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{"created":"2022-01-31T14:19:40.454229+00:00","id":"lit4181","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Higier, Heinrich","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 7: 232-297","fulltext":[{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden im Bereiche des Raumsinnes der Netzhaut.\nVon\nDr. Heinrich Higier1)\nin Warschau.\nZur experimentellen L\u00f6sung der Frage \u00fcber den Zusammenhang der verschiedenen psychophysischen Ma\u00dfmethoden scheint im Gro\u00dfen und Ganzen das Gebiet der extensiven Gr\u00f6\u00dfen, in dem Sinne wie es Fechner in den \u00bb Elementen \u00ab2) auffasst, am geeignetsten. Bei intensiven Reizen d\u00fcrfte nicht nur der st\u00f6rende Einfluss mannigfacher Fehler der Aufmerksamkeitsschwankungen, der Adaptations- und Erm\u00fcdungsverh\u00e4ltnisse der Sinnesorgane eine weit gr\u00f6\u00dfere Rolle spielen, sondern auch die Messung der intensiven Reizgr\u00f6\u00dfen kann meist keine so directe, ohne Zuh\u00fclfenahme theoretischer Voraussetzungen ausf\u00fchrbare sein, wie es bei extensiven der Fall ist. Man muss bei der Messung hie und da von Formeln Gebrauch machen, deren Richtigkeit durchaus noch nicht endg\u00fcltig entschieden ist, oder wir sind auf so rohe und primitive Messungsmethoden angewiesen, dass sie eine wissenschaftliche Verwerthung gar nicht gestatten.\nUeberdies sind die wichtigsten Sinnesgebiete, die es mit Reizintensit\u00e4ten zu thun haben, in den letzten 6 Jahren einer so gr\u00fcnd-\n1)\tDie folgenden Untersuchungen sind schon in einer in Dorpat 1890 erschienenen Dissertation mitgetheilt, aber f\u00fcr die vorliegende Ver\u00f6ffentlichung theils gek\u00fcrzt, theils in mehreren Punkten vom Verf. umgearbeitet worden.\nw. w.\n2)\tFechner, Elemente der Psychophysik I, S. 211.","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n233\nliehen und umfassenden Bearbeitung unterworfen worden, dass es schon aus diesem Grunde w\u00fcnschenswerther war, das im letzten Decennium wenig ber\u00fchrte Gebiet der extensiven Beize aufs Neue ins Auge zu fassen. Es musste um so anregender sein, als man hoffen konnte, an der Hand des Versuchsmaterials, neben der L\u00f6sung der Hauptaufgabe, auch \u00fcber die bisher noch unentschiedene Frage nach der G\u00fcltigkeit des psychophysischen Grundgesetzes, wie \u00fcber die Bichtung und relative Gr\u00f6\u00dfe der constanten Fehler n\u00e4here Aufschl\u00fcsse zu erhalten.\nVon den drei wichtigsten, unsere Eaumvorstellung \u00fcbermittelnden Sinnesgebieten \u2014 dem des Auges, der Haut und des Muskelapparates im engeren Sinne \u2014 eignen sich zur Entscheidung der Frage \u00fcber die -gegenseitige Stellung der Ma\u00dfmethoden die zwei letzteren weniger, als das erste, da die Fehlerquellen bei denselben theils zu wenig untersucht, wie beim Muskelsinne, theils zu mannigfacher und st\u00f6render Natur sind, wie beim Tastsinne.\nI. Methode und Technik der Versuche.\nZur Untersuchung wendete ich die Methode der mittleren Fehler und die der richtigen und falschen F\u00e4lle an, wobei die letztere in einer unten n\u00e4her zu besprechenden Weise mit dem Wundt\u2019schen Principe der Minimal\u00e4nderung \u2014 zur gleichzeitigen Eruirung der Unterschiedsschwelle \u2014 combinirt wurde. Es standen mithin als Ma\u00df der Unterschiedsempfindlichkeit : ein mittlerer variabler Fehler, ein Procentsatz richtiger F\u00e4lle resp. sein Pr\u00e4cisions-ma\u00df und ein eben merklicher Beizunterschied zu Gebote. Die bei intensiven Beizen schon mehrmals gepr\u00fcfte Methode der mittleren Abstufungen oder der \u00fcbermerklichen Unterschiede lie\u00df ich als sehr wenig empfehlenswerth bei extensiven Gr\u00f6\u00dfen unber\u00fccksichtigt1). Dagegen f\u00fchrte ich eine bestimmte Zahl von Versuchen nach der neuerdings von Merkel2) aufgestellten Methode der doppelten Beize aus. Ich versuchte sie sogar, auf den Vorschlag\n1)\tVgl. Kraepelin, Phil. Stud. VI, S. 513.\n2)\tEbenda IV, S. 545.\nWundt, Philos. Studien. VII.\n16","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nHeinrich Higier.\ndes Herrn Prof. Kraepelin, zur Methode der Multipla zu erweitern, bei welcher ein dem gegebenen Reize entsprechendes Vielfache gesucht werden sollte. Endlich ist eine bedeutende Zahl von Experimenten von mir speciell zum Zwecke der Pr\u00fcfung mancher Vertheilungsweisen der zweifelhaften und Gleichheitsf\u00e4lle nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle angestellt worden. .\nF\u00fcr die Ausf\u00fchrung der Versuche bedurfte ich eines Apparates, der die M\u00f6glichkeit hot, zwei um verschiedene fein variirbare Gr\u00f6\u00dfen differirende Distanzen zum Vergleich rasch und bequem einzustellen, wobei ber\u00fccksichtigt werden musste, dass die Einstellung der Vergleichsdistanz, je nach der angewandten Methode, von dem Ver-suchssubjecte resp. vom Gehilfen ausgef\u00fchrt wird. Die Vorrichtung konnte ziemlich einfach sein, da es in erster Linie weniger darauf ankam, die \u00e4u\u00dferen Versuchsbedingungen zu \u00e4ndern, als vielmehr aus einem gro\u00dfen Versuchsmaterial ohne Bedingungs Variationen die oben gestellten Fragen zu l\u00f6sen. Der zu diesem Zwecke nach den Angaben von Herrn Prof. Kraepelin construirte Apparat bestand aus einem mit dunklem Tuch \u00fcberzogenen Holzgestell, das als Tr\u00e4ger einer dicken horizontalen, etwa 3/4 Meter langen Spiegelglasschiene fungirte. Die letztere war auf der vorderen Fl\u00e4che mit mattem schwarzem Papier beklebt, aus welchem der ganzen L\u00e4nge nach eine feine, lf2 Millimeter breite Linie mit einem scharfen Messer herausgeschnitten war, so dass hier \u2014 und zwar nur hier \u2014 das Licht von au\u00dfen in den Apparat hineinfallen konnte. Auf diese Weise bot sich dem Beschauer, unter Abblendung jedes anderen Lichtes, eine feine nach Belieben hell erleuchtete Linie, auf welcher weiterhin die zu betrachtenden Strecken durch geeignete Vorrichtungen abgegrenzt werden konnten. Zu diesem Zwecke diente in erster Reihe ein von oben herabh\u00e4ngender, durch ein Gewicht gespannter und beliebig seitlich verschiebbarer, geschw\u00e4rzter, feiner, verticaler Draht, der unmittelbar der Glasplatte anlag, so dass von ihm nur das die Lichtlinie kreuzende Bruchst\u00fcck als senkrechter Trennungsstrich sichtbar war. Au\u00dferdem konnten von beiden Seiten her \u00fcber die Enden der Lichtlinie, und diese letzteren vollkommen verdeckend, genau regulirbare schwarze Schieber bis zur Mitte her\u00fcbergezogen werden, so dass zu beiden Seiten des","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"235\nExperimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\noben erw\u00e4hnten Drahtes ganz beliebig lange Strecken der Lichtlinie f\u00fcr das Auge des Beschauers frei blieben. An den einzelnen Schiebern waren oben Zeiger angebracht, die auf einem Ma\u00dfstab ihre gegenseitige Stellung ablesen lie\u00dfen. F\u00fcr das Experimentiren nach der Methode der mittleren Fehler war endlich noch ein zweiter verticaler Draht, genau gleich dem schon beschriebenen vorgesehen. Au\u00dferdem war die Einrichtung getroffen, dass je ein Yerticaldraht und der gleichseitige Schieber in einer beliebigen Entfernung von einander, an einer unsichtbar angebrachten horizontalen Spange festgeschraubt und mittelst dieser in horizontaler Richtung gleichzeitig verschoben werden konnten. Es war auf diese Weise m\u00f6glich, die eine der f\u00fcr jene Methode nothwendigen Yergleichsdistanzen in einen beliebigen Abstand von der anderen zu bringen, der nun weiterhin von der Versuchsperson, nach Ma\u00dfgabe der gestellten Aufgabe, eingestellt werden konnte. Diese Verschiebung einer fixirten Distanz war nach Belieben auf jeder Seite des Gesichtsfeldes bequem ausf\u00fchrbar. Alle Schieber konnten auch mittelst einer seitlich angebrachten Schraube verschoben werden. Dies geschah durch einen schwarzen, der Lichtlinie parallel verlaufenden Draht, der durch ein Gewicht horizontal zu spannen und an jedem Schieber festzuklemmen war, so dass es m\u00f6glich war, entweder einem Schieber allein, oder zweien zu gleicher Zeit die feineren Bewegungen durch die Schraube mitzutheilen. Die Schraubenmutter trug eine Thei-lung, so dass man noch 0,1 Millimeter genau abzulesen im Stande war.\nIn der Entfernung 50 cm vom Apparate befand sich ein kleines unbewegliches Gestell, an dessen oben h\u00e4lbringf\u00f6rmig angeordnetem Holzstreifen die Stirn, an dem unten grubenf\u00f6rmig sich vertiefendem gut ausgepolstertem Bogen das Kinn sich fest anlegen konnte. S\u00e4mmtliche Versuche sind mithin bei fixirtem Kopfe ausgef\u00fchrt worden. Wo keine speciellen Bemerkungen gemacht sind, wurde beim Experimentiren ausschlie\u00dflich das rechte Auge benutzt, dessen Blick in der Prim\u00e4rlage ungef\u00e4hr auf den Ber\u00fchrungspunkt der zu vergleichenden Linien fiel, wobei das linke Auge, eine schwarze undurchsichtige Brille tragend, ungest\u00f6rt in eine dunkle Fl\u00e4che seine Gesichtseindr\u00fccke projiciren, und die correspondiren-\u00fcen Bewegungen des anderen Auges mitausf\u00fchren konnte. Zeit-\n16*","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nHeinrich Higier.\nund Raumlagenfehler, wie auch Uebungs- und Erm\u00fcdungseinfl\u00fcsse sind in der bei jeder Methode \u00fcblichen Weise ber\u00fccksichtigt und eliminirt worden. Die meisten Versuche sind mit unbedeutenden Unterbrechungen zwischen Januar und November 1889 ausgef\u00fchrt worden; sie besch\u00e4ftigten mich fast t\u00e4glich 2\u20143 Stunden. Das Experimentiren nach der am meisten zeitraubenden Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle geschah gew\u00f6hnlich Vormittags, dasjenige nach den \u00fcbrigen Methoden Nachmittags, in einem hell und nicht blendend beleuchteten Zimmer des Dorpater physiologischen Institutes. Die eingehende ophthalmologische Untersuchung meiner Augen erwies bei vollkommen normaler Sehsch\u00e4rfe eine etwa 1,5 Dioptrien betragende latente Hyperm\u00e9tropie mit gleichzeitig bestehender schwacher Insufficienz des Internus.\nDa sich Niemand finden lie\u00df, der mir f\u00fcr den ganzen Zeitraum der Experimente beh\u00fclflich sein konnte, so war ich gezwungen, die gef\u00e4llige Unterst\u00fctzung Mehrerer in Anspruch zu nehmen. Besonders verpflichtet f\u00fchle ich mich den Herren Drr. Bertels und Falk, die die Manipulationen am Apparate ausf\u00fchrten und die Versuche regelm\u00e4\u00dfig registrirten.\nII. Methode der mittleren Fehler.\nF\u00fcr jede der nach dieser Methode untersuchten Distanzen (10, 20, 50, 100, 150, 200, 250 mm) wurden 500 Einzelbestimmungen, je 250 f\u00fcr linke [L] und rechte (R) Raumlage des Normalreizes ausgef\u00fchrt. Jeden Tag machte ich abwechselnd 50 Versuche bei rechter resp. linker Lage der Normaldistanz. Solch\u2019 eine Gruppe aus 50 zur selben Tageszeit vollf\u00fchrten Versuchen bestand aus zwei Reihen (= Fractionen), deren eine absteigend |, von einem deutlich kleineren Reize als der gegebene ausgehend, deren andere aufsteigend I ging- Jedem \u00bbaufsteigenden\u00ab Versuche folgt ein \u00bbabsteigender\u00ab und umgekehrt, so dass alle Versuche in der Reihenfolge der geraden Zahlen der einen, die der ungeraden der anderen Fraction zugez\u00e4hlt wurden. Bei dieser Anordnungsweise lie\u00dfen sich am sichersten die Fehler gleichm\u00e4\u00dfig vertheilen und im Durchschnittsresultate eliminiren. Nach zehnt\u00e4gigem Experimentiren konnten mithin f\u00fcr jede Distanz 500 Versuche in Fractionen aus je","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n237\n25 mit gleichm\u00e4\u00dfig f\u00fcr R und L, f und I vertheilten Fehlern geliefert werden. F\u00fcr die Zahlen der einzelnen Fractionen bestimmte ich zun\u00e4chst ihre rohen variablen Fehler, von deren Mittel ausgehend sich die reinen Fehler ausrechnen lie\u00dfen. Das Mittel solcher 25 Fehler gab den mittleren variablen Fehler der entsprechenden Reihe an. Das arithmetische Mittel der 20 auf diese Weise berechneten constanten und variablen Fehler stellte eben den mittleren constanten und variablen Fehler der untersuchten Distanz dar, wobei als Raumeinheit in allen Reihen das Millimeter zu Grunde gelegt wurde. Die reciproken Werthe der mittleren variablen Fehler dienen bekanntlich, analog den reciproken Unterschiedsschwellen, als Ma\u00df der Empfindlichkeit.\nEs folgen die Versuchsreihen, von welchen ich in erster Linie das Verh\u00e4ltniss der variablen Fehler (J) zu den zugeh\u00f6rigen Distanzen1) anf\u00fchre, d. h. denjenigen variablen Fehler, welcher der Distanzeinheit in einem Versuche entspricht.\nTabelle I.\na\t10\t20\t50\t100\t150\t200\t250\n4\t0,3245\t0,6085\t0,8673\t1,8791\t3,3744\t5,1103\t6,8357\n4 a\t0,0324\t0,0304\t0,0173\t0,0188\t0,0225\t0,0255\t0,0273\nAus dieser kurzen Tabelle leuchtet ein, dass die variablen Fehler zwar mit den Distanzen wachsen, aber nicht proportional, wie es das Weher\u2019sche Gesetz fordert, wobei das Verh\u00e4ltniss des\nvariablen Fehlers zur Normaldistanz \u2014 bei 10 mm sein Maximum\na\nerreicht. Bei 20 ist das Verh\u00e4ltniss schon kleiner; bedeutend kleiner, fast um das Doppelte, ist es bei 50, von welchem Punkte an es wieder ansteigt und, stetig wachsend bei dem letztuntersuchten Reize 250 ein zweites Maximum erreicht, das etwa um ein Viertel kleiner ist,\n1) Die Normaldistanzen sollen im Folgenden mit a, die Fehldistanzen mit a, die Distanzunterschiede mit D bezeichnet werden.","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nHeinrich Higier.\nals das fr\u00fcher erw\u00e4hnte. Wir haben mithin in der untersuchten Reizscala 2 Maxima an den Grenzreizen und ein Minimum in der Mitte (bei 50 mm), d. h. die Unterschiedsempfindlichkeit erreicht ihr Maximum bei 50, f\u00fcr die nach ab- und aufw\u00e4rts liegenden Distanzen sinkt sie ziemlich bedeutend, wobei sie am geringsten bei 10 und 250 ausf\u00e4llt. Man darf jedoch nicht annehmen, dass die Empfindlichkeit ihr Maximum und ihre Minima genau an den erw\u00e4hnten Punkten erreicht, da alle Reize zwischen 20 und 100 (excl. 50), als auch die vor 10 und nach 250 ununtersucht blieben. Wir haben eher, angesichts der strengen Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit im Ansteigen und Abfallen der Unterschiedsempfindlichkeit, wohl das Recht zu vermuthen, dass sie jenseits der untersuchten Grenzdistanzen noch st\u00e4rker sinkt. Was das Maximum anbelangt, so l\u00e4sst sich nur soviel mit Bestimmtheit sagen, dass es zwischen 20 und 100 liegt. Das Weber\u2019sche Gesetz muss also f\u00fcr die Augenma\u00dfversuche als nicht geltend angesehen werden. Auf die Volk-mann\u2019sche1) Pr\u00fcfungsweise seiner G\u00fcltigkeit, die sp\u00e4ter vonFech-ner in der \u00bb Revision \u00ab durch die Einf\u00fchrung des wahrscheinlichsten Werthes des mittleren variablen Fehlers corrigirt wurde, lohnt es nicht einzugehen, da sie bei ziemlicher Umst\u00e4ndlichkeit keine pr\u00e4ciseren Resultate zu bieten vermag. Das regelm\u00e4\u00dfige Ansteigen und Abfallen der Curve einerseits und die bedeutenden Abweichungen von der theoretischen Weber\u2019 sehen Linie andererseits machen es unwahrscheinlich, dass es sich hier um blo\u00df unausgeglichene Zuf\u00e4lligkeiten handele.\nVerh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig am meisten Uebereinstimmung zeigt unser Resultat mit dem von Chodin2). Es m\u00f6gen hier zwei seiner Reihen zum Vergleich mit den unseren angef\u00fchrt sein. Diese Reihen enthalten die Werthe der durch die Distanz dividirten mittleren variablen Fehler.\n1)\tPhysiologische Untersuchungen im Gebiete der Optik. 1863, I, S. 122.\n2)\tArchiv f\u00fcr Ophthalmologie XXIII, S. 92.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\t239\nTabelle I\u00ce.\nAbgesehen von der individuell verschiedenen Empfindlichkeit zeigt sich im allgemeinen derselbe Gang: \u00bbmit wachsendem Reize ein erst abnehmender, dann mit weiterem Wachsen ein wieder zunehmender Werth des Quotienten\u00ab. Ber\u00fccksichtigen wir die That-sache, dass die von Chodin untersuchte Reizscala ihre Grenzen bei 2,5 und 160 mm fand, so wird seine auf Grund der Versuchs ergeb-nisse ausgesprochene Meinung: \u00bb\u00fcberhaupt kann man sagen, dass die Sch\u00e4tzungssch\u00e4rfe f\u00fcr gro\u00dfe Distanzen geringer ist, als f\u00fcr mittlere, und gr\u00f6\u00dfer als f\u00fcr kleinere\u00ab auch f\u00fcr unsere Versuche geltend gemacht werden k\u00f6nnen.\nDie Nicht\u00fcbereinstimmung der Versuchsresultate mit denen Volkmann\u2019s1) und Fechner\u2019s2), bei denen bekanntlich sich die volle G\u00fcltigkeit des psychophysischen Gesetzes hera\u00fcsstellte, schien mir zuerst nicht so sehr befremdend, da, wie ich glaubte, das benutzte monoculare Verfahren m\u00f6glicherweise einige constante Abweichungen involviren und in Folge der unvollkommenen Elimination eben dieser Fehler das Resultat modificiren k\u00f6nnte, worauf auch Fechner in der Revision und in seiner Kritik3) gegen Lorenz aufmerksam macht, indem er die Ursache der weniger gesetzm\u00e4\u00dfigen Resultate seiner einh\u00e4ndigen Gewichtsversuche gegen\u00fcber denen der zweih\u00e4ndigen er\u00f6rtert. Gerade durch die Nicht\u00fcbereinstimmung jener binocularen mit meinen monocularen Versuchen veranlasst, untersuchte ich, wie sich die variablen Fehler\n1)\tPhysiol. Untersuchungen etc. I, S. 117.\n2)\tElemente der Psychophysik I, S. 214.\n3)\tIn Sachen des Zeitsinnes und der Methode der richtigen und falschen Palle gegen Estel und Lorenz. Philos. Stud. Ill, S. 15 ff.","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nHeinrich Higier.\nspeciell bei linker resp. rechter Raumlage der Normaldistanz verhalten , da es doch denkbar w\u00e4re, dass das Resultat einer Seite ann\u00e4hernd dem Weber\u2019sehen Gesetz folgt, w\u00e4hrend das der anderen gar nicht mit demselben iibereinstimmt und auf diese Weise das Gesammtresultat tr\u00fcbt. Um so mehr hielt ich das f\u00fcr m\u00f6glich, trotzdem es bekannt ist, dass die Raumlage im allgemeinen nur auf den constanten Fehler einen Einfluss aus\u00fcbt, da es wahrscheinlich schien (s. unten), dass der variable Fehler meiner Versuche gewisserma\u00dfen vom constanten beeinflusst wird1).\nDass aber keine der Componenten des Endresultates eine strenge Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit aufweist, zeigt die nun folgende Tabelle, in der die Verh\u00e4ltnisse der verschiedenen Raumlagen und Steigungstypen angef\u00fchrt sind.\nTabelle III.\na\t10\t20\t50\t100\t150\t200\t250\nJl. a\t0,0156\t0,0164\t0,0093\t0,0095\t0,0113\t0,0135\t0,0142\n4r. a\t0,0167\t0,0139\t0,0080\t0,0092\t0,0111\t0,0120\t0,0131\na\t0,0173\t0,0159\t0,0097\t0,0099\t0,0109\t0,0124\t0,0132\na\t0,0150\t0,0144\t0,0076\t0,0088\t0,0115\t0,0130\t0,0141\nWir sehen die variablen Fehler mit der Distanz \u00fcberall wachsen. Die \u2014 sind aber auch hier keineswegs constant, sondern\nO/\nzeigen denselben Gang wie die Gesammtfehler : eine Abh\u00e4ngigkeit des relativen Werth es des Quotienten von der absoluten Distanzgr\u00f6\u00dfe. Auch hier finden sich die einzelnen Maxima an den Grenzf\u00e4llen, das Minimum bei 50 mm.\nNoch zwei Punkte sind vorl\u00e4ufig zu erw\u00e4hnen, die sich sp\u00e4ter bei der Betrachtung der constanten Fehler am zweck-\n1) Vgl. Fechner, Revision der Hauptpunkte der Psychophysik S. 108.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\t241\nm\u00e4\u00dfigsten werden discutiren lassen. 1) Der reine variable Fehler ist fast durchweg bei linker Lage der Normaldistanz \u2014\u2014 gr\u00f6\u00dfer als bei rechter , die Unterschiedsempfindlichkeit mit-\nhin bei linkseitiger Einstellung der Fehldistanz gr\u00f6\u00dfer. 2) Der variable Fehler f\u00e4llt verschieden aus, je nachdem wir die Fehldistanz einstellen, von einer \u00fcbermerklich kleineren oder gr\u00f6\u00dferen Distanz ausgehend: er ist bei kleinen Reizen gr\u00f6\u00dfer im absteigenden als im aufsteigenden Typus, bei gr\u00f6\u00dferen umgekehrt. Ist mithin eine kleine Distanz gegeben und wird eine ihr gleich gro\u00dfe gesucht, so erf\u00fcllen wir diese Forderung mit gr\u00f6\u00dferer Pr\u00e4-cision, mit einer geringeren Variabilit\u00e4t der Einzelsch\u00e4tzungen, wenn wir bei der Einstellung von einer bedeutend kleineren, als wenn wir von einer gr\u00f6\u00dferen (als der Normaldistanz) ausgehen. Umgekehrt verh\u00e4lt sich die Sache bei gr\u00f6\u00dferen Distanzen.\nIn den \u00fcbrigen Arbeiten, die sich weniger mit der Frage \u00fcber die G\u00fcltigkeit des Weber\u2019sehen Gesetzes besch\u00e4ftigen, vermisst man entsprechende Versuchsreihen und Tabellen, die sich zum Vergleich mit den meinigen eignen k\u00f6nnten. Auch sind bei manchen derselben die Bedingungen \u00e4hnlich den bei Volkmann und Cho-din: binocular mit oder ohne Ausschluss der Kopf- und Augenbewegungen. Dagegen fand ich bei M\u00fcnsterberg1), der den Einfluss der verschiedenen Versuchs Variationen auf die Gr\u00f6\u00dfe und Richtung der variablen Fehler studirte, eine mehr oder weniger mit unseren Reihen vergleichbare Tabelle aus Versuchen mit rechtem frei beweglichem Auge. Sie ist nur in Bezug auf die variablen Fehler vergleichbar, da die constanten schon ziemlich beeinflusst sein k\u00f6nnten, beispielsweise durch die Thatsachen, dass bei ihm horizontale Punktdistanzen, bei mir horizontale Linien zum Vergleich herangezogen wurden, ferner durch die ein wenig diffe-rirende Entfernung des Auges vom Apparate (bei ihm 600, bei mir 500 mm), durch die verschieden gro\u00dfe Versuchszahl (bei ihm 20, bei mir 500) etc. Versuchstabellen mit horizontalen Liniendistanzen fand ich zwischen seinen vielen Bedingungs\u00e4nderungen leider nur\n1) Beitr\u00e4ge zur experim. Psych. 1889, II, 159, Tab. II.","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nHeinrich Higier.\neine binoculare (ohne Angabe der Details der einzelnen Distanzen), so dass ihr Vergleich mit meiner schwer durchf\u00fchrbar w\u00e4re.\nIn der nun folgenden Tabelle sind die mittleren variablen Verh\u00e4ltnissfehler (aus M\u00fcnsterberg\u2019s und meiner Tab. II), wie auch die Abweichung jedes dieser Werthe von einem berechneten Durchschnittswerthe in Procenten der Normaldistanz angef\u00fchrt, wobei nur eine Decimalstelle ber\u00fccksichtigt wurde.\nTabelle IV.\na\t10\t20\t50\t100\t150\t200\tMittel\n4m\t3,0\t2,0\t1,4\t3,0\t2,3\t1,9\t2,30 X\n4h\t3,2\t3,0\t1,7\t1,9\t2,2\t2,5\t2,41 X\nMittl. Abweich, m\t0,7\t0,3\t0,9\t0,7\t0,0\t0,4\t0,50 X\nMittl. Abweich, h\t0,8\t0,6\t0,7\t0,5\t0,2\t0,1\t0,49 X\nDie variablen Fehler der einzelnen Distanzen, die mittleren Abweichungen, wie auch ihre Durchschnitte (2,30\u20142,41, 0,50 bis 0,49^) zeigen ziemlich \u00fcbereinstimmende Werthe, was auf dieselbe durchschnittliche Empfindlichkeit hinweisen w\u00fcrde. Es bleibt aber um so unverst\u00e4ndlicher, mit welchem Rechte M\u00fcnsterberg aus seinen Versuchen auf die G\u00fcltigkeit des Weber\u2019schen Gesetzes zur\u00fcckschlie\u00dft. Wenn auch Fechner, M\u00fcller und Wundt in manchen der Chodin\u2019sehen Reihen eher eine Best\u00e4tigung als Widerlegung des Weber\u2019schen Gesetzes zulassen, so thun sie es doch nur f\u00fcr einen bestimmten Theil der untersuchten Reizscala, wo die Differenzen zwischen den einzelnen relativen variablen Fehlem ver-h\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig klein sind (wie 1/64\u20141/76, oder 1/i8\u2014V60).\nStimmen wir mit der von M\u00fcnsterberg ausgesprochenen Meinung \u00fcberein, \u00bbdass selbstverst\u00e4ndlich die Schwankungen um den procentischen Durchschnittsschwellenwerth mit der Complication der experimentellen Bedingungen, wie bei monocularem fixirten Sehen u. s. w. zunehmen\u00ab, so werden wir kaum mit Recht annehmen d\u00fcrfen, dass die meisten seiner \u00fcbrigen, bei viel ungew\u00f6hnlicheren Sehbedingungen ausgef\u00fchrten Sch\u00e4tzungen eine, wenn auch nur","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n243\n\u00bbf\u00fcr die Empirie ausreichende G\u00fcltigkeit des Web er\u2019sehen Gesetzes\u00ab aufzuweisen im Stande sind.\nWenden wir uns nun dem constanten Fehler zu, um nach genauerer Betrachtung seine Stellung zum mittleren variablen Fehler n\u00e4her zu beleuchten. Es ist kaum n\u00f6thig hervorzuheben, dass theoretisch das Mittel einer ganzen Versuchsreihe seiner Natur nach schon frei von allen den zuf\u00e4lligen Fehlern ist, die jedem einzelnen Gliede der Sch\u00e4tzungsreihe anhaften. Ob der mittlere constante Fehler von allen Versuchen ein scheinbarer oder wahrer ist \u2014 im Sinne Wundt\u2019s1) und Fechner\u2019s \u2014 l\u00e4sst sich, abgesehen von der sehr genauen aber ziemlich umst\u00e4ndlichen Berechnung des wahrscheinlichsten Fehlers einer mittleren Beobachtungsreihe aus den Beobachtungsfehlern, noch auf die einfache Weise zeigen, dass der wahre constante Fehler (C) durch alle Fractionen dasselbe Vorzeichen beh\u00e4lt. Ich will daher der folgenden Tabelle die Bemerkung vorausschicken, dass die G = a\u2014a in allen Fractionen fast ausnahmslos dasselbe Vorzeichen behielten, so dass es keinem Zweifel unterliegen kann, dass der constante Fehler kein scheinbarer ist, worauf man schon etwa aus der Constanz desselben Vorzeichens bei fast allen untersuchten Distanzen schlie\u00dfen k\u00f6nnte. Ich habe auch zur Controlle die wahrscheinlichen Fehler der Fehldistanzen ausgerechnet und sie tabellarisch zusammengestellt (s. unten). Die absoluten constanten Fehler in Millimetern zeigt die Tabelle V.\nTabelle V.\na\t10\t20\t50\t100\t150\t200\t250\nCl.\t0,132\t0,623\t0,736\t4,196\t5,865\t15,022\t26,255\nCr.\t\u2014 0,178\t0,070\t0,210\t1,031\t1,485\t6,532\t10,576\nc\\\t\u2014 0,018\t0,444\t0,821\t3,439\t3,618\t10,974\t19,327\nC |\t\u2014 0,028\t0,249\t0,125\t1,788\t3,732\t10,580\t17,504\nC\t\u2014 0,023\t0,346\t0,473\t2,613\t3,675\t10,777\t18,415\nBeim Betrachten derselben \u00fcberzeugen wir uns: 1) dass der constante Fehler, mit Ausnahme einer Distanz, positiv ist, d. h. das\n1) Psysiologische Psychologie I?, 8. 352.","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nHeinrich Higier.\nactiv eingestellte a! ist gr\u00f6\u00dfer als das gegebene a : wir untersch\u00e4tzten die von uns eingestellte Fehldistanz. Eine Ausnahme macht die Distanz 10 und vielleicht auch die unterhalb derselben liegenden. 2) Die durchschnittlichen const. Fehler C wachsen mit\nC\nder Distanz ganz disproportional, wie die Reihe \u2014 der Tabelle VI\nzeigt, welche den eine Distanzeinheit begleitenden const. Fehler enth\u00e4lt.\nTabelle VI.\na\t10\t20\t50\t100\t150\t200\t250\n4 a\t0,0324\t0,0304\t0,0173\t0,0188\t0,0225 \u00bb\t0,0255\t0,0273\nC a\t\u20140,0023\t0,0173\t0,0095\t0,0261\t0,0245\t0,0539\t0,0737\n3) Was die Eigenth\u00fcmlichkeiten des constanten Fehlers in Bezug auf die Raumlage betrifft (s. Tab. V), so wiederholt sich auch hier das beim variablen Fehler Beobachtete: Cl{\u2014 <i'b \u2014 <*) ist ausnahmslos bedeutend gr\u00f6\u00dfer als das entsprechende Ce. Ich \u00fcbersch\u00e4tze mithin die linksliegende Normaldistanz immer mehr als die rechtsliegende \u2014 ganz abgesehen davon, ob sie verh\u00e4ltniss-m\u00e4\u00dfig gro\u00df oder klein ist. Eine analoge constante Uebersch\u00e4tzung, bei monocularem Sehen, der dem benutzten Auge heteronomen Seite ist Aubert1) und Kundt2) aufgefallen, wenn auch dieselben im allgemeinen mit kleineren Distanzen als ich operirten. 4) Beim ab- wie auch aufsteigenden Versuchsverfahren \u00fcbersch\u00e4tze ich die Hauptdistanz, oder untersch\u00e4tze die activ eingestellte Vergleichsdistanz, und zwar st\u00e4rker beim absteigenden, eine Erscheinung, die auch auf anderen Sinnesgebieten nicht selten zur Beobachtung kommt und zu verschiedenartigen Erkl\u00e4rungsversuchen Anlass gegeben hat3).\nAngesichts der sich regelm\u00e4\u00dfig in allen Reihen wiederholenden\n1)\tAubert, Physiologie der Netzhaut S. 263ff.\n2)\tKundt, Untersuchungen \u00fcber Augenma\u00df und optische T\u00e4uschungen. Poggendorff\u2019s Annalen d. Physik CXX, S. 118.\n3)\tVgl. G. Martius, Phil. Stud. V, S, 608.","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\t245\nUntersch\u00e4tzung der Fehldistanz war es w\u00fcnschenswerth, die Sicherheit der Resultate einer genaueren Pr\u00fcfung zu unterwerfen und durch die Ausrechnung des wahrscheinlichen Fehlers der mittleren Fehldistanz einen sicheren Hinweis auf den Charakter des constanten Fehlers zu gewinnen. Zur Feststellung des wahrscheinlichen Fehlers benutzte ich, statt die einzelnen Abweichungen von dem Mittel zu quadriren, die von Fechner1) angegebene einfachere Formel.\n1 1955 2d\nIn der Formel W = \u2014\t- bezeichnet w den wahrschein-\nn V 2 n\u2014 1\nliehen Fehler von C, n die Versuchszahl jeder einzelnen Fraction, die Summe aus s\u00e4mmtlichen Abweichungen der Einzelbeobachtungen vom Durchschnittswerthe, d. h. die Summe der reinen variablen Fehler. Da diese Formel den wahrscheinlichen Fehler nur der einzelnen Fraction berechnet, so muss der Mittelwerth aller 20 Fractionen genommen werden, um den gesuchten Werth aufzufinden. Die in dieser Weise ausgerechneten Zahlen sind in der Tabelle VII zusammengestellt, wobei ich um des bequemeren Vergleiches willen die absoluten Werthe der C, wie auch die in Pro-centen des constanten Fehlers ausgedr\u00fcckten wahrscheinlichen Abweichungen nebenbei anf\u00fchre.\nTabelle VII.\na\t10\t20\t50\t100\t150\t200\t250\nw\t0,055\t0,104\t0,147\t0,319\t0,573\t0,868\t1,162\nc\t0,023\t0,316\t0,473\t2,613\t3,675\t10,777\t18,415\no o\t239\t30\t31\t12\t15\t8\t6\nEs l\u00e4sst sich wohl ohne Weiteres aus der Tabelle erkennen, dass die wahrscheinlichen Fehler der gefundenen Fehldistanzen oder ihrer constanten Fehler verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig klein sind \u2014 ausgenommen ist die Distanz 10 \u2014, dass wir also mit \u00fcberwiegender Wahrscheinlichkeit den constanten Fehler als einen \u00bbwahren\u00ab betrachten m\u00fcssen. Es ist anzunehmen, dass ein solcher auch bei der\n1) Jubelband von Poggendorff\u2019s Ann., S. 73.","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nHeinrich Higier.\nDistanz 10 vorhanden ist, und nur durch einen hinzugekommenen scheinbaren, von unausgeglichenen Zuf\u00e4lligkeiten abh\u00e4ngigen con-stanten Fehler vollst\u00e4ndig verdeckt wird. Dass solche zuf\u00e4llige Fehlerquellen verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig am st\u00e4rksten an und f\u00fcr sich kleine Distanzen beeinflussen, ist insofern verst\u00e4ndlich, als nur hei solchen die Einstellung wie Ablesung der Fehldistanzen sehr gro\u00dfen Schwankungen unterliegt. Auf die Ursachen des constanten Fehlers werde ich sp\u00e4ter hei der Vergleichung mit den Resultaten der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle n\u00e4her eingehen.\nIII. Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle.\nIch untersuchte nach dieser Methode nur solche Distanzen, bei welchen die Einstellung der Vergleichsreize vom Registrator, ohne Zuhilfenahme der Mikrometerschraube, geschehen konnte, und zwar 50, 100, 150, 200 mm. Bei allen Hauptdistanzen (a) wurden Versuche mit einer gr\u00f6\u00dferen Anzahl ober- und unterhalb liegender Vergleichsdistanzen (\u00ab') angestellt: ich combinirte also \u2014 wie oben erw\u00e4hnt \u2014 die Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle mit dem Principe der Minimal\u00e4nderungen, bei dem bekanntlich das eine Mal eine zu kleine, die Unterschiedsschwelle unterschreitende positive oder negative Reizdifferenz bis zur Grenze vergr\u00f6\u00dfert wird, wo die Merklichkeit beginnt, oder sogar \u00fcberschritten wird, das andere Mal eine zu gro\u00dfe, die Unterschiedsschwelle \u00fcberschreitende Differenz solange verkleinert, bis sie unmerklich wird. Die Ver-\n1 2\ngleichsdistanzen a' waren mithin d \u2014 a \u00b1 \u2014 a, a zt \u2014 a, a \u00b1\n3\n\u2014 a u. 's. w., wobei ich mich mit je f\u00fcnf beiderseits liegenden n\nAbstufungen begn\u00fcgte. Die letzteren waren bei allen Distanzen dieselben, n\u00e4mlich: 1, 2, 3, 4, 5 Hundertstel der untersuchten Distanz. Diese ganze Scala von Vergleichsreizen f\u00fcllte also in sehr kleinen gleichm\u00e4\u00dfigen Abstufungen das Gebiet vom Gleichheitspunkte bis zum Uebermerklichkeitspunkte beinahe ganz aus.\nZur Eliminirung constanter Fehler der Zeit- resp. Raumlage wurde abwechselnd die eine Versuchsreihe mit positiven Reizdifferenzen \u2014 wo die Vergleichsdistanz gr\u00f6\u00dfer als die Hauptdistanz war \u2014 die andere mit negativen begonnen. Denjenigen Versuchs-","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\t247\ntypus, wo die Variable sich stufenweise vergr\u00f6\u00dfert, bezeichne ich als aufsteigenden, wo sie sich verkleinert als absteigenden. Auch wurde daf\u00fcr gesorgt, dass t\u00e4glich die Raumlage der Normaldistanz gewechselt wurde. Diejenigen F\u00e4lle in der Sch\u00e4tzungsreihe, wo der Haupt- und Vergleichsreiz einander gleich waren, sind bei einigen untersuchten Distanzen ganz ausgelassen worden, obwohl, wie ich mich sp\u00e4ter \u00fcberzeugen konnte, die Resultate \u00fcbersichtlicher beim Nichtauslassen derselben sein k\u00f6nnten.\nBeim Sch\u00e4tzen sind die sog. zweifelhaften und Gleichheitsf\u00e4lle nach dem Vorschlag von Jastrow1) nicht zugelassen worden. Das Urtheil musste also immer \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab oder \u00bbkleiner\u00ab lauten. Das Verbannen der Gleichheitsurtheile war theilweise die Ursache, warum ich die Abstufung \u00ab' \u2014 a = D \u2014 0 nicht bei allen Distanzen zulie\u00df, es war n\u00e4mlich vorauszusehen, dass in dem Falle, wo eine objective Gleichheit der Reize vorliegt, wo mithin die Sch\u00e4tzung gew\u00f6hnlich am zweifelhaftesten ist, einige Schwierigkeiten beim schnellen, mittelst der Metronomschl\u00e4ge regulirten und nur etwa 1 Secunde dauernden Urtheilen auftreten w\u00fcrden.\nDie Versuchszahl f\u00fcr jede Reizabstufung war 320, und zwar je 160 f\u00fcr rechts und links; f\u00fcr jede Distanz also 3200 Einzelbestimmungen. Da aber die erhaltenen Resultate manches Auffallende darboten, so glaubte ich vielleicht doch nicht vollst\u00e4ndig die zuf\u00e4lligen Fehlerquellen compensirt zu haben und stellte daher nach Beendigung dieser \u2014 ich nenne sie \u00bbprim\u00e4re\u00ab \u2014 Versuchsgruppen noch andere erg\u00e4nzende \u00bbErg\u00e4nzungsgruppen\u00ab an, welche sich von der prim\u00e4ren nur durch die Versuchszahl unterschieden, die hier f\u00fcr jede Distanz nur die H\u00e4lfte betrug. Es sind also, abgesehen von den Versuchen mit Zulassung von Gleichheitsf\u00e4llen, nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle 480 Sch\u00e4tzungen bei jeder Distanzabstufung, 4800 bei jeder Distanz (5040 bei denjenigen Distanzen, wo auch Vexirversuche vorhanden waren) ausgef\u00fchrt worden. Nach jeder Versuchsreihe (aus 20 Sch\u00e4tzungen) wurde eine kurze Pause gemacht, nach je 4 Reihen, die ich Versuchsgruppe nenne, eine viel l\u00e4ngere etwa 10 Minuten dauernde Pause,\n1) American Journal of Psychology Vol. I, S. 271 ff. Vgl. Kraepelin Phil. Stud. VI, S. 496.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nHeinrich Higier.\nso dass die Netzhaut wie auch der Muskelapparat des Auges sich zu jeder Zeit gen\u00fcgend erholen, und die Versuche durch die Erm\u00fcdung nicht wesentlich gest\u00f6rt werden konnten. T\u00e4glich sind im Verlauf von 11/2\u2014:2 Stunden 5 Versuchsgruppen ausgef\u00fchrt worden.\nDie Resultate nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle sollen nun haupts\u00e4chlich auf folgende Punkte untersucht werden: 1) auf den Einfluss mancher eliminirbarer Fehlerquellen (Uebung, Erm\u00fcdung, linke und rechte Raumlage etc.), 2) auf die Constanz der t% d. h. des Procentsatzes richtiger F\u00e4lle bei ver-h\u00e4ltnissgleichem B, 3) auf die Abweichungen der gefundenen hB-Curve von der der Fechner\u2019schen Fundamentaltabelle, 4) auf die Constanz des Productes der Reizdifferenz in ihr Fechner\u2019sches Pr\u00e4cisionsma\u00df, wie der Reize in ihre M\u00fcll er\u2019sehen Pr\u00e4cisionsma\u00dfe, 5) auf den Gang der wahrscheinlichen Fehler der verschiedenen Reize und Reizdifferenzen, 6) auf die Uebereinstimmung mit den variablen und constanten Fehlern der Methode der mittleren Fehler, 7) auf den Versuch einer Berechnung des eben merklichen und eben unmerklichen Reizunterschiedes, 8) auf die wahrscheinlichen Ursachen der constanten Fehler und endlich 9) auf den Versuch einer experimentellen L\u00f6sung der Frage \u00fcber die verschiedenen Theilungsprincipien der zweifelhaften resp. gleichen Urtheilsf\u00e4lle.\nEs folgen die Versuchsreihen, wo in erster Linie die Zahl der unmittelbar aus den Versuchen sich ergebenden richtigen Urtheile, in Procenten ausgedr\u00fcckt, betrachtet werden soll.","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc,\n249\nGO CO i\u00df CO CO\nGO O GN\tXO\nO 05 CO cc\nO CO 00 CO co\nCO IO I\u00df \u00bbf o\nCO QO 05\t05\nCO\nco oo os os\n\u00bbO -rH <m <m\nco co cd co\nCD\tCO\nCO 00 CO 05\n<M O\nOS OS 05\t05 OS\n00 OS OS OS OS\no\trjt oo 00\n00 co 00 OS OS\nN fO ^ i\u00df\ni\u00df ^ co \u00dft\nWundt, Philos. Studien, VII,\n17","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nHeinrich Himer.\nBeim Anblick der Tabelle f\u00e4llt sogleich auf, dass die zeitlich bedeutend sp\u00e4ter ausgef\u00fchrten Erg\u00e4nzungsversuche im Gro\u00dfen und Ganzen wenig von den prim\u00e4ren abweichende Resultate liefern. Der durchschnittliche Procentsatz in der letzten Horizontalreihe lie\u00dfe vielleicht auf eine im Laufe der Zeit etwas zugenommene Uebung schlie\u00dfen (analog den Controllversuchen nach der Methode der mittleren Fehler). Wir k\u00f6nnen also im Folgenden, ohne einen erheblichen Fehler zu begehen, \u00fcberall von den Durchschnitten dieser zeitlich auseinanderliegenden Versuche Gebrauch machen.\nDie Frage \u00fcber den Einfluss der Uebung und Erm\u00fcdung auf die Reihen jedes einzelnen Tages versuchte ich in der Weise zu beantworten, dass ich speciell die r% der ersten H\u00e4lfte der t\u00e4glich gemachten Versuche, wie auch die der zweiten ausrechnete, und die erhaltenen Zahlenreihen mit einander verglich. Sollten die erw\u00e4hnten Momente auf die Sch\u00e4tzung einen Einfluss aus\u00fcben, so m\u00fcsste er selbstverst\u00e4ndlich am gr\u00f6\u00dften bei der zweiten Versuchsh\u00e4lfte sein, wo voraussichtlich die periphere resp. centrale Erm\u00fcdung, wie auch die ihr antagonistisch wirkende Uebung, das Maximum erreichend, aus den Versuchszahlen registrirt werden k\u00f6nnen.\nTabelle IX.\n\t50\t\t100\t\t150\t\t200\t\n\tI.\tII.\tI.\tII.\tI.\tII.\tI.\tII.\n1. Abstuf.\t65,2\t65,8\t64,6\t62,7\t67,5\t60,2\t62,7\t65,0\n2. -\t76,9\t75,4\t76,2\t77,1\t70,6\t72,7\t68,3\t69,2\n3.\t-\t84,0\t84,8\t79,8\t79,2\t79,2\t80,2\t75,8\t76,7\n4.\t-\t89,4\t92,2\t86,9\t89,6\t86,9\t87,5\t82,9\t83,3\n5.\t-\t94,0\t94,6\t93,6\t92,7\t94,8\t91,9\t84,8\t88,9\nMittel\t81,9\t82,4\t80,2\t80,2\t79,8\t78,5\t74,9\t76,6\n\t+\t0,5\t0\t\t\u2014\t1,3\t+\t1,1\nIn der Tabelle sind die Durchschnitte von den gleichnamigen positiven und negativen Abstufungen angef\u00fchrt, wobei unter den Rubriken I und II die r% der ersten und zweiten H\u00e4lfte des t\u00e4g-","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methode etc.\n251\nlieh gewonnenen Versuchsmaterials sich finden. Die Differenz der r% beider Versuchsh\u00e4lften zeigt im Durchschnitte hei all\u2019 den untersuchten Distanzen sehr kleine Zahlen (\u00b1 1,5#), an deren Verlaufe keine Regelm\u00e4\u00dfigkeit nachzuweisen ist, da sie abwechselnd positiv, null oder negativ wird. Das Mittel aller r% der I. Rubriken ergibt beim Vergleichen mit dem der II. fast ganz dieselbe Zahl : 79,2 und 79,4#, so dass bei den einfachen Augenma\u00dfversuchen kein st\u00f6render resp. beg\u00fcnstigender Einfluss der Erm\u00fcdung und \u00fcebung anzunehmen ist. Uebrigens war auch durch die Versuchsanordnung selbst in ausgibiger Weise auf die Elimination ihres Einflusses R\u00fccksicht genommen.\nBedeutend anders verh\u00e4lt sich die Sache mit dem Einfl\u00fcsse der Raumlage und Zeitfolge der Reizeinwirkung (wenn auch die extensiven Reize als simultane aufgefasst werden). Die Beziehung zwischen der Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzung bei linker und rechter Normallage l\u00e4sst sich ziemlich leicht aus der folgenden Tabelle ersehen, xvo, wie schon in der vorigen Tabelle, die Durchschnittsprocente aus den prim\u00e4ren und Erg\u00e4nzungsversuchen angef\u00fchrt sind.\nTabelle X.\nL.\tIt.\nD\t50\t100\t150\t200\t50\t100\t150\t200\n0,05 a\t81,25\t84,99\t86,25\t69,37\t99,12\t93,62\t94,06\t87,18\n0,04 a\t71,25\t76,25\t70,62\t64,69\t96,25\t85,93\t90,31\t81,87\n0,03 a\t55,00\t59,49\t62,50\t52,50\t94,17\t80,00\t81,25\t76,87\n0,02 a\t47,08\t52,18\t48,12\t39,37\t87,92\t78,43\t73,12\t72,50\n0,01 a\t37,50\t35,94\t33,75\t35,94\t72,08\t60,93\t71,25\t70,31\n\u20140,01 a\t87,50\t85,00\t81,56\t86,56\t65,00\t70,93\t64,06\t59,06\n\u20140,02 a\t94,17\t94,37\t85,31\t89,69\t75,42\t79,68\t76,87\t69,06\n\u20140,03 a\t97,92\t95,31\t89,69\t93,75\t87,50\t82,18\t86,25\t80,00\n\u20140,04 a\t99,17\t97,50\t94,06\t96,87\t96,25\t92,18\t91,87\t88,44\n\u20140,05 a\t99,58\t98,74\t97,19\t97,19\t97,50\t95,31\t96,87\t92,81\nAus dem Vergleich der oberen f\u00fcnf Horizontalspalten mit den unteren ist zu ersehen, dass, wo die Reizabstufungen positiv sind\n17*","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nHeinrich Higier.\n(,a > a), die Zahl der richtigen F\u00e4lle bei rechter (_R) ausnahmslos gr\u00f6\u00dfer ist, als die bei linker (L) Kaumlage der Normaldistanz. Ganz das umgekehrte Verhalten, wie es auch zu erwarten ist, tritt uns bei den negativen Abstufungen entgegen. Wir erkennen mithin die Gr\u00f6\u00dfe der Vergleichsdistanz bedeutend richtiger, wenn sie kleiner als die Hauptdistanz ist, und zwar ist dieses Ph\u00e4nomen viel ausgepr\u00e4gter, wenn die letztere sich links findet : wir sind also geneigt, mit dem rechten Auge eine rechtsliegende Distanz zu untersch\u00e4tzen.\nUebersichtlicher zeigt uns dieses Verhalten die blo\u00df die Durchschnitte aller positiven wie negativen Abstufungen enthaltende kurze Zusatztabelle XI.\nTabelle XI.\n\t50\t\t100\t\t150\t\t200\t\t\nD\tL.\tR. |\tL.\tR.\tL.\tR.\tL.\tR.\tMittel\n+ Abstuf.\t58,42\t89,91\t61,77\t79,78\t60,25\t82,00\t52,37\t\t+ 70,27\n\u2014 Abstuf.\t95,67\t84,33\t94,18\t84,05\t89,56\t83,18\t92,81\t77,73\t\u2014 87,69\nMittel\t77,04\t87,12\t77,98\t81,92\t74,91\t82,60\t72,50\t77,81\t\u00a3.75,61\n\t82,08\t\t79,95\t\t78,75\t\t75,15\t\tif.82,36\nDass diese Eigenthiimlichkeit der Zahlen der hei der Methode der mittleren Fehler nachgewiesenen entspricht, soll unten gezeigt werden.\nIn der folgenden Tabelle sollen nun die reinen Procents\u00e4tze richtiger F\u00e4lle f\u00fcr die einzelnen positiven und negativen Distanzunterschiede angef\u00fchrt werden.","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n253\nTabelle XII.\nD\t50\t100\t150\t200\n0,05 a\t90,00\t89,43\t90,00\t78,28\n0,04 a\t83,75\t81,09\t81,04\t73,28\n0,03 a\t74,58\t69,75\t71,87\t64,68\n0,02 a\t67,50\t65,31\t61,88\t55,94\n0,01 a\t54,79\t48,44\t53,54\t53,12\nMittel\t74,12\t70,80\t71,46\t65,06\n\u20140,01 a\t76,25\t77,96\t71,04\t77,81\n\u20140,02 a\t84,79\t87,03\t79,37\t79,87\n\u20140,03 a\t92,71\t88,74\t86,50\t86,87\n\u20140,04 a\t97,71\t94,84\t91,66\t92,65\n\u2022\u20140,05 a\t98,54\t97,03\t96,29\t95,00\nMittel\t90,00\t89,12\t84,97\t86,44\nUm etwas n\u00e4here Aufschl\u00fcsse \u00fcber den Gang der Empfindlichkeit hei verschiedenen Peizverh\u00e4ltnissen derselben wie verschiedener Normaldistanzen zu erhalten, rechnete ich die den in Tabelle XII angef\u00fchrten Procentzahlen zugeh\u00f6rigen F echner\u2019sehen Pr\u00e4cisions-ma\u00dfe nach der Fundamentaltabelle aus. Die aus derselben gewonnenen Producte t \u2014 hD, wie die den Peizdifferenzen entsprechenden Pr\u00e4cisionsma\u00dfe h \u2014 sind in den folgenden Tabellen\nXIII A, B, C, D zusammengestellt.\nZur Entscheidung der Frage \u00fcber die G\u00fcltigkeit des Webersdien Gesetzes stehen hei der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle die verschiedenen Pr\u00e4cisionsma\u00dfe und Schwellenwerthe zur Verf\u00fcgung. Dieselben sind in all\u2019 ihren Auffassungs- und Anwendungsweisen vielfach beschrieben und discutirt worden (Feeliner, M\u00fcller, Lorenz, Merkel etc.), so dass ein summarischer L eberblick der wichtigsten Gesichtspunkte vollst\u00e4ndig gen\u00fcgen wird.\nUm die gegenseitige Stellung des Fechner\u2019sehen Pr\u00e4cisions-","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\nHeinrich Higier.\nma\u00dfes (h) f\u00fcr die Reizdifferenz und der M\u00fcller\u2019schen Pr\u00e4cisions-ma\u00dfe (II und II,) f\u00fcr die einzelnen Reize, resp. ihrer zuf\u00e4lligen Aenderungen zu kennen, m\u00fcssen wir uns auf die zwei bekannten S\u00e4tze st\u00fctzen, dass 1) der wahrscheinliche Fehler [w] hei der Be-urtheilung einer Reizdifferenz gleich ist der Quadratwurzel aus der Quadratsumme der wahrscheinlichen Fehler [TV und TV,) der einzelnen Reize (a und \u00ab,), und dass er 2) umgekehrt proportional dem Pr\u00e4cisionsma\u00dfe ist. Es l\u00e4sst sich demnach die Gleichung\nw = yw* + W,2 durch J- = j/-^ + ^ 2 ersetzen und aus der\nletzteren die Abh\u00e4ngigkeit der Pr\u00e4cisionsma\u00dfe von einander ermit-IIH,\nteln, n\u00e4mlich h \u2014\n[!)\u25a0\nBestimmen wir aus den gewon-\nym + H?\nnenen r% nach der Fundamentaltabelle die zugeh\u00f6rigen Fechner-schen h, so k\u00f6nnen wir, unter Ber\u00fccksichtigung der Thatsache, dass hei der Beurtheilung einer Distanzgr\u00f6\u00dfe begangene wahrscheinliche Fehler proportional, die Pr\u00e4cision f\u00fcr ihre Auffassung mithin\numgekehrt proportional derselben ist |leicht d'\u00b0 ei11-\nzelnen M\u00fcller\u2019sehen Ma\u00dfe berechnen. Aus den letzten 2 Gleichun-\ngen l\u00e4sst 'Sich eben finden, dass : H = h Vi + (t)\u2019 imd\nH, = h y 1 -j- -j ist. F\u00fcr die G\u00fcltigkeit des psychophysischen Grundgesetzes verlangt Fechner bekanntlich die Constanz von hl) f\u00fcr ein verh\u00e4ltnissgleiches I). indem nach /1er M\u00fcller-\nci H\nsehen Relation -\u2014 = ~, die als Folge des Weber\u2019sehen Gesetzes1) JhJ.\naufgefasst werden kann, die Constanz der all \u2014 a,11, \u2014\t.\nzu fordern ist.\nIch w\u00e4hle mithin als M\u00fcller\u2019sches Kriterium die Constanz der aH, wenn auch M\u00fcller selbst im Gegensatz zu Fechner das Pr\u00e4cisionsma\u00df f\u00fcr durchaus ungeeignet zu diesem Zwecke h\u00e4lt. Auf die Ermittelung seiner Unterschiedsschwelle muss ich schon\n1) Vgl. Merkel, Das psychophys. Grundgesetz in Bezug auf Schallst\u00e4r-\nken. Philos. Stud. IV, S. 144.","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n255\naus dem Grunde verzichten, da ihre exacte Bestimmung sich lediglich auf die Anzahl der vorkommenden zweifelhaften und Gleichheitsf\u00e4lle gr\u00fcndet.\nTabelle XIII A.\na,\tD\tt = hD\t, t h==n\tH\tH'\tT=aH\tw\tW\tw,\n52,5\t2,5\t0,9060\t0,3624\t0,5249\t0,4987\t26,245\t1,5568\t1,0740\t1,1314\n52,0\t2,0\t0,6960\t0,3480\t0,5011\t0,4820\t25,055\t1,6217\t1,1221\t1,1705\n51,5\t1,5\t0,4670\t0,3113\t0,4461\t0,4331\t22,305\t1,8124\t1,2651\t1,3026\n51,0\t1,0\t0,3210\t0,3210\t0,4590\t0,4851\t22,950\t1,7570\t1,2292\t1,1636\n50,5\t0,5\t0,0S30\t0,1660\t0,2357\t0,2337\t11,785\t3,3981\t2,3901\t2,4148\n50\t\t9\t\t\t\t\t\t\t\n49,5\t\u20140,5\t\u20140,5040\t1,0080\t1,4213\t1,4352\t71,065\t0,5597\t0,3961\t0,3933\n49,0\t\u20141,0\t\u20140,7280\t0,7280\t1,0192\t1,0394\t50,960\t0,7751\t0,5532\t0,5430\n48,5\t\u20141,5\t\u20141,0300\t0,6867\t0,9549\t0,9743\t47,745\t0,8211\t0,5900\t0,5781\n48,0\t\u20142,0\t\u20141,4140\t0,7070\t0,9867\t1,0261\t49,335\t0,7980\t0,5711\t0,5500\n47,5\t-2,5\t\u20141,5435\t0,6174\t0,8515\t0,8941\t42,575\t0,9131\t0,6621\t0,6311\nTabelle XIII B.\na,\tn\tII\t~|G) II\tH\tH'\tT=aH\tw\tW\tw,\n105,0\t5\t0,8850\t0,1770\t0,2566\t0,2441\t25,660\t3,1864\t2,2031\t2.3114\n104,0\t4\t0,6235\t0,1557\t0,2232\t0,2140\t22,320\t3,6346\t2,5291\t2,1682\n103,0\t3\t0,3655\t0,1204\t0,1716\t0,1678\t17,160\t4,7000\t3,2982\t3,3772\n102,0\t2\t0,2790\t0,1395\t0 2002\t0,1960\t20,020\t4,0285\t2,8200\t2,8775\n101,0\t1\t\u20140,0265\t\u20140,0265\t-0,0369\t0,0366\t\u20143,6900\t\u201421,692\t14,100\t15,666\n100\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n99,0\t\u20141\t\u20140,5455\t0,5455\t0,7630\t0,7706\t76,300\t1,0348\t0,7392\t0,7324\n98,0\t\u20142\t\u20140,7975\t0,3985\t0,5572\t0,5681\t55,720\t1,4170\t1,0125\t0,9929\n97,0\t\u20143\t\u20140,8580\t0,2857\t0,3975\t0,4089\t39,750\t1,9789\t1,4207\t1,3789\n96,0\t\u20144\t\u20141,1520\t0,2880\t0,3974\t0,4128\t39,740\t1,9583\t1,4206\t1,3689\n95,0\t\u20145\t\u20141,3330\t0,2666\t0,3657\t0,3832\t37,570\t2,1203\t1,5452\t1,4725","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\tHeinrich Higier.\nTabelle XIII C.\na,\tD\tt = hD\th==tD\tH\tH\u2019\tT=aH\tw\tW\tW,\n157,5\t\t0,9060\t0,1178\t0,1711\t0,1629\t25,665\t4,8205\t3,3111\t3,4197\n156,0\t6,0\t0,6220\t0,1033\t0,1483\t0,1423\t22,245\t5,4757\t3,8108\t3,9015\n154,5\t4,5\t0,4095\t0,0901\t0,1287\t0,1261\t19,305\t6,2666\t4,4062\t4,3333\n153,0\t3,0\t0,2140\t0,0706\t0,1008\t0,0987\t15,120\t8,0571\t5,6400\t5,7612\n151,5\t1,5\t0,0630\t0,0420\t0,0596\t0,0584\t8,9400\t13,427\t9,5593\t9,7068\n150\t|\t\t\t\t\t\t\t\t\n148,5\t\u20141,5\t\u20140,3920\t0,2611\t0,3780\t0,3838\t56,700\t2,1609\t1,4952\t1,4726\n147,0\t\u20143,0\t\u20140,5795\t0,1928\t0,2702\t0,2754\t40,530\t2,9375\t2,0740\t2,0509\n145,5\t\u20144,5\t\u20140,7800\t0,1732\t0,2404\t0,2472\t36,060\t3,2607\t2,3500\t2,2S33\n144,0\t\u20146,0\t\u20140,9775\t0,1622\t0,2235\t0,2319\t33,525\t3,4814\t2,4479\t2,4415\n142,5\t\u20147,5 .\t\u20141,2625\t0,1678\t0;2304\t0,2415\t34,560\t3,3778\t2,4521\t2,3402\nTabelle XIII D.\na,\tD\tt - hD\t7,=b\tH\tH'\tT\u2014uH\tw\tW\tW,\n210\t10\t0,5510\t0,0551\t0,0797\t0,0758\t15,940\t10,254\t7,2658\t7,5200\n208\t8 \u2022\t0,4400\t0,0550\t0,0792\t0,0760\t15,840\t10,254\t7,2658\t7,5200\n206\t6\t0,2680\t0,0445\t0,0633\t0,0614\t12,660\t12,818\t8,9524\t9,1850\n204\t4\t0,1060\t0,0265\t0,0361\t0,0353\t7,2200\t21,692\t15,666\t16,114\n202\t2\t0,0555\t0,0277\t0,0383\t0,0379\t7,6600\t20,888\t14,842\t15,243\n200\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n198\t\u2014 2\t\u20140,5420\t0,2710\t0,3821\t0,3859\t76,420\t2,0888\t1,4842\t1,4623\n196\t\u2014 4\t\u20140,5900\t0,1475\t0,2058\t0,2099\t41,160\t3,8367\t2,7512\t2,6985\n194\t\u2014 6\t\u20140,7925\t0,1315\t0,1834\t0,1885\t36,680\t4,3053\t3,0819\t3,0000\n192\t\u2014 8\t\u20141,0255\t0,1281\t0,1753\t0,1820\t35,060\t4,4062\t3,2228\t3,0989\n190\t\u201410\t\u20141,1630\t0,1163\t0,1601\t0,1680\t32,020\t4,8620\t3,5250\t3,3571\nBei der Betrachtung der einzelnen Pr\u00e4cisionsma\u00dfe erkennt man zun\u00e4chst: 1) Das Fechner\u2019sche h ist bei keiner gegebenen Distanz","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n257\nconstant, sonach f\u00e4llt es im Durchschnitt hei den negativen Abstufungen bedeutend gr\u00f6\u00dfer als hei den positiven aus. 2) Die den kleinsten positiven wie negativen Reizdifferenzen entsprechenden h als Ausgangspunkte angenommen, wird man sagen k\u00f6nnen, dass mit der Gr\u00f6\u00dfe der Vergleichsdistanz auch die h-Wer the zunehmen. Die Werthe der t sind also in jeder Reihe den zugeh\u00f6rigen JJ nicht proportional. Diese bei den schon citirten Merkel\u2019schen Schallversuchen so schwach hervortretende Inconstanz der h ist viel auffallender hei Lorenz1), und bei den F ech nef sehen einh\u00e4ndigen Gewichtsversuchen2). Und wenn Lorenz aus der Inconstanz der h bei verschiedenen ReizdifFerenzen desselben Hauptreizes den Schluss \u00fcber die Unrichtigkeit des Rechnungsprincipes zieht, so kann man ihm nur insofern beistimmen, als er dieses nur aus den Fechner-schen Versuchen schlie\u00dft, wo die Reizdifferenz 4/100 und 8/ioo des Normalgewichtes ausmachte. Dass die h in den Lorenz\u2019sehen Reihen nicht constant ausfallen, kann schon dadurch erkl\u00e4rt werden, dass die wichtige Forderung, eine im Verh\u00e4ltniss zum Reize kleine Reizdifferenz zu w\u00e4hlen, nicht erf\u00fcllt ist. Dass die h bei Fechner, wo verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig kleine D gew\u00e4hlt sind, doch nicht mit einander \u00fcbereinstimmen, r\u00fchrt aus der unvollst\u00e4ndigen Elimination der con-stanten Fehler in Folge der \u00bbEinh\u00e4ndigkeit\u00ab der Versuche her, eine Erkl\u00e4rung, welche auch darin eine St\u00fctze findet, dass die zweih\u00e4ndigen Versuche viel stabilere h aufzuweisen verm\u00f6gen3).\nDer Widerspruch zwischen Lorenz und Merkel, von denen ersterer die A-Constanz fordert, letzterer nicht, ist nur ein scheinbarer, da sie doch wirklich ganz verschiedene Fragen beantworten: Lorenz n\u00e4mlich schlie\u00dft aus der Inconstanz der h auf die Unrichtigkeit resp. Unanwendbarkeit des Rechnungsverfahrens, was an und f\u00fcr sich ein durchaus richtiger Schluss ist, sobald die constanten Fehlerquellen (wie Einh\u00e4ndigkeit der Gewichtsversuche, Succession der Reizeinwirkung etc.) eliminirt, und alle vom Fehlergesetze gestellten Forderungen (z. B. relativ kleine Abstufungen) erf\u00fcllt sind. Auch Merkel\u2019s Meinung ist richtig, denn er beantwortet nicht die\n1)\tLorenz, 1. c. S. 428.\n2)\tFechner, Elemente 1, S. 193 ff.\n3)\tVgl. Fechner, In Sachen des Zeitsinnes etc. 1. c. S. 18.","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\nHeinrich Higier.\nFrage, inwiefern die Constanz der h auf die Anwendung des Gau\u00dfschen Gesetzes zur\u00fcckschlie\u00dfen l\u00e4sst, sondern inwiefern sie zur G\u00fcltigkeit des Web ersehen Gesetzes nothwendig sei. Selbstverst\u00e4ndlich ist sie nicht nothwendig und theoretisch hei verschiedenen Hauptreizen auch gar nicht denkbar ; nur hei verschiedenen kleinen Abstufungen desselben Reizes m\u00fcssen sie praktisch ann\u00e4hernd gleich gro\u00df ausfallen. 3) Betrachten wir endlich die denselben\nReizverh\u00e4ltnissen \u2014 zugeh\u00f6rigen Pr\u00e4cisionsma\u00dfe h bei verschiedenen ct\nDistanzen, so f\u00e4llt auf, dass sie mit der wachsenden Distanzgr\u00f6\u00dfe abnehmen. Ganz analoges gilt von den M \u00fc 11 e r\u2019sehen II und II,. Die zu erwartende Constanz der H und ihrer wahrscheinlichen Fehler ist nirgends strikt nachzuweisen. Es ist auch die Constanz der aH bei den verschiedenen Distanzen keine durchgehende. Kurz, es ist weder die f\u00fcr die strenge G\u00fcltigkeit des Weber\u2019schen Gesetzes nothwendige Constanz der t \u2014 hD, noch die der T = aH \u2014 a,H, in den Tabellen zu finden. Uebersichtlicher wird es beim Vereinigen der einzelnen t und T zu Mittelwerthen, wie es die kurze Zusatztabelle XIII demonstrirt.\nTabelle XIII.\na\t50\t100\t150\t200\n+ \u00a3\t0,4946\t0,4253\t0,4429\t0,2841\n\u2014 t\t1,0439\t0,9372\t0,7983\t0,8826\nt\t0,7692\t0,6812\t0,6206\t0,5533\n+ T\t21,67\t16,29\t18,25\t11,86\n\u2014 T\t52,33\t49,82\t40,27\t44,27\nT\t37,00\t33,12\t29,26\t28,07\n4) Was den mittleren wahrscheinlichen Fehler W, f\u00fcr die Auffassung der Fehldistanz betrifft, so w\u00e4chst er mit der Reizst\u00e4rke, wenn auch nicht proportional. Am meisten Constanz zeigt er eben dort, wo das aH mehr oder weniger constant ist. Aehnliches l\u00e4sst sich im allgemeinen auch von den \u00fcbrigen angef\u00fchrten wahrschein-","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n259\nliehen Fehlern sagen. 5) Die Ahnahme der Miiller\u2019schen W und W, heim Uebergange von positiven zu negativen Abstufungen l\u00e4sst auf eine genauere Beurtheilung des Normalreizes a zur\u00fcckschlie\u00dfen, wenn er mit einem schw\u00e4cheren, als wenn er mit einem st\u00e4rkeren (im Vergleich zu a) Fehlreize verglichen wird1). 6) Das Sinken des W hei zunehmendem Werthe der positiven Reizdifferenz, und sein umgekehrtes Verhalten bei negativer spricht f\u00fcr die genaueste Auffassung einer gegebenen Reizdifferenz, wenn die gr\u00f6\u00dfere Vergleichsdistanz sehr stark, bez. die kleinere sehr wenig von ihr verschieden ist. Die zwei zuletzt erw\u00e4hnten Thatsachen machen auf einen constanten Fehler aufmerksam, der etwa die zuerst wahrgenommene Distanz in bestimmter Weise beeinflusst. 7) Der Vergleich der Fechnersehen mit den M\u00fcller\u2019schen Pr\u00e4cisionsma\u00dfen l\u00e4sst keineswegs eine so gute Uebereinstimmung bemerken, wie es Fechn er bei der Ausrechnung seiner Gewichtsversuche gefunden und in den Revisionen (S. 384) angegeben hat: die H, sind hier fast um die H\u00e4lfte gr\u00f6\u00dfer als die entsprechenden h. Dies ist auch leicht verst\u00e4ndlich, wenn wir in der die Relation der Pr\u00e4cisionsma\u00dfe\nrepr\u00e4sentirenden Gleichung\ndem a\ngleich setzen, was bei den ziemlich kleinen Abstufungen wohl zul\u00e4ssig ist. Es wird dann das H, = h y 2 = 1,42 k ausfallen, also etwa um die H\u00e4lfte gr\u00f6\u00dfer als das entsprechende h.\nBevor ich zum Vergleiche der Resultate beider Fehlermethoden \u00fcbergehe, m\u00f6ge ein Wort \u00fcber die Gr\u00f6\u00dfe und Richtung der bei der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle herrschenden constanten Fehler gesagt werden.\nW\u00e4re bei gegebenem Reize und gegebener Reizdifferenz die Verschiedenheit der Zeit- und Raumverh\u00e4ltnisse ohne irgendwelchen Einfluss auf unser Urtheil, so m\u00fcsste man, ganz abgesehen von der Existenz einer Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit in der Empfindungsscala, mit derselben Pr\u00e4cision diese Reizdifferenz immer erkennen, mathe-piatisch ausgedr\u00fcckt dasselbe r % und t = h D immer erhalten. Richtiger formulirt, m\u00fcssten eigentlich die Durchschnitts-^ gleich\n1) Analog Merkel 1. c. 8. 149.","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nHeinrich Himer.\nsein, die einzelnen k\u00f6nnten ganz gut innerhalb der zuf\u00e4lligen Fehler schwanken. Liegt aber ein constanter Fehler vor, so wird, trotz der im Durchschnitte sich gegenseitig aufhebenden variablen Fehler, das t bei auf- hez. absteigendem Verfahren, oder bei rechter bez. linker Raumlage verschieden gro\u00df ausfallen, und zwar kann beispielsweise das D bei rechter Normallage \u2014 um auf unsere Versuche zuriickzukommen \u2014 als D + c, bei linker als D \u2014 c im Durchschnitte erscheinen. Das der rechten Raumlage zugeh\u00f6rige t wird in solchem Falle = tr \u2014 h (D c), das der linken \u2014\t= h\n(.D \u2014 c) sein. Die Addition und Subtraction dieser zwei Gleichungen\ngibt uns die M\u00f6glichkeit, das unbekannte c zu finden : c = ~~ D.\n\u00e7\nDer Quotient \u2014 nennen wir ihn den const. Verh\u00e4ltnissfehler \u2014-\nC\ttj* \u2022 ti\nwird -j- \u2014\t\u2014\u2014 sein. Nehmen wir als Beispiel den Fall, wo das\nL>\ttr + ti\nr % bei rechter und linker Lage gleich ausf\u00e4llt, so ist in der\nc\nGleichung der Quotient\u2014= 0, d. h. der constante Fehler ist un-\nendlich klein im Vergleich zur Reizdifferenz, es existirt in solchem Falle kein const. Fehler, der das Endresultat beeinflussen sollte.\nIn analoger Weise k\u00f6nnen wir den oben schon erw\u00e4hnten Zeit-fehler, der die Verschiedenheit in den % der posit, und negat. Reizdifferenzen hervorruft, n\u00e4her ermitteln, indem wir das dem negat. D entsprechende t durch tn = h (D \u2014 c), das dem posit. J) durch tp \u2014 h [D + c') ausdr\u00fccken. Der Verh\u00e4ltnissfehler wird\ntn\n1)\nsein.\nBei der Ausrechnung dieser zwei Fehlerquellen \u25a0\u2014 von den \u00fcbrigen sehe ich ab \u2014 wurde das Verfahren der sog. unvollst\u00e4ndigen Elimination benutzt, indem ich die tr und ti aus den f\u00fcr die Durchschnitte der L- und i\u00fc-Lage in Tab. XIII angef\u00fchrten r% ausrechnete. Dasselbe gilt f\u00fcr die tp und tn, deren r % die Tab. XIV\nc\tc\nenth\u00e4lt. Die berechneten t wie auch die r=r und \u2014 in Proeenterf\nder Distanz ausgedr\u00fcckt, finden sich in der nun folgenden Tabelle angef\u00fchrt.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc. Tabelle XIY.\n261\na\ttr\th\tc n\t100.\u2014 a\ttn\ttp\tc' D\tc' 100.\u2014 a\t100.c + c' a\n50\t801\t523\t0,21\t0,630/o\t906\t457\t0,34\tl,02o/o\t1,65%\n100\t640\t545\t0,09\t0,27\t877\t385\t0,54\t1,52\t1,89\n150\t662\t475\t0,17\t0,51\t730\t402\t0,45\t1,35\t1,86\n200\t540\t423\t0,12\t0,36\t780\t274\t0,65\t1,95\t2,31\nMittel\t\t\t\t0,44\t\t\t\t1,50\t\nSowohl der Raum- wie der Zeitfehler ist hei allen Distanzen positiv ausgefallen, wobei der letztere bedeutend den ersteren iibertrifft. Das Mittel beider Fehler zeigt ein nahezu stetiges Anwachsen mit der Distanzgr\u00f6\u00dfe.\nIV. Vergleichung beider Fehlermethoden.\nBei der n\u00e4heren Vergleichung der nach beiden Methoden erhaltenen constanten Fehler erweist sich, dass, obgleich der allgemeine Gang derselben identisch ist, doch absolut genommen sie bei der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle kleiner sind als bei der der mittleren Fehler. Das wird uns verst\u00e4ndlich, wenn wir einerseits die Gr\u00f6\u00dfenverschiedenheit des gebotenen Spielraumes der Abweichungen in Betracht ziehen : dort, bei der passiven Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle, kann der maximal differirende Vergleichsreiz nur um 5/100 des Hauptreizes dies- oder jenseits von demselben abweichen; hier bei der activen Methode der mittleren Fehler bedeut\u00e9nd mehr. Andererseits hat die Endlichkeit der Versuchszahl und die aus ihr folgende unvollst\u00e4ndige Compensation der zuf\u00e4lligen Fehler einen viel bedeutenderen Einfluss auf das Mittel dort, wo der Spielraum der Einzelabweichungen gr\u00f6\u00dfer ist. Endlich sind bei der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle einzig und allein die von der Raumlage und Zeitfolge bedingten Fehler ber\u00fccksichtigt worden, w\u00e4hrend bei der Methode der mittleren Fehler der constante Fehler als Componente aus mehreren Fehlerquellen betrachtet werden kann. In beiden F\u00e4llen l\u00e4sst jedoch der durch-","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nHeinrich Hmier.\nschnittliche Verh\u00e4ltnissfehler auf eine analoge Untersch\u00e4tzung der Fehldistanz \u2014 und zwar verschieden hei li. und L. \u2014 zur\u00fcckschlie\u00dfen.\nBei dieser Gelegenheit sei noch in Bezug auf den constanten Fehler bemerkt, dass bei denjenigen Distanzen, wo ich auch die Abstufung D\u2014 0 untersucht hatte, die \u00bb gr\u00f6\u00dferen \u00ab und \u00bb kleineren \u00ab Urtheile sich nirgends gleichm\u00e4\u00dfig zu je 50 % vertheilten, wie man es etwa theoretisch erwarten k\u00f6nnte, sondern entsprechend dem herrschenden Fehler die Fehldistanz bedeutend \u00f6fter \u00bbkleiner\u00ab als \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab beurtheilt wurde. Die Procentzahlen der \u00bbgr\u00f6\u00dferen\u00ab Urtheile sind in der Tab. XV angef\u00fchrt.\nTabelle XV.\na\tL\tli\tMittel\n50\t12,50\t54,10\t33,33\n100\t24,26\t40,50\t32,38\n150\t25,01\t47,49\t36,25\nMittel\t20,59\t47,36\t33,98\nIm Durchschnitte der drei Distanzen wurde mithin etwa 34 % \u00bbgr\u00f6\u00dferer\u00ab Urtheile gef\u00e4llt. In den \u00fcbrigen ca. 2/:j der Gesammt-zahl ausmachenden Vexirversuchen ist die Fehldistanz untersch\u00e4tzt worden.\nDer Verlauf der Empfindungsma\u00dfc ist bei beiden Methoden nicht minder \u00fcbereinstimmend, als der der constanten Fehler. Die reinen variablen Fehler ergaben bekanntlich ein Wachsen der Empfindlichkeit in sehr schnellem Tempo bis 50 mm, von welchem Punkte an ein allm\u00e4hlich vor sich gehendes Sinken eintrat. Dieselbe Bevorzugung der mittleren, hei den gew\u00f6hnlichen Besch\u00e4ftigungen am meisten in Frage kommenden Distanzen l\u00e4sst sich aus den erhaltenen Pr\u00e4cisionsma\u00dfen eruiren. In der folgenden kurzen Tabelle sind die Empfindungsma\u00dfe beider Methoden zum Vergleich zusammengestellt.","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n263\nTabelle XVI.\na\t50\t100\t150\t200\nJ a tm ==\u2018\t-\u00f6) in \u2019 a\t0,0173 0,7692 0,00133\t0,0188 0,6812 0,00128\t0,0225 0,6206 0,00139\t0,0255 0,5533 0,00141\nDas Product derselben ist bei allen Distanzen fast gleich gro\u00df, was f\u00fcr die Uebereinstimmung der Resultate beider Methoden spricht. Und wenn sie sich auch nicht ganz genau in allen Punkten ergibt, so l\u00e4sst sich das schon durch die Versuchsanordnung erkl\u00e4ren, die jeder Methode eigen ist, durch die verschiedenen Tageszeiten, an welchen die Versuche angestellt wurden, durch die k\u00fcrzere Dauer einer Versuchsgruppe bei der Methode der mittleren Fehler, durch die Verschiedenheit in der activen und passiven Herstellungsweise der Fehldistanz, durch den st\u00e4rkeren oder schw\u00e4cheren Einfluss des Contrastes und der Pr\u00e4sumtion beim Urtheilf\u00e4llen, durch die k\u00fcrzere oder l\u00e4ngere Urtheilsdauer, durch die verschieden starke Abspannung, und noch viele andere mehr oder weniger nen-nenswerthe, das Resultat beeinflussende Momente.\nSchlie\u00dflich m\u00f6ge hier noch ein auf rein theoretische Erw\u00e4gungen sich st\u00fctzendes Verfahren zur vergleichenden Pr\u00fcfung beider Fehlermethoden in Betracht gezogen werden, \u2014 ein Verfahren, das erstens die Voraussetzung macht, dass die Theorie der Beohachtungs-fehler in ihren fundamentalen Punkten zu psychophysischen Zwecken anwendbar ist, und zweitens dass dasselbe Pr\u00e4cisionsma\u00df des Gau\u00dfschen Integrals in beide Methoden eingeht (was eigentlich schon aus der Definition dieses Ma\u00dfes folgt). Substituiren wir demnach dem D in der Fundamentalformel der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle das J der Methode der mittleren Fehler, so werden wir denjenigen Procentsatz richtiger F\u00e4lle ausfindig machen k\u00f6nnen, welcher bei Beurtheilung zweier Distanzen, deren objective Gr\u00f6\u00dfe um den mittleren variablen Fehler differirt, erhalten wird. Dieses r % muss theoretisch, bei v\u00f6lliger Elimination der constanten Fehler,","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\nHeinrich Higier.\n78,44 % ansmachen, da sein h D = h . d \u2014 h . -----------\u2014 = (s.Be-\nh y 7t\nrechnung des wahrscheinlichen Fehlers) = \u2014= \u2014 0,5642 ist. Wir\nV 7t\nk\u00f6nnen selbstverst\u00e4ndlich, falls nicht alle constanten Fehler eliminirt sind, auch nicht erwarten, dass r% hei den positiven, wie negativen Reizdiflerenzen = 78,44 % ausfallen wird, wenn auch das Mittel beider, in entgegengesetztem Sinne vom Fehler beeinflusster Procents\u00e4tze dem geforderten sehr nahe stehen kann.\nZur Ausrechnung der r% sind in der folgenden Tabelle die n\u00f6thigen Zahlen zusammengestellt: die mittleren variablen Fehler, die mittleren Pr\u00e4cisionsma\u00dfe und die aus den beiden berechneten t - hm /I.\nTabelle XVII.\na\td = D\thm\tt \u2014 hm d\tr%\n50\t+ 0,87 \u2014 0,87\t0,3017 0,7494\t0,2625 \u2014 0,6520\t64,5 1 \u2019 > 73,35 82,2 /\n100\t+ 1,88 \u2014 1,88\t0,1132 0,3568\t0,2128 \u2014 0,6708\t61.9\t1 \\ 72,40 82.9\t/\n150\t+ 3,38 \u2014 3,38\t0,0848 0,1914\t0,2867 \u2014 0,6469\t65,5 1 > 73,75 82,0 /\n200\t+ 5,11 \u2014 5,11\t0,0418 0,1589\t0,2136 \u2014 0,8120\t62,0 1 > 74,75 87,5 /\nMittel\t\t\t\t73,560/0\nDie Abweichungen vom theoretischen r% sind bei allen Distanzen fast gleich: 3\u2014richtige F\u00e4lle weniger, als man erwarten sollte. Dass das ganz dem Charakter des constanten Fehlers und seiner verschieden starken Beeintr\u00e4chtigung des variablen Fehlers einerseits, der Pr\u00e4cisionsma\u00dfe andererseits entspricht, beweisen manche der fr\u00fcheren Tabellen.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n265\nV. Methoden der eben merklichen Unterschiede.\nSpecielle Versuche nach dieser Methode sind von mir nicht angestellt worden. Da aber die Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle mit dem Principe der Minimal\u00e4nderung combinirt war, so versuchte ich direct, die Gr\u00f6\u00dfe der Unterschiedsschwelle aus denselben Versuchsreihen zu gewinnen, aus welchen die Pr\u00e4cisionsma\u00dfe gewonnen waren.\nWir k\u00f6nnen weder die absolute noch die Unterchiedsschwelle praktisch als constante, fest bestimmte Gr\u00f6\u00dfen betrachten, sie sind vielmehr in jedem Zeitmomente von unserem Bewusstseinszustande abh\u00e4ngig. Dass ihre Gr\u00f6\u00dfe eine Function der Aufmerksamkeit, Uebung, Adaptation, Erm\u00fcdung etc. ist, wird sich wohl schwerlich leugnen lassen. Nur bei der Annahme, dass wir nicht einen Schwellenpunkt, sondern ein Schwellengebiet, und zwar ein ziemlich ger\u00e4umiges, von einer Menge \u00e4u\u00dferer und innerer zuf\u00e4lliger Ursachen in seiner Gr\u00f6\u00dfe beeinflusstes und modificirtes haben, werden uns Erfahrungen verst\u00e4ndlich wie die, dass gelegentlich einmal eine kleine Differenz besser erkannt wird, als unmittelbar kurz vorher eine viel gr\u00f6\u00dfere. Stellen wir uns nun vor, dass keine zuf\u00e4lligen Fehlervorg\u00e4nge die Wahrnehmung der wirklichen Reize st\u00f6rend beeinflussen, dass wir also nur das empfinden, was objectiv gegeben ist, so werden wir vielleicht auch in solchem Falle \u2014 auf Grund vieler bis jetzt feststehender Thatsachen \u2014 eine Unterschiedsschwelle anerkennen m\u00fcssen, wo die Reizdifferenz einen constanten eben merklichen Empfindungsunterschied hervorruft. L\u00e4sst man aber nun die bei psychophysischen Experimenten unvermeidlichen Fehlerquellen in Scene treten, so entsteht statt des theoretischen Punktes ein ziemlich ausgedehntes Schwellengebiet, in welchem auch sog. zweifelhafte F\u00e4lle auftauchen.\nDie zweifelhaften F\u00e4lle d\u00fcrfen durchaus nicht in dem Sinne aufgefasst werden, dass der Unterschied der Reize, nicht aber die Richtung desselben erkannt wird. Ein solcher Fall ist schwer denkbar. Man k\u00f6nnte sich zwar vorstellen, dass beispielsweise der kleinere Vergleichsreiz in einem und demselben Momente der Sch\u00e4tzung uns gr\u00f6\u00dfer und kleiner als der Normalreiz zu sein scheint. Aber auch das ist wenig plausibel: es m\u00fcsste in solchem\nWundt, Philos. Stadien. VII.\t10","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nHeinrich Higier.\nFalle der Vergleichsreiz im Momente der Wahrnehmung mehr als um das ganze \u00b1 Schwellengebiet durch die zuf\u00e4lligen Fehlervorg\u00e4nge hin und her geschoben werden. Wahrscheinlich ist aber die Auffassung, dass der zweifelhafte Fall ein solcher ist, bei welchem die Reizdifferenz durch ununterbrochen vor sich gehende Aufmerksamkeitsschwankungen hintereinander vom Gebiete des merklichen in das des unmerklichen und umgekehrt versetzt wird l).\nAuf die Bestimmung des Unterschiedsschwellenwerthes zur\u00fcckkommend m\u00fcssen wir uns klarlegen, was unter demselben bei den Reihen der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle zu verstehen ist. Wir k\u00f6nnten als Punkt, der der Gr\u00f6\u00dfe der Unterschiedsschwelle entspricht \u2014 beim aufsteigenden Versuchstypus \u2014 den ersten richtigen Fall aufzeichnen, resp. denjenigen, dem blo\u00df richtige F\u00e4lle folgen, wo also das \u00fcbermerkliche Gebiet anf\u00e4ngt. Beim absteigenden Verfahren werden wiederum die eben unmerkliche Reizdifferenz (d. h. wo die stetige Reihe der richtigen F\u00e4lle aufh\u00f6rt), wie die eben merkliche (d. h. der letzte richtige Fall), als dem Schwellenpunkt entsprechende fungiren k\u00f6nnen.\nDass es bei meinen Versuchen, wo noch constante Fehler vorherrschen, von gro\u00dfer Bedeutung ist, -welchen Punkt wir w\u00e4hlen, soll die folgende typische, bei den zur Uebung angestellten Versuchen erhaltene Zahlenreihe zeigen. Die Normaldistanz 200 wurde nach und nach mit der um 1 mm stufenweise anwachsenden Fehldistanz verglichen; nachdem der Vergleichsreiz einen deutlich merklichen Reizunterschied von 10 mm erreicht hatte, wurde ganz derselbe Weg absteigend zur\u00fcckgelegt.\nDa die richtigen (r) Sch\u00e4tzungen nicht an bestimmten Stellen abbrechen, so sind hier bei der Schwellenbestimmung mehrere Comhinationen m\u00f6glich, und zwar kann die obere Unterschiedsschwelle, wie aus dem Schema ersichtlich, gleich gesetzt werden:\n/ i\n/ r\nf\n/ -\n- /\n- /\n- / - /\n+\n1) Vergl. Kraepelin, Phil. Stud. VI, S. 505.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n267\nV2 [V 4- V) = 3,0 ; Y, (e' + c\") = 7,5 ;\nVa + c\u201d) = 5,5; Yj (i\" + c') = 5,0 mm,\nalso Werthen, die sogar mehr als um das Doppelte von einander differiren.\nb ' [ }),f\nDas------------repr\u00e4sentirt mithin diejenige Stelle, wo das Schwel-\nlengebiet,\nc' + c\" 2\ndie,\nwo das Gebiet\ndes Zweifelhaften aufh\u00f6rt.\nIch nenne es so, da in demselben die Urtheile zwischen > und < schwanken. Bei Versuchen mit zweifelhaften und Gleichheitsf\u00e4llen w\u00fcrden wahrscheinlich im ersten Gebiete nur / und g Vorkommen ; im zweiten haupts\u00e4chlich die z resp. g und r alternirend vertreten sein; oberhalb desselben w\u00fcrden empirisch nur r Vorkommen. Selbstverst\u00e4ndlich kann in manchen einzelnen Reihen, wo die Aufmerksamkeit maximal gesteigert wird, das Gebiet des Zweifelhaften ganz zusammenschrumpfen. Bei ideal gesteigerter Aufmerksamkeit\nwird mithin wahrscheinlich\nV + b\" c' + c\"\nsem.\nAus der Schilderung Wundt\u2019s, dessen Verfahren die Bedingungen der Vollst\u00e4ndigkeit dadurch erf\u00fcllt, dass es \u2014nach Feohne r\u2019s Ausdruck \u2014 Zweisinnigkeit mit Zweiseitigkeit verbindet, l\u00e4sst sich schlie\u00dfen, dass er zur Bestimmung der Schwelle das V + c\"\n-------- benutzt, da er bekanntlich den Vergleichsreiz bis zum\neben merklichen vergr\u00f6\u00dfert (= b'), und dann einen deutlich \u00fcbermerklichen Reiz (= A) so lange verkleinert, bis er gleich dem Hauptreize erscheint (= c\u201d).\nWenn auch der Durchschnitt zwischen dem eben merklichen und\neben unmerklichen Reizunterschiede\t-~~-c j dem Richtigen am\nn\u00e4chsten steht, so bestimmte ich doch f\u00fcr die obere und untere Schwelle b' 1 b,r\tc' I Q,r\n\u00fcberall die einzelnen -------- und \u2014\u2014, deren Mittel eine\nL\tZ\nziemlich brauchbare Schwelle geben muss. Die den Unterschiedsschwellen entsprechenden Reizverh\u00e4ltnisse sind in der folgenden Tabelle angef\u00fchrt, wobei unter V0 Vu V die oberen, unteren und mittleren Verh\u00e4ltnissschwellen zu verstehen sind.\n18*","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268\nHeinrich Higier. Tabelle XVIII.\n1,0275\n1,0243\n1,0248\n1,0152\n1,0124\n1,0109\n1,0355\n1,0332\n1,0299\n1,0294\n1,0182\n1,0272\n1,0240\n1,0228\nBeim Vergleiche der \u00bbkleinem Verh\u00e4ltnissschwellen (V'u V'0 V') mit den \u00bbgro\u00dfen\u00ab (k77^ ^\"u V7') erkennt man ein Wachsen derselben\nmit der wachsenden Distanz, wobei die gro\u00dfen laus \u2014\t1 um\n(V \"4\" brr\\\naus \u2014y\u2014I \u00fcbertreffen. Die gro\u00dfen\nVerh\u00e4ltnissschweilen w\u00fcrden voraussichtlich bei ganz vorschriftsm\u00e4\u00dfigem Versuchsverfahren noch gr\u00f6\u00dfer ausfallen, und zwar bei gr\u00f6\u00dferen Distanzen nicht nur absolut, sondern auch relativ gr\u00f6\u00dfer (die r% sind n\u00e4mlich bei denselben am geringsten). Die \u00bbdurchschnittlichen\u00ab Schwellen ( V0 Vu V) zeigen kaum eine strenge G\u00fcltigkeit des Web er\u2019sehen Gesetzes. Ihr Verlauf erinnert ganz an den oben bei den Pr\u00e4cisionsma\u00dfen und mittlern variablen Fehlern erw\u00e4hnten.\nWelchen Procentsatz w\u00fcrde nun die Unterschiedsschwelle ergeben, falls man sie als Reizdifferenz w\u00e4hlen sollte ? Ich versuchte diese Frage weder an den gro\u00dfen (V\") noch an den durchschnittlichen Verh\u00e4ltnissschwellen (F)zu pr\u00fcfen, da dieselben, wie gesagt, sich nicht genau genug bestimmen lie\u00dfen. Viel mehr eignete sich\nschon die kleine Schwelle [V), wo das Unterschiedsschwellengebiet aufh\u00f6rt und das Gebiet des Zweifelhaften anf\u00e4ngt, da bei mir bekanntlich das \u2014\u2014~f~ - - sich genauer als \u2014\u2014 bestimmen lie\u00df. Die Multiplication der absoluten Werthe der kleinen Unterschieds-","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n269\nschwellen in die mittleren h (s. Tab. XVII) der Distanzen : 50, 100, 150, 200 ergab i-Werthe: 0,4046, 0,4237 bis 0,3741, 0,3974, denen folgende r-Werthe entsprechen: 71,5, 71,4, 70,2, 70,9, im Durchschnitte ca. 71,1 % mit einer mittleren Abweichung von 0,45 %.\nVI. Die constanten Fehler.\nDie in unseren Versuchen zu Tage getretenen constanten Fehler bestanden, kurz gefasst, darin, dass bei der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle 1) mehr richtige F\u00e4lle bei negativen als bei gleich gro\u00dfen positiven Reizdifferenzen erhalten wurden, d. h. dass die Vergleichsdistanz richtiger gesch\u00e4tzt wurde, wenn sie kleiner als die Hauptdistanz war, und dass 2) bei linker Raumlage der Normaldistanz dieser Vorzug der negativen Reizdifferenzen am ausgesprochensten war (Tab. XI). Bei der Methode der mittleren Fehler (\u00e4u\u00dferte sich ein ganz analoges Verhalten darin, dass die Vergleichsdistanzen \u00fcberall gr\u00f6\u00dfer als die entsprechenden Hauptdistanzen , die rechtsliegenden gr\u00f6\u00dfer als die linksliegenden ausfielen (Tab. V).\nEs ist leicht ersichtlich, dass man unbedingt an getrennte urs\u00e4chliche Momente, die diese beiden Fehler hervorrufen, denken muss. Es w\u00fcrde nicht gen\u00fcgen, blo\u00df die Ursachen der R- und A-Abweichungen eruiren zu k\u00f6nnen, um auch f\u00fcr die Unterschiede in den positiven und negativen Abstufungen eine gen\u00fcgende Erkl\u00e4rung zu finden. Einen constanten durch die Versuchsmethodik selbst hervorgerufenen Fehler w\u00fcsste ich nicht anzugeben: die Vertheilung der Versuchsreihen und -Gruppen zwischen rechter und linker Raumlage, ab- und aufsteigendem Typus war so eingerichtet, dass man wenigstens von vornherein etwa nur an eine unvollst\u00e4ndige Compensation von Zuf\u00e4lligkeiten, nicht aber an eine constante Fehlerquelle denken k\u00f6nnte.\nAls die n\u00e4chstliegenden Ursachen des Fehlers d\u00fcrfte man eher die Umst\u00e4nde beanspruchen: 1) dass, obwohl es sich hier um sog. simultane Reize handelt, doch die Succession in Erw\u00e4gung gezogen werden muss, da ich ausnahmslos die Betrachtung der Hauptdistanz der der Vergleichsdistanz vorangehen lie\u00df, und 2) dass die Untersuchung \u2014 bei fixirtem Kopfe \u2014 nur monocular ausgef\u00fchrt wurde.","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nHeinrich Higier.\nDer Einfluss des erw\u00e4hnten, durch die Succession der Reizeinwirkung bedingten Zeitfehlers muss sich darin \u00e4u\u00dfern, dass er die vorangehende, d. h. die zuerst betrachtete Distanz in der Reproduction verl\u00e4ngert erscheinen l\u00e4sst und auf diese Weise den constant positiven Fehler der Methode der mittleren Fehler resp. das Ueber-wiegen des Procentsatzes richtiger Urtheile bei a O a der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle hervorruft1). Diese Fehlerquelle w\u00fcrde mithin die Vergleichsdistanz im Verh\u00e4ltniss zur Hauptdistanz stets in derselben Richtung beeinflussen. Nicht so verh\u00e4lt sich die Sache bei dem durch die Ein\u00e4ugigkeit hervorgerufenen Raumfehler. Derselbe zwingt \u2014 wie aus den Versuchsreihen ersichtlich \u2014 zur Annahme, dass beim Vergleiche zweier Distanzen die dem untersuchenden Auge homonome untersch\u00e4tzt wird; die rechtsliegende Vergleichslinie w\u00fcrde, da die Experimente mit dem rechten Auge angestellt waren, stets kleiner erscheinen, als sie in Wirklichkeit ist, und sie m\u00fcsste deshalb (bei der Methode,der mittleren Fehler) einerseits objectiv bedeutend vergr\u00f6\u00dfert, andererseits unbedeutend verkleinert werden, um einen gleich merklichen Unterschied von der constanten linksliegenden Hauptlinie zu geben.\nUm die combinirte Wirkung beider Fehlerquellen bei der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle an einem Beispiele verst\u00e4ndlich zu machen, stelle man sich den Fall vor, dass zwei zu vergleichende gleich gro\u00dfe Linien ab und AB gegeben sind: die Normaldistanz ab links, die Fehldistanz AB rechts. Der Zeitfehler l\u00e4sst, wie gesagt, die vorangehende Normaldistanz subjectiv gr\u00f6\u00dfer erscheinen, oder was auf dasselbe herauskommt, verkleinert die Vergleichsdistanz AB, z. B. um BC. Es tritt nun der Raumfehler in Wirkung, welcher die dem Auge homonome Seite verkleinert, also die durch den Zeitfehler schon gen\u00fcgend verkleinerte rechtsliegende\nLinks\nO D' \u2014 B'\nRechts\n\u2022A\n\u2014 I)\n\u25a0\tC\n\u25a0\tB\n1) Vgl. analoge Untersch\u00e4tzung des zuweit gehobenen Gewichtes in Folge des Zeitfehlers bei Fechner (Elem. I, S. 115 ff.), und bei M\u00fcller und Schumann (Pfl\u00fcger\u2019s Archiv XLV, S. 94).","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n271\nv ergleichsdistanz nochmals verkleinert, beispielsweise um CD. Ilie rechte Distanz AB scheint mithin gleich zu sein: AB \u2014 \u00dfC \u2014 CD \u2014 AD. Betrachten wir den zweiten Fall, wo die Vergleichslinie A'B' = ab sich links befindet. Derselbe Zeitfehler l\u00e4sst die Linie A'B' um B\u2019 C (= BC) kleiner erscheinen, der hinzukommende Raumfehler \u00e4u\u00dfert hier seine \u2022 Wirkung in entgegengesetztem Sinne, indem er die Vergleichsdistanz um CD\u2019 i\u2014 CD) vergr\u00f6\u00dfert. Die linke Fehldistanz A'B' scheint mithin bleich zu sein: A'B' \u2014 B'C\" + C'D' = A'D'. Das AD der rech-ten Linie AB muss deshalb bedeutend vergr\u00f6\u00dfert werden, um merklich gr\u00f6\u00dfer als a b zu erscheinen, da viel vom Zuwachse auf die Compensation des constanten Fehlers BD verloren geht. Bei A'D' ist das in viel geringerem Ma\u00dfe der Fall, da der constante Fehler B D' ziemlich klein ist.\nDass der Zeitfehler BC der Gr\u00f6\u00dfe nach wirklich den Raumfehler CD \u00fcbertrifft, hat uns die Ausrechnung der Fehler bei der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle (Tab. XIV) gezeigt. Auch der constante reine Raumfehler, den ich aus den Reihen der Methode der mittleren Fehler ausrechnete, erwies sich \u00fcberall kleiner als der nachbleibende, der als Componente mehrerer anderer, ohne bestimmte daraufhin gerichtete Versuchsanordnung kaum eruirbarer Fehlerquellen zu betrachten ist (beispielsweise : Einfluss der Pr\u00e4-occupation, des Contrastes, der Gr\u00f6\u00dfe des zur\u00fcckgelegten Weges und der Bewegungsgeschwindigkeit der Schieber bei der Einstellung einer Fehldistanz u. m. a.).\nK\u00f6nnte der Raumfehler ungest\u00f6rt in seiner Wirkung hervortreten, so m\u00fcsste er verschiedene Vorzeichen f\u00fcr rechts und links aufweisen. \u00bbIn einzelnen F\u00e4llen\u00ab, sagt M\u00fcnsterberg1), dessen Versuchsmaterial in Bezug auf die constanten Fehlerquellen mit meinem unvergleichbar ist, \u00bbwo offenbar andere Bedingungen eine Uebersch\u00e4tzung der Normaldistanz mit sich brachten, konnten die Fehler sowohl rechts wie links positiv werden, der Unterschied zwischen beiden blieb aber auch dann unverh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig hoch und hatte dieselbe Richtung (= rechte Fehldistanz gr\u00f6\u00dfer als linke)\u00ab. Dieser Fall, der bei M., wie aus seinen Tab. XVI\u2014XX zu ersehen,\n1) 1. c. S. 167.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\tHeinrich Higier.\nnur bei successiver Vergleichung ein tritt, ist in meinen Reihen \u00fcberall zu constatiren.\nDurch die Vermuthung, das rechte Auge untersch\u00e4tze die homo-nome Seite, soll keineswegs gemeint sein, dass die Netzhaut bez. ihre beiden H\u00e4lften an und f\u00fcr sich bestimmte, diese Ph\u00e4nomene bei extensiven Reizen verursachende Eigenschaften besitzen. A priori w\u00e4re es nicht zur\u00fcckzuweisen. Ein Einfluss der Anordnung der lichtpercipirenden Elemente auf die Empfindlichkeit w\u00e4re ganz gut denkbar: aus teleologischen Gr\u00fcnden w\u00e4re sogar w\u00fcnschenswerth ein Vorzug derjenigen Netzhauth\u00e4lften, auf denen sich haupts\u00e4chlich die Gesichtsbilder beim Sehen in der N\u00e4he projiciren. Es w\u00e4re eine nicht minder n\u00fctzliche Einrichtung des menschlichen Auges, wie es etwa f\u00fcr das indirecte Sehen die gr\u00f6\u00dfere Empfindlichkeit der Netzhautperipherie vor dem Centrum in Bezug auf Wahrnehmung schneller Bewegungen, oder der Vorzug der temporalen vor der nasalen H\u00e4lfte in Bezug auf Lichtintensit\u00e4ten ist. In Wirklichkeit aber scheint unsere Extensit\u00e4tssch\u00e4tzung eine reine Intensit\u00e4tssch\u00e4tzung zu sein : der constante Fehler scheint weniger an den Eigenschaften der Retina zu liegen, als vielmehr oder ausschlie\u00dflich an dem Bewegungsapparate des Augapfels direct, oder m\u00f6glicherweise indirect, indem wir, wie M\u00fcnsterberg will, gewohnt sind, beim Lesen und Schreiben die Augen sehr leicht von links nach rechts zu bewegen. Selbstverst\u00e4ndlich k\u00f6nnten nur Versuche an Individuen, bei denen solche Gewohnheit ausgeschlossen, oder in entgegengesetztem Sinne ausgebildet ist, \u00fcber die Richtigkeit speciell dieser Annahme Aufschluss geben.\nUebrigens, wenn auch manche Thatsachen die oben erw\u00e4hnte Wirkung unseres Raumfehlers wahrscheinlich machen, so liegen wiederum andere vor, aus denen man auf eine ganz umgekehrte schlie\u00dfen k\u00f6nnte. So hat beispielsweise die von Volkmann ausgef\u00fchrte Messung der Augenmuskeln ergeben, dass die recti externi und interni bei fast gleicher L\u00e4nge 40,6 und 40,8 mm abweichende Querschnitte von 16,73 und 17,39 qmm aufweisen. Die Ver-theilung der Muskelkr\u00e4fte am Augapfel soll sich mithin hei monocularem Vergleiche zweier gleich gro\u00dfer Linien so gestalten'),\n1) Wundt, Physiolog. Psychologie II, S. 122.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\t273\ndass der externus als weniger dicker Muskel einer st\u00e4rkeren Innervationsenergie bedarf als der internus, um eine gleich gro\u00dfe Excursion zu Stande zu bringen. Dieser st\u00e4rkere Innervationsimpuls des Au\u00dfenwenders ruft also in unserem Bewusstsein eine gr\u00f6\u00dfere Be-wegungs- bez. Spannungsempfindung hervor, ein Gef\u00fchl der gr\u00f6\u00dferen Anstrengung beim Au\u00dfenwenden, des Ueberwiegens der nach au\u00dfen gelagerten Linie. Es liegt die Annahme gar nicht fern, falls wir wirklich dieser Dickendifferenz der Muskeln eine Rolle bei der Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzung zuschreiben wollten, dass die bei der ophthal-mologischen Untersuchung meiner Augen festgestellte Insufficienz des Internus einen constanten Fehler hineinbringen konnte. Der insufficiente Innenwender w\u00fcrde dann, caeteris paribus, einer gr\u00f6\u00dferen Innervationsenergie bed\u00fcrfen als der \u00e4u\u00dfere, um dasselbe zu leisten1). Bei einer Mitwirkung dieses constanten Fehlers k\u00f6nnte ganz gut die Wundt\u2019sche Annahme \u00fcber die Muskelwirkung bei monocularem Sehen f\u00fcr meine Resultate aufrecht erhalten bleiben. Es m\u00fcsste dann nur vorausgesetzt werden, dass die der normal st\u00e4rkeren Innervation des externus antagonistisch wirkende Insufficienz ihr nicht nur das Gleichgewicht h\u00e4lt, sondern in com-pensirendem Einfl\u00fcsse sie sogar \u00fcbertrifft.\nDass die Sch\u00e4tzungsgenauigkeit in der That bedeutend von den Augenmuskelbewegungen beeinflusst wird, konnten mich die wenigen nur provisorisch bei kleinen Distanzen angestellten Versuche mit dem rechten unbeweglichen Auge \u00fcberzeugen. Sowohl der constante wie variable Fehler behielten den regelm\u00e4\u00dfigen, bei beweglichem Auge festgestellten Verlauf nicht mehr bei. Die Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit im Verlaufe der Fehler wird also wahrscheinlich auf einem analogen Verlauf in der Muskelempfindung beruhen. F\u00e4llt die letztere, wie es bei fixirtem Auge geschieht, aus, oder, was wahrscheinlicher ist, wird die entsprechende Muskelempfindung ohne eine thats\u00e4ch-lich erfolgende Bewegung der mit ihr eng verbundenen Lichtempfindung reflectorisch hinzuassociirt, so gen\u00fcgt das Erinnerungsbild der fr\u00fcher vollzogenen Bewegung zur Genauigkeit der Sch\u00e4tzung durchaus nicht in dem Ma\u00dfe wie die directe Bewegungswahrnehmung. Der mittlere variable Fehler zeigt in der That bei fixirtem Auge\n1) Vgl. Helmholtz, Handbuch der physiolog. Optik S. 599 ff.","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nHeinrich Higier.\nviel gr\u00f6\u00dfere Werthe. So machte er bei den Distanzen 20, 30, 40, 50 mm etwa: 4,15 \u2014 4,03 \u2014 3,90 \u2014 4,78^ der Distanzen aus. Im Durchschnitte: 4,21 ^ mit einer mittleren Abweichung, die yi\u00e4 des variablen Fehlers betrug. Bei ann\u00e4hernd gleichen Bedingungen fand M\u00fcnster be r g im Durchschnitte f\u00fcr die Distanzen 10 \u2014 80 mm einen variablen Fehler = 4,9 % mit einer mittleren Abweichung, die \u00fcber 1/3 des variablen Fehlers ausmachte. Seine ziemlich gro\u00dfen, bei fixirtem Sehen bis \u00fcber */2 des variablen Fehlers ausmachenden mittleren Abweichungen sind wohl dadurch zu erkl\u00e4ren, dass die einzelnen Werthe stark von einander differiren : er setzte n\u00e4mlich die Versuche bis 80 mm fort, wo der blinde Fleck schon sehr st\u00f6rend (Verschwommensein der Linienendpunkte) wirken konnte.\nVII. Versuche mit Grleichlieitsf\u00e4llen.\nDass das Zulassen der bei meinen Versuchen ganz ausgeschlossenen Gleichheits- oder Nullf\u00e4lle eine gro\u00dfe Erleichterung bei der Beurtheilung zweier Reize bietet, unterliegt keinem Zweifel. Zweifelhaft aber \u2014 wenigstens unbeAviesen \u2014 ist die Richtigkeit dieser oder jener Vertheilungsweise der Nullf\u00e4lle zwischen den richtigen und falschen F\u00e4llen, mit welchen das Gau\u00df\u2019sche Fehlergesetz ausschlie\u00dflich operirt.\nAuf die Verwerthung der zweifelhaften F\u00e4lle (z) gehe ich hier nicht n\u00e4her ein, da es mir bei den Versuchen nirgends gelang, sie streng von den Gleichheitsf\u00e4llen zu isoliren. Wo sie aber vorhanden sind, dort sollten sie, da die ihnen entsprechenden Reizdifferenzen, wie aus der oben angef\u00fchrten Vorstellung \u00fcber ihre Natur hervorgeht, ebenso h\u00e4ufig in- wie au\u00dferhalb des Unterschiedsschwellengebietes fallen, zu gleichen Theilen den Gleichheits- und Ungleichheitsurtheilen zugez\u00e4hlt werden.\nDie n\u00e4chstliegend en Verwerthungsweisen der reinen Gleichheitsf\u00e4lle (g) sind: 1) proportionale Theilung der g zrvischen den richtigen und falschen F\u00e4llen. 2) Ausschluss der g beim Urtheil-f\u00e4llen (JastroAv). 3) Gleichtheilung der g bei der Annahme ungleicher Partialschwellen1) (Fechner). 4) Ungleiche Vertheilung bei der Annahme einer Gleichheit der Partialschwellen (M\u00fcller).\n1) Das Intervall der scheinbaren Reizunterschiede, welche f\u00fcr die Empfindung als Null erscheinen \u2014 i. e. die Totalschwelle \u2014 theilt sich in eine","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n275\nDie n\u00e4here Besprechung mancher der Vertheilungsweisen findet sich in Fechner\u2019s Revisionen. Ich m\u00f6chte daher nur weniges \u00fcber die zwei zuletzt erw\u00e4hnten Principien sagen, da von denselben bis jetzt haupts\u00e4chlich Gebrauch gemacht wurde.\nDurch die Kritik M\u00fcller\u2019s veranlasst, f\u00fchrte Fechner mehrere mathematische, empirische und rein praktische Gr\u00fcnde an, die in Uebereinstimmung den Vorzug seiner gleichm\u00e4\u00dfigen Vertheilung vor der M\u00fcller\u2019schen illustriren sollten. Ich unterlasse, auf dieselben n\u00e4her einzugehen, und f\u00fchre nur den leicht zu beweisenden und anscheinend ziemlich \u00fcberzeugenden mathematischen Grund an, weshalb die ungleichm\u00e4\u00dfige Vertheilung als fraglich angesehen werden muss. Haben wir beispielsweise in einer gro\u00dfen Versuchsreihe von n Sch\u00e4tzungen r, f. g (richtige falsche und Nullf\u00e4lle),\nr +\nund bezeichnen wir die f\u00fcr:\n9_\n2\nn\nr r \u2014\n+ g\naus der Funda-\nn\nmentaltabeile berechneten \u00a3-Werthe durch t0 t, t,,, die Schwelle durch S und den Reizunterschied durch B, so wird bekanntlich die Fechner\u2019sche Formel f\u00fcr die Unterschiedsschwelle Sp \u2014\n\u2014 -----\u2014 B, die M\u00fcller\u2019sche Sm =\t' B lauten. Bei einem\n2t0\tt,, \u201cp* tf\nv\t,\t\u2022\t.\nextremen Falle, wo \u2014 \u2014 \u2014 , wird das hinzugeh\u00f6rige t, \u2014 0, das\n,SF = \u2014 D, Sm \u2014 B sein. Die Unterschiedsschwelle wird mit-2 t0\nhin nach M\u00fcller in solch\u2019 einem speciellen Fall der gegebenen Reizdifferenz gleich. Die Schwelle kann also einem constanten B gleich werden schon unter der Bedingung, dass die Zahl der richtigen F\u00e4lle 50 ^ der Gesammtzahl betr\u00e4gt, und ganz unabh\u00e4ngig davon, wieviel falsche und wieviel Nullf\u00e4lle sich finden. Dass dies nicht gleichg\u00fcltig f\u00fcr die Gr\u00f6\u00dfe der Unterschiedsschwelle ist, welche ja ihrer Definition nach von den g auch bestimmt wird, wird sich weiterhin zeigen lassen (s. unten). Und je mehr sich das r dem AVerthe 50 % n\u00e4hert, desto mehr kommt der angef\u00fchrte Umstand\nAbtheilung positiver und eine negativer Differenzen, -welche nicht empfunden werden, und die Von Fechner als positive und negative Partialschwelle bezeichnet worden sind.","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nHeinrich Higier.\nin Betracht, da von der Gr\u00f6\u00dfe der Unterschiedsschwelle diejenige der Unterschiedsempfindlichkeit unmittelbar abh\u00e4ngt. Um eben den fraglichen Voraussetzungen, die jedem Principe innewohnen, zu entgehen, benutzte ich, wie erw\u00e4hnt, das unter 2) angef\u00fchrte Verfahren. Dass dasselbe sich ziemlich gut anwenden l\u00e4sst, wenn auch nicht alle Reizunterschiede mit derselben Sicherheit beurtheilt werden, muss ich aus der beim Experimentiren gewonnenen Erfahrung schlie\u00dfen.\nImmerhin blieb es w\u00fcnschenswerth, sich auch experimentell zu \u00fcberzeugen, welches Theilungsprincip das richtigste sei, d. h. welche theoretische Vertheilungsweise der Gleichheitsf\u00e4lle dem praktischen \u00bbnat\u00fcrlichen\u00ab Ausschl\u00fcsse gleich komme, oder am n\u00e4chsten stehe. Zu diesem Zwecke stellte ich, nachdem die Versuchsgruppen f\u00fcr die Distanz 100 mm (ohne g) zu Ende waren, \u00e4hnliche Gruppen aus derselben Versuchszahl an, bei denen aber g zugelassen wurden. Die \u00fcbrigen Bedingungen blieben dieselben. Die erhaltenen Gleichheitsf\u00e4lle vertheilte ich dann das eine Mal proportional zwischen den gleichzeitig gefundenen richtigen und falschen\nF\u00e4llen, mithin r'p \u2014 r +\nT.Q\n\u2014\u20147, das andere Mal nach dem F e c h-r +f\nner\u2019schen Principe gleichm\u00e4\u00dfig, mithin r'p \u2014 r +\ns_\n2 '\nDas eine\noder andere der ausgerechneten r' muss, falls dieses oder jenes Princip Anspruch auf Richtigkeit machen sollte, genau mit dem in den fr\u00fcheren Versuchen beim ^-Ausschluss direct erhaltenen r bei der gleich gro\u00dfen Versuchszahl \u00fcbereinstimmen.\nDa die r' nach beiden Principien mit dem experimentellen r % nicht \u00fcbereinstimmten, so glaubte ich mir den Vorwurf machen zu d\u00fcrfen, die Verschiedenheit der Resultate sei etwa dadurch bedingt, dass die beiden Versuchsreihen zeitlich weit von einander lagen, und die Aufmerksamkeits- resp. Uebungsverh\u00e4ltnisse ganz verschiedene sein konnten. Ich beschloss daher, um diesen Vorw\u00fcrfen zu entgehen, die Distanz 150 mm nach denselben Hauptprincipien gleichzeitig einer Untersuchung zu unterwerfen. Ich richtete es daher so ein, dass jeden Tag dieselbe Versuchszahl mit und ohne Gleichheitssch\u00e4tzung ausgef\u00fchrt wurde. Jeder aus 4 Reihen (\u00e0 22 Sch\u00e4tzungen) bestehenden Versuchsgruppe mit Gleichheitsf\u00e4llen folgte eine","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n277\nganz analoge ohne dieselben, und umgekehrt. F\u00fcr jede Abstufung sind nach jedem Hauptprincip 480 Versuche, also im ganzen zur Entscheidung der Frage \u00fcber die Nullf\u00e4lle:' 2. 2. 11.480 = 21120 Einzelhestimmungen ausgef\u00fchrt worden.\nDie aus den Versuchen unmittelbar gewonnenen absoluten Zahlen finden sich in der Tabelle XIX angegeben, und zwar sind in dem ersten Hauptfalle I (ohne g) nur die richtigen, im zweiten II (mit g), auch die Gleichheitsf\u00e4lle notirt. Die Zahl der falschen F\u00e4lle l\u00e4sst sich aus der Gesammtzahl 480 leicht berechnen.\nTabelle XIX.\nD\ta = 100\t\t\ta = 150\t\t\n\tI\tII\t\tI\tII\t\n\tr\tr\t\tr\tr\tg\n0,050\t427\t440\t31\t432\t415\t39\n0,04a\t391\t412\t53\t389\t371\t58\n0,03 a\t336\t337\t105\t345\t324\t88\n0,02 a\t314\t284\t126\t297\t266\t105\n0,01a\t232\t207\t187\t257\t192\t153\n0\t156 >\t61 >\t220\t174 >\t109 >\t147\n\u20140,01 a\t375\t292\t132\t341\t277\t112\n\u20140,02 a\t421\t363\t87\t381\t342\t83\n-\u20140,03 a\t427\t416\t49\t414\t397\t48\n\u20140,04a\t456\t438\t38\t440\t433\t30\n\u20140,05 a\t467\t461\t17\t461\t450\t20\nWerden die g der Rubrik II nach den erw\u00e4hnten Principien vertheilt und die Zahlen in Procenten der Gesammtsumme ausgedr\u00fcckt, so sind die drei Procents\u00e4tze richtiger F\u00e4lle direct vergleichbar: r bei experimentellem g-Ausschluss; rF nach Fech-ner\u2019s gleichm\u00e4\u00dfiger, rp nach proportionaler Vertheilung der Gleichheitsf\u00e4lle.","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\tHeinrich Higier.\nTabelle XX.\nD\tO O II\t\t\ta = 150\t\t\n\tr\trF\trp\tr\trF\trp\n\t\t\t\t\t\t\n0,05 a\t89,43\t94,89\t97,98\t90,00\t90,63\t93,96\n0,04 a\t81,09\t91,35\t94,28\t81,05\t83,75\t88,13\n0,03a\t69,25\t81,14\t89,87\t71,88\t76,88\t82,71\n0,02 a\t65,31\t72,33\t80,97\t61,88\t66,46\t70,42\n0,01 a\t48,44\t62,60\t71,28\t53,55\t56,05\t57,92\n0\t32,38>\t35,62>\t27,68>\t36,25>\t38,13>\t33,33>\n\u20140,01a\t77,96\t74,58\t83,99\t71,05\t69,59\t74,79\n\u20140,02 a\t87,03\t87,68\t92,22\t79,38\t80,00\t85,84\n\u20140,03 a\t88,74\t91,77\t96,47\t86,25\t87,88\t92,09\n\u20140,04 a\t94,84\t95,20\t99,09\t91,67\t93,33\t96,25\n\u20140,05 a\t97,03\t97,81\t99,57\t96,05\t96,05\t97,92\nMittel\t75,65\t80,45\t84,86\t74,45\t76,25\t79,72\nIn der mittleren Horizontalreihe, wo die Zahlen f\u00fcr die lieiz-differenz D = 0 angef\u00fchrt sind, habe ich diejenigen F\u00e4lle notirt, wo die Vergleichsdistanz gr\u00f6\u00dfer (]>) gesch\u00e4tzt wurde. Das war deshalb nothwendig, da man bei a =a als richtig nur die Gleichheitsf\u00e4lle, als falsch alle \u00fcbrigen ansehen m\u00fcsste. Uebrigens ist diese Aenderung in der Bezeichnung noch insofern vortheilhaft, als sie uns eine Vorstellung gibt \u00fcber die auch bei diesen Versuchen vorliegende Untersch\u00e4tzung der Vergleichsdistanz : denn bei zwei gleich gro\u00dfen Distanzen ist die Fehldistanz auf 480 Mal nur 156 resp. 174 Mal \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab beurtheilt worden (s. Tab. XIX).\nGehen wir jetzt zu der oben gestellten Frage \u00fcber: welche r mit einander am besten \u00fcbereinstimmen, so werden wir auf die Zahlen recurrirend schlie\u00dfen, dass die rp ausnahmslos die entsprechenden rF \u00fcbertreffen, und die letzteren gr\u00f6\u00dfer als die reinen r sind. Im Durchschnitte beider Distanzen sind: r = 75,05 rF = 78,35 rf = 82,29.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n279\nDass die einzelnen, wie auch die Mittelwerthe der r bei 150 kleiner als die entsprechenden bei 100 sind, w\u00fcrde sich leicht durch die bei allen Methoden constatirte Abnahme der Unterschiedsempfindlichkeit erkl\u00e4ren lassen. Dass die rP gr\u00f6\u00dfer ausfallen als die rP, war auch einigerma\u00dfen vorauszusehen, da bei der proportionalen Yertheilung der Gleichheitsf\u00e4lle immer mehr von denselben zu den richtigen F\u00e4llen hinzugerechnet wird als bei der gleichm\u00e4\u00dfigen . Die Zahl der richtigen F\u00e4lle liegt n\u00e4mlich bei Abstufungen, die die Unterschiedsschwelle \u00fcbertreffen, im Durchschnitte oberhalb 50 % (bei Elimination constanter Fehler). Bemerkenswerth ist nur, dass das bei Ausschluss der g erhaltene r kleiner als die beiden \u00fcbrigen ist.\nF\u00fcr die M\u00fcll er\u2019sehe Vertheilungsweise, die im Gro\u00dfen und Ganzen zu Versuchsergebnissen f\u00fchrt, welche praktisch von den Fechner\u2019schen geringe Unterschiede aufweisen1), habe ich die ziemlich complicirte Ausrechnung der r' und/' unterlassen. Uebri-gens ist auch seine Vertheilungsweise \u2014 wie aus dem oben angef\u00fchrten mathematischem Beweise ersichtlich \u2014 weniger berechtigt als die Fechner\u2019sche.\n\"Wie, fragen wir nun, ist die Thatsache zu erkl\u00e4ren, dass in dem Falle, wo der Psyche der Ausschluss der Gleichheitsf\u00e4lle geboten wird, im Durchschnitte eine ungenauere Sch\u00e4tzung sich herausstellt, als wenn wir f\u00fcr die Eliminirung der schon gewonnenen g sorgen? Sollte das etwa an dem psychisch verschiedenen Zustande, in dem wir uns bei Versuchen mit und ohne g befinden, oder an einer unmittelbar von demselben abh\u00e4ngigen Pr\u00e4occupation liegen ; oder ist der Grund vielleicht darin zu suchen, dass die Vertheilungsweise der g selbst falsch ist, bez. ein herrschender constanter Fehler das Resultat beeinflusst?\nDass der psychische Zustand \u2014 trotz genau derselben \u00e4u\u00dferen Versuchsbedingungen \u2014 doch verschieden sein muss bei Versuchen, wo wir gezwungen sind immer eine Differenz zwischen zwei zu vergleichenden Gr\u00f6\u00dfen herauszufinden, und solchen, wo uns durch die Gleichheitsf\u00e4lle ein Ausweg geboten ist, liegt auf der Hand.\n1) Vgl. N\u00f6rr, Zeitschrift f\u00fcr Biologie XV, S. 297 ff. Fechner, Revisionen S. 368.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nHeinrich Higier.\nDieser Ausweg kann besonders verh\u00e4ngnisvoll werden, sobald er zur geringeren Inanspruchnahme der Aufmerksamkeit \\eranlassung gibt. Und wenn man speciell die Zahl der zweifelhaften F\u00e4lle als Kriterium der Aufmerksamkeitsanspannung beanspruchen wollte, so m\u00f6chte ich durchaus bezweifeln, ob man \u00fcberhaupt eine strenge Grenze zwischen den zweifelhaften und Gleichheitsf\u00e4llen \u00fcberall, wie es Boas meint, herauszufinden im Stande ist, wenn auch die ersteren psychologisch anders begr\u00fcndet sein m\u00f6gen als die letzteren.\nHat endlich das wissentliche oder halbwissentliche Sch\u00e4tzen im allgemeinen wenig Finfluss auf das Urtheilf\u00e4llen dort, wo wir nur mit richtigen und falschen F\u00e4llen zu thun haben, so d\u00fcrfte doch bei der Zulassung von g wahrscheinlich die Pr\u00e4occupation in dem Sinne einwirken, dass wir unwillk\u00fcrlich eher ein wissentlich falsches als ein wissentlich richtiges Urtheil in die Gruppe der Gleichheitsf\u00e4lle hin\u00fcberzuwerfen geneigt sein werden. Ist aber der Uebergang zwischen den richtigen und falschen F\u00e4llen durch die g-Urtheile nicht erleichtert, so wird auch der Pr\u00e4occupation ein viel engerer Spielraum geboten sein.\nAuf die YerSuchsergebnisse zur\u00fcckkommend, m\u00fcssen wir uns sagen : sollte wirklich die Zahl der Nullf\u00e4lle einigerma\u00dfen als Kriterium der verwendeten Aufmerksamkeit, oder allgemeiner des bei den Versuchen herrschenden psychischen Zustandes gelten k\u00f6nnen, so m\u00fcsste sie bei den Distanzen 100 und 150 verschieden gro\u00df ausfallen, da, wie oben erw\u00e4hnt, die Versuchsanordnung bei denselben insofern verschieden war, dass bei 100 die Sch\u00e4tzungen mit g nach. Beendigung derjenigen ohne g ausgef\u00fchrt wurden, bei 150 gleichzeitig nach beiden Principien, und zwar gruppenweise alter-nirend. Die Tendenz immer einen Unterschied in den zum Vergleiche dargebotenen Distanzen zu finden m\u00fcsste mithin ihren Einfluss bei den Versuchen mit Gleichheitsf\u00e4llen in etwas st\u00e4rkerem Ma\u00dfe auf 150 als 100 ausiiben. Diese Neigung zur Einschr\u00e4nkung der <7-Zahl, welche ich oben als ein Zeichen gesteigerter Aufmerksamkeit aufgefasst habe, hat auch in der That eine absolut wie relativ geringere Zahl von Gleichheitsf\u00e4llen bei 150 als bei 100 verursacht, obwohl man doch bei 150, wo die Unterschiedsempfindlichkeit an und f\u00fcr sich geringer als bei 100 ist, eine gr\u00f6\u00dfere Zahl","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n2S1\nerwarten sollte. Die Werthe f\u00fcr r, f, g, sind bei 100 und 150: r ----- 76,1\u201472,2%, /= 67\u201412,5#, g = 17,2\u201415,3#.\nF\u00fcr die Thatsache, dass durch die Versuchsanordnung bei 150 ann\u00e4hernd derselbe psychische Zustand in beiden F\u00e4llen herbeigef\u00fchrt wurde, spricht auch die bessere Uebereinstimmung seiner tf und rp mit r, als es bei 100 der Fall ist.\nEndlich, da die Pr\u00e4occupation \u2014 der Voraussetzung nach \u2014 h\u00e4ufig <7~Urtheile auf Kosten der falschen bildet, so muss unbedingt bei Vertheilung derselben ein gr\u00f6\u00dferes r' entstehen, als es der Wirklichkeit entspricht. Andererseits ist aber zu erwarten, dass diese Wirkung h\u00e4ufig dort eintreten wird, wo die Sch\u00e4tzung durch irgend eine constante Ursache verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig falsch wird: bei den positiven Abstufungen, wo die objectiv gr\u00f6\u00dfere Distanz kleiner zu sein schien (s. oben), m\u00fcsste nun von der Anwendung der Gleichheitsurtheile h\u00e4ufiger Gebrauch gemacht werden, als bei den negativen. Die Betrachtung der Zahlen best\u00e4tigt auch diese Ver-muthung : so war bei a' a, wo die Zahl der richtigen F\u00e4lle bei 100 resp. 150 im Durchschnitte 1680 resp. 1568 betrug, die (/-Zahl = 502 resp. 448; stieg die r-Zahl bei a' < a, auf 1970 resp. 1899, so sank die (/-Zahl relativ stark auf: 323 resp. 331. Als Mittel f\u00fcr beide Distanzen betr\u00e4gt das g in Procenten der Gesammtzahl ausgedr\u00fcckt, 19,9 # resp. 12,8 ^ bei den positiven resp. negativen Reizdifferenzen.\nIst mithin die Nicht\u00fcbereinstimmung der durchschnittlichen r, rF, r p wirklich dadurch haupts\u00e4chlich bedingt, dass wir bei der Vertheilung der g viele derselben, die eigentlich als f aufzufassen w\u00e4ren, den r zuz\u00e4hlen, so muss dieses st\u00f6rende Moment weniger bei den \u2014 als Abstufungen in Betracht kommen, und die Uebereinstimmung der rF und rp mit r bei den ersteren viel besser sein als bei den letzteren. Auch das ist in der That der Fall, wie die folgende Tabelle zeigt.\nWundt, Philos. Studien. VII.\n19","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nHeinrich Higier. Tabelle XXI.\n\t+ Abstuf.\t\t\t\t- Abstuf.\t\na\tr\trF\trp\tr\t>>\trp\n100\t'70,70\t80,46\t86,87\t89,12\t89,40\t94,27\n150\t71,67\t74,75\t78,63\t84,98\t85,37\t89,38\nMittel\t71,18\t77,60\t82,75\t87,05\t87,38\t91,82\nJe geringer mithin die Pr\u00e4occupation ist, sei sie selbst\u00e4ndig, oder durch eine constante Fehlerquelle bedingt, desto besser stimmt der experimentelle Ausschluss der Gleichheitsf\u00e4lle mit der F e c liner\u2019sehen gleichm\u00e4\u00dfigen Vertheilung \u00fcberein.\nGleichzeitig angestellte Versuche mit den 4 m\u00f6glichen Bedingungsvariationen (wissentliches und unwissentliches Verfahren mit und ohne Ausschluss der Nullf\u00e4lle) w\u00fcrden am geeignetsten sein, um einerseits den verschiedenen Einfluss der Pr\u00e4occupation zahlenm\u00e4\u00dfig in den verschiedenen F\u00e4llen feststellen zu k\u00f6nnen, andererseits um endg\u00fcltig einen richtigen Anhaltspunkt zur zweckm\u00e4\u00dfigen Vertheilung der Gleichheitsf\u00e4lle zu gewinnen.\nEine ungef\u00e4hre Vorstellung \u00fcber das Zusammenwirken der einzelnen Fehlerquellen liefert uns die folgende Tabelle, in der neben dem procentischen Ausdruck der Gleichheitsf\u00e4lle (gewonnen nur aus den 6 kleineren positiven und negativen Abstufungen, wo die y-Zahl ziemlich bedeutend ist) diejenige Vertheilungsweise derselben angef\u00fchrt ist, die r und f, gleich den heim Ausschl\u00fcsse von g erhaltenen r und f, liefert.\nTabelle XXII.\n\t100\t150\t100\t\t150\t\n\t9\u00b0Io\tg\u00b0! o\tzu r\tzu /\tzu r\tzu /\n+\t29,0\t23,9\t12,4\t87,6\t31,9\t68,1\n\u2014\t18,6\t16,9\t50,7\t49,3\t46,5\t53,5","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n283\n1) Die ^-Tendenz ist in Folge der Versuchsanordnung gr\u00f6\u00dfer bei 100 als 150, 2) dieselbe ist in Folge der durch den constanten Zeitfehler gesteigerten Pr\u00e4occupation gr\u00f6\u00dfer bei positiven, als negativen Reizdifferenzen, 3) wo beide die p'-Tendenz steigernde Factoren Zusammentreffen, da ist das zu den r zu rechnende g% das kleinste, d. h. da sind viele g in Wirklichkeit als f aufzu-fassen.\nEin paar kurze Bemerkungen m\u00f6gen noch auf manche That-sachen, die zum Verst\u00e4ndniss des Charakters der g beitragen k\u00f6nnen, aufmerksam machen.\nDa sich ca. 1000 Gleichheitsf\u00e4lle bei jeder untersuchten Distanz ansammelten, so versuchte ich dieselben als Material zur Bestimmung eines mittleren variablen Fehlers zu benutzen. Ich theilte die 1045 Gleichheitsf\u00e4lle der Distanz 100 in 3 Fractionen aus je 4 aufeinander folgenden Tagen. Jede derselben wurde zur Bestimmung des mittleren variablen Fehlers gebraucht, um einerseits aus dem Gange derselben eine Vorstellung zu gewinnen, inwiefern mit der Zahl der Gleichheitsf\u00e4lle die Empfindlichkeit schwankt, andererseits etwas N\u00e4heres \u00fcber den Einfluss der Uebung auf die Zahl der g zu ermitteln.\nTabelle XXIII.\n\t</\t\t\t\t\t\n\tL\tR\tMittel\tL\tR\tMittel\nGruppe I\t1T0\t168\t338\t1,80X\t1,52X\t1,66X\nII\t190\t182\t'372\t1,84\t1,77\t1,80\n- III\t162\t173\t335\t1,63\t1,65\t1,64\na = 100. Mittel\t522\t523\t1045\t1,75\t1,64\t1,70\na = 150.\t483\t481\t962\t\u2014\t\t ;\t2,01\nIm allgemeinen zeigt der variable Fehler wenig Schwankungen; im Mittel ist er am gr\u00f6\u00dften bei der zweiten Gruppe, wo auch die Zahl der Gleichheitsf\u00e4lle am gr\u00f6\u00dften ist. Man k\u00f6nnte daraus, falls es nicht zuf\u00e4llig ist, die Schlussfolgerung machen, die\n19*","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nHeinrich Higier.\nGenauigkeit der Sch\u00e4tzung sei geringer, wo bei derselben gesamm-ten Versuchszahl nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle mehr Gleichheitsf\u00e4lle Vorkommen.\nWas die XJebung anbelangt, so ist sie, wie es sich aus denselben 4-t\u00e4gigen Gruppen zu erkennen gibt, auf das Zahlenver-h\u00e4ltniss der g von minimalem Einfluss, also auch, analog ihrem schon oben constatirten Einfl\u00fcsse, auf die Zahl der richtigen und falschen F\u00e4lle. Ist mithin anzunehmen, dass der Aufmerksamkeitszustand in unseren Versuchen das Zahlenverh\u00e4ltniss der Gleich-heits- und Ungleichheitsf\u00e4lle stark, die Uebung ganz unbedeutend zu beeinflussen verm\u00f6gen, so liegt die Frage nah, wie sich eigentlich in Bezug auf die y-Zahl die constanten Fehler verhalten. Ihr Einfluss auf das Verh\u00e4ltniss der richtigen und falschen F\u00e4lle war bekanntlich in allen Versuchsreihen streng nachzuweisen.\nDass der constante Zeitfehler nur mittelbar die <7-Zahl beeinflusst, indem er bei geringerer Aufmerksamkeit der Pr\u00e4occupation den Wirkungskreis ebnet, wurde schon erw\u00e4hnt. Unmittelbar hat er * auf denselben anscheinend keinen Einfluss, d. h. es ist denkbar, dass bei ganz unwissentlichem Verfahren die Zahl der g bei den positiven wie negativen Abstufungen dieselbe w\u00e4re, wenn auch die richtigen und falschen Urtheile in beiden F\u00e4llen verschieden aus-fallen sollten. Dass ferner die g dem Einfl\u00fcsse des Eaumfehlers ganz entzogen sind, beweisen schon die ganz unregelm\u00e4\u00dfigen Schwankungen in den einzelnen Fractionen f\u00fcr R. und L. (s. Tab. XXIX) ; es vertheilten sich endlich die Gleichheitsf\u00e4lle fast gleichm\u00e4\u00dfig zwischen beiden Seiten: 523\u2014522 resp. 481\u2014483 f\u00fcr die Distanzen 100 resp. 150.\nTabelle XXIV.\na\t100\t\t150\t\n\tt = hD\tx\th\tt = hD\th\n1. Ab stuf.\t0,3420\t0,3420\t0,2280\t0,1520\n2.\t0,5951\t0,2975\t0,4381\t0,1460\n3.\t0,7161\t0,2387\t0,6572\t0,1461\n4.\t1,0580\t0,2645\t0,8504\t0,1417\n5.\t1,2692\t0,2538\t0,0613\t0,1415\nMittel\t0,7960\t0,2793\t0,6468\t0,1455","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n285\nIn der Tab. XXIV sind noch die aus den Versuchen mit g berechneten t und h angef\u00fchrt worden, als Beitrag zur Frage \u00fcber die Anwendbarkeit des Gau\u00df'sehen Gesetzes und \u00fcber die Con-stanz der Pr\u00e4cisionsma\u00dfe.\nZur strengen Constanz der h sind aber vollst\u00e4ndige Elimination der constanten Fehler wie auch ziemlich kleine Reizdifferenzen erforderlich. Wo diese Bedingungen, wie hier, mehr oder weniger erf\u00fcllt sind, da zeigen demnach auch die Pr\u00e4cisionsma\u00dfe bei gleichm\u00e4\u00dfiger <7-Vertheilung eine ziemliche Constanz.\nDass die beiden aus dem Versuchsmateriale mit Gleichheitsf\u00e4llen gewonnenen Empfindungsma\u00dfe : das mittlere t und mittlere J denselben relativen Werth aufweisen, l\u00e4sst sich aus ihrem Verh\u00e4ltnisse schlie\u00dfen. Die Empfindlichkeit bei der Distanz 150 verh\u00e4lt sich zu der bei 100, wie 1 : 1,22 (aus den t berechnet), resp. wie 1 : 1,19 (aus den J berechnet) \u2014 eine Uebereinstimmung, die durchaus befriedigend ist.\nZum Schluss dieses Kapitels ein Wort zur Frage \u00fcber die gegenseitige Stellung der nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle berechneten Fechner\u2019schen und M\u00fcller\u2019schen Unterschiedsschwellen. Die Ausrechnung derselben war in allen meinen Reihen ohne g nicht durchf\u00fchrbar, da die Formeln f\u00fcr die Unterschiedsschwellen unbedingt Gleichheitsf\u00e4lle voraussetzen. M\u00fcller h\u00e4lt bekanntlich die Schwelle der Methode der eben merklichen Unterschiede f\u00fcr identisch mit der der richtigen und falschen F\u00e4lle. Sollte diese Annahme richtig sein, so muss ihrer Voraussetzung gem\u00e4\u00df die unmittelbar gewonnene Unterschiedsschwelle, als Reizdifferenz bei der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle verwendet, ein r \u2014 50^ ergeben. Fechner h\u00e4lt im Gegens\u00e4tze zu M\u00fcller weder die Identit\u00e4t der nach beiden erw\u00e4hnten Methoden berechneten Schwellen f\u00fcr zwingend noch das Zusammentreffen beider Bedingungen: D = S, r = 50 % f\u00fcr wahrscheinlich. Wundt .stellt seinerseits, auf die M\u00fcller\u2019schen Formeln gest\u00fctzt, das Princip auf, die Reizdifferenz bei der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle sei zweckm\u00e4\u00dfig so zu w\u00e4hlen, dass r = 50 d. h. dass sie der Unterschiedsschwelle gleich ist.\nLorenz fand in der That diese Voraussetzung best\u00e4tigt, indem","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nHeinrich Higier.\nT\ner bei D = S im Durchschnitte ein \u2014 = 47.5 % erhielt, Es sei gleich\nbemerkt, dass Lorenz die g streng von den z trennt und nur die letzteren gleichm\u00e4\u00dfig zwischen r und / vertheilt. Sein nicht ganz v'\nzutreffend benanntes \u2014 ist daher keineswegs mit dem F echner\u2019schen\ng + z\nr'\t2\nzu identificiren, da das Fechner\u2019sche \u2014 = r 4- -------------- von den\nn\tn\n, \u00ab\n-\tr + VT\"\nY\t2\nGleichheitsf\u00e4llen mitbestimmt wird, das Lorenz\u2019sche \u2014 \u2014r-\\-----------\nn\tn\nganz unabh\u00e4ngig von denselben ist. Es ist mithin leicht denkbar, v'\ndass Lorenz dasselbe \u2014 erhalten w\u00fcrde, wenn auch die f und q n\t\u2019\tj v\nsich in ihrem gegenseitigen Verh\u00e4ltniss ver\u00e4ndert h\u00e4tten. So ergab\nbeispielsweise eine seiner Reihen1): r, f, z, g = 42,50 \u2014 1,55 \u2014\ny'\n12,37 \u2014 43,58^. Was f\u00fcr \u2014 w\u00fcrde Lorenz registriren, falls alle\nr'\nGleichheitsf\u00e4lle \u00bbfalsch\u00ab beurtheilt w\u00e4ren? Ganz dasselbe \u2014 \u2014\nn\n12 37\n42,50 + -----^---, trotzdem beinahe die H\u00e4lfte aller F\u00e4lle \u00bbfalsch\u00ab\nstatt \u00bbgleich\u00ab gesch\u00e4tzt w\u00e4re. Man kann zwar erwidern, dass solch ein Umschwung der f und g undenkbar ist bei einer der Unterschiedsschwelle gleichen Reizdifferenz. Aber dann muss auch f\u00fcr jedes gegebene Reizverh\u00e4ltniss nicht nur ein fest bestimmtes r, sondern auch ein_/existiren, was sich aus der Formel f\u00fcr die M\u00fcller-sche Schwelle keineswegs ergibt. Auch scheinen mir die Fechner-schen umfangreichen Gewichts versuche2) dagegen zu sprechen.\nMerkel3) kommt wiederum auf Grund theoretischer Interpretationen zum Schl\u00fcsse, dass die Unterschiedsschwellen nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle kleiner gefunden werden, als sie in Wirklichkeit sind. Aus seinen Versuchsreihen \u00fcber\n1)\t1. o. Tab. XVIII, S. 467.\n2)\tRevision S. 363 ff.\n3)\t1. c. S. 131.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n287\nSchallreize, in denen nur r-, f- und \u00ab-F\u00e4lle r\u00e9gis trirt sind, ergibt sich einerseits eine genaue Uebereinstimmung der Zahl der richtigen (r1) und falschen (f) F\u00e4lle bei ganz gleich gro\u00dfen Schallst\u00e4rken, andererseits bedeutend mehr als '50 % (nach dem mittleren h von mir berechnet) hei zwei Reizen, die um die nach der Methode der Minimal\u00e4nderungen ermittelte Unterschiedsschwelle differiren. Aus der letzteren Thatsache zieht er den Schluss, dass von der Identit\u00e4t beider Schwellen gar keine Rede sein kann. Leider geht Merkel darauf nicht ein zu erkl\u00e4ren, woher es kommt, dass sich bei denjenigen Lorenz\u2019schen Schallversuchen, wo er als Reagirender fun-girte, sich ein ganz anderes Resultat als in den von ihm selbst sp\u00e4ter ausgef\u00fchrten Versuchen herausstellt. Im ersten Falle ergab Merkel\u2019s obere Unterschiedsschwelle ein r = 48%) im zweiten ein r \u2014 92 \u2014 96 ^, also etwa das Doppelte. Dass dies nicht durch eine Steigerung der Empfindlichkeit in Folge der Uebung bedingt sein kann, ist selbstverst\u00e4ndlich, da dieselbe ebenso bei der Methode der Minimal\u00e4nderungen, wie hei der der richtigen und falschen F\u00e4lle gesteigert sein m\u00fcsste, k\u00fcrzer, da die Voraussetzung r \u2014 b\u00fc % bei D = S allgemeine G\u00fcltigkeit hat. Es ist auch unwahrscheinlich, dass der gro\u00dfe Procentsatz im zweiten Falle von einer falschen Vertheilung der zweifelhalften Urtheile herr\u00fchre, da an derjenigen Stelle der Fehlreizscala, wo seine obere Schwelle ann\u00e4hernd fallen w\u00fcrde (65 \u2014 70 cm), nur sehr wenige \u00ab vorhanden sind, so dass denselben keineswegs eine so bedeutende Beeinflussung des Endresultates zuzumuthen w\u00e4re.\nDass die Identit\u00e4t heiderartiger Schwellenwerthe nicht zul\u00e4ssig ist, w\u00fcrde ich, wie es auch Merkel thut, aus dem Vergleiche seiner experimentell gefundenen und der nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle berechneten Unterschiedsschwellen schlie\u00dfen: Die Verh\u00e4ltnissschwellen nach der Methode der eben merklichen Unterschiede schwankten hei ihm zwischen 1,30 und 1,36, die entsprechenden Werthe nach der der r- und f- F\u00e4lle zwischen 1,03 und 1,05 (S. 151).\nIn der That gibt sich auch hei mir diese Verschiedenheit der Schwellenwerthe deutlich kund. Ich rechnete sie einerseits nach\nder Fechner\u2019schen SF =\t\u2014\u2014 D und M\u00fcller\u2019schen Formel\n2to","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nHeinrich Higier.\nSM =\tD f\u00fcr jede positive und negative Reizdifferenz aus,\nandererseits aus demselben Materiale nach der Methode der Minimal\u00e4nderungen. Die erhaltenen Verh\u00e4ltnissschwellen sind unten tabellarisch zusammen gestellt.\nTabelle XXV.\nD\t100\t\t150\t\n\tVf\tVu\tVf\tVit\n0,05 a\t1,0144\t1,0098\t1,0097\t1,0093\n0,04 a\t1,0115\t1,0107\t1,0102\t1,0099\n0,03 a\t1,0150\t1,0137\t1,0125\t1,0120\n0,02 a\t1,0139\t1,0128\t1,0145\t1,0137\n0,01 a\t1,0176\t1,0155\t1,0280\t1,0260\nMittel = V\u00b0\t1,0145\t1,0125\t1,0150\t1,0142\n\u20140,01 a\t1,0069\t1,0062\t1,0066\t1,0063\n\u20140,02 a\t1,0082\t1,0075\t1,0076\t1,0072\n\u20140,03 a\t1,0082\t1,0077\t1,0066\t1,0064\n\u20140,04 a\t1,0119\t1,0107\t1,0068\t1,0065\n\u20140,05 a\t1,0099\t1,0087\t1,0070\t1,0068 '\nMittel = Vu\t1,0090\t1,0082\t1,0069\t1,0065\n^\tyo + yu V ~ 2\t1,0117\t1,0103\t1,0109\t1,0104\nDer Vergleich der einzelnen Werthe zeigt: 1) dass die M\u00fcller-schen \u00fcberall kleiner als die Fechner\u2019schen ausfallen; 2) dass ebenso die VF wie Vu nicht mit denen der Minimal\u00e4nderungen identisch sind (auch nicht mit den V aus den Versuchen ohne g der Tabelle XVIII) ; 3) dass die durchschnittlichen oberen wie unteren Vf und VM, wenn auch kleiner als diejenigen der Minimal\u00e4nderungsmethode, so doch den letzteren ann\u00e4hernd proportional sind.","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n289\nVIII. Methode der doppelten Reize und der Multipla.\nMehrere Distanzen sind nach der Merkel\u2019schen Methode der doppelten Reize untersucht worden, bei der, wie ihr Name andeutet, einen Reiz von der doppelten Intensit\u00e4t eines gegebenen aufzufinden verlangt wird.\nEs sei gleich bemerkt, dass es bei der Anwendung dieser Methode mir nicht etwa speciell auf die Pr\u00fcfung der G\u00fcltigkeit des Weber\u2019schen Gesetzes ankam. Da die Pr\u00fcfung des Weber-schen Gesetzes bei der Methode der doppelten Reize wieder nur auf die Eeststellung der Gleichheit resp. Ungleichheit der mittleren Verh\u00e4ltnissschwellen oder mittleren variablen Verh\u00e4ltnissfehler zur\u00fcckkommen muss, so w\u00e4re der Gebrauch dieser umst\u00e4ndlicheren Methode blo\u00df zu solchem Zwecke eigentlich eine unn\u00fctze Complication der eben merklichen Unterschiede resp. der mittleren variablen Fehler. Und wenn man auch einerseits nicht in Abrede stellen .wird, dass die Methode der mittleren Abstufungen, wie die theoretisch als Specialfall derselben zu betrachtende Methode der doppelten Reize, zur Entscheidung der wichtigen psychologischen Frage benutzt werden kann: ob den gleichen Empfindungsunterschieden gleiche Reizverh\u00e4ltnisse oder gleiche absolute Reizunterschiede entsprechen, d. h. \u00fcber die Richtigkeit der Verh\u00e4ltniss- oder Unterschiedshypothese, so muss man sich doch andererseits bewusst sein, dass das N\u00e4chstwichtige, was sich an dieser Methode discutiren l\u00e4sst, nicht etwa die G\u00fcltigkeit des Weber\u2019schen Gesetzes als vielmehr der Gang des constanten Fehlers ist.\nBei den jetzt zur Sprache kommenden Versuchen wurde ausschlie\u00dflich das rechte Auge benutzt, dessen Blick in Prim\u00e4rlage auf die Grenze zwischen Normal- und Vergleichsdistanz fiel. Zur Untersuchung gelangten die Distanzen 10, 20, 40, 80 mm. Mit gr\u00f6\u00dferen Distanzen war es nicht so leicht zu operiren, da (bei fixirtem Kopfe in der Entfernung von 50 cm) der Schieber vom Experimentator selbst eingestellt werden musste, so dass bei einer Distanz beispielsweise von 100 mm der doppelte Reiz beim absteigenden Verfahren nur von einem deutlich \u00bb\u00fcberdoppelten\u00ab Reize, etwa 250 ausgehen k\u00f6nnte, was schon ziemlich anstrengend f\u00fcr das Versuchssubject","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nHeinrich Higier.\nw\u00e4re. F\u00fcr jede der untersuchten Distanzen sind 300 Einzelbestimmungen ausgef\u00fchrt worden, und zwar, t\u00e4glich 50, ganz in der Weise der Methode der mittleren Fehler. Die Fehldistanz a wurde das eine Mal so lange vergr\u00f6\u00dfert, bis man die Ueberzeugung gewann, die Empfindung betrage mindestens das Doppelte der gegebenen. Beim n\u00e4chstfolgenden Versuche wurde von einem wesentlich st\u00e4rkeren Reize ausgegangen und dieser so lange verkleinert, bis wieder die doppelte Empfindung so nahe als m\u00f6glich erreicht war.\nDie erhaltenen Resultate sollen in den zwei folgenden Tabellen angef\u00fchrt werden, deren erste nur die constanten, die zweite die variablen Fehler enth\u00e4lt.\nTabelle XXVI.\na\t2.10\t2.20\t2.40\t2.80\nL. = a!r\t19,83\t40,20\t78,04\t156,45\nH. = a'i\t18,23\t38,57\t77,12\t150,16\n1 = a'o\t18,85\t38,61\t77,40\t152,28\nf = a'u\t19,21\t40,16\t77,75\t154,32\na!\t19,05\t39,40\t77,58\t153,31\nA a\t0,991\t0,980\t0,998\t0,993\nB = p\u2014 l/2\u00ab\t1,903\t1,969\t1,939\t1,916\nIn den zwei ersten Horizontalreihen sind die Fehldistanzen f\u00fcr beide Raumlagen, in den zwei folgenden diejenigen f\u00fcr die Steigungstypen angef\u00fchrt (das absteigende j bez. aufsteigende f Verfahren bezeichne ich durch a 0 und a\u2019u, weil sie etwa den gew\u00f6hnlich so bezeichneten Werthen der Methode der eben merklichen Unterschiede entsprechen). Die constanten Fehler sind in den 4 Reihen fast ausnahmslos negativ: die Empfindung \u00bbdoppelt\u00ab tritt also ein, bevor noch der Reiz objectiv das Doppelte erreicht hat. Es liegt mithin eine Uebersch\u00e4tzung der gr\u00f6\u00dferen Distanz vor. Diese Erscheinung, auch bei den Merkel\u2019schen, nach derselben Methode angestellten Lichtsinnversuchen deutlich nachweisbar, beruht wahrscheinlich wie dort auch hier auf einer Contrastwirkung.","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\t291\nDie Betrachtung der ab- und aufsteigenden Reihen zeigt, dass beim Ausgange von einem gr\u00f6\u00dferen Reize als der doppelte kleinere Werthe erhalten werden, als beim Ausgange von einem kleineren, eine Thatsache, die ziemlich h\u00e4ufig auf anderen Sinnesgebieten in viel ausgepr\u00e4gterem Ma\u00dfe hervortritt, haupts\u00e4chlich wo der Con-trastwirkung und der zeitlich-r\u00e4umlichen Incoincidenz der Reiz-eindr\u00fccke ein breiterer Spielraum gew\u00e4hrt ist. Wendet man diese Bewusstseinstr\u00e4gheit zur Erkl\u00e4rung unserer Versuchsergebnisse an, so w\u00fcrde man etwa sagen k\u00f6nnen: die \u00fcbermerklich doppelt genommene Vergleichsdistanz scheint uns bei allm\u00e4hlich vor sich gehender Verkleinerung immer noch \u00bb\u00fcberdoppelt\u00ab, da der Vergleich des Normalreizes nicht mit der objectiv im gegebenen Momente eingestellten Vergleichsdistanz, sondern vielmehr mit dem sub-jectiven Erinnerungsbilde des tr\u00e4ge den Blickpunkt des Bewusstseins verlassenden vorangegangenen Reizes stattfindet. Die Abweichungen auf manchen Sinnesgebieten sind aber viel zu h\u00e4ufig, als dass man diese Annahme als allgemein g\u00fcltig betrachten k\u00f6nnte.\nEin analoges Verhalten der ab- und aufsteigenden Reihen seiner Lichtsinnversuche erkl\u00e4rt Merkel durch die Einwirkung des Contrastes. Wenn auch zuzugeben ist, dass einerseits die Contrasteinfl\u00fcsse am st\u00e4rksten bei der Methode der mittleren Abstufungen \u2019 und derjenigen der doppelten Reize hervortreten, und dass sie andererseits bei Lichtversuchen st\u00e4rker als bei manchen anderen hervortreten, so kann man sich doch schwer vorstellen, in welcher Weise der Contrast selbst ohne die Bewusstseinstr\u00e4gheit diese Differenzen zwischen ^ und f Typus hervorrufen sollte. W\u00fcrde der Contrast allein eine Rolle spielen, so m\u00fcsste sein Einfluss, falls beide zu vergleichende Reize objectiv (bei Anwesenheit von const. Fehlern subjectiv) gleich gro\u00df geworden sind, vollst\u00e4ndig auf h\u00f6ren, einerlei ob der Vergleichsreiz kurz vorher gr\u00f6\u00dfer oder kleiner war als der direct bez. indirect gegebene Normalreiz. Merkel sieht sich auch deshalb gezwungen bei seinen Drucksinn versuchen, die nach derselben Methode ausgef\u00fchrt sind, au\u00dfer dem peripherischen noch einen centralen Contrast anzunehmen, da der erstere die ermittelten Thatsachen nicht gen\u00fcgend zu erkl\u00e4ren vermag.\nDurch den Einfluss der Raumlage zeigt sich die rechte Vergleichsdistanz a'r gr\u00f6\u00dfer als die linke a t (excl. 20). Die st\u00e4rkere","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\nHeinrich Higier.\nUebersch\u00e4tzung der linken Fehldistanz ist ganz analog der geringeren Untersch\u00e4tzung derselben hei der einfachen Methode der mittleren Fehler. Auch hier, wie dort, ist also ganz derselbe Einfluss des Kaumlagenfehlers, der rechts positiv, links negativ wirkt, zu dem aber jedenfalls noch ein zweiter hinzukommt (= Contrastfehler), welcher a im Yerh\u00e4ltniss zu a in umgekehrtem Sinne (negativ) beeinflusst, als es mit dem Zeitfehler der Methode der mittleren Fehler der Fall war. Der Zeitfehler ist hier wahrscheinlich durch den Contrastfehler iibercompensirt. Relativ am st\u00e4rksten ist die Uebersch\u00e4tzung der mittleren Fehldistanz bei a = 2.10, wie es die B \u2014 die Verh\u00e4ltnisse der Fehlreize zu den gegebenen \u2014 in der letzten Horizontalreihe zeigen; am geringsten ist sie bei 2.20, von welchem Punkte an sie allm\u00e4hlich nach oben zu w\u00e4chst. Das Yerh\u00e4ltniss (A) der beim aufsteigenden Verfahren erhaltenen Fehldistanz zur mittleren ist \u00fcberall ann\u00e4hernd gleich gro\u00df (vorletzte Horizontalreihe).\nWelchen Schluss sind wir aus dieser letzten Thatsache zu ziehen berechtigt\u201d? W\u00e4ren die a'0 und au wirklich mit den gew\u00f6hnlich so bezeichneten Werthen der eben merklich sich vom Hauptreize unterscheidenden Fehlreize identisch, so k\u00f6nnte man unbedingt auf die G\u00fcltigkeit des Web er\u2019sehen Gesetzes aus folgenden theoretischen Erw\u00e4gungen zur\u00fcck schlie\u00df en. Bei G\u00fcltigkeit dieses Gesetzes\nmuss bekanntlich \u2014 == sein, wo a den Hauptreiz repr\u00e4sentirt.\n\u00ab\tau\t___\n,\ta'n\t\u00df2\t...\ti/a'0\ta\nStatt dieser Gleichung kann:\t= -7-0, mithin y -7- = \u2014r-\nau au\tau au\net*\n(/) verlangt werden. Iij unseren Reihen zeigt sich aber das = const. \u2018 oder g 0\t= const., mithin y -\u2014 const. [II).\ny \u00ab'0 a'u\ta u\nAus den Gleichungen I und II w\u00fcrde sich also ergeben, dass die geforderten und die experimentell erhaltenen Gleichungen identisch\nsind, dass ~\t= const., d. h. die untere Unterschiedsschwelle\n^ U\nconstant ist. Wir haben es aber hier nicht mit eben merklich sich unterscheidenden Vergleichsreizen zu thun, sondern vielmehr mit solchen im Sinne der Methode der mittleren Fehler, also mit mitt-","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\n293\nderen eben unmerklich sich untersclieidenden Gr\u00f6\u00dfen. Ich glaube daher nicht, dass man die Constanz dieses Quotienten ohne Weiteres als strictes Kriterium der G\u00fcltigkeit des Weber\u2019schen Gesetzes anf\u00fchren darf, wie es Merkel thut.\nEin Blick auf die Tabelle der reinen variablen Fehler l\u00e4sst einen Verlauf der Unterschiedsempfindlichkeit erkennen, analog\nTabelle XXVII.\na\t-.100 a\ta-K o O\t\u2014 .100 a\n2.10\t-4,85\t2,67\t2,54\n2.20\t\u20141,52\t2,27\t2,24\n2.40\t\u20143,02\t3,35\t3,25\n2.80\t\u20144,19\t3,14\t3,01\ndem, auf welchen der nicht ganz berechtigte Schluss aus den\nQuotienten aufmerksam machte. Es muss nur selbstverst\u00e4ndlich\nder Contrastfehler ber\u00fccksichtigt werden, nach dessen Elimination die Quotienten (A) gr\u00f6\u00dfer als 1 ausfallen w\u00fcrden. Der kleinste relative variable Fehler findet sich bei 2.20, beiderseits von dieser Gr\u00f6\u00dfe sinkt er, viel weniger aber nach unten als nach oben zu.\nWenn auch nicht direct vergleichbar, so ist immerhin erw\u00e4h-nenswerth, dass bei der Methode der doppelten Beize sowohl der constante wie der variable Fehler ihre relativen Minima ungef\u00e4hr an derselben Stelle (2.20) erreichen, an welcher es bei den fr\u00fcheren Methoden der Fall war (50 mm).\nAls eine Weiterf\u00fchrung der Methode der doppelten Beize habe ich endlich noch die Methode der Multipla angewandt1). Dass das Experimentiren mit einer indirecten Methode, bei der ein Normalreiz in Wirklichkeit nicht gegeben ist, sondern mittelst verschiedener psychischer Manipulationen combinirt werden muss, viel erm\u00fcdender ist als das mit einer directen, hatte ich sowohl bei den\n1) Vgl. Kraepelin a. a. O. S. 502.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nHeinrich Higier.\nwenigen nach der Methode der mittleren Abstufungen, wie bei den nach der Methode der doppelten Reize ausgef\u00fchrten Versuchen Gelegenheit mich zu \u00fcberzeugen. Im allgemeinen w\u00fcrde ich zu sagen geneigt sein, dass mit dem wachsenden Multiplum compli-cirtere Bedingungen f\u00fcr das Bewusstsein gestellt werden, die ihrerseits vielleicht von der langwierigen Ueberlegung und Entscheidung abh\u00e4ngig sind. Kurz, mit wachsendem Multiplum (n) halten auch die Zeitdauer und Erm\u00fcdung beim Einstellen des Fehlreizes gleichen Schritt.\nIch will durchaus nicht behaupten, dass diese auf Grund der gemachten Erfahrung ausgesprochene Meinung a priori selbstverst\u00e4ndlich ist. Es w\u00e4re ganz gut ein anderes, etwa periodische Schwankungen aufweisendes Verhalten denkbar. Die neuesten Untersuchungen auf dem Gebiete des Zeitsinnes, der Aufmerksamkeit, der Tonintervalle machen es sogar ziemlich wahrscheinlich, dass bestimmte Multipla in manchen Hinsichten von uns bevorzugt werden. Wenn auch das Problem des Zeitsinnes bez. der Aufmerksamkeitsschwankungen, wie ihr wahrscheinlicher Zusammenhang mit verschiedenen automatisch und taktm\u00e4\u00dfig vor sich gehenden Functionen unseres Organismus (Athmung, Herzschlag) auf total andere urs\u00e4chliche Momente als das des Raumsinnes hinzudeuten scheinen, so w\u00e4ren doch solche Analogien von vornherein nicht zur\u00fcckzuweisen.\nFragen wir uns nun, woher es denn komme, dass man gr\u00f6\u00dferen Schwierigkeiten bei der Einstellung einer \u00ab-fachen, als bei der einer gleichen Distanz begegnet, so liegt die Antwort nahe. Durch allt\u00e4gliche Erfahrung und Uebung ist uns der Begriff einer Empfindungsgleichheit ziemlich gel\u00e4ufig ; nicht so gel\u00e4ufig ist uns aber 1\neme n- resp. \u2014fache Empfindung, und zwar muss erst durch Erfahrung die Kenntniss einer \u00ab-fachen Empfindung erlangt werden. Lassen wir eine Zeit lang zwei im Verh\u00e4ltniss 1 : n stehende Reize auf uns einwirken, so werden wir vielleicht mit dem entsprechenden Empfindungsverh\u00e4ltnisse oder Empfindungsunterschiede vertraut werden. Ohne irgend welche sehr m\u00fchsame Ein\u00fcbung einen n-fachen Reiz blo\u00df durch eine unbewusste, bei Beginn der Versuche bestimmte Vorstellung herzustellen, scheint mir ganz unm\u00f6glich zu","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\t295\nsein. Die Constanz der einzelnen Sch\u00e4tzungen w\u00fcrde unter solchen Bedingungen voraussichtlich eine minimale Wahrscheinlichkeit haben.\nIch m\u00f6chte daher die f\u00fcr meine \u00bbMultiplaversuche im engeren Sinne\u00ab vielleicht nicht ganz passende Benennung etwas \u00e4ndern, da ich nicht, wie man etwa aus Analogie mit der Methode der mittleren Fehler schlie\u00dfen k\u00f6nnte, Vergleichsreize einstellte, die mir unmittelbar w-Mal gr\u00f6\u00dfer zu sein schienen, sondern vielmehr in der Weise verfuhr, dass ich auf der vom Versuchsregistrator bedeutend gr\u00f6\u00dferen als das verlangte Multiplum eingestellten Distanz blo\u00df mit H\u00fclfe von Augenbewegungen die aufgefasste Normaldistanz w-Mal hintereinander abtrug, ohne aber die nur einmal aufmerksam betrachtete Normaldistanz zu H\u00fclfe zu nehmen. Es w\u00fcrde dieses nicht ganz einwandsfreie Verfahren dem entsprechen, was Ejner1) in seiner Arbeit \u00fcber den Zeitsinn Versuche mit mehrmaliger Zeitreproduction nannte.\nZwar sind, wie wir sahen, einige ganz bedeutende Unterschiede vorhanden, die allein durch die Verschiedenheit der Probleme des Zeit- und Raumsinnes bedingt werden ; eine nicht fundamentale, wenn auch praktisch nicht zu untersch\u00e4tzende Verschiedenheit in den Versuchen mit mehrmaliger Reproduction ist die, dass bei der Zeitsch\u00e4tzung, trotzdem die Uhr nach jeder Reproduction nicht arretirt wird, doch mit einer gen\u00fcgenden Pr\u00e4cision diejenigen Momente registrirt werden k\u00f6nnen, wo die eine oder andere Reproduction zu Ende ist. Bei unseren Augenma\u00dfversuchen, wo die Notirung der sehr schnell aufeinander folgenden Einzelreproduc-tionen schwer m\u00f6glich ist, sind wir in keiner Weise im Stande, nach Beendigung eines Versuches etwas \u00fcber die einzelnen Repro-ductionen auszusagen : wir haben dann nur das Endresultat, die Summe der Reproductionsreihe, nicht aber die viel wichtigeren einzelnen Summanden, wie es bei den Zeitversuchen der Fall ist.\nDas Fehlen der einzelnen Reproductionen hat seine ziemlich gro\u00dfen Nachtheile: die Schlussfolgerungen aus solchen Resultaten m\u00fcssen meist hypothetischer Natur bleiben. Stellen wir uns vor, dass (wie es bei einem der Uebungsversuche der Fall war) bei der\n1) Dissert. Dorpat 1889.","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nHeinrich Higier.\nVerneunfachung der Distanz 10 die Fehldistanz sich ziemlich genau mit dem verlangten objectiven Multiplum \u00fcbereinstimmend erwies : 89,4. Welcher Schluss lie\u00dfe sich aus diesem nackten Resultate ziehen? Die verschiedensten Deutungen w\u00fcrden mit demselbem Rechte und Werthe geltend gemacht werden k\u00f6nnen. Weniger willk\u00fcrlich gestaltet sich aber die Vermuthung, wenn uns die einzelnen Reproductionen zur Verf\u00fcgung stehen, etwa: 11,0\u201410,8\u2014 10,4 \u2014 10,4\u201410,1\u20149,8 \u2014 9,4\u20149,0\u20148,5. Aus dieser Reihe w\u00fcrde man zweifelsohne das volle Recht haben den naheliegenden Schluss zu ziehen, dass wir im allgemeinen geneigt sind die gegebene Distanz zu \u00fcbersch\u00e4tzen, dass aber gleichzeitig jede vorausgehende Reproduction, der ihr folgenden als Normalreiz dienend, subjec-tiv in ihrer Gr\u00f6\u00dfe verkleinert und auf diese Weise eine nach und nach sich verkleinernde Fehldistanz hervorgerufen wird; es muss also in solchem Falle auch ein Punkt sich finden lassen, wo die in der Natur der einmaligen Reproduction liegende tJeber-sch\u00e4tzung der durch die Multiplicit\u00e4t bedingten Untersch\u00e4tzung das Gleichgewicht h\u00e4lt (bei n = 5, a = 10,1) und derselben sogar unterliegt.\nBei den Augenma\u00df versuchen werden die einzelnen Multipla f\u00fcr sich experimentell festgestellt werden m\u00fcssen, und auch dann wird ihr unmittelbarer Vergleich noch durchaus nicht so strict durchzuf\u00fchren sein, wie es in diesem Beispiele der Fall war, da m\u00f6glicherweise bei dem Experimentiren mit den verschiedenen Multiplis verschiedene psychische Zust\u00e4nde herrschten.\nDie erhaltenen Zahlen f\u00fcr die vier untersuchten Multipla (n = 3, 4, 5, 6) der Distanz 20 mm finden sich in der folgenden Tabelle.\nTabelle XXVIII.\n74,67\n118,15\n0,984\n0,956\n0,902\n0,968","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden etc.\t297\nEin Blick auf die Zahlenreihen l\u00e4sst erkennen, dass nur bei n = 3 das rechtsliegende (a',,) Multiplum gr\u00f6\u00dfer als das linksliegende (\u00ab'*) ist, bei den \u00fcbrigen ist das Umgekehrte der Fall. In dem Verlaufe der einzelnen Multiplawerthe f\u00fcr rechts und links l\u00e4sst sich keine strenge Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit herausfinden. Die durchschnittliche Fehldistanz (dritte Horizontalreihe) ist \u00fcberall kleiner als das verlangte Multiplum: es wird mithin jede in der oben geschilderten Weise activ eingestellte Fehldistanz im Durchschnitte \u00fcbersch\u00e4tzt. Relativ am gr\u00f6\u00dften ist der negative constante Fehler bei n \u2014 4, von welchem Punkte an er beiderseits ann\u00e4hernd gleichm\u00e4\u00dfig sinkt (vierte Horizontalreihe.)\nUeber die absoluten und relativen variablen Fehler geben die 3 letzten Verticalcolumnen der nun folgenden Tabelle Auskunft.\nTabelle XXIX.\na\t\u2014 .100 a\t\t100 a\t-.100 a\n3.20\t\u20143,200\t2,8519\t4,91\t4,75\n4.20\t\u20149,787\t3,2773\t4,54\t4,10\n5.20\t\u20144,420\t4,5720\t4,78\t4,57\n6.20\t\u20141,156\t4,5600\t3,86\t3,80\nWeder die \u2014 noch die \u2014 zeigen ganz constante Zahlen. Nahezu\nU\tCI\nconstant sind sie immerhin.\nOhne etwas Weiteres zu pr\u00e4judiciren, will ich darauf hinwei-sen, dass derselbe Theil der Reizscala (50\u2014100 mm) auch bei der einfachen Methode der mittleren Fehler von nahezu constanter Unterschiedsempfindlichkeit war. Die \u00fcbrigen Zahlen der Tabelle sind theils schon bei den constanten Fehlern besprochen worden, theils keiner n\u00e4heren Erkl\u00e4rung bed\u00fcrftig.\nWnndt, Philos. Studien. VIL\n20","page":297}],"identifier":"lit4181","issued":"1892","language":"de","pages":"232-297","startpages":"232","title":"Experimentelle Pr\u00fcfung der psychophysischen Methoden im Bereiche des Raumsinnes der Netzhaut","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:19:40.454235+00:00"}