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{"created":"2022-01-31T12:36:31.597169+00:00","id":"lit4146","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Fechner, Gustav Th.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 4: 161-230","fulltext":[{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber\ndie psychischen Mafsprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\nDiscussion mit Elsas und K\u00f6hler.\nVon\nG. Th. Fechner.\nDie vorliegende Abhandlung zerf\u00e4llt in drei Abtheilungen. Unter I und III gilt es jlie Discussion mit den Verfassern beziehentlich einer Schrift (Elsas) und einer Abhandlung (K\u00f6hler), welche unabh\u00e4ngig von einander und in verschiedenem Sinne, die eine ganz, die andere nach Hauptpunkten sich gegnerisch gegen meine Ansichten \u00fcber obige Gegenst\u00e4nde verhalten, indess die zwischeneingeschohene Abtheilung II, in Anschluss an I und vorgreifend auf III, eine Zusammenstellung dieser Ansichten in einer gegen fr\u00fcher abge\u00e4nderten Form enth\u00e4lt. Die erkl\u00e4rte Hauptabsicht dieser neuen Zusammenstellung ist: den Anfechtungen gegen\u00fcber, welche die M\u00f6glichkeit und Statthaftigkeit eines) psychischen Ma\u00dfes \u00fcberhaupt nicht nur seitens Elsas\u2019 sondern auch vielfach sonst philosophischerseits erfahren hat, die. Principien eines solchen Ma\u00dfes einmal ohne Formelaufwand, hiermit leichter und allgemeiner fasslich, als in meinen fr\u00fcheren Schriften darzustellen, in welcher Hinsicht sie ein selbst\u00e4ndiges Interesse in Anspruch nehmen kann, dabei aber auch manche fundamentale Punkte der psychischen Ma\u00dflehre, in Betreff deren meine Ansichten mit denen anderer Autoren, namentlich auch von K\u00f6hler, in Conflict kommen, einer neuen Er\u00f6rterung zu unterziehen, was gestatten wird, durch E\u00fcckweis darauf die Er\u00f6rterungen unter III ahzuk\u00fcrzen. \u2014 Die Titel der Schrift von Elsas und der Abhandlung von K\u00f6hler stehen den darauf bez\u00fcglichen Discussionen unter I und HI voran.\nWundt, Philos. Studien. IV.\tii","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nG. Th. Fechner.\nI. Elsas. Ueber die Psychophysik. Physikalische und erkenntnisstheoretische Betrachtungen. Yon Dr. Adolf Elsas, Privatdocenten an der Universit\u00e4t zu Marburg. Eiwert 1886.\n1) Wieder einmal ein Schriftchen, in welchem bewiesen wird, dass es mit der ganzen, von mir aufgestellten Psychophysik, ja Psychophysik \u00fcberhaupt, nichts ist, dass sie ganz in der Luft schwebt. Dabei fordert der Verfasser meinen Dank doch dadurch heraus, dass er (in der Vorrede) meine \u00bbpsychophysischen Werke\u00ab einer entsprechenden Sch\u00e4tzung von seiner Seite versichert, als \u00bbGoethe\u2019s Aeu\u00dferungen \u00fcber die Farbenlehre, die er bewundere, obwohl sie auf Anschauungen gegr\u00fcndet werden, die mit den Principien der Wissenschaft unvereinbar sind\u00ab. Ob ich das als ein Compliment anzusehen habe, ist mir freilich zweifelhaft.\nAnfangs stand ich an, ob ich \u00fcberhaupt auf die Angriffe des Verfassers erwiedern sollte, nicht sowohl wegen Missachtung derselben, als weil ich nicht nur selbst nachgerade von einem Streit erm\u00fcdet bin, der, ohne mich mit Hercules vergleichen zu wollen, etwas von dem Streit mit der Lern\u00e4ischen Schlange oder mit Cacus hat, sondern auch voraussetzen muss, dass das Publicum von dem Zusehen dazu oder der Betheiligung daran erm\u00fcdet ist. Und kann man nicht einer Sache, die man f\u00fcr haltbar h\u00e4lt, Zutrauen, dass sie gegen unhaltbare Angriffe ihren Bestand von selbst behaupten wird? Dazu kam noch eine \u00e4u\u00dfere Schwierigkeit, von der ich unter III spreche. Inzwischen tritt die Opposition des Verfassers so entschieden auf; seine, in den zwei ersten Theilen seiner Schrift erhobenen Einw\u00fcrfe gegen das System der von mir aufgestellten psychophysischen Formeln erscheinen zugleich so neu und fundamental, und nehmen sich so scharfsinnig aus, dass sie einer oberfl\u00e4chlichen Einsicht in dies System leicht imponiren k\u00f6nnen, und die allgemeine Bestreitung der M\u00f6glichkeit eines psychischen Ma\u00dfes, auf welche der Verfasser im dritten Theile seiner Schrift eingeht , kommt der Abneigung der Philosophen gegen dieses Ma\u00df so sehr entgegen, dass sie wahrscheinlich gern von ihnen acceptirt wird. Und so will ich die von mir vertretene Lehre nicht noch zu guter letzt dem Verfasser gegen\u00fcber im Stich lassen. Wieland beginnt seinen Oberon mit den Verszeilen :","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\n163\n\u00bbNoch einmal sattelt mir den Hippogryphen, ihr Musen,\nZum Ritt ins alte romantische Land. \u00ab\nUnd so sattl\u2019 ich noch einmal \u2014 denn hei meinen 86 Jahren d\u00fcrfte es das letztemal sein \u2014 mein Streitross zum Ritt in\u2019s romantische Land der Psychophysik. Man entschuldige diesen Scherz, wonach ich ernsthaft an die Sache gehe.\n2) Der Verfasser seihst fasst im Vorwort (S. VI) den Gegenstand und das Resultat seiner Untersuchungen w\u00f6rtlich so zusammen :\n\u00bb Der Cardinalfragen sind zwei :\n1)\tSind die psychophysischen Ma\u00dfformeln Fechner\u2019s mathematisch und physikalisch richtig aus den Datis abgeleitet? Ich antworte: Nein; aus demselben Web er\u2019sehen Gesetze flie\u00dfen mehrere gleich richtige, sich aber unter einander widersprechende Gleichungen.\n2)\tIst denn \u00fcberhaupt eine Psychophysik im Sinne Fechner\u2019s m\u00f6glich? Nein; die Anwendung der Mathematik ist auf das Physikalische und Physiologische beschr\u00e4nkt, welches der Empfindung, sofern man diese psychisch sein l\u00e4sst, correspondirt. \u00ab\nDie Argumentation des Verfassers in Beantwortung seiner zwei Hauptfragen kommt, wenn ich nicht irre, \u2014 denn ganz klar ist mir das Schlussgef\u00fcge derselben doch nicht geworden \u2014 in K\u00fcrze auf folgendes hinaus, wobei es freilich n\u00f6thig ist, den Gang seiner Darstellung zu verlassen und Hinteres und Vorderes daraus zusammenzunehmen, um ein Resum\u00e9 geben zu k\u00f6nnen.\n3)\tDas Weher\u2019sche Gesetz, die Hauptunterlage des psychischen Ma\u00dfes, wird gemeinhin so gedeutet, dass gleichen Reizverh\u00e4ltnissen gleiche Unterschiede der Empfindungen entsprechen, und im Ausgange von dieser Deutung und im Sinne derselben wird das Ma\u00df der Empfindungsunterschiede und folgeweis Empfindungen selbst gewonnen. Die Reize aber haben gar keinen directen causalen Bezug zu den, von ihnen als ausgel\u00f6st angesehenen, Empfindungen, sondern nur zu den, von ihnen hervorgerufenen psychophysischen (kurz ps.ph.) Erregungen, welche nichts Anderes als physiologische Vorg\u00e4nge sind, die, wie die Reize selbst, principiell eines Ma\u00dfes nach den anerkannten Principien der Naturwissenschaft f\u00e4hig sind, woraus dann auch die principielle M\u00f6glichkeit folgt, das Ma\u00df der Reize mit dem der von ihnen abh\u00e4ngigen physiologischen Vorg\u00e4nge in Beziehung zu setzen. Das Web ersehe Gesetz ist also zun\u00e4chst und principiell gar nicht als Gesetz einer\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nG. Th. Fechner.\nBeziehung zwischen den Reizen und psychischen Vorg\u00e4ngen, sondern zwischen den Reizen und den causal von ihnen abh\u00e4ngigen physiologischen Vorg\u00e4ngen anzusehen, h\u00e4lt sich insofern ganz im Gebiete des Physischen und Physiologischen und gibt in soweit gar keiner Ableitung eines psychischen Ma\u00dfes Raum. Nun kann man aber eine solche dadurch als vermittelt ansehen, und so geschieht es allgemein bei Begr\u00fcndung eines psychischen Ma\u00dfes auf dasAVeber\u2019sche Gesetz, dass eine feste Beziehung zwischen der Intensit\u00e4t der ps.ph. Erregung (d. h. dem physiologischen Vorg\u00e4nge, auf welchen sie zur\u00fcckkommt) und der Empfindung besteht, wodurch das Ma\u00df von der ersten auf letztere \u00fcbertragbar wird. Das w\u00e4re ganz gut, wenn nur eine gr\u00fcndlichere Erw\u00e4gung nicht zeigte, dass die Deutung des Weber\u2019schen Gesetzes, wonach gleichen Reizverh\u00e4ltnissen und mithin gleichen ps.ph. Erregungsverh\u00e4ltnissengleiche Empfindungsunterschiede entsprechen, eine ganz willk\u00fcrliche w\u00e4re; warum nicht vielmehr gleiche EmpfindungsVerh\u00e4ltnisse oder irgend welche andre gleiche Empfindungsfunctionen (S. 19.22)? Nun will der Verfasser erkl\u00e4rterma\u00dfen zeigen, dass aus diesen verschiedenen gleich m\u00f6glichen Hypothesen \u00bbgleich richtige, aber sich unter einander widersprechende Gleichungen\u00ab, hiermit Ma\u00dfformeln f\u00fcr die Empfindung abgeleitet werden k\u00f6nnen. Und wenn er dies wirklich zu zeigen vermag, so kann das Weber\u2019sche Gesetz \u00fcberhaupt nicht mehr als Grundlage f\u00fcr Gewinnung eines widerspruchslosen psychischen Ma\u00dfes dienen, vielmehr nur die obige, von allen Hypothesen unabh\u00e4ngige, zweifelsfreie Deutung f\u00fcr die causale Abh\u00e4ngigkeit physiologischer innerer Vorg\u00e4nge von den \u00e4u\u00dferen physischen Reizeinwirkungen in Anspruch nehmen.\nK\u00fcrze halber will ich diese Widerlegungsweise des psychischen Ma\u00dfes,\"in Ermangelung eines treffenderen Ausdrucks, die rechnerische gegen\u00fcber der unten zu betrachtenden aprioristischen nennen ; da sie auf dem, im Rechnungswege constatirbaren Widerspruche zwischen den Consequenzen gleich m\u00f6glicher Annahmen beruht. Der Verfasser hat freilich den vorigen Schlussweg nicht in derselben Form und Folge entwickelt, als hier zu m\u00f6glichster Erleichterung der Einsicht geschehen ; aber nach den, vorhin w\u00f6rtlich angef\u00fchrten Eingangserkl\u00e4rungen und anderen damit stimmenden Bemerkungen (z. B. S. 35) kann man ihn meines Erachtens nicht anders","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sehe Gesetz.\t165\nverstellen, wenn man ihn \u00fcberhaupt verstehen will; oder wie? und man wird nur in diesem Yerst\u00e4ndniss wieder dadurch beirrt, dass man in den beiden ersten Abschnitten der Schrift, welche der vergleichenden Entwickelung der Consequenzen verschiedener Hypothesen gewidmet sind, von dem, was der Verfasser zeigen wollte, das Gegentheil gezeigt findet.\nIn der That, der Verfasser entwickelt und discutirt \u00fcberhaupt nur folgende, unter Zuziehung gewisser H\u00fclfsbetrachtungen aus dem Web er\u2019sehen Gesetz ableitbare Form elsysteme: 1) das von mir aufgestellte und S. 7 von ihm reproducirte, welches er nach S. 17 in sich widerspruchsvoll findet ; 2) ein anderes, von ihm selbst unter Zuziehung einer eigenth\u00fcmlichen Ansicht von der Natur der \"Unterschiedsschwelle versuchtes (S. 15), welches er aber (S. 17. 18) ebenfalls f\u00fcr in sich widerspruchsvollerkl\u00e4rt; und 3) ein drittes, in dem er keinen inneren Widerspruch mehr findet, von dem er vielmehr (S. 22) selbst erkl\u00e4rt, dass die Formeln desselben \u00bbgut zusammenstimmen\u00ab.\nAber wenn sich dies so verh\u00e4lt, so sind ja die beiden ersten Formelsysterne, als in sich widerspruchsvoll, nicht gleich richtig, als das in sich widerspruchsfreie dritte, indess der rechnerische Beweis gleiche Richtigkeit verlangt, und f\u00e4llt dieser Beweis hiermit in sich selbst zusammen. Vielmehr ersetzt sich hiernach mein System psychophysischer Formeln nur durch ein anderes (das dritte), welches aber eben so gut ein psychisches Ma\u00df, nur ein anderes als das meinige gew\u00e4hrt, und besteht somit das psychische Ma\u00df nur in anderer Form.\nIch wei\u00df mir diesen Widerspruch, in den mir der Verfasser mit seinem von mir sog. rechnerischen Beweise gegen das psychische Ma\u00df zu gerathen scheint, nicht zu- erkl\u00e4ren, und muss es dahin stellen, welche Aufkl\u00e4rung er etwa selbst dar\u00fcber zu geben vermag. So weit ich den Beweis verstehe, kann ich ihn nicht gelungen finden, indem ich der Ank\u00fcndigung desselben im Vorworte S. III unter 1) factisch in den Ausf\u00fchrungen nicht entsprochen finde. Dies \u00fcberhebt mich nun freilich nicht der Aufgabe, die im Laufe dieser Ausf\u00fchrungen gegen mein ps.ph. Formelsystem erhobenen Einw\u00fcrfe zu ber\u00fccksichtigen; wobei sich aber die Sache insofern umkehrt, als n\u00e4her zugesehen nicht meine ps.ph. Formeln, sondern die des Verfassers(sammt seiner Ansicht von der Unterschiedsschwelle, die bei seinen Ableitungen eine gro\u00dfe Bolle spielt) sich als unhaltbar erweisen. \u2018 Jedoch hiervon erst unten.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nG. Th. Fechner.\n4)\tNun bleibt allerdings der Verfasser nicht bei dem rechnerischen Beweise stehen, sondern, nachdem er denselben in den beiden ersten Abschnitten seiner Schrift mit kritischem Eingehen auf meine Formeln gef\u00fchrt zu haben glaubt, sucht er im letzten a priori, d. i. durch begriffliche und erkenntnisstheoretische Betrachtungen, abschlie\u00dfend zu zeigen, dass ein psychisches Ma\u00df von exactem Charakter \u00fcberhaupt nicht m\u00f6glich ist. Dahei nimmt er historischen R\u00fcckgang auf Erkl\u00e4rungen von Dubois-Reymond, C. Stolz, H. Grassmann, Gau\u00df, Kant, F. A. M\u00fcller \u00fcber den Gr\u00f6\u00dfenbegriff, legt besonderes Gewicht auf eine zu machende Unterscheidung zwischen Quantit\u00e4t und Quantum, f\u00fchrt die Begriffe der Causalit\u00e4t und Realit\u00e4t ins. Feld, erkl\u00e4rt (S. 70) die Empfindung \u00fcberhaupt f\u00fcr \u00bbkein Object wissenschaftlicher Erkenntnisse, u. s. w.\nAuf diese aprioristische Beweisf\u00fchrung gegen die M\u00f6glichkeit eines psychischen Ma\u00dfes einzugehen, \u00fcberlasse ich aber denen, welche \u00fcberhaupt Zutrauen zu solchen Beweisf\u00fchrungen haben, in denen Alles darauf ankommt, die Begriffe so zu definiren und zu wenden, dass das Erw\u00fcnschte dabei herauskommt; und zweifle nicht, dass Viele dem Verfasser doch leichter und lieber darin beistimmen werden, als meinen mit Differentialen und Integralen verquickten, mathematischen Constructionen des psychischen Ma\u00dfes, wenn sie diesen eben nicht zu folgen verm\u00f6gen. Um nun wenigstens diese Schwierigkeit wegzur\u00e4umen, gebe ich unter II eine Construction desselben ohne Differentiale und Integrale, und bespreche \u00fcberhaupt meine Ableitungsund Fassungsweise des psychischen Ma\u00dfes so zu sagen popul\u00e4rer als in fr\u00fcheren Darstellungen. Die Messung psychischer Werthe kommt danach imPrincip ganz mit der Messung physischer Werthe \u00fcberein, und m\u00f6chte der Verfasser das psychische Ma\u00df philosophisch widerlegt haben, so werde ich ganz zufrieden sein, es in solchem Sinne factisch aufzeigen zu k\u00f6nnen.\n5)\tAber kommen wir nun zu den Ein w\u00fcrfen des Verfassers gegen meine ps.ph. Formeln.\nNach S. 17 sollen folgende Formeln, die er mir (mit R\u00fcckgang auf S. 7 und 8) unterlegt, einen flagranten Widerspruch enthalten:\n... .4)\nJE = k log. nat. R.........7a)","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fceber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\n167\nJE \u2014 E, \u2014 Ei=k log. nat. . . 8)\nworin J das Zeichen f\u00fcr endliche Differenzen ist ; E2 und Ei und Bt, Bi respective verschiedene Empfindungen und dazu geh\u00f6rige verschiedene Reize, h eine Constante bedeuten.\nIn der That w\u00fcrde nach diesen Gleichungen ein Widerspruch zwischen dem Werthe der Constante h in der Gleichung 4) und den von einander abh\u00e4ngigen Gleichungen 7a) und 8) bestehen, wie der Verfasser S. 17 triftig nachweist; und noch einfacher \u00fcbersieht man die Unvereinbarkeit von 4) und 8) daraus, dass der Werth von JE va. 4) mit dem Werthe von JE in 8) nicht stimmt.\nAber wo in aller Welt habe ich denn die Gleichung 4)1) selbst aufgestellt! Sie wird mir nur vom Verfasser f\u00fcr meine Fundamentalformel als die allgemeinere, woraus diese folgen soll, untergeschoben. Aber nur die Eundamentalformel mit ihren unendlich kleinen Differenzen ist aus dem Web er\u2019sehen Gesetze unter Zuziehung des von mir sog. mathematischen H\u00fclfsprincips (s.III [6]) ableitbar, nicht die endliche Differenzformel 4), welche eben damit, dass sie \u00fcber die G\u00fcltigkeit des H\u00fclfsprincips hinaus ausgedehnt ist, schon a priori als falsch anzusehen ist, aber auch zu unhaltbaren Folgerungen f\u00fchrt.\nIn der That, wie l\u00e4sst sich daraus, dass nach dem Weber\u2019schen Gesetze JE constant ist, wenn constant ist, folgern, was Glei-\nchung4) besagt, dass JE dem \u2014proportional geht, wenn dieser\nWerth nicht constant ist2). Dazu gibt es gar keinen exacten Schlussweg.\nAllerdings f\u00fchrt 4) auf die Fundamentalformel zur\u00fcck, wenn man J in d verwandelt, und ist insofern wirklich das Allgemeinere derselben, wird aber eben durch diese Verallgemeinerung unrichtig, und\n1)\tDa K\u00f6hler (seine Abh. S. 585) dieselbe Formel aufstellt, so werde ich Anlass haben, unter III (8) darauf zur\u00fcck zu kommen, wo ich diese Formel mit D bezeichne.\njd\u00fc R R\n2)\tNat\u00fcrlich n\u00e4mlich kann \u2014=- =\u2014\u2014^\u2014- im Laufe der Reizscala jeden be-\nR\t\u00b1i\nliebigen Werth je nach Aenderung von Ri und R2 annehmen. Jedem anderen\nJR\nWerthe von \u2014g- entspricht ein anderer Werth JE. Nun w\u00e4re zu beweisen, dass beide sieh immer proportional \u00e4ndern. Das ist aber nicht bewiesen, noch zu beweisen.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nG. Th. Fechner.\nman kann also nicht umgekehrt die richtige Fundamentalformel durch Verwandlung von \u00f4 in z/ in eine richtige Differenzformel verwandeln, sondern blos durch Integrirung der Fundamentalformel zu einer richtigen Formel f\u00fcr] endliche Differenzen von E und R kommen, wie es in meiner Unterschiedsformel, d. i. der Formel 8) geschieht. Zwischen einer Differentialformel und der daraus richtig abgeleiteten Integralformel aber kann selbstverst\u00e4ndlich kein mathematischer Widerspruch bestehen. Also stimmt meine Fundamentalformel mit 8), aber weder die eine noch die andere mit 4) ; und kann diese nicht anders als falsch sein.\nJedoch der Verfasser findet noch einen zweiten Widerspruch in meinem Formelsystem. Danach soll, \u00bbwenn man zwei Reize R1 und Rt direct vergleicht, der Unterschied gr\u00f6\u00dfer aufgefasst werden, als wenn man die Vergleichung durch Zwischenwerthe vornimmt, und zwar werde die Vergleichung um so ungenauer, je mehr Stufen man nimmt\u00ab (S. 26).\nIn der That folgert der Verfasser dies ganz richtig aus den Gleichungen f\u00fcr Un und U2i (zum Schluss von S. 25), die er mir wieder unterlegt; nur dass auch diese Gleichungen nicht von mir aufgestellt sind, und weder mit den f\u00fcr den Empfindungsunterschied noch f\u00fcr die Unterschiedsempfindung (im Sinne der unter II zu besprechenden Unterscheidung) aufgestellten Gleichungen, d. i. weder mit der Unterschiedsformel noch Unterschiedsma\u00dfformel zusammenfallen ; diese aber lassen, wie man sich leicht \u00fcberzeugen kann, eine genaue Uebereinstimmung der beiderlei Sch\u00e4tzungen im obigen Sinne finden. M\u00f6ge der Verfasser nur in seinen Gleichungen f\u00fcr Un und U23 die Constante C, wovon in meinen hierher zu ziehenden Formeln nichts zu finden und wovon ich die Herleitung nicht verstehe, weglassen, so wird damit auch die Unzutr\u00e4glichkeit, die er findet, schwinden.\n6) Endlich \u2014- denn weiter finde ich nichts, womit ich mich beim Verfasser abzufinden h\u00e4tte, \u2014 soll ich (nach S. 26) gar nicht berechtigt sein, von der, f\u00fcr unendlich kleine Empfindungs- und Reiz\u00e4nderungen aufgestellten Differentialformel (meiner Fundamentalformel)\ndE =\nhdR\n~TT\n\u00a9","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz.\n169\ndurch Integration zu Formeln f\u00fcr endliche Gr\u00f6\u00dfen dieser Werthe \u00fcberzugehen, da diese, freilich in abstracto m\u00f6gliche, Integration Resultate gehen k\u00f6nne, die mit der erfahrungsm\u00e4\u00dfigen Wirklichkeit nicht stimmen. Der Verfasser macht in dieser Hinsicht ein Beispiel geltend, das ich, nur in einer, den fraglichen Punkt um so directer ins Licht stellenden, \u00fcbrigens sachlich gleich geltenden, Form hier wiedergeben will.\nInnerhalb der sog. Elasticit\u00e4tsgrenze ist der kleine Zuwachs dL, den ein Draht von der L\u00e4nge L durch den kleinen Zuwachs dP eines daran geh\u00e4ngten Gewichtes P erf\u00e4hrt, proportional einerseits diesem Zuwachs, andererseits der L\u00e4nge des Drahtes, also dL \u2014 hLdP, wo k eine von L und P unabh\u00e4ngige Constante, mithin\ndP =\ndL\nUL - -\n$\n/ eine Gleichung, die ganz dieselbe Form als meine obige Differentialgleichung Q hat, wenn wir E durch P, R durch L und k durch ~ er-\nfC\nsetzen. Wollten wir nun durch die, an sich m\u00f6gliche, Integration dieser\nGleichung \u00fcber die Elasticit\u00e4tsgrenze, welche hei gegebenem Draht auf\ngewisse Grenzen von P eingeschr\u00e4nkt ist, hinausgehen, so w\u00fcrden wir\nein falsches Resultat erhalten, weil die Gleichung $ eben nur f\u00fcr\nWerthe von P innerhalb dieser Grenzen aufstellbar ist. Denn \u00fcber \u00ab ^\ndiese Grenzen hinaus gilt das Gsetze nicht mehr, dass dP constant ist,\ndL\t.\nwenn constant ist.\nNun aber, was folgt hieraus Anderes f\u00fcr uns, als dass auch die Gleichung 0 nur in solchen Grenzen von E und, sofern E von R abh\u00e4ngt, in solchen Grenzen von R integrirbar ist, soll sie anders ein richtiges Resultat gehen, in welchen sie selbst richtig ist, d. h. in welchen das Weber\u2019sche Gesetz gilt, von dem Q abh\u00e4ngt, was von vorn herein zuzugeben und \u00fcberall von mir zugegeben ist. Also tritt auch das falsche Resultat der Integration von $ nicht erst durch die Integration, sondern durch die Falschheit von $ selbst bei Ueberschreitung gewisser Grenzen von P ein. Nun gilt das Weber\u2019sche Gesetz in der \u00e4u\u00dferen Psychophysik wirklich nur in gewissen Grenzen von R approximativ genug, um sich daran zu halten, und nirgends habe ich die, von 0 durch Integration","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nG. Th. Feehner.\nabh\u00e4ngig gemachten Formeln \u00fcber diese Grenze hinaus in der \u00e4u\u00dferen Psychophysikf\u00fcr g\u00fcltig erkl\u00e4rt undgehalten,was nichthindert,dass sieein Interesse f\u00fcr die innere Psychophysik unter der Yoraussetzung behalten, dass f\u00fcr diese die Beschr\u00e4nkung der G\u00fcltigkeit des Weber\u2019schen Gesetzes nicht besteht ; worauf aber hier nicht der Ort ist n\u00e4her einzugehen.\nAber auch f\u00fcr die \u00e4u\u00dfere Psy chophysik, aus der das empirische psychische Ma\u00df zu nehmen, ist dessen M\u00f6glichkeit nicht auf die G\u00fcltigkeitsgrenzen des Web er\u2019sehen Gesetzes beschr\u00e4nkt, wie ich schon im 31. Kap. meiner Elemente gezeigt habe und worauf ich unter II zur\u00fcckkommen werde. Sofern aber der Verfasser blos die Begr\u00fcndung des psychischen Ma\u00dfes auf das Weber\u2019sche Gesetz bespricht, hatte ich ihm hier auch blos in dieser Hinsicht Rede zu stehen.\n7) Nach Vorigem glaube ich nicht n\u00f6thig zu haben, dem Verfasser in der Entwickelung des Formelsystems (S. 20), welches er dem meinigen vorzieht, zu folgen. Die Widerspr\u00fcche, welche er in meinem Formelsystem findet, bestehen nicht; hingegen erscheint sein System von vorn herein unhaltbar, weil er zur Entwickelung desselben unhaltbare Annahmen zuzieht, einmal die Annahme, dass bei Aufsteigen der Empfindung der mitsteigende Reiz, dem sie zugeh\u00f6rt, von einem con-stanten Ausgangswerthe R zu rechnen sei (S. 14), welche von seiner eigenth\u00fcmlichen Ansicht \u00fcber dieXJnterschiedsschwelle abh\u00e4ngt, deren Unstatthaftigkeit unten gezeigt wird; zweitens die mit dem mathematischen H\u00fclfsprincip in Widerspruch stehende Annahme, dass die Gleichung 9 S. 12 aus dem Weber\u2019schen Gesetze folge, was von ihr eben so wenig als von obiger Gleichung 4) gilt. R\u00fccksichtslos auf diese principiellen Nachtheile aber stehen seine Formeln nach denselben Beziehungen, nach welchen eine Vergleichung mit der Erfahrung m\u00f6glich ist, in Widerspruch mit derselben, nach welchen die meinigen die beste Einstimmung damit zeigen, so dass, wenn hiernach allein die Wahl zwischen beiden zu treffen w\u00e4re, die meinigen vorgezogen werden m\u00fcssten.\nIn der That, nach den Formeln des Verfassers S. 20 ff. geht die bewusste Empfindung, bei Vemachl\u00e4ssigung des kleinen Reizschwellen-werthes i\u00fc0 gegen die Reize Ru Rv porportional dem Reize, das Verh\u00e4ltnis der Empfindungen proportional dem Verh\u00e4ltnisse der Reize, und (folgeweis aus No. 17) der empfundene Unterschied proportional dem Unterschiede der Reize. Aber wie erkl\u00e4rt sich hiernach, dass, wenn ein","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.'\t171\nLicht in ein ganz finsteres Zimmer gebracht und dann ein zweites gleiches hinzugbracht wird, der empfundene Helligkeitsunterschied, welchen das erste Licht gegen die vorherige Dunkelheit des Zimmers hervorbringt, sich heim Hinzubringen des zweiten Lichtes nicht verdoppelt, sondern der erste Zuwachs der Helligkeitsempfindung unverh\u00e4lt-nissm\u00e4\u00dfig mehr betr\u00e4gt als der zweite, ein Erfolg, der sich sehr wohl heurtheilen l\u00e4sst, auch ohne schon ein eigentliches Ma\u00df der Helligkeitsempfindung zu haben? Denn es ist hiermit im Gebiete intensiver Empfindungen nicht anders als im Gebiete extensiver. Nimm statt der Helligkeitssch\u00e4tzung zweier Lichter im ersten Gebiete die L\u00e4ngensch\u00e4tzung zweier Ma\u00dfst\u00e4be im zweiten Gebiete, \u00ff Ohne ihre L\u00e4nge durch Superposition oder nach der Zahl ihrer Abtheilungen genau verglichen zu haben, wird sich doch heurtheilen lassen, ob der eine den andern in starkem oder schwachem Verh\u00e4ltniss, um viel oder wenig, \u00fcbertrifft. Thatsachen, die eben hieher geh\u00f6ren, sind : dass das Bild eines Lichtes im Spiegel, trotz des sehr bedeutenden Verlustes, den es bei der Reflexion erf\u00e4hrt, uns kaum weniger hell als das Licht selbst erscheint, dass ein Concert von 400 M\u00e4nnerstimmen nicht sehr viel lauter als ein solches von 200 klingt, u. s. w. Thatsachen dieser Art, die schon das gew\u00f6hnliche Leben mit hinreichender Beweiskraft liefert, und die sich durch Experimente unter m\u00f6glichst vergleichbaren Umst\u00e4nden und Zuziehung einer Mehrzahl von Beobachtern um so genauer constatiren lassen w\u00fcrden, haben mich von vom herein abgehalten, der sich nat\u00fcrlich zuerst darbietenden, weil einfachsten Hypothese, dass die Empfindung und der Empfindungsunterschied respective dem Reize und Reizunterschiede proportional gehen, ernsthafte Beachtung zu schenken und Folge zu geben. Ich habe auch in meinen Schriften nicht verfehlt, diese Thatsachen als solche zu erw\u00e4hnen, welche eben so nat\u00fcrlich aus meinen Ma\u00dfformeln folgen, als sie zur Mitbegr\u00fcndung derselben gebraucht werden k\u00f6nnen. Mit welchem Rechte abstrahirt der Verfasser davon hei Vergleichung seines und meines Formelsystems ? denn in der That scheinen sie nach dem Stillschweigen seines Schriftchens davon f\u00fcr ihn nicht zu existiren. Erkennt er ihre Beweiskraft f\u00fcr mein Formelsystem dem seinigen gegen\u00fcber nicht an, so hatte er sie zu widerlegen, aber ignoriren hei\u00dft nicht widerlegen.\nNun ist nat\u00fcrlich, wenn der Verfasser sowohl das aprioristische","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nG. Th. Fechner.\nH\u00fclfsprincip, das mich bei Begr\u00fcndung meiner Fundamentalformel auf das W eber\u2019sche Gesetz geleitet hat, als die schlagendsten experimentellen Bew\u00e4hrungen der vondieserFormelabh\u00e4ngigenFormelnignorirt, dass dieselben ihm so zu sagen h\u00fclflos gegen\u00fcberstehen. Ber\u00fccksichtige man eins und das andere, so wird sein eigenes Formelsystem von selbst fallen.\n8) Hiernach habe ich noch der Ansicht des Verfassers \u00fcber die Unterschiedsschwelle zu gedenken, welche nicht nur bei der Entwicklung seines Formelsystems eine wichtige Rolle spielt, sondern auch abgesehen von dem Streit zwischen unseren beiderseitigen Formelsy-stemen die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen kann.\nDer Verfasser nimmt an, dass, wenn bei kleinem Intensit\u00e4tsunterschiede zwischen zwei gleichartigen Reizen kein Unterschied zwischen den durch sie erweckten Empfindungen gefunden wird, dies daher r\u00fchrt, dass ein solcher bei zu kleinem Reiz-Unterschiede nicht besteht. Wenig unterschiedene Reize geben nach ihm die gleiche Empfindung; und dies w\u00e4re freilich die einfachste Auflassung der Thatsache der Unterschiedsschwelle. Dabei st\u00fctzt sich der Verfasser auf folgende Analogie (S. 39), mit der Vorbemerkung: \u00bbder empfindende Mensch sei ein Apparat, der einen \u00e4u\u00dferen Reiz anzeigt, und zugleich ein Beobachter, der diese Anzeige abliest\u00ab.\n\u00bbWenn ich auf die Schalen einer Wage beiderseits gleiche Gewichte lege, so stellt sich ihr Zeiger auf den Nullpunkt ein, und constat\u00e2t dadurch die Gleichheit der Belastungen. Lege ich nun auf die eine Schale ein Uebergewicht, so schl\u00e4gt der Zeiger im Allgemeinen aus und constatirt damit die Ver\u00e4nderung der Belastung. Oder vielmehr der Beobachter constatirt die Ver\u00e4nderung auf Grund des Ausschlages. Indessen ergibt sich kein Unterschied in dem Zeigerstande, wenn die Ver\u00e4nderung der Belastung sehr gering genommen wurde, und wenn man dieser Erscheinung experimentirend nachforscht, findet man, dass das kleinste Gewicht, welches einen merklichen Ausschlag hervorbringt, zu der urspr\u00fcnglichen Belastung in einem gesetzm\u00e4\u00dfigen Verh\u00e4ltniss steht.\u00ab\nAber sollte diese f\u00fcr den ersten Anblick scheinbare Analogie wirklich auch nur erl\u00e4uternd f\u00fcr das Zustandekommen der Unterschieds-\n1) Die vorher {S. 10} geltend gemachte Analogie kommt sachlich ganz auf dasselbe hinaus.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz.\nm\nschwelle sein, so m\u00fcsste der Zeiger der Wage nicht blos auf Null stehen bleiben, wenn man von diesem Stande als einem fest gewordenen ausgeht, sondern \u00fcberhaupt hei kleiner Gewichtsverschiedenheit auf beiden Seiten, da die Unterschiedsschwelle \u00fcberhaupt bei kleiner Reizverschiedenheit auf beiden Seiten, wenn nur beide Reize \u00fcber ihrer Schwelle sind, besteht. Wenn die Sterne bei Tageslicht erl\u00f6schen, so hat zu keiner Zeit ein Ausgang von einer Gleichheit der Reizeinwirkung, um die sich\u2019s handelt, bestanden, und \u00fcberhaupt ist ein solcher Ausgang nicht der allgemeine, vielmehr fast nur k\u00fcnstlich herzustellende Fall. Seien nun aber die beiden Gewichte von v orn h erein ein wenig ungleich, so kann die Reibung, auf welche der Verfasser selbst als Grund des mangelnden Aufschlages bei zu kleiner Verschiedenheit provocirt, nicht machen, dass der Zeiger sich gerade auf Null einstellt, wenn er nach mehreren Schwankungen zur Ruhe kommt, sondern zuf\u00e4llig wird er beim einzelnen Versuch bald nach der einen, bald nach der anderen Seite ein wenig davon abweichen, und bei so oftmaliger Wiederholung, dass diese Zuf\u00e4lligkeiten sich im Mittel ausgleichen, wird der mittlere Ausschlag sicher nach der Seite gehen, auf welcher das gr\u00f6\u00dfere Gewicht liegt, und nur dieser Ausschlag kann als ma\u00dfgebend gelten.\nDazu trifft die Analogie, von welcher der Verfasser Gebrauch macht, noch nach einer anderen Seite fundamental nicht zu. Wenn ich ein Gewicht nur auf die eine beider Schalen lege, geht der Zeiger nach dieser Seite ; wenn ich ein solches nur auf die andere beider Schalen lege, geht der Zeiger nach der entgegengesetzten Seite ; lege ich aber gleichzeitig ein gleiches Gewicht auf jede beider Schalen, so heben sich die beiderseitigen Bewegungen auf und der Zeiger bleibt auf Null stehen. Also m\u00fcssten sich in dem Fall, wo ich zwei gleichstarke Reize, deren jeder f\u00fcr sich Empfindung weckt, auf verschiedene gleich empfindliche Stellen des empfindenden Organes zugleich oder auch auf dieselbe Stelle nach einander applicire, beide Empfindungen aufheben und die Empfindung schweigen, sollte die Analogiezutreffen ; statt dessen bestehen sie erstenfalls mit einander und zweitenfalls nach einander in gleicher St\u00e4rke, oder verst\u00e4rken sich zweitenfalls, wenn bei Eintreffen des zweiten Reizes der erste noch fortbesteht, nach psychophysischen Gesetzen. Wie nun der Verfasser in einer nach zwei Seiten so ganz unzutreffenden Analogie eine St\u00fctze f\u00fcr seine Auffassung der Unter-","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nG. Th. Fechner.\nschiedssckwelle und deren Einf\u00fchrungsweise in seine Formeln finden kann, ist schwer zu sagen. Ihr entgegen wird man unter II 3) eine andere Auffassungsweise der Unterschiedsschwelle finden, welcher man keinen entsprechenden Vorwurf wird machen k\u00f6nnen, und die \u00fcberhaupt nicht auf blo\u00dfer Analogie beruht.\n9) Mit Vorigem k\u00f6nnte ich nun wohl die Controverse mit Elsas f\u00fcr abgeschlossen halten, indess scheint mir die Frage, ob der rechnerische Beweis gegen die M\u00f6glichkeit eines psychischen Ma\u00dfes, den ich nach der Elsas\u2019schen Durchf\u00fchrungsweise nicht f\u00fcr gelungen halten kann, nicht in wirksamerer Weise wieder aufgenommen werden k\u00f6nne, damit noch nicht abgethan, und die Frage wichtig genug, um sie zum Schluss einer besonderen Er\u00f6rterung zu unterziehen, deren sie mir in der That noch zu bed\u00fcrfen scheint.\nEs ist ja wahr, dass das Web er\u2019sehe Gesetz von vorn herein einer mehrfachen Auslegung f\u00e4hig ist, und zwar gibt es folgende zwei Haupthypothesen, welche der Auslegung zu Grunde gelegt werden k\u00f6nnen, die ich kurz als Unterschiedshypothese und Ver-h\u00e4ltnisshypothese unterscheiden will.\nUnter li2, JR,, werden folgends wie bisher allgemein zwei verschiedene Beize, unter E2, Ey die zugeh\u00f6rigen Empfindungen verstanden ; f\u00fcr \u2014 Rl und \u2014 E{ steht kurz respective /ill, JE.\nUnterschiedshypothese (kurz U.H.). Der Constanz des Beizverh\u00e4ltnisses oder, was damit solidarisch ist1), der Constanz des J\" 1\nrelativen Beizunterschiedes -^-entspricht eine Constanz des Empfindungsunterschiedes JE.\nUv\nVerh\u00e4ltnisshypothese (kurz V.H.). Der Constanz von-J oder\ndamit solidarischen Constanz von -g-, entspricht eine Constanz des\nEmpfindungsverh\u00e4ltnisses ^ oder des damit solidarischen re-\nJE\nlativen Empfindungsunterschiedes -g-.\nDies sind die einfachsten Hypothesen, die sich aufstellen lassen, und ich glaube, dass man sich auf Pr\u00fcfung derselben beschr\u00e4nken kann.\n1) Der Beweis dieser Solidarit\u00e4t ist unter III (4) gef\u00fchrt.","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\n175\nDie erste Hypothese ist die mehlige und mein ganzes Formelsystem auf Grund derselben entwickelt. Zun\u00e4chst zwar kann das Web er\u2019sehe Gesetz nicht auf Empfindungsunterschiede, sondern nur auf Unterschiedsempfindungen oder empfundene Unterschiede, nach der unter II zu besprechenden Unterscheidung, bezogen werden; aber ich zeige unter II (5) wie der Uebertrag des Gesetzes von den einen zu den andern zu machen. Dieselbe Hypothese wird von Wundt und K\u00f6hler getheilt, aber nur f\u00fcr Unterschiedsempfindungen, nicht ebenso f\u00fcr Empfindungsunterschiede, als \u00fcberhaupt unserer Sch\u00e4tzung unzug\u00e4nglich, f\u00fcr zweifelsfrei zugelassen.\nDie Verh\u00e4ltnisshypothese ist schon fr\u00fcher von Plateau1) und Brentano (\u00bbIn Sachen\u00ab, S. 21 ff.) aufgestellt, und auch Elsas bevorzugt dieselbe in dem von ihm bevorzugten Formelsystem. Plate au selbst zwar hat dieselbe wieder fallen lassen (\u00bbIn Sachen\u00ab S. 22), nachdem die, nach der Methode der mittleren Abstufungen angestellten Versuche Delboeuf\u2019s zu einer erweiterten Bew\u00e4hrung des Weber-schen Gesetzes gef\u00fchrt haben, und ich habe ihm ohne genaueres Zusehen darin beigestimmt. Aber damit, dass Delboeuf\u2019s Versuche f\u00fcr das Weber\u2019sche Gesetz entscheiden, entscheiden sie doch nicht gegen die Auslegbarkeit desselben nach der V. H., lassen vielmehr die Frage ebenso wie irgend welche andere Versuche, auf die sich das Weber\u2019 sehe Gesetz st\u00fctzen kann, nach wie vor bestehen. Die Elsas-sche Durchf\u00fchrung der V. H. f\u00fchrt angegebenerma\u00dfen zu erfahrungswidrigen Folgerungen; aber darauf ist nichts zu geben, weil die Durchf\u00fchrung unter Zuziehung unhaltbarer Annahmen geschehen ist, an die wir nicht gebunden sind; also gilt es erst, die Hypothese so zu sagen auf ihrem eigenen Boden zu pr\u00fcfen, was ja sehr wohl geschehen kann und unten geschehen wird.\nUm nun das Resultat davon vorweg auszusprechen, so erh\u00e4lt man nach der V.H. ein nicht minder gut in sich zusammenstimmendes System von Ma\u00dfformeln f\u00fcr die Empfindungsfunctionen und Empfindung als nach der U.H. Aber die Ergebnisse der einen Hypothese stimmen nicht mit denen der andern; und Elsas schiene also zun\u00e4chst damit Recht zu behalten, dass das Weber\u2019sche Gesetz \u00fcberhaupt nicht als Unterlage eines psychischen Ma\u00dfes dienen k\u00f6nne, sofern\n1) Poggend. Ann. CL. 1873. S. 485 ff.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nG. Th. Fechner.\nzwei gleich m\u00f6gliche Auslegungen desselben zu gleich gut in sich stimmenden Ma\u00dfformeln f\u00fchren, die nicht unter einander stimmen.\nAber daraus, dass beide Hypothesen in abstracto gleich m\u00f6glich sind, folgt noch nicht, dass sie auch mit R\u00fccksicht auf die Erfahrung gleich m\u00f6glich sind; es fragt sich also erst noch, und das ist die wesentliche Frage, von welcher der beiden Hypothesen die Consequenzen besser mit der Erfahrung stimmen. Sollte nun die Y.H. in dieser Beziehung den Sieg behalten, so w\u00fcrde freilich mein ganzes, auf das Web er\u2019sehe Gesetz gegr\u00fcndetes Formelsystem, wie das von Wundt und K\u00f6hler, damit fallen, aber das psychische Ma\u00df damit nicht fallen, sondern eben nur nach den Formeln der Y.H. auf das Weber\u2019sche Gesetz zu gr\u00fcnden sein, und es ist unstreitig wichtig, zu untersuchen, wie es in dieser Hinsicht steht.\nDie erfahrungsm\u00e4\u00dfigen Verh\u00e4ltnisse, welche ich unter 7) gegen die Elsas\u2019sche Durchf\u00fchrung seines rechnerischen Beweises geltend machte, geben bei Verlassen seiner untriftigen Annahmen keinen Ausschlag mehr, indem sich ihnen nach beiden Hypothesen entsprechen l\u00e4sst, und ich gestehe, bisher nur folgenden Punkt zu finden, an den sich eine erfahrungsm\u00e4\u00dfige Entscheidung kn\u00fcpfen kann. Nach der U.H. wird die Empfindung bei einem endlichen Reizgrade Null, wird erst bei Uebersteigen dieses Grades bemerklich und gibt es also eine (endliche) Reizschwelle. Nach der V.H. wird die Empfindung zugleich mit dem Reize Null, wird schon bemerklich, wenn der Nullwerth des Reizes noch so wenig \u00fcberschritten wird, und gibt es also keine (endliche) Reizschwelle. Factisch[aber gibt es eine (endliche) Reizschwelle. Denn, mit welchem Reize wir zu thun haben m\u00f6gen, er reicht hin, ihn bis unter eine gewisse endliche Gr\u00f6\u00dfe zu verkleinern, oder, was damit \u00e4quivalent ist, ihn \u00fcber eine gewisse endliche Grenze zu entfernen, so schwindet die Empfindung,; und dies entscheidet f\u00fcr die U.H.\nMan kann hiergegen etwa einwenden, die Reizschwelle beruhe blos darauf, dass der Reiz erst eine gewisse endliche Gr\u00f6\u00dfe \u00fcbersteigen m\u00fcsse, um seine Wirkung bis zum Sensorium zu erstrecken; f\u00fcr die von ihm abh\u00e4ngige ps.ph. Erregung aber, von welcher die Empfindung unmittelbar abh\u00e4nge, g\u00e4be es keine endliche Schwelle, vielmehr fiele der Nullwerth der Empfindung mit dem Nullwerth der ps.ph. Erregung zusammen; ja es ist dies eine sehr verbreitete Ansicht. Aber","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz.\n177\nabgesehen von dem unter II (9) gef\u00fchrten ^Nachweise, dass wir zur Thatsache der \u00e4u\u00dferen Reizschwelle nicht ohne die Annahme einer innern ps.ph. Schwelle auskommen, kommt es bei dem psychischen Ma\u00dfe in der \u00e4u\u00dferen Psychophysik gar nicht darauf an, wie es sich mit der, uns empirisch unbekannt bleibenden ps.ph. Erregung verh\u00e4lt. Sondern, wenn sich das Weber\u2019sche Gesetz in Bezug auf die \u00e4u\u00dferen Reize und die zugeh\u00f6rigen Unterschiedsempfindungen zugleich mit der Thatsache der \u00e4u\u00dferen Reizschwelle best\u00e4tigt, reicht dies hin, ein psychisches Ma\u00df auf Grund dieser Data zu gewinnen, ohne dass die Frage, ob eine innere Schwelle besteht, irgendwie ins Spiel kommt. Die Frage der inneren Schwelle hat blo\u00df Bedeutung f\u00fcr die Frage, wiefern das, auf das W eber\u2019sche Gesetz in der \u00e4u\u00dferen Psychophysik zu gr\u00fcndende, psychische Ma\u00df in die innere Psychophysik zu \u00fcbertragen sei, wenn man statt des Reizes die ps.ph. Erregung in Betracht und Rechnung zieht. Sollte nun f\u00fcr die ps.ph. Erregung eine innere Schwelle fehlen, so w\u00fcrde diese Uebertragung nicht m\u00f6glich sein, aber das, in der \u00e4u\u00dferen Psychophysik auf die Reizverh\u00e4ltnisse mit Zuziehung der Reizschwelle zu gr\u00fcndende psychische Ma\u00df nicht weniger bestehen. Inzwischen sprechen erw\u00e4hnterma\u00dfen die unter II (9) zu entwickelnden Gr\u00fcnde auch f\u00fcr die Annahme einer inneren Schwelle. Gesetzt aber, dass man das vorige, erfahrungsm\u00e4\u00dfige Kriterium zu Gunsten der U.H. noch anzweifeln wollte, so m\u00fcsste bei sachlich freistehender Wahl folgender formelle Gesichtspunkt den Ausschlag f\u00fcr diese Hypothese geben, womit Bemerkungen Wundt\u2019s in Phil. Stud. II. S. 24 wohl stimmen.\nSeien drei, ihrer Gr\u00f6\u00dfe nach auf einander folgende Reize A, B, O gegeben, wozu die Empfindungen a, b, c geh\u00f6ren; und seien die sue-cessiven Reizverh\u00e4ltnisse -j-, -g einander gleich, so wird man nach der U.H. die Empfindungsunterschiede b\u2014a, c\u2014b einander gleich zu nehmen haben, und der Totalunterschied c\u2014a wird gleich der Summe der beiden Theilunterschiede sein. Nach derV.H. hingegen wird man\nb\tC\n~ = f zu nehmen haben und das totale Empfindungsverh\u00e4ltniss \u2014 wird nicht gleich der Summe der beiden TheilVerh\u00e4ltnisse \u2014, \u2014, son-\na ' b\u2019\ndern gleich dem Product derselben sein. Wohlan, auch die Ma\u00dfbestimmungen der den Empfindungen a, b, c zugeh\u00f6rigen physischen Reize A, B, C w\u00fcrden sich, sachlich widerspruchslos, in doppelter\nWundt, Philos. Stndien. IV.\t<o","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nG. Th. Feehner.\nWeise vornehmen lassen, einmal so, dass der totale Unterschied C\u2014A als die Summe der beiden Theilunterschiede, zweitens so, dass das Totalverh\u00e4ltniss -j als Product der beiden Theilverh\u00e4ltnisse \u2014, in Betracht undRechnung gezogen wird; ah er man verf\u00e4hrt auf physischem Gebiete \u00fcberhaupt nur in erster Weise; und soweit ich es \u00fcbersehe, w\u00fcrde man zwar theoretisch ebenso gut in zweiter Weise verfahren, aber damit nicht die praktischen Vorz\u00fcge der ersten Weise erreichen k\u00f6nnen.\nHiernach werde ich unter II von derV.H. \u00fcberhaupt abstrahiren, was \u00fcbrigens Niemand hindern kann, es mit derselben zu versuchen, wenn er glaubt, dass ein Gewinn dabei herauskommen k\u00f6nne.\nEndlich wende ich mich noch zur Ableitung des Formelsystems\nder V.H.\nNach dieser Hypothese ist der relative Empfindungs-Unterschied\nconstant, wenn der relative Reizunterschied constant ist, mithin\nAE ,\t.\tAR ,\t,\nconstant, wenn \u2014constant\nist. Daraus folgt, unter Zuziehung des mathematischen H\u00fclfsprincips (Abth. III [6]), die Differentialformel\nworinp constant ist; und hieraus durch Integration:\nlog E = p (log E \u2014 log 91) \u2014 p log ^ = log\t... 2)\nworin 91 der Werth von E ist, hei welchem E\u2014 1, mithin log E\u2014o. Das gibt :\tE =\t........3)\nworin x\n:\tebenfalls constant ist, eine Formel, die mit der Pla-\nteau\u2019schen (\u00bbIn Sachen\u00ab S. 21) stimmt.\nHiernach ^ _ EK = JE \u2014 p log ^. . . 4)\nIKt)\u2019 '\t61\nSoll nun E = o sein, so kann dies, welchen Werth auch die Con-stanten x und p haben m\u00f6gen, nach Formel (3) nicht anders der Fall sein, als wenn der Reiz E oder die durch ihn vertretene ps.ph. Erregung null ist, also eine ps.ph. Schwelle nicht besteht.\nAu\u00dferdem kn\u00fcpft sich folgende Bemerkung an Formel (5) :\nJe nachdem p= 1, oder < 1, oder > 1, oder = 0, w\u00e4chst E proportional mit E, oder in geringerem Verh\u00e4ltniss, oder in gr\u00f6\u00dferem Ver-","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz.\n179\nh\u00e4ltniss als R, oder gar nicht mit R. Da das Zweite der Fall der Wirklichkeit ist, so m\u00fcsste, wenn dies Formelsystem \u00fcberhaupt Geltung h\u00e4tte, p < 1 genommen werden.\nNach Allem also ist es nicht das Weber\u2019sche Gesetz allein, sondern das Weher\u2019 sehe Gesetz mit der Thatsache der \u00e4u\u00dferen Reizschwelle, worauf ein zweifelsfreies Empfindungsma\u00df in der \u00e4u\u00dferen Psychophysik begr\u00fcndet werden kann; und vom Anf\u00e4nge meinerUnter-suchungen herein habe ich beide Bedingungen als Erfordernisse dazu zugezogen.\nII. Fe ebner (Eigene Ansichten).\nNachdem ich mich schon im Eing\u00e4nge dieser Abhandlung \u00fcber Anlass und Absicht der nachstehenden neuen Zusammenstellung meiner Ansichten \u00fcber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Web ersehe Gesetz erkl\u00e4rt habe, wende ich mich gleich zur Sache.\n1) Ich gehe von einem Princip als allgemeinstem; Ma\u00dfprincip aus, wogegen, denk\u2019 ich, weder der Physiker noch Philosoph etwas einzuwenden finden wird.\nSeien mehrere Werthe in irgend einem Gebiete gegeben, die sich insofern als Gr\u00f6\u00dfen betrachten lassen, als sie wachsend und abnehmend gedacht werden k\u00f6nnen; sei die M\u00f6glichkeit gegeben, das Stattfinden der Gleichheit oder Ungleichheit zweier oder mehrerer dieser Werthe zu beurtheilen, wenn sie zugleich oder nach einander betrachtet werden, und seien n Werthe hierbei gleich gefunden oder auch, bei freigestellter Ab\u00e4nderung, gleich gemacht worden, so ist selbstverst\u00e4ndlich, denn es ist dies Sache der Definition, mithin ein identischer Satz, dass ihre, mit ihrer Summe zusammenfallende Gesammtgr\u00f6\u00dfe gleich dem fachen jeder einzelnen ist, wonach jeder einzelne oder auch jeder bestimmte Bruchtheil oder jedes bestimmte Multiplum der gleich gefundenen Gr\u00f6\u00dfen, was in der That willk\u00fcrlich ist, als Einheit betrachtet werden kann, nach welcher die Gesammtgr\u00f6\u00dfe oder jeder Theil derselben zu messen ist. Die n gleichen Theile, aus welchen eine Gesammtgr\u00f6\u00dfe zusammengesetzt gedacht werden kann, stimmen nat\u00fcrlich an Gr\u00f6\u00dfe mit den n gleichen Theilen zusammen, in welche sie zerlegbar gedacht werden kann.\nAlle physikalische Messung gr\u00fcndet sich auf voriges Princip; auch fiie psychische wird sich darauf zu gr\u00fcnden haben, wenn nur der\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nG. Th. Fechner.\nGr\u00f6\u00dfenbegriff in obigem Sinne darauf Anwendung findet; und das gilt jedenfalls von den psychischen Werthen, mit denen wir in Folgendem zu thun haben werden; auf die Frage, ob nicht noch dar\u00fcber hinaus, brauchen wir hier nicht einzugehen, so lange es sich nur um die M\u00f6glichkeit und Begr\u00fcndung eines psychischen Ma\u00dfes \u00fcberhaupt handelt.\nNun tritt freilich der Anwendung dieses Princips schon auf physikalischem Gebiete die Schwierigkeit entgegen, dass die Gleichheit zweier oder mehrerer Gr\u00f6\u00dfen sich nie absolut genau constatiren oder herstellen l\u00e4sst, wovon abh\u00e4ngt, dass selbst die m\u00f6glichst genauen,, schlie\u00dflich doch auf Gleichheitsbestimmungen beruhenden, physikalischen, geod\u00e4tischen, astronomischen Ma\u00dfe noch mit einem sog. wahrscheinlichen Fehler, unter Umst\u00e4nden auch mit einem constanten Fehler behaftet bleiben. Aber das hindert nicht, dass Obiges die Principien aller exacten physikalischen Messung bleiben. Man muss nur bei empirischer Anwendung derselben durch m\u00f6glichste Sch\u00e4rfe der Beobachtungsmittel die Fehler der Einzelbeobachtung auf das kleinst-m\u00f6gliche reduciren, die constanten Fehler da, wo es das Beobachtungsgebiet gestattet, durch Entgegensetzung m\u00f6glichst compensiren, und durch Vervielf\u00e4ltigung der Beobachtungen und Mittelziehung die Genauigkeit m\u00f6glichst steigern, wor\u00fcber es nothlos ist, hier in\u2019s-Detail einzugehen. Mit all\u2019 dem werden wir keine absolut genauen Ma\u00dfe erlangen, aber doch solche, welche nicht nur f\u00fcr die Praxis gen\u00fcgen k\u00f6nnen, wo es sich um Messung einzelner Gegenst\u00e4nde handelt, sondern auch zu allgemeineren Gesetzlichkeiten f\u00fchren k\u00f6nnen, welche eine allgemeinere Einsicht in den Zusammenhang und die Auseinanderfolge der physischen Dinge begr\u00fcnden. Und auch all\u2019 das l\u00e4sst sich auf das psychische Gebiet \u00fcbertragen. Die Schwierigkeiten der empirischen Anwendung des allgemeinen Ma\u00dfprincips sind nur auf psychischer Seite viel gr\u00f6\u00dfer als auf physischer, daher die Ausf\u00fchrung des Ma\u00dfes nach den zu Gebote stehenden psychophysischen Ma\u00dfmethoden viel weniger einfach, das psychische Ma\u00df \u00fcberhaupt in die Praxis des Lebens nicht sonderlich eingreifend, hingegen von eminenter wissenschaftlicher Wichtigkeit und Tragweite, nicht nur wegen der damit gegebenen gemeinsamen Unterordnung beider Gebiete unter dasselbe Princip mathematischer Bestimmtheit, sondern auch wegen der, in Zusammenhang mit der Gewinnung des Ma\u00dfes sich von selbst ergebenden gesetzlichen Beziehung zwischen psychischen und physischen","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprineipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\t181\nGr\u00f6\u00dfen. Anstatt aber in Allgemeinheiten hier\u00fcber weiter vorzugehen, zeigen wir die Anwendung des Principes an einem besonders instruc-tiven und zugleich historisch denkw\u00fcrdigen Fall, von dem ich zwar in meinen fr\u00fcheren Darstellungen nicht ausgegangen bin, doch recht -wohl h\u00e4tte ausgehen k\u00f6nnen.\n2, Lassen wir die erste Gr\u00f6\u00dfenclasse der Sterne bei Seite, welche \u00fcberhaupt nur die hellsten Sterne, aber von verschiedenster Helligkeit Fegreift, so finden die Astronomen einen ebenso gro\u00dfen Helligkeits-Unterschied zwischen den Sternen zweiter und dritter, als dritter und vierter, vierter und f\u00fcnfter Gr\u00f6\u00dfe; sie normiren ja eben die Gr\u00f6\u00dfen-classen hiernach. Aber, kann man sagen, um den Consequenzen dieser fundamentalen Thatsache auszuweichen, entweder: es sind nicht gleiche psychische, sondern gleiche physische (photometrische) Unterschiede, wodurch die verschiedenen Gr\u00f6\u00dfenclassen von einander abstehen ; oder : es ist \u00fcberhaupt nur ein altes Herkommen, nach welchem die Sterne von verschiedener Helligkeit gegen einander in Classen geordnet sind, ohne dass die Gleichheit empfundener Unterschiede dabei eine Rolle spielt, wor\u00fcber der Empfindung gar kein Urtheil zusteht. Denn es wird zwar zwischen zwei Sternen von den physischen Helligkeiten A und B derselbe Helligkeitsunterschied empfunden werden, als zwischen zwei anderen Sternen von denselben physischen Helligkeiten A und B ; sind aber drei oder mehr Sterne A, B, C. . . von der Ordnung nach aufsteigender physischer Helligkeit gegeben, so wird es unm\u00f6glich sein zu sagen, ob der empfundene Helligkeitsunterschied zwischen B und C dem zwischen A und B gleich oder nicht gleich sei, \u00fcberhaupt unm\u00f6glich sein, die Gleichheit empfundener Unterschiede oder auch Unterschiedsempfindungen (Ausdr\u00fccke, die ich gleichbedeutend brauche) in verschiedenen Theilen der Helligkeitsscala zu constatiren.\nIn der That ist der vorige Unterschied zu machen, und darin, ob das letztere wirklich unm\u00f6glich sei, liegt der cardo rei der Frage, ob \u00fcberhaupt ein psychisches Ma\u00df unm\u00f6glich sei. Die M\u00f6glichkeit, den empfundenen Unterschied zwischen Helligkeiten in einem Theile der Helligkeitsscala dem empfundenen Unterschiede zwischen Helligkeiten in einem anderen Theile derselben gleich zu finden, wirdnun aber eben durch die Thatsache der astronomischen Gleichsch\u00e4tzung solcher Unterschiede bewiesen, denn die beiden oben","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nG. Th. Fechner.\nmit Entweder Oder versuchten Ablehnungen davon ersetzen sich leicht und entschieden durch ein Weder Noch.\nIn der That, was die erste anlangt, wonach es gleiche physische oder photometrische, nicht gleiche psychische oder empfundene Helligkeitsunterschiede sein sollen, wonach die Gr\u00f6\u00dfenclassen der Sterne geordnet sind, so steht in entschiedenem Widerspruche damit, dass, nachdem diese Ordnung l\u00e4ngst von den Astronomen nach blo\u00dfer Gleichheit empfundener Unterschiede ohne alles photometrische Ma\u00df festgestellt war, die erst sp\u00e4ter vorgenommene photometrische Pr\u00fcfung ergab, dass gleichen Unterschieden der Gr\u00f6\u00dfenclassen nicht gleiche Unterschiede, sondern, im Sinne des bekannten Weber\u2019schen Gesetzes, gleiche Verh\u00e4ltnisse photometrischer Helligkeit entsprechen, was den Gang der Stemgr\u00f6\u00dfenclassen und ihrer photometrischen Werthe g\u00e4nzlich auseinanderfallen macht. Mit dem Umstande aber, dass diese Entdeckung erst sp\u00e4ter als die Feststellung der Sterngr\u00f6\u00dfen geschah, war zugleich die andere Annahme ausgeschlossen, gegen die sich ohnehin die Astronomen wehren w\u00fcrden1), dass die Gr\u00f6\u00dfenclassen von vornherein nach einer willk\u00fcrlichen Convention ohne Gleichsch\u00e4tzung ihrer Abst\u00e4nde nach dem Urtheil der Empfindung (d. i. nach gleich empfundenen Unterschieden) unterschieden und nur aus Gewohnheit beibehalten worden seien, denn es w\u00e4re der unwahrscheinlichste Zufall, dass damit gerade das psychophysische Grundgesetz (Weber\u2019sehe Gesetz) getroffen worden.\nInzwischen haben wir uns in dieser Hinsicht nicht blo\u00df auf Beobachtungen am Himmel und blo\u00dfe Unwahrscheinlichkeit zu berufen, da vielmehr Versuche im Zimmer mit willk\u00fcrlicher Ab\u00e4nderung der physischen Helligkeiten den directen Beweis daf\u00fcr liefern, dassUnter-schiedsempfindungen in verschiedenen H\u00f6hen der Helligkeitsscala gleich gefunden werden k\u00f6nnen, wobei sich dasselbe psychophysische Grundgesetz, wozu die Sterngr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen f\u00fchren, in den Grenzen, in denen es \u00fcberhaupt G\u00fcltigkeit beanspruchen kann, best\u00e4tigt findet; es ist ja das einer der Wege der Constatirung des Weber\u2019schen Gesetzes. Man err\u00e4th leicht, dass ich das, von Wundt als Verfahren der mittleren Abstufungen hezeichnete Plateau-Delboeuf\u2019sche\n1) Theilen sie doch jetzt behufs feinerer Bestimmungen die Unterschiede der Gr\u00f6\u00dfenclassen nach blo\u00dfer Sch\u00e4tzung ohne photometrische H\u00fclfe noch in Zehntel, und f\u00fcgen hiernach der in einer ganzen Zahl ausgedr\u00fcckten Gr\u00f6\u00dfe eines Sternes noch eine D\u00e9cimale bei.","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz,\n183\nVerfahren meine, wovon das Wesentliche dieses ist. Seien zwei Fl\u00e4chen A, B von verschiedener physischer Helligkeit gegeben, und sei B heller als A, so wird psychischerseits ein zugeh\u00f6riger Helligkeitsunterschied empfunden werden. Gleichviel, welches er sei, so wird sich eine dritte noch hellere Fl\u00e4che C hinzuf\u00fcgen und deren physische Helligkeit so lange ah\u00e4ndern lassen, bis der auf B, C bez\u00fcgliche Helligkeitsunterschied psychischerseits dem auf A, B bez\u00fcglichen gleich erscheint, wonach wir in den drei Fl\u00e4chen A, B, G die Verh\u00e4ltnisse dreier auf einander folgender Sterngr\u00f6\u00dfen wiederfinden. Oderauch: zwischen zwei Fl\u00e4chen A, C von verschiedener physischer Helligkeit l\u00e4sst sich eine dritte B so einschieben, dass der totale empfundene Helligkeitsunterschied bez\u00fcglich A und C sich in zwei gleich empfundene Unterschiede respective bez\u00fcglich A, B und B, C zerlegt, der totale bez\u00fcglich A, O also als durch 2 gemessen angesehen werden kann, wenn jeder der beiden Componenten der Werth 1 gegeben wird. Ganz entsprechend wird der empfundene, hiermit psychische Unterschied zwischen zweiter und vierter Gr\u00f6\u00dfenclasse der Sterne sich in die zwei gleich empfundenen Unterschiede zwischen zweiter und dritter und zwischen dritter und vierter Gr\u00f6\u00dfenclasse zerlegen lassen, und f\u00fcr doppelt so gro\u00df als jeder von diesen anzunehmen sein.\nZwar k\u00f6nnte man sagen: wenn der empfundene Unterschied hez. A, B gleich dem empfundenen Unterschiede hez. B, C gleich gefunden ist, so folgt daraus doch noch gar nicht, dass der totale empfundene Unterschied hez. A, C nach directem Vergleiche gerade das Doppelte jedes der beiden f\u00fcr sich empfundenen Theilunterschiede sei; er k\u00f6nnte eine ganz unbestimmte Function von beiden sein. Aber in der That kann man nicht so sagen, da man damit einen identischen Satz bestreiten w\u00fcrde. Auch im rein physischen Gebiete kann man nicht sagen: wenn drei Gewichte A, B, C vorliegen, und der Gewichtsunterschied zwischen A und/i dem zwischen B und C gleich gefunden ist, so folgt daraus noch gar nicht, dass der Gewichtsunterschied zwischen A und C das Doppelte von jedem der beiden Theilunterschiede sei. Wir nennen aber eben einen ganzen Unterschied doppelt so gro\u00df als jeden der beiden gleichen Theilunterschiede, aus denen er im vorigen Sinne zusammengesetzt oder in die er zerlegbar gedacht werden kann ; und ich w\u00fcsste nicht, warum dies im psychischen Gebiete anders als im physischen zu fassen w\u00e4re. Auch erlangen wir damit entsprechende","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nG. Th. Fechner.\nVortheile der Bestimmtheit und Berechenbarkeit im-psychischen als im physischen Gebiete. In der That, sei eine ganze Reihe von Sternen oder Fl\u00e4chen A, B, C, D . . . gegeben, deren physische wie zugeh\u00f6rige empfundene Helligkeiten der Ordnung nach wachsen, die Unterschiede bez. A, B und B, C u. s. w. aber seien gleich empfunden, so w\u00fcrde man, wenn der Einwand Recht h\u00e4tte, nur sagen k\u00f6nnen, dass der psychische Unserschied zwischen zwei entfernten Gliedern gr\u00f6\u00dfer sei als zwischen zwei n\u00e4heren ; aber was thut man mit solcher Unbestimmtheit? Nach unserer, in den allgemeinen Ma\u00dfprincipien begr\u00fcndeten Fassung aber kann man jeden psychischen Unterschied als ein bestimmtes Multiplum des Unterschiedes zwischen den n\u00e4chsten Gliedern ausdr\u00fccken, und wird damit wissen, dass, wenn ein empfundener Helligkeitsunterschied 2- oder 3mal so gro\u00df genannt wird, als ein anderer, wir den Uebergang zu ersterem durch Zwischen-Ein-schiebung von 2 oder 3, dem letzteren gleichen Helligkeitsunterschieden finden, was ein Factum ist, das f\u00fcr die Erfahrung und Rechnung verwerthbare Folgerungen zul\u00e4sst.\nWenn ich mich im Vorigen zur Erl\u00e4uterung, wie sich ein Ma\u00df der Unterschiedsempfindungen oder empfundenen Unterschiede gewinnen l\u00e4sst, auf die Sterngr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen und die Methode der mittleren Abstufungen bezogen habe, wo die Gleichheit gr\u00f6\u00dferer als nur eben merklicher Unterschiede gesch\u00e4tzt wird, so geschah es, weil mir die Erl\u00e4uterung f\u00fcr diesen Fall am leichtesten eing\u00e4nglich erscheint; man kann sich aber auch auf die Methode der eben merklichen Unterschiede beziehen, von der ich in den \u00bbElementen\u00ab ausgegangen, indem sie f\u00fcr kleine empfundene Unterschiede dasselbe beweist, als die Sterngr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen und die Methode d. m. A. f\u00fcr gr\u00f6\u00dfere, d. i. die M\u00f6glichkeit der Gleichsch\u00e4tzung psychischer Unterschiede in verschiedenen H\u00f6hen der Reiz- und Empfindungsscala, woran die M\u00f6glichkeit des Ma\u00dfes empfundener Unterschiede \u00fcberhaupt in angegebener Weise gekn\u00fcpft ist. Beide Methoden, die d. m. A. und die d. e. U. erg\u00e4nzen sich in dieser Beziehung mit Vortheil. Freilich hat man die M\u00f6glichkeit der Gleichsch\u00e4tzung f\u00fcr sehr kleine, die sog. eben merklichen Unterschiede geleugnet, aber meines Erachtens m\u00fc\u00dfigerWeise; denn: Erstens l\u00e4sst sich die Pr\u00fcfung des Web er\u2019sehen Gesetzes nach der Methode d. e. U. nicht anders als unter Voraussetzung solcher M\u00f6glichkeit ausf\u00fchren und h\u00e4tte die Con-","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Oeber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz.\n185\nstatirung desselben nach dieser Methode in den Grenzen seiner G\u00fcltigkeit nicht ohne diese M\u00f6glichkeit gelingen k\u00f6nnen. Zweitens, da die betreffende M\u00f6glichkeit durch die Methode der mittleren Abstufungen f\u00fcr gr\u00f6\u00dfere empfundene Unterschiede direct erwiesen ist, so m\u00fcssten erst bestimmte theoretische oder Erfahrungsgr\u00fcnde daf\u00fcr vorliegen, dass sie doch \u00fcber gewisse Grenzen der Kleinheit hinaus nicht reicht; es liegt aber nichts der Art vor. Drittens kann ich mich auf meine eigenen Beobachtungen berufen, sofern ich die Methode d. e. U. zur Constatirung des Weber\u2019schen Gesetzes stets mit R\u00fccksicht auf m\u00f6glichste Gleichsch\u00e4tzung des kleinen empfundenen Unterschiedes in den verschiedenen H\u00f6hen der Reiz- und Empfindungsscala angewandt habe, wobei nat\u00fcrlich Irrthiimer im Einzelnen als Beobachtungsfehler ebenso m\u00f6glich sind, als bei der Methode der mittleren Abstufungen und bei Beobachtungsmethoden in irgend welchem Gebiete \u00fcberhaupt, die man durch Vervielf\u00e4ltigung der Beobachtungen und Mittelziehung auf das kleinstm\u00f6gliche zu reduciren suchen muss (vergl. \u00bbIn Sachen\u00ab S. 42 f.). Endlich aber, wenn man alle diese Gr\u00fcnde f\u00fcr die M\u00f6glichkeit der Gleichsch\u00e4tzung eben merklicher Unterschiede nicht durchschlagend finden sollte, w\u00fcrde der Zweifel daran in sofern m\u00fc\u00dfig bleiben, als abgesehen davon die Sterngr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen und die Methode der mittleren Abstufungen, wobei diese M\u00f6glichkeit zweifellos bez\u00fcglich gr\u00f6\u00dferer Unterschiede besteht, f\u00fcr die Gewinnbarkeit des psychischen Ma\u00dfes schon beweisend genug sind; und eben deshalb, weil hiergegen nicht derselbe Zweifel als bez\u00fcglich sehr kleiner merklicher Unterschiede erhoben werden kann, habe ich hier den Ausgang von jenen Beweismitteln genommen, wenn schon die Beziehung auf sehr kleine Unterschiede wegen des n\u00e4her liegenden Uebergangs zu Differentialen, der zur Entwickelung allgemeiner Ma\u00dfformeln (Fundamentalformel u. s. w.) f\u00fchrt, von anderer Seite in Vortheil bleibt.\n3) Nach Vorigem also l\u00e4sst sich jedenfalls f\u00fcr psychische, d. i. empfundene Unterschiede oder Unterschiedsempfindungen, auf Grund vorgenommener Gleichheitsbestimmungen in verschiedenen H\u00f6hen der Reiz-und Empfindungsscala, ein Ma\u00df derart finden, dass man sagen kann, wie viel mal eine kleinere Unterschiedsempfindung (bez\u00fcglich einander n\u00e4her stehender physischer Werthe) in einer gr\u00f6\u00dferen (bez\u00fcglich ferner stehenden) enthalten ist. Damit ist dem all-","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nG. Th. Fechner.\ngemeinen Ma\u00dfprincip entsprochen; wogegen meines Erachtens alle philosophischen Gegendemonstrationen nur Streiche in die Luft sind.\nNun l\u00e4sst sich freilich leicht bemerken, dass mit dem Ma\u00dfe der empfundenen Unterschiede noch kein Ma\u00df der Empfindungen selbst, wozwischen der Unterschied empfunden wird, gegeben ist; aber es wird sich (unter den Paragraphen [4] bis [6]) zeigen lassen, wie von ersterem zu letzterem zu kommen ist ; und lie\u00dfe sich nicht dazu kommen, so w\u00fcrde schon in ersterem ein psychisches Ma\u00df gegeben, also der Aufgabe, ein solches \u00fcberhaupt aufzuzeigen, entsprochen sein. Dazu l\u00e4sst sich bemerken, dass das Ma\u00df der empfundenen Unterschiede, auch ohne von da bis zum Ma\u00dfe der Empfindungen selbst zu gelangen, und abgesehen davon sein, sogar ins Praktische \u00fcbergreifendes, Interesse hat, wie sich nur eben an den darauf beruhenden Stemgr\u00f6\u00dfen-sch\u00e4tzungen bewiesen hat; zugleich ein Beweis, dass es nicht blo\u00df in der Theorie besteht, sondern, so zu sagen, an dem gr\u00f6\u00dften Ma\u00dfstabe, den es gibt, seine Ausf\u00fchrung gefunden hat.\nNat\u00fcrlich, da sinnliche Empfindungen, mit denen wir hier zu thun haben, durch physische Reize erweckt werden und durch Beziehung auf diesen Ursprung charakterisirt sind, kann auch das Ma\u00df der Empfindungen wie der dazwischen empfundenen Unterschiede nur mit Beziehung auf diesen Ursprung festgestellt werden, und k\u00f6nnen wir also auch von empfundenen Unterschieden zwischen verschiedenen Sterngr\u00f6\u00dfenclassen, worauf deren Abstufung beruht, nur mit Beziehung auf die dabei entweder aufzeiglich unterliegenden oder durch ihre physische Lichtintensit\u00e4t charakterisirten Sterne sprechen.\nIn der That, wenn wir wissen, dass gleiche Unterschiedsempfindungen gleichen Reizverh\u00e4ltnissen zugeh\u00f6ren, so werden wir nur n\u00f6thig haben, die, einem beliebigen Reizverh\u00e4ltnisse in einer beliebigen H\u00f6he der Reiz- und Empfindungsscala zugeh\u00f6rige Unterschiedsempfindung als Einheit anzunehmen, um zur ra-fachen U.E. dadurch zu gelangen, dass wir jenes Reizverh\u00e4ltniss ra-mal mit sich selbst mul-tipliciren, indem dann die U.E. bez\u00fcglich des Ausgangsreizes und des Schlussreizes, zu dem man durch Potenzirung mit dem Exponenten ra gelangt, ra-mal so gro\u00df als jene Einheit ist. Bei der Discussion mit K\u00f6hler wird hierauf unter III (2) zur\u00fcckzukommen sein.\nInzwischen ist wichtig, ausdr\u00fccklich zu betonen, dass die Mess-","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz.\n187\nbarkeit der Unterschiedsempfindungen doch keineswegs auf die G\u00fcltigkeit des Weber\u2019schen Gesetzes beschr\u00e4nkt ist,.ja principiell mit derselben gar nichts zu schaffen hat. Zugestandenerma\u00dfen ist das Weber\u2019sche Gesetz f\u00fcr die \u00e4u\u00dfere Psychophysik, in welche das experimentale psychische Ma\u00df f\u00e4llt, nicht \u00fcber gewisse Grenzen hinaus so weit zutreffend, um als Grundlage des Ma\u00dfes dienen zu k\u00f6nnen, und scheint \u00fcberall bei sehr hohen und sehr niedrigen Reizgraden g\u00e4nzlich fehl zu schlagen. Wohlan, so weit es eben fehl schl\u00e4gt, hat man es zu verlassen, und die anderweite, Beziehung, die sich experimental zwischen psychischen Unterschieden und Reizunterschieden oder Reizverh\u00e4ltnissen in dem betreffenden Theile der auf einander bezogenen Reiz- und Empfindungsscala zeigt, f\u00fcr das psychische Ma\u00df zu Grunde zu legen.\nDoch bleibt das Weber\u2019sche Gesetz in den Grenzen seiner approximativen G\u00fcltigkeit, die f\u00fcr den Gesichtssinn ziemlich weit, f\u00fcr den Geh\u00f6rssinn sehr weit gehen, namentlich in den Grenzen des gew\u00f6hnlichen Sinnengebrauches, immer die einfachste und wichtigste Unterlage f\u00fcr die Anwendung der psychischen Ma\u00dfprincipien und Ankn\u00fcpfung der psychophysischen Formeln, eine Wichtigkeit die um so mehr w\u00e4chst, wenn man die, von mir statuirte, Uebertragbarkeit des f\u00fcr den \u00e4u\u00dferen Reiz nur approximativen Gesetzes als vollg\u00fcltigen Gesetzes auf die vom \u00e4u\u00dferen Reize (und etwa vorhandenen inneren Reizen) abh\u00e4ngige psychophysische Erregung , hiermit von der \u00e4u\u00dferen in die innere Psychophysik zugibt. Dies geschieht nun freilich nicht \u00fcberall; es ist aber nicht n\u00f6thig, hier auf den, nach anderer Beziehung freilich h\u00f6chst wichtigen Streit dar\u00fcber einzugehen, da sich die Frage der M\u00f6glichkeit des psychischen Ma\u00dfes, um die es sich jetzt handelt, r\u00fccksichtslos darauf nach den angegebenen Thatsachen der \u00e4u\u00dferen Psychophysik entscheidet; und ich bemerke nur beil\u00e4ufig, dass ich die, von mir in einem Capitel (XVII) meiner \u00bbRevision\u00ab besonders zusammengestellten Gr\u00fcnde f\u00fcr jene Uebertragbarkeit, sofern sie mit den Gr\u00fcnden f\u00fcr die Bevorzugung der sog. psychophysischen vor der sog. physiologischen Ansicht zusammenfallen, bis jetzt durch nichts widerlegt finde.\n4) Um nun von dem Ma\u00dfe der Unterschiedsempfindungen oder empfundenen Unterschiede zum Ma\u00dfe der Empfindungen zu gelangen, sind noch einige Vorer\u00f6rterungen n\u00f6thig, wobei es gelten wird, das","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nG. Th. Fechner.\nDasein und die Natur der sog. Unterschiedsschwelle und der, zwischenUnterschiedsempfindungen und Empfindungen noch zwischenstehenden Empfindungsunterschiede zu besprechen.\nThats\u00e4chlich findet sich, dass ein Unterschied zwischen Empfindungen, kurz ein Empfindungsunterschied, bestehen kann, ohne dass doch dieser Unterschied in\u2019s Bewusstsein tritt, ohne dass er, wieich sage, empfunden wird, einen empfundenen Unterschied, eine Unterschiedsempfindung gibt. Unmittelbar einleuchtend wird die Nothwendigkeit dieser Unterscheidung zwischen Empfindungsunterschieden und Unterschiedsempfindungen oder empfundenen Unterschieden durch die Bemerkung, dass, wenn zwei Empfindungen in verschiedene Menschen fallen oder in demselben Menschen die eine vergessen ist, w\u00e4hrend die andere entsteht, der wirkliche Unterschied derselben, d. i. Empfindungsunterschied, noch so gro\u00df sein kann, ohne dass er eine Unterschiedsempfindung begr\u00fcndet, da nicht einmal ein Vergleich der Empfindungen m\u00f6glich ist. Aber auch, wenn ein solcher sehr wohl m\u00f6glich ist, wenn z. B. zwei Fl\u00e4chen von physisch unterschiedener Helligkeit zugleich in\u2019s Gesichtsfeld fallen, oder gar an einander grenzen und, ihrem physischen Unterschiede entsprechend, psychisch verschiedene Helligkeiten geben, wird doch selbst bei gesch\u00e4rftester Aufmerksamkeit kein Unterschied dazwischen wahrgenommen, so lange der Unterschied der physischen Helligkeiten nicht eine gewisse Grenze, die sog. Unterschiedsschwelle, oder das Verh\u00e4ltniss derselben nicht eine gewisse Grenze, die sog. Verh\u00e4lt-nissschwelle, \u00fcbersteigt. Man kann sich auf die eine oder andere Schwelle beziehen, da mit der einen die andere von selbst gegeben ist, wenn die Beize, zwischen denen der betreffende Unterschied oder das betreffende Verh\u00e4ltniss besteht, bekannt sind. Halten wir uns wie gew\u00f6hnlich an die Unterschiedsschwelle. Eins der instructivsten und jedem offen liegenden Beispiele hiervon gew\u00e4hrt der Umstand, dass die Sterne bei Tage nicht gesehen, d. i. von der umgebenden Himmelshelligkeit nicht unterschieden werden, sofern der physische Helligkeitsunterschied derselben von der umgebenden Helligkeit die Unterschiedsschwelle nicht \u00fcbersteigt.\nUnstreitig bedeutet die Thatsache der Unterschiedsschwelle einen Sch\u00e4tzungsfehler. Ein Unterschied der, von verschieden starken Beizen abh\u00e4ngigen, Empfindungen ist (nach Ablehnung der Elsas-","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprineipien und das Weber'sche Gesetz.\n189\nsehen Hypothese unter I [7]) da, aber er scheint uns nicht vorhanden. Man kann nach dem Grunde dieses Irrthums fragen. K\u00f6hler, ohne sich direct dar\u00fcber ausgesprochen zu haben, wird ihn in Anschluss an Wundt, und um mit seiner Auffassung der Reizschwelle (Phil. Stud. III. 594,595) in Zusammenhang zu bleiben, nur in Apperceptions-(Aufmerksamkeits-) Verh\u00e4ltnissen suchen k\u00f6nnen und, wenn ich nicht irre, etwa so fassen: Ein st\u00e4rkerer Reizunterschied (Contrast) wird st\u00e4rker appercipirt, d. h. ruft (unwillk\u00fcrlich) eine st\u00e4rkere Aufmerksamkeit hervor; f\u00e4llt nun der Reizunterschied unter eine gewisse Grenze, so wird die Aufmerksamkeit so geschw\u00e4cht, dass die Wahrnehmung des, doch wirklich vorhandenen, Unterschiedes schwindet. Aber diese Auffassung stimmt nicht mit der Thatsache, dass, wenn wir die, unwillk\u00fcrlich nur schwach in Anspruch genommene Aufmerksamkeit f\u00fcr irgendwelche Stellen des Himmels willk\u00fcrlich noch so sehr verst\u00e4rken, die Sterne am Tage verschwunden bleiben. Der Grund ist also meines Erachtens anders zu suchen. Aber ehe ich darauf komme, spreche ich noch von anderen F\u00e4llen falscher Sch\u00e4tzung des Empfindungsunterschiedes, wo der Grund des Irrthums ofien zu Tage liegt, was uns erleichtern wird, auf den Grund des Irrthums hei der Unterschiedsschwelle zu kommen.\nSeien zwei Reize A, B nach einander auf dieselbe Stelle eines Empfindungsorganes angebracht, so wird der Unterschied derselben doch verschieden gro\u00df empfunden, je nachdem A dem B vorangeht oder umgekehrt, einmal, weil wir die fr\u00fchere Empfindung doch nur nach einer nicht ganz haltbaren Erinnerung mit der sp\u00e4teren vergleichen k\u00f6nnen, zweitens, weil durch die Einwirkung des vorangehenden Reizes der Zustand des Empfindungsorganes, wovon dessen Empfindlichkeit abh\u00e4ngt, schon in gewisser Weise ver\u00e4ndert ist, verschieden aber, je nachdem der st\u00e4rkere oder schw\u00e4chere Reiz vorangeht. Sofern bei methodischenVersuchen dieseUmst\u00e4nde regelm\u00e4\u00dfig wiederkehren, beruht der sog. constante Zeitfehler darauf, wozu es in F\u00e4llen, wo die verschiedenen Reize auf verschiedene Stellen des empfindenden Organs wirken, noch einen constanten Raumfehler gibt, wenn die verschiedenen Stellen mit verschiedener Empfindlichkeit begabt sind. Ueberhaupt aber f\u00fchrt der Umstand, dass die Reize, von denen verschieden gro\u00dfe Empfindungen abh\u00e4ngen, und folgeweis diese Empfindungen selbst, nicht zeitlich-r\u00e4umlich coincidiren, mithin sich nicht","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nG. Th. Fechner.\nunmittelbar superponiren, Sch\u00e4tzungsfehler ihres Unterschiedes mit, von denen ich kurz sage, dass sie von zeitlich-r\u00e4umlicher Differenz abh\u00e4ngen1).\nNun ist hei dem Einfl\u00fcsse der constanten Zeit- und Raumfehler auf die Sch\u00e4tzung des Unterschiedes ein Einfluss je nach ihrer Ri ch-tung auf die Richtung des Sch\u00e4tzungsfehlers und je nach ihrer Gr\u00f6\u00dfe auf die Gr\u00f6\u00dfe desselben zu unterscheiden. Der erste l\u00e4sst sich hei methodischem Verfahren durch Comhinirung von Versuchen mit entgegengesetzter Zeit- und Raumlage so weit compensiren, dass er in den mittleren Resultaten als beseitigt angesehen werden kann ; aber damit besteht der zweite noch fort und l\u00e4sst sich nicht compensiren, so lange der zeitlich-r\u00e4umliche Unterschied noch besteht. Ein solcher aber muss bei Empfindungen von der Classe der intensiven, die wir hier immer im Auge haben, bestehen, wenn die Empfindungen \u00fcberhaupt unterschieden werden sollen; da sie sonst einheitlich zusammenflie\u00dfen w\u00fcrden, so dass die M\u00f6glichkeit der Unterscheidung zugleich einen Irrthum derselben begr\u00fcndet.\nHiernach ist meine Ansicht2) : dass das Dasein der Unterschiedsschwelle (resp. Verh\u00e4ltnissschwelle) auf der nicht heseitigbaren zeitlichr\u00e4umlichen Nichtcoincidenz der Reize, mithin ps.ph. Erregungen beruht, von welchen die in Betracht gezogenen verschiedenen Empfindungen abh\u00e4ngen, und ich st\u00fctze diese Ansicht auf folgende drei Gr\u00fcnde. Erstens h\u00e4ngt sie in angegebener Weise mit der nicht zu beanstandenden Auffassung der constanten Zeit- und Raumfehler zusammen, und dient nur zur Vervollst\u00e4ndigung derselben. W\u00e4hrend\n1)\tWenn ich von zeitlich-r\u00e4umlicher Differenz der Empfindungen respective Eeize, wovon sie abh\u00e4ngen, spreche, so ist dieser kurze Ausdruck dahin zu verstehen, dass entweder eine zeitliche, o der r\u00e4umliche Verschiedenheit, oder eine solche nach beiden Beziehungen zugleich f\u00fcr die Empfindungen respective Reize besteht. Nun kann man es mit einer triftigen metaphysischen Auffassung (freilich wo ist eine solche?) von Seele und Raum unvereinbar finden, \u00fcberhaupt von r\u00e4umlich lo-calisirten psychischen Th\u00e4tigkeiten oder Ph\u00e4nomenen zu sprechen. Wohl, es kommt hier nichts darauf an; dann verstehe man unter r\u00e4umlich verschiedenen Empfindungen eben nur solche, die an r\u00e4umlich verschiedenen psychophysischen Erregungen h\u00e4ngen, und w\u00fcrde dann freilich consequenter Weise auch' zu leugnen haben, dass die Gedanken und Empfindungen in verschiedenen Menschen und in den Gesch\u00f6pfen verschiedener Planeten r\u00e4umlich verschieden localisirt sind.\n2)\tDa mir dieselbe fr\u00fcher noch nicht zur Klarheit gekommen, findet sie sich hier zum ersten Male ausgesprochen und begr\u00fcndet.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\n191\ndurch die constanten Zeit- und Raumfehler je nach den entgegengesetzten Zeit- und Raumlagen, die doch nur durch deren Nichtcoin-\u00abidenz m\u00f6glich sind, Abweichungen von den wahren Empfindungs-Unterschieden nach entgegengesetzten Richtun'gen entstehen, bleibt beiderlei Lagen gemein, dass eine Nichtcoincidenz \u00fcberhaupt besteht ; und hieran h\u00e4ngt auch etwas Gemeinsames, dass n\u00e4mlich eine Abweichung von der wahren Gr\u00f6\u00dfe des Unterschiedes stattfindet, worunter die Thatsache der Unterschiedsschwelle nur als der Grenzfall begriffen ist, dass uns ein sehr kleiner wirklicher Unterschied als ganz fehlend erscheint, indess gr\u00f6\u00dfere Unterschiede, voraussetzlich _ ,(wie nach unten folgenden Formeln) nur vermindert dadurch erscheinen. \u2014 Zweitens h\u00e4ngt die Gr\u00f6\u00dfe der Unterschiedsschwelle factisch von den zeitlich-r\u00e4umlichen Verh\u00e4ltnissen der Reize wesentlich mit ab, und steigt unter sonst gleichen Umst\u00e4nden mit der zeitlich-r\u00e4umlichen Differenz; was in den extremen F\u00e4llen, wo die verschiedenen Empfindungen in verschiedene Menschen fallen, oder die eine vergessen ist, wenn die andere besteht, bis zur Unm\u00f6glichkeit der Unterscheidung wegen Unm\u00f6glichkeit des Vergleiches geht. \u2014 Drittens hat sich die Ansicht auf die directe Aussage des Experimentes im Gebiete der extensiven Empfindungen zu st\u00fctzen, wo Experimente dar\u00fcber wirklich m\u00f6glich sind, und von wo die Uebertragung auf das Gebiet der intensiven Empfindungen, f\u00fcr das keine entsprechenden Versuche zu Gebote stehen, nat\u00fcrlich ist. Man kann n\u00e4mlich im extensiven Gebiete zwei Ma\u00dfst\u00e4be einmal abgesondert von einander betrachten, das anderemal in Superposition \u00fcber einander, ohne dass sie letzteren-falls unterschiedslos verflie\u00dfen, wovon das Entsprechende im intensiven Gebiete nicht geht. Seien also, um von bestimmten Vorstellungen auszugehen, zwei ungetheilte Ma\u00dfst\u00e4be, der eine von 100, der andere von 101 Linien L\u00e4nge, gegeben. Denken wir sie uns erst auseinanderliegend, am besten, zur Vermeidung jeder Ann\u00e4herung an Coincidenz, in Verl\u00e4ngerung von einander gelegt, so wird es im Allgemeinen unm\u00f6glich sein, durch Hin- und Herblicken den zwischen ihren L\u00e4ngen bestehenden kleinen Unterschied zu erkennen1). Ist nun unsere Ansicht richtig, so muss er aber sofort erkannt werden, wenn man beide\n1) Am sch\u00e4rfsten beweisen Versuche nach der Methode der mittleren Fehler \u2019wo die Aufgabe gestellt wird, zwei, in Verl\u00e4ngerung von einander angebrachte L\u00e4ngen oder Distancen einander gleich \u00a3u machen, dass L\u00e4ngen- oder Distanzunter-","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nG. Th. Fechner.\nMa\u00dfst\u00e4be so superponirt, dass der eine um 1 Linie \u00fcber den andern hinausragt; und in der That werden dann noch viel kleinere Unterschiede als 1 Linie erkannt, indem der Unterschied der Ma\u00dfst\u00e4be dann \u00fcberhaupt ebenso leicht erkannt wird, als wenn er eine Raumgr\u00f6\u00dfe f\u00fcr sich darstellte.\nVielleicht sagt man: wenn ich bei zwei auseinanderliegenden Ma\u00dfst\u00e4ben, die sich in der L\u00e4nge nur wenig oder gar nicht unterscheiden, ungewiss bin, welcher von beiden, und ob einer von beiden, l\u00e4nger als der andere ist, so sch\u00e4tze ich sie deshalb noch nicht gleich, und die vorige Analogie trifft also insofern nicht zu, als die Unterschiedsschwelle auf einer wirklichen Gleichsch\u00e4tzung wenig unterschiedener Reize und mithin davon abh\u00e4ngiger Empfindungen beruht. Aber in der That ist es in dieser Hinsicht mit intensiven Reizgr\u00f6\u00dfen nicht anders als mit extensiven L\u00e4ngen. Wenn ich zwei wenig oder gar nicht unterschiedene Gewichte sei es zugleich oder nach einander hebe, zwei wenig oder nicht in der physischen Helligkeit unterschiedene Fl\u00e4chen nach oder neben einander betrachte, so findet ganz eben so wenig als bei den auseinanderliegenden Ma\u00dfst\u00e4ben eine absolute Gleichsch\u00e4tzung derselben,, sondern nur eine entsprechende U n-sicherheit als bei dem Vergleiche der L\u00e4ngen statt; nat\u00fcrlich, da die entsprechende Ursache d. i. die zeitlich-r\u00e4umliche Nichtcoincidenz daf\u00fcr vorliegt. Aus diesem Gesichtspunkte kann man es als Sache einer Unterschiedsschwelle von unendlicher Gr\u00f6\u00dfe betrachten, wenn bei Empfindungen, die in zwei verschiedene Menschen fallen, jeder von beiden ungewiss bleibt, ob seine Empfindung mit der des anderen zusammentrifft, oder nach der einen oder anderen Seite davon abweicht.\nSchon fr\u00fcher wurde \u00fcbrigens erinnert, dass wir ja auch auf physikalischem Gebiete unsere, auf Gleichheitsbestimmungen beruhenden, genauest m\u00f6glichen Ma\u00dfe noch mit wahrscheinlichen Fehlern behaftet finden, welche, auch wo sie nicht berechnet sind, doch vorhanden sind, und eine entsprechende Unsicherheit der Gleichheitsbestimmung hier beweisen, als der Gleichsch\u00e4tzung im psychischen Gebiete zukommt.\nNach Zusammenstellung der vorigen drei Gr\u00fcnde glaube ich wohl, dass man der betreffenden Ansicht \u00fcber die Natur der Unterschiedsschiede, wenn sie zu klein sind, nicht erkannt werden, indem der, nach Elimination zuf\u00e4lliger und constanter Fehler \u00fcbrig bleibende sog. reine mittlere Fehler eben nur daher r\u00fchren kann, dass er nicht erkannt wird/\u00bb sonst w\u00fcrde man ihn nicht begehen.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz.\n193\nschwelle einiges Zutrauen schenken,und die unter I(S. 172) besprochene Ansicht von Elsas daf\u00fcr Preis geben kann, indess ich es allerdings K\u00f6hler \u00fcberlassen muss, wiefern er seine, mir doch nicht genau bekannte, Ansicht dagegen zu halten gedenkt.\n5) Im Vorigen ist gezeigt worden, dass wir zwar zur Gewinnung eines Ma\u00dfes der Unterschiedsempfindungen nicht der vorg\u00e4ngigen Kenntniss des Weber\u2019schen oder irgend eines anderen ps.ph. Gesetzes bed\u00fcrfen; indess wir aber, wenn jenes Gesetz einmal f\u00fcr einen gewissen Theil der auf einander bez\u00fcglichen Scala von Heiz und Empfindung, kurz psychophysischen Scala, constatirt ist, das Ma\u00df innerhalb dieses Theiles der Scala darauf st\u00fctzen k\u00f6nnen; und dies wird f\u00fcr alles Folgende vorausgesetzt werden.\nLie\u00dfe sich nun das Weber\u2019sche Gesetz von Unterschiedsempfindungen auf Empfindungsunterschiede \u00fcbertragen, so w\u00fcrden wir auf Grund desselben in ganz entsprechender Weise als fr\u00fcher f\u00fcr jene ein Ma\u00df f\u00fcr diese erhalten. Eine solche Uehertragung aber erscheint aus folgendem Gesichtspunkte statthaft. Die Elimination constanter Zeit-und Raumfehler ist schon zur G\u00fcltigkeit des Weber\u2019schen Gesetzes f\u00fcr Unterschiedsempfindungen vorausgesetzt ; und unter dieser Voraussetzung besteht das Weber\u2019sche Gesetz f\u00fcr die Unterschiedsempfindungen unabh\u00e4ngig von der Gr\u00f6\u00dfe der Unterschiedsschwelle') und kann hiermit auch f\u00fcr den Fall, dass sie auf Null (hiermit die Verh\u00e4lt -nissschwelle auf 1) herabkommt, in Anspruch genommen werden, womit der von ihr abh\u00e4ngige Sch\u00e4tzungsfehler wegf\u00e4llt, die Unterschiedsempfindung mit dem Empfindungsunterschiede zusammenf\u00e4llt und dieselbe Ausf\u00fchrung des Ma\u00dfes, welche auf Unterschiedsempfindungen anwendbar ist, auf Empfindungsunterschiede anwendbar wird. Eine Rechtfertigung der betreffenden Uebertragbarkeit nur in anderer Form ist schon in den \u00bbElem.\u00ab II. S. 85 gegeben, womit auch zu vergleichen \u00bbIn Sachen\u00ab S. 11 und 46.\nWenn also z. B. f\u00fcr drei Sterne von den physischen Helligkeiten -A, C das Weber\u2019sche Gesetz sich in der Art best\u00e4tigt, dass bei\nUleichheit von mit ~ die Unterschiedsempfindung bez. A, B der\n1) In der That, bei verschiedenen Menschen, bei verschiedenen Zust\u00e4nden der mpfindlichkeit> hei verschiedenen zeitlich-r\u00e4umlichen Verh\u00e4ltnissen, unter denen *e Reize einwirken, nimmt die Unterschieds- wie Verh\u00e4ltnissschwelle verschiedene erthe an, ohne zu hindern, dass das Weber\u2019sche Gesetz dabei g\u00fcltig bleibe. Wundt, Philos. Stadien. IV.\t13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nG. Th. Fechner.\nUnterschiedsempfindung bez. B, G gleich gefunden wird, so kann man nach der Uebertragung des Weber\u2019sehen Gesetzes von den Unterschiedsempfindungen auf Empfindungsunterschiede schlie\u00dfen, dass auch der Empfindungsunterschied bez. A, B gleich dem E.U. hez. B, C ist, und kann hiernach ein Ma\u00df der Empfindungsunterschiede in ganz entsprechender Weise erhalten,j als wir ein solches f\u00fcr Unterschiedsempfindungen erhalten haben, ohne dass es n\u00f6thig sein d\u00fcrfte, dies nochmals auszuf\u00fchren. Doch wird sich ein Anlass zu solcher Ausf\u00fchrung unter (6) von selbst finden. Man \u00fcbersieht dabei leicht, dass dem Ma\u00dfe der Empfindungsunterschiede ebenso eine Einheit ihrer Art unterliegt, als dem der Unterschiedsempfindungen ; nur dass beide von einander abweichen. Es ist aber zur Gewinnung des Ma\u00dfes der Empfindungsunterschiede keineswegs n\u00f6thig, das Verh\u00e4lt ni ss zu kennen, in welchem die Einheit der Empfindungsunterschiede zur Einheit der Unterschiedsempfindungen steht, und mithin beiderlei Ma\u00dfe \u00fcberhaupt zu einander stehen ; es gen\u00fcgt bei den einen wie bei den anderen, in angef\u00fchrter Weise das Verh\u00e4ltniss der Einzelma\u00dfe zur willk\u00fcrlich gew\u00e4hlten Einheit ihrer Art bestimmen zu k\u00f6nnen.\nInzwischen finde ich, um dies doch gelegentlich beizuf\u00fcgen, nach einem, hier nicht zu reproducirenden Gange (in den \u00bbElem.\u00ab und \u00bbIn Sachen\u00ab), dass, wenn JBi, 7i2 zwei verschiedene Reize sind, \u00bb die, von den zeitlich-r\u00e4umlichen Verh\u00e4ltnissen der Reize abh\u00e4ngige Verh\u00e4ltniss-schwelle, und Ic eine, von den absoluten Reizgr\u00f6\u00dfen unabh\u00e4ngige, von der willk\u00fcrlichen Empfindungseinheit abh\u00e4ngige, Constante bedeutet, man f\u00fcr den Empfindungsunterschied TI und die zugeh\u00f6rige Unterschiedsempfindung u folgende Gleichungen erh\u00e4lt :\ntf = *log|j. ;\t* = * logi-\ner \u2014 u = h log \u00bb.\nDie Formel f\u00fcr U entspricht meiner Unterschiedsformel, die Formel f\u00fcr u meiner Unterschiedsma\u00dfformel.\nAus der Gleichung f\u00fcr TJ \u2014 u folgt, dass allgemein der Empfindungsunterschied U die Unterschiedsempfindung u um einen gewissen, dem Logarithmus der Verh\u00e4ltnissschwelle \u00bb proportionalen Werth \u00fcbertrifft, f\u00fcr den Fall jedoch damit zusammenf\u00e4llt, dass die Verh\u00e4ltnissschwelle = 1 ist, was mit dem Nullwerthe der Unterschiedsschwelle solidarisch ist.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz.\n195\nEs verdient R\u00fccksicht, dass die Alteration, welche die wirklichen Empfindungsunterschiede im\u00fcebergange zu empfundenen Unterschieden durch den Einfluss zeitlich-r\u00e4umlicher Nichtcoincidenz der Reize und mithin Empfindungen erfahren, nicht die Empfindungen seihst betrifft; siebleiben, hei falscher Sch\u00e4tzung ihres Unterschiedes, was sie an sich im Moment ihrer Entstehung und w\u00e4hrend ihrer Dauer sind ; und ein entsprechender Unterschied als zwischen Unterschiedsempfindungen und Empfindungsunterschieden ist hei ihnen nicht zu machen, nat\u00fcrlich, da der Grund einer solchen Unterscheidung, die zeitlich-r\u00e4umliche Nichtcoincidenz f\u00fcr jede Empfindung insbesondere wegf\u00e4llt. Jeder Reiz, wie die davon abh\u00e4ngige ps.ph. Erregung und Empfindung f\u00e4llt doch w\u00e4hrend der Dauer derselben mit sich selbst zusammen; und wenn wir zwei Empfindungen nicht ausdr\u00fccklich mit einander vergleichen, was im gew\u00f6hnlichen Leben \u00fcberhaupt nur ausnahmsweise geschieht, besteht jede richtig f\u00fcr sich, wie sie ist, und besteht mithin ihr Unterschied richtig, wie er ist. Der Vergleich zweier Empfindungen aber, um uns ihrer Gleichheit oder Verschiedenheit bewusst zu werden, kann \u00fcberhaupt nicht unmittelbar bei ihrer Auffassung geschehen, und in der Erinnerung kann jede von beiden falsch gegen die andere gesch\u00e4tzt werden ; denn selbst \u00fcber die zweiteingetretene m\u00fcssen wir im Moment, wo wir von ihrer unmittelbaren Auffassung zu ihrer Vergleichung mit der ersteingetretenen \u00fcbergehen, erinnernd hinausgehen.\nMan kann nun sagen: wenn es nicht zeitlich-r\u00e4umliche Verh\u00e4ltnisse sind, so k\u00f6nnen es aber Aufmerksamkeits- (sog. Apperceptions-) Verh\u00e4ltnisse sein, wodurch die Empfindungen abge\u00e4ndert werden, und muss man also appercipirte, d. i. durch Aufmerksamkeit in\u2019s Bewusstsein gerufene oder dadurch in der Klarheit und Intensit\u00e4t gesteigerte Empfindungen von nicht appercipirten, doch in der Seele bestehenden unterscheiden. Kann doch eine Empfindung bei fehlender Aufmerksamkeit auf einen Reiz, der die Empfindung zu erwecken im Stande ist, ganz aus dem Bewusstsein schwinden, und bei vorhandener Aufmerksamkeit je nach dem Grade derselben mit verschiedener Klarheit und Intensit\u00e4t in's Bewusstsein treten. Wohl, erstenfalls, wenn sie ganz aus dem Bewusstsein schwindet, sage ich : sie ist eben nicht da, wenn schon eine unvollst\u00e4ndige ps.ph. Bedingung zu ihrem Erscheinen da sein kann; und zweitenfalls: sie ist eben mit dem Grade\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nG. Th. Fechner.\nder Klarheit und Intensit\u00e4t da, den ihr der Grad der darauf bez\u00fcglichen Aufmerksamkeit verleiht. Von einer Empfindung aber, die verm\u00f6ge nicht hinreichender Aufmerksamkeit in der Art aus dem Bewusstsein schwindet, dass wir weder von ihrer Qualit\u00e4t etwas aussagen, noch sie ihrer Quantit\u00e4t nach mit andern gleichartigen Empfindungen vergleichen k\u00f6nnen, als von einer in der Seele doch vorhandenen zu sprechen, schiene mir ein in\u2019s Dunkle oder Unfassliche f\u00fchrender Sprachgebrauch.\nK\u00f6hler freilich sagt (S. 578 seiner Abh.): \u00bbUnsere Empfindungen existiren f\u00fcr uns nur nach der Quantit\u00e4t und Qualit\u00e4t, wie wir sie auf fassen; wie sie sich abgesehen von unserer Apperception verhalten, bleibt uns v\u00f6llig unbekannt.\u00ab Meinerseits w\u00fcrde ich sagen: abgesehen von ihrer Auffassung und dem Grade der Aufmerksamkeit, womit wir sie auf fassen, existiren Empfindungen \u00fcberhaupt nicht, und kann also von einem Wie ihres Verhaltens abgesehen davon nicht die Rede sein. Hingegen kann nach der Uebertragbarkeit des Weber\u2019schen Gesetzes von Unterschiedsempfindungen auf Empfindungsunterschi^e und den unter (10) und (11) aufgestellten S\u00e4tzen \u00fcber die Aufmerksamkeit allerdings nicht nur von Verh\u00e4ltnissen der Empfindungsunterschiede und Empfindungen, wie sie unter Mitr\u00fccksicht auf die Aufmerksamkeit wirklich sind, die Rede sein, sondern lassen sich auch gesetzliche Bestimmungen dar\u00fcber geben.\n6) Aus der Messbarkeit der Empfindungsunterschiede unter (5) folgt mm die der Empfindungen auf Grund einer einfachen Thatsache und eines einfachen mathematischen Satzes.\nErsteres die, der Thatsache der Unterschiedsschwelle analoge, Thatsache der einfachen Reizschwelle, wonach ein Reiz, der im Stande ist, eine bestimmte Art von Empfindungen hervorzurufen, doch erst eine gewisse Gr\u00f6\u00dfe, d.i. eben die Reizschwelle, \u00fcbersteigen muss, ehe die Empfindung anf\u00e4ngt, gesp\u00fcrt zu werden, hiermit den Nullwerth einer wirklichen Empfindung zu \u00fcbersteigen. Man kann nach dem Grunde der Reizschwelle eben so fragen, als nach dem der Unterschiedsschwelle gefragt wurde, und es wird auf diese Frage zur\u00fcckzukommen sein; zun\u00e4chst aberhandelt es sich nur um die jedenfalls bestehende Thatsache. Der mathematische Satz ist dieser: die Unterschiede gegebener Werthe von Null fallen mit den betreffenden Werthen selbst zusammen, a \u2014 0 ist = a\\ b \u2014 0 ist = b u. s. w.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Lieber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz.\t197\nSei nun innerhalb der G\u00fcltigkeitsgrenzen des Web er\u2019sehen Gesetzes eine Reihe der Ordnung nach aufsteigender willk\u00fcrlich ab\u00e4nderbarer Reize\nA, B, O, D, E . . .\ngegeben, denen die sich mit ab\u00e4ndernden Empfindungen\n(Z, Oj d, G \u00ab \u2022 \u2022\nzugeh\u00f6ren; so werden wir es durch Ab\u00e4nderung der Werthe der oberen Reihe dahin bringen k\u00f6nnen, dass\ndass mithin nach dem Weh er\u2019sehen Gesetze die zugeh\u00f6rigen Unterschiedsempfindungen gleich werden, und nach der Uebertragbarkeit des Weber\u2019schen Gesetzes von Unterschiedsempfindungen auf Empfindungsunterschiede auch die successiven Empfindungsunterschiede b\u2014 a, c \u2014 b, d\u2014c, e\u2014d\ngleich werden. Dann wird nach unserem allgemeinen Ma\u00dfprincip der Empfindungsunterschied zwischen irgend einem Gliede der Reihe, sagen wir c, und dem oberen Endgliede, kurz der Empfindungsunterschied e \u2014 c aus den zwei gleichen Empfindungsunterschieden d \u2014 c, e \u2014 d zusammengesetzt, mithin doppelt so gro\u00df sein, als jeder von beiden, womit wir zun\u00e4chst ein Ma\u00df des Empfindungsunterschiedes e \u2014 c, unter Annahme von d\u2014c als Einheit erhalten; denn wir werden danach sagen k\u00f6nnen, der Empfindungsunterschied e \u2014 c sei = 2, wenn der E.U. d\u2014c als 1 genommen wird. Dasselbe wird aber auch noch richtig bleiben, wenn bei Gleichheit der successiven Reizverh\u00e4lt nisse, wovon die Gleichheit der successiven Empfindungsunterschiede abh\u00e4ngt, eine der Empfindungen, sagen wir wieder c, den Nullwerth, hiermit C den Schwellenwerth hat, ein Fall, der sich bei freigestellter Ab\u00e4nderung der Reize immer herstellen l\u00e4sst. Auch dann wird e\u2014c zweimal so gro\u00df als d \u2014 c, hiermit solidarisch aber e zweimal so gro\u00df als d sein, weil ja c\u2014 0 ; und sollte die Reihe der gro\u00dfen und kleinen Buchstaben noch in entsprechender Weise \u00fcber JE und e hinaus fortgesetzt werden, so w\u00fcrde nach entsprechender Herleitung die dem Reize F zugeh\u00f6rige Empfindung f dreimal so gro\u00df als die Empfindung d sein, womit dem Princip eines Ma\u00dfes der Empfindung entsprochen ist.\nDiese Ableitung des Empfindungsma\u00dfes erscheint freilich sehr umst\u00e4ndlich, wogegen die, davon abh\u00e4ngige, Ma\u00dfformel","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nG. Th, Fechner.\nE = k\\og^\nworin 9\u00ce der Schwellenwerth des Reizes ist, sehr einfach ist. Hier aber sollte es sich wesentlich eben nur um Verdeutlichung des Principes des Empfindungsma\u00dfes handeln, wozu eine Bezugnahme auf diese Formel nicht dienen kann; indess die Ableitung der Formel nur auf Grund des Principes zu geschehen hatte.\nNat\u00fcrlich werden die Empfindungen d, e, welche den Reizen \u25a0$), E oberhalb des Schwellenwerthes C zugeh\u00f6ren, positive Werthe erhalten, wogegen die Empfindungen 0\u2014a, 0\u2014b, welche den Reizen A, B unterhalb des Schwellenwerthes C zugeh\u00f6ren, und gar nicht in\u2019s Bewusstsein fallen, consequenterma\u00dfen (wie auch nach voriger Formel) negative Werthe annehmen, um so gr\u00f6\u00dfere, je weiter sie wegen Sinkens der Reize unter den Schwellenwerth, von wo an ein Merklichwerden der Empfindung erst beginnt, von diesem Merklich werden entfernt sind. Ueber meine demgem\u00e4\u00dfe Deutung dieser negativen Empfindungswerthe habe ich mich wiederholten Anfechtungen gegen\u00fcber wiederholt in fr\u00fcheren Schriften (Eiern. II. 39 ff., In Sachen 48ff., Revision 206 ff.) ausgesprochen und werde unter III (3) Anlass haben, K\u00f6hler gegen\u00fcber nochmals darauf zur\u00fcckzukommen, ohne etwas von meinen fr\u00fcher ge\u00e4u\u00dferten Ansichten dar\u00fcber zur\u00fccknehmen zu k\u00f6nnen.\nIn m. Eiern. I. 60 habe ich die successiven einander gleichen Differenzen d\u2014c, e\u2014d u. s. w. als gleiche Incremente, aus denen die Empfindung vom Nullwerth c = 0 an erw\u00e4chst, bezeichnet, und hiernach das Princip des Empfindungsma\u00dfes sachlich gleichgeltend mit voriger Darstellung so formulirt :\n\u00bbPrincipiell also wird unser Ma\u00df der Empfindung darauf hinauskommen, jede Empfindung in gleiche Abtheilungen, d. h. die gleichen Incremente, aus denen sie vom Nullzustande erw\u00e4chst, zu zerlegen, und die Zahl dieser gleichen Abtheilungen als wie durch die Zolle eines Ma\u00dfstabes, durch die Zahl der zugeh\u00f6rigen variablen Reizzu-w\u00fcchse bestimmt zu halten, welche die gleichen Empfindungszu-w\u00fcchse hervorzubringen im Stande sind.\u00ab\nDamit stimmt folgende Erkl\u00e4rung, Elem. II. 191, f\u00fcr den allgemeinen Fall, dass die Beziehung zwischen gegebenen Empfindungsunterschieden und zugeh\u00f6rigen Reizverh\u00e4ltnissen oder relativen Reiz-","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"ueDer die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\t199\nunterschieden im Uebergange zu verschiedenen H\u00f6hen der Reiz- und Empfindungsscala variirt, also nicht allgemein dem Web er\u2019sehen Gesetze entspricht.\n\u00bbDas Wesentliche, worauf sich unser Princip in seiner vollen Allgemeinheit st\u00fctzt, ist nur die M\u00f6glichkeit, die Gleichheit kleiner Aenderungen, Zuw\u00fcchse der Empfindung f\u00fcr gegebene Reizzuw\u00fcchse in verschiedenen Theilen der Reizscala zu constatiren, wof\u00fcr uns nicht nur eine, sondern drei gute Methoden zu Gebote stehen. Indem wir die ganze Empfindung aus constanten Zuw\u00fcchsen dy von Null an, welche als Function zugeh\u00f6riger Reizzuw\u00fcchse d\u00df in den verschiedenen Theilen der Reizscala bestimmt sind, erwachsen denken, erhalten wir den Ma\u00dfwerth der ganzen Empfindung y durch Summation ihrer Zuw\u00fcchse von Null bis zum Werthe y, welcher einem gegebenen Reize \u00df entspricht, oder allgemeiner den Unterschied y \u2014 yl zweier Empfindungen, welche den Reizen \u00df, \u00dfl entsprechen, als Summe der in das zugeh\u00f6rige Intervall fallenden Zuw\u00fcchse.\u00ab\nEs folgen noch Erl\u00e4uterungen und Anwendungen, die ich hier \u00fcbergehe.\n7) Nachdem im Vorigen der Aufgabe gen\u00fcgt ist, ohne Formelaufwand zu zeigen, nach welchen Principien sowohl ein Ma\u00df der Unterschiedsempfindungen als Empfindungsunterschiede als Empfindungen in Bezug auf Einheiten ihrer Art zu gewinnen, unterlasse ich es, auch auf die von diesen Principien abh\u00e4ngige Entwickelung der betreffenden Formeln einzugehen, von welchen die wichtigsten die sog. Fundamentalformel, Ma\u00dfformel, Unterschiedsformel und Unterschiedsma\u00dfformel sind. Man findet diese Entwickelung theils in den ersten Capiteln des II. Bandes meiner \u00bbElemente\u00ab, theils, in k\u00fcrzerer und bequemerer Uebersicht, in meiner Schrift \u00bbIn Sachen\u00ab S. 7 ff. Ich habe bisher keinen Anlass gefunden, von diesen Formeln abzugehen, und nur in Betreff ihrer Ableitung aus formellem Gesichtspunkte folgendes zu bemerken.\nIn den \u00bbElementen\u00ab habe ich das, direct nur an Unterschiedsempfindungen bew\u00e4hrbare Weber\u2019sche Gesetz von vorn herein auf Empfindungsunterschiede \u00fcbertragen, und hiernach Fundamentalformel, Ma\u00dfformel und Unterschiedsformel abgeleitet, ohne diese Ueber-tragbarkeit vorher begr\u00fcndet zu haben. Doch begr\u00fcndet dies in sofern","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nG. Th. Feehner.\nkeinen sachlichen Einwand gegen die G\u00fcltigkeit dieser Formeln, als die Rechtfertigung der betreffenden Uebertragbarkeit in den Elementen selbst (II. S. 85) nachgetragen und durch weitere Betrachtungen in \u00bbIn Sachen\u00ab S. 11. 46 gest\u00fctzt worden ist; indess ein formaler Einwand wohl gegen die Nachtr\u00e4glichkeit seihst erhoben werden kann, dem in dieser Ahh. von vornherein dadurch begegnet ist, dass die Beziehung des Web er\u2019sehen Gesetzes von vorn herein auf Unterschiedsempfindungen geschah und von da zur Uebertragung auf Empfindungsunterschiede geschritten wurde.\nZun\u00e4chst k\u00f6nnte man meinen, da das Weber\u2019sehe Gesetz direct doch nur an Unterschiedsempfindungen bew\u00e4hrbar ist, m\u00fcsste die darauf bez\u00fcgliche Unterschiedsma\u00dfformel auch direct, ohne erst durch die Uebertragung auf Empfindungsunterschiede durchzugehen, aus dem Weber\u2019schen Gesetze ableitbar sein. Aber Unterschiedsempfindungen sind durch die Unterschieds- und Verh\u00e4ltnisssehwelle compli-cirt, welche Complication bei den Empfindungsunterschieden wegf\u00e4llt, und formell wird doch der Fortschritt von den einfachen zu den zusammengesetzten Formeln im Vortheil bleiben.\nHiernach gehe ich noch zu manchen Betrachtungen \u00fcber, welche zur Vervollst\u00e4ndigung der bisher gepflogenen dienen.\n8) Wundt (Phil. Stud. II. S. 3. 23) unterscheidet ein Webe r\u2019sches und ein Fechner\u2019sches \u00bbMa\u00dfprincip\u00ab aus folgendem Gesichtspunkte. \u00bbNach dem Weber\u2019schen Princip k\u00f6nnen eben merkliche Unterschiede der Empfindung in Bezug auf den Grad ihrer Merklichkeit einander gleich gesetzt werden; wogegen nach dem Fechner\u2019sehen gleich merkliche Unterschiede [d. h. nach mir gleich gro\u00dfe Unterschiedsempfindungen] als gleich gro\u00dfe Unterschiede von Empfindungen [nach mir kurz als gleiche Empfindungsunterschiede] betrachtet werden k\u00f6nnen.\u00ab Gegen das Web er\u2019sehe Princip lasse sich nichts einwenden, wogegen das Fechner\u2019sche discussionsf\u00e4hig und nur unter beschr\u00e4nkenden Bedingungen zuzulassen sei, auf deren Untersuchung Wundt eingeht.\nSollte nun wirklich ein Fe chner\u2019sches Ma\u00dfprincip von einem Weber\u2019schen zu unterscheiden sein, so m\u00f6chte ich es doch in voriger Weise nicht scharf genug definirt finden, um Missverst\u00e4ndnisse auszuschlie\u00dfen, und glaube auch, dass es sachlich nicht ganz mit dem, mir von Wundt zugeschriebenen \u00fcbereinstimmt, wenn schon es eine","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\n201\nleichte Verwechselung damit zulassen mag. Factisch besteht mein Ma\u00dfprincip, wenn von einem solchen als einem vom Weber\u2019sehen unterscheidbaren die Rede sein soll, nur in der, unter (5) und (6) besprochenen, Ansicht von der Uebertr agbarkeit des Weber-schen Gesetzes von Unterschiedsempfindungen auf Empfindungsunterschiede, welche Uebertragbarkeit allerdings mit dem, direct auf Unterschiedsempfindungen bez\u00fcglichen, Weber\u2019schen Gesetze nicht von selbst gegeben ist, daher es einer Begr\u00fcndung derselben bedurfte, wor\u00fcber die betreffenden Nummern nachzusehen. x\nNun geh\u00f6rt schon zur Constatirung des Weber\u2019schen Gesetzes, sogar in seinen ausgezeichnetsten F\u00e4llen, die Erf\u00fcllung gewisser Bedingungen, als wie die Erhaltung gleichf\u00f6rmiger \u00e4u\u00dferer Versuchsverh\u00e4ltnisse und eines gleichf\u00f6rmigen Zustandes der Aufmerksamkeit, die Compensation constanter und zuf\u00e4lliger Fehler. Wenn sich aber das Weber\u2019sche Gesetz unter Einhaltung solcher Bedingungen bez\u00fcglich der Unterschiedsempfindungen best\u00e4tigt, verm\u00f6chte ich keine beschr\u00e4nkenden Bedingungen seiner Uebertragbarkeit auf Empfindungsunterschiede weiter anzuerkennen ; und da Wundt doch solche nach seiner Fassung des Fechner\u2019sehen Ma\u00dfprincips f\u00fcr dessen G\u00fcltigkeit findet, so muss ich allerdings glauben, dass eine sachliche Differenz in dieser Hinsicht zwischen uns besteht, zu deren Hervorhebung die Bemerkung beitragen mag, dass die, von mir angenommene Uebertragbarkeit des Weber\u2019schen Gesetzes von Unterschiedsempfindungen auf Empfindungsunterschiede unter keinen Umst\u00e4nden auf eine Identificirung beider hinausl\u00e4uft; sondern unter allen Umst\u00e4nden bleiben nach (5) die Unterschiedsempfindungen \u00abkleiner als die Empfindungsunterschiede U. Da mir nach Allem eine volle Klarheit dar\u00fcber mangelt, wiefern das, mir von Wundt zugeschriebene, Princip mit dem, wozu ich mich bekenne, zusammentrifft oder nicht, unterlasse ich es, auf weitere Er\u00f6rterungen dar\u00fcber einzugehen, und m\u00f6chte nur bemerken, dass ich jedenfalls der Gleichung (Phil. Stud. II, S. 6.27)\nJR\nK\"\n\u25a0\u25a0JE,\nwelche Wundt nach seiner Fassung meines Ma\u00dfprincips mit demselben in Beziehung setzt, nicht zuzustimmen verm\u00f6chte, sofern sie sich auf endliche Differenzen bezieht. Hier\u00fcber aber sind bestimmtere Erkl\u00e4rungen unter I (5) und III (6) gegeben.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nG. Th. Fechner.\n9) Wie man gesehen hat, kann ein Empfindungsma\u00df nicht ohne Bestimmung der Reizschwelle, d. h. des licizwerthes, hei welchem die Empfindung Null ist, erlangt werden. Nun l\u00e4sst sich fragen, oh das Dasein einer Reizschwelle nicht blos davon abh\u00e4ngt, dass der Reiz erst eine gewisse St\u00e4rke \u00fcbersteigen muss, um durch die \u00e4u\u00dferen Zwischenmittel und den Sinnesnerven durch bis zum Sensorium (Gehirn) als dem Ort, wo \u00fcberhaupt nur ps.ph. Erregungen zu suchen sind, zu gelangen, ob aber auch, wenn er dahin gelangt ist, und eine ps.ph. Erregung hervor gerufen hat, diese erst einen gewissen endlichen Werth, eine sog. innere oder psychophysische Schwelle \u00fcbersteigen muss, um eine merkliche Empfindung zu geben, oder ob schon die kleinste ps.ph. Erregung eine entsprechend kleinste Empfindung hervorruft. Diese Frage ist an sich wichtig; die M\u00f6glichkeit eines Empfindungsma\u00dfes aber h\u00e4ngt, wie schon unter I. (9) bemerkt, nicht an ihrer Entscheidung, da vielmehr dieThatsache der \u00e4u\u00dferen Reizschwelle, d. h., welche sich auf den \u00e4u\u00dferen Reiz bezieht, gleichviel ob eine innere oder psychophysische besteht, zur Begr\u00fcndung eines Empfindungsma\u00dfes in angegebener Weise hinreicht.\nAber gehen wir doch n\u00e4her auf die betreifende Frage ein, um damit zugleich die Beziehung der verschiedenen Schwellen zu einander in\u2019s Licht zu setzen.\nDie Unterschiedsschwelle anlangend, so ist nicht m\u00f6glich, das Dasein derselben eben so, wie es bei der Reizschwelle wenigstens m\u00f6glich scheint, blos darauf zu schieben, dass die Reize, welche den zu unterscheidenden Empfindungen zugeh\u00f6ren, nicht bis zum Sensorium gelangt sind, mithin keine ps.ph. Erregungen erweckt haben, da der Umstand selbst, dass die zu unterscheidenden Empfindungen f\u00fcr das Bewusstsein vorhanden sind, beweist, dass auch die k\u00f6rperlichen Bedingungen dazu, die wir psychophysische nennen, vorhanden sein m\u00fcssen. Die Unterschiedsschwelle ist also jedenfalls eine innere, d. h. nicht hlos f\u00fcr den Unterschied von Reizen, sondern von ps.ph. Erregungen g\u00fcltige. Das Dasein der Unterschiedsschwelle lie\u00df sich nun davon abh\u00e4ngig machen, dass die Reize und mithin davon abh\u00e4ngigen ps.ph. Erregungen, an welche sich Empfindungen verschiedener Gr\u00f6\u00dfe bei gleicher Art kn\u00fcpfen, nicht zeitlich-r\u00e4umlich coincidiren. Hiergegen l\u00e4sst sich das Dasein der, auf Empfindungen bez\u00fcglichen sei es \u00e4u\u00dferen oder inneren Schwelle, nicht von einer entsprechenden\n<","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sehe Gesetz.\t203\nUrsache abh\u00e4ngig machen, da besprochenerma\u00dfen jeder Reiz, mithin die davon abh\u00e4ngige ps.ph. Erregung und Empfindung mit sich selbst coincidirt; und dies k\u00f6nnte als ein Grund angesehen werden, die Reizschwelle blos als eine \u00e4u\u00dfere in obigem Sinne gelten zu lassen. Allein es wird sich zeigen lassen, dass, wenn es auch F\u00e4lle geben kann, wo der Reiz sich wirklich nicht bis zum Sensorium fortpflanzt (s. Revision S. 240), doch auch in dem Falle, wo er sich bis dahin fortpflanzt, aus einem anderen Grunde als dem der zeitlich-r\u00e4umlichen Nichtcoin-cidenz eine gewisse Gr\u00f6\u00dfe der, durch den Reiz erweckten, ps.ph. Erregung, kurz innere oder ps.ph. Schwelle \u00fcberstiegen werden muss, um die zugeh\u00f6rige Empfindung bemerklich werden zu lassen.\nMan muss n\u00e4mlich ber\u00fccksichtigen, dass, wenn w\u00e4hrend des wachen Zustandes ein Reiz seine Wirkung bis zum Sensorium erstreckt, er dasselbe nicht psychophysisch leer, sondern schon von irgendwelchen ps.ph. Erregungen eingenommen findet; und zwar liegt dies im Begriff des wachen Zustandes selbst, sofern sich dieser eben dadurch vom Zustande des traumlosen Schlafes unterscheidet, dass wir dabei in irgendwelchen Bewusstseinsvorg\u00e4ngen begriffen sind, welche das Dasein von ps.ph. Vorg\u00e4ngen voraussetzen, insofern wir Bewusstseinsvorg\u00e4nge \u00fcberhaupt an solche gekn\u00fcpft halten.\nK\u00fcrze halber werde ich die schon vorhandene ps.ph. Erregung des Sensoriums, zu welcher die durch den Reiz erweckte Zutritt, die vorg\u00e4ngige, die durch den zutretenden Reiz erweckte die zutre-tende nennen, wobei indess zu ber\u00fccksichtigen, dass auch w\u00e4hrend der Dauer einer Reizeinwirkung eine davon unabh\u00e4ngige ps.ph. Erregung des Sensorium besteht, welche unter entsprechende Gesichtspunkten als die vorg\u00e4ngige tritt, aber vielmehr als mitgehende zu bezeichnen w\u00e4re. Wo also K\u00fcrze halber blos vor g\u00e4ngige Erregung genannt wird, ist die Uebertragbarkeit auf mitgehende vorausgesetzt.\nDie vorg\u00e4ngige (resp. mitgehende) ps.ph. Erregung setzt sich gemeinhin aus verschiedenartigen Componenten zusammen. Wir sind im wachen Zustande theils in einem, mit einer gewissen Intensit\u00e4t von statten gehenden Vorstellungslaufe begriffen, theils macht sich dieses oder jenes Gemeingef\u00fchl geltend, theils sind wir abgesehen von dem zutretenden \u00e4u\u00dferen Reize schon von diesen oder jenen anderen \u00e4u\u00dferen Reizen afficirt, welche bis zum Sensorium gelangen.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nG. Th. Fechner.\nAlles das f\u00fchrt ps.ph. Erregungen verschiedener Art mit sich, so dass die ganze vorg\u00e4ngige ps.ph. Erregung gemeinhin eine Mischung von solchen ist, die ihrer Art nach mit der zutretenden nicht oder nicht vollst\u00e4ndig \u00fcbereinstimmen. Zwar auch, wenn die ganze vor g\u00e4ngige ps.ph. Erregung nur in einer einzigen, von der zutretenden der Art nach verschiedenen, best\u00e4nde, w\u00fcrden die folgenden Principien noch gelten, doch bleiben wir hei dem allgemeineren und der Wirklichkeit unstreitig in der Regel mehr entsprechenden Falle einer vorg\u00e4ngigen Mischung stehen.\nNun l\u00e4sst sich aus einfachen, aber fundamentalen Thatsachen der Satz ableiten, dass die durch den Empfindungsreiz zutretende ps.ph. Erregung einen gewissen Grad der St\u00e4rke, welcher mit der St\u00e4rke der vorg\u00e4ngigen Erregung zugleich w\u00e4chst, d. i. die von mir sog. Mischungsschwelle, \u00fcbersteigen muss, wenn die Empfindung, welche der Reiz f\u00fcr sich erwecken w\u00fcrde, ihrer Qualit\u00e4t nach sp\u00fcrbar und ihrer Quantit\u00e4t nach mit anderen Empfindungen vergleichbar in\u2019s Bewusstsein treten soll. Unterhalb dieses Grades der St\u00e4rke wird zwar die psychische Erregung, welche der vorg\u00e4ngigen ps.ph. Erregung zugeh\u00f6rt, durch den Zutritt einer neuen ps.ph. Erregung als verst\u00e4rkt und ihrer Qualit\u00e4t nach als modificirt anzunehmen sein, ohne dass wir aber diesen psychischen Zuwachs und diese psychische Qualit\u00e4ts\u00e4nderung abgesondert in\u2019s Bewusstsein zu nehmen verm\u00f6gen, was ich kurz dadurch bezeichne, dass die Empfindung, welche der betreffende Reiz f\u00fcr sich erwecken w\u00fcrde, unbewusst in der vorg\u00e4ngigen psychischen Erregung (dem vorg\u00e4ngigen resp. mitgehenden Bewusstseinszustande) aufgeht, so lange die Mischungsschwelle nicht \u00fcberschritten ist. Als besonders auffass har tritt die Empfindung erst mit Uebersteigen dieser Schwelle hervor.\nDas Wesentlichste, was hier\u00fcber zu sagen, ist schon in meinen Er\u00f6rterungen \u00fcber die Mischungsschwelle in \u00bbIn Sachen\u00ab S. 105 f. und in \u00bbRevision\u00ab S. 178 ff. enthalten, ohne bisher Beachtung gefunden zu haben. Zur Erl\u00e4uterung der Thatsache der Mischungsschwelle ging ich da von folgendem Beispiele aus.\n\u00bbIn einem starken Ger\u00e4usch, wie es etwa von einer aufgeregten Volksmasse hervorgebracht wird, kann ein Violinenton als solcher ganz unh\u00f6rbar untergehen, indess er doch zur H\u00f6rbarkeit des Ger\u00e4usches beitr\u00e4gt. Soll er aber seiner Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t nach besonders","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\n205\nerkannt werden, so muss entweder das mitgehende Ger\u00e4usch wegfallen, oder er muss sich mit einem gewissen Grade der St\u00e4rke, d. i. um die Mischungsschwelle, \u00fcber das mitgehende Ger\u00e4usch erheben. Ent-sprechend mit Geruchs- und Geschmacksreizen.\u00ab\nDie vorg\u00e4ngige oder in diesem Beispiele vielmehr mitgehende ps.ph. Erregung ist hier durch eine, von einem \u00e4u\u00dferen Reize, dem Ger\u00e4usche, abh\u00e4ngige Erregung repr\u00e4sentirt ; aber nur deshalb ist dies Beispiel gew\u00e4hlt, weil die Thatsache der Mischungsschwelle dadurch so zu sagen aufzeiglich wird; jedoch leuchtet ein, dass eine, durch innere Gr\u00fcnde verursachte, vorg\u00e4ngige oder mitgehende ps.ph. Erregung dasselbe leisten muss.\nW\u00e4hrend nun die Qualit\u00e4t des psychischen Zustandes, der sich an eine vorg\u00e4ngige oder mitgehende ps.ph. Erregung kn\u00fcpft, durch den Einfluss einer zutretenden ps.ph. Erregung, welche die Mischungsschwelle nicht erreicht, modificirt wird, ohne dass wir die von der letzteren abh\u00e4ngige psychische Erregung von der vorg\u00e4ngigen oder mitgehenden, in der sie unbewusst aufgeht, zu unterscheiden wissen, wird umgekehrt bei Uebersteigen der Mischungsschwelle die ihrer Qualit\u00e4t nach unterscheidbar gewordene psychische Erregung, welche an der zutretenden ps.ph. Erregung h\u00e4ngt, durch die concurrirende vorg\u00e4ngige oder mitgehende beeinflusst. So, wenn der Violinenton bei m\u00e4\u00dfigem Ger\u00e4usche die Mischungsschwelle \u00fcbersteigt und als Violinenton erkannt wird, erscheint er doch durch das mitgehende Ger\u00e4usch gest\u00f6rt, und k\u00f6nnen \u00fcberhaupt T\u00f6ne durch solche St\u00f6rung den Eindruck der Rauhheit machen. Allgemein und gr\u00fcndlich gefasst k\u00f6nnen daher mit einander zusammen treffende Empfindungen verschiedener Art gegenseitig als mitgehend und zutretend gefasst werden.\nIn dem vorigen Beispiele sind beide in Concurrenz tretende ps.ph. Erregungen zwar verschiedener Art, aber aus demselben Sinnesgebiete genommen. Doch ist letzteres wieder nicht wesentlich. Gesetzt, jemand ist ganz in das H\u00f6ren eines Concertes vertieft, so wird die Wirkung schwacher oder m\u00e4\u00dfiger Gesichtsreize unbewusst darin aufgehen, wie denn der aufmerksame H\u00f6rer in einem hellen Concertsaale vom Dasein der Helligkeit kein Sonderbewusstsein hat, wogegen der Eintritt eines starken Blitzes das Sonderbewusstsein der Helligkeit bei ihm sofort wachrufen kann. Doch ist auch die m\u00e4\u00dfige Helligkeit des Concert-saales, indem sie in dem Geh\u00f6rseindruck unbewusst aufgeht, nicht","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nG. Th. Fechner.\neinflusslos auf denselben, denn in einem hellen Concertsaale h\u00f6rt sich dasselbe Concert bei demselben Grade der Aufmerksamkeit doch anders an, als in v\u00f6lliger Dunkelheit; der Geh\u00f6rseindruck wird durch den Gesichtseindruck unter der Mischungsschwelle immerhin etwas modificirt, oder durch den darin aufgehenden Gesichtseindruck gest\u00f6rt. Nat\u00fcrlich kommen hierbei Aufmerksamkeitsverh\u00e4ltnisse mit in\u2019s Spiel, aber nicht in Widerspruch, sondern Hand in Hand mit der Thatsache der Mischungsschwelle. Durch, sei es willk\u00fcrlich oder unwillk\u00fcrlich verst\u00e4rkte Aufmerksamkeit auf einen Reiz kann n\u00e4mlich die Gesammt-intensit\u00e4t des darauf bez\u00fcglichen Bewusstseins so verst\u00e4rkt werden, dass die Mischungsschwelle \u00fcberstiegen wird, wobei die in meiner \u00bbRevision\u00ab S. 269 if. entwickelten und folgends unter (10) und (11) recapitulirten Betrachtungen \u00fcber die Rolle der Aufmerksamkeit in R\u00fccksicht kommen.\nHiernach ist zugegeben, dass jede ps.ph. Erregung, mag sie klein oder gro\u00df sein, auch eine psychische Leistung, d. i. Steigerung der Bewusstseinsth\u00e4tigkeit, mitf\u00fchrt, und es insofern gar keine innere d. h. f\u00fcr ps.ph. Erregungen g\u00fcltige, Schwelle gibt, nur dass die Empfindung, um deren Erkenntniss und Ma\u00df es sich in unseren Ma\u00dfformeln f\u00fcr Empfindung handelt, nicht eher einen Gewinn davon hat, als bis die Mischungsschwelle \u00fcberstiegen ist, bis dahin ist ein positiver Gewinn blos f\u00fcr die vorg\u00e4ngige psychische Erregung in Anspruch zu nehmen, und besteht allerdings f\u00fcr die betreffende Empfindung insofern eine innere oder ps.ph. Schwelle, als erst eine gewisse Gr\u00f6\u00dfe der zur Empfindung geh\u00f6rigen ps.ph. Erregung, d. i. eben die Mischungsschwelle, \u00fcberstiegen werden muss, bevor die betreffende Empfindung ihrer Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t nach unterscheidbar in\u2019s Bewusstsein tritt. Ja, bevor die Mischungsschwelle erreicht ist, mithin noch etwas an der Gr\u00f6\u00dfe der ps.ph. Erregung fehlt, von wo an die Empfindung als besonders unterscheidbar auftritt, fehlt auch noch etwas an dem Zustandekommen dieser Empfindung, was in entsprechendem Sinne durch negative Empfindungs-werthe auszudr\u00fccken ist, als oben bei Bezugnahme auf die Reizschwelle statt auf die Mischungsschwelle besprochen wurde.\nWie wir nun bei gleichartigen Empfindungen statt der Unterschiedsschwelle auch die Yerh\u00e4ltnissschwelle in Betracht ziehen k\u00f6nnen, welche \u00fcberstiegen werden muss, um eine erkennbare Unter-","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\t207\nschiedsempfindung zu haben, so entsprechend statt der Mischungsschwelle als Unterschied psychophysischer Erregungen (Unterschiedsmischungsschwelle) das Yerh\u00e4ltniss derselben (Verh\u00e4ltnissmischungs-schwelle), was \u00fcberstiegen werden muss, um eine besonders auffassbare Empfindung zu erhalten, was aber nur ein formell verschiedener Ausdruck derselben Thatsache ist.\nDurch vorstehende Betrachtungen wird nichts in unseren auf das Weber\u2019sche Gesetz gegr\u00fcndeten Ma\u00dfformeln f\u00fcr Empfindungen, Empfindungsunterschiede und empfundene Unterschiede ge\u00e4ndert, sondern die Deutung dieses Gesetzes und dieser Formeln blos dahin bestimmt, dass als die Empfindungen, worauf sich das Gesetz und die Formeln beziehen, nicht die, in einem vorg\u00e4ngigen oder mitgehenden Bewusstseinszustande aufgehenden, sondern die besonders auffassharen Empfindungen zu verstehen sind, wobei die Mischungsschwelle an die Stelle der Reizschwelle tritt, was ich schon fr\u00fcher (Revision S. 180) mit der Bemerkung begleitet habe, dass die Schwelle, um die es sich hierbei handelt, nicht als eine absolut unver\u00e4nderliche anzusehen sei, sondern sich mit dem Werthe der vorg\u00e4ngigen ps.ph. Erregung \u00e4ndern m\u00fcsse.\nUnstreitig wird man zugestehen m\u00fcssen, dass die Mischungsschwelle im angegebenen Sinne keine Fiction, sondern eine Thatsache ist, welcher Rechnung zu tragen ist. Sofern dies aber seitens Anderer bisher nicht geschehen ist, darf ich behaupten, dass alle Besprechungen der Frage, ob eine innere Schwelle bestehe, welche bisher seitens Anderer vorliegen, nicht nur unvollst\u00e4ndig, sondern auch unzul\u00e4nglich gehliehen sind.\n10) Schon mehrmals war Anlass, der Aufmerksamkeit als einer, hei unseren ps.ph. Versuchen mitspielenden, und in den darauf bez\u00fcglichen Betrachtungen zu ber\u00fccksichtigenden, psychischen Th\u00e4tigkeit zu gedenken. Zur Klarstellung meiner Ansichten \u00fcber die Rolle, welche ich der Aufmerksamkeit hierbei beilege, m\u00f6gen folgende Bemerkungen dienen.\nDie Aufmerksamkeit ist ein durch Selbstbeobachtung in uns aufzeiglicher, psychischer Act, der sich ebenso aufzeiglich nicht nur auf sinnliche Empfindungen, welche durch \u00e4u\u00dfere Reize erweckt werden, sondern auch auf innerlich erzeugte Vorstellungen, kurz auf psychische Ph\u00e4nomene jeder Art, allgemein mit i\u00df zu bezeichnen, be-","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nG. Th. Fechner.\nziehen kann. Wenn wir sagen, dass sie sich auf einen Reiz richte oder beziehe, hei\u00dft dies eigentlich nur, dass sie sich auf die dadurch erweckte Empfindung beziehe, welche unter den Begriff des i\u00df mitgeh\u00f6rt. Ich stelle nun, auf Grund schon fr\u00fcherer eingehenderer Er\u00f6rterungen hier\u00fcber im XIX. Cap. meiner \u00bbRevision\u00ab S. 269 ff. folgende S\u00e4tze auf.\n1)\tEin und dasselbe i\u00df kann mit verschiedener Aufmerksamkeit aufgefasst, oder, in Anschluss an den Sprachgebrauch Wundt\u2019s, verschieden appercipirt werden*). Es ist aber dabei die St\u00e4rke oder Intensit\u00e4t der Aufmerksamkeit, hei\u00dfe sie zugleich der Sache und Intensit\u00e4t nach St, von der St\u00e4rke oder Intensit\u00e4t des Ph\u00e4nomens i\u00df unterscheidbar, wie uns die innere Erfahrung lehrt. Ich wei\u00df z. B., wenn ich einen Schall h\u00f6re, sehr wohl zu unterscheiden, ob die Schallempfindung i\u00df oder die Aufmerksamkeit St sich verst\u00e4rkt resp. schw\u00e4cht; ob beide zugleich sich verst\u00e4rken oder schw\u00e4chen, oder, was ja auch Vorkommen kann, die eine sich verst\u00e4rkt, w\u00e4hrend die andere sich gleich bleibt oder sich schw\u00e4cht.\n2)\tDie Gesammtintensit\u00e4t des Bewusstseins, welche bei Auffassung eines i\u00df th\u00e4tig ist, hei\u00dfe sie 39, setzt sich aus der Intensit\u00e4t der 3t, welche dabei verwendet wird, und der Intensit\u00e4t des i\u00df, auf welches sie bezogen ist, kurz aus 3t und i\u00df als aus zwei Componenten zusammen, und kann eben sowohl seitens der einen als anderen, als beiden zugleich sich \u00e4ndern.\n3)\tUnter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden wird die Intensit\u00e4t eines i\u00df nicht merklich oder erheblich durch Verst\u00e4rkung der darauf gerichteten 3t verst\u00e4rkt. Indessen lassen die bekannten Versuche Meyer\u2019s schlie\u00dfen, dass eine solche Verst\u00e4rkung doch nicht \u00fcberhaupt fehlt (Revision S. 72). Auch in diesem Falle aber bleibt die verst\u00e4rkte St von dem verst\u00e4rkten i\u00df unterscheidbar und nimmt die, auf letzteres bezogene, Gesammtintensit\u00e4t des Bewusstseins 33 von beiden Seiten zugleich zu.\n1) Nach \u00bb Physiol. Psychol.\u00ab 2. Aufl. II. S. 20 (Anmerk.) versteht W un dt unter Apperception psychischer Werthe \u00bbdie Erfassung derselben durch die Aufmerksamkeit\u00ab gegen\u00fcber \u00bbdem einfachen Bewusstwerden, dem Percipiren\u00ab, indess er sie nach \u00bbPhilos. Stud.\u00ab II. S. 33 \u00bbmit R\u00fccksicht auf ihren Effect als denjenigen Vorgang de-finirt, durch welchen die Klarheit einer, im Bewusstsein anwesenden, zuvor per-cipirten, Vorstellung erh\u00f6ht werde\u00ab. Dies in K\u00fcrze. Eingehender behandelt Wundt den Begriff und das Wesen der Apperception am o. a. O. (Ph.Ps. II) vonS. 204 an.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\n209\n4)\tQuantitative oder qualitative Verschiedenheit (Contrast), sowie Wechsel von i\u00df\u2019s ruft bez\u00fcglich derselben (bei zeitlichem Wechsel bez. des sp\u00e4teren) unwillk\u00fcrlich eine st\u00e4rkere 31 hervor als Gleichf\u00f6rmigkeit. Es scheint aber (nach \u00bbRevis.\u00ab S. 282) unter sonst gleichen Umst\u00e4nden auch die absolute St\u00e4rke der i\u00df\u2019s unwillk\u00fcrlich mitbestimmend f\u00fcr die St\u00e4rke der darauf bezogenen 31.\n5)\tDie 31 bez. eines i\u00df kann aber auch willk\u00fcrlich verst\u00e4rkt oder geschw\u00e4cht, und der unwillk\u00fcrliche Grad derselben dadurch abge\u00e4ndert werden.\nEine Folgerung hiervon ist, dass die 31 bei Versuchen mit abge\u00e4nderten Reizgr\u00f6\u00dfen, welche unwillk\u00fcrlich eine Ver\u00e4nderung des Grades der darauf bezogenen 31 mitf\u00fchren w\u00fcrden, doch willk\u00fcrlich (eine Willk\u00fcr, die bei fortgesetzten Versuchen leicht zur Gew\u00f6hnung wird) auf demselben Stande erhalten werden kann.\n6)\tDie 31 kann in gr\u00f6\u00dferer oder geringerer St\u00e4rke einem i\u00df zugewandt, darauf bezogen, aber auch davon abgewandt, davon abgezogen sein. Die Zuwendung mit gr\u00f6\u00dferer oder geringerer St\u00e4rke der 31 zu einem i\u00df (sei es willk\u00fcrlich oder unwillk\u00fcrlich) ist aber im Allgemeinen antagonistisch mit einer entsprechenden Abziehung derselben von einem anderen i\u00df (oder anderen i\u00df\u2019s) oder mindestens Schw\u00e4chung der auf letzteres bezogenen 31 verbunden ; und umgekehrt die Abwendung oder Schw\u00e4chung einerseits mit einer Zuwendung oder Verst\u00e4rkung andererseits; so dass die Gesammtintensit\u00e4t des Bewusstseins bez. beider i\u00df\u2019s sich nicht nothwendig damit \u00e4ndert.\n7)\tWenn die St\u00e4rke der, einem i\u00df zugewandten 31 als positiv gefasst wird, ist sie in Abwendung davon bez\u00fcglich desselben i\u00df als negativ zu fassen, und zwar in um so gr\u00f6\u00dferen negativen Werthen auszudr\u00fccken, je st\u00e4rker sie abgezogen ist. Zwischen Zuwendung und Abwendung der 31 bez\u00fcglich eines i\u00df liegt der Nullwerth derselben bez. dieses i\u00df, bei welchem die der 31 unterliegende ps.ph. Th\u00e4tigkeit ihren Schwellenwerth erreicht.\n8)\tSo wie n\u00e4mlich psychischerseits bei einem mit einem gewissen 31-Grade aufgefassten i\u00df die Componenten 31 und i\u00df zu unterscheiden sind, so auch die k\u00f6rperlichen Bedingungen oder ps.ph. Unterlagen von 31 und i\u00df, welche zugleich der Sache und Intensit\u00e4t nach resp. mit A und P bezeichnet werden m\u00f6gen. Zur Gesammtintensit\u00e4t des Bewusstseins 95 bez. eines gegebenen i\u00df geh\u00f6rt ein, aus A und P zusam-\nWandt, Philos. Studien. IV.\n14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nG. Th. Fechner.\nmengesetzes B, welches nach Er\u00f6rterungen in \u00bbRevision\u00ab S. 276 vielmehr durch AB als A +jB zu repr\u00e4sentiren ist.\n9)\tEin i\u00df kann hei gegebenem 31 und mithin A eben sowohl aus dem Bewusstsein schwinden, und hiermit negative Werthe annehmen, wenn sein Punter einen gegebenen Werth, die Schwellep f\u00e4llt, als wenn hei gegebenem P die 31 und hiermit A unter einen gegebenen Werth, die Schwelle a f\u00e4llt. In jedem Falle schwindet es dann, wenn die G e s a m m t i n t e n s i t \u00e4 t des Bewusstseins bez\u00fcglich i\u00df einen negativen Werth annimmt, d. i., wenn die zu dieser Gesammtintensit\u00e4t geh\u00f6rige ps.ph. Th\u00e4tigkeit B==AP unter eine gewisse Grenze, die Schwelle b \u2014 ap sinkt.\n10)\tWenn mehrere an sich unterscheidbare i\u00df\u2019s in Verbindung aufgefasst werden, so kann die Unterscheidung eines jeden von den \u00fcbrigen durch willk\u00fcrliche Verst\u00e4rkung der 31 bez. desselben erleichtert werden, z. B. dadurch ein gewisser Ton aus einem Gemisch anderer T\u00f6ne herausgeh\u00f6rt werden, der ohne besonders auf ihn gerichtete 31 im Gemisch der \u00fcbrigen T\u00f6ne ununterscheidbar untergehen, d. i. unter seine Mischungsschwelle fallen w\u00fcrde. Nun kann man fragen, wie l\u00e4sst sich die 31 auf ein i\u00df richten, dessen Dasein uns eben wegen dieses Untergehens noch nicht bekannt ist. Aber sie kann mittelbar darauf gerichtet werden, indem sie auf die vorweg genommene Vorstellung desselben gerichtet wird.\n11)\tWenn ein i\u00df sich aus verschiedenen i\u00df\u2019s zusammensetzt, die unter erforderlichen Bedingungen, welche aber nicht immer vorhanden zu sein brauchen, unterschieden werden k\u00f6nnen, so sprechen wir von um so gr\u00f6\u00dferer Deutlichkeit des zusammengesetzten i\u00df, je mehr von diesen Bestandtheilen und je sch\u00e4rfer sie unterschieden werden. \u2014 Wenn ein i\u00df mit anderen, unter erforderlichen Bedingungen davon unterscheidbaren i\u00df\u2019s zugleich im Bewusstsein ist, so sprechen wir von um so gr\u00f6\u00dferer Klarheit des betreffenden i\u00df, von je mehr der anderen i\u00df\u2019s und je sch\u00e4rfer es sich davon unterscheidet. Die Bedingungen gr\u00f6\u00dferer Deutlichkeit und Klarheit liegen in Verh\u00e4ltnissen der P und A, welche den betreffenden i\u00df\u2019s und darauf bezogenen 3Ts unterliegen, und gestatten eine Casuistik, auf die aber hier nicht einzugehen ist.\n-12) Die vorigen Verh\u00e4ltnisse lassen sich im Zusammenhang durch folgende Formeln (\u00bbRevis.\u00ab 274) repr\u00e4sentiren, worin a,p, b respective Schwellenwerthe von A, P, B sind.","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fceber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz.\n211\n......................(l)\nSt = k log ^...........................(2)\n\u00ae = k loS T = h l\u00b0g^- \u2022 ' -(3)\nF\u00fcr Werthe von P, A, B, welche respectiv kleiner als ihre Schwellen-werthe sind, nehmen $\u00df, 51, sg negative, hiermit unm\u00f6gliche Werthe in demselben Sinne an, den ich \u00fcberall negativen psychischen Werthen beilege. \u2014 Formel (1) stimmt mit meiner Ma\u00dfformel und gilt f\u00fcr die St\u00e4rke des $\u00df in Abh\u00e4ngigkeit von der St\u00e4rke der ps.ph. Erregung hei gleichgehaltenem St ; oder hei Ab\u00e4nderung des St insoweit, als $\u00df nicht dadurch ver\u00e4ndert wird ; Formel (2) gilt f\u00fcr die Abh\u00e4ngigkeit der St von der ihr unterliegenden ps.ph. Th\u00e4tigkeit bei Gleichheit des *\u00df; Formel (3) endlich gibt die St\u00e4rke des gesammten, bez\u00fcglich der Auffassung von i\u00df th\u00e4tigen Bewusstseins, in Abh\u00e4ngigkeit von beiden Componenten desselben und den unterliegenden ps.ph. Th\u00e4tigkeiten. Auf eine noch speciellere Discussion dieser Formeln ist in \u00bbRevision\u00ab eingegangen.\t^\n13) Um schlie\u00dflich noch einmal auf die obige Auffassung der inneren Schwelle (S. 202 ff.) zur\u00fcckzukommen, so kann man dagegen einwenden, dass sie nicht fundamental sei, indem sie uns in den zwei wichtigen F\u00e4llen im Stiche oder in Unsicherheit lasse, wo der Mensch zum ersten Male, d. i. zum Leben, und wo er aus einem traumlosen Schlafe erwacht, sofern beidesfalls kein vorg\u00e4ngiges Bewusstsein, mithin keine vorg\u00e4ngige ps.ph. Erregung da sei, und nun die Frage bleibe, ob mit dem Beginn der ps.ph. Erregung Bewusstsein beginne oder diese Erregung erst dazu einen gewissen endlichen Werth, eine Schwelle erreichen m\u00fcsse. In der That kann die aufgestellte Ansicht ihre volle Allgemeinheit nur erlangen, wenn die Psychophysik selbst in einer Allgemeinheit gefasst wird, in der ich sie freilich sachlich von jeher gefasst habe, ohne bisher darin den Anschluss gefunden zu haben, den ich zuversichtlich noch von der Zukunft erwarte. Hiernach ist die ganze materielle Welt ein psychophysisches System, worin das des Menschen theilhaft einbegriffen ist. Soll sich nun das Bewusstsein des Menschen als Sonderhewusstsein aus dem nie schlafenden Bewusstsein des allgemeinen Geistes, der an das allgemeine System gekn\u00fcpft ist, herausheben, so muss die ps.ph. Erregung des Menschen ein gewisses.\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nG. Th. Fechner.\nVerh\u00e4ltnis zur ps.ph. Erregung des allgemeinen Systems, worein er eingetaucht ist, \u00fcbersteigen, welches unter das Princip der Mischungsschwelle tritt. Es kann aber um so weniger meine Absicht sein, die allgemeine Ansicht, in welche diese hineintritt, hier n\u00e4her begr\u00fcnden oder ausf\u00fchren zu wollen, als es anderw\u00e4rts zur Gen\u00fcge von mir geschehen ist, und zwar in n\u00e4chstem Anschl\u00fcsse an die Psyehophysik; engeren Sinnes, die ich unter Psychophysik schlechthin verstehe, kurz in \u00bbRevision\u00ab S. 13 ff., eingehender im 45. und 46. Cap. des II. Theils der \u00bbElemente\u00ab, indess ich von naturphilosophischen Schriften hier nur auf \u00bbdie Tagesansicht gegen\u00fcber der Nachtansicht\u00ab als die letzte, und den X. Abschn. des Schriftchens \u00bbUeber die Seelenfrage\u00ab (Leipzig, Amelang), als den fundamentalsten verweisen will. Nun wird mir freilich die Unterst\u00fctzung und Erg\u00e4nzung, welche sich Glauben und Wissen in diesen Schriften zur Begr\u00fcndung einer allgemeinen Weltansicht leisten, nur eben (seitens v. E.) als \u00bbVermengung von Glauben und Wissen\u00ab vorger\u00fcckt; es w\u00fcrde aber nicht nur nicht hier am Orte, sondern meines Erachtens \u00fcberhaupt \u00fcberfl\u00fcssig sein, mich, gegen diese factische Untriftigkeit zu wehren.\nIII. K\u00f6hler. Ueber die haupts\u00e4chlichsten Versuche einer Formulirung des psychophysischen Gesetzes von Weber. Alfred K\u00f6hler. Philos. Stud. Band III. 1886. S. 573 ff.\nNach Vorausschickung einer Einleitung \u00bbUeber die Messbarkeit der Empfindungen\u00ab unterwirft der Verf. in dieser Abh. die mathematischen Formulirungen des Weber\u2019schen Gesetzes seitens Fechner, Wundt, Bernstein, Delboeuf, Brentano, Plateau, Helmholtz, Langer, G. E. M\u00fcller einer eingehendenklitischen Besprechung. Nun habe ich, abgesehen nat\u00fcrlich von Fechner (mir selbst), schon fr\u00fcher (in \u00bbIn Sachen\u00ab und in \u00bbRevision\u00ab) dasselbe in Bezug auf s\u00e4mmtliche vorgenannte Autoren gethan ; und da der Verf. sich doch veranlasst gesehen hat, die Besprechung dar\u00fcber neu aufzunehmen, so habe ich nat\u00fcrlich zu schlie\u00dfen, dass er die meinige nicht zul\u00e4nglich gefunden hat ; kann auch den Gesichtspunkt davon leicht darin erkennen, dass er meinen psychophysischen Principien die von Wundt, so weit sie von den meinigen abweichen, und zumeist auch die von Delboeuf vorzieht, und darin Anlass gefunden","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\n213\nhat, die Formulirungen des Weber\u2019sehen Gesetzes im Sinne dieser Abweichungen, sowie nach selbst\u00e4ndigem Ermessen, nochmals durchzunehmen , wogegen ich nat\u00fcrlich nichts haben kann. Nun w\u00fcrde es aber, wenn mir folgender kurze Ausdruck gestattet sein soll, f\u00fcr mich an sich t\u00e4di\u00f6s sein, eine schon fr\u00fcher von mir gewaschene W\u00e4sche nochmals vergleichend mit dem Verf. durchzuwaschen ; ich verm\u00f6chte aber auch seinen eingehenden Er\u00f6rterungen in dieser Hinsicht schon aus dem \u00e4u\u00dferen Grunde nicht eben so eingehend zu folgen, dass eine r\u00fcckf\u00e4llige Erschwerung meines Augenleidens es mir \u00fcberhaupt ausnehmend erschwert, l\u00e4ngeren und ^namentlich mit Formeln durchsetzten Abhandlungen zu folgen. Also habe ich, abgesehen von einigen fl\u00fcchtigen Einblicken in den \u00fcbrigen Theil der Abh. des Verf. (wobei sich die Bemerkung unter (8) darbot), nur seine Einleitung \u00fcber die Messbarkeit der Empfindungen und seine ersten Abschnitte betreffs fier Formulirung des W e b er\u2019schen Gesetzes von mir und von W undt, n\u00e4her eingesehen, glaube aber auch, dass dies f\u00fcr den Zweck der hier beabsichtigten Discussion gen\u00fcgen konnte, ohne n\u00f6thig zu haben, der Durchf\u00fchrung der Ansichten des Verf. ins Einzelne nachzugehen. Nat\u00fcrlich wird dies Andere nicht abhalten k\u00f6nnen, dem Verf. in dem von mir nicht eingesehenen Theile seiner Abh. zu folgen, der ja in diesen oder jenen Beziehungen sehr triftig \u00fcber mich hinausgegangen sein und mich selbst berichtigt haben kann, indess ich meinerseits in Bezug auf den von mir eingesehenen Theil folgende Bemerkungen nicht unterdr\u00fccken m\u00f6chte.\n(1)\nWTenn ich nicht irre, stimmen die unter II von mir entwickelten Ansichten betreffs der allgemeinsten psychischen Ma\u00dfprincipien wohl mit denen \u00fcberein, welche Wundt in seiner Physiol. Psychologie vertritt und in einer Abhandlung seiner Philos. Stud. II, S. 1 ff. theils weiter ausgef\u00fchrt, theils genauer bestimmt hat, hiernach auch mit denen des Verf., sofern sich dieser in allen Hauptpunkten an Wundt anschlie\u00dft, und begegne ich also keinem entsprechenden Widerstreit mit diesen Autoren, als mit Elsas. Aber in der Ausf\u00fchrung der gemeinsamen Ma\u00dfprincipien haben sich doch auch wesentliche Punkte der Abweichung zwischen uns ergeben, welche unter II theils ausdr\u00fccklich von mir hervorgehoben sind, theils denen, welche","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"G. Th. Fechner.\n214\ndie Abhandlungen von Wundt und K\u00f6hler studirt haben, von selbst als solche auffallen m\u00fcssen. Sie betreffen insbesondere den Ursprung und die Natur der Schwellen, die Deutung der negativen Empfindungs-werthe und die Ber\u00fccksichtigung der Aufmerksamkeits- (Apperceptions-) Verh\u00e4ltnisse bei den psychischen Ma\u00dfnahmen. Diese Punkte h\u00e4ngen mehr oder weniger zusammen und greifen in einander \u00fcber, so dass man je nach den beiderseitig verschiedenen Auffassungen derselben und darauf bez\u00fcglichen Ausdrucks weisen im Grunde zwei verschiedene Systeme von Ansichten einander gegen\u00fcber hat, deren jedes in seinem eigenen Zusammenh\u00e4nge verfolgt sein will. Es d\u00fcrften aber im Vorigen (unter II) mit den hier noch folgenden Erg\u00e4nzungen dazu meinerseits und den betreffenden Abhandlungen von Wundt und K\u00f6hler anderseits die Akten zur Kenntnissnahme von den beiderseitigen Systemen schon hinreichend vorliegen oder von gegentheiliger Seite leicht dahin erg\u00e4nzt werden k\u00f6nnen, um das Publicum in den Stand zu setzen, Stellung dazu zu nehmen.\nOhne nun hier auf Punkte der Abweichung zur\u00fcckkommen zu wollen, die schon unter II zur Sprache gekommen sind, gehe ich noch auf die folgenden ein.\n(2)\nNach den Auseinandersetzungen in meinen fr\u00fcheren Schriften und oben unter II kann ein Ma\u00df psychischer Wer the, seien es Empfindungen, Empfindungsunterschiede oder Unterschiedsempfindungen, nicht ohne Mitbezug auf die ihnen unterliegenden Reizwerthe oder Beizfunctionen erhalten werden. Nach dem Verf. aber (S. 575. 597) ist, um eine Ma\u00dfbeziehung zwischen Beiz und Empfindung aufstellen zu k\u00f6nnen, schon n\u00f6thig, \u00bbdass man die Empfindung an sich selbst messen k\u00f6nne\u00ab; er statuirt also ein von den Ma\u00dfen physischer Werthe, Beize, unabh\u00e4ngiges psychisches Ma\u00df, und zwar, wie aus seinen Ausf\u00fchrungen hervorgeht, nicht blos f\u00fcr Empfindungen, sondern auch Empfindungsunterschiede und Unterschiedsempfindungen, auf welche (letztere) sich das von ihm discutirte Web er\u2019sehe Gesetz direct bezieht. Ist die betreffende Beziehung zwischen psychischen und physischen Ma\u00dfwerthen einmal festgestellt, so kann man dann allerdings, nachdem erst ein psychisches Ma\u00df zur Gewinnung der betreffenden Beziehung n\u00f6thig war, umgekehrt nach dieser Beziehung auch ein","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\n215\npsychisches Ma\u00df auf die, den psychischen Werthen zugeh\u00f6rigen, physischen Ma\u00dfwerthe gr\u00fcnden, aber die psychische Messbarkeit an sich bleibt doch die erste Voraussetzung dazu. Der Verf. schlie\u00dft sich in dieser Beziehung ganz an Delhoeuf an und erl\u00e4utert (S. 575) nach dessen Vorg\u00e4nge die Sache wesentlich wie folgt:\nUm mit dem Thermometer die W\u00e4rme zu messen, muss man zuvor eine Ma\u00dfscala der W\u00e4rme und des Thermometers (der Ausdehnung des Quecksilbers) f\u00fcr sich haben. Um mit dem Barometer Bergesh\u00f6hen zu messen, muss man zuvor eine Ma\u00dfscala von H\u00f6hen im Raume und eine solche des Barometers f\u00fcr sich haben. Dann kann man beide auf einander beziehen und von diesen Beziehungen Nutzen f\u00fcr das Ma\u00df der W\u00e4rme durch das Thermometer und der Bergesh\u00f6hen durch das Barometer ziehen; aber zuvor war doch n\u00f6thig, die W\u00e4rme und die Bergesh\u00f6hen f\u00fcr sich messen zu k\u00f6nnen, um diese Beziehungen zu gewinnen.\nDas ist nun zwar richtig, ist aber nur eine Analogie, die, wenn wir den Sachverhalt direct in\u2019s Auge fassen, eben in dem Punkte, worauf es ankommt , nicht zutrifft. Die W\u00e4rme n\u00e4mlich kann man, etwa durch Quantit\u00e4ten geschmolzenen Eises, ohne Thermometer, die Bergesh\u00f6hen ohne Barometer direct mit einem r\u00e4umlichen Ma\u00dfstabe messen, aber psychische Werthe, wie die vorgenannten, kann man von vorn herein nicht ohne Beziehung zu den physischen Werthen, an denen sie h\u00e4ngen, messen, wie man auch Zeitwerthe nicht an sich ohne dieRaumwerthe der Uhr, oder an welchen Raumwerthen sie sonst h\u00e4ngen, messen kann, was von vorn herein ein Beweis ist, dass die Analogie, auf die sich der Verf. im Anschluss an Delhoeuf beruft, nicht allgemein ma\u00dfgebend sein kann, da sie nicht einmal f\u00fcr das physische Gebiet, wozu das Zeitma\u00df geh\u00f6rt, allgemein zutrifft.\nAber lassen wir die, jedenfalls nicht durchschlagende, Analogie und wenden uns direct zu der Weise, wie der Verf. sein psychisches Ma\u00df gewinnt (S. 576. 577), um zu sehen, ob er damit seiner eigenen Ansicht gerecht wird.\nHiernach wird das Ma\u00df einer gegebenen Unterschiedsempfindung\n1) Ich setze nach der, unter II besprochenen Unterscheidung zwischen Unter-sehiedsempfindungen und Empfindungsunterschieden, \u00bbUnterschiedsempfindung\u00ab","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nG. Th. Feehner.\n(U.E.) durch die Angabe erhalten, wie vielmal die Einheit der betreffenden U.E. in der ganzen U.E. enthalten ist. Eine solche Einheit gewinnen wir experimentell durch die ehenmerkliche U.E., die dem ehenmerklichen Reizunterschiede entspricht. Indem wir nun auf psychischer Seite immer um diese gleich merklich gehaltene kleine U.E. fortschreiten, und die dazu geh\u00f6rigen physischen Reizwerthe markiren, erhalten wir in der Zahl der gleichen psychischen Fortschritte, hei\u00dfe sie n, das Ma\u00df der ganzen U.E., in welcher die w-Theil-Unterschiedsempfindungen begriffen sind, und k\u00f6nnen zugleich aus der Beziehung zwischen den zu einander geh\u00f6rigen gleichen psychischen und dazu markirten physischen Werthen, durch welche der Fortschritt geschieht, ein Gesetz dieser Beziehung, also auch das Weber\u2019sche, sofern es besteht, gewinnen.\n\u2022 Ich denke, der Yerf. wird mit dieser, aus zwei Paragraphen zusammengezogenen, Darstellung seines Ma\u00dfprincips, als sachlich zutreffend , einverstanden sein, und ich selbst bin weit entfernt, gegen diese Gewinnungsweise eines psychischen Ma\u00dfes etwas einzuwenden, da ich vielmehr darin wesentlich nur meine eigene Weise dieser Gewinnung, wie ich sie vorl\u00e4ngst schon in den \u00bbElementen\u00ab bez\u00fcglich der Empfindungen auseinandergesetzt und in dieser Abh. unter II S. 198 resumirt habe, wiederfinde; nur finde ich zugleich, dass der Verf. darin seiner eigenen Ansicht nicht gerecht wird, indem er zur Erlangung des Ma\u00dfes der Unterschiedsempfindungen die Markirung der zu den gleichen psychischen Fortschritten zugeh\u00f6rigen Reizwerthe ausdr\u00fccklich vorschreibt. Nun setze ich voraus, der Yerf. werde sagen, diese Markirung sei blos zur Gewinnung der Beziehung zwischen psychischen und physischen Werthen n\u00f6thig, das psychische Ma\u00df, diesfalls das der Unterschiedsempfindungen, aber werde schon unabh\u00e4ngig davon durch die Zahl n der gleichen psychischen Fortschritte erhalten, welche zur ganzen U.E. f\u00fchren. Aber es ist ein Irrthum, dass diese Zahl n sich ohne jene Markirung oder \u00fcberhaupt ohne Kenntniss der zu den psychischen Fortschritten geh\u00f6rigen Reizwerthe erhalten lassen, wor\u00fcber ich schon Bemerkungen unter II S. 186 gemacht habe, denen ich die folgenden zuf\u00fcge.\nf\u00fcr das, vom Verf. gebrauchte Wort \u00bbEmpfindungsunterschied\u00ab, weil es in diesem Zusammenh\u00e4nge sachlich dasselbe bedeutet, indem das empirische Ma\u00df, auf das sich der Verf. bezieht, direct nur auf Unterschiedsempfindungen gehen kann.","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\t217\nSeien zwei, ihrer Gr\u00f6\u00dfe nach von einander entfernte, Reize r0. rn (z. B. Sterngr\u00f6\u00dfen) gegeben, und werde die dazu geh\u00f6rige volle U.E. mit \u00a9. (n) bezeichnet, so hindert in der That nichts, sich dazu die Einheit, nach der dieser Werth zu messen, experimentell in der ehenmerklichen U.E. als Zubeh\u00f6r zum ebenmerklichen Reizunterschiede, oder, was der Verf. auch zul\u00e4sst, in einer, hei der Methode der mittleren Abstufungen zu gewinnenden gleich merklichen U.E., welche einem gegebenen Reizverh\u00e4ltnisse entspricht, zu geben; aber um zu erfahren, wie oft der letztere in @. (n) enthalten sei, m\u00fcssten wir nach dem Verf. die gleichen psychischen Fortschritte im reinen Bewusstsein, d. i. ohne die, zwischen r0 und rn inneliegenden Reize, welche den gleichen Fortschritten zugeh\u00f6ren, zu markiren, so oft aneinandersetzen, bis die mit \u00a9. (n) hezeichnete volle U.E. erreicht ist. Aber er m\u00f6ge seihst versuchen, oh es ohne Anhalt an die zwischenliegenden Reize gelingt. Ohne solchen Anhalt flie\u00dfen die psychischen Fortschritte unterschiedslos in einander \u00fcber; wir wissen nicht, wo einer-anf\u00e4ngt und endigt, k\u00f6nnen also das Postulat des Verf., ihr n zu bestimmen, nicht erf\u00fcllen, sondern haben einen \u00e4hnlichen Fall, als wenn wir die H\u00f6he eines Thurmes nach Ersteigen einer ersten Stufe \u00fcbrigens durch Ersteigen in der Luft bestimmen wollten. Auch liegt von vorn herein eine Inconsequenz darin, dass, w\u00e4hrend das psychische Ma\u00df principiell f\u00fcr sich, ohne Beziehung zu den unterliegenden physischen Werthen, gewinnbar sein soll, doch zur Gewinnung der psychischen Einheit eine solche Bezugnahme nicht nur zugelassen, sondern ausdr\u00fccklich gefordert wird ; und in der That, wie sollte sonst ein bestimmter Begriff oder eine bestimmte Vorstellung mit dieser Einheit verbunden werden.\nSchon oben (wie fr\u00fcher in \u00bbEiern.\u00ab I, 56) habe ich \u00fcbrigens erinnert, dass es sich in diesen Beziehungen mit dem psychischen Empfindungsma\u00dfe analog als mit dem physischen Zeitma\u00dfe verh\u00e4lt. Auch Zeitwerthe k\u00f6nnen wir nicht abstract ohne Beziehung zu Raumwerthen messen, mit denen sie verkn\u00fcpft sind, sei es, dass wir diese am Himmel oder an einer Uhr ahlesen. Nun findet freilich der Unterschied statt, dass sich im ganzen Laufe der Zeitscala gleiche Zeitunterschiede an gleiche Raumunterschiede einer guten Uhr kn\u00fcpfen, wogegen im Laufe der Empfindungsscala sich, soweit das Weber\u2019sche Gesetz besteht, gleiche Unterschiedsempfindungen an","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nG, Th. Fechner.\nimmer wachsende Reizdifferenzen kn\u00fcpfen ; aber dieser Unterschied ist nicht principiell oder wesentlich, denn auch den Ziffernkreis einer Uhr k\u00f6nnte man, statt in gleiche, in ungleiche Theile theilen, und er w\u00fcrde noch eben so gut und genau, nur umst\u00e4ndlicher, zum Zeitma\u00df benutzt werden k\u00f6nnen, als hei der Gleichtheilung, wenn nur die Beziehung der successiyen gleichen Zeitunterschiede zu den ungleichen Raumunterschieden, mit denen in Zusammenhang sie verlaufen, bekannt w\u00e4re.\nEs ist hei dieser ganzen Angelegenheit wichtig, eine Verwechselung in folgender Beziehung zu vermeiden. In sofern f\u00e4llt das Ma\u00df psychischer Werthe ganz auf psychische Seite, als sie, ohne R\u00fccksicht auf mitgehende physische Werthe, auf eine psychische Einheit ihrer Art zu beziehen sind, und anders ist das psychische Ma\u00df von mir nie gefasst worden ; aber etwas Anderes ist\u2019s, zu behaupten, dass diese, f\u00fcr das psychische Gebiet geltende Beziehung ohne Vermittelung der Beziehung psychischer Werthe zu den physischen Werthen, woran sie h\u00e4ngen, gewonnen werden k\u00f6nne ; und dass die Gewinnung letzter Beziehung schon die Gewinnung der ersten voraussetze, was nach den entschiedenen Aeu\u00dferungen des Verf. offenbar seine Ansicht ist. Namentlich kann seine Erl\u00e4uterung derselben durch die Del boeuf\u2019sehen Beispiele keinen Zweifel dar\u00fcber lassen. Dabei frage ich mich aber, ob der Verf. wirklich jener Verwechselung ganz entgangen ist, da ich mir sonst seine Opposition in dieser Angelegenheit kaum erkl\u00e4ren k\u00f6nnte. Noch Niemand sonst ist es doch eingefallen, dass ein psychisches Ma\u00df auf rein psychischem Gebiete zu erlangen sei; und jedenfalls in dieser Beziehung kann sich der Verf. nicht auf Wundt berufen, der (nach Phil. Stud. II, 19) ausdr\u00fccklich eine, mit der meinigen \u00fcbereinstimmende, Ansicht ausspricht.\n(3)\nAuf S. 593 nimmt der Verf. die Opposition gegen meine Deutung negativer Empfindungswerthe, die ich von gegnerischer Seite zu erfahren gewohnt hin, seinerseits wieder auf. Nur dass er, wie mir schon fr\u00fcher seitens Delboeuf begegnet ist, eine Ansicht als die meinige erkl\u00e4rt, von der ich gerade die entgegengesetzte behauptet und sogar ausdr\u00fccklich so ausgesprochen habe, dass eigentlich gar kein Missverst\u00e4ndniss m\u00f6glich war. Also muss ich den Verf. einiger Nach-","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\t219\nl\u00e4ssigkeit in dieser Hinsicht zeihen. In der That, auf S. 592 erkl\u00e4rt der Verf., meine Ansicht nur so verstehen zu k\u00f6nnen, dass \u00bbder negativen Empfindung ein Substrat im Gebiet des Realen oder des in der Anschauung Wirklichen entspreche\u00ab. Hiermit vergleiche man folgenden Ausspruch von mir in \u00bbRevision\u00ab S. 212 : \u00bbIn jedem Falle h\u00fcte man sich vor einer Verwechselung der mathematischen Existenz, die ich den negativen Empfindungswerthen beilege, mit einer realen. Die erstere lege ich denselben insofern bei, als sie zur mathematischen Bezeichnung der Unm\u00f6glichkeit von Empfindungen gegebener Art bei unzureichenden Bedingungen dazu dienen, womit denselben aber die reale Existenz nicht nur nicht zugesprochen, sondern ausdr\u00fccklich abgesprochen wird. Doch ist die betreffende Verwechselung gew\u00f6hnlich, ja so zu sagen hergebracht.\u00ab Hienach die Erw\u00e4hnung Delboeuf\u2019s zum Belege davon.\nKann man sich wohl deutlicher ausdr\u00fccken? Und sachlich in demselben Sinne sind die negativen Empfindungswerthe nicht nur a. a. O., sondern auch in meinen fr\u00fcheren Besprechungen derselben in den \u00bbElem.\u00ab II, 39 ff. und \u00bbIn Sachen\u00ab 88 iE. verstanden.\nDurch dieses fundamentale Missverst\u00e4ndniss meiner Ansicht ge-r\u00e4th nun die ganze Opposition, welche der Verf. in dieser Angelegenheit gegen mich f\u00fchrt, von vom herein in Verwirrung, und schiene es zun\u00e4chst am einfachsten, von derselben ganz zu abstrahiren ; indess ist aus der Verwirrung leicht herauszukommen, indem man bei n\u00e4herem Zusehen bemerkt, dass der Verf. Gegner meiner wirklichen Ansicht ist, wenn schon er sie nicht f\u00fcr die meinige h\u00e4lt, der Ansicht n\u00e4mlich, dass die negativen Empfindungswerthe als imagin\u00e4re oder unm\u00f6gliche zu deuten sind. Die negativen sind ihm vielmehr, so weit er \u00fcberhaupt negative Empfindungswerthe zul\u00e4sst, gleich real wie die positiven, und er erkl\u00e4rt sich nicht nur selbst in diesem Sinne, sondern f\u00fchrt auch (S. 591 f.) zur Unterst\u00fctzung seiner Ansicht abstract mathematische Erkl\u00e4rungen \u00fcber den Gegensatz des Positiven und Negativen und den Begriff des Imagin\u00e4ren von Harnack undHankel d. J. in\u2019s Feld, worauf ich Anlass nehme wie folgt zu entgegnen.\nReale Raum- und Zeitl\u00e4ngen haben ihrer absoluten Gr\u00f6\u00dfe nach keinen Gegensatz, da absolute Gr\u00f6\u00dfe \u00fcberhaupt keinen solchen hat, und der Gegensatz der Vorzeichen findet also auch auf ihre absolute Gr\u00f6\u00dfe keine Anwendung; conventionell fasst man sie als positiv auf.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nG. Th. Fechner.\nWohl aber k\u00f6nnen sie, von einem Punkte aus nach entgegengesetzten Richtungen verfolgt, durch -f- und \u2014 unterschieden werden, und behalten dabei doch beiderseits reale Werthe. Wie kommt nun eine Licht-oder Tonempfindung dazu, als positive f\u00fcr real, als negative f\u00fcr imagin\u00e4r zu gelten? Ich erwiedere: dadurch, dass sie ihrer Natur nach weder einen Gegensatz der absoluten Gr\u00f6\u00dfe, noch der Richtung hat. Wenn also doch eine Untersuchung auf negative Werthe derselben unter gegebenen Bedingungen f\u00fchrt, wie es bei meinen Untersuchungen der 1^11 ist, so k\u00f6nnen eben nur Empfindungen, die unter diesen Bedingungen nicht in Wirklichkeit Vorkommen k\u00f6nnen, darunter zu verstehen sein.\nDem gegen\u00fcber sieht derVerf. (S. 594.595) den Gegensatz zwischen positiven und negativen Empfindungen durch den Gegensatz zwischen appercipirten und nicht appercipirten Empfindungen gedeckt, mit der Bemerkung, dass sich eben so wohl verschiedene Grade der Nicht-apperception als der Apperception unterscheiden lassen, was ich nach dem Begriffe der Apperception (s. II S. 208 f.) doch nicht anders deuten kann, als dass positive Empfindungen solche sind, die durch hinreichende Aufmerksamkeit darauf in\u2019s Bewusstsein treten ; negative solche, welche durch mehr oder weniger abgezogene Aufmerksamkeit aus dem Bewusstsein schwinden. Oder nicht so? \u00bbDer Gegensatz zwischen appercipirten und nicht appercipirten Empfindungen aber ist [nach dem Wortlaut des Verf.] als ein realer zu fassen\u00ab, was meines Erachtens nur so zu deuten, dass die nicht appercipirten negativen Empfindungen den appercipirten positiven eben so real gegen\u00fcberstehen, wie positive Zeit- und Raumstrecken den negativen. Hiegegen meinerseits Folgendes :\na) Wenn man den Einfluss der Reizgr\u00f6\u00dfe auf die Merklichkeit oder Nichtmerklichkeit der Empfindung untersucht, muss man, da die Aufmerksamkeit doch thats\u00e4chlich Miteinfluss darauf hat, dieselbe bei den Versuchen mit den verschiedenen Reizgr\u00f6\u00dfen in gleichf\u00f6rmigem Zustande erhalten. Nun bemerkt zwar der Verf. : \u00bbeine st\u00e4rkere Empfindung werde mehr appercipirt\u00ab; unwillk\u00fcrlich ja; aber wir haben uns bei den Versuchen nicht diesem unwillk\u00fcrlichen Einfl\u00fcsse zu \u00fcberlassen, und thun es auch nicht, sondern halten den Zustand der Aufmerksamkeit, mag es Reize \u00fcber oder unter der Schwelle gelten, m\u00f6glichst vergleichbar (s. II, S. 209, Satz 5) ; und da in diesem Falle","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\n221\ndie Empfindung doch auch erlischt, wenn der Reiz von hohem Werthe bis zu einer gewissen endlichen Grenze, der Schwelle, herabkommt, hiemit die Empfindung von positiven Werthen bis Null herabkommt, wird man ihr nach ihrem functionellen Zusammenh\u00e4nge mit dem Reize hei weiterem Herabgehen des Reizes unter die Schwelle nur wachsende negative Werthe beilegen k\u00f6nnen; also kann ein Unterschied zwischen positiven und negativen Empfindungen jedenfalls nicht allein von dem, bei guten Versuchen ausgeschlossenen, Gegens\u00e4tze der Apperception und Nichtapperception abh\u00e4ngig gemacht werden.\nHiegegen l\u00e4sst sich nicht entgegnen, was der Verf. vielleicht entgegnen m\u00f6chte : die Existenz der Reizschwelle komme darauf zur\u00fcck, dass der Reiz unterhalb einer gewissen Gr\u00f6\u00dfe seine Wirkung gar nicht bis zum Sensorium erstrecke ; bei dem Grade der St\u00e4rke (der Reizschwelle), wo er dazu f\u00e4hig werde, beginne die Empfindung mit Null, steige bei weiterer Verst\u00e4rkung desselben mit positiven Werthen auf, bleibe hingegen unterhalb desselben Null. Inzwischen ist es doch nicht nur an sich triftiger, zu sagen, sie bleibe um so mehr hinter dem Eintritt in die Realit\u00e4t zur\u00fcck, je weiter ihr Reiz unter die Schwelle f\u00e4llt (wie es meinem Begriffe von der Imaginarit\u00e4t entspricht, der nicht durch Null, sondern durch wachsende negative Werthe repr\u00e4sentirbar ist, wenn wachsende positive als real gefasst werden); sondern wenn die Aufgabe gestellt wird, die Abh\u00e4ngigkeit der Empfindung von der St\u00e4rke des Reizes durch eine allgemeine Formel auszudr\u00fccken, m\u00fcssen die Reizwerthe unter der Schwelle ebensowohl als die Werthe dar\u00fcber unter diese Formel geh\u00f6ren ; und der Verf. m\u00f6ge doch versuchen, eine Formel aufzustellen, in welcher dem continuirlichen Sinken des Reizes unter die Schwelle, m\u00f6chte diese auch in der angegebenen Weise gefasst werden, continuirliche Nullwerthe der Empfindung entsprechen. Nun kann dasselbe, was durch Verkleinerung des Reizes bei irgendwelcher Anbringungsweise desselben geleistet wird, auch durch Entfernung des Reizes oder eingeschobene Hindernisse der Zuleitung zum Gehirn geleistet werden ; diese Gr\u00fcnde der Schw\u00e4chung werden sich aber eben deshalb immer einer gewissen Verkleinerung des Reizes \u00e4quivalent setzen lassen. Uebrigens k\u00f6nnen hierbei auch die Betrach-tungen unter II (9) mit ber\u00fccksichtigt werden, nach welchen es zur \u00e4u\u00dferen Reizschwelle eine innere psychophysische gibt, die nicht von","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nG. Th. Fechner.\nmangelhafter Zuleitung abh\u00e4ngt; aber da das Ma\u00df der Empfindung factisch nicht als Function der ps.ph. Erregung, sondern des Reizes gewonnen wird, sind auch die positiven und negativen Empfindungs-werthe als Function des Reizes und der Reizschwelle, welchen Ursprung sie immer habe, aufzufassen.\nb) Nun ist allerdings richtig, dass Empfindungen bei gleichgehaltenem Reize auch durch abgezogene Aufmerksamkeit aus dem Bewusstsein schwinden, mithin nicht appercipirt werden k\u00f6nnen, und ich theile vollkommen die Ansicht, dass der Gegensatz zwischen Zuwendung und Abwendung der Aufmerksamkeit durch -f-, \u2014 zu re-pr\u00e4sentiren sei; wie es auch unter II (10) und (11) von mir geschehen ist, sehe aber durchaus nicht ein, wiefern die mehr oder weniger nicht appercipirten Empfindungen des Yerf., d. i. von denen die Aufmerksamkeit mehr oder weniger abgezogen ist (was mir bei gleicher sachlicher Bedeutung unmittelbar verst\u00e4ndlicher scheint) sich von den, mehr oder weniger hinter dem Eintritt in die Realit\u00e4t zur\u00fcckbleibenden, d. i. nach mir imagin\u00e4ren, unterscheiden und darauf Anspruch machen k\u00f6nnen, f\u00fcr eben so real zu gelten, als die, welche durch hinreichende Aufmerksamkeit in\u2019s Bewusstsein treten. Als percipirt kann der Verf. sie nach der unter II S. 208 gegebenen Erkl\u00e4rung der Perception doch auch nicht fassen. Oder sollte der Verf. mit den verschiedenen Graden der Nichtapperception einer Empfindung wirklich noch etwas Anderes meinen, als mehr oder weniger abgezogene Aufmerksamkeit davon?\nUnstreitig kann man verlangen, dass dem mathematischen Gegens\u00e4tze der Vorzeichen +, \u2014, oder damit gleichgeltenden Werthgegen-satze positiv und negativ, in allen Anwendungen etwas Gemeinsames entspreche; d. i. aber eben nur die Bedeutung eines Gegensatzes; und dass ein, durch -\\- und \u2014 bezeichneter, Gegensatz im Gebiete realer Werthe vor kommt, hindert nicht, dass ein solcher auch zwischen realen und imagin\u00e4ren Werthen vorkommt, in welchem jedem positiven Werthe ein gleich gro\u00dfer negativer entspricht.\nDoch verfolgen wir die Einw\u00e4nde des Verf. gegen die imagin\u00e4re Bedeutung negativer Empfindungswerthe weiter.\nWahr ist, dass, wenn man fr\u00fcher \u00bbdie mit V\u2014 1 zusammengesetzten Zahlen\u00ab f\u00fcr unm\u00f6gliche erkl\u00e4rt hat, dies nicht mehr angeht, nachdem man eine anschauliche Darstellung derselben als realer Werthe ge-","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz.\t223\nfunden hat. Aber wie soll daraus folgen, dass negative Empfindungen, d. i. mit V 1 zusammengesetzte Zahlwerthe derselben, nicht als unm\u00f6gliche gelten k\u00f6nnen. Jene anschauliche Darstellung der mit behafteten Werthe als realer Werthe kommt bekanntlich darauf zur\u00fcck, dass Werthe, die f\u00fcr eine gewisse Ebene unm\u00f6glich sind, noch in einer darauf senkrechten Ebene als wirkliche f\u00fcr die Anschauung davgestellt werden k\u00f6nnen, aber doch nur deshalb, weil eine wirkliche Ebene dazu da ist. Aber zum Reiche der als real mit + bezeichneten Empfindungen gibt es \u00fcberhaupt kein anderes, worin die negativen als reale gesucht werden k\u00f6nnen; sie bleiben also eben so imagin\u00e4r, wie die mit V\u20141 multiplicirten Werthe imagin\u00e4r bleiben w\u00fcrden, wenn es zur Ebene, worin die positiven Werthe anschaulich repr\u00e4sen-tirbar sind, keine darauf senkrechte wirkliche g\u00e4be. Hier wie vorhin ist es also eine unzutreffende Analogie, welche es verbieten soll, negative Empfindungen als unm\u00f6gliche oder imagin\u00e4re zu fassen : factisch verhalten sich Empfindungen in betreffender Hinsicht eben anders als Raum- und Zeitstrecken.\nMan muss sich dabei \u00fcberall wohl h\u00fcten, den mathematischen Gegensatz zwischen den, conventioneil als positiv mit + bezeichneten, realen und den imagin\u00e4ren Werthen mit dem Gegens\u00e4tze zwischen positiven Werthen und Null gleichbedeutend oder analog zu halten. Letzteres ist eigentlich gar kein Gegensatz, wenigstens kein solcher, der durch +, \u2014 zu bezeichnen. Hingegen verh\u00e4lt es sich mit dem Gegens\u00e4tze zwischen realen und imagin\u00e4ren Werthen so : Jedem, als real mit + bezeichneten, Werthe entspricht imagin\u00e4r statt 0 ein negativer Werth von gleicher Gr\u00f6\u00dfe, welcher eine eben so gro\u00dfe Entfernung vom Eintritt in die Wirklichkeit oder eben so gro\u00dfe Vertiefung unter den Nullwerth, als der entsprechende positive eine Erhebung dar\u00fcber bedeutet; wonach auch dieser Gegensatz zwischen real und imagin\u00e4r durch Linien, die in derselben Ebene von demselben Punkte nach entgegengesetzten Richtungen gezogen werden, so gut graphisch repr\u00e4sentirt werden kann, als wenn es sich um einen Gegensatz innerhalb eines Gebietes realer Werthe handelte. Ja, n\u00e4her zugesehen, steht gar keine andere Bezeichnung als + und \u2014 f\u00fcr den absoluten Gegensatz zwischen real und imagin\u00e4r zu Gebote. Denn V^l und r +1=1 bilden nicht nur keinen reinen Gegensatz an sich, wie","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nG. Th. Fechner.\n-f- Vl und \u2014 Vl, d. i. wie + 1 und \u2014 1, sondern V\u2014 1 ist auch be-merkterma\u00dfen nur ein Ausdruck f\u00fcr Unm\u00f6glichkeit oder Imaginarit\u00e4t eines Wer the s in der Ebene, auf die man die Untersuchung bezieht, ohne die M\u00f6glichkeit oder Realit\u00e4t desselben in einer anderen Ebene damit auszuschlie\u00dfen.\nHiezu noch Folgendes: Nicht nur der Yerf. (S. 593), sondern auch, wie ich mich erinnere, schon fr\u00fcher Delboeuf, weisen darauf hin, dass in der Geometrie eine beliebige Verschiebung des Punktes, von welchem aus der Richtungsgegensatz in einer Linie gerechnet werde, m\u00f6glich sei ; wovon das Entsprechende nicht bei Empfindungen oberhalb und unterhalb der Reizschwelle gelte, die einander als positive und negative gegen\u00fcberstehen sollen. In der That aber scheint mir in dieser Hinsicht kein wesentlicher Unterschied zu bestehen. Bemerken wir nur, dass jene willk\u00fcrliche Verschiebbarkeit des Nullpunktes zwischen positiven und negativen Raumstrecken blos in der abstracten Geometrie stattfindet und ganz das Entsprechende in der abstracten Psychophysik darin hat, dass wir je nach willk\u00fcrlich abge\u00e4ndert gedachter Empfindlichkeit den Schwellenwerth bei diesem oder jenem Reize annehmen k\u00f6nnen, wogegen man, wenn es sich um Probleme der Wirklichkeit handelt, beidesfalls in gleichem Sinne ge-n\u00f6thigt ist, von einem bestimmten, nicht willk\u00fcrlich verschiebbaren, sondern durch die Sachlage der Umst\u00e4nde gegebenen, Nullpunkt auszugehen, was sich leicht durch, doch wohl \u00fcberfl\u00fcssig scheinende, Beispiele erl\u00e4utern lie\u00dfe. Wenn man aber freilich eine Analogie zwischen dem, in abstracter Geometrie willk\u00fcrlich verschiebbaren Nullpunkt mit dem in angewandter Psychophysik nicht verschiebbaren Nullpunkt sucht, so ist nat\u00fcrlich, dass man sie nicht findet.\nEs w\u00e4re unstreitig erw\u00fcnscht, wenn die Controverse \u00fcber die negativen Empfindungswerthe endlich einmal ein Ende f\u00e4nde; aber nach meinen bisherigen Erfahrungen wird wohl noch mein Schatten davor keine Ruhe haben.\n(4)\nVon vorn herein (S. 580) stellt der Verf. als fundamentale Formeln f\u00fcr das W eher\u2019sehe Gesetz auf:\n^L=C-, Js = c,\nr\nworin \u00bbr die Gr\u00f6\u00dfe des Reizes, welcher eine Empfindung von der","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\t225\nSt\u00e4rke s ausl\u00f6st, Jr den Zuwachs zum Reize, der n\u00f6thig ist, um eine ebenmerkliche oder \u00fcberhaupt gleich merkliche Aenderung Js der Empfindung hervorzurufen\u00ab ; C und c (wof\u00fcr der Verf. Const, und const, hat), zwei von einander verschiedene Constanten bezeichnen *).\nZu n\u00e4herer Bestimmtheit m\u00f6ge bemerkt werden, dass, wenn r2 der gr\u00f6\u00dfere, r, der kleinere beider Reize ist, und Jr immer als positiv z\u00e4hlen soll, man Jr\\ \u2014 r \u2014 rx zu setzen und f\u00fcr r im Nenner den\nkleineren beider Reize zu nehmen, mithin = \u2014--------------\u2014 = C zu\nr\nsetzen hat, eine Gleichung, die nat\u00fcrlich von selbst die Gleichung Jr \u2014 rC mitf\u00fchrt.\nNun scheint nach dieser Ausdrucksweise des Web er\u2019sehen Gesetzes dasselbe f\u00fcr den particul\u00e4ren Fall, dass r \u2014 0, Schiffbruch zu\nJr\nerleiden, indem nach der Form-------= G die, bei endlichen Werthen\n7\tr\t7\nvon r endliche, Constante C bei r \u2014 0 unendlich wird ; nach der Form Jr = rC aber, wie der Yerf. S. 581 bemerkt, \u00bbzum Reiz r = 0 der Zuwachs Jr = 0 kommen muss, damit die Empfindung um die constante Zunahme Js wachse, was nat\u00fcrlich sinnlos ist\u00ab. Beides dieselbe Schwierigkeit, nur in verschiedener Form.\nNun erinnert der Yerf. mit Recht, diese Schwierigkeit k\u00f6nne nur scheinbar sein, da sie sich in der durch\n\u2014\tJl=c\nausdr\u00fcckbaren Beziehung zwischen Zahl z und Logarithmus l wiederfinde. Nat\u00fcrlich kann sie auch beidesfalls nur die gleiche L\u00f6sung finden, und diese soll sich nach dem Verf. \u00bbsehr einfach\u00ab dadurch ergeben, dass der Nullwerth von z, respective von r, nicht als absolut Null, sondern als etwas unendlich kleines zu fassen sei. Aber nicht nur vermisse ich den Beweis hiervon, sondern finde auch die Schwierigkeit dadurch nicht wirklich gel\u00f6st. Denn, ersetzen wir nach erster Ausdrucksweise\nderselben in der Gleichung (oder ^~) \u2014 0 den Nullwerth von r durch einen unendlich kleinen Werth, so wird, wenn Jr immer noch\n1 ) Mit dem von mir unter II eingehaltenen Sprachgebrauch verglichen bedeutet die eine \u00bbgleich merkliche Aenderung Js der Empfindung\u00ab des Verf.\u2019s nicht einen gleich gro\u00dfen Empfindungsunterschied, sondern eine gleich gro\u00dfe Unterschiedsempfindung.\nWundt, Philos. Studien. IV.\n15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nG. Th. Fechner.\nendlich ist, die, endlich bleiben sollende, Constante G so gut oo, als wenn r geradezu Null gesetzt w\u00fcrde. Nach der anderen (K\u00f6hler\u2019schen) Ausdrucksweise aber w\u00fcrde man, wenn nach Ersatz von r = 0 durch einen unendlich kleinen Werth die Gleichungen haben:\n/lr\u2014Cdr\\ /is \u2014 c,\nd. h. zu einer unendlich kleinen Aenderung von r eine endliche Ver\u00e4nderung von s geh\u00f6ren, was jedenfalls unstatthaft ist.\nDie Schwierigkeit l\u00f6st sich aber meines Erachtens wie folgt.\nGehen wir von der Gleichung ~ = C bei einem beliebigen endlichen\nWerthe von r aus, so kann diese Gleichung bei gleichzeitiger Aenderung von Jr und r allgemein nur bestehen, wenn das Ausgangs-z/ und Ausgangs-r mit demselben m multiplicirt werden. Soll nun r = 0 werden, so muss m = 0 genommen werden. Das gibt\n0 \u2022 4r 0 rt\n0 r\tT\t\u00b0 \u2019\nein an sich unbestimmter endlicher Werth, welcher aber, nach seiner Herleitungsweise aus dem bei endlichen Werthen von r stattfindenden C, mit demselben gleich zu nehmen ist.\nAuf dasselbe kommt man, wenn in den Ausdruck des Web ersehen Gesetzes statt der Constanz des relativen Reizunterschiedes\n\u2014 = C die Constanz des Reizverh\u00e4ltnisses \u2014 = C eingef\u00fchrt wird. r\t-\t. *\u00ef\nUm von einem endlichen rl auf r, = 0 zu kommen, muss zur Erf\u00fcllung des Weber\u2019schen Gesetzes nicht nur rx, sondern auch r2 mit\nNull multiplicirt, und der Ausdruck y = C mit dem bei endlichen\nWerthen von r zu erhaltenden gleich genommen werden.\nMit Vorigem steht in Zusammenhang, dass in unserer Funda-mentalformel\nds = k^- \u2022\u2022\u2022\u2022\u00a9,\nwelche das Weber\u2019sche Gesetz in sich aufnimmt, ds keineswegs bei r \u2014 0 unendlich wird, indem, um dem Weher\u2019sehen Gesetze zu gen\u00fcgen, dr mit r zugleich Null gesetzt werden muss.\n(5)\nVon vorn herein fragt sich, wie die beiden Ausdrucksweisen des Webe r\u2019schen Gesetzes Zusammenh\u00e4ngen :","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprineipien und das Weber'sche Gesetz.\n227\n\u00ab)\n\u00df)\nDa\ndass bei Gleichheit des Reizverh\u00e4ltnisses \u2014 = C,\nn\ndass bei Gleichheit des relativen Reizunterschiedes Jr_ _ r2 \u2014 rl _ g r\tTi\ndie Unterschiedsempfindung Js constant bleibt. r2 ____________ n + Jr ___ J , Jr\nn n ~ n \u2019\nso ist nat\u00fcrlich, wenn constant ist, auch der ihm gleiche Werth 1 -f- ~~~i und nach Abzug des constanten 1, der Werth constant; und geh\u00f6ren also\n~=C]\t= Ci und Js = c\nn\tn\nzusammen, wo C\\ ebenso constant als C, nur eine andere Constante ist.\n(6)\nAuf S. 585 leitet der Yerf. aus seinem, unter (4) angegebenen Ausdrucke des Weber\u2019schen Gesetzes, welcher direct nur besagt,\ndass J s constant bleibt, wenn constant bleibt, den Ausdruck ab :\nJ s = k^-\nr\n3,\nwonach Js dem proportional geht, und sieht meine Fundamentalformel\nds = Jc\u2014 \u2022 \u2022 \u2022 O\nr\tw\nnur als den besonderen Fall von J) an, wo J in d \u00fcbergeht, d. h. die Differenzen Js, Jr unendlich klein werden. Aber nur Q ist richtig und J) falsch, wor\u00fcber die, schon in der Controverse mit Elsas S.166f. gemachten, Bemerkungen hier mit eingesehen werden k\u00f6nnen; der directe Beweis aber, dass 0 und J) nicht mit einander stimmen, ist, dass die Integration von 0 zweifellos zur Gleichung\nJs = s2 \u2014 Sj = k log. nat. \u2014\u25a0 \u2022 \u2022 \u25a0 \u25a0 $ ,\nf\u00fchrt, welche mit J) unvertr\u00e4glich ist. Ich denke, der Verf. wird, wenn er der Ableitung der vorigen Formel (meiner Unterschiedsformel) in meinen \u00bbEiern.\u00ab II, S. 14. 89 mit R\u00fccksicht darauf nachgehen will, dass dabei andere Buchstaben und Logarithmen gebraucht sind, nichts\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nG. Th. Fechner.\ndagegen einzuwenden finden, oder die Integrationen f\u00fcr und s2 selbst leicbt yornehmen k\u00f6nnen. Hingegen gestehe ich, die Ableitung\nvon J) seitens des Verf.\u2019s, wonach man = C mit einer neuen Constante k von der Art multipliciren soll, dass kC = c, nicht zu verstehen. Sie scheint mir das zu Beweisende vorauszusetzen ; n\u00e4mlich, dass es eine Constante k gibt, welche in den F\u00e4llen, wo eine Ver\u00e4nderlichkeit von vorausgesetzt wird, wie es in der Gleichung j)\nder Fall ist, das Verlangte leistet.\nDie Ableitung von Q aus dem Web er\u2019sehen Gesetze ist unter Zuziehung des, von mir sog. mathematischenH\u00fclfsprincipes geschehen, und, nachdem schon fr\u00fcher Gelegenheit war, darauf Bezug zu nehmen, will ich hier das, in \u00bbElem.\u00ab II, S. 6 ff. und S. 10 dar\u00fcber Gesagte zur\u00fcckrufen. Das Princip selbst ist da S. 7 so ausgesprochen :\n\u00bbDie beziehungsweisen Aenderungen, Zuw\u00fcchse zweier von einander abh\u00e4ngiger continuirlicher Gr\u00f6\u00dfen, von einem constanten Aus-gangswerthe an oder innerhalb eines Theiles der Gr\u00f6\u00dfen verfolgt, gehen einander merklich proportional, so lange sie sehr klein bleiben, wie auch das Abh\u00e4ngigkeitsverh\u00e4ltniss zwischen den Gr\u00f6\u00dfen beschaffen sein mag, und wie sehr der beziehungsweise Gang der Gr\u00f6\u00dfen im Ganzen und nach gr\u00f6\u00dferen Theilen von dem Gesetze der Proportionalit\u00e4t ab weichen mag.\u00ab Wonach sich unbedenklich der Satz aussprechen l\u00e4sst : \u00bbDie Aenderungen der Empfindung sind den Aenderungen der Reizgr\u00f6\u00dfe merklich proportional, so lange die Aenderungen beiderseits sehr klein bleiben.\u00ab\nWas aber von sehr kleinen endlichen Aenderungen \u00bbmerklich\u00ab gilt, gilt streng von unendlich kleinen, sog. Differenzialen.\nNach dem Web er\u2019sehen Gesetze nun bleibt Js constant, wenn\n\u2014 constant bleibt, welche absolute Werthe auch z/r und r annehmen\nr\nm\u00f6gen, und nach dem H\u00fclfsprincip bleiben die Aenderungen Js proportional mit Jr\\ von irgend einem Ausgangs werthe r an gerechnet, solange sie sehr klein, streng genommen unendlich klein, bleiben. Beide Bedingungen aber lassen sich in einer Gleichung zwischen zfs und Jr im Zusammenh\u00e4nge nur erf\u00fcllen, wenn man setzt\nds = k\ndr\no-","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber'sche Gesetz.\t229t\nIn der That wird dem Weh er\u2019sehen Gesetze dann dadurch gen\u00fcgt, d.ass ds constant bleibt, so lange constant bleibt, dem H\u00fclfsprincip\naber dadurch, dass, sofern dr unendlich klein gegen den Reiz r, zu welchem es den Zuwachs bildet, r dadurch als unver\u00e4ndert gelten kann, was nicht mehr der Fall ist, wenn man dr mit dr vertauschte, hiemit J) statt Q nehmen wollte. Hienach hindert nichts, eine Gleichung f\u00fcr endliche Differenzen J s durch Integration von Q abzuleiten, die nur eben nicht mit ~J) stimmt.\n\u2022(7)\nAuf S. 574 f\u00fchrt der Yerf. eine Stelle aus meiner Schiftsln Sachen\u00ab S. 1 als \u00bbAuseinandersetzung meines Ma\u00dfprincipes\u00ab an, die vielmehr nur als kurze Erinnerung an die wirkliche Auseinandersetzung desselben in meinen \u00bbElementen\u00ab anzusehen ist1). Bei R\u00fcckgang auf diese aber konnte meines Erachtens mein Ma\u00dfprincip weder missverstanden, noch unklar oder von zweifelhafter Auslegung gefunden werden, wie es vom Verf. (S. 574. 576) geschehen ist, indem er jene Stelle durch Aeu\u00dferungen wie folgt commentirt: \u00bbEntweder tritt bei Fech-ner nicht klar hervor, worauf es ankommt, oder er glaubt der eigentlichen Frage durch sein Ma\u00dfprincip zu entgehen......\u00ab \u00bbHiemit scheint\nmir Fechner zuzugeben\u00ab u. s.w......... \u00bbEs wird klar, dass sich Feoh-\nne r in den angegebenen Worten mindestens ungenau ausgedr\u00fcckt hat.\u00ab Ich leugne in der That, dass so halbe und zweifelnde Ausdr\u00fccke auf die Auseinandersetzung meines Ma\u00dfprincipes, wie sie in den \u00bbElementen\u00ab gegeben ist, und wodurch jene Stelle zu commentiren war, triftige Anwendung finden, glaube aber den Grund der Aeu\u00dferungen des Yerf.\u2019s darin suchen zu k\u00f6nnen, dass er weder in der betreffenden Stelle, noch in den \u00bbElementen\u00ab auf seine, unter (2) besprochene, Ansicht eingegangen findet, wonach ein psychisches Ma\u00df f\u00fcr sich ohne Beziehung zu den unterliegenden physischen Ma\u00dfwerthen soll erhalten werden k\u00f6nnen. Diese Ansicht als richtig angenommen, mag es freilich schwer sein, sich in meine entgegengesetzte Ansicht zu finden.\n1) Schon in \u00bbRevis.\u00ab S. 303 hatte ich Anlass, mich in derselben Beziehung \u00fcber Delboeuf zu beschweren ; nur konnte ich damals, wegen mangelhaften Cit\u00e2tes von seiner Seite, die betreffende Stelle in meinen Schriften nicht wieder auffinden.","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230 G.Tb. Fechner. Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2019sche Gesetz.\n(8)\nAuf S. 638 bemerkt der Verf., es liege offenbar ein Versehen meinerseits vor, wenn ich (\u00bbRevis.\u00ab S. 204) G. E. M\u00fcller gegen\u00fcber behaupte, dass in seiner sog. corrigirten Ma\u00dfformel\ns = k log cp (r)\ndie Empfindung nicht mit dem Reize r zugleich Null gesetzt werden k\u00f6nne. Denn der Gleichung\n0 = \u00c6 log <jp (0)\nwerde entsprochen, sobald q> (0) = 1 ist, und dieser Fall sei m\u00f6glich, indem wir ihn z. B. in der Delboeuf\u2019schen Formel\nC 4* T\tT\t\u2022\n(p [r] = \u2014-\u2014 = 1 + \u2014 (worin c constant)\nhaben, welche, sofern s = Je log (r), zur Gleichung\ns = h log A +\nf\u00fchrt.\nDies scheint zun\u00e4chst einleuchtend, geht aber doch nicht an. Denn eine Gleichung wie letztere ist deshalb unstatthaft, weil danach der absolute Werth der Empfindung s von der Einheit abh\u00e4ngig wird, in der man r ausdr\u00fccken will. Dies aber kann man nur vermeiden, wenn man, wie ich fordere, s bei einem endlichen Reizwerthe q Null werden l\u00e4sst, wie es in meiner Ma\u00dfformel\ns = h log ~\nder Fall ist, indem r und q nat\u00fcrlich in derselben Einheit auszudr\u00fccken\nsind, und demgem\u00e4\u00df ~ sich mit Aenderung dieser Einheit nicht \u00e4ndert.\nIch habe aber zuzugeben, dass diese Betrachtung in meiner \u00bbRevision\u00ab noch fehlte und damit allerdings dem Einwande des Verf. noch Raum blieb.","page":230}],"identifier":"lit4146","issued":"1888","language":"de","pages":"161-230","startpages":"161","title":"Ueber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Weber\u2018sche Gesetz","type":"Journal Article","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:36:31.597175+00:00"}