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Kritische und experimentelle Studien über das Wiedererkennen

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{"created":"2022-01-31T14:21:26.450209+00:00","id":"lit4179","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Lehmann, Alfred","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 7: 169-212","fulltext":[{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\nVon\nAlfr. Lehmann\nin Kopenhagen.\nEinleitung.\nIn Lyell s \u00bbPrinciples of Geology\u00ab ist zum ersten Male der Nachweis gef\u00fchrt, dass die Frage: wie die Erde ihr jetziges Aussehen angenommen habe, nur unter der Voraussetzung beantwortet werden kann, dass die Naturkr\u00e4fte unver\u00e4nderlich sind. Nur unter der Voraussetzung, dass dieselben Kr\u00e4fte, welche fortw\u00e4hrend auf der Erdoberfl\u00e4che in Wirksamkeit gesehen werden, auch in allen fr\u00fcheren Zeiten, denselben Gesetzen folgend, wirksam waren, wird eine wissenschaftliche Erkl\u00e4rung des thats\u00e4chlichen Zustandes m\u00f6glich sein. Denn nimmt man nicht an, dass die Ursachen der noch stattfindenden Ver\u00e4nderungen auch Ursachen aller fr\u00fcheren Vor-g\u00e4nge gewesen seien, wie will man alsdann die vorher wirksamen Kr\u00e4fte aufsp\u00fcren? Durch eine historische Darstellung der Entwickelung der Geologie weist Lyell nach, dass den wildesten Hypothesen Thor und Th\u00fcr ge\u00f6ffnet sind* so lange man nicht von der Unver\u00e4nderlichkeit der Naturkr\u00e4fte ausgeht.\nDen modernen Forschem in allen Zweigen der Naturwissenschaften ist dieser Satz auch schon so gel\u00e4ufig geworden, dass er als selbstverst\u00e4ndliche Voraussetzung zu jeder Forschung hinzugedacht wird. Und die Psychologen k\u00f6nnen nicht umhin, hierin den Naturforschern beizustimmen. Stehen wir n\u00e4mlich einer Erschei-nung gegen\u00fcber, deren Zustandekommen nicht sogleich in die Augen f\u00e4llt, so wird unser Streben nach Erkl\u00e4rung dieses Unbekannten tats\u00e4chlich \u2014 wie die Selbstbeobachtung uns lehrt \u2014 befriedigt\nPhilos. Studien. VH.\t19","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nAlfr. Lehmann.\nsein, wenn gezeigt worden ist, dass die gegebene Erscheinung nach bekannten Gesetzen bekannter Kr\u00e4fte hervorgerufen werden kann, und es wird noch h\u00f6chstens ein Zweifel dar\u00fcber Zur\u00fcckbleiben k\u00f6nnen, ob es, au\u00dfer der gefundenen Erkl\u00e4rung, noch deren andere gibt, und welche von den m\u00f6glichen Erkl\u00e4rungen die wahre ist. Verh\u00e4lt es sich aber wirklich so, dass wir eine Erscheinung als erkl\u00e4rt bezeichnen, wenn es uns gelungen ist, dieselbe als ein Resultat bekannter Wirksamkeiten abzuleiten, so entspringt daraus die unvermeidliche Forderung, dass der Forscher in jedem gegebenen Falle zun\u00e4chst versuchen soll, das beobachtete Neue auf das Bekannte zur\u00fcckzuf\u00fchren. Nur wenn dies sich als unm\u00f6glich ergibt, indem es sich zeigt, dass das thats\u00e4chlich Beobachtete nicht als Resultat von irgend etwas Bekanntem angesehen werden kann, wird die Annahme neuer, bisher unbekannter Kr\u00e4fte oder Gesetze berechtigt. Es braucht kaum erw\u00e4hnt zu werden, dass die Annahme der Unver\u00e4nderlichkeit der Naturkr\u00e4fte nur eine specielle Formulirung dieser Forderung ist: man suche mit dem schon Bekannten m\u00f6glichst weit auszureichen.\nWie, k\u00f6nnte man jetzt fragen, l\u00e4sst sich diese allgemeine Forderung, dass Hypothesen nicht ohne Nothwendigkeit aufgestellt werden d\u00fcrfen, in Einklang bringen mit der ebenso \u00bbklaren und einfachen Regel alles experimentalen Forschens, dass dessen Ergebnisse nur f\u00fcr diejenigen Verh\u00e4ltnisse passen, unter welchen die Versuche angestellt sind, und dass die Berechtigung, dieselben auf alle Verh\u00e4ltnisse auszudehnen, jedenfalls speciell dar-gethan werden muss. Man kann doch nicht ohne Weiteres von einem hypothetischen Urtheil auf ein kategorisches Urtheil folgern; es k\u00f6nnte ja n\u00e4mlich sein, dass die Bedingungen das Entscheidende w\u00e4ren\u00ab1). Die Antwort hierauf ist: die genannten methodologischen Gesetze sind nat\u00fcrlich gar nicht mit einander in Streit. Es ist wahr, man wird nicht ohne Weiteres behaupten k\u00f6nnen, dass Gesetze, die f\u00fcr gegebene Erscheinungen unter bestimmten Bedingungen gefunden sind, auch f\u00fcr verwandte Erschei-\n1) H\u00f6ffding, Ueber Wiederkennen, Association und psychische Activi-t\u00e4t. Vierteljahrsschrift f\u00fcr wissenschaftliche Philosophie 1890, S. 27. Die Abhandlung ist zuerst unter dem Namen : \u00bbPsykologiske Studier\u00ab in den Schriften der kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Kopenhagen erschienen.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"171\nKritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\nnungen unter andern Bedingungen g\u00fcltig seien. Wenn die verwandten Ph\u00e4nomene selbst untersucht werden k\u00f6nnen, w\u00fcrde es eine leichtsinnige Verallgemeinerung sein, ohne Untersuchung zu behaupten, dass sie den fr\u00fcher gefundenen Gesetzen folgen. Wenn sie sich aber jeder Untersuchung entziehen, wie es z. B. der Fall ist mit den vorgeschichtlichen geologischen Ver\u00e4nderungen, so hat der Forscher nur zwei Auswege. Entweder kann er eine mehr oder weniger aus der Luft gegriffene Hypothese aufstellen und versuchen, ob die Erscheinungen sich dadurch erkl\u00e4ren lassen. Oder aber er kann annehmen, dass die unter andern Umst\u00e4nden gefundenen Gesetze auch f\u00fcr die in Frage stehenden Erscheinungen g\u00fcltig sind, und den Versuch machen, dieselben auf diesem Wege zu erkl\u00e4ren. Erst wenn dieses nicht gelingt, wird die Aufstellung anderweitiger Hypothesen nothwendig und damit berechtigt. Mit andern Worten: es gibt im erw\u00e4hnten Falle gar keine Wahl, weil nur das letztere Verfahren methodologisch richtig ist, indem es die Forderung erf\u00fcllt, nicht ohne Nothwendigkeit Hypothesen aufzustellen.\nDiese beinahe gemeinpl\u00e4tzigen Betrachtungen habe ich hier nicht vermeiden k\u00f6nnen, weil sie f\u00fcr die Psychologie eine ebenso gro\u00dfe Bedeutung wie f\u00fcr die Naturwissenschaften haben, und \u2014 wenigstens dem Anschein nach \u2014 von Psychologen in der letzten Zeit vergessen sind. Je mehr die Forschung zu feineren Detailuntersuchungen vordringt, um so mehr zeigt es sich, dass die Ursachen vieler psychischen Zust\u00e4nde gar nicht durch Selbstbeobachtung gefunden werden k\u00f6nnen. Man sagt gew\u00f6hnlich in solchem Falle, dass \u00bbunbewusste psychische\u00ab Vorg\u00e4nge mitgewirkt haben. Ob diese Bezeichnung gl\u00fccklich gew\u00e4hlt ist, kann dahingestellt werden; so viel ist einleuchtend, dass Ursachen psychischer Zust\u00e4nde, die nicht im Bewusstsein hervortreten, \u00fcberhaupt nur gefolgert werden k\u00f6nnen. In solchen F\u00e4llen verh\u00e4lt sich der Psycho-loge ganz so wie der Geologe den Ver\u00e4nderungen fr\u00fcherer Erdperioden gegen\u00fcber: Beiden sind Erscheinungen gegeben, deren Ursach\u00e8h nicht beobachtet werden k\u00f6nnen. Die Methoden der Untersuchungen m\u00fcssen demnach auch analog sein; man nimmt zuerst die zug\u00e4nglichen Erscheinungen in Angriff, und versucht es dann, durch die hier gefundenen Gesetze verwandte Zust\u00e4nde zu erkl\u00e4ren.\n12*","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nAlfr. Lehmann.\nDas unmittelbare Wiedererkennen.\n1. Kritische Bemerkungen.\nIn einer fr\u00fcheren Arbeit1) habe ich die Ursachen der Association n\u00e4her untersucht. Von der gew\u00f6hnlichen Annahme ausgehend, dass sowohl Aehnlichkeit als Ber\u00fchrung Associationsursachen sein k\u00f6nnen, habe ich die Frage gestellt, ob es wirklich n\u00f6thig sei, eine solche zweifache Wurzel der Associationen anzunehmen. Es wurde dann dargethan, dass alle die Associationen, welche von den meisten Psychologen als Aehnlichkeitsverbindungen aufgefasst werden, leicht und ungezwungen als durch Ber\u00fchrung entstanden erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnen. Und ferner habe ich nachgewiesen, dass reine Aehnlichkeitsverbindungen eigentlich undenkbar sind, weil sie sich nicht mit der Ansicht vertragen, dass die Empfindungen und Vorstellungen psychische Zust\u00e4nde seien. Die Annahme , eine reine Aehnlichkeitsverbindung gehe als nothwendige Bedingung jeder Association durch Ber\u00fchrung voraus, welche von mehreren Psychologen festgehalten wird, ist deshalb unberechtigt, weil sie nicht nothwendig ist, insofern es keine Erscheinungen gibt, die nur durch eine solche Hypothese erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnen. Ein Ph\u00e4nomen dieser Art haben wir, wenigstens dem Anschein nach, in dem Wiedererkennen, welches daher einer experimentellen Pr\u00fcfung unterzogen wurde. Es zeigte sich hiebei, dass die meisten Versuchsergebnisse sich recht wohl in Einklang bringen lie\u00dfen mit der Annahme, ein Wiedererkennen beruhe einfach auf einer reinen Aehnlichkeitsassociation, dass jedoch viele Resultate auf diesem Wege sich gar nicht erkl\u00e4ren lie\u00dfen. Dagegen stimmten s\u00e4mmt-liche Ergebnisse mit den Forderungen derjenigen Theorie, welche nur Ber\u00fchrung der Vorstellungen als Ursache ihrer Association zugibt, und diese letztere wurde deshalb als richtig angenommen.\nGegen diese ganze Untersuchung hat H\u00f6ffding in der oben citirten Abhandlung einen scharfen Angriff gerichtet. Nicht in einem einzelnen Punkte habe ich mich nach H\u00f6ffding\u2019s Meinung geirrt; meine Abhandlung ist eigentlich nur eine gro\u00dfe Irrung\n1) Ueber Wiedererkennen. Phil. Stud. V, S. 96 ff.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\n173\nund H\u00f6ffding kommt daher schlie\u00dflich zu einem dem meinigen ganz entgegengesetzten Resultate. Es ist indessen nur nach dem Wortlaut der H\u00f6ffding sehen Arbeit, dass meine Untersuchungen so ad absurdum gef\u00fchrt werden; wenn man genauer zusieht, zeigt es sich, dass mein Hauptresultat: eine reine Aehnlichkeitsasso-ciation, in der urspr\u00fcnglichen und noch gew\u00f6hnlichen Bedeutung dieses Wortes, sei unm\u00f6glich, von H\u00f6ffding nicht nur nicht bestritten, sondern sogar acceptirt worden ist. Zwar h\u00e4lt er noch Aehnlichkeit als Associationsursache aufrecht; wie wir aber sp\u00e4ter sehen werden, wird die reine Aehnlichkeitsverbindung jetzt anders als fr\u00fcher aufgefasst, so dass es sehr fraglich ist \u2014 was H\u00f6ffding \u00fcbrigens selbst zum Theil zugibt \u2014 ob diese neue Ansicht \u00fcber die Aehnlichkeitsassociation den Namen \u00bbAssociation\u00ab mit Recht tragen kann. Dagegen gesteht H\u00f6ffding nicht, dass seine jetzige Ansicht wirklich eine neue ist, es hei\u00dft vielmehr, dass sie \u00bb eine weitere Entwickelung dessen ist, was ich schon in meiner Psychologie [S. 151\u2014153] dargestellt habe\u00ab1). Die Entwickelung besteht nun eben darin, dass alles fr\u00fcher Dargestellte, welches ich als sinnlos bezeichnet habe, jetzt entfernt ist, und die so \u00bbentwickelte\u00ab Ansicht wird einfach der fr\u00fcheren untergeschoben. Nur durch diese Operation wird der Schein hervorgebracht, dass von meiner Arbeit nach der Kritik Hoff ding\u2019s nichts haltbares \u00fcbrig bleibe. Sehr viel ist jedoch mit dieser Verbesserung nicht erreicht, da die Aehnlichkeitsassociation selbst in der neuen Auffassung Hoff ding\u2019s mit den Thatsachen nicht zurecht kommen kann, was ich in dem Folgenden darzuthun versuchen .werde. Sehen wir also zuv\u00f6rderst, wie H\u00f6ffding die Bedeutung der Aehnlichkeit fest-halten zu k\u00f6nnen glaubt.\nEs gibt ein unmittelbares Wiedererkennen, sagt H\u00f6ffding. \u00bbEtwas, das ich sehe, kommt mir bekannt vor. Es sei dies ein Gesicht, oder, um etwas noch Einfacheres zu nehmen, ein einzelner Gesichtszug, ein Zwinkern des Auges. Oder ich erblicke am Abendhimmel eine allerdings ungew\u00f6hnliche, mir jedoch bekannt scheinende Farbennuance. Oder es wird ei% Fremdwort genannt, das ich nicht \u00fcbersetzen kann, dessen Laut indess einen mir bekannten\n1) Vierteljahrsschrift 1889, S. 433.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nAlfr. Lehmann.\nKlang hat. . . . Oder nehmen wir Beispiele aus der inneren Erfahrung. Eine gewisse organische Empfindung, eine gewisse Stimmung des Lebensgef\u00fchls, die in mir auftauchten, erscheinen mir mit einem gewissen Gepr\u00e4ge der Vertrautheit und Angeh\u00f6rigkeit.... Nahe verwandte F\u00e4lle sind solche, in welchen wir etwas in unserer Erinnerung hervorzurufen suchen, ohne dass dieses uns gelingt, w\u00e4hrend wir, wenn dasselbe uns auf anderm Wege entgegentritt, es sogleich wiederkennen . . .(t1).\n\u00bbWas in solchen Bewusstseinszust\u00e4nden, wie den hier erw\u00e4hnten, gegeben ist, das ist die unmittelbare Auffassung des Unterschieds zwischen etwas Bekanntem und Vertrautem und etwas Neuem und Fremdem. Dieser Unterschied ist so einfach und klar, dass er sich eben so wenig n\u00e4her beschreiben l\u00e4sst, als z. B. der Unterschied zwischen Lust und Unlust oder der Unterschied zwischen Gelb und Blau. Wir stehen hier einem unmittelbaren Qualit\u00e4tsunterschied gegen\u00fcber. Die eigenth\u00fcmliche Qualit\u00e4t, mit welcher das Bekannte im Gegensatz zum Neuen im Bewusstsein auftritt, werde ich im Folgenden die Bekanntheitsqualit\u00e4t nennen . . ,\u00ab2).\nBei den angef\u00fchrten F\u00e4llen sind noch folgende Eigenth\u00fcmlich-keiten zu bemerken. \u00abDiejenigen Erscheinungen, welche wiedergekannt werden, sind hier keine nichtzusammengesetzten, jedoch so einfache, dass sie sich gleichzeitig dem Bewusstsein darstellen. Ein Zwinkern des Auges, eine Nuance der Ahendwolke, eine kurze Reihe geschriebener Buchstaben, ein kurzes Wort, dies sind Erscheinungen, bei welchen von einer successiven Auffassung keine Rede sein kann. . .. Die zweite Eigenth\u00fcmlichkeit ist die, dass das Wiederkennen unvorbereitet ist, d. h. es geht keine willk\u00fcrlich oder unwillk\u00fcrlich erzeugte Vorstellung von der Erscheinung, die Gegenstand des Wiederkennens ist, kurz vorher. . . . Drittens ist noch hervorzuheben, dass die Selbstbeobachtung in den angef\u00fchrten F\u00e4llen nicht die geringste Spur von andern Vorstellungen zeigt, die durch die erkannte Erscheinung erweckt w\u00fcrden, und von denen man annehmen k\u00f6nnte, sie spielten eine Rolle bei dem Wiederkennen selbst\u00ab3).\n1)\tVierteljahrsschrift 1889, S. 425.\n2)\tIbid. S. 426\u201427.\t3) Ibid. S. 427\u201428.","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\n175\n\u00bbEin Weg zur einfachsten Erkl\u00e4rung wird sich zeigen, wenn wir eine neue Empfindung n\u00e4her mit einer wiedergekannten vergleichen. . . . Dieselben haben jedenfalls eine gemeinschaftliche Bedingung, diejenige n\u00e4mlich, dass ein Eindruck in\u2019s Hirn (bez. in\u2019s Bewusstsein) gedrungen ist, und dass dieser Eindruck in einem solchen Verh\u00e4ltniss zum Zustand des Hirns (bez. des Bewusstseins) steht, dass eine gewisse bestimmte Empfindung (mit einer gewissen Qualit\u00e4t und Selbst\u00e4ndigkeit) auftreten kann. Was kann das nun sein, das beim Wieder kennen hier\u00fcber hinaus vorausgesetzt wird? Bei der Beantwortung dieser Frage m\u00fcssen wir uns vor allen Dingen an den einzigen, in den beiden F\u00e4llen verschiedenen Umstand halten: in dem einen ist der Eindruck ein (relativ) neuer, in dem andern ein wiederholter. Die einzige Wirkung, welche dieser Umstand haben kann, ist die, dass eine Reproduction erm\u00f6glicht wird. Diese Reproduction braucht aber nicht dahin zu f\u00fchren, dass das, was reproducirt wird, als selbst\u00e4ndiges Glied im Bewusstsein auf-tritt, und in den vorliegenden F\u00e4llen geschieht dies auch nicht.\n. . . Psychologisch k\u00f6nnen wir das, was beim Wiederkennen geschieht, durch die Formel [A + a) oder besser vielleicht\nausdr\u00fccken, wo A die Empfindung, a deren Reproduction (die Vorstellung) bedeutet, und wo durch die Klammer bezeichnet wird, dass diese beiden nicht als selbst\u00e4ndige Glieder im Bewusstsein auftreten, sondern theoretisch als Factoren der scheinbar nichtzusammengesetzten Erscheinung gedacht werden. Die Berechtigung dieser ; Ausdrucksweise liegt darin, dass diejenige Nachwirkung von A, welche das Wiederkennen erm\u00f6glicht, das Auftreten des a als freier oder selbst\u00e4ndiger Vorstellung erm\u00f6glicht haben w\u00fcrde, z. B. wenn B durch Ber\u00fchrungsassociation a hervorriefe. Die Meinung ist also diese : dasselbe, das eine Bedingung ist, damit B unter gewissen Verh\u00e4ltnissen a wieder hervorzurufen verm\u00f6ge, ist auch eine Be-j dingung, damit A wiedergekannt werde. . . . Wie man sich das denkt, was durch Uebung in den kleinen Theilen des Organismus, hier des Hirns, in physiologischer Beziehung geschieht, das ist eine Sache f\u00fcr sich, in welche wir uns hier nicht n\u00e4her einzulassen brauchen. Die nat\u00fcrliche Annahme w\u00e4re wohl die, dass durch den ersten Eindruck ein Umlagern der Molek\u00fcle bewirkt wird, welches","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nAlfr. Lehmann.\nnach dem Aufh\u00f6ren des Eindrucks wieder von dem vorigen Zustand abgel\u00f6st wird und zwar so, dass dieser nur unsicherer, leichter aus dem Gleichgewicht zu bringen ist. Insofern l\u00e4sst es sich sagen, dass eine gewisse Disposition zu der n\u00e4mlichen Umlagerung erzeugt sei, so dass diese leichter von statten gehe, wenn der n\u00e4mliche Eindruck wieder entstehe. Das Wiederkennen, oder vielmehr die Bekanntheitsqualit\u00e4t, bildet dann das psychologische Correlat der gr\u00f6\u00dferen Leichtigkeit , mit welcher eine Aenderung in der Lagerung der betreifenden Hirnmolek\u00fcle hervorgebracht wird\u00ab1).\nAus diesem Gedahkengang, welchen ich in aller K\u00fcrze, aber m\u00f6glichst treu mit den Worten des Verfassers wiederzugeben gesucht habe, geht nun folgendes Urtheil \u00fcber meine Arbeit hervor : \u00bbL.\u2019s Arbeit hat den Grundfehler, dass er das Verh\u00e4ltniss zwischen den beiden einander gegen\u00fcberstehenden Theorien nicht aufgefasst hat. Die eine sagt, alles Wiederkennen beruhe auf Erwartungen, die durch Ber\u00fchrungsassociation erregt und darauf best\u00e4tigt w\u00fcrden, die andere sagt, dass es au\u00dfer dem (successiven) Wiederkennen, welches auf diese Weise geschehe, auch ein unmittelbares Wiederkennen gebe. Es ist nun klar genug, dass man letztere Theorie nicht widerlegt und f\u00fcr erstere keinen Beweis f\u00fchrt, wenn man zeigt, dass das Wiederkennen in gewissen F\u00e4llen, unter gewissen bestimmten Bedingungen vermittelst vorher erregter Vorstellungen geschehe, wenn diese Bedingungen gerade solche waren, durch welche die M\u00f6glichkeit eines unmittelbaren Wiederkennens ausgeschlossen war. Solche Experimente beweisen, was Niemand bestritten hat, und widerlegen \u2014 Nichts\u00ab2).\nNachdem ich jetzt die Hauptpunkte der H\u00f6ffding\u2019schen Ansicht dargestellt habe, komme ich zur Kritik derselben. \u2014 Mein geehrter Gegner irrt sich, wenn er glaubt, ich habe das Verh\u00e4ltniss zwischen den beiden Theorien nicht richtig aufgefasst ; vielmehr hat er selbst dieses Verh\u00e4ltniss entstellt. Die eine, die von mir vertheidigte Theorie sagt nicht, wie H\u00f6ffding meint, dass alles Wiedererkennen auf Erwartungen beruht, die durch Ber\u00fchrungsassociationen erregt und darauf best\u00e4tigt werden. Wenn dies der Fall w\u00e4re, w\u00fcrde die\n1)\tVierteljahrssehrift 1889, S. 430\u201433.\n2)\tIbid. 1890, S. 28.","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\t177\nxSer\u00fcknmgstheorie eine Menge Thatsachen gar nicht erkl\u00e4ren k\u00f6nnen. Ich habe deshalb auch in meiner fr\u00fcheren Arbeit den Nachweis gef\u00fchrt, dass nur wirklich zusammengesetzte Wahrnehmungen (Vorstellungen) durch sich best\u00e4tigende Erwartungen wiedererkannt werden; die einfachen, nicht zusammengesetzten Wahrnehmungen (Empfindungen) dagegen k\u00f6nnen gew\u00f6hnlich nur dadurch wiedererkannt werden, dass sich zur Empfindung ein Name oder anderweitige Bestimmungen associiren. Der blo\u00dfe Umstand, dass eine solche Bestimmung von der Empfindung reproducirt wird, ist dem betreffenden Individuum ein Zeichen, dass die Empfindung etwas fr\u00fcher Erlebtes ist, kurz: die Empfindung wird dadurch wiedererkannt1).\nDie andere, von H\u00f6ffding vertheidigte Theorie gibt vielleicht zu, dass es Wiedererkennungen gibt, welche durch Erwartungen zu Stande kommen; sie behauptet aber au\u00dferdem, dass es Thatsachen \u2014 n\u00e4mlich unmittelbare Wiedererkennungen \u2014 gibt, welche von der Ber\u00fchrungstheorie nicht erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnen. Das Verh\u00e4lt-niss zwischen den beiden Theorien ist also nicht so aufzufassen, wie es nach den obigen Worten Hoff ding\u2019s den Anschein haben k\u00f6nnte, als ob die eine Theorie die Thatsache des unmittelbaren Wiedererkennens einfach verneinen wollte. Die Theorie, oder richtiger: meine Wenigkeit, hat sie nur bis jetzt vernachl\u00e4ssigt, und hierin ist die Hauptschw\u00e4che meiner fr\u00fcheren Arbeit zu suchen. Zu meiner Entschuldigung kann indessen der Umstand dienen, dass die Thatsache des unmittelbaren Wiedererkennens als selbst\u00e4ndige Erscheinung in allen mir bekannten psychologischen Untersuchungen mit keinem Worte ber\u00fchrt worden ist2); es geb\u00fchrt unstreitig H\u00f6ffding das Verdienst, diese Erscheinung wenigstens wiederentdeckt und in die Discussion eingef\u00fchrt zu haben. Ob seine Ansicht in dieser Entdeckung eine St\u00fctze gefunden hat, ist jedoch sehr zweifelhaft, was ich jetzt nachzuweisen versuchen werde.\nMeines Erachtens hat sich n\u00e4mlich H\u00f6ffding den Fehler, welchen ich in der Einleitung dieser Abhandlung charakterisirt habe, zu\n1)\tPhil. Stud. V, S. 110\u2014115.\n2)\tIn seiner Psychologie hat H. wohl ein unmittelbares Wiedererkennen erw\u00e4hnt, aber nur als theoretische Construction der Perceptionen.","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nAlfr. Lehmann.\nSchulden kommen lassen. Von dem relativ Unbekannten \u2014 einigen Beispielen unmittelbarer Wiedererkennungen \u2014 ausgehend hat er, um diese zu erkl\u00e4ren, eine Hypothese aufgestellt, und hierauf fu\u00dfend spricht er das Verdammungsurtheil \u00fcber diejenige Theorie aus, welche diese Hypothese als nicht nothwendig ansieht, ohne im Geringsten zu untersuchen, ob diese andere Theorie die neuen Thatsachen erkl\u00e4ren kann. Ein solches Verfahren, von dem relativ Unbekannten ausgehend das relativ Bekannte erkl\u00e4ren zu wollen, ist so unwissenschaftlich wie \u00fcberhaupt m\u00f6glich. Kein Wunder also, dass die erreichten Resultate dem Wege entsprechen, auf welchem sie erreicht worden sind. Ich werde im n\u00e4chsten Abschnitt darthun, wie leicht die Ber\u00fchrungstheorie mit dem unmittelbaren Wiedererkennen zurecht kommen kann ; hier soll es nur meine Aufgabe sein, den Nachweis zu f\u00fchren, wie unbegr\u00fcndet die Hypothese ist, welche H\u00f6ffding aus seinen unmittelbaren Wiedererkennungen ableitet.\nUnter den Beispielen unmittelbarer Wiedererkennungen, die in der Originalarbeit angef\u00fchrt sind, habe ich hier nur diejenigen citirt, welche am meisten zu Gunsten der Ansicht H\u00f6ffding\u2019s sprechen. Und selbst unter diesen gibt es nur wenige, streng genommen nur eine einzige Beobachtung, die seine Hypothese rechtfertigt. Die Beobachtungen zerfallen n\u00e4mlich in zwei Gruppen : erstens solche Wiedererkennungen, in welchen das Wiedererkannte eine wirklich einfache, nicht zusammengesetzte Empfindung ist, und zweitens diejenigen, in welchen das Wiedererkannte wirklich zusammengesetzt ist, und nur scheinbar als Einheit im Bewusstsein steht. Dass diese letzteren Beobachtungen gar nicht als Beweis f\u00fcr die Annahme H\u00f6ffding\u2019s angef\u00fchrt werden k\u00f6nnen, wird jedem Sachverst\u00e4ndigen unmittelbar einleuchten. Allen diesen Beispielen gegen\u00fcber hat die Ber\u00fchrungstheorie leichtes Spiel. Wenn eine Vorstellung pl\u00f6tzlich im Bewusstsein auftaucht mit einer gewissen Bekanntheitsqualit\u00e4t, so k\u00f6nnen wir gar nicht durch innere Beobachtung aufsp\u00fcren, wie das Wiedererkennen, die Bekanntheitsqualit\u00e4t, zu Stande , gekommen ist. Wir stehen also hier einem v\u00f6llig unbekannten Vorgang gegen\u00fcber, dessen Erkl\u00e4rung eine Sache der Hypothese bleibt. Nun kann man nat\u00fcrlich, wenn man es vorzieht, eine Hypothese aus der Luft greifen, und sich damit beruhigen; man kann","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\t179\naber auch untersuchen, wie das Wiedererkennen vor sich geht in solchen F\u00e4llen, die der Selbstbeobachtung zug\u00e4nglich sind, und bis auf Weiteres die Resultate dieser Untersuchung als g\u00fcltig f\u00fcr die unzug\u00e4nglichen F\u00e4lle der unmittelbaren Wiedererkennungen annehmen. Dieser letztere Weg d\u00fcrfte der einzige wissenschaftliche sein, und gehen wir diesen Weg, so kann das Resultat nicht zweifelhaft sein. Ueberall, wo wir den Vorgang des Wiederer-kennens zusammengesetzter Wahrnehmungen beobachten k\u00f6nnen, zeigt es sich, dass die ersten Wahrnehmungen Erinnerungsbilder reproduciren, welche sich mit den folgenden Wahrnehmungen decken, und die Bekanntheitsqualit\u00e4t ist also in solchen F\u00e4llen das scheinbar nicht zusammengesetzte Resultat eines complicirten psychophysischen Vorgangs. Wo zusammengesetzte Wahrnehmungen als unmittelbar bekannt im Bewusstsein auftauchen, kann man nun sehr wohl annehmen, dass dieser ganze Vorgang sich unter der Schwelle des Bewusstseins abspielt, und ich finde keine einzige Thatsache, die hiermit im Streit ist.\nZwar hat Hoff ding, wie oben angef\u00fchrt, gro\u00dfes Gewicht darauf gelegt, dass die wiedererkannten Wahrnehmungen in den besprochenen F\u00e4llen wohl zusammengesetzt, jedoch so einfach sind, dass sie sich gleichzeitig dem Bewusstsein darstellen, so dass keine Rede von einer successiven Auffassung dieser Vorstellungen sein kann. Wahrscheinlich meint er hiermit die M\u00f6glichkeit einer Erkl\u00e4rung seitens der Ber\u00fchrungstheorie abgelehnt zu haben. Ich verstehe aber durchaus nicht, wie ein Psychologe von dem Range H\u00f6ffding\u2019s glauben kann, mit einer solchen Bemerkung die Frage erledigt zu haben. Wissen wir doch alle heutzutage, dass der Umstand, etwas stelle sich unserm Bewusstsein als nichtzusammengesetzt dar, ganz bedeutungslos ist f\u00fcr die Frage, ob es einfach oder zusammengesetzt ist. Meine Lampe steht auf dem Tische in der Entfernung eines halben Meters, und dieser bestimmte Abstand scheint mir eine einfache, einheitliche Vorstellung zu sein; doch zweifle ich als Psychologe nicht daran, dass die Einfachheit nur scheinbar sei, und die Vorstellung das Resultat eines weitl\u00e4ufigen psychophysischen Vorganges. Gerade so verh\u00e4lt es sich oder kann es S1ch wenigstens mit der Bekanntheitsqualit\u00e4t einer Vorstellung Verhalten. Weil sich eine Vorstellung als dem Bewusstsein bekannt","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nAlfr. Lehmann.\nmeldet, ohne dass man irgend einem Vorgang nachspiiren kann, wodurch die Bekanntheitsqualit\u00e4t entstanden ist, kann man wirklich nicht schlie\u00dfen, die Bekanntheitsqualit\u00e4t sei nicht durch solche Vorg\u00e4nge entstanden, welche wir aus dem bewussten Seelenleben kennen. Verallgemeinert f\u00fchrt das Verfahren H\u00f6ffding\u2019s zu dem sonderbaren Satze: alle \u00bbunbewussten\u00ab psychischen Vorg\u00e4nge seien ohne R\u00fccksicht auf bekannte Erscheinungen durch willk\u00fcrliche Hypothesen zu erkl\u00e4ren.\nIch glaube hiermit hinreichend dargethan zu haben, dass das unmittelbare Wiedererkennen scheinbar einfacher aber wirklich zusammengesetzter Vorstellungen f\u00fcr die Ansicht H\u00f6ffding\u2019s nicht in Anspruch genommen werden kann ; die Thatsachen k\u00f6nnen wenigstens ebenso gut vom Standpunkte der Ber\u00fchrungstheorie erkl\u00e4rt werden. Wir wenden uns jetzt zur zweiten Gruppe der H\u00f6ffding-schen Beobachtungen: die Wiedererkennungen wirklich nichtzusammengesetzter Empfindungen. Zu dieser Art kann nur eine einzige der von Hoff ding angef\u00fchrten Beobachtungen unzweifelhaft gerechnet werden: die am Abendhimmel erblickte, ungew\u00f6hnliche Farbennuance. Nun muss nat\u00fcrlich zugegeben werden, dass eine solche isolirte Thatsache vollst\u00e4ndig hinreicht, um eine Theorie unm\u00f6glich zu machen, insofern n\u00e4mlich sie dieselbe nicht erkl\u00e4ren kann. Weniger gerechtfertigt scheint es dagegen, wenn Hoff ding von dieser isolirten Thatsache Anlass nimmt, gegen meine Arbeit folgendes zu schreiben: \u00bbJe gr\u00f6\u00dfere Bedeutung man der experimentalen Psychologie beilegt, je mehr man sich dar\u00fcber freut, dass unser Wissen vom Seelenleben auf diesem Wege an Klarheit und Genauigkeit gewinnen kann, um so bedenklicher muss man auch werden, wenn man das experimentale Forschen mit \u00fcbereiltem Theoretisiren vermengt sieht\u00ab1). Solche Bemerkungen sind einer sachlichen Verhandlung \u00fcberhaupt wenig f\u00f6rderlich, und wenn ich meine Ansicht auf Experimente, deren Anzahl nach Tausenden gerechnet werden muss, gegr\u00fcndet habe, w\u00e4hrend H\u00f6ffding nur wenige widersprechende Beobachtungen anf\u00fchren kann, so hat es keinen Sinn, mich \u00fcbereilten Theoretisirens zu beschuldigen. Au\u00dferdem kann das unmittelbare Wiedererkennen ungew\u00f6hnlicher Farbennuancen\n1) Vierteljahisschrift 1890, S. 28.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"181\nKritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\nvon der Ber\u00fchrungstheorie sehr leicht erkl\u00e4rt werden. H\u00f6ffding sagt zwar, wie oben citirt, dass die Selbstbeobachtung nicht die geringste Spur von anderen Vorstellungen zeige, von denen man annehmen k\u00f6nnte, sie spielten eine Rolle hei dem Wiedererkennen. Gegen diese Erkl\u00e4rung erlaube ich mir zu behaupten, dass die Hoff ding-sche Selbstbeobachtung von theoretischen Vorurtheilen irre gef\u00fchrt worden ist. Einem gebildeten, nicht farbenblinden Mann ist es ganz und gar unm\u00f6glich, irgend eine, selbst noch so ungew\u00f6hnliche Farbennuance zu sehen, ohne dass sich sofort ein wenigstens ann\u00e4herungsweise richtiger Name einstellt. Man kann in der Beschauung des prachtvollen Abendhimmels aufgehen, so dass die augenblicklichen Mitschwingungen des Seelenlebens es nicht ver-m\u00f6gen, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken; deshalb kann man aber nicht leugnen, sie seien da. Dass irgend ein engerer oder weiterer Artsname: roth, violett, goldenr\u00f6thlich, bl\u00e4ulichviolett oder dergl. momentan mitspielt, soviel darf sicher behauptet werden, und mehr fordert die Ber\u00fchrungstheorie auch nicht; durch diese Reproduction stellt sich die Farbe dem Bewusstsein als unmittelbar wiedererkannt dar. Meines Erachtens eignet sich somit diese Beobachtung auch nicht besonders dazu, als Grundlage der H\u00f6ffding-schen Hypothese zu dienen, die also bis jetzt ganz unbegr\u00fcndet dasteht. Im n\u00e4chsten Abschnitt werde ich indessen eine Reihe von 30 Beobachtungen mittheilen, in welchen jede Spur nachweisbarer Reproductionen fehlte, trotzdem die gr\u00f6\u00dfte Sorgfalt darauf verwandt wurde, die m\u00f6glichen Associationen ausfindig zu machen. Hier scheint die Ber\u00fchrungstheorie wirklich den K\u00fcrzeren ziehen\nzu k\u00f6nnen, und es wird daher zweckm\u00e4\u00dfig sein, ehe wir zur Betrachtung der genannten F\u00e4lle schreiten, zu untersuchen, ob die Aehnlichkeitshypothese in der Formulirung, in welcher sie jetzt von H\u00f6ffding s Hand vorliegt, an und f\u00fcr sich wahrscheinlich ist.\nWie H\u00f6ffding sich denkt, dass das Wiedererkennen vor sich gehe, ist im folgenden, schon oben citirten Satze klar ausgedruckt: das Wiederkennen, oder vielmehr die Bekanntheitsqualit\u00e4t Jildet das psychologische Correlat der gr\u00f6\u00dferen Leichtigkeit, mit welcher eine Aenderung in der Lagerung der betreffenden Hirnmolek\u00fcle hervorgebracht wird. Diese Worte lassen nichts an Deut-ichkeit zu w\u00fcnschen \u00fcbrig, und wenn H\u00f6ffding sich hierauf","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nAlfr. Lehmann.\nbeschr\u00e4nkt h\u00e4tte, w\u00fcrde ich wohl schwerlich je Einwendungen erhoben haben. Er geht von der Voraussetzung aus, dass eine bestimmte Erregung des Gehirns immer einer bestimmten Empfindung entspricht, so dass die Empfindung gegeben ist, wenn eine nach Art und Intensit\u00e4t bestimmte Bewegung in bestimmten Hirnganglien entsteht. Aus dem Gesetze der \u00dcbung folgt nun, dass die Bewegung desto leichter verl\u00e4uft, je h\u00e4ufiger sie wiederkehrt, und H\u00f6ffding nimmt ferner an, diese gr\u00f6\u00dfere Leichtigkeit k\u00f6nne nicht umhin, sich psychisch merkbar zu machen. Die wiederholte Empfindung m\u00fcsse etwas an sich haben, wodurch sie sich von der neuen unterscheidet, eben weil die entsprechende physische Bewegung leichter abgelaufen ist. Damit bin ich ganz einverstanden; es ist nicht nur m\u00f6glich, sondern h\u00f6chst wahrscheinlich, dass die gr\u00f6\u00dfere Leichtigkeit der Bewegung auch eine psychische Bedeutung habe. Nun stellt H\u00f6ffding aber zwei neue Behauptungen auf, die meines Erachtens nicht so unangreifbar sind, n\u00e4mlich erstens, dass dasjenige Psychische, welches an der wiederholten Empfindung haftet, selbst ein der Empfindung \u00e4hnliches Empfindungselement sei, das also psychologisch als reproducirt angesehen werden k\u00f6nne, und zweitens, dass eben diese reproducirte Empfindung die Bekanntheitsqualit\u00e4t ausmache. Diese letztere Annahme werden wir im folgenden Abschnitte untersuchen, wenn wir ein hinreichend gro\u00dfes Erfahrungsmaterial gewonnen haben, um \u00fcber das unmittelbare Wiedererkennen urtheilen zu k\u00f6nnen. Hier gehe ich nur auf die erstere Annahme etwas n\u00e4her ein.\n\\\tWir sind davon ausgegangen, dass eine Empfindung gegeben\n<j ist mit einer nach Ort, Form und St\u00e4rke bestimmten Ver\u00e4nderung in den Hirnganglien. Wenn wir aber dies annehmen, k\u00f6nnen wir nicht zugleich annehmen, dass eine \u00e4hnliche Empfindung durch die Leichtigkeit hervorgerufen wird, mit welcher die physische V er-\u00e4nderung stattfindet. Dass diese Leichtigkeit etwas Psychischem entspricht, eine psychische Spur setzt, ist zuzugeben; aber eine Bewegung und die Leichtigkeit, mit welcher diese Bewegung zu Stande kommt, sind doch zwei so verschiedene Verh\u00e4ltnisse, dass man nicht ohne Grund annehmen darf, sie seien von derselben psychischen Erscheinung begleitet. In der physischen Welt kennen wir nichts dergleichen. Wenn die Schwingungsform und Ampli-","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\n183\ntude einer Saite gegeben ist, ist die Wellenbewegung der umgebenden Luft damit bestimmt; die Leichtigkeit, der gr\u00f6\u00dfere oder geringere Kraftaufwand, womit die Saite in Bewegung gesetzt worden ist, hat hierf\u00fcr keine Bedeutung. In der psychophysischen ^Velt verh\u00e4lt es sich vermuthlich ganz anders. Aus der innigen Beziehung zwischen dem Physischen und deto Psychischen sind wir gen\u00f6thigt den Schluss zu ziehen, dass jede Ver\u00e4nderung eines physischen Vorganges von einer entsprechenden Ver\u00e4nderung in dem psychischen Zustande hegleitet ist. H\u00f6ffding hat daher vollst\u00e4ndig Recht, wenn er sagt, die Wiederholung eines Reizes A rufe gar nicht die Empfindung A, sondern einen psychischen Zustand A + x hervor, wo x sich von der gr\u00f6\u00dferen Leichtigkeit der wiederholten Bewegung herschreibt. Nur kann ich nicht einr\u00e4umen, dass x gleich a, einer Reproduction der fr\u00fcheren Empfindung A, sei; vielmehr bin ich geneigt anzunehmen, dass x ein emotionelles Element, einen Gef\u00fchlston, repr\u00e4sentire. Es ist bekannt, dass eine Wiederholung oft merkbar lustbetont sein kann, und es d\u00fcrfte unzweifelhaft sein, dass die Gef\u00fchlsbetonungen der Empfindungen in enger Beziehung stehen zur Leichtigkeit des psychophysischen Vorganges, woraus die Empfindung resultirt. Somit spricht nicht weniges f\u00fcr die Annahme, dass die durch Wiederholung hervorgebrachte Disposition zu einer bestimmten Hirnbewe-gung psychisch als ein an der Empfindung haftender Gef\u00fchlston hervortritt. Dass dieser, so wenig wie Gef\u00fchlst\u00f6ne \u00fcberhaupt, nicht immer merklich sein wird, braucht kaum gesagt zu werden.\nH\u00f6ffding hat seine Ansicht, dass das besprochene x ein Empfindungselement sei, auf folgende Weise vertheidigt. Wenn die Empfindungen A und B \u00f6fter gleichzeitig im Bewusstsein gewesen sind, kann B durch Ber\u00fchrung a hervorrufen, was eben darauf beruht, dass eine Disposition f\u00fcr die, dem a entsprechende physische Bewegung besteht. Wenn nun ein \u00e4u\u00dferer Reiz A hervorruft, stellt sich diese Empfindung als wiedererkannt dem Bewusstsein dar, was eben auch auf derselben Disposition beruht, und folglich tann man sagen, dass auch in diesem Falle a reproducirt worden lst- Diese Betrachtung d\u00fcrfte jedoch nicht stichhaltig sein. Denn die Disposition f\u00fcr eine bestimmte Bewegung a ist wohl eine un-umg\u00e4nglich nothwendige, nicht aber eine gen\u00fcgende Bedingung,","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nAlfr. Lehmann.\ndamit B a reproducire. Soll a wirklich reproducirt werden, so muss die dem a entsprechende Bewegung auch stattfinden; hier, wie \u00fcberall, ist die physische Bedingung f\u00fcr das Entstehen einer bestimmten Empfindung eine Bewegung, deren Ort, Art und St\u00e4rke gegeben ist. Wenn nun, durch einen \u00e4u\u00dferen Reiz, A hervorgerufen wird, so kann nicht au\u00dferdem a entstehen, denn dazu wird erfordert, dass die dem A entsprechende Bewegung sich momentan wiederholt. Dies nimmt H\u00f6ffding aber nicht an, wie wir gesehen haben; es ist nur die Leichtigkeit, mit welcher der ganze Vorgang verl\u00e4uft, wodurch a entstehen soll. Hier d\u00fcrfte der Widerspruch handgreiflich sein; einerseits wird angenommen, dass nur eine bestimmte Bewegung eine Empfindung hervorrufen k\u00f6nne, anderseits wird angenommen, dass auch die Leichtigkeit einer Bewegung von derselben psychischen Erscheinung begleitet sein werde. H\u00e4lt man nun daran fest, dass den Dispositionen \u00fcberhaupt eine Bedeutung zugeschrieben werden muss \u2014 und hierin hat H\u00f6ffding unzweifelhaft Recht \u2014 so l\u00f6st sich der Widerspruch sehr leicht, wenn man annimmt, dass dasjenige Psychische, wodurch die von den Dispositionen erzeugte gr\u00f6\u00dfere Leichtigkeit der wiederholten Bewegungen sich merklich macht, nicht eine Empfindung, sondern etwas Anderes, z. B., wie oben angedeutet, ein Gef\u00fchlston sei.\nWie man sich nun auch diese unbekannte psychische Gr\u00f6\u00dfe denkt, jedenfalls wird man sie nicht als eine durch Aehnlichkeit associirte Empfindung betrachten k\u00f6nnen. Denn eine solche Auffassung wird, wie wir gesehen haben, nur durch die Annahme m\u00f6glich, dass eine wirklich stattfindende Bewegung und die f\u00fcr die Bewegung selbst ganz gleichg\u00fcltige Leichtigkeit, mit welcher sie zu Stande kommt, dieselbe psychische Bedeutung haben, was in der That eine zu k\u00fchne Hypothese sein d\u00fcrfte, besonders wenn keine Nothwendigkeit f\u00fcr dieselbe vorliegt. Hiemit ist also die Frage von den primitiven Associationen durch Aehnlichkeit erledigt, und das Problem von dem Wie der erkennen hat eine andere Gestalt angenommen. Es fiP\u00e4gt sich nur noch, ob die Bekanntheitsqualit\u00e4t der unmittelbar wiedererkannten Empfindungen von dem psychischen x herr\u00fchrt, welches das Correlat der gr\u00f6\u00dferen Leichtigkeit der wiederholten Himbewegungen ist, oder ob sie durch Ber\u00fchrungsassociationen hervorgebracht ist. Diese Frage werden wir jetzt n\u00e4her untersuchen.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\n185\n2. Ueber das Wiedererkennen von Geruchsempfindungen.\nUm die Betrachtungen, welche den hier zu beschreibenden Versuchen zu Grunde liegen, verst\u00e4ndlich zu machen, sei es mir erlaubt, mit einigen pers\u00f6nlichen Bemerkungen anzufangen. Als ehemaliger Chemiker bin ich nat\u00fcrlich mit einer Menge Ger\u00fcche vertraut gewesen, die in einem chemischen Laboratorium t\u00e4glich, im gew\u00f6hnlichen Leben aber kaum irgendwo Vorkommen. Im Laufe der Jahre sind indessen meine chemischen Kenntnisse verloren gegangen, und es f\u00e4llt mir jetzt sehr schwer, wenn ich in ein Laboratorium komme, was beinahe t\u00e4glich geschieht, die verschiedenen Ger\u00fcche wieder zu erkennen. Es ist oft vorgekommen, dass ich mir selbst eingestehen musste : der Geruch ist mir bekannt, ich wei\u00df aber durchaus nicht, was f\u00fcr eine Substanz es ist. Hier liegt also eine unmittelbare Wiedererkennung vor; sie ist unvorbereitet, und trotz jeder M\u00fche kann irgend welche Association, wodurch das Wiedererkennen zu Stande gekommen sein k\u00f6nnte, nicht aufgesp\u00fcrt werden. Au\u00dferdem dreht es sich hier um wirklich einfache Empfindungen \u2014 alle die Kennzeichen, welche H\u00f6ffding f\u00fcr eine unmittelbare Wiedererkennung anf\u00fchrt, sind also hier in noch h\u00f6herem Grade zugegen, als es bei den meisten der H\u00f6ffding-schen Beispiele der Fall war. Beobachtungen ganz derselben Art habe ich unter wenig ver\u00e4nderten Verh\u00e4ltnissen gelegentlich gemacht. Einer meiner chemischen Collegen reicht mir eine Flasche dar mit der Frage: \u00bbKennen Sie den Stolf, der riecht sehr sch\u00f6n\u00ab. Vorsichtig f\u00fchre ich die Flasche zur Nase \u2014 die Kategorie \u00bbwohlriechend\u00ab wird von den Chemikern gew\u00f6hnlich all zu weit genommen \u2014 und komme dann wohl am h\u00e4ufigsten zu dem Resultate, dass der Geruch mir bekannt ist, der Stoff dagegen nicht. Dies hei\u00dft also wieder, dass ich den Geruch unmittelbar wiedererkannt habe, ohne dass ich es vermag, bestimmte Associationen aufzusp\u00fcren.\nIn diesem letzteren Falle konnte es indessen streng genommen fraglich sein, ob wirklich ein unmittelbares Wiedererkennen vor-liege. Der Vorgang des Wiedererkennens ist ja wenigstens so weit vorbereitet durch die Frage, dass man sich, so zu sagen, auf. eine Wiedererkennung eingestellt und die Aufmerksamkeit willk\u00fcrlich\nWundt, Philos. Studien. VII.\t13","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nAlfr. Lehmann.\ngerichtet hat. Nichtsdestoweniger denke ich, dass diese Vorbereitung immer so unbestimmt ist, dass sie ohne Bedeutung f\u00fcr den eigentlichen Vorgang des Wiedererkennens sein wird. H\u00f6ffding hat wenigstens nicht eine Vorbereitung dieser Art vor Augen gehabt, als er dem unmittelbaren Wiedererkennen die Grenzen setzte, denn er schreibt, wie oben angef\u00fchrt: \u00bbunvorbereitet, d. h. es geht keine willk\u00fcrlich oder unwillk\u00fcrlich erzeugte Vorstellung von der Erscheinung, die Gegenstand des Wiedererkennens ist, kurz vorher\u00ab. Nun kann unstreitig die Frage nach dem Namen eines Stoffes, der dem Befragten wahrscheinlich ganz unbekannt ist, nicht eine Vorstellung von dem Geruch des Stoffes hervorbringen; auch kann die Frage nicht f\u00fcr den Befragten Anleitung sein zu einer willk\u00fcrlichen Reproduction der Geruchsempfindung. Es geht also hier weder eine willk\u00fcrliche noch eine unwillk\u00fcrliche Vorstellung von dem Ger\u00fcche, der wiedererkannt weiden soll, dem Riechen selbst voran, und das Wiedererkennen wird somit ein unmittelbares im Sinne H\u00f6ffding\u2019s. Wird dies aber zugegeben, so ist es einleuchtend, dass Versuche \u00fcber das unmittelbare Wiedererkennen, wenigstens mit Geruchs- und Geschmacksempfindungen, angestellt werden k\u00f6nnen, trotz der Behauptung H\u00f6ffding\u2019s, dass es unm\u00f6glich sei. Man braucht nur verschiedene Personen zu ersuchen, \u00fcber den Geruch (oder Geschmack) vorgelegter Stoffe Aufschl\u00fcsse zu geben, um so ein statistisches Material zu erhalten, woraus dann auf den Vorgang des Wiedererkennens gefolgert werden kann.\nBei solchen Versuchen m\u00fcssen nothwendig verschiedene Vorsichtsma\u00dfregeln getroffen werden. Die Beobachter d\u00fcrfen wom\u00f6glich nicht Chemiker sein, weil diesen die Namen der Stoffe ja gew\u00f6hnlich so gel\u00e4ufig sind, dass sie sofort von den Geruchsempfindungen reproducirt werden, Und dann ist, wie schon fr\u00fcher erw\u00e4hnt, wenigstens die M\u00f6glichkeit da, dass die Wiedererkennung durch den reproducirten Namen zu Stande gekommen sein k\u00f6nne. Au\u00dferdem d\u00fcrfen die Stoffe nicht an ihrer Farbe oder ihrem sonstigen Aussehen erkannt werden. In solchem Falle w\u00fcrde das Wiedererkennen des Geruchs kein unmittelbares werden, indem das bekannte Aussehen zweifelsohne Erwartungen in Betreff des Geruchs erwecken w\u00fcrde. Dieser Uebelstand hat jedoch keine gro\u00dfe Bedeutung, da die meisten riechenden Stoffe organischen Ursprungs und dem","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\n187\nAussehen nach einander so \u00e4hnlich sind, dass sie \u00fcberhaupt nicht daran erkannt werden k\u00f6nnen. Die wenigen Ausnahmen k\u00f6nnen den Beobachtern in undurchsichtigen Flaschen dargeboten werden. Drittens ist noch hervorzuheben, dass die Empfindung nicht so intensiv sein darf, dass der Beobachter sie nicht wieder los werden kann ; aus diesem Grunde habe ich es vorgezogen, mit Geruchsempfindungen allein, und nicht zugleich mit Geschmacksempfindungen zu arbeiten, weil die letzteren gew\u00f6hnlich so lange dauern, dass eine Versuchsreihe unverh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig viel Zeit in Anspruch nimmt.\nUnter diesen Ma\u00dfregeln habe ich eine Reihe von Versuchen mit 62 verschiedenen Stoffen und sieben Beobachtern angestellt. Ein Verzeichniss s\u00e4mmtlicher Stoffe hier zu geben, wird kaum n\u00f6-thig sein; riechende Stoffe k\u00f6nnen in den Sammlungen der chemischen Laboratorien leicht gefunden werden. Ich habe meine Proben aus dem Laboratorium der hiesigen landwirtschaftlichen Hochschule erhalten durch die Freundlichkeit des Directors, Herrn Dr. O. Christensen, wof\u00fcr ich ihm hiermit meinen besten Dank sage. Als Beobachter betheiligten sich die Herren : Stud, mag Ring, Sveistrup, M\u00f6ller, Rosenstand, Dam, Stud. jur. Rigenstrup und Stud, polyt. J\u00f6rgensen. Der Letztgenannte war zwar Chemiker, hatte aber eben seine praktischen chemischen Studien angefangen, so dass seine Kenntnisse der Stoffe und ihrer Ger\u00fcche nicht bedeutend waren. Es zeigte sich denn auch, dass seine Sch\u00e4tzungen an Sicherheit sich kaum \u00fcber diejenigen der andern Beobachter erhoben. S\u00e4mmtlichen diesen Herren sage ich auch hier meinen Dank f\u00fcr die Geduld, mit welcher sie ihre Nasen der nicht immer angenehmen Arbeit \u00fcber Ger\u00fcche zu urtheilen Preis gegeben haben.\nEs war den Beobachtern der Auftrag gegeben, zuerst dar\u00fcber in s Reine zu kommen, ob die gegebene Empfindung ihnen bekannt oder unbekannt vorkam, und dann wom\u00f6glich alle sich an die Empfindung anschlie\u00dfenden Vorstellungen sogleich niederzuschreiben. Die Versuche wurden wie gew\u00f6hnlich im Laboratorium angestellt, und es wurden an einem Abend h\u00f6chstens zehn bis zwanzig Stoffe von jedem Beobachter durchprobirt, so dass die Erm\u00fcdung jedesmal nur gering werden konnte. Durch diese Anordnung wurde","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nAlfr. Lehmann.\nes au\u00dferdem den Beobachtern erm\u00f6glicht, beliebig lange bei jedem Stoffe zu verweilen, damit die durch die Geruchsempfindungen erweckten Erinnerungen Zeit hatten hervorzutreten. Selbstverst\u00e4ndlich waren die Flaschen nur mit fortlaufenden Nummern bezeichnet, so dass sich hieraus keine Aufschl\u00fcsse \u00fcber die Natur der Stoffe erhalten lie\u00dfen.\nDie Beurtheilungen der Beobachter hier in extenso wiederzugeben, w\u00fcrde kaum der M\u00fche werth sein. Die in verschiedenen Beziehungen interessantesten Bemerkungen sollen weiter unten nfit-getheilt und discutirt werden. Um einen Ueberblick \u00fcber die Sch\u00e4tzungen zu geben, werde ich sie zuerst einer statistischen Bearbeitung unterziehen. Unserem psychologischen Wissen gem\u00e4\u00df muss jede Beurtheilung einer gegebenen Empfindung sich irgendwo in das folgende Schema einordnen lassen. Die Empfindung wird ge-\nsch\u00e4tzt :\nt\nA.\tUnbekannt.\na.\tohne Reproduction irgend welcher Vorstellungen . .\t1\nb.\tmit nachfolgender Reproduction von Vorstellungen, die\nI. falsch............................................ 2\nII. richtig\tsind...................................... 3\nB.\tBekannt.\na.\tohne Reproduction irgend welcher Vorstellungen . .\t4\nb.\tmit nachfolgenden Reproductionen, die\nI. falsch............................................ 5\nII. richtig\tsind...................................... 6\nc.\tmit augenblicklichen Reproductionen, die\nI. falsch............................................ 7\nII. richtig\tsind...................................... 8\nd.\tmit bestimmt angegebenen Namen, der\nI. falsch............................................ 9\nII. richtig\tist...................................... 10\nWir erhalten somit zehn Rubriken, die oben mit fortlaufenden Nummern bezeichnet sind, damit wir sp\u00e4ter, der Einfachheit wegen, sie bei diesen Zahlen nennen k\u00f6nnen. Das Schema selbst ergibt sich durch eine logische Entwickelung der m\u00f6glichen F\u00e4lle; nur die Namen habe ich, weil diese ein besonderes Interesse beanspruchen, von den \u00fcbrigen m\u00f6glichen Vorstellungsreproductionen","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\n189\ngeschieden. Sonst wird sich wohl nur gegen eine einzige Gruppe ein Bedenken erheben. Wenn n\u00e4mlich eine Empfindung einem Beobachter vollst\u00e4ndig unbekannt ist, so scheint eine folgende Reproduction \u2014 sie sei nun falsch oder richtig \u2014 psychologisch unm\u00f6glich zu sein. Nach der Ansicht H\u00f6ffding\u2019s kann eine Wahrnehmung nur dann eine Vorstellung reproduciren, wenn sie eine gewisse Bekanntheitsqualit\u00e4t hat; nach der Ber\u00fchrungstheorie erh\u00e4lt die Wahrnehmung eine Bekanntheitsqualit\u00e4t mittels der re-producirten Vorstellungen, kann also dann nicht l\u00e4nger unbekannt sein. Wie sich nun auch dies theoretisch verh\u00e4lt, so bildet in der That dieser Fall nat\u00fcrlich einen Uehergang von den wirklich unbekannten zu den bekannten Empfindungen. Da es sich aber unstreitig ereignen kann, dass eine Empfindung einem Beobachter zuerst unbekannt vorkommt, dann aber sp\u00e4ter an irgend etwas erinnert, so muss dieser Fall mit aufgenommen werden. Ob er dann zu den bekannt oder zu den unbekannt gesch\u00e4tzten Empfindungen gerechnet werden soll, dar\u00fcber l\u00e4sst sich nat\u00fcrlich streiten; die\nEntscheidung hier\u00fcber hat aber weder theoretische noch praktische Bedeutung.\nEin wenig Bedenken k\u00f6nnte wohl auch die Eintheilung der re-producirten Vorstellungen in richtige und falsche erwecken. Es ist doch immer eine sehr gef\u00e4hrliche Sache zu behaupten, dass eine angebliche Erinnerung falsch ist. Die Schwierigkeit aber, mit welcher das Ermessen der Richtigkeit oder Unrichtigkeit in jedem einzelnen Falle behaftet sein mag, kann die Thatsache, dass falsche Associationen Vorkommen, nicht beeinflussen. Die Rubriken m\u00fcssen nothwendig aufgestellt werden; wie man die vorliegenden Sch\u00e4tzungen in dieselben vertheilen soll, kann aber immer fraglich sein. Ich bin durchg\u00e4ngig dem Principe gefolgt, jede m\u00f6gliche Association als richtig gelten zu lassen ; nur die unm\u00f6glichen sind zu den falschen gerechnet. Als Beispiele seien folgende Beobachtungen erw\u00e4hnt. F\u00fcr Jodoform finde ich von einem Beobachter angegeben : erinnert an den Geruch der Dampfmaschinen, und von einem Anderen : riecht nach Uebelkeit, Erbrechen. Diese Associationen habe ich ohne Bedenken als falsch gestempelt. Bei einem Dritten finde ich ebenfalls \u00fcber Jodoform folgende Aussage : etwas Zahn\u00e4rztliches. Weil die M\u00f6glichkeit doch immer da ist, dass die betreffende Person","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nAlfr. Lehmann.\nmit Jodoform von einem Zahnarzt behandelt sein kann, ist die Association als richtig hingestellt. Dass sich bei diesem Absch\u00e4tzen Irrth\u00fcmer eingeschlichen haben, ist wohl unvermeidlich, und es darf also aus den so gewonnenen Zahlenverh\u00e4ltnissen zwischen den verschiedenen Gruppen der Sch\u00e4tzungen nur mit Vorsicht geschlossen werden.\nDass \u00fcbrigens das Schema richtig aufgestellt ist, hat sich dadurch gezeigt, dass s\u00e4mmtliche vorliegende Sch\u00e4tzungen in die Rubriken ungezwungen eingeordnet werden k\u00f6nnen, und dass anderseits auch alle angenommenen Arten von Sch\u00e4tzungen that-s\u00e4chlich Vorkommen, Ich habe es somit vollst\u00e4ndig der Angabe der Versuchsresultate !zu Grunde legen k\u00f6nnen, was aus Tab. I erhellt. Es sind hier die verschiedenen Arten von Sch\u00e4tzungen mit den Nummern 1 bis 10 des obenstehenden Schemas bezeichnet, und f\u00fcr jed\u2014 ^\u201cobachter ist die Anzahl jeder Sch\u00e4tzungsart angegeben: au\u00dferdem finden sich, in den zwei letzten Columnen, die Summe und die Procentzahl jeder Art von Sch\u00e4tzungen.\nTabelle I.\nResultat von 428 Sch\u00e4tzungen.\nArt der Sch\u00e4tzung\tHg.\tS.\tHi.\tM.\tJ.\tHo.\t1O.\tSumme\t%\n1.\t6\t5\t3\t10\t14\t8\t12\t58\t13,6\n2.\t1\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t1\t\u2014\t-\t2\t0,5\n3.\t5\t\u2014\t1\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t6\t1,4\n4.\t1\t7\t6\t4\t8\t3\t1\t30\t7,0\n5.\t\u2014\t\u2014\t3\t\u2014\t\u2014\t1\t1\t5\t1,2\n6.\t1\t3\t8\t2\t1\t\u2014\t2\t17\t4,0\n7.\t6\t12\t2\t2\t5\t9\t5\t41\t9,6\n8.\t29\t20\t24\t19\t13\t27\t19\t151\t35,3\n9.\t2\t\u25a0 7\t1\t7\t2\t7\t4\t30\t7,0\n10.\t11\t6\t12\t18\t16\t7\t18\t88\t20,6","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen\u00bb\n191\nMan sieht hieraus, dass in der weitaus gr\u00f6\u00dften Anzahl von F\u00e4llen die Empfindungen sofort Vorstellungen reproducirt haben. Es gibt n\u00e4mlich im Ganzen 44,F\u00e4lle, wo die Empfindungen augenblicklich associirte Vorstellungen erweckt haben; von diesen m\u00fcssen 9,6 % (No. 7) als falsche und 35,5 % als richtige (No. 8) bezeichnet werden. Etwas seltener haben sich sofort Namen eingestellt, n\u00e4mlich 7,0 % falsche (No. 9) und 20,6 % richtige (No. 10) Namen, also im Ganzen 27,6 %. Hiernach folgen die g\u00e4nzlich unbekannten F\u00e4lle, die 13,6 % ausmachen. Das gr\u00f6\u00dfte Interesse beanspruchen zweifelsohne die F\u00e4lle, wo die Empfindungen einfach als bekannt bezeichnet sind, ohne dass es dem Beobachter m\u00f6glich war, Associationen aufzusp\u00fcren. Es ist in 7,0 % F\u00e4llen vorgekommen, und es ist somit der Ansicht H\u00f6ffding\u2019s eine thats\u00e4ch-liche Grundlage gegeben. Ich werde nun versuchen darzuthun, dass trotzdem die Hypothese, dass die Bekanntheitsqualit\u00e4t von der Disposition der Hirnbewegungen herriihre, gar nicht nothwendig, noch weniger bewiesen ist.\nEs ist im vorigen Abschnitt nachgewiesen worden, dass die durch die Wiederholung einer Empfindung gewonnene gr\u00f6\u00dfere Leichtigkeit der psychophysischen Processe sich zwar psychisch merkbar machen muss, dass dieses psychische Correlat aber nicht ein Empfindungselement sein kann, d. h. wenn man es mit H\u00f6ff-ding als Empfindungselement betrachtet, stellt man die an und f\u00fcr sich h\u00f6chst unwahrscheinliche Hypothese auf, dass eine bestimmte Bewegung im Gehirn und die gr\u00f6\u00dfere oder geringere Leichtigkeit derselben von demselben psychischen Vorgang begleitet sei. Man ist deshalb gen\u00f6thigt anzunehmen, dass das psychische Correlat der Disposition der Hirnbewegungen etwas Anderes sei, und ich wei\u00df dann wirklich nicht, was es eigentlich sein sollte, wenn es nicht ein Gef\u00fchlston ist. Nimmt man aber dies an, so ist damit gegeben, dass die Bekanntheitsqualit\u00e4t in allen hier vorliegenden F\u00e4llen nicht das psychische Correlat der gr\u00f6\u00dferen Leichtigkeit der Himbewegungen sein kann. Denn an jeder Geruchsempfindung, sie sei nun bekannt oder unbekannt, haftet immer ein so starker Gef\u00fchlston, dass es undenkbar ist, die Bekanntheitsqualit\u00e4t k\u00f6nne in einer Ab- resp. Zunahme dieses Gef\u00fchlstons bestehen. Au\u00dferdem \u00e4ndert sich die St\u00e4rke des Gef\u00fchlstons betr\u00e4chtlich,","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nAlfr. Lehmann.\nje nachdem man mehr oder weniger stark einathmet; kurz gesagt: nimmt man an, dass das psychische Correlat der Disposition der Hirnbewegungen ein Gef\u00fchlston sei, so k\u00f6nnen die Geruchsempfindungen nicht hierdurch ihre Bekanntheitsqualit\u00e4t erhalten. Es braucht kaum gesagt zu werden, dass damit die Bedeutung dieser Dispositionen f\u00fcr andere Empfindungsmodalit\u00e4ten auch sehr fraglich wird.\nAu\u00dfer dieser mehr theoretischen Betrachtung k\u00f6nnen verschiedene Thatsachen gegen die Annahme H\u00f6ffding\u2019s angef\u00fchrt werden. W\u00e4re die Bekanntheitsqualit\u00e4t wirklich so unmittelbar mit der Empfindung gegeben, wie H\u00f6ffding annimmt, so ist kaum zu verstehen, warum es oft sehr viel Ueberlegung erfordert, das einfache Urtheil \u00bbbekannt\u00ab abzugeben. Da ich immer bei den Versuchen zugegen gewesen bin, habe ich dies Ph\u00e4nomen h\u00e4ufig wahrgenommen. Einer der Beobachter nimmt eine Flasche und f\u00fchrt sie zur Nase ; sein Gesicht nimmt einen sehr nachdenklichen Ausdruck an. Ich frage dann pl\u00f6tzlich: \u00bbKennen Sie den Geruch?\u00ab und die Antwort lautet: \u00bbIch wei\u00df es noch nicht\u00ab. Einen Augenblick sp\u00e4ter wei\u00df er aber bestimmt, dass ihm der Geruch bekannt ist. Wie ist dies m\u00f6glich? Die vorhandenen Dispositionen zu der bestimmten Hirnbewegung m\u00fcssen sich nothwendig in dem Momente geltend machen, wo das Gehirn erregt wird, und die Empfindung entsteht; woher kommt dann die Latenzzeit der Bekanntheitsqualit\u00e4t? Und warum sinnt der Beobachter nach, ehe er dar\u00fcber im Reinen ist, ob ihm die Empfindung bekannt sei? Ich habe mich bei diesen Versuchen nie von dem Eindr\u00fccke losmachen k\u00f6nnen, dass die Bekanntheitsqualit\u00e4t einer nicht gar zu gel\u00e4ufigen Empfindung nur durch eine bedeutende psychische Arbeit zu Stande kommt, durch ein wirkliches Nachdenken. Je gel\u00e4ufiger die Empfindung ist, je kleiner wird nat\u00fcrlich diese Arbeit, jedenfalls kann aber die Bekanntheitsqualit\u00e4t der wenig bekannten Empfindungen nicht \u00bbunmittelbar\u00ab (im Sinne H\u00f6ffding\u2019s) mit der Empfindung gegeben sein. Wie kommt sie aber dann zu Stande?\nWenn wir, um diese Frage zu beantworten, nicht eine Hypothese mehr oder weniger aus der Luft greifen wollen, so steht uns kein anderer Ausweg offen, als zu untersuchen, wie das Wiedererkennen einfacher Sinnesempfindungen gew\u00f6hnlich vor sich geht.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\t193\nDiese Untersuchung habe ich schon in meiner fr\u00fcheren Arbeit angestellt, und bin zu dem Resultate gekommen, dass eine Empfindung, wenn sie nicht so kurze Zeit vorher im Bewusstsein gewesen ist, dass ein deutliches Erinnerungsbild noch lebhaft ist, nur dadurch wiedererkannt werden kann, dass sie irgend eine Bestimmung (einen Namen oder eine andere Vorstellung) reproducirt1). Die hier vorliegenden Versuche best\u00e4tigen vollst\u00e4ndig dieses Resultat. In 72,5 % s\u00e4mmtlicher F\u00e4lle haben die Empfindungen sofort asso-ciirte Vorstellungen reproducirt, n\u00e4mlich, wie schon oben angef\u00fchrt, in 44,9 % F\u00e4llen Vorstellungen verschiedener Art, in 27,6 % F\u00e4llen bestimmte Namen. Einige dieser Reproductionen sind sehr in-structiv, weil der Beobachter selbst gar nicht wusste, in welchem Verh\u00e4ltniss der Geruch zu der reproducirten Vorstellung stand. So sagt Einer von Kaneel\u00f6l : \u00bbes erinnert an Reisbrei\u00ab. Sehr nat\u00fcrlich, wenn man wei\u00df, dass Reisbrei mit Kaneel ein sehr beliebtes d\u00e4nisches Gericht ist. Von K\u00fcmmel\u00f6l sagen drei Beobachter: \u00bbes erinnert an Branntwein, ist es aber nicht\u00ab. (Zu dem Aquavit wird sehr oft K\u00fcmmel\u00f6l gesetzt.) Noch interessanter hei\u00dft es \u00fcber Lavendel\u00f6l: \u00bbes erinnert an den Pfarrhof in X 1875, doch wei\u00df ich bestimmt, dass ein solcher Geruch nicht an dem Pfarrhof haftete\u00ab. Dies ist auch leicht verst\u00e4ndlich, wenn man wei\u00df, dass Lavendel in den G\u00e4rten der alten d\u00e4nischen Pfarrh\u00f6fe in gro\u00dfer Menge wachsen. Ich k\u00f6nnte noch ein Dutzend Beispiele dieser Art anf\u00fchren, doch scheinen mir die schon angegebenen hinreichend zu sein, um den Schluss wahrscheinlich zu machen, dass die Bekanntheit einer Empfindung in allen solchen F\u00e4llen, wo bestimmte Associationen Vorkommen, eben auf der Reproduction dieser Vorstellungen beruht. Und hierdurch wird es dann wieder sehr wahrscheinlich, dass die Bekanntheitsqualit\u00e4t einer Empfindung, die nur als bekannt dasteht, ohne bestimmte Vorstellungen zu reproduciren, auch in reproducirten Vorstellungen zu suchen ist, die sich nur nicht \u00fcber die Schwelle des Bewusstseins erheben.\n1) Die Einwendungen H\u00f6ffding\u2019s sollen im n\u00e4chsten Abschnitt besprochen werden. Hier setze ich die Richtigkeit meiner fr\u00fcheren Resultate voraus, \u00fcm zu zeigen, wie die vorliegende Frage von der Ber\u00fchrungstheorie consequent beantwortet werden kann.","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nAlfr. Lehmann.\nIn zwei F\u00e4llen, wo eine Geruchsempfindung einfach als bekannt bezeichnet war, ist es mir wirklich gegl\u00fcckt, den unter der Schwelle des Bewusstseins mitspielenden Vorstellungen hervorzuhelfen. Im einen Falle drehte es sich um den Geruch des Fusel\u00f6ls. Ungereinigter Spiritus, der gew\u00f6hnlich zu zoologischen Pr\u00e4paraten benutzt wird, riecht sehr stark danach, und in dem Gymnasium, wo der betreffende Beobachter Sch\u00fcler gewesen war, befand sich in einem Lesezimmer ein Schrank mit solchen Pr\u00e4paraten, die einen starken Geruch von Fusel\u00f6l verbreiteten, weil die Gl\u00e4ser nicht gut geschlossen waren. Dies alles war mir bekannt, und ich sagte daher, um zu pr\u00fcfen, ob nicht irgend eine Erinnerung hieran mitspielte, zu dem Beobachter : \u00bb Denken Sie einmal an das Klassenzimmer No. X in dem Gymnasium\u00ab. Augenblicklich rief er aus: \u00bbJa, es riecht nach Spirituspr\u00e4paraten\u00ab. In dem anderen Falle drehte es sich um Toluidin, den stark riechenden Stoff im Urin der F\u00fcchse und anderer Ra\u00fcbthiere. Zu dem Beobachter, der diesen Geruch als bekannt angegeben hatte, sagte ich: \u00bbSind Sie nie im zoologischen Garten gewesen?\u00ab und er antwortete sofort: \u00bbDas Hy\u00e4nenhaus!\u00ab Es zeigte sich somit in beiden F\u00e4llen, dass die Aufmerksamkeit nur in eine bestimmte Richtung gelenkt zu werden brauchte, damit gewisse, an die Geruchsempfindungen eng gekn\u00fcpfte Associationen sich augenblicklich einstellten. Sie sind also unzweifelhaft von den Geruchsempfindungen Schon erregt worden, haben sich aber nur nicht \u00fcber die Schwelle des Bewusstseins erheben k\u00f6nnen. Dass sie dessen ungeachtet eine Bedeutung f\u00fcr den Bewusstseinszustand haben, kann kaum einem Zweifel unterzogen werden, und die Annahme liegt dann wohl am n\u00e4chsten, dass die Bekanntheitsqualit\u00e4t der Empfindung hierauf beruht. Durch diese Annahme wird dann die oben angef\u00fchrte Wahrnehmung verst\u00e4ndlich, dass oft ein wirkliches Nachdenken erfordert wird, um eine Empfindung als einfach oder \u00bbunmittelbar\u00ab bekannt anzugeben. Der Beobachter sucht nach Associationen ; k\u00f6nnen solche gar nicht gefunden werden, so bleibt die Empfindung unbekannt, werden sie aber gefunden, so ist die Empfindung dadurch bekannt. Es kommt nun nur darauf an, wie deutlich die associirten Vorstellungen reproducirt werden. Bleiben sie unter der Schwelle des Bewusstseins, so ist die Empfindung einfach, oder nach H\u00f6ffding \u00bbunmittelbar\u00ab bekannt;","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen,\n195\ntreten sie dagegen im Bewusstsein hervor, so ist die Empfindung zugleich bestimmt.\nDiese Auffassung der vorliegenden Thatsachen d\u00fcrfte eben so wohl eine M\u00f6glichkeit sein wie die Dispositionstheorie Hoff ding\u2019s, und sie hat jedenfalls vor der letzteren den Vorzug, dass sie den oft gar nicht unmittelbaren Charakter der \u00bbunmittelbaren\u00ab Wieder-erkennungen erkl\u00e4rlich macht.\nDas vorbereitete Wiedererkeimen.\n1. Kritische Bemerkungen.\nWir haben jetzt gesehen, dass wirklich unvorbereitete Wiedererkennungen einfacher Empfindungen, so wie wir sie in den Versuchen mit Geruchsempfindungen gefunden haben, wenigstens eben so gut von der Ber\u00fchrungstheorie wie von der Dispositionstheorie erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnen. Um nun dar\u00fcber zu entscheiden, welche von den Theorien die richtigere ist, die gr\u00f6\u00dfte Wahrscheinlichkeit f\u00fcr sich hat, m\u00fcssen wir uns zu den andern Formen des Wieder-erkennens wenden, wo es leichter ist nachzusp\u00fcren, was eigentlich beim Wiedererkennen geschehe, oder mit andern Worten, worin die Bekanntheitsqualit\u00e4t der Empfindungen bestehe. Eine solche Untersuchung habe ich, wie gesagt, in meiner fr\u00fcheren, hier mehrmals angef\u00fchrten Arbeit \u00fcber das Wiedererkennen vorgenommen, und ich habe darin versucht darzuthun, dass die verschiedenen Formen des vorbereiteten Wiedererkennens sich am besten vom Standpunkte der Ber\u00fchrungstheorie erkl\u00e4ren lassen. Dieses Resultat hat H\u00f6ffding indessen durch eine Kritik meiner Versuche und der daraus gezogenen Schl\u00fcsse angegriffen, und es wird also zuv\u00f6rderst nothwendig sein nachzuweisen, dass seine kritischen Er\u00f6rterungen nicht stichhaltig sind. Demnach soll eine neue Reihe von Versuchen angef\u00fchrt werden, woraus ferner die G\u00fcltigkeit der Ber\u00fchrungstheorie erhellt.\nSehr umst\u00e4ndlich beweist H\u00f6ffding, dass meine fr\u00fcheren Versuche nur vorbereitete, mit gespannter Aufmerksamkeit ausgef\u00fchrte Wiedererkennungen betreffen. Dies ist richtig, nur kann ich meinem geehrten Kritiker nicht darin heistimmen, es als einen","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nAlfr. Lehmann.\nFehler zu betrachten. Wie die Bekanntheitsqualit\u00e4t beim unmittel-i baren Wiedererkennen zu Stande kommt, kann nur geschlossen, nie beobachtet werden, folglich muss man, wenn man die Erkl\u00e4rung der Erscheinung sucht, seine Untersuchungen da anfangen, wo Aufschl\u00fcsse \u00fcberhaupt erhalten werden k\u00f6nnen, also mit dem vorbereiteten Wiedererkennen. Wie die dort gewonnenen Resultate zur Erkl\u00e4rung des unmittelbaren Wiedererkennens benutzt werden k\u00f6nnen, habe ich schon in den vorhergehenden Abschnitten dieser Abhandlung gezeigt. Ich gehe deshalb jetzt zur Erwiderung auf die Einw\u00e4nde, welche Hoff ding gegen meine Schlussfolgerungen erhoben hat, \u00fcber.\nErstens weist H\u00f6ffding nach1), dass ich mir einen verh\u00e4ng-nissvollen Selbstwiderspruch habe zu Schulden kommen lassen. Es hei\u00dft S. 133 in meiner Abhandlung \u00fcber das Wiedererkennen : \u00bbHier beruht das Wiedererkennen auf einer Vergleichung mit einem Erinnerungsbilde, das mehr oder weniger verwischt und unklar ist, und auf welches die fortdauernde Wiederholung nur die Wirkung ausge\u00fcbt hat, dass es nach Verlauf einer gewissen Zeit nicht ganz so unklar ist, wie es sein w\u00fcrde, wenn die Uebung geringer gewesen w\u00e4re\u00bb. Dagegen hei\u00dft es S. 110: \u00bbNach dieser Entwicklung wird es leicht verst\u00e4ndlich, warum eine Vorstellung desto leichter wiedererkannt wird, je h\u00e4ufiger sie im Bewusstsein gewesen ist. Desto deutlicher muss man n\u00e4mlich annehmen, dass die Erinnerungsbilder werden, und desto sicherer wird man daher auch das Beobachtete congruent mit den reproducirten Empfindungen sch\u00e4tzen k\u00f6nnen\u00ab. Wie die S\u00e4tze hier stehen, aus dem Texte herausgerissen, sind sie gewiss nicht \u00fcbereinstimmend, merkw\u00fcrdig ist es aber, wie H\u00f6ffding nicht gesehen hat, dass ich ihre G\u00fcltigkeit f\u00fcr ganz verschiedene F\u00e4lle behauptet habe. Der letztere Satz kommt im Texte da vor, wo das Wiedererkennen von Empfindungscomplexen (Vorstellungen) besprochen wird. In solchen F\u00e4llen wird Jeder einr\u00e4umen, dass unsere Erinnerungsbilder mit der Uebung deutlicher, inhaltsreicher werden, so dass wir das Beobachtete leichter congruent sch\u00e4tzen k\u00f6nnen mit dem reproducirten Bilde. Je inhaltsreicher n\u00e4mlich das Erinnerungsbild durch wiederholte Beobachtung\n1) Vierteljahrsschrift 1890, S. 34.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\t197\ngeworden ist, um so mehr Congruenzsch\u00e4tzungen werden m\u00f6glich zwischen den einzelnen Gliedern des reproducirten Bildes und des Beobachteten, und desto leichter und sicherer muss der Gegenstand wiedererkannt werden.\nGanz anders verh\u00e4lt es sich im zweiten Falle, wo das Wiedererkennen einfacher Empfindungen besprochen ist. Wer sich mit solchen Untersuchungen besch\u00e4ftigt hat, wei\u00df, dass es unm\u00f6glich ist, eine bestimmte Empfindung so im Ged\u00e4chtniss festzuhalten, dass sie nicht nach kurzer Zeit mit einer wenig abweichenden verwechselt wird. Jede M\u00fche in dieser Richtung ist fruchtlos; es gelingt nie. Mit wachsender Uebung wird das Erinnerungsbild auch nicht viel deutlicher; es ist und bleibt unklar, nur nach einiger Uebung wohl nicht ganz so unklar, als es sein w\u00fcrde, wenn gar keine Uebung stattgefunden h\u00e4tte. Ich kann somit den Widerspruch zwischen den oben angef\u00fchrten S\u00e4tzen nicht sehen; sie haben vollst\u00e4ndige G\u00fcltigkeit, jeder auf seinem Gebiete, und wenn H\u00f6ff-ding nicht den wesentlichen Unterschied zwischen einfachen und zusammengesetzten psychischen Zust\u00e4nden au\u00dfer Acht gelassen h\u00e4tte, w\u00fcrde ihm dieser Punkt keine Schwierigkeit bereitet haben.\nWenn eine Empfindung entsteht und wiedererkannt wird, ohne dass dieselbe Empfindung so kurze Zeit vorher im Bewusstsein gewesen ist, dass die Wiedererkennung durch einen directen Vergleich zwischen der neuen und der fr\u00fcheren Empfindung stattfinden kann, so ist man vom Standpunkte der Ber\u00fchrungstheorie gen\u00f6thigt anzunehmen, die Wiedererkennung komme durch die Reproduction eines Namens oder irgend einer Bestimmung zu Stande. Gegen diese Auffassung und die Versuche, wodurch ich sie zu st\u00fctzen gesucht habe, hat H\u00f6ffding so viele Einw\u00fcrfe gemacht, dass er, wie er selbst sagt, sie numeriren musste. Es wird doch hinreichen, hier auf einen einzigen dieser Ein w\u00e4nde n\u00e4her einzugehen, n\u00e4mlich denjenigen, der die Sache selbst betrifft. Hat H\u00f6ffding mit der Behauptung Recht, dass eine Wiedererkennung gar nicht zu Stande kommen kann durch eine solche Reproduction, welche die Ber\u00fch-rungstheorie voraussetzt, so m\u00fcssen meine Versuche noth wendiger Weise von mir falsch ausgelegt worden sein, und H\u00f6ffding k\u00f6nnte sich seine \u00fcbrigen Er\u00f6rterungen erspart haben. Wenn es mir daher gelingt nachzuweisen, dass die Reproduction irgend einer","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nAlfr. Lehmann.\nBestimmung eine Wiedererkennung m\u00f6glich macht, so ist also meine Deutung der Versuche wenigstens eine M\u00f6glichkeit, und es fragt sich nur noch, welche von den zwei M\u00f6glichkeiten die wahrscheinlichere ist.\nMit R\u00fccksicht auf dieses Wiedererkennen durch Bestimmung sagt H\u00f6ffding: \u00bbWenn die Nuance A die Wortvorstellung b erregt hat, so tritt in dem Augenblick, da der bekannte Name ausgesprochen oder lebhaft vorgestellt wird, in Betreff des b ein Act des Wiederkennens ein, der uns Anlass gibt, die ganze Streitfrage wegen des unmittelbaren Wied\u00e8rkennens auf\u2019s Neue zu erheben\u00ab1). H\u00f6ffding meint also, die Wiedererkennung von A k\u00f6nne nicht durch b stattfinden, weil b ja selbst wiedererkannt werden muss. Ich verstehe diese Bemerkung nicht, weil meines Ermessens ganz derselbe Einwand gegen H\u00f6ffding\u2019s Dispositionstheorie erhoben werden k\u00f6nnte. Wenn, nach H\u00f6ffding, A a reproducirt und damit wiedererkannt ist, so fragt es sich, wie dies m\u00f6glich sei, wenn a nicht zuerst wiedererkannt wird. Wie geschieht denn das? Vielleicht dadurch, dass a ux reproducire, das seinerseits \u00ab2 reproducirt und so fort in einer unendlichen Reihe? Ich werde mich in diese subtile Frage nicht vertiefen; die Psychologie hat es, wenigstens in diesem Punkte, gewiss noch nicht so weit gebracht, dass die Infinitesimalrechnung mit einigem Nutzen eingef\u00fchrt werden kann. Die Sache ist aber wohl viel einfacher. H\u00f6ffding meint, so wie wiles oben klar und deutlich ausgesprochen gesehen haben, das Wiedererkennen beruhe darauf, dass eine sich wiederholende Empfindung, eben weil sie nicht neu ist, mit etwas Psychischem behaftet ist, das sich an eine ganz neue Empfindung nicht heften kann, und hierin liege es, dass sie dem Bewusstsein bekannt vorkommt. Aber eben dasselbe meinen auch die Anh\u00e4nger der Ber\u00fchrungstheorie. Der Unterschied zwischen den zwei Ansichten besteht nur darin, dass H\u00f6ffding die Bekanntheitsqualit\u00e4t in dem Psychischen sucht, welches aus der gr\u00f6\u00dferen Leichtigkeit der sich wiederholenden Hirnbewegungen hergeleitet werden kann, w\u00e4hrend die Ber\u00fchrungstheorie sie in einer Reproduction irgend welcher Vorstellung sieht. Es braucht diese Vorstellung gar nicht, wie H\u00f6ffding immer\n1) Vierteljahrsschrift 1890, S. 37.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkenuen.\n199\nvorauszusetzen scheint, ein Name de\u00df Dinges zu sein ; nur der blo\u00dfe Umstand, dass eine Vorstellung reproducirt wird, reicht hin, damit die gegebene Empfindung eine Bekanntheitsqualit\u00e4t habe. Dies sieht man am besten in solchen F\u00e4llen, wo die Bekanntheit eine vollst\u00e4ndig irrige ist.\nWenn ich einen Mann sehe und mich sofort daran erinnere, dass er hei einer gewissen, n\u00e4her bestimmten Gelegenheit eine Bolle gespielt hat, so glaube ich wirklich im Augenblicke den Mann zu kennen, d. h. ihn fr\u00fcher gesehen zu haben, selbst wenn mein Glaube sich sp\u00e4ter als ein ganz irriger ergeben sollte. Es ist doch unleugbar, dass der Glaube an die Bekanntheit nur auf der repro-ducirten Bestimmung fu\u00dft; w\u00e4re die falsche Bestimmung nicht im Bewusstsein entstanden, so w\u00fcrde der Mann als vollst\u00e4ndig unbekannt dastehen. Aus dergleichen allt\u00e4glichen Erfahrungen schlie\u00dfen nun die Anh\u00e4nger der Ber\u00fchrungstheorie, dass das Wiedererkennen in vielen F\u00e4llen und besonders in solchen, wo keine sich sp\u00e4ter best\u00e4tigenden Erwartungen erweckt werden k\u00f6nnen, nur darauf beruhe, dass irgend eine Vorstellung von der gegebenen Wahrnehmung reproducirt wird. Und man kann dann einen Schritt weiter gehen, wie im vorigen Abschnitt nachgewiesen, und annehmen, dass eine Wiedererkennung, selbst wenn reproducirte Vorstellungen im Bewusstsein nicht aufgesp\u00fcrt werden k\u00f6nnen, trotzdem durch Beproductionen zu Stande gekommen ist, die nur unter der Schwelle des Bewusstseins bleiben. Auf diese Weise kann die Theorie, consequent durchgef\u00fchrt, s\u00e4mmtliche gegebenen Erscheinungen erkl\u00e4ren, ohne irgendwo neue Hypothesen aufstellen zu m\u00fcssen. Der Unterschied zwischen den beiden Theorien ist also ver-h\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig gering ; nur hat die Ber\u00fchrungstheorie vor der Dispositionstheorie H\u00f6ffding\u2019s zwei Vorz\u00fcge. Erstens geht sie \u00fcberall von solchen Wiedererkennungen aus, die der Selbstbeobachtung zug\u00e4nglich sind, und deren Zustandekommen deshalb ermittelt werden kann, und auf dem Beobachteten baut sie dann die Erkl\u00e4rung der \u00dficht zug\u00e4nglichen F\u00e4lle, w\u00e4hrend H\u00f6ffding die der Selbstbeobachtung gegebenen Erscheinungen vernachl\u00e4ssigt und seine Hypothese in die Thatsachen hineindeutet. Zweitens sucht H\u00f6ff-ding die Erkl\u00e4rung des Wiedererkennens in einem physischen Ph\u00e4nomen, der Disposition der Hirnganglien, welches zwar","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nAlfr. Lehmann.\nunzweifelhaft eine psychische Bedeutung hat (obwohl diese Annahme auch eine hypothetische ist) , jedoch aber gar nicht diejenige psychische Bedeutung zu haben braucht, welche Hoff ding ihm anweist, und er hat auch nicht einmal eine Andeutung von einem Beweise daf\u00fcr geliefert, dass das psychische Resultat der Dispositionen ein Wiedererkennen ist. Die Ber\u00fchrungstheorie dagegen legt derselben Thatsache, den Dispositionen der Hirnganglien, eine andere psychische Bedeutung zu, die wohl gr\u00f6\u00dfere Wahrscheinlichkeit f\u00fcr sich hat, weil es an und f\u00fcr sich undenkbar ist, dass die Leichtigkeit der sich wiederholenden Himbewegungen psychisch als Empfindungselement auftreten wird, und die Theorie braucht also nicht diese Verh\u00e4ltnisse zu vernachl\u00e4ssigen, noch weniger zu leugnen.\nNachdem wir so gesehen haben, dass die Ber\u00fchrungstheorie ebensowohl wie die Dispositionstheorie m\u00f6glich ist, hat es kein besonderes Interesse, auf diejenigen Bemerkungen H\u00f6ffding\u2019s einzugehen, welche beabsichtigen, den Nachweis zu f\u00fchren, dass meine Versuchsergebnisse auch mit seinen Ansichten in Einklang gebracht werden k\u00f6nnen. Wenn von zwei Theorien die eine den unstreitigen Vorzug hat, dass sie sich den Ergebnissen der Selbstbeobachtung viel enger anschlie\u00dft als die andere, und deshalb auch keine Hypothesen aufzustellen braucht, so hat es keine gro\u00dfe Bedeutung, wenn auch diese letztere die gegebenen Thatsachen erkl\u00e4ren kann. Nur der allgemeinen Behauptung H\u00f6ffding\u2019s, dass seine Dispositionstheorie meine Versuchsresultate erkl\u00e4ren kann, muss ich bestimmt entgegentreten. F\u00fcr die qualitativen Ergebnisse mag dies richtig sein; die quantitative Seite meiner Versuchsresultate ist aber dabei ganz unber\u00fccksichtigt gelassen. Ich nehme hier nur ein einzelnes Beispiel; beim Durchlesen von S. 135\u2014152 meiner Abhandlung wird man leicht deren mehrere finden. Hoff ding schreibt \u00bbDie Unsicherheit des Wiedererkennens muss nothwendiger Weise gr\u00f6\u00dfer sein, wenn es sich um sechs oder neun, als wenn es sich um f\u00fcnf Nuancen dreht, wir m\u00f6gen nun Namen f\u00fcr dieselben haben oder nicht. Jede Hypothese muss dies annehmen, und nur lange Uebung kann eine Ver\u00e4nderung hierin hervorbringen\u00ab *). Richtig; aber H\u00f6ffding vergisst vollst\u00e4ndig zu erkl\u00e4ren, warum eben f\u00fcnf\n1) Vierteljahrsschrift 1890, S. 36.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\n201\nLichtabstufungen von Schwarz bis Wei\u00df mit gleichgro\u00dfen Intervallen immer richtig wiedererkannt werden, w\u00e4hrend schon bei sechs Abstufungen eine erstaunliche Unsicherheit herrscht. Diese Thatsache ist eine einfache Consequenz der Ber\u00fchrungstheorie ; H\u00f6ffding aber geht an ihr stillschweigend vor\u00fcber \u2014 sollte es wirklich den Gl\u00e4ubigen untersagt sein danach zu fragen, worauf sie beruht? Bis die Dispositionstheorie dieses und mehrere \u00e4hnliche Ergebnisse meiner Versuche erkl\u00e4ren kann, sehe ich nicht ein, wie ein Streit zwischen den Theorien eigentlich m\u00f6glich ist.\nWenn H\u00f6ffding seine Ansicht durch die Bemerkung zu erh\u00e4rten sucht: \u00bbMan darf die gr\u00f6\u00dfere Leichtigkeit im Markiren des Wiederkennens nicht mit einer gr\u00f6\u00dferen Leichtigkeit im Wiederkennen selbst verwechseln\u00ab1), so ist hier recht augenf\u00e4llig eben das vorausgesetzt, was bewiesen werden soll, n\u00e4mlich dass das Wiedererkennen und die Zuf\u00fcgung irgend einer Bestimmung zwei verschiedene psychische Vorg\u00e4nge sind. Wir haben im vorigen Abschnitt gesehen, dass es mitunter den Anschein haben kann, als ob eine Empfindung sich zuerst als bekannt dem Bewusstsein darstelle, und dann sp\u00e4ter, durch willk\u00fcrliches Suchen, fernere Bestimmungen reproducire. Wir haben aber auch gesehen, dass dieses Ph\u00e4nomen sehr xvohl so ausgelegt werden kann, dass die Eeproductionen schon anfangs mitspielen, aber nur so schwach, dass sie sich nicht \u00fcber die Schwelle des Bewusstseins erheben; hierin besteht dann die \u00bbunmittelbare\u00ab Wiedererkennung. Wenn die Aufmerksamkeit danach gegen die dunklen Eeproductionen gerichtet wird, k\u00f6nnen diese, wenigstens oft, im Bewusstsein hervortreten, und die xviedererkannte Empfindung ist damit bestimmt, markirt. Sobald es sich aber um eine nicht gar zu seltene Empfindung dreht, treten die reproducirten Vorstellungen gleich im Bewusstsein hervor, und die Wiedererkennung und das Markiren des Wiedererkannten sind dann nur ein Vorgang. Die Warnung H\u00f6ffding\u2019s vor einer Verwechselung dieser zxvei Ph\u00e4nomene ist doch nicht im Geringsten ein Bexveis daf\u00fcr, dass sie auch zwei wesentlich verschiedene Vorg\u00e4nge sind.\nWie unn\u00f6thig es ist anzunehmen, dass das Wiedererkennen selbst und die Bestimmung des Wiedererkannten durch zwei ver-\n1) Vierteljahrsschrift 1890. S. 38. Wundt, Philos. Studien. VII.\n14","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nAlfr. Lehmann.\nschiedene Vorg\u00e4nge zu Stande kommen, tritt in einem anderen Punkte noch deutlicher hervor. Einige meiner Versuche waren so angeordnet1), dass die Reproduction eines Namens oder dergl. m\u00f6glichst ausgeschlossen war, und das Wiedererkennen musste deshalb dadurch zu Stande kommen, dass die im Augenblicke gegebene Empfindung [n oder l) verglichen wurde mit dem Erinnerungshilde der kurz vorher gegebenen Empfindung, welche immer n war. In Betreff dieser Versuche schreibt H\u00f6ffding: \u00bbW\u00e4re das Wiederkennen ein unmittelbares, so m\u00fcsse, meint er (ich), bei Versuchen mit zwei Scheiben, mit der Normalscheibe n und mit l, n leichter wiedergekannt werden als l. Dies folgt aber keineswegs. Es ist hier ja n\u00e4mlich keine Wahl zwischen dem Wiederkennen von n und dem Wiederkennen von l, sondern dazwischen, ob man die zweite Scheibe, n oder l, der ersten [n) gleich oder verschieden von derselben findet. Und dies ist etwas Anderes. Es ist ja doch keineswegs gegeben, dass die Leichtigkeit, n wiederzukennen, durch Uebung mehr zunehmen sollte, als die F\u00e4higkeit, einen Unterschied zwischen n und l zu finden\u00ab2). Dieser Bemerkung kann ich mich vollst\u00e4ndig anschlie\u00dfen; ich habe selbst meine Versuchsergebnisse so ausgelegt und habe au\u00dferdem nachweisen k\u00f6nnen, dass die individuellen Verschiedenheiten in den Resultaten durch bekannte individuelle Verh\u00e4ltnisse der Beobachter erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnen. Wie man aber vom Standpunkte H\u00f6ffding\u2019s die Sache so auffassen kann, ist mir nicht ganz klar. Nach der Dispositionstheorie ist eine Wiedererkennung ja etwas so einfaches, dass gar keine Rede davon sein kann, sie sollte durch einen bewussten Vergleich zu Stande kommen. Wahrscheinlich wird H\u00f6ffding hiegegen einwenden, es drehe sich in den besprochenen Versuchen nicht um ein unmittelbares Wiedererkennen, sondern um eine Bestimmung, ein Markiren des Wiedererkannten, und nur dies nachtr\u00e4gliche Markiren erfordere die Vergleichung. Man wird also annehmen, dass auch hier zwei verschiedene Processe verlaufen : erstens meldet sich die gegebene Empfindung als bekannt, zweitens wird sie der anderen gleich oder als davon verschieden beurtheilt. Meine Selbst-\n1)\tPhil. Stud. V, S. 118\u2014134.\n2)\tVierteljahrsschrift 1890, S. 35.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische mid experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\t203\nbeobachtungen bei den betreffenden Versuchen k\u00f6nnen jedoch diese Annahme nicht best\u00e4tigen. In dem Moment, wo die Vergleichsscheibe gezeigt wird, dr\u00e4ngt sich das Urtheil : gleich oder ungleich dem Bewusstsein so unmittelbar auf, dass man von zwei Phasen in dem Wiedererkennen gar nichts merkt. Hieraus kann nat\u00fcrlich nicht geschlossen werden, dass sie auch nicht da sind, nur scheint mir diese Annahme ganz \u00fcberfl\u00fcssig. Die primitive Vergleichung, welche hier unzweifelhaft stattfindet, f\u00fchrt n\u00e4mlich, wenn die zu bestimmende Scheibe der Normalscheibe gleich gesch\u00e4tzt wird, zu einem doppelten Resultat : nicht nur wei\u00df der Beobachter dann, dass die gegebene Empfindung bekannt ist, sondern er wei\u00df sogar, welche Empfindung es ist (n\u00e4mlich diejenige, welche von der Normalscheibe herr\u00fchrt). In diesem Falle ist es also vollst\u00e4ndig \u00fcberfl\u00fcssig und damit unberechtigt, au\u00dfer der Vergleichung einen zweiten Vorgang anzunehmen, wovon die Bekanntheit der Empfindung herr\u00fchren sollte. Wenn dagegen die gegebene Empfindung als von der Normalscheibe verschieden gesch\u00e4tzt wird, so f\u00fchrt die Vergleichung ja nur zu einem, f\u00fcr die betreffende Empfindung v\u00f6llig negativen Resultate, und dann werden zwei F\u00e4lle eintreten k\u00f6nnen. Entweder steht die gesch\u00e4tzte Empfindung als unbekannt im Bewusstsein, und dies wird h\u00e4ufig der Fall sein, wenn es sich um selten vorkommende Empfindungen handelt; z. B. bei den unten zu besprechenden Schallversuchen habe ich nie unter solchen Verh\u00e4ltnissen die gesch\u00e4tzte Empfindung als bekannt auffassen k\u00f6nnen, selbst wenn ich aus den Versuchsprotokollen wusste, dass ich sie fr\u00fcher gehabt hatte. In diesem Falle w\u00fcrde also die Annahme einer unmittelbaren Bekanntheitsqualit\u00e4t der Empfindung aller Selbstbeobachtung zuwider laufen. Oder aber die gesch\u00e4tzte Empfindung kommt dem Beobachter bekannt vor, und dann l\u00e4sst sich diese Bekanntheitsqualit\u00e4t ja eben so gut von der Ber\u00fchrungstheorie durch irgend welche Association als durch die Annahme H\u00f6ffding\u2019s erkl\u00e4ren.\nIch werde jetzt eine Reihe von Versuchen anf\u00fchren, wodurch hoffentlich mit aller erw\u00fcnschten Sicherheit dargethan werden soll, dass das Wiedererkennen wirklich aus einem Vergleich resultirt in solchen F\u00e4llen, wo eftie Normalempfindung, die so zu sagen als Ma\u00dfstab f\u00fcr die Vergleichung angewandt werden kann, uns gel\u00e4ufig\n14*","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nAlfr. Lehmann.\nist. Um nur noch den Einwand H\u00f6ffding\u2019s zur\u00fcckzuweisen, dass solche Wiedererkennungen feiner Abstufungen im t\u00e4glichen Leben gar nicht Vorkommen \u2014 eine Bemerkung, wodurch, selbst wenn sie wahr w\u00e4re, kaum die Berechtigung zur Anwendung solcher Abstufungen in einer experimentellen Untersuchung angefochten wird \u2014 soll hier blo\u00df eine zuf\u00e4llige Beobachtung angef\u00fchrt werden. \u2014 Mit akustischen Untersuchungen besch\u00e4ftigt hatte ich, der ich \u00fcbrigens sehr unmusikalisch bin, durch gro\u00dfe Uebung es so weit gebracht, dass ich einen H\u00f6henunterschied von 6\u20148 Schwingungen vom eingestrichenen a deutlich h\u00f6ren konnte. Ich erz\u00e4hlte dies einigen musikalischen Freunden, die es nicht glauben wollten; um mich zu pr\u00fcfen, sagte daher pl\u00f6tzlich Einer: \u00bbist dieser Ton a\u00ab, und damit gab er mit einer Stimmfl\u00f6te den Ton an. In demselben Augenblicke, so weit ich ermessen konnte, eben als er das Wort a aussprach, hatte ich sehr deutlich die Tonempfindung a meiner Stimmgabel von 435 Schwingungen, und ich konnte deshalb sofort mit gro\u00dfer Sicherheit behaupten : \u00bbder Ton ist viel zu tief\u00ab. Er war wirklich auch beinahe gis) davon hatte ich aber keine Ahnung: der Ton war mir ohne irgend eine andere Bekanntheitsqualit\u00e4t als diese, er w\u00e4re ein zu tiefes a. Eine solche Beobachtung reicht hin, um dasjenige zu beweisen, was ich hier und fr\u00fcher behauptet habe : unsere Wiedererkennungen k\u00f6nnen, selbst au\u00dferhalb der Laboratorien, viel mehr Formen annehmen, als dass sie sich unter eine gemeinschaftliche Formel zwingen lassen, wie H\u00f6ff-ding es will.\n2. Ueber das Wied er erkennen von Schallempfindungen.\nBei diesen Untersuchungen habe ich einen Schallapparat gebraucht, der denjenigen von P. Starke1) und J. Merkel2) beschriebenen in allem Wesentlichen \u00e4hnlich war, nur hatte ich meinen Apparat in Seinem Punkte bedeutend vereinfacht. Weil es sich bei allen fr\u00fcheren Schallversuchen gezeigt hatte, dass, wenn man Metallkugeln anwendet, nur Stahlkugeln auf die Dauer anwendbar sind, zog ich es vor, mich auf die Anwendung solcher Kugeln zu beschr\u00e4nken. Hier-\n1)\tPhil. Stud. Ill, S. 270.\n2)\tIbid. IV, S. 137.\n\u00ab","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\t205\ndurch wurde es m\u00f6glich, die mehr oder weniger verwickelten Zangen, die einen senkrechten Fall ohne Rotation der Kugel sichern sollen, zu entbehren. Die Kugelhalter meines Apparates bestehen nur aus Elektromagneten, deren Eisenkerne unten konisch ausgedreht sind, so dass sie in ringf\u00f6rmigen Schneiden endigen. Wenn der Strom hinreichend stark ist, kann der Magnet sehr wohl die Kugel in einem einzigen Punkte der Schneide festhalten, und sobald der Strom unterbrochen wird, f\u00e4llt die Kugel ohne eine M\u00f6glichkeit irgendwo anh\u00e4ngen oder anprallen zu k\u00f6nnen. \u2014 Der Strom ging von der Batterie durch den Elektromagnet und von da zu einem umgekehrten Telegraphenschliissel, der so eingerichtet war, dass der Strom constant geschlossen war, und nur durch einen Druck auf den Schl\u00fcssel unterbrochen wurde. Im selben Moment also, wo die Kugeln gefallen waren, stellte sich der Strom von selbst ein, und der Experimentirende brauchte nur die Kugeln von dem f\u00fcr ihr Auffangen bestimmten, gepolsterten K\u00e4stchen aufznehmen und gegen die Elektromagnete zu halten, so war der Apparat f\u00fcr einen neuen Versuch eingerichtet. Es ist leicht einzusehen, dass durch diese Einfachheit sehr viele Versuche in kurzer Zeit erm\u00f6glicht wurden.\nBei den Untersuchungen Starke\u2019s, Merkel\u2019s u. A. hat es sich ergehen, dass von zwei nach einander folgenden Schallreizen der letzte immer im Verh\u00e4ltniss zum ersten \u00fcbersch\u00e4tzt wird. Wenn man also den zweiten Reiz so abstuft, dass die beiden ausgel\u00f6sten Empfindungen gleich sind, so wird es sich zeigen, dass der zweite Reiz immer kleiner als der erste wird, und umgekehrt: der erste wird zu stark, wenn er nach der subjectiven Empfindung dem zweiten gleich gemacht wird. Diese Erscheinung l\u00e4sst sich unschwer erkl\u00e4ren. Bei der Vergleichung wird immer 4die zweite Empfindung mit dem Erinnerungsbilde der ersten verglichen, und weil nun das Erinnerungsbild schw\u00e4cher sein muss als die im Augenblicke gegebene Empfindung, wird diese als verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig intensiver beurtheilt, d. h. \u00fcbersch\u00e4tzt. Je mehr Zeit zwischen den beiden Empfindungen verstreicht, um so mehr muss sich diese Uebersch\u00e4tzung der letzteren Empfindung im Verh\u00e4ltniss zu dem, bis auf Null convergirenden Erinnerungsbilde der ersteren geltend machen. Jedoch scheint das Erinnerungsbild einer Schallempfin-","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nAlfr. Lehmann.\ndung nicht gleichf\u00f6rmig mit der Zeit abzunehmen ; das Bild klingt ab, d. h. zeigt, ebenso wie die optischen Nachbilder, Perioden von verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig gr\u00f6\u00dferer Intensit\u00e4t. Dies scheint wenigstens aus der untenstehenden Tabelle und einigen sp\u00e4ter mitzutheilenden Versuchen hervorzugehen.\nUm den Einfluss der Zeit zu untersuchen, habe ich Versuche folgenderma\u00dfen angestellt. Es wurde zuerst ein Normalreiz angegeben, und nach bestimmter Zeit ein Vergleichsreiz, dessen St\u00e4rke in auf- und absteigenden Reihen variirt wurde, bis der Punkt gefunden war, wo die beiden Empfindungen gleich gesch\u00e4tzt wurden. Diese Versuche wurden mit verschiedenen Normalreizen und verschiedenen Zeitintervallen angestellt. In einer anderen Versuchsreihe wurde der zweite Reiz constant gehalten, w\u00e4hrend das Urtheil der Beobachter sich auf die erste Empfindung bezog; \u00fcbrigens waren alle Verh\u00e4ltnisse unver\u00e4ndert. Leider wurden die Versuche wegen zuf\u00e4lliger Umst\u00e4nde zu fr\u00fch unterbrochen, so dass nur drei Intervalle (2, 4 und 6 Sec.) untersucht wurden; die Resultate stimmen indessen, wie wir sehen werden, ganz mit dem, was sich auf anderm Wege ergeben hat. Die Fallkugeln waren constant von zehn Grammen Gewicht; die Fallh\u00f6he in Centimetern angegeben kann also direct als Ma\u00df des Reizes benutzt werden.\nTabelle II enth\u00e4lt die Resultate der Versuche und versteht sich nach dem Angef\u00fchrten leicht. Unter n ist der Normalreiz angegeben; B. und R. sind die beiden Beobachter. Die Tabelle zerf\u00e4llt \u00fcbrigens in drei Abtheilungen, den drei untersuchten Intervallen entsprechend. Jede dieser Abtheilungen enth\u00e4lt zwei Columnen mit \u00bb\u00bb zuerst\u00ab und \u00bbn zuletzt\u00ab \u00fcberschrieben. Die hier gegebenen Zahlen sind die dem n gleich gesch\u00e4tzten Reize (als Mittel aus einer aufsteigenden und einer absteigenden Reihe genommen), je nachdem der Normalreiz der erste oder der letzte war. Wie man sieht, wird durchg\u00e4ngig der letzte Reiz \u00fcbersch\u00e4tzt : wenn n zuerst kam, fiel die variable Fallh\u00f6he kleiner als n aus, wenn dagegen n zuletzt kam, musste der Vergleichsreiz gr\u00f6\u00dfer als n gemacht werden.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\t207\nTabelle II.\nn\tBeob.\tT\t\t4s\t\t6s\t\n\t\tn zuerst\tn zuletzt\tn zuerst\tn zuletzt\tn zuerst\tn zuletzt\n100 cm\tB.\t95\t114\t101\t121\t103\t106\n\tR.\t93\t111\t98\t119\t103\t109\n125 cm\tB.\t\t\t113\t128\t120\t127\n\tR.\t\t\t114\t130\t127\t128\nDa die Beobachter in der Beurtheilung von Schallerapfindungen ganz unge\u00fcbt, und ihre Sch\u00e4tzungen deshalb oft schwankend waren, kann es kein Wunder nehmen, dass hier und da Abweichungen von der erw\u00e4hnten Regel Vorkommen. Hierauf kann kein gro\u00dfes Gewicht gelegt werden ; nur beim Intervalle 6 Sec., wo die beiden Beobachter \u00fcbereinstimmen, scheint diese Abweichung nicht durch zuf\u00e4llige Umst\u00e4nde erkl\u00e4rt werden zu k\u00f6nnen. Und die Annahme liegt dann nahe, dass die St\u00e4rke des Erinnerungsbildes, womit der zuletzt geh\u00f6rte Schall verglichen wird, nicht gleichm\u00e4\u00dfig abnehme, sondern periodisch abklinge, so dass sie eben nach 6 Sec. ihre urspr\u00fcngliche St\u00e4rke beinahe erreicht habe. Eine solche Annahme wird auch einige Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten, die sich bei den eigentlichen Wiedererkennungsversuchen gezeigt haben, erkl\u00e4ren k\u00f6nnen. \u2014 Die Wiedererkennungsversuche mit Schallempfindungen wurden ganz so wie meine fr\u00fcheren mit Lichtempfindungen1) durchgef\u00fchrt, und die Resultate sind auch so \u00fcbereinstimmend, dass wir nicht n\u00f6thig haben, auf alle Einzelheiten derselben n\u00e4her einzugehen; ich hebe deshalb hier nur solche Ergebnisse hervor, welche besonders Licht auf die in Rede stehenden Fragen werfen k\u00f6nnen. Zuv\u00f6rderst m\u00fcssen dann die Versuche erw\u00e4hnt werden, welche die Bedeutung der Zeit f\u00fcr das Wiedererkennen beleuchten.\nEs wurde zuerst ein Normalreiz, n, und dann, nach verschiedenen Intervallen, entweder n oder ein st\u00e4rkerer [f == forte) oder ein schw\u00e4cherer Reiz (p = piano) angegeben. Die Intervalle waren\n1) Phil. Stud. Y, S. 118\u2014131.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nAlfr. Lehmann.\n5, 10, 15, 20 und 30 Sec., und im Ganzen wurden bei jedem Intervalle 60 Versuche gemacht. Um nun den Einfluss der Uebung zu eliminiren, wurden jeden Tag 60 Versuche gemacht, n\u00e4mlich 12 hei jedem der 5 Intervalle, und beim Uebergang zu einem neuen Intervalle wurden die Reize unmerklich variirt. Waren z. B. bei t = 5S, f = 133 cm, n = 123 cm und p \u2014 113 cm, so wurden bei t = 10S, f \u2014 134, n = 124 und = 114 genommen, und so weiter. Am n\u00e4chsten Tag wurde dann mit dem Intervalle t = 1 0S und den Reizen f = 133, n = 123 und p \u2014 113 angefangen, so dass nach beendetem Versuche f\u00fcr s\u00e4mmtliche Intervalle eine vollst\u00e4ndige Kreisverschiebung sowohl in Bezug auf die Zeitfolge als auf die angewandten Reize stattgefunden hatte. Die Uebung ist somit ganz gleichm\u00e4\u00dfig vertheilt worden, und die Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten, welche die untenstehende Tabelle ausweist, k\u00f6nnen daher schwerlich ohne die Annahme erkl\u00e4rt werden, dass die Erinnerungsbilder der Schallempfindungen periodisch abklingen.\nTabelle III.\nAnzahl Verwechselungen in 60 Versuchen.\n/ = 133, 134, 135, 136, 137 cm n = 123, 124, 125, 126, 127. p = 113, 114, 115, 116, 117.\nBeob.\t5S\tlu\t15\t20\t30\tSumme\nB.\t19\t18\t25\t26\t23\t111\ne.\t17\t20\t29\t20\t28\t114\nB. und C. sind die zwei Beobachter, die Herren Stud. mag. Beckett und Clausen, welche sich auch an den fr\u00fcheren \"Versuchen mit Lichtempfindungen betheiligt hatten. F\u00fcr jedes Intervall gibt die Tabelle die Anzahl der falschen Sch\u00e4tzungen in 60 Versuchen an. Man sieht hieraus, dass das Wiedererkennen nur einigerma\u00dfen sicher ist bis nach Verlauf von 10 Sec., schon nach 15 Sec. kommt es dem blo\u00dfen Errathen sehr nahe. Bei noch gr\u00f6\u00dferen Intervallen steigt die Sicherheit aber hier und da etwas, so dass sich vielleicht eine Periodicit\u00e4t nachweisen lie\u00dfe, wenn die Intervalle feiner abge-","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\n209\nstuft w\u00fcrden. Dies Verh\u00e4ltniss interessirt uns \u00fcbrigens nur insofern, als die oben gefundenen Abweichungen von dem Gesetze : der letzte Beiz (Vergleichsreiz) werde gew\u00f6hnlich im Verh\u00e4ltniss zum ersten (Normalreiz) \u00fcbersch\u00e4tzt, dadurch erkl\u00e4rt werden. W\u00e4re das Gesetz n\u00e4mlich ohne Ausnahmen g\u00fcltig, so m\u00fcsste beim Wiedererkennen, wo immer mit dem Normalreiz n verglichen wird, jede Verwechselung in der Kichtung gehen, dass p gleich n oder f, n gleich / gesch\u00e4tzt w\u00fcrde. Nun zeigen die Versuche aber, dass dies zwar am h\u00e4ufigsten der Fall ist, dass aber Untersch\u00e4tzungen auch oft Vorkommen, wie aus Tab. IV hervorgeht. Es wurden im Ganzen 1380 Versuche mit jedem Beobachter angestellt; die Tabelle gibt die gesammte Anzahl Verwechselungen verschiedener Art in diesen Versuchen an. Links sind die Uebersch\u00e4tzungen, rechts die Untersch\u00e4tzungen angegeben, und obwohl die Anzahl der letzteren bedeutend geringer als die der ersteren ist, macht sie doch einen betr\u00e4chtlichen Bruch-theil der Verwechselungen aus.\nTabelle IV.\nAnzahl Verwechselungen in 1380 Versuchen.\nGesch\u00e4tzt\tB.\tC.\tGesch\u00e4tzt\tB.\tC.\np gleich n\t95\t86\tn gleich p\t64\t65\nl ^ 1\t11\t7\tf - n\t73\t68\nn - f\t77\t88\tf - P\t5\t16\nSumme\t183\t181\tSumme\t142\t149\nWir sahen oben, dass man durchg\u00e4ngig geneigt sein wird, die letzte Empfindung zu \u00fcbersch\u00e4tzen, wenn es sich um einen bewussten Vergleich zwischen zwei nach einander folgenden Empfindungen handelt. Wir sehen jetzt, dass dieselbe Neigung besteht, wenn eine einfache Wiedererkennung einer gegebenen Empfindung in Frage steht. Hieraus darf gewiss gefolgert werden, dass das Wiedererkennen unter solchen Umst\u00e4nden, die einen Vergleich m\u00f6glich machen, wirklich durch eine mehr oder weniger bewusste Vergleichung zu Stande komme. Wendet man hiergegen ein, dass","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nAlfr. Lehmann.\nes nicht die Wieder er kennung selbst, sondern die Bestimmung des Wiedererkannten ist, welche sich aus der Vergleichung ergibt, so wird also hiermit die Behauptung aufrecht erhalten, dass die betreffenden Empfindungen eine Bekanntheitsqualit\u00e4t haben au\u00dfer derjenigen, die aus dem Vergleiche resultirt. Eine solche Ueber-schw\u00e4nglichkeit unserer psychischen Natur l\u00e4sst sich wohl nicht widerlegen, aber meine Selbstbeobachtungen sprechen, wie schon fr\u00fcher gesagt, bestimmt dagegen. Die Annahme H\u00f6ffding\u2019s scheint mir deshalb auch durch diese Versuche widerlegt zu werden.\nSchluss.\nWir haben jetzt gesehen : 1) dass die Dispositionstheorie die an und f\u00fcr sich unwahrscheinliche H\u00fclfshypothese erfordert, dass das psychische Correlat der gr\u00f6\u00dferen Leichtigkeit der Hirnbewegungen ein Empfindungselement sei ; 2) dass die hierdurch erreichte Erkl\u00e4rung des unmittelbaren Wiedererkennens unn\u00f6thig ist, weil dieses sich ebenso wohl durch Ber\u00fchrungsassociationen, die erregt werden, sich aber nicht \u00fcber die Schwelle des Bewusstseins erheben, erkl\u00e4ren l\u00e4sst; 3) dass die Dispositionstheorie in solchen F\u00e4llen, wo die Wiedererkennung vorbereitet ist und dadurch thats\u00e4chlicb verschiedene Formen annehmen kann, gleichzeitig einen zweifachen Vorgang des Wiedererkennens zuzugeben gen\u00f6thigt wird, w\u00e4hrend durch Selbstbeobachtung gar nichts dergleichen nachgewiesen werden kann ; 4) dass es dagegen eine Reihe durch Experimente oder Beobachtungen nachgewiesener Thatsachen gibt, welche die Theorie nicht erkl\u00e4ren kann. Die Ber\u00fchrungstheorie ist von diesen Uebel-st\u00e4nden frei, weil sie sich nicht in theoretische Constructionen verliert, sondern die verschiedenen Arten des Wiedererkennens in m\u00f6glichst engem Anschluss an die Ergebnisse der inneren Beobachtung erkl\u00e4rt. Es kann somit kaum fraglich sein, welche der Theorien die richtigere ist, und es wird eigentlich nicht n\u00f6thig sein auf die Folgerungen, welche H\u00f6ffding aus seiner Ansicht ableitet, n\u00e4her einzugehen. Nur einen Punkt werde ich kurz besprechen, um ein Missverst\u00e4ndnis seitens H\u00f6ffding\u2019s zu berichtigen.\nEs ist eine einfache Folgerung aus der Dispositionstheorie, \u00bbdass jede Ber\u00fchrungsassociation eine Aehnlichkeitsassociation, wenigstens ein unmittelbares Wiedererkennen, voraussetzt\u00ab. Wenn","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\t211\nn\u00e4mlich eine bestimmte Hirnbewegung sich wiederholt, so ist mit der Empfindung auch ihre Bekanntheitsqualit\u00e4t gegeben, eben weil eine Disposition zur bestimmten Hirnhewegung vorhanden war. Da nun weiter zwei Empfindungen A und B sich nicht durch directe Ber\u00fchrung associiren k\u00f6nnen, ohne dass sie wenigstens ein Mal gleichzeitig im Bewusstsein gewesen sind, wodurch sofort eine Disposition zu diesen beiden Bewegungen erzeugt wird, so kann A sp\u00e4ter nicht b reproduciren, ohne dass A selbst zuerst wiedererkannt wird. Die Ber\u00fchrungstheorie kann, wie man leicht sieht, mit dem physiologischen Theil dieser Betrachtung vollst\u00e4ndig einverstanden sein. Ich habe selbst ausdr\u00fccklich hervorgehoben, dass eine Ber\u00fchrungsassociation nur in der durch Uebung erzeugten Disposition zu bestimmten Hirnbewegungen besteht. So hei\u00dft es S. 107 meiner fr\u00fcheren Abhandlung: \u00bbDie Ber\u00fchrungstheorie erfordert eben zwei Bedingungen f\u00fcr eine Reproduction : A muss mit B gleichzeitig gewesen sein, und A muss wieder eintreffen. Der Umstand, dass A und B zusammengewesen sind, muss etwas in der Seele oder dem Gehirn oder beiderseits bewirken, welches erm\u00f6glicht, dass A\u2019s Wiederauftreten b mit sich f\u00fchrt. Man mag dieses unbestimmte Etwas immerhin ein Spur von A nennen ... Da das Wort \u00bbSpur\u00ab nun einmal eine sehr schwankende Bedeutung hat, wollen wir den Gebrauch desselben am liebsten ganz vermeiden und sagen, dass das Zusammensein von A und B eine Labilit\u00e4t in dem psychophysischen Zustande gerade von solcher Beschaffenheit hervorgerufen hat, dass ein sp\u00e4teres Eintreten des Zustandes A auch den Zustand b herbeigef\u00fchrt. Wenn \u00bbSpuren\u00ab auf diese Weise wie functionelle Dispositionen aufgefasst werden, und dies d\u00fcrfte, wie Wundt nach gewissen hat, wohl die einzige berechtigte Auffassung sein, so kann auch von keiner reinen Aehnlichkeitsassociation die Rede sein\u00ab. Ich verstehe daher nicht, warum H\u00f6ffding diese Auffassung und das daran gekn\u00fcpfte Beispiel von der Lackstange bek\u00e4mpft. Dagegen bin ich, wie es aus den letzten Worten des Cit\u00e2tes hervorgeht, der Ansicht bestimmt entgegengetreten, dass die psychische Bedeutung der Dispositionen die von Empfindungselementen sein sollte, und H\u00f6ffding\u2019s Argumentation hat mich jedenfalls nicht dazu f\u00fchren k\u00f6nnen, diese Hypothese anzunehmen. Eines ist es, eine unvermeidliche physiologische Bedingung eines","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212 Alfr. Lehmann. Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen.\npsychischen Ph\u00e4nomens zuzugeben, ein Anderes, diesem physiologischen Vorgang eine an sich unwahrscheinliche psychische Bedeutung zuzuschreiben. Meinem geehrten Kritiker aber scheint es gar nicht eingefallen zu sein, dass diese zwei Punkte vollst\u00e4ndig von einander geschieden werden k\u00f6nnen. Jetzt wie fr\u00fcher halte ich die Dispositionen zu bestimmten Hirnbewegungen als nothwendige Bedingung f\u00fcr die Ber\u00fchrungsassociationen fest, dagegen meine ich in der hier vorliegenden Abhandlung den Beweis daf\u00fcr gef\u00fchrt zu haben, \u00bbdass eine Ber\u00fchrungsassociation weder eine Aehnlichkeitsassociation noch ein unmittelbares Wiedererkennen voraussetzt\u00ab.","page":212}],"identifier":"lit4179","issued":"1892","language":"de","pages":"169-212","startpages":"169","title":"Kritische und experimentelle Studien \u00fcber das Wiedererkennen","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:21:26.450215+00:00"}

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