Stabes, dessen gr\u00f6sste Beweglichkeit an der Uebergangsstelle von kn\u00f6cherner zu knorpeliger Rippe (oder doch in der N\u00e4he dieses Punktes) liegt, kann eine gleichzeitige Bewegung zweier Rippen gegeneinander in merklichem Grade gar nicht stattfinden. Die Rippen k\u00f6nnen nur alle zusammen gehoben oder gesenkt werden. Im ersteren Falle wird der Winkel zwischen Rippenknochen und Knorpel gr\u00f6sser und das Sternum entfernt sich von der Wirbels\u00e4ule; im zweiten Falle tritt das entgegengesetzte ein. Dieser Einfluss der Rippenknickung nimmt von der zweiten bis zur siebenten Rippe zu, was der Hebelbewegung des Sternums um eine an seinem oberen Ende gelegene horizontale Axe entspricht.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"I. Bau u. Einricht, cl. Athmungsapparate. Exspiratorische Muskeln. 193\nAm ausf\u00fchrlichsten hat Hutchinson1 den Gegenstand behandelt und durch eine Reihe von Versuchen an mannigfach abge\u00e4nderten Modellen erl\u00e4utert; auch auf die Bewegung zwischen kn\u00f6cherner Rippe und Rippenknorpel nimmt er R\u00fccksicht und zeigt, dass Kr\u00e4fte, welche in der Richtung der Mm. extend und intercartilaginei wirken, die Rippen und das Sternum heben und letzteres zugleich um eine horizontale Axe an seinem oberen Ende drehen, so dass das untere Ende nach vorw\u00e4rts geschoben wird.\nVolkmann2 kommt in Bezug auf die Mm. intercostales extend zu demselben Schluss wie alle seine Vorg\u00e4nger, n\u00e4mlich dass sie Rippenheber seien. Er nimmt dabei auf die Richtung der Axen, um welche die Drehung der Rippen erfolgt, R\u00fccksicht, was aber auf den Erfolg keinen wesentlichen Einfluss hat. Die Intercostales interni aber erkl\u00e4rt er auch f\u00fcr Rippenheber, haupts\u00e4chlich auf Grund von Versuchen, welche zeigen, dass die Rippen aus der Normalstellung durch die gleichen Kr\u00e4fte, wenn sie senkend wirken, viel weniger bewegt werden als bei der Hebung. Was seine Bemerkungen \u00fcber die Intercartilaginei anlangt, so k\u00f6nnen sie Hamberger\u2019s iknsichten nicht widerlegen, denn dieser schreibt ihnen, wie wir gesehen haben, vorzugsweise die Function zu, das Sternum nach vorn zu bewegen, w\u00e4hrend Volkmann gegen eine Aufw\u00e4rtsbewegung desselben pole-misirt.\nDurch solche Betrachtungen wird aber nur bewiesen, dass die besprochenen Muskeln in der Weise wirken k\u00f6nnen, wie wir es aus ihrer Anordnung schliessen. Aus meinen Beobachtungen an Kaninchen und Katzen glaube ich jedoch ableiten zu k\u00f6nnen, dass die Intercostales externi wirklich sich bei der Inspiration contrahiren und die Rippen zu heben verm\u00f6gen.3 Ueber die Intercostales interni und die Intercartilaginei konnte ich nichts Sicheresjiusmachen. Newell-Martin und Hartwell4 fanden bei Hunden und Katzen, dass die Intercostales interni sich abwechselnd mit dem Zwerchfell, also bei der Exspiration zusammenziehen. Beim Menschen ist wenig Sicheres zu beobachten. Denn wenn man auch bei mageren Individuen zuweilen Contractionen der Intercostales externi zu f\u00fchlen glaubt, so ist doch sehr schwer zu entscheiden, ob dies wirklich der Fall ist.\nDie den Intercostalmuskeln sehr nahe verwandten M. transversus thoracis posticus und M. transversus thoracis anticus (sternocostalis)\n1\tHutchinson, Art. Thorax in Todd\u2019s Cyclopaedia. IV. S. 1043 ff. (1852).\n2\tYolkmann, Ztschr. f. Anat. u. Entwicklungsgesch. IL S. 159.\n3\tRosenthal, Die Athembewegungen. S. 178.\n4\tJourn. of Physiol. IL p. 24. 1879.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IY a.\n13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. cl. Innervation derselben.\nk\u00f6nnen nur Rippensenker sein. Ueber ihre Th\u00e4tigkeit ist nichts bekannt.\nVon den vielen Angaben \u00fcber die Intercostales seien hier nur noch einige mitgetheilt. Auf Grund von elektrischen Reizversuchen und Beobachtungen an Kranken h\u00e4lt Duchenne1 2 3 4 sowohl die Intercostales extern! als auch die intend f\u00fcr Rippenheber. Zu derselben Ansicht kam Duval 2 durch elektrische Reizung bei einem Hingerichteten. Dwight 3 glaubt, dass beide Muskelarten an den oberen Rippen als Heber, an den unteren als Senker fungiren, doch kann man aus seinen Versuchen eigentlich nur ableiten, dass die Externi Heber sind, w\u00e4hrend \u00fcber die Intend aus ihnen gar nichts folgt. Esbach 4 ist derselben Meinung wie Duchenne, seine Annahmen \u00fcber die Bewegungsaxe, welche er am Sternalende annimmt, sind aber nicht haltbar.\nXIV. Gestaltver\u00e4inlerimg des Thorax und der Lungen.\nEine Hebung der ersten Rippe und des Schl\u00fcsselbeins und somit des ganzen Sternums tritt nur bei den allerforcirtesten Inspirationen ein. Aber auch ohne sie k\u00f6nnen die anderen Rippen betr\u00e4chtlich gehoben werden, wobei dann das Sternum sich um seine obere Axe dreht und somit von der Wirbels\u00e4ule entfernt. Wie wir gesehen haben, erfolgt dabei zugleich eine Erweiterung des Thorax von rechts nach links, indem die Rippen nach aussen gehen. Diese Erweiterung ist am gr\u00f6ssten in der Gegend der siebenten Rippen. Der Thorax nimmt dabei eine mehr abgerundete Form an, w\u00e4hrend er in der Normalstellung in der Richtung von vorn nach hinten etwas abgeplattet ist. Die gr\u00f6sste Bewegung f\u00e4llt in die H\u00f6he des unteren Sternaltheils. Indem nun dieser sich von der'Wirbels\u00e4ule entfernt, tritt eine Streckung der Mediastinalwandungen ein., wobei in \u00e4hnlicher Weise, wie wir dies beim Zwerchfell gesehen haben, wenngleich in viel geringerem Grade, die Pleura costalis von der Pleura mediastinalis abgezogen wird. Indem nun die Lunge sich ausdehnt, tritt ihr innerer Rand nach innen vor und schiebt sich keilf\u00f6rmig zwischen Herz und Brustwand ein. Es liegt also im erweiterten Thorax ein geringerer Theil der vorderen Herzfl\u00e4che der Brustwand unmittelbar an als im Normalzustand. Die Erweiterung, welche\n1\tDuchenne, Gaz. hebd. d. Paris 1866. No. 41 ; Mouv. de la respir\u00e2t. Paris 1866.\n2\tDuval, Gaz. des h\u00f4pitaux. 1867. p. 404.\n3\tDwight. Boston med. and surg. Journ. LNXXVIII. No. 18.\n4\tEsbach, Gaz. med. d. Paris. 1872. No. 43. 45. 48. 51. \u25a0","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"l.Cap. Bauu. Einricht, d. Athmungsappar. Gestaltver\u00e4nd.d. Thor.u.d.Lungen. 195\nhierbei die Lunge erf\u00e4hrt, muss deshalb auch eine Verschiebung ihrer Oberfl\u00e4che gegen die innere Brustfl\u00e4che in horizontaler Richtung bewirken, wobei der hintere stumpfe Rand in der Lungenfurche unbewegt bleibt und der innere scharfe Rand die gr\u00f6sste Verschiebung erf\u00e4hrt. Doch ist diese nicht so gross, als es mit dem unteren Rande bei der Zwerchfellverschiebung der Fall ist, weil ja ein Tlieil der Lungenerweiterung auch nach den Seiten hin erfolgt, also nicht die gesammte Ausdehnung nach einer Richtung hingeht.\nDie Verkleinerung des Thorax von der Normalstellung aus ist in geringerem Maasse m\u00f6glich, was Volkmann1 durch Versuche am Thorax noch besonders belegt hat. Dies kommt daher, dass die Rippen in der Normalstellung schon stark nach abw\u00e4rts geneigt sind und die oberen Bandmassen ihrer Gelenke sich daher schon in starker Spannung befinden. Denn drehte Volkmann den Thorax um, so dass das Lumbalende der Wirbels\u00e4ule nach oben gekehrt war, so bewirkten umgekehrt dieselben Zugkr\u00e4fte jetzt eine st\u00e4rkere\nA\nFig. 9. Thorax der Leiche, im Zustand der Ruhe (A) und nach Aufblasung- (B). Nach Hutchinson.\nAufw\u00e4rtsbewegung, also im Sinne einer Abw\u00e4rtsbewegung bei Normalstellung. Daraus folgt also, dass die st\u00e4rkste Thoraxverengerung nur zum kleinsten Theil durch Formver\u00e4nderung des Thorax, vielmehr haupts\u00e4chlich durch die Aufw\u00e4rtsdr\u00e4ngung des Zwerchfells in Folge der Contraction der Bauchmuskeln zu Stande kommt.\nUm eine Vorstellung von der wesentlichsten Gestaltver\u00e4nderung zu geben, habe ich in Fig. 9 eine der Darstellungen wiederholt,\n1 Volkmann, Ztschr. f. Anat. u. Entwickelungsgesch. II. S. 159.\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nwelche Hutchinson vom Thorax der Leiche giebt im Zustande der Normalstellung (A) und nach Aufblasung mit Luft (B), welche letztere der tiefsten Inspiration analog ist. Die gezackten Linien zu beiden Seiten des Sternums geben die vorderen Lungengrenzen an. Wie man sieht, werden durch die Aufblasung die Rippen gehoben, die Intercostalr\u00e4ume verbreitert und das Sternum gehoben und nach vorn geschoben. Doch ist, wie Hutchinson bemerkt, diese Formver\u00e4nderung nicht vollkommen die gleiche wie bei tiefster Inspiration; die Unterschiede zeigt die folgende Tabelle:\n\t\tThorax\t\t\tAbdomen\t\n\tJ 1 ^3\t05\tH , r' o c\u00a3 \u00a3 CS! Z* r\"1 c3 \u00f6 \u00a3 G O\tQuerdurch\u00bb! essor\tDurchmesser v. vorn nach hinten\tCp \u00d9\tQucr- durchmesser\tDurchmesser v. vorn nach hinten\nTod. Ruhestellung\t\t293/4\t10\t8\t29\u2019/2\t33/4\tVjs 95/s\nTod. Aufblasung\t\t31 1//4\t1072\t83/s\t317\u00ab\t10\t\nLeben. Exspiration\t\t32\tIL/4 1274\t93/s\t25\t1074\t73/4\nLeben. Inspiration\t\t37\t\tll6/s\t2574\t11\tSl/s\nDifferenz im Tode durch Aufblasung \t\ti1/'*\t7 2\t3/4\tl5/8 7^\tl5/s\tl6/s 3/s\nDifferenz im Leben durch Inspiration \t\t\t1\tCO\t\t31. 1A\t\nDie Zahlen bedeuten englische Zolle.\t\t\t\t\t\t\nBei der Aufblasung macht sich, wie man sieht, die Luft theil-weise durch Verdr\u00e4ngung des Zwerchfells nach unten Platz, w\u00e4hrend bei der activen Inspiration die Erweiterung des Abdomens eine geringere, die des Thorax eine gr\u00f6ssere ist.\nWie schon bemerkt wurde, m\u00fcssen die Lungen jeder Gestaltver\u00e4nderung des Thorax folgen, so lange sie luftdicht in denselben eingef\u00fcgt sind. Die daraus sich ergebenden Bewegungen der Lungen innerhalb des Thorax lassen sich am Lebenden und an der Leiche (wenn man bei letzterer die Respirationsbewegungen durch Einblasen oder Aussaugen von Luft ersetzt) durch die akustischen Verfahren der Percussion und Auscultation nach weisen. Jede hinreichend starke Ersch\u00fctterung der Thoraxwand setzt da, wo unmittelbar unter der ersch\u00fctterten Stelle lufthaltiges Lungengewebe sich befindet, die in demselben enthaltene Luft in Schwingungen und gibt daher einen Schall, welcher sehr verschieden ist von dem, welchen man beim Percutiren nicht lufthaltiger Stellen erh\u00e4lt. An den scharfen Lun-","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsappar. Frequenz u. Tiefe d. Athemhewegungen. 197\ngenr\u00e4ndern, wo die Lage lufthaltigen Gewebes allm\u00e4hlich d\u00fcnner wird, geht freilich die eine Schallart allm\u00e4hlich in die andere \u00fcber, und die Grenze ist nicht mit absoluter Genauigkeit zu bestimmen. Dennoch ist der Schallwechsel sowohl an der unteren Lungengrenze als am inneren Lungenrande \u00fcber der Herzgegend bei den Verschiebungen der Lunge bei der In- und Exspiration deutlich genug, an der ersteren sogar sehr leicht nachweisbar.\nLegt man das Ohr auf die Lungengegend, so h\u00f6rt man \u00fcberall bei der Ein- und Ausathmung Ger\u00e4usche, welche offenbar von der Bewegung der Luft hervorgerufen werden. Der Charakter des Ger\u00e4usches ist verschieden \u00fcber der Trachea und den grossen Bronchien und \u00fcber dem eigentlichen Lungengewebe. Es ist hier nicht der Ort, auf die Theorie dieser Ger\u00e4usche und die Frage nach dem Unterschied des Bronchial- und des Vesicul\u00e4rathmens genauer einzugehen. Ersteres entsteht unzweifelhaft durch die Reibung der Luft an den R\u00f6hrenwandungen, letzteres ist entweder nur ein durch die Zwischenlagerung des Lungengewebes bei seiner Fortleitung zum Ohr modificirtes Ger\u00e4usch, oder es entsteht selbstst\u00e4ndig in den Alveolen. Uns interessiren die Athemger\u00e4usche an dieser Stelle auch nur wegen der Contr\u00f4le, welche durch sie \u00fcber die wechselnde Ausdehnung der Lunge gegeben wird, da man auch durch sie sich von der Gr\u00f6sse der Verschiebung an den Lungengrenzen \u00fcberzeugen kann.\nZWEITES CAPITEL.\nDie Verrichtungen des Athmungsapparates.\nI. Frequenz und Tiefe der Atliembewegungen.\nDie Athembewegungen sind schon mit blossem Auge an den durch sie bewirkten Gestaltver\u00e4nderungen der Brust und des Bauchs sichtbar, auch durch einfaches Handauflegen auf geeignete K\u00f6rperstellen f\u00fchlbar. Es bedarf daher zur Feststellung mancher Punkte keiner besonderen experimentellen Hilfsmittel. F\u00fcr eine genauere Untersuchung von Einzelheiten sind dann, namentlich seit der Einf\u00fchrung der graphischen Untersuchungsmethoden, alle m\u00f6glichen Vorrichtungen angewandt worden, deren wichtigste wir in den folgenden Paragraphen erw\u00e4hnen werden.","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nDie Zahl der Athemz\u00fcge schwankt hei verschiedenen Individuen und bei demselben Individuum in verschiedenen Zeiten. Was ihre genaue Feststellung erschwert, ist besonders der Umstand, dass sie beeinflusst wird, sobald die Aufmerksamkeit des Selbstbeobachters oder des Beobachteten sich auf sie richtet. Am zuverl\u00e4ssigsten sind daher die Z\u00e4hlungen, welche ohne Wissen der beobachteten Personen vorgenommen werden. Soweit dazu das Betrachten des Thorax nicht ausreicht, empfiehlt sich, zumal bei im Bett liegenden Kranken, das F\u00fchlen der Hervorw\u00f6lbung der Bauchdecken in der Weise, dass man den wie zum Pulsz\u00e4hlen gefassten Arm des Beobachteten lose auf seinem Abdomen ruhen l\u00e4sst und die Plebungen z\u00e4hlt.\nHutchinson1 fand unter 1897 Z\u00e4hlungen an m\u00e4nnlichen Personen, die nichts davon wussten, in der \u00fcberwiegenden Mehrzahl der F\u00e4lle die Zahl von 16 bis 24 Respirationen in der Minute. Unter 16 sank die Frequenz nur bei sehr wenigen, ebenso war sie nur selten \u00fcber 24. Ausser dem schon erw\u00e4hnten Einfluss der Aufmerk-keit haben auch noch viele andere Umst\u00e4nde Aenderungen der Athem-frequenz zur Folge. Die wichtigsten unter ihnen sind:\nDas Lebensalter. Quetelet'2 fand unter 300 Individuen im 1. Lebensjahr im Max. 70, Min. 23, Mittel 44\nim 5. Jahr\t,,\t\u201e\t32\t\u201e\t\u2014\t\u201e\t26\nim\t15.\u201420.\tJahr\t..\t\u201e\t24\t,,\t16\t\u201e\t20\nim\t20.\u201425.\t,.\t\u201e\t\u201e\t24\t\u201e\t14\t\u201e\t18.7\nim 25.\u201430.\t\u201e\t\u201e\t21\t\u201e\t15\t\u201e\t16\nim\t30.-50.\t,\t\u201e\t\u201e\t23\t\u201e\t11\t\u201e\t18.1\nDie Pulsfrequenz verhielt sich zur Respirationfrequenz bei sehr vielen Menschen wie 4:1.\nDie Muskelth\u00e4tigkeit. Alle Beobachter stimmen darin \u00fcberein, dass jede auch selbst ganz geringe Muskelth\u00e4tigkeit die Athemire-quenz steigert. Daher ist dieselbe am geringsten bei ruhiger Lage mit vollkommener Unterst\u00fctzung aller Glieder, etwas gr\u00f6sser beim Sitzen und noch gr\u00f6sser beim Stehen, kann aber bei jeder K\u00f6rperanstrengung, z. B. Gehen, Laufen, Treppensteigen u. s. w. sehr erheblich, selbst bis auf das Doppelte und dar\u00fcber bei gr\u00f6sseren Anstrengungen steigen. Je pl\u00f6tzlicher und gewaltsamer eine Muskelleistung auftritt, desto gr\u00f6sser ist die durch sie bewirkte Steigerung der Frequenz*, doch geht sie, wenn die Muskelleistung nicht anh\u00e4lt, auch schnell vor\u00fcber.\n1\tHutchinson, Art. Thorax in Todd\u2019s Cyclopaedia. 14 . p. 1085.\n2\tQuetelet, Sur l'homme etc. II. p. 86. Paris 1835. Deutsch v. Riecke. S. 395. Stuttg. 1838.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, cl. Athmungsappar. Frequenz u. Tiefe cl. Athembewegungen. 199\nDie Temperatur der Umgebung. Je h\u00f6her dieselbe ist, desto h\u00e4ufiger wird die Athmung. Der Einfluss dieses Umstandes tritt aber nur hervor, wenn wirklich die Blutw\u00e4rme zunimmt, was nicht immer der Fall ist, wenn die Umgebungstemperatur steigt. (Weiteres hier\u00fcber s. im Abschnitt thierische W\u00e4rme.) Die abweichende Angabe von Vieroedt1 steht hiermit nicht im Widerspruch, da die Differenzen der Temperaturen in seinen Beobachtungen sehr kleine waren. Vierordt fand an sich selbst als Mittelzahl bei niederen Temperaturen (zwischen 3\u00b0 und 13?) in 1 Minute 12,16 Athemz\u00fcge, bei h\u00f6heren Temperaturen (zwischen 14\u00b0 und 24\u00b0) 11,57 Athemz\u00fcge. Die Einzelbeobachtungen schwanken aber in der ersten Reihe zwischen 11,44 und 12,82 und in der zweiten Reihe zwischen 11,27 und 12,81, also ist daraus nur zu schliessen, dass innerhalb der bezeichneten Grenzen ein merklicher Einfluss auf die Athemfrequenz \u00fcberhaupt nicht ausge\u00fcbt wird. Bei Thieren dagegen, die man durch Verminderung des normalen W\u00e4rmeverlustes auf eine h\u00f6here Temperatur bringt, kann man enorme Athemfrequenzen beobachten. So sah z. B. Ackermann2 bei Hunden bis zu 150 Athemz\u00fcgen in der Minute.\nWas den Luftdruck anlangt, so scheint aus den Beobachtungen Vierordt\u2019s eine geringe Vermehrung der Respirationsfrequenz bei h\u00f6heren Barometerst\u00e4nden hervorzugehen. Die gr\u00f6sseren Schwankungen des Luftdrucks, welche in den sogenannten pneumatischen Kabinetten, bei den unter Wasser vorgenommenen Bauten und in den Versuchen von Paul Bert genauer erforscht worden sind, ergeben bei h\u00f6heren Drucken eine Abnahme der Respirationsfrequenz (mit gleichzeitiger Zunahme der Athmungstiefe). Ueber den Einfluss des Druckes auf die Mechanik des Athmens wird sp\u00e4ter gehandelt werden.\nIm Laufe des Tages nimmt nach Vierordt die Athemfrequenz ab bis Mittag, steigt unmittelbar nach dem Mittagessen, erreicht eine Stunde nach demselben ein Maximum und sinkt dann wieder. Wird das Mittagessen ausgesetzt, so fehlt die Steigerung, welche also von der \u201e Verdauung \u201c herr\u00fchrt. Diese Steigerung durch das Mittagsmahl betrug bei Vierordt im Mittel 1.72 Athemz\u00fcge in der Minute.3\nDer Wille kann vor\u00fcbergehend die Respirationsfrequenz sehr erheblich beeinflussen. Wenn dabei die Tiefe der Athmung entsprechend ge\u00e4ndert wird, so dass der Gaswechsel sich im Wesentlichen\n1\tVierordt, Art. Respiration in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. II. S. 879.\u2014In der That sah auch Vierordt in anderen Versuchen (Physiol, d. Athmens. S. 73 ff. Karlsruhe 1845) bei h\u00f6heren Temperaturen gr\u00f6ssere Frequenz und zwar berechnet er die Zunahme f\u00fcr jeden Grad Celsius auf 0.054.\n2\tAckermann, Arch. f. klin. Med. 1866. S. 359.\n3\tVierordt, Physiol, d. Athmens. S. 90 ff.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Inuervation derselben.\ngleich bleibt, so kann dieser willk\u00fcrlich abge\u00e4nderte Respirationstypus einige Zeit anhalten. Im anderen Falle aber bricht nach kurzer Zeit wieder, trotz unseres Willens, die gew\u00f6hnliche Athmungs-frequenz und der gew\u00f6hnliche Typus durch.\nDen erheblichsten Einfluss auf die Athemfrequenz aber hat die Beschaffenheit des Blutes, namentlich sein Gasgehalt. Ein Theil der bisher besprochenen Factoren, so z. B. die Muskelth\u00e4tigkeit, wirken vielleicht nur dadurch, dass sie den Gasgehalt des Blutes \u00e4ndern. Dieser Punkt wird an einer sp\u00e4teren Stelle eine eingehende Er\u00f6rterung finden.\nDie Tiefe der Athemz\u00fcge, gemessen durch die bei einer Exspiration entleerte Luftmenge, befolgt im allgemeinen dieselben Gesetze wie die Frequenz. Nach Vieroedt1 ist dieselbe im Mittel etwa auf 500 Ccm. zu veranschlagen und das in einer Minute ein- und aus-geathmete Luftquantum auf etwa 6000 Ccm. Nach dem Mittagsmahl stieg bei Vierordt dieses Quantum um 680 Ccm., durch starke Muskelbewegung um 300 Ccm. ; durch Temperaturzunahme der Umgebungsluft f\u00fcr jeden Grad um 60 Ccm. ; durch Steigerung des Luftdrucks um 5.6 Par. Linien um 580 Ccm. Die genaueren Er\u00f6rterungen \u00fcber den Zusammenhang \u00e4usserer Einfl\u00fcsse und der Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe von Kohlens\u00e4ure bei der Athmung finden in dem Abschnitt von dem Chemismus der Athmung ihren Platz.\nFassen wir alles zusammen, so k\u00f6nnen wir sagen, dass die normale Athmungsfrequenz eines erwachsenen gesunden Menschen etwa 16 bis 18 in der Minute sei. Im Allgemeinen ist das Verh\u00e4ltniss der Athemfrequenz zur Pulsfrequenz nahezu gleich 1:4, und da viele der erw\u00e4hnten \u00e4usseren Einfl\u00fcsse auf beide in gleichem Sinne wirken, so wird durch sie das Verh\u00e4ltniss nicht wesentlich ge\u00e4ndert. Doch gibt es gerade hierin mehrere Ausnahmen.\nDie nerv\u00f6sen Einfl\u00fcsse sollen im dritten Capitel besprochen werden.\nII. Untersuchung der Athembewegungen. Pneunionietrie und\nPneumographie.\nNeben der einfachen Z\u00e4hlung der Athemfrequenz kann man durch das blosse Auge noch manche Einzelnheiten \u00fcber die Athembewegungen erfahren : so die wechselnde Erweiterung und Verengerung an verschiedenen Stellen des Thorax, die durch die Zwerchfellbewegung verursachte Hervorw\u00f6lbung des Bauches und die Aus-\n1 Vierordt, Physiol, d. Athmens. Zusammenstellung der Ergebnisse. S. 255 ff.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsapparats. Untersuchung, d. Athembewegungen. 201\nw\u00e4rtsbewegung oder Einziehung der unteren Rippen u. s. w. Um aber genauere Bestimmungen zu machen, sind eine grosse Zahl von Apparaten angegeben worden, von denen wir nur die wichtigsten hervorheben wollen.\nSibson1 misst mit seinem Thoracometer (Fig. 10) die Ver\u00e4nderungen eines sagittalen Durchmessers in verschiedener H\u00f6he. Die\nFig. 10. Sibsok\u2019s Thoracometer.\nVersuchsperson liegt mit dem R\u00fccken auf der R\u00fcckenplatte R. An dieser ist rechtwinkelig ein Maassstab M, an welchem sich der Stab \u00a3 der R\u00fcckenplatte parallel verschieben l\u00e4sst. Am Stabe 5 ist wiederum senkrecht die Zahnstange Z befestigt, deren Verschiebungen auf den Zeiger \u00fcbertragen die Bewegungen des an das Sternum oder eine\n1 Sibson, Med. chir. Transactions. XXXI. p. 353. London 1858. On the movements of respiration in disease, and on the use of a chest-measurer.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202 Rosenthal, Die Physiologie cl. Athembewegungen u. cl. Innervation derselben.\nRippe angelegten Pl\u00e4ttchens in Vtoo engl. Zoll abzulesen gestattet. Mit diesem Apparate fand Sibson folgende Verschiebungen:\n\tBei ruhigem Athmen\tBei sehr tiefer Inspiration\nAuf der Mitte des Sternums zwischen den Ge-\t\t\nlenken der zweiten Rippen\t\t3-6\t100\nxAm Knorpel der zweiten Rippe\t\t3-7\t100\nAm Knorpel der f\u00fcnften Rippe\t\t2-7\t95\nAn der sechsten Rippe\t\t3-5\t60 \u201470\nAn der untersten Stelle des Brustbeins .\t.\t2-6\t95\nAn der zehnten Rippe\t\t9\u201410\t60\u201465\nAm Bauch in der Mitte\t\t25\u201430\t90 \u2014 100\nIn \u00e4hnlicher Weise hat auch Ransome1 2 3 die Bewegung eines Brustpunktes in drei auf einander senkrechten Ebenen gemessen.\nHandelt es sich nicht blos um die Messung der Excursion, welche irgend ein Punkt der Oberfl\u00e4che ausf\u00fchrt, sondern auch um die Bestimmung der Bewegungsphasen, dann bedient man sich der bekannten graphischen Methoden. So haben schon Vierordt und G. Ludwig 2 die Bewegungen des Bauches bei R\u00fcckenlage durch einen auf demselben aufliegenden Hebel auf der Kymographion-trommel aufzeichnen lassen. Sie fanden die einzelnen Respirationen von sehr wechselnder Dauer; namentlich beim Vorlesen schieben sich zwischen die gew\u00f6hnlichen Respirationen einzelne von sehr kurzer Dauer ein. In- und Exspiration sind durch keine merkliche Pause getrennt, auf die Exspiration folgt jedoch in der Regel eine Pause von ungef\u00e4hr fs der gesammten Athmungsdauer ; nur bei sehr frequenter Athmung fehlt diese Pause. Die Exspiration dauert l\u00e4nger als die Inspiration.\nIn \u00e4hnlicher Weise hat Riegel :i mit seinem Doppelstethogi'ciphen (Fig. 11), welcher die Bewegungen zweier Punkte des Thorax gleichzeitig aufzuzeichnen gestattet, die Bewegungen bei Gesunden und Kranken vielfach untersucht: Die beiden Curven werden auf beiden Seiten desselben Papiers aufgezeichnet, so dass man, wenn man das Papier gegen das Licht h\u00e4lt, sie bequem auf ihre Congruenz pr\u00fcfen kann.\nBei den bisher erw\u00e4hnten Apparaten wird die Bewegung irgend\n1\tRansome, Med.-chir. Transactions LYI. p. 61. 1873.\n2\tYierordt u. G. Ludwig, Arch. f. physiol. Heilk. XIY. S. 253. 1855.\n3\tRiegel, Die Athembewegungen. Eine physiologisch-pathologische Studie. W\u00fcrzburg 1873. (Ygl. auch Deutsch. Arch. f. klin. Med. XI. S. 379.)","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsapparats. Untersuchung d. Athembewegungen. 203\neines Punktes absolut betrachtet, cl. h. seine Entfernung' von irgend einem anderen Punkte, der R\u00fcckenfl\u00e4che oder der Medianebene des K\u00f6rpers wird bestimmt, wobei man diese als unverr\u00fcckt voraussetzt. Da diese Voraussetzung in Wirklichkeit kaum zu erf\u00fcllen ist, so construite Fick1 einen Pneumographen, bei welchem die relative Bewegung zweier Punkte gegeneinander aufgezeichnet wird. Ein\nFig. 11. Doppelstetliograpli von Riegel.\nTasterzirkel tr\u00e4gt an einem seiner k\u00fcrzeren Arme ein Rohr, an dem anderen einen, durch ein Gelenk an demselben befestigten Stempel, der mit wenig Reibung aber luftdicht in das Rohr passt. Die beiden Endpunkte der langen Arme werden durch ein elastisches Band oder durch die H\u00e4nde des Beobachters sanft an die Punkte des Brustumfangs, deren relative Bewegung gemessen werden soll, so angedr\u00fcckt, dass ihre Bewegung dadurch nicht behindert wird. Die\n1 Fick. W\u00fcrzburger Yerhandl. Neue Folge. III. S. 211. 1S72.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\ndieser proportionale Bewegung' der k\u00fcrzeren Arme wird durch einen von dem Rohr ausgehenden Gummischlauch auf eine MAREY'sche Schreibkapsel oder ein Wassermanometer \u00fcbertragen und in bekannter Weise aufgezeichnet. Um die Bewegung in Zahlen auszudr\u00fccken, muss der Apparat empirisch graduirt werden.\nDie Marey sehe Schreibkapsel (abgebildet IV. 1. S. 152), welche so vielfache Anwendung in der Physiologie findet, bildet einen Bestandteil sehr vieler zur Untersuchung der Athembewegungen benutzter Vorrichtungen und Apparate. Marey1 2 selbst gab dazu einen\nPneumograph von Marey, modificirt von P. Bert.\nvon ihm als Pneumograph bezeichneten Apparat an, welchen wir in Fig. 12 in der etwas abge\u00e4nderten Form darstellen, welche ihm Paul Bert 2 gegeben hat. Der kleine Metallcylinder ist an seinen Enden durch Kautschukmembranen geschlossen, an welchen Haken befestigt sind. Schnallt man ihn mittelst eines unausdehnbaren Gurtes um den Thorax, so zerrt jede Erweiterung desselben die Platten auseinander und bewirkt eine Luftverd\u00fcnnung im Cylinder, welche durch den Gummischlauch auf die Schreibkapsel \u00fcbertragen und aufgezeichnet wird.\nEine Probe der mit diesem Apparat gewonnenen Curven zeigt Fig. 13. Die Inspiration, durch den absteigenden Theil der Curve dargestellt, erfolgt hier langsamer als die Exspiration. Die Athem-pause zwischen Exspiration und n\u00e4chster Inspiration dauert ungef\u00e4hr eben so lange als die eigentliche Athembewegung (In- und Exspira-\n1\tMarey, Journ. d. l\u2019anat. et physiol. II. p. 425. 1S65. \u2014 Du mouvement dans les fonctions de la vie. p. 163. Paris 1868.\n2\tBert, Le\u00e7ons sur la physiologie compar\u00e9e de la respiration, p. 207. Paris 1870. Auch in Arch. d. physiol, norm, etpathol. II. p. 178. 1869.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsapparats. Untersuchung d. Athembewegungen. 205\ntion zusammengenommen). Die Gestalt der Curve muss aber offenbar verschieden ausfallen je nach der Stelle der Anlegung am Thorax.\nFig. 18. Atlimungscurven nach Marey.\nHandelt es sich darum, die Bewegungen eines einzelnen Punktes auf die Schreibkapsel zu \u00fcbertragen, so kann man sich einer in\nFig. 14. Luftkapsel auf Stativ nach P. Bert. Fig. 15. Luftkapsel mit Zirkel nach P. Bert.\neinem Stativ beweglich aufgestellten und in jeder passenden Lage feststellbaren Luftkapsel bedienen, wie sie Fig. 14 nach Bert dar-","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206 Rosesthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nstellt, oder der an einem Zirkelarm befestigten Luftkapsel (Fig. 15, nach demselben), wo der andere Zirkelarm, an einem entsprechenden\nPunkte des Thorax angelegt, den Punkt abgiebt, dessen jedesmalige Entfernung von dem andern von dem Apparat regi-strirt wird.1 2\nSchliesslich sei hier noch das \u201e Recording Ste-r thometer\u201c von Burdon-Sanderson2 erw\u00e4hnt. Die mittelst des G-urtes und Gest\u00e4nges aufgeh\u00e4ngte Luftkapsel A ruht mit dem Elfenbeinknopf B an dem zu untersuchenden Punkt des Brustkorbs an. Der Stab B\u2019 tr\u00e4gt einen anderen Elfenbeinknopf, welcher an einer entsprechenden Stelle angelegt wird, Fig. 16. stethometer von burdon-sanderson. und die Schwankungen\nder Entfernung dieser beiden Punkte werden auf die Schreibkapsel \u00fcbertragen und aufgezeichnet. Der f\u00fcr gew\u00f6hnlich geschlossene Seitenschlauch, welcher zum Kautschukball C f\u00fchrt, hat den Zweck, die Luftkapsel und Schreibkapsel nach Bed\u00fcrfniss mit Luft zu f\u00fcllen.\nIII. Untersuchung der Luftbewegung. Spirometrie.\nF\u00fcr das praktische Studium der Athmung hat die Untersuchung der Bewegung einzelner Punkte weniger Interesse als die Bestimmung der Volums ander ungen des Thoraxraumes oder (was ja dasselbe ist) der Lunge. Um diese vorzunehmen, gibt es verschiedene Mittel. Das einfachste ist, dass man den Lungenraum mit einem Gasometer mit schwimmender Glocke in Verbindung setzt und aus demselben ein- oder in dasselbe ausathmet.\n1\tBert a. a. O. S. 209.\n2\tBurdon-Sanderson. Handbook for the physiological laboratory. Plate XCIY. Textp. 291.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsappar. Unters, d. Luftbewegung. Spirometrie. 207\nL\u00e4ngere Zeit kann man freilich dieses Verfahren nicht fortsetzen. Denn da die Luft im Gasometer bald ihre Zusammensetzung \u00e4ndert, so werden dadurch abnorme Bedingungen gesetzt, welche die Athmung selbst \u00e4ndern. F\u00fcr einen oder einige wenige Athem-ztige aber kann man die Menge der ein- oder ausgeathmeten Luft auf diesem Wege gut bestimmen; f\u00fcr l\u00e4ngere Zeitr\u00e4ume reicht das Verfahren nur aus, wenn das Volum des Spirometers verh\u00e4ltniss-m\u00e4ssig gross ist. Bei der Messung des ausgeathmeten Luftvolums muss man R\u00fccksicht nehmen auf seine Temperatur und seinen Wassergehalt,\nNun sind aber die Athem-bewegungen, wie wir schon aus den Angaben von Sibson gesehen haben, ausserordentlicher Schwankungen f\u00e4hig. In der Regel \u00e4ndern wir unser Lungenvolum nicht so weit, als wir es \u00e4ndern k\u00f6n-\nnen. Athmen wir einfach in ein Gasometer, so fallen die Resultate sehr schwankend aus. Ebenso wie auf die Anzahl der Respirationen hat auch auf ihre Tiefe die Aufmerksamkeit einen sehr erheblichen Einfluss ; und da wir diese bei dem besprochenen Versuch nicht ausschliessen k\u00f6nnen, so h\u00e4ngt es von allerlei unberechenbaren Momenten ab, was\n'\tFig. 1/. Spirometer nach Wintrich.\nf\u00fcr Ergebnisse wir erhalten.\nUnzweideutige und unter einander vergleichbare Werthe erhalten\nwir daher auf diesem Wege nur, wenn wir die Aufgabe einschr\u00e4nken und untersuchen, welches die gr\u00f6sstm\u00f6 (fliehe Volumsver\u00e4nderung ist, deren die Lungen \u00fcberhaupt f\u00e4hig sind. Diese Messung bezeichnet man nach dem Vorgang von Hutchinson1 als Spirometrie und nennt\n1 Hutchinson, Med.-chir. Transact. XXIX. p. 137. 1846. Uebers. u. mit Zus\u00e4tzen vers. v. Samosch. Braunschw. 1849. S. a d. Art. Thorax in Todd\u2019s Cyclop. IV. p. 1067.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208 Rosenthal. Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\ndas dazu gew\u00f6hnlich benutzte Gasometer deshalb Spirometer. Fig. 17 stellt dasselbe in der Form dar, welche ihm Wintrich gegeben hat. Die durch Wasser abgesperrte Glasglocke ist durch ein Gegengewicht etwas mehr als \u00e4quilibrirt, so dass sie leicht aufsteigt, wenn man durch das Rohr rr'i\" in dieselbe hineinathmet. Man \u00f6ffnet den oben an der Glocke befindlichen kleinen Hahn h, dr\u00fcckt die Glocke ganz in das Wasser hinab und schliesst h wieder. Nun athmet man so tief als m\u00f6glich ein, setzt das Mundst\u00fcck M an den Mund, verschliesst die Nasenl\u00f6cher, \u00f6ffnet schnell den Hahn H und treibt durch energische Zusammenziehung aller Exspirationsmuskeln so viel Luft als irgend m\u00f6glich aus den Lungen in das Spirometer. Am Ende der Exspiration angelangt, verschliesst man den Hahn H und liest das Volum der exspirirten Luft an der durch ein Glasfenster des \u00e4usseren Gef\u00e4sses sichtbaren Theilung der Glasglocke ab. Es geh\u00f6rt einige Uebung dazu, keine Luft bei diesem Verfahren zu verlieren und man wird daher erst nach mehrmaliger Wiederholung des Versuchs ein brauchbares Resultat zu erzielen im Stande sein.\nDie so gefundene Luftmenge, welche also den gr\u00f6ssten Luftwechsel darstellt, dessen die Lunge \u00fcberhaupt f\u00e4hig ist, nennt man nach Hutchinson\u2019s Vorgang die vitale Capacit\u00e4t des betreffenden Menschen.\nMan hat grosse Erwartungen f\u00fcr die Erkennung von Lungenkrankheiten an die Bestimmung der vitalen Capacit\u00e4t gekn\u00fcpft und das Spirometer deshalb als ein wichtiges Instrument f\u00fcr die Diagnostik ansehen wollen. Aber diese Erwartungen haben sich keineswegs erf\u00fcllt. Die vitale Capacit\u00e4t schwankt auch bei gesunden Menschen innerhalb weiter Grenzen, und ihre Messung kann daher nur einen untergeordneten Werth beanspruchen. Ausser Hutchinson und schon vor ihm haben (wie ich aus Donders, Physiologie des Menschen. Deutsche Ausg. v. Theile. S. 397 entnehme) Kentish und Herbst Messungen der vitalen Capacit\u00e4t vorgenommen, dann Simon, Haeser, Davies, Albers, Langner, K\u00fcchenmeister, Fabius, Schneevogt, namentlich aber Fr. Arnold1. Als Mittel bei erwachsenen Menschen fand Hutchinson 3770 Ccm., was aber (f\u00fcr Bewohner des Continents wenigstens) entschieden um etwa 500 Ccm. zu viel ist. Nach Hutchinson und Arnold hat die K\u00f6rpergr\u00f6sse den haupts\u00e4chlichsten Einfluss ; sie ist (bei gleicher K\u00f6rpergr\u00f6sse) im mittleren Lebensalter (35 Jahr) am gr\u00f6ssten, beim Weibe kleiner als beim Manne. Wichtig f\u00fcr die vitale Capacit\u00e4t ist nat\u00fcrlich die Beweglichkeit des Thorax, d. h. der Unterschied seines kleinsten und gr\u00f6ssten\n1 Arnold, Ueber die Athemgr\u00f6sse des Menschen. Heidelberg 1S55. Die \u00fcbrige Literatur s. b. Donders a. a. 0.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsappar. Unters, d. Luftbewegung. Spirometrie. 209\nUmfangs; sie m\u00fcsste ja der vitalen Capacit\u00e4t direct proportional sein, wenn nicht die Volumver\u00e4nderung zum sehr grossen Theil auch durch Zunahme der H\u00f6he (durch Herabsteigen des Zwerchfells) zu Stande k\u00e4me, und wenn der Thorax eine regelm\u00e4ssigere geometrische Gestalt h\u00e4tte oder bei der Erweiterung sich selbst \u00e4hnlich bliebe, was aber, wie wir sahen, nicht der Fall ist. Wenn man alle Factoren, die die Volums\u00e4nderung bedingen, einzeln messen und in Rechnung ziehen k\u00f6nnte, so m\u00fcsste man allerdings die vitale Capacit\u00e4t berechnen und dann etwaige krankhafte Abweichungen als solche feststellen k\u00f6nnen. Als solche Factoren k\u00f6nnen gelten die H\u00f6he des Thorax (die einigermaassen, aber doch nicht ganz der K\u00f6rperl\u00e4nge proportional sein wird, denn letztere h\u00e4ngt haupts\u00e4chlich von der L\u00e4nge der Unterschenkel ab) und der Brustumfang. Die Beweglichkeit des Thorax aber darf man, wie Donders mit Recht hervorhebt, nicht mit in die Berechnung einbeziehen, wenn man Werthe erhalten will, die als Vergleichsmaasse dienen sollen. Denn das w\u00e4re ja eine petitio principii, da alles, was die Beweglichkeit beeintr\u00e4chtigt, selbstverst\u00e4ndlich die vitale Capacit\u00e4t vermindert.\nDa nach Hutchinson die vitale Capacit\u00e4t an einem und demselben Menschen l\u00e4ngere Zeit constant bleibt, so w\u00e4re eine Aende-rung, wenn sie an einem Individuum constatirt w\u00fcrde, von Bedeutung f\u00fcr die Beurtheilung seines Respirationsapparats.\nIn der vitalen Capacit\u00e4t messen wir die gr\u00f6sste Differenz, welche der Mensch seinem Lungenvolum zu geben vermag. Aber, wie schon gesagt, bei gew\u00f6hnlicher Athmung wird die Lunge weder so stark ausgedehnt wie bei der hier benutzten forcirten Inspiration, noch so stark verengt, wie bei der hier benutzten forcirten Exspiration. Beobachten wir einen ruhig athmenden Menschen, so sehen wir, dass der Thorax nur geringe Schwankungen um die Gleichgewichtslage macht, welche wir in Cap. 1 (S. 177) als Normallage bezeichnet haben. Dabei wird also nur eine geringe Menge Luft ein- und ausgeathmet, welche etwa 5 bis h\u00f6chstens 600 Ccm. betr\u00e4gt. Wir bezeichnen diese Menge als \u201eAthmungstuft\u201c; sie reicht f\u00fcr die gew\u00f6hnlichen Zust\u00e4nde aus, das Athmungsbed\u00fcrfniss zu decken. Wenn aber aus irgend einem Grunde tiefer geathmet werden soll, dann k\u00f6nnen wir unsere Lungen viel st\u00e4rker erweitern und neben der Athmungsluft noch ein weiteres Luftquantum aufnehmen, welches wir \u201eHilf shift\u201c nennen; es betr\u00e4gt etwa 1600 Ccm. Andererseits k\u00f6nnen wir nach einer gew\u00f6hnlichen Exspiration unsere Lungen noch mehr verkleinern; wir stossen dabei noch eine Luftmenge aus, welche \u201eErg\u00e4nzungsluftu heisst und etwa ebensoviel (1600 Ccm.) betragen mag. Wenn wir\nHandbuch der Physiologie. Bd. IYa.\t14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210 Rosenthal, Die Physiologie cl. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nalso m\u00f6glichst tief einathmen, und dann m\u00f6glichst tief ausathmen, so treiben wir aus unseren Lungen:\nan Hilfsluft .\t.\t.\t1600 Ccm.\nAthmungsluft .\t500\t\u201e\nErg\u00e4nzungsluft .\t1600\t\u201e\nSumme 3700 Ccm.\nwelche letztere offenbar nichts anderes ist, als was wir, nach Hutchinson, als vitale Capacit\u00e4t bezeichnet haben.\nSoviel wir aber auch unsern Thorax verengern, luftleer k\u00f6nnen wir unsere Lungen nicht machen. Es bleibt vielmehr auch nach der tiefsten Exspiration immer noch eine Quantit\u00e4t Luft in den Lungen, welche wir die \u201er\u00fcckst\u00e4ndige Luftu nennen. Die numerische Bestimmung derselben ist schwierig. Hutchinson veranschlagt sie zu etwa 15\u20141600 Ccm. Zu ihrer Bestimmung am Lebenden hat Harless eine Methode angegeben und Grehant hat sie ausgef\u00fchrt.\nZu diesem Zweck l\u00e4sst Grehant1 aus einer mit reinem Wasserstoff gef\u00fcllten Glocke mehrmals ein- und in sie ausathmen, bis man annehmen kann, dass der Wasserstoff und der Inhalt der Lunge sich vollkommen gemischt haben (4\u20145 Athemz\u00fcge gen\u00fcgen dazu) und analysirt dann den Inhalt der Glocke. Aus dem Procentgehalt der Glocke an Wasserstoff l\u00e4sst sich dann das Volum der in der Lunge enthaltenen Luft berechnen.\nNennen wir dies Volum F, das der Glocke v} den Procentgehalt der Luft an Wasserstoff nach der vollkommenen Mischung py dann ist:\nv : F-h v = p: 100 Y p(10Q \u2014 p)\nV\nIn Grehant\u2019s Versuchen war die Lunge bei Beginn des Versuchs nicht auf das m\u00f6gliche Minimum verkleinert, sondern auf dem Zustande gew\u00f6hnlicher Exspiration. Er maass also nicht das Volum der r\u00fcckst\u00e4ndigen Luft, sondern dieser und der Erg\u00e4nzungsluft zusammen. Bei 13 Personen von 17 bis 35 Jahren fand er als Minimum 2190, als Maximum 3220 Ccm. Sagen wir rund 3000 Ccm. und ziehen f\u00fcr die Erg\u00e4nzungsluft 1400 Ccm. ab, so bleiben f\u00fcr die r\u00fcckst\u00e4ndige Luft 1600 Ccm., was mit der auf Bestimmungen an der Leiche beruhenden Sch\u00e4tzung von Hutchinson \u00fcbereinstimmt.\nBei der gr\u00f6sstm\u00f6glichen Erweiterung der Lungen w\u00fcrde also\n1 Grehant, Journ. d. Panat. et d. physiol. 1864. p. 523. S. a. desselben Verf. Physique m\u00e9dicale, p. 257. Paris 1869.","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, cl. Athmungsappar. Luftwechsel in der Lunge.\n211\ndie Lungenluft von 1600 Ccm. auf 4SOO Ccm. oder auf ihr vierfaches Volum vermehrt und dementsprechend ihr Gehalt an CO-i vermindert werden.\nIV. Der Luftwechsel in der Lunge. Atlnnungsgr\u00f6sse.\nBei der gew\u00f6hnlichen Respiration kommen aber, wie schon gesagt, nicht entfernt so betr\u00e4chtliche Volum\u00e4nderungen vor. Der Thorax macht vielmehr nur ganz geringe Schwankungen in der N\u00e4he seiner Normalstellung, wobei nur die sogenannte Ausathmungsluft, d. h. etwa 500 Ccm. Luft, ein- und ausgeathmet werden.\nDie genaue Bestimmung dieser Gr\u00f6sse ist, wie wir gesehen haben, mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Athmet man aus einem Gasometer ein oder in dasselbe aus, so ist man nicht sicher, einen normalen Werth zu erhalten, da die Athmung durch die abnormen Bedingungen beeinflusst wird. Nur nach l\u00e4ngerer Uebung in solchen Versuchen tritt allm\u00e4hlich eine Gew\u00f6hnung an diese Bedingungen ein und die Versuche ergeben dann brauchbare Werthe. Bei solchen Forschern kann man dann den Werth als nahezu normal ansehen. Eine Durchmusterung derartiger Zahlen z. B. aus Vier-ordt\u2019s Versuchen, f\u00fchrt zu der auch von Hutchinson angenommenen Zahl von 500 Ccm.\nDie L\u00fcftung der Lunge beim normalen Athmen h\u00e4ngt nicht nur von der Menge der in einem Athemzuge ein- und ausgeathmeten Luft, sondern auch von der Zahl der Respirationen in der Zeit ab. Multiplicirt man diese mit der ersteren Zahl, so erh\u00e4lt man das, was ich mit dem Ausdruck: Athmungsgr\u00f6ssey bezeichnet habe. Zur Bestimmung derselben bei Thieren verband ich die Trachea durch ein Gabelrohr mit zwei Ventilen, um die Inspirations- von der Exspirationsluft zu trennen, und liess die Inspirationsluft aus einem Gasometer sch\u00f6pfen. Diese Bestimmungen, welche \u00fcbrigens nur zu dem Zwecke unternommen wurden, einen etwa eintretenden pl\u00f6tzlichen Wechsel nach Vagusdurchschneidung nachzuweisen, k\u00f6nnen keinen Anspruch auf Genauigkeit machen, da die sehr grossen Widerst\u00e4nde der Ventile, engen Schl\u00e4uche und so weiter durchaus abnorme Verh\u00e4ltnisse einf\u00fchrten. Bessere Resultate ergeben die Versuche von Gad'1 2 mit dem von ihm construirten \u201e A\u00ebroplethysmographenu. Die Trachea des Thieres wird mit einem durch Wasser abgesperrten, beweglichen Luftraum in Verbindung gesetzt, dessen durch die Ein-\n1\tPiosenthal, Athembewegungen. S. 94.\n2\tGad im Arch. f. Physiol. 1879. S. 181.\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nund Ausathmung bewirkte Bewegungen aufgezeichnet werden. Um die in der Lunge und dem Apparate abgesperrte Luft f\u00fcr einen gen\u00fcgend langen Zeitraum auf einer ann\u00e4hernd gleichen chemischen Zusammensetzung zu erhalten, ist es noting, noch einen hinreichend grossen Luftraum mit der Trachea und dem Apparat zu verbinden.\nAuch f\u00fcr den Menschen sind \u00e4hnliche Bestimmungen gemacht worden, wohl zuerst von Panum1, indem er die Gasometerglocke ihre Schwankungen auf einem rotirenden Cylinder aufzeichnen Hess. Ausser der Gr\u00f6sse und dem zeitlichen Verlauf der einzelnen Athem-z\u00fcge wurde in diesem Falle auch die mittlere F\u00fcllung der Lungen, um welche herum die Athemschwankungen stattfanden, oder, wie es Panum nennt, die mittlere vitale Athemlage bestimmt. Panum fand so, dass die mittlere Gr\u00f6sse der Athemz\u00fcge im Sitzen am kleinsten, etwas gr\u00f6sser beim Liegen und noch gr\u00f6sser beim Stehen ausfielen. Dabei waren die Lungen beim Liegen weniger gef\u00fcllt (also der tiefsten Exspirationsstellung n\u00e4her) als beim Sitzen, und bei diesem weniger als beim Stehen.\nMultiplicirt man in Vierordt\u2019s Versuchen die Zahl der Athemz\u00fcge in 1 Minute mit dem Volum einer Exspiration, so erh\u00e4lt man als Athmungsgr\u00f6sse des Menschen in 1 Minute etwa 6000 Ccm., wobei jedoch Schwankungen von etwa 4000 bis \u00fcber 9000 Ccm. Vorkommen1. Eine genauere Angabe ist aber nicht m\u00f6glich, weil die normale Athmung je nach dem Sauerstoffbed\u00fcrfniss des Organismus unz\u00e4hlige Abstufungen aufweist und ganz allm\u00e4hliche Ueberg\u00e4nge in die verst\u00e4rkte Athmung (Dyspnoe) Vorkommen.\nNehmen wir nun an, dass nach einer gew\u00f6hnlichen Exspiration die Lungen eines erwachsenen Menschen etwa 3200 Ccm. Luft enthalten und dass zu diesen durch eine Inspiration von mittlerer Gr\u00f6sse h\u00f6chstens 500 Ccm. Luft hinzukommen, so muss nat\u00fcrlich ein Theil dieser neu eingeathmeten Luft zun\u00e4chst in den Luftwegen Platz finden. Da aber der Rauminhalt derselben, alle Verzweigungen der Bronchien bis zu den Infundibulis mitgerechnet, jedenfalls kleiner ist als 500 Ccm., so gelangt offenbar bei einem solchen m\u00e4ssigen Athemzug schon ein Theil der inspirirten Luft bis in die Alveolen selbst und mischt sich dort mit der in diesen enthaltenen. An der Ausdehnung betheiligen sich, wie wir gesehen haben, alle Alveolen in nahezu gleicher Weise, trotzdem die Ausdehnung der Lungen haupts\u00e4chlich nach unten erfolgt. Jeder Alveolus wird also bei einer\n1 Vierordt im Art. Respiration. W agner \u2019sHandw\u00f6rterb. Ill u. Physiol, d. Ath-mens. S. 225.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verrichtungen cl. Athmungsapparate. Luftwechsel in der Lunge. 213\ngew\u00f6hnlichen Inspiration etwa um 16 seines Volums wachsen, bei den tiefsten In- und Exspirationen aber k\u00f6nnen diese Volum\u00e4nderungen das vierfache des bei tiefster Exspiration vorhandenen Volums betragen. Wenn aber auch bei jedem Athemzug atmosph\u00e4rische Luft in die Alveolen tritt, so muss doch die Anf\u00fcllung zum anderen Theil mit dem Inhalt der Luftwege geschehen und w\u00e4hrend der Luftbewegung und in den Ruhepausen zwischen den Athemzitgen muss auch die Diffusion einen Austausch der Gase zwischen diesem und dem Inhalt der Alveolen vermitteln. Die weitere Verfolgung dieses Punktes geh\u00f6rt in den Abschnitt von der Chemie der Athmung. Sie interessirt uns hier nur wegen der Sch\u00e4tzung der Volumsver\u00e4nderungen. Gr\u00e9hant hat in der oben angef\u00fchrten Arbeit auch diese durch einen Versuch mit Wasserstoffathmung zu bestimmen gesucht. Wurden nach einer Exspiration 500 Ccm. H ein- und gleich wieder ausgeathmet, so erschienen nur 270 Ccm. desselben wieder; 330 Ccm. blieben in der Lunge. Wurde nun wieder Luft geathmet, so wurden in den folgenden Exspirationen der Reihe nach entleert:\n180,5\t41,0\t40,8 Ccm. H\nEs geh\u00f6ren also mindestens 6\u201410 Respirationen dazu, um die bei einer Inspiration von 500 Ccm. aufgenommene Luft wieder herauszuschaffen. Die mittlere Tiefe einer gew\u00f6hnlichen In- und Exspiration bestimmte Gr\u00e9hant zu 500 Ccm.\nAuch durch Anwendung von Luftmessungsapparaten nach dem Muster der Gasuhren ist die normale Tiefe der Athmung bezw. die Athmungsgr\u00f6sse und die vitale Capacit\u00e4t gemessen worden. Es ist zu diesem Zwecke n\u00f6thig, durch Ventile den In- und Exspirationsstrom zu trennen. Nur wenn diese Ventile einen sehr geringen Widerstand bieten, darf man ihren Einfluss als gering ansehen und die so gewonnenen Zahlen als normale betrachten. Im Schlaf nimmt nach Mosso1 die Athmungsgr\u00f6sse erheblich ab und zwar durch Abnahme der Inspirationstiefe, da die Zahl der Respirationen sich nur wenig \u00e4ndert.\nAuf eine ganz eigenth\u00fcmliche Weise hat Hering die Volumschwankungen des Thorax beim Ein- und Ausathmen graphisch regi-strirt und zum Studium der Athembewegungen benutzt. Schliesst man ein Thier luftdicht in einen Kasten ein, verbindet aber den Binnenraum der Lunge durch eine Trachealcan\u00fcle und eine von dieser ausgehenden, die Wand durchsetzende R\u00f6hre mit der Aussenluft, so\n1 Mosso in Atti della regia Academia delle scienze di Torino. XII. 1877 und im Arch. f. Physiol. 1878. S. 463.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214 Rosenthal. Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nwird bei jeder Inspiration, da das Volum des Thiers um so viel zunimmt, als es Luft in seine Lungen aufnimmt, die Luft des Kastens verdichtet. Wenn aber der Kasten an einer Stelle beweglich ist (z. B. mit einer MAREv\u2019schen Schreibkapsel verbunden), so wird hier eine, der aufgenommenen Luftmenge proportionale Verschiebung stattfinden. Dasselbe trifft nat\u00fcrlich f\u00fcr die Volumsverminderung des Thieres bei der Exspiration zu. Man kann also auf diese Weise die Volume der in- und exspirirten Luftmengen direct messen oder aufzeichnen lassen. Knoll1, welcher mit diesem Apparate vielfach gearbeitet hat, hat seine Einrichtung beschrieben. Statt einer Tra-chealcan\u00fcle kann man auch einen Maulkorb nach Art des in Fis:. 19\no\ndargestellten verwenden.\nV. Verschiedene Typen der Athembewegungen.\nWir haben gesehen, dass es zwei Wege der Vergr\u00f6sserung des Thoraxraumes giebt: durch Zwerchfellcontraction und durch Rippenhebung. An den verschiedenen Graden der Erweiterung, wie sie bei der flacheren und tieferen Inspiration Vorkommen, betheiligen sich nun diese nicht gleichm\u00e4ssig, sondern zuweilen wirkt das Zwerchfell allein oder doch fast allein, w\u00e4hrend in anderen F\u00e4llen selbst bei flacher Athmung schon die Rippenheber energischer mitwirken. Darum unterscheidet man zweierlei Typen der Athembewegungen, welche als \u201eAbdominal\u201c- und \u201eCostaltypus\u201c bezeichnet werden.\nWenn das Zwerchfell sich allein zusammenzieht oder doch die Rippen nur ganz geringe Bewegungen machen, so bemerkt man das Spiel der Atkemth\u00e4tigkeit fast nur an der regelm\u00e4ssigen Hervorw\u00f6lbung und Wiederabflachung der Bauchwandungen \u2014 daher der Name \u201e Abdominaltyphus \u201c oder \u201e abdominales Athmen \u201c. Sobald aber tief eingeathmet wird, dann kommt stets neben dem Zwerchfell auch der ganze Brustkorb in Bewegung. Beim Costaltypus ist schon bei schwacher Inspiration die Rippenhebung deutlich ausgepr\u00e4gt. Unter den in der Physiologie der Athmung am h\u00e4ufigsten untersuchten Thieren zeigt das Kaninchen reines Abdominalathmen, der Hund und die Katze ausgepr\u00e4gtes Costalathmen. Beim Menschen zeigt nach den Beobachtungen von Hutchinson2 der Mann Abdominalathmen, die Frau Costalathmen. Hutchinson hat dies in der Form von Schattenrissen sehr lehrreich dargestellt, welche wir in Fig. 18 wiedergeben.\n1\tKnoll, Wiener Sitzgsber. Math.-naturw. CI. (3) LXVIII. S. 245 1ST3.\n2\tHutchinson, Art. Thorax. S. 1080.","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsapp. Versch. Typen d. Athembewegungen. 215\nDenkt man sick eine reine Profilsilhouette eines Mannes entworfen, so wird der vordere Grenzcontur derselben bei ruhiger Ein-und Ausathmung zwischen den Grenzen schwanken, welche durch die Dicke des schwarzen Striches n n\u2018 angezeigt wird. Wie man sieht, f\u00e4llt die gr\u00f6sste Dicke dieses Striches in den Bauchtheil, d. h. also die Excursionen der Bauch wand beim Ein- und Ausathmen sind gr\u00f6sser als die der Brustwand. Anders ist dies beim Weibe, hier ist der Strich im Brusttkeil dicker und zeigt, dass auch schon bei den schwachen normalen Athembewegungen die Rippen merklich mit-wirken.\nWird st\u00e4rker einge-atkmet, so geht das Zwerchfell nat\u00fcrlich noch tiefer hinunter und also die Bauchwand weiter nach vorn. Aber bei der tiefsten Inspiration \u00e4ndert sich das Verk\u00e4ltniss. Indem die Rippen immer weiter gehoben werden, erweitern sie die Bauchh\u00f6hle nach oben, indem sie das Zwerchfell selbst heben. Dieses bleibt dabei vollkommen contra-hirt, und auf den Inhalt der Brusth\u00f6hle hat also diese Verschiebung des Zwerchfells keinen Einfluss. Indem nun die obere Bauchh\u00f6hlenapertur von Fig. ig. der unteren entfernt wird, verschwindet die vorher erzeugte Vorw\u00f6lbung der Bauch w\u00e4nde wieder, diese werden eingezogen. Es folgt daraus f\u00fcr die tiefste Inspiration -eine Form, welche durch die punktirten Linien angegeben ist. Die hierbei erreichte Vergr\u00f6sserung des Thoraxvolums ist ausgedr\u00fcckt durch den Raum zwischen der punktirten Linie und der dicken schwarzen im Brusttkeil; eine Raumverminderung wird durch das Zur\u00fcckweichen der Bauchwand weder in der Bauchh\u00f6hle (wo nur eine andere Lagerung bei gleichbleibendem Volum stattfindet) noch in der Brusth\u00f6hle bewirkt.\nAthembewegnng beim Manne und beim Weibe. Nach Hutchinson.","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nAber nicht nur die Bauchwand, auch der untere Umfang der Brust selbst tritt etwas zur\u00fcck. W\u00e4hrend bei der gew\u00f6hnlichen Zwerchfellcontraction die vom Zwerchfell verdr\u00e4ngten Baucheingeweide, um Platz zu gewinnen, die falschen Rippen etwas nach ausw\u00e4rts dr\u00e4ngen und so eine Verbreiterung der unteren Thoraxapertur bewirken, tritt bei den forcirten Zwerchfellscontractionen eine Einziehung des unteren Sternalendes und der vorderen Enden der untersten Rippen ein, welche in den HuTCfflNSON\u2019schen Figuren (wohl etwas \u00fcbertrieben) dargestellt ist.\nGeht die Exspiration \u00fcber die Grenze der gew\u00f6hnlichen hinaus, so wird, haupts\u00e4chlich durch die Wirkung der Bauchmuskeln, der Thorax durch die Rippensenkung verengert und zugleich die Bauchwand eingezogen, was in seinen \u00e4ussersten Graden durch die Grenzlinie des ganz schwarz grundirten Theils ausgedr\u00fcckt wird. Der Rest von Luft, welcher innerhalb dieser Grenze noch in der Lunge bleibt, entspricht also der \u201er\u00fcckst\u00e4ndigen Luft\u201c; das Luftquantum, welches durch den Raum zwischen dem schwarzen Grunde und dem hinteren Rande der starken schwarzen Linie angedeutet wird, entspricht der \u201eErg\u00e4nzungsluft\u201c; das durch die Dicke der schwarzen Linie angedeutete Quantum entspricht der \u201e Athmungsluft \u201c ; das endlich zwischen dem vorderen Rande dieser Linie und der punktirten der \u201e Hilfsluft \u201c.\nZu der st\u00e4rksten Erweiterung des Thorax bei den tiefsten Inspirationen tr\u00e4gt auch die Streckung der Wirbels\u00e4ule bei, auf welche bei diesen Zeichnungen von Hutchinson gar keine R\u00fccksicht genommen ist; dieselben haben \u00fcberhaupt nur einen schematischen Werth und entsprechen nur in sehr unvollkommener Weise den wirklichen Verh\u00e4ltnissen. Hutchinson hat auch die Streckung der Wirbels\u00e4ule durch schematische Enface-Silhouetten veranschaulicht, auf deren Wiedergabe ich jedoch, weil sie nichts Wesentliches lehren, verzichte. Wenn die Wirbels\u00e4ule gestreckt wird, so werden die Inter-costalr\u00e4ume breiter und der Thorax nimmt an H\u00f6he zu. Zugleich aber kommen die Rippen in eine Lage, in der die rippenhebenden Muskeln wirksamer angreifen und durch die Rippenhebung eine g\u00fcnstigere Wirkung auf die Thoraxerweiterung erzielt wird.\nDer Unterschied der Athmung bei M\u00e4nnern und Frauen ist nach Hutchinson nicht auf Rechnung beengender Kleidung (Corsets oder dgl.) zu setzen, da er sie auch bei jungen M\u00e4dchen fand, die niemals solche getragen hatten. Boerhaave soll den Unterschied schon bei Kindern von 1 Jahr gefunden haben.1 Andere dagegen, wie Beau\n1 Citirt bei Donders, Physiol. S. 385. In ..Hermann Boerhaave\u2019s Physiologie. Uebers. und mit Zus\u00e4tzen vermehrt von J. P. Eberhard\u201c Halle 1754 habe ich die","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, cl. Athmungsapp. Yersch. Typen d. Athembewegungen. 217\nimd Maissiat, Walsche, Sibson schieben die Verschiedenheit ganz oder doch gr\u00f6sstentheils auf solche \u00e4ussere Hindernisse. Wenn zugegeben werden muss, dass diese mitspielen, so ist doch sicher, dass ein, wie Darwin es nennt, secund\u00e4rer Geschlechtscharakter hier vorliegt. Wenn, wie unzweifelhaft ist, die Schwangerschaft einen Zwang zur Annahme des Costaltypus der Athmung abgibt, so hat sich die Neigung dazu beim Weibe schliesslich festgesetzt, und diese Athmungs-form tritt auch dann auf, wenn keine \u00e4usseren Gr\u00fcnde dazu zwingen.\nUm den Einfluss des Willens und die nicht zu vermeidenden Einfl\u00fcsse der Aufmerksamkeit der Versuchsperson auf ihre eigene Athmung auszuschliessen, Hess Mosso* 1 die Bauch- und Brustathmung bei Schlafenden gleichzeitig aufzeichnen. Dabei stellte es sich aber heraus, dass der Athmungstypus im Schlafen und im Wachen durchaus nicht gleich ist. W\u00e4hrend (beim Manne) im Wachen die Zwerch-fellathmung \u00fcber die Brustathmung \u00fcberwog, trat im Schlaf das Gegen-theil ein und zwar war absolut genommen im Schlaf die Zwerchfell-th\u00e4tigkeit schw\u00e4cher und die Rippenth\u00e4tigkeit st\u00e4rker als im Wachen. Die Dauer der Inspiration betr\u00e4gt dabei im Schlaf 10/i2, im Wachen s/i2 der ganzen Periode, w\u00e4hrend eine Athempause ganz fehlt. Dasselbe zeigt sich auch beim Chloralschlaf. Die Tiefe der Athemz\u00fcge ist dabei erheblich vermindert.\nUeber den Typus der Respiration bei verschiedenen Thieren besitzen wir Angaben von Haller2, Beau und Maissiat3, Traube4, dem Verfasser5, endlich sehr ausf\u00fchrliche von Paul Bert6, abgesehen von gelegentlichen Bemerkungen einzelner Forscher. Am genauesten ist die Athmung des Kaninchens untersucht, und da sie in vielen St\u00fccken mit der des Menschen \u00fcbereinstimmt, so hat sie auch ein h\u00f6heres Interesse. Die normale Respiration geht hier nur durch Contraction des Zwerchfells ohne merkliche Rippenhebung vor sich ; die Exspiration durch Contraction des M. obl. abdom. externus. Wird die Athmung st\u00e4rker, gleichg\u00fcltig aus welchem Grunde, so kommen\nbetr. Stelle nicht finden k\u00f6nnen. Er sagt da nur (S. 978) : \u201eBei denen Weibspersonen ist das Brustbein weiter heruntergedruckt. . . .Daher geschieht es, dass wenn sie Einothmen .... sich die ganze Brust gleichsam erhebet. Sie k\u00f6nnen daher auch bei aufgetriebenem Leibe frei Othemholen.\u201c\n1\tMosso, Arch. f. Physiol. 1878. S. 441.\n2\tHaller, De respiratione exp\u00e9rimenta anatom. G\u00f6tt. 1747. \u2014 Nochmals abgedruckt in ^Opuscula sua de respiratione, de monstris aliaque minora recensuit, emen-davit, auxit A. de Haller. Gottingae 1751. \u2014 Auch in M\u00e9moire sur la respiration. Lausanne 1758.\n3\tBeau et Maissiat, Arch, g\u00eaner, de m\u00e9d. 5. s\u00e9ri\u00e9. I. p. 265, IL p. 257, III. p. 249. 1842 U.1843.\n4\tTraube, Beitr. z. exper. Pathol, u. Physiol. Heft 2. S. 91. 1846.\n5\tBosenthal, Die Athembewegungen. S. 152 ff.\n6\tBert, Le\u00e7ons etc. p. 390 ff.","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218 Rosenthal. Die Physiologie cl. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nvon Inspiratoren in Th\u00e4tigkeit zuerst die Heber der oberen, dann die der unteren Rippen, zuletzt die Heber des Sternums ; von Ex-spiratoren gesellen sich zu dem M. obliquus externus die anderen Bauchmuskeln, deren Wirkung dann sehr erhebliche Bewegungen der unteren Thoraxh\u00e4lfte bewirkt, die bei schw\u00e4cherer Athmung fast unbewegt bleibt. Ueber die Betheiligung der einzelnen Muskeln wird sp\u00e4ter gehandelt werden.\nTI. Athmiingsdruck. Pneumatometrie.\nEs ist selbstverst\u00e4ndlich, dass die Luft im ganzen Respirations-tractus von den Nasenl\u00f6chern bis zu den Alveolen bei jeder Inspiration unter einen negativen Druck kommen muss, bei jeder Exspiration unter einen positiven; oder mit anderen Worten: bei der Inspiration ist der Druck im Respirationstractus kleiner, bei der Exspiration gr\u00f6sser als der Atmosph\u00e4rendruck, und darum str\u00f6mt im ersteren Falle Luft in den Thorax ein, im letzteren Falle Luft aus dem Thorax aus.\nDiese Druckschwankungen k\u00f6nnen, wenn der Respirationstractus in offener Verbindung mit der Atmosph\u00e4re steht, nur so lange bestehen bleiben, als die Bewegung der Thoraxw\u00e4nde dauert; der Druck muss aber sofort auf Null (d. h. den Atmosph\u00e4rendruck) zur\u00fcckkehren, sobald die Bewegung zum Stillstand kommt, gleichg\u00fcltig ob dieser Stillstand in der Normalstellung oder in einer davon nach der einen oder andern Richtung abweichenden statthat. Die Zeit, welche zum Zur\u00fcckkehren des Druckes auf Null erforderlich ist, wird von der Weite der Communications\u00f6ffnung abh\u00e4ngen, sie wird um so kleiner sein, je weiter diese Oeffnung ist.\nBei der Untersuchung dieser Druckschwankungen kann man sich vorsetzen, einfach nur die Gr\u00f6sse des positiven, bezw. .negativen Druckes zu bestimmen, welche bei den Respirationsbewegungen erreicht wird, oder auch den zeitlichen Verlauf dieser Schwankungen zu notiren. Dieser zeitliche Verlauf muss, eine unver\u00e4nderliche Gr\u00f6sse der Communications\u00f6ffnung vorausgesetzt, von der Kraft der Muskel-contraction und dem dadurch auf den Lungeninhalt ausge\u00fcbten positiven oder negativen Druck abh\u00e4ngen, kann also zur Erkennung der Mechanik der Athembewegungen benutzt werden. In diesem Sinne ist z. B. die Aufgabe von J. R. Ewald aufgefasst worden, wie wir gleich sehen werden.\nGanz anders werden die Verh\u00e4ltnisse, wenn die Luftwege nach aussen abgeschlossen sind. In diesem Falle muss jede Verkleinerung","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsappar. Athmimgsdruck. Pneumatometrie. 219\ndes Thorax eine Druckvermehrung, jede Vergr\u00f6sserung des Thorax eine Druckverminderung zur Folge haben, welche direct proportional ist der Abweichung des abgeschlossenen Luftvolums von demjenigen, welches im Moment'der Verschliessung bestand. Findet dieser Verschluss bei der Normallage des Thorax statt, dann ist also der Druck in jedem Augenblick proportional der Abweichung des Thorax von dieser Normallage und die zeitlichen Schwankungen des Druckes sind zugleich directe Anzeichen der Thoraxbewegungen. Die Maxima und Minima der unter diesen Umst\u00e4nden erreichten Drucke sind dann auch das Maass f\u00fcr die Grenzwerthe der Kraft, mit welcher die Athem-muskeln die Volum Ver\u00e4nderungen des Thorax bewirkt haben.\nWenn endlich das Manometer seitlich in den Respirationstractus eingef\u00fcgt wird, w\u00e4hrend dieser in offener Communication mit der Atmosph\u00e4re bleibt, dann werden die gemessenen Druckschwankungen abh\u00e4ngen von der Geschwindigkeit, mit welcher das Volum des Thorax sich \u00e4ndert, und von der Weite der Communications\u00f6ffnung. Sie werden der ersteren direct, der letzteren, innerhalb gewisser Grenzen, umgekehrt proportional sein.\nNach Vorausschickung dieser theoretischen Bemerkungen werden die scheinbar einander widersprechenden Angaben \u00fcber den Athmungs-druck leichter in Ordnung zu bringen sein.\nAthmungsdruck bei Absehliessung des Res'pirationstractus. Hierher geh\u00f6ren die Bestimmungen, welche Valentin, Hutchinson, Waldenburg u. A. machten, indem sie ein Manometer luftdicht an Mund und Nase (mittelst eines passenden Mundst\u00fccks oder einer Maske) setzten. Valentin1 fand bei mittelstarker In- und Exspiration einen Druck von 4\u201410 mm Hg, welcher bei angestrengter Athmung bis auf 40 mm steigen konnte ; f\u00fcr m\u00f6glichst tiefe Inspiration fand er negative Drucke bis zu 144, f\u00fcr m\u00f6glichst tiefe Exspiration Drucke bis zu 256 mm Hg. Konnte die Luft gleichzeitig durch die Nase entweichen, w\u00e4hrend durch den Mund in das Pneumatometer geathmet wurde, so fielen die Werthe entsprechend niedriger aus. Nach Mendelsohn2 kann der Exspirationsdruck bis auf f- Atmosph\u00e4re (also etwa 108 mm Hg) gesteigert werden. Hutchinson3 4 findet f\u00fcr die Inspiration \u2014 50, f\u00fcr die Exspiration + 76 mm Hg f\u00fcr die gew\u00f6hnliche Athmung. Waldenburg 4 hat die Messung des Maximaldruckes zur\n1\tValentin, Lehrb. d. Physiol. 2. Aufl. S. 529. 1847.\n2\tMendelsohn, Der Mechanismus der Respiration u. Circulation oder das expli-cirte Wesen der Lungenhyper\u00e4mien. Berlin 1845.\n3\tHutchinson, Art. Thorax. S. 1061.\n4\tWaldenburg, Die Manometrie der Lungen oder Pneumatometrie als diagnostische Methode. Berl. klin. Woch. 1871. Nr. 45.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220 Rosenthal, Rie Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nErkennung von Ver\u00e4nderungen des Respirationsapparates zu verwer-then gesucht. W\u00e4hrend im normalen Zustande der exspiratorische Druck \u00fcberwiegt, ist er bei gewissen Ver\u00e4nderungen der Lungen, z. B. dem Emphysem, geringer als der negative Inspirationsdruck. Die Schwankungen in den Angaben der einzelnen Forscher r\u00fchren offenbar davon her, dass die Voraussetzung des vollst\u00e4ndigen Abschlusses der Luftwege nicht immer oder doch nur unvollkommen erf\u00fcllt war, wie dies von Valentin auch ber\u00fccksichtigt worden ist, dass aber diese Nebenumst\u00e4nde nicht immer ganz klar aus den Angaben zu ersehen sind.\nDie genaue Bestimmung dieser Druckmaxima ist auch noch durch andere Umst\u00e4nde erschwert; namentlich beim negativen Exspirationsdruck k\u00f6nnen durch die Saugwirkung der Mundmusculatur viel zu grosse Werthe erhalten werden, worauf Donders und neuerdings Ewald aufmerksam gemacht haben. Nur theilweise hierher geh\u00f6ren die Versuche von Stone1 2. Nach ihm kann man durch Hineinblasen in ein zwischen die Lippen genommenes Rohr einen Druck bis zu 6 Fuss Wasser hervorbringen (6 Fuss engl. = 1,8 m = 130 mm Hg). Beim Blasen verschiedener Instrumente kommen Drucke von 3 bis zu 40 Zoll Wasser vor; je nach dem Instrument und der Tonh\u00f6he sind die Drucke sehr verschieden. Da bei diesem Blasen kein absoluter Verschluss stattfindet, sondern die Luft noch in das Instrument entweicht, so k\u00f6nnen es offenbar keine Maximaldrucke sein, doch m\u00fcssen sie sich diesen unter gewissen Umst\u00e4nden sehr n\u00e4hern, z. B. bei der Angabe hoher T\u00f6ne auf der Trompete, weil dabei die Lippen fast vollkommen geschlossen sind und einen grossen Widerstand bieten; hier findet Stone 33 Zoll Wasserdruck = 60 mm Hg. Die Clarinette gibt von allen Instrumenten bei den tiefsten T\u00f6nen den h\u00f6chsten Druck, bei den h\u00f6chsten T\u00f6nen aber den geringsten; dies h\u00e4ngt wohl damit zusammen, dass die Elfenbeinzunge der Clarinette erst bei einem hinreichend starken Druck nachgibt, bei schnellem Vibriren aber das Mundst\u00fcck nicht mehr abschliesst, sondern in einiger Entfernung von der Ruhelage vibrirt, so dass die Luft mit m\u00e4ssigem Druck abfliessen kann.\nEndlich hat R. Ewald 2 den Grenzwerth des Respirationsdruckes dadurch erreicht, dass er in das Manometer hineinsingt oder inspiri-rend einen Ton erzeugt ; in anderen Versuchen schaltete er zwischen Mund und Manometer ein Ventil ein und gelangte so zu den betreffen-\n1\tStone, Philos. Mag. XLVIII. p. 113. 1874.\n2\tJ. R. Ewald, Eine neue Methode, den Druck in der Lunge zu messen. Vorl. Mitth. ; Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 262. 1879.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsappar. Athmungsdruck. Pneumatometrie. 221\nden Maximalwerthen. Seine vorl\u00e4ufige Mittheilung enth\u00e4lt aber keine Zahlenangaben.\nHierher geh\u00f6ren nun auch die Verfahren, die Druckschwankungen in der Lunge von Thieren aufzuzeichnen, indem man die Trachea durch eine Cantile und einen Kautschukschlauch luftdicht mit einem Manometer oder mit einer Marev\u2019schen Schreibkapsel verbindet. Da in diesem Falle der kleine abgesperrte Luftraum sehr schnell seine Zusammensetzung \u00e4ndert und dadurch Aenderungen in der Athmung hervorbringt, so schaltet man zwischen Trachea und Schreibkapsel ein m\u00f6glichst grosses, mit Luft gef\u00fclltes Gef\u00e4ss ein.1 2 3 Wenngleich eine genaue Bestimmung des absoluten Druckes hierbei m\u00f6glich ist, so kommt es doch viel mehr auf den Gang der Druckschwankungen an, und diese werden dabei genau angegeben, soweit sie nicht durch die Tracheotomie modificirt sind. Will man diese umgehen, so kann man einen luftdicht schliessenden Maulkorb anlegen und diesen mit den Apparaten verbinden. Einen solchen stellt Fig. 19 nach Bert dar; der Erste, der solche Maulk\u00f6rbe anwandte, ist meines Wissens C. Ludwig. Es ist jedoch zu bemerken, dass die vom Maulkorbe abgehende R\u00f6hre sehr weit sein muss, damit sie nicht abnorme Widerst\u00e4nde einf\u00fchre.\nAthmungsdruck bei offenem Respirationstractus. Hier m\u00fcssen wir wieder zwei F\u00e4lle unterscheiden. Entweder wird der Seitendruck im Verlaufe des Respirations-tractus gemessen, w\u00e4hrend er mit der Atmosph\u00e4re durch eine mehr oder weniger weite Oeffnung communicirt, oder am Ende des Respi-rationstractus der Druck, unter welchem die Luft aus demselben entweicht. Das erstere that zuerst Kramer 2, indem er bei Thieren seitlich ein Manometer in die Trachea einf\u00fcgte, w\u00e4hrend sie durch die unversehrte Stimmritze weiter athmeten. Er fand bei Hunden und einem Pferde einen Exspirationsdruck von 2\u20143 mm Hg im Maximum und ungef\u00e4hr 1 mm als negativen Inspirationsdruck. Sehr zweckm\u00e4ssig sind f\u00fcr diesen Versuch die von Gad 3 angegebenen Can\u00fclen mit seitlich ausgeschnittenem Hahn, welche in Fig. 20 dargestellt\n1\tIck weiss nickt, ob Bert, welcher dies Verfahren auf S. 204 seiner Le\u00e7ons sur la physiologie compar\u00e9e de la respiration beschreibt, dasselbe zuerst angewandt hat, oder auf wen es sonst zur\u00fcckzuf\u00fchren ist.\n2\tKramer in H\u00e4ser\u2019s Arch. IX. S. 321. 1847.\n3\tGad, Arch. f. Physiol. 1878. S. 559\nFig. 19. Maulkorb zur Bestimmung der Athmungs-gr\u00f6sse des Athmungsdruckes.","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nsind. Sie verengern das Lumen der Trachea nicht und gestatten den Lungenraum mit der Glottis und einer seitlich abzweigenden R\u00f6hre oder mit einer derselben allein zu verbinden. Die Seitendruckschwankungen in der Trachea k\u00f6nnen durch ein Manometer oder eine MAREY\u2019sche Schreibkapsel angezeigt und registrirt werden.\nKommt es nicht auf genaue Angaben der Druckh\u00f6hen, sondern nur auf die zeitlichen Verh\u00e4ltnisse der In- und Exspiration an, so pflegt man die Trachea mit einem Gabelrohr zu verbinden, dessen einer Schenkel offen bleibt, w\u00e4hrend der andere mit dem Manometer Fig. 20. Gad's Trachealcan\u00fcle. oder der Schreibkapsel verbunden wird.\nJe enger die erstere Oeffnung gemacht wird, desto ausgiebiger werden die Ausschl\u00e4ge des Manometers. Dass diese Anordnung eine etwaige Ruhestellung des Thorax in einer von der Normalstellung abweichenden Lage nicht anzuzeigen vermag, ist schon angegeben worden.\nAuf denselben Principien beruhen nun die Messungen von Donders1, welcher beim Menschen ein Manometer in einem Nasenloch luftdicht befestigte, w\u00e4hrend durch das andre geathmet wurde. Abgesehen davon, dass die Respirations\u00f6ffnung auf die H\u00e4lfte ihrer normalen Weite verengert wird, ist der so gefundene Druck der bei normaler Athmung im Nasenrachenraum vorhandene. Donders fand f\u00fcr die Exspiration 7\u20148, f\u00fcr den Inspirationsdruck 9\u201410 mm Wasser, was wohl mit R\u00fccksicht auf den eben angegebenen Umstand etwas zu hoch sein d\u00fcrfte. Man kann auch das Manometer mit der Mundh\u00f6hle verbinden und durch beide Nasenl\u00f6cher athmen, wie dies schon Valentin2 gethan hat; aber dann sind St\u00f6rungen durch Druckschwankungen in der Mundh\u00f6hle schwer zu vermeiden. *\nDa die Glottis die engste Stelle des Respirationstractus ist, so m\u00fcssen die Druckschwankungen unterhalb derselben viel erheblicher sein, als oberhalb. Dieser Widerstand der Stimmb\u00e4nder macht sich weniger bei der Exspiration geltend als bei der Inspiration, da sie wegen ihrer Stellung durch den exspiratorischen Luftstrom leicht bei Seite gedr\u00fcckt werden. Einigermassen wird freilich dieser Einfluss ausgeglichen durch die active Erweiterung der Stimmritze bei der Inspiration. Fehlt diese (nach Durchschneidung der Vagi oder der Laryngei inferiores), so kann der negative Inspirationsdruck unter-\n1\tDonders, Ztschr. f. rat. Med. III.\n2\tValentin a. a. 0.","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Athmungsdruck. Pneumatometrie.\n223\nhalb der Stimmb\u00e4nder sehr erhebliche Werthe erreichen. Auf den Unterschied der Druckschwankungen bei Atkmnng durch die normalen Luftwege und bei der durch eine weite Trachealfistel hat neuerdings Gr ad 1 aufmerksam gemacht.\nEwald 2 bestimmte den Druck, indem er durch eine Maske in eine weite Flasche athmete, die einerseits mit dem Manometer verbunden, andrerseits durch eine weite Oeffnung mit der Atmosph\u00e4re communicirte; alle Schl\u00e4uche und Oeffnungen waren so weit, dass ein erheblicher Widerstand f\u00fcr den Luftstrom nicht entstehen konnte. Durch Vergleichung fand er, dass die Ausschl\u00e4ge seines Manometers Drucken von 0,1 mm Hg f\u00fcr die Inspiration und 0,13 mm Hg f\u00fcr die Exspiration entsprachen. (Auf Genauigkeit k\u00f6nnen diese Werthe keinen Anspruch machen, da die Geschwindigkeiten der Luftstr\u00f6mung beim Athmen und bei dem Vergleichsversuch nicht die gleichen waren.) Wurde statt des Manometers eine sehr empfindliche Marey-sche Schreibkapsel mit der weithalsigen Flasche verbunden und die Schwankung aufgezeichnet, so erhielt er Curven, deren Charakteristik f\u00fcr die normale Athmung er dahin gibt, dass die Exspiration st\u00e4rker ist und l\u00e4nger dauert als die Inspiration, dass keine Athem-pause existirt, dass die H\u00f6he der Inspiration auf das letzte Drittel ihrer Dauer, die H\u00f6he der Exspiration auf das zweite Drittel ihrer Dauer f\u00e4llt. Auf die Discussion, welche \u00fcber diese Curven zwischen Gad 3 und Ewald 4 gef\u00fchrt worden ist, m\u00f6ge es gen\u00fcgen, hier hinzuweisen, ebenso auf den Anapnoyraphen von Bergeon und Kas-tus1 2 3 4 5, bei welchem der Luftstrom eine leichtbewegliche, um eine horizontale Axe drehbare, durch zwei Federn in verticaler Lage gehaltene Platte in Bewegung setzt, deren Bewegung aufgezeichnet wird. Der Apparat kann im Grunde nur die Dauer der In- und Exspiration verzeichnen, da gar keine Gew\u00e4hr daf\u00fcr gegeben ist, dass ihre Ausschl\u00e4ge in einem constanten Verh\u00e4ltniss zur St\u00e4rke des Drucks oder zur Geschwindigkeit des Luftstroms stehen.\nAuf einen besondern Fall, in welchem der Athmungsdruck sich geltend macht, sei hier noch kurz aufmerksam gemacht. Schliesst man Mund und Nase und exspirirt stark, so wird die Luft im Nasenrachenraum stark verdichtet ; inspirirt man unter gleichen Umst\u00e4nden, so wird sie verd\u00fcnnt. Wird nun die Tubenm\u00fcndung er\u00f6ffnet, so setzt\n1\tGad a. a. 0.\n2\tJ. R. Ewald, Arch. f. d. ges. Physiol. XIX. S. 461. 1879.\n3\tGad, Arch. f. Physiol. 1879. S. 553.\n4\tEwald, Ebenda. 1880. S. 148.\n5\tBergeon u. Kastus, Compt. rend. LXVII. p. 553; Gaz. hebdom. 1868. No. 37. 39. 40.","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224 Rosenthal. Die Physiologie d. Athemhewegungen u. d. Innervation derselben.\nsich dieser Druck in die Paukenh\u00f6hle fort und treibt dort das Trommelfell nach aussen oder innen. Weiteres hier\u00fcber s. Bd. III. Theil 2. S. 56.\nYII. Der intrathoracale Druck.\nVon dem im vorigen Paragraphen betrachteten Athmungsdruck ist der intrathoracale Druck wohl zu unterscheiden. Der erstere, der Druck, unter dem die Luft im Respirationstractus steht, ist gleich dem atmosph\u00e4rischen Druck, wenn der Thorax in irgend einen Stellung in Ruhe verharrt; er ist gr\u00f6sser als jener, so lange der Thorax im Begriff ist, sich zu verkleinern, kleiner aber, so lange der Thorax sich erweitert. In beiden F\u00e4llen wird die Abweichung vom Atmosph\u00e4rendruck am gr\u00f6ssten sein in den Alveolen und nach der Communications\u00f6ffnung hin allm\u00e4hlich abnehmen. Wo im Respirationsrohr eine pl\u00f6tzliche Verengerung besteht, z. B. am Uebergang vom Infundibulum in den Bronchiolus oder an der Glottis, wird der Werth des Drucks eine pl\u00f6tzliche Aenderung erleiden. Der intlira-thoracale Druck dagegen ist der im Thoraxraum ausserhalb der Lungen, also in den Pleurah\u00f6hlen, dem Mediastinum und den mit diesen communicirenden Gef\u00e4ssen bestehende Druck. Er ist negativ, d. h. kleiner als der Atmosph\u00e4rendruck wegen der \u00fcber ihr nat\u00fcrliches Volum ausgedehnten und deshalb stets einen Zug aus\u00fcbenden Lungen. Aber da dieser Zug mit dem Grade der Ausdehnung der Lungen w\u00e4chst, so wechselt auch der intrathoracale Druck und muss insbesondere (absolut genommen) mit der Inspiration steigen, mit der Exspiration fallen und zwar ziemlich genau proportional den Volumschwankungen des Thorax.\nDer Grad der elastischen Dehnung der Lunge kann unmittelbar an der Leiche gemessen werden, indem man ein Manometer luftdicht in der Trachea befestigt und dann beide Pleurah\u00f6hlen er\u00f6ffnet. Da jetzt der atmosph\u00e4rische Druck auf die Aussenfl\u00e4clie der Lunge wirken kann, so vermag diese ihrer Elasticit\u00e4t folgend sich zusammenzuziehen, bis ihre Spannung dem Manometerdruck gleich ist. Nimmt man ein nicht zu weites Manometerrohr, so wird schon nach einer geringen Verkleinerung der Lunge die Differenz der Quecksilbers\u00e4ulen im Manometer hinreichend sein, das Gleichgewicht herzustellen, und man misst also die elastische Spannung der Lunge bei der betreffenden Gr\u00f6sse der Lunge, also in unserem Falle derjenigen, welche sie bei der Normalstellung des Thorax hat. Man kann aber auch die Lunge vorher bis zu einem beliebigen Grade aufblasen,","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsappar. Athmungsdruck. Pneumatometrie. 225\ndann die Verbindung mit dem Manometer herstellen und so den Druck messen, welcher einem jeden Ausdehnungsgrade entspricht.\nNach dieser Methode haben Carson 4, Donders 1 2, Hutchinson3 4 5, Harless 4 u. A. Bestimmungen \u00fcber den Lungendruck gemacht, Donders fand f\u00fcr die Normalstellung etwa 6 mm Hgy f\u00fcr die einer m\u00f6glichst tiefen Inspiration entsprechende Ausdehnung der Lunge etwa 30 mm. Aehnliche Werthe erhielt Hutchinson (13,5 und 37,6 mm Hg).\nWir k\u00f6nnen also annehmen, dass bei der Ruhestellung des Thorax die Lunge etwa mit einem Druck von 7,6 mm Hg, d. h. Vioo Atmosph\u00e4re sich zusammenzuziehen strebt. Dies entspricht einem Druck von 10 grm auf den Quadratcentimeter. Alle nachgiebigen Thoraxwandungen, insbesondere also das Zwerchfell und die Rippen, werden soweit nach innen eingezogen werden, bis ihre eigene Spannung denselben Werth erreicht. Jede inspiratorische Kraft muss diesen Widerstand \u00fcberwinden, wenn sie \u00fcberhaupt eine Wirkung erzielen soll. Aber dieser Widerstand w\u00e4chst noch in dem Maasse, als die Lunge ausgedehnt wird, und die inspiratorischen Muskeln wirken also etwa in der Art wie Muskeln, die an einer Feder angreifen, die sie verbiegen m\u00fcssen. Sobald daher die Muskelenergie nachl\u00e4sst, werden die Thoraxwandungen durch die Federkraft der Lungen in ihre Normalstellung zur\u00fcckschnellen. Bei der Exspiration durch Muskelwirkung, d. h. bei der Verkleinerung des Thorax unter seine Normalstellung kommt die Lungenelasticit\u00e4t den Muskelkr\u00e4ften zu Hilfe; aber hier wirken dann die Spannungen der Thoraxw\u00e4nde selbst als Widerst\u00e4nde, welche die Muskeln zu \u00fcberwinden haben.\nDie directe Messung des negativen Drucks am lebenden Menschen ist bis jetzt nicht ausgef\u00fchrt worden. An Thieren haben meines Wissens zuerst Adamkiewicz und Jacobson 5 eine solche directe Bestimmung vorgenommen, indem sie bei Schafen, Hunden, Kaninchen einen Troicart im vierten Intercostalraum links unmittelbar neben dem Sternum einstiessen und flach unter dem Sternum fort in die Herzbeutelh\u00f6hle einf\u00fchrten; durch Zur\u00fcckziehen des Stilets wurde dann sein Lumen frei gemacht und die Verbindung mit dem Manometer hergestellt. Der negative Druck schwankte zwischen \u20143 und\n\u2014\t5 mm Hg und sank bei heftiger Dyspnoe eines Kaninchens auf\n\u2014\t9 mm. Es ist wohl anzunehmen, dass die entsprechenden Werthe beim Menschen gr\u00f6sser ausfallen w\u00fcrden, und deswegen kann ich\n1\tCarson, Philos. Transact. I. 42. 1820.\n2\tDonders, Ztschr. f. rat. Med. Neue Folge III.\n3\tHutchinson, Art. Thorax. S. 1058.\n4\tHarless, Arch. f. physiol. Heilk. XIII. S. 15. 1854.\n5\tAdamkiewicz u. Jacobson, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1873. S. 483.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV a.\t15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nkeinen Widerspruch zwischen diesen Zahlen und den von Donders an der menschlichen Lunge gefundenen Werthen von 7^2\u201430 mm Hg sehen.\nDie zu anderen Zwecken h\u00e4ufig vorgenommene Er\u00f6ffnung einer Pleurah\u00f6hle ist meines Wissens von keinem Forscher zur Bestimmung des negativen Druckes in derselben benutzt worden. Es w\u00e4re nur n\u00f6thig in die Brustwunde eine Can\u00fcle, wie sie von Ludwig, Hering u. A. benutzt wurde, luftdicht einzuf\u00fcgen, mit dieser irgend eine Saugvorrichtung und ein Manometer zu verbinden und dann durch Aussaugen der Luft aus der Pleurah\u00f6hle die Lunge wieder zur Anlagerung an die Brustwand zu bringen; sobald dies erreicht ist, w\u00fcrde der Stand des Manometers den gesuchten Werth des negativen Druckes anzeigen.\nEs bedarf aber gar nicht so eingreifender Operationen, um diesen Werth zu finden, da man auf becpiemerem Wege, ja sogar ganz ohne Verletzung Zugang zum inneren Thoraxraum finden kann, n\u00e4mlich durch den Oesophagus. F\u00fchrt man durch diesen ein Rohr in den hinteren Mediastinalraum und verbindet dasselbe mit dein Manometer, so sieht man Schwankungen, welche den Respirationsbewegungen entsprechen. Bei jeder Inspiration sinkt das Manometer, bei jeder Exspiration steigt es, entsprechend der Zunahme oder Abnahme, welche der intrathoracale Druck mit der Vergr\u00f6sserung und Verkleinerung des Lungenvolums erf\u00e4hrt. Benutzt man statt des Manometers eine MAREv\u2019sche Schreibkapsel, so ist dies eine der besten Methoden, den Verlauf und die St\u00e4rke der Athembewegungen aufzuzeichnen. Als solche ist sie von Luciani 1 und von mir 1 2 benutzt worden. Der Nullpunkt, um welchen herum die Schwankungen des Manometers oder des Schreibhebels der MAREv\u2019schen Kapsel erfolgen, h\u00e4ngt dabei ganz von dem Moment ab, in welchem die Verbindung mit der Schlundsonde erfolgt. Stellt man diese her, w\u00e4hrend der Thorax in der Normalstellung ist, also in der Athempause, so sind die Ausschl\u00e4ge directe Messungen des Grades der Ausdehnung bezw. der activen Verengerung des Thorax. Fig. 21 ist ein Beispiel einer solchen von mir gewonnenen Curve. Die Kuppen der Curve entsprechen der Normalstellung des Thorax ; die Abweichungen von der durch diese gelegten Abscissenaxe sind also proportional den Zuwachsen des negativen Druckes durch die inspiratorische Thoraxerweiterung; active exspiratorische Verengerung kam in diesem Falle nicht vor. Was diese Methode der graphischen Darstellung der\n1\tLuciani, Archivio per le scienze mediche. II. p. 177. 1878.\n2\tRosenthal, Arch. f. Physiol. Suppl.-Bd. S. 34 1880.","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsappar. Athmungsdruck. Pneumatometrie. 227\nAthembewegungen auszeichnet, ist neben ihrer Treue besonders der Umstand, dass sie auch die dauernde Ruhestellung des Thorax in irgend einer Lage getreu darstellt. Ein solche wurde z. B. in unserem Falle vor\u00fcbergehend durch Vagusreizung bewirkt. Die kleinen Zacken der Curve sind von den Volumschwankungen des Herzens bedingt.\nFig. 21. Intrathoracale Drucksehwankungen nach J. Rosenthal.\nAuf diese Weise messen wir nun nicht den absoluten Werth des intrathoracalen Druckes, sondern nur seine Schwankungen. Wenn man aber \u00e4hnlich verf\u00e4hrt, wie Adamkiewicz und Jacobson mit dem Herzbeutel es gethan, d. h. die Sonde geschlossen durch den Oesophagus in den Thorax einf\u00fchrt und dann die Communication mit dem Manometer herstellt, ohne dass eine Verbindung mit der Atmosph\u00e4re eintritt, so zeigt das Manometer den negativen Druck direct an. Ich habe derartige Bestimmungen an Kaninchen gemacht und den Druck gleich h\u00f6chstens \u2014 40 mm Wasser, also etwa gleich \u20143 mm FFg gefunden, was mit den Angaben von Adamkiewicz und Jacobson \u00fcbereinstimmt. Er kann aber bei tiefen Inspirationen viel gr\u00f6sser werden ; und diese niedersten Wertke h\u00e4ngen nicht blos von den Erweiterungen des Thoraxraumes, sondern auch von der Weite der Respirations\u00f6ffnung ab. Ist diese weit, so kann der Druck in den Alveolen niemals tief sinken, er betr\u00e4gt nur wenige Millimeter Wasser. Ist aber die Lunge nur durch eine enge Oeffnung mit der Atmosph\u00e4re verbunden oder gar ganz abgeschlossen, dann wird bei der Inspiration der intraalveol\u00e4re Druck stark negativ, und der intrathoracale Druck muss sich von diesem noch um den Betrag der Lungenelasticit\u00e4t unterscheiden. Unter diesen Umst\u00e4nden habe ich bei Kaninchen negative Drucke von 250 mm Wasser und dar\u00fcber also \u2014 20 mm Flg gesehen. Bei der Exspiration ist das Verh\u00e4ltniss analog: der durch die Lungenelasticit\u00e4t bedingte negative Druck zieht sich von dem positiven intre-alveol\u00e4ren ab, und da dieser bei verengter oder gar geschlossener Ausgangs\u00f6ffnung erhebliche Werthe erreichen kann, so kann die algebraische Summe dann, trotz der Lungenelasticit\u00e4t, positive Werthe annehmen.\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nBeim Menschen sind meine Versuche, auf dieselbe Weise den intrathoracalen Druck zu bestimmen, ohne Erfolg geblieben. Bei Anwendung einer gew\u00f6hnlichen Schlundsonde wurde kein gen\u00fcgender Abschluss im Oesophagus erzielt; bei einer dickeren Sonde war dies der Fall, aber die fortw\u00e4hrend stattfindenden Bewegungen des Oesophagus interferirten mit den von Lungen und Respirationsbewegungen veranlassten Manometerstellungen und machten jede Messung unm\u00f6glich. Sobald die Sonde in den Magen kam, stellte sich das Manometer auf einen geringen positiven Werth ein (intraabdomineller Druck) und dieser stieg regelm\u00e4ssig bei jeder Inspiration wegen der Verkleinerung der Bauchh\u00f6hle durch das herabtretende Zwerchfell.\nDass dieser negative Druck und seine Schwankungen einen erheblichen Einfluss auf die Circulation aus\u00fcben, ist in dem betreffenden Abschnitt auseinandergesetzt worden.\nWir wenden uns nun zu der Frage, wie dieser negative Druck entsteht. Denn im intrauterinen Leben ist er nicht vorhanden und auch nicht bei solchen Kindern, welche nach der Geburt, ohne ge-athmet zu haben, sterben. W\u00e4re dies der Fall, dann m\u00fcsste die Lunge im Uterus Amniosfl\u00fcssigkeit oder nach der Geburt Luft ansaugen. Dass letzteres nicht der Fall ist, geht aus der bekannten Thatsache hervor, dass die Lungen von Kindern, welche sterben ohne vorher geathmet zu haben, nichtlufthaltig (atelektatisch) bleiben. Der negative Druck entsteht also erst mit dem ersten Athemzuge. Diese Frage (welche nicht zusammenf\u00e4llt mit der anderen, sp\u00e4ter zu behandelnden nach der Ursache dieses ersten Athemzugs) ist neuerdings von Bernstein1 behandelt worden. Er blies bei todt-gebornen Kindern Luft in die Lungen ein und constatirte dann, dass die Lungen ausgedehnt blieben; denn wenn er nachher ein Manometer in die Trachea einband und die Pleurah\u00f6hlen er\u00f6ffnete, so stieg das Manometer um 6\u20147 mm Hg, ganz wie in den oben erw\u00e4hnten Versuchen von Donders. Bernstein fand, dass der Thorax nach der Lufteinblasung nicht wieder sein fr\u00fcheres Volum annimmt, sondern dauernd erweitert bleibt. Dass dieses auch nach dein ersten, durch Muskelwirkung hervorgebrachten Athemzug der Fall sein wird, kann man wohl annehmen. Als h\u00f6chst wahrscheinliche Ursache glaubt er eine besondere Beschaffenheit der Costo-Vertebralgelenke annehmen zu d\u00fcrfen, welche sperrzahnartig die einmal gehobenen Rippen nicht mehr ganz in ihre fr\u00fchere Lage zur\u00fccksinken lassen sollen.\n1 Bernstein. Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 617. 1878.","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsappar. Athmungsdruck. Pneumatometrie. 229\nGegen diese Deutung der Versuchsergebnisse haben Hermann und Keller1 den Einwand erhoben, dass die atelektatischen Lungen offenbar durch die Adh\u00e4sion der aneinanderliegenden W\u00e4nde der Bronchioli und Alveolen der Aufblasung einen grossen Widerstand entgegenstellen m\u00fcssen, welcher gr\u00f6sser sein kann als ihre Elasti-cit\u00e4t, so dass diese, wenn einmal durch eine hinreichende Kraft des ersten Athemzugs Luft eingedrungen ist, nicht mehr ausreicht die Widerst\u00e4nde des Thorax zu \u00fcberwinden, wodurch dann beide, Lungen und Thorax, ausgedehnt bleiben. Sie st\u00fctzen dies durch den Nachweis, dass zum ersten Aufblasen einer atelektatischen Lunge stets ein bedeutend gr\u00f6sserer Druck n\u00f6thig ist, als wenn schon Luft in derselben ist, obgleich doch in diesem Falle das Lungengewebe schon etwas gedehnt ist. Sie machten die Lungen k\u00fcnstlich atelektatisch, indem sie dieselben mit reiner Kohlens\u00e4ure f\u00fcllten und diese von aussen her, durch das Lungenparenchym hindurch, von Wasser absorbiren Hessen. So konnte an derselben Lunge wiederholt derselbe Unterschied nachgewiesen werden.\nIch muss mich ganz entschieden auf die Seite Hermann\u2019s stellen, da der von ihm hervorgehobene Umstand ausreicht, die Sache zu erkl\u00e4ren. Offenbar ist der Zustand des Thorax, wie er bei der Geburt besteht, nicht der nat\u00fcrliche oder Gleichgewichtszustand desselben. Der Thorax wird in einer zusammengedr\u00fcckten Lage erhalten, auch ohne einen von aussen wirkenden Druck, wie er sicher im Uterus besteht, aber nach der Geburt nicht mehr vorhanden ist, weil seine Elasticit\u00e4t nicht ausreicht, den von Hermann hervorgehobenen Widerstand der Adh\u00e4sion zu \u00fcberwinden. Ist aber einmal die Lunge ausgedehnt und mit Luft gef\u00fcllt, dann m\u00fcssen Lungen-elasticit\u00e4t und Thoraxelasticit\u00e4t sich ins Gleichgewicht setzen, und das geschieht in der von uns schon oft genannten Normalstellung.\nHermann macht auch mit Hecht darauf aufmerksam, dass die Lungen bei Er\u00f6ffnung der Pleurah\u00f6hlen nicht ganz zusammensinken und atelektatisch werden, weil offenbar nicht alle Luft aus ihnen entweichen kann. Diese Thatsache ist ja bekannt genug, aber ihre richtige W\u00fcrdigung hat sie noch immer nicht gefunden. Wenn die Lungen bei Er\u00f6ffnung der Pleurah\u00f6hlen zusammensinken, so sind sie durchaus noch nicht auf ihre nat\u00fcrliche Gr\u00f6sse zur\u00fcckgekehrt, Diese nat\u00fcrliche Gr\u00f6sse, bei der sie gar keine elastische Spannung haben, ist eben die des atelektatischen Zustandes. Aber zu diesem k\u00f6nnen sie nicht gelangen, weil beim Zusammenfallen die Bronchioli an\n1 Hermann, nach den Versuchen des Herrn Keller, Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 365. 1879. '","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nihrer engsten Stelle, d. h. am Uebergang ins Infundibulum sich vollkommen sehliessen und damit der noch in den Alveolen befindlichen Luft den Ausgang versperren. Auf dieses Verhalten hat schon Traube hingewiesen. Durch ihn (in seinen klinischen Vortr\u00e4gen) aufmerksam gemacht, habe ich schon in den f\u00fcnfziger Jahren den Gegenstand verfolgt und seitdem \u00f6fter in meinen Vorlesungen durch folgenden Versuch erl\u00e4utert. Oeffnet man bei einem lebenden Kaninchen eine Pleurah\u00f6hle, so sinkt die Lunge sofort zusammen und nimmt ungef\u00e4hr das Volum an, welches sie auch bei Oeffnung der Pleurah\u00f6hle an der Leiche annehmen w\u00fcrde. L\u00e4sst man aber das Thier am Leben und beobachtet die Lunge durch die Thorax\u00f6ffnung, so sieht man, wie die Lunge langsam sich weiter verkleinert und zuletzt (nach 8\u201410 Stunden) vollkommen atelektatisch wird. Die Erkl\u00e4rung ist folgende: In jedem Alveolus ist ein kleines Quantum Luft abgesperrt, welches unter einem geringen, von der Elasticit\u00e4t des Lungengewebes herr\u00fchrenden Druck steht. Auf den W\u00e4nden dieser R\u00e4ume circulirt Blut; dieses absorbirt nach und nach allen Sauerstoff des abgesperrten Raumes, bis dieser nur noch Kohlens\u00e4ure und etwas Stickstoff enth\u00e4lt. Da der Partialdruck der Kohlens\u00e4ure in dem Maasse, wie der Sauerstoff verschwindet, w\u00e4chst, so wird ihre Spannung gr\u00f6sser als die der Kohlens\u00e4ure im Blut, und so wird auch sie resorbirt. Zuletzt bleibt nur noch Stickstoff \u00fcbrig, der dann endlich, wenn auch viel langsamer, auch resorbirt werden muss, so dass endlich die Alveolen leer und die Lunge atelektatisch werden muss. Derselbe Vorgang muss nat\u00fcrlich auch beim Menschen ein-treten, wo ein einseitiger Pneumothorax besteht. Er ist auch oft beobachtet worden, und die Atelektase wird dann als Folge des Druckes der atmosph\u00e4rischen Luft auf die Lungenoberfl\u00e4che erkl\u00e4rt. Aber die atmosph\u00e4rische Luft kann nicht dr\u00fccken, da im Innern der Alveolen derselbe Druck herrscht. Auch kann durch Druck, wie auch Hermann und Keller fanden, die Lungenluft nie entleert werden, weil eben die Infundibula geschlossen sind. Was wirklich auf die Alveolarluft dr\u00fcckt, das ist der Rest der Lungenelasticit\u00e4t, die nicht eher zur Ruhe kommt, als bis die Lunge leer, d. h. atelektatisch ist. Dieser Process der k\u00fcnstlichen Atelektasirung ist offenbar identisch mit dem von Hermann und Keller benutzten.\nVIII. Die concomitirenden Atliembewegungen.\nUnter den Athembewegungen haben wir inspiratorische und ex-spiratorische unterschieden, je nachdem sie zu einer Erweiterung","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsappar. Die concomit. Athembewegungen. 231\noder Verengerung des Thorax und damit zur Einsaugung von Luft in die Lungen oder zur Austreibung von Luft aus denselben f\u00fchren. Neben diesen gibt es aber noch andere Bewegungen, welche gar keine Aenderung des Thoraxvolums bewirken, aber als Begleiterscheinungen auftreten, und die wir deshalb als concomitirende Athembewegungen bezeichnen. Einige von ihnen k\u00f6nnen allerdings als n\u00fctzlich f\u00fcr die Athmung angesehen werden, so z. B. die Erweiterung der Nasenl\u00f6cher und der Stimmritze bei der Inspiration, welche den Zutritt der Luft zu der Lunge erleichtert. Manche von ihnen fehlen bei der ruhigen Athmung und treten erst bei verst\u00e4rkter Athmung deutlich hervor.\n1.\tBewegungen des Kehlkopfsl. Auch bei ruhiger Athmung hebt und senkt sich der Kehlkopf des Menschen regelm\u00e4ssig. Die Hebung entspricht der Exspiration. Bei Kaninchen sind Kehlkopfsbewegungen bei ruhiger Athmung zuweilen nicht vorhanden, treten aber schon bei geringer Verst\u00e4rkung derselben auf. Bei Hunden und Katzen sind sie stets vorhanden und sehr energisch. Die Senkung kommt zu Stande durch Contraction der Mm. sternohyoidei und sterno-thyreoidei, die Hebung durch Contraction der Mm. hyothyreoidei und cricothyreoidei. Letztere wirken nat\u00fcrlich nur auf den Ringknorpel und die Trachea und heben diese noch n\u00e4her an den schon in der Hebung begriffenen Schildknorpel, so dass die Trachea in ihrer ganzen Ausdehnung eine Streckung erleidet.\n2.\tBewegungen der Stimmb\u00e4nder. Die Stimmritze ist, wie man bei Menschen und Thieren mit dem Kehlkopfspiegel sehen kann, bei ruhiger Athmung ziemlich weit offen und macht nur geringe Bewegungen.2 Bei verst\u00e4rkter Athmung erweitert sich die Stimmritze durch Contraction der Mm. cricoarvtenoidei postici bei jeder Inspiration. Bei Kaninchen sind diese Bewegungen stets vorhanden, aber schwach, bei Katzen sehr deutlich ausgesprochen und besonders bei etwas verst\u00e4rkter Athmung sehr energisch.3 Bei vollkommener Un-th\u00e4tigkeit aller Muskeln (also im Tode oder nach Durchschneidung der betreffenden Nerven) haben die Stimmb\u00e4nder eine schr\u00e4ge Lage, so dass ihre oberen Fl\u00e4chen zugleich laterahv\u00e4rts und die unteren medianw\u00e4rts gerichtet sind. Ihre Innenr\u00e4nder sind dann ein wenig von einander entfernt und die Stimmritze wird begrenzt von zwei schlangenf\u00f6rmig gekr\u00fcmmten Linien, welche vorn im Winkel der\n1\tVgl. Rosenthal, Athembewegungen. S. 207.\n2\tCzermak, Der Kehlkopfspiegel. Abdr. in Czermak\u2019s gesammelte Schriften. I. S. 536.\n3\tRosenthal, Athembewegungen. S. 212.","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nbeiden Sehildknorpelplatten in einem spitzen Winkel zusammen-stossen, und deren nach innen vorspringende, einander zugekehrte Convexit\u00e4ten den Processus vocales der Giessbeckenknorpel entsprechen. Durch diese zerf\u00e4llt die Stimmritze in eine vordere lanzettf\u00f6rmige Abtheilung (Glottis vocalis) und eine hintere dreieckige, mit abgerundeten Ecken (Glottis respiratoria). Bei der Inspiration werden dann die schlaffen Stimmb\u00e4nder durch den Luftstrom einander gen\u00e4hert, und bei jungen Thieren kann (wie Le Gallois nachgewiesen hat) es zu einem vollkommenen Verschluss und demnach zur Erstickung kommen, weil der hintere Abschnitt, die Glottis respiratoria, sehr klein und die Cartilagines arytenoideae sehr weich sind. Hieraus ersieht man, dass die active Erweiterung der Stimmritze bei der Inspiration von wesentlicher Bedeutung ist. Aber selbst die Ruhestellung bei der ruhigen Respiration des Menschen, wie sie der Kehlkopfspiegel zeigt, scheint nicht ganz ohne Muskelwirkung zu Stande zu kommen, da die dabei beobachtete weite Oeffnung der Stimmritze nicht ganz der bei vollkommener L\u00e4hmung entspricht.\nBei der Exspiration dagegen k\u00f6nnen die schlaffen Stimmb\u00e4nder (nach Nervendurchschneidung) dem auf ihre unteren Fl\u00e4chen wirkenden Luftstrom ohne weiteres ausweichen. Wenn aber die Nerven erhalten sind, so sieht man bei der Exspiration die Stimmb\u00e4nder etwas nach innen gehen, wobei der freie Rand des vorderen Abschnittes gerade gestreckt wird. Dies ist eine Wirkung des M. cricothyreoi-deus, welcher den vorderen Ansatz des Stimmbandes vom hinteren entfernt ; aber dieser hintere muss dabei fixirt werden, was auf eine Wirkung der Mm. cricoarytenoidei laterales schliessen l\u00e4sst.\nSchliesslich sei noch bemerkt, dass auch nach Durchschneidung der Kehlkopfnerven (Lar. inf., welcher alle Kehlkopfmuskeln mit Ausnahme des M. cricothyreoideus versorgt, und Ramus ext. des Lar. sup. f\u00fcr diesen letzteren Muskel) noch Aenderungen in -der Weite der Stimmritze, ja sogar ein Verschluss derselben zu Stande kommen kann durch die Lagever\u00e4nderung der Cartilago thyreoidea bei Contraction der Mm. hyothyreoidei1.\nBewegungen an den Nasenl\u00f6chern. Bei Menschen sieht man bei ruhiger Athmung keine Bewegungen der Nasenfl\u00fcgel, dagegen erweitern sich die Nasenl\u00f6cher bei jeder Inspiration, sobald die Athmung sehr verst\u00e4rkt ist. Ebenso verhalten sich Hunde und Katzen, wogegen Kaninchen schon bei normaler Athmung regelm\u00e4ssige Bewegungen der Nasenfl\u00fcgel zeigen, welche der Zwerchfellcontraction\n1 Rosenthal, Athembewegungen. S. 216.","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsapparate. Formen d. Athemhewegungen. 233\netwas vorhergehen und somit die erste Inspirationsbewegung darstellen.1 Wenn die Nasenfl\u00fcgel sehr d\u00fcnn und biegsam sind, k\u00f6nnen sie bei tiefen, pl\u00f6tzlichen Inspirationen passiv nach innen bewegt werden und einen ventilartigen Verschluss bilden. Einen solchen Fall sah Traube2, wobei der Gefahr des Erstickens durch k\u00fcnstliches Offenhalten der Nasenl\u00f6cher vorgebeugt werden musste.\nBewegungen des Kopfes, der Schultern u. s. w. Bei sehr tiefen Inspirationen pflegen die meisten Menschen unwillk\u00fcrlich den Mund zu \u00f6ffnen. Bei hochgradiger Athemnoth wird bei Menschen und Thieren bei der Inspiration der Mund weit ge\u00f6ffnet, bei der Exspiration geschlossen. Zugleich wird dabei der Kopf bei der Inspiration nach hinten gestreckt, was nicht nur den Luftkanal gerade streckt uud somit den Luftzutritt erleichtert, sondern auch der Wirkung der Mm. sternocleidomastoidei einen g\u00fcnstigeren Angriffspunkt gew\u00e4hrt. In derselben Weise sind offenbar auch die Hebungen der Schulter zu verstehen, welche man oft in F\u00e4llen hochgradiger Athemnoth sieht, indem sie die Wirkung des M. pectoralis minor unterst\u00fctzen. In anderen F\u00e4llen sieht man auch wohl, dass die an hochgradiger Athemnoth Leidenden die Arme in die H\u00fcften stemmen, um den vom Oberarm und der Schulter zum Thorax gehenden Muskeln g\u00fcnstigere St\u00fctzpunkte zur Erweiterung des Thorax zu geben, oder dass sie umgekehrt die Exspiration durch ein seitliches Anpressen der Arme an den Thorax verst\u00e4rken.\nDie Streckung der Wirbels\u00e4ule zur Unterst\u00fctzung der Inspiration ist schon erw\u00e4hnt worden.\nIX. Besondere Formen der Athembeweguiigeii.\nUnter dieser Bezeichnung wollen wir zuerst einige Abweichungen von dem normalen Athmungstypus kurz auff\u00fchren, welche meist als Folge psychischer Erregungen oder reflectorisch durch sensible Beizung angeregt sich vor\u00fcbergehend in den Gang der normalen Athembewegungen einschieben. Hierher rechnen wir:\n1. den Husten; er besteht in einem oder mehreren schnell aufeinander folgenden starken exspiratorischen St\u00f6ssen mit Erschlaffung der inspiratorischen Muskeln und Verschluss der Stimmritze; die Luft entweicht dabei mit einem charakteristischen Explosionsger\u00e4usch. Der Husten kommt in der Regel zu Stande durch Reizung des Ausbreitungsbezirks der Nn. laryngei superiores auf der Schleimhaut des\n1\tRosenthal. Athembewegungen. S. 217.\n2\tM\u00fcndliche Mittheilung Traube\u2019s in seiner Klinik.","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234 Rosenthal. Die Physiologie cl. Athembewegungen u. cl. Innervation derselben.\nKehlkopfs ; aber auch die Schleimhaut der Trachea, die Pleura und andere Stellen k\u00f6nnen Husten erzeugen. Dem Husten sehr nahestehend ist\n2.\tdas Niesen, eine starke, pl\u00f6tzliche Exspiration, aber mit Abschluss der Mund- von der Rachenh\u00f6hle und Offenstehen der Glottis, so dass der Luftstrom durch die Nase entweicht. Es kommt zu Stande durch Reflexe von den sensiblen Fasern der Nasenschleimhaut sowie durch pl\u00f6tzlichen starken Lichtreiz ; ob auch durch Reizung der sensiblen Fasern der Conjunctiva, halte ich f\u00fcr zweifelhaft.\n3.\tdas Lachen, eine Reihe kurzer exspiratorischer St\u00f6sse von geringer Intensit\u00e4t bei schwachem Verschluss der Stimmritze; wird erregt durch gewisse psychische Eindr\u00fccke und durch Kitzel der Haut.\n4.\tdas G\u00e4hnen, eine tiefe Inspiration bei weit ge\u00f6ffneter Stimmritze und meist auch bei offenem Munde; h\u00e4ufig begleitet von Bewegungen der Arme u. s. w. Ist eine Folge gewisser psychischer Eindr\u00fccke, der M\u00fcdigkeit u. s. w.\n5.\tdas Seufzen, eine tiefe Inspiration bei geschlossener Stimmritze, so dass die nur m\u00fchsam eindringende Luft ein eigenth\u00fcmliches Ger\u00e4usch erzeugt; wird durch psychische Zust\u00e4nde erregt.1\n6.\tdas Schluchzen, unterscheidet sich vom Seufzen nur durch die gr\u00f6ssere Geschwindigkeit der inspiratorischen Bewegung, weshalb der dabei erzeugte Ton lauter und k\u00fcrzer ist. Es ist meist von einem ruckweisen Aufw\u00e4rtssteigen des Kehlkopfs begleitet und entsteht in Folge psychischer Erregungen oder durch Reflex von den Ausbreitungsgebieten des Glossopharyngeus und des Vagus.\nEine besondere Art der Athmung ist unter dem Namen Cheine-StokesAcAz Athmung bekannt geworden. Sie besteht in einem regelm\u00e4ssigen An- und Abschwellen in der Tiefe der Respirationsz\u00fcge, so dass sehr tiefe Athmung mit ganz flacher, ja selbst vollkommenem Aussetzen der Respiration abwechseln kann. Es zeigen sich Spuren dieses Verhaltens schon im normalen Schlaf, wie Mosso fand, ebenso im Chi oralschlaf nach Heidenhain und Mosso, dann bei gewissen Vergiftungen (Morphin, Filehne); bei Druck auf die Med. oblongata , durch Bluterg\u00fcsse u. dergl. Namentlich aber tritt es in Krankheiten auf. Eine allgemein anerkannte Theorie des Zustandekommens besitzen wir noch nicht, trotz der zahlreichen Untersuchungen dar\u00fcber. Traube glaubte es durch die Annahme einer\n1 Es mag hier gelegentlich angemerkt werden, dass das Miauen der Katzen auf dieselbe Weise bei der Inspiration erzeugt wird. Dass auch Menschen hin und wieder bei der Inspiration sprechen, ist bekannt.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, cl. Athmimgsapparate. Formen d. Athembewegungen. 235\nherabgesetzten Erregbarkeit des nerv\u00f6sen Atkemcentrums erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen; Filehne fand diese Erkl\u00e4rung unzureichend und suchte zu beweisen, dass eine Aenderung in den Circulationsverh\u00e4ltnissen der Centralorgane hinzukommen m\u00fcsse. Gegen Filehne\u2019s Erkl\u00e4rung sind von verschiedenen Seiten Einwendungen erhoben worden, die jener wieder zu entkr\u00e4ften versucht hat. Die Discussion hier\u00fcber ist gerade jetzt in lebhaftem Gange. Zu ihrem Verst\u00e4ndniss sind die Er\u00f6rterungen, welche wir im folgenden Capitel \u00fcber die Ursache der Athembewegungen geben, vorausgesetzt. Da aber das Ganze ausserhalb des Rahmens unserer Aufgabe liegt, so begn\u00fcge ich mich mit diesen Andeutungen.\nDie wichtigste Literatur habe ich unten zusammengestellt.1\nWeiter stelle ich hier einige Bemerkungen zusammen \u00fcber Aen-derungen im Athmungstypus, wie sie durch \u00e4ussere Einfl\u00fcsse zu Stande kommen. Sehr interessant sind die Aenderungen, welche die Athembewegungen in verdichteter oder verd\u00fcnnter Luft erfahren. W\u00e4hrend die Angaben von Yieeordt sich nur auf die geringen Schwankungen des Barometerstandes beziehen, haben die Erfahrungen bei Luftfahrten und Bergbesteigungen einerseits, bei Bauten unter Wasser andererseits, namentlich aber die Beobachtungen in den sogenannten pneumatischen Cabinetten die Wirkungen gr\u00f6sserer Luftdruckschwankungen kennen gelehrt. Lange, v. Yivenot, Panum, G. v. Liebig'2 haben derartige Untersuchungen angestellt. In neuerer Zeit sind dazu noch die Erfahrungen gekommen, welche mit den sogenannten transportablen Luftdruckapparaten gewonnen wurden. Indem wir hier nur die Ergebnisse ber\u00fccksichtigen, welche sich auf die Mechanik der Athembewegungen beziehen, k\u00f6nnen wir folgende als feststehend ansehen. In verdichteter Luft wird die Frequenz vermindert, die Tiefe der einzelnen Athemz\u00fcge vermehrt ; das Zwerchfell steht tiefer als in der Norm, die Rippen sind etwas gehoben und die Athmung geschieht mit st\u00e4rker gef\u00fcllten Lungen, bei einer h\u00f6heren vitalen Athemlage. Diese findet nach Panum ihre Erkl\u00e4rung in der Com-\n1\tCheyne, Dublin Hosp. Reports II. p. 21. 1816. \u2014 Stokes, Diseases of the heart, p. 324. 1854. Deutsch v. Lindwurm. W\u00fcrzburg 1855. \u2014 Schiff, Lehrb. d. Physiol. S. 324. 1858. \u2014 Mosso, Arch. f. Physiol. 1878. S. 441. \u2014 Traube, Berl. klin. Woch. 1869. Nr. 27. \u2014 Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 554. 1871. \u2014 Fieehne, Berl. klin. Woch. 1874. Nr. 13 ; Ueber das Cheyne-STOKEs\u2019sche Athnmngs-ph\u00e4nomen. Erlangen 1874. Die vielen casuistischen Mittheilungen \u00fcbergehe ich hier.\n2\tJ. Lange, Ueber comprimirte Luft, ihre physiologischen Wirkungen und ihre therapeut. Bedeutung. D\u00f6ttingen 1864. \u2014 R. v. Vivenot, Wiener med. Jahrb. 1865. S. 205 ; Zur Kenntniss d. physiol. Wirkung und therapeutischen Anwendung der verdichteten Luft. Erlangen 1868. \u2014 Panum, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 125. 1867; Bibliothek for Laeger 1866. \u2014 G. v. Liebig, Arch. f. Physiol. 1879. S. 284.","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\npression der im Darmkanal eingeschossenen Luft, doch ist wohl noch ein directerer Einfluss auf die Lungenelasticit\u00e4t gleichfalls vorhanden. Die vitale Capacit\u00e4t ist vergr\u00f6ssert. Alle diese Ver\u00e4nderungen \u00fcberdauern, wenngleich in geringem Grade, die Einwirkung des erh\u00f6hten Luftdrucks, und k\u00f6nnen, wenn diese sich oftmals wiederholt, theilweise dauernd erhalten bleiben. Nach G. v. Liebig geschieht die Einathmung schneller, die Ausathmung langsamer als bei gew\u00f6hnlichem Druck, was derselbe durch die verminderte Geschwindigkeit der Luftstr\u00f6mung bei der gr\u00f6sseren Dichtigkeit erkl\u00e4rt.\nBei niederem Luftdruck sind die Ver\u00e4nderungen im Allgemeinen entgegengesetzte wie die eben angegebenen. Wenn aber der Druck gar zu sehr sinkt, so treten ganz andere Folgen ein, die des Sauerstoffmangels, indem dann der Sauerstoffgehalt nicht mehr gen\u00fcgt, um den Verbrauch im K\u00f6rper zu decken. Und ebenso kommen bei gar zu hohen Drucken neue Umst\u00e4nde ins Spiel, indem dann toxische Wirkungen des Sauerstoffs auftreten. Ueber diese von Paul Bert genauer untersuchten Verh\u00e4ltnisse ist im vorhergehenden Abschnitt berichtet worden.\nBei einseitiger Wirkung ver\u00e4nderten Luftdrucks, wie sie stattfindet, wenn man aus einem begrenzten Luftraum athmet, in welchem der Druck h\u00f6her oder niedriger ist, als der auf der \u00e4usseren K\u00f6rperoberfl\u00e4che ruhende, sind die Wirkungen ausgepr\u00e4gter, indem schon geringe Druckunterschiede deutlichere Folgen haben.1\nIn anderer Weise werden die Athembewegungen ver\u00e4ndert durch Hindernisse, welche sich dem normalen Gaswechsel in den Lungen entgegenstellen. Solche Hindernisse k\u00f6nnen sein:\n1. Mechanische Hindernisse f\u00fcr die Ausdehnung des Thorax, bezw. der Bauchwand. Wenn diese un\u00fcberwindlich sind, so ersetzt sie der Athmungsapparat durch eine st\u00e4rkere Contraction anderer Athem-muskeln, und wenn dies nicht im Stande ist, die L\u00fcftung -der Lunge in gen\u00fcgender Weise zu bewirken, so tritt der Tod ein. So erz\u00e4hlte Traube, dass, als einem Manne ein Gypsguss um das Abdomen und den unteren Theil des Thorax angelegt worden war, der Mann, sobald der Gyps zu erstarren begann, so heftige Athemnoth bekam, dass man gen\u00f6thigt war, ihn so schnell als m\u00f6glich zu entfernen.2 Geringere Hindernisse haben Vermehrung der Ath-mungstiefe zur Folge, wobei alle accessorischen Athemmuskeln ins Spiel gerathen k\u00f6nnen. Besteht das Hinderniss in Schmerzen, welche\n1\tYgl. Waldenburg, Berliner klin. Woch. 1873. Nr. 39 u. 40.\n2\tTraube f\u00fchrte die Geschichte auf Hutchinson zur\u00fcck ; ich habe sie bei diesem aber nicht gefunden.","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsapparate. Formen d. Athembewegungen. 237\nbei den Athembewegungen entstehen, so wird die Athmung h\u00e4ufiger aber flacher.\n2.\tMechanische Hindernisse f\u00fcr den Zutritt der Luft, wie Verengerungen in den Luftwegen u. dgl. Sie haben eine sehr erhebliche Abnahme der Frequenz und eine ebenso erhebliche Zunahme der Athmungstiefe zur Folge, wodurch die Athmungsgr\u00f6sse vollkommen compensirt oder sogar \u00fcbercompensirt werden kann. Das Leben kann dabei sehr lange ohne weitere St\u00f6rungen bestehen, nach l\u00e4ngerer Zeit treten aber Lungenerkrankungen auf, namentlich Lungenhyper\u00e4mie, Emphysem und Herzerweiterung.1\n3.\tVerkleinerungen der Lungenoberfl\u00e4che; dieselben k\u00f6nnen durch Ansammlung von Fl\u00fcssigkeit in den Alveolen oder durch Contraction der elastischen Lungen erfolgen, wenn diese in der Lage sind, ihrer Elasticit\u00e4t zu folgen, n\u00e4mlich bei Ansammlung von Fl\u00fcssigkeit im Pleuraraum oder bei Communication desselben mit der \u00e4usseren Atmosph\u00e4re (Pneumothorax). So lange die Verkleinerung der Lungenoberfl\u00e4che ein gewisses Maass nicht \u00fcberschreitet, wird der dadurch verminderte Gasaustausch zwischen Blut und Luft compensirt durch Vermehrung der Zahl und Tiefe der Athembewegungen, wobei alle accessorischen Athemmuskeln in der schon angegebenen Reihenfolge ins Spiel kommen. Diese Art der Athmung nennen wir Dyspnoe zum Unterschiede von der normalen oder Eupnoe. Wenn aber der Gasaustausch nicht gen\u00fcgt oder \u00fcberhaupt unm\u00f6glich ist, z. B. bei doppelseitigem Pneumothorax, dann tritt der Tod durch Erstickung ein.\nGanz dasselbe sehen wir aber auch bei vollkommen intactem Athmungsapparat, wenn entweder gar kein Sauerstoff in der Ath-mungsluft ist (Athmung sogenannter indifferenter Gase) oder wenn das Blut unf\u00e4hig ist, den Gasaustausch zu vermitteln, sei es, dass es chemisch ver\u00e4ndert, oder dass seine Circulation behindert ist. Alles dies hat stets Dyspnoe zur Folge, wovon im dritten Capitel weiter die Rede sein wird, und wenn durch die verst\u00e4rkte Athmung kein gen\u00fcgender Ausgleich zu Stande kommen kann, Tod durch Erstickung.\nMan kann jedoch die aufgehobene oder ungen\u00fcgende Athmung durch k\u00fcnstliche Lufteinblasung ersetzen und damit die Thiere beliebig lange Zeit am Leben erhalten. F\u00fcr das Studium der Athembewegungen wie anderer physiologischer Vorg\u00e4nge ist dieses Ver-\n1 S. Leichtenstern , Ztschr. f. Biologie. VIL S. 197. 1871. \u2014 K\u00f6hler, Arch. f. exper. Pathol, u. Pharmakol. VIL S. 1. 1S77.","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238 Rosenthal, Die Physiologie cl. Athembewegungen ii. cl. Innervation derselben.\nfahren sehr n\u00fctzlich geworden. Schon Vesal1 hat sich dieses Kunstgriffs bedient, um die Thiere am Leben zu erhalten, denen er die Brust ge\u00f6ffnet hatte, um die Bewegungen des Herzens zu beobachten. Merkw\u00fcrdiger Weise kennt Harvey ihn nicht, seine Arbeit w\u00e4re ihm wahrlich leichter geworden. Gew\u00f6hnlich wird das Verfahren auf Hook zur\u00fcckgef\u00fchrt, dessen Mittheilung aus dem Jahre 1667 stammt. Die bez\u00fcgliche Stelle (aus den Philos. Transact. II. p. 539. for 1667. Numb. 28) ist von mir in ihren wesentlichen Theilen im Arch. f. Anat. u. Physiol. 1864. S. 456, neuerdings von Gad (Ueber Apnoe u. s. w. S. 13) w\u00f6rtlich abgedruckt worden. Aus ihr geht soviel hervor, dass Hook eine klare Vorstellung \u00fcber die Function der Lunge als L\u00fcftungsorgan des Blutes hatte. Er \u00f6ffnet n\u00e4mlich den Thorax, entfernt Zwerchfell und einen grossen Theil der Rippen und verbindet die Trachea mit einem Blasebalg; durch Lufteinblasung wird der Hund l\u00e4nger als eine Stunde am Leben erhalten ; wenn die Einblasungen ausgesetzt werden, verf\u00e4llt der Hund in Kr\u00e4mpfe, durch Wiederaufnahme der Einblasungen wiederbelebt. Um aber zu zeigen, dass nicht etwa die Bewegung der Lunge das Wesentliche sei, sondern nur die Zufuhr frischer Luft, benutzt er einen constanten Luftstrom, der mit Hilfe zweier Blaseb\u00e4lge durch die Trachea ein- und durch viele in die Pleura gestochene L\u00f6cher ausstr\u00f6mt.\nGerade hundert Jahre sp\u00e4ter benutzt Fontana2 die k\u00fcnstliche Athmung, um zu untersuchen, wie das Viperngift auf gek\u00f6pfte Thiere wirkt ; bald darauf zeigt Goodwin 3, dass in ihr das wirksamste Mittel gegen die Asphyxie gegeben ist. Vor allen aber hat Le Gallois 4 zur Einf\u00fchrung derselben in die physiologische Technik beigetragen. Er benutzt eine zinnerne Spritze, welche an ihrem unteren Ende eine Seiten\u00f6ffnung hat und in eine konische Trachealcanlile ausl\u00e4uft, deren M\u00fcndung etwas enger sein muss als das erw\u00e4hnte Loch. Letztere\n1\tVesalius, De humani corporis fabrica. p. 824. Basileae 1555 : \u201eInflato igitnr semel atq; iterum pulmone, cordis motum visu tactuq; quantum lubet examinas et arteriae magnae caudicem .... quo aliquandiu observato, pulmo rursus inflandus est: hocq; artificio, quo mihi gratius in anatome nullum comperi, magna pul-suum differentiarum cognitio paranda venit.\u201c Auf derselben Seite beschreibt Yesal auch die Athembewegungen eines Hundef\u00f6tus innerhalb der Eih\u00fcllen: \u201equo dein-ceps ab utero divulso, foetum cum suis involucris eximo, et exteriori infracto in-volucro, per interius valde pellucidi ostendo, qui foetus respirare conetur, quam\u2019q ; pulchr\u00e8 interiori quoque inuolucro fracto aerem ducat.\u201c\n2\tFontana, Abhandl. \u00fcb. d.Viperngift. Aus d. Franz, \u00fcbers. S. 218. Berlin 1787. In denRicherche fisiche sopra il veleno della vipera, con alcune osservazione sopra le anguilette del grano sperone. Lucca 1767 finde ich die entsprechenden Versuche noch nicht.\n3\tGoodwin, citirt bei Le Gallois, p. 335.\n4\tLe Gallois, Exp\u00e9riences sur le principe de la vie. p. 335. (Vgl. a. S. 31) Paris 1812.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Verricht, d. Athmungsapparate. Formen d. Athembewegungen. 239\nwird fest in die Trachea eingeschoben, dann treibt man die Luft aus der Spritze in die Lunge und saugt sie unmittelbar wieder aus, indem man das erw\u00e4hnte Loch mit dem Finger verschliesst. Nun wiederholt man die Hin- und Herbewegung des Spritzenstempels bei unverschlossenem Loch, wodurch die verdorbene Luft aus der Spritze entfernt und frische in dieselbe eingesogen wird, worauf wieder die Eintreibung in die Lunge u. s. w. folgt. Trotz aller Vorsicht hat er bei dem Verfahren \u00f6fter Zerreissungen der Lunge und Eintritt der Luft in die Pleurah\u00f6hle gesehen. Auch macht er auf die starke Abk\u00fchlung der Thiere aufmerksam.1\nZur Ausf\u00fchrung der k\u00fcnstlichen Athmung bedient man sich am besten der in Fig. 22 abgebildeten Can\u00fcle von Ludwig. Der obere Theil, welcher zur Verbindung mit dem Blasebalg bestimmt ist, l\u00e4sst sich in dem unteren drehen. In diesem ist ein Loch, das bei dem Eintreiben der Luft in die Lunge als Sicherheitsventil dient und eine zu starke Ausdehnung derselben verhindert, sodann zugleich der exspi- . _\nFig;. 22. Can\u00fcle zur\nrirten Luft zum Ausgang dient. Auf die Noth- k\u00fcnstlichen Athmung.\ni r\\\tNach Ludwig.\nWendigkeit einer solchen Oeffnung in m\u00f6glichster N\u00e4he der Luftr\u00f6hre habe ich aufmerksam gemacht.2 Es sichert dies eine wirkliche Erneuerung der Einblasungsluft bei jeder Einblasung. Ich hatte, um diesen Zweck zu erreichen, einen l\u00e4nglichen Ausschnitt in der vorderen Wand der Trachea angebracht. F\u00fcr gr\u00f6ssere Thiere, Hunde z. B. benutzt man eine \u00e4hnliche Can\u00fcle, deren Seiten\u00f6ffnung durch einen \u00fcbergeschobenen Bing bis zu dem passenden Grade verengt werden kann.\nAuch zur Wiederbelebung scheintodter (asphyktischer) Thiere und Menschen wird die k\u00fcnstliche Athmung angewandt, namentlich auch zur Wiederbelebung asphyktisch geborener Kinder. Statt der Lufteinblasungen mittels des Blasebalgs sind hierzu verschiedene Verfahren angegeben worden, welche alle darauf hinauskommen, abwechselnde Verengerung und Erweiterung des Thorax zu bewirken. Die wichtigsten sind: Rhythmisch ausge\u00fcbter Druck auf Brust und Bauch des auf dem R\u00fccken liegenden Menschen. \u2014 Rollen des Menschen um seine L\u00e4ngsachse, so dass er abwechselnd auf Bauch und Seite zu liegen kommt (Methode von Marshall Hall). \u2014 Rhythmische Bewegung der Arme des in R\u00fcckenlage liegenden Menschen, so dass dieselben gegen den Kopf in die H\u00f6he geschlagen und dann\n1\ta. a. O. S. 241, Anm.\n2\tRosenthal, Athembewegungen. S. 156.","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240 Rosenthal, Die Physiologie cl. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nan die Brust angedr\u00fcckt werden ; bei letzterer Lage Compression von Brust und Bauch (Methode von Silvester). \u2014 Schwenken des ganzen K\u00f6rpers um eine horizontale, durch die Schultern gehende Achse, nur bei Neugebornen anwendbar und hier sehr wirksam (Methode von B. Schultze). \u2014 Elektrische Erregung der Nn. phrenici und anderer Inspirationsnerven, von verschiedenen Autoren vorgeschlagen, aber von zweifelhaftem Erfolg.1\nSelbstverst\u00e4ndlich kann jede k\u00fcnstliche Athmung nur dann wirksam sein, wenn \u00fcberhaupt noch Blutcirculation vorhanden und wenn die Nervencentra noch erregbar sind. Letzteres erkennt man am besten am Verhalten der Pupille. Diese ist n\u00e4mlich in der Asphyxie stark erweitert und verengt sich, wenn die Erregbarkeit erlischt.'2\nDRITTES CAPITEL.\nDie Innervation des Athmnngsapparats.\nI. Die Nerven des Atliemapparats.\nAlle eigentlichen Athemmuskeln erhalten ihre Nerven aus dem R\u00fcckenmark ; nur die Muskeln des Gesichts, welche bei der Athmung mit in Th\u00e4tigkeit gerathen k\u00f6nnen, und die Muskeln des Kehlkopfs stammen aus dem Gehirn. Es ist daher selbstverst\u00e4ndlich, dass Durchschneidungen dieser Nerven oder Zerst\u00f6rungen der betreffenden Theile des R\u00fcckenmarks und des verl\u00e4ngerten Markes diese Bewegungen ganz oder theilweise unm\u00f6glich machen, je nach dem Ort und der Ausdehnung dieser Zerst\u00f6rungen.\nSolche theilweisen Durchschneidungen sind f\u00fcr die Erkenntniss des Antkeils, welchen jeder einzelne Muskel an der Gesammtatk-mung hat, nat\u00fcrlich sehr werthvoll, und in demselben Sinne k\u00f6nnen die Beobachtungen \u00fcber Muskell\u00e4hmungen an Kranken verwerthet werden. Zur Erg\u00e4nzung und Contr\u00f4le dienen dann die Erscheinungen bei k\u00fcnstlicher Reizung einzelner Muskeln oder ihrer Nerven.\nt Von der umfangreichen Literatur \u00fcber k\u00fcnstliche Athmung seien hier nur einige Hauptarbeiten erw\u00e4hnt: Marshall-Hall, Lancet. I. 1856. No. 9 u. 15, II. No. 16. \u2014 Tardieu in Ann. d\u2019hygi\u00e8ne publ. 1863. p. 312. \u2014 Ziemssen, Greifswalder med. Beitr. I. S. 288, IL S. 117. \u2014 Pernice, Ebenda. IL p. 1. \u2014 Richardson, Brit, and foreign med. chir. Review. 1863. p. 478. \u2014 B. Schultze, Asphyxie im Handb. d. Kin-derkrankh. von Gerhardt u. A. IL S. 3. \u2014 Derselbe, JenaischeZtschr. IL S. 451. 1865.\n2 Rosenthal, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1864. S. 467.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innervation d. Athmungsapparats. Die Nerven d. Athemapparats. 241\nBedeutsamer aber noch sind die durch methodische Scknittfiihrungen zu erzielenden Erfahrungen \u00fcber den oder die Orte, von welchen die Erregungen jener Nerven ihren Ursprung nehmen, oder mit anderen Worten \u00fcber den Sitz der Nervencentren der Athembewe-gungen.\nDer wichtigste Athemnerv, der N. phrenicus, entspringt aus dem vierten Cervicalnerven, meist verst\u00e4rkt durch Fasern aus dem dritten und f\u00fcnften. Seine Durchschneidung l\u00e4hmt das Zwerchfell, f\u00fchrt aber nicht unmittelbaren Tod herbei, da die Rippenheber die Erweiterung des Thorax noch in ausreichender Weise besorgen k\u00f6nnen. Die Intercostalmuskeln und die Levatores costarum erhalten ihre Nerven aus dem ganzen Brusttheil des R\u00fcckenmarks, die oberen Rippenheber (Sternocleidomastoideus, Scaleni u. s. w.) aus den unteren Cervicalnerven. Vom Sternocleidomastoideus gibt Cl. Bernard1 an, dass die ihn versorgenden Fasern aus dem Plexus cervicalis stammen und sich an den N. accessorius anlegen, so dass die Aus-reissung oder Durchschneidung des letzteren an seinem Ursprung die Athemth\u00e4tigkeit des Muskels nicht aufhebt, wohl aber seine Betheiligung an der Phonation. Die exspiratorischen Muskeln werden gleichfalls von den Intercostalnerven (mit Einschluss des ersten Lumbalnerven) versorgt.\nAus diesen anatomischen Verh\u00e4ltnissen erkl\u00e4ren sich daher die St\u00f6rungen, wmlche bei theilweiser Zerst\u00f6rung des R\u00fcckenmarks auf-treten und welche besonders von Lorry, Le G-allois und Flourens untersucht worden sind. Letzterer2 berichtet dar\u00fcber wie folgt: Zerst\u00f6rung des ganzen Lendenmarks mit Einschluss der Lendenanschwellung hat bei S\u00e4ugethieren gar keinen Einfluss auf die Athmung; ebensowenig die Zerst\u00f6rung des unteren Brusttkeils zwischen der Lendenanschwellung und dem Ursprung der letzten Intercostalnerven. Zerst\u00f6rt man, von unten nach oben fortschreitend, den Brusttheil des R\u00fcckenmarks, so h\u00f6ren die Bewegungen der Rippen in entsprechender Reihenfolge auf und sind ganz erloschen, sobald der ganze Brusttheil abgetragen ist. Geht man zum Halstheil des R\u00fcckenmarks \u00fcber, so kann man die unteren Theile desselben zerst\u00f6ren, ohne die Athmung wesentlich mehr zu \u00e4ndern, als sie schon durch die Zerst\u00f6rung des Brusttheils ge\u00e4ndert ist; sowie man aber den Ursprung der Nn. phrenic! erreicht hat, so h\u00f6rt jede eigentliche Athem-bewegung auf, und nur die Muskeln der Glottis, des Mauls und der\n1 Bernard, Arch. g\u00e9n. de m\u00e9d. (4) IV. p. 404. 1844.\n, 2 Flourens, Recherches exp\u00e9rimentales sur les propri\u00e9t\u00e9s et les fonctions du syst\u00e8me nerveux. 2. \u00e9d. p. 173. Paris 1842.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV a.\n16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242 Rosenthal. Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nNase fahren fort zu wirken; da sie aber keine Lufterneuerung' bewirken k\u00f6nnen, so stirbt das Thier in k\u00fcrzester Zeit.\nBei V\u00f6geln, welche nur durch Rippenbewegung athmen, tritt der Tod ein, sobald das R\u00fcckenmark in seinem Brusttheil zerst\u00f6rt ist; bei Fr\u00f6schen h\u00f6ren die Athembewegungen auf, wenn der Ursprung der Zungenschlundnerven erreicht ist,1\nIch bin in diesem Bericht der Darstellung von Flourens gefolgt, weil sie alle Thatsachen systematisch zusammenfasst. Es muss jedoch angemerkt werden, dass diese Thatsachen selbst s\u00e4mmtlich von Le G-allois gefunden und mitgetheilt waren, auf dessen Entdeckungen wir sp\u00e4ter zur\u00fcckkommen werden.2 Vor Le Gallois hatte Lorry3 angegeben, dass Zerst\u00f6rung des R\u00fcckenmarks zwischen zweitem und drittem Halswirbel sofortigen Tod mit Aufh\u00f6ren des Pulses und der Respiration bewirkt. Aber das wusste im Wesentlichen schon Galen4, bei dem es heisst: \u201eAtqui perspicuum est quod, si post secundam aut primam vertebram, aut in ipso spinalis medullae principio, sectionem ducas, repente animal corrumpitur. \u201c\nSehen wir vorl\u00e4ufig von den Bewegungen der Nase, des Mauls u. s. w. ab, so k\u00f6nnen wir also sagen, dass bei S\u00e4ugetliieren alle Athembewegungen aufh\u00f6ren, wenn das Halsmark in der H\u00f6he des vierten Halswirbels durchschnitten wird. Da S\u00e4ugethiere ohne fortw\u00e4hrende L\u00fcftung ihrer Lungen nicht genug Sauerstoff aufnehmen k\u00f6nnen, um ihr Nervensystem in leistungsf\u00e4higem Zustand zu erhalten, so hat jene Operation deshalb baldigen Tod zur Folge. Die Tkiere sterben jedoch nicht, wenn das R\u00fcckenmark unterhalb des sechsten Halswirbels durchschnitten wird, weil dann das regelm\u00e4ssige Spiel des Zwerchfells fortdauert und dieses, auch ohne die Mitwirkung der Rippenheber eine ausreichende Sauerstoffzufuhr vermittelt. Was sonst noch f\u00fcr Wirkungen durch diese Verletzung erfolgen, z. B. die Abk\u00fchlung des Thiers durch vermehrten W\u00e4rmeverlust, wird an anderer Stelle er\u00f6rtert werden.\nAus diesen Versuchen ersehen wir, welchen Verlauf die moto-\n1\tFlourens sagt: ..Je d\u00e9truisis, sur plusieurs grenouilles, toute la moelle dorsale, sans troubler manifestement la respiration\" (a. a. O. p. 174).. Es ist das aber nur f\u00fcr die Bewegungen der Kehle und der Nasenklappen richtig; denn die Contraction der Bauchmuskeln, welche die Ausathmung bewirkt, ist in diesem Falle aufgehoben.\n2\tYgl. Rapport fait \u00e0 la classe des sciences physiques et math\u00e9matiques de l\u2019institut imp\u00e9rial de france, abgedruckt in den Exp\u00e9riences sur le principe de la vie. Der Bericht, verfasst von Humboldt, Hall\u00e9 und Percy, wurde vorgelegt am 9. September 1811.\n3\tLorry, Acad, des sciences, m\u00e9m. des savants \u00e9trangers. III. p. 366 u. 367.\n4\tDas Cit\u00e2t ist von Flourens in der Uebersetzung der Juntes\u2019schen Ausgabe mitgetheilt.","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innervation d. Athmungsapparats. Die Nerven d. Athemapparats. 243\nrischen Bahnen nehmen, durch welche den Athemmuskeln die Erregungen zugeleitet werden. In welchen Nerventheilen und auf welche Weise diese Erregungen ihren Ursprung nehmen, wird weiter unten auseinandergesetzt werden. Es gibt aber noch andere Beziehungen dieser Centra, welche theils durch motorische, theils durch sensible Nerven vermittelt werden. Ueber letztere wird gleichfalls noch ausf\u00fchrlich zu sprechen sein. Beide Arten von Beziehungen aber kn\u00fcpfen vorzugsweise an den N. vagus an, welcher zwar, was seine motorischen Functionen anlangt, nicht die gleiche Wichtigkeit hat wie etwa der N. phrenicus, da er nur Muskeln innervirt, welche in dem Athemact eine secund\u00e4re Rolle spielen, welcher aber durch seine sensiblen Fasern in desto innigerer Beziehung zu den Athem-bewegung,en steht. Denn wir k\u00f6nnen wohl sagen, dass die Vagusfasern in gr\u00f6sserem Maasse auf die Athmung einzuwirken im Stande sind als alle anderen sensiblen Nerven des K\u00f6rpers zusammengenommen. Und darum kann es auch nicht wunderbar erscheinen, dass gerade die Stelle der Medulla oblongata, deren Verletzung sofort alle Athembewegungen aufhebt, der Ursprungsstelle der Nn. vagi entspricht.\nUeber die Frage, ob der N. vagus motorische Fasern f\u00fcr die glatte Musculatur der Lunge enthalte, sind bis in die neueste Zeit widersprechende Angaben gemacht worden. Longet 1 sah bei galvanischer Vagusreizung Contractionen der Luftr\u00f6hren\u00e4ste; Volkmann'1 2 sah Lungencontraction bei Vagusreizung auch nach Er\u00f6ffnung des Thorax. Andere, z. B. Donders, Wintrich und ich selbst, konnten sich nicht davon \u00fcberzeugen. Rugenberg3 machte auf die Fehlerquelle aufmerksam, welche durch die Contraction des Oesophagus entstehen kann. Trotz dieser negativen Ergebnisse haben sich doch die positiven Angaben so geh\u00e4uft, dass wohl an der Thatsache selbst nicht mehr gezweifelt werden kann. Verbindet man mit der Trachea luftdicht ein Manometer, er\u00f6ffnet dann beide Pleurah\u00f6hlen und reizt, nachdem das Manometer sich entsprechend dem elastischen Druck der Lungen eingestellt hat, die Vagi oder auch direct die Lungen, so sieht man ein Steigen des Manometers. Bert4, welcher das Manometer durch die MAREv\u2019sche Schreibkapsel ersetzte, hat gleichfalls positive Erfolge erzielt. In gleicher Weise haben sich f\u00fcr die Wir-\n1\tLonget, Arch. g\u00e9n. XY. p. 234. 1S42 u. Anat. u. Physiol, d. Nervensystems, \u00fcbers, v. Hein. II. S. 247.\n2\tYolkmann. YTagner\u2019s Handw\u00f6rterb. IL S. 5S6.\n3\tRugenberg, Studien des physiol. Instituts zu Breslau. 2. Heft. S. 47. 1863.\n4\tBert, Le\u00e7ons sur la respiration, p. 376.\n16*","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244 Rosenthal. Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nkung des Vagus ausgesprochen ausser Bert noch Schiff1, L. Ger-lach2 u. A. Gerlach vermuthet, dass es sich dabei weniger um die Alveolen handle, deren Musculatur ja noch zweifelhaft sei, als um eine Verengerung der kleineren Bronchien; die Trachea suchte er ganz auszuschalten, indem er die Can\u00e4le bis zur Bifurcation vorschob. Diesen Bronchialkrampf hat Mac Gillavry3 direct nachzuweisen unternommen; indem er aus einer Druckflasche mit Manometer Luft in die Trachea ein- und durch viele Nadelstiche in der Oberfl\u00e4che der Lunge ausstr\u00f6men liess, sah er bei Vagusreizung das Manometer um 52 mm Wasser steigen, was eine Widerstandsvermehrung durch Verengerung der Luftkan\u00e4lchen beweist. Welche Rolle diese motorischen Vagusfasern bei dem Athemmechanismus spielen, ist jedoch vollkommen unbekannt.\nUeber die sonstigen Beziehungen des Vagus zu den Athembewegungen habe ich nur noch wenig hinzuzuf\u00fcgen. Motorische Fasern gibt der Vagus zu s\u00e4mmtlichen Muskeln des Kehlkopfs und zwar wird der M. cricotkyreoideus vom \u00e4usseren Ast des N. laryn-geus superior, die gesummte \u00fcbrige Kehlkopfmusculatur vom N. recurrens versorgt. Sensible Fasern erh\u00e4lt der Athmungsapparat vom Vagus in seiner ganzen Ausdehnung vom Kehlkopf bis zu den Alveolen. Inwieweit sich in alle diese Functionen Vagusfasern und Accessoriusfasern theilen, ist an einer anderen Stelle dieses Handbuches er\u00f6rtert.\nII. Das Atlimungscentrum.\nNachdem Le Gallois nachgewiesen hatte, dass die Abtrennung des R\u00fcckenmarks von der Medulla oblongata alle Athembewegungen des Rumpfes aufhebt, dagegen die des Mauls bestehen l\u00e4sst, zeigte er umgekehrt, dass die letzteren aufh\u00f6ren, wenn man die Medulla oblongata von den vor ihr gelegenen Hirntheilen abtrennt, dass aber alle Athembewegungen mit einem Schlage aufh\u00f6ren, sobald die Medulla oblongata selbst zerst\u00f6rt wird. Aber nicht die ganze Medulla oblongata, sondern nur \u201eein begrenzter Theil derselben, welcher in geringer Entfernung vom Hinterhauptsloch gelegen ist, in der Gegend des Ursprungs der achten Hirnnerven (N. vagus)\u201c4. Daraus folgert er denn, dass an dieser Stelle das \u201eFrincijt\u201c, oder wie wir heute sagen, das \u201eCentrum\u201c der Athembewegungen gelegen sei, und dass\n1\tSchiff. Arch. f. d. ges. Physiol. IY. S. 225.\n2\tL. Gerlach, Ebenda. Xlli. S. 491. 1876.\n3\tMac Gillavry, Nederl. Tijdschrift van Geneeskunde. 1876.\n4\tLe Gallois a. a. O. p. 37. 297 ff. und an anderen Stellen des Werks.","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innervation cl. Athmungsapparats. Das Athmungscentrum.\t245\ndie Verletzungen anderer Theile, wie wir sie S. 241 beschrieben haben, nur insofern auf die Athembewegungen einwirke, als durch sie die Leitung von jener Centralstelle zu den einzelnen Nerven unterbrochen werde.1 Auch an Fr\u00f6schen zeigt er dasselbe.'2 So sehr er auch die Selbstst\u00e4ndigkeit des R\u00fcckenmarks, ja seiner einzelnen Theile betont, deren Wichtigkeit f\u00fcr das Zustandekommen von Empfindung und Bewegung, und dessen Einfluss auf das Herz zu beweisen der Zweck des ganzen Buches ist, immer wieder kommt er darauf zur\u00fcck, dass nur an jener Stelle des verl\u00e4ngerten Marks das \u201ePrincip\u201c der Athembewegungen sitze, und dass sie unwiederbringlich verloren sind, sobald jene Stelle verletzt ist.\nFlourens3 wiederholte die Versuche von Le Gallois und sucht jenen Punkt der Medulla oblongata noch genauer zu bestimmen. Er betont die enge Begrenzung der Stelle, welche er als \u201ePunkt\u201c bezeichnet. Etwas Neues bringt er eigentlich nicht bei, so sehr er sich auch M\u00fche gibt, sich an Le Gallois\u2019 Platz zu dr\u00e4ngen. Er f\u00fchrt den Namen \u201e coordinate Bewegungen\u201c ein f\u00fcr solche, die aus dem Zusammenwirken mehrerer einzelner Bewegungen entstehen. Solche coordinirte Bewegungen seien die Athembewegungen, und die bezeichnete Stelle der Medulla oblongata sei der Ort, wo diese Coordination der Athembewegungen zu Stande komme, wie die Coordination der Ortsbewegung im Kleinhirn. Dieselbe wirke \u00e4hnlich f\u00fcr die Bewegungen des Schreiens, G\u00e4hnens, Erbrechens, der De-f\u00e4cation u. s. w. Aber sie sei nicht blos Coordinations-, sondern auch Productionscentrum f\u00fcr die Athembewegungen. Da endlich auch das Grosshirn und Kleinhirn mit dem R\u00fcckenmark nur durch die Medulla oblongata Zusammenh\u00e4ngen, so nennt er diese \u201eden wahren Centralpunkt, das gemeinsame Band, den Knoten, welcher alle Theile des Nervensystems unter einander verkn\u00fcpft. \u201c4 In seinen sp\u00e4teren Publicationen5 erst bestimmt er diesen Punkt noch genauer als eine stecknadelkopfgrosse Stelle in der grauen Substanz an der Spitze des Calamus scriptorius und f\u00fchrt daf\u00fcr den Namen \u201eNoeud oder Point vital \u201c6 ein, gibt aber zuletzt wieder zu, dass die Stelle eine etwas gr\u00f6ssere Ausdehnung habe und verlegt sie in die Mitte\n1\ta. a.O. S. 138. 297. 314.\n2\ta. a. O. S. 303.\n3\tFlourens, Recherches exp\u00e9riment. sur les propri\u00e9t\u00e9s et fonctions du syst\u00e8me nerveux. 2. \u00e9d. p. 172. Paris 1842.\n4\ta. a. O. S. 195.\n5\tCompt. rend. XXXIII. p. 437. 1851 , XLVII. p. 803, XLVIII. p. 1136. 1859, LIV. p. 314. 1862.\n6\tDer Ausdruck ..point central et vital\" findet sich in der Vorrede zur zweiten Ausgabe von 1842. S. XII, nicht aber im Text.","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nder Alae cinereae. F\u00fcr die Batrachier und Fische aber liegt sie nach Flourens im vordersten Theile der Med. oblongata, unmittelbar hinter dem kleinen Gehirn. Widerspruch erfuhr das Athemcen-trurn, wie wir es kurz nennen wollen, von Brown-S\u00e9quard, der den pl\u00f6tzlichen Tod nach Verletzung jener Stellen als Folge einer Reizung ansah, welche die Vagusurspr\u00fcnge treffe und dadurch pl\u00f6tzlichen Herzstillstand oder Athmungsstillstand hervorrufe. Volkmann, Longet und Schiff dagegen erkannten die Existenz eines Athmungs-centrums an und bestimmten nur dessen Lage anders. Namentlich betonen alle drei, dass es ein paariges Organ sei, dass man die Medulla oblongata in der Mittellinie durch einen L\u00e4ngsschnitt spalten k\u00f6nne, ohne die Athembewegungen aufzuheben und Schiff fand, dass die Leitung von diesem etwas hinter der Austrittsstelle der Vagusurspr\u00fcnge gelegenen Organe jederseits getrennt durch die Seitenstr\u00e4nge zum R\u00fcckenmark gelange, so dass einseitige Durchschneidung der Seitenstr\u00e4nge auch nur auf derselben Seite die Athembewegungen aufhebe, w\u00e4hrend nach Brown-S\u00e9quard im Gegentheil nach dieser Operation die Athembewegungen der operirten Seite st\u00e4rker werden.1\nSpaltet man die Medulla oblongata in der Mittellinie, so bleiben die Athembewegungen auf beiden Seiten \u00fcbereinstimmend. Diese Uebereinstimmung geht aber nach Langendorff'2 3 verloren, sobald man einen oder beide Vagi durchschneidet oder reizt. Die sp\u00e4ter n\u00e4her zu er\u00f6rternden Wirkungen der Vagi auf die Athembewegungen erfolgen dann nur einseitig. Einseitige Reizung der Trigeminusfasern an der Nase wirkt trotz des L\u00e4ngsschnitts der Medulla auf beide Athmungsseiten, nach der Durchschneidung des Vagus (eines oder beider?) aber nur auf die gleiche Seite.\nIn neuester Zeit hat Gierke 3 unter Heidenhain\u2019s Leitung die Frage nochmals sorgf\u00e4ltig untersucht, indem er die am lebenden Thier angebrachten Verletzungen durch genaue mikroskopische Untersuchung der erh\u00e4rteten und gef\u00e4rbten Pr\u00e4parate erg\u00e4nzte. Als wesentliche Stelle, deren beiderseitige Verletzung die Athembewegungen sofort vollkommen vernichtet, deren einseitige Verletzung sie vor\u00fcbergehend unterdr\u00fcckt, dauernd aber nur auf der Seite der Ope-\n1\tBrown-S\u00e9quard, Journ. d. physiol. 1858. p. 217 ; Arch. d. physiol. II. p. 299. 1869. \u2014 Volkmann, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. I. S. 591. \u2014 Longet, Arch. g\u00e9n. d. m\u00e9d. XIII. p. 377. 1847 ; Trait\u00e9 d. physiol. 3. \u00e9d. 1869; Anat. u. Physiol, d. Nervensystems. Uebers. v. Hein. I. S. 324. 1847. \u2014 Schiff, Lehrb. d. Physiol. 1. Th. S. 322. 1858\u201459 ; Arch. f. Anat. u. Physiol. III. S. 624; La nazione. 1872. No. 102.\n2\tLangendorff, Centralbl. f. d. med.Wiss. 1879. S. 912. Nr. 51; Arch. f. Physiol. 1881 S 78\n3\tGierke, Arch. f. Anat. u. Physiol. VII. S. 583. 1873.","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innervation d. Athmnngsapparats. Das Athmungscentrum.\t247\nration, fand er die Gegend des Endes des Calamus scriptorius. Hier liegt, nach aussen vom Accessoriuskern und unter dem Kern der hinteren Pyramide ein l\u00e4ngsverlaufendes Nervenb\u00fcndel, welches etwa 1 mm vor der Spitze des Calamus der Furche zwischen Ala cinerea und der von dieser ausw\u00e4rtsliegenden grauen Substanz ziemlich nahe tritt. Nach innen von ihm, doch etwas tiefer, liegt hier der Vaguskern. Von dem B\u00fcndel ziehen Fasern zur Raphe, durch welche eine Verbindung mit dem der anderen Seite hergestellt wird, andere Fasern gehen transversal nach aussen, welche das Stratum zonale durchbrechen und sich mit den Fasern vom Vagus- und Glossopharyngeuskern mischen. Nach hinten l\u00e4sst sich jenes L\u00e4ngsb\u00fcndel bis ins R\u00fcckenmark verfolgen, wo es dann seine scharfe Begrenzung. verliert und sich in das Netzwerk zwischen Ober- und Unterhorn verliert. Beziehungen dieses Faserb\u00fcndels zu Ganglienzellen sind wohl vorhanden, aber nicht deutlich anatomisch nachweisbar. Experimentell gelang es nicht, durch Verletzung solcher Gangliengruppen die Athmung zu beeinflussen.\nWenn wir nun als \u201e Athmungscentrum \u201c eine Stelle des Nervensystems bezeichnen, deren Verletzung alle Athembewegungen aufhebt, so w\u00e4re also dieses GiERKE\u2019sche Nervenb\u00fcndel das Athem-centrum. Aber das ist doch offenbar sehr wenig befriedigend. Denn nach allem, was wir sonst in der Nervenphysiologie f\u00fcr wahr halten, k\u00f6nnen Nervenfasern wohl eine Erregung leiten oder durch \u00e4ussere Reize erregt werden ; eine selbstst\u00e4ndige Entstehung von Erregungen aber finden wir sonst nur in Ganglienzellen. Es w\u00e4re daher immer noch die Frage, ob jene Fasern nicht doch nur Leitungsbahnen sind f\u00fcr ein Centrum, welches noch zu suchen w\u00e4re. Vor dem Ende des Calamus scriptorius kann es nicht liegen, denn Durchschneidung der ganzen Medulla oblongata in dieser Gegend hebt nur die Athembewegungen des Kopfes, nicht aber die des Rumpfes auf. Schnitte hinter der betreffenden Stelle unterbrechen sicher die Leitung zu den Rumpfmuskeln. Also w\u00e4re nur eine Zerst\u00f6rung bestimmter Theile an jener beschr\u00e4nkten Stelle mit Schonung der GiERKE\u2019schen L\u00e4ngsb\u00fcndel im Stande, den etwaigen Sitz jenes Centrums zu treffen. Solche Versuche haben Gierke zu keinem Resultat gef\u00fchrt. Daraus folgt aber nichts Entscheidendes. Denn an dieser Stelle sind so viele Ganglien, und viele von ihnen stehen sicher mit jenen Gierke -schen B\u00fcndeln in Verbindung, dass ein einzelner Querschnitt immer nur wenige trifft und man sehr wenig Wahrscheinlichkeit hat, die Mehrzahl derselben zu treffen, ohne zugleich das Faserb\u00fcndel zu verletzen.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nWir m\u00fcssen daher feststellen, dass die anatomische Lage des Athemcentrnms noch nicht gefunden ist. Es ist sogar fraglich, ob dasselbe eine so bestimmte Lage innerhalb eines engbegrenzten Bezirkes habe, dass die Verletzung einer kleinen Stelle das ganze Centrum zerst\u00f6ren kann. Wir haben dies angenommen auf Grund der Versuche von Le Gallois, Flourens, Schiff u. A. Nun aber Gierke gezeigt hat, dass jene Stelle Nervenfasern und keine Zellen f\u00fchrt, wird die Deutung der Versuche unsicher. Doch muss vom physiologischen Standpunkt aus immer noch an der Annahme eines solchen Centrums festgehalten werden, so lange nicht auf andere Weise die M\u00f6glichkeit des Zustandekommens der Erregungen auch ohne Ganglienzellen wahrscheinlich gemacht werden kann. Ein solches Centrum w\u00fcrde eine physiologische Einheit sein, auch wenn es anatomisch \u00fcber die ganze L\u00e4nge des Centralnervensystems zerstreut w\u00e4re. Und in der That sind Beobachtungen gemacht worden, welche in diesem Sinne gedeutet werden.\nZun\u00e4chst fand P. Rokitansky1, dass junge Kaninchen, deren R\u00fcckenmark von der Medulla oblongata abgetrennt ist, wenn sie (bei unterhaltener k\u00fcnstlicher Athmung) mit Strychnin vergiftet werden, in den dann ausbrechenden Kr\u00e4mpfen auch wahre Athembewegungen machten. Er sah ferner, dass auch bei erhaltener Verbindung der Medulla oblongata mit dem R\u00fcckenmark aber Abtrennung derselben vom Pons die Athmung mangelhaft wurde und die Thiere bald starben; wenn man aber Strychnin einspritzt, werden die Athembewegungen kr\u00e4ftig. Er erkl\u00e4rt dies so, dass durch die Abtrennung vom Gehirn die Erregbarkeit des Athemcentrums in der Medulla oblongata sehr herabgesetzt, durch das Strychnin aber wieder erh\u00f6ht werde. Wenn dem so ist, dann folgt aber aus dem ersten Versuche, dass man auch im R\u00fcckenmark noch solche Cen-tren anzunehmen habe. Diese Centra bed\u00fcrfen eben, um .ihre volle Leistungsf\u00e4higkeit zu bewahren, der Verbindung mit dem Gehirn; ist diese getrennt, so kann man sie durch Strychnin theilweise ersetzen.\nZu \u00e4hnlichen Anschauungen gelangt auch Schroff'2; wenn er Hunde und Kaninchen nach Abtrennung des R\u00fcckenmarks vom Gehirn unter Anwendung k\u00fcnstlicher Athmung in einem W\u00e4rmekasten von 33\u201435 0 bewahrte, sah er beim Aussetzen der k\u00fcnstlichen Athmung zuweilen einige deutliche Athembewegungen, die aber nicht ausreichen, das Leben zu unterhalten. Das Erw\u00e4rmen des Thieres\n1\tRokitansky, Wiener med. Jahrb. 1874. S. 30.\n2\tC. v. Schroef jun., Ebenda. 1875. S. 319.","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innervation cl. Athmungsapparats. Das Athmungscentrum. 249\nspielt liier die Rolle wie das Strychnin in den Versuchen von Rokitansky. Es soll die gesunkene Erregbarkeit des R\u00fcckenmarks wieder auf den normalen Grad bringen.\nWesentlich vollkommenere Erfolge als diese beiden Forscher erzielten Langendorff und Nitschmann. 1 Bei jungen Thieren, wom\u00f6glich neugeborenen, wird das R\u00fcckenmark durchschnitten, k\u00fcnstliche Athmung eingeleitet. Setzt man nun diese aus, so kann man durch Anblasen der Haut, leichtes Streichen der Analgegend, Kneifen der Haut an Pfoten oder Schwanz, Reizung des N. ischiadicus mit Inductionsstr\u00f6men u. s. w. reflectorisch ganz normale Athembewegun-gen ausl\u00f6sen. Geringe Strychninvergiftung erleichtert das Auftreten dieser Reflexe. Im Anf\u00e4nge der Athmungssuspension, wenn das Thier reichlich .Sauerstoff zugef\u00fchrt erhalten hat, sind die sensiblen Reize unwirksam; dann folgen nur active Inspirationen mit passiven Exspirationen, zuletzt auch active Exspirationen. Die Erregbarkeit der spinalen Athmungscentra steigt also mit der Abnahme des Sauerstoffgehalts des Blutes, wie dies nach meinen Untersuchungen von der Reflexerregbarkeit des R\u00fcckenmarks \u00fcberhaupt und von der Th\u00e4tigkeit des Athemcentrums im Allgemeinen gilt.1 2 Aber auch selbstst\u00e4ndige Athmungen, ohne \u00e4usseren Reflexreiz, wurden beobachtet, besonders an ganz jungen K\u00e4tzchen, namentlich nach ganz geringen Strychningaben (0,0005\u20140,001 grm in die Bauchh\u00f6hle in-jicirt). Man erh\u00e4lt so bei Aussetzen der k\u00fcnstlichen Athmung ganze Reihen von Athembewegungen, welche allm\u00e4hlich schw\u00e4cher werden, aber durch erneute k\u00fcnstliche Athmung wieder hervorgerufen werden k\u00f6nnen. Auch an vollkommen enthaupteten Thieren kann man dieselben Erscheinungen hervorbringen, wodurch zugleich die M\u00f6glichkeit, dass es sich um Reizungen handle, welche vom Gehirn durch Nervenanastomosen zugeleitet w\u00fcrden und so zu den betreffenden Muskeln gelangen, ausgeschlossen wird.\nM\u00fcssen wir nun nach diesen Thatsachen der Medulla oblongata ganz die Bedeutung als Sitz des Athemcentrums absprechen? Ich glaube, dass dies nicht gerechtfertigt w\u00e4re. Soviel wir wissen, enden alle motorischen Nerven, welche aus dem R\u00fcckenmark entspringen, zun\u00e4chst in diesem und zwar wahrscheinlich in den Ganglien der Vorderh\u00f6rner. Sie haben hier, wenn ich so sagen darf, ein Centrum erster Ordnung. Sie stehen mittels desselben mit sensiblen Fasern\n1\tLangendorff, Arch. f. Physiol. 1880. S. 518.\n2\tVgl. Rosenthal, Compt. rend. LXIV. p. 1142. 1867 ; Leube, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1867. S. 629; Rosenthal, Athembewegungen. S. 157 u. 239 ; Arch. f. Anat. u. Physiol. 1864. S. 456; Kronecker u. Markwald, Arch. f. Physiol. 1879. S. 593.","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nin Verbindung und k\u00f6nnen so, auch nach der Abtrennung vom Gehirn, reflectorisch erregt werden. Auch k\u00fcnstliche Reizung kann hier einwirken und vielleicht geh\u00f6rt zu diesen auch eine gewisse Beschaffenheit des Blutes, namentlich ein geringer Sauerstoffgehalt, wenn es sich best\u00e4tigt, dass durch diesen Umstand auch am abgetrennten R\u00fcckenmark Kr\u00e4mpfe erzeugt werden. Aber alle diese Nerven bleiben doch in der Recjel unerregt, wenn sie vom Gehirn abgetrennt sind, empfangen im normalen Leben vom Gehirn die Impulse, die zu Bewegungen f\u00fchren. Ausnahmen hiervon kommen vor; es gibt einzelne selbstst\u00e4ndige Centra im R\u00fcckenmark. Aber auf diese schliessen wir deshalb, weil die von ihnen abh\u00e4ngigen Bewegungen unver\u00e4ndert bestehen bleiben, wenn wir das R\u00fcckenmark vom Gehirn abtrennen, dagegen verschwinden, wenn man die betreffende Stelle des R\u00fcckenmarks zerst\u00f6rt. So liegt aber die Sache f\u00fcr die Athembewegungen bis jetzt noch nicht. Die zu den Athern-muskeln gehenden Nerven k\u00f6nnen von ihrem Centrum erster Ordnung aus ebenso wie andere R\u00fcckenmarksnerven reflectorisch erregt werden; es treten auch einzelne Erregungen aus unbekannter Ursache auf, aber ihre normale, regelm\u00e4ssige Erregung empfangen sie doch aus dem Gehirn, und wenn dieses entfernt ist, so kommen regelm\u00e4ssige Athembewegungen nicht mehr vor. Wenn nun im Gehirn, an dem bezeichneten Ort der Medulla oblongata, eine besonders hervorragende Stelle sich findet, deren Fortnahme die sonst so regelm\u00e4ssige Folge der Athembewegungen unterbricht, dann m\u00fcssen wir wohl noch bis auf Weiteres diese Stelle als das eigentliche Athemcentrum gelten lassen und k\u00f6nnen h\u00f6chstens zugeben, dass auch ausserdem im Halstheil des R\u00fcckenmarks einzelne Stellen vorhanden seien mit \u00e4hnlichen Eigenschaften wie jenes Athemcentrum, gleichsam einzelne versprengte Theile des Centrums, aber wir k\u00f6nnen es nicht ganz aus dem verl\u00e4ngerten Mark fort und in das R\u00fcckenmark verweisen.\nIch kann daher auch Langendorff\u2019s Ansicht nicht als begr\u00fcndet gelten lassen, dass die Wirkung der Abtrennung des R\u00fcckenmarks vom Gehirn auf einer Hemmung der spinalen Centra beruhe und dass die Medulla oblongata eigentlich nur ein regulirendes Organ sei.\nNach Christiani1 gibt es am Boden des dritten Ventrikels im Innern der Thalami optici und nahe den Vierh\u00fcgeln ein Centrum, dessen mechanische, chemische oder thermische Reizung Stillstand in Inspiration oder inspiratorisch vertiefte und beschleunigte Ath-\n1 Christiani, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1880. Nr. 15. S. 273.","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innerv. cl. Athmimgsappar. Beziehungen d. peripherischen Nerven. 251\nmiirtg bewirkt. Es ist dies das Centrum der von Christiani gefundenen Einwirkungen der Sinnesnerven auf die Athmung (wor\u00fcber sp\u00e4ter mehr) und wirkt seinerseits nicht selbstst\u00e4ndig, sondern erst durch Vermittelung des eigentlichen Athemcentrums der Medulla. Aehnliche Beobachtungen hat Filehne1 2 mitgetheilt. Er sah bei mechanischer Reizung der tiefer gelegenen Theile der Vierh\u00fcgel (nach vorheriger Abtragung des Grosshirns und Durchschneidung beider Vagi) eine betr\u00e4chtliche und langanhaltende Beschleunigung der Athmung zugleich mit den motorischen Reizerscheinungen, welche die Ber\u00fchrung jener Theile bewirkt. Die Abtragung der Grosshirnhemisph\u00e4ren hatte eine kurzdauernde geringe Frequenz Vermehrung zur Folge. Morphineinspritzung (0,01 bis 0,02 in die Venen) hob jene Frequenzsteigerung bei Reizung des Mittelhirns wieder auf.\nDurch elektrische Reizung der Medulla konnten Kronecker und Markwald 2 Inspirationen anregen, welche sich zu den vorhandenen hinzugesellen und namentlich dann deutlich sind, wenn die theil-weise Verst\u00fcmmelung des Athmungscentrums sehr lange Athempausen veranlasst. In Intervallen von einigen Secunden erfolgende einzelne Inductionsstr\u00f6me gewinnen an Effect im Vergleich zum ersten Strom. Wird das Blut mit Sauerstoff ges\u00e4ttigt, so wird die elektrische Reizung der Medulla unwirksam.\nIII. Beziehungen des Athmiingscentriuns zu peripherischen\nNerven.\nEs gibt fast keinen sensiblen Nerven des ganzen K\u00f6rpers, durch den nicht unter Umst\u00e4nden auf den Athmungsapparat eingewirkt werden kann. Schmerzhafte Eindr\u00fccke auf irgend einen Theil der K\u00f6rperoberfl\u00e4che beschleunigen zuweilen die Athmung, in anderen F\u00e4llen unterbrechen sie sie. M\u00e4ssige Eindr\u00fccke, wie Anblasen der Haut, Ber\u00fchrung mit kaltem Wasser u. dgl., sind gleichfalls im Stande, auf die Athembewegungen einzuwirken. Vor allen aber sind es die Ausbreitungsbezirke des Trigeminus, Glossopkaryngeus und Vagus, deren Reizung sehr erhebliche Ver\u00e4nderungen in dem normalen Ablauf der Athembewegungen hervorbringen.\nEs fehlt noch an einer systematischen Untersuchung dieser Wirkungen, soweit sie von den Hautnerven ausgehen. Soweit das Sen-sorium durch sie mit in Erregung ger\u00e4th, sind die Folgen dieser Reizungen unbest\u00e4ndig und schwankend. An narkotisirten Thieren sind\n1\tFilehxe, Arch. f. exper. Pathol, u. Pharmakol. XI. S. 55. 1879.\n2\tKronecker u. Markwald, Arch. f. Physiol. 1879. S. 593.","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nnur wenige gelegentliche Beobachtungen angestellt. Sehr lehrreich w\u00fcrden auch Versuche an schlafenden Menschen sein.\nNach Schiff1 bewirkt schwache Reizung aller sensiblen Nerven Verlangsamung der Athmung und selbst vor\u00fcbergehenden Stillstand in Exspiration. Durch elektrische Reizung des N. cruralis erhielt ich2 3 bei nicht narkotisirten Thieren Schreien mit abwechselnden starken In- und Exspirationen, bei narkotisirten keinen merklichen Einfluss auf die Respiration. Nach Langendorff 3 sollen alle sensiblen Nerven bei schwacher Reizung inspiratorische, bei starker Reizung exspiratorische Wirkungen aus\u00fcben. An tief narkotisirten Thieren, sowie nach Gehirnexstirpation sah er n\u00e4mlich bei schwacher mechanischer Reizung anfangs oft Beschleunigung, h\u00e4ufiger leichten Inspirationstetanus, bei l\u00e4ngerer Dauer oder bei Verst\u00e4rkung des Reizes dagegen Verlangsamung.\nDass besonders leicht von der Haut des Bauches und der Brust auf die Athmung eingewirkt werden kann, scheint aus dem Umstand hervorzugehen, dass bei Ber\u00fchrung derselben mit kaltem Wasser sehr heftige und tiefe Inspirationen erfolgen. In eigenth\u00fcmlicher Weise macht sich dieser Einfluss geltend beim Ertrinkungstode. Taucht man ein Kaninchen unter Wasser, so sieht man, dass die Athmung sofort stillsteht; erst nach l\u00e4ngerer Zeit beginnt sie, wie man aus dem Aufsteigen von Blasen erkennt. F. Falk4 hat dieses Verhalten auf meine Veranlassung weiter untersucht. Wenn man eine Tracheal-cantile einlegt und an dieser einen Gummischlauch befestigt, so dass die Athmung auch beim Untertauchen des Thiers unbehindert bleibt, so sieht man, sobald die Haut der Brust oder des Bauches benetzt wird, sofort Stillstand der Athmung, welcher bis zu f\u00fcnf Minuten andauern kann. Wiederholt man den Versuch mehrmals mit demselben Thier, dann wird der Erfolg unsicher. Zuweilen kehrt die Athmung gar nicht wieder und das Thier stirbt comat\u00f6s. Die Glottis ist w\u00e4hrend des Stillstands krampfhaft geschlossen. Die Erscheinungen sind ganz dieselben an narkotisirten Thieren wie an nichtnarkotisirten. Dass nicht die Abk\u00fchlung allein die Ursache aller dieser Erscheinungen sein kann, geht daraus hervor, dass auch Wasser von der Temperatur des Blutes auf dieselbe Weise wirkt.\n1\tSchiff, Molesch. Unters. VIII. S. 313.\n2\tRosenthal, Bemerkungen \u00fcber die Th\u00e4tigkeiten der automatischen Nerven-centra. S. 47 ff.\n3\tLangendorff in v. Wittich\u2019s Mittheil. a. d. K\u00f6nigsberger physiol. Laboratorium. 1878. S. 33.\n4\tFalk, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1869. S. 236. Vgl. a. Derselbe, Arch. f. pathol. Anat. XLVII. S. 39. 256.","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innerv. d. Athmungsappar. Beziehungen d. peripherischen Nerven. 253\nDie Wirkung der sensiblen Fasern des Kopfes, besonders der Nase, werden wir noch besonders besprechen. Von allen Nervenfasern aber wirken am auffallendsten die im Vagus enthaltenen, und diesen m\u00fcssen wir deshalb eine besondere Auseinandersetzung widmen.\nDass die Durchschneidung beider Vagi am Halse die Athmung sehr erheblich ver\u00e4ndert, ist seit lange bekannt, Wir m\u00fcssen dabei unterscheiden 1. die L\u00e4hmung der motorischen Fasern f\u00fcr Kehlkopf, Trachea und Lungen, welche indirect auch die Athembewegungen beeinflussen, und 2. die durch den Ausfall gewisser, von den Lungen ausgehender Erregungen bedingten Erscheinungen, von denen hier haupts\u00e4chlich die Rede sein soll. Die indirecte Wirkung der Vagusdurchschneidung, welche zur Entz\u00fcndung der Lunge f\u00fchrt, ist schon Bd. II, Theil 1, S. 261 behandelt.\nLe Gallois1 ist meines Wissens der Erste, welcher die Folgen der Vagusdurchschneidung sorgf\u00e4ltig beschreibt, Nachdem er die lange Liste derer, welche vor ihm den Gegenstand behandelt haben, und welche schon mit Rufus von Ephesus (Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr.) und Galen beginnt, aufgez\u00e4hlt2 und nachgewiesen hat, welchen Antheil an den Erscheinungen die L\u00e4hmung der Stimmb\u00e4nder, besonders an jungen Thieren, an den Erscheinungen hat, und wie man diesen Antheil durch die Tracheotomie ausschalten kann, beschreibt er die Folgen der Vagotomie folgendermaassen3 : \u201eAlso, die Athmung ist tief und selten; und in dem Maasse, als sie m\u00fchsamer wird, kommen alle inspiratorischen Kr\u00e4fte ins Spiel. Das Thier h\u00e4lt sich still (insbesondere die Kaninchen und Meerschweinchen) und scheint nur darauf bedacht zu sein, so viel Luft als m\u00f6glich in seine Lungen einzuf\u00fchren.\u201c Er sagt dann, dass diese Ver\u00e4nderung nicht die Ursache des Todes sein k\u00f6nne, macht auf die anderen Folgen, besonders die St\u00f6rungen der Ern\u00e4hrung und die Ver\u00e4nderungen in den Lungen aufmerksam, und dass vorzugsweise diese letzteren den Tod veranlassen.\nAuf eine Erkl\u00e4rung jener Erscheinungen geht Le Gallois nicht ein. Eine solche versuchte Marshall Hall 4 in einer freilich nicht sehr gl\u00fccklichen Weise. Er stellte die Ansicht auf, das Athmen werde durch die fortw\u00e4hrende Erregung der Vagi in den Lungen unterhalten. Nach Durchschneidung derselben aber dauere es als\n1\tLe Gallois, Exp\u00e9riences sur le principe de la vie. p. 160 ff.\n2\tEbenda, p. 163\u2014183.\t3 Ebenda, p. 219.\n4 Marshall Hall, Memoirs on the nervous system. London 1837. p. 87 ; Dtsch. Ausg. v. K\u00fcrschner. S. 92.","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nwillk\u00fcrlicher Act durch Vermittelung des Grosshirns fort. Entferne man auch dieses, so h\u00f6re die Athmung auf.\nDie Unrichtigkeit dieser Ansicht haben Flourens1, Longet2 3 und Traube 3 dargethan. Letzterer aber brachte die Frage auf einen neuen Standpunkt, indem er die Erscheinungen der Vagusdurchschneidung durch ein genaueres Studium derjenigen erg\u00e4nzte, welche bei Reizung des centraten Vagusendes zur Beobachtung kommen.\nMarshall Hall, Cruveilhier, Romberg u. A. hatten bei mechanischer Reizung des Vagus am Halse tiefe Inspiration gesehen. Indem Traube4 5 elektrische Reizung anwandte, konnte er dauernden Stillstand mit Zusammenziehung der Zwerchfellmusculatur erzeugen ; der Thorax war dabei nicht verengt, die Bauchmuskeln waren erschlafft. Durch schw\u00e4chere Erregung wurde die, nach der doppelseitigen Vagusdurchschneidung so sehr gesunkene, Athemfrequenz wieder erh\u00f6ht. Mechanische Reizung des Vagus durch einen Scheeren-schnitt gab inspiratorischen Stillstand w\u00e4hrend mehrerer Secunden. Dass alles dies nicht etwa Folge von Schmerzerregung sei, beweist er dadurch, dass erstens alle Versuche an enthirnten Thieren gemacht waren, dass zweitens Reizung des N. ischiadicus ganz andere Wirkungen gab: lautes Geschrei, starke Verengerung des Thorax und Bauches ; von Zeit zu Zeit tiefe Inspirationen.\nAusser an dieser Stelle sind nur noch von Pfl\u00fcger 5 die Schlussfolgerungen mitgetheilt worden, welche Traube aus seinen Versuchen gezogen hat und die er in folgendem Satz zusammenfasst : \u201e Es exi-stiren in den pneumogastrischen Nerven nicht allein motorische Fasern, welche dem Larynx, Oesophagus u. s. w. angeh\u00f6ren und sen-sibele, deren Reizung Schmerz und exspiratorische Bewegungen (bei Vorhandensein der Hemisph\u00e4ren), sondern auch centripetale Fasern, deren Erregung unwillk\u00fcrliche Inspirationen erzeugt.\u201c\nUeber diese Beziehung des Vagus zu den Athembewegungen hat sich eine \u00e4usserst grosse Zahl von Forschern ge\u00e4ussert, theils in demselben Sinne wie Traube, theils in gerade entgegengesetztem, indem sie n\u00e4mlich den Stillstand des Athmungsapparats nicht f\u00fcr einen inspiratorischen, sondern f\u00fcr einen exspiratorischen erkl\u00e4ren. Die Literatur bis 1862 habe ich in meinem Buche \u00fcber Athembe-\n1\tFlourens, Syst\u00e8me nerveux, p. 205.\n2\tLonget, Anatomie et physiol, du syst, nerveux. II. p. 307. Deutsche Ausg. v. Hein S. 263.\n3\tTraube, Beitr. z. exper. Pathol, u. Physiol. 2. Heft. S. 136.\n4\tDerselbe, Med. Zeit. d. Ver. f. Heilk. in Preussen. 1847. Nr. 5. S. 20.\n5\tPfl\u00fcger , Ueber das Hemmungsnervensystem f\u00fcr die peristaltischen Bewegungen der Ged\u00e4rme. S. 10. Berlin 1857.\no o","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innerv. d. Athmungsappar. Beziehungen d. peripherischen Nerven. 255\nwegungen zusammengestellt, auf welches ich hier verweise.1 2 3 Aber die Discussion ist seitdem wieder aufgenommen und die Frage wird heute wieder mit demselben Eifer f\u00fcr und wider er\u00f6rtert, wie es vor 1862 geschah.\nF\u00fcr den Stillstand in Inspirationsstellung hatten sich bis dahin ausgesprochen: Traube, K\u00f6lliker u. H. M\u00fcller, Snellen, Lindner, L\u00f6winsohn, Bernard, Gilchrist, Funke, Schiff; f\u00fcr Stillstand in Exspirationsstellung Eckhard, Budge, Owsjanikow; noch andere (v. Helmolt u. Aubert und v. Tschischwitz) gaben an, dass der Erfolg je nach der St\u00e4rke der Reizung verschieden sei. Ich stellte mich auf die Seite der ersten und versuchte die Widerspr\u00fcche aufzukl\u00e4ren.\nEhe ich auf meine Arbeiten \u00fcber diese Frage und die von mir gezogenen Folgerungen \u00fcber das Wesen der Athembewegungen und ihre Ursachen eingehe, will ich noch die neuere Literatur \u00fcber Vagusreizung (1862\u20141880) zusammenstellen.\nDurch mechanische Reizung des Vagus beim Menschen sah Czermak - Stillstand der Athmung in Inspiration oder Tiefer- und L\u00e4ngerwerden der Einathmung.\nPfl\u00fcger dagegen erhielt , wie sein Sch\u00fcler Burkart 3 angibt, bei Reizung des Vagus bei Kaninchen wechselnde Erfolge, unter Umst\u00e4nden, wmlche eine Mitreizung des N. laryngeus superior ausschlossen. Auf seine Veranlassung untersuchte nun Burkart den N. laryngeus inferior und fand bei Reizung desselben stets Verlangsamung der Athembewegungen, bei st\u00e4rkerer Reizung Stillstand in Exspirationsstellung. Bei Reizung des Vagus selbst fand er in der Regel Beschleunigung der Athmung und bei st\u00e4rkerer Reizung Stillstand in Inspirationsstellung. Wenn aber der Nerv durch vielfache Reizung gelitten hat, dann tritt sehr h\u00e4utig auch die entgegengesetzte Wirkung ein. Desshalb schliesst Burkart, dass im Vagusstamm auch unterhalb des Laryngeus superior schon centripetalleitende Fasern enthalten seien, deren Reizung die Athmung verlangsamt oder ganz aufhebt, dass insbesondere der Recurrens solche Fasern enth\u00e4lt, und dass diese Fasern innerhalb des Vagusstamms eine gr\u00f6ssere Resistenz gegen Sch\u00e4dlichkeiten haben als die beschleunigenden Fasern.\n1\tRosenthal. Athembewegungen. S. 25 ff.\n2\tCzermak, JenaischeZtschr. f. Med. IL S. 3S4. Dass diese Versuche nicht ganz gefahrlos sind, wenigstens wenn beide Vagi gleichzeitig gedr\u00fcckt werden, geht aus einer Mittheilung v. Thanhoffer\u2019s (Centralbl. f. d. med. AViss. 1875. S. 403) hervor.\n3\tBurkart, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 107.","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nDiese Anschauung wurde noch erweitert durch die Versuche von Hering u. Breuer l, durch welche sie veranlasst wurden, schon in den Lungen\u00e4sten des Vagus zweierlei Fasergattungen anzunehmen. Sie kamen zu dieser Annahme weniger durch Beobachtungen \u00fcber elektrische Reizung des Vagus, als vielmehr durch Betrachtungen \u00fcber die verschiedenen Typen der Dyspnoe, welche sich ganz anders \u00e4ussert, je nachdem das Athemhinderniss die Ausdehnung der Lunge selbst beeintr\u00e4chtigt, oder bei normaler Ausdehnung die Menge des aufgenommenen Sauerstoffs. Ich hatte schon fr\u00fcher die Meinung aufgestellt, dass die Vagusverzweigungen in der Lunge mechanisch durch die Zerrungen bei den Athembewegungen erregt werden, und dass darauf die Regulirung der Athmung beruhe.2 3 W\u00e4hrend ich aber auf Grund meiner Versuche nur Fasern annahm, deren Erregung die Inspirationsbewegung erleichtert, nimmt Hering zwei Arten von Fasern an. Die einen werden durch Aufblasen der Lunge erregt; sie hemmen die Inspiration, k\u00fcrzen eine vorhandene ab und f\u00f6rdern die Exspiration. Die andern dagegen werden durch das Zusammensinken der Lungen erregt; sie hemmen die Exspiration und f\u00f6rdern die Inspiration. So regulire sich die Athmung selbst, so lange die Vagi intact sind (was Hering als \u201eSelbststeuerung \u201c bezeichnet). Werden aber beide Vagi durchschnitten, so h\u00f6re diese Regulirung auf. Nach gewiesen werden diese Einfl\u00fcsse durch Versuche mit Aufblasung oder Zusammensinkenlassen der Lunge, theils von der Trachea aus, theils von der Pleurah\u00f6hle aus durch eine luftdicht in die Brustwand eingesetzte Cantile. Was zur Aufblasung benutzt wird, atmosph\u00e4rische Luft oder ein indifferentes Gas, ist gleichg\u00fcltig. Also handelt es sich nicht um chemische, sondern um mechanische Einwirkungen auf die Vagi. Im apnoischen Zustand ist das Auf blasen oder Verkleinern der Lunge gerade so unwirksam, wie die elektrische Reizung der Vagi dann ohne Erfolg -bleibt.\nPaul Bert 3 ist in Bezug auf die Reizung der centralen Enden des Vagus, des Laryngeus superior und des Ramus nasalis n. infra-orbitalis zu der Ueberzeugung gekommen, dass schwache Reizung dieser Nerven die Athmung beschleunigt, st\u00e4rkere sie verlangsamt, ganz starke sie aufhebt. Der Stillstand kann in Inspirations- oder Exspirationsstellung auftreten; ersteres ist leichter zu erhalten als\n1\tHering u. Breuer, Anzeiger d.Wien. Acad. 1S6S. S. 106. \u2014Hering, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. CI. (2) LVII. S. 672.\n2\tVgl. meine Bemerkungen hier\u00fcber im Arch. f. Anat. u. Physiol. 1864. S. 456.\n3\tBert, Compt. rend. LXIX. No. 8; Arch. d. physiol, norm, et pathol. II. p. 178. 322. 1869. \u2014 Vgl. auch dessen Le\u00e7ons sur la physiologie compar\u00e9e de la respiration. Paris 1870. S. 489.","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innerv. d. Athmungsappar. Beziehungen d. peripherischen Nerven. 257\nletzteres. Der Stillstand erfolgt bei gen\u00fcgender St\u00e4rke des Reizes in der Phase, welche beim Beginn der Reizung besteht. (Warum dann Exspirationsstillstand schwerer zu erzielen sein soll, ist nicht recht einzusehen.) Sehr heftige Vagusreizung kann pl\u00f6tzlichen Tod zur Folge haben.\nArloing u. Tripier 1 finden, dass der rechte Vagus mehr auf das Herz, der linke mehr auf die Respiration wirke als umgekehrt. Reizung des Vagus rufe jedoch niemals Beschleunigung der Athmung hervor, sondern stets nur Stillstand in Exspirationsstellung. Zuweilen sehe man w\u00e4hrend der Reizung Bewegungen, aber stets \u00fcberwiege die Exspiration ; erfolge zuweilen eine heftige Inspiration, so sei sie doch stets unmittelbar von einer eben so tiefen Exspiration gefolgt. Auch Reizung des peripherischen Vagusendes ver\u00e4ndere den Typus der Respiration. Wie weit dies letztere durch die Aenderung der Circulation bedingt gewesen sein mag, will ich hier nicht weiter untersuchen. Es sei noch bemerkt, dass ein Theil der Versuche am undurchschnittenen Nerven gemacht wurde.\nLockenberg1 2 konnte (unter Fick\u2019s Leitung) die Angaben von Hering u. Breuer best\u00e4tigen. Er f\u00fcgt hinzu, dass bestehende Apnoe durch Aufblasen der Lunge verl\u00e4ngert, durch Aussaugen in den meisten F\u00e4llen sofort abgeschnitten, in andern wenigstens stark verk\u00fcrzt wird. Wird die Lunge im aufgeblasenen Zustande abgeschlossen, ohne dass Apnoe besteht, so ist die Athemfrequenz bedeutend geringer, als wenn der Abschluss bei ausgesogner Lunge stattfindet. Ueberl\u00e4sst man ein apnoisch gemachtes Thier sich selbst, so ist die erste wieder auftretende Athembewegung stets eine Inspiration. Aus diesem Verhalten schliesst er, dass die Ausdehnung der Lungen den (im Anschluss an meine Hypothese angenommenen) Widerstand f\u00fcr das Zustandekommen der Inspiration vermehre, f\u00fcr die Exspiration vermindre; umgekehrt wirke die Verkleinerung der Lunge.\nKnoll3 liess fl\u00fcchtige Substanzen (Chloroform, Aether, Benzol, Senf\u00f6l, verd\u00fcnntes und concentr\u00e2tes Ammoniak durch eine Tracheal-can\u00fcle athmen, w\u00e4hrend die Athembewegungen mittels eines von Hering angegebenen Apparats registrirt wurden. Waren die Vagi nicht durchschnitten, so bewirkten die erstgenannten Stoffe Verflachung und Beschleunigung der Athmung, concentr\u00e2tes Ammoniak dagegen rief abwechselnd Verlangsamung mit Vertiefung und ex-\n1\tArloing et Tripier, Arch. d. physiol, norm, etpathol. IV. p. 411. 588. 732; V. p. 157.\n2\tLockenberg, W\u00fcrzburger Verhandl. IV. S. 239.\n3\tKnoll, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. (3) LXVIII. S. 245.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IVa.\t17","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nspiratorischen Stillstand, oder Beschleunigung mit Verflachung und inspiratorischen Stillstand hervor. Da alle diese Wirkungen fehlen, wenn die Vagi durchschnitten sind (von den erst sehr viel sp\u00e4ter auftretenden toxischen Wirkungen kann hier abgesehen werden), so schliesst Verf., dass diese Substanzen erregend auf die Lungenfasern des Vagus wirken und zwar die erstgenannten nur auf die inspiratorischen, das concentrirte Ammoniak aber auf die inspiratorischen und exspiratorischen Fasern, aus deren Gegeneinanderwirken der Wechsel der Erscheinungen folge. Aus den Erscheinungen, welche beim concentrirten Ammoniak auftreten, w\u00fcrde also auf die Existenz zweier Arten von Lungenfasern zu schliessen sein, von denen die exspiratorischen nur durch starke Reizung erregt werden, wie sie ja auch bei elektrischer Reizung des Vagusstammes sich als die schwerer erregbaren erweisen.\nGuttmann1 wiederholte die Versuche von Hering u. Breuer an chloralisirten Kaninchen. Wurde das Thier apnoisch gemacht und die Lunge dadurch aufgeblasen erhalten, dass man den luftzuf\u00fchrenden Schlauch auf der H\u00f6he der Einblasung zuklemmte, so war die erste Bewegung am Ende der Apnoe jedesmal eine Inspiration, nicht, wie Hering und Breuer wollen, eine Exspiration. Wurde die Lunge am nicht apnoisch gemachten Thier aufgeblasen, so trat eine Athempause von 15\u201430 Secunden Dauer ein, dann folgte eine Inspiration. Schon das Zudr\u00fccken eines an der Trachealcan\u00fcle befindlichen Schlauchs auf der H\u00f6he der Inspiration bei einem normal athmenden Thier gen\u00fcgt, eine solche Athempause zu bewirken. Nach Durchschneidung beider Vagi f\u00e4llt diese Respirationspause fort.\nIm Jahre 1877 ver\u00f6ffentlichte Rosenbach2 seine Beobachtungen \u00fcber elektrische und mechanische Vagusreizung, wonach dieselbe stets exspiratorisch wirken sollte. Da er seine Angaben sp\u00e4ter selbst zur\u00fcckgenommen hat, brauchen wir nicht n\u00e4her aut dieselben einzugehen. Seine theoretischen Speculationen \u00fcber die Art, wie die Vaguswirkung zu Stande kommen soll, haben f\u00fcr die vorliegende Frage gleichfalls kein Interesse.\nJolyet3 fand bei Hunden neben dem linken Vagus ein kleines Nervenst\u00e4mmchen, dessen centrale Reizung heftige Hustenst\u00f6sse und Athmungsstillstand hervorruft. Ob dieses St\u00e4mmchen, wenn seine Existenz sich best\u00e4tigt, zuweilen mit dem Vagus mitgereizt worden ist und so den Erfolg beeinflusst hat, muss ich dahingestellt sein\n1\tGuttmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1875. S. 500.\n2\tRosenbach, Centralbl. f. d. med. V iss. 1S77. S. 97.\n3\tJolyet, Gaz. m\u00e9d. d. Paris. 1877. No. 3.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innerv. d. Athmungsappar. Beziehungen d. peripherischen Nerven. 259\nlassen, ebenso ob es vielleicht bei den oben erw\u00e4hnten Versuchen von Arloing und Tripier mit im Spiele gewesen ist.\nKohts u. Tiegel1 2 sahen nach mechanischer Reizung, wie Durchschneidung, Umschn\u00fcrung mit einem Faden, abgesehen von den Ver\u00e4nderungen, welche die Trennung als solche hervorruft, auch vor\u00fcbergehende, auf Reizung zu beziehende Folgen auftreten und zwar Verlangsamung der Athmung mit Vertiefung der Athemziige. Aehn-liche Wirkungen auf die Herzfasern des Vagus wurden gleichfalls beobachtet, geh\u00f6ren aber nicht hierher. Danach m\u00fcsste man also jene Verlangsamung und Vertiefung der Athmung als Folge der Vagusreizung ansehen.\nUnter den Folgen der mechanischen Vagusreizung beim Menschen gibt Wasylewski 2 Beschleunigung der Respiration an.\nIn meiner Schrift: Bemerkungen \u00fcber die Th\u00e4tigkeit der automatischen Nervencentra. Erlangen 1ST 5, hatte ich das von B\u00fcrkart behauptete Vorkommen von Fasern im N. laryng. inf., deren Reizung \u00e4hnlich, wenngleich schw\u00e4cher auf die Athmung wirkt wie die des N. laryngeus superior, mit einiger Einschr\u00e4nkung zugegeben. In einer neuen Arbeit, deren ersten Theil ich hier \u00fcbergehe, kommt nun Burkart3 auf die Wirkungen der Vagusreizung zur\u00fcck. Er will nicht zugeben, dass die Erschlaffung des Zwerchfells nur ein Ausnahmsfall sei, sondern behauptet, dass man sie bei Innehaltung der passenden Bedingungen ausnahmslos (das Wort ist im Original S. 467 gesperrt gedruckt) erzielen k\u00f6nne ; doch erkl\u00e4rt er sich ausser Stande, diese Bedingungen \u201estreng wissenschaftlich zu sichten\u201c. Wenn man einem Kaninchen soviel Morphium (oder Chloralhydrat) beigebracht hat, dass eine tiefe Narkose besteht, dann gelingt es nach Burkart niemals durch Vagusreizung exspiratorischen Zwerchfellstillstand zu erzielen, sondern immer nur inspiratorischen. Hat man aber ungen\u00fcgend narkotisirt, und ist der gereizte Nerv ganz frisch und unversehrt, dann bekomme man zwar bei schw\u00e4cherer Reizung Vermehrung der Athemfrequenz mit Verflachung und bei st\u00e4rkerer Reizung auch Stillstand in Inspirationsstellung, \u2014 aber: \u201e hat der Nerv durch fortgesetzte Einwirkung der elektrischen Str\u00f6me gelitten, ist er nicht mehr vollkommen intact, oder walten andere, mir unbekannte Verh\u00e4ltnisse ob, die vielleicht eine Begr\u00fcndung in der zuf\u00e4lligen Lagerung der verschiedenen Nervenfasern im Vagusstamme und in der verschiedenen Erregbarkeit derselben finden\n1\tKohts u. Tiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 84.\n2\tWasylewski, Prager Vierteljahrschr. CXXXVIII. S. 69.\n3\tBurkart, Arch. f. d. ges. Physiol. XVI. S. 427.\n17*","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nm\u00f6gen, so tritt die Wirkung der exspiratoriscken Fasern entschieden hervor, wenn auch nur bei schw\u00e4cherer Reizung ; st\u00e4rkere Reize bedingen hier noch inspiratorische Erscheinungen, bis dass die inspiratorischen Fasern ihre Erregbarkeit vollkommen verloren haben.\u201c\nIch habe diesen Satz aus dem Original w\u00f6rtlich hierher gesetzt, weil ein Auszug den Sinn vielleicht nicht ganz klar wiedergegeben h\u00e4tte. Vielleicht wird Burkart nicht ganz einverstanden sein, wenn ich seine Angaben dahin zusammenfasse: Burkart sah bei Vagusreizung meistens Inspirationsstellung, zuweilen Exspirationsstellung des Zwerchfells. Letztere trat leichter auf bei nicht frischem (schon durch Reizungen erm\u00fcdeten Nerven), niemals bei sehr tief narkoti-sirten Thieren. Die im Vagus (unterhalb des Laryng. sup.) enthaltenen \u201eexspiratorischen\u201c Fasern sind gegen erm\u00fcdende Einfl\u00fcsse widerstandsf\u00e4higer als die \u201einspiratorischen\u201c.\nBurkart best\u00e4tigt sodann meine Angabe, dass die \u201eexspirato-risch \u201c wirkenden Fasern des N. laryng. inferior (nach Abtragung des Grosshirns) und in tiefer Narkose nicht mehr wirken, w\u00e4hrend die Wirkung des Laryngeus superior durch jene Eingriffe nicht ver\u00e4ndert wird. Schliesslich spricht er sich gegen die theoretische Speculation Rosenbach\u2019s aus, nach welchen der Vagus als vasomotorischer Nerv der Med. obi. indirect die Art und Weise der Athembewegungen beeinflusse, nimmt vielmehr eine unmittelbare Einwirkung sowohl der \u201einspiratorischen\u201c als der \u201eexspiratorischen\u201c Fasern auf die Ganglienapparate des Athemcentrums an.\nLAngendorff 1 sah bei Vagusreizung gleichfalls wechselnden Erfolg. Im wesentlichen stimmt er mit Burkart darin \u00fcberein, dass man am frischen Nerven leichter Inspirationsstillstand erzielen kann, dass aber die \u201einspiratorischen\u201c Fasern durch starke Reize oder sonstige Insulte leichter erm\u00fcden, und dass dann der exspiratorische Stillstand leicht hervortritt. Mechanische, thermische und chemische Reizung (mit Glycerin) gab ihm immer exspiratorische Wirkung.\nLangendorff erkl\u00e4rt \u00fcbrigens beide Wirkungen nicht f\u00fcr spe-cifische des Vagus und seiner Verzweigungen, sondern schreibt dieselben allen sensiblen Nerven zu. Den von Arloing u. Tripier behaupteten Unterschied des rechten und linken Vagus leugnet er; die Art der Lagerung des Nerven auf den Elektroden bei der elektrischen Reizung war f\u00fcr den Erfolg ganz gleichgiltig.\nWagner 1 2, welcher unter Stricker\u2019s Leitung arbeitete, sah bei\n1\tLangendorff in v. Wittich, Mittheilungen aus dem K\u00f6nigsberger physiol. Laboratorium. 1878. S. 33.\n2\tWagner. Sitzungsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. CI. (3) LXXX. S. 177.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innerv. d. Athmungsappar. Beziehungen d. peripherischen Nerven. 261\nHunden und Kaninchen, welche mit Chloralhydrat tief, bis zum Aufh\u00f6ren aller Reflexe, narkotisirt waren, durch Vagusreizung Erschlaffung des Zwerchfells eintreten, bei schwacher Narkotisirung dagegen trat Stillstand in Inspirationsstellung ein. Bei Wiederholung der Versuche von Hering u. Breuer und Guttmann sah er bei Kaninchen (wie letzterer) nach Lungenaufblasung Athempause und darauf folgende Inspiration, bei Hunden h\u00e4ufig (wie erstere angeben) nach der Pause eine allm\u00e4hlich zunehmende Contraction der Bauchmuskeln. Es will dies auf den Umstand zur\u00fcckf\u00fchren, dass bei Hunden \u00fcberhaupt die Bauchmuskeln einen st\u00e4rkeren Antheil an den normalen Athembewegungen nehmen. Tief narkotisirte Thiere fangen, wenn man ihre Lungen aufbl\u00e4st, nicht wieder zu athmen an. Die Athempause geht unmittelbar in den Tod \u00fcber.\nWagner stellt sich die Wirkung der \u201einspiratorischen\u201c Fasern als einen einfachen Reflexvorgang vor. In tiefer Narkose sind die Ganglien des Athemcentrums geschw\u00e4cht, die Reflexe daher nicht mehr m\u00f6glich, dagegen k\u00f6nnen nun die \u201e exspiratorischen \u201c Fasern leichter wirken.\nEndlich hat auch Fr\u00e9d\u00e9ricq 1 bei Vagusreizung bald inspiratorischen, bald exspiratorischen Stillstand erhalten. Wie Wagner findet er in der tiefen Narkotisirung mit Chloral ein Mittel, sicher exspiratorischen Stillstand zu erzielen in dem Stadium ausserordentlich verlangsamter Athmung, welches dem Tode vorhergeht. H\u00e4ufig bleibt dann bei der Vagusreizung die Respiration aus, um gar nicht mehr wiederzukommen. Im Uebrigen schliesst sich Fr\u00e9d\u00e9ricq den Angaben von Hering u. Breuer an.\nFassen wir alles zusammen, was \u00fcber den Gegenstand ver\u00f6ffentlicht worden ist, so gelangen wir zu dem Schluss, dass im Vagus zweierlei Fasern enthalten sein m\u00fcssen: solche, deren Reizung inspiratorischen, und solche, deren Reizung exspiratorischen Stillstand veranlassen kann. Zu einem genaueren Verst\u00e4ndniss dieser Wirkungen ist aber noch die R\u00fccksicht auf das Maass der vom Ath-mungsapparat geleisteten Arbeit n\u00f6thig, worauf wir im Folgenden eingehen. \u2014 Schliesslich ist noch zu erw\u00e4hnen, dass nach Christiani1 2 alle Sinnesnerven inspiratorisch einwirken k\u00f6nnen.\nIV. Ursache der Athembewegungen.\nEs entsteht nun zun\u00e4chst die Frage, durch welche Umst\u00e4nde das sogenannte Athmungscentrum veranlasst wird, w\u00e4hrend des ganzen\n1\tFr\u00e9d\u00e9ricq, Bull. d. l\u2019acad. royale de belgique. (2) XLVII. 1879. No. 4.\n2\tChristiani, Arch. f. Physiol. 1880. S. 295.","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nLebens tk\u00e4tig zu sein. Wenn man dasselbe als ein \u201eautomatisches\u201c bezeichnet, so ist damit jene Frage nat\u00fcrlich nicht erledigt, sondern es muss untersucht werden, ob f\u00fcr die fortw\u00e4hrende Entstehung der Erregungen in diesem und anderen automatischen Centren bestimmte Bedingungen nachweisbar sind.\nJoh. M\u00fcller1 bezeichnet als automatische Bewegungen solche, \u201ewelche von Seelenactionen unabh\u00e4ngig, entweder anhaltend sind, oder in einem regelm\u00e4ssigen Rhythmus erfolgen, und welche beide aus gesunden, nat\u00fcrlichen, in den Nerven oder Centralorganen liegenden Ursachen erfolgen.\u201c Nun ist aber der Umstand, dass das Atkemcentrum im F\u00f6tus unth\u00e4tig ist, aber unmittelbar nach der Geburt sofort in Th\u00e4tigkeit ger\u00e4th, ein gen\u00fcgender Beweis daf\u00fcr, dass die fortw\u00e4hrende Th\u00e4tigkeit an sich keine Eigenschaft jenes Centralorgans sein kann, sondern dass es zur Einleitung seiner Th\u00e4tigkeit noch eines besonderen Umstandes bedarf. Denn es scheint undenkbar, dass die Beschaffenheit des Apparats im F\u00f6tus eine wesentlich andere sei als im geborenen Kinde, und dass eine solche Ver\u00e4nderung w\u00e4hrend des Geburtsacts vor sich gehe. Ueber-dies ist vielfach beobachtet worden, dass auch innerhalb des Uterus geatkmet werden kann, und es kommt nur darauf an, zu untersuchen, welche Aenderung der Bedingungen, die mit der Geburt verkn\u00fcpft sind, als Ursache der beginnenden Th\u00e4tigkeit des Atkern-centrums nachgewiesen werden kann.\nDiese Aenderung betrifft aber, wie ich nachgewiesen habe2, die Beschaffenheit des f\u00f6talen Blutes. So lange der F\u00f6tus im normalen Zusammenhang mit der Mutter ist, findet Gasaustausch zwischen F\u00f6tus und Mutter in der Placenta statt. Der F\u00f6tus athmet mittelst seiner Placenta wie ein Fisch mittelst seiner Kiemen. Fortw\u00e4hrend wird im f\u00f6talen Organismus Sauerstoff verbraucht und Kohlens\u00e4ure erzeugt. Kommt nun hierdurch das f\u00f6tale Blut auf eine geringere Sauerstoffspannung als die im m\u00fctterlichen Blut herrschende, so muss Sauerstoff aus diesem in jenes \u00fcberwandern. Auf diese Weise kann die Sauerstoffspannung im f\u00f6talen Blut niemals unter einen gewissen Werth sinken, so lange der Placentarkreislauf in gutem Gange ist und das m\u00fctterliche Blut gen\u00fcgenden Sauerstoff enth\u00e4lt.3 Tritt hierin irgend eine St\u00f6rung ein, so muss die Athmung in Gang\n1\tM\u00fcllek, Handb. d. Physiol. II. S. 66.\n2\tRosenthal, Athembewegungen. S. 8 ff.\n3\tJoh. M\u00fcller, De respiratione foetus. 1823. Die scheinbar entgegengesetzt lautende Stelle im Handb. II. S. 729. 1840 l\u00e4sst sich mit M\u00fcller\u2019s \u00e4lterer und unserer Auffassung vereinigen, wenn man sie dahin deutet, dass die vom Blut der Mutter in das Blut des F\u00f6tus \u00fcbertretenden S\u00e4fte auch schon den gen\u00fcgenden Sauerstoff (absorbirt) mitbringen, wodurch das Athmen ersetzt werde.","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innervation d. Athmungsapparats. Ursache d. Athembewegungen. 263\nkommen. Dies muss aber noth wendiger Weise erfolgen, wenn nach der Geburt durch die Verkleinerung des Uterus der Placentarkreis-lauf behindert wird. Dasselbe kann aber auch schon vor der Geburt eintreten, wenn aus irgend einem Grunde eine vorzeitige St\u00f6rung in jenem Gasaustausch stattfindet, also bei Tod der Mutter, bei St\u00f6rungen des Placentarkreislaufs z. B. durch Druck auf die Nabelschnur, vorzeitige L\u00f6sung der Placenta u. s. w. In diesen F\u00e4llen treten schon im Uterus Athembewegungen ein.1\nDass zur Erregung des ersten Athemzuges die Ber\u00fchrung mit der atmosph\u00e4rischen Luft, die Abk\u00fchlung und andere, erst nach der Geburt auftretende Momente nicht n\u00f6thig sind, geht aus solchen und vielen \u00e4hnlichen Beobachtungen hervor, wo die Athmung innerhalb der unversehrten Eih\u00fcllen und bei Vermeidung der Abk\u00fchlung eintrat.2 Eine andere Frage ist es, ob auch ohne diese Ver\u00e4nderung der Blutbeschaffenheit die Athmung eingeleitet werden kann durch Hautreize, wie Preyer3 aus seinen Beobachtungen an Meerschweinchenf\u00f6tus schliesst, welche zu athmen anfingen, wenn durch einen kleinen Einschnitt die Schnauze freigelegt wurde.4 In diesen F\u00e4llen war, wie Preyer hervorhebt, das Blut des F\u00f6tus noch sauerstoffreich, was sonst als ein Hinderniss f\u00fcr das Zustandekommen der Reflexe gilt, wie wir noch sehen werden. Im Uebrigen lehren die Beobachtungen von Zweifel 5, dass in der That das Blut der Nabelvene heller oder dunkler wird, je nach dem Athmungszustande der Mutter. Die spectroskopisehe Untersuchung zeigte, dass im Blut der Nabelgef\u00e4sse stets Sauerstoff enthalten war, auch wenn dieselben noch nicht selbstst\u00e4ndig geathmet hatten. Wurde bei erhaltenem Zusammenhang des Mutterthiers und des F\u00f6tus das erstere apnoisch gemacht, so war das Blut der Nabelvene stets deutlich heller als das der Nabelarterien; wurde dann bei der Mutter Dyspnoe erzeugt, so wurde das F\u00f6talblut dunkler und es traten Athembewegungen ein. \u2014 Die Annahme von Lahs 6, dass zur Erregung des ersten Athemzugs eine Stauung des Blutes in den Nabelgef\u00e4ssen und dadurch bewirkte F\u00fcllung des Lungenkreislaufs nothwendig sei, erscheint mir durch nichts begr\u00fcndet, erkl\u00e4rt auch nicht, warum oft dieser erste Athemzug erst nach dem Abnabeln erfolgt.\n1\tSchwartz, Die vorzeitigen Athembewegungen. Leipzig 1858.\n2\tWohl eine der ersten Beobachtungen \u00fcber diese Athmung innerhalb der Eih\u00fcllen ist die von mir oben S. 238, Anm. 1 mitgetheilte von Vesal.\n3\tPreyer, Sitzungsber. d. Jeaischen Ges. f. Med. u. Naturw. 1880. O.Febr.\n4\tAehnliches berichtet Pfl\u00fcger in seinem Archiv I. S. 82.\n5\tZweifel, Arch. f. Gyn\u00e4k. IX. S. 291. 1876.\n6\tLahs. Ebenda. IY. S. 311. 1872.","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nDie vorgetragene Auffassung von der Ursache des ersten Athem-zugs wird nun aber wesentlich gest\u00fctzt durch den von mir gef\u00fchrten Nachweis, dass man jederzeit auch beim Erwachsenen, die Athembewegungen suspendiren kann, wenn man durch reichliche Einblasungen von Luft in die Lungen das Blut mit Sauerstoff s\u00e4ttigt.1 2\nAnkn\u00fcpfend an den schon oben erw\u00e4hnten Versuch von Hook habe ich nachgewiesen, dass man durch Einblasungen von Luft in die Lungen nicht blos die sonst nach Er\u00f6ffnung beider Pleurah\u00f6hlen unfehlbar eintretende Erstickung verhindern, sondern sogar, bei gen\u00fcgender L\u00fcftung der Lungen alle Athembewegungen vollkommen aufheben kann, ja dass dann, wenn man das Blut vollkommen mit Sauerstoff ges\u00e4ttigt hat, noch nach dem Sistiren der Lufteinblasungen l\u00e4ngere Zeit verstreichen kann, bis die im Organismus fortw\u00e4hrend vor sich gehende Sauerstoffzehrung das Blut wieder auf den Zustand bringt, dass die Athembewegungen wieder beginnen. Im Gegensatz dazu hat jede Verminderung des normalen Sauerstofifgehalts des Blutes eine Verst\u00e4rkung der normalen Athembewegungen zur Folge. Diese Zust\u00e4nde werden von den Klinikern als Dyspnoe bezeichnet. Sie k\u00f6nnen aus sehr verschiedenen Ursachen eintreten, n\u00e4mlich durch eine Verminderung oder vollst\u00e4ndige Behinderung des Sauerstofif-zutritts zu den Lungen (Aufenthalt in verd\u00fcnnter oder in sauerstoffarmer Luft, Verschluss der Luftwege), oder durch Verkleinerung der den Gasaustausch bewirkenden Lungenoberfl\u00e4che (Pneumothorax, Ansammlung von Fl\u00fcssigkeiten im Pleuraraum, Anf\u00fcllung der Alveolen mit Fl\u00fcssigkeit, Ver\u00e4nderungen des Lungengewebes wie beim Emphysem oder der Tuberculose), oder durch St\u00f6rungen im Kreislauf (Herz-l\u00e4hmung, Verstopfung der Gef\u00e4sse durch Emboli u. s. w.), endlich durch chemische Ver\u00e4nderung des Blutes (Wirkung von Kohlenoxyd, Schwefelwasserstoff u. dgl.). Nach Analogie dieser sogenannten Dyspnoe bezeichne ich die normale Athmung als Eupnoe, den Zustand aber, wo wegen S\u00e4ttigung des Blutes mit Sauerstoff gar nicht ge-athmet wird, als Apnoe.-\n1\tRosenthal, Athembewegungen. S. 157; Derselbe, Bemerkungen \u00fcber die Th\u00e4tigkeit der automatischen Nervencentra, insbesondere \u00fcber die Athembewegungen. S. 10 ff. Erlangen 1875.\n2\tMein verehrter College Iwan M\u00fcller hat die G\u00fcte gehabt, mir aus Galen\u2019s Schriften die Stellen auszuziehen, wo die Ausdr\u00fccke Apnoe u. s. w. Vorkommen. Eine derselben ist so interessant, dass ich sie hier nach seiner Uebersetzung mittheilen will. De locis affectis lib. IV. Vol. VIII. p. 281. Ed. K\u00fchn: \u201eEs gibt noch ein andres Leiden der Respiration, Apnoen genannt, wenn dem Augenscheine nach keine stattfindet, w\u00e4hrend dies der Natur der Sache nach unglaublich ist; denn es scheint unm\u00f6glich zu sein, dass ein Thier, welches ganz der Respiration beraubt ist, noch am Leben bleibt, und doch bewegen die Thiere, welche den Winterschlaf halten, offenbar den Thorax durchaus nicht. Man muss also das eine von","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innervation d. Athmungsapparates. Ursache d. Athembewegungen. 265\nEs steht also fest, class der Grad oder die St\u00e4rke der Athembewegungen von dem Gasgehalt des Blutes abh\u00e4ngt, und dass man durch gen\u00fcgende Luftzufuhr zum Blut die Athembewegungen ganz aufheben kann. Aber unter diesen Umst\u00e4nden gehen immer zweierlei Ver\u00e4nderungen des Blutes Hand in Hand; in dem Maasse, als der Sauerstoffgehalt abnimmt, nimmt sein Kohlens\u00e4uregehalt zu und umgekehrt. Nun hatte Traube bei Wiederholung des Hoou\u2019schen Versuchs gesehen, dass man die bei Er\u00f6ffnung der Pleurah\u00f6hlen entstandene Dyspnoe beseitigen k\u00f6nne durch einen Strom von atmosph\u00e4rischer Luft oder Sauerstoff, nicht aber durch einen Strom von Wasserstoff oder Stickstoff. Da nun durch letztere die Kohlens\u00e4ure\nauch aus dem Lungenblut entfernt werden muss, so hatte er geschlossen, .dass nicht die Kohlens\u00e4ure, sondern der Mangel an Sauerstoff die Ursache der Dyspnoe sein m\u00fcsse.* 1 2 Dieser Auffassung hatte ich mich angeschlossen und sie dahin erweitert, dass \u00fcberhaupt ein gewisser Mangel an Sauerstoff im Blut nothwendig sei, damit die Athembewegungen zu Stande kommen. Ich konnte mich dabei auf die Angabe von Wilh. M\u00fcller 2 st\u00fctzen, dass Thiere selbst erhebliche Mengen von Kohlens\u00e4ure athmen k\u00f6nnen, ohne Dyspnoe zu bekommen, wenn nur gleichzeitig gen\u00fcgende Mengen von Sauerstoff vorhanden sind. Dieser Auffassung trat jedoch Traube3 selbst mit neuen Versuchen entgegen, wonach es m\u00f6glich sein sollte, durch\nzweien annehmen : entweder ist die Respiration so schwach, dass sie der Wahrnehmung entgeht, oder das Thier bedarf dann der Respiration \u00fcberhaupt nicht, sondern begn\u00fcgt sich mit der Transpiration, die durch den ganzen K\u00f6rper geht ; letztere n\u00e4mlich bewirkt das Herz durch die Arterien, die Respiration dagegen das Gehirn durch den Thorax. Welcher Art aber auch die Affection sein mag, welche die Apnoea bewirkt, sie scheint allen Theilen des Thiers gemeinsam zuzukommen, z. B. bei Apoplexie, Karus, Schwindel, Epilepsie und Katalepsie; denn bei allen diesen F\u00e4llen erleiden die Athmungsorgane nichts besonderes, so wenig als die Stimm-, Sprach- oder Gangwerkzeuge; sondern wenn das Hauptorgan leidet, muss alles mit leiden, was von ihm die es leitendenKr\u00e4fte bekommt.1'\nAn anderen Stellen ist die Auffassung der Apnoe weniger klar. In Bezug auf die Wortbildung ist Galen nicht ganz consequent; er gebraucht die Ausdr\u00fccke: anvoia, Svo7tvoia und davon das Adjectiv Svonvoiy.\u00f6s, dagegen nennt er die normale Athmung (das Athemholen) avanvorj. Es ist daher jedenfalls richtiger im Deutschen Apnoe und apnoisch, Dyspnoe und dyspnoisch zu sagen (zumal wenn man an die Analogie von Diarrhoe und diarrhoisch denkt) als apno\u00eb-tisch und dyspnoetisch, wie ich selbst fr\u00fcher in Anlehnung an Traube sagte.\n1\tDiese Versuche Traube\u2019s sind mitgetheilt in einer Dissertation von Marcuse: De suffocationis imminentis causis et curatione. Berol. 1858. Ich muss hierbei bemerken, dass weder bei Hook noch bei Traube der Zustand der Apnoe als solcher deutlich bezeichnet ist, obwohl man die SteUe bei Hook wohl so deuten kann. Es scheint aber, dass der Ausdruck: \u201ethe Dom as I expected, lay still\u201c (a. a. 0.) nur den Gegensatz zu den \u201eDying consulvive fits\u201c ausdr\u00fcckei/soll welche eintreten, wenn keine k\u00fcnstliche Athmung unterhalten wird. Der Zustand der Apnoe ist erst von mir als solcher erkannt worden.\n2\tWilh. M\u00fcller, Sitzungsber. d. Wiener Acad. XXXIII. S. 99; Liebio-\u2019sAnn\nCVIII. S. 257.\t, -uu;ui0 s a\u00fcii.\n3\tTraube, Allg. med. Centralzeit. 1862. Nr. 38. 1863. No. 97.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266 Rosenthal. Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nreichliche Einblasungen von Wasserstoff die Athembewegungen zu suspendiren, umgekehrt aber durch Einblasungen einer stark kohlens\u00e4urehaltigen Luft selbst dann Dyspnoe zu erzeugen, wenn diese Luft selbst reicher an Sauerstoff ist als gew\u00f6hnliche atmosph\u00e4rische Luft. Indessen konnten Krause1 und Thiry2 die neuen Angaben Traube\u2019s nicht best\u00e4tigen, und ich3 4 wies nach, dass eine geringf\u00fcgige Verunreinigung des Wasserstoffs in Traube\u2019s Versuchen ausreichte, seine Erfolge zu erkl\u00e4ren Wenn solche Verunreinigung ausgeschlossen wird, dann erh\u00e4lt man bei Athmung von Wasserstoff oder Stickstoff stets heftige Dyspnoe, welche zuletzt in Asphyxie und Erstickung \u00fcbergeht. L\u00e4sst man aber Thiere aus einem Quecksilbergasometer reinen Sauerstoff athmen und f\u00fchrt die Ausathmungs-luft in dasselbe Gasometer zur\u00fcck, so athmen sie ruhig, selbst wenn der Kohlens\u00e4uregehalt im Gasometer schon so hoch gestiegen ist, dass keine Kohlens\u00e4ure aus dem Blute entweichen kann, der Gehalt an dieser also weit \u00fcber die Norm steigen muss. Wenn aber der Sauerstoffgehalt im Gasometer so weit sinkt, dass das Blut nicht mehr genug Sauerstoff aufnehmen kann, dann tritt Dyspnoe ein; diese verschwindet aber sofort, sobald man den Druck im Gasometer (durch Auflegen von Gewichten) und damit auch den Partialdruck des Sauerstoffs vermehrt und dadurch bewirkt, dass wieder Sauerstoff aus dem Gasometer in das Blut \u00fcbergehen kann. Das von mir zu diesem Versuch benutzte Gasometer ist in Fig. 23 dargestellt. Die Trachea des Thiers ist mit dem Gabelrohr t verbunden; die M\u00fcller\u2019schen Ventile v-i und t!3 trennen die In- und die Exspirationsluft. Zu Beginn des Versuchs ist das Bohr s offen und die Klemme k geschlossen. Durch das Ventil vi tritt reiner Sauerstoff in das Gasometer, welches vom Thier geathmet wird, w\u00e4hrend die Exspirationsluft durch ^ entweicht. Wenn man annehmen kann, dass aller Stickstoff aus der Lunge ausgetrieben ist und diese nur .noch Sauerstoff und Kohlens\u00e4ure enth\u00e4lt, unterbricht man die weitere Zufuhr bei vi, schiesst a und \u00f6ffnet k, so dass die weitere Athmung nur aus dem und in das Gasometer erfolgen kann.\nZu den gleichen Ergebnissen kam auch Dohmen 4 ; nur in einem Punkte best\u00e4tigt er Traube\u2019s Angaben, n\u00e4mlich dass auch ein \u00fcber die Norm erh\u00f6hter Kohlens\u00e4uregehalt die Athembewegungen verst\u00e4rkt, also Dyspnoe erzeugt, wenn der Sauerstoffgehalt des Bluts\n1\tKrause in Heidenhain\u2019s Studien aus d. physiol. Inst, zu Breslau. 2. Heft. S. 42.\n2\tThiry, Ztschr. f. rat. Med. (3) XXL S. 25.\n3\tRosenthal, Arch. f. Anat. u. Physiol.1864. S. 456.\n4\tDohmen. Untersuchungen aus d. physiol. Labor, zu Bonn. S. S3. Berlin 1865.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innervation d. Athmungsapparats. Ursache d. Athembewegungen.\n267\nnormal geblieben oder sogar etwas gestiegen ist, und Pfl\u00fcger 1 hat diese Angaben best\u00e4tigt und durch genaue Analysen der Blutgase bekr\u00e4ftigt. Gegen diese sehr bestimmten und \u00fcberzeugenden Ver-\nFig. 23. Kleines Quecksilbergasometer von J. Kosenthae.\nsuche kann die gegentheilige Angabe von P. Hering 1 2 3, wonach der Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes w\u00e4hrend der Apnoe vermindert sein sollte, nicht ins Gewicht fallen. Auch ist diese Angabe durch die unter Pfl\u00fcger\u2019s Leitung ausgef\u00fchrte nochmalige sehr sorgf\u00e4ltige Untersuchung von A. Ewald 3 widerlegt worden. Dieser hat ebenso wie Pfl\u00fcger gefunden, dass nach ausreichender L\u00fcftung der Lunge, wenn Apnoe eingetreten ist, das arterielle Blut mit Sauerstoff ges\u00e4ttigt ist, w\u00e4hrend dem normalen Arterienblut immer etwas, wenn auch zuweilen nur sehr wenig zur S\u00e4ttigung fehlt. Auffallen-\n1\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 61. 1868.\n2\tPaul Hering, Einige Untersuchungen \u00fcber die Zusammensetzung der Blut-gase w\u00e4hrend der Apnoe. Inaug.-Diss. Dorpat 1867.\n3\tA. Ewald, Arch. f. d. ges. Physiol. VIL S. 575.","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nder Weise ist aber das Venenblut in der Apnoe \u00e4rmer an Sauerstoff als in der Norm, was wahrscheinlich durch die langsamere Str\u00f6mung des Blutes durch die Capillaren (in Folge des niederen Blutdrucks) bedingt ist, wodurch dem Blute Zeit bleibt, in den K\u00f6rper-capillaren viel mehr Sauerstoff zu verlieren, den es aber in den Lungencapillaren immer wieder ersetzt.\nDurch die mitgetkeilten Versuche ist der Zusammenhang zwischen dem Gasgehalt des Blutes und der Th\u00e4tigkeit des Atkem-centrums erwiesen. Derselbe l\u00e4sst sich aber auch noch weiter verfolgen, indem man auf den Grad dieser Th\u00e4tigkeit R\u00fccksicht nimmt. Je weiter n\u00e4mlich das Blut von dem S\u00e4ttigungspunkt mit Sauerstoff entfernt ist, desto st\u00e4rker ist die Arbeit, welche das Athemcentrum leistet. Sehr gut l\u00e4sst sich dieser Zusammenhang beobachten, wenn man beide Pleurah\u00f6hlen er\u00f6ffnet und k\u00fcnstliche Athmung einleitet. Man kann dann bei gen\u00fcgender L\u00fcftung vollkommene Apnoe erzeugen, oder aber durch Regelung der Luftzufuhr jeden beliebigen Grad von Dyspnoe. In diesem Falle zeigt sich nun stets eine ganz bestimmte Reihenfolge in der Theilnahme der einzelnen Muskeln an der Respirationsarbeit. Am genauesten sind diese Verh\u00e4ltnisse von Traube1 und von mir 2 am Kaninchen untersucht worden. Das Kaninchen inspirirt bei der gew\u00f6hnlichen Athmung nur durch Contraction des Zwerchfells; seine Ausathmung geschieht meist unter schwacher Mitwirkung des M. obliquus abdominis externus. Nimmt aber die. Respirationsarbeit zu, dann betheiligen sich an der Inspiration die Mm. intercostales extern! und intercartilaginei, die Levatores costarum, die Scaleni und die Serrati postici superiores und zwar bei allm\u00e4hlich zunehmender Dyspnoe in der hier aufgez\u00e4hlten Reihenfolge. Erst bei den allerh\u00f6chsten Graden der Dyspnoe kommen auch noch die Sternocleidomastoidei in Mitwirkung. Die Exspiration bleibt selbst bei dyspnoischer Athmung lange auf die Mm. obliqui abdominis beschr\u00e4nkt, erst bei den h\u00f6chsten Graden betheiligen sich die anderen Bauchmuskeln. Ueber die Intercostales interni konnte ich nichts Sicheres ausmachen.\nBei Hunden und Katzen wirken schon bei normaler Athmung die Intercostales externi, Intercartilaginei und Levatores costarum mit, dagegen ist ihre Exspiration ganz passiv; bei Dyspnoe kommen ausser diesen die anderen, schon beim Kaninchen erw\u00e4hnten Muskeln und zwar in derselben Reihenfolge in Th\u00e4tigkeit.3\n1\tTraube, Beitr. z. exper. Pathol, u. Physiol. II. S. 91 ff.\n2\tRosenthal, Athembewegungen. S. 174 ff.\n3\tRosenthal, Ebenda. S. 162 u. 183.","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innerv. d. Athmungsappar. Zustandekommen der Erregung. 269\nSinkt der Sauerstoffgehalt des Blutes sehr tief, so kommen ausser den Athemmuskeln noch andere in Th\u00e4tigkeit; es entstehen allgemeine Kr\u00e4mpfe (Erstickungskr\u00e4mpfe), welche anf\u00e4nglich klonisch sind, dann aber in tonische Kr\u00e4mpfe \u00fcbergehen, mit \u00fcberwiegender Wirkung aller Streckmuskeln. Ebenso gehen den Athem-bewegungen eine Reihe anderer Erregungen automatischer Centra parallel, welche alle dieselbe Abh\u00e4ngigkeit vom Sauerstoffgehalt des Blutes zeigen wie jene, d. h. um so st\u00e4rker werden, je mehr der Sauerstoffgehalt des Blutes abnimmt, n\u00e4mlich: die Innervation der vasoconstrictorischen Nerven, der Hemmungsfasern des Herzens, der Dilatatoren der Pupille, der Darmnerven, der Schweissnerven.1 Es ist also offenbar eine durchg\u00e4ngige Eigenschaft aller sogenannten \u201eautomatischen\u201c Nervencentra, dass ihre Th\u00e4tigkeit von dem Grade des Sauerstoffgehalts im Blute abh\u00e4ngt. Bei vollkommener S\u00e4ttigung des Blutes mit Sauerstoff scheinen sie alle ausser Th\u00e4tigkeit zu kommen (nur f\u00fcr die automatischen Apparate des Herzens l\u00e4sst sich dies nicht beweisen). Nimmt der Sauerstoffgehalt ab, so ge-rathen sie in Th\u00e4tigkeit; aber ihre Empfindlichkeit ist in dieser Beziehung sehr verschieden; das sogenannte Krampfcentrum ist das unempfindlichste von allen, da es erst bei einem sehr geringen Sauerstoffgehalt des Blutes in Th\u00e4tigkeit ger\u00e4th. Aber auch innerhalb des Athemcentrums selbst m\u00fcssen wir einzelne Unterabtheilungen mit verschiedener Empfindlichkeit annehmen, da nur so die allm\u00e4hlich sich erweiternde Zahl der an dem Athemmechanismus sich betheiligenden Muskeln verst\u00e4ndlich wird.\nSinkt der Sauerstoffgehalt des Blutes gar zu sehr, dann verlieren alle Nervencentra ihre Leistungsf\u00e4higkeit. Die st\u00fcrmischen Erscheinungen der allgemeinen Kr\u00e4mpfe machen einem Zustand der Erschlaffung aller Muskeln Platz, in welchem nur noch der freilich auch sehr geschw\u00e4chte Herzschlag und eine enorme Erweiterung der Pupillen zeigen, dass noch Leben vorhanden ist. Wir bezeichnen diesen Zustand als Asphyxie. Durch k\u00fcnstliche Athmung kann in diesem Zustand das Leben noch erhalten werden. Erfolgt diese Lebensrettung nicht, dann geht die Asphyxie in den Erstickungstod \u00fcber.'2\nY. Zustandekommen der Erregung im Atliemcentrum.\nDer Zusammenhang zwischen dem Gasgehalt des Blutes und der Th\u00e4tigkeit des Athemcentrums kann auf zweierlei Weisen auf-\n1\tLuchsinger, Dieses Handbuch. Y. (1) 435. \u2014 Ygl. auch Rosenthal , Bemerkungen u. s. w. S. 14 ff.\n2\tRosenthal, Arch. f.Anat. u. Physiol. 1864. S. 456.","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\ngefasst werden. Entweder sind die Nervenapparate, von welchen die Erregungen ausgehen, unmittelbar abh\u00e4ngig von der Beschaffenheit des sie umsp\u00fclenden, in ihren Capillaren circulirenden Blutes \u2014 oder dieses Blut wirkt auf peripherische Nerven und diese bewirken die Athembewegungen nach Art der Reflexbewegungen.\nDiese letztere Auffassung ist von verschiedenen Forschern vertreten worden. Wie wir schon gesehen haben, glaubte Marshall Hall1, dass die Vagi allein die Athembewegungen anregen; Volkmann2 und Vierordt3 dagegen glaubten s\u00e4mmtliche Nerven des K\u00f6rpers daf\u00fcr in Anspruch nehmen zu sollen. Schiff4 endlich stellte eine vermittelnde Ansicht auf, wonach f\u00fcr gew\u00f6hnlich durch die Vagi die Respiration angeregt werden soll ; seien aber diese durchschnittlich, so wachse der Reiz, bis er zur Reizung anderer, schwerer erregbarer Nerven hinreiche; daher die Abnahme der Zahl und der ver\u00e4nderte Typus der Respiration.\nIm Gegensatz hierzu glaubte ich 5 annehmen zu m\u00fcssen, dass die Einwirkung des Blutes eine directe, ohne Mitwirkung sensibler Nerven in der Med. oblongata stattfindende sei. Ich kam zu dieser Ansicht, weil die Athembewegungen noch fortdauern, wenn man das Grosshirn exstirpirt, die Vagi durchschnitten und das R\u00fcckenmark unterhalb des Abgangs der Athemnerven durchtrennt, also fast alle sensible Nerven von dem Athemcentrum abgetrennt hat.\nIn der That bleiben in diesem Falle nur einige Hirnnerven und die hinteren Wurzeln des Halstheils des R\u00fcckenmarks \u00fcbrig, durch welche sensible Erregungen dem Athemcentrum zugef\u00fchrt werden k\u00f6nnten. Aber gerade diesen letzteren ist dann eine besondere Bedeutung zugeschrieben worden. Rach6 fand n\u00e4mlich, dass die Durchschneidung dieser hinteren Wurzeln aus dem Halstheil des R\u00fcckenmarks ganz allein gen\u00fcge, um die Athembewegungen aufzuheben. Eine theilweise Durchschneidung derselben mache die Respirationsfrequenz geringer, die einzelnen Athembewegungen aber tiefer. Ob dabei die Vagi durchschnitten und das \u00fcbrige R\u00fcckenmark vom Halstheil abgetrennt sei oder nicht, sei gleichgiltig.\nIch konnte die Angaben von Rach nicht best\u00e4tigen. Im Gegen-theil, es gelang mir, die Athembewegungen deutlich fortdauern zu sehen, nachdem das R\u00fcckenmark am siebenten Halswirbel, das Ge-\n1\tMarshall Hall a. a. 0.\n2\tVolkmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1841. S. 342.\n3\tVierordt in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. IL S. 912.\n4\tSchiff, Lehrb. d. Physiol. I. S. 413.\t5 Rosenthal, Athembewegung. S. 14.\n6 E. Rach, Quo modo medulla oblongata, ut respirandi motus efficiat, incitetur.\nDiss. inaug. Regiomonti Pr. 1863.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innervation des Athmungsapparates. Erregung im Athemcentrum. 271\nhirn in der Gegend der Vierh\u00fcgel, alle hinteren Wurzeln am Hals-theil des R\u00fcckenmarks und beide Vagi durchschnitten waren.1 Auf der andern Seite wies ich nach, dass Athembewegungen auftreten, wenn an einem apnoisch gemachten Thier unter Fortsetzung der Lufteinblasungen die zum Gehirn gehenden Gef\u00e4sse verschlossen werden. In der That muss es f\u00fcr die Nervenorgane des Athemcentrums gleichgiltig sein, ob durch Verschluss der Gef\u00e4sse das in ihnen befindliche Blut nicht erneuert, oder ob dasselbe zwar circulirt, aber der f\u00fcr die Erregung wesentliche Theil, der Sauerstoff* n\u00e4mlich, fehlt. Die Folgen des Gef\u00e4ssverschlusses m\u00fcssen also dieselben sein wie die Folgen der Sauerstoffentziehung, sowohl f\u00fcr das Athemcentrum wie f\u00fcr die \u00fcbrigen automatischen Centra, n\u00e4mlich allm\u00e4hlich sich steigernde .Erregung und zuletzt Asphyxie. Dass es aber dabei nur auf die Beschaffenheit des Blutes im Gehirn und nicht in den peripheren Organen ankommt, wird durch jene Versuche bewiesen.\nAus dieser Auffassung des Zusammenhangs zwischen Blutbeschaffenheit und Nervencentren erkl\u00e4ren sich denn auch die Athembewegungen abgeschnittener K\u00f6pfe. Wenn das Athmungscentrum beim K\u00f6pfen mit abgetrennt ist und also noch in unversehrtem Zusammenhang mit den Athemmuskeln des Mauls und der Nase ist, f so muss sich seine Erregung an diesen auspr\u00e4gen. Sie muss aber eintreten, weil eben durch das K\u00f6pfen die Blutzufuhr vom Athemcentrum abgeschnitten ist. In allen andern F\u00e4llen von St\u00f6rungen des Kreislaufs (Verschluss der Kopfgef\u00e4sse, Verblutung, pl\u00f6tzlicher Herzstillstand u. s. w.) m\u00fcssen die Erscheinungen der Dyspnoe den andern Erscheinungen, allgemeine Kr\u00e4mpfe u. s. w. vorausgehen, resp. sie begleiten, wie es auch die Erfahrung lehrt. Sie m\u00fcssen auch ein constantes Symptom bei allen Herzgiften sein, d. h. solchen, : welche schnell Stillstand des Herzens hervorbringen, wie ich dies gleichfalls nachgewiesen habe.'2\nEinen besonderen Fall, welcher die Beziehungen zwischen Kreislauf und Athemcentrum sehr sch\u00f6n erl\u00e4utert, hat S. Mayer3 nachgewiesen. Erzeugt man durch passende Reizung des peripheren Vagusendes einen langanhaltenden Herzstillstand, so entsteht Dyspnoe, weil das Blut nicht ordentlich durch die Hirngef\u00e4sse circulirt. Durch die verst\u00e4rkten Athembewegungen nimmt aber dann das Blut in den Lungen mehr Sauerstoff auf, und wenn beim Nachlassen der\n1\tRosenthal, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865. S. 191. S. a. meine Bemerkungen \u00fcber die Th\u00e4tigkeit der automatischen Nervencentra.\n2\tRosenthal, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865. S. 601.\n3\tS. Mater, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-natunv. CI. (3) LXIX. S. 111.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272 Rosenthal, Die Physiologie cl. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nReizung dieses sauerstoffreichere Blut wieder in die Medulla oblongata str\u00f6mt, dann tritt vor\u00fcbergehend Apnoe ein.\nEs ist sehr schwer, eine ganz bestimmte Darstellung zu geben von der Art und Weise, wie die Blutbeschaffenheit auf die nerv\u00f6sen Organe so einwirken kann, dass sie in Erregung gerathen oder nicht, je nach ihrem Sauerstoffgehalt. Wenn man sagt, das sauerstoffarme Blut sei ein Reiz f\u00fcr die Nervencentra, so ist das nat\u00fcrlich nur ein kurzer Ausdruck f\u00fcr die Thatsache, keine Erkl\u00e4rung. Dennoch hat jener Ausdruck zu manchem Missverst\u00e4ndnis gef\u00fchrt. Man fand eine Schwierigkeit darin, dass etwas Negatives, der Mangel an Sauerstoff, ein Reiz sein sollte. Diese Schwierigkeit suchte Pfl\u00fcger1 dadurch zu umgehen, dass er mit Alex. Schmidt2 annahm, bei Sauerstoffmangel h\u00e4uften sich im Blut gewisse, leicht oxydable Stoffe an und diese wirkten reizend auf die Nervencentren. Aber dem widerspricht wieder, dass die vollst\u00e4ndige Entziehung des Blutes, wie sie bei der Verblutung oder dem Verschluss der Hirnarterien eintritt, ebenso reizend wirkt, als die Circulation sauerstoffarmen Blutes. Man muss daher die Vorstellung eines von aussen auf die nerv\u00f6sen Apparate einwirkenden Reizes ganz aufgeben und dementsprechend habe ich denn auch meine Ansicht3 dahin ausgedr\u00fcckt, dass \u201edie Vorg\u00e4nge in den Ganglien des Gehirns gebunden sind an chemische Processe, welche von der Beschaffenheit des Blutes ab-h\u00e4ngen, das in den Capillaren circulirt. Wenn dieses Blut reichlich mit Sauerstoff versehen ist, so sind die Vorg\u00e4nge andere als im entgegengesetzten Falle. Im letzteren Falle treten Ganglien, welche gew\u00f6hnlich nicht in Th\u00e4tigkeit sind, in Th\u00e4tigkeit, andere in verst\u00e4rkte\u201c. Darnach ist also das Blut nicht direct als Reiz aufzufassen in dem Sinne, dass ohne dasselbe die Reizung nicht zu Stande kommen k\u00f6nne, sondern nur als die Bedingung, von welcher das Zustandekommen des Reizes, wenn man diesen Ausdruck \u00fcberhaupt noch gebrauchen will, abh\u00e4ngt. Und wenn diese Bedingungen sich ohne Blut in der Nervensubstanz in der n\u00e4mlichen Weise entwickeln als bei sauerstoffarmem Blut, so m\u00fcssen die Erscheinungen in beiden F\u00e4llen dieselben sein, wie ich es eben f\u00fcr die F\u00e4lle der Verblutung, Herzl\u00e4hmung, Unterbindung der Hirnarterien u. s. w. nachgewiesen hatte.\nAnkn\u00fcpfend an einen Vorschlag von Hermann4 5 hat nun Nasse0\n1\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 61. 1868.\n2\tA. Schmidt, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-phys. CI. 1867. 9. Nov.\n3\tRosenthal, Berl. klin. Woch. 186S. Nr. 21. Vgl. auch: Bemerkungen u. s. w.\nS. 13.\t4 Hermann, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 7.\n5 Nasse, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1870. No. 18.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innervation d. Athmungsapparats. Erregung im Athemcentrum. 273\ngeglaubt, die Frage nach der Natur des fraglichen \u201eReizes\u201c entscheiden zu k\u00f6nnen, indem er das Blut aus den Hirngef\u00e4ssen durch eine \u201eindifferente\u201c Fl\u00fcssigkeit verdr\u00e4ngte. Er injicirte eine 0,6pro-centige, auf K\u00f6rpertemperatur erw\u00e4rmte Kochsalzl\u00f6sung in die Hirn-gef\u00e4sse eines Hundes und sah dabei keine Kr\u00e4mpfe, sondern nur schnelles Verschwinden aller Erregbarkeit. Demgegen\u00fcber habe ich1 nachgewiesen, dass eben das schnelle Verdr\u00e4ngen alles Sauerstoffs aus dem Nervengewebe dessen Erregbarkeit vernichten m\u00fcsse, und dass auch Kochsalzl\u00f6sung nicht ohne weiteres als eine indifferente Fl\u00fcssigkeit f\u00fcr Nervencentra angesehen werden k\u00f6nne. Wenn ich aber Serum in die Hirnarterien eines vorher apnoisch gemachten Thiers einstr\u00f6men liess, so traten deutliche Athembewegungen auf, weil die Erregbarkeit der Nervencentren dann nicht ganz so schnell vernichtet wurde ; auch waren die Athembewegungen st\u00e4rker und hielten l\u00e4nger an, wenn das Serum vorher m\u00f6glichst mit Sauerstoff impr\u00e4gnirt war, wodurch es die Erregbarkeit der Nervencentra noch langsamer als sonst vernichtete. Aus alledem k\u00f6nnen wir also schliessen, dass in der That eine gewisse Sauerstoffarmuth n\u00f6thig ist, um die Th\u00e4tigkeit dieser Centra zu veranlassen, dass bis zu einem gewissen Grade mit der Zunahme dieser Sauerstoffarmuth die Th\u00e4tigkeit dieser Centra zunimmt, dass aber bei noch h\u00f6heren Graden der Sauerstoffverarmung die Erregbarkeit der Centra abnimmt und damit ihre Th\u00e4tigkeit trotz des vorhandenen \u201eReizes\u201c unm\u00f6glich wird.\nEs wird aus dem Gesagten klar, dass zur Herstellung der Apnoe ein gewisser Sauerstofifreichthum des Blutes n\u00f6thig ist, dass aber dies nicht gerade der Zustand der S\u00e4ttigung zu sein braucht.2 Im Gegentheil wird die Apnoe schon eintreten k\u00f6nnen bei einem relativ niederen Sauerstoffgehalt, wenn aus irgend einem Grunde die Erregbarkeit der Nervenorgane gering ist, und umgekehrt wird selbst ein hoher Sauerstoffgehalt nicht ausreichen, Apnoe zu erzeugen, wenn die Erregbarkeit derselben sehr hoch ist. Ein solcher Fall scheint vorzuliegen bei der sogenannten \u201eW\u00e4rmedyspnoe\u201c von Goldstein.3 Dieser fand n\u00e4mlich, dass man die Athemfrequenz durch Erw\u00e4rmung des Carotidenblutes betr\u00e4chtlich steigern, durch Abk\u00fchlung desselben betr\u00e4chtlich herabsetzen kann. Es erkl\u00e4rt dies die von Ackermann,\n1\tRosenthal, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1870. S. 4'23.\n2\tKoch weniger der einer \u201eUebers\u00e4ttigung\u201c, wie mir Gad (Ueber Apnoe etc. S. 3) ohne mein Verschulden zuschreibt. Eine solche Uebers\u00e4ttigung ist meiner Ansicht nach unm\u00f6glich. Das Blut kann ja wohl nicht mehr Sauerstoff aufnehmen als eben zur S\u00e4ttigung ausreicht.\n3\tGoldstein, W\u00fcrzburger Verh. 1871. S. 156.\nHandtmGh der Physiologie. Bd. IVa.\t18","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"27 4 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nmir u. A. gefundene erhebliche Zunahme der Athemfrequenz bei Steigerung der Eigenw\u00e4rme und zeigt, dass die Ursache eine centrale sein muss, sei es, dass die Erregbarkeit des Athemcentrums erheblich vermehrt oder dass die Sauerstoffzehrung in ihm gesteigert sei. Uebrigens fand Goldstein, dass bei dieser W\u00e4rmedyspnoe die Durchschneidung der Vagi nicht mehr die Athemfrequenz herabsetzt, woraus auch auf eine Ver\u00e4nderung der Beziehungen des Vagus zum Athemcentrum geschlossen werden m\u00fcsste.\nDen Vorgang, durch welchen in der Regel die Apnoe hergestellt wird, m\u00fcssen wir uns folgender Weise vorstellen: Bei der gew\u00f6hnlichen Athmung wird das ven\u00f6se Blut bei seinem Durchgang durch die Lungen schon fast vollkommen mit Sauerstoff ges\u00e4ttigt. Es bedarf daher nur einer sehr geringen Zunahme der Athmungs-tiefe, um es ganz zu s\u00e4ttigen. Das Blut kann aber offenbar nur einen sehr kleinen Theil des in den Alveolen vorr\u00e4thigen Sauerstoffs aufnehmen. Ist nun sehr viel Sauerstoff in denselben, so kann das Blut sich noch lange s\u00e4ttigen, ehe eine neue Inspiration n\u00f6thig wird. So lange aber, als das Blut aus den Lungenvenen ges\u00e4ttigt abl\u00e4uft, also auch ganz oder nahezu ges\u00e4ttigt in die Med. oblongata gelangt, l\u00f6st es keine Athembewegung aus. Dabei kann das Venenblut nat\u00fcrlich von der S\u00e4ttigung mehr oder weniger entfernt sein, ja es wird sogar in der Regel nicht ges\u00e4ttigt sein; denn das aus den Lungen abstr\u00f6mende Blut kann h\u00f6chstens ges\u00e4ttigt sein und beim Durchgang durch die K\u00f6rpercapillaren muss es doch immer etwas von seinem Sauerstoff einb\u00fcssen. Der Umstand also, dass auch auf der H\u00f6he der Apnoe das Venenblut immer noch dunkler ist als das arterielle, welcher G ad 1 so grosse Schwierigkeit bereitet hat, ist meiner Meinung nach ganz selbstverst\u00e4ndlich. Es kann also nur darauf ankommen, zu entscheiden, ob diese Erkl\u00e4rungsweise ausreicht, oder ob noch andere Momente zur Erkl\u00e4rung, der Apnoe heranzuziehen sind. Mehrere Forscher, so auch Gad, schreiben nun den Vagis eine besondere Rolle dabei zu. Sie glauben, dass es nach Vagusdurchschneidung schwieriger sei, Apnoe zu erzeugen als vorher. Ich kann dies nach meinen Erfahrungen nicht zugeben. Noch weniger aber kann ich Hoppe-Sealer\u2019s Anschauung gelten lassen, dass die Apnoe nur die Folge einer Misshandlung des Ath-mungsapparates sei. Wenn ich nur eine einzige sehr tiefe Inspiration mache, wird die darauf folgende Athempause auf das 3 \u20146 fache\n1 Gad, Ueber Apnoe und \u00fcber die in der Lehre von der Regulirung der Athem-th\u00e4tigkeit angewandte Terminologie. W\u00fcrzburg 1880.","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innervation d. Attmmngsapparats. Erregung im A them centrum.\n275\nihrer normalen Dauer verl\u00e4ngert. Wenn ich einige solcher tiefen Athemz\u00fcge hinter einander mache, erhalte ich eine Apnoe von 5 bis-10 Secunden Dauer und dar\u00fcber. Aehnliches sieht man bei Kaninchen, denen man mit einem Blasebalg Luft einbl\u00e4st. F\u00e4hrt man damit eine Zeit lang fort, so kann man, wie ich gezeigt habe, Apnoe\nFig. 24. Vereinfachter Phrenograph von J. Eosenthal.\nvon der Dauer mehrerer Minuten erzeugen. Wartet man nun ab, bis die Athembewegungen wieder beginnen, so sind diese zuerst ausserordentlich schwach und kehren nur ganz allm\u00e4hlich zur gew\u00f6hnlichen St\u00e4rke zur\u00fcck. Ich habe dar\u00fcber in neuerer Zeit (noch nicht anderweitig ver\u00f6ffentlichte) Versuche angestellt, von denen ich\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nhier ein Beispiel mittheilen will. Ich bediente mich zur Aufzeichnung der Athembewegungen entweder der fr\u00fcher erw\u00e4hnten Oeso-phagussonde, mittels deren die intrathoracalen Druckschwankungen registrirt werden, oder einer Ab\u00e4nderung des von mir fr\u00fcher beschriebenen Phrenographen1, welcher nur die Zwerchfellbewegung aufschreibt. Letzterer Apparat ist in Fig. 24 dargestellt. Der gekr\u00fcmmte Zwerchfellhebel hh' liegt mit seinem unteren Ende zwischen Leber und Zwerchfell. Er wird durch eine kleine, unmittelbar unter dem Proc. xiphoides angebrachte Wunde der Linea alba eingef\u00fchrt, seine Drehaxe ist in einem flachen Ringe enthalten, welcher durch einen Halter am Vivisectionsbrett festgestellt wird. Sein oberes Ende h' lehnt gegen eine auf der Membran einer MAREv\u2019schen Kapsel befestigten Holzplatte und erzeugt in jener Schwankungen des Luftdrucks, welche durch einen Kautschukschlauch auf eine Schreibkapsel \u00fcbertragen, dem Hebel der letzteren Bewegungen mittheilen, die den Zwerchfellsbewegungen proportional sind. Die obere\nFig. 25. Zwerchfellcurven in ruhiger normaler Athmung und heim Wiederbeginn der Athmung\nnach Apnoe.\nCurve der Figur 25 zeigt die normalen Zwerchfellbewegungen eines ruhig athmenden, mit Chloralhydrat narkotisirten Kaninchens, die untere Curve die nach einer Apnoe von \u00fcber 2 Minuten Dauer wieder beginnenden Athembewegungen. Als der Hebel bei a eine deutliche Excursion gezeichnet hatte, wurde die Kymographiontrommel wieder in Gang gesetzt. Was besonders auff\u00e4llt, ist der Umstand, dass die ersten Bewegungen des Zwerchfells nach der Apnoe nicht blos schw\u00e4cher sind als die normalen, sondern auch langsamer er-\n1 Rosenthal, Athembewegungen. S. 50.","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innervation d. Athmungsapparats. Erregung im Athemcentrum. 277\nfolgen, und class sie ganz allm\u00e4hlich in die Form \u00fcbergehen, welche f\u00fcr die normalen Bewegungen charakteristisch ist. Dabei erfolgt dann bei jeder Exspiration eine etwas st\u00e4rkere Aufw\u00e4rtsbewegung des Zwerchfells, sodass die Excursionen desselben nach beiden Richtungen an Ausgiebigkeit wachsen. Eine ausreichende Erkl\u00e4rung dieses Umstands vermag ich noch nicht zu geben, weshalb ich mir Vorbehalte, an einem andern Orte darauf zur\u00fcckzukommen.\nGanz in diesem Sinne sind auch die Erfahrungen, welche Franz1 an Kaninchen machte, die durch Lufteinblasungen oder durch rhythmische Reizung der Nn. phrenici apnoisch gemacht wurden. W\u00e4hrend der Apnoe hat das Blut in der freigelegten Carotis eine helle Farbe. Nach Unterbrechung der k\u00fcnstlichen Athmung bleibt diese einige Zeit-unver\u00e4ndert (das ist offenbar die Zeit, w\u00e4hrend der der D-Gehalt der Alveolarluft hoch genug ist, um an das Lungenblut so viel 0 abzugeben, als zur S\u00e4ttigung geh\u00f6rt); dann wird es pl\u00f6tzlich dunkler und in diesem Moment beginnt die normale Athmung; und das Blut beh\u00e4lt nun diese N\u00fcance, so lange in der Athmung keine Aenderung eintritt.\nDass HerterV2 Annahme, das Arterienblut sei schon bei normaler Athmung mit 0 ges\u00e4ttigt, und die aus diesem Befund gezogenen Schlussfolgerungen Hoppe-Seyler\u2019s keine allgemeine Giltigkeit beanspruchen k\u00f6nnen, geht aus den fr\u00fcher mitgetheilten Blutgasanalysen von Ewald u. A. hervor, sowie den neueren Angaben von H\u00fcfner3, welcher im Arterienblut stets etwas freies H\u00e4moglobin neben Oxyh\u00e4moglobin fand. Auch hat Filehne4 die Einw\u00e4nde Hoppe-Seyler\u2019s einer Kritik unterworfen, die im Wesentlichen die hier vorgetragene Lehre von der Apnoe aufrecht zu erhalten erm\u00f6glichen w\u00fcrde, selbst wenn der Befund Herter\u2019s allgemein giltig w\u00e4re.\nDiese Beziehungen zwischen der Th\u00e4tigkeit des Athemcentrums und dem Sauerstoffgehalt des Blutes und der von mir nachgewiesene Zusammenhang zwischen letzterem und den Reflexvorg\u00e4ngen im R\u00fcckenmark n\u00f6thigt uns, nochmals die Frage zu er\u00f6rtern, ob nicht dennoch, trotz der schon vorgebrachten Gr\u00fcnde, die Athembewegun-gen als Reflexe aufzufassen sind. S\u00e4ttigt man das Blut mit Sauerstoff, so bewirken Strychnin und andere Reflexgifte keine Kr\u00e4mpfe.5 Es ist im Zustande der Apnoe die Reflexerregbarkeit des R\u00fccken-\n1\tFranz, Arch. f. Physiol. 1880. S. 393.\n2\tHerter, Ztschr. f. physiol. Chem. III. S. 98. 1879.\n3\tHtiFNER, Ebenda. S. 1.\n4\tFilehne, Arch. f. Physiol. 1879. S. 235.\n5\tRosenthal, Compt. rend. LXIV. p. 1142. 1867. \u2014 Leube, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1867. S. 629. \u2014 Uspensky, Ebenda. 1868. S. 401 u. 522.","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278 Posenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nmarks sehr herabgesetzt. Es liegt nun nahe, die Analogie auf das Athmungseentrum zu \u00fcbertragen und darum die normale Th\u00e4tigkeit desselben auch als Reflex aufzufassen. Da aber Kiionecker und Markwald1 fanden, dass auch elektrische Reize auf die Medulla oblongata nicht wirken, wenn das Thier apnoisch ist, so m\u00fcsste man entweder auch die durch directe elektrische Reizung ausgel\u00f6sten Athembewegungen nur f\u00fcr reflectorische erkl\u00e4ren, oder man muss den Satz allgemeiner fassen und sagen, dass verschiedene Nerven-centra durch den Umstand, dass mit Sauerstoff ges\u00e4ttigtes Blut sie umsp\u00fclt, in einen geringeren Grad von Erregbarkeit versetzt werden, derart, dass sowohl die inneren Ursachen, welche sie sonst zur Th\u00e4tigkeit anregen, als auch \u00e4ussere Reize dann schwerer auf sie einwirken. Eine Entscheidung durch Versuche zwischen diesen verschiedenen Deutungen ist vorerst nicht gegeben. Es wird daher der subjectiven Auffassung noch freier Spielraum gelassen werden m\u00fcssen. Soviel aber k\u00f6nnen wir doch als Ergebniss der bisherigen Er\u00f6rterungen hinstellen, dass mehr Gr\u00fcnde f\u00fcr ein automatisches Entstehen der Erregungen in der Medulla oblongata als f\u00fcr einen reflect or is eh en Ursprung derselben in den Endigungen der Vagi oder irgend welcher anderen sensiblen Nerven sprechen.\nWir haben schliesslich noch die Frage zu er\u00f6rtern, warum Thiere in reinem Sauerstoff nicht apnoisch werden. Die Frage sollte eigentlich lauten, warum die Athmungsfrequenz nicht abnimmt, denn Apnoe kann ja nicht entstehen, weil ohne Athembewegungen auch reiner Sauerstoff nicht schnell genug in die Alveolen eindringen kann, um das Blut immer auf dem S\u00e4ttigungsgrad zu erhalten. Nun existiren aber meines Wisssens ausser den alten Versuchen von Davy, Allen und Pepys und den neueren von Bert keine ordentlichen Angaben \u00fcber die Wirkungen der Sauerstoffathmung ; jene aber sclieinen zu beweisen, dass der Sauerstoff, wenn er in gr\u00f6sserer Menge ins Blut gelangt, besondere Wirkungen \u00e4ussert. Dazu ist aber, wie in den Versuchen von Bert, ein h\u00f6herer Druck n\u00f6thig, denn bei gew\u00f6hnlichem Druck kann das Blut, wie wir gesehen haben, sich h\u00f6chstens mit Sauerstoff s\u00e4ttigen. Ob vielleicht die Wirkungen des Sauerstoffs theilweise von beigemengtem Ozon herr\u00fchren, ist noch erst durch Versuche zu entscheiden.\nVI. Die Regulirung der Atliemhewegimgen.\nWenn die Stoffwechselvorg\u00e4nge im Athemcentrum von dem Sauerstoffgehalt des Blutes bedingt sind, und die in jenem Centrum\n1 Kronecker u. Markwald, Arch. f. Physiol. 1S79. S. 593.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innerv. d. Athmungsapparats. Regulirung d. Athembewegungen.\n279\nentstehenden Erregungen dem Grade der Sauerstoffs\u00e4ttigung entsprechen, so versteht man wohl, warum diese Erregungen unter Umst\u00e4nden st\u00e4rker oder schw\u00e4cher werden k\u00f6nnen, aber es bleibt noch zu erkl\u00e4ren, warum die durch sie ausgel\u00f6sten Bewegungen rhythmische sind. Die Rhythmik muss offenbar nicht unbedingt mit der automatischen Erregung verbunden sein. Denn einige automatische Centra, welche sich im \u00fcbrigen geradeso wie das Athemcentrum verhalten, namentlich in Bezug auf die Einwirkung des Sauerstoffgehalts des Blutes (wie das Gef\u00e4sscentrum, das Centrum des Dilatator iridis), zeigen keine ausgepr\u00e4gte Rhythmik in ihrer Th\u00e4tigkeit. Eine solche Rhythmik w\u00e4re nat\u00fcrlich leicht zu verstehen, wenn die Ursache der Th\u00e4tigkeit sich rhythmisch \u00e4nderte. So lange man die Athembewegungen. als reflectorische ansah, konnte man Hypothesen ersinnen, welche eine rhythmische Reizung peripherer Nervenenden zur Voraussetzung hatten. Wenn aber die automatische Entstehung der Erregung im engeren Sinne zugegeben werden muss, dann ist es kaum glaublich anzunehmen, dass der Sauerstoffgehalt des Blutes, welches durch die Capillaren der Medulla oblongata fliesst, in der kurzen Zeit von einem Athemzug zum andern seine Beschaffenheit so \u00e4ndert, dass es abwechselnd zur Entstehung der Erregungen Veranlassung gibt und wieder nicht.\nDem entsprechend m\u00fcssen wir die Erkl\u00e4rungsversuche von Volkmann, Vierordt, Schiff u. A. als ungen\u00fcgend zur\u00fcckweisen, welche alle darauf hinauskommen, dass die Nervi vagi oder andere sensible Nerven bei einer gewissen Blutbeschaffenheit erregt werden und dadurch eine Inspiration erregen, dass aber nun durch die Aufnahme von Sauerstoff ins Blut die Erregungsursache fortfalle und darum die Inspiration nachlasse u. s. w. Anders steht es mit der Ab\u00e4nderung, welche diese Hypothese durch Hering u. Breuer1 2 erfahren hat; denn nach dieser w\u00fcrde die bei der Inspiration erfolgende Zerrung der Vagus\u00e4ste eine Hemmung bewirken und dadurch trotz der im Athemcentrum fortdauernden Reizung der Inspirationsbewegung ein Ende bereiten, eine Anschauung, der sich im Wesentlichen auch Gad und Langendorff 2 anschliessen.\nAber diese Auffassung l\u00e4sst es doch unerkl\u00e4rt, warum auch nach der Vagusdurchschneidung die Athmung, wenn auch ver\u00e4ndert, doch immer noch rhythmisch ist. M\u00fcssen wir hierf\u00fcr noch nach einer besonderen Erkl\u00e4rung suchen, so ist doch dieselbe auch f\u00fcr den Fall\n1\tHering u. Breuer, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. CI. (2) LVII. S. 672.\n2\tGad, Arch. f. Physiol. 1880. S. 1. \u2014 Langendorff, Ebenda. S. 518.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nder gew\u00f6hnlichen Athmung, bei nicht durchschnittenen Vagis, zu verwenden. Und ausserdem entsteht die Frage, wie weit wir berechtigt sind, \u00fcberhaupt von einer Hemmung der Inspiration durch die Vagi zu sprechen.\nBei der Beurtheilung dieser Fragen kommen sowohl die Erscheinungen der k\u00fcnstlichen Vagusreizung wie der Vagusdurchschneidung in Betracht. In Bezug auf erstere haben meine fr\u00fcheren Untersuchungen, wie auch neuere Wiederholungen derselben1 ergeben, dass die Beizung des centralen Vagusendes in demselben Maasse,\nFig. 26. Intrathoracaler Druck hei Vagusreizung. Nach J. Rosenthal,\nals sie die Respirationsfrequenz vermehrt, die einzelnen Inspirationen schw\u00e4cher macht, und wenn sie zu einem Stillst\u00e4nde f\u00fchrt, dieser\nFig. 27. Verhalten des Zwerchfells hei Vagusreizung. Nach J. Rosenthal.\nimmer mit einer schw\u00e4cheren Contraction der Inspirationsmuskeln verbunden ist, als sie den einzelnen, ohne die Reizung erfolgenden Inspirationen zukommt. Ich habe diese Thatsache sowohl an dem Gesammteffect der Athmung als an den einzelnen Muskeln nackge-\n1 Rosenthal, Athembewegungen. 1862 u. Arch. f. Physiol. 1880. Suppl.-Bd. S. 34 u. 1881. S. 39.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innerv. cl. Athmungsapparates. Regulirung d. Athembewegung. 281\nwiesen. F\u00fcr den ersteren eignet sich am besten die Registrirung des intrathoracalen Drucks, da die Schwankungen desselben den Arbeitsleistungen der Atkemmusculatur proportional sind. Fig. 26 zeigt das Verhalten bei verschiedenen Reizst\u00e4rken; die kleinen Ausbiegungen der Curven r\u00fchren von den Herzcontractionen her. Fig. 27 zeigt dasselbe f\u00fcr den wichtigsten Athemmuskel, das Zwerchfell, aufgeschrieben mittels des oben erw\u00e4hnten Phrenographen. Die obere Curve zeigt Beschleunigung mit Abflachung der Bewegungen bei schw\u00e4cherer, die beiden unteren Zwerchfellstillstand bei etwas st\u00e4rkerer Vagusreizung und zwar die unterste f\u00fcr den Fall, dass beide Vagi durchschnitten sind.\nAus meinen Untersuchungen geht ferner hervor, dass die St\u00e4rke der zu erzielenden Contractionen von Inspirationsmuskeln w\u00e4hrend eines durch Vagusreizung erzielten Stillstands abh\u00e4ngt von der St\u00e4rke der vorher bestandenen Th\u00e4tigkeit des Athemapparats, also von der Beschaffenheit des Blutes.1 Macht man das Thier apnoisch, so dass gar keine Athmungsth\u00e4tigkeit vorhanden ist, so hat die Vagusreizung gar keine Wirkung; zieht sich nur das Zwerchfell zusammen, so wirkt die Vagusreizung auch nur auf dieses; besteht endlich Dyspnoe, so dass nicht nur das Zwerchfell sehr starke Contractionen macht, sondern auch andere accessorische Hilfsmuskeln in Th\u00e4tigkeit sind, so erh\u00e4lt man nicht nur Stillstand des Zwerchfells in sehr stark contrahirtem Zustand, sondern auch dauernde Contraction jener accessorischen Muskeln. Aus diesen Beziehungen erkl\u00e4rt sich auch, warum meist w\u00e4hrend eines durch Vagusreizung bewirkten Ath-mungsstillstandes die Zwerckfellscontraction langsam zunimmt, wie dies die mittlere Curve von Fig. 27 deutlich zeigt. Denn w\u00e4hrend des Zwerchfellstillstandes muss ja, da der Gaswechsel in den Lungen sistirt ist, die Reizst\u00e4rke im Athmungscentrum zunehmen.\nAus diesem Verhalten kann man nun schliessen, dass die Vagusreizung in der Weise auf das Athmungscentrum einwirkt, dass nicht sowohl die Gr\u00f6sse der von diesem ausgehenden Leistung als vielmehr die Art und Weise, in welcher diese Leistung zur Erscheinung kommt, beeinflusst wird. Ist diese Auffassung richtig, so muss die Durchschneidung beider Vagi die Gr\u00f6sse der Arbeitsleistung des Athemapparats unver\u00e4ndert lassen. Ich habe, um diese zu messen, die Athemgr\u00f6sse vor und nach Vagusdurchschneidung bestimmt und nicht wesentlich ge\u00e4ndert gefunden.2 Die Messungsmethode war\n1\tRosenthal, Athembewegungen. S. 144 ff.\n2\tDerselbe, Athembewegungen. S. 93 ff.","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nrecht unvollkommen, namentlich wegen der grossen durch die Ventile eingef\u00fchrten Widerst\u00e4nde; auch ist die Athemgr\u00f6sse ja kein sicheres Maass der Arbeitsleistung des Athemapparates, wie ich dies gleich betont habe. Ich habe neuerdings daf\u00fcr die directe Bestimmung der Arbeit aus den intrathoracalen Druckschwankungen eingef\u00fchrt und bin doch zu demselben Ergebniss gelangt.1 Die Vagusdurchschneidung oder die Vagusreizung ver\u00e4ndern zwar die Form und die Zahl der Athembewegungen, lassen aber die Gesammtsumme der vom Athemcentrum geleisteten Arbeit unver\u00e4ndert.\nGegen meine Auffassung der Vaguswirkung hat sich besonders Gad2 ausgesprochen auf Grund von Versuchen, die er angestellt hat, um die reinen \u201e Ausfallserscheinungen\u201c zu studiren, d. h. die Erscheinungen, welche von der Aufhebung der Leitung in den Vagis ohne alle Reizung herr\u00fchren. Die blosse Durchschneidung gen\u00fcgt ihm zu diesem Zweck nicht, weil sie eben mit der mechanischen Reizung verbunden ist, von deren Folgen sich Gad (ebenso wie Langen-dorff u. A.) nach meiner Ueberzeugung \u00fcbertriebene Vorstellungen macht. Um diese \u201ereinen Ausfallserscheinungen\u201c zu sehen, erkaltet Gad die Nerven schnell unter den Gefrierpunkt. Die Leitung wird allerdings hierdurch aufgehoben, aber zugleich wird eine Reizung bewirkt, welche ja gerade vermieden werden soll. Den Beweis daf\u00fcr werde ich an einer anderen Stelle f\u00fchren.\nAus alledem folgt also, dass eine \u201eHemmung\u201c der Inspiration durch den Vagus nicht nachgewiesen, und dass eine Erkl\u00e4rung des Rhythmus der Athmung dadurch nicht m\u00f6glich ist, zumal dann immer noch zu erkl\u00e4ren bliebe, warum auch nach Vagusdurchschneidung noch rhythmisch geathmet wird. Ich habe nun, um diese Rhythmik zu erkl\u00e4ren, eine Hypothese aufgestellt, die freilich nicht viel mehr als ein Bild oder Gleichniss sein kann.3 Danach kommt die Rhythmik dadurch zu Stande, dass die im Athmungscentrum entstehenden Erregungen nicht unmittelbar auf die motorischen Nervenbahnen \u00fcbergehen, sondern einen Widerstand passiren m\u00fcssen, durch welchen die continuirliche Erregung in eine discontinuirliche, rhythmische Wirkung umgesetzt wird.\nWas diese Hypothese besonders empfiehlt, ist der Umstand, dass sie von den Hemniungsnerven eine einfache und klare Vorstellung zu geben gestattet; Hemmung w\u00fcrde danach eine Vermehrung jenes hypothetischen Widerstandes bedeuten, welche die vorhandene Er-\n1\tRosenthal, Arch. f. Physiol. 1880. Erg\u00e4nzungsb. S. 34.\n2\tGad, Arch. f. Physiol. 1880. S. 1.\n3\tRosenthal, Athembewegungen. S. 241 ff. \u2014 Bemerkungen u.s. w. S. 28 ff.","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"283\n3. Cap. Die Innerv. d. Athmungsapparates. Regulirung d. Athembewegung.\nregung niclit zu den motorisclien Nerven und Muskeln durchdringen l\u00e4sst. Ick st\u00fctzte diese Auffassung durch den Nachweis, dass im Laryngeus superior Hemmungsfasern f\u00fcr die Athembewegungen enthalten sind, welche den sonst bekannten Hemmungsfasern ganz analog wirken.1\nDie Durchschneidung eines oder beider Nn. laryng. sup. hat nur sehr geringf\u00fcgige Aenderungen der Athembewegungen zur Folge, sogar gar keine, wenn nur die sogenannten Rami interni dieser Nerven durchschnitten werden. Aber dies beweist nur, dass diese Nervenfasern f\u00fcr gew\u00f6hnlich nicht im Zustande der Erregung sich befinden. Werden sie aber in ihren Endausbreitungen auf der Schleimhaut des Kehlkopfes erregt, so treten m\u00e4chtige Aenderungen in den Athembewegungen ein : die Stimmritze wird reflectorisck geschlossen, die Inspiration wird unterbrochen, bei st\u00e4rkerer Reizung treten active Exspirationen auf \u2014 das Ganze stellt den Husten dar. Reizt man nun einen Laryngeus superior, nachdem man ihn vom Kehlkopf abgel\u00f6st hat, an seinem centralen Ende mit elektrischen Inductions-str\u00f6men, so sieht man bei schwacher Reizung Verlangsamung der Athembewegungen, wobei aber die einzelnen Inspirationen an Tiefe zunehmen, bei st\u00e4rkerer Reizung absoluten Stillstand des ganzen Respirationsapparats, bei noch st\u00e4rkerer Reizung endlich k\u00f6nnen einzelne exspiratorische Muskeln in Contraction kommen. Die Erscheinungen an den Inspirationsmuskeln sind also vollkommen analog denen am Herzen bei Vagusreizung, und wir sind berechtigt, den N. laryngeus superior als einen Hemmungsnerven der Athmung zu bezeichnen.\nEs scheint, als ob auch unterhalb des Laryngeus superior noch Fasern im Vagus Vorkommen, welche jenen gleich oder doch wenigstens \u00e4hnlich sind, n\u00e4mlich im Laryng. inf. nach Burkart und in den Lungenfasern des Vagus selbst nach Hering u. Breuer. Wie dem aber auch sei, die eigentlichen, von Traube entdeckten Lungenfasern des Vagus, deren Durchschneidung die bedeutsamen Aenderungen im Athmungstypus und deren Reizung die oben besprochenen Ver\u00e4nderungen hervorbringt, sind den Laryngeusfasern gerade entgegengesetzt. Bezeichnen wir jene als Hemmungsfasern und erkl\u00e4ren wir ihre Wirkung durch eine Vermehrung des hypothetischen Widerstandes im Athemcentrum, so k\u00f6nnen wir diese zum Unterschied als regulirende Fasern bezeichnen und ihre Wirkung durch\n1 Rosenthal, Amtl. Ber. d. deutsch. Naturforschervers. in K\u00f6nigsberg. 1860. S. 122; Compt. rend. LII. S. 754; Athembewegungen. S. 61 ff. 219 ff.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284 Rosenthal, Die Physiologie d. Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\neine Verminderung jenes Widerstandes erkl\u00e4ren. Eine solche Erkl\u00e4rung gibt wenigstens von den Folgen der Vagusdurchschneidung und der Vagusreizung eine ausreichende Vorstellung, bei der freilich die Frage, wie die Vermehrung oder Verminderung des Widerstandes zu Stande komme, zun\u00e4chst ungel\u00f6st bleibt.\nWir denken uns also die Regulirung der normalen Athmung so, dass auf der Bahn der Nn. vagi stets Erregungen zum Athemcen-trum gelangen, welche die dort entstehende Reizung in einer Reihe schwacher, aber oft erfolgender Innervationen zur Abgleichung bringt. Werden die Vagi durchschnitten, so muss dieselbe Arbeitsleistung in einer geringeren Zahl st\u00e4rkerer Innervationen hervortreten. Die Summe der in der Zeiteinheit geleisteten Arbeit des Athmungsappa-rats ist aber davon unabh\u00e4ngig; sie h\u00e4ngt nur ab von dem Sauerstoffgehalt des im Athmungscentrum circulirenden Blutes.\nDie stetige Erregung der regulirenden Vagusfasern geht in der Lunge vor sich. Sie kann bedingt sein von der chemischen Beschaffenheit des Blutes oder von der mechanischen Zerrung der Nervenenden in den Lungen durch die Athembewegungen selbst. F\u00fcr das letztere sprechen einzelne Thatsachen, namentlich die Unterschiede in der Form der Dyspnoe, je nachdem sie durch Hindernisse in den luftzuf\u00fchrenden Wegen oder durch andere Umst\u00e4nde bedingt sind. Eine ersch\u00f6pfende Behandlung dieser Frage ist aber bis jetzt noch unm\u00f6glich, weil das tkats\u00e4chliche Material noch zu l\u00fcckenhaft ist. In dieser Beziehung sei hier auf die Versuche von Berns1 hingewiesen, welche allerdings auf eine Erregung der Vagusenden durch gewisse Gase, namentlich Kohlens\u00e4ure, schliessen lassen.\nNachtr\u00e4glicher Zusatz. In einer neueren Publication2 hat Christiani die schon oben kurz erw\u00e4hnten Mittheilungen \u00fcber Athem-centren und ihre Beziehungen zu den Sinnesnerven vervollst\u00e4ndigt. Elektrische, mechanische oder Lichtreizung des N. opticus bewirkt Beschleunigung der Athmung nach Art der Vagusreizung, w\u00e4hrend mechanische oder elektrische Reizung des Trigeminus dieselbe im exspiratorischen Sinne beeinflusst. Wie der Opticus wirkt auch der Acusticus auf elektrische oder akustische Reizung, \u00e4hnlich wie der Vagus, beschleunigend und inspiratorisch. Nach Entfernungen des Grosshirns und der Streifenh\u00fcgel sind diese Reizwirkungen noch ausgesprochener als ohne diese Operation. Directe Reizung der Hirn-theile zeigte, dass im Innern der Sehh\u00fcgel in geringer H\u00f6he \u00fcber dem Boden, in der Seiten wand des dritten Ventrikels nahe den Vier-\n1\tBerns, Nederl. Arch, voor Genees-en Natuurk. V. p. 179.\n2\tChristiani, Monatsber. d. Berliner Acad. Sitz. v. 17. Febr. 1881.","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Innerv. d. Atkmungsapparates. Regulirung d. Athembewegung.\n285\nb\u00fcgeln eine circumscripte Stelle vorhanden ist, deren mechanische, thermische oder elektrische Reizung Stillstand des Zwerchfells in Inspiration oder bei schw\u00e4cherer Reizung inspiratorisch vertiefte und beschleunigte Athmung verursacht. Trennt man die Sehh\u00fcgel durch einen Schnitt in der Medianebene, so kann man das betreffende Organ auf jeder Seite einzeln reizen. Im Gegensatz zur Vagusreizung ist die Athmung bei dieser Reizung nicht beschleunigt und dabei verflacht, sondern beschleunigt und zugleich vertieft und zwar nach beiden Richtungen und unter Hinzutreten concomitirender Bewegungen, zuweilen auch nur vertieft ohne Vermehrung der Frequenz. Man kann dieses \u201eInspirationscentrum11 mechanisch entfernen oder durch grosse Dosen Chloral l\u00e4hmen. Es ergibt sich dann, dass in der Substanz der vorderen Vierh\u00fcgel, dicht unter und neben dem Aquaeductus Sylvii, ein \u201eexspiratorisches Centrum\u201c gelegen ist, welches zum Trigeminus in Beziehung steht und direct oder von diesem Nerven aus erregt werden kann; nach Exstirpation des erstgenannten Centrums ist die Wirksamkeit dieses letzteren so erh\u00f6ht, dass durch starke Reizung desselben Tod in Exspirationsstillstand erfolgen kann. Ausserdem gibt es noch ein schon von Martin und Booker gefundenes Inspirationscentrum in den hinteren Vierh\u00fcgeln.\nEntfernt man die vorderen Hirntheile durch einen Schnitt hinter den Vierh\u00fcgeln ganz, dann athmen die Thiere ausserordentlich regelm\u00e4ssig, maschinenartig noch Stunden lang weiter. Verletzungen hinter dieser Stelle f\u00fchren schneller oder langsamer (je nach dem Ort des Schnitts) den Tod herbei.\nAus diesen Mittheilungen Christian!s geht meines Erachtens hervor, dass die von ihm aufgefundenen \u201eCentra\u201c nicht diesen Namen in dem Sinne f\u00fchren k\u00f6nnen, in welchem wir ihn oben S. 244 ff. definirt haben. Das eigentliche Athemcentrum, d. h. dasjenige Organ, an dessen Integrit\u00e4t der normale Ablauf der Athem-bewegungen gebunden ist, liegt offenbar hinter der eben erw\u00e4hnten Schnittgrenze. Was vor derselben liegt, ist zur normalen, regelm\u00e4ssigen Athmung nicht nothwendig. Doch kann dfircli Reizung solcher Theile etwas zu den normalen Athembewegungen hinzugef\u00fcgt werden, entweder im Sinne der Inspiration oder der Exspiration. Wir k\u00f6nnen diese Theile daher f\u00fcglich als respiratorische Hilfscentren bezeichnen. Durch ihre Vermittlung kommt, wie es scheint, der Einfluss der Sinnesnerven und wohl auch der psychischen Erregungen auf die Athmung zu Stande, wahrscheinlich auch der der Gef\u00fchlsnerven. Die Vagusfasern dagegen stehen in directer Beziehung zu dem eigentlichen Athemcentrum, auf das sie unmittelbar einwirken,","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286 Rosenthal, Die Physiologie der Athembewegungen u. d. Innervation derselben.\nweshalb auch Exstirpation des Grosshirns und Narcotisirung1 2 auf ihre Wirkung ohne Einfluss sind.\nSchliesslich sei noch erw\u00e4hnt, dass nach einer vorl\u00e4ufigen Mittheilung von Graham 2 der N. splanchnicus ebenso auf die Athmung wirkt wie der N. laryng. superior.\n1\tSehr grosse Dosen Chloral heben jedoch, wie ich gefunden habe, die Wirkung der ..Traube\u2019schen Fasern*4 auf.\n2\tJ. C. Graham, Arch. f. d. ges. Physiol. XXV. S. 379. 1881.","page":286}],"identifier":"lit4073","issued":"1882","language":"de","pages":"163-286","startpages":"163","title":"Zweiter Theil: Athembewegungen und Innervation derselben","type":"Book Section","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:27:58.780218+00:00"}