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{"created":"2022-01-31T12:38:44.306921+00:00","id":"lit4148","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Cattell, James McKeen","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 4: 241-250","fulltext":[{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Psychometrische Untersuchungen.\nYon\nJames McKeen Catteil.\nDritte Abtheilung.\nTI. Die Association unter willk\u00fcrlich begrenzten Bedingungen.\nDie Ideenassociation ist seit Aristoteles ein beliebter Gegenstand psychologischer Betrachtungen; au\u00dfer Definitionen und k\u00fcnstlichen Schematisirungen des Geistes scheint man indessen nicht viel geleistet zu haben. Eine bemerkenswerthe Abhandlung von Galton1) zeigte zuerst die Anwendung experimenteller Methoden auf diesen Gegenstand und f\u00fchrte ihn auf einen Weg, welcher weitere Fortschritte erm\u00f6glichte. Wundt erkannte sogleich die Wichtigkeit dieser Untersuchung und nahm sie in seinem Laboratorium mit verbesserten Apparaten auf2). Sonst ist indessen \u00fcber diesen Gegenstand nichts ver\u00f6ffentlicht worden, und das ist um so mehr zu bedauern, als gerade nach dieser Richtung hin die experimentelle Psychologie gewiss ein reiches Feld von Untersuchungen vor sich hat.\nVersuche, die ich in dem ersten und zweiten Theil der \u00bbPsychometrische Untersuchungen\u00ab (Phil. Stud. Ill, 2 und 3) ver\u00f6ffentlicht\n2 \"\nhabe, zeigen, dass man ca. \u2014 braucht, um ein Wort zu erkennen und zu b\u00e9nennen. Eliminirt man die physiologischen Factoren und die Zeit, welche zum Erkennen des Wortes n\u00f6thig ist, so ergibt sich, dass\nl n\nca. jjj erforderlich ist, damit man die dem Druckzeichen entsprechende Benennung findet. F\u00fcr Buchstaben war die Zeit l\u00e4nger, da wir sie\n1)\tBrain 1879,\n2)\tPhysiol. Psych. Cap. XYI; Phil. Stud. I.\nWundt, Philos. Studien. IV.\n16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nJames JMecii Cattell.\nnicht so h\u00e4ufig zu lesen pflegen als W\u00f6rter, und noch l\u00e4nger war sie (ca. 1/4\") f\u00fcr Farben und Bilder. Die Zeit, welche vergeht, w\u00e4hrend die Bewegung der Sprachorgane gesucht und gefunden wird,'nennt man eine Wahlzeit. Der Vorgang ist jedoch zum Theil automatisch; es wird n\u00e4mlich eine Association wirksam, welche sich zwischen der Vorstellung und der zugeh\u00f6rigen Bewegung bereits fr\u00fcher gebildet hat. Ganz \u00e4hnlich sind die Vorg\u00e4nge, welche ich im Folgenden beschreiben will.\nI.\nBenennt man einen Gegenstand statt in der Muttersprache in einer fremden Sprache, so ist die Association zwischen der Vorstellung und Bewegung weniger eng und erfordert mehr Zeit. Es ist eine noch ungel\u00f6ste Frage, in wie weit Begriffe ohne H\u00fclfe von W\u00f6rtern zu Stande kommen, und es ist kaum nothwendig zu sagen, dass wir \u00fcber die physischen Grundlagen des Ged\u00e4chtnisses und des Denkens \u00fcberhaupt fast gar nichts wissen ; wir d\u00fcrfen aber hoffen, dass psychometrische Versuche, wie ich sie soeben beschreiben will, zur Aufkl\u00e4rung dieser Verh\u00e4ltnisse einiges beitragen werden. In der oben erw\u00e4hnten Abhandlung habe ich gezeigt, wie man die Zeit bestimmen kann, welche man braucht, um das Bild eines Gegenstandes zu erkennen und zu benennen; in derselben Weise kann man die Zeit messen, welche man braucht, um das Bild in einer fremden Sprache zu benennen. In Betreff der angewandten Apparate und Methoden muss ich den Leser auf die oben erw\u00e4hnte Abhandlung verweisen. 0,001 \" ist wieder als Zeiteinheit genommen und wird mit dem Zeichen a bezeichnet. Die Zahl der Versuche eines jeden Beobachters ist in Klammern angegeben. Die beiden Beobachter sind B (Dr. G. 0. Berger) und G (der Verfasser) ; hinter diesen Buchstaben folgt der Mittelwerth aus allen gemachten Versuchen und die mittlere Variation derselben; darauf ein zweiter Mittelwerth nebst Variation, welcher nach der fr\u00fcher von mir beschriebenen Methode1) durch Weglassen der abweichendsten\n1) Philos. Stud. Ill, 2 und 3. Man wird bemerken, dass die corrigirten Mittel-werthe gew\u00f6hnlich kleiner sind als die Mittel aus allen Versuchen ; das erkl\u00e4rt siljh dadurch, dass die Versuchsperson in einigen F\u00e4llen besondere Schwierigkeiten fand. Der uncorrigirte Werth gibt die mittlere Zeit an, die wir \u00fcberhaupt zu Associationen brauchen ; der corrigirte ann\u00e4hernd die Zeit, die wir f\u00fcr gew\u00f6hnlich dazu brauchen.","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Psychometrische Untersuchungen.\n243\nZeiten gefunden ist. Die Versuche sind in Leipzig in der ersten H\u00e4lfte des Jahres 1885 ausgef\u00fchrt.\nZun\u00e4chst gehe ich die Zeit an, welche die Beobachter brauchten, um die Bilder von 26 gew\u00f6hnlich vorkommenden Gegenst\u00e4nden zu erkennen und in einer fremden Sprache \u2014 B englisch, C deutsch \u2014 zu benennen.\nBilder in fremder Sprache benannt (78)\nB 649\t104\t632\t49 C 694\t87\t682\t43.\nWir haben gefunden1), dass B 47 7, C 545 a brauchte, um eben dieselben Bilder in seiner Muttersprache zu benennen. B braucht demnach 172, G 149 a mehr, um den Namen in der fremden Sprache zu finden. C spricht das Deutsche gel\u00e4ufig, B das Englische weniger gut. Man vergleiche diese Versuche mit fr\u00fcher von mir ver\u00f6ffentlichten, in denen ich gezeigt habe, dass die Schnelligkeit, mit der man eine fremde Sprache liest, der Vertrautheit mit der Sprache proportional ist2).\nWir gehen eine Stufe weiter, wenn ein Wort aus einer Sprache in eine andere zu \u00fcbersetzen ist. Der geistige Vorgang ist wiederum dunkel, da die Processe des Uebersetzens und des Benennens nicht scharf begrenzt sind; ziehen wir aber die Zeit, die man braucht, um ein Wort zu erkennen und zu benennen, von der Zeit ab, die man braucht, um ein Wort zu erkennen, in eine fremde Sprache zu \u00fcber-seten und zu benennen, so erhalten wir ann\u00e4hernd die Uebersetzungs-zeit. Diese Zeit gebe ich f\u00fcr Uebersetzen aus einer fremden in die Muttersprache und umgekehrt. Ich habe dabei die Zeit abgezogen, welche die Versuchspersonen brauchen, um W\u00f6rter zu erkennen und zu benennen (5 390, C 428 a), ebenso die zugeh\u00f6rige mittlere Variation [B 28, (7 20; in den corrigirten Reihen B 19, C 13 a).\nEnglisch-Deutsch: Kurze (gew\u00f6hnliche) W\u00f6rter (78)\nB 2 4 0\t77\t1 9 9\t36\t0 2 5 8\t59\t2 3 7\t29.\nLange (weniger h\u00e4ufige) W\u00f6rter (78)\n331\t96\t309\t67\t388\t101\t367\t62.\n1)\tPhilos. Stud. Ill, 2 und 3.\n2)\tPhilos. Stud. II, 4. Ich hoffe demn\u00e4chst eine Anzahl von Versuchen mittheilen zu k\u00f6nnen, welche zeigen, wie die Schnelligkeit w\u00e4chst, mit der die Sch\u00fcler der verschiedenen Classen eines deutschen Gymnasiums Deutsch und Lateinisch lesen.\n16","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nJames McKeen Cattell.\nDeutsch-Englisch: Kurze W\u00f6rter (78)\nB 303\t148\t237\t53 G 152\t17\t153\t13.\nLange W\u00f6rter (78)\n593\t281\t573\t116\t411\t85\t389\t55.\nDiese Zahlen zeigen, dass fremde Sprachen, auch nachdem wir sie erlernt haben, viel Zeit erfordern, und k\u00f6nnen uns veranlassen, immer wieder die Vor- und Nachtheile eines vielsprachigen geistigen Lebens abzuw\u00e4gen.\nII.\nEinen gro\u00dfen Theil unserer Zeit verwenden wir darauf, uns Dinge, die uns bekannt sind, in\u2019s Ged\u00e4chtniss zur\u00fcckzurufen. Erinnerung ist kein au\u00dfer Raum und Zeit gelegener transcendenter Process; diese Abhandlung zeigt gerade, wie viel Zeit wir brauchen, um uns an etwas zu erinnern, und wir haben allen Grund anzunehmen, dass diese Zeit vergeht, w\u00e4hrend gewisse Ver\u00e4nderungen im Gehirn andere Ver\u00e4nderungenhervorrufen. Ichgebe unten die Zeit, die B und (^brauchen, um sich an gewisse Dinge zu erinnern; es sind das Beispiele von gezwungener Association, mit denen der Geist fortw\u00e4hrend besch\u00e4ftigt ist. Zu einer wohlbekannten Stadt sollte das Land genannt werden, in dem sie gelegen ist; zu einem Monat die Jahreszeit, in welche er f\u00e4llt, ebenso der vorhergehende oder der folgende Monat; ein ber\u00fchmter Schriftsteller war gegeben, es sollte die Sprache genannt werden, in welcher er geschrieben hat ; ein hervorragender Mann, es war sein Beruf anzugeben. Schlie\u00dflich in zwei weiteren F\u00e4llen hatte die Versuchsperson einstellige Zahlen zu addiren resp. zu multipliciren Auf den ersten Blick k\u00f6nnte es scheinen, als best\u00e4nde diese geistige Operation aus einer mathematischen Berechnung und w\u00e4re von den \u00fcbrigen ganz verschieden ; sie ist ihnen aber keineswegs so un\u00e4hnlich, da sie im wesentlichen ein Act des Ged\u00e4chtnisses ist.\nStadt\u2014Land (62)\nB 348\t53\t333\t35\tG 462 Monat\u2014-Jahreszeit (26)\t120\t413\t65\n415\t55\t410\t31\t310\t63\t316\t16\n\tMonaS\u2014folgender Monat\t\t(26)\t\t\n345\t45\t327\t25\t389\t172\t384\t61","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Psychometrische Untersuchungen.\n245\n763\tMonat\u2014vorhergehender Monat (26) 245\t619\t129\t832\t233\t\t815\t160\nB 417\t80\tSchriftsteller \u2014 Sprache (78) 402\t53\t0 350\t57\t337\t32\n465\t89\tGro\u00dfer Mann\u2014Beruf (78) 440\t62\t368\t95\t326\t53\n221\t31\tAddition (52) 223\t21\t336\t77\t299\t36\n389\t71\tMultiplication (52) 369\t38\t544\t225\t507\t158\nDie hier betrachteten geistigen Vorg\u00e4nge sind keineswegs den Versuchen zu liebe erfunden, es sind vielmehr Vorg\u00e4nge, welche einen gro\u00dfen Theil unseres geistigen Lebens ausmachen. Wir sehen, dass\ndie Versuchspersonen _----^ brauchen, um sich vollst\u00e4ndig bekannte\nDinge in\u2019s Ged\u00e4chtniss zur\u00fcckzurufen. Die L\u00e4nge der Zeiten in den verschiedenen F\u00e4llen ist interessant: Die Additionszeit war von allen die k\u00fcrzeste; B brauchte 168, (7208 a mehr zum Multipliciren als zum Addiren; es erfordert zweimal so viel Zeit, sich auf den vorhergehenden als auf den folgenden Monat zu besinnen. Man wird bemerken, dass die Zahlen f\u00fcr beide Personen nahezu \u00fcbereinstimmen (der Mittelwerth aus den 8 Beispielen ist f\u00fcr B 420, f\u00fcr C 436 o); die Zeitunterschiede in den verschiedenen F\u00e4llen erkl\u00e4ren sich aus dem Charakter und Beruf der Versuchspersonen und werfen umgekehrt Licht auf diese zur\u00fcck. Z. B. B ist Lehrer der Mathematik, C hat sich mehr mit Literatur besch\u00e4ftigt; G wei\u00df ebensogut als B, dass 5 \u20147 = 12 ist, braucht aber\n~ l\u00e4nger, es sich in\u2019s Ged\u00e4chtniss zu rufen; B wei\u00df ebenso gut als (7,\ndass Dante ein Dichter war, braucht aber y(- l\u00e4nger, um sich darauf zu\nbesinnen. Solche Versuche decken das geistige Leben in einer Weise auf, die nicht eben immer schmeichelhaft ist.\nDie angef\u00fchrten Zahlen sind Mittelwerthe aus vielen Versuchen; die mittlere Variation zeigt, wie sehr die Einzelmessungen vom Mittel abweichen. Diese Variation ist zum Theil die Folge ver\u00e4nderlicher Bedingungen; sie ist jedoch haupts\u00e4chlich auf den Umstand zur\u00fcckzuf\u00fchren, dass die geistigen Vorg\u00e4nge einer bestimmten Classe nicht gleich einfach sind und demnach verschiedene Zeiten erfordern. Wie","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nJames Mc Keen Cattell.\nes weniger Zeit erfordert, 2 und 3 zu addiren, als 2 und 3 zu multi-pliciren, so braucht man auch weniger Zeit, 2 und 3 als 6 und 7 zu addiren. Da sich also f\u00fcr die Zeitdauer geistiger Processe derselben Classe regelm\u00e4\u00dfig eine Variation ergibt, d\u00fcrfen wir in eine kleine Anzahl von Versuchen nicht zu viel Vertrauen setzen; es w'ird der M\u00fche werth erscheinen, wenn ich einige Beispiele anf\u00fchre. Als zu einer gegebenen Stadt das Land zu nennen war, in welchem sie liegt, brauchten (im Mittel aus 3 Versuchen) B und C die k\u00fcrzeste Zeit f\u00fcr Paris (212, 278 a) und die l\u00e4ngste f\u00fcr Genf (Geneva) (403, 485 a). Als zu einem Schriftsteller die Sprache anzugeben war, in welcher er geschrieben hat, brauchte .B (im Mittel aus 3 Versuchen) die k\u00fcrzeste Leit f\u00fcr Luther (227) und Goethe (265), die l\u00e4ngste f\u00fcr Aristoteles (591) und Bacon (565); C die k\u00fcrzeste Zeit f\u00fcr Plato (224) und Shakespeare (258), die l\u00e4ngste f\u00fcr Chaucer (503) und Plautus (478). Bei Luther brauchte B 244, bei Goethe 102 a weniger als C; ^brauchte bei Shakespeare 186 a weniger als B. Man muss sich erinnern, dass B ein Deutscher, C Amerikaner ist. Bei Angabe des Berufs hervorragender M\u00e4nner ergab sich, wenn wir mit den k\u00fcrzesten Zeiten beginnen, folgende Reihenfolge: B \u2014 Dichter (355), Kriegsm\u00e4nner, Geschichtsschreiber, Philosophen, K\u00fcnstler, Reformatoren, M\u00e4nner der Wissenschaft (657 er); O\u2014 Dichter (291), K\u00fcnstler, Geschichtsschreiber, Kriegsm\u00e4nner, Philosophen, Reformatoren, M\u00e4nner der Wissenschaft (421). Bei beiden Personen kommen Dichter zuerst, M\u00e4nner der Wissenschaft zuletzt. Es ist also offenbar leichter, sich Homer als Dichter als sich Darwin als Mann der Wissenschaft zu vergegenw\u00e4rtigen.\nIII.\nIn den bisher betrachteten Versuchen wurde eine Frage vorgelegt, welche nur eine einzige Antwort zulie\u00df ; die Association war gezwungen und die zu ihrer Bildung erforderliche Zeit kann man \u00bbErinnerungszeit\u00ab nennen. Man kann jedoch eine Frage auch so stellen, dass neben dem Erinnerungsact bei der Antwort eine gewisse Wahl zu treffen ist, und in diesem Falle ist ein wenig mehr Zeit erforderlich. Unten ist die Umkehrung mehrerer betrachteten F\u00e4lle angegeben, z. B. war ein Land gegeben und irgend eine in ihm liegende Stadt anzugeben u. s. w.","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Psychometrische Untersuchungen.\n247\nDie letzte Reihe gibt die Zeit an, welche man braucht, um sich auf ein bestimmtes Werk eines gegebenen Schriftstellers zu besinnen.\nLand \u2014 Stadt (26)\nB 400\t72\t357\t45\tC 346\t75\t340\t48\n\t\tJahreszeit \u2014\t\u25a0Monat (26)\t\t\nB 561\t92\t548\t36\tG 435\t99\t399\t54\n\t\tSprache \u2014 Schriftsteller (78)\t\t\t\n663\t200\t702 lio\t519\t137\t523\t83\n\t\tSchriftsteller\t\u2014 Werk (26)\t\t\n1076\t397\t1095\t287\t763\t308\t596\t127.\nMan wird erkennen, dass es nicht l\u00e4nger dauert, eine Stadt zu nennen, wenn ein Land gegeben ist, als umgekehrt; in diesem Falle ist in Wirklichkeit eine Wahl nicht n\u00f6thig, denn es gibt in jedem Lande eine bestimmte Stadt, die man fast unwillk\u00fcrlich nennt. Dagegen erfordert es bedeutend mehr Zeit, einen Monat zu nennen, wenn die Jahreszeit, und einen Schriftsteller zu nennen, wenn die Sprache gegeben ist, als umgekehrt. In diesen F\u00e4llen hat eine Wahl stattzufinden und au\u00dferdem schreitet, wie man bereits erkannt hat1), der Geist leichter vom Theil zum Ganzen vor, als vom Ganzen zum Theil. Ein bestimmtes Werk zu nennen, wenn ein Schriftsteller gegeben ist, geh\u00f6rt, wie man sehen wird, zu den schwierigsten Associationen, welche in der vorliegenden Abhandlung betrachtet werden. Was die Zeitdauer der verschiedenartigen Associationen angeht, so muss ich nochmals an den Umstand erinnern, dass sie ziemlich stark beeinflusst wird von zuf\u00e4lliger Variation. Diese Variation kann nur eliminirt werden, wenn man eine gro\u00dfe Zahl von Versuchen macht, und dann w\u00fcrden wir nicht mehr die Zeit haben, welche wir im gew\u00f6hnlichen Lehen zu Associationen brauchen, sondern ein Minimum der Erinnerungszeit , welches die Tendenz zeigen w\u00fcrde, f\u00fcr die verschiedenen Classen von Associationen gleich zu werden in demselben Ma\u00dfe, als dieselben gleichm\u00e4\u00dfig einge\u00fcbt w\u00fcrden. Bei Angabe einer Stadt braucht G die l\u00e4ngste Zeit f\u00fcr Br\u00fcssel (1042) und Pekin (1001), die k\u00fcrzeste f\u00fcr Athen (214) und Philadelphia (222), seinen Heimathsort. Bei Angabe eines Schriftstellers ergaben sich k\u00fcrzere Zeiten f\u00fcr\n1) Steinthal, Einleitung in die Psychologie und Sprachwissenschaft, p. 161.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"'248\nJames Mc Keen Cattell.\nEnglisch, Deutsch und Italienisch, wo Shakespeare, Goethe und Dante sofort einfielen, als f\u00fcr die drei \u00fcbrigen benutzten Sprachen Franz\u00f6sisch, Lateinisch und Griechisch. Als zu einem gegebenen Schriftsteller ein bestimmtes Werk zu nennen war, brauchte C die l\u00e4ngste Zeit f\u00fcr Chaucer (Canterbury Tales 1898), Aristotle (Logik, ungenau f\u00fcr Organon, 1522) und Bacon (Novum Organum 1388); die k\u00fcrzeste f\u00fcr Mil ton (Paradise Lost 328), Dante (Inferno 373) und Goethe (Faust 393).\nIV.\nWir kommen nun zur Betrachtung gewisser Classen von Associationen, bei denen dem Geist ein h\u00f6heres Ma\u00df von Freiheit verstattet ist. Die Zeiten sind f\u00fcr 8 derartige F\u00e4lle angegeben. Ein Substantiv, welches eine Classe von Gegenst\u00e4nden repr\u00e4sentirt, war gegeben und ein specielles Beispiel zu nennen (Fluss\u2014Rhein); das Bild eines Gegenstandes wurde gezeigt und die Versuchsperson hatte nicht den Gegenstand selbst, sondern einen Theil desselbeh zu nennen (Bild eines Schilfes \u2014 Segel); ebenso war ein Wort, welches einen concreten Gegenstand bezeichnet, gegeben und ein Theil desselben zu nennen; wiederum wurden Bilder und ebenso Namen von Objecten gezeigt und es war Zweck oder Th\u00e4tigkeit derselben anzuf\u00fchren (Pferd \u2014 reiten oder traben); zu einem Adjectiv war ein Substantiv zu finden (blau \u2014 Himmel), zu einem intransitiven Verbum ein Subject und zu einem transitiven ein Object (schwimmen\u2014Fisch, schreiben \u2014 Brief).\nClassenbegriff\u2014Beispiel (52)\nB 727\t216\t663\t102\tC 537\t179\t457\t95\n\tBild\u2014Theil eines Gegenstandes (52)\t\t\t\n399\t96\t368\t40\t447\t162\t415\t69\n\tConcretum \u2014 Theil desselben (26)\t\t\t\n578\t128\t568\t85\t439\t135\t404\t82\n\tBild \u2014 Eigenschaft (55\t\u00ce)\t\t\n358\t105\t325\t49\t372\t121\t370\t78\n\tConcretum \u2014 Eigenschaft\t(26)\t\t\n436\t157\t390\t109\t337\t100\t291\t69\n\tAdjectiv\u2014Substantiv (26)\t\t\t\n879\t278\t823\t186\t351\t86\t307\t41","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Psychometrische Untersuchungen.\n249\n765\t366\tVerb \u2014\tSubject\t(26)\n\t584\t166\t\t527 ni 497\t107\n\tVerb \u2014\tObject\t(26)\n654\t242\t561\t139\t\t379\t122\t317\t86.\nDie angef\u00fchrten Zahlen bed\u00fcrfen keiner weitl\u00e4ufigen Erkl\u00e4rung. Die schwierigsten Associationen scheinen die zu sein, wo znm Classen-begriff ein Beispiel und wo zum Verb ein Subject zu suchen ist ; in beiden F\u00e4llen waren die gebrauchten Zeiten unregelm\u00e4\u00dfig, wie man an der gro\u00dfen mittleren Variation sieht. B brauchte 111, C 146 a l\u00e4nger, um zu einemVerb ein Subject als um ein Object zu finden, da der Geist logisch nach der letzteren Richtung fortschreitet. In dem Falle, wo ein specielles Object zu bezeichnen war, war der Geist geneigt entweder etwas zu w\u00e4hlen, was unmittelbar zur Hand war, oder in die Jugendheimath zur\u00fcckzugehen. So dachte B unter 52 F\u00e4llen 8, (7 20 mal an einen Gegenstand im Zimmer (es war (7\u2019s Zimmer); an Gegenst\u00e4nde aus der fr\u00fcheren Heimath B 22, C 19 mal. In den \u00fcbrigen F\u00e4llen war dies meist unm\u00f6glich, aber auch hier wurde entweder eine noch sehr frische oder eine fr\u00fchereinmal ge\u00fcbte Association gebildet mit Ausnahme von 6 in allen 104 F\u00e4llen.\nV.\nWir haben schlie\u00dflich noch die Zeit zu betrachten, welche man braucht, um ein Urtheil zu bilden. Ich w\u00e4hlte drei F\u00e4lle aus, in denen sich aus den Resultaten bequem ein Mittel berechnen lie\u00df. Im ersten Falle waren auf Cartons von 10 cm L\u00e4nge horizontale Linien gezogen, deren L\u00e4nge zwischen 1 und 50 mm variirte; die Versuchsperson hatte die L\u00e4nge zu sch\u00e4tzen. Im zweiten Falle war die Zahl nebeneinander befindlicher kurzer senkrechter Linien 1 ), welche zwischen 4 und 15 variirte, zu sch\u00e4tzen. Im dritten Falle wurden die Namen zweier ber\u00fchmter M\u00e4nner gezeigt und die Versuchsperson hatte anzugeben, welchen sie f\u00fcr gr\u00f6\u00dfer hielt.\nL\u00e4nge von Linien (150)\nB 1124\t242\t1127\t154 C 664\t124\t664\t88\nlj Betreffs Versuche \u00fcber den Umfang des Bewusstseins s. Catteil, Philos. Stud. Ill, 1.","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nJames 51\u00b0 Keen Catteil. \u2014 Psychometrische Untersuchungen.\nZahl von Linien (26)\n183\t57\t180\t35\t319\t74\t313\t45\n\tBedeutende M\u00e4nner (104)\t\t\t\n667\t143\t604\t80\t558\t171\t552\t112.\nMit den horizontalen Linien stellte ich eine ziemlich gro\u00dfe Zahl von Versuchen an, da ich das Verh\u00e4ltniss zwischen der L\u00e4nge der Linie und dem mittleren Fehler (Psychophysisches Gesetz) einerseits und dem Fehler und der zum Urtheil gebrauchten Zeit andererseits kennen zu lernen w\u00fcnschte. Ich halte es indessen f\u00fcr w\u00fcnschenswerth, die Zahl der Versuche noch weiter zu vermehren, bevor ich die Resultate ver\u00f6ffentliche. Beim Urtheil \u00fcber die verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfige Bedeutung ber\u00fchmter M\u00e4nner waren, wie vorauszusehen, die Zeiten um so k\u00fcrzer, je leichter das Urtheil war, ganz besonders, wenn die Versuchsperson die M\u00e4nner auch sonst schon mit einander verglichen hatte (Homer, Virgil). Die Natur der Urtheile ist nicht uninteressant, kann aber besser betrachtet werden, wenn ich zur Ver\u00f6ffentlichung \u00e4hnlicher Versuche komme, welche ich mit einer gro\u00dfen Zahl von Personen gemacht habe.\nDie Associationen, welche wir in dieser Abhandlung betrachtet haben, sind ihrer Natur nach bestimmt oder begrenzt und wir haben uns haupts\u00e4chlich mit ihrer Zeitdauer besch\u00e4ftigt. Die Versuchsbedingungen k\u00f6nnen indess auch so eingerichtet werden, dass eine Vorstellung eine andere ohne Zwang hervorrufen darf, wie heim gew\u00f6hnlichen Denken. Binnen kurzem werde ich Versuche nach dieser Richtung abgeschlossen haben, in denen zugleich die Zeit und die Natur der Associationen im allgemeinen betrachtet werden soll.","page":250}],"identifier":"lit4148","issued":"1888","language":"de","pages":"241-250","startpages":"241","title":"Psychometrische Untersuchungen, Dritte Abtheilung","type":"Journal Article","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:38:44.306926+00:00"}