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{"created":"2022-01-31T14:29:01.040793+00:00","id":"lit4234","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Lipps, Gottlieb Friedrich","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 9: 358-383","fulltext":[{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik.\nVon\nGottl. Friedr. Lipps.\n(Fortsetzung.)\nII.\nDie Thatsachen, welche der Mathematik za Grunde liegen.\n\u00a7 1-\nDa das Denken nicht aus sich selbst die Gegenst\u00e4nde, die es bearbeitet, erzeugen kann, so ist klar, dass jeder wissenschaftlichen Untersuchung ein Gegebenes zu Grunde liegen und die Constatirung desselben ihren Ausgangspunkt bilden muss. Auch leuchtet ein, dass durch die Natur der beabsichtigten Untersuchung zugleich bestimmt wird, woran anzukn\u00fcpfen und was somit als gegeben anzunehmen sei.\nSo wird hei einer Reihe von einzelnen, logisch zusammenh\u00e4ngenden Problemen die L\u00f6sung des einen Problems die L\u00f6sung des vorhergehenden voraussetzen, um seihst wieder zur L\u00f6sung des folgenden den Boden zu bereiten. In einem solchen Falle wird somit f\u00fcr ein einzelnes Problem das als gegeben angenommen werden, was aus der L\u00f6sung eines anderen Problems resultirt. Jede zusammenh\u00e4ngende Reihe von geometrischen Lehrs\u00e4tzen bietet hierf\u00fcr ein Beispiel.\nIn \u00e4hnlicher Weise ist ein Zusammenhang zwischen verschiedenen Einzelwissenschaften m\u00f6glich, so dass die Voraussetzungen, auf denen die eine beruht, durch die von der anderen zu Tage gef\u00f6rderte Einsicht Halt und Begr\u00fcndung finden. Beispielsweise","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"361\nUntersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik. II.\nLeibniz findet im Gegensatz zu Locke und dessen Nachfolgern in den durch die Sinne vermittelten Empfindungen keinen geeigneten Ausgangspunkt; denn die Empfindungen sind verworren. Von einfachsten Verstandesbegriffen soll dagegen ausgegangen, mit dem Widerspruchslosen soll begonnen werden. Dieser Forderung entsprechend tr\u00e4gt sich Leibniz mit dem Idealbild einer wissenschaftlichen Methode, einer scientia generalis. Er vermisst darum1) \u00bbeine wahrhaft philosophische Schrift, in der die Begriffe auf ein gewisses Alphabet der menschlichen Gedanken zur\u00fcckgef\u00fchrt w\u00e4ren; w\u00e4re dies, so k\u00f6nnte alles, was wir aus Gegebenem durch Verstand erreichen, gefunden werden durch eine Art von Rechnung, gerade so wie die arithmetischen und geometrischen Aufgaben gel\u00f6st werden^ In \u00e4u\u00dferer Uebereinstimmung damit stellt die Metaphysik Wolf\u2019s \u00abnd seiner Schule den Begriff des M\u00f6glichen und den Satz der Identit\u00e4t an die Spitze und steigt mit Hilfe des \u00bb complementum pos-sibilitatistf zum Begriff des Wirklichen herab, um nun unsere Erkenntnis durch ein Gewebe von logisch zusammenh\u00e4ngenden Begriffen darzustellen. Darin h\u00e4tte nun Leihniz kaum sein Ideal verwirklicht gefunden; denn er wollte nur die mathematische Methode auf das Gebiet der Philosophie \u00fcbertragen und dachte wohl nicht daran, die lebensvolle Wirklichkeit durch einen Begriff zu ersch\u00f6pfen. Gest\u00fctzt auf die unangefochtene Sicherheit der mathematischen Gedankenarbeit scheint ihm die Hervorhebung des Gegebenen unwesentlich erschienen zu sein und um so wesentlicher die Betonung des Gedankenverlaufs in seinem Fortschreiten vom logisch Einfachen zum logisch Zusammengesetzten.\nIm Wesen der kritischen Philosophie, die Kant begr\u00fcndete, hegt es, dass auch das gegebene Object des Denkens seine Ber\u00fccksichtigung findet; zugleich bewahrt die kritische Pr\u00fcfung der Quellen und Grenzen des Erkennens davor, das Gegebene mit metaphysischen ' oraussetzungen zu vermengen, m\u00f6gen dieselben in einer popul\u00e4ren Leurtheilung des Gegebenen wie bei Locke oder in der Weltbetrachtung eines consequenten Idealismus wie bei Berkeley ihre Veranlassung finden.. Kant scheidet das Erkenntnisverm\u00f6gen in\nTT -.J' vT-' aUS J' Baumann> Die Lehren von Raum, Zeit und Mathematik,","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nGotti. Friedr. Lipps.\nWahrheiten, die als \u00bbcommunes notiones\u00ab ewige Wahrheiten sind, an die man blo\u00df erinnert werden muss, um zu glauben, man habe sie immer gewusst. Sie sind darum angeboren und in ihnen besteht f\u00fcr Descartes das Gegebene, mit dessen Aufsuchen der Anfang zur Wissenschaft gemacht wird.\nLocke bestreitet das Vorhandensein angeborener Ideen, da er keine in sich vorfindet. Er vergleicht den Verstand einem unbeschriebenen Blatt Papier, dass durch das Empfangen von Eindr\u00fccken beschrieben wird. Dabei unterscheidet er \u00e4u\u00dferen und inneren Sinn. Der \u00e4u\u00dfere Sinn, durch den wir die Gegenst\u00e4nde der Au\u00dfenwelt erfassen, gibt die Ideen der Sensation; der innere Sinn, durch den wir die Vorg\u00e4nge in uns selbst erfassen, gibt die Ideen der Ee-ftexion. Beide Arten von Ideen setzen sich aus einfachen Ideen [z. B. Farbe, Ausdehnung, Denken, Wollen, Kraft) zusammen, die nun im Sinne Locke\u2019s das eigentlich Gegebene sind, da sich jede Erkenntniss auf dieselbe gr\u00fcndet. Jedoch ist auch die Au\u00dfenwelt und das Ich in popul\u00e4rer Auffassungsweise f\u00fcr Locke gegeben und damit die Scheidung in Ideen der Sensation und Reflexion.\nVon Berkeley werden die Ideen der Sensation gleich denen der Reflexion als Zust\u00e4nde des Geistes aufgefasst. Er sagt1): \u00bbJedem, der einen Blick auf die Gegenst\u00e4nde der menschlichen Erkenntniss wirft, leuchtet ein, dass dieselben theils den Sinnen gegenw\u00e4rtig eingepr\u00e4gte Ideen sind, theils Ideen, welche durch ein Aufmerken auf das, was die Seele leidet und thut, gewonnen werden, theils endlich Ideen, welche mittelst des Ged\u00e4chtnisses und der Einbildungskraft durch Zusammensetzung, Theilung oder einfache Vergegenw\u00e4rtigung der urspr\u00fcnglich in einer der beiden vorhin angegebenen Weisen empfangenen Ideen gebildet werden\u00ab. Dem muss aber hinzugef\u00fcgt werden, dass diese Ideen nicht unbefangen als Erlebnisse aufgefasst werden, sondern dass sie als blo\u00dfe Zust\u00e4nde des Geistes die Annahme des Ichs als eines realen geistigen Wesens und die Bestreitung der Au\u00dfenwelt, deren angebliche Gegenst\u00e4nde nur constante, allen wahrnehmenden Geistern zugleich gegenw\u00e4rtige Ideen seien, voraussetzen.\n1) A treatise concerning the principles of human knowledge; \u00fcbersetzt von Ueberweg. S. 21.","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik. II.\n361\nLeibniz findet im Gegensatz zu Locke und dessen Nachfolgern in den durch die Sinne vermittelten Empfindungen keinen geeigneten Ausgangspunkt; denn die Empfindungen sind verworren. Von einfachsten Verstandesbegriffen soll dagegen ausgegangen, mit dem Widerspruchslosen soll begonnen werden. Dieser Forderung entsprechend tr\u00e4gt sich Leibniz mit dem Idealbild einer wissenschaftlichen Methode, einer scientia generalis. Er vermisst darum1) \u00bbeine wahrhaft philosophische Schrift, in der die Begriffe auf ein gewisses Alphabet der menschlichen Gedanken zur\u00fcckgef\u00fchrt w\u00e4ren ; w\u00e4re dies, so k\u00f6nnte alles, was wir aus Gegebenem durch Verstand erreichen, gefunden werden durch eine Art von Rechnung, gerade so wie die arithmetischen und geometrischen Aufgaben gel\u00f6st werden\u00ab, ln \u00e4u\u00dferer Uebereinstimmung damit stellt die Metaphysik Wolf\u2019s und seiner Schule den Begriff des M\u00f6glichen und den Satz der Identit\u00e4t an die Spitze und steigt mit Hilfe des \u00bb complementum pos-sibilitatis\u00ab zum Begriff des Wirklichen herab, um nun unsere Er-kenntniss durch ein Gewebe von logisch zusammenh\u00e4ngenden Begriffen darzustellen. Darin h\u00e4tte nun Leibniz kaum sein Ideal verwirklicht gefunden; denn er wollte nur die mathematische Methode auf das Gebiet der Philosophie \u00fcbertragen und dachte wohl nicht daran, die lebensvolle Wirklichkeit durch einen Begriff zu ersch\u00f6pfen. Gest\u00fctzt auf die unangefochtene Sicherheit der mathematischen Gedankenarbeit scheint ihm die Hervorhebung des Gegebenen unwesentlich erschienen zu sein und um so wesentlicher die Betonung des Gedankenverlaufs in seinem Fortschreiten vom logisch Einfachen zum logisch Zusammengesetzten.\nIm Wesen der kritischen Philosophie, die Kant begr\u00fcndete, hegt es, dass auch das gegebene Object des Denkens seine Ber\u00fccksichtigung findet ; zugleich bewahrt die kritische Pr\u00fcfung der Quellen und Grenzen des Erkennens davor, das Gegebene mit metaphysischen Voraussetzungen zu vermengen, m\u00f6gen dieselben in einer popul\u00e4ren Beurtheilung des Gegebenen wie bei Locke oder in der Weltbetrachtung eines consequenten Idealismus wie bei Berkeley ihre Veranlassung finden.- Kant scheidet das Erkenntnissverm\u00f6gen in\nlj Citirt aus J. Baumann, Die Lehren von Raum, Zeit und Mathematik. II- Bd. S. 57.","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nGotti. Friedr. Lipps.\nSinnlichkeit und Verstand. Die auf Gegenst\u00e4nde unmittelbar sich beziehende Erkenntnis ist die Anschauung; sie wird durch die Sinnlichkeit vermittelt und tritt dann ein, wenn ein Gegenstand das Gem\u00fcth afficirt. \u00bbVermittelst der Sinnlichkeit also werden uns Gegenst\u00e4nde gegeben, und sie allein liefert uns Anschauungen, durch den Verstand aber werden sie gedacht, und von ihm entspringen Begriffe. Alles Denken aber muss sich, es sei geradezu (directe) oder im Umschweife (indirecte), zuletzt auf Anschauungen, mithin, bei uns, auf Sinnlichkeit beziehen, weil uns auf andere Weise kein Gegenstand gegeben werden kann\u00ab1). Die Wirkung eines uns afficirenden Gegenstandes auf das Verm\u00f6gen der Sinnlichkeit ruft eine Empfindung und dadurch eine empirische Anschauung hervor; der Gegenstand selbst hei\u00dft Erscheinung. \u00bbIn der Erscheinung\u00ab, f\u00e4hrt Kant fort, \u00bbnenne ich das, was der Empfindung correspondit, die Materie derselben, dasjenige aber, welches macht, dass das Mannigfaltige der Erscheinung in gewissen Verh\u00e4ltnissen geordnet angeschauet wird, nenne ich die Form der Erscheinung. Da das, worinnen sich die Empfindungen allein ordnen und in gewisse Form gestellt werden k\u00f6nnen, nicht selbst wiederum Empfindung sein kann, so ist uns zwar die Materie aller Erscheinung nur a posteriori gegeben, die Form derselben aber muss zu ihnen insgesammt im Gemiithe a priori bereit liegen, und daher abgesondert von aller Empfindung k\u00f6nnen betrachtet werden.\u00ab Es gibt nun zwei Anschauungsformen, Raum und Zeit, von denen die erstere durch den \u00e4u\u00dferen Sinn (\u00bbeine Eigenschaft unseres Ge-m\u00fcths\u00ab), die letztere durch den inneren Sinn (\u00bbvermittelst dessen das Gem\u00fcth sich selbst oder seinen inneren Zustand anschauet\u00ab) vermittelt wird. Im Sinne Kant\u2019s ist somit das Gegebene gespalten in die a posteriori gegebene Materie der Erscheinung und in die a priori vorhandenen Anschauungsformen des Raumes und der Zeit, welch letztere in den subjectiven Bedingungen unseres Anschauens begr\u00fcndet sind und als unendliche gegebene Gr\u00f6\u00dfen unsere Erfahrung umspannen.\nHerbart unterzieht diese Scheidung des Gegebenen in Materie\n1) Kritik der reinen Vernunft; die transcendentale Aesthetik; Ausgabe von Kehrbach. S. 48, 49.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik. II.\n363\nund Form bei Gelegenheit der Feststellung des Gegebenen1) einer eingehenden Pr\u00fcfung. Er findet das Gegebene zun\u00e4chst in den \u00abDingen mit mehreren und ver\u00e4nderlichen Merkmalen\u00ab und bemerkt sodann: die Materie des Gegebenen, die Empfindung, k\u00f6nne nicht Gegenstand des Zweifels sein, eben weil sie das unmittelbar Gegebene sei; dagegen die Form des Gegebenen k\u00f6nne, wenigstens vor\u00fcbergehend, zu Zweifeln Anlass geben; diese Zweifel verm\u00f6ge man zwar nicht aufrecht zu erhalten, da die Formen thats\u00e4chlich, \u00bbobgleich nur als Bestimmungen der Art, wie die Empfindungen sich verkn\u00fcpfen\u00ab, gegeben und untrennbar mit den Empfindungen selbst verbunden seien; die Aufkl\u00e4rung der Zweifel fordere aber eine psychologische Untersuchung, \u00bbwelche nachweisen muss, wie die Formen der Erfahrung sich erzeugen und wie es zugeht, dass wir sie allerdings im Gegebenen unzweideutig finden, obgleich in der That eigentlich nur die Empfindung das Gegebene ausmacht\u00ab.\nDurch die Frage nach dem Zustandekommen der Anschauungsformen, die Herbart durch seine Theorie der Reihenformen in seiner Weise beantwortet, wird nun in neuerer Zeit die Constatirung des Gegebenen von psychologischen und physiologischen Untersuchungen abh\u00e4ngig. Insbesondere sucht man den Ursprung der Raumanschauung zu ergr\u00fcnden, f\u00fcr welche neben den \u00bbnativisti-schen\u00ab Theorien, die mehr oder minder in der Kant\u2019schen Auffassungsweise begr\u00fcndet sind, \u00bbgenetische\u00ab Theorien entwickelt werden, die den Raum als Product der Erfahrung oder als Erzeugnis unserer psycho-physischen Organisation zu betrachten lehren2). Im Sinne dieser modernen Untersuchungen ist nun das als gegeben zu betrachten, was die psychologische Analyse als letzte Elemente vorfindet; als solche findet sie aber, was auch bei Herbart hervortritt, eigentlich nur die Empfindungen mit den Abstufungen ihrer Intensit\u00e4t.\n1)\tAllgemeine Metaphysik, II. Theil, Methodologie, \u00a7 169, 171.\n2)\tVergl. Wundt, Logik, I. Bd. Der Ursprung der Raumanschauung. S. 452 f.","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nGotti. Friedr. Lipps.\n\u00a7 2.\nDie in den angef\u00fchrten Beispielen zu Tage tretende Verschiedenheit der Ausgangspunkte philosophischer Untersuchungen ist nicht etwa darin begr\u00fcndet, dass thats\u00e4chlich das Gegebene,, an das doch naturgem\u00e4\u00df angekn\u00fcpft werden muss, einer Metamorphose f\u00e4hig w\u00e4re und den jeweiligen Bed\u00fcrfnissen entsprechend bald diese, bald jene Gestalt annehmen k\u00f6nnte. Es kann vielmehr blo\u00df die Werthsch\u00e4tzung und die Auffassung des Gegebenen Modifikationen erleiden. So kann vielleicht ein Philosoph, der mit seinem Erkennen das Weltall umspannen m\u00f6chte, zu Annahmen und Voraussetzungen veranlasst werden, die sich unvermerkt bereits dem Gegebenen anheften und so sich am besten einer im Verlauf der Untersuchung eintretenden kritischen Pr\u00fcfung entziehen. Es kann auch eine bereits gewonnene Einsicht, r\u00fcckw\u00e4rts wirkend, am Gegebenen Sein und Schein zu unterscheiden lehren oder den Werth des Gegebenen im Vergleich zu den klaren Resultaten des Denkens zweifelhaft erscheinen lassen. Insbesondere aber ist zu erw\u00e4gen, dass es nicht blo\u00df ein philosophisches, sondern auch ein von den Bed\u00fcrfnissen des t\u00e4glichen Lebens geleitetes Denken gibt, das bereits Pr\u00fcchte gezeitigt hat, ehe das philosophische Denken erwacht. Von dem letzteren k\u00f6nnen nun die Resultate der popul\u00e4ren Reflexion (z. B. die Scheidung in Ich und Au\u00dfenwelt, in Subjectives und Objectives und die damit zusammenh\u00e4ngende Trennung in einen inneren und einen \u00e4u\u00dferen Sinn) unbefangen hingeijommen oder einer kritischen Pr\u00fcfung unterworfen werden; in jedem Falle aber sind sie geeignet, die Auffassung des Gegebenen durch eine stillschweigend acceptirte Beurtheilung desselben zu beeinflussen.\nDem gegen\u00fcber ist daran festzuhalten, dass das Gegebene im Gegensatz zu dem durch das Denken Erworbenen steht und dass somit nicht auch zugleich eine Beurtheilung des Gegebenen oder ein Wissen betreffs der Herkunft des Gegebenen als gegeben angenommen werden darf. Wollte man nun einwenden, dass das Gegebene doch von Haus aus mit dem Denken verkn\u00fcpft sei und darum auch Spuren des Denkens an sich tragen m\u00fcsse, so muss zun\u00e4chst zugestanden werden, dass allerdings das Denken seine Objecte nicht in der Weise bearbeitet wie etwa der T\u00f6pfer den Thon, in welchem Falle","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik. II.\n365\nsowohl das Denken als auch die Gegenst\u00e4nde seiner Beth\u00e4tigung von einander getrennt betrachtet werden k\u00f6nnten; es muss aber auch entgegnet werden, dass die Objecte des Denkens angehbar sind und ebenso die vom Denken erzeugten Beziehungen, in welche die Denkobjecte zu einander und zu dem denkenden Ich treten. Sieht man dann von dieser Zuthat des Denkens ah, so findet man, allerdings nur auf dem Wege der Abstraction, in den beziehungslosen, von der Reflexion noch unber\u00fchrten Gegenst\u00e4nden des Denkens das thats\u00e4chlich Gegebene. Da man nun nothwendig das erleben muss, was man im Denken erfassen, von anderem unterscheiden und zu anderem in Beziehung bringen will, so kann man die Denkobjecte als Erlebnisse bezeichnen. Diese Bezeichnung ist so allgemein, dass seihst das Denken darunter f\u00e4llt, sobald es Gegenstand einer Untersuchung wird; denn auch ein Denkact ist ein Erlebniss, das erfasst und zu anderen Erlebnissen in Beziehung gesetzt werden kann. Als die letzten gegebenen Thatsachen, \u00fcber die das Denken nicht hinausgehen kann, mit deren Constatirung vielmehr begonnen werden muss, sind daher beziehungslose, von der Reflexion noch nicht ber\u00fchrte Erlebnisse zu bezeichnen.\nDa somit das Gegebene nur durch Abstraction von den durch die Th\u00e4tigkeit des Denkens erzeugten Wirkungen gewonnen wird, so ist die Yerselbst\u00e4ndigung desselben eine blo\u00dfe Fiction, die nicht dazu verleiten darf, das Gegebene als etwas f\u00fcr sich bestehendes charakterisiren zu wollen. Denn jedes Charakterisiren ist schon ein Angehen von Besonderheiten, die erst aus nachdenkendem Ueberlegen resultiren k\u00f6nnen. Indessen ist es m\u00f6glich, Zust\u00e4nde anzugehen, in denen ein reflexionsloses Erleben mehr oder minder angen\u00e4hert vorhanden ist : im energielosen Zustande des Erwachens aus tiefem Schlafe; im Zustande der Depression, wie er nach einem heftigen Schmerze, nach einer tiefgreifenden, seelischen Erregung seintreten kann; im Zustande zerstreuender, vielseitiger k\u00f6rperlicher Th\u00e4tigkeit, die nicht zur Sammlung der Gedanken kommen l\u00e4sst, kann man Erlebnisse haben, die in hinreichend geringem Ma\u00dfe vom Denken erfasst werden, um das verst\u00e4ndlich erscheinen zu lassen, was mit dem reflexionslos Erlebten gemeint ist.\nDie erste und vorerst einzige Bedingung, die erf\u00fcllt werden muss, wenn die reflexionslos erlebten Thatsachen nicht un wieder-\nWundt, Thilos. Studien. IX.\t25","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nGotti, l'\u00efiedr. Lipps.\nbrin glich verschwinden, sondern Gegenstand des Denkens werden sollen, besteht darin, dass man derselben bewusst werden muss. Denn man muss um eine Thatsache wissen, wenn sie f\u00fcr das Denken vorhanden sein soll. Man befindet sich alsdann im Zustande des Bewusstseins und die Erlebnisse sind Thatsachen oder Inhalte des Bewusstseins.\nWenn man sich nun eines Erlebnisses bewusst ist, so soll damit jedoch keineswegs eine Beurtheilung desselben schon verbunden sein. Das unmittelbar als eine Thatsache des Bewusstseins Erlebte kann somit nicht als verworren bezeichnet werden ; denn als solches pr\u00e4sentirt es sich erst im Gegensatz zu der durch das Denken erzeugten logischen Ordnung, die dem Gegebenen naturgem\u00e4\u00df abgeht. Es kann an ihm auch nicht Sein und Schein geschieden werden; denn diese Scheidung ist eine sp\u00e4tere Zuthat des Denkens. Es hat darum auch f\u00fcr die Constatirung des Gegebenen gar keine Bedeutung, wenn man mit Descartes f\u00fcrchten wollte, dass uns vielleicht ein Gott mit Blendwerk t\u00e4usche und einen blo\u00dfen Traum als Wirklichkeit erscheinen lasse. Es haftet ferner der Gegensatz zwischen dem Ich und der Au\u00dfenwelt nicht von Haus aus am Gegebenen. Darum l\u00e4sst sich nicht von vornherein sagen, was von au\u00dfen und was von innen kommt, was durch einen \u00e4u\u00dferen und was durch einen inneren Sinn wahrgenommen wird. Es ist ja zun\u00e4chst blo\u00df eine Abstraction, wenn das die Au\u00dfenwelt erfassende Ich der vom Ich erfassten Au\u00dfenwelt gegen\u00fcber gestellt wird. Man geht daher \u00fcber eine blo\u00dfe Aufstellung des Gegebenen hinaus, wenn man mit Locke das Gegebene dem Ich von der Au\u00dfenwelt zuflie\u00dfen l\u00e4sst oder wenn man mit Berkeley das Gegebene als blo\u00dfen Besitz des Geistes auffasst. Handelt es sich doch nicht um die Art und Weise der Existenz der gegebenen Thatsachen, \u00fcber die sich ein fortgeschrittenes Denken Rechenschaft ablegen mag, sondern um das Vorhandensein des Gegebenen im Bewusstsein und um das erste^Erfassen desselben durch das beginnende Denken. Aus demselben Grunde steht auch die Auffassung des Gegebenen in keiner Abh\u00e4ngigkeit von der Beurtheilung seiner Herkunft, mag man nun annehmen, dass das Ich einen Vorrath von Formen oder von Ideen von Anfang an besitze, oder mag man in der besonderen Organisation des Menschen die Entstehungsbedingungen des Gegebenen entdecken. Es sind","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik. II.\t367\nja die Thatsachen des Bewusstseins das Prim\u00e4re, das nicht davon ber\u00fchrt wird, wenn der eigene K\u00f6rper als Vermittler von Vorstellungen und Gef\u00fchlen erkannt wird und etwa in Muskeln und Nerven Begleiterscheinungen wahrgenommen werden, die mit gewissen Bewusstseinszust\u00e4nden verkn\u00fcpft sind.\nImmerhin scheint jedoch das Gegebene aus einzelnen, von ein-ander abgegrenzten Inhalten des Bewusstseins zu bestehen. Soweit j n\u00e4mlich die Erinnerung r\u00fcckw\u00e4rts reicht, findet sie einzelne Dinge in r\u00e4umlicher und zeitlicher Form vor. Da nun ein einfacher Bewusstseinsinhalt offenbar blo\u00df Materie d. h. eine bestimmte Qualit\u00e4t enth\u00e4lt und erst verschiedene Inhalte sich von einander abgrenzen und so eine Form hervortreten lassen, so muss man am Gegebenen Materie und Fopn unterscheiden. Nimmt man dann noch, wie es von Kant in Uebereinstimmung mit Locke geschieht, die Unterscheidung eines \u00e4u\u00dferen und eines inneren Sinnes hinzu, so ergeben sich die Anschauungsformen des Raumes und der Zgit, in die sich, wie in einen bereit stehenden Beh\u00e4lter, die Materie des Gegebenen ergie\u00dft. Der Zweifel Herbart\u2019s, ob wirklich neben der Materie auch die Form gegeben sei, kann nun aber den weitergehenden Zweifel anregen, ob denn die Scheidung in Materie und Form oder \u2014- was dasselbe ist \u2014 ob die Scheidung in isolirte, von einander abgegrenzte Einzglinhalte des Bewusstseins gegeben sei. Hiergegen ist es nicht ma\u00dfgebend, dass die klare Erinnerung an fr\u00fchere Bewusstseinszust\u00e4nde immer jene Scheidung als vollzogen vorfindet. Denn eine Erinnerung setzt voraus, dass die Erlebnisse vom Ich erfasst und behalten und somit eine wenn auch primitive Bearbeitung durch das Denken schon erhalten haben. Nur wenn es m\u00f6glich w\u00e4re, in der Erinnerung bis zum ersten Regen des Denkens in dem sich entwickelnden Bewusstsein des Kindes zur\u00fcckzugehen, k\u00f6nnte man hoffen, das Gegebene unber\u00fchrt vom Denken vorzufinden. Diese M\u00f6glichkeit ist aber nicht vorhanden, denn eine Erinnerung an die beginnende Th\u00e4tigkeit des Denkens kann nicht aufbewahrt werden, eben weil blo\u00df das durch das Denken Erfasste und Unterschiedene im Ged\u00e4chtnisse haftet. Es k\u00f6nnen daher blo\u00df Zust\u00e4nde verminderter Denkth\u00e4tigkeit (z. B. die oben erw\u00e4hnten Zust\u00e4nde der Erschlaffung und Zerstreuung) angen\u00e4hert das Gegebene als unmittelbares, \u00bbgedankenloses\u00ab Erlebniss vor Augen","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nGotti. Friedr. Upps.\nstellen. Demgem\u00e4\u00df findet sich das Gegebene im Bewusstsein des denkenden Menschen nie v\u00f6llig losgel\u00f6st vom Denken vor, so dass es nur vermittelst der Abstraction von den Wirkungen des Denkens festgestellt werden kann. Da nun im Unterscheiden und Abgrenzen ohne Zweifel das Denken sich beth\u00e4tigt, so muss auch von allen Unterscheidungen und Abgrenzungen abgesehen werden. Das Gegebene besteht daher aus einem ungeschiedenen Complexe von Erlebnissen, in welchem sich der Gesammtinhalt des Bewusstseins darstellt. Erst die Reflexion scheidet das Gegebene in seine einzelnen Bestandtheile.\nEs ergibt sich somit das Resultat: Man findet das Gegebene, wenn man die Objecte des Denkens aller durch die Denkth\u00e4tigkeit erzeugten Beziehungen und Beurthei-lungen entkleidet; man kann daher das Gegebene als reflexionslos erlebte Thatsachen oder Inhalte des Bewusstseins bezeichnen, die erst durch das Denken unterschieden und von einander abgegrenzt werden; das Gegebene bildet somit einen ungeschiedenen Complex oder Gesammtinhalt des Bewusstseins, mit dessen Bearbeitung jede zu den Anf\u00e4ngen des Erkennens thats\u00e4chlich zuriick-gehende Untersuchung beginnen muss.\n\u00a7 3.\nVielleicht erscheint es kaum der M\u00fche werth, ein solch einfaches Ergebniss mit so viel Umst\u00e4ndlichkeit festzustellen. Wird ja doch nun keineswegs gefordert, dass jede philosophische Untersuchung nothwendig mit dieser Feststellung des Gegebenenen beginnen m\u00fcsse und nicht vielmehr die Aufl\u00f6sung des Bewusstseinsganzen einfach hinnehmen k\u00f6nne. Dies letztere kann ohne Schaden dann geschehen, wenn durch den Charakter der beabsichtigten Untersuchung keine Beachtung jenes Aufl\u00f6sungsprocesses und der dabei zu Tage tretenden Besonderheiten bedingt ist. Im vorliegenden Falle ist es aber vortheilhaft, von dem Gegebenen thats\u00e4chlich auszugehen, da es so m\u00f6glich wird, ohne M\u00fche die der Mathematik zu Grunde liegenden Thatsachen anzugeben und dadurch den geeigneten Ausgangspunkt f\u00fcr die Untersuchung der mathematischen Begriffe zu gewinnen.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik. II.\n369\nBeachtet man n\u00e4mlich das Gegebene nicht, so kann man darauf; verfallen, von allgemeinsten Begriffen ausgehen zu wollen, um so ; die specialleren mathematischen Begriffe zu gewinnen. Man k\u00f6nnte) sich dabei allerdings auf Leibniz berufen. Ihm diente aber gerade die Mathematik als Vorbild hei der Aufstellung seines Idealbildes einer wissenschaftlichen Methode. Wenn nrm die mathematischen Begriffe selbst der Untersuchung bed\u00fcrfen, um ihre Bedeutung in hellem Lichte erscheinen zu lassen, so wird auch die Natur jener allgemeinsten Begriffe erst klargestellt werden m\u00fcssen, ehe sie als Ausgangspunkt gew\u00e4hlt werden k\u00f6nnen.\nDagegen zeigt die Beachtung des Gegebenen, dass die Mathematik ebenso wie jede andere Wissenschaft eine psychologische Basis hat. Denn das Denken kann nur ein Bearbeiten von thats\u00e4chlich ins Bewusstsein getretenen Erlebnissen sein und nur in solchen k\u00f6nnen die mathematischen Begriffe, m\u00f6gen sie noch so allgemein sein, einen R\u00fcckhalt finden. Haben sie diese St\u00fctze nicht, so erregen sie als leere Produete einer logischen Phantasie Verdacht und k\u00f6nnen nicht ohne berichtigende Pr\u00fcfung in der Wissenschaft zugelassen werden.\nGeht man nun thats\u00e4chlich vom Gegebenen aus, h\u00e4lt man aber dasselbe nicht frei von allen entbehrlichen Beimengungen, so k\u00f6nnen dadurch selbstgeschaffene Schwierigkeiten zu den ohnedies vorhandenen hinzutreten. Um dies zu vermeiden, gen\u00fcgt es auf die Charakterisirung der Aufgaben der Mathematik hinzuweisen, die fr\u00fcher gelegentlich der Er\u00f6rterungen \u00fcber die \u00bbAufgabe und Methode der Untersuchung\u00ab gegeben wurde. Darnach ist die Mathematik eine formale Wissenschaft. Als solche ergr\u00fcndet sie nicht das Sein der Au\u00dfenwelt, auch nicht das Wesen des Menschen und die Produete seines Geistes. Sie geh\u00f6rt daher nicht zu dem Kreise der Natur-und Geisteswissenschaften. W\u00e4re dies der Fall, so w\u00fcrde man sich wohl zu Annahmen gen\u00f6thigt sehen, die schon bei der Auffassung des Gegebenen sich bemerklich machen w\u00fcrden und die einer skeptischen Pr\u00fcfung gegen\u00fcber zwar nicht durch Berufung auf das, was man sieht oder h\u00f6rt, wohl aber durch den Hinweis auf intellectuelle und sittliche Bed\u00fcrfnisse sich st\u00fctzen k\u00f6nnten. Da nun aber die Mathematik keine Erkenntnisse der reellen Welt zu liefern beabsichtigt, so hat man zu solchen Annahmen keine V er-anlassung. Die Auffassung des Gegebenen muss daher von allen","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nGotti. Friedr. Lipps.\nauf die Substanzialisirung des Ichs und die Objectiyirung der Au\u00dfenwelt Bezug nehmenden Voraussetzungen frei gehalten werden. Man muss folglich das Gegebene, ohne irgend eine Beurtlieilung seines Ursprungs und seiner objectiven oder subjectiven Existenz damit zu verkn\u00fcpfen, als blo\u00dfes Erlebniss, dessen man sich bewusst wird, ^ der Untersuchung zu Grunde legen.\nDass aber die Aufl\u00f6sung des Gegebenen in die Einzelinhalte des Bewusstseins nicht als vollzogen hingenommen, dass dagegen von einem ungeschiedenen Complexe von Erlebnissen ausgegangen werden soll, findet seine Begr\u00fcndung durch den besonderen Charakter der Mathematik, welche die Gegenst\u00e4nde ihrer Untersuchung der unmittelbaren_Anschauung entnimmt. In den einzelnen, vom Denken erfassten, zeitlich und r\u00e4umlich umgrenzten Inhalten des Bewusstseins besteht somit das Material, dessen Bearbeitung die Mathematik unternimmt. Will man daher nicht da und dort, je nach Gelegenheit, die Thatsachen, welche der Mathematik zu Grunde liegen, zusammensuchen, sondern will man dieselben vollst\u00e4ndig und in \u00fcbersichtlicher Ordnung \u00fcberschauen, so darf man nicht ! die Einzelinhalte des Bewusstseins voraussetzen. Von dem Gesammt-inhalte des Bewusstseins muss man dagegen ausgehen und Zusehen, wie das Denken den Complex von Erlebnissen zergliedert. Man macht damit ein Gedankenexperiment, indem man den n\u00e4mlichen Process reconstruirt und zugleich kritisch beleuchtet, der sich beim ersten Erwachen des Denkens im Bewusstsein des Kindes allm\u00e4hlich vollzogen haben mag, als dessen unmittelbar empfundene Erlebnisse in Einzelinhalte sich aufl\u00f6sten, in welchen die eigenen Gef\u00fchle und inneren Vorg\u00e4nge, die Personen und Dinge seiner Umgebung saimnt den an sie gekn\u00fcpften Th\u00e4tigkeiten und Geschehnissen sich ihm darboten. Das ist jedoch nicht so zu verstehen, als sollte der wirklich erlebte, mit dem Erwachen des Bewusstseins beginnende Gesammtinhalt des Bewusstseins den Gegenstand der Untersuchung bilden. Es soll vielmehr ein ganz beliebiger, durch keine Besonderheiten eingeschr\u00e4nkter Gesammtinhalt des Bewusstseins angenommen werden, der weder einen bestimmten Grad der Ausbildung geistigen Lebens darstellt, noch bez\u00fcglich der Zusammensetzung aus seinen Einzelinhalten irgend welchen Bedingungen gen\u00fcgt. Ein solcher m\u00f6ge der Reflexion unterworfen gedacht werden.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik. II\n371\nWird nun die Zergliederung desselben beobachtet, so gelangt man unmittelbar zur Angabe der Thatsachen, welche der Mathematik zu Grunde liegen.\n\u00a7 4.\nSoll ein gegebener Complex von Erlebnissen in Einzelinhalte des Bewusstseins zerfallen, so muss nothwendig eine Ver\u00e4nderung an demselben stattfinden; es muss aber auch die F\u00e4higkeit vorhanden sein, diese Ver\u00e4nderung zu beachten und den Zustand des Gegebenen vor und nach derselben zu erfassen und zu behalten. In der That ist nicht einzusehen, wie ein v\u00f6llig gleichbleibender Complex von Erlebnissen, wenn mit ihm nicht wenigstens die Erinnerung an einen andersartigen Inhalt des Bewusstseins in Widerstreit ger\u00e4th, eigentlich erfasst und vom Denken bearbeitet werden kann; es wird ja doch erst durch eine am Gegebenen thats\u00e4chlich sich vollziehende Ver\u00e4nderung die Th\u00e4tigkeit des Denkens angeregt. Anderseits m\u00fcsste das Gegebene trotz aller Ver\u00e4nderung in seiner Beschaffenheit spurlos verloren gehen, k\u00f6nnte nicht das erwachende Denken den entschwindenden^Xheil des Gegebenen im Widerstreit mit dem neu erstehenden wahrnehmen und behalten. Es lockert sich durch dieses Widerstreiten der Zusammenhalt desj Gegebenen, das nun erst mit Deutlichkeit erfasst wird. Das Gleich- : bleibende sondert sich dabei von dem Uebrigen ab und wird als f\u00fcr sich bestehende Qualit\u00e4t zu einem Einzelinhalte des Bewusstseins. Derselbe ist nicht nothwendig etwas schlechthin einfaches, so dass lediglich die besondere Beschaffenheit des f\u00fcr sich Betrachteten und von dem Gesammtinhalte des Bewusstseins Losgel\u00f6sten als Qualit\u00e4t bezeichnet wird. Es k\u00f6nnen vielmehr an einem Einzelinhalte noch weitere Scheidungen vorgenommen werden ; es k\u00f6nnen auch bereits geschiedene Einzelinhalte sich wieder dauernd zusammenschlie\u00dfen Die resultirenden Einzelinhalte stellen ferner nicht nur Dinge dar, die man allerdings in erster Linie am Gegebenen verselbst\u00e4ndigen wird, sondern auch Eigenschaften, Th\u00e4tigkeiten und Zust\u00e4nde, die man an jenen Dingen wahrnehmen kann.\nDas beginnende Denken tr\u00e4gt somit einen wesentlich analytischen Charakter: es unterscheidet und trennt. Wird nun aber aus den Einzelinhalten das Bewusstseinsganze wieder zusammengesetzt ge-","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nGotti. Friedr. Lipps.\n(lacht, und betrachtet man die Einzelinhalte, die jedes ausgebildete\u2019 Bewusstsein bereits aufweist, als das Gegebene, so kann es scheinen, als oh das, was hier als gegeben angenommen wurde, erst durch eine vorausgegangene Synthese gewonnen wurde. In noch h\u00f6herem Ma\u00dfe w\u00e4re dies der Fall, wenn schlechthin einfache Qualit\u00e4ten den Bestand des Gegebenen ausmachen w\u00fcrden, da alsdann die im allgemeinen zusammengesetzten Einzelinhalte seihst schon durch eine Synthese der einfachen Grundbestandtheile erzeugt werden m\u00fcssten. Dem gegen\u00fcber muss man aber darauf hinweisen, dass man von einer solchen anf\u00e4nglichen Synthese nichts wei\u00df und dass das Gegebene doch wohl so, wie es oben geschah, im Gegensatz zu dem durch das Denken Erzeugten festgestellt werden muss.\nMit einer Analyse des Gegebenen beginnt daher das Denken; hierzu ist notliwendig und hinreichend, dass das Gegebene Ver\u00e4nderungen erleidet und dass auf Grund derselben Ver\u00e4ndertes und Unver\u00e4ndertes oder Gleiches und Verschiedenes als solches erkannt werden kann. Es wird damit nicht der Begriff der Ver\u00e4nderung, der erst noch entwickelt werden muss, auch nicht der Satz der Identit\u00e4t und des Widerspruchs, der erst noch erkannt werden muss, zu Grunde gelegt. Es bieten sich nur in der Thatsache einer ein-tretenden Ver\u00e4nderung und in der F\u00e4higkeit, \u00fcbereinstimmend mit dem Satze der Identit\u00e4t, Gleiches von Verschiedenem zu scheiden, die nothwendigen und hinreichenden Bedingungen daf\u00fcr dar, dass f\u00fcr sich bestehende Inhalte im Bewusstsein unterschieden werden k\u00f6nnen.\nDamit wird f\u00fcr die mathematischen Untersuchungen der Ausgangspunkt gewonnen: die Objecte der Untersuchung sind Bewusstseinsinhalte, welche aus der Zerlegung des Gesamiut-inhaltes resultiren, und die Aufgabe der Untersuchung kann somit nur in der Erforschung von Beziehungen, welche an jenen Inhalten wahrnehmbar sind, bestehen. Ehe man aber zur Bestimmung der Tliatsachen, welche der Mathematik zu Grunde liegen, schreitet und dadurch die Natur der von der Mathematik erforschten Beziehungen in Erfahrung bringt, muss man bedenken, dass nicht blo\u00df f\u00fcr die Mathematik, sondern zugleich auch f\u00fcr die Psychologie und Logik der Boden vorbereitet wird.\nDie Psychologie wird mit einer Analyse des Gegebenen beginnen, um dasselbe in seine letzten Elemente zu zerlegen und die","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik. II.\t373\nverschiedenen Arten einfacher Qualit\u00e4ten aufzusudhen. Sie nimmt so gewisserma\u00dfen das Inventar des Bewusstsein auf und findet alsdann in der Qualit\u00e4t der f\u00fcr sich betrachteten Bewusstseinsinhalte die Begr\u00fcndung von Beziehungen, welche zwischen ihnen stattfinden. Sie wird aber dabei nicht das Ich als ein selbst\u00e4ndiges Wesen voraussetzen, noch auch das, was sie als Einzeldinge auffasst, einer dem Ich gegen\u00fcberstehenden Au\u00dfenwelt zuweisen. Es kann ferner die Logik den n\u00e4mlichen Ausgangspunkt w\u00e4hlen, wenn sie nicht die Bedingungen f\u00fcr die Erkenntniss des Wesens der Welt und des Menschen erforschen, sondern die Eigenschaften und Gesetze des Denkens untersuchen will, die bei der Analyse des Gegebenen und hei der Erforschung der an den Inhalten des Bewusstseins vorhandenen Beziehungen zu Tage treten.\nDie Anf\u00e4nge der Mathematik ber\u00fchren sich folglich mit den Elementen der Psychologie und der Logik: mit der Psychologie insofern, als die aus der Analyse des Gegebenen resultirenden Bewusstseinsinhalte die Objecte der mathematischen Untersuchungen sind und deren Isolirung und Verselbst\u00e4ndigung durch ihre psychologische Qualit\u00e4t bedingt ist; mit der Logik ferner insofern, als das Untersuchen von Beziehungen zwischen den Bewusstseinsinhalten das logische Erfassen oder Ap.perpipiren der Inhalte voraussetzt und die Eigenschaften und Gesetze des Denkens heim Auffassen jener Beziehungen in Betracht kommen.\nDiese Ber\u00fchrung hindert aber nicht die Selbst\u00e4ndigkeit der Mathematik, die sich \u2014 wie ein Blick auf ihre einzelnen Disci-plinen lehrt \u2014\u2022 weder psychologischen noch logischen Untersuchungen einordnet. Zwar k\u00f6nnen die mathematischen Untersuchungsobjecte ihres psychologischen Charakters nicht ganz entkleidet werden; denn unterscheidbar m\u00fcssen sie auch f\u00fcr die Zwecke der Mathematik bleiben, und das sind sie zun\u00e4chst blo\u00df auf Grund ihrer, dem psychologischen Untersuchungsbereiche angeh\u00f6renden Qualit\u00e4t. Es kommen aber die psychologischen Qualit\u00e4ten im allgemeinen nur insoweit in Betracht, als sie das Erkennen der Gleichheit und V erschiedenheit der Bewusstseinsinhalte erm\u00f6glichen, und ihre volle Geltung erhalten sie nur dann, wenn es sich um Exemplificationen der mathematischen Beziehungen handelt. \u2014 Es behalten die mathematischen Untersuchungsobjecte auch ihren logisphen Charakter, da","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nGotti. Friedr. Lipps.\nsie notliwendig appercipirt werden m\u00fcssen und nicht anders als nach den Regeln des logischen Denkens bearbeitet werden k\u00f6nnen. Es wird aber nicht die Erkenntniss logischer Gesetze und Regeln des Denkens beabsichtigt, und specifiseh logische Beziehungen, wie sie z. B. zwischen den Begriffen bez\u00fcglich ihrer Inhalte und Umf\u00e4nge stattfinden m\u00f6gen, k\u00f6nnen nur als Exemplificationen specifiscli mathematischer Beziehungen dienen, wo es dann ganz naturgem\u00e4\u00df ist, dass sich Besonderheiten zeigen, die den allgemeinen mathematischen Untersuchungen fehlen.\nAuf Grund des gemeinsamen Ausgangspunktes ergeben sich s' somit Beziehungen zwischen der Mathematik einerseits und der Psychologie und Logik anderseits: ihnen zufolge werden die der Mathematik zu Grunde liegenden Thatsachen psychologische und logische Momente aufweisen. Dagegen erm\u00f6glicht der Hinweis auf den in den verschiedenen Disciplinen zu Tage tretenden und auch aus den fr\u00fcheren Er\u00f6rterungen \u00fcber \u00bbdie Aufgabe und Methode der Untersuchung\u00ab ersichtlichen Charakter der Mathematik die Betonung ihrer Selbst\u00e4ndigkeit neben der Psychologie und Logik: es werden folglich die Thatsachen der Mathematik weder dem Untersuchungsbereiche der Psychologie noch demjenigen der Logik angeh\u00f6ren. Diese Abscheidung der Mathematik von der Psychologie und Logik f\u00fchrt dazu, nicht die Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten und Eigenschaften des Denkprocesses und nicht die individuellen Qualit\u00e4ten der im Bewusstsein vorhandenen Inhalte ins Auge zu fassen, um die der Mathematik zu Grunde liegenden Thatsachen aufzusuchen. Es bleibt daher nichts anderes \u00fcbrig als im Vorhandensein und in der Zusammenfassung der Inhalte im Bewusstsein die Quelle zu suchen, aus welcher die Angabe jener Thatsachen flie\u00dft.\n\u00a7 5.\nIn Folge dessen dr\u00e4ngt sich der Zustand des Bewusstseins der | Beachtung auf. Er bleibt bestehen, w\u00e4hrend wechselnde Erlebnisse I sich um die Herrschaft im Bewusstsein streiten. Er stellt sich somit als ein Tr\u00e4ger dar, der alles Erlebte enth\u00e4lt und umschlie\u00dft. In Uebereinstimmung damit steht die wiederholt benutzte Bezeichnung der Erlebnisse als \u00bbInhalte des Bewusstseins\u00ab. In \u00e4hnlicher","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik. II.\t375\nWeise fasst man jenen Zustand auf, wenn man sagt, dass Empfindungen die Schwelle des Bewusstseins \u00fcberschreiten. Man vergleicht so das Bewusstsein einem Wohnraume, wo Erlebnisse kommen und gehen oder sich dauernd niederlassen, wenn sie nicht von andern verdr\u00e4ngt werden. Solche und \u00e4hnliche Bilder haben ohne Zweifel ihre Yortheile \u2014 insbesondere scheint das Bild eines Tr\u00e4gers zutreffend zu sein \u2014 ; sie d\u00fcrfen nur nicht dazu verleiten, das Bewusstsein selbst wie einen selbst\u00e4ndigen^Inhalt des Bewusstseins zu betrachten, w\u00e4hrend es doch der Zustand ist, in dem man sich befindet, wenn man sich seiner Erlebnisse bewusst ist.\nDieser Zustand ist von Anfang an vorhanden, sobald das Gegebene Gegenstand des Denkens wird. Eben deswegen braucht die Reflexion bei der Analyse des Gegebenen den Zustand des Bewusstseins nicht besonders zu beachten, sondern kann denselben als selbstverst\u00e4ndlichen Tr\u00e4ger seiner Inhalte stillschweigend hinnehmen. Ist aber das Bewusstsein als Tr\u00e4ger seiner Inhalte erkannt worden und fragt man sich nun, ob das Bewusstsein oder oh sein Inhalt fr\u00fcher vorhanden sei, so wird man geneigt sein, das Bewusstsein f\u00fcr das Urspr\u00fcngliche zu halten. Es ist in der That die nothwendige Bedingung daf\u00fcr, dass das Gegebene vom denkenden Ich erfasst und bearbeitet werden kann, und es scheint somit dem blo\u00df erfahrungsm\u00e4\u00dfig \u2014 a posteriori \u2014 Gegebenen als urspr\u00fcnglicher Besitz des Geistes \u2014 a priori \u2014 zu Grunde zu liegen. Bedenkt man nun noch, dass sein Inhalt wechselt und bald gr\u00f6\u00dfer, bald kleiner ist, so muss man es wohl f\u00fcr m\u00f6glich halten, das Bewusstsein als Tr\u00e4ger des Gegebenen seines wechselvollen Inhaltes zu entkleiden, so dass es als leeres Bewusstsein des Gegebenen harrt, um es zu formen und geformt dem Denken zu \u00fcberliefern. Indessen ist die Frage, die den Anlass zu dieser Ueberlegung gibt, der vorhandenen Sachlage gar nicht angepasst; denn weder das Bewusstsein noch sein Inhalt ist das Urspr\u00fcngliche, sondern beide sind unl\u00f6slich mit einander verbunden und nur das Denken kann sie unterscheiden. Es ist daher das Bewusstsein thats\u00e4chlich nie leer. Die Reflexion, die den Zustand des Bewusstseins ins Auge fasst, kann allerdings den Inhalt au\u00dfer Acht lassen, sie kann aber doch nicht das Bewusstsein losgel\u00f6st von seinem Inhalte zu begreifen lehren \u2014 es sei denn, dass sie irrth\u00fcmlieher Weise auf eine","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\nGotti. Friedr. Lipps.\nVerbildlichung des Bewusstseins sich st\u00fctzt und die Eigenschaften des Bildes auf das Bewusstsein \u00fcbertr\u00e4gt. Es wird daher nicht blo\u00df das wirkliche Bewusstsein nie ohne Inhalt sich zeigen, sondern es wird auch der Begriff des Bewusstseins durch seine Merkmale auf die M\u00f6glichkeit, dass Inhalte vorhanden sind, hinweisen. Bei der Er\u00f6rterung dieses Begriffs wird somit der als wirkliches Erlebnis^ beobachtete und durch die Erinnerung festgehaltene Zustand des Bewusstseins samint seinen Inhalten die empirische Grundlage bilden ; die Merkmale des Begriffs werden aber nicht in den thal-s\u00e4chlich vorhandenen, direct wahrnehmbaren Eigenth\u00fcmlichkeiten dieses Zustandes bestehen, sondern in den Eigenschaften, welche die Reflexion durch Beachten der M\u00f6glichkeit, dass Inhalte vorhanden sind und auf diese oder jene Art zusammengefasst werden, findet. Der Begriff des Bewusstseins ist daher nicht empirischer Natur, sondern hat den Charakter der Noth Wendigkeit und Allgemeinheit. Das Bewusstsein ist ja \u2014 wie schon oben bemerkt wurde -die uotliwendige Bedingung daf\u00fcr, dass das Gegebene Gegenstand des Denkens werden k\u00f6nne, und diese Bedingung ist eine allgemeing\u00fcltige; denn es geh\u00f6rt zum Wesen eines jeden denkenden Ichs, des Gegebenen bewusst zu werden, indem es f\u00fcr uns niclil denkbar ist, dass man anders als im Zustande des Bewusstseins das Gegebene auffassen und bearbeiten k\u00f6nne.\nEs zeigt sich nun das Bewusstsein als Tr\u00e4ger seiner Inhalte ohne jede L\u00fccke und Unterbrechung. Ein Mensch kann allerdings eine Unterbrechung seines Bewusstseins erleiden, indem er zeitweilig bewusstlos wird. Der lleflexion bietet sich aber das Bewusstsein als ein continuirlicher Zustand dar, denn die Annahme einer L\u00fccke desselben w\u00fcrde die Sinnlosigkeit eines bewusstlosen Bewusstseins bedeuten. \u2014 Es zeigt sich ferner das Bewusstsein ohne ^Grenzen Denn obgleich das Bewusstsein nicht weiter reicht als seine Inhalte und obgleich das thats\u00e4chliche Vorhandensein unendlich vieler Inhalte nicht behauptet werden kann, erscheint doch der Reflexion, die nach den Grenzen des Bewusstseins forscht, das Bewusstsein als unbegrenzt oder unendlich, weil bei der Annahme irgend einer Grenze oder irgend eines Aufh\u00f6rens die M\u00f6glichkeit einer Fortsetzung vorhanden w\u00e4re. \u2014 Das Bewusstsein ist auch ganz einzig in seiner Art; denn die Reflexion bezieht alle Erlebnisse auf einen","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen fiber die Grundlagen der Mathematik. II.\t377\nund denselben Zustand des Bewusstseins, und wenn man verschiedene Bewusstseinszust\u00e4nde annimmt, so muss man sie als Theile eines einzigen Gesammtzustandes auffassen. Darin ist es ja begr\u00fcndet, dass das Ich sich als eine Einheit empfindet. Man kann sich daher vom Bewusstsein nicht wie von einer Gattung einzelner, mit gemeinsamen Merkmalen ausgestatteter Gegenst\u00e4nde einen Begriff bilden, der durch die Apperception jener gemeinsamen Merkmale vermittelt w\u00fcrde.\nDieser Begriff des Bewusstseins zeigt unverkennbare Aehnlich-keit mit dem Baum- und Zeitbegriffe, wie ihn Kant in der Kritik der reinen Vernunft, in den beiden Abschnitten der transcenden-talen Aesthetik, entwickelt. Was dort vom Saume und von der Zeit gesagt wird, kann der Hauptsache nach, im Sinne Kant\u2019s, auch vom Bewusstsein gesagt werden. Es kann dies zum Th eil ; w\u00f6rtlich geschehen, wenn man nur die in der Natur der Sache; liegenden Aenderungen vornimmt. So wird man das Bewusstsein nicht als Anschauungsform, sondern als Trjjger des Gegebenen bezeichnen; an Stelle der Th\u00e4tigkeit des Anschauens wird man die allgemeinere und vorerst unbestimmtere Th\u00e4tigkeit des Auffassens des Gegebenen setzen; insbesondere wird man da, wo Kant die Denkbarkeit eines Baumes ohne Gegenst\u00e4nde und die M\u00f6glichkeit, aus der Zeit die Erscheinungen wegzunehmen, behauptet, nicht von einem wirklichen oder denkbaren leeren Bewusstsein, im Widerspruch mit den obigen Darlegungen, reden. Es ist demgem\u00e4\u00df das Bewusstsein \u00bbkein empirischer Begrff, der irgend von einer Erfahrung abgezogen worden\u00ab; denn jede Erfahrung setzt dasselbe schon voraus. Das Bewusstsein liegt ferner als nothwendiger Tr\u00e4ger allem Gegebenen zu Grunde, da man dasselbe nicht aufheben und sich keine Vorstellung davon machen kann, dass kein Bewusstsein sei. Man kann deshalb auch sagen, dass das Bewusstsein a priori gegeben sei, wenn seine Apriorit\u00e4t nicht eine Existenz vor allem empirisch gegebenen Inhalte, sondern blo\u00df die unaufhebbare Bedingung zur Auffassung des Gegebenen einschlie\u00dft. Das Bewusstsein ist schlie\u00dflich \u00bbkein discursiver oder, wie man sagt, allgemeiner Begriff von Verh\u00e4ltnissen der Dinge \u00fcberhaupt\u00ab und seine Unendlichkeit \u00bbbedeutet nichts weiter, als dass alle bestimmte Gr\u00f6\u00dfe desselben nur durch Einschr\u00e4nkungen eines einigen zum Grunde","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nGotti. Friedr. l.ipps.\nliegenden Bewusstseins m\u00f6glich sei\u00ab. Man kann auch in Anlehnung an den Gedankengang Kant\u2019s dem Bewusstsein gleich dem Baume und der Zeit \u00bbempirische Bealit\u00e4t\u00ab, aber keine \u00bbabsolute Bealit\u00e4t\u00ab sondern \u00bbtranscendentale Idealit\u00e4t\u00ab zudictiren, da das Bewusstsein, \u00abwenn man von den subjectiven Bedingungen der Auffassung des Gegebenen ahstrahirt, gar nichts ist, und den Gegenst\u00e4nden an sich seihst (ohne ihr Verh\u00e4ltniss auf unsere Auffassung) weder sub-sistirend noch inh\u00e4rirend beigez\u00e4hlt werden kann\u00ab; oder da es \u00bbnichts ist, sobald wir die Bedingung der M\u00f6glichkeit aller Erfahrung weglassen, und es als etwas, was den Bingen an sich selbst zum Grunde liegt, annehmen\u00ab.\nMit Biicksicht auf diese Uebereinstimmung in der allgemeinen Charakteristik scheint der Baum- und Zeitbegriff Kant\u2019s unter den Begriff des Bewusstseins zu fallen. Dies best\u00e4tigt sich, wenn man nachforscht, auf welche Art im Bewusstsein die Inhalte desselben zusammengefasst werden k\u00f6nnen. Es wird dann unter den sich ergebenden Arten der Zusammenfassung die r\u00e4umliche und zeitliche Zusammenfassung enthalten sein, so dass Baum und Zeit als r\u00e4umlicher und zeitlicher Tr\u00e4ger der Bewusstseinsinhalte sich darbietet.\nDas Zusammenfassen von Bewusstseinsinhalten ist nun durch die Art und Weise ihrer Auffassung bedingt und f\u00fcr diese letztere gibt es zwei und nur zwei M\u00f6glichkeiten : man wird entweder einen vom Gesammtinhalte losgel\u00f6sten Einzelinhalt des Bewusstseins f\u00fcr sich allein erfassen und auf Grund der an ihm bemerklichen psychologischen Qualit\u00e4t von anderen in gleicher Weise erfassten Einzelinhalten unterscheiden; oder man wird den Einzelinhalt mit B\u00fccksicht auf den stets vorhandenen Zusammenhang mit dem Gesamnptinhalte des Bewusstseins ins Auge fassen und ihn in seiner Beziehung zum Gesammtinhalte als abgegrgnzten Theil desselben betrachten.\nIm ersten Falle, steht der Act der Apperception im Vordergr\u00fcnde; man appercipirt erst diesen, dann jenen Inhalt und vergleicht dieselben bez\u00fcglich der durch die Apperception hervorgehobenen Merkmale; es entsteht ein Vorrath von Inhalten, die auf Grund jener Merkmale in Beziehung zu einander treten und kraft dieser vom Denken geschaffenen Beziehung im Bewusstsein als ihrem Tr\u00e4ger zusammengefasst werden. Der logische Charakter","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik. II.\n379\ndieser Zusammenfassung, die ja blo\u00df durch das Denken vermittelt wird, legt es nahe, in diesem Falle das Bewusstsein den logischen Frager seiner Inhalte zu nennen. Die durch die Zusammenfassung bedingte Ordnung der Inhalte muss dann entsprechend als logische Ordnung bezeichnet werden.\nIm zweiten Falle steht das Ahscheiden des Einzelinhaltes vom Gesammtinhalte im Vordergr\u00fcnde. Soll dasselbe erfolgen, so muss der Einzelinhalt allerdings infolge seiner qualitativen Beschaffenheit aus dem Gesammtinhalte hervortreten. Das Erfassen des Einzelinhaltes gr\u00fcndet sich aber nicht auf das Appercipiren seiner Merkmale, sondern auf seine Abgrenzung von der Gesammtheit des Gegebenen : es ist anschaulicher, und nicht logischer Natur. Infolge dessen treten die Bewusstseinsinhalte nur auf Grund des Ge-sammtinhaltes, von dem sie sich losl\u00f6sen, in Beziehung zu einander: sie schlie\u00dfen sich unvermittelt aneinander oder sie sind durch andere Inhalte getrennt, der eine folgt dem anderen nach oder es sind beide gleichzeitig vorhanden; alsdann reiht sich der eine neben den andern, falls sie ihre Selbst\u00e4ndigkeit behalten und nicht zu einem neuen Inhalte verschmelzen, der die urspr\u00fcnglichen Elemente, das eine in dem anderen, enth\u00e4lt. Diese elementaren Thatsachen lassen sich nur durch Bezugnahme auf den Gesammtinhalt feststellen, welcher aus den nacheinander und nebeneinander zusammengef\u00fcgten Einzelinhalten besteht und gleich dem Bewusstsein selbst ein Continuum darstellt. Da die anschauliche Zusammenfassung eines Nacheinander zur zeitlichen Auffassung, diejenige eines Nebeneinander zur r\u00e4umlichen Betrachtung f\u00fchrt, so kann in diesem Falle das Bewusstsein der zeitlich-r\u00e4umliche Tr\u00e4ger seines Ge-sammtinhaltes und seiner von dem letzteren losgel\u00f6sten Einzelinhalte genannt werden. Dem entsprechend ist auch die durch die anschauliche Zusammenfassung bedingte Ordnung des Gegebenen als r\u00e4umliche und zeitliche Ordnung zu bezeichnen.\nAus der Betrachtung des Bewusstseins resultirt somit: Das Bewusstsein ist der nothwendige und einige, continuir-liche nnd unendliche Tr\u00e4ger seiner Inhalte, welche entweder durch das Denken appercipirt werden und in logisphe Beziehungen treten oder mit R\u00fccksicht auf den Gesammtinhalt betrachtet und als anschauliche, zeitliche und r\u00e4umliche Umgrenzungen durch","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\nGotti. Friedr. Lipps.\nVermittelung des Gesammtinhaltes auf einander bezogen werden. Durch die Zusammenfassung der Inhalte im Bewusstsein wird somit eine logische oder r\u00e4umlich-zeitliche Ordnung\nm\t\u00d6\nbedingt. Die logische Ordnung gr\u00fcndet sich auf die Apperception der Bewusstseinsinhalte, welch letztere zun\u00e4chst als gleich oder verschieden beurtheilt werden, dann aber in mannigfache, durch ihr jeweiliges Quale bedingte Beziehung treten k\u00f6nnen. Die zeitlich-r\u00e4umliche Ordnun<>-\nO\ngr\u00fcndet sich auf die Abgrenzung der einzelnen Bewusstseinsinhalte von der Gesammtheit des Gegebenen, innerhalb dessen sich jene als nach einander oder neben einander erscheinende, zeitliche oder r\u00e4umliche Gr\u00f6\u00dfen darstellen und entweder sich continuirlich an einander reihen, falls sie einen Theil des Bewusstseins vollst\u00e4ndig\nO\nerf\u00fcllen, oder discontinuirlich sind, wenn sie durch andere Inhalte getrennt werden.\n\u00a7 6.\nDieses Resultat enth\u00e4lt die Angabe der Thatsachen, welche der Mathematik zu Grunde liegen. Denn es ist unmittelbar zu erkennen, dass einesteils in den Thatsachen, auf welchen die logische Ordnung des Gegebenen beruht, das Material zur Gewinnung des Zahlbegriffs dargeboten wird, dass anderntheils die zeitlich-r\u00e4umliche Ordnung des Gegebenen auf diejenigen Thatsachen sich st\u00fctzt, aus welchen die Begriffe der Zeit und des Raumes als ISasis der Geometrie und der Phoronomie gewonnen werden k\u00f6nnen. Zahl, Zeit und Raum sind aber die Grundbegriffe der Mathematik.\nDas Aufsuchen dieser Thatsachen, musste die erste Sorge f\u00fcr eine Untersuchung der Grundlagen der Mathematik sein. Denn dadurch wird eine einheitliche Behandlung der mathematischen Begriffe erm\u00f6glicht, welche durch die Bearbeitung des gewonnenen Thatsachenmaterials geleistet wird. Es musste hierzu der Charakter der Mathematik nur im allgemeinen als bekannt vorausgesetzt weiden, um die Mathematik von den Natur- und Geisteswissenschaften einerseits, von den Elementen der Psychologie und Logik ander-","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik. II.\n381\nseits abscheiden zu k\u00f6nnen. Auf Grund dieser Abscheidung konnte das Gegebene voraussetzungslos als ein blo\u00dfes Erlebniss, dessen man sich bewusst wird, aufgefasst werden; es blieb ferner blo\u00df die Beachtung des Vorhandenseins und der Zusammenfassung der aus der Analyse des Gegebenen resultirenden Bewusstseinsinhalte im Bewusstsein \u00fcbrig, um die der Mathematik zu Grunde liegenden Thatsachen aufzusuchen.\nDie Untersuchung des Bewusstsein bez\u00fcglich der M\u00f6glichkeit, die Bewusstseinsinhalte in ihm zusammenzufassen und zu ordnen, war nun aber nicht von einer schon vorhandenen Kenntniss der mathematischen Begriffe und ihrer Veranschaulichungen oder Versinnlichungen geleitet. Wollte man sich auf letztere st\u00fctzen, um das zur Begriffsbildung nothwendige Thatsachenmaterial aufzusuchen, so w\u00fcrde keine Sicherheit betreffs der Richtigkeit und Vollst\u00e4ndigkeit der Ergebnisse vorhanden sein; es braucht ja die Veranschaulichung eines Begriffes nicht nothwendig im Wesen des Begriffs begr\u00fcndet zu sein und es k\u00f6nnen auch Begriffe blo\u00df mittelbar an psychologische Thatsachen sich anlehnen. Es war vielmehr in der Beschaffenheit des Bewusstseins als des Tr\u00e4gers seiner Inhalte begr\u00fcndet, dass man das Erfassen der Bewusstseinsinhalte in ein logisches und in ein anschauliches schied und infolge dessen zur Unterscheidung der Thatsachen der von der Apperception beherrschten logischen Ordnung und der Thatsachen der durch die Anschauung vermittelten zeitlich-r\u00e4umlichen Ordnung des Gegebenen gelangte.\nWenn man nun auch zuversichtlich annehmen kann, dass eine logisch motivirte Er\u00f6rterung dieser Thatsachen im allgemeinen die specifiseh mathematischen Bed\u00fcrfnisse befriedigen werde, so muss doch in Betracht gezogen werden, dass eine logisch^werthvolle Einsicht nicht nothwendig mathematisch verwendbar sein muss, dass dieselbe wenigstens bei dem gegenw\u00e4rtigen Entwicklungszustande der Mathematik m\u00f6glicherweise keine Verwendung findet. Es hat deshalb eine detaillirte Angabe der Thatsachen der Mathematik erst dann Interesse, wenn man zur wirklichen Herleitung der Begriffe schreitet, f\u00fcr welche das Thatsachenmaterial alsdann soweit heranzuziehen ist, als es der Grad ihrer Ausbildung verlangt. Vorl\u00e4ufig gen\u00fcgt die bereits gewonnene Erkenntniss, durch welche die fr\u00fchere Annahme best\u00e4tigt wird und wirklich im Vorhandensein Wundt, Philos. Studien. IX.\t26","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\nGotti. Friedr. Lipps.\nund in der Zusammenfassung der Bewusstseinsinhalte die Quelle gefunden, wird, aus welcher die Thatsachen der Mathematik vollst\u00e4ndig und in \u00fcbersichtlicher Folge hergeleitet werden k\u00f6nnen.\nEs liegen somit die Thatsachen, auf welchen die Ordnung der Bewusstseinsinhalte im Bewusstsein beruht, der Mathematik zu Grunde. Sie scheiden sich in solche, welche die logische Ordnung, und in solche, welche die anschauliche, zeitlich-r\u00e4umliche Ordnung der Bewusstseinsinhalte im Bewusstsein vermitteln. In Folge dessen ist die Untersuchung der logischen und der zeitlich-r\u00e4umlichen Ordnung der Bewusstseinseinsinhalte im Bewusstsein als ihrem logischen und zeitlich-r\u00e4umlichen Tr\u00e4ger als Aufgabe der Mathematik zu bezeichnen.\nDadurch ist die Basis gewonnen, auf welche die weiter fortschreitende Untersuchung eine einheitliche Entwickelung der mathematischen Begriffe gr\u00fcnden kann. Die Erforschung der logischen Ordnung wird den Begriff der Zahl und mit ihm die Begriffe der Zahlentheorie und Algebra, der allgemeinen Operationenlehre und der von geometrischen Anschauungen befreiten Analysis zu Tage f\u00f6rdern. Die Untersuchung der zeitlich-r\u00e4umlichen Ordnung wird zu dem Begriffe des Baumes und der Zeit und mit ihnen zu den Begriffen der verschiedenartigen geometrischen Disciplinen und der Phoronomie hinf\u00fchren. Es bieten sich folglich in der logischen und in der zeitlich-r\u00e4umlichen Ordnung zwei, von einander fundamental verschiedene Quellen zur Begriffsbildung dar. Trotz dieser Verschiedenheit ist eine Wechselwirkung zwischen den beiden Begriffsarten nicht unm\u00f6glich. Es ist n\u00e4mlich von vornherein zu beachten, dass die Inhalte des Bewusstseins thats\u00e4chlich sowohl logisch als auch anschaulich von uns geordnet werden. Dadurch ist die M\u00f6glichkeit gegeben, dass das Studium der logischen Ordnung durch die mit ihr verkn\u00fcpften anschaulichen Momente und das Studium der anschaulichen Ordnung durch die ihre Erfassung vermittelnden logischen Momente unterst\u00fctzt wird. Eine solche wechselweise Unterst\u00fctzung wird daher keineswegs befremden, sondern ganz naturgem\u00e4\u00df sein.\nDen einheitlichen Ausgangspunkt zu einer Untersuchung der Grundlagen der Mathematik bilden somit die Thatsachen, auf","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik. II.\t383\nwelchen die Ordnung der Bewusstseinsinhalte im Bewusstsein, beruht. Es wird dabei als selbstverst\u00e4ndlich vorausgesetzt, dass man J immer, so oft man auch die aus der Analyse des Gegebenen resul-tirenden Bewusstseinsinhalte ordnend zusammenfasst, in den n\u00e4mlichen Thatsachen die Begr\u00fcndung jener Ordnung findet. Sollte 1 dies bezweifelt werden, so m\u00fcsste die Constanz und allgemeine G\u00fcltigkeit der Thatsachen, auf welche die mathematischen Begriffe sich st\u00fctzen, ausdr\u00fccklich zu einem Axiome ^erhoben werden. Denn, beweisen l\u00e4sst sie sich so wenig wie ihr Gegentheil. Man kann nur sagen, dass es in der menschlichen Natur begr\u00fcndet ist, das Gegebene im Bewusstsein logisch und anschaulich zu ordnen, und man kann nur darauf hinweisen, dass die Thatsachen, auf denen jene Ordnung beruht, nicht nach Belieben in Betracht gezogen oder bei/, Seite gelassen werden k\u00f6nnen, sondern die Bedingungen darstellen, die eine wissenschaftliche Bearbeitung des Gegebenen \u00fcberhaupt erst m\u00f6glich machen. Es zeigt sich somit schon durch die Betrachtung der Thatsachen, welche der Mathematik zu Grunde liegen, die fundamentale Bedeutung, welche der Mathematik, wenigstens in ihren Elementen, neben der Psychologie und Logik f\u00fcr das Ge-sammtgebiet der Wissenschaften zukommt.\n(Fortsetzung folgt.)\nX.\n26*","page":383}],"identifier":"lit4234","issued":"1894","language":"de","pages":"358-383","startpages":"358","title":"Untersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik, Fortsetzung","type":"Journal Article","volume":"9"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:29:01.040798+00:00"}