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{"created":"2022-01-31T14:26:42.458076+00:00","id":"lit4120","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Kollert, Julius","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 1: 78-89","fulltext":[{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber den Zeitsinn.\nVon\n\u00bb\nJulius Kollert.\nDie experimentellen Thatsachen hinsichtlich des Zeitsinnes, wie sie durch die Versuche von Vierordt1) und von Mach2) festgestellt worden sind, bed\u00fcrfen einerseits einer wiederholten Best\u00e4tigung, andererseits erscheint auch eine Verbesserung der Versuchsmethoden w\u00fcnschenswerth. Man kann n\u00e4mlich den Vierordt\u2019schen Versuchen den Vorwurf machen, dass sie nicht unter den einfachsten Bedingungen angestellt worden sind, indem seine Methode3) jedenfalls von physiologischen Einfl\u00fcssen nicht frei ist. Auch ist die zwischen Empfindung und Reproduction liegende Zwischenzeit genau anzugeben und der Einfluss, den ihre Aenderung auf den Verlauf der Erscheinungen aus\u00fcht, sorgf\u00e4ltig durch das Experiment festzustellen. Die Mach\u2019schen Versuche hingegen, welche nach der Methode der eben merklichen Unterschiede angestellt worden sind, zeigen unter einander und mit den Resultaten V i e r o r d t \u2019 s nur geringe Uebereinstim-mung, wie eine Zusammenstellung derselben4) lehrt.\nAuf Vorschlag des Herrn Professor Wundt und unter dessen Leitung wurde demzufolge im Sommersemester 1880 und im Wintersemester 1880/81 eine Reihe von Versuchen angestellt, deren Bearbeitung den Gegenstand dieser Abhandlung bildet.\n1. Anordnung der Versuche.\nDie Versuche wurden s\u00e4mmtlich nach der Methode der eben merklichen Unterschiede ausgef\u00fchrt, nachdem eine Reihe von Versuchen,\n1)\tVierordt, Der Zeitsinn nach Versuchen, T\u00fcbingen 1S68.\n2)\tMach, Sitzungsber. der Wiener Akademie, 1865, Bd. 51.\n3)\tVierordt, Der Zeitsinn etc., S. 31 ff.\n4)\tWundt, Grundz. d. physiol. Psychologie, 1. Auf!., S. 785. (2. Aufl. II. S. 290.)","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber den Zeitsinn.\n79\nwelche in derselben Anordnung nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle angestellt wurden, die Unsicherheit und Unanwendbarkeit dieser Methode, wenigstens hei der von uns benutzten Versuchsanordnung, hinreichend deutlich bewiesen hatte.\nZur Erzeugung der Normalzeit und der Vergleichszeit wurden zwei Metronome ') benutzt, welche vermittelst kleiner, an den oberen Enden der Pendelstangen angebrachter Eisenanker durch Elektromag-nete arretirt werden konnten. Die momentane Oeffnung der Str\u00f6me in den Elektromagneten bewirkte einen Hin- und Hergang der Pendel, d. h. je zwei Schl\u00e4ge oder einen Takt der Metronome. Das eine Metronom gab in dieser Weise immer die Normalzeit t; sein Laufgewichtblieb w\u00e4hrend einer jeden einzelnen Versuchsreihe un verr\u00fcckt stehen. Das andere Metronom markirte ebenso nach einer beliebig langen Zwischenpause \u00f6 die Vergleichszeit A ; sein Laufgewicht wurde nach jedem einzelnen Versuche verschoben und dadurch die Vergleichszeit ge\u00e4ndert.\nDie Beobachtungen wurden nun in der Weise angestellt, dass in jeder einzelnen Versuchsreihe erst die Normalzeit t, dann nach der Pause \u00f6 die Vergleichszeit & angegeben wurde. In einem ersten Versuch wurde & = t genommen. In den folgenden Versuchen wurde & durch Verschiebung des Laufgewichtes ein wenig verk\u00fcrzt, resp. verl\u00e4ngert, und es wurde diese Verk\u00fcrzung, resp. Verl\u00e4ngerung so lange fortgesetzt, bis die Vergleichszeit allen Beagirenden deutlich kleiner, resp. gr\u00f6\u00dfer als die Normalzeit erschien. Nachdem diese Grenze erreicht war, wurde das Laufgewicht des die Vergleichszeit gehenden Metronoms allm\u00e4hlich wieder zur\u00fcckgeschoben, bis f\u00fcr alle Beagirende der Unterschied zwischen Normal- und Vergleichszeit wieder zu Null geworden war. Zur besseren Erl\u00e4uterung sei eine solche Versuchsreihe hier angef\u00fchrt :\nNormalzeit t = 0.400\nVergleichszeit d- = 0.400 0.380 0.350 0.320 0.'350 0.380 0.400 Urtheil gleich kleiner kl. kl. , kl. kl. gleich\n1) Die Sehwingungsdauern der Metronome waren sorgf\u00e4ltig f\u00fcr die einzelnen Stellungen der Laufgewichte bestimmt worden, und es waren au\u00dfer den gr\u00f6\u00dferen Gewichten noch kleine, verschiebbare Messingklemmen angebracht, vermittelst deren es erm\u00f6glicht wurde, die Normalzeiten genau herzustellen.","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nJulius Kollert.\nVergleichszeit & \u2014 0.400 0.423 0.447 0.476 0.500 0.536 0.500 Urtheil gleich gl. gl. gl. gr\u00f6\u00dfer gr. gr.\nVergleichszeit 4t = 0.476 0.447 0.400.\nUrtheil gleich gl. gl.\nMan erhielt also, wie aus diesem Beispiel ersichtlich, aus jeder Versuchsreihe vier Werthe der Vergleichszeit, die sich zu je zwei zu-sammengruppiren, nach dem Schema :\nkleiner \u2014 wieder gleich, gr\u00f6\u00dfer \u2014 wieder gleich, und die arithmetischen Mittel\nkleiner + wieder gleich ^ ^ gr\u00f6\u00dfer -f- wieder gleich\nd. h. aus den ubermerklich und den nicht mehr merklich von t verschiedenen Werthen der Vergleichszeit, wurden mit 4t t und 4t.> bezeichnet ; dieselben stellen diejenigen Vergleichszeiten dar, welche ehenmerklich kleiner, resp. gr\u00f6\u00dfer als die Normalzeit erscheinen.\nEs wurde \u00fcbrigens in s\u00e4mmtlichen hier beschriebenen Versuchen \u00f4 \u2014 t genommen, so dass also eigentlich in jedem einzelnen Versuche drei Takte Vorlagen, deren letzter so lange ver\u00e4ndert wurde, bis er vom ersten merklich verschieden, resp. ihm wieder gleich erschien.\n2. Resultate der Beobachtungen.\nIn der soeben besprochenen Weise wurden die Normalzeiten t\u2014 0.4, 0.5, 0.7, 0.8, 1.0, 1.2, 1.5 *) Secunden untersucht. Als Rea-girende betheiligten sich bei diesen Versuchen au\u00dfer dem Herrn Professor Wundt und mir die Herren Schmerler, Lamprecht, Modrach, Tischer und Herrmann.\nDie folgenden Zahlenangaben enthalten die Differenzen 4>1\u2014t=dl und #2 \u2014 t = di, von denen selbstverst\u00e4ndlich erstere negativ, letztere positiv ausfallen. Bildet man ferner aus 4t j und 4t2 das arithme-\nO' -4- O\ntische Mittel T \u2014 1 2\u20141 2, so ist T diejenige Zeit, welcher in unserem\nBewusstsein die Normalzeit t aequivalent ist ; wir wollen demzufolge T als den mittleren Sch\u00e4tzungswerth der Normalzeit t bezeichnen.\n1) Die Zahl 1.5 ist unsicher und jedenfalls zu klein ; au\u00dferdem liegen f\u00fcr diese\nZeit viel weniger Beobachtungen vor, als f\u00fcr die \u00fcbrigen. Diese Umst\u00e4nde veran-lassten mich, bei den Rechnungen diese Versuche auszuschlie\u00dfen.","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber den Zeitsinn.\n81\nDerselbe ist im Allgemeinen der wirklich empfundenen Zeit t durchaus nicht gleich, sondern es erscheint in unserer Reproduction jede gegebene Zeit t mit einem constanten Fehler behaftet, der an einem gewissen Indifferenzpunkt den Werth null erreicht, f\u00fcr kleinere Zeiten dagegen positiv, f\u00fcr gr\u00f6\u00dfere negativ ausf\u00e4llt, ein Ergebniss, welches im Allgemeinen mit dem von Vier or dt1) gefundenen \u00fcbereinstimmt. Diesen constanten Fehler, den wir den mittleren Sch\u00e4tzungsfehler nennen wollen, bezeichnen wir mit z/, setzen also J \u2014 T \u2014 t. Verkleinert, resp. vergr\u00f6\u00dfert man den mittleren Sch\u00e4tzungswerth Tum.\ndie Gr\u00f6\u00dfe D =\tso erh\u00e4lt man die Werthe V, resp. , d. h.\ndiejenigen Zeiten, welche eben merklich kleiner, resp. gr\u00f6\u00dfer als die-Normalzeit t erscheinen. Aus dem Vorhandensein dieses mittleren Sch\u00e4tzungsfehlers z/ erkl\u00e4rt sich auch leicht der an sich merkw\u00fcrdige Umstand, dass bei kleinen Zeiten nur eine geringe Verk\u00fcrzung, bei gro\u00dfen dagegen nur eine geringe Verl\u00e4ngerung der Vergleichszeit n\u00f6thig ist, um diese als von der Hauptzeit verschieden erkennen zu lassen, dass man dagegen bei einer kleinen Zeit die Vergleichszeit erheblich verl\u00e4ngern und hei einer gro\u00dfen dieselbe erheblich verk\u00fcrzen kann, ehe sich ein Unterschied bemerkbar macht ; es ist im letzteren Falle eben gleichsam der Sch\u00e4tzungsfehler J noch mit zu \u00fcberwinden, w\u00e4hrend derselbe im ersteren Falle zu H\u00fclfe kommt.\nBei der Bearbeitung der Beobachtungsresultate ergab sich nun ein eigenth\u00fcmlicher Umstand, den ich vorerst noch erw\u00e4hnen muss. Es sondern sich n\u00e4mlich die Beobachtungen deutlich in zwei Gruppen, die unter sich eine gute Uebereinstimmupg zeigen, von denen jedoch die eine, welche allerdings nicht ganz den vierten Theil der gesammten Beobachtungen umfasst und in Folge dessen als Gruppe der anomalen Versuche bezeichnet werden soll, ungef\u00e4hr da ein Maximum von z/ aufweist, wo die andere, die Gruppe der normalen Versuche, den Werth z/ = 0 liefert, d. h. ihren Indifferenzpunkt besitzt. Die folgende Tabelle giebt eine Uebersicht \u00fcber die Verh\u00e4ltnisse der Anzahlen der normalen und der anomalen Versuche zu einander hei den verschiedenen Normalzeiten t, und der Gesammtzahl der normalen Versuche zu der der anomalen \u00fcberhaupt:\n1) Vieror dt, Der Zeitsinn etc., S. 39. ff. Wundt, Philos. Studien. I.\nt)","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nJulius Kollert.\nt = Zahl d. norm. V. =\t\tZahl d. anom. V. =\tGesammtz. d. V. =\n0.4\t17\t9\t26\n0.5\t21\t11\t32\n0.7\t25\t5\t30\n0.8\t20\t7\t27\n1.0\t17\t7\t24\n1.2\t25\t3\t28\n(1.5\t8\t0\t8)\nGesammtz. aller V.\t133\t42\t175\nDas relativ gr\u00f6\u00dfte Contingent zu den anomalen Versuchen liefern somit die kleinsten Zeiten 0.4 und 0.5 Secunden, und dies erkl\u00e4rt sich wohl zum Theil daraus, dass hier ein nicht genaues Einhalten der richtigen Zwischenzeit \u00f6 = t seitens des Experimentirenden sich als von hei weitem gr\u00f6\u00dferem Einfluss erwies, als hei den l\u00e4ngeren Zeiten. Was das Vorkommen der anomalen Versuche \u00fcberhaupt betrifft, so sind im Allgemeinen gewisse Beobachtungstage vorwiegend davon betroffen, es treten jedoch auch in sonst ganz normal verlaufenden Beobachtungsreihen pl\u00f6tzlich in v\u00f6llig unregelm\u00e4\u00dfiger Weise solche auf. Es ist mir nicht m\u00f6glich, eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr diese Anomalieen zu geben.\na. Die Normalversuche.\nIch wende mich zun\u00e4chst zur Betrachtung der Normalversuche und gebe an erster Stelle eine tabellarische Uebersicht \u00fcber die f\u00fcr die Differenzen und r/2 und f\u00fcr den mittleren Sch\u00e4tzungsfehler J erhaltenen Zahlenwerthe :\n\t\tW\t\t\t\t\nt -\t<4 =\t<72 =\tJ =\t4 =\td\u20182 \u2014\t\n0.4\t\u2014 0.023 + 0.106 + 0.041\t\t\t\u2014 0.008 -j- 0.079 + 0.035\t\t\n0.5\t0.053\t0.106\t0.026\t0.037\t0.096\t0.029\n0.7\t0.043\t0.057\t0.007\t0.034\t0.046\t0.006\n0.8\t0.072\t0.075\t0.001\t0.052\t0.060\t0.004\n1.0\t0.101\t0.085 -\t- 0.008\t0.083\t0.030 -\t- 0.026\n1.2\t0.214\t0.066\t0.074\t0.186\t0.089\t0.048\n(1.5)\t\t\t\t(0.431\t0.023\t0.204)\n\t\tL\t\t\tM\t\nt =\tdi =\t\u2014\tz/ =\tdt =\td<2, =\t\n0.4\t\u2014 0.037 + 0.097 -f- 0.030\t\t\t\u2014 0.002 + 0.070 + 0.034\t\t\n0.5\t0.037\t0.112\t0.037\t0.020\t0.085\t0.032\n0.7\t0.063\t0.059 -\t- 0.002\t0.029\t0.053\t0.012\n0.8\t0.093\t0.038\t0.028\t0.075\t0.049 -\t- 0.013\n1.0\t0.124\t0.061\t0.031\t0.083\t0.036\t0.024\n1.2\t0.203\t0.098\t0.052\t0.164\t0.043\t0.060\n4.5)\t(0.398\t0.027\t0.185)\t\t\t","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber den Zeitsinn.\n83\n\t\tK\t\t\tT\t\nt=\tdi =\td<i =\t4 =\t<h=*\te?2 \u2014\t4 =.\n0.4 \u25a0\t\u2014 0.015\t+ 0.118 + 0.051\t\t\u2014 0.020\t+ 0.088\t+ 0.034\n0.5\t0.060\t0.116\t0.028\t0.065\t0.107\t0.021\n0.7\t0.045\t0.072\t0.013\t0.021\t0.048\t0.013\n0.8\t0.080\t0.069 -\t- 0.005\t0.052\t0.038\t\u2014 0.007\n1.0\t0.113\t0.100\t0.006\t0.123\t0.073\t0.025\n1.2\t0.197\t0.110\t0.043\t\t\t\n(1.5)\t(0.425\t0.010\t0.207)\t\t\t\nH\nt =\tdi =\tdi =\tz/ =\n0.4\t\u2022\t\u2014 0.020 + 0.073 + 0.026\t\t\n0.5\t0.039\t0.063\t0.012\n0.7\t0.071\t0.048 -\t-0,011\n0.8\t0.085\t0.092 + 0.003\t\n1.0\t0.123\t0.055 -\t- 0.034\n1.2\t0.272\t0.036\t0.118\nHierzu ist zu bemerken, dass von mir selbst nur relativ wenige Beobachtungsreihen vorliegen, da ich bei denVersuchen meist alsEx-perimentirender betheiligt war, und dass auf die Herren Tischer und Herrmann nur je eine Beobachtungsreihe kommt. Diesem Umstande ist bei der Berechnung der Mittelwerthe Rechnung getragen worden, indem dieselben nicht unmittelbar aus den angef\u00fchrten Zahlen, sondern aus s\u00e4mmtlichen einzelnen Beobachtungsreihen gezogen worden sind. Diese Mittelwerthe sind die folgenden :\nt =\tdi =\td<i \u2014\t\n0.4\t\u2014 0.018\t+ 0.090\t+ 0.036\n0.5\t0.044\t0.098\t0.026\n0.7\t0.044\t0.055\t0.005\n0.8\t0.073\t0.060\t\u2014 0.006\n1.0\t0.107\t0.063\t0.022\n1.2\t0.206\t0.074\t0.066\n(1-5)\t(0.415\t0.020\t0.199)\nEs lassen sich nun die Mittelwerthe des mittleren Sch\u00e4tzungsfehlers A sehr genau durch eine Gleichung wiedergeben von der Form :\nJ \u2014 a \u2014 be1\nwo a und b numerische Constanten, e die Basis des nat\u00fcrlichen Logarithmensystems [e \u2014 2.7183) bedeuten. Die Constanten a und b wurden nach der Methode der kleinsten Quadrate bestimmt, wobei die einzelnen Versuchsreihen ihren Gewichten nach, als welche in diesem Falle einfach die aus der Tabelle S. 82 zu ersehenden Anzahlen der","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nJulius Kollert.\nsich\nVersuche zu setzen sind, in Rechnung gezogen wurden. Es er; a = 0.1021, b = 0.0480, so dass also\nz/= 0.1021 \u20140.0480 el\nwird. Die Uebereinstimmung zwischen Beobachtung und Rechnungerkennt man aus folgender Zusammenstellung :\nt =\t-x/(beob.)\tJ (ber. ) =\t^(beob.)\u2014^/(ber.\n0.4\t\u2022 0.036\t+ 0.031\t+ 0.005\n0.5\t0.026\t0.024\t0.002\n0.7\t0.005\t0.005\t0.000\n0.8\t\u2014 0.006\t\u2014 0.005\t\u2014 0.001\n1.0\t0.022\t0.028\t+ 0.006\n1.2\t0.066\t0.057\t\u2014 0.009\n1.5)\t(0.199\t0.114\t\u2014 0.085)\nFi\u00ab. 1.\nDie Zahl 1.5 ist mehrere zehntel Secunden zu klein, wie sp\u00e4tere Vergleichungen zeigten. Indessen war es leider wegen an den Metronomen vorgenommener Aenderungen nicht mehr m\u00f6glich, sie\nnochmals genau zu be-\nstimmen. Infolge dessen ist die thats\u00e4cliliche Abweichung dieser Beobachtung von der Rechnung erheblich geringer, als sie in obiger Tabelle erscheint . Zu dem Werthe J = \u2014 0.199 w\u00fcrde der Formel nach die Zeit t\u2014 1.836 Se-cunde geh\u00f6ren. Die J lassen sich graphisch darstellen als Ordinaten einer Curve, deren Ab-scissen die Gr\u00f6\u00dfen t sind. Diese Curve der J ist in der nebenstehenden Fi-\ngur dargestellt. Zu dieser Figur ist zu bemerken, dass f\u00fcr dieAbscissen t 0.01 sec. = mm, f\u00fcr die Ordinaten /I 0.001 sec. = mm gemacht worden ist, so dass also die Ordinaten in Wirklichkeit nur den zehnten Theil der in der Figur gegebenen Gr\u00f6\u00dfe betragen. Diese Vergr\u00f6\u00dferung ist nur der Uebersichtlichkeit wegen vorgenommen worden.","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber den Zeitsinn.\n85\nDie Formel liefert f\u00fcr J = 0 den Werth t = 0.755 Sec. Diese Zeit w\u00fcrde somit den Indifferenzpunkt bezeichnen, an dem die empfundene Zeit mit ihrem Sch\u00e4tzungswerthe \u00fcbereinstimmt. Diese Lage des Indifferenzpunktes stimmt \u00fcbrigens sehr genau mit der \u00fcberein, welche eine Anzahl von direct behufs Ermittelung des Indifferenzpunktes angestellten Versuchen ergab. Es bewahrheitet sich ferner die schon oben gemachte Bemerkung, dass die Zeiten unterhalb des Indifferenzpunktes zu gro\u00df, oberhalb desselben zu klein gesch\u00e4tzt werden, i) Dr\u00fcckt man die Differenzen d\u00b1 und d2 in Procenten der Normalzeit\naus, bildet man also die Gr\u00f6\u00dfen 100.^ und 100.^1 2, ohnejedoch dabei auf\ndas negative Vorzeichen von d2 R\u00fccksicht zu nehmen, so ergiebt sich f\u00fcr die Mittelwerthe folgende Zusammenstellung :\nt =\t0.4\t0.5\t0.7\t0.8\t1.0\t1.2\t(1.5)\n100.| =\t4.5\t8.8\t6.3\t9.1\t10.7\t17.2\t(27.7)\no o II\t22.5\t19.6\t7.9\t7.5\t6.3\t6.2\t(1.3)\nAus dieser Tabelle erkennt man noch deutlicher, als aus den absoluten Werthen von \u00e4{ und d2, das allm\u00e4hliche Anwachsen der \u00e4x und die diesem parallel gehende Abnahme der d2 mit wachsender Normalzeit, eine Erscheinung, die schon 8. 81 erw\u00e4hnt und erkl\u00e4rt worden ist. Wichtiger noch sind die reciproken Werthe dieser Gr\u00f6\u00dfen, da denselben die Unterschiedsempfindlichkeit unseres Zeitsinns proportional ist. Diese reciproken Werthe geben uns also sofort Ma\u00dfzahlen f\u00fcr die Unterschiedsempfindlichkeit. Um aber nicht zu kleine Zahlen daf\u00fcr zu erhalten, multipliciren wir diese Werthe mit 100, d. h. wir nehmen als Ma\u00dfzahlen f\u00fcr die Unterschiedsempfindlichkeit die Zahlen\ndl un<^ J und bezeichnen dieselben resp. mitl^ undi?2- Dann ergiebt sich :\nt\t= 0.4\t0.5\t0.7\t0.8\t1.0\t1.2\nEi\t= 22.2\t11.4\t15.9\t11.0\t9.3\t5.8\n\t= 4.4\t5.1\t12.7\t13.3\t15.9\t16.2\nEs ist hieraus zu ersehen, wie mit wachsender Normalzeit die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Verkleinerung rasch ab-, f\u00fcr Vergr\u00f6\u00dferung dagegen zunimmt. Am Indifferenzpunkt sind nat\u00fcrlich beide einander gleich.\n1) Es bedarf wohl kaum der ausdr\u00fccklichen Bemerkung, dass \u00fcbrigens die obige\normel nur innerhalb der Zeitgrenzen, die in dieser Untersuchung eingehalten wurden, G\u00fcltigkeit beanspruchen kann.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nJulius Kollert.\nVon ganz besonderer Wichtigkeit f\u00fcr die Beurtheilung derUnter-sehiedsempfindlichkeit unseres Zeitsinns \u00fcberhaupt ist eine Gr\u00f6\u00dfe, die ich als mittlere Unterschiedsempfindlichkeit bezeichnen und durch\ndie Gleichung Em = definiren will, wo D die schon oben (S. 81)\ndurch die Gleichung 1) = \u2014\u25a0definirte Gr\u00f6\u00dfe ist, d. h. derjenige\nWerth, um den man den mittleren Sch\u00e4tzungswerth T einer gegebenen Normalzeit t vermindern resp. vermehren muss, um zu den eben merkbar verschiedenen Vergleichszeiten und &2 zu gelangen. Es ergeben sich f\u00fcr Em die folgenden Werthe, wobei an Stelle der unrichtigen Zahl 1.5 die aus der Formel f\u00fcr /t berechnete 1.836 gesetzt worden ist. t = 0.4\t0.5\t0.7\t0.8\t0.1\t1.2\t1.836\nEm \u2014 7.4\t7.1\t14.3\t13.6\t11.8\t8.6\t8.4\nDer Verlauf der Werthe Em l\u00e4sst sich graphisch etwa durch die in Figur 2 dargestellte Curve versinnlichen, wobei f\u00fcr die Abscissen\n0,4 0.6\nt wieder 0.01 sec. = | mm ist, w\u00e4hrend als Ma\u00dfeinheit f\u00fcr die Gr\u00f6\u00dfen Em 2 mm genommen worden ist. Es ist hiernach die mittlere Unterschiedsempfindlichkeit unseres Zeitsinns ein Maximum f\u00fcr den Indifferenzpunkt t = 0.755 Secunden und nimmt nach der Seite der kleineren Zeiten hin rasch, nach der Seite der gr\u00f6\u00dferen Zeiten dagegen langsamer ab, so dass von 1.2 Secunden ah die Curve der Abscissenaxe ziemlich parallel l\u00e4uft. \u2014\nDie individuellen Unterschiede sind in allen hier er\u00f6rterten Beziehungen sehr gering, wie dies unmittelbar aus der Vergleichung der Gesammtmittel mit den Mittelzahlen der einzelnen Beobachter hervorgeht. Insbesondere also ist die Lage jenes Indifferenzpunktes, bei welchem unter den hier festgehaltenen einfachen Versuchsbedingungen die gesch\u00e4tzte gleich der wirklichen Zeit ist, eine sehr constante. und","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber den Zeitsinn.\n87\n?\nebenso ist der Gang der Unterschiedsempfindlichkeit von diesem, ihrem Maximalwerth entsprechenden Punkte an ein \u00fcbereinstimmender.\nb. Die anomalen Versuche.\nEs sollen nun noch kurz die n\u00e4mlichen Werthe, die wir f\u00fcr die Normalversuche mitgetheilt haben, auch f\u00fcr die Gruppe der anomalen Versuche zusammengestellt werden. Was zun\u00e4chst die Gr\u00f6\u00dfen dx, d2 und J betrifft, so wurden f\u00fcr dieselben folgende Mittelwerthe gefunden :\n\t\tW\t\tS\t\t\tL\t\n<=\t\t\u2014\t\td\\\u2014\td% =\t\tdi =\t* =\tz/ =\n0.4\t-0.042 +0.054 -1-0.006 \u2014\t\t\t0.053 +0.048\t\u20140.002\t\u2014 0.062 +0.054 \u2014\t\t0.004\n0.5\t0.039\t0.063\t0.012\t0.021\t0.042 +0-.010\t\t0.052\t0.063 +\t0.005\n0.7\t0.045\t0.122\t0.038\t0.021\t0.067\t0.023\t0.050\t0.118\t0.034\n0.8\t\t\t\t0.034\t0.075\t0.020\t0.063\t0.094\t0.015\n1.0\t0.106\t0.155\t0.024\t0.077\t0.085\t0.004\t0.106\t0.118\t0.006\n1.2\t0.154\t0.155\t0.000\t\t\t\t\t\n\t\tM\t\t\t\tT\t\t\n\tt =\tdi =\tC?2 =\t\u25a0SI^=\t<7,=\td2 =\t4 =\t\n\t0.4\t\u2014 0.032\t+ 0.048\t+ 0.008\t\t\t\t\n\t0.5\t0.037\t0.050\t0.006\t\t\t\t\n\t0.7\t0.050\t0.156\t0.053\t\t\t\t\n\t0.8\t0.025\t0.077\t0.026\t\t\t\t\n\t1.0\t0.086\t0.073\t\u2014 0.006\t\t\t\t\n\t1.2\t\t\t\u2014\t0.127 + 0.124 \u2014\t\t-0.001\t\nHieraus berechnen sich folgende Gesammtmittel :\n7 =\t4 =\td2 \u2014\td =\n0.4\t\u2014 0.047\t+ 0.051\t+ 0.002\n0.5\t0.037\t0.054\t0.008\n0.7\t0.041\t0.116\t0.037\n0.8\t0.041\t0.082\t0.020\n1.0\t0.094\t0.108\t\"0.007\n1.2\t0.140\t0.140\t0.000\nMan erkennt, wie bei den anomalen Versuchend ungef\u00e4hr da ein Maximum besitzt, wo bei den normalen Versuchen der Indifferenzpunkt liegt. Der letztere erscheint dagegen nach 1.2 Sec. verschoben. Dr\u00fcckt man und d2 in Procenten der Normalzeit aus, so folgt :\nZ =\t0.4\t0.5\t0.7\t0.8\t1.0\t1.2\n100 =\t11.7\t7.4\t5.9\t5.1\t9.4\t11.7\no o \u00ab.*1 II\t12.7\t10.8\t16.6\t10.2\t10.8\t11.7","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nJulius Kollert.\nEs besitzt also der procentische Werth von ungef\u00e4hr bei 0.8 ein Minimum, w\u00e4hrend d2 in dieser N\u00e4he ein Maximum zu erreichen scheint ; doch ist der Verlauf weniger deutlich, als bei den normale! Versuchen. Man erh\u00e4lt ferner f\u00fcr E{, E2 und Em\nt = 0.4\t0.5\t0.7\t0.8\t1.0\t1.2\nEi = 8.5\t13.5\t17.1\t19.5\t10.6\t8.6\nE2 = 7.8\t8.8\t6.0\t9.8\t9.3\t8.6\nEm = 8.2\t11.1\t8.9\t13.1\t9.9\tOO 05\nDiese Zahlen lassen keinen gesetzm\u00e4\u00dfigen Verlauf erkennen.\n3. Schlussbemerkungen.\nDie von Vierordt1) gefundenen Resultate zeigen, wie schon oben bemerkt wurde , dem allgemeinen Gange nach mit den insrigen eine v\u00f6llige Uebereinstimmung. Dagegen weichen die von ihn erhaltenen absoluten Zahlen von den unsrigen erheblich ab und lass;n sich, weil sie nach anderen Methoden erhalten sind, nicht unmittelbar vergleichen. Eine Abweichung aber scheint bemerkenswert!!, dass n\u00e4mlich bei den Vi er or dt\u2019schen Versuchen der IndifFerenzpunkt erheblid h\u00f6her liegt, als wir denselben gefunden haben. Ferner kommen bei Vierordt au\u00dferordentlich gro\u00dfe individuelle Schwankungen in der Lage dieses Punktes vor, w\u00e4hrend nach unseren Versuchen diese Abweichungen nur einige hundertstel Secunden betragen. Diese I ) iffereuren d\u00fcrften in der Anordnung der Vierordt\u2019schen Versuche ihren Grad haben.\nDie meisten derselben sind n\u00e4mlich nach der Nlethoce der mittleren Fehler in der Weise ausgef\u00fchrt, dass zuerst eine Tastfolge angegeben wurde, und dass dann der Beobachter die- geh\u00f6re Zeit durch eine nach einer Pause ausgef\u00fchrte Taktbewegung wiederholte. Diese letztere wurde durch einen Schreibhebel registriert und ergab durch Vergleichung mit der Normalzeit den begangenen Sch\u00e4taimgsfehler 2j. Bei diesem Verfahren mengen sich nun offenbar verschiedene psychophysische und physiologische Momente ein, die bei 1er von uns befolgten Vergleichungsmethode hinwegfallen, wie die Villenszeit zur Ausl\u00f6sung der Registrirbewegung, die Leitung tier nicorischen Erregung zu den Muskeln und das Anwachsen der Energie n denselben. Man k\u00f6nnte nun zwar vermuthen, dass sich diese Nebeivorg\u00e4nge zu der ersten und zu der zweiten Taktbewegung in gLeichei Veise hinzu-\n2) Vierordt, a. a. O. S. 34f.\n1) Vierordt, Der Zeitsinn etc.","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber den Zeitsinn.\n89\naddiren, und daher hei dem Endresultate nicht in Betracht kommen. Es ist aber doch diese Annahme nicht ohne Weiteres erlaubt. Vielmehr ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Vorgang in folgender Weise verl\u00e4uft : der Beobachter benutzt den durch die erste Taktbewegung hervorgerufenen Schalleindruck als den ihm objectiv gegebenen Anfang des herzustellenden Zeitintervalls, und sucht nun die zweite Takthewegung so auszuf\u00fchren, dass das hergestellte Intervall der geh\u00f6rten Normalzeit gleich wird. Es wird aber dann der wirkliche Schall und die ihm entsprechende Bewegung des Schreibhebels gerade um den Zeitwerth jener psychophysischen und physiologischen Vorg\u00e4nge zu sp\u00e4t kommen, welche zur Umsetzung der innerlich appercipirten Vorstellung in eine \u00e4u\u00dfere Bewegung erforderlich sind. Bezeichnen wir die Zeitdauer dieser Reactionsvorg\u00e4nge mit r, so wird also das Zeitintervall $\u25a0' der Taktschl\u00e4ge, welches der Schreihhehel aufzeichnet, = & + r sein, wenn wir hier unter wieder die gesch\u00e4tzte Zeit verstehen, die der Normalzeit t gleich erscheint. Es w\u00fcrde also dann auch die Lage des Indifferenzpunktes im seihen Sinne verschoben erscheinen, und es w\u00fcrden \u00fcberdies bei der Bestimmung dieser Lage die nicht unerheblichen individuellen Schwankungen zurGeltung kommen, welche hei der Reactionszeit namentlich dann beobachtet werden, wenn es sich, wie im gegenw\u00e4rtigen Fall, nicht um das Registriren eines objectiven Eindrucks, sondern einer subjectiven Vorstellung handelt, f\u00fcr die nur gewisse Bedingungen in den vorangegangenen objectiven Eindr\u00fccken gegeben sind. Wenn aber auch diese Umst\u00e4nde einen Theil der Ab weichungen unser er V ersuche von denen Vierordt\u2019s erkl\u00e4ren, so erscheint es doch kaum glaublich, dass dieselben \u00fcber die ganze Gr\u00f6\u00dfe des Unterschieds Rechenschaft geben, da nach Vier or dt der Indifferenzpunkt zwischen 1,5 und 3,5 Secunden liegen, also ungef\u00e4hr das Doppelte bis F\u00fcnffache der von uns gefundenen Zeit betragen w\u00fcrde. Es ist daher wohl anzunehmen, dass noch andere unbekannte Versuchsbedingungen hier in gleichem Sinne gewirkt haben.","page":89}],"identifier":"lit4120","issued":"1883","language":"de","pages":"78-89","startpages":"78","title":"Untersuchungen \u00fcber den Zeitsinn","type":"Journal Article","volume":"1"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:26:42.458082+00:00"}