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{"created":"2022-01-31T12:29:28.003227+00:00","id":"lit4218","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Meumann, Ernst","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 10: 393-430","fulltext":[{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\nVon\nErnst Meumann,\n(Fortsetzung.)\nDrittes Capitel.\nDer Rhythmus des gesprochenen Verses.\n\u00a7 1.\nfahrend die Musiktheorie die wissenschaftliche Behandlung des musikalischen Rhythmus sehr vernachl\u00e4ssigt hat, bel\u00e4uft sich die Zahl der kleineren Schriften und gr\u00f6\u00dferen Werke, welche die rhythmisch-metrischen Verh\u00e4ltnisse der Dichtkunst behandeln, auf einige Hundert. (Das Literaturverzeichniss, das J.Minor seiner \u00bbNeuhochdeutschen Metrik\u00ab angeh\u00e4ngt hat, ist 18 Seiten lang.) Aus diesem Grunde, dann aber auch deshalb, weil f\u00fcr meine psychologisch-\u00e4sthetischen Zwecke die metrische Literatur sehr wenig zu bieten hat, werde ich bei der Behandlung des Versrhythmus einen anderen Weg einschlagen, wie bisher, indem ich die Hauptfragen der Rhythmik der Poesie vom Standpunkt der psychologisch\u00e4sthetischen Betrachtungsweise entwickele und nur gelegentlich die metrische Literatur (insbesondere die der neuesten Zeit) heranziehe.\nDie Ausdr\u00fccke \u00bbVersrhythmus\u00ab, \u00bbRhythmus der Poesie\u00ab bed\u00fcrfen zuerst einer Rechtfertigung, da man in der Metrik nur\nWundt, Philos. Studien. X.\t26","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nErnst Meumann.\nin einem bestimmten Sinne von \u00abRhythmus\u00ab zu reden pflegt, n\u00e4mlich dann, wenn es sich um die \u00bbTaktgleichheit\u00ab im Verse handelt. Diese Beschr\u00e4nkung ist ungerechtfertigt. Mit dem Rhythmus des Verses meine ich die ganze Summe der rhythmischen Vorg\u00e4nge in dem gesprochene Verse h\u00f6renden Subject, und dieser Thatbestand im H\u00f6renden ist in erster Linie Object der psychologisch-\u00e4sthetischen Forschung, in der poetischen genau wie in der musikalischen Rhythmik. Dem gegen\u00fcber gibt es in allen rhythmischen Gebieten einen metrischen Gesichtspunkt der Betrachtung, er entsteht dann, wenn im Interesse einer Technik des Verses, der Musik, der Schalltakte (Trommeln, Paukenschlag), die rhythmischen Thatsachen durch ein System von Symbolen bezeichnet und synthetisch auf Einheiten, Regeln ihrer Combination und absolute oder relative Ma\u00dfe gebracht werden.\nSodann habe ich den Gegenstand der Untersuchung zu beschr\u00e4nken. Dem experimentellen Psychologen entzieht sich fast vollst\u00e4ndig der Versrhythmus der vergangenen Zeiten, der griechisch-r\u00f6mische, altgermanische Vers u. s. w. ; nur der der Beobachtung jeder Zeit zug\u00e4ngliche, gesprochene neuhochdeutsche Vers kann Gegenstand meiner Untersuchung sein; und auch dieser wieder nur bei freier, k\u00fcnstlerischer Declamation, in dem von dem Dichter beabsichtigten, unserem \u00e4sthetischen Bed\u00fcrfniss Rechnung tragenden Rhythmus, nicht in scandirender Sprechweise. Ohnehin bietet ja die letztere sehr einfache Verh\u00e4ltnisse dar, und der Rhythmus der freien Declamation ist auch allein das, worum der Streit in der Metrik sich dreht. Die erste Frage, deren Beantwortung wir von der psychologischen Betrachtung des Versrhythmus erwarten m\u00fcssen, ist die: Was sind die Eigenth\u00fcmlichkeiten des poetischen Rhythmus im Unterschiede von den \u00fcbrigen rhythmischen Gebieten? Nach einer befriedigenden Antwort auf diese Frage sucht man in der bisherigen Literatur vergebens. In der Regel wird vielmehr von den Metrikern das \u00bbWesen des Rhythmus\u00ab nach dem Schema der musikalischen \u00bbTakte\u00ab bestimmt1), und dann im allgemeinen als Besonderheit des Verses angegeben, dass die Zeitfactoren in dem\n1) J. Minor, Neuhochdeutsche Metrik. 1894. S. 7ff.","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\t395\nVersrhythmus keine oder eine geringere Rolle spielen. Genauere Bestimmungen \u00fcber den relativen Antheil der Zeitfactoren sind dann vor allem der best\u00e4ndige Gegenstand des langj\u00e4hrigen bis heute unerledigten Streites geworden. Wie weit die \u00bbMetrik\u00ab des Verses eine quantitirende sei, wie weit die Accentuirung im Verse die Quantit\u00e4t ersetzen k\u00f6nne, dar\u00fcber herrscht g\u00e4nzliche Uneinigkeit. Gegen\u00fcber dieser Uneinigkeit wird es von vornherein wahrscheinlich, dass sie ihre Ursache in einem allgemeinen Mangel der herrschenden Metrik hat, und diesen finde ich darin, dass von den Metrikern die psychologische Analyse des rhythmischen Eindrucks, der rhythmischen Erlebnisse des H\u00f6renden zu sehr vernachl\u00e4ssigt worden ist. Diese psychologische Analyse einerseits, und die Untersuchung des Verse Sprechenden andererseits kann allein \u00fcber die Frage Aufschluss geben, welche Elemente den Rhythmus der Poesie constituiren ; wie dieselben zu den der Poesie eigenth\u00fcm-lichen rhythmischen Formen combinirt werden; welche combinir-ten rhythmischen Formen und Figuren dadurch entstehen. Augenscheinlich k\u00f6nnen sie wiederum nur begriffen werden aus der Eigenth\u00fcmlichkeit des poetischen Rhythmizomenon. So begegnen uns hier dieselben Grundfragen, wie in der Analyse des musikalischen Rhythmus.\nWir werden 1) zu fragen haben nach der Eigenth\u00fcmlichkeit des poetischen Rhythmus im Unterschiede vom musikalischen, bez. dem der einfachen SchaUeindr\u00fccke, und diese zu verstehen haben aus dem besonderen Rhythmizomenon. Sodann haben wir 2) die rhythmischen Vorg\u00e4nge im H\u00f6renden, in dem gesprochene Verse anh\u00f6renden Beobachter zu analysiren, um danach die Elemente des Versrhythmus, die Gesetze ihres Zusammenwirkens, die aus ihnen entstehenden rhythmischen Formen und ihre Combinationen zu gr\u00f6\u00dferen Gebilden aufzusuchen.\nDaneben werden wir 3) in der Untersuchung des Verse-sprechenden die Ursachen des geh\u00f6rten Rhythmus aufsuchen k\u00f6nnen, und zugleich haftet diesen wieder ein mehrfaches selbst\u00e4ndiges Interesse an. Die Feststellung derselben gew\u00e4hrt uns einen Einblick in die objectiven Leistungen des Sprechenden. Diese bilden einen complicirten Fall motorischer Rhythmushildung. Endlich 4) wird die Trennung des rhythmischen und metrischen Gesichtspunktes f\u00fcr\n26*","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nErnst Meumann.\ndie poetische Rhythmik wegen der in diesem Punkte herrschenden Unklarheit von besonderer Wichtigkeit sein.\nAlle Eigenth\u00fcmlichkeiten des poetischen Rhythmus m\u00fcssen direct oder indirect sich ergehen aus der Natur des poetischen Rhythmizomenon. W\u00e4hrend wir in der Musik oder im Gebiet der Schallempfindungen mit Empfindungen oder Combinationen von ihnen zu thun hatten, sind die Objecte der Rhythmisirung in der Poesie nach logischen Zusammenh\u00e4ngen zu S\u00e4tzen geordnete Worte. Es geht aus dieser Formulirung des Rhythmizomenon hervor, dass ich nicht Worte und Silben schlechthin als Object der Rhythmusbildung im Verse betrachte, sondern von vornherein betonen m\u00f6chte, dass das logische Element, die Vorstellungsbewegung, mit in die Rhythmisirung eingeht. Daraus folgen f\u00fcr den Versrhythmus folgende neue Bestandtheile : 1) die rhythmisirten Empfindungselemente sind weit complicirtere Lautgehilde, wie die der fr\u00fcher dargestellten rhythmischen Gebiete. 2) Die Worte haben schon in der Prosasprache eine feste Betonung, so dass die Poesie mit einem schon rhythmisirten Material arbeitet; daher wird die eigenth\u00fcmliche Auswahl der Worte, die Art ihrer Zusammenstellung und die Stellung der Worte im rhythmischen Ganzen den rhythmischen Eindruck wesentlich zu constituiren haben.\nEs wird aber 3) der Lauf der \u00bbGedanken\u00ab selbst Gegenstand der Rhythmisirung. Dies zeigt sich in dem m\u00e4chtigen Vorherrschen der durch den Sinn bedingten kleineren rhythmischen Abschnitte, welche den metrischen Auf bau der Versf\u00fcsse best\u00e4ndig durchbrechen, die Verse zerrei\u00dfen, und andrerseits Vers-Ende und -Anfang (des n\u00e4chsten Verses) zusammenkn\u00fcpfen k\u00f6nnen. H\u00e4ufig wird mit diesen Sinnabschnitten der ganze Rhythmus seinem Charakter nach bestimmt, werden die s\u00e4mmtlichen f\u00fcr das Ohr hervortretenden rhythmischen Gruppen (und in diesem Sinne rhythmischen \u00bbEinheiten\u00ab) constituirt, eine Art der Rhythmusbehandlung, die besonders f\u00fcr die Goethe\u2019sche Lyrik charakteristisch ist. Als Beispiel f\u00fchre ich an Goethe\u2019s:","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\n397\n\u00bbBedecke deinen Himmel, Zeus,\nMit Wolkendunst,\nUnd \u00fcbe, dem Knaben gleich,\nDer Disteln k\u00f6pft,\nAn Eichen dich und Bergesh\u00f6hn,\nMusst mir meine Erde Doch lassen stehn\u00ab u. s. w.\nEs kann eben nicht blo\u00df eine rhythmische Lautfolge das Ergebnis der Rhythmisirung unserer Worte und S\u00e4tze sein, sondern ein rhythmischer Vorstellungswechsel, rhythmischer Fluss der Aufmerksamkeitsacte muss damit eingeleitet sein, und das kann nur darin zum Ausdruck kommen, dass Wortgruppen (Silbengruppen) die rhythmischen Einheiten bilden. Es muss aber 4) durch das Rhythmizomenon eine best\u00e4ndige Ablenkung der Aufmerksamkeit von dem Rhythmus als solchem bedingt sein. In dem einfachen Schallrhythmus dominirt der Rhythmus als solcher im Bewusstsein, die neutrale Natur der Schalleindr\u00fccke fesselt unser Interesse nicht. Bei den T\u00f6nen werden Melodie und Harmonisirung schon vorzugsweise die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Der Rhythmus tritt um so mehr zur\u00fcck, je mehr jene uns innerlich besch\u00e4ftigen. Eben deshalb kann der Rhythmus in diesem Falle freier gehandhabt, die Taktgleichheit weniger streng befolgt werden. Alle h\u00f6here Musik bildet in dieser Hinsicht eine Uebergangsstufe zu den poetisch rhythmischen Verh\u00e4ltnissen. In der Poesie treten an Stelle unbestimmter Associationen, wie sie die Musik zu ihrer Interpretation in uns anregt, apperceptive VorstellungsVerbindungen, Gedankenzusammenh\u00e4nge, deshalb treten die rhythmischen Verh\u00e4ltnisse hier bisweilen so v\u00f6llig zur\u00fcck, dass der Declamirende eine Zeit lang sich in der freiesten Behandlung des Rhythmus ergehen kann, ohnedasswirin dem k\u00fcnstlerischen Eindruck des Vortrages etwas vermissen. Diese Aenderung der Aufmefksamkeits-richtung bedingt die Freiheit des declamirten Rhythmus gegen\u00fcber dem allgemeinen rhythmischen Princip der Regelm\u00e4\u00dfigkeit. Daher ist die allgemeine Tendenz, welche dem Hervortreten des Rhythmus in der Poesie anhaftet, diese : dass mit dem Rhythmus","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nEmst Meumann.\nein bestimmter Nebeneffect erzielt werden soll (Versmalerei), der Rhythmus soll eine relativ selbst\u00e4ndige Bedeutung bekommen neben dem Sinn des Verses. Kurz sein Hervortreten muss immer durch besondere \u00e4sthetische Effecte motivirt sein. Wenn nun 5) irgend ein Factor durch die Aenderung der Aufmerksamkeitsrichtung in Mitleidenschaft gezogen wird, so ist es die Zeit Wahrnehmung. Lotze1) hat in richtiger Erkenntniss dieses Umstandes \u00bbdie Paradoxie\u00ab ausgesprochen, dass die Zeit im Versrhythmus \u00fcberhaupt keine Rolle spiele. Es scheint, dass bei der Hingabe an den Sinn des Verses die Zeitwahrnehmung so gut wie abgeschnitten ist. Die Psychologie des Zeitsinns best\u00e4tigt diese That-sache. Ich habe die Zeitdauer einfacher geistiger Besch\u00e4ftigungen von Beobachtern sch\u00e4tzen lassen, und fand, dass 4\u20145 Secunden lang dauerndes Lesen (sinnvoller Silben und Worte)2) fast \u00fcberhaupt nicht ahgesch\u00e4tzt werden kann. Man hat das Bewusstsein einfach zu r at he n, wie lange die Lesezeit gedauert hat. Die Aufmerksamkeitsberechnung beim k\u00fcnstlerischen Vortrag gestattet also weiter eine relativ gro\u00dfe Freiheit des Versrhythmus von dem Princip der Zeitgleichheit der Hauptbetonungen.\nDazu kommt aber 6) ein, wahrscheinlich associativer, Factor, der das strenge Rhythmisiren unserer Gedanken und S\u00e4tze geradezu verbietet. Wir verlangen von aller k\u00fcnstlerischen Durchbildung eines Stoffes, dass sie die Natur des Stoffes respectirt. Geschwungene Stuhlbeine aus Marmor sind ebenso verletzend wie gr\u00f6\u00dfere Statuen aus Porzellan, weil das Material solchen Bildungen widerstrebt. Nun ist es der Natur unserer Vorstellungs- und Aufmerksamkeitsbewegungen durchaus zuwider, dass ein v\u00f6llig regelm\u00e4\u00dfiger Wechsel des Bedeutsamen und minder Bedeutenden stattfinde. Darum widerstrebt uns das regelm\u00e4\u00dfige Scandiren, das in beleidigender\n1)\tGeschichte der Aesthetik. S. 300 ff.\n2)\tWelche in der Weise der Ebbinghaus\u2019schen Ged\u00e4ehtnissversuche von der Kymographiontrommel abgelesen wurden. \u2014 Ich bin nat\u00fcrlich durchaus nicht der Meinung, dass aus solchen Versuchen ein endg\u00fcltiger R\u00fcckschluss auf die Th\u00e4tigkeit des Zeitbewusstseins beim Versesprechen gemacht werden kann, sie geben nur einen Anhaltspunkt f\u00fcr die Genauigkeit unsrer Zeitsch\u00e4tzung bei anderweitiger geistiger Th\u00e4tigkeit. Dass beim Versesprechen ebenso wie beim Taktiren oder Spielen die motorische Innervation m\u00f6glicherweise die M\u00e4ngel unsrer Zeitsch\u00e4tzung eorrigirt, werde ich sp\u00e4ter ausf\u00fchrlich in Erw\u00e4gung ziehen.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus\u00bb\t399\nWeise best\u00e4ndig das logisch Unbedeutende in gleicher Weise hervorkehrt wie das Bedeutsame. Darum widerstrebt uns aber alle strenge Regelm\u00e4\u00dfigkeit in der Versrhythmik, auch die Gleichheit der Betonungszeiten. Ich verstehe dabei unter Regelm\u00e4\u00dfigkeit die gleiche Wiederkehr aller rhythmischen Elemente, auch z. B. der Zahl der Hebungen und Senkungen eines rhythmischen Ganzen.\nEs folgt daraus, dass eine gewisse Regellosigkeit dem poetischen ( Rhythmus naturgem\u00e4\u00df ist, von dem rhythmisirten Material der Poesie geradezu gefordert wird, und damit wird jedenfalls in dem von den \u00e4lteren Aesthetikern so viel betonten \u00bbReiz der Wiederherstellung\u00ab ein wesentliches \u00e4sthetisches Element des Versrhythmus zu suchen sein. Aus der logischen Natur der rhythmischen Gruppe ^ des Verses folgt aber weiter, dass auch in der Rhythmisirung die Unterordnung des logisch Unbedeutenden unter das Bedeutsamere zum Ausdruck komme. Das geschieht, indem die (fr\u00fcher, S. 396 erw\u00e4hnte) logische Gruppe in einem System abgestufter Betonungen, die sich unter der Herrschaft einer Hauptbetonung in der rhythmischen Gruppe zusammenschlie\u00dfen, f\u00fcr das Ohr des H\u00f6renden markirt wird. Diese Subordination der Accente einer Gruppe ist eine der augenf\u00e4lligsten Erscheinungen des poetischen Rhythmus.\nGegen\u00fcber dem Ergebniss unserer theoretischen Ueberlegungen \u00fcber die Betheiligung des Zeitbewusstseins an dem Versrhythmus muss es in Erstaunen setzen, dass selbst angesehene Vertreter der modernen Metrik streng an dem \u00bbPrincip der Taktgleichheit\u00ab f\u00fcr den gesprochenen Vers festhalten. So f\u00fchrt H. Paul1) aus: \u00bbNicht nur f\u00fcr den musikalischen Vortrag, sondern auch f\u00fcr den rechnenden, soweit er dem nat\u00fcrlichen Gef\u00fchl folgt und durch keine Theorie beirrt wird (!?), gilt das Gesetz, dass die einzelnen Takte in der Zeitdauer einander gleich sind. Exacte Messungen auf diesem Gebiet hat Br\u00fccke veranstaltet\u00ab. Man sieht, dass Br\u00fccke diesen Irrthum \u2014 ganz unschuldig \u2014 veranlasst hat. Br\u00fccke lie\u00df nun aber bei seinen Versuchen scandirend sprechen, dabei ist es dann ziemlich selbstverst\u00e4ndlich, dass bei der gro\u00dfen Einfachheit der Versf\u00fc\u00dfe und der unbedingten Herrschaft, die wir \u00fcber die ganze beim Sprechen betheiligte Muskulatur haben, die Taktgleich-\n1) Grundz\u00fcge der germanischen Philologie. Stra\u00dfburg 1893. II, 1. S. 909 f.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nErnst Meuraann.\nheit eingehalten werden kann, f\u00fcr den freien \u00bbdem nat\u00fcrlichen Gef\u00fchl folgenden\u00ab Rhythmus ist aber eben deshalb aus diesen Versuchen nichts zu ersehen. (Vgl. meine Discussion der Br\u00fcckeschen Versuchsresultate Cap. IV. \u00a7 1 d. A.)\n\u00a7 2.\nDie Elemente des Versrhythmus.\nNachdem ich oben die Eigenth\u00fcmlichkeiten des poetischen Rhythmus gekennzeichnet und aus dem Rhythmizomenon verst\u00e4ndlich zu machen gesucht habe, kann nunmehr die Frage in Angriff genommen werden : was findet die psychologische Analyse an con-stituirenden Elementen des rhythmischen Eindrucks gesprochener Verse?\nDen Leitfaden f\u00fcr die Aufsuchung der Elemente des Versrhythmus haben wir an den bekannten psychischen Processen, die in den rhythmischen Vorgang eingehen, wir werden jedenfalls fragen m\u00fcssen nach den Empfindungsprocessen, den Zeitvorstellungen und den associativ-apperceptiven Erlebnissen, die die Selbstwahmehmung des H\u00f6renden findet.\nDie Ber\u00fccksichtigung der ersteren f\u00fchrt uns nun jedenfalls zu dem in erster Linie f\u00fcr den Versrhythmus in Betracht kommenden rhythmischen Element : der Verwendung von Betonungsunterschieden. Die Frage, wie viele Betonungsstufen in der Poesie zur Verwendung kommen, wie viele zu einem rhythmischen Ganzen in der Declamation zusammengefasst werden k\u00f6nnen', geh\u00f6rt unter den synthetischen Gesichtspunkt des Aufhaus der in der Poesie verwendeten Versformen, mit dem wir uns hei dieser analytischen Betrachtung nicht besch\u00e4ftigen wollen. F\u00fcr mich handelt es sich um die psychologische Bedeutung dieses Intensit\u00e4tsunterschiedes ; sie sehe ich darin, dass die Betonungsstufen in der Poesie, wie in der Musik, eines der rhythmisch zusammenschlie\u00dfenden Elemente sind. Ebenso wie zwei f\u00fcr sich gleichg\u00fcltige, gleich starke Schalleindr\u00fccke sofort als ein zusammengeh\u00f6riges Ganze erscheinen, wenn einer von ihnen verst\u00e4rkt wird (statt 1-2, 1-2 geklopft wird), so bringt der Wechsel der Betonungsstufen des declamirenden Sprechens jene innerlich zusammenfassende Th\u00e4tigkeit ins Spiel, die die Neben-","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\t401\nbetonungen und tonlosen Silben als Glieder eines von der Hauptbetonung beherrschten rhythmischen Ganzen auffasst.\nDie Betonung ist ferner der Ausdruck der gesteigerten inneren Th\u00e4tigkeit, der erh\u00f6hten Aufmerksamkeit, der lebhafteren Antheil-nahme des Gef\u00fchls. Dadurch wird die Gruppenhildung, welche die Betonungsstufen vollziehen, identisch mit der logischen Silben-Wort-Vorstellungsgruppe, die wir im vorigen Paragraphen aus der Eigenth\u00fcmlichkeit des Rhythmizomenon des Verses folgerten. Und umgekehrt wird die Wahrnehmung der Betonungsstufen in dem H\u00f6renden die entsprechende Auf- und Abschwellung des Bedeutungswechsels der Vorstellungen, der Aufmerksamkeitsspannung und der Gef\u00fchlsantheilnahme erzeugen.\nWas ferner die Art des Wechsels der betonten und unbetonten Silben im poetischen Rhythmus angeht, so ergibt jede beliebige Zusammenstellung einer Anzahl Beispiele von Versen und Vers-theilen, dass f\u00fcr die Poesie ein relativ unregelm\u00e4\u00dfiger Betonungswechsel charakteristisch ist. Hauptbetonungen, Nebenbetonungen und unbetonte Silben wechseln in unregelm\u00e4\u00dfiger Weise, sowohl hinsichtlich der Zahl der zusammengeordneten Hebungen und Senkungen, wie hinsichtlich der Art der Aufeinanderfolge. Dabei beachtet man zwei Extreme und zahllose Ueberg\u00e4nge zwischen denselben: Ann\u00e4herung an die Regelm\u00e4\u00dfigkeit im Wechsel betonter und unbetonter Silben, und Ann\u00e4herung an die vollkommene Willk\u00fcr und Aufl\u00f6sung aller Regel.\nSodann ist die sparsame Verwendung der Hauptbetonungen f\u00fcr den Versrhythmus charakteristisch. Bisweilen \u00fcbernimmt eine einzige Betonung die Rhythmisirung eines l\u00e4ngeren Verses, ihr erscheinen alle anderen Silben subordinirt, und bilden deshalb finden Eindruck ein rhythmisches Ganzes, bisweilen folgen kurze, gleich gebaute rhythmische Gruppen aufeinander. Schillers Vers:\n,\t,\tr\ttn\n\u00bbImmer, immer nach West, \u2014 dort muss die K\u00fcste sich zeigen\u00ab\nhat in den beiden Versh\u00e4lften beide F\u00e4lle neben einander. Es ist nicht Sache der psychologischen Forschung, dies im Einzelnen durchzuf\u00fchren; wohl aber das Princip der Wirksamkeit des Betonungswechsels aufzustellen: Betont wird im Verse das logisch Bedeutsamere. Es tritt damit die Versbetonung ganz auf eine Linie","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nErnst Meumann.\nmit dem, was ich unten \u00fcber die Schallrhythmisirung als Ergebniss der experimentellen Untersuchungen ausf\u00fchre: Die Betonung ist ein Product der wechselnden Aufmerksamkeitsenergie, und speciell die Versbetonung ist eine Ausdrucksbewegung des lebhafteren Anspannens der Aufmerksamkeit, der lebhafteren Antheilnahme des Interesses. Daraus folgt, dass, wenn die Betonung eine rhythmische wird, der Aufmerksamkeitswechsel, der Wechsel des logisch Bedeutsamen und Unbedeutenderen ebenfalls eine Rhythmisirung erfahren muss. Dies kann nun der Dichter nur bewirken durch die Auswahl und Zusammenstellung der f\u00fcr den Sinn bedeutsamen Worte. Er muss eine Auswahl treffen (die Sprache der Dichtung ist \u00bbgew\u00e4hlt\u00ab), indem er alles f\u00fcr den Gedankenfortschritt Unwesentliche wegl\u00e4sst, er muss eine solche Zusammenstellung der Worte (und damit der Vorstellungen) treffen, dass der Wechsel des Bedeutenden und Unwesentlichen ebenfalls einer kunstvollen Durchbildung, Regelung unterworfen erscheint. Unsere Gedankenbewegung verbietet nun eine v\u00f6llige Regelm\u00e4\u00dfigkeit in diesem Wechsel, diese w\u00fcrde geradezu der Ausdruck einf\u00f6rmiger Gedankenbewegung sein. So versteht man von diesem Gesichtspunkte aus die beleidigende Wirkung des Scandirens. Die st\u00e4rkere Betonung zwingt uns n\u00e4mlich umgekehrt auch, das energischer Gesprochene st\u00e4rker zu beachten, und indem nun auch das logisch Bedeutungslose aufdringlich betont wird, sind wir in der Zwangslage, dem Unbedeutenden Beachtung schenken zu m\u00fcssen. Mit der Frage nach der Art des Wechsels betonter und unbetonter Silben vereinigt sich naturgem\u00e4\u00df die weitere nach der Stellung der Hauptbetonung in der kleinsten f\u00fcr das Ohr hervortretenden rhythmischen Gruppe. In der Poesie wie in der Musik bedingt dieses Moment den gew\u00f6hnlich sogenannten Unterschied der \u00bbTaktcharaktere\u00ab, richtiger rhythmischen Charaktere. Gew\u00f6hnlich unterscheidet man den steigenden, fallenden, fallend-steigenden und steigendfallenden Rhythmus.\tj\nDie Betonung ist endlich niemals blo\u00df Intensit\u00e4tssteigerung, sondern stets auch Qualit\u00e4tsver\u00e4nderung der gesprochenen Laute, und zwar scheint in der Regel die zunehmende Tonh\u00f6he f\u00fcr die Aufmerksamkeit des H\u00f6renden und als Ausdrucksbewegung des Sprechenden dieselbe Bedeutung zu haben, wie gesteigerte Inten-","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\t403\nsit\u00e4t, indem sie der Hervorhebung des logisch und emotionell Bedeutsameren dient.\nDer zweite Factor, der in der poetischen Rhythmik in Betracht kommt, ist der zeitliche. Sehr ungl\u00fccklich ist die Wahl des Namens \u00bbQuantit\u00e4t\u00ab f\u00fcr alle Zeitelemente des Rhythmus in der gegenw\u00e4rtigen Metrik. Ueber der Gleichheit des Namens wird dabei die Verschiedenartigkeit der f\u00fcr den Versrhythmus zu ber\u00fccksichtigenden zeitlichen Elemente leicht \u00fcbersehen, und vor allem der Tradition gem\u00e4\u00df vorwiegend an Silbenl\u00e4nge gedacht. Wir m\u00fcssen vielmehr fragen: Welche Rolle spielt im Versrhythmus die Dauer, Successionsgeschwindigkeit und die Wiederholung analoger Verh\u00e4ltnisse? Die Dauer kommt in dreifacher Weise in Betracht: 1) In der verschiedenen Dauer der Sprechsilben; 2) in der absoluten und relativen L\u00e4nge der Zeitstrecken, welche a) im gesprochenen Verse zwischen den den rhythmischen Fortschritt markirenden Hauptbetonungen liegen. Hier ist die Hauptfrage: Wird in der.Hervorhebung dieser Hauptbetonungen \u00e4hnlich wie in der Musik (falls die Taktgleichheit nicht durch phrasirendes Spiel durchbrochen wird) der immer gleiche Zeitfortschritt markirt? Oder existirt f\u00fcr den Rhythmus des gesprochenen Verses dieses Princip nicht? Bez. in welcher Ausdehnung wird es gewahrt? Daneben wird b) nicht abzuweisen sein, dass auch die gleiche Dauer der rhythmischen Gruppe uns den Eindruck der Regelm\u00e4\u00dfigkeit im Versrhythmus garantirt.\nDie Dauer kommt 3) in Betracht als die L\u00e4nge der \u00bbPausen\u00ab, d. h. die Dauer der \u00bbleeren\u00ab Zwischenzeiten zwischen Silben, Worten, Versenden, Strophen und vor allem zwischen den bei der freien Declamation gebildeten rhythmischen Wortgruppen.\nIn den Einzelfragen, die sich nun an die Art der Verwendung der Zeiteleifiente im Rhythmus des gesprochenen Verses kn\u00fcpfen, kann nur das Experiment entscheiden, und zwar werden wiederum Untersuchung des Sprechenden und H\u00f6renden parallel gehen m\u00fcssen. Folgendes l\u00e4sst sich aber aus dem bisher vorhandenen Versuchsmaterial schon entnehmen: 1) Die schon von Lotze ausgesprochene Vermuthung !), dass die betonte Silbe stets eine l\u00e4ngere Sprechzeit\n1) Geschichte der Aesthetik. S. 301.","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\nerfordert, kann ich aus meinen Taktirversuchen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit best\u00e4tigen. Es geht aus diesen hervor, dass f\u00fcr die Hand- und Fingerbewegung innerhalb mittlerer Schlagst\u00e4rken die Regel gilt, dass die Hemmungszeit der Bewegung sich im Verh\u00e4ltnis zur Schlagst\u00e4rke verl\u00e4ngert. Daraus w\u00fcrde freilich f\u00fcr die Silbenbetonung nicht nothwendig eine entsprechende Verl\u00e4ngerung der geh\u00f6rten Silbe, des Lautes folgen, sondern wahrscheinlich die Einschiebung einer leeren Zeit zwischen betonter und unbetonter Silbe, \u2014 ein rhythmischer Effect, der aber der Verl\u00e4ngerung des Lautes selbst gleich kommt. Das l\u00e4ngere Liegenbleiben des Fingers auf der Taste w\u00fcrde n\u00e4mlich, auf die Athem- und Kehlkopfmuskulatur \u00fcbertragen, wahrscheinlich einer l\u00e4ngeren Ruhe der Kehlkopf- vielleicht auch der Athemmuskeln gleichkommen, die, unmittelbar nach der betonten Silbe eintretend, die zur Hervorbringung der n\u00e4chsten Silbe n\u00f6thigen Contractionen etwas versp\u00e4tete.\nDie Silbendauer k\u00e4me aber 2) in Betracht, sofern die l\u00e4ngere Silbe stets f\u00fcr das Ohr eine gr\u00f6\u00dfere Schallwirkung hat, und daher geeignet ist, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und die subjective Betonung einzuleiten. In diesem Falle wirkt also die Dauer indirect, durch Vermittlung der Betonung rhythmisch.\nDie verschiedene L\u00e4nge succedirender Silben hat ferner 3) als solche rhythmisirende Wirkung, indem der Zeitfactor dabei selbst\u00e4ndig als. \u00bbhythmusbildendes Element th\u00e4tig ist. Das geht aus den oben \u00fcber die relative Selbst\u00e4ndigkeit der einzelnen rhythmischen Factoren gegebenen Ausf\u00fchrungen hervor (vergl. S. 305 d. A.).\nSodann hatte die Dauer im Sinne der Streckengleichheit der zeitlichen Abst\u00e4nde der Haupbetonungen rhythmische Bedeutung f\u00fcr den Vers (sogenannte \u00bbTaktgleichheit\u00ab). Es ist nun unzweifelhaft, dass bei der freien k\u00fcnstlerischen Declamation die Taktgleichheit des Verses bald gewahrt wird, bald tollst\u00e4ndig preisgegeben werden kann, ohne dass wir im \u00e4sthetischen Eindruck etwas vermissen. Es ist das schon verst\u00e4ndlich aus den fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen \u00fcber die Aufmerksamkeitsrichtung beim Versesprechen, bedarf aber einer eingehenderen Er\u00f6rterung, da gerade diese Frage geeignet ist, das Wesen der poetischen Rhythmusbildung zu erl\u00e4utern.\nDie \u00bbTaktgleichheit\u00ab, besser die Markirung eines gleichm\u00e4\u00dfigen Fortschrittes in der Zeit durch Angabe zeitlich gleich entfernter","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\t405\nHauptmomente des successiven Ablaufes der Vorstellungen mittelst der Hauptbetonungen, ist so sehr wesentliche Bedingung aller com-plicirteren rhythmischen Bildungen, dass sich nirgendwo ein rhythmischer Wechsel unserer Erlebnisse nachweisen l\u00e4sst, der ihrer ganz entbehrt. Sie ist nicht in dem Ma\u00dfe cond. s. q. non alles Rhythmus, dass ohne sie \u00fcberhaupt kein Eindruck rhythmisirter Empfindungen entstehen k\u00f6nnte. Vielmehr kann die einzelne rhythmische Gruppe durchaus rhythmischen Charakter haben, auch wenn sie nicht durch eine zweite wieder aufgenommen wird und von einer Markirung eines gleichen Zeitfortschrittes keine\nf\t,\nRede ist. 1-2 3- -4 ist eine Schallgruppe (vergl. die fr\u00fcher von mir eingef\u00fchrten Symbole Philos. Stud. IX S. 286 Anmerk.) von rhythmischem Charakter, in der alle Intervalle ungleich sind. Soll aber ein gr\u00f6\u00dferes rhythmisches Ganzes entstehen, das einen \u00e4sthetisch befriedigenden Eindruck macht, so muss die rhythmische Gruppe von anderen gleich' oder \u00e4hnlich gebauten wieder aufgenommen werden \u00fcnd zwar, falls die Pausen sich nicht in unangenehmer Weise vordr\u00e4ngen sollen, mit gleichen Pausen zwischen den Gruppen, womit von selbst eine gewisse Gleichheit in der Markirung der Hauptbetonungszeiten gegeben ist.\nWelche Bedeutung hat diese Tendenz alles Rhythmus zur Einhaltung gleicher Zeitabst\u00e4nde der Hauptmomente? Es schien' Hinaus den Taktirversuchen hervorzugehen, dass auf der motorischen Seite die rhythmische Ordnung der Impulse eine zweckm\u00e4\u00dfige Veranstaltung zur raschen Einleitung des Automatismus im Innervationswechsel einerseits und damit zugleich eine Summe von H\u00fclfsmitteln zur Einhaltung des (zeitlich, r\u00e4umlich und intensiv) geregelten Fortganges der Bewegungen andrerseits darstellte. Dazu tritt nun die fr\u00fcher bei der Er\u00f6rterung der Periodicit\u00e4t im Schallrhythmus gegebene Ausf\u00fchrung in eine gewisse Analogie f\u00fcr die sensorische Seite aller rhythmischen Erlebnisse : es wird uns durch den rhythmischen Empfindungswechsel die M\u00f6glichkeit gegeben, einerseits dem Empfindungswechsel in der Zeit correct zu folgen, andrerseits nur gewisse Hauptmomente des Ablaufes zu beachten, und ebenso wie der motorische Automatismus (z. B. des Klavierspielers) eintritt, trotz einer best\u00e4ndig wechselnden Bewegungsform, so scheint man auch einen sensorischen Automatismus in dem centralen Energie-","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nErnst Meumann.\nWechsel annehmen zu d\u00fcrfen, trotz wechselnden Vorstellungsinhaltes.\nW\u00e4hrend sich hieraus mehr ein teleologisches Verst\u00e4ndniss des rhythmischen Ablaufs unserer inneren Zust\u00e4nde ergibt, bringt eine andere damit in engem Zusammenhang stehende Thatsache auch die causale Erkl\u00e4rung n\u00e4her.\nAller Rhythmus zeigt nicht nur diese universale Tendenz zur Einhaltung unter sich gleicher Zeitverh\u00e4ltnisse der rhythmischen Hauptmomente, sondern auch die Tendenz zur Einhaltung gewisser absoluter Zeitwerthe in denselben; dass es eine nat\u00fcrliche Aufmerksamkeitsperiode gibt, w\u00e4hrend welcher die Spannungsenergie derselben auf ihrem Maximum bleibt, ist in der experimentellpsychologischen Praxis durch zahlreiche Erfahrungen beglaubigt; dass diese zur Zeitwahrnehmung ganz besonders innige Beziehungen hat, zeigen viele Erfahrungen bei den Zeitsinn versuchen (vergl. Wundt, Physiol. Psychol. II. 2. Aufl. S. 411). Dass dieselbe in der Wahl des wohlgef\u00e4lligsten Rhythmus, in der L\u00e4nge und Zusammensetzung der rhythmischen Gruppen eine entscheidende Rolle spielt, ist neuerdings durch Bolton1) an Versuchen \u00fcber subjective Rhythmisirung in ausgiebiger Weise best\u00e4tigt worden. Bolton fand, dass bei verschiedener Successionsgeschwindigkeit einfacher Schalleindr\u00fccke, die in gleichen Zeiten aufeinander folgen, die subjective Zusammenfassung derselben zu rhythmischen Gruppen immer so geschieht, dass die zeitliche Gesammtl\u00e4nge der Gruppe immer ungef\u00e4hr dieselbe bleibt, indem bei gr\u00f6\u00dferer Geschwindigkeit der Succession 'mehr Eindr\u00fccke zu einer Gruppe zusammengefasst werden, bei geringerer Geschwindigkeit weniger. Er deutet dies mit Recht so, dass darin die nat\u00fcrliche L\u00e4nge einer Aufmerksamkeitsperiode zum Ausdruck komme.\nDamit stimmt weiter die S. 317 d. A. erw\u00e4hnte Beobachtung von Sievers, sowie die weitere Thatsache, dass alle rhythmisch verwendbaren Zeiten, die als Zeitganze aufgefasst werden, sich innerhalb sehr enger Grenzen bewegen.\nGibt es nun eine solche nat\u00fcrliche Aufmerksamkeitsperiode, so ist diese jedenfalls die Ursache der Tendenz zur Wahrung der\n1) Amer. Journ. of Psychol. Vol. VI. S. 214.","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\t407\nTaktgleichheit einerseits und der Wahrung gewisser absoluter Zeitgrenzen in derselben anderseits. So w\u00fcrde es sich verstehen lassen, dass die nat\u00fcrlichen Bedingungen der Perception succedi-render Eindr\u00fccke eine best\u00e4ndige Tendenz zur Wahrung gleicher und innerhalb enger absoluter Grenzen eingeschlossener Zeitabst\u00e4nde der Hauptmomente in dem rhythmischen Ablauf der Empfindungen (Vorstellungen) mit sich bringen. Da ferner auch bei der motorischen Herstellung von Takten (so lange die Bewegungen nicht automatisch geworden sind) jedenfalls eine Absch\u00e4tzung der Bewegungszeiten stattfindet, w\u00e4re auch f\u00fcr rhythmische Bewegungen diese Tendenz schon damit erkl\u00e4rt. Hieraus wird nicht nur die positive Tendenz zur Taktgleichheit in allem Rhythmus verst\u00e4ndlich, sondern auch die Thatsache, dass wir alle Verletzung derselben als ein rhythmus auf l\u00f6sendes Element empfinden. Dieser gleichmachenden Tendenz alles Rhythmus arbeitet nun aber ein aufl\u00f6sender Factor entgegen, sobald die rhythmisch geordneten Eindr\u00fccke uns als solche interessiren und unter sich Zusammenh\u00e4nge bilden, die sich mit den rhythmisch-gleichen Abschnitten der Hauptbetonungen nicht mehr decken. So dr\u00e4ngt das musikalische Motiv, der melodi\u00f6se Zusammenhang der T\u00f6ne, die in sich geschlossene Toncadenz zur Bildung selbst\u00e4ndiger Abschnitte, welche mittelst Pausen (im weiteren Sinne), Zeiteinschnitten, den gleichen Betonungsfortschritt unterbrechen. Sodann aber bedingt der emotionelle Eindruck der T\u00f6ne best\u00e4ndige Tempover\u00e4nderungen, welche die Taktgleichheit verletzen.\nEbenso bilden in der P.oesie die Worte logische Zusammenh\u00e4nge, Vorstellungsgruppen, die sich oft in sehr unregelm\u00e4\u00dfigen L\u00e4ngen aneinanderreihen und durch keine Sprechbeschleuni^ung v\u00f6llig ausgeglichen werden, und deren Gef\u00fchlscharakter uns oft zu Sprechbeschleunigungen und Verlangsamungen n\u00f6thigt, die aller \u00bbTaktgleichheit\u00ab Hohn sprechen. Da die logischen Gruppen in der Regel' verm\u00f6ge der Subordination der Betonungsstufen in denselben unmittelbar als entsprechende rhythmische Gruppen f\u00fcr das Ohr ins Gewicht fallen, so haben sie eine die Taktgleichheit best\u00e4ndig durchkreuzende Bedeutung nicht nur wegen der Abschnittbildung, sondern vor allem wegen ihres in sich geschlossenen Betonungssystems.","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\nErnst Mcumann.\nEs ist nun aber klar, dass die rhythmischen Gruppen, wenn sie unter sich gleich gebaut sind, ihrerseits gerade die Einhaltung der Taktgleichheit garantiren k\u00f6nnen:\nt\n\u00bbdem Knaben gleich, r\nder Disteln k\u00f6pft,\nr\nan Eichen dich /\nund Bergesh\u00f6hn.\u00ab\nHier schreitet die freie Declamation auf den durch Accente bezeichneten logischen Hauptbetonungen ungezwungen in gleichen Zeitabschnitten weiter, unmittelbar darauf durchbricht die Gruppenbildung alle Taktgleichheit:\nt\nMusst mir meine Erde\nt\ndoch lassen stehn.\u00ab\nWenn aber nicht, wie in dem obigen Beispiel, eine Hauptbetonung die \u00fcbrigens gleichgebauten rhythmischen Gruppen beherrscht, sondern mehrere logisch gleichwerthige eine unregelm\u00e4\u00dfigere Accentvertheilung bewirken, so kann wiederum von gleichen zeitlichen Abst\u00e4nden der Arsen erster Ordnung keine Rede sein, wohl aber k\u00f6nnen die nat\u00fcrlichen rhythmischen Gruppen dadurch selbst\u00e4ndige rhythmische Bedeutung erlangen, dass die starke Markirung der Gruppen als solcher einen rhythmischen Effect erzeugt:\nt\n\u00bbSie brauchen K\u00fche \u2014 lieber Carl \u2014 Ihr Blut \u2014 ist jetzt in Aufruhr \u2014 Setzen Sie sich zu mir\u00ab \u2014\nNiemand kann diese Verse den \u00e4sthetischen Anforderungen entsprechend so lesen, dass die Haupthetonungen gleiche Zeitabst\u00e4nde einhalten, dagegen wirkt das gruppirende Sprechen gerade durch die starke Markirung der Sinnabschnitte auf Grund des \u00e4hnlichen Baus und der Sprechbeschleunigung in den l\u00e4ngeren Gruppen rhythmisch (vergl. die unten folgenden Ausf\u00fchrungen \u00fcber das Princip der Wiederholung).\nSieht man also von dem scandirenden Sprechen ah, das nach meinen obigen Ausf\u00fchrungen der Natur des dichterischen Stoffes widerstrebt, so kann man sagen, die poetische Declamation wird","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\n409\nbeherrscht von zwei Tendenzen, die sich bald widerstreben, bald einheitlich zusammenstimmen, bald jede f\u00fcr sich allein die Herstellung des rhythmischen Eindrucks \u00fcbernehmen k\u00f6nnen. Ich will sie nennen die taktirende Tendenz und die phrasirende (gruppirende) Tendenz. In der ersteren macht sich das eigentlich rhythmische Bed\u00fcrfniss geltend, es dr\u00e4ngt immer zu der allgemeinen Bedingung aller rhythmischen Ordnung unserer succedirenden Erlebnisse, der Gleichheit in den Zeitabst\u00e4nden der rhythmischen Hauptmomente hin. In der letzteren kommt immer das selbst\u00e4ndige Interesse.am Inhalt zur Geltung; da die Natur der Vorstellungsbewegung nun einmal keine so v\u00f6llige Schematisirung ihres Ablaufs gestattet, wie das rhythmische Interesse es verlangt, so n\u00f6thigt uns der Wunsch sinnvoller Declamation zu einer best\u00e4ndigen Aufgebung des rhythmischen Princips.\nDie taktirende Tendenz kann zur scandirenden Tendenz auch im k\u00fcnstlerisch freien Vortrag werden, wenn die logisch-rhythmischen Vorstellungs- und Wortgruppen und die Vertheilung ihrer Beto-nungss\u00efufen sich zuf\u00e4llig eine Zeit lang ann\u00e4hernd mit den Versf\u00fc\u00dfen decken.\n,r I und s'\nein I und eben\u00ab\n\\\nIn diesem Verse ist der Bau der Versf\u00fc\u00dfe in ann\u00e4hernder Ueber-einstimmung mit dem logisch-rhythmischen Bau der f\u00fcr die innere Zusammenfassung als Einheit wirkenden Wortgruppen; obwohl noch eine zweimalige Unterbrechung der Troch\u00e4en stattfindet, h\u00f6ren wir doch sehr bestimmt die Troch\u00e4en heraus. Das k\u00fcnstlerisch freie Sprechen kann v\u00f6llig mit der scandirenden Sprechweise zusammenstimmen, wenn die logisch-rhythmischen Wort- oder Silbengruppen mit den Versf\u00fc\u00dfen, \u00fcber deren Schema das Gedicht construirt ist. zusammenfallen :\n\u00bbBl\u00fchende, gl\u00fchende, liebliche Rosen.\u00ab\nJe mehr sich aber die freie Declamation dem scandirenden Sprechen n\u00e4hert, desto mehr kann die \u00bbTaktgleichheit\u00ab gewahrt werden, theils wegen des regelm\u00e4\u00dfigen Baus der Versf\u00fc\u00dfe, theils wegen der von Br\u00fccke nachgewiesenen Sprechbeschleunigungen und Verlangsamungen, hez. Dehnungen und K\u00fcrzungen.\nEs scheint danach, dass die Einhaltung gleicher Zeitabst\u00e4nde der Hauptbetonungen im k\u00fcnstlerischen Vortrag der Verse genau\nWundt, Philos. Studien. X.\t27\t'","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410\nErnst Meumann.\nin derselben Weise verwendet wird, wie jede \u00e4sthetische Regel im Kunstwerk verwendet werden muss, wenn sie nicht beleidigend wirken soll, n\u00e4mlich so, dass sie verh\u00fcllt wird durch zahlreiche Abweichungen, dass sie bald aufgegeben bald wiederhergestellt wird, und eben dadurch die geistige Th\u00e4tigkeit des H\u00f6renden bez. Schauenden unabl\u00e4ssig ins Spiel bringt, dass ein Suchen nach der Regel, ein eigenes actives Beibehalten, eine spontane Antheilnahme an dem von dem Kunstwerk befolgten Princip erzwungen wird. Die \u00e4ltere religi\u00f6se Malerei befolgt das Princip des pyramidalen Aufbaus der Composition, und doch finden wir darin erst eine befriedigende Verwendung des Princips, wenn das Auge nicht ann\u00e4hernd die Umrisslinie der Pyramide entdecken kann. In aller architektonischen Decoration herrscht das Princip der Symmetrie, und doch finden wir den Rococcostiel in decorativer Hinsicht besonders reizvoll, der die Abweichung von der Symmetrie (aber keineswegs die Aufgabe derselben) zum Princip erhebt.\nWas nun ferner die Bedeutung des dritten aus derZeitdauer stammenden rhythmischen Elements betrifft: der Pausen, so sind diese f\u00fcr den Versrhythmus von der gr\u00f6\u00dften Bedeutung. Mit den Pausen markiren wir die f\u00fcr das Ohr hervortretenden kleinsten rhythmischen Einheiten, die einer Hauptbetonung untergeordneten Wortgruppen, die gr\u00f6\u00dferen Gruppen, zu denen wir jene zusammenfassen, die Versenden (wo wir sie hervortreten lassen wollen, und ganz besonders wo sie durch den Reim markirt sind), endlich die Strophenabschl\u00fcsse. Da ich nun vom rhythmischen Standpunkt aus in diesen kleinsten geh\u00f6rten rhythmischen Gruppen die wesentlichen rhythmischen Formen und Figuren des Verses \u00fcberhaupt sehe, die Einheiten, aus denen er sich aufbaut f\u00fcr den H\u00f6renden, so folgt daraus, dass die Pausen mit zu den wichtigsten constituirenden Elementen des Versrhythmus geh\u00f6ren.\nDie zweite Modification unserer Zeit Wahrnehmung, die f\u00fcr den .Rhythmus des Verses in Betracht kommt, war die Succession. Sie kommt vor allem als Tempo und Tempover\u00e4nderung in der Declamation zur Geltung. Absolute Ma\u00dfe \u00fcber die Tempover\u00e4nderung kann erst das Experiment geben. Damit aber w\u00fcrden wir \u00fcberhaupt erst sichere Vorstellungen \u00fcber die Bedeutung des Tempos f\u00fcr den Versrhythmus gewinnen, indem ja immerhin die","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\t411\nM\u00f6glichkeit besteht, dass wir durch Beschleunigung und Verlangsamung des Sprechtempos den ungleichen Bau der rhythmischen Gruppen einigerma\u00dfen ausgleichend, eben die best\u00e4ndige Ann\u00e4herung an die Gleichheit der zeitlichen Abst\u00e4nde der Hauptbetonungen erstreben. Aber wie weit geht diese ausgleichende Tendenz des Sprechens?\nSodann erzeugt die Tempover\u00e4nderung auch stets Betonungsver\u00e4nderung und kommt so indirect f\u00fcr den Versrhythmus in Betracht. Tempobeschleunigung ist h\u00e4ufig mit st\u00e4rkerer Betonung, langsameres Sprechen mit einem Abfall der Stimme verbunden. Doch kann hier\u00fcber nur systematisches Sammeln von Beobachtungen entscheiden ; und gerade das logisch Bedeutsamste pflegen wir mit verlangsamtem Tempo, aber \u00bbgehobener\u00ab Stimme zu sprechen, d. h. mit st\u00e4rkerer Betonung, gesteigerter Tonh\u00f6he und langsamerer Succession. Endlich stammen aus der Tempover\u00e4nderung gewisse \u00e4sthetische Effecte des Versrhythmus : der Gegensatz des erregten und lebhaften, des ruhigen und des langsamen, schleppenden oder feierlichen Sprechens.\nDer dritte Zeitfactor, den wir in Betracht zogen, war die Wiederholung. Der allgemeine psychische Thatbestand, der in der Wirkung der Wiederholung im Rhythmus zum Ausdruck kommt, ist S. 296 ff. d. A. an dem Beispiel des Rhythmus in der Musik ausgef\u00fchrt worden, und es ist leicht, die dort gegebenen Andeutungen auf die Poesie zu \u00fcbertragen.\nDie Wiederholung hat zuerst eine eigenth\u00fcmliche Bedeutung gegen\u00fcber den einzelnen rhythmischen Gliedern, indem jede Sprechsilbe in der rhythmischen Gruppe als die gesteigerte oder abgeschw\u00e4chte Wiederholung der vorangehenden aufgefasst wird.\nIn allen diesen F\u00e4llen wirkt die Wiederholung als* objectiver Factor, sofern das Wiederholte uns leichter eingeht, sich besser einpr\u00e4gt, sofern die Wiederholung die Adaptation einleitet, das Automatischwerden der Betonungen bedingt u. s. f. ; sie wirkt stets zugleich als subjectiver Factor, sofern wir das Wiederholte als Wiederholtes auffassen.\nN\u00e4hern wir uns im Verse der scandirenden Sprechweise, kommt die taktirende Tendenz mehr zur Geltung, so hat die Wiederholung der Hauptbetonungen ihre eigenth\u00fcmliche Wirkung als die Markirung\n27*","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nErnst Meumann.\nder Wiederkehr gleicher Zeitabschnitte und sich entsprechender Zeitmomente; n\u00e4hern wir uns mehr der phrasiren-den gruppirenden Sprechweise, so kommt die Wiederholung als die Wiederaufnahme rhythmischer Gruppen durch gleich oder \u00e4hnlich gebaute zur Wirkung. Gerade in dieser Hinsicht hat f\u00fcr den frei gesprochenen Vers die Wiederholung analoger Verh\u00e4ltnisse eine ganz besondere, wie ich meine vielfach untersch\u00e4tzte Bedeutung.\nDie Ansichten, die ich hier\u00fcber mittheile, kann ich nur als Behauptungen aussprechen, da sie sich auf Versuche st\u00fctzen, deren Mittheilung erst sp\u00e4ter erfolgen kann *). 1) Es, ist ein gro\u00dfer Irrthum mancher moderner Metriker, dass die Wiederholung von Gruppen nur dann die rhythmische Wirkung derselben steigere, wenn die Gruppen gleich gebaut sind1 2). Diese steigernde, rhythmisirende Wirkung der Wiederholung findet vielmehr auch dann noch statt, wenn die rhythmischen Gruppen unter sich betr\u00e4chtlich ungleich sind. Das ist um so mehr der Fall, je mehr \u2014 wie beim Versrhythmus \u2014 die Aufmerksamkeit durch das Rhythmizomenon' gefesselt und von dem rhythmischen Eindruck als solchem abgelenkt ist. 2) Eine gr\u00f6\u00dfere Combination rhythmischer Gruppen, die an sich ganz unrhythmisch wirkt wegen allzugro\u00dfer Ungl\u00e9ichheit der Einzelgruppen, erscheint sofort wohl rhythmisirt, wenn sie als Ganzes wiederholt wird.- 3) Eine gr\u00f6\u00dfere Combination rhythmischer Gruppen erf\u00e4hrt eine vollst\u00e4ndige Rhythmisirung, wenn sie nur theilweise wiederholt wird. Die rhythmisirende Wirkung erstreckt sich dann auch auf die nicht wiederholten Theile. Schema :\n1 23\u2014123456 \u2014 1234\n> ' '\n1 2 3\t1 2 3 4\n4) Eine rhythmische Gruppe -wird in ihrem Effect gesteigert, wenn sie durch eine folgende reicher gegliederte in entwickelterer Form aufgenommen wird. Gerade dieses Princip findet im Verse vielfach Verwendung. Es ist mir nicht fraglich, dass eine systema-\n1)\tDoch ist es leicht, sie an der Analyse irgend eines nicht zu regelm\u00e4\u00dfig gebauten Gedichtes zu best\u00e4tigen.\n2)\tAuch die \u00f6fters erw\u00e4hnte Arbeit von Bolton huldigt diesem Irrthum. Amer. Journ. of Psychol. Bd. V. S. 237.","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\t413\ntische Analyse des Eindrucks gesprochener Verse vom Standpunkt des H\u00f6renden noch weitere Principien der bezeichneten Art finden wird.\nDie Wiederholung sich entsprechender rhythmischer Theile ist endlich das eigentlich synthetische Element des Rhythmus. Durch die Art der Wiederaufnahme (gesteigerte oder geschw\u00e4chte) fr\u00fcherer Glieder, durch die Zahl (H\u00e4ufigkeit der Wiederkehr) der verschiedenen Betonungstufen, die Zahl der zu einem rhythmischen Ganzen combinirten Hauptbetonungen, durch die Zeit, nach der die Wiederholungen stattfinden (\u00bbPausen\u00ab), durch die Wiederkehr der Gruppen, Reihen, Perioden, entsteht die ganze Summe der rhythmischen Formen.\nIn der Poesie entstehen so die rhythmischen Silben- und Wortgruppen, die Verstheile, Verse, die Versgruppen d. h. Strophen, die Strophengruppen d. h. das Gedicht.\nDie Aufgabe der Psychologie gegen\u00fcber diesen bestimmten rhythmischen Einzelformen ist die Aufsuchung der Bewusstseins-factoren, die sich in dieser Formenbildung beth\u00e4tigen. Sie geht weit \u00fcber die Analyse des Rhythmus \u2014 mit der wir uns hier ausschlie\u00dflich zu besch\u00e4ftigen haben \u2014 hinaus, indem sie nur ausgehen kann von einer Statistik der thats\u00e4chlich vorkommenden Formen und einer Aesthetik der wohlgef\u00e4lligsten Bildungen.\nDie allgemeinen Bewusstseinsfactoren, die sich dabei beth\u00e4tigen, und an deren Erforschung die Untersuchung anzukn\u00fcpfen haben wird, sind von Wundt (Psychol. II. S. 89f. 4. Aufl.) schon ange-gegeben worden.\nEs sind die Probleme der unmittelbaren und mittelbaren Zeitwahrnehmung, der nat\u00fcrlichen Aufmerksamkeitsperiode und der noch ganz unbekannten Bedingungen, von denen die Schwankungen ihrer Zu- und Abnahme abh\u00e4ngen, die Fragen der Beziehung des Rhythmus zum Ged\u00e4chtniss, zur Erleichterung der Bildung gr\u00f6\u00dferer logischer Zusammenh\u00e4nge, die hier in Betracht kommen.\nDie intellectuellen Factoren endlich, die beim rhythmischen Sprechen von Versen mitwirken, glaube ich oben bei Gelegenheit der Er\u00f6rterung der Eigenth\u00fcmlichkeiten des Versrhythmus schon angedeutet zu haben, hier mag nur darauf noch einmal hingewiesen werden, dass die logische Gruppenbildung, die Zusammenfassung der","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414\nErnst Meujnann.\nWorte nach dem Sinne es ist, welche, indem sie beim Declamiren in einem der logischen und emotionellen Bedeutung entsprechenden System von Betonungsstufen 2|um Ausdruck kommt, die kleinsten rhythmischen Einheiten constituirt. Die Arbeit des Dichters besteht dann aber in der Auswahl und der Zusammenstellung der Worte, so dass sie rhythmische Gruppen bilden, ohne schematisch rhythmisirt zu erscheinen. Man kann das an beliebigen Beispielen zeigen :\n\u00bbImmer, immer nach Westet das w\u00fcrde in der Prosasprache etwa ausgedr\u00fcckt werden: \u00bbEs muss immer nach Westen gefahren werden\u00ab. Der Dichter l\u00e4sst das ganze \u00bbes muss gefahren werden\u00ab weg, w\u00e4hlt nur die beiden bedeutungsvollsten Worte (Vorstellungen) aus \u00bbimmer\u00ab \u00bbnach West\u00ab, er steigert das erstere durch Wiederholung1) und gibt dem letzten noch die poetische Form \u00bbWest\u00ab statt \u00bbWesten\u00ab. Es sei hierbei darauf hingewiesen, dass die Metriker die poetische Wirkung oft gar zu einseitig im Rhythmus sehen und glauben, man habe die reine Prosasprache, wenn der Rhythmus einmal momentan verloren gehe. Dies erzeugt dann ein allzu \u00e4ngstliches Suchen nach rhythmischer Regelm\u00e4\u00dfigkeit im Verse. Man vergisst dabei, dass die Wahl der Worte, die \u00bbgew\u00e4hlte\u00ab Sprache, eben so, sehr den poetischen Charakter zu wahren vermag, wie die Wahl der T\u00f6ne in der Musik den Charakter eines musikalischen Kunstwerkes garantirt, wenn auch einmal \u00bbtempo rubato\u00ab oder Recitativ vorgeschrieben ist.\nDieser Gedanke einer logisch-rhythmischen Gruppenbildung im Verse ist aber noch einer tieferen Begr\u00fcndung f\u00e4hig. Bei der sub-jectiven Rhythmisirung einfacher unter sich gleicher Schalleindr\u00fccke zeigte sich, dass diese stets eingeleitet wurde von einer \u00bbinnerlich zusammenfassenden Th\u00e4tigkeit\u00ab. Diese hebt die f\u00fcr einander zun\u00e4chst gleichg\u00fcltigen Schalleindr\u00fccke aus ihrer Isolirung und schlie\u00dft sie zu einem Ganzen als Glieder desselben zusammen. F\u00fchrt man Intensit\u00e4tsunterschiede in den Schalleindr\u00fccken ein, so\n1) H\u00f6ffding hat gelegentlich darauf hingewieaen, dass m\u00e4chtiger Gef\u00fchls\u00bb-drang eine Wiederholung der Worte erzeugt. Die Ver\u00e4nderung, Entwickelung des Gef\u00fchlszustandes ist eine zu langsame, die der Vorstellungsbewegung eine zu schnelle, als dass einmaliger Ausdruck des Gef\u00fchls der inneren Bewegung genug thun k\u00f6nnte. Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. 1890. XIV. S. 185.","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\t415\nwirken diese als ebenso viele Anregungen, Reize zur Bildung weiterer Zusammenh\u00e4nge, Schallgruppen. In der Musik kommt als zusammenhangbildendes Moment das musikalische Motiv, das Thema hinzu, das uns als geschlossener Zusammenhang eines Tongedankens (\u00bbThema\u00ab) erscheinend wiederum auch einen rhythmischen Zusammenschluss bewirkt. Dasselbe leistet im Gedicht der Vorstellungszusammenhang, die Vorstellungsgruppe. Sie ist gewisserma\u00dfen nur die h\u00f6chste Potenz jenes primitiven Aufeinanderbeziehens einfacher Schalleindr\u00fccke zu einer rhythmischen Gruppe; eine Gegen\u00fcberstellung, die jedenfalls den intellectuellen Charakter aller Rhythmusbildung darthut.\n\u00a7 3.\nDer metrische Standpunkt in der Poesie und .seine Beziehungen zur Psychologie des Versrhythmus.\nDer Name \u00bbMetrik\u00ab, der ungl\u00fccklicher Weise f\u00fcr ein bestimmtes Einzelgebiet des Rhythmus die diesen erforschende Wissenschaft bezeichnet, verf\u00fchrt die wissenschaftliche Untersuchung des Rhythmus der gesprochenen Verse best\u00e4ndig zu einer Verwechselung des metrischen und rhythmischen Gesichtspunktes der Betrachtung.\nP\u00fcr mich handelt es sich um nur eine bestimmte Modification jenes charakteristischen Thatbestandes von Vorg\u00e4ngen im H\u00f6renden, j den wir mit dem allgemeinen Namen \u00bbRhythmus\u00ab benennen, wenn von dem Versrhythmus die Rede ist. F\u00fcr diesen Eindruck des H\u00f6renden existiren keine immer gleichen Versschemata, nach denen ganze Gedichte construirt sind, keine \u00bbArsen\u00ab und \u00bbThesen\u00ab schlechtweg, sondern eine oder mehrere Hauptbetonungen, die eine kleinere oder gr\u00f6\u00dfere rhythmische Gruppe beherrschen, welche nun als festgeschlossenes Ganzes, als kleinste rhythmische Einheit, f\u00fcr das Ohr durch Pausen markirt, von der apperceptiven Th\u00e4tigkeit als Ganzes erfasst, in einer Anzahl gleicher oder \u00e4hnlicher Wiederholungen den Rhythmus des Gedichtes ausmacht.\nDaneben ist ein zweiter Gesichtspunkt der Betrachtung f\u00fcr dasselbe Thatsachengebiet vorhanden, der metrische. Wir haben auch hier diesem gegen\u00fcber zu fragen, was ist die eigenth\u00fcmlich","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nErnst Meumann.\nmetrische Betrachtungsweise und wie weit kommt sie f\u00fcr die Zwecke des Psychologen in Betracht? Die metrischen Regeln und Symbole haben f\u00fcr die Poesie insofern eine andere Bedeutung wie f\u00fcr die Musik (vergl. S. 318 d. A.), als sie in der Musik eine Anzahl H\u00fclfs-mittel darstellen, durch die der Spielende die rhythmischen Absichten des Componisten erkennt, w\u00e4hrend f\u00fcr den Sprechenden die Yersfu\u00dfschemata eine \u00e4hnliche Bedeutung nicht haben. Der Decla-mirende kann wenigstens rhythmisch correct declamiren, ohne von Versf\u00fc\u00dfen etwas zu wissen, wie die Volkspoesie und ihre Vortragsweise bezeugt. Die Ursache dieser relativen Entbehrlichkeit der Versf\u00fc\u00dfe f\u00fcr die Declamation liegt 1. darin, dass die Versfu\u00dfschemata den Rhythmus des Sprechens nur \u00e4u\u00dferst unvollkommen wiedergeben, 2. in der Eindeutigkeit, mit der die vom Dichter beabsichtigte Betonung aus den Worten und ihrem Zusammenhang erkannt werden kann. Es liegt das nat\u00fcrlich durchaus nicht blo\u00df an der festen Betonung der Worte (in der Prosarede), da diese ja gar nichts \u00fcber die Vertheilung der Hauptbetonung und der Nebenbetonungen in der logisch-rhythmischen Gruppe bestimmt, sondern an der Eindeutigkeit des Zusammenhanges, die uns die wichtigeren Vorstellungen sofort als solche kenntlich macht. Daneben bedarf es freilich bisweilen einer besonderen \u00e4sthetischen Interpretation des Y erses hinsichtlich des vom Dichter beabsichtigten rhythmischen Effectes. Wir k\u00f6nnen ein und denselben Vers in steigendem und fallendem Rhythmus lesen, etwa anap\u00e4stisch oder daktylisch. So in dem von Sievers gelegentlich angef\u00fchrten Beispiel: \u00bbEr fegte die Felder, zerbrach den Forst.\u00ab Und in Dahn\u2019s m\u00e4chtigen Versen: \u00bbNun brachen sie auf \u2014 von dem d\u00e4nischen Strand \u2014 und sie ruderten froh durch die Meeresfluth \u2014 die Segel geschwellt \u2014 von dem g\u00fcnstigen Wind \u2014 und die Drachen gewendet zur Heimath \u00ab u. s. w. bedarf es einer \u00e4sthetischen Interpretation der rhythmischen Gruppen, um zu erkennen, ob sie steigend oder fallend gedacht sind. In solchen F\u00e4llen w\u00fcrde die Angabe des construc-tiven Schemas der Verse (d. h. die Angabe der \u00bbVersf\u00fc\u00dfe\u00ab) eine \u00e4hnliche Bedeutung f\u00fcr den Declamirenden erlangen, wie die metrischen Symbole der Musik f\u00fcr den Spielenden.\nSo weit nun die metrischen Regeln der Poesie eine Summe technischer Regeln f\u00fcr den k\u00fcnstlichen Aufbau des Verses und des","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\n417\nGedichtes enthalten, liegen sie ebenso wenig im Bereiche der Aufgaben der psychologischen Forschung, wie die Taktlehre der Musik.\nSo weit sie, \u00e4hnlich wie die letztere, eine Analyse des rhythmischen Eindruckes voraussetzen, kann es unter Umst\u00e4nden eine secund\u00e4re Aufgabe des Psychologen sein, aus den Ergebnissen der eigenen Rhythmusanalyse Consequenzen f\u00fcr den Metriker zu ziehen.\n\u00a7 4.\nEs ist bezeichnend, dass manche unter den neueren Metrikern allein von der experimentellen Forschung eine Erledigung ihrer Streitfragen erwarten1). Diese hat jedenfalls in der experimentellen Untersuchung des Sprechenden einen sicheren Ausgangspunkt f\u00fcr rein messende Versuche. F\u00fcr den Psychologen werden dabei die Ergebnisse dieser Versuche ganz besonders wegen ihrer Analogie zu den Messungen der Bewegungen des aus\u00fcbenden Musikers Interesse haben. Allerdings kann die Aufgabe, die Untersuchung des Sprechenden experimentell in einwandfreier Weise einzuleiten, mit gro\u00dfen Schwierigkeiten von vornherein rechnen. F\u00fcr eine Besprechung der Technik und Methode dieser Versuche verweise ich auf die Discussion der Anf\u00e4nge zu experimenteller Behandlung des Rhythmus. Zu diesen gehe ich nunmehr \u00fcber.\nViertes Capitel.\nAnf\u00e4nge zu experimenteller Erforschung des Rhythmus.\n\u00a7 1.\nIch wende mich endlich noch zu einer Discussion der Ergebnisse der bisherigen experimentellen Arbeiten auf dem Gebiete des Rhythmus. Sie werden mich einerseits zur Erledigung einiger Einzelfragen f\u00fchren, andererseits werden sie mir Gelegenheit gehen, f\u00fcr die oben erw\u00e4hnten M\u00f6glichkeiten einer experimentellen Untersuchung des rhythmisch Sprechenden und des aus\u00fcbenden Musikers die experimentellen H\u00fclfsmittel nachzuweisen. Die hierher geh\u00f6rigen Untersuchungen lassen sich naturgem\u00e4\u00df ordnen als Experimente \u00fcber\n1) Sievers hat gegen die phonetische Verwendung derselben Bedenken erhoben. Vergl. dazu S. 421 d. A.","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418\nErnst Meumanu.\nmotorische Herstellung rhythmischer Verh\u00e4ltnisse und Versuche und Beobachtungen \u00fcber die Vorg\u00e4nge im rhythm us-percipirenden Subject.\nDie ersten hierher geh\u00f6rigen Versuche sind die Untersuchungen Br\u00fccke\u2019s \u00fcber Sprechtakte. Die theoretischen Ausf\u00fchrungen Br\u00fccke\u2019s, insbesondere seine bekannten beiden Gesetze (von der Congruenz der Dauer und des Accentes) kommen hier nicht in Betracht, wohl aber eine von den Metrikern viel benutzte Thatsache, die Br\u00fccke nach zwei Methoden experimentell best\u00e4tigt hat. Br\u00fccke\u2019s erste und einfachste Methode bestand darin, dass ein Beobachter gleichzeitig mit dem scandirenden Hersagen der Verse mit der Hand auf einem Zeitmarkirer \u00bbtaktirte\u00ab, der Zeitmarkirer regi-strirte die Schl\u00e4ge auf der Kymographiontrommel. In der zweiten, genaueren Methode wurde dem Beobachter ein Schreibhebel an der Unterlippe (bez. an den Z\u00e4hnen des Unterkiefers, bisweilen auch an der Oberlippe) befestigt, und er hatte einfache Laute wie \u00bbba\u00ab, \u00bbbam\u00ab, \u00bbpap\u00ab nach vorgeschriebenen Versschematen zu sprechen. Das allgemeinste Resultat dieser Messungen war dies, dass die Abst\u00e4nde der \u00bbArsen-Gipfel\u00ab, die man auf der Trommel abliest, \u00bbgenau geregelt\u00ab sind, indem die Gipfel der Curve bei einfachen Versma\u00dfen gleiche Abst\u00e4nde haben. Der Zwischenraum zwischen ihnen wird von dem Sprechenden so ausgef\u00fcllt, dass die unbetonten Silben, wenn sie zahlreicher und l\u00e4nger sind, thunlichst schneller und k\u00fcrzer gesprochen, wenn sie weniger zahlreich und einfacher sind, in die L\u00e4nge gezogen bez. durch Pausen erg\u00e4nzt werden.\nZur Kritik des Br\u00fccke\u2019schen Verfahrens muss ich bemerken, dass Br\u00fccke zun\u00e4chst den gro\u00dfen Fehler gemacht hat, nur scandir end sprechen zu lassen, womit \u00fcber die Frage, wie wir beim k\u00fcnstlerisch freien, declamatorischen Vortrag sprechen, insbesondere, wie wir dabei die rhythmischen Zeiten einhalten, gar nichts entschieden ist; denn bei dieser Sprechweise vermeiden wir mit dem strengen Scandiren zugleich die Taktgleichheit. Sodann war es eine zu gro\u00dfe Beschr\u00e4nkung des Versuchsstoffes, wenn die Messung nur an solchen schematischen Sprechsilben wie \u00bbbam\u00ab, \u00bbpap\u00ab ausgef\u00fchrt wurde, da es sehr fraglich bleibt, wie weit die verschiedene Rhyth-misirung, die durch die Unterschiede der phonetischen Sprechschwierigkeiten bedingt ist, f\u00fcr den Versrhythmus mit in Betracht","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"419\nUntersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\nkommt. Endlich sind die Br\u00fccke\u2019sehen Versuche auch technisch sehr unvollkommen. Die Kymographien standen damals noch auf einer sehr niedrigen Stufe ihrer Entwickelung, die Rotations-geschwindigkeit der Trommel ist, nach dem Anblick der Curve zu urtheilen, viel zu gering, als dass sich feinere Zeitunterschiede h\u00e4tten feststellen lassen. Meine eigenen Versuche haben mir endlich gezeigt, dass die feineren gesetzm\u00e4\u00dfigen Unterschiede in den rhythmischen Zeiten der Taktirbewegungen erst bei einer Messung hervortreten, die mindestens y60 Secunde mit Sicherheit abzulesen gestattet. Es geht das auch aus den Versuchsresultaten Br\u00fccke\u2019s selbst hervor, Br\u00fccke h\u00e4tte sonst wahrscheinlich bemerken m\u00fcssen, dass in den Arsengipfeln die Curve in der Weise der Abscisse parallel geht, dass den betonten Silben immer ein l\u00e4ngeres Parallelst\u00fcck entspricht.\nTrotz dieser M\u00e4ngel bleiben die Br\u00fccke\u2019schen Untersuchungen dauernd werthvoll, weil sie zum erstenmal die Anwendbarkeit des Experimentes auf rhythmische Fragen erprobt haben, und einfache Verbesserungen seines Versuchsverfahrens zu dem von ihm gew\u00fcnschten Ziele f\u00fchren k\u00f6nnen, zumal, wenn die von mir vorausgesagte Beziehung zwischen der Dauer der Bewegungshemmung und der Bewegungsst\u00e4rke auch f\u00fcr die Sprechbewegungen bestehen sollte. Es muss aber endlich aus den Br\u00fccke\u2019schen Versuchen gefolgert werden, dass beim scandirend\u00e8n Sprechen die allgemeine rhythmische Tendenz zur Wahrung der Taktgleichheit zum Ausdruck kommt. Es ist durchaus nicht selbstverst\u00e4ndlich, dass wir die Unterschiede im Bau der Versf\u00fc\u00dfe in der von Br\u00fccke gefundenen Weise ausgleichen. Es ist damit an dem primitiven Falle gezeigt, dass das rhythmische Sprechen sich auch seinerseits durchaus dem allgemeinen rhythmischen Princip der Einhaltung gleicher Zeitabschnitte in den Hauptmomenten des rhythmischen Ablaufs einreiht.\nBr\u00fccke\u2019s Versuche sind bisher die einzigen geblieben, in denen Sprechtakte im specifisch metrischen Interesse untersucht werden, die \u00fcbrigen Versuche, die von den Vertretern der Metrik erw\u00e4hnt zu werden pflegen, sind fast ausschlie\u00dflich zu rein phonetischen bez. laut-physiologischen Zwecken unternommen worden.\nHensen1) hat 1887 einen Apparat ver\u00f6ffentlicht, der vielleicht\n1) Hensen, Ueber die Schrift von Schallbewegungen. Zeitschr. f. Biologie.","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nErnst Menmann.\neinmal, mit wesentlichen Ab\u00e4nderungen, zur Messung von Sprechtakten verwendet werden kann (der sog. Hensen\u2019sche Sprachzeichner). Das Princip desselben gibt Hensen so an: \u00bbF\u00fcr das Studium der Sprache kommt es darauf an, die hervorgerufenen Bewegungen so zu sehen, wie sie etwa das Trommelfell von sich aus an das Labyrinth weitergibt, denn was uns fehlt, ist das Verst\u00e4ndniss daf\u00fcr, was unser Geh\u00f6r mit den durch den Mund hervor-gebrachten Bewegungen macht.\u00ab Der Sprachzeichner will nun m\u00f6glichst die Bewegungen des Trommelfells nachahmen. Er besteht daher aus einer ziemlich steifen trichterf\u00f6rmig aufgest\u00fclpten Membran von Goldschl\u00e4gerhaut, auf welcher ein Aluminium-Schreibhebel so befestigt ist, dass, wie es scheint, die Eigenschwingungen desselben fast ganz vermieden sind. Obgleich nun der Apparat zur Analyse der Laute sehr gut zu gebrauchen ist, so machen ihn doch zwei Eigenschaften f\u00fcr die rhythmisch-metrischen Zwecke fast unbrauchbar: 1) ist die Membran, wie Hensen selbst sagt, infolge der Festigkeit des Hebels sehr unempfindlich, \u00bbman muss die Sprachorgane sehr anstrengen, um Schrift zu erhalten\u00ab, 2) beseitigte Hensen diesen Uebelstand durch Anwendung eines h\u00f6lzernen Mundst\u00fcckes, in das hineingesprochen wurde. Sowohl in dem einen, wie in dem anderen Falle ist nun offenbar der Sprechende ganz unnat\u00fcrlichen Sprechbedingungen unterworfen, und das ist es gerade, was bei der Untersuchung des declamatorischen Yersrhythmus ganz und gar vermieden werden muss. Der Apparat kann aber brauchbar werden, wenn vielleicht durch Schalltrichter von geeigneter Gr\u00f6\u00dfe dem Sprechenden erm\u00f6glicht wird, ohne jede \u00e4u\u00dfere Zwangslage, frei zu declamiren*). H. Pipping hat seitdem einige Verbesserungen an dem Sprachzeichner ausgef\u00fchrt, die ihn vielleicht ganz f\u00fcr unsere Zwecke brauchbar machen. Vor Allem beseitigt er das Mundst\u00fcck, verbessert den Schreibhebel, und f\u00fchrt conisch geschliffene Diamanten als Schreibspitzen ein. Damit w\u00fcrde\nA. F. V. 1887. S. 291. Vergl. die Arbeiten von Wendeier u. Martens ebendaselbst.\n1) Vergl. die Einw\u00e4nde von Hermann gegen diesen Apparat und die Erwiderungen von Hugo Pipping. Pfl\u00fcger\u2019s Archiv. Bd. XLV u. XLVII und Zeitschr. f\u00fcr Biologie. N. F. IX. S. 1 ff. Die \u00fcbrige Litteratur stellt Pipping sehr vollst\u00e4ndig zusammen.","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\t421\nsich dann der Einwand von Sievers erledigen, der von diesem Forscher gegen die experimentelle Untersuchung des rhythmisch Sprechenden im allgemeinen erhoben worden ist. Sievers ist mit Hecht der Ansicht, dass Untersuchungen, die es einem Beobachter unm\u00f6glich machen, beim Experiment die nat\u00fcrlichen Sprechbedingungen einzuhalten, von sehr zweifelhaftem Werthe sind. Dieses Bedenken ist berechtigt, sofern es die Forderung aufstellt, dass jede Art von Zwangslage des Sprechenden vermieden werden muss. Dagegen zeigen die Erfahrungen heim psychologischen Experiment, dass der Beobachter sich sehr bald an experimentelle Veranstaltungen vollst\u00e4ndig gew\u00f6hnt \u2014 wir w\u00fcrden ja sonst nicht einmal imstande sein, eine normale Athem- und Pulscurve aufzunehmen.\nMan k\u00f6nnte sodann an eine Verwendung des Phonographen denken. Die phonographischen Versuche \u00fcber die Zusammensetzung derSprach-laute haben in den letzten Jahren eine sehr bedeutende Ausbildung erhalten. Aus der Arbeit von Boeke1) habe ich mich aber \u00fcberzeugt, dass die mikroskopischen Messungen der Phonographen-curven f\u00fcr meine Zwecke \u00fcberhaupt nicht verwendbar sind. Diese Ausmessungen sind ein so zeitraubendes Verfahren, dass sie f\u00fcr eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl von ausgedehnten Declamationen von Versen verschiedenen rhythmischen Charakters geradezu illusorisch werden. Dasselbe gilt von der phonophotographischen Methode Hermann\u2019s2). Da \u00fcbrigens auch die Curven des Hensen\u2019schen Sprachzeichners einer wenn auch einfacheren mikroskopischen Ablesung bed\u00fcrfen, so w\u00fcrde auch mit diesem Apparat nur ein sehr langsamer Fortgang der Untersuchungen zu erreichen sein. Ich erw\u00e4hne noch, dass Alfred Mayer ein Verfahren zur graphischen Aufnahme des Profils der Phonographencurven mittelst eines F\u00fchlhebels in Vorschlag gebracht hat.\nViel brauchbarer f\u00fcr die rhythmischen Zwecke w\u00e4re vielleicht der Phonautograph (Scott und K\u00f6nig), vorausgesetzt, dass es gel\u00e4nge, die Intensit\u00e4tsstufen der Laute durch ein geeignetes Verfahren besser, als bisher m\u00f6glich, sichtbar zu machen.\n1) Vergl. Boeke, Mikroskopische Phonogrammstudien. Bd. L. S. 297 ff.\n2) Vergl. Pfl\u00fcger\u2019s Archiv. Bd. XLVII. S. 347 ff.\nPfl\u00fcger\u2019s Archiv.","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nErnst Meumann.\nAusf\u00fchrliche Untersuchungen \u00fcber phonetische Fragen hat einer der Hauptvertreter der \u00bbExperimentalphonetik\u00ab, Ph. Wagner1), mit dem Gr\u00fctzner-Marey\u2019schen Apparat gemacht. Derselbe ist ein (von Albrecht in T\u00fcbingen hergestelltes) Kymographion, das eine Rotationsgeschwindigkeit \u00bbvon 5 \u20141200 mm pro Secunde besitzt (w\u00e4hrend die neueren Baltzar-Zimmermann\u2019schen Kymo-graphien bis \u00fcber 25 cm in der Secunde machen, also jedenfalls eine viel genauere Zeitmessung erm\u00f6glichen). Die Schreibvorrichtung ist ein von H\u00fcrthle verbesserter Marey\u2019scher Tambour mit glasirtem Strohhebel. Die Uebertragung des \u00bbLautstroms\u00ab geschieht durch Ansetzen eines Trichters an den Mund oder Einf\u00fchrung eines Schlauchs in die Nase des Sprechenden. Der Trichter ist \u00bbin seiner Gr\u00f6\u00dfe dem Munde des Sprechenden so angepasst, dass nicht viel von der Intensit\u00e4t des Lautstroms verloren geht\u00ab. Nach dieser Beschreibung kehrt an dem Gr\u00fctzner-Marey\u2019schen Apparat also ein Fehler der fr\u00fcheren Construction des Hensen\u2019schen Sprach-zeichners wieder. Es ist ganz unm\u00f6glich, eine freie rhythmische Declamation durchzuf\u00fchren, wenn man einen so ziemlich luftdicht anschlie\u00dfenden Trichter vor dem Munde hat. Au\u00dferdem aber zeigen die mitgetheilten Curven, dass nicht die nat\u00fcrlichen Betonungsverh\u00e4ltnisse, sondern die Energie des Exspirationsluftstromes den Schreibhebel in die H\u00f6he treibt, womit er f\u00fcr unsere Zwecke ganz unbrauchbar wird.\nEs bliebe endlich noch der vielgenannte Apparat des Abb\u00e9 Rousselot2) in Erw\u00e4gung zu ziehen. Es ist mir bisher nicht gelungen, die Abhandlungen Rousselot\u2019s zu erhalten. Nach den Berichten \u00fcber den Apparat Rousselot\u2019s zu schlie\u00dfen, arbeitet er mit einem System graphischer Hebel, die an verschiedenen Stellen des Mundes angesetzt werden. Wie weit der Apparat f\u00fcr die Untersuchung der freien Declamation brauchbar w\u00e4re, entzieht sich meiner Beurtheilung. Auch der Glossograph von Gentilli verwendet ein sehr sinnreich construirtes Hebelsystem, gibt aber, wie es scheint,\n1)\tWagner in Vietor\u2019s Phonetischen Studien. VI. |S. Iff.; ferner Reut-linger Realschulprogramm von 1889, S. 15ff. und 1891, S. 97ff.\n2)\tRousselot, vergl. Revue des patois Gallo-Romans. Paris 1891. p. 109; ferner: La m\u00e9thode graphique appliqu\u00e9e \u00e0 la recherche des transformations inconscientes du langage. Paris 1891.","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\t423\ngerade die Betonungsunterschiede nicht wieder1). Sonach w\u00fcrde (wenn ich von Rousselot\u2019s Apparat absehe) eine experimentelle Veranstaltung zur Untersuchung des freien rhythmischen Sprechens bisher noch nicht in befriedigender Weise hergestellt worden sein. Ich stelle hier kurz die Bedingungen zusammen, die eine solche erf\u00fcllen muss. Es muss 1) die v\u00f6llig freie Mundbewegung und Kopf-und K\u00f6rperhaltung f\u00dcT die Versuchsperson m\u00f6glich bleiben. Sodann m\u00fcssen 2) die Intensit\u00e4tsstufen und die Zeitverh\u00e4ltnisse eine graphische Aufnahme erfahren, die, nach der Analogie meiner Taktir-versuche zu schlie\u00dfen, wom\u00f6glich bis auf Yioo Secunde genaue Messung gestattet.\n\u00a7 2.\nUeber die rhythmischen Verh\u00e4ltnisse beim Anh\u00f6ren von einfachen Schalleindr\u00fccken sowie beim Sprechen sinnloser Silben besitzen wir eine Beihe sorgf\u00e4ltiger Beobachtungen, die bei Experimenten mehr zuf\u00e4llig und gelegentlich gemacht wurden, ohne dass man gerade darauf ausging, Rhythmusbeobachtungen zu machen. Sie sind in Folge dessen um so werthvoller, da sie jedenfalls durch keinerlei Voreingenommenheit beeinflusst werden konnten. Ebbinghaus2) machte die Beobachtung, dass beim Auswendiglernen sinnloser Silben, wenn die Silben laut gesprochen wurden, die ganz gleichm\u00e4\u00dfige Aussprache ohne Betonungsunterschiede fast unm\u00f6glich war. Er f\u00fchrte deshalb bei seinen Ged\u00e4chtnissversuchen ein taktm\u00e4\u00dfiges Sprechen ein.\nM\u00fcller und Schumann vermehrten die Beobachtungen von Ebbinghaus theils durch weitere 'gelegentliche Beobachtungen, theils durch systematische Versuche \u00fcber die Beziehungen des rhythmischen Sprechens zur Ged\u00e4chtnissth\u00e4tigkeit. In letzterer Hinsicht fanden sie haupts\u00e4chlich, dass zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Silben sich st\u00e4rker associiren, wenn sie Bestandtheile eines und desselben Taktes waren. Wurde k\u00fcnstlich alle Betonung unterdr\u00fcckt, so zeigte sich, selbst bei den ge\u00fcbtesten Personen, die Erlernung einer Reihe von Silben sehr erschwert.\nWichtiger sind f\u00fcr unsere Zwecke die gelegentlichen Beobach-\n1)\tAmadeo Gentilli, Der Glossograph. Leipzig, Weber, 1882.\n2)\tH. Ebbinghaus, Ueber das Ged\u00e4ehtniss. Leipzig 1885.","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424\nErnst Meumann.\nGingen der genannten Verfasser1). \u00bbDie Protocolle \u00fcber die fr\u00fcheren Versuche besagen, dass es bei langsamer Rotation der Trommel in seltenen F\u00e4llen zu gelingen scheine, die Silben ohne \u00e4u\u00dferliche Taktirung und auch ohne innerliche Zusammenfassung zu Takten zu erlernen. In der Regel aber schloss sich ein Theil oder auch die Gesammtheit der Silben innerlich paarweise aneinander an. Auch kam es vor, dass einige Silben der Reihe rein mechanisch hergesagt wurden, wobei dann nat\u00fcrlich ein Bewusstsein des Gepaartseins der Silben fehlte. Bei den sp\u00e4teren Versuchen erschien es uns, als ob sich die Silben innerlich stets paarweise aneinanderschl\u00f6ssen. Zuweilen war die innerliche Zusammensetzung der Silben auch \u00e4u\u00dferlich von einer f\u00fcr den Versuchsleiter bemerkbaren, schwachen Taktirung der ausgesprochenen Silben begleitet\u00ab2). Ganz besonders kommt f\u00fcr meine Zwecke in Betracht, dass nicht nur \u00fcberhaupt irgend eine Betonung stattfand, sondern dass diese Betonung allm\u00e4hlich eine constantere wurde, dass sich mehr oder weniger bei allen Versuchspersonen eine bestimmte und zwar dieselbe rhythmische Doppelreihe ausbildete, indem die 12 Silben in 2 H\u00e4lften zu je 6 Gliedern zerlegt wurden, innerhalb welcher H\u00e4lften in der Regel die erste und f\u00fcnfte Silbe die Hauptbetonung erhielten, w\u00e4hrend 3 und 9 niemals betont wurden (Schema: 123456 \u2014 12345 6).\nEs handelt sich hier also um Beobachtungen \u00fcber unwillk\u00fcrliche, motorische Rhythmusbildung, die besonders darum lehrreich sind, weil sie einen Einblick in die Ursachen zu gew\u00e4hren scheinen, welche das\u2019ganze Ph\u00e4nomen veranlasSten. Es scheint in dieser Hinsicht folgendes in Betracht zu kommen. Wurden die Silben einmal \u00bbrein mechanisch hergesagt\u00ab, so fand keine Rhyth-misirung statt. Es handelt sich ferner hier nicht um ein taktm\u00e4\u00dfiges Sprechen als solches, sondern die Rhythmusbildung trat ein, w\u00e4hrend mittelst des lauten Sprechens eine intellectuelle Arbeit verrichtet werden sollte : das Auswendiglernen der Silben ; beachtet man nun ferner, dass die Verfasser fanden, dass die Aufmerksam-\n1)\tM\u00fcller u. Schumann, Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Untersuchung des Ged\u00e4chtnisses. Zeitschr. f. Psychol, und Physiol, d. Sinnesorg. Bd. VI. 1893.\n2)\tBest\u00e4tigt wurden diese Beobachtungen durch Mittheilungen von A. Binet, Rev. Philos. 35. 1893. S. 110, und H. Gossen, Arch. f. Psychiatrie, 25. 1893. S. 85. Citirt bei M\u00fcller u. Schumann.","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"425\nUntersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\nkeit der Versuchspersonen w\u00e4hrend jeder Versuchsreihe eigenth\u00fcm-liche Schwankungen zeigte, dass im Laufe der Versuche die Rhythmusbildung ganz allm\u00e4hlich zu dem bestimmten Schema 1 2 3 4 5 6 :| \u00fcberging, so liegt wohl die Erkl\u00e4rung sehr nahe, dass die Akte der Betonung secund\u00e4re Folgeerscheinungen der ungleichm\u00e4\u00dfigen Ver-theilung der Aufmerksamkeitsenergie \u00fcber die Silbenreihe sind, und dass sich bei allen Beobachtungen constante Gew\u00f6hnungen in der Art der Vertheilung der Aufmerksamkeitsenergie w\u00e4hrend der Reihe ausbildeten, die in der allm\u00e4hlichen Ausbildung eines con-stanten Rhythmus ihren Ausdruck fanden. Die Betonung ist augenscheinlich dabei eine Aus drucks be wegung des gr\u00f6\u00dferen Aufwandes von Aufmerksamkeitsenergie.\nIn mancher Beziehung ber\u00fchrt sich mit den Beobachtungen von M\u00fcller und Schumann die \u00e4ltere Arbeit von G. Dietze: \u00bbUntersuchungen \u00fcber den Umfang des Bewusstseins bei regelm\u00e4\u00dfig aufeinander folgenden Schalleindr\u00fccken\u00ab1). Dietze beobachtete, dass sich bei dem Versuch, einfache Schalleindr\u00fccke des Metronoms in gr\u00f6\u00dferer Zahl zusammenzufassen, um sie mit einer anderen Gruppe von Schalleindr\u00fccken zu vergleichen, eine unwillk\u00fcrliche Rhythmi-sirung der Schalleindr\u00fccke ausbildete (S. 372 ff.), von der sich kein Beobachter-v\u00f6llig frei machen konnte (S. 392). Diese Rhythmusbildung bestand darin, dass 1. die isolirten Schalleindr\u00fccke zu Gruppen zusammengefasst wurden, dass 2. die Schalleindr\u00fccke scheinbare Betonungsunterschiede annahmen. Die Betonungsunterschiede bringt Dietze in directen Zusammenhang mit der Vertheilung unserer Aufmerksamkeitsenergie: \u00bbDie erste Vorstellung einer jeden Gruppe wird mit gr\u00f6\u00dferer Energie appercipirt als die \u00fcbrigen zur Gruppe verbundenen Vorstellungen, aber auch innerhalb der letzteren ist die Energie der Apperception eine verschiedene und abh\u00e4ngig von der Art der beobachteten Gruppen-eintheilung\u00ab. Ausdr\u00fccklich wird von Dietze bemerkt, dass diese verschiedene Energievertheilung in verschiedener Hebung und\n1) \"Wundt, Phil. Stud. II, S. 362ff. Die Versuche Dietze\u2019s sind wegen der Ungleichheit der Metronomschl\u00e4ge f\u00fcr das Ma\u00df des Zwanges zur Rhythmi-sirung nicht ganz ma\u00dfgebend. Doch wird die Unwillk\u00fcrlichkeit der Rhythmi-sirung bei qualitativ-intensiv gleichen Schalleindr\u00fccken durch die mehrfach erw\u00e4hnte Arbeit von Bolton best\u00e4tigt.\nWundt, Philos. Studien. X.\n28","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426\nlirnst Meumann.\nSenkung der einzelnen Taktschl\u00e4ge unmittelbar subjectiv wahrzu-nehmen ist. Aehnlich wie bei M\u00fcller und Schumann war ferner die aus den Schalleindr\u00fccken herausgeh\u00d6Tte Taktart die troch\u00e4ische.\nEs ist sodann sehr bemerkenswerth, dass die f\u00fcr die Rhythmuswahrnehmung g\u00fcnstigsten Geschwindigkeiten in der Aufeinanderfolge der Schalleindr\u00fccke gleich 0,3 und 0,2 s waren, das sind aber zugleich die f\u00fcr die Zeitsch\u00e4tzung (bei hinreichender Uebung) g\u00fcnstigsten Intervalle. Dagegen h\u00f6rte hei 4,25 s die rhythmische Zusammenfassung der Eindr\u00fccke bei allen Beobachtern auf. Endlich ist f\u00fcr das Verst\u00e4ndniss der rhythmischen Erscheinungen sehr wichtig, dass hei den Dietze\u2019schen Versuchen sich zeigte, wie gewaltig unsere F\u00e4higkeit, eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl von Schalleindr\u00fccken subjectiv zusammenzufassen, durch die rhythmische Ordnung der Schalleindr\u00fccke gesteigert wird. In dieser Hinsicht fordern seine Experimente dringend zu einer Erweiterung und Vervollst\u00e4ndigung auf, und es wird insbesondere festzustellen sein, oh bei gleichzeitiger Anwendung von T\u00f6nen, die zu leicht verst\u00e4ndlichen Motiven zusammengestellt sein k\u00f6nnten, diese F\u00e4higkeit vermehrt oder vermindert wird.\nErst ganz neuerdings hat die mehrfach erw\u00e4hnte Arbeit von Bolton das Studium des Rhythmus zum speciellen Gegenst\u00e4nde experimenteller Untersuchung gemacht1).\nBolton\u2019s Hauptverdienst sehe ich darin, dass er die subjective Rhythmisirung von Schalleindr\u00fccken und T\u00f6nen einer genaueren Untersuchung unterworfen hat. Damit ist im allgemeinen die Thatsache constatirt, dass der subjective Eindruck wegen der best\u00e4ndigen rein subjectiven Rhythmisirung durchaus nicht ohne weiteres aus den ohjectiven Rhythmusursachen abgeleitet werden kann. Die psychologisch wichtigsten Ergebnisse der Arbeit m\u00f6chte ich sodann unter folgende Gesichtspunkte bringen. Als Bedingungen der subjectiven Rhythmisirung ergaben sich f\u00fcr Bolton 1. Gleichheit der Zeiten. 2. V\u00f6llige Gleichheit der Schalleindr\u00fccke. 3. Richtung der Aufmerksamkeit des Beobachters auf\n1) Die Arbeit Bolton\u2019s wurde mir erst bekannt, w\u00e4hrend ich den vorliegenden Aufsatz f\u00fcr den Druck vorbereitete. Da ich den gr\u00f6\u00dften Theil der Versuche Bolton\u2019s selbst vorher gemacht hatte, meist mit demselben Ergebnis?, so beziehe ich mich im Vorausgehenden in erster Linie immer auf meine eigenen Beobachtungen auch da, wo Bolton die gleichen ver\u00f6ffentlicht hat.","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\n427\ndie Reihe als Ganzes. 4. Bei willk\u00fcrlicher Rhythmisiriftig : con-centrirte Vorstellung eines bestimmten Rhythmus, die bei einigen Beobachtern durch Bewegungen, \u00bbZ\u00e4hlen\u00ab, oder auch nur durch Zu-h\u00fclfenahme bestimmter Associationen, wie die Vorstellung einer Pendelbewegung, unterst\u00fctzt werden musste. 5. Die Geschwindigkeit der Aufeinanderfolge der Eindr\u00fccke darf nicht unter 0,1, nicht \u00fcber 1,5 Secunden gehen.\nAls Elemente der Rhythmus Vorstellungen findet Bolton: 1. Das Gruppiren der Eindr\u00fccke. Eine innere Zusammenfassung einer bestimmten Zahl von Eindr\u00fccken zu einem Ganzen leitet gew\u00f6hnlich die Rhythmisirung ein. 2. Eine Subordination der Betonungsstufen. 3. Eine subjective, oft sehr betr\u00e4chtliche Intensit\u00e4tssteigerung. 4. Eine der subjectiven Gruppirung vielfach entsprechende Ver\u00e4nderung der zeitlichen Verh\u00e4ltnisse. 5. Gewisse nicht ganz constante Beziehungen zwischen der scheinbaren Intensit\u00e4t der Eindr\u00fccke und ihrer Zeitdauer einerseits, und der L\u00e4nge des voraufgehenden oder nachfolgenden Intervalls andererseits. Au\u00dfer vielen interessanten Einzelbeobachtungen, die hier aufzuz\u00e4hlen nicht am Platze ist, erw\u00e4hne ich die schon oben ber\u00fchrte Feststellung, dass die wohlgef\u00e4lligsten rhythmischen Gruppen bei den verschiedenen Geschwindigkeiten der Succession immer ann\u00e4hernd dieselbe durchschnittliche L\u00e4nge aufwiesen. Multiplicirte er die durchschnittliche Geschwindigkeit (Intervalll\u00e4nge), hei der eine bestimmte Gruppirung bevorzugt wurde, mit der Zahl der Schalleindr\u00fccke, die zu einer Gruppe zusammengefasst wurde, so ergab sich im Durchschnitt immer etwas mehr als eine Secunde Gruppenl\u00e4nge. Der Verfasser ist der Ansicht, dass damit eine nat\u00fcrliche Aufmerksamkeitsperiode (f\u00fcr bestimmte Bedingungen) gemessen sei, \u00bbeine spontane Anstrengung der Aufmerksamkeit, oder mit Wundt zu reden, eine Welle der Apperception dauert ungef\u00e4hr l Secunde oder mehr\u00ab (a. a. O. S.. 214 und 216).\nDie Hypothese, die Bolton \u00fcber die Ursachen der Rhythmuswahrnehmung aufstellt, dass die motorischen Erscheinungen die \u00bbBedingungen\u00ab der rhythmischen Ordnung unserer Empfindungen seier^ kann ich \u00fcbergehen, ebenso seine ganz unberechtigte Ueber-tragung der Bedingungen der Rhythmisirung einfacher Schalleindr\u00fccke auf den gesprochenen Vers (a. a. O. S. 227; vergl. dazu oben S. 397 und 401).\n28*","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\nSchlussbemerkungen.\nUeberblicken wir zum Schluss das durchwanderte Gebiet, so l\u00e4sst sich nicht leugnen, dass ein ansehnliches Material zu einer allgemeinen Hypothese des Rhythmus von den bisherigen Forschungen angeh\u00e4uft worden ist.\nDennoch halte ich eine Hypothese zur Erkl\u00e4rung der rhythmischen Thatsachen so lange f\u00fcr unangebracht, bis die wesentlichsten Ergebnisse der theoretischen Forschung und Selbstbeobachtung experimentelle Beglaubigung und objective Controlen erfahren haben. Nur Bausteine zu einer Hypothese konnte die bisherige Er\u00f6rterung geben durch Scheidung der Forschungsgegenst\u00e4nde und Aussonderung geeigneter Fragestellungen und Methoden zu ihrer Beantwortung.\nEine solche Hypothese w\u00fcrde ausgehen m\u00fcssen von der Gegen\u00fcberstellung der beiden gro\u00dfen Gebiete rhythmischer Thatsachen, dem sensorischen und dem motorisch-rhythmischen Gebiet. In dem ersteren w\u00fcrde die Ausgangsfrage lauten: Was ist das Besondere, das zur Succession unserer Empfindungen hinzukommen muss, damit sie f\u00fcr uns zu einer Summe specifisch rhythmischer Erlebnisse werden? Unter welchen objectiven und subjectiven Bedingungen tritt dies Plus zur Succession der Empfindungen hinzu? Damit w\u00fcrde der allgemeine, in allen Einzelgebieten des Rhythmus wiederkehrende Thatbestand gegeben sein. Dem gegen\u00fcber w\u00fcrde sodann die weitere Aufgabe der Analyse sein, das Eigent\u00fcmliche der einzelnen sensorisch-rhythmischen Gebiete festzustellen und dies wom\u00f6glich aus einem Princip zu begreifen, wie wir es oben versuchten aus dem Rhythmizomenon und dem durch dessen Besonderheiten bedingten Verhalten des rhythmuspercipirenden Subjectes. Dieser rein analytischen hat eine synthetische Betrachtung zu folgen, in der die rhythmischen Formen aufzusuchen sind, zu denen in den einzelnen rhythmischen Gebieten die Elemente sich zusammen-setzen.\nHiermit ist zugleich der Ausgangspunkt f\u00fcr die \u00e4sthetische Forschung gegeben. Man hat sich bisher in der experimentellen Aesthetik zu sehr begn\u00fcgt, wohlgef\u00e4llige Formen zu finden \u2014 das kann nur die eine Seite der \u00e4sthetischen Untersuchung sein \u2014 da-","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\t429\ngegen ist die Frage vernachl\u00e4ssigt worden: warum sind diese Formen, Proportionen, Farbencombinationen u. s. w. gerade die wohlgef\u00e4lligen? F\u00fcr die Beantwortung dieser letzteren Frage gibt gerade die Psychologie des Rhythmus einen zweifachen Fingerzeig, indem sie 1) auffordert, die sinnlichen Lust- und Unlustwirkungen des Rhythmus mehr als bisher \u00fcblich ins Auge zu fassen und als mitbestimmend zu begreifen f\u00fcr das, was wir \u00e4sthetische Wirkung nennen, in die h\u00f6chst wahrscheinlich immer sinnliche Gef\u00fchle eingehen; indem sie 2) einen Hinweis darauf gab (Herbart, Lotze, Wundt), dass der Reproductionsmechanismus als solcher, der bei der Auffassung der rhythmischen Processe ins Spiel tritt, insbesondere die Erwartung (innere Vorwegnahme der folgenden rhythmischen Succession) und die verschiedenen Arten ihrer Befriedigung und Nichtbefriedigung, die Reproduction fr\u00fcherer rhythmischer Formen,, das Wiedererkennen derselben bei vollst\u00e4ndiger oder nur partieller Wiederholung (bez. partieller Modification) \u2014 die Unterlage der Gef\u00fchlswirkung des Rhythmus bildet.\nDie allgemeine psychische Tl/atsache endlich, auf die das sensorisch-rhythmische Gebiet als Erkl\u00e4rungsgrund hinweist, sind gewisse Aufmerksamkeitsverh\u00e4ltnisse, Spannungsperioden, der wechselnde Umfang derselben; es wird sich besonders darum handeln, f\u00fcr diesen Begriff der Aufmerksamkeit, der bisher nichts ist als ein Sammelname, eine sichere physiologische Basis zu finden. Es scheint, wie wenn in den Thatsachen des centralen Energiewechsels bei successiver Wahrnehmung, der centralen Adaptation und des Automatismus hierf\u00fcr ein Anhaltspunkt gegeben sei. Wegen der innigen Beziehung der Aufmerksamkeitsthatsachen zu den Bedingungen unserer Perception \u00fcberhaupt liegt der Gedanke nahe, dass in den Bedingungen der Perception succedirender Eindr\u00fccke \u00fcberhaupt, wenn die Succession sich mit einer gewissen Geschwindigkeit vollzieht, der allgemeine psychologische Tliatbestand gegeben ist, auf den in letzter Linie die Rhythmusperception zu reduciren w\u00e4re.\nDie motorische Rhythmusbildung wies ihrerseits auf eine Anzahl Innervationsthatsachen, auf die Adaptation unserer motorischen Centren an einen bestimmten Wechsel der Impulse nach Zeiten und St\u00e4rkeabstufungen hin. Der Rhythmus der Bewegungen erschien","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430 Ernst Meumann. Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus.\nuns als eine Veranstaltung zur Beschleunigung dieser Adaptation und ihres h\u00f6chsten Grades, des automatischen Ablaufs eines Bewegungswechsels.\nEine Verbindung zwischen diesen beiden Thatsachengebieten, dem der sensorischen und motorischen Rhythmusbildung zu suchen, wird eine Hauptaufgabe der zuk\u00fcnftigen Forschung sein.\nWie stehen zu dieser Fragestellung die bisher aufgefundenen Mittel und Wege der Forschung?\nF\u00fcr beide rhythmische Gebiete scheint die Untersuchung der motorisch-rhythmischen Thatsachen, als graphische Aufnahme der Bewegungen des Taktirenden (Spielenden) und rhythmisch Sprechenden wegen ihrer Zug\u00e4nglichkeit f\u00fcr exacte Messungen den Ausgangspunkt bilden zu m\u00fcssen.\nWir sahen aber, wie dem gegen\u00fcber die Erg\u00e4nzung der Ergebnisse solcher Messungen durch die directe Aussage des rhyth-muspercipirenden Subjectes unerl\u00e4sslich ist, insbesondere wegen der \u00fcberall hervortretenden Incongruenz des subjectiven Eindrucks mit dem, was sich nach der Kenntniss der Ursachen erwarten lie\u00df.\nDa diese haupts\u00e4chlich durch die immerfort th\u00e4tige subjective Rhythmisirung herbeigef\u00fchrt wird, so ist die Untersuchung dieses Ph\u00e4nomens der nothwendige Ausgangspunkt f\u00fcr die Erforschung des sensorisch-rhythmischen Gebietes.\nIch habe endlich darauf hingewiesen, wie die schrittweise eingef\u00fchrte Complication der Versuchsbedingungen hier ein einfaches Untersuchungsverfahren angibt.\n(Fortsetzung folgt.)","page":430}],"identifier":"lit4218","issued":"1894","language":"de","pages":"393-430","startpages":"393","title":"Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus, Fortsetzung","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:29:28.003232+00:00"}