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{"created":"2022-01-31T12:22:56.530503+00:00","id":"lit4184","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Angell, Frank","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 7: 414-468","fulltext":[{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten nach der Methode der mittleren Abstufungen.\nVon\nFrank Angell.\nMit Tafel I.\nI. Die Verh\u00e4ltnissliypothese und die Methode der doppelten Reize.\nDer eigentlichen Untersuchung der Methode der mittleren Abstufungen bei Schallreizen lassen wir eine Pr\u00fcfung der von Dr. Julius Merkel vorgeschlagenen Methode der doppelten Reize *) vorausgehen, mit welcher ersfeere in logischem und sachlichem Zusammenh\u00e4nge steht.\nIn seinen umfangreichen und anregenden Arbeiten \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit zwischen Reiz und Empfindungssch\u00e4tzung1 2) hat Merkel die Methode der doppelten Reize in Anwendung gebracht, und im Zusammenh\u00e4nge mit der Methode der Minimal\u00e4nderungen und der Methode der mittleren Abstufungen hat er insbesondere versucht, eine Entscheidung zu treffen zwischen den Anspr\u00fcchen der Yerh\u00e4ltniss- und der Unterschiedshypothese in Bezug auf die Abh\u00e4ngigkeit der Empfindung vom Reiz. ;Es sollte \u00fcbrigens hier eher die Rede sein von einer Yerh\u00e4ltnisshypothese als von der Hypothese, da die unter einander abweichenden Auffassungen der Verh\u00e4ltniss-hypothese beinahe so zahlreich sind als deren Vertreter, obgleich diese Auffassungen im allgemeinen mit einander \u00fcbereinstimmen, insofern sie alle geltend machen, dass das Verh\u00e4ltniss von Empfindung\n1)\tPhil. Stud. IV, S. 545.\n2)\tPhil. Stud. IV, S. 541; V, S. 245, 499.","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\n415\nbez. Empfindungssch\u00e4tzung und Empfindungszuwachs das gleiche bleibt, wenn das Yerh\u00e4ltniss der Reize gleich bleibt.\nPlateau war der Erste, bei dem sich diese Auffassung findet, aber auf Grund der Delboeuf\u2019schen Scheibenversuche lie\u00df er sie sp\u00e4terhin fallen. Brentano hat eine Ansicht geltend gemacht, welche von Eechner auf die Plate au\u2019sehe Formel reducirt worden ist1); doch haben Fechner2) und G. E. M\u00fcller3) hervorgehoben, dass die Thatsache, welche Brentano anf\u00fchrt zur Best\u00e4tigung seiner Deutung des Weber\u2019schen Gesetzes \u2014 n\u00e4mlich dass \u00bbdie Zunahme eines Zolles um eine Linie ungleich merklicher ist als die Zunahme eines Fu\u00dfes um dieselbe L\u00e4nge\u00ab \u2014 nur eine Thatsache des Gesetzes selber sei. Die consequenteste Durchf\u00fchrung der Verh\u00e4ltnisshypothese ist von Arwid Grotenfelt in seiner werthvollen Arbeit \u00bbUeber das Web er\u2019sehe Gesetz und die psychische Relativit\u00e4t\u00ab (Helsingfors 1888) gegeben worden. Von dem Hering\u2019schen Satze der Relativit\u00e4t als Grundprincip ausgehend \u2014 von dem Satze n\u00e4mlich, \u00bbes sei ein einem jeden Denkenden mehr oder weniger klar bewusster Umstand, dass es, wie in der ganzen Welt \u00fcberhaupt, so auch in der Welt des psychischen Geschehens immer nur auf Verh\u00e4ltnisse ankommen kann, weil es ein absolutes Ma\u00df der Dinge nicht gibt\u00ab \u2014 sucht Grotenfelt die Ergebnisse des Gef\u00fchls- und Empfindungslebens im Sinne der Verh\u00e4ltnisshypothese zu deuten. Die Thatsachen des Weber \u2019sehen Gesetzes seien nur exacte Ausdr\u00fccke des allgemeinen Beziehungsgesetzes, und ein wichtiger St\u00fctzpunkt dieser Auffassung sei in Laplace\u2019s Formulirung der Beziehung von \u00bbla fortune morale\u00ab zu \u00bbla fortune physique\u00ab enthalten. Der Verfasser macht auch geltend, dass unter den Forschern in der Psycho-physik stillschweigend eine Darstellungsweise allgemein geworden ist, welche die von ihm sogenannte \u00bbrein psychologische Deutung\u00ab ausschlie\u00dft, w\u00e4hrend diese Forscher doch bei vielerlei Voraussetzungen und Annahmen den Grundsatz der Relativit\u00e4t benutzen4).\nDie Ergebnisse der Methode der mittleren Abstufungen betrachtet man im allgemeinen als den schlagendsten Beweis gegen\n1)\tIn Sachen der Psychophysik, S. 24.\n2)\ta. a. O. S. 25.\n3)\tZur Grundlegung der Psychophysik, S. 387.\n4)\tGrotenfelt, Das Weber\u2019sche Gesetz, S. 21.","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nFrank Angeli.\ndie Verh\u00e4ltnisshypothese; so z. B. sagt Wundt: \u00bbWenn wir drei Empfindungen a, b und c so abstufen, dass b genau die Mitte zwischen a und c h\u00e4lt, so m\u00fcssen wir selbstverst\u00e4ndlich die absolute Gr\u00f6\u00dfe des Unterschiedes zwischen a und b gleichsetzen der absoluten Gr\u00f6\u00dfe des Unterschiedes zwischen b und e\u00ab1). Gleicherweise betrachtet K\u00f6hler, in seiner Arbeit \u00fcber die Formulirungen des Weber\u2019schen Gesetzes2), die ebenmerklichen Unterschiede zweier benachbarter Empfindungen als psychische Einheiten, und wie oben erw\u00e4hnt worden ist, lie\u00df Plateau, auf Grund von Delboeuf\u2019s Scheibenversuchen, die Verh\u00e4ltnisshypothese fallen. Dagegen behauptet Grotenfelt, dass die Ergebnisse der Methode der mittleren Abstufungen keineswegs als Beweisgrund gegen seine \u00bbrein psychologische\u00ab Deutung des Weber\u2019schen Gesetzes angef\u00fchrt werden k\u00f6nnen: \u00bbsie stehen, n\u00e4her betrachtet, mit derselben in voller Harmonie\u00ab. Zur Begr\u00fcndung dieser Ansicht will der Verfasser eine Unterscheidung machen zwischen \u00bb gleichen Merklichkeitsgraden der Unterschiede \u00ab oder \u00bbEmpfindungen, welche gegen einander gleich f\u00fchlbar contrastiren\u00ab einerseits und \u00bbeiner directen vergleichenden Sch\u00e4tzung der Unterschiede\u00ab andererseits3).\nHierin scheint mir ein Beispiel des herrschenden Gesichtspunktes bei der Auffassung der Verh\u00e2ltnisshypothes\u00eb enthalten zu sein: aus der durch Erfahrung gewonnenen Kenntniss der physischen Gr\u00f6\u00dfe der Reizunterschiede scheint den Vertretern der Verh\u00e4ltnisshypothese ein der Gr\u00f6\u00dfe der Reizunterschiede entsprechender Intensit\u00e4tsunterschied der Empfindungen nothwendig hervorzugehen, oder, von der psychischen Seite aus betrachtet, dass Unterschiede von st\u00e4rkeren Empfindungen gr\u00f6\u00dfer sein m\u00fcssen, als entsprechende Unterschiede von schw\u00e4cheren Empfindungen. So z. B. sagt Grotenfelt: \u00bbDas Bewusstsein wird in gr\u00f6\u00dferem oder geringerem Ma\u00dfe in Anspruch genommen, je nach der Intensit\u00e4t der Einwirkungen. In dem einen Falle wird der Zuschuss wahrgenommen als mit einer starken Empfindung innigst verschmolzen, in dem anderen Falle mit einer schwachen\u00ab4). Alsdann\n1)\tPhil. Stud. II, S. 25.\n2)\tPhil. Stud. Ill, S. 577.\n3)\tDas Weber\u2019sche Gesetz, S. 107.\n4)\ta. a. O. S. 95.","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t417\nbemerkt er, an den Hering\u2019schen Relativit\u00e4tssatz anlehnend, es sei unm\u00f6glich zuzugeben, \u00bbdass die ebenmerklichen Unterschiede in diesen zwei F\u00e4llen gleich gro\u00df, absolut gesch\u00e4tzt, seien\u00ab.\nAus dem Gebrauch des Ausdruckes \u00bbUnterschiedsempfindungen\u00ab, \u00bbempfundene Unterschiede\u00ab, sowie aus Fe chn er\u2019s Ableitung seiner Ma\u00dfformel durch Integrirung aus der Fundamentalformel, wobei eine gegebene Empfindung als eine aus der Summe unendlich vieler Differentialempfindungen entstandene betrachtet wird, erkl\u00e4rt es sich vielleicht, dass man dazu gekommen ist, Intensit\u00e4tsunterschiede von Empfindungen gewisserma\u00dfen auch als eine Art von Empfindungen anzusehen und ihnen die Empfindungsbestimmungen beizulegen. Aber die vergleichende Auffassung der Ungleichheit zwischen gleichartigen Empfindungen ist keineswegs zu verwechseln mit den Bewusstseinscomponenten, welche sie in Zusammenhang bringt. Sie hat weder Gef\u00fchlston noch intensive Gr\u00f6\u00dfe : sie ist die rein intellectuelle Seite der Empfindung und existirt nur insoweit, als sie in einem Urtheil gegeben ist. Fechner selbst hat ausdr\u00fccklich hervorgehoben, dass sie ein h\u00f6herer Bewusstseinsact sei als die Auffassung einer Empfindung1). Die einzige Gr\u00f6\u00dfe, die man von der Differenz zweier Empfindungsintensit\u00e4ten pr\u00e4diciren kann \u2014 wenn Gr\u00f6\u00dfe in dieser Beziehung \u00fcberhaupt pr\u00e4dicirbar ist \u2014 ist eine Merklichkeitsgr\u00f6\u00dfe. Ich wei\u00df, dass es hier ziemlich schwer zu argumentiren ist, ohne den Fehler einer petitio principii zu begehen: schon in dem Worte Unterschied ist der Begriff einer Unterscheidung, ja einer Beurtheilung eingeschlossen ; ich suche nur hier zu betonen, dass die Bestimmungen der Empfindungen \u2014 besonders die ihrer intensiven Gr\u00f6\u00dfe \u2014 nicht auf die Beziehungen der Empfindungen zu \u00fcbertragen sind.\nSomit kann ich nicht mit Grotenfelt \u00fcbereinstimmen in der Behauptung, dass die Unterschiedshypothese als ein Appercep-tionsgesetz nur eine im Grunde willk\u00fcrlich gew\u00e4hlte Bezeichnungsweise 2) sei ; vielmehr sehe ich sie als eine genaue Zusammenfassung des thats\u00e4chlichen Bestandes an, nach der einzigen Form, in welcher dieser Thatbestand uns gegeben ist oder gegeben sein kann.\n1)\tPsychophysik II, S. 86.\n2)\tDas Weber\u2019sche Gesetz, S. 101.","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418\nFrank Angell.\nJohn. Stuart Mill sagt: \u00bbOur judgments and the assertions which express them do not enunciate our mere mode of mentally-conceiving things, but our conviction or persuasion that the facts as conceived actually exist\u00ab1).\nDie Aussage des Bewusstseins, dass Intensit\u00e4tsunterschiede der Empfindungen gleich sind, beruht auf keiner conventionellen Redeweise, sondern auf der unmittelbaren Ueberzeugung der Wirklichkeit dieser Gleichheitsbeziehung.\nGegen\u00fcber einer Arbeit von so viel Scharfsinn wie der von Grotenfelt \u00fcber das Web er\u2019sehe Gesetz nehme ich fast Anstand hervorzuheben, dass die Argumente zum Theil zu unbestimmt sind, als dass man ihnen eine gro\u00dfe Beweiskraft f\u00fcr einen exacten Thatbestand zugeben kann: in der That haftet es an der Natur der Sache, dass die Argumente f\u00fcr die Yerh\u00e4ltnisshypothese, insofern sie sich auf das Relativit\u00e4tsprincip berufen, zu unbestimmt sind, um mehr als einen dialektischen Werth zu haben.\nWenn Wundt sagt, dass \u00bbwir in unserem Bewusstsein nur ein relatives Ma\u00df f\u00fcr die Intensit\u00e4t der in ihm vorhandenen Zust\u00e4nde besitzen, dass wir also je einen Zustand an einem anderen messen, mit dem wir ihn zun\u00e4chst zu vergleichen veranlasst sind\u00ab2), so gibt mir diese Verallgemeinerung einen klaren Begriff der Bedingungen der psychophysischen Messungen. Aber in dem Hering-schen Satze, dass \u00bbes in der Welt des psychischen Geschehens nur auf Verh\u00e4ltnisse ankommen kann, weil es ein absolutes Ma\u00df der Dinge nicht gibt\u00ab, liegt keine solche bestimmte Bedeutung, dass man berechtigt ist, von ihm aus auf die Deutung eines solchen bestimmten Thatbestandes wie des Weber \u2019sehen Gesetzes zu schlie\u00dfen. In dem ersten Capitel seiner Ton-Psychologie hat Stumpf auf f\u00fcnf verschiedene Formen der Relativit\u00e4tslehre hingewiesen, und diese Unbestimmtheit wird darin abgespiegelt, dass Grotenfelt und Merkel bei verschiedenen Auffassungen der Verh\u00e4ltnisshypothese sich auf das allgemeine Relativit\u00e4tsgesetz berufen.\nWas die Beweiskraft des Gesetzes der \u00bbfortune morale\u00ab und \u00bbfortune physique\u00ab betrifft, so scheint es mir, dass die qualitativen\nt) Examination of Sir Wm. Hamilton\u2019s Philosophy, p. 419.\n2) Physiolog. Psychologie I. S. 377.","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t419\nund quantitativen Bestimmungen des Gl\u00fccks zu verschieden sind von den verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig einfachen Bedingungen des Weher\u2019sehen Gesetzes, als dass man von ihnen aus auf letzteres als Analogon schlie\u00dfen kann. Es ist, wie Delboeuf sagt, \u00bb une application toute abstraite des math\u00e9matiques\u00ab1), und es ist so auf dieselbe Linie zu setzen wie eine andere ber\u00fchmte Berechnung von Laplace, n\u00e4mlich die Chance des Wiederaufgehens der Sonne an einem bestimmten Tage unseres Lebens2).\nIm gro\u00dfen und ganzen also finde ich, dass sich eine cons\u00e9quente Darstellung der Yerh\u00e4ltnisshypothese, der Sache nach, nur auf apriorische Argumente begr\u00fcnden l\u00e4sst und nicht empirisch beweisbar ist: wenn man sie empirisch zu begr\u00fcnden sucht, so setzt man sich in die Gefahr, eine Petitio principii zu begehen. So z. B. Groten-felt, wo er in Bezug auf den Zusammenhang \u00bbdes Intensit\u00e4tsunterschiedes und der Intensit\u00e4ten, deren Unterschied er ist\u00ab sagt: \u00bbWenn man nicht hier das Uelativit\u00e4tsgesetz als wenigstens im Princip g\u00fcltig anerkennt, dann hat man dasselbe von Grund aus geleugnet\u00ab3), w\u00e4hrend er doch fr\u00fcher behauptet hat, dass \u00bbdas Weber\u2019sche Gesetz nichts anderes als die von der experimentellen Psychologie gefundene Best\u00e4tigung jenes Grundprincips sei\u00ab4).\nIch finde also nicht, dass die Yerh\u00e4ltnisshypothese den wesentlichen Forderungen einer wissenschaftlichen Hypothese entspricht, indem sie weder 1) eine genaue Zusammenfassung der Thatsachen ist, noch 2) auf deductive Weise Folgerungen gestattet, welche mit den Resultaten von Beobachtungen vergleichbar sind5).\nEndlich, insoweit sie auf dem Hering\u2019schen Ilelativit\u00e4tssatz beruht, scheint mir die Yerh\u00e4ltnisshypothese ebenso sehr metaphysisch als psychologisch zu sein.\nVon Grotenfelt\u2019s Auffassung des Web er\u2019sehen Gesetzes weicht die von Merkel wesentlich ab. W\u00e4hrend Grotenfelt daf\u00fcr h\u00e4lt, dass die Methode der mittleren Abstufungen nur eine\n1)\tDelboeuf, Examen critique de la loi psychophysique, S. 43.\n2)\tLaplace, Essai philosophique \u2014 citirt von Venn, \u00bbLogic of Chance\u00ab, p. 197.\n3)\tDas Weber\u2019sche Gesetz, S. 96.\n4)\ta. a. O. p. 76.\n5)\tSiehe Jevons \u00bbPrinciples of Science\u00ab, p. 511.","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nFrank Angell.\nBest\u00e4tigung des Web er\u2019sehen Gesetzes ergebe, wenn die mittleren Proportionalen als Resultat hervorgehen, sagt Merkel: \u00bbIndessen kann sich das Weher\u2019sche Gesetz bei der Methode der eben merklichen Unterschiede v\u00f6llig g\u00fcltig erweisen, w\u00e4hrend die Methode der mittleren Abstufungen die arithmetischen Mittel von Hl und i?2 liefert\u00ab1); und w\u00e4hrend Merkel behauptet, dass die Ver-h\u00e4ltnisshypothese Proportionalit\u00e4t von Reiz und Empfindung in sich schlie\u00dfe, f\u00fcgt Grotenfelt den Satz hinzu, dass Reiz und Empfindung gleichzeitig in geometrischen Progressionen wachsen k\u00f6nnen2).\nAuf eine Besprechung der Controverse zwischen Grotenfelt und Merkel brauchen wir nicht weiter einzugehen, als n\u00f6thig ist, um der hier vertretenen Auffassung des Weber\u2019schen Gesetzes als Apperceptionsgesetz gerecht zu werden. Aber von diesem Standpunkte aus stimme ich mit Grotenfelt\u2019s oben citirter Aussage in Bezug auf das f\u00fcr die Best\u00e4tigung des Weber\u2019schen Gesetzes nothwendige Ergebniss der mittleren Proportionalen bei der Methode der mittleren Abstufungen v\u00f6llig \u00fcberein.\nWenn Merkel auf das entschiedenste betont, dass er in Ueber-einstimmung mit Wundt und K\u00f6hler nur eine Untersuchung der Abh\u00e4ngigkeit zwischen Reiz und EmpfindungsSch\u00e4tzung f\u00fcr m\u00f6glich h\u00e4lt3), und doch behauptet, dass das Web er\u2019sehe Gesetz sich best\u00e4tigen k\u00f6nne, wenn die Methode der mittleren Abstufungen die arithmetische Mitte ergibt, so ist sein Begriff von Empfindungssch\u00e4tzung ein ganz anderer als der, den Wundt und K\u00f6hler zu Grunde legen. Wenn mit dem Worte \u00bbEmpfindungssch\u00e4tzung\u00ab in dessen Anwendung auf die psychophysischen Ma\u00dfmethoden eine Feststellung der Merklichkeitsgrade der Unterschiede zwischen Empfindungen gemeint sein soll, so k\u00f6nnen die Gr\u00f6\u00dfen der Merklichkeitsgrade der Unterschiede, welche den verschiedenen psychophysischen Methoden zu Grunde liegen, nicht widersprechende Resultate ergeben : Untermerkliche, ebenmerkliche und \u00fcbermerkliche Unterschiede sind Gr\u00f6\u00dfen, welche in ihren respective!! Gebieten\n1)\tPhil. Stud. IV, S. 548.\n2)\ta. a. O. S. 102.\n3)\tPhil. Stud. IV, S. 541.","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"421\nUntersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\nnur verglichen sind in Bezug auf ihre Merklichkeit, und man k\u00f6nnte mit ganz demselben Recht erwarten, dass die Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle den Ergebnissen der Methode der ebenmerklichen Unterschiede widerspreche, als dass bei Bew\u00e4hrung des Web ersehen Gesetzes die Methode der mittleren Abstufungen die arithmetische Mitte ergehe. In dieser Beziehung finde ich den Einwand von Grotenfelt treffend, dass das Sch\u00e4tzen der Reizintensit\u00e4t 10 als Mitte zwischen dem Reizintervalle 4 bis 16 eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl von ehenmerklichen Unterschieden zwischen 4 und 10, als zwischen 10 und 16 in sich schlie\u00dfen w\u00fcrde1).\nInnerhalb der Hypothese selbst fasst Merkel die Beziehung von Reiz und Empfindung anders als Grotenfelt auf. Nach Merkel ist es eine Beziehung der Proportionalit\u00e4t, welche zwischen\nReiz und Empfindung existirt: d. h. das Yerh\u00e4ltniss \u2014 ist gleich-\n/dm\nwerthig mit 2). Bei der Bildung seines Begriffs der Art und\nWeise der Empfindungsmessung beruft er sich auf das Relativit\u00e4tsgesetz. Er sagt: \u00bbWir besitzen in unserem Bewusstsein kein absolutes, sondern nur ein relatives Ma\u00df f\u00fcr die Intensit\u00e4t der in ihm vorhandenen Zust\u00e4nde. Wir sind deshalb gezwungen, jeden Zustand an einem anderen zu messen, und wir constatiren daher einen bestimmten Unterschied, wenn der Zuwachs einen gewissen con-stanten Bruchtheil einer vorangehenden oder gleichzeitig wirkenden Empfindung erreicht. Anstatt des ehenmerklichen Unterschiedes k\u00f6nnten wir ebensogut auch das Doppelte oder die H\u00e4lfte der urspr\u00fcnglichen Empfindung ermitteln\u00ab3). Aus Wundt\u2019s Relativit\u00e4tslehre also will Merkel die M\u00f6glichkeit einer direct vergleichenden Abmessung der Empfindungen an einander folgern. Ich finde aber nicht, dass Wundt diese Folgerung aus der Relativit\u00e4tslehre irgendwo vertreten hat: vielmehr finde ich, dass er die directe Abmessung von Empfindungen an einander im Zusammenh\u00e4nge mit der Hypothese der Proportionalit\u00e4t von Reiz und Empfindung eher\n1)\ta. a. O. S. 109.\n2)\tPhil. Stud. V, S. 253.\n3)\tPhil. Stud. IV, S. 590.","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\tFrank Angell.\nein absolutes als ein relatives Ma\u00df der Bewusstseinszust\u00e4nde nennen w\u00fcrde.\nAber jedenfalls hat die Merkel\u2019sche Auffassung diesen Vorzug, dass sie experimentell zu pr\u00fcfen ist. Als eine Folgerung aus seinen Grundprincipien der Empfindungsmessung, und als Pr\u00fcfstein seiner Ansichten \u00fcber das Verh\u00e4ltniss von Empfindung und Reiz hat sodann Merkel die Methode der doppelten Reize eingef\u00fchrt.\nBei dieser Auffassung der Verh\u00e4ltnisshypothese haben wir es also zu thun mit Empfindungen und Empfindungszuw\u00fcchsen \u2014 d. h. mit Gr\u00f6\u00dfen, welche zu einander in der Beziehung von Theil und Ganzem stehen, \u2014 und die Uebertragung dieser Betrachtungsweise von ebenmerklichen Zuw\u00fcchsen auf \u00fcbermerkliche, bei welchen die Empfindungen zu einander in der Beziehung von Ganzem und Theilen stehen, sowie die Pr\u00fcfung letzterer mittelst einer Methode doppelter, dreifacher oder \u00fcberhaupt multipler Reize sind von der Grundvoraussetzung aus ganz cons\u00e9quente Schritte. Preilich ist damit \u00fcber die G\u00fcltigkeit solcher Methoden hez. \u00fcber unsere F\u00e4higkeit, Empfindungsintensit\u00e4ten direct an einander zu messen, nichts gesagt: letztere l\u00e4sst sich nur erfahrungsm\u00e4\u00dfig bestimmen.\nWenn diese Auffassung der Merkel\u2019schen Verh\u00e4ltnisshypothese richtig ist, so ist es mir nicht klar, auf welche Weise die Methode der mittleren Abstufungen im Stande sein soll, ein bestimmendes Moment f\u00fcr jene zur Geltung zu bringen. Die Methode der mittleren Abstufungen ist vor allem eine Methode der Vergleichung von Unterschieden zwischen Empfindungen, oder, um einen bildlichen Ausdruck zu brauchen, von Distanzen. Das Sch\u00e4tzen der Empfindung b als Mitte zwischen den Empfindungen a und c bedeutet, wie Wundt schon bemerkt hat1), dass man die absolute Gr\u00f6\u00dfe des Unterschiedes zwischen a und b der absoluten Gr\u00f6\u00dfe des Unterschiedes zwischen b und c gleich setzt, und es ist dabei nicht gemeint, dass a in b enthalten sei mit einem Ueberreste, welcher dem Zuwachs von c \u00fcber b gleich sei. Eine solche Betrachtungsweise w\u00fcrde z. B. die Anwendung der Methode der mittleren Abstufungen auf sogenannte Tondistanzen unm\u00f6glich machen.\n1) Phil. Stud. II, S. 25.","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t423\nM\u00fcnsterberg aber hat die Methode der doppelten Reize und deren Ergebnisse unter die Methode der mittleren Abstufungen sub-sumirt, und versucht sie in Einklang mit seiner Theorie der allen psychischen Vorg\u00e4ngen zu Grunde liegenden Muskelempfindungen zu bringen, indem er sie betrachtet als \u00bbeine Art mittlerer Abstufung zwischen Null, erstem und zweitem Reiz derart, dass wieder jeder Reiz f\u00fcr sich mit Null verglichen wird, und gleiche Unterschiedsempfindungen zwischen den so entstehenden absoluten Distanzempfindungen angestreht werden\u00ab1).\nEs scheint mir in diesem Versuche der Vereinheitlichung nichts gewonnen zu sein. Die dem Reizwerthe Null entsprechende Nullempfindung ist einfach nichts, und w\u00e4re nicht zu unterscheiden von dem Nullausgangspunkt der \u00fcbrigen Muskelempfindungen. Dass \u00fcberhaupt eine messende Vergleichung stattfinden kann zwischen einem bestimmten Bewusstseinsinhalt und einem Bewusstseinszustand, in welchem kein bestimmter Inhalt gegeben ist, ist rein unm\u00f6glich und ein sich widersprechender Satz. Was die Methode der mittleren Abstufungen betrifft, so ( w\u00fcrde es nach dieser Auffassung n\u00f6thig sein, eine Unterschiedsempfindung der dritten Ordnung zu constatiren; n\u00e4mlich die Sch\u00e4tzung des variablen Reizes als \u00fcber oder unter der Mitte w\u00fcrde in sich einschlie\u00dfen einen gesch\u00e4tzten Unterschied der Unterschiede der absoluten Unterschiedsempfindungen, und in etwas weiterem als in M\u00fcnster berg\u2019s Behauptung finde ich keinen Grund f\u00fcr die Hypothese, dass dieser h\u00f6here geistige Vorgang der Vergleichung von Empfindungsintensit\u00e4ten in einer derartigen Anh\u00e4ufung von Empfindungsunterschieden bestehe.\nDa Merkel\u2019s Auffassung der Verh\u00e4ltnisshypothese sich experimentell pr\u00fcfen l\u00e4sst, hat es hier wenig Zweck Autorit\u00e4ten ins Spiel zu rufen \u2014 entweder mit Lotze zu sagen: \u00bbdass \u00fcberhaupt nie ein Punkt kommt, wo die eine Empfindung uns eine Vervielf\u00e4ltigung einer andern scheint, ist eine r\u00e4thselhafte Thatsache\u00ab2) ; oder mit G. E. M\u00fcller zu fragen: \u00bbwer m\u00f6chte behaupten, die innere Beobachtung ergebe ihm, dass diese Empfindung noch einmal so intensiv sei wie jene?\u00ab3) Merkel betrachtet nicht nur Empfindungen\n1)\tBeitr\u00e4ge zur experiment. Psychologie III, S. 118.\n2)\tMedicin. Psychologie, S. 208.\n3)\tZur Grundlegung der Psychophysik, S. 412.","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424\nFrank Angell.\nals aneinander direct messbar, sondern er hat versucht, sie in Bezug auf ihre Intensit\u00e4t direct zu messen, und als -Resultat dieser Versuche hat er uns ausf\u00fchrliche Tabellen gegeben, deren Ergebnisse er als eine Best\u00e4tigung seiner Ansichten \u00fcber die Messbarkeit der Empfindungen betrachtet und ma\u00dfgebend h\u00e4lt f\u00fcr die Verh\u00e4ltnisshypothese der Beziehung zwischen Beiz und Empfindung. Unter diesen Umst\u00e4nden bleibt es nur \u00fcbrig, die Experimente zu wiederholen unter solchen Aenderungen der Versuchsumst\u00e4nde, welche den haupts\u00e4chlichsten apriorischen Einw\u00e4nden gegen derlei Experimente entgegenkommen, und mit der kritischen Strenge, welche eine in eine Wissenschaft neu eingef\u00fchrte Methodik erfordert.\nDer haupts\u00e4chlichste Ein wand, welcher gegen eine direct messende Vergleichung der Empfindungsintensit\u00e4ten aneinander vorgebracht worden ist, besteht darin, dass man erst durch Erfahrung den Intensit\u00e4tswerth der Empfindungen zu sch\u00e4tzen lerne; insbesondere hat Wundt in Bezug auf diese Experimente, wie Merkel berichtet1), hervorgehoben, dass erst durch Erfahrung die Kenntniss erlangt werde, was unter einer doppelten Empfindung zu verstehen sei.\nDagegen erwidert Merkel, dass er gleich beim Beginn der Versuche, bevor Uebung eingetreten war, die doppelte Empfindung constatirte, gibt aber zu, dass er unbewusst fr\u00fcher, vor dem Beginn der Versuche eine bestimmte Vorstellung \u00fcber das doppelte Ver-h\u00e4ltniss hatte bilden k\u00f6nnen2).\nDie zahlreichen Experimente von Merkel bei der Methode der doppelten Reize erstrecken sich \u00fcber die Gebiete der Druck-, Geh\u00f6rs- und Gesichtsempfindungen, und in der That hat er als doppelt das Verh\u00e4ltniss der Empfindungen gesch\u00e4tzt, bei welchem das Ver-h\u00e4ltniss der den Empfindungen entsprechenden Reizgr\u00f6\u00dfen approximativ zwei war. Auf Aufforderung von Herrn Prof. Wundt \u00fcbernahm ich eine Pr\u00fcfung dieser Methode mit Schallreizen.\n1)\tPhil. Stud. IV, p. 546.\n2)\tEbendaselbst.","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t425\nII. Pr\u00fcfung der Methode der doppelten Reize.\nDer f\u00fcr diese Versuche angewandte Apparat war derselbe, mit welchem Starke die Proportionalit\u00e4t von Schallst\u00e4rke und lebendiger Kraft bewies; eine genaue Beschreibung desselben ist in Starke\u2019s Arbeit im dritten Bande der Philosophischen Studien, S. 269 ff. enthalten. Die Vorz\u00fcge dieses Apparates vor anderen, f\u00fcr \u00e4hnliche Zwecke gebrauchten bestehen in einer Einrichtung zur genauen Einstellung der Fallkugeln zwischen zwei, durch Elektromagnete gegeneinander angezogenen senkrechten Metallplatten, wobei erzielf wird: 1) das Loslassen der Kugeln, ohne ihnen eine rollende Bewegung mit-zutheilen ; 2) das Loslassen der Kugeln zu einem bestimmten Zeitpunkt durch Unterbrechung des elektrischen Stromes mittelst eines Contactpendels. Die Anwendung dieses Contactpendels, welches die Zeit zwischen den einzelnen Fallvorg\u00e4ngen genau zu reguliren und abzugleichen gestattete, war eine bei diesen Versuchen hinzugekommene Verbesserung der Versuchseinrichtung. 3) Das Herabfallen der Kugeln in den meisten F\u00e4llen auf eine Stelle des Fallbrettes, welche bei einem Meter Fallh\u00f6he kleiner als die Oberfl\u00e4che eines Zehnpfennigst\u00fcckes war. Das Fallbrett wurde aus einem festen s\u00fcdamerikanischen Holz gefertigt ; es war nicht festgenagelt, sondern wo es mit den Klammern der Fallunterlage in Ber\u00fchrung kam, war es mit Filzst\u00fccken festgekeilt. Es lag ferner auf zwei schmalen Filzstreifen und war nach der Fallunterlage geneigt unter einem Winkel von 18\u00b0 mit dem Fu\u00dfboden. Die durch das Herabfallen der Elfenbeinkugeln verursachten Schalle waren hell und nur bei den gr\u00f6\u00dften Fallh\u00f6hen (130 bis 150 cm) unangenehm.\nIm Laufe der Versuche wurden hier Elfenbeinkugeln gebraucht, die 16,07, 16,13, 16,16, 16,11 Gramm wogen. Die durch den Gebrauch von Fallkugeln verschiedenen Gewichtes verursachte Ver\u00e4nderung in der Schallqualit\u00e4t war ein zu gro\u00dfer Nachtheil, als dass es uns geeignet schien, Kugeln von verschiedenem Durchmesser anzuwenden. Die Reagirenden waren Herr Dr. med. Rice (-Bz), Herr Lehrer K\u00e4mpfe (K) und ich (A)* Kund A waren schon vorher in psychophysischen Reactionsweisen ge\u00fcbt, Ei war zuvor ganz unge\u00fcbt.\nWundt, Philos. Studien. VII.\n28","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426\nFrank Angell.\nDie Verfahiungsweise war insoweit verschieden von derjenigen Merkel\u2019s, als wir uns des unwissentlichen Verfahrens bedienten, d. h. die Reagirenden sa\u00dfen immer in gleicher Entfernung vom Apparat, mit dem K\u00fccken dem letzteren zugekehrt, und weder von der Lage des variablen Reizes, noch von der Gr\u00f6\u00dfe der Stufen wussten sie mehr, als was die Geh\u00f6rseindr\u00fccke ihnen mittheilten. Wo es auf eine Frage der Erfahrung ankam, glaubte ich, dass es rathsam sei Erfahrungsmomente, bez. die Aussagen des Gesichtssinnes und die Kenntniss der Reizstufen, soweit als m\u00f6glich auszuschlie\u00dfen.\nVor jeder Versuchsreihe wurde das Brett gestimmt, d. h. so gestellt, dass die von ihm erzeugten Schalle qualitativ gleich waren. Nachdem die Reagirenden w\u00e4hrend eines Monates an einem sich sp\u00e4ter als untauglich erweisenden Ebenholzbrette ge\u00fcbt hatten, wurden die Versuche mit dem oben erw\u00e4hnten Brette angefangen. Keine von dem Ebenholzbrett gewonnenen Zahlen sind hierbei aufgenommen. Es ist aber vorauszusetzen, dass die Reagirenden, nachdem sie sich mehr als einen Monat in dieser Art Sch\u00e4tzung einge\u00fcbt hatten, im Stande waren eine zuverl\u00e4ssige Pr\u00fcfung der Methode zu erm\u00f6glichen.\nDas Versuchsverfahren war ziemlich dasselbe, wie das von Merkel angegebene1). Der Normalschall wurde von einer constant bleibenden H\u00f6he erzeugt, w\u00e4hrend der Vergleichsschall von der Normalh\u00f6he ausgehend so lange abgestuft wurde, bis der Schall den Reagirenden deutlich mehr als doppelt so stark erschien. Sodann wurde von einer gr\u00f6\u00dferen H\u00f6he ausgegangen und der Vergleichsschall so lange abgeschw\u00e4cht, bis er deutlich weniger als von der doppelten St\u00e4rke erschien. Das arithmetische Mittel der aufsteigenden Doppelsch\u00e4tzungen ergab rttl, das arithmetische Mittel der absteigenden r0l, und das geometrische Mittel von rul und roi ergab den Werth des doppelten Reizes bei vorangehendem Normalreiz. Das entsprechende Verfahren bei vorangehendem Vergleichsreiz ergab ru2 und r02. Das arithmetische Mittel der so gewonnenen geometrischen Mittel ergab endlich den Werth des zu dem Normalreiz R gesch\u00e4tzten doppelten Reizes r.\n1) Phil. Stud. V, S. 516.","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\n427\nAlso\t_____ ________\nr\tVjj\u00e0Zoi\u00b12w\u00e4j\n2\nDie in der Tabelle I stehenden Zahlen gehen die auf diese Weise berechneten Sch\u00e4tzungen f\u00fcr vier Normalh\u00f6hen an, und zwar f\u00fcr die letzten vier unserer Experimente, wo also die Reagiren-den am meisten ge\u00fcbt waren.\nDas Zeitintervall zwischen dem Anschl\u00e4gen der Vergleichs- und Normalkugel wurde durch das Ausl\u00f6sungspendel regulirt und belief sich auf zwei Secunden. Von mehreren gepr\u00fcften Zeitintervallen erwies sich dieses den Reagirenden als dasjenige, bei welchem ihnen das Sch\u00e4tzen am bequemsten war. Die Buchstaben Ri, K und A bezeichnen die Reagirenden.\nTabelle I. a) R \u2014 13,5 cm.\n\tr\u00ab l\tr\u201ei\t>\u2022\u00ab2\t>\u2022\u00bb2\t\t\tr\tVrui roi\ty>u2 r02\tr R\n\t\t\t\t\tVrMi r0i\tyr\u201e2 r02\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\tR\tR\t\nRi\t26,9\t37,6\t26,9\t31,3\t31,8\t29,3\t30,5\t2,36\t2,17\t2,26\nK\t26,8\t39,1\t29,9\t36,4\t32,4\t33,0\t32,7\t2,4\t2,44\t2,42\nb) R \u2014 27,0 cm.\n\tr\u201e l\tr01\trtt 2\tr0 2\t\t\tr\tyrui r01\ty rui r0i\tr R\n\t\t\t\t\tV^ui r01\tyru2 ro2\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\tR\tR\t\nRi\t51,3\t54,4\t51,4\t53,1\t52,8\t52,2\t52,5\t1,96\t1,93\t1,94\nA\t45,9\t56\t56,6\t50,5\t50,7\t53,5\t52,1\t1,88\t1,98\t1,93\nc) R = 40,5 cm.\n\trui\tr0i\tru2\tro2\t\t\tr\ty Tu 1 roi\tyru 2 r02\tr R\n\t\t\t\t\tyr\u201ei r01\tVr\u00ab2 r0 2\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\tR\tR\t\nRi\t75,7\t71,3\t77,7\t73,3\t73,5\t75,5\t74,5\t1,81\t1,86\t1,84\nA\t73,6\t72,1\t79,3\t79,6\t72,8\t79,4\t76,1\t1,79\t1,96\t1,88\n28*","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\tFrank Angell.\nd) it = 54 cm.\n\t\tr01\trui\t\t\t\tr\tyV\u201e, r\u201ei\tVru2 r0 2\tr j\u00df\n\t\t\t\t\tVrui r0l\tVr<\u0153r0 2\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\tR\tR\t\nRi\t96,8\t106,8\t93,9\t109,8\t101,7\t101,5\t101,6\t1,84\t1,88\t1,88\nK\t94,1\t106,9\t92,5\t106,5\t100,3\t99,3\t99,8\t1,86\t1,84\t1,83\nDie obigen Zahlen stimmen soweit mit denjenigen Merkel\u2019s\nT\n\u00fcberein, dass sie eine Abnahme von (B in Merkel\u2019s Ver-\nsuchen) bei einer Zunahme von R zeigen. Auch stimmen die Angaben der verschiedenen Beobachter ziemlich \u00fcberein, obgleich meistens nur in den Durchschnittszahlen. Aber die Abnahme von\nT ,\t^\nmit zunehmendem R geht sehr schnell vor sich: von R \u2014 13,5\nJaj\nbis R \u2014 54 bei Ri. wo also das Verh\u00e4ltniss der zwei Normalreize 1 : 4 ist, nimmt der Werth des als doppelt gesch\u00e4tzten Reizes um mehr als il % ab. W\u00e4hrend die Verdoppelung des Normalreizes\nT\nvon 13,5 zu 27 eine Abnahme von \u2014 um 14,2^ bedingt, findet\nbei der Verdoppelung von R \u2014 27,0 zu R = 54,0 eine Abnahme r\nvon \u2014 nur um 3,6^ statt.\nR\nDa alle in Betracht kommenden Reize im mittleren Reizgebiet liegen, so ist es nicht einzusehen, warum bei demselben Verh\u00e4ltniss der Normalreize die Abnahme der gesch\u00e4tzten Reize einen so verschiedenen Gang hat.\nObgleich es vorkam, dass die Reagirenden [Ri und K) [bei demselben Vergleichsreiz aussagten, dass derselbe ihnen deutlich als doppelt so stark als der Normalreiz vorkomme, so waren doch im allgemeinen die Sch\u00e4tzungen sehr unregelm\u00e4\u00dfig und unsicher bis zum Ende der Versuche. Bald sch\u00e4tzte man sie bei einer Versuchsreihe einmal doppelt, bald f\u00fcnf mal, bald gar nicht. Es kamen sogar Reihen vor, wo die Sch\u00e4tzungen unter doppelt, \u00fcber doppelt und doppelt bunt durch einander gemischt waren.\nEs fragt sich jetzt, wie unter diesen Umst\u00e4nden irgendwelcher Grad von Regelm\u00e4\u00dfigkeit in den Durchschnittszahlen zum Vorschein","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t429\nkommen konnte. Es scheint mir, dass die Antwort in Erfahrungsmomenten und in den Versuchsbedingungen liegt. Nach dem Ur-theil der Theilnehmer an diesen Versuchen hat Wundt Recht, wenn er behauptet, dass erst durch Erfahrung die Kenntniss davon erlangt werde, was unter einer doppelten Empfindung zu verstehen sei. Ich kann aber Merkel nicht zugehen, dass es ein Einwand gegen die Methode sei, dass die ersten Urtheile wesentlich schwerer zu f\u00e4llen sind als die sp\u00e4teren; dasselbe gilt, so weit ich wei\u00df, von allen psychophysischen Sch\u00e4tzungen, insbesondere auch von denen nach der Methode der mittleren Abstufungen.\nAls erg\u00e4nzendes Moment zu der erfahrungsm\u00e4\u00dfigen Beurtheilung treten die Versuchsbedingungen hinzu: w\u00e4hrend einer Versuchsstunde muss man eine bestimmte Anzahl von in Bezug auf Raumund Zeitfehler sich erg\u00e4nzenden Versuchsreihen ausf\u00fchren. Diese Bedingung f\u00fchrt unvermeidlich zu einer solchen Vertheilung der Versuchsreihen, bez. der Anzahl der Abstufungen, dass in jeder Versuchsstunde dieselbe Anzahl von Versuchsreihen, bez. eine ann\u00e4hernd gleiche Anzahl von Abstufungen vollzogen werden muss. Es w\u00e4ren Vexirversuche, wenn man bei einer Abstufungsmethode anders verf\u00fchre. Aber durch dieses nothwendige Verfahren tritt ein anderes Erfahrungsmoment hinzu, n\u00e4mlich das der Kenntniss der Abstufungsanzahl, ein Moment, welches besonders bei Merkel\u2019s Experimenten ins Gewicht fiel, indem er sich eines wissentlichen Verfahrens bediente.\nHiermit ist nicht gesagt, dass man einen bewussten Schluss zieht in Bezug auf die H\u00f6he des variablen Reizes, je nach der Anzahl der Abstufungen ; keineswegs. Aber dass man, je nach der Uebung, eine gewisse unbemerkte Tendenz hat, ein Urtheil zu f\u00e4llen auf Grund einer gewissen Anzahl von Abstufungen, ist eine Thatsache, welche wir in der Untersuchung \u00fcber die Methode der mittleren Abstufungen noch kennen lernen werden. Bei der Aussage eines Reagirenden glaube ich wenigstens in Bezug auf die Frage nach der Mittelbarkeit oder Unmittelbarkeit eines Urtheils auf die Schnelligkeit, mit welcher anfangs schwer gef\u00e4llte Urtheile zu scheinbar unmittelbaren Wahrnehmungen werden, Gewicht legen zu m\u00fcssen. Die Gewissenhaftigkeit eines Reagirenden macht bekanntlich f\u00fcr Reactionsweisen, hei denen Erfahrungs- und Asso-","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430\nFrank Angell.\nciationsmomente ins Spiel kommen, wenig aus; je gewissenhafter der Reagirende ist, je mehr er strebt genau zu sch\u00e4tzen, desto schneller greift er unbewusster Weise nach solchen Erfahrungsmomenten. Aber was die Merkel\u2019sehen Versuche speciell anlangt, so sagt Merkel ausdr\u00fccklich: \u00bbich verstehe unter Empfindungs-sch\u00e4tzung nichts anderes, als was das Wort seinem eigentlichen Sinne nach besagt, n\u00e4mlich die Art und Weise, wie wir die Empfindungen auffassen. Dabei kommt nicht nur der unmittelbare Eindruck derselben in Frage, sondern auch alle Erfahrungen, die wir in dem betreffenden Sinnesgebiete gesammelt haben\u00ab1).\nSomit betrachte ich die Ergebnisse der Methode der doppelten Reize im Gebiete des Schalles nicht als ma\u00dfgebend f\u00fcr die Entscheidung der Frage nach der Beziehung zwischen Reiz und Empfindung in dem Sinne, dass die St\u00e4rke der appercipirten Empfindungen allein den Ausschlag f\u00fcr die Sch\u00e4tzung derselben gab ; und es ist auch die Meinung der Theilnehmer an dieser Untersuchung gewesen, dass eine directe messende Vergleichung der Empfindungen ihrer Intensit\u00e4t n\u00e4ch \u00fcberhaupt unm\u00f6glich sei.\nMan k\u00f6nnte vielleicht einwenden, der Umfang der oben mit-getheilten Versuche sei zu begrenzt, als dass sie mit den zahlreichen Merkel\u2019schen Ergebnissen zu vergleichen w\u00e4ren. Aber man muss sich daran erinnern, dass es bei unseren Experimenten nicht auf eine quantitative Feststellung der Abh\u00e4ngigkeit zwischen Reiz und Empfindung unter der Voraussetzung der Giltigkeit der Methode, sondern auf eine Pr\u00fcfung der Methode selbst ankam ; und ich bin der Meinung, dass sorgf\u00e4ltige, nach monatlicher Uebung begonnene Experimente, welche in vier Versuchsstunden in der Woche w\u00e4hrend sechs Wochen fortgesetzt wurden, wohl im Stande sind eine zuverl\u00e4ssige Aussage \u00fcber die Giltigkeit der angewandten Methode zu liefern.\nMan k\u00f6nnte freilich auch ein wenden, dass es \u00fcberhaupt Zeit-und Arbeitsverlust sei, experimentell etwas zu pr\u00fcfen, was anerkannte Autorit\u00e4ten in der Psychologie als selbstverst\u00e4ndlich betrachten. Aber die Frage war die eines Thatbestandes, und daher nur durch Thatsachen, durch kein ipse dixit, zu beantworten. In\n*\n1) Phil. Stud. Y, S. 246.","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t431\nverschiedenen Sinnesgebieten hatte Merkel nach dieser Methode zahlreiche Versuche ausgef\u00fchrt, und daraus f\u00fcr die Psychologie wichtige Schl\u00fcsse gezogen; der Werth der Experimente hez. der Schl\u00fcsse war daher nur durch eine experimentelle Pr\u00fcfung der Methode selbst zu bestimmen.\nObgleich ich nun dankbar den anregenden Charakter von Merkel\u2019s Untersuchungen anerkenne, sowie die aufopfernde unerm\u00fcdliche Th\u00e4tigkeit, welche in diesen langen Reihen von Versuchszahlen niedergelegt ist, so kann ich doch nicht zugeben, dass die Methode im Gebiete des Schalles einen psychophysischen Werth hat, und dass daher deren Ergebnisse im Stande seien ein Entscheidungsmoment zu Gunsten der Verh\u00e4ltnisshypothese abzugeben. Wie Wundt gesagt hat: \u00bbSo lange wir uns darauf beschr\u00e4nken, je zwei qualitativ \u00fcbereinstimmende Empfindungen in Bezug auf ihre Intensit\u00e4t zu vergleichen, verm\u00f6gen wir nur anzugeben, ob sie wenig oder sehr verschieden sind in ihrer St\u00e4rke ; eine n\u00e4here quantitative Bestimmung ist aber, so lange uns nicht Associationen zu H\u00fclfe kommen, unm\u00f6glich\u00ab1).\nIII. Die Methode der mittleren Abstufungen.\nDie haupts\u00e4chlichsten Anwendungen der Methode der mittleren Abstufungen oder, wie sie auch hei\u00dft, der Methode der \u00fcb\u00e9rmerk-lichen Unterschiede haben es mit simultanen Reizen, namentlich Lichtreizen zu thun gehabt.\nDie Versuche Plateau\u2019s und Delboeuf\u2019s sind schon so oft er\u00f6rtert worden, dass es nicht n\u00f6thig ist sie nochmals zu discutiren. An diese Experimente schlie\u00dfen sich die Scheibenversuche von Lehmann2) und Neiglick3) eng an, und w\u00e4hrend letztere einerseits die Anwendbarkeit der Methode auf simultane Lichtreize beweisen, best\u00e4tigen sie anderseits mit unbedeutenden mit dem Contrast in Beziehung stehenden Abweichungen ziemlich genau das Weber\u2019sche Gesetz.\n1)\tPhys. Psychologie, 3. Aufl. I, S. 344.\n2)\tPhil. Stud. Ill, S. 497 ff.\n3)\tPhil. Stud. IV, S. 28 ff.","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432\nFrank Angell.\nDie Anordnung der Sterne in Gr\u00f6\u00dfenklassen, die Untersuchung von Ebbinghaus \u00fcber die Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit des Helligkeitscon-tjrastes1) sind auf gleiche Linie mit dieser Methode und deren Ergebnissen zu bringen, und die s\u00e4mmtlichen, unter solchen verschiedenen Bedingungen gewonnenen Resultate der Vergleichung von \u00fcbermerklichen Intensit\u00e4tsunterschieden stellen eine solche St\u00fctze zur Bew\u00e4hrung des Weber\u2019schen Gesetzes dar, dass, wenn bei der Anwendung eines wesentlich verschiedenen VergleichungsVerfahrens gro\u00dfe Abweichungen von diesem Gesetze zum Vorschein kommen, man wohl vermuthen darf, dass der Grund der Abweichungen eher auf den ver\u00e4nderten Versuchsbedingungen, als auf einer verschiedenen Beziehung zwischen Reiz und Empfindungssch\u00e4tzung beruhe.\nIn der That ist nun die Ver\u00e4nderung in den Versuchsbedingungen, welche beim Uebergange von simultanen zu successiven Reizen eingef\u00fchrt wird, so erheblich, dass man sogar gezweifelt hat, ob die Methode der mittleren Abstufungen auf successive Reize oder \u00fcberhaupt au\u00dferhalb des Gebietes des Lichtsinnes anwendbar sei2). Dagegen scheint Merkel die Anwendbarkeit der Methode auf successive Reize als selbstverst\u00e4ndlich betrachtet zu haben, indem er zur Bestimmung der Abh\u00e4ngigkeit zwischen Reiz und Empfindung ohne weiteres successive Reize anwandte, und zwar nicht nur bei Druck- und Schallreizen, sondern auch bei den bisher vermittelst simultaner Reizung verglichenen Lichtreizen. Auf eine Besprechung der mit Druck- und Lichtreizen nach dieser Methode gewonnenen Ergebnisse oder auf die Art und Weise, wie sie gewonnen sind, k\u00f6nnen wir hier nicht ausf\u00fchrlich eingehen. Grotenfelt hat schon darauf hingewiesen, dass die Versuche nach der Methode der ebenmerklichen Unterschiede nicht in befriedigendem Einklang mit denjenigen der Methode der iryttleren Abstufungen stehen3), und, wie wir schon hervorgehoben, k\u00f6nnen die Ergebnisse der Methode der mittleren Abstufungen nur dann als eine Best\u00e4tigung des Web ersehen Gesetzes betrachtet werden, wenn sie das geometrische Mittel ergeben. Im allgemeinen darf man sagen, dass man solche Experimente,\n1)\tSitzungsber. der Berliner Akad. d. Wissensch. 1887. II, S. 344 ff.\n2)\tG. E. M\u00fcller, Zur Grundlegung der Psychophysik, S. 101.\n3)\tDas Weber\u2019sche Gesetz, S. 112.","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\n433\nwelche dem tr\u00fcgerischen Spiel der Association, dem \u00fcberwiegenden Einfluss von kaum bemerkbaren Erfahrungsmomenten ausgesetzt sind, nur dann im Stande ist zu beurtheilen, wenn man entweder die Versuchsbedingungen selbst erlebt hat oder sie deutlich zu \u00fcbersehen vermag. Bei Merkel aber fehlt es, trotz der Ausf\u00fchrlichkeit der Versuche, an Angaben, welche gewisserma\u00dfen als Wegweiser f\u00fcr eine constructive Kritik dienen k\u00f6nnten, z. B. \u00fcber das Zeitintervall zweier aufeinander folgender Reize, \u00fcber die Wirkungszeit der Reize, den mittleren Fehler der gef\u00e4llten Urtheile u. s. w.\nEins m\u00f6chte ich noch in Bezug auf Merkel\u2019s Lichtexperimente hervorheben: Merkel behauptet, dass seine Resultate sich nicht im Widerspruch mit den Neiglick\u2019schen befinden, und dass seine Untersuchung, abgesehen von der Verschiedenheit der Methode, \u00bbals eine Fortsetzung der Neiglick\u2019schen betrachtet werden k\u00f6nnte\u00ab1 2). Was nun die Versuchsergebnisse anlangt, so folgen Neiglick\u2019s Sch\u00e4tzungen einem Periodicit\u00e4tsgesetz, kraft dessen die Abweichung der gesch\u00e4tzten mittleren Helligkeit von dem geometrischen Mittel der zwei Grenzhelligkeiten von deren absoluter Differenz unabh\u00e4ngig ist; Merkel\u2019s Mittesch\u00e4tzungen dagegen zeigen bei Zunahme der absoluten Differenz der Grenzhelligkeiten eine steigende positive Abweichung von dem geometrischen Mittel.\nMit Ausnahme von sehr kleinen Differenzen der Grenzhelligkeiten, wo Neiglick ausdr\u00fccklich berichtet, dass es au\u00dferordentlich schwer war, ein Urtheil \u00fcberhaupt zu f\u00e4llen, waren die Abweichungen der Neiglick\u2019schen Resultate von dem geometrischen Mittel im Gro\u00dfen und Ganzen sehr unbedeutend: bald waren sie positiv, bald negativ, und bald fand gar keine Abweichung statt. Aber die s\u00e4mmtlichen Abweichungen der Merkel\u2019schen Sch\u00e4tzungen waren positiv, und bei st\u00e4rkeren Unterschieden der Grenzhelligkeiten sehr gro\u00df: z. B. bei den Grenzhelligkeiten : i22 \u2014 2 : 1536 war gesch\u00e4tzte Mitte _____________________ 289\ndas Verh\u00e4ltniss\n= 5,22 2).\ngeometrische Mitte 54,4 In der That f\u00fchrt die Umwandlung von simultanen in successive Reize eine solche Ver\u00e4nderung der Versuchsbedingungen ein, dass\n1)\tPhil. Stud. IV, S. 569.\n2)\tPhil. Stud. IV, S. 568, Tabelle XII.","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\nFrank Angell.\ndie Merkel\u2019schen Versuche so wenig als eine Fortsetzung der Neiglick\u2019schen zu betrachten sind, wie sich die Ergebnisse der Merkel\u2019schen Experimente in Uebereinstimmung mit den Neiglick\u2019schen befinden. Neiglick\u2019s Experimente sind als eine Best\u00e4tigung des Weber\u2019schen Gesetzes zu betrachten, dagegen sind Merkel\u2019s Resultate in Uebereinstimmung mit keinem bisher bekannten Gesetz der Abh\u00e4ngigkeit von Reiz und Empfindung1).\nDie Resultate, welche Merkel nach dieser Methode mit Schallreizen erhielt, wollen wir hier kurz zusammenfassen. Nach Merkel\u2019s Bezeichnungen bedeutet Ry den unteren Grenzreiz, Il2 den oberen Grenzreiz, Rm das gesch\u00e4tzte Mittel von Ry und li2, und es ist\n11 g = VIti Ii2 ; Ita =\t\u2014 . In allen F\u00e4llen war ltm > Rg :\nd. h. > 1 .\nUg\nMit der Zunahme des relativen Unterschiedes von Ry und li2\nnahm nun der Werth zu. So z. B. bei\nRi\nR,\n3\nRi\n~Ry\nRi\nRy\n10\n15\nRi\nRy\n- : 731\nwar\nRfi\nR,\n= 1,16\nV\n\u2014 1>67 Mg\n^= 1,96\nMg\ntty.\nR,\n= 6,53 .\nBei den kleineren relativen Unterschieden war die gesch\u00e4tzte Mitte bedeutend n\u00e4her dem arithmetischen Mittel als dem geometri-R\nsehen, und bis = 10 kamen sogar F\u00e4lle vor, wo die gesch\u00e4tzte\n1) Wir d\u00fcrfen hier nicht M\u00fcnsterberg\u2019s Empfindungs\u00e4quivalente (Beitr\u00e4ge III, S. 89) zu Grunde legen, um den Uebergang von Licht- zu Schallempfindungen zu ermitteln. Den Mittheilungen fehlt es an der ausf\u00fchrlichen Angabe der Versuchsbedingungen, welche bei solchen durchschlagenden Resultaten unerl\u00e4sslich ist. Es ist nebenbei zu bemerken, dass in der Berechnung der Licht\u00e4quivalente aus Scheibenversuchen M\u00fcnsterberg eine Proportionalit\u00e4t von Helligkeit und Gradzahl der wei\u00dfen Sectoren angenommen hat, welche keineswegs stattfindet.","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t435\nMitte gr\u00f6\u00dfer war als das arithmetische Mittel. Bei den gr\u00f6\u00dferen relativen Beizunterschieden fiel Rm zwischen Rg und Ra, und zwar weit entfernt von beiden. Wo das Verh\u00e4ltniss von Ri und i?2 der doppelten Beizschwelle gleichkam, wo also die gleich merklichen Unterschiede ebenmerkliche Unterschiede waren, ergaben sich Werthe von Rm, welche in allen F\u00e4llen gr\u00f6\u00dfer als Rg und in einigen F\u00e4llen gr\u00f6\u00dfer als Ba waren. Im allgemeinen best\u00e4tigen diese Besul-tate weder das Web er\u2019sehe Gesetz noch irgend ein anderes bis jetzt bekanntes Gesetz. Wie bei der Methode der doppelten Beize hat Merkel sich hierbei eines wissentlichen Verfahrens bedient.\nDie in der Folge mitgetheilten, in Herrn Prof. Wundt\u2019s psychologischem Institut unternommenen Versuche sind, obgleich mit den Merkel\u2019sehen direct vergleichbar, keineswegs als eine Anlehnung an dieselben zu betrachten. Vielmehr wurden sie unternommen: 1) um zu pr\u00fcfen, ob bei unwissentlichem Verfahren die Sch\u00e4tzung der Intensit\u00e4tsunterschiede von drei successiven Schallempfindungen nach irgend einer gesetzm\u00e4\u00dfigen Ordnung stattfinde ; 2) im Falle irgend eine solche Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit der Sch\u00e4tzungen sich ergebe, zu untersuchen, in welcher Beziehung diese zu dem Web er\u2019sehen Gesetze stehe.\n1. Apparat und Versuchsmethode.\nDer Apparat war gleichfalls der im dritten Bande der Philosophischen Studien S. 269 ff. beschriebene Wundt\u2019sehe Fallapparat. Es ist nicht n\u00f6thig, hier die Versuchsreihen anzugeben, welche wegen der Schwierigkeit, die qualitativ gleichen Schalle hervorzurufen. fehlschlugen. Zu dieser Schwierigkeit tritt der Umstand hinzu, dass die Beagirenden durch die Uebung gegen die geringsten qualitativen Unterschiede sehr empfindlich werden. Die Vergleichung von Intensit\u00e4tsunterschieden qualitativ ungleicher Schalle darf als reichhaltiges Thema f\u00fcr apriorische Erw\u00e4gungen gelten, aber es ist thats\u00e4chlich wahr, dass bei genauer Vergleichung von Schallintensit\u00e4ten die geringste qualitative Verschiedenheit au\u00dferordentlich st\u00f6rend wirkt.\nEndlich wurde ein Ebenholzbrett (Dimensionen = 81 X 9,5 X 1,5 cm) hergestellt, bei welchem durch probem\u00e4\u00dfiges Anklopfen","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\nFrank Angell.\ndrei Punkte gefunden wurden, welche qualitativ gleiche Schalle lieferten. Das Brett war zwischen den Klammern der Fallunterlage festgekeilt und hatte einen Neigungswinkel gegen die Ebene des Fu\u00dfbodens von 18\u00b0. Die Fallkugeln aus Elfenbein wogen 6,78, 6,79 und 6,79 g. Das Zeitintervall zwischen dem Herabfallen zwei auf einander folgender Kugeln wurde wieder durch das eigens zu diesem Zwecke construirte Pendel (S. 425) regulirt und betrug zwei Secunden. Die Reagirenden waren die Herren Studirenden Pace (\u25a0Pe) und Parker (Pr). Das Verfahren war ein unwissentliches, indem die Reagirenden mit dem R\u00fccken geg\u00e9n den Apparat sa\u00dfen.\nIch theile hier nur die haupts\u00e4chlichsten Ergebnisse dieser Versuchsreihen mit, da in Folge des Gebrauches das Ebenholzbrett untauglich wurde und daher nur ein Theil der beabsichtigten Versuchsreihen zu Ende gef\u00fchrt wurde. Das gesch\u00e4tzte Mittel Rm der zwei Grenzreize P, und R, wurde aus vier Versuchsreihen gebildet, n\u00e4mlich:\nReihenfolge Ri Rv P2 hei aufsteigendem variablem Rv\n-\tR[ Rv Ri\t- absteigendem\t-\tRv\n-\tRi Rv R[\t- aufsteigendem\t-\tRv\n-\tRi Rv R \\\t- absteigendem\t-\tRv.\nDas arithmetische Mittel der als Mitte gesch\u00e4tzten H\u00f6hen von Rv bei jeder Zeitfolge ergab den Mittenwerth f\u00fcr die betreffende Zeitfolge, und das arithmetische Mittel aus den vier Werthen von Rv bei allen Zeitfolgen ergab den Werth des als Mitte zwischen den Grenzreizen gesch\u00e4tzten Reizes Rm.\nWir hatten im allgemeinen erwartet, dass das Mittel der Reihenfolgen, wo der lauteste Reiz P2 der zuletzt gegebene war, in der Reihenfolge also, welche wir als aufsteigendes Verfahren bezeichnen wollen, gr\u00f6\u00dfere Werthe liefern w\u00fcrde, als das Mittel der entgegengesetzten Reihenfolge, welche wir absteigendes Verfahren nennen wollen. Aber die Ergebnisse beider Reihenfolgen waren bei beiden Reagirenden ziemlich gleich, obgleich in einer unbedeutenden Mehrzahl der F\u00e4lle das absteigende Verfahren gr\u00f6\u00dfere Werthe ergab als das aufsteigende.\nSo viel ich wei\u00df, liegen keine Untersuchungen vor, welche die Geschwindigkeit des subjectiven Abklingens von successiven Schallreizintensit\u00e4ten bestimmt haben : man hat im allgemeinen constatirt, dass der zweite von zwei successiven Schallreizen lauter erscheint","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t437\nals der erste, und hat die Erscheinung durch die Annahme erkl\u00e4rt, dass die zum Erinnerungsbild gewordene Empfindung mit der st\u00e4rkeren gegenw\u00e4rtigen Empfindung verglichen worden sei, oder dass sich die physiologische Nachwirkung des ersten Reizes zu der des zweiten addirt habe.\nStarke\u2019s sorgf\u00e4ltige Experimente1} zeigen einen sehr bedeutenden Unterschied in der Zeitfolge, so dass der vor dem Normalreiz stattfindende Vergleichsreiz mehr als zweimal so stark sein muss als der dem Normalreiz folgende Vergleichsreiz, wenn jener dem Normalreiz gleichgesch\u00e4tzt werden soll. Aber aus Starke\u2019s Experimenten ist das eigent\u00fcmliche Resultat herauszulesen, dass, je st\u00e4rker der Normalreiz, desto kleiner der Unterschied der Sch\u00e4tzungen bei den zwei Zeitfolgen ist; oder, mit anderen Worten, bei st\u00e4rkeren Reizen erh\u00e4lt sich das sogenannte Erinnerungsbild verh\u00e4ltniss-m\u00e4\u00dfig st\u00e4rker als bei schwachen Reizen. Eine Anwendung der Starke\u2019sehen Ergebnisse auf die unsrigen zur Erkl\u00e4rung der Gleichheit der Mittesch\u00e4tzungen bei verschiedenen Zeitfolgen ist jedoch nicht statthaft; das Ziel von Starke\u2019s Versuchen war das Unmerklichwerden von Reizunterschieden; uns kam es darauf an, eine Gleichheit von Intensit\u00e4tsunterschieden festzustellen. Au\u00dferdem ist zu ber\u00fccksichtigen, dass Starke\u2019s Stufeneinheiten Millimeter waren; die unsrigen waren Centimeter. Ich kenne keine Untersuchung, welche direct darauf ausgeht, den Einfluss der Gr\u00f6\u00dfe der Stufen zu ermitteln; sp\u00e4ter aber werden wir zeigen, dass die Stufengr\u00f6\u00dfen einen bedeutenden Einfluss auf die Gr\u00f6\u00dfe der Unterschiedsschwelle und deshalb auf den Unterschied der Sch\u00e4tzungen bei den Zeitfolgen aus\u00fcben.\nDer Aufmerksamkeitszustand w\u00e4hrend des Herabfallens der drei Kugeln kann nicht ohne weiteres als constant betrachtet werden. Fechner hat behauptet, dass \u00bbdie Aufmerksamkeit bei Versuchen mit abge\u00e4nderten Reizgr\u00f6\u00dfen, welche unwillk\u00fcrlich eine Ver\u00e4nderung des Grades der darauf bezogenen 91 [Aufmerksamkeit] mitf\u00fchren\nw\u00fcrden, doch willk\u00fcrlich............auf demselben Stande erhalten\nwerden kann\u00ab2).\n1)\tPhil. Stud. Ill, S. 264 ff.; V, S. 157 ff.\n2)\tPhil. Stud. IY, S. 209.","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nFrank Angell.\nAber bei diesen Versuchen waren die mitwirkenden Einfl\u00fcsse zu stark, als dass man einen constanten Stand der Aufmerksamkeit beibehalten konnte. Es konnte z. B. bei verschiedenen Versuchs-* reihen oder in verschiedenen Stadien derselben Reihe ein gr\u00f6\u00dferer Grad der Aufmerksamkeit auf einen der drei Reize gerichtet werden als auf die andern. Bei einigen Versuchen war der Spannungsgrad der Aufmerksamkeit so gro\u00df, dass der erste Reiz einen bemerkbaren Reflex ausl\u00f6ste: eine Wirkung, welche bei den darauf folgenden Reizen nicht stattfand. Im Laufe der Experimente war die Aufmerksamkeit sehr auf den mittleren variablen Reiz gerichtet, vielleicht durch die Ausbildung von Gesichtsbildern, bei welchen das Reizintervall als eine Strecke vorgestellt wurde, auf welcher der variable Reiz sich hin und her bewegte. Wie stark diese associirten Gesichtsvorstellungen sich ausgebildet hatten, zeigte sich sp\u00e4ter, als, um die Resultate mit variablem mittlerem Reiz zu pr\u00fcfen, wir zu Versuchen \u00fcbergingen, wo einer der Grenzreize der variable war. Bei dieser Ver\u00e4nderung sagten die Reagenten aus, dass die Beurtheilung ihnen sehr schwer geworden sei, und in der That fielen die Ergebnisse viel unregelm\u00e4\u00dfiger aus, als es bei der Variirung des mittleren Reizes der Fall war. Gegen den dritten (letzten) Reiz war die Stellung der Aufmerksamkeit sehr schwankend. Bald zeigte sich eine Neigung der Aufmerksamkeit, sich auf diesen den Ausschlag gebenden Reiz zu concentriren ; bald zeigte sich eine Tendenz das Urtheil zu f\u00e4llen, bevor der dritte Reiz erfolgte, wobei der Einfluss der vorangegangenen Versuche sich geltend machte.\nWie oben erw\u00e4hnt, sind die mit dem Fallbrette gewonnenen Versuchsreihen nicht mitgetheilt, da das Brett untauglich wurde, bevor die H\u00e4lfte der beabsichtigten Reihen durchgef\u00fchrt war. Da ziemlich viel Zeit und Arbeit verloren gegangen war durch die Schwierigkeit, drei qualitativ gleiche Schalle von einem gemeinsamen Fallbrett zu erzeugen, versuchte ich zun\u00e4chst drei Bretter oder Platten anzuwenden. Diese Platten wurden aus Ebenholz gefertigt, waren polirt und hatten die Dimensionen 9X9X2 cm. Beim Anprall der Kugeln auf die Mittelpunkte der auf dem Unterbrett der Fallunterlage ganz locker liegenden Platten gaben letztere drei qualitativ ununterscheidbare, nicht unangenehme Schalle. Der Versuch, die Verschiebung der Platten durch Anschrauben an das","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\n439\nUnterbrett zu verhindern, gelang aber nicht: die Energie der Fall-kugeln wurde durch die Platten der Eallunterlage und durch diese dem Fu\u00dfboden mitgetheilt, wobei allerlei die Beurtheilung st\u00f6rende Einfl\u00fcsse ins Spiel kamen.\nEs kam also darauf an, die Uebertragung der Schwingungen der Platten auf die Fallunterlage m\u00f6glichst zu verhindern. Zu diesem Zwecke wurde nun das Unterbrett, welches zur Aufnahme der Platten diente, nicht in directer Ber\u00fchrung mit der Fallunterlage angebracht, sondern lag auf Filzstreifen, und war mit dickem Flanell \u00fcberzogen. Das Unterbrett war seitlich mit Filzst\u00fccken festgekeilt. Auf diesem so isolirten Unterbrett lagen die Platten unter einem Neigungswinkel von 8\u00b0 gegen die Ebene des Fu\u00dfbodens. Unter jeder Platte war ein Bett, bestehend aus mehreren Schichten Flanell und Baumwolle angebracht, und jede Platte wurde gegen Verschiebung gesch\u00fctzt durch zwei Gummib\u00e4nder, welche Unterbrett und Platte umspannten. Bei dieser Einrichtung war bei m\u00e4\u00dfigen Fallh\u00f6hen (10\u201480 cm) keine Spur vom Mitschwingen der Ersch\u00fctterung an dem Unterbrett oder an der Unterlage wahrzunehmen. Auf eine Berechnung der Fallenergie, welche sich in Schallluftschwingungen umsetzt, will ich nicht eingehen. Merkel hat bei einer Kugel, deren Gewicht p = 0,459 g, bei der Fallh\u00f6he h = 10 cm den R\u00fcckprall h' = 5,5 cm ermittelt, und daraus\ni=p[h - h') = 0,45 . 4,5\ngefunden, woraus sich auf Grund der Formel i\u2014 cp h, wo c den geringen Theil der Fallenergie bedeutet, welche sich in Schallbewegung umsetzt,\nergibt, wobei c in Gramm-Centimetern angegeben ist. Aber so einfach, wie diese Berechnung voraussetzt, scheint sich mir die Sache keineswegs zu verhalten. Von der gesammten kinetischen Energie der Fallkugel geht wahrscheinlich nur ein kleiner Theil in Luftschwingungen \u00fcber: au\u00dfer der Umsetzung der Fallenergie in den R\u00fcckprall transformiren sich Theile in Deformation des Fallbrettes und der Fallkugeln, und in Bewegungen der Fallunterlage und des Fu\u00dfbodens. Es ist gebr\u00e4uchlich, bei derlei Experimenten","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nFrank Angell.\ndie Deformation des Fallbrettes und der Fallkugeln als \u00bbverschwindend klein\u00ab zu betrachten, indem man meint, dass die Falleindr\u00fccke nicht leicht sichtbar sind. Aber der geringste Eindruck, welcher in das h\u00e4rteste, festeste Holz von einer sehr elastischen Kugel gemacht worden ist, kann nicht in Bezug auf die gesammte Fallenergie als verschwindend klein betrachtet werden; und schon der Umstand, dass die von ausgew\u00e4hltem Elfenbein gefertigten Kugeln durch den Gebrauch so stark deformirt wurden, dass sie schlie\u00dflich in die zum Festhalten der Kugeln bestimmte Vorrichtung nicht mehr passten, weist auf die Kraft des Deformationsmoments hin. Die Uebertragung der Fallenergie auf die Fallunterlage ist ebenfalls sehr in Betracht zu ziehen: bei den letzten in der Folge mitge-theilten Experimenten h\u00f6rte ich auf, Fallh\u00f6hen von gr\u00f6\u00dferem Betrag als 100 cm anzuwenden, da ich bei H\u00f6hen von 125\u2014144 cm die Ersch\u00fctterung des Fu\u00dfbodens unter mir deutlich sp\u00fcrte.\nDie Untersuchungen von T\u00f6pler und Boltzmann1) mit einer gedeckten Orgelpfeife von 181 Schwingungen in der Secunde, um minimale Schallintensit\u00e4ten zu bestimmen, ergaben, dass das Geh\u00f6rorgan durch eine Schwingung mit der Energie von -----------*______\n153 Billionen\nKilogrammmeter erregt wurde, und wenn diese Angabe als nicht ma\u00dfgebend f\u00fcr die hier in Betracht kommenden Versuche betrachtet werden kann, so ist aus der kleinen Masse der Lufttheilchen und aus der \u00e4u\u00dferst geringen Amplitude der Schwingungen zu erschlie\u00dfen, dass die Energie der Schallbewegung bei unseren Experimenten nur einen kleinen Bruchtheil der gesammten Fallenergie betrug. Au\u00dferdem kommt noch der Werth der Fallh\u00f6he in Betracht : nur innerhalb gewisser Grenzen kann man die Proportionalit\u00e4t von Schallst\u00e4rke und Fallh\u00f6he zugeben. Je gr\u00f6\u00dfer die Geschwindigkeit der Kugel, desto mehr macht sich das Deformationsmoment geltend : der von einer Gewehrkugel erzeugte Schall kann beinahe als verschwindend klein gegen das Deformationsmoment betrachtet werden.\nIm gro\u00dfen und ganzen also erscheint es mir als eine exact nicht l\u00f6sbare Aufgabe, denjenigen Theil der Fallenergie zu berechnen, welcher sich in Schallbewegung umsetzt, und ich verlasse mich\n1) Annalen der Physik, CXVI, S. 321. 1870; citirt von Hensen. (Hermann\u2019s Handbuch der Physiologie, HI, Theil 2, S. 117.)","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t441\nausschlie\u00dflich auf die Thatsache, dass mit demselben. Apparat (mit Ausnahme des \u00efallbrettes) und in demselben Arbeitszimmer, \u00fcberhaupt unter Bedingungen, welche denjenigen unserer Versuche gleich waren, Starke die Proportionalit\u00e4t von Fallh\u00f6he und Schallst\u00e4rke innerhalb gewisser Grenzen bewiesen hat. Die gr\u00f6\u00dfte von Starke benutzte Fallh\u00f6he war 70 cm. Am Anfang unserer Experimente war die obere Reizgrenze 144 cm; der Deformation der Fallplatten wegen bin ich aber bei den sp\u00e4teren Versuchen nicht \u00fcber die H\u00f6he von 100 cm hinausgegangen.\nDie mit Pe und Pr als Reagenten gewonnenen Ergebnisse mit den drei Ebenholzplatten theile ich hierbei kurz mit ; an und f\u00fcr sich sind sie nicht ma\u00dfgebend, k\u00f6nnen aber zur Vergleichung mit anderen Resultaten dienen.\nIn dieser Tabelle bedeutet Rv untere Fallh\u00f6he, R2 obere Fallh\u00f6he, Rm die aus vier Versuchsreihen gewonnene Mittesch\u00e4tzung, und es ist\nRg = VWTR^; Ra = Fh \u00b1lh .\nTabelle II.\nJRl : H2\tI^m\t\t*9\tRa\tIt\u2019m *0\t\t\u00a71 3 \u00abfl*\t\n\tPe\tPr\t\t\tPe\tPr\tPe\tPr\n20 : 79\t55,5\t56\t39,7\t49,5\t1,40\t1,41\t1,12\t1,13\n20 : 111\t61,7\t60,5\t47,2\t61,5\t1,31\t1,28\t1,00\t0,98\n20 : 144\t84,8\t86,8\t53,7\t82\t1,58\t1,61\t1,03\t1,06\n40 : 120\t75,8\t77,5\t69,3\t80\t1,09\t1,12\t0,95\t0,97\nDie Angaben der beiden Beobachter stimmen ziemlich gut \u00fcberein: die Zahlen, welche die Mittesch\u00e4tzungen darstellen, sind n\u00e4her dem arithmetischen als dem geometrischen Mittel. Dagegen\nIt\nzeigen die Werthe von keine stetige Zunahme mit zunehmen-\nUg\nn\nder Gr\u00f6\u00dfe des Intervalles zwischen Ri und R2 :\tist kleiner bei\nMg\nRi . R<i = 20 : 111, als bei R2 : R2 \u2014 20 : 79. Das Fehlerhafte bei\nWundt, Philos. Studien. VH.\n29","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nFrank Angell.\ndiesen Versuchen war: dass sie 1) nicht zahlreich genug, 2) die mittleren Fehler zu gro\u00df waren, und dass 3) die Resultate der Sch\u00e4tzungen nach der Ausrechnung den Reagenten mitgetheilt wurden. Letzterer Umstand hatte, trotz des Strebens der Reagenten unabh\u00e4ngig zu sch\u00e4tzen, die Urtheile beeinflussen k\u00f6nnen.\nWegen der oben erw\u00e4hnten Schwierigkeiten, die dem Sch\u00e4tzungs-Vorgang bei diesen Versuchen anhafteten, hot Herr Dr. K\u00fclpe seine in psychophysischen Beobachtungen sehr erfahrenen Dienste an. Die Experimente wurden demnach wieder neu aufgenommen, aber unter etwas strengeren Bedingungen als fr\u00fcher. Sp\u00e4ter traten noch die Herrn stud. phil. Kr\u00fcger und Segsworth zu der Gruppe hinzu. Um eine ganz zuverl\u00e4ssige Vergleichung der Urtheile von verschiedenen Reagenten zu erm\u00f6glichen, wurde in einer Versuchsstunde nur mit einem Reagenten experimentirt und von den Gr\u00f6\u00dfen der constanten Fallh\u00f6hen, von dem Zahlenwerth der Sch\u00e4tzungen, von dem allgemeinen Gang der Experimente den Reagenten nichts mitgetheilt. So weit wie m\u00f6glich war die Be-urtheilung hei jeder Versuchsreihe ganz unbefangen. Dazu traten Verbesserungen in der Handhabung des Apparats: die Kugeln fielen nicht nur ger\u00e4uschlos in eine weiche Fallunterlage, sondern es bewegte sich auch der Experimentator auf Filzschuhen. Mit Ausnahme der f\u00fcnf ersten Reihen und der allerletzten Reihe fanden alle hier mitgetheilten Versuche in einem mit Doppelfenstern versehenen Zimmer und w\u00e4hrend des Winters, wo wegen des Schnees das Tagesger\u00e4usch sehr vermindert war, statt. Unter diesen Bedingungen, bei gut functionirendem Apparat, schienen die Schalle keine Beziehung zu festen K\u00f6rpern zu haben, sondern gewisserma\u00dfen spontan, in der Luft hinter den Reagenten zu entstehen. Durch diese Einrichtung waren empirische Kriterien, welche mehr oder weniger ins Spiel kommen, wenn die Art der Schallerzeugung erkannt wird, ausgeschlossen. Da bemerkt wurde, dass die Anordnung der im Zimmer stehenden M\u00f6bel und besonders der Fenstervorh\u00e4nge die Schallfarbe sehr modificirte, wurde daf\u00fcr gesorgt, dass die Einrichtungen im Zimmer und die Stellung der Reagenten immer die gleichen waren.","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\n443\n2. Versuche mit regelm\u00e4\u00dfigen Aenderungen des mittleren\nReizes.\nDie folgende Tabelle gibt die Resultate von sieben Intervallen an. Um irgend einen m\u00f6glichen constanten Factor zu ermitteln, \u25a0war die untere Fallh\u00f6he (I?!) stets -20 cm. Jeder angegebene Mittelwerth ist das Mittel aus drei Reihen. Reagent Ke. Zeitintervall == l\u2018/2 Secunden. f = mittlerer Fehler ist das Mittel aus den mittleren Fehlern der drei Versuchsreihen. Die \u00fcbrigen Bezeichnungen wie in Tabelle II.\nTabelle III.\nHi\t:-\u00df2\tHm\t\tHa\t-R?n\tHm Ha\t/\n20\t144\t84,4\t53,1\t82\t1,57\t1,13\t2\n20\t102\t63,6\t45,2\t61\t1,41\t1,04\t2,5\n20-\t90\t52,9\t42,4\t55\t1725\t0,96\t1.1\n20\t79\t44,6\t39,7\t49,5\t1,12\t0,90\t2,1\n20\t70\t38,9\t37,4\t45\t1,04\t0,86\t1,5\n20\t60\t37,2\t34,6\t40\t1,07\t0,93\t1,7\n20 :\t50\t33,6\t31,6\t35\t1,06\t0,96\t1,6\nIn einer Mehrzahl der Versuchsreihen wurde nur ein- oder zweimal das Urtheil \u00bbgleiche Unterschiede\u00ab gef\u00e4llt. Die verschiedenen Zahlenwerthe der zwei Zeitfolgen sind nicht angegeben, da die Zeitfolge wenig Einfluss aus\u00fcbte: z. B. in den obigen einundzwanzig Reihen ergab das aufsteigende Verfahren zehnmal, das absteigende Verfahren elfmal einen gr\u00f6\u00dferen Mittelwerth als die entgegengesetzte Zeitfolge. Die Ergebnisse dieser Versuche sind aber keineswegs befriedigend: sie zeigen zwar eine rohe Ueber-einstimmung mit den Merkel\u2019schen Resultaten insoweit, als im allgemeinen das gefundene Mittel sich dem geometrischen Mittel n\u00e4hert mit abnehmendem Intervalle der constanten Fallh\u00f6hen,\n29*","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nFrank Angell.\ndoch ist diese Uebereinstimmung nur in engen Grenzen giltig: das Resultat von Rt : R2 = 20 : 70 ist n\u00e4her dem geometrischen Mittel als das Intervall R2 : P2 \u2014 20 : 50, und was das arithmetische Mittel betrifft, so stimmt das Intervall : P2 = 20 : 90 mit dem Intervalle R2 : R^ = 20 : 50 genau \u00fcberein. Die Werthe von f zeigen keinen regelm\u00e4\u00dfigen Gang, im allgemeinen aber eine Abnahme mit abnehmendem Intervalle, wie zu erwarten war; endlich sind die Werthe von Rm sehr verschieden von denjenigen der Pe\u2019schen und Pr\u2019sehen Angaben.\nW\u00e4hrend des Verlaufs dieser Versuche wurden andere mit stud. phil. Segsworth begonnen, bei welchen das Verh\u00e4ltniss der constanten Fallh\u00f6hen den vorigen gleich und die absoluten Unterschiede dagegen halb so gro\u00df waren. Es war zu erwarten, dass wir Werthe von Rm bekommen w\u00fcrden, welche denjenigen der Pe\u2019schen Sch\u00e4tzungen relativ gleich w\u00e4ren. Die Resultate aber stimmten nicht mit den Pe\u2019schen \u00fcberein, und zeigten noch weniger als diese eine Abnahme von Rm mit abnehmendem Intervalle zwischen Ri und R2.\nUm die Sch\u00e4tzungsabweichungen vom geometrischen Mittel bei gr\u00f6\u00dferen Reizintervallen zu erkl\u00e4ren, hat Merkel theilweise eine Beurtheilungsweise \u00bbnach Verh\u00e4ltnissen\u00ab, und theilweise eine Con-trastwirkung in Betracht gezogen. Doch ist zu bemerken, dass das Wort Contrast keine Erkl\u00e4rung der betreffenden Erscheinung in sich schlie\u00dft, sondern nur ein Ausdruck f\u00fcr einen That-bestand ist.\nEs scheint mir viel passender, aus den Ergebnissen eines gleichartigen Sinnesgebietes, d. h. von einem mechanischen Sinne aus auf diejenigen des Geh\u00f6rsinnes zu schlie\u00dfen. Nun glauben G. E. M\u00fcller und Schumann in ihrer Arbeit \u00bbUeber die psychologischen Grundlagen der Vergleichung gehobener Gewichte\u00ab1) annehmen zu d\u00fcrfen, dass das scheinbare Leichterwerden eines kleineren Gewichtes, nach Aufhebung eines schweren Gewichtes, nicht durch Contrast zu erkl\u00e4ren sei, sondern durch die vermittelst Uebung bedingte Einstellung von motorischen Impulsen; und die Verfasser haben darauf hingewiesen, dass es m\u00f6glicherweise auch eine in sensorischen Centren\n1) Pfl\u00fcger\u2019s Archiv, XIV, S. 37 ff.","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten ete.\t445\nsich vollziehende Einstellung der sinnlichen Aufmerksamkeit geben k\u00f6nne ').\nDass eine solche sensorische Einstellung hei unseren Experimenten stattfand, scheinen mir nun die folgenden Thatsachen zu beweisen:\n1.\tW\u00e4hrend einer Versuchsreihe scheinen die Schalle allm\u00e4hlich lauter zu werden: bei den kleinsten Reizintervallen und bei absteigendem Verfahren erschienen iR2, Rm und Rx beinahe gleich, d. h. wenig unterscheidbar; aber im Laufe einer Versuchsreihe schienen die drei Schalle aus einander zu r\u00fccken.\n2.\tBeim Uebergang vom absteigenden zum aufsteigenden Verfahren, d. h. von der Ordnung \u00df2 : Rm '\u25a0 R\\, zur Ordnung R{ : Rm : R-2 schien Rl sehr schwach: es wurde aber st\u00e4rker w\u00e4hrend der Versuchsreihe.\n3.\tBeim aufsteigenden Verfahren erschien Rm st\u00e4rker als Rx ; in diesem Falle behauptete der Reagirende, dass der Experimentator die Kugeln in verkehrter Reihenfolge fallen lasse. Das Analogon dieser letzten Erscheinung beim Muskelsinne ist eine falsche Einstellung auf ein schweres Gewicht, wobei ein leichteres Gewicht mit \u00fcberraschender Geschwindigkeit aufgehoben wird.\nUm den etwaigen Einfluss eines starken Schalles auf schw\u00e4chere Schalle zu ermitteln, habe ich mit Kr eine Reihe von Versuchen gemacht, bei welchen wir die obere Unterschiedsschwelle ohne vorangehenden starken Reiz und mit demselben zu bestimmen versuchten. Bei der constanten Fallh\u00f6he 50 cm wurde zuerst bei vorangehendem variablem Reiz die obere Unterschiedsschwelle bestimmt, und dann die n\u00e4mliche Bestimmung in der Weise ausgef\u00fchrt, dass der Schall einer von 144 cm H\u00f6he fallenden Kugel dem Schall der Vergleichskugel voranging. Auf diese Weise wurde die obere Unterschiedsschwelle f\u00fcr mehrere Fallh\u00f6hen ermittelt; es stellte sich aber nicht heraus, dass der vorangehende starke Schall einen bemerkenswerthen Einfluss auf die Gr\u00f6\u00dfe der Unterschiedsschwelle aus\u00fcbte : in beiden F\u00e4llen waren die Unterschiedsschwellen beinahe gleich. Aber aus diesen Experimenten war auf den Einfluss der st\u00e4rkeren Schalle auf die schw\u00e4cheren bei der Methode der mittleren\n1) a. a. O. S. 48.","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nFrank Angel).\nAbstufungen wenig zu schlie\u00dfen, gerade weil bei denselben der st\u00e4rkere Schall nicht in den Blickpunkt der Apperception einzutreten, sondern blos als eine Art Signal zu wirken schien. Ich erw\u00e4hne diese Versuche haupts\u00e4chlich, weil es sich herausstellte, dass bei den von uns angewandten Stufengr\u00f6\u00dfen die obere Unterschiedsschwelle viel kleiner ausfiel, als wir erwarteten. Bei Starke\u2019s Experimenten war die obere Unterschiedsschwelle bei vorangehendem variablem Beiz ungef\u00e4hr 00% der Normalh\u00f6he: bei den uns-rigen war sie 10% der Normalh\u00f6he. Aber wie fr\u00fcher erw\u00e4hnt worden ist, waren Starke\u2019s Abstufungseinheiten Millimeter, wo die unsrigen Centimeter waren. Herr Lehrer K\u00e4mpfe, der sich mit zahlreichen Versuchen \u00fcber die Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle besch\u00e4ftigt, theilte mir mit, dass er \u00e4hnliches beobachtet hat: n\u00e4mlich, dass beim Uebergang von untermerklichen zu \u00fcbermerklichen Keizunterschieden der Unterschied eher bei gro\u00dfen als bei kleinen Abstufungen bemerkt wurde. Die Ausbildung von associirten Gesichtsvorstellungen konnte ebenfalls einen Einfluss auf die Be-urtheilung aus\u00fcben; namentlich bei kleinen Intensit\u00e4tsunterschieden meinte Ke, dass die Gesichtsbilder im Stande seien, einen solchen Einfluss auszu\u00fcben.\nAuch die oben mitgetheilten Kesultate waren wenig befriedigend : die Ergebnisse der verschiedenen Beagenten wichen sehr von einander ab, und nur die ife\u2019schen Zahlen zeigten eine Ann\u00e4herung an die Merkel\u2019schen, indem bei gr\u00f6\u00dferen Beizintervallen die Abweichung vom geometrischen Mittel am gr\u00f6\u00dften war; aber bei den JTe\u2019schen Ergebnissen lieferten Intervalle mittlerer Gr\u00f6\u00dfe Werthe, die n\u00e4her dem geometrischen Mittel waren als die von den kleinsten Intervallen gelieferten.\nDieser Thatbestand schien um so merkw\u00fcrdiger, als die Mitte mit ziemlich gro\u00dfer Sicherheit und Leichtigkeit gesch\u00e4tzt wurde und der mittlere Fehler in allen F\u00e4llen klein war. Au\u00dferdem kamen F\u00e4lle, wo, wie Lorenz in seiner Untersuchung \u00fcber Tondistanzen berichtet, nicht ein Beiz, sondern eine gr\u00f6\u00dfere Beihe als Mitte gesch\u00e4tzt wurde, h\u00f6chst selten vor. Es ist jedoch augenf\u00e4llig,\n1) Phil. Stud. VI, S. 44.","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t447\ndass wir bei der Analyse der Fehlerquellen dieser Versuchsweise immer noch die wichtigsten Momente au\u00dfer Acht gelassen haben : die Momente n\u00e4mlich der Erwartung und Gew\u00f6hnung, welche allen Abstufungsmethoden anhaften.\nSomit erhebt sich die Frage: welchen Einfluss \u00fcbt die Lage des Ausgangspunktes bez. die Anzahl der Abstufungen auf die Bestimmung des Mittelwerthes aus ? Der Ausgangspunkt des variablen Reizes wurde jedesmal dadurch ermittelt, dass der diesem Punkte entsprechende Reiz dem Reagenten unzweifelhaft deutlich n\u00e4her dem oberen bez. unteren Grenzreiz erschien. Die Gr\u00f6\u00dfe der Abstufungen entsprach mehr oder weniger approximativ den Forderungen des Weber\u2019schen Gesetzes: d. h. sie waren- gr\u00f6\u00dfer bei den gr\u00f6\u00dferen Intervallen.\nNun w\u00fcrden derlei Versuche sehr wenig entscheidenden Werth haben, wenn sie bei demselben Reizintervalle immer von demselben Ausgangspunkt aus und bei gleicher Gr\u00f6\u00dfe der Abstufungen ausgef\u00fchrt worden w\u00e4ren. Die Reagenten h\u00e4tten sich sehr bald daran gew\u00f6hnt, immer bei einer bestimmten Nummer der Versuchsreihe, z. B. dem sechsten oder siebenten Fall der variablen Kugel, das Urtheil zu f\u00e4llen. Darum wurden f\u00fcr verschiedene Versuchsgruppen bei denselben Intervallen und sonst gleicher Verfahrungsweise verschiedene Ausgangspunkte des variablen Reizes gew\u00e4hlt. Nat\u00fcrlicher Weise gestatteten die Versuchsbedingungen, d. h. die Vollziehung der zu einer Versuchsgruppe geh\u00f6rigen vier Versuchsreihen, nur kleine Variationen in dieser Richtung; aber so klein sie auch waren, deuteten sie doch hin auf die betr\u00e4chtlichen Variationen der Sch\u00e4tzungen bei verschiedenen Individuen und bei demselben Individuum zu yerschiedenen Zeiten.\nIch bin nun der Meinung, dass bei allen unseren Experimenten die Momente der Erwartung und Gew\u00f6hnung binnen ziemlich weit von einander liegender Grenzen viel entscheidender f\u00fcr die Sch\u00e4tzungen gewesen sind, als die Intensit\u00e4t des variablen Reizes selbst. Mit dem Worte Erwartung will ich nicht mehr ausdr\u00fccken, als das Bewusstsein des Abstufungsvorganges und dessen Richtung, welches eine Empfindungs\u00e4nderung in dieser Richtung leichter erkennen l\u00e4sst, als in der entgegengesetzten Richtung. Wir brauchen hier nicht Raum in Anspruch zu nehmen f\u00fcr die ausf\u00fchrliche Mitthei-","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nFrank Angell.\nlung von Versuchen, welche durch gr\u00f6\u00dfere Variationen der Ausgangspunkte des variablen Reizes die obige Behauptung zu beweisen suchten. Es gen\u00fcgt zu sagen, dass Ver\u00e4nderung des Ausgangspunktes jedesmal eine gleichartige Ver\u00e4nderung in dem Werthe des als Mitte gesch\u00e4tzten Reizes bedingte. Z. B. bei dem Reizintervall i\u00a3i : j?2 = 20 : 70 entsprachen bei absteigendem variablem Reiz den Ausgangspunkten 44 \u2014 50 \u2014 56 die als Mitte gesch\u00e4tzten Werthe 37 \u2014 39 \u2014 44; und bei demselben Reizintervalle entsprachen bei aufsteigendem variablen Reiz den Ausgangspunkten 30 \u2014 32 \u2014 40 die als Mitte gesch\u00e4tzten Werthe 36 \u2014 40 \u2014 49. Dieselbe Regel gilt f\u00fcr andere Reizintervalle. Es ist hierbei zu bemerken, dass bei diesen letzten Resultaten der Reagent [Ke] im allgemeinen seine Urtheile mit ziemlich gro\u00dfer Sicherheit f\u00e4llte und ausdr\u00fccklich sagte, dass er, soweit er wisse, der Empfindung nach geurtheilt habe und sich nicht von der Kenntniss der Anzahl der Abstufungen beeinflussen lasse.\nDemnach war es m\u00f6glich, je nach dem Ausgangspunkte des mittleren Reizes geometrisches Mittel, arithmetisches Mittel oder ein sonstiges Mittel zu erhalten, und wenn bei einem so ge\u00fcbten Beobachter wie Ke solche Resultate zu erhalten waren, so entstand die Frage, ob man \u00fcberhaupt im Stande sei, im Gebiet des Schalles \u00fcbermerkliche Intensit\u00e4tsunterschiede der Empfindungen mit irgend einem Grade der Zuverl\u00e4ssigkeit und Consequenz zu vergleichen.\nFassen wir das Wesen der \u00fcbermerklichen Intensit\u00e4tsunterschiede etwas n\u00e4her ins Auge. Fechner hat bekanntlich eine strenge Unterscheidung zwischen sogenannten Empfindungsunterschieden einerseits und Unterschiedsempfindungen oder empfundenen Unterschieden andererseits gemacht1). Das wesentliche Merkmal des Empfindungsunterschieds war unbewusste Verschiedenheit im allgemeinen; so z. B. bei Empfindungen, die in verschiedenen Individuen oder in demselben Individuum zu verschiedenen Zeiten entstehen. Fechner spricht auch von einem Empfindungsunter-schred im engeren Sinne des Wortes und f\u00fchrt als Beispiel die That-sache an, dass, wenn ein Licht continuirlich w\u00e4chst, so \u00bbw\u00e4chst zwar die Empfindung mit, und wir verm\u00f6gen uns wohl der gewachsenen\n1) Elemente der Psychophysik, II. S. 82 ff.","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\n449\nEmpfindung, nicht aber des Wachsthums als eines solchen bewusst zu werden\u00ab1). Wo aber unter solchen Umst\u00e4nden ein Unterschied der Empfindungen bemerkt wird, da geht der Empfindungsunterschied in Unterschiedsempfindung \u00fcber. Daraus folgt, dass, je gr\u00f6\u00dfer die Unterschiedsempfindlichkeit, desto mehr sich die Klasse der Empfindungsunterschiede der Klasse der Unterschiedsempfindungen n\u00e4hert, und im Falle jeder kleinste Unterschied zweier Empfindungen merklich w\u00fcrde, w\u00fcrden die zwei Klassen zusammenfallen. Merkw\u00fcrdig ist es, dass Fechner, wenn er auch die Unterschiedsempfindung einen \u00bbh\u00f6heren Bewusstseinsact als die einfache Auffassung einer Empfindung\u00ab nennt, dennoch f\u00fcr jene eine Formel aufstellte, welche das vollst\u00e4ndige Analogon der Empfindungsma\u00dfformel ist. Doch hat Fechner seine Unterscheidung zwischen Empfindungsunterschied und Unterschiedsempfindung noch in seiner letzten Schrift \u00bbUeber die psychischen Ma\u00dfprincipien und das Web er\u2019sehe Gesetz\u00ab2) aufrecht erhalten.\nWelches sind nun die Thatsachen, die der Methode der mittleren Abstufungen zu Grunde liegen?\nWenn in demselben Sinnesgebiete unter passenden Versuchsbedingungen die verschiedenen Empfindungen a, b und c gegeben sind, so verm\u00f6gen wir zu bemerken, ob eine Verschiedenheit zwischen dem Unterschiede der Empfindungen ab und dem Unterschiede der Empfindungen bc existirt oder nicht, und im Falle die Verschiedenheit bemerkt wird, ob sie klein oder gro\u00df und von welcher Richtung sie sei. Wenn die Verschiedenheit der Unterschiede nicht mehr bemerkt wird, d\u00fcrfen wir sagen, dass die beiden Unterschiede merklich gleich sind.\nVon den anderen psychophysischen Ma\u00dfmethoden unterscheidet sich die Methode der mittleren Abstufungen haupts\u00e4chlich dadurch, dass jene die Empfindungen direct mit einander vergleichen, um zu bestimmen, ob sie gleich oder verschieden sind, w\u00e4hrend diese die Unterschiede zwischen Empfindungen ihrer Gr\u00f6\u00dfe nach zur Vergleichung bringt. Bei irgend einer der die Empfindungen direct vergleichenden Ma\u00dfmethoden, der Methode der ebenmerklichen Unterschiede z. B., rufen wir in verschiedenen Regionen desselben\n1)\ta. a. O. S. 84.\n2)\tPhil. Stud. IV, S. 161 ff.","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nFrank Angell.\nSinnesgebietes bei gleichem absolutem oder relativem Unterschied der Reize eine Reihe von ebenmerklichen Empfindungsunterschieden hervor. Dabei entsteht die Frage: welche Beziehung haben die ebenmerklichen Unterschiede zu einander ? Aber die Antwort auf diese viel discutirte Frage, welche die \u00e4lteren psychophysischen Ma\u00dfmethoden nicht im Stande sind auf directe Weise zu geben, ist von der Methode der mittleren Abstufungen in Bezug auf \u00fcbermerkliche Unterschiede mit der vollen Entscheidungskraft einer unmittelbaren Auffassung direct gegeben.\nDie Aussage des Bewusstseins bei der Auffassung von Unterschieden der Empfindungen ist ebenso endg\u00fcltig als dessen Aussage bei der Vergleichung der Empfindungen selber; und wenn auch die Vergleichung von Unterschieden ein von der Vergleichung der Empfindungen verschiedener Vorgang genannt werden mag, so dr\u00fcckt in beiden F\u00e4llen das Urtheil denselben Grad des Glaubens an die Wirklichkeit der betreffenden Thatsachen aus.\nOffenbar kann man zwischen a und b und zwischen b und c bei gr\u00f6\u00dferen Verschiedenheiten derselben noch Empfindungsmitten ermitteln, und das ganze Empfindungsintervall von a bis zu c kann man als eine aus einer Reihe von Intensit\u00e4ts- und Qualit\u00e4tsunterschiedseinheiten bestehende Gr\u00f6\u00dfe betrachten. Wenn nun die Abmessung von Lichtintensit\u00e4ten f\u00fcr unser allt\u00e4gliches Leben so wichtig w\u00e4re und die Mittel zur Abmessung derselben so bequem w\u00e4ren, wie es bei den Raumgr\u00f6\u00dfen der Fall ist, so w\u00fcrde f\u00fcr das betreffende Sinnesgebiet die Methode der mittleren Abstufungen eine G\u00fcltigkeit und Zuverl\u00e4ssigkeit besitzen, welche unserer Sch\u00e4tzung von Raumgr\u00f6\u00dfen wahrscheinlich gleich w\u00e4re. Der Grad der Merklichkeit der als Einheiten gew\u00e4hlten Stufen macht hierbei keinen Unterschied; die untere Grenze ist jedoch ihrer Gr\u00f6\u00dfe nach dadurch bestimmt, dass man bei sehr kleinen, nahe der Unterschiedsschwelle liegenden Unterschieden nicht mehr im Stande ist, die beiden zu vergleichenden Unterschiede festzuhalten und zu vergleichen1).\nEs ist aber nicht zu verkennen, dass, wie klein auch die Einheiten eines abgemessenen Intensit\u00e4ts- oder Qualit\u00e4tsintervalles sein\n1) Vgl. Neiglick, Zur Psychophysik des Lichtsinnes. Phil. Stud. IV, S. 54.","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t451\nm\u00f6gen, sie doch bemerkte Unterschiede und nicht Empfindungsdistanzen darstellen: dass also von zwei in der Skala benachbarten Empfindungen die eine nicht als Zuwachs der anderen, sondern nur als etwas auf eine bestimmte Art Verschiedenes zu betrachten ist.\nMerkw\u00fcrdig ist die Vermischung von Begriffen, welche in dieser Beziehung stattgefunden hat. H\u00f6ffding bemerkt : \u00bbAus einer Menge kleiner Unterschiede sind die scharf und bestimmt hervortretenden Empfindungen aufgebaut\u00ab1); und weiter hei\u00dft es: \u00bbEs l\u00e4sst sich, wie schon bemerkt, keine Distinction zwischen absoluten und relativen Empfindungen, zwischen Empfindungen und Empfindungsunterschieden durchf\u00fchren\u00ab2). G. H. Schneider sagt: \u00bbDie fr\u00fchesten Empfindungen kommen nicht dadurch zu Stande, dass sich die Erregungszust\u00e4nde direct in bestimmte Bewusstseinselemente umsetzen, sondern dadurch, dass sich durch immerw\u00e4hrendes F\u00fchlen von Ver\u00e4nderungen, von Zustandsdifferenzen im Laufe der Entwicklung ein allm\u00e4hliches Unterscheiden der Zust\u00e4nde nach allen Richtungen hin ausgebildet hat\u00ab3).\nEs scheint mir, dass solche Anschauungen theils aus Begriffsbestimmungen \u00fcber das Wesen der Empfindungen im Zusammenhang mit einer Verkennung der Bedingungen der sinnlichen Aufmerksamkeit, theils aus Betrachtungen \u00fcber die den Sinnesempfindungen zu Grunde liegenden physikalischen und physiologischen Vorg\u00e4nge hervorgegangen sind. Der Begriff einer Empfindung, von welchem hier im allgemeinen ausgegangen wird, schlie\u00dft aber vielmehr die Bedeutung einer Wahrnehmung als die einer Empfindung in sich. Eine Schallempfindung haben hei\u00dft nach diesem Gebrauche ein Erkennen des Schalles und eine Unterscheidung desselben von anderen Empfindungen; denn wenn keine Unterscheidung von anderen Empfindungen stattf\u00e4nde, so w\u00fcrde, meint man, der Schall mit anderen Empfindungen identisch. Dabei spielt die doppelte Bedeutung des Wortes Bewusstsein eine Rolle. Eine Empfindung, deren wir uns nicht bewusst sind, kann schlechthin keine Empfin-\n1)\tH\u00f6ffding, Psychologie in Umrissen. Deutsche Uebersetzung. S. 141.\n2)\ta. a. O. S. 142.\n3)\tG. H. Schneider in Zeitschrift f\u00fcr Phil. 85, S. 147.","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\nFrank Angell.\ndung sein, pflegt man zu sagen, wobei aber an die Stelle des Bewusstseins als der Gesammtheit des psychischen Lebens Bewusstsein als Wissen gesetzt wird. Daran schlie\u00dft sich dann die Verkennung des Spieles der sinnlichen Aufmerksamkeit bei den betreffenden Erscheinungen an.\nAuf eine Er\u00f6rterung der Theorie der letzteren kommt es uns hier nicht an, wohl aber kommt es uns sehr darauf an zu bestimmen, unter welchen Bedingungen eine messende Vergl eichung der Empfindungen m\u00f6glich ist. Wenn jede Empfindung aus einer Reihe von Unterschiedsempfindungen best\u00fcnde, so ist nicht einzusehen, warum nicht jeder Empfindungsgr\u00f6\u00dfe eine absolute Intensit\u00e4t beizulegen w\u00e4re, warum also Empfindungen nicht an einander direct messbar w\u00e4ren. Bei einer solchen Auffassung w\u00e4ren die Th\u00e4tigk eiten der Apperception und die vergleichende Messung von appercipirten Empfindungen identische Vorg\u00e4nge, und Lotze's Dictum: \u00bbNiemals entsteht aus der Unterscheidung der Inhalt des Unterschiedenen\u00ab, w\u00fcrde einfach falsch sein.\nWir sehen also, dass bei unseren Experimenten alle Bedingungen f\u00fcr die messende Vergleichung von Intensit\u00e4tsunterschieden der Empfindungen gegenw\u00e4rtig sind: Unterschiede, welche als an einander messbare Strecken aufzufassen sind, und sich nur allzu leicht auch als r\u00e4umliche Strecken vorstellen lassen. Trotzdem haben wir bei der Sch\u00e4tzung der Unterschiede gefunden, dass innerhalb gewisser Grenzen das Hineinspielen von st\u00f6renden Momenten kein zuverl\u00e4ssiges Vergleichen der relativen Gr\u00f6\u00dfen dieser Unterschiede gestattete. Eins nur war festgestellt: sehr gro\u00dfe Differenzen der verglichenen Unterschiede wurden von allen Beobachtern \u2014 ge\u00fcbten und unge\u00fcbten \u2014 leicht bemerkt und ohne Z\u00f6gerung als verschieden gesch\u00e4tzt. Aber die Grenzen dieser Differenzen waren zu weit von einander entfernt, als dass man endg\u00fcltige Werthe bekommen konnte. Den Einfluss des Ausgangspunktes der Abstufung haben wir schon beohachtet: es kommt jetzt darauf an, bei einer unter den Bedingungen der Abstufungsmethode m\u00f6glichst vollst\u00e4ndigen Ausschlie\u00dfung von Erwartung und Gew\u00f6hnung die Sch\u00e4tzungen bei verschiedenen Graden der Stufengr\u00f6\u00dfen zu pr\u00fcfen.\nDemnach wurde nun eine Reihe von Versuchen angestellt mit Kr als Reagenten. Ihm war ausdr\u00fccklich gesagt, dass in den","page":452},{"file":"p0453.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\n453\nsuccessiven Reihen die Stufengr\u00f6\u00dfen gleicher Intervalle variirt w\u00fcrden, und dass die Absicht sei, den Einfluss dieser Variation zu bestimmen. Die Versuchshedingungen waren wie vorher: der Reagent sa\u00df immer in derselben Stellung, mit dem R\u00fccken gegen den Apparat, und vom Anfang bis zum Ende der Experimente erhielt er keine Nachricht \u00fcber deren Gang. Der Ausgangspunkt erschien dem Reagenten jedesmal deutlich \u00fcber bez. unter der Mitte.\nDas Verh\u00e4ltniss \u2014-k = \u2014 wurde bei den verschiedenen abseil 4\nluten Differenzen von R^ und i?2 festgehalten, und die Ausgangspunkte des variablen Reizes sowie die Gr\u00f6\u00dfe der Stufen waren bei jedem Intervall relativ gleich. Jeder Werth von Rm ist das Mittel aus zwei Versuchsgruppen.\nTabelle IV.\n: J\u00df2\t\t\tRa\tRm X9\tRm Ra\t/\n25 : 100\t52,5\t50\t62,5\t1,05\t0,84\t1,8\n20: 80\t43,5\t40\t50\t1,08\t0,87\t1,9\n15: 60\t32,2\t30\t37,5\t1,07\t0,86\t1,3\n10: 40\t21,3\t20\t25\t1,06\t0,85\t1,1\nMerkw\u00fcrdig bei diesen Reihen waren die Aussagen des Reagenten [Kr), der \u00f6fter behauptete, dass er unregelm\u00e4\u00dfig gesch\u00e4tzt habe: d. h. dass die Ergebnisse der einzelnen Reihen einer Versuchsgruppe nicht mit einander \u00fcbereinstimmen k\u00f6nnten. Er meinte immer nach der Empfindung gesch\u00e4tzt zu haben, glaubte aber trotzdem, dass Ver\u00e4nderungen in dem Versuchsgange Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten in seinen Sch\u00e4tzungen bedingt h\u00e4tten. Drei von den obigen Reizintervallen wurden jetzt nochmals angewandt, indem die Stufengr\u00f6\u00dfen um 50^ vermehrt wurden, nat\u00fcrlicher Weise ohne dem Reagenten die Ver\u00e4nderung der Versuchsbedingungen mitzutheilen :","page":453},{"file":"p0454.txt","language":"de","ocr_de":"454\nFrank Angell.\ner wusste nur von Anfang an, dass die Versuchsbedingungen ver\u00e4nderlich sein w\u00fcrden. Die Bezeichnungen sind wie fr\u00fcher: n gibt die Anzahl von Versuchsgruppen an, aus deren Mittel Rm gebildet wird.\nTabelle V.\n-\u00dfi : -^2\t-\u00dfw\t\t\u25a0\u00df\u00ab\t-\u00df?w\tRm Ra\t/\tn\n25 : 100\t53,9\t50\t62,5\t1,08\t0,86\t2,4\t3\n20 : 80\t46,6\t40\t50\t1,16\t0,93\t2,2\t3\n15 : 60\t32,2\t30\t37,5\t1,07\t0,86\t1,2\t2\nDie Zahlen, mit den Ergebnissen von Tabelle IV verglichen, zeigen eine Zunahme des Werthes Rm beim Reizintervalle Ry :\n= 20 : 80. Beim Reizintervalle Ry : i22 = 25 : 100 liegt die Zunahme innerhalb der Fehlergrenzen. Beim Reizintervall Ry : _\u00df2 == 15 : 60 blieb der Werth von Rm unver\u00e4ndert. In beinahe jedem Falle war die als Mitte gesch\u00e4tzte Fallh\u00f6he in Bezug auf die Stufenzahl eher erreicht als bei den unmittelbar vorangegangenen Experimenten. Dieselben Reizintervalle wurden dann abermals zur Anwendung gebracht, indem die Stufengr\u00f6\u00dfen denjenigen von Tabelle IV wieder gleich waren. Diese Versuche ergaben:\nTabelle VI.\n-\u00dfj :\tRm\tRg\tRa\tRm Rg\t-\u00df\u00bbl\t/\tn\n10:40\t21,4\t20\t25\t1,07\t0,86\t1,1\t2\n20 : 80\t41,2\t40\t50\t1,03\t0,82\t1,6\t1\n15 : 60\t31,1\t30\t37,5\t1,04\t0,83\t0,9\t1\nDie Werthe von Rm in Tabelle VI stimmen sehr gut \u00fcberein mit denjenigen der unter gleichen Versuchsbedingungen ermittelten von Tabelle IV.","page":454},{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t455\nBei diesen Versuchen kehrt also der Reagent zu der fr\u00fcheren Sch\u00e4tzungsweise wieder zur\u00fcck, ohne zu bemerken, dass die Stufen im Verh\u00e4ltniss zu den unmittelbar vorangegangenen Versuchen der Tabelle V wieder vermindert worden sind. Bei allen diesen Versuchen wusste der Reagent nicht, ob immer dasselbe Reizintervall oder immer verschiedene Intervalle angewandt wurden, mit Ausnahme des Intervalles : Jt2 \u2014 10 : 40, dessen leise Schalle ihm auffallend waren.\nAus diesen Experimenten scheint mir zu erhellen, dass man zwar im Stande ist, unter regelm\u00e4\u00dfigen Bedingungen und hei Ausschlie\u00dfung der durch Kenntniss der Ahstufungszahl gewonnenen H\u00fclfsmittel regelm\u00e4\u00dfige vergleichende Sch\u00e4tzungen von \u00fcbermerklichen Intensit\u00e4tsunterschieden zu erhalten. Wo die durch den Ausgangspunkt des variablen Reizes und die Gr\u00f6\u00dfe der Stufen gegebenen Bedingungen constant sind, werden die verschiedenen Gleichsetzungen der bemerkten Unterschiede in Uehereinstimmung sein. Dass die oben mitgetheilten Werthe von Rm nur wenig von den Forderungen des Weh er\u2019sehen Gesetzes abweichen, kann man aber dennoch als gewisserma\u00dfen zuf\u00e4llig betrachten; denn bei verschiedenen Bedingungen in Bezug auf den variablen Reiz h\u00e4tten wir ganz andere Werthe erhalten k\u00f6nnen, wie die zuletzt mitgetheilten Versuche beweisen.\n3. Versuche mit unregelm\u00e4\u00dfigen Aenderungen des mittleren Reizes.\nEs erhebt sich jetzt die Frage: \u00bbWie werden die Verh\u00e4ltnisse sich gestalten, wenn die Factoren der Erwartung und Gew\u00f6hnung, welche dem Sch\u00e4tzungsvorgang hei den Abstufungsmethoden anhaften, eliminirt werden? Zur Beantwortung dieser Frage wandte ich eine Verfahrungsweise an, welche derjenigen von Carl Lorenz in seiner Untersuchung \u00fcber die Auffassung von Tondistanzen \u00e4hnlich ist1): d. h. der mittlere variable Reiz wurde nicht mehr abgestuft, bis die Mitte empfunden wurde, sondern die Lage desselben sprungweise ver\u00e4ndert, bald hoch, bald niedrig, bald in der Mitte; und den Reagenten fiel es zu, in jedem einzelnen Falle ein Urtheil \u00fcber dessen Lage gegen die beiden Grenzreize abzugeben. Die\n1) Carl Lorenz, Phil. Stud. VI, S. 45 ff.","page":455},{"file":"p0456.txt","language":"de","ocr_de":"456\nFrank Angell.\nMomente, welche haupts\u00e4chlich die Veranlassung zur Ver\u00e4nderung der Verfahrungsweise hei den Lorenz\u2019schen Versuchen gewesen, waren hei unseren Experimenten nicht vorhanden. Lorenz berichtet n\u00e4mlich, dass nicht ein Ton als Mitte zwischen den beiden Grenzt\u00f6nen empfunden wurde, sondern eine ganze Reihe; und dass \u00bbetwa beim aufsteigenden Verfahren, nachdem schon einige T\u00f6ne als Mitte gesch\u00e4tzt worden waren, hei fortgesetzter Erh\u00f6hung des mittleren variablen Tones derselbe pl\u00f6tzlich wieder als dem tieferen n\u00e4her empfunden wurde, und umgekehrt beim absteigenden Verfahren\u00ab1). Bei unseren Versuchen wurde der variable Reiz in der Mehrzahl der F\u00e4lle nur ein- oder zweimal als Mitte gesch\u00e4tzt, und der oben erw\u00e4hnte Fall des R\u00fcckganges der Sch\u00e4tzungen kam beinahe nie vor. Dieser Thatbestand der genaueren und pr\u00e4ciseren Bestimmung des variablen Reizes bei den Schallversuchen f\u00fchrte zu der Ansicht, dass es nicht n\u00f6thig sein werde, eine so gro\u00dfe Anzahl von einzelnen Sch\u00e4tzungen zu sammeln, wie es bei Lorenz der Fall war, um seine Resultate nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle verwerthen zu k\u00f6nnen. In der That war schon der Zeitaufwand bei der Bedienung des Fallapparats so gro\u00df, dass eine so gro\u00dfe Zahl von Einzelversuchen praktisch undurchf\u00fchrbar gewesen w\u00e4re.\nBeim Entwerfen der Tabellen der Fallh\u00f6hen des variablen Reizes wurde daf\u00fcr gesorgt: 1) dass die Fallh\u00f6hen in zwei auf einander folgenden Einzelversuchen einander nicht nahe waren, 2) dass bei zwei auf einander folgenden Einzelversuchen die Zeitfolge fast immer gewechselt wurde, 3) dass die Ordnung der in irgend einer Reihe stattfindenden Einzelversuche in einer sp\u00e4teren Reihe umgekehrt wurde, um bei irgend einem Einzelversuch den Einfluss des unmittelbar vorangegangenen zu compensiren. Denn es ist nicht vorauszusetzen, dass es f\u00fcr den Sch\u00e4tzungsvorgang gleichg\u00fcltig sei, ob der mittlere variable Reiz eines gegebenen Versuchs bemerkbar st\u00e4rker oder schw\u00e4cher als der mittlere Reiz des eben vorangegangenen sei. Als ein gro\u00dfer Vortheil dieser Versuche ist es zu betrachten, dass sich im Laufe der Versuche die associirten Gesichtsbilder h\u00f6chst selten mehr einstellten. Ferner konnten bei den Versuchen die Reagenten keinen Einfluss auf einander aus\u00fcben, so lange die Sch\u00e4tzungen nicht mit einander verglichen wurden : darum\n1) Lorenz, Phil. Stud. VI, S. 44.","page":456},{"file":"p0457.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t457\nhaben zwei Reagenten, Ke und Kr, gleichzeitig beobachtet, selbstverst\u00e4ndlich aber ohne ihre Versuchsergebnisse zu vergleichen.\nWir haben versucht, auf diese Weise die Empfindungsmitten von f\u00fcnf Reizintervallen zu bestimmen, n\u00e4mlich: 10 : 40, 15 : 60, 20 : SO und 20 : 100 cm. Bei den nahe den Reizgrenzen liegenden Lagen des variablen Reizes wurden verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig wenige Versuche ausgef\u00fchrt. In den mittleren Regionen, d. h. von etwas unter dem geometrischen Mittel zu etwas \u00fcber dem arithmetischen Mittel waren die Versuche zahlreicher. In einer Versuchs stunde wurden 64 Einzelversuche ausgef\u00fchrt, eine f\u00fcr den Experimentator ziemlich anstrengende Geschwindigkeit des Versuchsganges. Das Zeitintervall zwischen zwei auf einander folgenden Reizen betrug 1,5 Secunden.\nAndere Versuchsumst\u00e4nde waren denen der schon mitgetheilten Versuchsreihen gleich. Die Tabellen geben die Versuchsergebnisse der zwei Reagenten [Ke und Kr) an. Die mit h bezeichnete Co-lumne enth\u00e4lt die in Centimetern angegebenen Fallh\u00f6hen des variablen Reizes. Die unter u, m und o befindlichen Zahlen bedeuten, wie viele Male jeder der in der Columne h aufgezeichneten Reize als \u00bb\u00fcber der Mitte\u00ab (o), \u00bbunter der Mitte\u00ab (u) oder als \u00bbMitte\u00ab (m) gesch\u00e4tzt wurde. Die Richtung der Pfeile zeigt, ob das Verfahren aufsteigend (t) oder absteigend (\\) war. Unter n ist die Anzahl der Einzelversuche f\u00fcr jede Fallh\u00f6he des variablen Reizes angegeben.\nTabelle VII.\na) i?! : i?2 \u2014 10 : 40. A.M. = 25. G. M. = 20.\nWundt, Philos. Studien. VII.","page":457},{"file":"p0458.txt","language":"de","ocr_de":"458\nFrank Angell.\nb) -\u00df1:-S2 = 20: 60. A. M. = 40. G. M. = 34,6.\n\tKe\t\t\t\t\t\t\tKr\t\t\t\t\t\t\n\t1\t\t\tt\t\t\t\t\t\t\tI\t\t\t\nh\tU\tm\tO\tU\tm\t0\tn\tU\tm\t0\tU\tm\tO\tn\n26\t7\t3\t\t9\t\t1\t20\t8\t2\t\t10\t\t\t20\n28\t6\t4\t\t9\t\t1\t20\t6\t4\t\t9\ti\t\t20\n30\t7\t2\t1\t4\t3\t3\t20\t6\t3\t1\t9\ti\t\t20\n32\t9\t8\t3\t10\t4\t6\t40\t9\t5\t6\t16\ti\t3\t40\n34,5\t6\t7\t7\t10\t3\t7\t40\t8\t4\t8\t9\t5\t6\t40\n37\t3\t8\t9\t6\t6\t8\t40\t6\t4\t10\t7\t7\t6\t40\n40\t3\t4\t13\t1\t2\t17\t40\t4\t1\t15\t6\t1\t13\t40\n44\t1\t1\t10\t\t\t12\t24\t1\t2\t9\t2\t3\t7\t24\n48\t1\t\t5\t\t\t6\t12\t\t\t6\t\t\t6\t12\n53\t\t\t6\t\t\t6\t12\t\t\t6\t\t\t6\t12\nc) Hi : R} \u2014 15 : 60. A. M. = 37,5. G.M. = 30.","page":458},{"file":"p0459.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t459\nd) Rl-.R2 = 20 : 80. A. M. = 50. G. M. = 40.\ne) Rl :R2 = 20 : 100. A.M. = 50. G. M. = 44,7.\n30*","page":459},{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"460\nFrank Angell.\nDie in Tabelle YII angegebenen Zahlen lassen sich am einfachsten verwerthen, indem man, wie es schon von Lorenz geschehen ist, die zu einer jeden Fallh\u00f6he des variablen Reizes geh\u00f6rigen m-F\u00e4lle zur H\u00e4lfte zu den o-F\u00e4llen, zur H\u00e4lfte zu den \u00ab-F\u00e4llen rechnet. Aus dem Yerh\u00e4ltniss der o- und \u00ab-F\u00e4lle ist dann auf die Empfindungsmitte zu schlie\u00dfen, indem das Kriterium der-\n171\nselben die Gleichheit zwischen der Anzahl der F\u00e4lle o' = o + \u2014\nz\nin\nund u = w + \u2014 ist.\nGegen den Einwand, dass man bei unserer Verwerthung ungleichartige Dinge, n\u00e4mlich m und \u00ab-F\u00e4lle, bez. m und o-F\u00e4lle, zu einem angeblich homogenen Ganzen zusammengesetzt habe, ist hervorzuheben, dass der Unterschied zwischen m- und w- oder o-F\u00e4llen kein qualitativer, sondern ein quantitativer ist; die eben unterscheidbaren \u00ab- und o-F\u00e4lle sind von den \u00ab\u00ab-F\u00e4llen weniger verschieden als die eben unterscheidbaren w- und o-F\u00e4lle von einander. Das ideale Verfahren w\u00fcrde es sein, mit jeder Sch\u00e4tzung den Grad des bemerkten Unterschieds zu bezeichnen und die Sch\u00e4tzung nach diesen Graden zu verwerthen. In der That haben wir eine solche Werthbestimmung der Sch\u00e4tzungen ann\u00e4hernd ausgef\u00fchrt, indem die bei dem Sch\u00e4tzungsvorgang selber unmittelbar gegebene Wahrnehmung der Merklichkeit der Unterschiede als \u00bbsehr deutlich\u00ab, \u00bbdeutlich\u00ab oder \u00bbmerklich\u00ab bezeichnet wurde. Nach diesen Bestimmungen sind dann gewisse Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten der Sch\u00e4tzungen corrigirt worden. So z. B. bei dem Reizintervalle : 7?2 = 20 : 100 hat Kr die Reizh\u00f6he 74 cm 24 mal als \u00bb\u00fcber der Mitte\u00ab, aber die Reizh\u00f6he 82 cm nur 22mal als \u00fcber der Mitte aufgezeichnet; doch hat er die Reizh\u00f6he 82 cm 17mal, und die Reizh\u00f6he 74 cm nur 11 mal als \u00bbdeutlich \u00fcber der Mitte\u00ab bezeichnet.\nIch theile hiermit die Umrechnung von Tabelle VIII mit: bei aufsteigendem und absteigendem Verfahren sind die m-F\u00e4lle zur H\u00e4lfte zu den \u00ab-F\u00e4llen, zur H\u00e4lfte zu den o-F\u00e4llen gerechnet, das arithmetische Mittel der zwei auf diese Weise berechneten Zeitlagen wurde bestimmt und das Resultat auf Procente reducirt.","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\nTabelle VIE\na) R^ : Mi = 10 : 40.\tA.M.=25. G.M. = 20.\nh\tKe\t\tKr\t\n\tu'\to'\tu'\to'\n15\t96,8\t3,2\t100\t\n16\t90,6\t9,4\t100\t\n18\t70,3\t29,7\t62,4\t37,6\n20\t45,3\t54,7\t53,1\t46,9\n22,5\t26,5\t73,5\t37,4\t62,6\n25\t17,1\t82,9\t6,2\t93,8\n27\t14\t86\t\t100\n30\t\t100\t4,1\t95,9\n33\t\t100\t\t100\nb) R^.R2 = 20 : 60. A. M. = 40. G.M. = 34,6.\n\tKe\t\tKr\t\nh\tu'\to'\tu'\tof\n26\t87,5\t12,5\t95\t5\n28\t85\t15\t85\t15\n30\t67,5\t32,5\t85\t15\n32\t62,5\t37,5\t70\t30\n34,5\t52,5\t47,5\t53,8\t46,2\n37\t40\t60\t46,2\t53,8\n40\t17,5\t82,5\t27,5\t72,5\n44\t6,2\t93,8\t22,9\t77,1\n48 53\t8,3\t91,7 100\t\t100 100\nc) R^ : Ri \u2014 15 : 60. A.M. = 37,5. G.M. = 30.\n\tKe\t\tKr\t\nh\tu'\tor\tv!\to'\n21 22.5 24 25.5 27 30 33.5 37.5 41 45 49\t100 87.4 84.3 83.3 62.5 39.1 37.5 14.1 12.5 8,4\t12,6 15.7 16.7 37.5 60.9 62.5 85.9 87.5 91.6 100\t100 90,6 87.5 62.5 81,2 75 37.5 12.5 3,2\t9,4 12.5 37.5 18,8 25 62.5 87.5 96,8 100 100\n461","page":461},{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"462\nFrank Angell.\nd) \u00c4! : B2 = 20 : 80. A.M. = 50. G.M. = 40.\n\tKe\t\tKr\t\nh\tu!\to'\tu'\to'\n28\t93,7\t6,3\t100\t\n30\t82,5\t17,5\t100\t\n32\t68,7\t31,3\t91,7\t8,3\n34\t77,5\t22,5\t92,5\t7,5\n37\t73,7\t26,3\t78,7\t21,3\n40\t59,3\t40,7\t72,8\t27,2\n45\t30,5\t69,5\t42,1\t57,9\n50\t23,3\t76,7\t19,9\t80,1\n55\t6,6\t93,4\t11,8\t88,2\n59 66\t6,3\t93,7 100\t6,3\t93,7 100\ne) : H2 = 20 : 100. A.M. = 60. G.M. = 44,7.\nh\tKe\t\tKr\t\n\tur\to'\tu'\tor\n32\t95,8\t4,2\t95,8\t4,2\n36\t87,5\t12,5\t93,7\t6,3\n40\t71,6\t28,4\t90,9\t9,1\n44,5\t45,8\t54,2\t77,1\t22,9\n49\t37,5\t62,5\t57,2\t42,8\n54\t20,9\t79,1\t40,1\t59,9\n60\t15,6\t84,4\t10,5\t89,5\n66\t5\t95\t17,5\t82,5\n74\t4,2\t95,8\t\t100\n82\t\t100\t4,2\t95,8\nDie Schl\u00fcsse aus Tabelle VIII sind leicht zu ziehen. Die Zahlen zeigen mit wenigen Ausnahmen eine Zunahme von o' und eine dieser entsprechende Abnahme von u' mit Zunahme des variablen Reizes. Die bedeutendste Ausnahme von dieser Regel findet bei (c) [i^ : H2 = 15 : 60] statt: hier kommt bei h = 25,5 unter den Ar\u2019schen Sch\u00e4tzungen eine starke Unterbrechung der stetigen Abnahme von u' zum Vorschein. Ungl\u00fccklicher Weise hatten wir bei dieser Fallh\u00f6he nur 12 Einzelversuche ausgef\u00fchrt, und das Zustandekommen zweier o-Sch\u00e4tzungen hat bei der Umrechnung in","page":462},{"file":"p0463.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t463\nProcente sehr viel ausgemacht. Aber von den Sch\u00e4tzungen der Reizh\u00f6he 27 sind nur 9,4^ als \u00bbdeutlich unter der Mitte\u00ab aufgezeichnet, w\u00e4hrend von den Sch\u00e4tzungen bei der Reizh\u00f6he 25,5 33,3 % so bezeichnet sind. Gegen den allgemeinen Gang der Sch\u00e4tzungen aber d\u00fcrften diese seltenen F\u00e4lle wenig ausmachen.\nDer Wendepunkt der \u00c4e\u2019schen Sch\u00e4tzungen von u zu o ist dreimal unter dem geometrischen Mittel und zweimal \u00fcber demselben. Dagegen ist f\u00fcr die \u00c4rschen Sch\u00e4tzungen mit Ausnahme von dem Intervalle : \u00c42 = 20 : 100 (Tabelle VIII [e]) der Wendepunkt der Sch\u00e4tzungen zwischen dem geometrischen Mittel und der darauf folgenden Reizh\u00f6he.\nIch glaube, dass der Unterschied der \u00c4e\u2019schen und \u00c4r'sehen Sch\u00e4tzungen dadurch zu Stande gekommen ist, dass Ke das Urtheil unmittelbar nach dem von der dritten Kugel hervorgebrachten Schall gef\u00e4llt, w\u00e4hrend Kr hei geringeren Unterschieden erst nach Ueberlegung geurtheilt hat. Auch ist zu bemerken, dass beide Beobachter ein Nachklingen des Schalles hei den gr\u00f6\u00dften Fallh\u00f6hen von \u00c42, n\u00e4mlich bei \u00c42 = 80 cm und bei \u00c42 = 100 cm constatirt haben, und dass dieses Nachklingen des Brettes eine schwer zu \u00fcberwindende Tendenz veranlasste, dem betreffenden Schall eine relativ zu gro\u00dfe St\u00e4rke beizulegen. Es ist wahrscheinlich, dass sich dieses Moment bei den \u00c4rschen Sch\u00e4tzungen geltend gemacht hat. Da Ke au\u00dferdem in dieser Art Sch\u00e4tzungen viel mehr ge\u00fcbt war als Kr, so scheint es mir sehr wahrscheinlich, dass die \u00c4e\u2019schen Angaben eher als die \u00c4r\u2019schen f\u00fcr die Frage der Empfindungsmitte als ma\u00dfgebend zu betrachten sind.\nAber mit Ausnahme des oben erw\u00e4hnten Falles bei den \u00c4r\u2019schen Sch\u00e4tzungen f\u00fcr das Intervall \u00c4j : \u00c42 = 20 : 100 [Tabellen VII und VIII (e)] liegen alle Wendepunkte dieser Sch\u00e4tzungen nahe dem geometrischen Mittel und verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig weit von dem arithmetischen.\nDie Angaben der beiden Beobachter waren in Bezug auf die Zeitfolge ebenfalls nicht im Einklang: Ke hat im allgemeinen, aber nicht jedesmal, die Empfindungsmitte niedriger festgesetzt bei dem aufsteigenden Verfahren, Kr dagegen heim absteigenden Verfahren. Dieses ist vielleicht auch der nachtr\u00e4glichen Sch\u00e4tzungsweise Seitens '","page":463},{"file":"p0464.txt","language":"de","ocr_de":"464\nFrank Angell.\nKr zuzuschreiben, da er, in der Mehrzahl der F\u00e4lle, fr\u00fcher als Ke zu dem Punkte der vollst\u00e4ndigen o-Sch\u00e4tzungen gekommen ist.\nUm die in Tabelle VIII mitgetheilten Ergebnisse anschaulicher zu machen, habe ich versucht, die Ke'sehen Werthe von u und o graphisch darzustellen (s. Tafel I). Die Ordinatenlinie stellt in jedem Falle die L\u00e4nge der Strecke zwischen den beiden Grenzreizen Ki und Kl dar. Diese Linie ist in kleine Strecken eingetheilt, deren L\u00e4ngen von der Abscissenlinie aus abgemessen die verschiedenen Fallh\u00f6hen des mittleren variablen Reizes repr\u00e4sentiren. Rechts und links durch die Enden dieser kleineren Strecken, und der Abscissenlinie parallel, sind Linien gezogen, deren L\u00e4nge auf jeder\nSeite der Ordinatenlinie das Verh\u00e4ltniss der F\u00e4lle o = o -f-------und\n2\n777\nu \u2014 u + \u2014 f\u00fcr die betreffende Fallh\u00f6he darstellt. Die horizontale \u00ab\nLinie 40 in Fig. 2 z. B. stellt auf der rechten Seite der Ordinatenlinie die Anzahl der F\u00e4lle o', auf der linken Seite die Anzahl der F\u00e4lle v! bei dem Reizintervalle K : R2 = 20 : 60, und bei der H\u00f6he 40 cm des variablen Reizes dar. Die arithmetischen und geometrischen Mittel der betreffenden Reizintervalle sind durch A. M. und G.M. bezeichnet. Durch Verbindung zweier benachbarter Linien, deren eine noch eine Mehrzahl von F\u00e4llen u', die andere bereits eine Mehrzahl von F\u00e4llen o' darstellt, erh\u00e4lt man da, wo die Verbindungslinie die Ordinate 50 durchschneidet, den Wendepunkt, die vermuthliche Empfindungsmitte. Der entsprechende Werth von Km ist auf der Tafel nach dem Resultat der geometrischen Messung angegeben.\n\u2022 In der folgenden Tabelle sind die Werthe Rm f\u00fcr beide Beobachter arithmetisch berechnet nach der von Herrn Prof. Wundt vorgeschlagenen Formel :\nt> _Ra (50 \u2014 u'b) + Rb Wa \u2014 50)\n% \u2014\t~i\t7/\nu a u b\nworin Ra die unmittelbar unter der gesch\u00e4tzten Mitte experimentell gefundene Reizst\u00e4rke, Rb die gleiche \u00fcber derselben, u a und ub die Werthe von u f\u00fcr Ra und Rb bedeuten.","page":464},{"file":"p0465.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\n465\nR\\ : II2\tG.M.\tA. M.\tKe\tKr\n10 : 40\t20\t25\t19,62\t20,49\n20 : 60\t34,6\t40\t35,00\t35,75\n15 : 60\t30\t37,5\t28,60\t32,33\n20 : 80\t40\t50\t41,61\t43,71\n20 : 100\t44,7\t60\t43,77\t51,11\nDiese Resultate stehen in sch\u00f6ner Uebereinstimmung mit den Forderungen des Weber\u2019schen Gesetzes: besonders auffallend ist diese Uebereinstimmung bei Ke sogar noch bei dem verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig gro\u00dfen Intervall Rx : R2 = 20 : 100, wo der Unterschied zwischen dem arithmetischen und geometrischen Mittel sehr gro\u00df ist. Bei diesem Reizintervalle haben wir auch die gr\u00f6\u00dfte Anzahl von Einzelversuchen, und es ist zu erwarten, dass eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl derselben hei jedem Reizintervall eine noch gr\u00f6\u00dfere Uebereinstimmung mit den Forderungen des Gesetzes herbeigef\u00fchrt haben w\u00fcrde. Geringer ist die Uebereinstimmung im Ganzen bei Kr\\ doch liegen auch hier die Werthe von Rm \u00fcberall der geometrischen Mitte erheblich n\u00e4her als der arithmetischen. Man darf also behaupten, dass das Weher\u2019sche Gesetz f\u00fcr \u00fcbermerkliche Unterschiede von Schallintensit\u00e4ten h\u00f6chst wahrscheinlich g\u00fcltig ist.\nEs bleiben noch die Ergebnisse der Merkel\u2019schen Versuche nach der Methode der mittleren Abstufungen kurz zu er\u00f6rtern.\nDas Merkw\u00fcrdige hei Merkel\u2019s Versuchen ist, dass kleinere Reizintervalle Werthe von Rm ergehen, welche gr\u00f6\u00dfer als das arithmetische Mittel sind, und die gr\u00f6\u00dften Intervalle Werthe, welche zwischen dem arithmetischen und geometrischen Mittel liegen: z. B. das Reizintervall Rt : R2 = 5,062 : 3702,0 ergibt den Werth Rm \u2014 893,9 i). Nach der von Merkel vertretenen Verh\u00e4ltnisshypo-these ist es keine relative Abweichung, sondern die absolute Differenz der Reizeinheiten zwischen Rm und dem geometrischen oder arithmetischen Mittel, welche als Ma\u00dfstab der Abweichungen von Rm gelten soll. Nach diesem Ma\u00dfstab ist der Werth Rm= 893,9 ungef\u00e4hr so weit von dem arithmetischen als dem geometrischen\n1) Merkel, Ph\u00fc. Stud. V, S. 520, Tabelle XIX.","page":465},{"file":"p0466.txt","language":"de","ocr_de":"466\nFrank Angell.\nMittel entfernt. Wie oben erw\u00e4hnt, erkl\u00e4rt Merkel diesen That-bestand theilweise durch Contrast, theilweise durch eine eigen-th\u00fcmliche Sch\u00e4tzungsart \u00bbnach Verh\u00e4ltnissen\u00ab.\nWir erfahren nicht aus Merkel\u2019s Angaben, dass er versucht habe, die Contrastwirkung zu bestimmen; wir vermochten eine solche nicht mit Sicherheit nachzuweisen.\nDagegen scheint mir die Sch\u00e4tzungsweise ein sehr wichtiges Moment zur Erkl\u00e4rung der Merkel\u2019schen Ergebnisse.\nEr sagt: \u00bbSchwieriger gestalten sich die Versuche, wenn A, und i?2 wesentlich verschieden sind. Hier kommt die Erw\u00e4gung mit in Frage, dass Tlm viele Male gr\u00f6\u00dfer ist als It\\, w\u00e4hrend \u00fc2 den Werth llm keineswegs so oft \u00fcbertrifft\u00ab1). Weiter spricht er von einer \u00bbtheilweise bewussten Beurtheilung gleicher Verh\u00e4ltnisse statt gleicher Unterschiede\u00ab2).\nAber \u00bbErw\u00e4gung\u00ab und \u00bbbewusste Beurtheilung nach Verh\u00e4ltnissen\u00ab hei\u00dfen nichts anderes als eine bei dem Sch\u00e4tzungsvorgang stattfindende, nachtr\u00e4gliche Ueherlegung, welche Spielraum l\u00e4sst zu allerlei Associationen und zu der Einwirkung von Erfahrungsmomenten. Eine Reactions weise, bei welcher Erw\u00e4gung stattfindet, kann nicht als g\u00fcltig anerkannt werden, und ich glaube, dass Grotenfelt\u2019s Vermuthung in Bezug auf die Lichtversuche berechtigt ist, die Vermuthung n\u00e4mlich, dass \u00bbtheilweise eine Sch\u00e4tzung der Reize statt der unmittelbaren Vergleichung der Empfindungen eingetreten ist\u00ab3). Von diesen Associationsmomenten haben wir schon eines erw\u00e4hnt: n\u00e4mlich die durch das Nachklingen des Fallbrettes bei den gr\u00f6\u00dften Werthen von li2 veranlasste Tendenz, den betreffenden Reiz als st\u00e4rker zu sch\u00e4tzen. Ich wei\u00df nicht, wie die Einrichtung von Merkel\u2019s Schallbrettern war; an einer Stelle berichtet er, dass sie fest genagelt waren. Bei unseren Probeversuchen mit festgeschraubten Brettern lieferte ll2 durch Uebertragung der Fallenergie an die Fallunterlage bei den gr\u00f6\u00dften Fallh\u00f6hen einen dumpfen, schwerf\u00e4lligen Schall, welcher von den Reagenten sogleich als ein sehr starker Schall aufgefasst wurde. Dasselbe gilt f\u00fcr die\n1)\ta. a. O. S. 532.\n2)\ta. a. O. S. 533.\n3)\tGrotenfelt, Das Weber\u2019sche Gesetz, S. 112.","page":466},{"file":"p0467.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\t467\ngr\u00f6\u00dferen Kugeln, wenn man Kugeln ungleichen Gewichtes anwendet. Bei dem schon erw\u00e4hnten Reizintervall R^ : Ri = 5,062 : 3702,0 hat Merkel eine Kugel vom Gewicht \u2014 0,45 g und eine vom Gewicht = 164,0 g angewandt. Schon Starke hat bei der Anwendung von Kugeln von 10 und 20 g auf den nicht zu beseitigenden st\u00f6renden Unterschied der Klangfarbe hingewiesen1), und es ist zweifellos, dass sich bei den gr\u00f6\u00dferen Intervallen der Merkel\u2019schen Versuche die von Kugeln solcher ungleicher Gewichte erzeugten Schalle nur schwer vergleichen lie\u00dfen.\nWenn man au\u00dferdem Merkel\u2019s Auffassung des Sch\u00e4tzungsVorganges in Betracht zieht, nach welcher nicht allein der unmittelbare Eindruck ma\u00dfgebend sei, \u00bbsondern alle Erfahrungen, welche wir in dem betreffenden Sinnesgebiete gesammelt haben\u00ab, so m\u00fcssen wir die Ergebnisse der Merkel\u2019schen Experimente nach der Methode der mittleren Abstufungen als h\u00f6chst bedenklich betrachten. Wenn aber selbst bei diesen Versuchen alle st\u00f6renden, von Erfahrung bedingten Einfl\u00fcsse beseitigt gewesen w\u00e4ren, wenn \u00fcberdies die Sch\u00e4tzungen eine viel gr\u00f6\u00dfere Regelm\u00e4\u00dfigkeit zeigten, als der Fall ist, so w\u00e4ren sie unter den Umst\u00e4nden der schon bewiesenen Fehler Vorg\u00e4nge, welche der Abstufungsmethode anhaften, nicht ohne weiteres anzunehmen. Nur unter der Ausschlie\u00dfung der Factor en der Erwartung und Gew\u00f6hnung darf man die Ergebnisse von Versuchen mit suc-cessiven Reizen als endg\u00fcltig anerkennen. Folglich kann ich flicht zugeben, dass die Resultate der Merkel\u2019schen Versuche in Bezug auf die Methode der mittleren Abstufungen f\u00fcr die Feststellung der Abh\u00e4ngigkeit zwischen Reiz und Empfindung ma\u00dfgebend sind. Es ist zu bemerken, dass diese Fehlerquelle bei allen psychophysischen Abstufungsmethoden ins Spiel kommt, und es ist wahrscheinlich, dass z. B. die abweichenden Resultate der verschiedenen Bestimmungen von Unterschiedsschwellen und die so sehr sich widersprechenden der Versuche \u00fcber den Zeitsinn, zum Theil ihren Ursprung in dieser Quelle haben.\nDie experimentellen Ergebnisse unserer Untersuchung sind demnach kurz zusammengefasst die folgenden:\n1) Starke, Phil. Stud. Ill, S. 295.","page":467},{"file":"p0468.txt","language":"de","ocr_de":"468 Frank Angell. Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten etc.\n1)\tDie Methode der doppelten Reize kann nicht als eine psychophysische Ma\u00dfmethode gelten.\n2)\tDer Vergleichung von Schallintensit\u00e4ten nach der Methode der mittleren Abstufungen haften bei der Anwendung regelm\u00e4\u00dfiger Abstufungen Fehlervorg\u00e4nge an, welche die wirkliche Beziehung zwischen Reiz und Empfindung verh\u00fcllen.\n3)\tDie Verh\u00e4ltnisshypothese der Abh\u00e4ngigkeit zwischen Reiz und Empfindung, insofern sie auf die Ergebnisse der Methode der mittleren Abstufungen und der doppelten Reize gegr\u00fcndet wird, ist f\u00fcr Schallempfindungen nicht g\u00fcltig, vielmehr gilt die Unterschiedshypothese.\n4)\tMan ist im Stande, Unterschiede von Schallintensit\u00e4ten bei unregelm\u00e4\u00dfigem Wechsel der mittleren Reize mit Zuverl\u00e4ssigkeit quantitativ zu vergleichen, und die Methode der mittleren Abstufungen ist bei unregelm\u00e4\u00dfiger Variation des variablen Reizes f\u00fcr Schallintensit\u00e4ten als eine g\u00fcltige zu betrachten.\n5)\tDas Resultat derjvon Erwartungs- und Gew\u00f6hnungseinfl\u00fcssen befreiten Vergleichung von \u00fcbermerklichen Unterschieden von Schallintensit\u00e4ten entspricht h\u00f6chst wahrscheinlich den Forderungen des Weber\u2019schen Gesetzes.\nEs ist vielleicht eine Verkennung des Thatbestandes, wenn ich den Theilnehmern an dieser Untersuchung danke: das Motiv zur Theilnahme an solchen Versuchen ist kein pers\u00f6nliches, sondern ein wissenschaftliches. Die eifrige Hingabe der Reagenten bei meinen Versuchen wird mir aber immer eine angenehme Erinnerung sein. Vor allem muss ich die gro\u00dfe F\u00f6rderung dankend anerkennen, welche mir Herr Dr. K\u00fclpe durch seine Beobachtung der Re-actionsvorg\u00e4nge sowie durch anregenden Rath und h\u00fclfreiche That gew\u00e4hrt hat.","page":468}],"identifier":"lit4184","issued":"1892","language":"de","pages":"414-468","startpages":"414","title":"Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von Schallintensit\u00e4ten nach der Methode der mittleren Abstufungen","type":"Journal Article","volume":"7"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:22:56.530508+00:00"}