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{"created":"2022-01-31T14:29:22.975425+00:00","id":"lit4238","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Gruber, Eduard","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 9: 429-446","fulltext":[{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber die Helligkeit der Farben.\nVon\nEduard Gruber.\nEinleitung.\nEs sind vielfach Zweifel dar\u00fcber ge\u00e4u\u00dfert worden, ob eine Vergleichung der Helligkeit einer farbigen und einer farblosen Empfindung mit hinreichender Genauigkeit und Sicherheit m\u00f6glich sei. So schreibt Helmholtz: \u00bbDass man auch verschiedene Farben in Bezug auf ihre Helligkeit vergleichen kann, ist im Vorigen mehrfach erw\u00e4hnt worden. Aber die Sicherheit und Genauigkeit einer solchen Vergleichung erweist sich als eine viel geringere als diejenige, welche hei Vergleichung von Lichtern derselben Farbe erreicht werden kann. Selbst schon bei den sehr geringen Unterschieden des Farbentons, wie sie bei praktisch-photometrischen Messungen von Flammen verschiedener Temperatur und von elektrischen Gl\u00fchlampen verschiedener Stromdichtigkeit Vorkommen, ist die St\u00f6rung sehr merklich. Sollen gar Lichter von sehr weit abweichenden Farbent\u00f6nen mit einander verglichen werden, so w\u00e4chst die Unsicherheit und Verlegenheit der Beobachter in hohem Grade. Sehr erhebliche Unterschiede der Helligkeit zwischen ganz verschiedenen Farben werden allerdings ohne Zweifeln und Schwanken anerkannt. Namentlich kann es nicht zweifelhaft sein, dass, wenn die eine Farbe als die Summe aus der andern und einem andersfarbigen Summanden anzusehen ist, die Summe immer heller als jeder der Theile erscheint. Das zeigt sich, sobald man auf irgend Wundt, Philos. Studien. IX.\t29","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430\nEduard Gruber,\neinem farbig beleuchteten Felde einen Fleck noch mit andersfarbigem Licht beleuchtet.\u00ab\n\u00bbIch selbst muss gestehen, dass ich \u00fcber eine gro\u00dfe Unsicherheit in diesen Vergleichungen nie hinausgekommen bin, obgleich ich in der Vergleichung sehr kleiner Farbenunterschiede bei gleicher Helligkeit und sehr kleiner Helligkeitsunterschiede bei gleicher Farbe andern Beobachtern nicht nachzustehen glaube1).\u00ab\nDem gegen\u00fcber ist es theoretisch nicht ohne Interesse und praktisch z. B. f\u00fcr Contrastversuche nicht unwichtig, die M\u00f6glichkeit einer solchen Vergleichung f\u00fcr verschiedene Helligkeits- und S\u00e4ttigungsstufen verschiedener Farben zu untersuchen. Diese Untersuchung durchzuf\u00fchren, war die Hauptaufgabe der folgenden Arbeit.\nEs k\u00f6nnte dabei die Frage aufgeworfen werden, ob eine Farbe bei Ver\u00e4nderung der S\u00e4ttigung nothwendig auch ihre Helligkeit \u00e4ndert. Bekanntlich hat Hering angenommen, dass jede der von ihm postulirten vier Grundfarben, auch abgesehen von den sie begleitenden Helligkeitsempfindungen, einen erhellenden (Gelb und Both) oder verdunkelnden (Gr\u00fcn und Blau) Einfluss aus\u00fcbt2).\nDiesen Standpunkt Hering\u2019s sucht F. Hillebrand experimentell zu beweisen3). Er kn\u00fcpft an die Thatsache an, dass bei schwacher Beleuchtung farbige Gegenst\u00e4nde farblos gesehen werden. Dabei ver\u00e4ndern sie ihren Helligkeitswerth, wie aus dem allbekannten Purkinje\u2019schen Ph\u00e4nomen hervorgeht. Er bestimmte nun im Dunkelzimmer den Helligkeitswerth eines verschieblichen Ringes von Schwarz und Wei\u00df. Er stellte dann nach den so gefundenen Werthen eine Reihe von Mischungen der Farbe mit Wei\u00df\n1)\tH. v. Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik. Zweite umgearbeitete Auflage. Sechste Lieferung. 1892. S. 428.\n2)\tE. Hering, \u00dcber Holmgren\u2019s vermeintlichen Nachweis der jElementar-empfindungen des Gesichtssinnes in Pfl\u00fcger\u2019s Archiv, Bd. XL. 1887. Hering macht hier folgende Anmerkung: \u00bbIch hatte urspr\u00fcnglich angenommen, dass alle Farbenempfindungen, wenn wir sie ganz rein, d. h. frei von jeder Beimischung der Wei\u00df- und Schwarzempfindung, haben k\u00f6nnten, gleichhell sein m\u00fcssten. Als ich jedoch im Jahre 1882 an die messende Untersuchung der wei\u00dfen Valenz farbiger Pigment- und Spectrallichter ging, \u00fcberzeugte ich mich bald, dass diese Annahme irrig gewesen.\u00ab\n3)\tF. Hillebrand, Ueber die specifische Helligkeit der Farben. Sitzber. der kais. Acad. der Wissensch. in Wien, 1889.","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber die Helligkeit der Farben.\n431\nund Schwarz her, f\u00fcr welche der Helligkeitswerth derselbe h\u00e4tte sein sollen, und verglich diese Scheiben bei Tagesbeleuchtung mit einander. Er fand nun, dass dieselben eine sehr verschiedene Helligkeit zeigten.\nMethode.\nWir haben die Methode der Minimal\u00e4nderungen benutzt. Diese Methode bietet uns die M\u00f6glichkeit der Vergleichung von sehr kleinen Reizunterschieden, und sie ist diejenige, welche am schnellsten zu Resultaten f\u00fchrt. Die Anordnung der Versuche war die folgende. Auf einem Tische in der Entfernung von 2 m von den Augen des Beobachters stehen zwei Farbenkreisel. Der eine derselben ist mit einer Scheibe der auf ihre Helligkeit zu untersuchenden Farbe versehen, welcher nach Umst\u00e4nden bestimmte Sectoren Wei\u00df und Schwarz heigemischt sind. Diese Scheibe bleibt w\u00e4hrend des ganzen Versuches constant. Der andere Farbenkreisel tr\u00e4gt eine wei\u00dfe und eine schwarze Scheibe, welche gegen einander verschiebbar sind und deren eine mit einer Gradeintheilung versehen ist. Es wurde stets die Gr\u00f6\u00dfe der wei\u00dfen Sectoren in Winkelgraden notirt. Beide Scheiben stehen vor einem schwarzen Hintergrund. W\u00e4hrend die Abstufungen vorgenommen werden, sind die Scheiben durch einen schwarzen Schirm den Augen des Beobachters verdeckt. Das Verfahren war ein unwissentliches. Beurtheilt wurde immer die farbige Scheibe in ihrem Verh\u00e4ltniss zur grauen. Die Urtheilsrich-tung war also stets dieselbe. Die Urtheile lauteten: \u00bbheller\u00ab, \u00bbgleich\u00ab, \u00bbdunkler\u00ab. Um den Experimentator \u00fcber die Art der zu w\u00e4hlenden Abstufung zu orientiren, wurde eine n\u00e4here Bestimmung der \u00bbheller\u00ab- und \u00bbdunkler\u00ab-Urtheile angewandt. Die hierf\u00fcr eingef\u00fchrten Bezeichnungen waren haupts\u00e4chlich \u00bbentschieden\u00ab, \u00bbsicher\u00ab, \u00bb ehenmerklich \u00ab.\nSehr st\u00f6rend erwies es sich hei den Versuchen, dass es unm\u00f6glich war, eine \u00f6rtlich und zeitlich constante Beleuchtung herbeizuf\u00fchren. Um diejenigen Fehler, welche durch verschiedene Beleuchtung der beiden Scheiben entstanden, auszugleichen, wurde jeder Versuch in zwei Raumlagen direct hinter einander angestellt. Wenn die Farbenscheibe zuerst rechts vom Beobachter stand, so wurde sie nachher\n29*","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432\nEduard Gruber.\nlinks gestellt. Um allzu gro\u00dfe Aenderungen der Beleuchtung in der Zeit zu vermeiden, und vor allem den \u00e4u\u00dferst st\u00f6renden Sonnenreflexen zu entgehen, war es erforderlich, das Experimentirzimmer nach Norden zu w\u00e4hlen. Die Versuche wurden meist Vormittags von 10\u201412 Uhr angestellt. Nur wenige wurden im Wintersemester von 2\u20144 gemacht.\nDie Versuchspersonen waren Herr Altschul aus Warschau. Elerr Arrer aus Belgrad, Herr Dr. Cohn aus Berlin und Herr Buck aus Stoneham (Massachusetts).\nUm ein Bild der Versuche zu geben, wollen wir als Beispiel das Protocoll eines beliebigen Versuches wiedergeben.\nV. Grundversuch.\nDr. Cohn. 3. Mai. Heller Tag.\n360\n\tI.\tRaumlage.\t\nWei\u00df\tVon Scliwarz an\tWei\u00df\tVon Wei\u00df an\nn rechts:\t\t\t\n30\theller entschieden\t70\tdunkler entschieden\n35\theller\t60\tdunkler\n40\theller\t\u2014 55\tdunkler sicher\n\u2014 45\theller sicher\t53\tdunkler\n46\theller\t+ 52\tgleich\n+ 47\tgleich\t51\tgleich\n48\tgleich besser\t50\tgleich\n49\tgleich\t49\tgleich\n+ 50\tdunkler etwas\t+ 48\theller ebenmerklich\n\u2014 51\tdunkler sicher\t\u2014 47\theller sicher\nl links:\tII. Raumlage.\t\t\n30\theller entschieden\t70\tdunkler entschieden\n35\theller\t60\tdunkler\n40\theller\t\u2014 55\tdunkler sicher\n\u2014 45\theller sicher\t53\tdunkler\n46\theller etwas\t52\tdunkler\n47\theller ebenmerklich\t+ 51\tgleich\n+ 48\tgleich besser\t50\tgleich\n49\tgleich\t+ 49\theller ebenmerklich\n+ 50\tdunkler ebenmerkl.\t\u201448\t\theller sicher\n51\tdunkler\t\t\n\u2014 52\tdunkler sicher\t\t\nArithmetisches Mittel: 49,375. Gleichheitsstrecke: 52\u201447 = 5. Mittlere Variation (im Sinne der Tabellen): 1,375.","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"433\nExperimentelle Untersuchungen \u00fcber die Helligkeit der Farben.\nDurch eine Reihe derartiger Grundversuche wird die Helligkeit einer Farbenseheibe bestimmt. Dabei m\u00fcssen meist die ersten Versuche als Uebungsversuche verworfen werden. Den durch diese Grundversuche gewonnenen Helligkeitswerth legen wir dann den w7eiteren Berechnungen zu Grunde. Wir bestimmen eine Anzahl von Abstufungen, verschiedener S\u00e4ttigung d. h. der Mischungen der Farbe mit Wei\u00df und Schwarz, welche dieselbe Helligkeit besitzen wie die Farbenscheibe, vorausgesetzt, dass die Helligkeit sich mit abnehmender S\u00e4ttigung nicht \u00e4ndert. Haben wir z. B. f\u00fcr den Beobachter Dr. Cohn als Mittel von 5 Versuchen gefunden:\n360\u00b0 Gr\u00fcn = 50\u00b0 Wei\u00df + 310\u00b0 Schwarz,\nso ist:\n7,2\u00b0 Gr\u00fcn = 1\u00b0 Wei\u00df + 6,2\u00b0 Schwarz.\nEs sind also z. B.\n280\u00b0 Gr\u00fcn + 10\u00b0 Wei\u00df + 60\u00b0 Schwarz\n108\u00b0\t\u00bb\t+ 35\u00b0\t\u00bb\t+ 217\u00b0\nan Helligkeit gleich 50\u00b0 Wei\u00df + 310\u00b0 Schwarz oder 360\u00b0 Gr\u00fcn, falls die Helligkeit durch Abnahme der S\u00e4ttigung nicht ge\u00e4ndert wird. Um eine weitere Contr\u00f4le zu gewinnen, wurden dann Versuche mit wechselnder Helligkeit und wechselnder S\u00e4ttigung angestellt. Auch hierbei wurde derjenige Werth berechnet, welcher nach den f\u00fcr die Farbenscheibe gefundenen Werthen zu erwarten war.\nErgebnisse.\nDie Ergebnisse der Versuche wollen wir an dem Beispiel der Versuchstabelle IV erl\u00e4utern. In der ersten Spalte sind diejenigen Versuche, welche aus sp\u00e4ter zu er\u00f6rternden Gr\u00fcnden verd\u00e4chtig erscheinen, mit einem * versehen. Spalte 2 enth\u00e4lt die laufende Nummer des Versuches, Spalte 3 das Datum des Tages, an welchem er angestellt wurde. Dann folgt eine Angabe der w\u00e4hrend des Versuches herrschenden Helligkeit. Die n\u00e4chsten drei Spalten enthalten die constante Zusammensetzung der Farbenscheibe aus Farbe, Wei\u00df und Schwarz. Die darauf folgende erste Spalte der mit \u00bbHelligkeitsscheibe\u00ab bezeichneten Rubrik tr\u00e4gt die Ueberschrift","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\tEduard Gruber.\n\u0153 o\n\nW K a K","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"435\nExperimentelle Untersuchungen \u00fcber die Helligkeit der Farben.\n\u00bb Richtung\u00ab. Da n\u00e4mlich jeder Versuch in jeder Raumlage zwei Reihen enth\u00e4lt, deren eine von einem deutlich helleren, die andere von einem entschieden dunkleren Werthe ausgeht, war es n\u00f6thig, anzugehen, mit welcher von beiden Reihen der Versuch in jeder Raumlage begann. Es bedeutet dabei S ein Beginnen vom dunkleren, W vom helleren Werthe an. Anfangs gingen wir stets von einem dunkleren Grau aus. Erst sp\u00e4ter wechselten wir aus unten n\u00e4her zu besprechenden Gr\u00fcnden den Ausgangspunkt. Unter \u00bbGleichheitsstrecke\u00ab verstehen wir den Abstand zwischen den beiden \u00e4u\u00dfersten unter den 8 Werthen jedes Versuches (vergl. das S. 432 mit-getheilte Versuchsprotocoll). Es sind die beiden extremsten Werthe und der Abstand zwischen ihnen in Winkelgraden der wei\u00dfen Scheibe mitgetheilt. Dann folgt eine \u00bbmittlere Variation\u00ab jener 8 W erthe. Es ist hervorzuheben, dass hier mittlere Variation etwas anderes bedeutet, als man gew\u00f6hnlich unter diesem Ausdruck versteht. Denn die 8 Werthe, aus welchen sie berechnet ist, sind unter sich nicht gleichbedeutend. Doch gibt diese Zahl ein brauchbares Ma\u00df f\u00fcr die Genauigkeit jeder Beobachtung. Das Resultat des Versuches ist in der folgenden Columne unter dem Titel \u00bbarithmetisches Mittel\u00ab (n\u00e4mlich aus jenen 8 Werthen) mitgetheilt. Schlie\u00dflich kommt der nach dem Mittelwerthe der Grundversuche berechnete Werth und die Differenz zwischen beobachtetem und berechnetem Werth. Bei den Tabellen \u00fcber Grundversuche fallen nat\u00fcrlich diese Spalten fort.\nEs ist oben darauf aufmerksam gemacht worden, dass die als mittlere Variation bezeichneten Werthe der Tabellen dem Begriffe der mittleren Variation nicht entsprechen. Nun ist es aber m denjenigen F\u00e4llen, in denen eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl von Versuchen ann\u00e4hernd dasselbe Mittel ergehen, d. h. bei den Grundversuchen und den Controlversuchen mit constanter Helligkeit, m\u00f6glich, eine mittlere Variation im strengen Sinne des Wortes zu berechnen. Bei dem gro\u00dfen Interesse, das diese Werthe gerade bei der Methode der Minimal\u00e4nderungen besitzen, wollen wir sie hier mittheilen.","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"Mittlere Variationen.\n436\nEduard Gruber.\no o o\npq 0 O\nei[onsj9^ J9p\nn*z\n\u00a3 > x.\n* >","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber die Helligkeit der Farben.\t437\nEs sind in dieser Tabelle f\u00fcr die Bildung der Mittelwerthe und der dazu geh\u00f6rigen mittleren Variationen (MV) immer nur die zusammengeh\u00f6rigen Zahlen benutzt worden, also die ersten Gleich-heitswerthe von dunkler, resp. heller an, und die zugeh\u00f6rigen Werthe ebenheller, resp. ebendunkler. Da jeder Versuch zwei Werthe von jeder dieser Classen, den zwei Raumlagen entsprechend, enth\u00e4lt, sind die Mittelwerthe also aus einer doppelt so gro\u00dfen Zahl von Bestimmungen gezogen, als die Zahl der Versuche angibt. Nebenbei sei hier bemerkt, dass ein constanter Unterschied zwischen beiden Raumlagen nicht stattfindet.\nWas die Mittelwerthe betrifft, so f\u00e4llt auf, dass bei Dr. Cohn die Gleichheitswerthe von heller an und die Werthe von dunkler an, sowie das entsprechende andere Werthepaar je unter sich nahezu \u00fcbereinstimmen. Bei den anderen Beobachtern findet eine solche Uebereinstimmung nicht statt. Dass die Gleichheitswerthe dunkler sind, wenn man von einem dunkleren, heller, wenn man von einem helleren Werth ausgeht, war zu erwarten.\nBemerkenswerth ist, dass die mittleren Variationen bei den Grundversuchen f\u00fcr Gelb (Herr Arrer, Zeile 8) besonders gro\u00df sind. Da Gelb bedeutend heller ist als die anderen benutzten Farben, und die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Helligkeiten dem Weber\u2019schen Gesetze folgt, so war auch ein solches Verhalten zu erwarten.\nDie auff\u00e4llige Gr\u00f6\u00dfe der MV bei den Versuchen mit Blau f\u00fcr Dr. Cohn erkl\u00e4rt sich daraus, dass diese Versuche den \u00fcbrigen zeitlich vorangingen und daher der Beobachter noch unge\u00fcbt war. Dazu kommt, dass diese Versuche in einem ung\u00fcnstig gelegenen Experimentirzimmer unter dem st\u00f6renden Einfluss der Sonne ausgef\u00fchrt wurden. Bei denjenigen Versuchsreihen des Dr. Cohn, bei welchen die Experimente immer in derselben Richtung angestellt wurden, zeigt sich eine regelm\u00e4\u00dfige Abnahme der MV vom ersten zum letzten Werthe (Tabelle, Zeile 1, 2, 4). Es weist dies auf eine gewisse Uebung innerhalb jedes einzelnen Versuches hin. Eine \u00e4hnliche Erscheinung ist bei den anderen Beobachtern nicht zu bemerken. Nur f\u00fcr Herrn Buck, Zeile 11, zeigt sich der ebenhellere bez. ebendunklere Werth genauer bestimmt als der ihm voraufgehende Gleichheits werth.","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nEduard Gruber.\nBei Herrn Arrer zeigt sich theilweise die entgegengesetzte Erscheinung. Oh dies auf Erm\u00fcdung zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, ob es auf Zuf\u00e4lligkeiten beruht, oder wie es etwa sonst zu erkl\u00e4ren, muss dahingestellt bleiben. Man k\u00f6nnte meinen, dass die Verschiedenheit der MV auf eine verschiedene Gr\u00f6\u00dfe der Abstufungen in den verschiedenen Abtheilungen jedes Versuches zur\u00fcckzuf\u00fchren sei. Es wurde jedoch darauf geachtet, dass die Wahl der Abstufungen innerhalb jedes Versuches m\u00f6glichst gleichf\u00f6rmig geschehe, wie der S. 432 als Beispiel aufgef\u00fchrte Versuch zeigt. Da bei den Versuchen von Herrn Altschul, welche denen der \u00fcbrigen Beobachter vorausgingen, m\u00f6glicher Weise eine unbeabsichtigte Beeinflussung durch die Manipulationen des Experimentators stattfand, die sich in der auffallenden Kleinheit der MV zu verrathen schien, so sind diese Versuche unber\u00fccksichtigt gebliehen. Bei den weiteren Versuchen wurde daher auch darauf Bedacht genommen, die M\u00f6glichkeit einer solchen Beeinflussung auszu-schlie\u00dfen.\nDas Gesammtergehniss der Versuche mit constanter Helligkeit ist, dass eine blo\u00dfe S\u00e4ttigungs\u00e4nderung keine Aenderung der Helligkeit bewirkt. Wir hatten n\u00e4mlich wechselnde Theile der Farbenscheibe durch ein mit der Farbe gleichhelles Grau ersetzt, und dabei immer denselben Helligkeitswerth erhalten, wie f\u00fcr die farbige Scheibe. Dies Resultat widerspricht an sich nicht der Annahme einer specifischen Helligkeit der Farben. Denn wir hatten ja nicht die sogenannte wei\u00dfe Valenz, d. h. die Einwirkung der Pigmentscheibe auf die schwarz-wei\u00dfe Substanz durch unsere Grundversuche bestimmt, sondern den gesammten Helligkeitseindruck der farbigen Scheibe. Ersetzen wir daher einen T'heil der Farbe durch das entsprechende Grau, so haben wir damit neben der wei\u00dfen Valenz auch eine etwa vorhandene specifische Helligkeit ausgeglichen. Wir k\u00f6nnen ja durch die blo\u00dfe Empfindung, auch nach der Theorie von Hering, niemals unterscheiden, wie viel von dem gesammten Helligkeitseindruck einer Farbe auf jeden dieser beiden Factoren kommt. Ebenso wenig liegt aber in diesen Versuchen etwas, was f\u00fcr die Theorie der specifischen Helligkeit spr\u00e4che. Jedenfalls ist soviel erwiesen, dass man bei Contrastversuchen, oder in \u00e4hnlichen F\u00e4llen, den durch Grundversuche bestimmten Helligkeitswerth einer","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber die Helligkeit der Farben.\t439\nFarbe noch zur Berechnung der Helligkeit von Mischungen dieser Farbe mit Wei\u00df und Schwarz verwenden kann.\nUm dieses Resultat einwandfreier zu machen, wurden Versuche mit wechselnder Helligkeit der Farbenscheibe angestellt. Es wurde also eine beliebige Menge Wei\u00df oder Schwarz oder beides der Farbenscheibe zugesetzt, und dann nach derselben Methode die Helligkeit berechnet und experimentell bestimmt.\nEs zeigte sich bei den ersten Versuchen dieser Art sowohl bei Herrn Dr. Cohn wie bei Herrn Ar rer eine starke Abweichung der beobachteten von den berechneten Werth en, und zwar waren bei Zusatz von Wei\u00df die beobachteten Werthe fast stets zu dunkel. Bei Zusatz von Schwarz waren die Abweichungen bedeutend geringer. Bei Herrn Arrer kommen sie fast gar nicht vor (siehe Tabelle XI), und nur in einem Falle (Versuch IV, Tabelle III) be-urtheilte Dr. Cohn die Scheibe bedeutend zu hell. Dieses Resultat musste zun\u00e4chst in Erstaunen setzen, und es handelte sich darum, eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr dieses merkw\u00fcrdige Verhalten zu finden. Da besonders bei hellen unges\u00e4ttigten Farben ein sehr starker Contrast auftrat, so lag es nahe, diesen f\u00fcr das st\u00f6rende Element zu halten. Es wurden daher f\u00fcr Gr\u00fcn mit Herrn Dr. Cohn eine Anzahl Versuche zur Ausschlie\u00dfung des Contrastes angestellt. Und zwar wurde zun\u00e4chst die graue Scheibe so gew\u00e4hlt, dass ihre Helligkeit der berechneten Helligkeit der Farbenscheibe gleich war; dann wurde gem\u00e4\u00df der f\u00fcr Gr\u00fcn gefundenen Helligkeitsgleichung ein bestimmter Sector, Wei\u00df und Schwarz, durch Gr\u00fcn ersetzt, und dies so lange vergr\u00f6\u00dfert, bis der r\u00f6thliche Schimmer verschwunden war. Die beiden Scheiben erschienen dann gleich hell. Darauf wurde die so gefundene Zusammensetzung der grauen Scheibe constant gehalten, und ausnahmsweise die gr\u00fcne Scheibe in der gewohnten Weise variirt. Es zeigte sich dann, dass der beobachtete Mittelwerth dem berechneten hinreichend genau entsprach. Wir lassen eine tabellarische Uebersicht dieser Versuche hier folgen.","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nEduard Gruber.\nNummer der Versuche\tDatum\tHellig- keit des Tages\tGr\u00fcne Scheibe constant\t\tGraue Scheibe proportional variabel\t\t\tUrtheile \u00fcber Helligkeit und Farbencontrast\t\n\t\t\tgr\u00fcn\twei\u00df\tgr\u00fcn\twei\u00df\tschwarz\t\t\ni\t6. Juni\tHell\t90\t270\t50\t275,5\t35,5\tGleich.\tKein Contrast\nii\t7.\t\u00bb\tHell\t135\t225\t45\t237,5\t77,5\tGleich.\tKein Contrast\nui\t2. >.\tHell\t180\t180\t40\t199,0\t121,0\tGleich.\tKein Contrast\nNummer der Versuche\tDatum\tHellig- keit des Tages\tGraue Scheibe constant\t\t\tGr\u00fcne Scheibe abstufungsweise variabel\t\t\tBerech- netes Mittel der Hellig- keit\tDifferenz\n\t\t\tgr\u00fcn\twei\u00df\tschwarz\tgr\u00fcn\twei\u00df\tRich- tung\t\t\ni\t8. Juni\tHell\t50\t275,0\t35,0\tS7,5\t273,5\tTV\t270\t\u2014(\u2014 3,500\nii\t9. \u00bb\tHell\t45\t237,5\t77,5\t132,375\t227,625\t(xV\t225\t+ 2,625\nhi\t5.\t\u00bb\tHell\t40\t199,0\t121,0\t181,875\t178,125\tGr\t180\t\u2014 1,875\nEs h\u00e4tte also scheinen k\u00f6nnen, als ob der Contrast die starke Abweichung der Werthe verschuldete. Sicherlich erschwerte der Contrast das Urtheil, da nicht mehr eine Farbe mit Grau, sondern mit der Complement\u00e4rfarbe verglichen werden musste. Indessen zeigte sich bei Wiederholung der Versuche mit wechselnder Helligkeit gleichm\u00e4\u00dfig f\u00fcr beide Beobachter eine Abnahme der Abweichungen. Gleichzeitig traten auch Abweichungen nach der entgegengesetzten Richtung (cf. Tabelle IV und XII).\nEs dr\u00e4ngt sich daher eine andere Erkl\u00e4rung der anf\u00e4nglichen Abweichungen auf. Die Beobachter waren gew\u00f6hnt, ein gewisses Grau der Farbenscheibe gleich zu sch\u00e4tzen, da ja zahlreiche Grundversuche und Versuche mit constanter Helligkeit vorangegangen waren. Sie waren daher gewisserma\u00dfen auf dies Grau eingestellt. Wie weit eine solche Einstellung gehen kann, zeigte sich einmal bei dem weniger ge\u00fcbten Beobachter Herrn Arrer in h\u00f6chst auff\u00e4lliger Weise. Es sollte ein Versuch mit constanter Helligkeit","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber die Helligkeit der Farben.\n441\nausgef\u00fchrt werden, und zwar war beabsichtigt, der blauen Scheibe 10\u00b0 Wei\u00df und 61\u00b0 Schwarz zuzusetzen. Aus Versehen wurde statt dessen 10\u00b0 Schwarz und 61\u00b0 Wei\u00df zugesetzt. Dabei wurde nun, mit einem sehr kleinen Unterschiede, fast derselbe Helligkeitswerth als gleich beurtheilt, der bei richtiger Anstellung des Versuches zu erwarten gewesen w\u00e4re. Allerdings glaubte der Beobachter in diesem Falle, dass es sich um einen Versuch mit constanter Helligkeit handelte. Auch wurden seine Urtheile h\u00f6chst unsicher und schwierig gegeben. In schw\u00e4cherem Ma\u00dfe mag \u00e4hnliches auch bei den \u00fcbrigen abweichenden Werthen der Fall gewesen sein.\nUm ein Urtheil dar\u00fcber zu gewinnen, wie sich die Vergleichung der Helligkeiten verschiedener Farben zu der Vergleichung der Helligkeiten derselben Farbe in Bezug auf die Genauigkeit und Sicherheit verh\u00e4lt, wurden einige besondere Versuche angestellt. F\u00fcr den Beobachter Dr. Cohn hatten die verwendeten gr\u00fcnen und rothen Scheiben dieselbe Helligkeit (50\u00b0 Wei\u00df + 310\u00b0 Schwarz). Es wurde nun eine Scheibe von 260\u00b0 Roth und 100\u00b0 Wei\u00df erst mit einer aus Gr\u00fcn und Wei\u00df, dann mit einer aus Roth und Wei\u00df zusammengesetzten Scheibe verglichen, ebenso eine andere von 310\u00b0 Gr\u00fcn und 50\u00b0 Wei\u00df mit einer rothwei\u00dfen und einer griin-wei\u00dfen Scheibe. Die Resultate waren folgende :\nConstante Scheite\tVariable Scheibe\t\t\t\n\tArithmetisches Mittel (als gleich beurtheilt)\tGleichheits- strecke\tMittlere Variation\tDifferenz\n260\u00b0 Roth + 100\u00b0 Wei\u00df\t265,666 Gr\u00fcn + 94,444 Wei\u00df\t105 \u2014 80 = 25\t6,611\t\u2014 5,666\n)) \u00bb\t261,25 Roth+ 98,75 Wei\u00df\t105 \u201495 = 10\t2,875\t\u2014 1,250\n310\u00b0 Gr\u00fcn + 50\u00b0 Wei\u00df\t308,75 Roth+ 51,25 Wei\u00df\t60 \u2014 45 = 15\t6,250\t+ 1,250\n)) \u00bb\t307,75 Gr\u00fcn+ 52,25 Wei\u00df\t60\u201445 = 15\t3,750\t+ 2,250\nDie Versuche wurden genau in derselben Weise wie alle anderen angestellt. Ebenso bedeuten die Werthe in der obigen Tabelle dasselbe wie sonst. Es zeigte sich danach, dass die mittlere Variation des einzelnen Versuches bei verschiedenen Farben in etwa","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nEduard Gruber.\n15\u20142,5 F\u00e4llen zehnmal so gro\u00df war als bei derselben Farbe. Bei einer Vergleichung einer Scheibe von 300\u00b0 Gr\u00fcn und 60\u00b0 Wei\u00df mit einer farblosen Scheibe hatte die mittlere Variation (Tabelle IV, Zeile 12) sogar nur 3,75\u00b0 betragen, war also nicht gr\u00f6\u00dfer als bei Vergleichung gleichfarbiger Scheiben. Ebenso war f\u00fcr einen Versuch mit 270\u00b0 Roth und 90\u00b0 Wei\u00df (Tabelle XVI, Zeile 3) die mittlere Variation nur 2,312\u00b0; entspricht also ebenfalls ungef\u00e4hr der f\u00fcr Vergleichung gleichfarbiger Scheiben gefundenen. Dasselbe gilt f\u00fcr die Gleichheitsstrecke und die Abweichungen der beobachteten und berechneten Werthe. Es l\u00e4sst sich hier sogar ein Vortheil f\u00fcr die Vergleichung gleichfarbiger Scheiben nicht deutlich nachweisen, was indessen m\u00f6glicherweise in der geringen Zahl dieser Versuche seinen Grund hat. Jedenfalls ist Feinheit und Sicherheit der Beobachtung f\u00fcr verschiedene farbige Scheiben nicht sehr bedeutend geringer als f\u00fcr gleichfarbige.\nAllm\u00e4hlich gelang es, diese falsche Einstellung v\u00f6llig zu \u00fcberwinden.\nDass bei sehr hellen Werthen die mittleren Variationen der Einzelversuche im Sinne der Tabellen zunehmen, bei dunklen Werthen abnehmen, entspricht wiederum dem Weber sehen Gesetze.\nWir haben daher gesehen, dass die Unsicherheit in der Helligkeitsvergleichung von Farben mit Grau nicht so gro\u00df ist, wie Helmholtz anzunehmen scheint. War es uns doch m\u00f6glich, bei geh\u00f6riger Uebung der Beobachter die Vergleichungen bis auf einen oder wenige Grade genau durchzuf\u00fchren.\nVersuche im Dunkelzimmer und mit einem Farbenblinden.\nEs war nun interessant, mit den bei Tagesbeleuchtung bestimmten Werthen diejenigen zu vergleichen, die f\u00fcr dieselben Pigmentscheiben und dieselben Beobachter nach Bering\u2019s und Hillebrand\u2019s Methode bei schwacher Beleuchtung sich ergeben. Die Farbenkreisel wurden daher in das Dunkelzimmer gesetzt, in welches nur ein schmaler, mit einer Milchglasplatte verdeckter Spalt ein schwaches diffuses Licht einlie\u00df. Nachdem der Beobachter sein Auge l\u00e4ngere Zeit der schwachen Beleuchtung adaptirt hatte, erschien die farbige Scheibe grau, und konnte nun genau mit einem","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber die Helligkeit der Farben.\n443\nGrau der schwarz-wei\u00dfen Scheibe verglichen werden. Die Bestimmung geschah in derselben Weise, wie bei unseren anderen Versuchen. Die Ergebnisse der Versuche sind in der nebenstehenden Tabelle zusammengestellt.\nEs zeigt sich dabei, dass, ganz den Hillehrand\u2019schen Angaben und dem Verhalten der Farben beim sogenannten Purkinje\u2019schen Ph\u00e4nomen entsprechend, Roth und Gelb relativ dunkler, Gr\u00fcn und Blau relativ heller erscheinen als hei Tagesbeleuchtung. Nach Hering sollte Gelb relativ st\u00e4rker verdunkelt, Blau relativ st\u00e4rker erhellt erscheinen als Roth resp. Gr\u00fcn. Dies zeigt sich bei unseren Versuchen nicht, doch ist m\u00f6glicherweise das abweichende Resultat in der verschiedenen S\u00e4ttigung der verschiedenen verwendeten Farben begr\u00fcndet.\nInteressant ist, dass das Pur-kinje\u2019sche Ph\u00e4nomen nicht nur durch eine verschieden starke, relative Verdunkelung der verschiedenen Farben im Vergleich zu Grau bewirkt wird, sondern dass Gr\u00fcn und Blau eine relative Erhellung gegen Grau zeigen. Demnach scheint hier das Hinzukommen der farbigen Erregung eine Verdunkelung des Gesammt-eindrucks zu bewirken. Dies w\u00fcrde mit Hering\u2019s Ansicht \u00fcbereinstim-stimmen, dass Gr\u00fcn und Blau, welche nach seiner Ansicht Assimilations-","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nEduard Gruber.\nprocessen entsprechen, neben der Farbenempfindung eine Dunkelempfindung ausl\u00f6sen. Dennoch ist ein Beweis f\u00fcr die Annahme einer specifischen Helligkeit der Farben auch hierin nicht zu finden, da die Zunahme der Helligkeit einer Farbe hei wachsender Lichtst\u00e4rke stets von dem relativen Wachsthum der Farhenerregung im Vergleich mit der farblosen Erregung abh\u00e4ngig sein wird. Die Erscheinung kann also ebenso gut davon herr\u00fchren, dass bei Gr\u00fcn und Blau dieses relative Wachsthum mit zunehmender Lichtst\u00e4rke langsamer erfolgt als bei Roth und Gr\u00fcn.\nEs ist mehrfach, und besonders von Hering und Ebbinghaus, hervorgehoben worden, dass das Verschwinden der Farbe bei schwacher Beleuchtung dem Sehen des Farbenblinden entsprechend erfolge. Da n\u00e4mlich dem Farbenblinden bei denjenigen Farben, f\u00fcr welche ihm die Empfindung fehlt, nur die Erregung der schwarzwei\u00dfen Substanz \u00fcbrig bleibt, so muss die Helligkeit der Farben im Vergleich zu Grau derjenigen Helligkeit entsprechen, welche der normal Sehende bei schwacher Beleuchtung hat, wenn auch f\u00fcr ihn keine Erregung der farbenempfindenden Substanz *) mehr merkbar wird. Es m\u00fcsste demnach z. B. einem Rothgr\u00fcnblinden Gr\u00fcn heller, Roth dunkler erscheinen, als dem Farbent\u00fcchtigen.\nEs war uns nun m\u00f6glich, in Herrn stud. phil. Buck einen Fall von typischer Rothgr\u00fcnblindheit aufzufinden. Im Spectrum sah er, wie ich unter der g\u00fctigen Mitwirkung des Herrn Mentz feststellte, nur 2 Farben, die er als Gelb und Blau bezeichnete. Das Spectrum war am rothen Ende stark verk\u00fcrzt, bis fast in die Gegend der Z)-Linie. Die beiden Farben stie\u00dfen in der Gegend der L'-Linie zusammen und bildeten hier einen Bezirk, in welchem die Empfindung zwischen beiden schwankte. Auf der violetten Seite war das Spectrum nicht verk\u00fcrzt.\nDie Grundversuche f\u00fcr Gr\u00fcn ergaben einen Mittelwerth von 44\u00b0 Wei\u00df (s. Tabelle VII), also einen um etwa 6\u00b0 dunkleren Mittelwerth als den f\u00fcr die farbent\u00fcchtigen Beobachter erhaltenen. Die Controlversuche mit wechselnder Helligkeit und S\u00e4ttigung,\n1) Wenn wir von schwarz-wei\u00dfer Substanz oder farbenempfindender Substanz sprechen, so geschieht dies nur des bequemen Ausdrucks wegen, ohne dass wir damit etwas \u00fcber die physische Grundlage der betreffenden Empfindungen aussagen wollen.","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber die Helligkeit der Farben.\t445\nwelche in derselben Weise wie bei den farbent\u00fcchtigen Beobachtern angestellt wurden, zeigen \u00fcberall etwas zu helle Werthe. Die Abweichung ist nicht \u00fcberm\u00e4\u00dfig gro\u00df, jedoch in ihrer Richtung auff\u00e4llig constant; sie w\u00fcrde bedeutend geringer werden und diese auffallende Eigenschaft verlieren, wenn man der Berechnung die f\u00fcr Farbent\u00fcchtige gefundenen Werthe zu Grunde legte. Jedenfalls hat sich in keinem der Versuche eine Erhellung im Vergleich zum Farbent\u00fcchtigen gezeigt, w\u00e4hrend im Dunkelzimmer Gr\u00fcn um 13,5\u00b0 erhellt erschien.\nSollten sich diese Ergebnisse bei der Pr\u00fcfung weiterer Farbenblinder best\u00e4tigen, so w\u00fcrden sie jedenfalls mit der Annahme einer specifischen Helligkeit der Farben schwer vereinbar sein. Die Abreise des Herrn Buck aus Leipzig verhinderte uns leider daran, die Versuche mit ihm auch f\u00fcr andere Farben durchzuf\u00fchren.\nZusammenfassung der Ergebnisse.\n1)\tEine exacte Vergleichung von Farben in Bezug auf ihre Helligkeit ist m\u00f6glich, und zwar scheint bei geh\u00f6riger Uebung des Beobachters und Einhaltung exacter psychophysischer Ma\u00dfmethoden die Genauigkeit und Sicherheit bei Vergleichung einer farblosen und einer farbigen oder zweier verschiedenfarbiger Scheiben nicht bedeutend geringer zu sein, als bei Vergleichung zweier gleichfarbiger Scheiben. Die mittleren Variationen der Einstellungen geben ein gewisses Ma\u00df der Uebungs- und Erm\u00fcdungseinfl\u00fcsse.\n2)\tIn Bezug auf die Frage der \u00bbspecifischen Helligkeit\u00ab geben die an normalsichtigen Individuen angestellten Versuche kein Resultat. Denn die Ergebnisse der Versuche am Farbenkreisel lassen sich mit jeder Theorie vereinigen, sie sind zweideutig. Die Versuche im Dunkelzimmer enthalten lediglich eine Modification des Purkinje\u2019schen Versuchs. Dieser ist aber ebenfalls zweideutig: er kann ebenso gut aus dem verschiedenen relativen Wachsthum der farblosen und der farbigen Erregungs-curve bei den verschiedenen Farben erkl\u00e4rt werden, und diese Erkl\u00e4rung ist sogar die n\u00e4her liegende: erstens in Anbetracht des Umstandes, dass man jede Erregung aus einer farbigen\nWundt, Pliilos. Studien. IX.\t30","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446 Eduard Gruber. Experimentelle Untersuchungen \u00fcber die Helligkeit der Farben.\nund einer farblosen Componente zusammengesetzt denken muss, und es von vornherein sehr unwahrscheinlich w\u00e4re, dass diese sich hei jeder Wellenl\u00e4nge \u00fcbereinstimmend zu einander verhielten; zweitens wegen des bekannten Einflusses der Helligkeit auf die S\u00e4ttigung, wonach Zunahme der Helligkeit von einem gewissen Punkte an Abnahme der specifischen Farbenempfindung bez. Zunahme der farblosen Empfindung verursacht.\n3)\tDie Versuche am Farbenblinden widersprechen direct der Annahme der \u00bbspecifischen Helligkeit\u00ab. Es w\u00fcrde aber w\u00fcnschens-werth sein, dass solche Versuche an Farbenblinden in weiterem Ma\u00dfstabe ausgef\u00fchrt w\u00fcrden. Sie allein k\u00f6nnen die Frage zur Entscheidung bringen.\n4)\tDer Farbencontrast wirkt erschwerend auf die Vergleichung ein, ohne aber das Resultat der Versuche zu \u00e4ndern.\nSchlie\u00dflich f\u00fchle ich das Bediirfniss, Herrn Professor Wundt und Herrn Privatdocent Dr. K\u00fclpe f\u00fcr die Anregung zu dieser Arbeit und die mir w\u00e4hrend derselben gew\u00e4hrten werthvollen Rathschl\u00e4ge, sowie meinen Versuchspersonen, besonders Herrn Dr. Cohn, f\u00fcr ihre Theilnahme an den Untersuchungen auch an dieser Stelle meinen Dank auszusprechen.","page":446}],"identifier":"lit4238","issued":"1893","language":"de","pages":"429-446","startpages":"429","title":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber die Helligkeit der Farben","type":"Journal Article","volume":"9"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:29:22.975430+00:00"}