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{"created":"2022-01-31T15:59:10.175847+00:00","id":"lit4243","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Meumann, Ernst","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 12: 127-254","fulltext":[{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\nVon\nErnst Meumann.\nDritte Abhandlung.\nMit 7 Figuren im 'Text.\n-Den Inhalt der vorliegenden Abhandlung bildet ein Versuchs-cyclus \u00fcber T\u00e4uschungen des Zeitbewusstseins, die beim Absch\u00e4tzen und Vergleichen verschieden ausgef\u00fcllter Zeitstrecken auftreten.\nIch unterbreche mit dieser Abhandlung den systematischen \u00fcang, den nach meinem urspr\u00fcnglichen Plan die von mir ver\u00f6ffentlichten Untersuchungen zur Psychologie des Zeithewusstseins einhalten sollten.\nDie Versuche, die ich hier als Basis zu einer k\u00fcnftigen Erkl\u00e4rung der charakteristischen T\u00e4uschungen der Zeitsch\u00e4tzung \u2019durch differente Zeitausf\u00fcllung\u00ab (wie ich es kurz bezeichnen will) mittheile, wurden zum gr\u00f6\u00dften Theil schon 1892 und 1893 vollendet. Wenn ich sie bis heute nicht ver\u00f6ffentlicht habe, so entsprach das der erw\u00e4hnten Absicht, die Ergebnisse meiner Untersuchungen \u00fcber die Psychologie des Zeitbewusstseins1) in systematischer Folge erscheinen zu lassen, Inzwischen haben mich mehrfache Missverst\u00e4ndnisse meiner Ansichten und Absichten, sowie\n. k * * ' ' vermeide von jetzt an den Ausdruck \u00bbZeitsinn\u00ab, weil man immer wieder Ihh lrten Auseinantlersetzunoen dar\u00fcber begegnet, dass der Zeitsinn kein \u00bbeigent-er\u00ab \u00bbSinn\u00ab (sense) sei, dass es kein Sinnesorgan des Zeitsinns gebe u. s. w. Wundt, Philos. Studien. XU.\to","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nErnst Meumann.\ndie lange Verz\u00f6gerung, welche die Bearbeitung dieses umfangreichen Gebietes den Ver\u00f6ffentlichungen meiner fr\u00fcheren Experimente auferlegen w\u00fcrde, dazu bestimmt, die bisher zum Abschluss gebrachten Versuchsreihen in rascher Folge herauszugehen.\nDa sich die einzelnen Versuchsgruppen vielfach unter einander erg\u00e4nzen, so sehe ich mich gen\u00f6thigt, einerseits solche erg\u00e4nzende Versuche (bzw. die Ergebnisse derselben), die einem anderen Gedankenzusammenhang entsprungen sind, vielfach einzuschieben, andrerseits eine ersch\u00f6pfende theoretische Verwerthung der gewonnenen Ergebnisse erst am Schluss der ganzen Ver\u00f6ffentlichung zu entwickeln.\nSogleich im Beginne meiner Versuche \u00fcber Zeitsch\u00e4tzungen (im Winter 1891/92) dr\u00e4ngte sich mir die Wahrnehmung auf, dass die Sch\u00e4tzung kleinster, durch blo\u00dfe begrenzende Reize markirter Zeitintervalle als ein besonderer Fall der Zeitsch\u00e4tzung von derjenigen mittlerer und gr\u00f6\u00dferer Zeitstrecken unterschieden werden m\u00fcsse. Es geht das einerseits aus den Aussagen der Versuchspersonen, aus den Ergebnissen der Selbstbeobachtung hervor und wird andrerseits auch in den objectiven Versuchsresultaten durch das Eintreten anderer constanter Fehler bei mittleren und gr\u00f6\u00dferen Zeitstrecken best\u00e4tigt. Ich charakterisirte schon fr\u00fcher die Beurtheilung solcher kleinster Zeitstrecken auf einander folgender Sinneseindr\u00fccke dadurch, dass sie mehr eine Auffassung der Successionsgeschwindigkeit der Eindr\u00fccke selbst, als eine Perception der Dauer des zwischen ihnen liegenden Intervalls bzw. der Dauer des durch sie selbst sammt dem Intervall repr\u00e4sentirten Zeitganzen sei.\nDiese meine \u00dcnterscheidung vorwiegender Auffassung der Successionsgeschwindigkeit der begrenzenden Eindr\u00fccke und vorwiegender Beurtheilung der Dauer und des Gesammtverlaufs der ein Zeitintervall begrenzenden und ausf\u00fcllenden Erlebnisse ist aber nicht dahin misszuverstehen, dass alle Beurtheilung kleinster Zeiten eine Beurtheilung. der Successionsgeschwindigkeit von Eindr\u00fccken sei. Es kommt auch hierbei darauf an, wie uns die Zeiten durch die Sinneseindr\u00fccke repr\u00e4sentirt werden. Die erstere Auffassung ist nur dann vorhanden, wenn die Zeitgr\u00f6\u00dfen durch zwei begrenzende Empfindungen hergestellt werden. Es gelingt aber durch Herstellung der Zeiten mittels T\u00f6ne, continuirlicher Ger\u00e4usche,","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstsejns.\t129\ncontinuirlicher Licht- und Tasteindr\u00fccke die eigentliche Dan Sch\u00e4tzung auch bis zu kleinsten Zeiten hinabzuf\u00fchren, wo schlie\u00dflich dadurch eine Grenze gesetzt wird, dass der Eindruck der Dauer dem des Momentanen, des einzelnen Tonsto\u00dfes, Lichtblitzes u. s. w. Platz macht-).\nSchon aus den bisherigen Bemerkungen folgt die Berechtigung, die Untersuchung kleinster Successionszeiten als die Behandlung eines speciellen Thatsachengebietes unserer Zeitsch\u00e4tzung abzutrennen, womit ich in meiner ersten Ver\u00f6ffentlichung von Experimenten \u00fcber \u00bbden Zeitsinn\u00ab einen Anfang gemacht habe (Philos. Stud. IX, S. 264 ff.). Einerseits um diese Berechtigung aufs Neue zu erweisen, andererseits um eine Anzahl Thatsachen vorauszuschicken, auf die ich im Folgenden \u00f6fter zur\u00fcckgreifen muss, theile ich hier schon einige Ergebnisse mein\u00e8r weiteren Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzungen kleinster Successionszeiten mit.\nDie gr\u00f6\u00dften Successionsgeschwindigkeiten noch discontinuirlich wahrgenommener Sinneseindr\u00fccke zeichnen sich durch zwei sehr markante Eigenth\u00fcmlichkeiten aus. Erstens gewinnen rein sinnliche Factoren bei ihnen einen gro\u00dfen Einfluss auf die Zeitsch\u00e4tzung, die bei mittleren und gr\u00f6\u00dferen Zeiten ganz zur\u00fccktreten. Die Zeiten sind hier recht eigentlich Gesichtszeiten, Geh\u00f6rszeiten, Tastzeiten.\nZweitens gibt es eine Anzahl eigenth\u00fcmlicher Aufmerksamkeits-thatsachen, die hier ver\u00e4ndernd in die Zeitsch\u00e4tzung eingreifen, die nur bei kleinsten Successionszeiten sich geltend machen, und die von speciellen Beziehungen der Empfindungen verschiedener Sinne und des Qualit\u00e4ts- und Intensit\u00e4tswechsels der Empfindungen zur Aufmerksamkeit herr\u00fchren.\nStellt man kleinste Zeitstrecken (etwa bis 0,5 Sec.) durch momentane zeitbegrenzende Eindr\u00fccke her, so ist der Ausfall der Urtheile ein verschiedener, je nachdem man die Empfindungen\n.. Ie** 1 babe fr\u00fcher drei elementare Thatbest\u00e4nde in der Wahrnehmung zeit-ic er Verh\u00e4ltnisse angenommen: die Wahrnehmung der Dauer eines Eindruckes er Aufeinanderfolge mehrerer Eindr\u00fccke und der Wiederkehr in der Zeit. Ich fr\u00fch6 Gl\u00dcnde\u2019 nunmebr auch die Wahrnehmung der Gleichzeitigkeit (die ich ?o., er,m^ in dem zweiten Thatbestand inbegriffen glaubte) als vierte elementare\n1 wahrnehmungsthatsache*abzutrennen.\n9*","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nErnst Meumann.\neines oder des anderen Sinnesgebietes zur Begrenzung der Zeiten w\u00e4hlt, je nachdem diese Empfindungen mehr oder weniger intensiv sind, je nachdem sie (wie insbesondere die Schallempfindungen mit ihren rhythmischen Ph\u00e4nomenen) Beziehungen zu Aufmerksamkeitsvorg\u00e4ngen besitzen. Vergleicht man ferner zwei kleinste Intervalle unter einander, die je von zwei Empfindungen verschiedener Sinne begrenzt sind, z. B. ein Ger\u00e4uschintervall mit einem Lichtintervall u. s. w., so ergibt sich, dass die objectiv gleichen Zeitintervalle der verschiedenen Sinne subjectiv in hohem Grade ungleich erscheinen. Diese Ungleichheit hat, wie schon K\u00fclpe, auf meine Untersuchungen gest\u00fctzt, ausf\u00fchrte, die Bedeutung einer einfachen Incongruenz der kleinsten Zeitstrecken verschiedener Sinne, die wahrscheinlich durch die Zeitverh\u00e4ltnisse der Empfindungen selbst wesentlich, wenn auch nicht ausschlie\u00dflich bedingt ist. Im einzelnen kann ich dabei folgende Thatsachen als gesicherte Ergebnisse meiner Versuche bezeichnen. Die zeitbegrenzenden Empfindungen m\u00fcssen so gew\u00e4hlt werden, dass die Intensit\u00e4t derselben in den verschiedenen Sinnesgebieten sich entspricht. Das erreicht man nur dadurch, dass man der Schwelle nahe liegende Empfindungen verwendet. In diesem Falle erscheint dann eine von Funkenger\u00e4uschen begrenzte Zeitstrecke kleiner als eine gleich lange, die von blos gesehenen Funken eingeschlossen ist, eine von Tastreizen (elektrischen) begrenzte Zeit erscheint kleiner als die Ger\u00e4uschzeit, dazu stimmt, dass eine Tastzeit bei der quantitativen Bestimmung dieser Incon-gruenzen weit kleiner erscheint gegen\u00fcber der Lichtzeit, als die Ger\u00e4uschzeit gegen\u00fcber der letzteren. (Es ist nothwendig, dabei die Elektroden an Hautstellen mit feinerer Tastempfindlichkeit anzulegen.)\nDiese Incongruenzen erstrecken sich nur \u00fcber einen kleinen Bereich (bis reichlich 0,4 Sec.) der Zeitintervalle; au\u00dferdem stimmen sie zu dem, was auch sonst \u00fcber die zeitlichen Verh\u00e4ltnisse der verschiedenen Sinnesgebiete bekannt ist. Sie erhalten sich selbst bei maximaler Uebung der Versuchspersonen, sie bleiben selbst bestehen, wenn man k\u00fcnstliche H\u00fclfsmittel wie Taktirbewegungen u. a. bei der Zeitsch\u00e4tzung zur Anwendung bringt. Durch alles dies geben sie sich als im wesentlichen rein sinnliche Factoren zu erkennen, die aus der Natur der einzelnen Sinnesgebiete selbst stammen und","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\t131\nwahrscheinlich in der Hauptsache auf den Erregungsablauf in den Sinnesorganen zuriickzuf\u00fchren sind.\nNoch deutlicher treten solche rein sinnliche Factoren der Zeitwahrnehmung in ihrer speciellen Bedingtheit durch die Natur der einzelnen Sinnesgebiete bei gelegentlich von mir und meinen Versuchspersonen gemachten Beobachtungen hervor. L\u00e4sst man drei oder vier Schalleindr\u00fccke in kurzen Intervallen (von 0,08 bis zu etwa 0,2 Sec.) auf einander folgen, so tritt eine eigenth\u00fcmliche Schallsummation gegen den Schluss auf. (Diese Schallsummation f\u00e4ngt an sich zu verlieren, wenn man f\u00fcnf und mehr Eindr\u00fccke w\u00e4hlt.) Zugleich scheinen sich die Intervalle zu verk\u00fcrzen, sie convergiren f\u00f6rmlich nach, dem Schlussmomente zu. Bei langsamerer Aufeinanderfolge verschwindet dies Ph\u00e4nomen mehr und mehr. Es scheint, dass die Schallverschmelzung, welche infolge der Summation (die auch schon rein physikalisch besteht!) ein tritt, diesen Effect der scheinbaren Zeitverk\u00fcrzung hervorbringt. Etwas \u00e4hnliches bemerkt man bei Lichtempfindungen.\nDass indirect gesehene Funken von gro\u00dfer Geschwindigkeit der Aufeinanderfolge (0,05\u20140,3 Sec.) langsamer zu verlaufen scheinen, wie direct gesehene, habe ich schon fr\u00fcher bemerkt. Es scheint, dass einerseits die dabei auftretende Dunkelpause, die wohl durch das schnellere Abklingen der Erregung auf der seitlichen Netzhaut veranlasst wird, andrerseits aber auch die gr\u00f6\u00dfere Ausbreitung der Funkenbilder im indirecten) Sehen diese T\u00e4uschung hervorbringt. Es ist nat\u00fcrlich nicht ausgeschlossen, dass auch die schwierige und ungewohnte Aufmerksamkeitsrichtung auf das seitliche Sehfeld sich mit an dem Zustandekommen des Ph\u00e4nomens betheiligt. Der folgende Versuch scheint jedoch die Ueberlegenheit der genannten Empfin-dungsfactoren zu beweisen. Wenn man neben dem schalldichten Funkenkasten einen Spiegel so aufstellt, dass der Beobachter gleichzeitig indirect die Funken in dem Kasten und direct die im Spiegel erblickt, so glaubt der Beobachter zwei Funkenreihen von total verschiedener Zeitfolge zu sehen. Es gelingt durch keine noch so energische Concentration der Aufmerksamkeit auf die fixirtep. Funken, dieses h\u00f6chst auffallende Ph\u00e4nomen ahzuschw\u00e4chen. L\u00e4sst man indirect gesehene Funken registriren (was ich in zahlreichen Versuchen so ausf\u00fchrte, dass ich den Beobachter auf einem Taster","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nErnst Meumann.\ndie Zeitfolge der Funken mit Fingerbewegungen wiedergeben lie\u00df, welche ebenso wie die Contactmomente der funkengebenden Contacte des Zeitsinnapparates auf der Kymographiontrommel aufgenommen wurden), so erh\u00e4lt man vielfach ein ganz paradoxes Ergebniss.\nFordert man n\u00e4mlich den Beobachter auf, immer den 10. Funken zu registriren, so f\u00fchrt er das bei nicht zu gro\u00dfer Geschwindigkeit der Funken richtig aus \u2014 ein Beweis, dass die Funken alle gesehen werden \u2014, l\u00e4sst man ihn alle Funken registriren, so bewegt er den Finger viel zu langsam, er registrirt oft nicht ein Drittel der vorhandenen Funken. Es erkl\u00e4rt sich das wohl so, dass im zweiten Falle mit den Fingerbewegungen der scheinbare zeitliche Eindruck der Successionsgeschwindigkeit wiedergegeben wird, und die Aufmerksamkeit sich nur mit diesem allgemeinen Eindruck des verlangsamten Zeitverlaufs besch\u00e4ftigt, wor\u00fcber das Registriren der einzelnen Funken vers\u00e4umt wird. Da dieser allgemeine Eindruck der zeitlichen Folge indirect gesehener Funken der einer langsameren Aufeinanderfolge ist, als es den objectiven Verh\u00e4ltnissen entspricht, so wird der Finger zu langsam bewegt, d. h. es werden weniger Funken registrirt. Ich versuchte sodann durch Verwendung r\u00e4umlich ausgebreiteter Lichtreize im directen Sehen zur Abgrenzung kleinster Zeiten (wie des Aufleuchtens von Gei\u00dfler\u2019schen R\u00f6hren, Funken hinter Mattglasplatten u. a. m.) den Antheil der einzelnen Factoren an der Zeitsch\u00e4tzung festzustellen, werde aber dar\u00fcber erst sp\u00e4ter genauere Mittheilungen machen.\tj\nGanz andere Verh\u00e4ltnisse beherrschen die Zeitsch\u00e4tzung, wenn man je ein Intervall durch Empfindungen verschiedener Sinne begrenzt sein l\u00e4sst. Am einfachsten wird das dadurch erreicht, dass man nur drei Eindr\u00fccke zur Abgrenzung von zwei Zeitintervallen verwendet (Versuche ohne Zwischenzeit oder Pause). In einer meiner fr\u00fcheren Abhandlungen habe ich schon einige Versuche dieser Art in anderem Zusammenhang mitgetheilt. Wird z. B. das erste von zwei kleinen Zeitintervallen von zwei Lichtreizen, das zweite (unmittelbar folgende) von einem Ger\u00e4usch oder Tastreiz begrenzt, so erscheint die zweite Zeit l\u00e4nger als die erste. Analoge T\u00e4uschungen lassen sich durch den Wechsel des Sinnesgebietes bei der ersten Zeit hervorbringen. Hier scheint es nun","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\t133\nvorwiegend die st\u00e4rkere Besch\u00e4ftigung der Aufmerksamkeit zu sein, welche die T\u00e4uschungen bedingt. Eben deshalb darf man hier von \u00bbT\u00e4uschungen\u00ab des Zeiturtheils reden, im Gegensatz zu der einfachen Incongruenz der Sinnesempfindungen in den vorher erw\u00e4hnten F\u00e4llen.\nEs lie\u00dfen sich zahlreiche \u00e4hnliche secund\u00e4re Beziehungen des Empfindungswechsels zur Aufmerksamkeit anf\u00fchren, die erst durch ihre Beeinflussung der h\u00f6heren Vorg\u00e4nge der Zeitvergleichung charakteristische T\u00e4uschungen bewirken. Nur eine solche That-sache sei hier noch angef\u00fchrt, die wiederum zu den in diesem Aufsatz behandelten Ph\u00e4nomenen der Zeitausf\u00fcllung in Beziehung steht. Zwei schnell auf einander folgende Schalleindr\u00fccke scheinen (bei Intervallen von 0,05 bis etwa 0,3 oder bei gr\u00f6\u00dferer Intensit\u00e4t bis 0,5 Sec.) langsamer zu folgen als vier, sechs oder eine l\u00e4ngere Reihe. Dieser Effect nimmt zu mit der zunehmenden Intensit\u00e4t der Empfindungen, er ist ferner bei kleinsten Zeiten vielleicht am deutlichsten. Die Ursache ist wohl auch hier vorwiegend in der st\u00e4rkeren Schallsummation und der dadurch bedingten gr\u00f6\u00dferen Verschmelzung der Eindr\u00fccke zu suchen. Denn allgemein kann man sagen, dass, gleiche Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse vorausgesetzt, eine Zeitfolge von Empfindungen um so k\u00fcrzer erscheint, je mehr die Eindr\u00fccke verschmelzen (ihren discontinuirlichen Charakter verlieren); doch wirkt die andersartige Besch\u00e4ftigung der Aufmerksamkeit in secund\u00e4rer Weise dabei mit.\nBei der letzterw\u00e4hnten Erscheinung betheiligt sich aber jedenfalls auch ein associativer Factor, der Eindruck der gr\u00f6\u00dferen F\u00fclle von Empfindungen, die einer Beschleunigung ihres Ablaufs \u00e4quivalent wird.\nDie Hervorhebung dieser Eigenth\u00fcmlichkeiten kleinster Suc-cessionszeiten von Sinneseindr\u00fccken m\u00f6ge vorl\u00e4ufig gen\u00fcgen zur Abgrenzung und Charakteristik dieses Gebietes unsrer Zeitsch\u00e4tzung.\nEin ganz anderes Gebiet von Thatsachen betritt man, sobald der Einfluss der Ausf\u00fcllung von Zeitstrecken auf die Be-urtheilung der L\u00e4nge (Dauer) der verflossenen Zeitr\u00e4ume zum Object der Untersuchung gemacht wirdf Nicht die Natur der begrenzenden Eindr\u00fccke, sondern die Art, wie der ge-sammte Ablauf des Intervalls unserm Bewusstsein repr\u00e4sentirt","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nErnst Meumann.\nwird, kommt jetzt f\u00fcr die Zeitsch\u00e4tzung zur Geltung. Alle hierher geh\u00f6rigen Thatsachen betrachte ich daher als Dauersch\u00e4tzungen im eigentlichen Sinne des Wortes, 4\u00eend nur in secund\u00e4rer Weise kann vielleicht hei discontinuirlicher Zeitausf\u00fcllung die Successions-geschwindigkeit der discontinuirlichen Eindr\u00fccke das Urtheil mit bestimmen.\nW\u00e4hrend es nun in der Natur der Sache liegt, dass die Be-urtheilung der Schnelligkeit oder K\u00fcrze der Aufeinanderfolge von Eindr\u00fccken sich auf die Untersuchung kleinster Zeiten beschr\u00e4nkt, muss man bei Experimenten, die sich mit der Beurtheilungs-weise der Dauer von Eindr\u00fccken besch\u00e4ftigen, alle jeweils untersuchten Arten der Zeitrepr\u00e4sentation durch alle \u00fcberhaupt f\u00fcr die directe Zeitsch\u00e4tzung in Betracht kommenden Zeitgr\u00f6\u00dfen verfolgen. Es w\u00e4re ein schwerer methodischer Fehler, wenn man an einem beliebig herausgegriffenen Zeitintervall Experimente machen und daraus allgemeine Folgerungen f\u00fcr die Zeitsch\u00e4tzung machen wollte, so lange man nicht wei\u00df, oh sich bei gr\u00f6\u00dferen oder kleineren Intervallen nicht ganz andere Verh\u00e4ltnisse finden?1) Die ganze folgende Untersuchung wird eine Best\u00e4tigung dieser Auffassung sein. \u00dcberall bieten auch bei der Beurtheilung der Dauer von Eindr\u00fccken die kleinen Zeiten, einerlei ob sie verschiedenartig oder gleich ausgef\u00fcllt sind, andere, meist genau die entgegengesetzten Verh\u00e4ltnisse der Beurtheilung, der constanten Fehler, des Quantums cfer Urtheilst\u00e4uschungen dar, wie die mittleren und gr\u00f6\u00dferen, und gerade diese Verschiedenheit der Einwirkung von Zeitausf\u00fcllungen auf die Vergleichung mittlerer, kleinerer und gr\u00f6\u00dferer Zeiten wird einer der wesentlichsten Punkte meiner sp\u00e4ter darzustellenden theoretischen Deutung der Versuche \u00fcber Zeitausf\u00fcllung sein.\nDamit ist eine erste Vorfrage f\u00fcr die folgenden Experimente gegeben: Welche absolute Gr\u00f6\u00dfe m\u00fcssen die Zeitstrecken haben, bei denen man die Wirkung verschiedenartiger Zeitausf\u00fcllungen verfolgt? Es muss offenbar das ganze Gebiet derjenigen Zeit-\n1) Dieses Herausgreifen irgend eines Zeitintervalls, an dessen Untersuchung dann die weitgehendsten Folgerungen gekn\u00fcpft werden, ist die Methode M\u00fcnster-berg\u2019s.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n135\nstrecken, welche noch ohne den Zwang zur Eintheilung als ein einheitliches Ganzes wahrgenommen werden k\u00f6nnen, auf die Wirkung der Zeitausf\u00fcllungen hin untersucht werden, indem in einer ersten Versuchsgruppe jede einzelne Art der Zeitausf\u00fcllung, die als ein typischer Fall betrachtet werden kann, von den kleinsten bis zu den gr\u00f6\u00dften noch einigerma\u00dfen als Ganzes absch\u00e4tzbaren Zeitstrecken hindurch verfolgt wird.\nDiese erste Versuchsgruppe wird dann sogleich hervortreten lassen, bei welchen absoluten Gr\u00f6\u00dfen der Zeitintervalle besonders wichtige und [charakteristische Punkte liegen \u2014 Punkte, an denen ein hervorragender Einfluss der Ausf\u00fcllung auf die Zeitsch\u00e4tzung sich nach der einen oder andern Richtung geltend macht; und nun wird sich naturgem\u00e4\u00df eine zweite Versuchsreihe ergeben, in welcher je eine dieser besonders charakteristischen Zeitgr\u00f6\u00dfen heraus gegriffen und bei constant gehaltener Zeitgr\u00f6\u00dfe die Wirkung verschiedener Ausf\u00fcllungen verfolgt wird.\nEine weitere Vorfrage ist diese: Wie sind die Ausf\u00fcllungen \u00fcber die beiden verglichenen Zeiten zu vertheilen ? Von vornherein steht man vor drei M\u00f6glichkeiten. Entweder kann man immer nur eine der zu vergleichenden Zeitstrecken \u00bbausf\u00fcllen\u00ab, die andere \u00bbleer\u00ab lassen; richtiger gesagt, man kann die nat\u00fcrlichen Empfindungs- und Gef\u00fchlsvorg\u00e4nge, die w\u00e4hrend einer leeren, durch Reize begrenzten Zeitstrecke als ausf\u00fcllende Bewusstseinsinhalte vorhanden sind, durch k\u00fcnstlich im Experiment eingef\u00fchrte ersetzen, und dabei etwa in einem ersten Falle die eine von beiden Zeitstrecken ganz oder theilweise mit solchen willk\u00fcrlich eingef\u00fchrten Empfindungsvorg\u00e4ngen ausf\u00fcllen, die andere mit zwei Grenzreizen am Anfang und Ende markiren, und die zwischen diesen liegende Zeitstrecke der nat\u00fcrlichen Ausf\u00fcllung mit dem immer vorhandenen Complex von Spannungsempfindungen, Organempfindungen, Druckempfindungen der Haut, Gef\u00fchlsvorg\u00e4ngen u. s. w. \u00fcberlassen. Man wird dann, wie ich mich kurz ausdr\u00fccken will, eine reizerf\u00fcllte und eine reizbegrenzte Zeit mit einander in Vergleich bringen1).\n1) Ich werde in den folgenden Ausf\u00fchrungen die sogenannte ausgef\u00fcllte Zeit als \u00bbreizerf\u00fcllte\u00ab Zeit bezeichnen, und die leere von zwei Eindr\u00fccken irgend","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nErnst Meumann.\nOder aber man f\u00fcllt beide Zeiten mit willk\u00fcrlich eingef\u00fchrten Empfindungsvorg\u00e4ngen und anderen psychischen Processen aus, h\u00e4lt aber die Ausf\u00fcllung bei beiden gleich. Endlich drittens kann man beide Zeiten mit verschiedenen experimentell eingef\u00fchrten Empfindungen, Gef\u00fchlen u. s. w. ausf\u00fcllen. Es gibt naheliegende methodologische Gesichtspunkte, nach denen zwischen diesen drei M\u00f6glichkeiten entschieden werden kann. Eine erste Regel alles psychologischen Experimentirens wird immer die sein, dass man die zu untersuchenden Ph\u00e4nomene auf den einfachsten Fall reducirt. Nun ist die unter 3. genannte M\u00f6glichkeit\neines Sinnesgebietes begrenzte als \u00bbreizbegrenzte\u00ab Zeit, oder auch als \u00bbleere\u00ab Zeit (in Anf\u00fchrungszeichen). Der Ausdruck \u00bbleere Zeit\u00ab ist ja gewiss nicht gl\u00fccklich gew\u00e4hlt, weil nat\u00fcrlich die reizbegrenzte Zeit immer mit irgend welchen Empfindungs- oder Gef\u00fchlscomplexen und bei den gr\u00f6\u00dften an der Grenze der directen Vergleichbarkeit liegenden Zeiten auch gelegentlich mit Vorstellungsinhalten erf\u00fcllt ist; aber es lohnt sich doch nicht, \u00fcber diese Binsenwahrheit, dass es keine leeren Zeiten gibt, so viel Worte zu verlieren, wie das in manchen neueren psychologischen Schriften geschieht (James und neuerdings namentlich Ziehen).\nMit dem Ausdruck \u00bbreizerf\u00fcllte\u00ab Zeitstrecke will ich bezeichnen, dass die betreffende Zeitstrecke dem Bewusstsein wesentlich durch solche Empfindungen repr\u00e4sentirt wird, die mittelst willk\u00fcrlich im Experiment eingef\u00fchrter Reize hergestellt werden. Der Ausdruck \u00bbreizbegrenzte\u00ab Zeit soll andeuten, dass die willk\u00fcrliche Herstellung der Zeiten im Experiment sich bei diesen Zeitstrecken auf die experimentelle Einf\u00fchrung von zwei Grenzreizen beschr\u00e4nkt, die Anfangsund Schlussmoment der Zeitstrecke angeben.\nNebenbei bemerke ich, dass Ziehen in seiner Psychologie (3. Aufl. S. 101) ganz irrth\u00fcmlich die leeren Zeiten als Vorstellungszeiten bezeichnet, es ist leicht, sich bis zu etwa 4\u20145 Sec., ja nach der individuellen Uebung, aller Vorstellungen zu entschlagen. Wir befinden uns gegen\u00fcber den Vorstellungen w\u00e4hrend der Concentration auf den Zeitverlauf irgend welcher Empfindungen in einem Zustand totaler Hemmung und k\u00f6nnen in diesem mehrere Secunden verharren.\nAls den \u00bbnormalen Zeitsinnversuch\u00ab bezeichne ich in der Folge denjenigen Versuch, bei welchem zwei auf gleiche Weise hergestdllte Zeitstrecken mit einander verglichen werden, bei welchem also die experimentell hergestellte Begrenzung und Ausf\u00fcllung beider verglichenen Zeiten gleich sind, gleichg\u00fcltig um was f\u00fcr eine Art von Begrenzung und Ausf\u00fcllung es sich handelt. Als typisches Beispiel des normalen Zeitsinnversuchs habe ich die bisher \u00fcbliche Vergleichung reizbegrenzter Zeitstrecken im Auge, gleichg\u00fcltig ob dieselbe mit oder ohne Einschiebung einer Zwischenzeit zwischen die verglichenen Zeitstrecken ausgef\u00fchrt wird.\nDa ich bei dem Ausdruck \u00bbreizerf\u00fcllte\u00ab Zeitstrecke immer an k\u00fcnstlich im Experiment hergestellte Zeitausf\u00fcllungen denke, so nenne ich die \u00bbleeren\u00ab reizbegrenzten auch wohl nat\u00fcrlich, die ersteren k\u00fcnstlich ausgef\u00fcllte Zeiten.","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n137\nder complicirteste Fall. Wir wissen aus unmittelbar zug\u00e4nglichen Beobachtungen, wie sie Jeder an einem Pendel oder Metronom anstellen kann, dass die Vergleichung \u00bbleerer\u00ab reizbegrenzter Zeiten, so lange es sich nicht um gar zu gro\u00dfe Zeitstrecken handelt, leicht und sicher m\u00f6glich ist. Wir kennen diesen Fall der Zeitsch\u00e4tzung au\u00dferdem aus der gesammten bisherigen Zeitsinnlitteratur und wissen, dass er innerhalb gewisser Grenzen eine sehr correcte und leichte Zeitvergleichung gestattet, w\u00e4hrend die bisher vorliegenden Experimente \u00fcber Zeitausf\u00fcllung zeigen, dass ausgef\u00fcllte Zeiten \u00e4u\u00dferst schwierig zu sch\u00e4tzen sind. Dieser Fall der Sch\u00e4tzung \u00bbleerer\u00ab Zeiten kann also erstens als der bekannteste gelten. Zweitens bildet die Beurtheilung \u00bbleerer\u00ab Zeiten, wenn auch nicht wahrscheinlich den einfachsten Fall schlechthin, so doch jedenfalls einen der einfachsten F\u00e4lle. Nach meinen bisherigen Versuchen \u00fcbertreffen nur die Vergleichungen der Dauer nicht zu lauter T\u00f6ne die Beurtheilung \u00bbleerer\u00ab reizbegrenzter Zeiten an Genauigkeit und Constanz des Urtheils, oder sie kommen ihnen bei einigen Individuen wenigstens gleich. Nimmt man die Genauigkeit der Beurtheilung, die Gr\u00f6\u00dfe der variabeln Fehler, die Gr\u00f6\u00dfe der constanten, nicht durch Ver\u00e4nderung der \u00e4u\u00dferen Versuchsumst\u00e4nde eliminirbaren Fehler als Kriterium der einfachsten Bedingungen eines Vergleichsvorgangs, so kann man die Wahrnehmung \u00bbleerer\u00ab Zeiten als einen relativ einfachsten Fall der Zeitwahrnehmung bezeichnen.\nDie Vergleichung aller Ausf\u00fcllungen mit \u00bbleeren\u00ab Zeiten ist also schon aus diesen Gr\u00fcnden methodologisch als Ausgangspunkt der Untersuchung nahe gelegt, sie wird es noch mehr, wenn man ber\u00fccksichtigt, dass die \u00bbleeren\u00ab reizbegrenzten Zeiten auch fast in jeder Hinsicht einen Grenzfall darstellen. Namentlich gegen\u00fcber den willk\u00fcrlichen im Experiment eingef\u00fchrten \u00bbAusf\u00fcllungen\u00ab. W\u00e4hrend bei diesen letzteren der Empfindungsinhalt stark f\u00fcr das Bewusstsein dominirt, tritt dieser bei den \u00bbleeren\u00ab Zeiten so gut wie gar nicht hervor. Ihr Empfindungsinhalt ist immer diffus und unbestimmt. Er ist au\u00dferdem von minimaler Intensit\u00e4t im Vergleich zu lrgend welchen k\u00fcnstlich eingef\u00fchrten Schall- oder Lichtempfindungen. Sobald wir dagegen im Versuch willk\u00fcrliche Zeitausf\u00fcllungen einf\u00fchren, ziehen diese immer mehr oder weniger die Aufmerksamkeit auf sich; den Organempfindungen u. s. w. gegen\u00fcber, welche den","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nErnst Meumann.\nInhalt der \u00bbleeren\u00ab Zeiten bilden, befinden wir uns in einem Zustande totaler Hemmung, wir lassen ihre qualitativ intensiven Verh\u00e4ltnisse m\u00f6glichst wenig zum Bewusstsein kommen. Der nat\u00fcrliche Empfindungsinhalt der reizbegrenzten leeren Zeiten bildet also auch in der Hinsicht einen Grenzfall, dass er sich am meisten der besonderen Beachtung seiner qualitativ intensiven Verh\u00e4ltnisse entzieht. Die bei sonstiger \u00bbLeere\u00ab reizbegrenzter Zeiten restirenden Empfindungen sind ferner von gro\u00dfer Homogeneit\u00e4t ihres Verlaufs, und einem sehr geringen oder (bei kleinen Zeiten) gar keinem Quali-t\u00e4ts- und Intensit\u00e4tswechsel unterworfen. Die meisten Ausf\u00fcllungen bringen (von T\u00f6nen abgesehen) einen mehr oder weniger gro\u00dfen Qualit\u00e4ts- oder Intensit\u00e4tswechsel des erf\u00fcllenden Inhaltes mit. Bei den reizbegrenzten Zeiten ist ferner Anfangs- und Schlussmoment der Zeitstrecke kr\u00e4ftig und m\u00f6glichst \u00bbmomentan\u00ab markirt, die Zeiten stehen scharf begrenzt vor der inneren Wahrnehmung da. Die ausgef\u00fcllten Zeiten hingegen verlieren durch die Ausf\u00fcllung stets an Bestimmtheit ihres Anfangs- und Schlussmomentes1). L\u00e4sst man also alle Zeitausf\u00fcllungen zun\u00e4chst einmal mit leeren blos reizbegrenzten Zeiten vergleichen, so hat man damit in der That f\u00fcr die Wirkungen der Ausf\u00fcllung das geeignetste Vergleichsobject.\nDie \u00bbleeren\u00ab Zeiten sind also 1) gerade in dem Punkte, auf den es hier ankommt, n\u00e4mlich den Ausfall der Urtheile und die Gro\u00dfe der Fehlsch\u00e4tzungen, der bekannteste Fall. Sie sind 2) wenigstens ein relativ einfachster Fall f\u00fcr die Zeitwahrnehmung. Sie sind 3) auch in jeder Hinsicht als Grenzfall zu bezeichnen. Denn bei ihnen sind Anfangs- und Schlussmoment am bestimmtesten markirt; die Empfindungsinhalte, Gef\u00fchle u. s. w., die bei ihnen den Zeitverlauf f\u00fcr die Sch\u00e4tzung repr\u00e4sentiren, treten am vollst\u00e4ndigsten f\u00fcr das Bewusstsein zur\u00fcck und die Aufmerksamkeit\n1) Man k\u00f6nnte vielleicht versucht sein, zu behaupten, die blos durch abgrenzende Reize hergestellten \u00bbleeren\u00ab Zeiten seien vielmehr der unbekannteste Fall von Wahrnehmung einer Zeitstrecke, weil bei ihnen sich am meisten der objectiven und subjectiven Contr\u00f4le entzieht, was in der Zwischenzeit zwischen den Grenzreizen vor sich gehe. Ich bemerke dem gegen\u00fcber nur, dass ich das Pr\u00e4dicat \u00bbbekannt\u00ab nur auf dasjenige beziehe, worauf es bei meinem jetzigen Vorhaben, die Gr\u00f6\u00dfen von Zeitt\u00e4uschungen zu bestimmen, ankommt, n\u00e4mlich auf die M\u00f6glichkeit, die Fehlergr\u00f6\u00dfen und die Richtungen der Fehler als abnorm und speciell durch die Art der Zeitausf\u00fcllung bedingt beurtheilen zu k\u00f6nnen.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n139\nist am wenigsten durch sie besch\u00e4ftigt. Diese Inhalte sind bei ihnen am meisten diffus und unbestimmt; an Homogeneit\u00e4t und Gleichf\u00f6rmigkeit des Ablaufs k\u00f6nnen sie durch k\u00fcnstliche Zeitausf\u00fcllungen kaum \u00fcbertroffen werden.\nDieses vollst\u00e4ndige Zur\u00fccktreten des ausf\u00fcllenden Inhaltes gegen\u00fcber den begrenzenden Reizen, und f\u00fcr^die Repr\u00e4sentation des Zeitverlaufs macht sie gewisserma\u00dfen zu den am wenigsten ausgef\u00fcllten, daher stellen sie denjenigen Fall dar, bei welchem das Zeitbewusstsein am empfindlichsten reagiren muss, wenn sie mit k\u00fcnstlich ausgef\u00fcllten in Vergleich gebracht werden, da der Unterschied der Vergleichsohjecte dann am gr\u00f6\u00dften ist. Aus diesen Gr\u00fcnden erscheint mir eine Vergleichung aller Zeitausf\u00fcllungen mit \u00bbleeren\u00ab Zeiten der methodologisch gebotene Ausgangspunkt der Untersuchung \u00fcber die Wirkung von Zeitausf\u00fcllungen auf das Zeitbewusstsein \u00fcberhaupt zu sein. Daneben wird man die zweitgenannte M\u00f6glichkeit, die Vergleichung gleich ausgef\u00fcllter Zeitstrecken zun\u00e4chst heranziehen m\u00fcssen. Sind beide Zeiten mit der gleichen Art und Zahl von Eindr\u00fccken ausgef\u00fcllt, so arbeitet die Zeitsch\u00e4tzung bei Normalzeit1) und Vergleichszeit2) unter relativ gleichen Bedingungen, und alle hierbei auftretenden constanten Fehlsch\u00e4tzungen wird man auf das verschiedene Verhalten der Aufmerksamkeitsvorg\u00e4nge hei NZ und VZ an sich beziehen k\u00f6nnen, zumal da dieses schon als charakteristische Erscheinung beim Vergleichen \u00bbleerer\u00ab Zeiten bekannt ist. (Vgl. meine Ausf\u00fchrungen Philos. Stud. IX, S. 268 u. 287). Es wird sich dann aber ferner bei dem Vergleichen gleich ausgef\u00fcllter Zeiten die wichtige Frage entscheiden lassen, welche Art der Herstellung der Zeitstrecken im Experiment den g\u00fcnstigsten Fall f\u00fcr die Zeitsch\u00e4tzung \u00fcberhaupt darstellt, bei welcher die Bewusstseinsvorg\u00e4nge, die die Vergleichung bedingen, sich in der gleichm\u00e4\u00dfigsten Weise bei verschiedenen absoluten Zeitgr\u00f6\u00dfen erhalten, und wie daher eine Pr\u00fcfung der UE am besten durchzuf\u00fchren ist.\nDen allercomplicirtesten Fall stellt aber die dritte erw\u00e4hnte M\u00f6glichkeit dar. Wenn NZ und VZ beide verschieden aus-\n<\u25a0\"'\t1) In Zukunft immer mit NZ bezeichnet.\n2) In Zukunft immer mit VZ bezeichnet.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nErnst Meumann.\ngef\u00fcllt werden, so h\u00e4uft man damit die complicirenden Bedingungen in einer Weise, die sich aller Erfahrung und Contr\u00f4le entzieht1). Bei beiden Zeiten wird nun ein verschiedener die Zeitsch\u00e4tzung alterirender Factor eingef\u00fchrt, infolge dessen sind dann die mannigfachsten Interferenzen, Gegenwirkungen, oder Summationen der Einwirkung beider Ausf\u00fcllungen m\u00f6glich, nur nicht der Einblick in diese Vorg\u00e4nge. Wei\u00df man hingegen durch vorherige Vergleichung mit \u00bbleeren\u00ab Zeiten, oder mit einem andern, relativ gleich einfache Bedingungen der Zeitsch\u00e4tzung darstellenden Fall, wie es etwa die Vergleichung aller Ausf\u00fcllungen mit Tonzeiten sein w\u00fcrde, wie jede von beiden Arten der Ausf\u00fcllung das Zeitbewusstsein abnorm beeinflusst, so ist die Deutung der Ergebnisse bei verschiedenartiger Ausf\u00fcllung beider Zeiten leicht, ja man wird in allen F\u00e4llen diese Ergebnisse einfach Voraussagen k\u00f6nnen; die Pr\u00fcfung einer solchen aus 2 Ausf\u00fcllungen resultirenden Einwirkung auf den Ausfall der Urtheile ist fast \u00fcberfl\u00fcssig, wie immer, wenn man die Wirkung der Componenten kennt, sie hat h\u00f6chstens den Werth einer Contr\u00f4le. Findet man z. B., dass eine mit 12 Metronomschl\u00e4gen erf\u00fcllte Zeit von etwa 1,0 s im Vergleich mit einer reizbegrenzten st\u00e4rker, eine mit 5 Schl\u00e4gen erf\u00fcllte schw\u00e4cher \u00fcbersch\u00e4tzt wird, so m\u00fcssen zwei Zeiten von 12 und 5 Schl\u00e4gen untereinander verglichen eine geringe Uebersch\u00e4tzung der zw\u00f6lfgliedrigen Strecke ergeben.\nIch m\u00f6chte mir am liebsten eine Auseinandersetzung so elementarer methodologischer Grunds\u00e4tze wie der vorliegenden ganz ersparen, sie sind aber angesichts einer solchen logischen Verwilderung, wie sie in die Methodik der Zeitsinnversuche durch Schriftsteller wie M\u00fcnsterberg gebracht worden ist, leider nicht \u00fcberfl\u00fcssig.\nEs fragt sich f\u00fcr die Methodik der Versuche \u00fcber Zeitausf\u00fcllung endlich noch: Wo ist die Ausf\u00fcllung anzubringen, hei der NZ, bei der VZ, oder soll man beide Zeitlagen der Ausf\u00fcllung\n1) Das ist die von M\u00fcnsterberg bevorzugte Methode. (Vgl. dessen Beitr\u00e4ge u. s. w. Heft IV, S. 89 ff.) Die von M. in Amerika veranlassten Sch\u00fclerarbeiten sind so unvollst\u00e4ndig mitgetheilt, dass sie keine Ber\u00fccksichtigung verdienen, so lange M. keine ausf\u00fchrlichere Angabe der Versuchsbedingungen ver\u00f6ffentlicht.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n141\nherstellen und vielleicht sogar die Urtheile beider Zeitlagen addiren (die Zeitlagen \u00bbausgleichen\u00ab), um die Abh\u00e4ngigkeit der Zeitsch\u00e4tzung von der Ausf\u00fcllung \u00bbim allgemeinen\u00ab festzustellen? Es Dedarf kaum der Bemerkung, dass ein solcher \u00bbAusgleich\u00ab der Urtheile, welche in den beiden Zeitlagen der Ausf\u00fcllung abgegeben werden, nur dann erlaubt w\u00e4re, wenn sich die Ausf\u00fcllung der NZ und die der VZ als zwei ganz analoge psychische Thatsachen erweisen sollten. In Wahrheit zeigt sich nun, dass die Wirkung der Ausf\u00fcllung eine ganz verschiedene ist, je nachdem man sie in der NZ oder in der VZ anbringt. Fast immer sind die constan-ten Fehler der Sch\u00e4tzung in beiden F\u00e4llen verschieden gro\u00df, h\u00e4ufig hat dieselbe Ausf\u00fcllung in der NZ eine starke Uebersch\u00e4tzung, in der VZ eine ebenso starke Untersch\u00e4tzung der ausgef\u00fcllten Zeit zur Folge, ja gewisse Ausf\u00fcllungen sind geradezu dadurch charakteri-sirt, dass sie bei bestimmten Zeiten, einmal bei der NZ, das andere Mal bei der VZ angebracht, die entgegengesetzte Wirkung auf das Zeiturtheil haben (vgl. z. B. Tabelle b und c in dieser Abhdlg.). Es h\u00e4ngt das einerseits mit dem schon oben erw\u00e4hnten verschiedenen Verhalten der Aufmerksamkeit bei NZ und VZ zusammen; die Adaptation an die NZ muss je nach der Art der Ausf\u00fcllung ganz verschieden gelingen; es ist aber auch schon durch das experimentelle Verfahren (bei ungleicher Ausf\u00fcllung der Zeiten) nothwendig gegeben. Es kann f\u00fcr das Bewusstsein nicht dasselbe sein, ob z. B. bei der Vergleichung von Tonzeiten und mit Hammerschl\u00e4gen.begrenzten Zeiten die continuirliche Empfindung des Tons verl\u00e4ngert oder verk\u00fcrzt wird, oder ob sich die mit Hammerschl\u00e4gen begrenzte \u00bbleere\u00ab Zeit \u00e4ndert, beides sind zwei total verschiedene Wahrnehmungen. Wenn \u00fcberhaupt beide Ausf\u00fcllungen eine verschiedene Wirkung auf die Zeitsch\u00e4tzung haben, so muss es auch f\u00fcr die Zeitsch\u00e4tzung etwas anderes sein, ob die eine oder die andere Ausf\u00fcllung ver\u00e4ndert wird. Die Verschiedenheit der Beurtheilungs-weise bei Ver\u00e4nderung der einen oder anderen Art der Ausf\u00fcllung f\u00f6t eine so handgreifliche, dr\u00e4ngt sich dem Beobachter so unmittelbar auf, dass sie keinem einigerma\u00dfen sorgf\u00e4ltigen Experimentator entgehen kann. Damit aber verbietet sich die Addition der Urtheile 8X18 beiden Zeitlagen der Ausf\u00fcllung von selbst1).\n1) Diese Addition ist die Methode M\u00fcnsterberg\u2019s.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nErnst Meumann.\nEs stellte sich nun im Laufe der Versuche heraus, dass die Ausf\u00fcllung der vorangehenden Zeit derjenige Fall ist, hei welchem die Einwirkung der Zeitausf\u00fcllungen auf die Zeitsch\u00e4tzung die constantesten Verh\u00e4ltnisse darbietet, bei welchem die constan-ten Urtheilsfehler am reinsten hervortreten und welcher schon darum zu bevorzugen ist, weil die Art der Ausf\u00fcllung bisweilen verbietet, die ausgef\u00fcllte Zeit zu variiren; folgt in diesem Falle die ausgef\u00fcllte Zeit an zweiter Stelle, so muss die erste Zeit zur ver\u00e4nderlichen gemacht werden, was immer eine gewisse Erschwerung des Urtheils mit sich bringt. Aus diesen gr\u00fcnden habe ich immer in erster Linie die Wirkung der Zeitausf\u00fcllung in erster Zeitlage gepr\u00fcft (reizerf\u00fcllte Zeit voran), und die Ausf\u00fcllung der nachfolgenden Zeit immer nur an denjenigen Intervallen der Pr\u00fcfung der ersten Zeitlage gegen\u00fcbergestellt, die mir (nach dem Ausfall der Urtheile in der ersten Zeitlage) besonders charakteristische Verh\u00e4ltnisse darzubieten schienen (nur einzelne Reihen sind vollst\u00e4ndig oder nahezu vollst\u00e4ndig in beiden Zeitlagen durchgef\u00fchrt). Der Ausfall der Versuche wird dies Verfahren rechtfertigen.\n1. Die Vergleichung reiz erf\u00fcllter und reizbegrenzter leerer\nZeitstrecken.\na. Vorbemerkungen \u00fcber Methode und Technik der\nV ersuche.\nDie \u00e4u\u00dfere Anordnung aller im Folgenden mitgetheilten Versuche ist durchweg dieselbe, wie bei meinen fr\u00fcheren Experimenten \u00fcber den Einfluss der Intensit\u00e4t der zeitbegrenzenden Empfindungen auf die Sch\u00e4tzung von kleinen Zeitstrecken, ich beschr\u00e4nke mich daher, so weit ich nicht die wenigen Abweichungen von der fr\u00fcheren Anordnung zu beschreiben habe, auf einige noth-wendigste Angaben. Experimentator und Versuchsperson arbeiteten, wie fr\u00fcher, getrennt von einander. Die Versuchsperson sa\u00df iin Dunkelzimmer (das zugleich das ruhigste Zimmer der gegenw\u00e4rtigen interimistischen R\u00e4ume des hiesigen Instituts ist). Der Verkehr zwischen Experimentator und Beobachter geschah durch verabredete Signale. Innerhalb jeder Versuchsreihe wurden je nach deren Dauer","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n143\neine bis drei Pausen gemacht. Die Pausen benutzte ich stets, um die Versuchspersonen nach ihren Selbstwahrnehmungen in Betreff der Versuche zu befragen. (Ueber die Grunds\u00e4tze, nach denen ich dieses Ausfragen der Versuchspersonen betrieb, vgl. die \u00bbSchlussbemerkungen\u00ab.) Da die Schwierigkeit der Vergleichung verschieden ausgef\u00fcllter Zeiten1) eine sehr bedeutende ist, so verfallen die Beobachter im Anfang leicht auf k\u00fcnstliche H\u00fclfsmittel, um die Zeitsch\u00e4tzung \u2014 nach ihrer Meinung \u2014 zu erleichtern. Diese untersagte ich stets, und erbat mir immer eine rein passive Hingabe an den Eindruck der Zeitstrecken. Es ist interessant zu beobachten, dass im Laufe der Versuche alle solche H\u00fclfsmittel wie Taktirbewegungen, Kopfnicken, Athemst\u00f6\u00dfe, Kehlkopfinnervationen, rhythmisches Z\u00e4hlen u. a. m. sehr rasch verschwinden, sie werden von den Versuchspersonen selbst bald als st\u00f6rend empfunden. Ich werde sp\u00e4ter einen eigens sich mit diesen \u00bbH\u00fclfs-mitteln\u00ab besch\u00e4ftigenden Versuchscyklus ver\u00f6ffentlichen, der sehr drastisch zeigt, dass die Unterst\u00fctzung eine eingebildete ist, alle diese \u00bbH\u00fclfsmittel\u00ab erzeugen lediglich constante Fehler2). Einen Theil dieser Versuche mit motorischen \u00bbH\u00fclfen\u00ab theile ich in dieser Abhandlung mit.\nAlle weiteren, die \u00e4u\u00dfere Anordnung dieser Versuche betreffenden Einzelheiten werde ich bei der Schilderung der einzelnen Versuchsreihen angeben.\nAls Apparate und technische H\u00fclfsmittel dienten mir in allen folgenden Versuchen der fr\u00fcher beschriebene neue \u00bbZeitsinnapparat\u00ab, von dessen universaler Brauchbarkeit ich mich immer wieder \u00fcberzeugte. Ein besonderer Vorzug dieser Verbindung von Kymographion und Zeitsinnapparat (Contactrad) ist die leichte Einstellung bestimmter absoluter Rotationszeiten. Hat man den Apparat erst auf eine Anzahl absoluter Umdrehungszeiten geaicht, so gen\u00fcgen ein Blick in die Aichungstabelle und ein paar Handgriffe, um mit Sicherheit die gew\u00fcnschte absolute Umdrehungszeit sofort zu erhalten. Ich habe das mir zur Verf\u00fcgung stehende\n1)\tDieser Ausdruck bedeutet f\u00fcr mich dasselbe, wie \u00bbausgef\u00fcllte und leere Zeiten\u00ab.\n2)\tDas Verschwinden secund\u00e4rer Urtheilskriterien im Lauf der Versuche ist Wir aus zahlreichen anderen experimentellen Arbeiten bekannt.\nWundt, Philos. Studien. XII.\n10","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nErnst Meumann.\nExemplar dieses Apparats mit einer besonders feinen versilberten Scala und mit ganz spitzem Index zur Einstellung der Frictions-rolle versehen lassen.\nAlle von mir verwendeten zeitausf\u00fcllenden Sinneseindr\u00fccke wurden auf elektrischem Wege (fast alle durch Contact-Oeffnung) vermittelt. Ich halte das f\u00fcr unerl\u00e4sslich, wenn man die Wirkung der-Ausf\u00fcllung von den kleinsten Zeiten an (wo eine rein mechanische, von aller Handgeschicklichkeit unabh\u00e4ngige Herstellung der Eindr\u00fccke n\u00f6thig ist) bis zu gr\u00f6\u00dferen Zeitstrecken unter gleichen experimentellen Bedingungen verfolgen will. Ich erreichte das dadurch, dass ich alle Zeitausf\u00fcllungen mit zwei Arten von Contactapparaten herstellte. So oft es sich um Zeitausf\u00fcllungen mit discontinuirlichen Eindr\u00fccken handelte, verwendete ich die schon fr\u00fcher erw\u00e4hnten Federcontacte, von denen mir drei Arten zur Verf\u00fcgung standen, und von denen die ersten sehr bequem in der Handhabung, aber weniger genau, die zweiten genauer, aber weniger bequem, die dritten sehr genau, aber von peinlicher Handhabung waren. Je nach den Anforderungen, die durch die Feinheit des Urtheils an die Genauigkeit der experimentellen Bedingungen gestellt wurden, griff ich zur einen oder anderen Art dieser Contacte. Aber selbst die ungenauesten zeigten eine mV von etwa 1 a auf 10 Pr\u00fcfungen, die bei gr\u00f6\u00dfter Geschwindigkeit des Apparats angestellt wurden. Da die geringeren Geschwindigkeiten nur bei gr\u00f6\u00dferen Zeiten, also best\u00e4ndig sich vermindernder Unterschiedsempfindlichkeit zur Anwendung kamen, so m\u00f6ge diese Angabe gen\u00fcgen. Sie ist in Anbetracht der geradezu erstaunlichen Gr\u00f6\u00dfe der constanten Fehler bei Zeitausf\u00fcllungsversuchen mehr als gen\u00fcgend *).\nDie Federcontacte der ersten Art waren einfache spiralisch gebogene Messingfedern, die von dem mit einer Hohlrinne versehenen Contactzeiger gestreift wurden (Fig. 1). Die Metalltheile des Contactes, der im \u00fcbrigen aus der beigegebenen Figur verst\u00e4ndlich sein d\u00fcrfte, waren auf einem schmalen Hartgummiblock angeschraubt, der mit seinem abgeschr\u00e4gten unteren Fortsatz in\n1) Ich bemerke \u00fcbrigens, dass ich in Kurzem bei der Ver\u00f6ffentlichung meiner Versuche \u00fcber die Unterschiedsempfindlichkeit hei Zeitsch\u00e4tzungen einen detaillirten Bericht \u00fcber die Fehlerquellen meiner Apparate geben werde.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n145\nder Rinne des Contactapparates leicht gleitet. Ich schraubte diese Contacte nur dann fest, wenn sie w\u00e4hrend des Versuchs ihre Stellung nicht zu \u00e4ndern brauchten. Es gen\u00fcgt ein leichter senkrechter Druck mit dem Finger, um sie so fest in die schr\u00e4g ausgeschnittene Rinne des Zeitsinnapparates einzudr\u00fccken, dass der\nContactzeiger sie auf keinen Fall bewegen kann. Durch dieses blo\u00dfe Eindr\u00fccken erm\u00f6glicht man sich, nicht nur einen, sondern zur Noth eine ganze Reihe dieser Contacte w\u00e4hrend des Versuchs rasch zu verschieben, was unter Umst\u00e4nden (z. B. hei der Verkleinerung ausgef\u00fcllter Zeiten) nothwendig wird.\nDie zweiten Federcontacte waren ganz nach Art der ersten construirt, nur mit anderer Feder. Diese besteht in einer d\u00fcnnen Lamelle aus feinstem Uhrfederstahl (Fig. 2 und 3), dieselbe steht \u00fcber dem Gradbogen des Apparats. Die Federn sind aufgeschlitzt (Fig. 3), damit sie m\u00f6glichst nachgiebig werden, als Contactzeiger wird f\u00fcr sie ein Messingzeiger mit Platinbeleg und einem eigens f\u00fcr die Einstellung der Contacte eingerichteten Ausschnitt verwendet (Fig. 4). Zieht man die (durch Schrauben fixirbaren) Federn bis in den Ausschnitt vor (wobei der Zeiger dem Contact radial gegen\u00fcber stehen muss), so erh\u00e4lt man sofort eine f\u00fcr die Contact-gebung gleichm\u00e4\u00dfige Stellung aller Federn. Wegen der Verbrennung des Uhrfederstahles sind diese Contacte auf die Dauer nur bei schwachen Str\u00f6men verwendbar. Die dritte Contactart war ein Schleifcontact, bei welchem eine feine am Zeiger angebrachte Con-tactfeder von Platin \u00fcber kleine, auf schmalen Hartgummibl\u00f6cken\n10*","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nErnst Meumann.\nmontirte Platinplatten von verschiedener Form schleifte. Da ich diese Contactart hei den in gegenw\u00e4rtiger Abhandlung mitgetheilten\nVersuchen noch nicht verwendet habe, so gebe ich erst an anderem Orte eine Beschreibung derselben.\nF\u00fcr alle continuir-lichen Zeitausf\u00fcllungen verwendete ich eine neue Art von Contacten, die ich kurz als Stern-contacte (oder auch Drehcontacte) bezeichnen will1). Ich gestehe, dass ihre Construction mir einige Schwierigkeit gemacht hat. Daf\u00fcr sind sie von nie versagender Leistungsf\u00e4higkeit. Die Construction derselben ergibt sich aus der beigegebenen halbschematischen Abbildung (Fig. 5). Auf einem Hartgummiblock, der etwas mehr als die doppelte Breite von dem der fr\u00fcher beschriebenen Contacte besitzt (und in der gleichen Weise wie diese in der Rinne des Apparats gleitet), sind sechs Messingarme nach Art der Speichen eines Bades, um eine breite Achse (a, a{) drehbar, angebracht. Drei dieser Arme (in der Zeichnung und in dem Schema Fig. 6 und 7 schwarz schraffirt) enden in vertical stehenden verstellbaren Messingschrauben, sind also ganz stromleitend und k\u00f6nnen als Contactgeber dienen. Die drei zwischen ihnen liegenden Arme enden in Hartgummischrauben, sie leiten nicht und dienen nur zur Weiterbewegung des Sternes. An zwei Punkten der unter dem Stern liegenden Hartgummiplatte treten kleine Metallst\u00e4be zu Tage (cy-\n1) Sie k\u00f6nnen \u00fcbrigens ebenso gut zu momentanem Contacte verwendet werden.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n147\nlindrische Messingst\u00fccke mit Platinbeleg in Fig. 5 bei K und Ku K' und K\\), von denen sowie von der breiten metallenen Achse der Sterne die Stromzuleitung erfolgen kann. Die glatte Oberfl\u00e4che der Metallst\u00e4be liegt mit der Oberfl\u00e4che der Hartgummiplatte genau in derselben Ebene. So oft die Schraube eines der leitenden Arme \u00fcber einem der Metallst\u00e4be steht, ist die zur Achse gehende Stromzuleitung mit der zu diesem Metallst\u00fcck gebenden Zuleitung leitend verbunden. Jeder Vorbeigang des mit dem Rade des Zeitsinnapparates verbundenen Zeigers schiebt den jeweils gerade\nFig. 5.\nnach vorn stehenden Arm des Sterns um ann\u00e4hernd 60\u00b0 weiter. Der Betrag dieser Verschiebung kann ein f\u00fcr allemal eingestellt werden, er wird dadurch regulirt, dass die Curve der Bewegung des Zeigers hinreichend weit \u00fcber die Kreisplatte \" des Sterncon-tactes \u00fcbergreift. Sind die Contactfl\u00e4chen in ihrer Lage zu der Anfangsstellung des Sterns richtig justirt, und ist im \u00fcbrigen der ^dern in allen Theilen symmetrisch gearbeitet, so muss der ganze Stern bei jedem Vorbeigang des Zeigers nothwendig in die richtige","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"Lage kommen1). Je zwei solcher Drehcontacte werden f\u00fcr con-tinuirlichen Stromschluss zusammengeschaltet. Die Schaltung kann sehr verschieden eingerichtet werden, je nachdem man bei jedem\nFig. 6.\nUmgang des Zeigers Stromschluss erhalten will oder nur hei jedem zweiten. Will man hei jedem Umgang Schluss in dem gerade\n1) Ich beabsichtigte anfangs die Kreisplatten in radialer Richtung nach vorn und hinten verstellbar zu machen, zog aber sp\u00e4ter die einmal genau justirten feststehenden Platten vor.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n149\nverwendeten Apparat erhalten, so ist die in dem Schema der Leitungen Fig. 6 und 7 angegebene Schaltung anzuwenden. (Die st\u00e4rker gezeichneten Linien bezeichnen jedesmal die geschlossene Leitung). In Fig. 6 I bezeichnet E die Batterie, bei K und liegen die Contactfi\u00e4chen des ersten, bei K' und K\\ die des zweiten\nSternes. In dem Bogen hei A ist der jeweils benutzte Apparat zu denken, dessen zuleitende Klemmen durch die Sternchen bei Kl und KlY angedeutet werden. Die mit einem starken Strich hezeichneten Arme jedes Drehcontactes sind immer als die leitenden zu denken. In Fig. 6 I ist die Anfangsstellung wieder-","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nErnst Meumann.\ngegeben. Bei dieser ist Stromschluss in der Leitung EKKIK' E der Apparat ist also au\u00dferhalb des Stromes. Nun beginne die erste Tour des Zeigers, der von rechts nach links an den Contacten vorbeigeht. Dann wird zun\u00e4chst der Stern des rechten Contactes (S') um 60\u00b0 gedreht, und auf die Contactfl\u00e4che K\\ tritt ein leitender Arm. Der Strom geht nun \u00fcber den Apparat, da die Leitung E KKl A Ely E!t E geschlossen ist. R\u00fcckt der Zeiger weiter, so hebt er diesen Schluss auf, sobald der linke Stern (S) in Fig. 6 II gedreht wird, indem bei K der leitende Arm abr\u00fcckt und durch einen nicht leitenden ersetzt wird. Nunmehr ist die in Fig. 7 III gezeichnete Stellung erreicht, der Schluss in der Leitung E Kv Klx K'i E geht wiederum nicht \u00fcber den Apparat. Darauf beginnt der zweite Vorbeigang des Zeigers, dann ist bei S' in Fig. 7 IV wieder die Anfangsstellung erreicht, sobald der Zeiger diesen Contact gestreift hat, es herrscht nun Schluss in der Leitung EKxKlyA Kl K' E, dieser Schluss geht also wieder \u00fcber den Apparat. Er dauert wiederum an, bis der linke Contact in Fig. 7 IV gedreht wird, dann ist die Anfangsstelluiig beider Contacte wieder da, das Schema Fig. 6 I tritt wieder in Kraft.\nWill man, was bei Zeitsinnversuchen unter Umst\u00e4nden geboten ist, nur jeden zweiten Umgang des Zeigers zur Gewinnung von Dauercontact benutzen (bezw. je zwei Leitungen in jeder zweiten Umdrehung dauernd schlie\u00dfen), so erreicht man das, wie leicht zu sehen, durch die in Fig. 5 eingezeichnete, einfachere Schaltung.\nBeide Leitungen f\u00fchrte ich jedesmal \u00fcber Stromschl\u00fcssel, um nach Belieben die eine oder andere unterbrechen zu k\u00f6nnen. Will man z. B. eine Stimmgabel oder ein Inductorium anregen, bezw. eine Nebenschlie\u00dfung an eine best\u00e4ndig arbeitende Stimmgabel anschalten, so kann jeder der beiden in Fig. 6 II und IV eingezeichneten Stromkreise dazu benutzt werden.\nDer Vorzug dieser Sterncontacte besteht in ihrem sicheren Gang, der keinerlei Schleuderung hat, auf der breiten Achse und den sechs Unterst\u00fctzungspunkten genau dieselbe Rotationsebene beh\u00e4lt, in dem festen, durch zwei auf einander schlie\u00dfende Metallst\u00fccke vermittelten Contact (bei Contactstellung bilden die in der Hartgummiplatte stehenden Metallst\u00fccke die Fortsetzung der von den Armen abgehenden Schrauben), und ihr gr\u00f6\u00dfter Vorzug ist der","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n151\nnegative, dass bei ihnen keinerlei Feder contact zur Verwendung kommt, der immer ver\u00e4nderlich ist. Sie bed\u00fcrfen keiner besonderen Pr\u00e4cisionseinstellung, sobald sie ein f\u00fcr allemal justirt sind, sie lassen sich ohne besondere Vorbereitung sofort gebrauchen und mit gr\u00f6\u00dfter Leichtigkeit handhaben1). Die mV der Contact-schlie\u00dfung und -\u00d6ffnung erreicht f\u00fcr 10 Controlen, bei gr\u00f6\u00dfter Geschwindigkeit des Apparats, nicht 1 a.\nSollten nun ausgef\u00fcllte und \u00bbleere\u00ab Zeiten hergestellt werden, so geschah das in folgenden Verfahrungsweisen. Handelte es sich um Ausf\u00fcllung mit discontinuirlichen Reizen, so wurden immer beide Zeitstrecken mit denselben Contacten hergestellt, wodurch ich von allen etwa vorhandenen Ungleichheiten der einzelnen Contacte derselben unabh\u00e4ngig war. Ich erreichte das durch die einfache, in dem Schema der Fig. 4 abgegebene Stromanordnung. Wenn z. B. 1 2 3 4 5 f\u00fcnf Federcontacte darstellen, die zur Ausf\u00fcllung der ersten Zeit dienen, so geht eine erste Stromzuleitung von dem Du Bois-Schl\u00fcssel I){ nur zu den Endcontacten 1 und 5, eine zweite durch den Schl\u00fcssel Z>2 zu den \u00fcbrigen (die Ausf\u00fcllung besorgenden) Contacten. Oeffnet man D2 bei Schluss von Du so erh\u00e4lt man die \u00bbleere\u00ab, schlie\u00dft man Dv und Z>2, so erh\u00e4lt man die erf\u00fcllte Zeit (die Stromableitung geht bei diesen Contacten \u00fcber den bei Z angedeuteten Zeiger des Zeitsinnapparats). Da ich immer mit einer Zwischenzeit arbeitete; so konnte z. B. beim ersten Zeigerumgang die ausgef\u00fcllte, beim zweiten die leere Zeit eingestellt werden. Die absoluten Zeiten der zu vergleichenden Strecken und der Zwischenzeit zwischen ihnen (im Folgenden meist durch ZZ bezeichnet) sind nat\u00fcrlich durch die Regulirung des Apparats herzustellen. Man sieht, wie auf diese Weise immer dieselben Endcontacte die beiden verglichenen Zeiten begrenzen, es kann also f\u00fcr die Frage der Gleichheit der Zeiten von den Ungleichheiten der Federcontacte abstrahirt werden, und eine Uncorrectheit im Strom\u00f6ffnungs- bezw. Schlussmoment h\u00f6chstens die eingestellte absolute Zeit (um ein sehr\n1) Ich habe \u00fcbrigens inzwischen die Construction der Drehcontacte noch vereinfacht,, aber \u00fcber diese vereinfachte Construction noch keine Erfahrungen gesammelt.","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nErnst Meumann.\ngeringes) ver\u00e4ndern. Ueberdies \u00fcberzeugte ich mich vor jeder Stunde durch langsames Vorbeischieben des Zeigers vor den Contacten von dem correcten Eintritt des Stromschlusses bezw. der Oeffnung, und sobald eine Feder mangelhaft zu werden schien, konnte ich sie leicht durch Einschaltung einer neuen ersetzen. Alle \u00fcbrigen technischen H\u00fclfsmittel gebe ich bei den einzelnen Versuchsreihen an.\nDie Methode, der ich bei diesem ganzen Versuchseyklus folgte, entsprach im wesentlichen dem fr\u00fcher bei der Untersuchung des Einflusses der Intensit\u00e4t der Reize auf die Sch\u00e4tzung kleinster Zeiten verwendeten und dort n\u00e4her beschriebenen Abstufungsverfahren mit sprungweiser Einstellung unregelm\u00e4\u00dfig wechselnder Zeitunterschiede, in vollst\u00e4ndig unwissentlichem Verfahren. Ihr allgemeiner Zweck ist hier, wie fr\u00fcher, eine quantitative Bestimmung der durch die Zeitausf\u00fcllung bewirkten \u00bbUrtheilst\u00e4uschungen\u00ab. Ich habe jedoch (haupts\u00e4chlich um die einzelnen quantitativen Bestimmungen der Zeitt\u00e4uschung mit gr\u00f6\u00dferer Sicherheit vergleichbar zu machen) eine Anzahl Modificationen gegen fr\u00fcher eingef\u00fchrt. Erstens verwendete ich auch schon bei den kleinsten Zeiten gr\u00f6\u00dfere Stufen, entsprechend der sehr geringen Feinheit der Unterscheidung bei differenter Zeitausf\u00fcllung. Sodann vermehrte ich die Zahl der Einzel versuche, die auf jede Differenz kommen, auf mindestens 10, und ging je nach der Unsicherheit des Urtheils bis zu 15, 20, 25 und gelegentlich noch mehr Versuchen auf die einzelne Differenz. Drittens f\u00fchrte ich (allerdings erst im Laufe der Versuche) Gewichte f\u00fcr die einzelnen Urtheile ein, und zwar so, dass jede Versuchsperson wenigstens zwischen drei Gewissheitsstufen f\u00fcr jedes Urtheil zu unterscheiden hatte. Es wurde also z. B. geurtheilt f\u00fcr scheinbare Verkleinerung der VZ\\ kleiner zweifelhaft, kleiner (ohne besondere Bezeichnung), kleiner deutlich. Einige Versuchspersonen konnten \u00fcber diese drei Stufen nicht hinausgehen. Von anderen erhielt ich au\u00dfer den vorigen noch die zwei weiteren Stufen: kleiner sehr zweifelhaft, kleiner sehr deutlich. Bei diesen konnte ich also f\u00fcnf Urtheilsstufen verwenden. (Ueber die Art ihrer Verwendung siehe unten S. 155 f.).\nDie Berechnung des Quantums der subjectiven Ueber-bezw. Untersch\u00e4tzung einer ausgef\u00fcllten Zeit geschah ferner auch hier","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n153\nmittels der Grenzwerthe, bei denen das betreifende Unterschieds-urtheil constant wird. In diesen Grenzwerthen liegt der einzig m\u00f6gliche Anhaltspunkt f\u00fcr eine einwandsfreie Berechnung der Ueber- und Untersch\u00e4tzung, \u2014 das hat in folgenden Eigent\u00fcmlichkeiten des Ganges der Urtheile bei differenter Zeitausf\u00fcllung seine Ursache. Zuerst ist es unm\u00f6glich, das Gleichheitsurtheil zur Berechnung zu verwenden, denn die Gleichheitsurtheile sind 1) hier fast immer reine Yerlegenheitsurtheile, und 2) verschwinden sie hei manchen Versuchspersonen hei der Vergleichung verschieden ausgef\u00fcllter Zeiten ganz oder fast ganz. Ich fand z. B. hei den Beobachtern Uky und Gle manchmal in den ersten 60\u201480 Einzelbestimmungen einer Versuchsreihe kein einziges Gleichheitsurtheil. Wo im Folgenden ein Beobachter einmal etwas mehr zu Gleich-heitsurtheilen tendirt, da habe ich vergleichsweise auch die Verschiebung der scheinbaren Gleichheit gegen die objective angegeben. Es ist das Verschwinden des Gleichheitsurtheils \u00fcbrigens eine f\u00fcr die Deutung der Versuchsresultate nicht unwichtige Thatsache, ich gehe daher im Verlauf der Abhandlung noch \u00f6fter darauf ein.\nFerner ist aber auch eine Berechnungsweise aus den Unter-schiedsurtheilen nach den Vorschl\u00e4gen von Wundt (vgl. Grundz\u00fcge 4.1 S. 344) bei den Versuchen \u00fcber Zeitausf\u00fcllung nicht durchf\u00fchrbar. Die Schwierigkeit der Vergleichung verschieden ausgef\u00fcllter Zeiten bringt es mit sich, dass die Unterschiedsurtheile \u00fcber die ganze Skala der eingestellten Differenzen bis zu den Grenzwerthen reichen. Es ist fast niemals so, dass das Urtheil \u00bbkleiner\u00ab etwa dem Urtheil \u00bbgleich\u00ab Platz macht, und dieses dann dem Urtheil gr\u00f6\u00dfer, sondern durchweg reichen die Unterschiedsurtheile der einen Art bis zu dem Grenzwerth des entgegengesetzten Unterschiedes (in derselben Weise pflegen die Gleichheitsurtheile versprengt zu sein), so dass man die Mitte aus ganz enormen Urtheilsbreiten berechnen m\u00fcsste, wodurch ein ganz ungenaues Bild der Urtheilsvertheilung entsteht.\nEs bleibt also nur \u00fcbrig, die Quanta der Ueber- und Untersch\u00e4tzung durch diejenigen Werthe zu bestimmen, von denen an das Urtheil kleiner und gr\u00f6\u00dfer constant wird. Au\u00dfer diesen Grenzwerthen habe ich in den unten folgenden Tabellen meist auch die Beurtheilung des ohjectiven Gleichheitsverh\u00e4ltnisses","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nErnst Meumann.\nbeigef\u00fcgt1), ferner habe ich, sofern der eine oder andere Beobachter mehr zur Abgabe von Gleichheitsurtheilen tendirte, zum Vergleich die mittlere Lage des Gleichheitsurtheils (Mitte der scheinbaren Gleichheit) beigef\u00fcgt, man wird sehen, wie diese beiden Bestimmungen durchweg der Lage der Grenzwerthe entsprechend ausgefallen sind. Bei der Bedeutung, welche die Grenzwerthe daher f\u00fcr alle folgenden Versuche erhalten, musste ich nat\u00fcrlich auf ihre m\u00f6glichst einwandsfreie Bestimmung ganz besondere Sorgfalt verwenden. Ihre Feststellung geschah unter Ber\u00fccksichtigung der folgenden Umst\u00e4nde. Zuerst verwerthete ich die von den Versuchspersonen abgegebenen Urtheilsgewichte, so weit dies irgend m\u00f6glich war, um \u00fcber die Lage jedes Grenzwerthes zu entscheiden. Im allgemeinen galt mir als Princip, dass zwei correspon di rende Grenzwerthe (Constanz des Urtheils kleiner und gr\u00f6\u00dfer) in demselben Versuch nur dann als gleichwerthig betrachtet w\u00fcrden, wenn sie nicht nur die gleiche Zahl richtiger Urtheile, sondern auch die ann\u00e4hernd gleichen Gewichte der Urtheile bekommen hatten. Nur bei den ausgepr\u00e4gtesten Ueber- und Untersch\u00e4tzungen ist die Durchf\u00fchrung dieses Grundsatzes ausgeschlossen, weil hei diesen die Bezeichnungen \u00bbdeutlich\u00ab in der Richtung der T\u00e4uschung oft \u00fcberhaupt aushleiben, obgleich das Unterschiedsurtheil schon durch mehrere Stufen constant wird2). In diesem Falle kann nur die Constanz des Urtheils als Kriterium f\u00fcr die Festsetzung des Grenzwerthes dienen. Es ist nun ein Mangel dieser Methode, richtiger gesagt, es ist ein Mangel in der Ausbildung der Methode, dass es bisher keine befriedigende Wahrscheinlichkeits\u00fcberlegung gibt, nach welcher man \u00fcber die Sicherheit oder Unsicherheit der Bestimmung der Grenzwerthe durch eine bestimmte Zahl richtiger Urtheile entscheiden kann. So lange diese Frage nicht durch die\n1)\tEs fehlt diese Angabe in einigen der fr\u00fchesten Versuchsreihen, bei denen ich nur dann das objective Gleichheitsverh\u00e4ltniss in der vollen Zahl der Einzel-bestimmungen mit einstellte, wenn dasselbe einem der beiden Grenzwerthe nahe lag.\n2)\tEs hat das seine Ursache in dem eigenth\u00fcmlichen Sinn dieses quantitativen Ausgleichs, der subjectiv zum Theil mehr den Charakter eines qualitativen Ausgleichs hat. Vergl. den Schlussparagraphen dieser Abhandlung und Phil. Stud. IX, S. 283.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n155\nErfahrung an Normalversuchen der Zeitsch\u00e4tzung, die unter einfachsten Bedingungen angestellt sind, beantwortet ist, d\u00fcrfte es bei Versuchen, bei denen die quantitative Bestimmung nur zur Eruirung von in der Hegel ziemlich groben Ueber- und Untersch\u00e4tzungen dient, immer das Beste sein, lieber allgemein zu gro\u00dfe Werthe f\u00fcr die \u00bbUrtheilst\u00e4uschungen\u00ab zu erhalten, und daf\u00fcr die relativen Ueber- und Untersch\u00e4tzungen in einem vergr\u00f6\u00dferten Bilde ablesen zu k\u00f6nnen, als dass man auf Grund eines willk\u00fcrlich gew\u00e4hlten Procentsatzes richtiger Urtheile den Grenzwerth fr\u00fcher ansetzt, als da, wo das Unterschiedsurtheil in einer bestimmten Zahl der ersten eingef\u00fchrten Einstellungen dieser Differenz constant wird. Bei der Kleinheit der Stufen, die ich fr\u00fcher verwendete (durchweg Differenzen von 0,011, sogar bisweilen 0,005 s), machte es nichts aus, wenn auch einmal der Grenzwerth auf Grund eines einzigen Gleichheitsurtheils um eine Stufe hinausgeschoben werden musste. Empfindlicher ist dagegen auch nur ein Fehlurtheil bei den in den folgenden Versuchen verwendeten gr\u00f6\u00dferen Stufen. Hier kann unter Umst\u00e4nden der Sinn der quantitativen Bestimmung der T\u00e4uschung schon betr\u00e4chtlich ver\u00e4ndert werden, je nachdem man die Constanz des Unterschiedsurtheils um eine Stufe fr\u00fcher oder sp\u00e4ter ansetzt. (Ich verwendete in den unten folgenden Versuchen bei Zeiten bis zu 1 s je nach der Gr\u00f6\u00dfe der vorkommenden T\u00e4uschung Stufen von 0,028 und 0,05 sec, bei Zeiten von 1 bis 3 s Stufen von 0,05 s bis 0,1 s, bei den gr\u00f6\u00dferen Zeiten 0,1 bis [in einigen F\u00e4llen] 0,2 s). Es gen\u00fcgt daher nicht, einfach den Grenzwerth da anzusetzen, wo die ersten 10 (15, 20 u. s w.) Urtheile richtig sind, da ein einzelnes Fehlurtheil bei der Schwierigkeit des Vergleichsobjectes hier sehr leicht sporadisch auftritt, bei einer Differenz, die man zweifellos als sicher erkennbar ansetzen kann. Ich verfuhr daher nach folgenden Grunds\u00e4tzen und Vorsichtsma\u00dfregeln: 1) als Grenzwerth f\u00fcr die beginnende Constanz des Unterschiedsurtheils galt diejenige Stufe, von welcher an kein Fehlurtheil mehr vorkam; 2) der Grenzwerth konnte nur richtige Urtheile oder ein Fehlurtheil enthalten auf das Minimum der ersten 10 Einstellungen, wenn sich die \u00fcbrigen Verh\u00e4ltnisse der Urtheile (vgl. Nr. 3) entsprachen. Ein Gleichheitsurtheil galt ebenso als Fehlurtheil wie ein falsches Unterschiedsurtheil, weil das Gleichheitsurtheil bei diesen Versuchen","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nErnst Meumann.\nin der Regel ein reines Verlegenheitsurtheil ist und ein entschiedenes Nichterkennen des Unterschiedes bezeichnet. Das falsche Unter-schiedsurtheil kennzeichnet hier (wie \u00fcbrigens auch manchmal im Normalversuch) oft ein sichereres Erkennen wie das Gleichheitsurtheii weil es aus einer Vermuthung des wahren Unterschieds hervorgeht, die von dem Beobachter unrichtig interpretirt wird; 3) der Grenzwerth f\u00fcr das eine Unterschiedsurtheil wurde immer (mit Ber\u00fccksichtigung der oben hierf\u00fcr angef\u00fchrten Beschr\u00e4nkung bei den gr\u00f6\u00dften T\u00e4uschungen) mit R\u00fccksicht auf den Ausfall der Urtheile bei dem zu bestimmenden Grenzwerth f\u00fcr das entgegengesetzte Urtheil festgestellt. Es galt dabei als Grundsatz, dass, wenn z. B. das Urtheil kleiner bei einer gewissen Stufe constant wurde und bei dieser Stufe mehr als 5 Deutlich-Bezeichnungen vorkamen, w\u00e4hrend das Urtheil gr\u00f6\u00dfer bei der Stufe seiner nach dem unter Nr. 1 angegebenen Gesichtspunkt erreichten Constanz weniger als 5 Deutlichkeitsbezeichnungen erhielt, so wurde nicht diese erste Stufe, sondern das Mittel aus dieser und der folgenden Stufe als Grenzwerth angesetzt; 5) da es vorkam, dass zwei Stufen nur ein Fehlurtheil enthielten, so wurde, wenn nicht die Zweifelhaft- oder Deutlich-Bezeichnungen f\u00fcr die h\u00f6heren Stufen entschieden, das Mittel aus diesen beiden Stufen genommen. 6) Ein zweifelhaftes Urtheil wurde als ein halbes gerechnet, sowohl hinsichtlich der Fehlurtheile, wie der richtigen Angaben. 7) Wenn ich noch irgend welchen Zweifel in der Ansetzung der Grenz-werthe hatte, so machte ich nach beendetem Experiment einen Controlversuch. Ich stellte die beiden vermutheten Grenzwerthe in zwei F\u00e4llen f\u00fcr sich ein und lie\u00df den Beobachter urtheilen, ob bei beiden das gleiche Gewissheitsgef\u00fchl vorhanden war. Diese Contr\u00f4le best\u00e4tigte mir die Angabe der Grenzwerthe nur bei den gr\u00f6\u00dften vorkommenden Urtheilst\u00e4uschungen nicht, da hier, wie erw\u00e4hnt, ein wirkliches Gegengewicht durch die Vergr\u00f6\u00dferung \u00bbleerer\u00ab Zeiten gegen\u00fcber reizerf\u00fcllten auch mit den constant be-urtheilten Unterschieden nicht geschaffen wird.\nWas ferner die Handhabung des ahstufenden Verfahrens anlangt, so ber\u00fccksichtigte ich dabei die folgenden experimentellen Erfahrungen. Es ist nicht gleichg\u00fcltig f\u00fcr den Ausfall des einzelnen Urtheils, in welcher Reihenfolge (auch abgesehen","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseius.\n157\nvon dem Princip des unregelm\u00e4\u00dfigen Wechselns) die Urtheile auf-einanderfolgen, die Urtheile beeinflussen sich vielmehr gegenseitig, und zwar sowohl gleichsinnig, d. h. so dass z. B. durch ein Urtheil kleiner die Tendenz gesetzt wird, auch die n\u00e4chste Differenz als kleiner zu heurtheilen; als auch im Sinne des Contrastes, indem durch ein Urtheil die Tendenz zum entgegengesetzten gegeben wird. Es scheint mir nicht m\u00f6glich, dies durch die Art des Wechselns mit den Unterschieden auszugleichen, da hier vielmehr der jeder unwissentlichen Methode anhaftende Mangel f\u00fchlbar wird, dass die Erwartungseinfl\u00fcsse zwar zur\u00fcckgedr\u00e4ngt, aber nicht vollst\u00e4ndig eliminirt sind, daf\u00fcr sich aber der Contr\u00f4le entziehen. Es sind aber keineswegs hlos Erwartungseinfl\u00fcsse, die dabei die Urtheilsfehler bestimmen, sondern au\u00dfer diesen macht sich von Fall zu Fall, durch jede einmalige Perception eines bestimmten Unterschiedes eine in dem Beobachter erzeugte Adaptation an diesen Unterschied (man k\u00f6nnte sie vielleicht auch \u00bbEinstellung\u00ab auf den Unterschied nennen) geltend. Diese Thatsache ist, wie so manche andere den psychophysischen Mechanismus des Urtheilsvorgangs betreffende Erscheinung, in der bisherigen Begr\u00fcndung der psychophysischen Ma\u00dfmethoden ganz \u00fcbersehen worden1). Nichtsdestoweniger ist dieser gleichsinnige Einfluss eines Urtheils auf das folgende eine sehr h\u00e4ufige Erscheinung, die sich leicht aus der Adaptation an den vorausgegangenen Unterschied erkl\u00e4rt, auch ohne dass man dabei an eine Erwartung des gleichen Unterschiedes auf Grund dieser Adaptation zu denken braucht. Eine allgemeine Kegel \u00fcber das Eintreten einer gleichsinnigen oder im Sinne des Contrastes\n1) Ich fand bei einer Pr\u00fcfung der Methode der Minimal\u00e4nderungen in verschiedenen Modificationen ihrer Anwendung, dass, wenn man vom (subjectiven) \u00d6leichheitsfall bei den Abstufungen ausgeht, und dann vom sichermerklichen Unterschied zur\u00fcckgeht, die beiden z/r-Werthe, die man dann erh\u00e4lt, in vielen tausend Versuchen nicht ein einziges Mal so lagen, wie sie gew\u00f6hnlich angegeben werden, und wie sie z. B. das vonK-\u00fclpe in seinem \u00bbGrundriss der Psychologie\u00ab 8. 60 angegebene Schema zeigt, sondern die zlr'o und /lr\"o (bzw. /Ir'u und <dr\"u) griffen stets \u00fcber einander. Auch darin zeigt sich, dass bei beiden Richtungen der Abstufung das Urtheil unter verschiedenen psychischen Bedingungen zu Stande kommt. Geht man vom Gleichheitsfall aus, so macht sich die Erwartung des Unterschieds geltend, geht man vom Unterschied aus, so wirkt die Einstellung den Unterschied st\u00e4rker wie die Erwartung der Gleichheit.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nErnst Meumann.\nerfolgenden Beeinflussung der aufeinanderfolgenden Urtheile kann ich bis jetzt nur vermuthungsweise geben, da erst eine Statistik die an Normalversuchen ausgef\u00fchrt w\u00e4re, dar\u00fcber entscheiden kann. Es scheint mir, dass eine gleichsinnige Beeinflussung eines Urtheils durch die vorausgehende Unterschiedsperception vor allem dann eintritt, wenn von einem relativ deutlichen Urtheil der einen \u00dcnterschiedsrichtung zu einem relativ undeutlichen (nahe der Schwelle liegenden) Unterschied der entgegengesetzten Richtung \u00fcbergegangen wird. Die Contrastbeeinflussung greift hingegen dann Platz, wenn von einem relativ deutlichen Unterschied der einen Unterschiedsrichtung zu einem deutlichen Unterschied der entgegengesetzten \u00fcbergegangen wird, dieser erzwingt sich dann die Bahn und erscheint zu gro\u00df. In den Gewichten der Beobachterprotokolle kommt dies deutlich zu Tage.\nF\u00fcr die Unregelm\u00e4\u00dfigkeit der Abstufung habe ich mir keine objective Garantie (etwa durch vorherige Mischung der einzustellenden Differenzen) verschafft, sondern nach freiem Ermessen w\u00e4hrend des Versuchs die m\u00f6glichste Unregelm\u00e4\u00dfigkeit der Stufenfolge zu erreichen gesucht. Es ist nat\u00fcrlich besser, wenn man sich durch vorherige Mischung der einzustellenden Differenzen von dem Einfluss der eigenen W\u00fcnsche m\u00f6glichst befreit, denn wenn es auch bei diesem Verfahren unregelm\u00e4\u00dfiger unwissentlicher Abstufung unm\u00f6glich sein d\u00fcrfte, wirkliche Kunstproducte der Beurtheilung zu schaffen1), so kann man doch durch die Art der Urtheilsfolge eine Beg\u00fcnstigung des einen von beiden Unterschiedsurtheilen schaffen. Aber die vorherige Festsetzung der Differenzen ist bei Versuchen der hier vorliegenden Art praktisch undurchf\u00fchrbar. Es geht hier ja nicht so einfach zu, wie bei Versuchen \u00fcber die Unterschiedsempfindlichkeit, wo man etwa bei Versuchen mit 1,2 sec. voraussehen kann, wie die Urtheile von statten gehen werden, nachdem man bei 1,0 sec. den Gang des Urtheils kennen gelernt hatte. Sondern man steht bei jedem Versuch vor einem vollst\u00e4ndig neuen Fall, man hat z. B. bald Vergr\u00f6\u00dferungen einzustellen, die den Betrag der NZ \u00fcberschreiten, bald reichen wenige kleine Stufen\n1) Vorausgesetzt, dass man eine Regel ber\u00fccksichtigt, die ich in den Schlussbemerkungen dieser Abhandlung angebe.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n159\nhin, um die Grenzwerthe nach beiden Seiten zu bestimmen. Damit verbietet sich ferner f\u00fcr die Untersuchung der Zeitt\u00e4uschungen eine Methode, bei der man etwa ein f\u00fcr allemal eine oder zwei Differenzen von immer gleicher Gr\u00f6\u00dfe ausschlie\u00dflich einstellt; diese m\u00fcssen nothwendig bei sehr verschiedenen Quanten der T\u00e4uschung die gleiche Beurtheilung ergeben (man versuche das z. B. mit mehreren Vielfachen der von mir gew\u00e4hlten Differenzen hei irgend einer der folgenden Tabellen), und man kann auf diese Weise h\u00f6chstens die Richtung der T\u00e4uschung, nicht das Quantum derselben mit einiger Sicherheit angehen; wie weit dieses letztere in der Beurtheilung einer z. B. f\u00fcr einen bestimmten Fall zu klein oder zu gro\u00df gew\u00e4hlten Differenz zum Ausdruck kommt, bleibt \u2014 der hypothesenbauenden Phantasie \u00fcberlassen1).\nIch bem\u00fchte mich daher lediglich, 1) eine Adaptation eines Beobachters an eine bestimmte Folge der Differenzen zu verh\u00fcten und 2) nach M\u00f6glichkeit ebenso oft von \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab zu \u00bbkleiner\u00ab (bezw. gleich) wie umgekehrt abzustufen. Eine weitere Vorsichtsma\u00dfregel f\u00fcr die Wahl der Stufen theile ich in den Schlussbemerkungen dieser Abhandlung mit, da sie nur auf Grund der Bekanntschaft mit den eigenth\u00fcmlichen Urtheilsverh\u00e4ltnissen bei verschieden ausgef\u00fcllten Zeiten verst\u00e4ndlich werden kann (vgl. den Schluss d. Abhdlg.). Endlich habe ich aus eben dort zu erw\u00e4hnenden Gr\u00fcnden die ersten 10 Urtheile der ersten Versuchsstunde, und die 5 ersten Urtheile jeder folgenden, in der ein und derselbe Fall zur Beurtheilung kam, ohne R\u00fccksicht auf ihren Ausfall gestrichen. (Diese Regel befolgte ich auch bei den Philos. Stud. IX mitge-theilten Versuchen.) Ueber die Ein\u00fcbung der Beobachter muss ich bemerken, dass alle an diesen Versuchen theilnehmenden Herren l\u00e4ngere Zeit hindurch in anderen Zeitsinnversuchen eine maximal zu nennende Fertigkeit in der Zeitsch\u00e4tzung erlangt hatten.\nIch habe endlich noch einiges \u00fcber die Wahl der Zwischenzeiten (zwischen NZ und VZ) hinzuzuf\u00fcgen. Dass ich \u00fcberhaupt hier \u00fcberall mit Zwischenzeiten arbeite, hat seinen Grund darin, dass hei unmittelbarer Aufeinanderfolge verschieden ausgef\u00fcllter Zeiten mn reines Hervortreten des Einflusses der Ausf\u00fcllung gegen\u00fcber\n1) Dies ist die Methode M\u00fcnsterberg\u2019s.\nWundt, Philos. Studien. XII.\n11","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nErnst Meumann.\nden zahlreichen St\u00f6rungen gar nicht m\u00f6glich ist. Ist bei dieser Anordnung z. B. die zweite Zeit eine reizbegrenzte, \u00bbleere\u00ab, so verarbeitet der Beobachter w\u00e4hrend der leeren Zeit noch eine Weile die Perception der ersten Zeit, er kommt gar nicht recht zur Auffassung der zweiten. Ferner wirken die Nachempfindungen von der ersten Zeit her sehr st\u00f6rend, man h\u00f6rt w\u00e4hrend der zweiten Zeit bei Schallversuchen den Nachhall der Schalleindr\u00fccke oder T\u00f6ne, man sieht bei Lichtversuchen die Nachbilder bezw. das unmittelbare Abklingen der Funken u. s. w.\nWenn ich nun die zweite Zeit immer erst nach einer Zwischenzeit folgen lie\u00df, so konnte die Wahl der Gr\u00f6\u00dfen dieser Zwischenzeiten m\u00f6glicherweise von Einfluss auf die T\u00e4uschung sein. Ich habe daher eine umfangreiche Untersuchung dar\u00fcber angestellt, wie die Gr\u00f6\u00dfe der ZZ im Normalversuch und bei differenter Ausf\u00fcllung auf das Urtheil einwirkt. Diesen Versuchs-cyklus werde ich gesondert ver\u00f6ffentlichen. Als allgemeines Ergebniss desselben theile ich hier mit, dass die Wahl der Zwischenzeiten nach folgenden Hegeln geschehen muss. Ist die Zwischenzeit gleich der NZ, so hat man immer einen g\u00fcnstigsten Fall. Der NZ gleiche Zwischenzeiten lassen sich immer verwenden, obwohl sie dem Beobachter in der Hegel nicht gleich der NZ zu sein scheinen (eine Thatsache, die ich mit zu den Zeitt\u00e4uschungen rechne, die durch das verschiedene Verhalten der Aufmerksamkeit bei den verglichenen Zeiten und ihren Zwischenpausen herbeigef\u00fchrt werden). Bei kleineren und mittleren Zeiten ist eine ZZ von 2 sec. das Normale, geht man \u00fcber 2 sec. ZZ hinaus, so nimmt die \u00dcE sehr langsam ab, selbst bei 15\u201421 sec. ZZ bemerkt man erst eine geringe Abnahme in der Genauigkeit des Urtheils (der Gr\u00f6\u00dfe und Constanz der Schwellen), \u00fcber 20 sec. hinaus beginnt eine raschere Abnahme der TJE. Am meisten ung\u00fcnstig beeinflussen das Urtheil zu kleine Zwischenzeiten, und zwar durch Erzeugung constanter Fehler. Wird eine gr\u00f6\u00dfere Zeitstrecke, z. B.\n5 sec. bei zu kleinen Zwischenzeiten beurtheilt, so erh\u00e4lt man Untersch\u00e4tzung der VZ, bezw. Uebersch\u00e4tzung der NZ, das Urtheil kleiner wird sofort constant, die obere Schwelle dagegen kann bis zur Verdreifachung und weiter zunehmen. Dieser Fehler nimmt gleichm\u00e4\u00dfig mit der Verkleinerung der ZZ zu. Wie gro\u00df die","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n161\nweniger als 2 sec. betragende ZZ noch sein darf, das h\u00e4ngt von der absoluten Gr\u00f6\u00dfe der NZ ab. Bei kleinsten Zeiten bis zu 1,0 sec. kann man auf 1 sec. ZZ herabgehen, ohne wesentliche Aenderungen des Urtheils zu bemerken (bei sehr kleinen Zeiten sogar noch weiter), bei gr\u00f6\u00dferen Zeiten von mehr als zwei Secunden ist eine ZZ von 1 sec. schon zu klein, es tritt subjective Verkleinerung der VZ ein (wohl darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dass der Beobachter sich w\u00e4hrend der VZ noch mit der Verarbeitung des Eindruckes der NZ besch\u00e4ftigt). Allgemein also kann man nicht leicht fehlgreifen durch die Wahl zu gro\u00dfer, wohl aber durch Verwendung zu kleiner Zwischenzeiten. Ich habe daher in den folgenden Versuchen f\u00fcr Zeitstrecken von 0,2\u20141 s Zwischenzeiten von 1,2\u20142 s verwendet, f\u00fcr Zeiten von 1\u20146 sec. Zwischenzeiten von 2\u20143 s, f\u00fcr alle gr\u00f6\u00dferen Zeitstrecken Zwischenzeiten von 3\u20145 s.\nZum Verst\u00e4ndniss der Tabellen und ihrer theoretischen Deutung ist nach den bisherigen Ausf\u00fchrungen nun folgendes zu beachten. Die erste Verticalreihe gibt den absoluten Zeitwerth der eingestellten constanten Zeit an; die zweite diejenige Differenz zwischen NZ und VZ, bei welcher das Urtheil kleiner constant wird. Sie gilt als absolutes Ma\u00df der sicher erkannten Verkleinerung der VZ und hat daher in der Regel negatives Vorzeichen. Wird das Urtheil kleiner ^ schon bei objectiver Gleichheit beider verglichenen Zeiten constant, so setze ich an Stelle einer Zahlenangabe den Ausdruck: \u00bbbei t=t\\\u00ab (d. h. das Urtheil kleiner constant bei t=ty). Wenn das Urtheil kleiner noch constant bleibt bei Vergr\u00f6\u00dferungen der VZ, so hat diese Zahl positives Vorzeichen, d. h. das Urtheil kleiner ist noch constant bis zu der mit + angegebenen objectiven Vergr\u00f6\u00dferung der NZ. Beide F\u00e4lle bezeichnen nat\u00fcrlich eine enorme Untersch\u00e4tzung der VZ, oder scheinbare Vergr\u00f6\u00dferung der NZ. In diesen beiden F\u00e4llen ist dann der relative Werth der Differenz f\u00fcr die Constanz des Urtheils \u00bbkleiner\u00ab nicht berechnet (die dritte Verticalreihe bleibt ohne Angabe), da das nun keinen Sinn mehr hat. Die zweite Verticalreihe enth\u00e4lt den analogen absoluten Betrag der Differenz (Vergr\u00f6\u00dferung der ^Z), bei der das Urtheil gr\u00f6\u00dfer constant wird, diese Zahl hat daher positives Vorzeichen. Aus beiden genannten absoluten Werthen Wlrd (in Verticalreihe 3 und 4) ein relativer Werth berechnet\nll*","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nErnst Meumann.\n(Quotient der absoluten Differenz in die NZ). An den Gr\u00f6\u00dfenunterschieden dieser Quotienten l\u00e4sst sich daher sogleich die relative herrschende Ueber- oder Untersch\u00e4tzung von Intervall zu Intervall verfolgen, an den Zahlen der ersten beiden Reihen die absolute Ueber- oder Untersch\u00e4tzung f\u00fcr jedes einzelne Intervall. Die vierte Yerticalreihe enth\u00e4lt, wo es (der Zahl der vorhandenen Gleichheits-urtheile wegen) angeht, diejenige Differenz, welche der Mitte der scheinbaren Gleichheit entspricht, ausgedr\u00fcckt im Verh\u00e4ltnis zur absoluten Gr\u00f6\u00dfe der Zeit, also den Quotienten aus der Mittelzahl aller vorkommenden Gleichheitsurtheile und dem Betrage der NZ in Secunden.\nDie f\u00fcnfte Yerticalreihe gibt den Ausfall der Urtheile beim objectiven Gleichheitsverh\u00e4ltniss der Zeiten an. Da ich bei einer Anzahl der fr\u00fcheren Versuche die volle Zahl der Einstellungen der Stufen nur bei den um die Grenzwerthe liegenden Stufen erreichte, so habe ich die Region der objectiven Gleichheit nicht immer vollst\u00e4ndig eingestellt, und die Beurtheilung dieses Werthes in solchen F\u00e4llen aus den Tabellen ganz weggelassen. Die Urtheile \u00fcber das Gleichheitsverh\u00e4ltniss sind mit den Gewichten mitgetheilt, man wird sehen, dass die Vertheilung derselben durchweg dem Gang der constanten Fehlsch\u00e4tzung entspricht.\nb. Die einzelnen Versuchsgruppen.\nErste Gruppe. Versuche mit Schallreizen.\nDurch die bisherigen Erfahrungen bei Zeitsinnversuchen waren mir Zeitausf\u00fcllungen mit Schalleindr\u00fccken, hergestellt durch die Schl\u00e4ge des elektromagnetischen Schallhammers (s. dessen Abbildung S. 272 meiner fr\u00fcheren Abhdlg. Philos. Stud. IX, 1894) als einfachste Variation der bisher \u00fcblichen Vergleichung von Zeitstrecken nahe gelegt. Die erste Versuchsgruppe besch\u00e4ftigt sich daher mit der Frage, welchen Einfluss es auf die Vergleichung von zwei Zeitstrecken hat, wenn hei der einen von ihnen eine geringere oder gr\u00f6\u00dfere Zahl von Schalleindr\u00fccken der angegebenen Art zwischen die begrenzenden Schallreize eingeschohen wird. Diese Schalleindr\u00fccke sind im folgenden immer zu denken als kurze scharfe Schl\u00e4ge (\u00e4hnlich denen des Metronoms) von gut zu ertragen-","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\t163\nder Intensit\u00e4t. Eine und dieselbe Zahl ausf\u00fcllender Reize soll zun\u00e4chst in ihrer Wirkung bei den verschiedensten absoluten Zeitgr\u00f6\u00dfen untersucht werden. Die Zwischenzeiten der Hammerschl\u00e4ge bleiben zun\u00e4chst immer unter sich gleich. Ihre Successionsge-schwindigkeit nimmt also mit der Zunahme der Gesammtzeit gleichm\u00e4\u00dfig ab. Dabei entsteht ein entschiedener rhythmischer Effect f\u00fcr den Zuh\u00f6renden, der bei jeder Zeitgr\u00f6\u00dfe ein anderer ist. Constant bleibt also in den n\u00e4chsten Versuchen nur die Zahl der erf\u00fcllenden Eindr\u00fccke, ver\u00e4ndert wird die absolute Gr\u00f6\u00dfe der Zeiten, und man muss sich von vornherein vergegenw\u00e4rtigen, dass das f\u00fcr die zahlreichen m\u00f6glicherweise an den Zeitt\u00e4uschungen als Mitursachen betheiligten anderen Factoren, wie der rhythmischen Effecte, der Successionsgeschwindigkeit der Schl\u00e4ge u. a. m. mancherlei Ver\u00e4nderungen mit sich bringt.\nDie allgemeine Absicht der ersten Versuche ist die Beantwortung der Frage: Wie ver\u00e4ndert sich der Einfluss einer solchen Ausf\u00fcllung der Zeiten mit der absoluten Gr\u00f6\u00dfe der Zeit?\nEs wurde zuerst immer die vorangehende Zeit als ausgef\u00fcllte behandelt und constant gehalten, die zweite \u00bbleere\u00ab Zeit wird ver\u00e4ndert. Die Vergr\u00f6\u00dferung der zweiten leeren Zeit, bei welcher das Urtheil gr\u00f6\u00dfer constant wird, misst also hier die Verschiebung der oberen Schwelle, d. h. die Uebersch\u00e4tzung der erf\u00fcllten, die Untersch\u00e4tzung der leeren Zeit; der entsprechende Verkleinerungswerth hat die umgekehrte Bedeutung. In einer ersten Versuchsreihe (Tabelle 1) wurde die vorausgehende Zeit mit einem Schalleindruck ausgef\u00fcllt. Die verglichenen Zeiten lassen sich also durch das\n12 3\nSchema versinnbildlichen: ^^\u2019)\u2022\n1) In den folgenden Tabellen sind die von den Versuchspersonen als \u00bbdeutlich\u00ab bezeichneten Zahlen (in der letzten Rubrik: OGI) durch st\u00e4rkeren Druck ausgezeichnet.","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nErnst Menmann.\nTabelle 1.\nt constant, drei Schalleindr\u00fccke; tx ver\u00e4ndert, zwei Schalleindr\u00fccke.\nSchema |\t| '\nNZ\ta Kl\ta Gr\tr Kl\tr Or\tS Gl\t0 Gl\na) Beobachter Hlr.\t\t\t\t\t\t\n0,1\tbei t = <i\t+ 0,211\t\u2014\t2,11\t?\t10 <\n0,2\tt \u2014 h\t+ 0,288\t\u2014\t1,4.\t0,64\t10 <\n0,3\tt=ti\t+ 0,611\t\u2014\t2,037\t0,93\t10 <\n0,5\tt = ti\t+ 0,316\t\u2014\t0,63.\t0,3\tio<\n0,8\t\u2014 0,038\t+ 0,311\t0,034\t0,38.\t0,27\t6 < 4 =\n1,2\t\u2014 0,055\t+ 0,411\t0,045\t0,342\t0,15\t7<3 =\n1,8\t\u2014 0,144\t+ 0,177\t0,0802\t0,098\t0,012\t5>4<1=\n2,5\t\u2014 0,288\t+ 0,055\t0,15.\t0,02\t0,053\t6>4<\n3,0\t\u2014 0,377\t+ 0,11\t0,125\t0,036\t0,05\t\u2014\nb) K.SW,\t\t\t\t\t\t\n0,3\t\u2014 0,027\t+ 0,12\t0,092\t0,407\t?\t3<3 = 3= ? 2<2<?2>?\n1,2\t\u2014 0,11\t+ 0,5\t0,046\t0,208\t?\tAA Il II\n' 1,8\t\u2014 0,16\t+ 0,27\t0,092\t0,154\t0,05.\t2 < 2 > ? 5 = 1 = ?\n4,0\t\u2014 0,44\t+ 0,28\t0,11\t0,027\t0,011\t3 < 5 = 2>5>\nc) Hpfr.\t\t\t\t\t\t\n1 1,7\t-0,1\t+ 0,177\t0,059\t0,104\t0,02\t4 = 3 > 3 <\n2,0\t\u2014 0,11\t+ 0,122\t0,055\t0,061\t0,011\t5 = 4 > 1 <","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n165\nMan sieht aus der Tabelle, dass die Ausf\u00fcllung der ersten Zeit mit einem Schlage des Schallhammers bei den kleineren Zeitstrecken eine sehr betr\u00e4chtliche Uebersch\u00e4tzung (scheinbare Vergr\u00f6\u00dferung) der ausgef\u00fcllten Zeit, bezw. eine entsprechende Untersch\u00e4tzung (scheinbare Verkleinerung) der leeren Zeit bewirkt.\nBei 0,3 Sec. z. B. wird f\u00fcr den Beobachter Kiesow (Tabelle lb) das Urtheil kleiner schon bei der ersten Verkleinerungsstufe der VZ (0,027) constant. Das Urtheil gr\u00f6\u00dfer dagegen wird erst constant bei einer Vergr\u00f6\u00dferung der VZ um reichlich */10 Sec. Das hei\u00dft also, die leere, reizbegrenzte Zeit muss um mehr als 73 ihrer Dauer vergr\u00f6\u00dfert werden, damit eine Vergr\u00f6\u00dferung derselben sicher erkannt werden kann. Darin, dass die Unterschiedsempfindlichkeit bei 0,3 Sec. im Normalversuch so gro\u00df ist, dass Vergr\u00f6\u00dferungen von i/o der NZ von wenig ge\u00fcbten Beobachtern schon erkannt werden, hat man einen ungef\u00e4hren Anhaltspunkt zum Ma\u00dfe der Fehlsch\u00e4tzung. Die Gleichheitsurtheile verschwinden hier fast vollst\u00e4ndig. Die Beurtheilung des objectiven Gleichheits-werthes (vgl. Beob. Kiesow) entspricht der herrschenden Urtheils-t\u00e4uschung. Ich ziehe zur weiteren Analyse der Tabelle zuerst einmal die Selbstbeobachtung der Versuchspersonen zu Eathe. Die Beobachter wissen von einer constanten Fehlsch\u00e4tzung oder gar von dem Quantum derselben nichts. Ein Beweis f\u00fcr die vollkommene Unwissentlichkeit der Methode. Aber in sehr bezeichnender Weise geben sie \u00fcbereinstimmend den Thatbestand so wieder, wie er ihnen bei g\u00e4nzlicher Unkenntniss der Gr\u00f6\u00dfe der eingestellten objectiven Differenzen allein zum Bewusstsein kommen kann: das Urtheil kleiner werde durchschnittlich mit einem viel gr\u00f6\u00dferen Sicherheitsgef\u00fchl abgegeben, wie das Urtheil gr\u00f6\u00dfer. Selbst die constant beurtheilten Vergr\u00f6\u00dferungen erzeugen nicht dieses positive Gef\u00fchl der absoluten Gewissheit des Urtheils, das die Mehrzahl der Urtheile \u00bbkleiner\u00ab begleitet. Auch das Gleich-heitsurtheil wird selten mit dem Gef\u00fchl der Gewissheit abgegeben. Bei Verh\u00e4ltnissen wie diesen muss man daher in der Ansetzung der Gxenzwerthe h\u00e4ufig auf die Gleichheit der Gewichte verzichten.\nDie Beobachter Ksw., Gle., Hlr. haben bisweilen ein sicheres Gleichheitsurtheil, alle \u00fcbrigen fast niemals. Die Selbst-","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nErnst Meumann.\naussage aller Beobachter gibt aber ein weiteres beachtenswertes Factum an. Die Vergleichung der reizerf\u00fcllten und \u00bbleeren\u00ab Zeiten so erkl\u00e4ren sie, hat beinahe ebenso sehr den Charakter einer qualitativen Vergleichung, wie den einer quantitativen Absch\u00e4tzung der Gr\u00f6\u00dfenverh\u00e4ltnisse. Die reizerf\u00fcllte Zeit macht den Findruck der F\u00fclle, die reizbegrenzte den der Aermlichkeit und \u00bbLeere\u00ab. Diese qualitative Differenz des sinnlichen Inhalts muss durch die Ver\u00e4nderung der zweiten Zeit ausgeglichen werden. Ich f\u00fcge aus meiner eigenen Beobachtung hinzu, dass die \u00bbleere\u00ab Zeit gewisserma\u00dfen an Gewicht gewinnen muss gegen\u00fcber dem Eindruck gr\u00f6\u00dferer sinnlicher F\u00fclle und des \u00bbErlebnissreichen\u00ab, den die reizerf\u00fcllte Zeit macht. Aber es ist nun interessant, dass die quantitative Ver\u00e4nderung (Vergr\u00f6\u00dferung) der \u00bbleeren\u00ab Zeit das in der That leistet. Man sieht daraus, 1) dass die \u00bbleere\u00ab Zeit ihren eigenth\u00fcmlichen Empfindungsinhalt hat \u2014 wenn dies \u00fcberhaupt noch gezeigt zu werden brauchte \u2014, dass dieser nat\u00fcrliche Empfindungsinhalt (Organempfindungen u. s. w.) einen ungemein geringen Zeitwerth besitzt, und dass er durch seine l\u00e4ngere Einwirkung auf das Bewusstsein an subjectivem Zeitwerth dem k\u00fcrzer einwirkenden Bewusstseinsinhalt der fast momentanen Schallempfindungen allm\u00e4hlich gleich kommt. Man sieht aber 2) allgemein die von mir schon bei der Deutung rhythmischer Thatsachen \u00f6fter hervorgehobene Eigenth\u00fcmlichkeit des Zeiturtheils, dass bei dem Zustandekommen desselben ganz specielle Aequiva-lenzen von quantitativen und qualitativen Verh\u00e4ltnissen eine bedeutende Rolle spielen.\nDamit erkl\u00e4ren sich leicht einige Selbstaussagen der Beobachter. Zuerst die schon erw\u00e4hnte, dass die Vergleichung der reizerf\u00fcllten und reizbegrenzten \u00bbleeren\u00ab Zeit nicht den Charakter einer einfachen Absch\u00e4tzung des Quantums der leeren Zeit gegen\u00fcber der Gr\u00f6\u00dfe der reizerf\u00fcllten trage, sondern dass die Vergr\u00f6\u00dferung der \u00bbleeren\u00ab Zeit ein qualitatives Aequivalent gegen die reizerf\u00fcllte schaffe. Weiter erkl\u00e4rt sich damit der Unterschied des Gewissheitsgef\u00fchls beim Urtheil gr\u00f6\u00dfer und kleiner. Dieser qualitative Ausgleich der so verschieden im Bewusstsein repr\u00e4sen-tirten Zeiten ist eben nie ein ganz vollst\u00e4ndiger. Bei sehr starken Vergr\u00f6\u00dferungen der leeren Zeit wird schlie\u00dflich das Urtheil ein","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n167\nquantitatives, man hat unmittelbar das Bewusstsein: Jetzt ist die zweite leere Zeit wirklich bedeutend gr\u00f6\u00dfer, aber \u00e4rmlicher erscheint sie noch immer. Da das Urtheil nun sich auf die quantitativen und qualitativen Verh\u00e4ltnisse bezieht, so hat man bei \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab nie dasselbe Gef\u00fchl der Beruhigung, wie bei dem Urtheil kleiner. Fragte ich die Beobachter: Ist das Urtheil ein rein qualitatives? so wurde das stets mit Bestimmtheit verneint. Waren, wie h\u00e4ufig im Folgenden, die Zeiten an Empfindungsinhalt weniger different, so kam der qualitative Charakter des Zeitausgleichs dem Beobachter oft gar nicht zum Bewusstsein.\nIch kehre zur Analyse des Inhalts der Tabelle zur\u00fcck, und bleibe bei den Zahlen des Beobachters Kiesow.\nIn der Gr\u00f6\u00dfe der verglichenen Zeiten machte ich zun\u00e4chst einen gr\u00f6\u00dferen Schritt. Die n\u00e4chste NZ ist 1,2 s. Das Ph\u00e4nomen bleibt hier im wesentlichen dasselbe. Das Urtheil kleiner ist hei 0,11 s schon constant, das Urtheil gr\u00f6\u00dfer erst bei einem fast f\u00fcnf Mal so gro\u00dfen Unterschied f\u00fcr Vergr\u00f6\u00dferung. Bei 1,8 s hingegen n\u00e4hern sich die constant beurtheilten Grenzwerthe sichtbar einander an. Bei 4,0 ist das entgegengesetzte Ph\u00e4nomen wie anfangs vorhanden: Die leere Zeit erscheint jetzt betr\u00e4chtlich gr\u00f6\u00dfer, wie die ausgef\u00fcllte. Sie wird bei einer Vergr\u00f6\u00dferung von 0,28 s constant als gr\u00f6\u00dfer heurtheilt, aber erst bei der bedeutenden Verkleinerung um 0,44 s wird das Urtheil kleiner constant. Dem Beobachter erscheint nun das Urtheil \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab als best\u00e4ndig mit dem gr\u00f6\u00dferen Gewissheitsgef\u00fchl verbunden. F\u00fcr die Frage nach der Ursache dieses Urtheilsumschlags kann die folgende, mir \u00f6fter spontan mitgetheilte Beschreibung des Ur-theilsvorgangs hei diesen gr\u00f6\u00dferen Zeiten als Anhaltspunkt dienen. W\u00e4hrend der reizerf\u00fcllten Zeit ist man durch den Wechsel der Schalleindr\u00fccke angenehm besch\u00e4ftigt, man bemerkt die L\u00e4nge der Zeit, aber man empfindet sie nicht als unangenehm lang. W\u00e4hrend der \u00bbleeren\u00ab dagegen ist eine viel gr\u00f6\u00dfere Concentration erforderlich, um sie sicher zu percipiren, auch die Hemmung von Vorstellungen wird schon schwieriger, diese vermehrte Concentration bewirkt Unlustgef\u00fchle, Erwartung, dass der Schluss der Zeit eintrete, Spannungsempfindungen u. a. m. Die \u00bbleere\u00ab Zeit hat jetzt daher ein gr\u00f6\u00dferes Gewicht f\u00fcr das Bewusstsein wie","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nErnst Neumann.\ndie reizerf\u00fcllte, man tendirt zu dem Urtheil \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab, und empfindet jede Verl\u00e4ngerung der ohnehin schon unangenehm langen Zeit sehr genau, w\u00e4hrend ihre Verkleinerungen sich in den meisten F\u00e4llen von dem scheinbaren Gleichheitsverh\u00e4ltniss wenig unterscheiden.\nHier hat also die \u00bbleere\u00ab Zeit gewisserma\u00dfen an Zeitwerth zu verlieren, um der erf\u00fcllten gleich zu erscheinen. Die Ausf\u00fcllung mit einem Schalleindruck bedeutet nun nicht viel, daher verliert sich die zeitrepr\u00e4sentirende Bedeutung desselben schon bei einer nicht sehr schwierig zu beurtheilenden Zeitstrecke, gegen\u00fcber dem zunehmenden Zeitwerth der leeren Zeit. Der Bewusstseinsinhalt dieser letzteren, der hier, bei 4,0 s schon so viel an Gewicht, an scheinbarem Zeitwerth gewinnt, k\u00f6nnen nur die Unlustgef\u00fchle, die Organ- und Spannungsempfindungen sein, und alles das, was uns sonst noch den vermehrten Aufwand an Concentrationsenergie zum Bewusstsein bringt. Andererseits ist es wichtig zu beachten, dass die Ausf\u00fcllung der ersten Zeit mit einem Schalleindruck also schon gen\u00fcgen muss, um das Hervortreten solcher Unlustgef\u00fchle und Spannungsempfindungen selbst bis zu gr\u00f6\u00dferen Intervallen zu verhindern. Ich sehe endlich hierin wiederum den Beweis daf\u00fcr, dass f\u00fcr kleine \u00bbleere\u00ab Zeiten der Bewusstseinsinhalt, den wir zwischen dem Eintreten und Aufh\u00f6ren der begrenzenden Empfindungen erleben, f\u00fcr die Zeitwahrnehmung als relativ bedeutungslos hinter dem Eindruck der Grenzempfindungen zur\u00fccktritt.\nEs bleibt nun noch eine Anzahl wichtiger Fragen hinsichtlich der Wirkung der Ausf\u00fcllung auf das Zeiturtheil offen. Nimmt das Quantum der Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit gleichm\u00e4\u00dfig ab mit der Vergr\u00f6\u00dferung der Zeiten? L\u00e4sst sich zwischen dem Umschlag des Urtheils von der Uebersch\u00e4tzung der erf\u00fcllten Zeit bei kleinen Zeiten zu ihrer Untersch\u00e4tzung bei gro\u00dfen eine wirkliche Indifferenzlage der beiden Unterschiedsurtheile, eine Indifferenz der Wirkung der Zeitausf\u00fcllung nachweisen?\nDie gleichm\u00e4\u00dfige Verkleinerung der relativen Werthe bei 1,2 (Beob. Kiesow) l\u00e4sst einen unregelm\u00e4\u00dfigen Gang des Urtheils erwarten. Nach der Aussage des Beobachters war diese Zeit besonders leicht zu beurtheilen wegen des angenehmen und ausgepr\u00e4gten Rhythmus, den hier die Schalleindr\u00fccke zu haben","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\t169\nscheinen. (Es ist der Rhythmus des Menuetts, so gibt der Beobachter an.)\nDie obigen Fragen beantwortet nun aber bestimmter die Versuchsreihe des Beobachters Hlr. (Tabelle la). Die Versuche zeigen im allgemeinen denselben, h\u00f6chst charakteristischen Gang des Urtheils wie bei Ksw. Bei kleinen Zeiten erscheint die reizerf\u00fcllte Strecke sehr betr\u00e4chtlich gr\u00f6\u00dfer, bei den mittleren n\u00e4hern sich die Grenzwerthe einander an, so dass eine Indifferenzzone f\u00fcr die Wirkung der Zeitausf\u00fcllung entsteht, bei den gr\u00f6\u00dferen Zeiten schl\u00e4gt die anf\u00e4ngliche Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit in ihr Gegentheil um, die \u00bbleere\u00ab Zeit erscheint jetzt ebenso bedeutend gr\u00f6\u00dfer als die reizerf\u00fcllte, wie vorher diese \u00fcber die leere das Uebergewicht hatte. Bei 1,2 s sieht man eine Ann\u00e4herung an die Indifferenzlage, bei 1,8 ist diese fast vollst\u00e4ndig vorhanden (Grenzwerthe in den absoluten Betr\u00e4gen: 0,144 und 0,177). Bei 2,5 ist der vollst\u00e4ndige Umschlag des Urtheils da, bei 3,0 hat sich die Uebersch\u00e4tzung der \u00bbleeren\u00ab Zeit betr\u00e4chtlich gesteigert.\nMan wird erwarten m\u00fcssen, dass diese Untersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit bei noch gr\u00f6\u00dferen Zeiten wieder abnehme, da sich nunmehr auch bei den drei Schalleindr\u00fccken der vermehrte Aufwand von Aufmerksamkeitsenergie geltend machen muss. Leider verfolgte ich in meinen fr\u00fcheren Versuchen den Gang des Urtheils nicht weiter, in den sp\u00e4teren tritt ein solcher zweiter R\u00fcckgang des Urtheils zur Indifferenzlage einmal in auffallender Weise ein (vgl. Tabelle dieser Abhdlg).\nMan sieht aus der Tabelle ferner, dass das Quantum der T\u00e4uschung individuell sehr verschieden ist. Bei Hlr. ist die Wirkung der Ausf\u00fcllung eine viel gr\u00f6\u00dfere wie bei Ksw. In dieser Hinsicht repr\u00e4sentirt jeder Beobachter einen festen Typus, dessen Eigenschaften sich in zahlreichen Einzelheiten des Urtheils entsprechen. Die \u00bbleere\u00ab Zeit muss f\u00fcr Hlr. bei 0,1, 0,2 und 0,3 s mehr als verdoppelt werden, damit sie gr\u00f6\u00dfer erscheint wie die reizerf\u00fcllte. Ebenso wird bei den kleinsten Zeiten die VZ consequent schon beim Gleichheitsverh\u00e4ltniss als kleiner beurtheilt.\nEs ist f\u00fcr den Experimentator ein geradezu komischer Anblick, wenn er auf dem Zeitsinnapparat diese enormen Vergr\u00f6\u00dferungen","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nErnst Meumann.\nder zweiten Zeit als Raumstrecken vor sich sieht, und dann in einzelnen F\u00e4llen noch das Urtheil kleiner bekommt. Die Beobachter, denen ich zum Theil die Ergebnisse nach Beendigung ihrer Reihen vorf\u00fchrte, waren aufs h\u00f6chste \u00fcberrascht, sie hatten diesen Grad der T\u00e4uschung, deren Richtung sie nur aus dem Gewissheitsgef\u00fchl vermuthen konnten, nicht ann\u00e4hernd erwartet.\nVerfolgt man den Gang der Uehersch\u00e4tzung der erf\u00fcllten Zeit hei Hlr. durch die verschiedenen Zeiten hindurch, so zeigt sich keine gro\u00dfe Regelm\u00e4\u00dfigkeit. Aber die Aussagen der Versuchsperson verm\u00f6gen manche Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten zu erkl\u00e4ren. Bei 0,1 wird die Uehersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit gesteigert durch die starke Schallsummation der Hammerschl\u00e4ge. Von 0,2 an nimmt die scheinbare Gr\u00f6\u00dfe der erf\u00fcllten Zeit zun\u00e4chst zu, bis sie bei etwa einer halben Secunde das Maximum erreicht hat, von 0,6 an nimmt sie mit Ann\u00e4herung an die Indifferenzlage ab. Ebenso scheint sich nach dem Umschlag des Urtheils die Uehersch\u00e4tzung der reizhegrenzten Zeit ziemlich gleichm\u00e4\u00dfig zu steigern.\nTabelle Ic zeigt einen Erg\u00e4nzungsversuch an Beobachter Hpf., der speciell dazu bestimmt war, m\u00f6glichst die Indifferenzzeit zu treffen. Man sieht, dass bei 2,0 die Grenzwerthe sich fast genau entsprechen. Die Gr\u00f6\u00dfe der Zeit, bei welcher Indifferenz eintritt, ist keine constante, das Aufh\u00f6ren der Wirkung der Ausf\u00fcllung im Sinne scheinbarer Vergr\u00f6\u00dferung ist nicht von der absoluten Zeit als solcher abh\u00e4ngig, sondern die Indifferenzzone ist 1) individuell verschieden und wird durch die allgemeine Zug\u00e4nglichkeit des Beobachters f\u00fcr die T\u00e4uschung bedingt, sie h\u00e4ngt 2) ab von der Zeitlage der Ausf\u00fcllung und 3) von der Art und Zahl der ausf\u00fcllenden Eindr\u00fccke. Das wird im Folgenden seine n\u00e4here Begr\u00fcndung finden. Allgemein jedoch scheinen nach den bisherigen Versuchen die Indifferenzzeiten f\u00fcr eine und dieselbe Ausf\u00fcllung sich f\u00fcr verschiedene Individuen nicht weit von einander zu entfernen, und f\u00fcr die Ausf\u00fcllung mit einem Schalleindruck l\u00e4sst sich etwa die Zeit von 2,0 s als mittlere Angabe f\u00fcr die Indifferenzzone bei erster Zeitlage der Ausf\u00fcllung bezeichnen. Nat\u00fcrlich darf man hei der Indifferenzzeit nicht von einer Unwirksamkeit der Ausf\u00fcllung schlechthin sprechen, sondern nur von einer Unwirksamkeit im Sinne der Erzeugung von Ueber-","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n171\noder Untersch\u00e4tzungen. Ihre Wirksamkeit zeigt sich bei den Indifferenzzeiten in der bedeutenden Abnahme der UE nach beiden Seiten hin, nach der Richtung der Vergr\u00f6\u00dferung und der Verkleinerung im Vergleich mit dem Normal versuch.\nBei Hlr. lie\u00df sich vielfach auch die mittlere Lage der scheinbaren Gleichheit berechnen. Man sieht, dass der Quotient der Mittelzahl der Gleichheitsurtheile und der absoluten Gr\u00f6\u00dfe der Zeiten (unter S Gl mitgetheilt) den Gang der T\u00e4uschungen ziemlich genau wiedergibt, bis 1,8 inch bezeichnet er scheinbare Vergr\u00f6\u00dferung, von da ab Verkleinerung der ausgef\u00fcllten Zeit. (Allgemein bemerke ich, dass der Sinn dieses Quotienten immer dem des gr\u00f6\u00dferen der beiden unter r Kl und r Gr mitgetheilten Werthe entsprechen muss, weil in allen mitgetheilten Versuchen die scheinbare Gleichheit sich im gleichen Sinne mit den Grenzwerthen gegen die objective Gleichheit verschiebt.)\nNach diesen Versuchen pr\u00fcfte ich zun\u00e4chst die Wirkung derselben Ausf\u00fcllung bei der zweiten Zeitlage (ausgef\u00fcllte Zeit nachfolgend [Tabelle 2]). Bei Ksw. ist die ganze Reihe seiner Versuche in erster Zeitlage auch in umgekehrter Zeitlage der Ausf\u00fcllung durchgef\u00fchrt, bei Hlr. habe ich nur einige Vergleichsver-suche gemacht. Zum Verst\u00e4ndniss der Tabelle muss man fest-halten, dass ich hier die erste (\u00bbleere\u00ab) Zeit ver\u00e4ndert habe, w\u00e4hrend das Urtheil nach wie vor der zweiten Zeit gilt. Der Sinn der ersten Rubrik (aKl) ist daher jetzt dieser, dass sie den absoluten Betrag der Vergr\u00f6\u00dferung der ersten Zeit angibt, bei welchem das Urtheil kleiner \u00fcber die zweite Zeit constant wird. Entsprechend ist der Sinn der Rubrik a Gr ver\u00e4ndert. Daher m\u00fcssen jetzt auch die Vorzeichen der absoluten Zahlen andere sein, unter aif7 steht ein Vergr\u00f6\u00dferungsbetrag, daher positives Vorzeichen, umgekehrt bei a Gr. Die absolute Vergr\u00f6\u00dferung der ersten Zeit, bei der das Urtheil kleiner \u00fcber die zweite Zeit constant wird, misst also jetzt die scheinbare Vergr\u00f6\u00dferung der zweiten reizerf\u00fcllten Zeit. Die Gr\u00fcnde, die mich hier zur Variirung der ersten Zeit bewogen, werde ich zum Theil sp\u00e4ter anf\u00fchren. Der Hauptgrund, soweit es speciell die Ausf\u00fcllung mit Schalleindr\u00fccken betrifft, ist der, dass die Vergr\u00f6\u00dferung der erf\u00fcllten Zeit bei discontinuir-lichen Eindr\u00fccken nur geschehen kann, indem man entweder die","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nErnst Meumann.\nZahl oder das Tempo der erf\u00fcllenden Eindr\u00fccke ver\u00e4ndert. Beides f\u00fchrt einen v\u00f6llig neuen Thatbestand ein das Urtheil hat gar nichts mehr mit dem des vorigen Falles gemein, da es etwas ganz anderes ist, ob die Vergr\u00f6\u00dferung eines Zeitintervalls heurtheilt wird, oder das Tempo succedirender Reize, oder ob die Zahl der erf\u00fcllenden Eindr\u00fccke abgesch\u00e4tzt wird.\nAber auch das von mir eingeschlagene Verfahren, die erste, \u00bbleere\u00ab Zeit zu ver\u00e4ndern, bringt einen Mangel mit sich, weil die Beurtheilung hei Ver\u00e4nderung der ersten Zeit erschwert wird, denn es muss gewisserma\u00dfen r\u00fcckw\u00e4rts geurtheilt werden, dazu kommt, dass die constante Gr\u00f6\u00dfe, an die man sich adaptirt, hier an zweiter Stelle eintritt. Aber es bleiben doch die verglichenen zeitlichen Verh\u00e4ltnisse dieselben, und es ist also in der That eine Ver\u00e4nderung der Zeitlage derselben Ausf\u00fcllung, nicht eine neue Art der Zeitausf\u00fcllung da, wie bei den beiden vorher erw\u00e4hnten Ver\u00e4nderungen der reizerf\u00fcllten Zeit.\nTabelle 2.\nt zwei Schalleindr\u00fccke, ver\u00e4ndert; ^ drei Schalleindr\u00fccke, constant.\nNZ\ta. Kl.\ta. Gr.\tr. Kl.\tr. Gr.\tS. Gl.\tO. Gl.\na) Hlr.\t\t\t\t\t\t\n0,1\t+ 0,205\t\u2014 0,028\t2,005\t0,27\t?\t6 < 4 >\n0,3\t+ 0,2\t\u2014 0,028\t0,66\t0,093\t?\t6 < 1 = 3 >\nb) Ksw.\t\t\t\t\t\t\n0,3\t+ 0,138\t\u2014 0,027\t0,463\t0,092\t0,185\t5>1>? 2>5=?1=1<\n1,2\t+ 0,55\tt = tl\t0,463\t\u2014\t?\t10 >\n1,8\t+ 0,33\t-0,11\t0,185\t0,061\t0,049\t3>2>? 3 >4 = 1 = 2 = ?\n4,0\t+ 0,48\t\u2014 0,6.\t0,12.\t0,16\t?\t3 < ? 4 = 2 > 3 > ?","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n173\nUeberblickt man die Tabelle, so zeigt sich, dass bei (Ksw.) Ausf\u00fcllung der zweiten Zeit mit einem Schalleindruck dieselben allgemeinen Erscheinungen eintreten, wie wenn die erste Zeit in entsprechender Weise ausgef\u00fcllt war. Die reizerf\u00fcllte Zeit erscheint anfangs betr\u00e4chtlich gr\u00f6\u00dfer, so dass die \u00bbleere\u00ab (erste) Zeit sehr viel vergr\u00f6\u00dfert werden muss, wenn die reizerf\u00fcllte (zweite) constant als kleiner beurtheilt werden soll; w\u00e4hrend z. B. bei 0,3 s schon eine sehr geringe Verkleinerung der ersten \u00bbleeren\u00ab Zeit constante Gr\u00f6\u00dfersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit bewirkt. Bei 1,2 s ist die Erscheinung gesteigert, bei 1,8 s, wo in der vorigen Tabelle (und ersten Zeitlage der Ausf\u00fcllung) schon eine deutliche Ann\u00e4herung an die Indifferenzlage hervortritt, ist (bei dem gleichen Beobachter) noch ausgepr\u00e4gte Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit vorhanden. Man sieht also schon hier, wof\u00fcr wir sp\u00e4ter noch viel drastischere Beispiele erhalten werden, dass die Indifferenzzone bei den verschiedenen Zeitlagen f\u00fcr eine und dieselbe Ausf\u00fcllung verschieden liegt, und dass allgemein die Gr\u00f6\u00dfe der T\u00e4uschung einen ganz anderen Verlauf hat, wenn die Ausf\u00fcllung bei der zweiten Zeit angebracht wird, wie wenn man sie in der ersten Zeit einf\u00fchrt.\nDer Zweck der n\u00e4chsten Versuche war der, den Gang der Zeitt\u00e4uschungen bei differenter Zeitausf\u00fcllung zu verfolgen, wenn die Zahl der erf\u00fcllenden Empfindungen vergr\u00f6\u00dfert wird. Deshalb wird in Tabelle 3 und 4 die reizerf\u00fcllte Zeit mit vier Hammerschl\u00e4gen des Schallhammers ausgef\u00fcllt, so dass die reizerf\u00fcllte Zeit im Ganzen aus sechs Schl\u00e4gen gebildet wird; Tabelle 5 und 6 zeigen das Ergebniss von Versuchen mit f\u00fcnf und neun Schalleindr\u00fccken in der reizerf\u00fcllten Zeit. (In technischer Hinsicht bemerke ich, dass, wenn bei diesen Versuchen die erf\u00fcllte Zeit vorangeht, man gut thut, den letzten Schlag etwas intensiver zu machen, da der Beobachter sonst anfangs einen Augenblick im Zweifel bleibt, ob die Zeit zu Ende ist oder nicht.)","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nErnst Meumann.\nTabelle 3.\nt sechs Schalleindr\u00fccke, constant; tx zwei Schalleindr\u00fccke, ver\u00e4ndert.\nSchema | 2 3 4 5 t.\nN Z\ta Kl 1\ta Gr\tr Kl\tr Gr\tSGI\na) Ksw.\t\t\t\t\t\n0,2\t\u2014 0,028\t+ 0,144\t0,140\t0,72\t?\n0,5\t\u2014 0,028\t+ 0,122\t0,056\t0,25.\t?\n1,2\tbei t \u2014 li\t+ 0,38\t\u2014\t0,324\t?\n2,0\t\u2014 0,055\t+ 0,33\t0,028\t0,16.\t?\n4,5\t\u2014 0,22\t+ 0,288\t0,049\t0,046\t0,02\n5,5\t-0,4\t-{-* 0,75 a\t0,072\t0,137\t0,11\nb) Gle.\t\t\t\t\t\n1,2\t\u2014 0,028\t+ 0,361\t0,023\t0,3008\t0,14\n4,0\t\u2014 0,11\t+ 0,277\t0,028\t0,138\t0,11\n6,0\t\u2014 0,355\t+ 0,311\t0,059\t0,0518\t?\nTabelle 4.\nt zwei Schalleindr\u00fccke, ver\u00e4ndert; tx sechs Schalleindr\u00fccke, constant.\nBeob. Ksw.\nNZ\ta Kl\ta Gr\tr Kl\tr Gr\tSGI\tOGl\n! 0,3\t+ 0,788\tbei t=ti\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n0,5\t+ 0,028\t\u2014 0,388\t\u2014\t0,7\t?\t\u2014\n1,0\t+ 0,166\t\u2014 0,055\t0,166\t0,055\t?\t2 < 5 = 2 = ? 8>\n4,5\t+ 0,6\t\u2014 1,28.\t0,133\t0,232\t0,123\t6 < 2 > 3 = 2 = ?2<?\n8,0\t+ 0,611\t\u2014 1,055\t0,076\t0,131\t?\t8 < 4 = 3>","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\t175\nTabelle 5.\nt f\u00fcnf Schalleindriicke, constant; tx zwei Schalleindr\u00fccke, ver\u00e4ndert.\n0 ,\t1 2 3 4 5\nochema j\t2 \u2022\nN Z\taKl\ta Or\tr Kl\tr Or\tSOI\na) Hlr.\t\t\t\t\t\n0,2\t\u2014 0,028\t+ 0,105\t0,140\t0,527\t\n0,25\t\u2014 0,028 '\t+ 0,055\t0,112\t0,2.\t?\n0,3\t\u2014 0,028\t+ 0,11\t0,093\t0,370\t?\n0,5\t\u2014 0,028\t+ 0,138\t0,056\t0,27.\t?\n1,2\t\u2014 0,005\t+ 0,15\t0,046\t0,12\t?\n4,5\t\u2014 0,208\t+ 0,11 .\t0,0643\t0,014\t0,039\n5,5\t\u2014 0,533\t+ 0,11\t0,096\t0,018\t0,037\nb) Gle.\t\t\t\t\t\n0,8\t\u2014 0,028\t+ 0,322\t0,035\t0,409\t?\n1,8\t\u2014 0,055\t+ 0,366\t0,031\t0,205\t0,19\nDie Tabelle 3 zeigt bei den beiden Versuchspersonen Ksw. und Gle. \u00fcbereinstimmend, dass die sechs Schalleindr\u00fccke in der ersten Zeitlage die ausgef\u00fcllte Zeit bedeutend gr\u00f6\u00dfer erscheinen lassen, wie die reizbegrenzte leere. Zu einer Vergleichung der Quanta der Uebersch\u00e4tzung (wie sie bei Ksw., an dem diese und die vorigen Versuche ausgef\u00fchrt sind, denkbar w\u00e4re) eignen sich aber die Schallversuche \u00fcberhaupt nicht, da die subjective Bhythmisirung der Schalleindr\u00fccke, deren gro\u00dfen Einfluss ich in mehreren Versuchsreihen (vgl. insbesondere Tabelle b und d) zeigen werde, der vergr\u00f6\u00dfernden Wirkung der Ausf\u00fcllung entgegenarbeitet. Nat\u00fcrlich in schwer controlirbarer Weise. Ich\nWundt, Philos. Studien. XII.\n12","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nErnst Meumann.\nTabelle 6.\nt neun Schalleindr\u00fccke, constant; ty zwei Schalleindr\u00fccke, ver\u00e4ndert. Schema * 2 3 4 5 6 7 8 g.\nNZ\ta Kl\ta Or\tr Kl\tr Gr\tSGI\tO Gl\nBeobachter Twn. a) Erste Zeitlage.\t\t\t\t\t\t\n0,5\tbei t =\t+ 0,44\t\u2014\t0,88\t?\tV u- VII U- T-<\n1,2\t\u2014 0,11\t+ 0,27\t0,092\t0,231\t?\t11 < 5 = 4 >\n4,5\t\u2014 0,88\t+ 0,33\t0,197\t0,074\t?\t\u00fct CD II V A :\n8,0\t\u2014 1,33\t+ 0,44\t0,166\t0,055\t?\t5 > 4 < ? 1 <\n1 \u00b0 b) Zweite Zeitlage der Ausf\u00fcllung. Schema 123456789'\t\t\t\t\t\t\n0,5\t+ 0,5\tbei t = ty\t1,0\t\u2014\t?\t11 > 0 >\n4,5\t+ 1,95\tbei t = ty\t0,434\t\u2014\t?\t5 > 2 > 2 > ? 1 =\nversuchte noch mit f\u00fcnf und neun Schalleindr\u00fccken das Quantum der T\u00e4uschung festzustellen, mit so unbestimmtem Erfolg, dass ich die Versuche zum Theil gar nicht anf\u00fchre. Die Tabellen 4 und 6 dagegen (zum Theil an anderen Beobachtern ausgef\u00fchrt) zeigen wenigstens, dass der Gang des Urtheils durchweg derselbe bleibt. Was dagegen als bestimmtes Resultat der Ausf\u00fcllung mit einer gr\u00f6\u00dferen Zahl von Eindr\u00fccken angesehen werden muss, ist dies, dass dieT\u00e4uschung (scheinbareVergr\u00f6\u00dferungder erf\u00fcllten Zeit) sich bei vermehrter Zahl der erf\u00fcllenden Schalleindr\u00fccke bis zu viel gr\u00f6\u00dferen Zeiten h\u00e4lt, der Umschlag des Urtheils bezw. die Indifferenzzeit erst bei betr\u00e4chtlich gr\u00f6\u00dferen Zeiten eintritt, als wenn weniger Eindr\u00fccke die Zeiten erf\u00fcllen. In Tabelle III (Ausf\u00fcllung mit 6 Eindr\u00fccken) ist f\u00fcr Ksw. selbst bis 5,5 s nur eine langsame Ann\u00e4herung an die IndifFerenzlage sp\u00fcrbar, bei 10,0 zeigt sie sich deutlicher,","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n177\nweiter hinauf konnte sie wegen der Unsicherheit des Urtheils bei so gro\u00dfen Zeitstrecken nicht verfolgt werden. Bei Gle. hingegen tritt vermuthlich oberhalb 4,0 s der Umschlag ein, der hei 6,0 s gerade deutlich wird. Bei Hlr. und Twn. in Tabelle 5 und 6 liegt bei 4,5 s vollst\u00e4ndiger Umschlag des Urtheils vor, der f\u00fcr Hlr. unter dem Einfluss von nur 3 Schalleindr\u00fccken auf die erste Zeit (Tabelle 1) schon bei etwa 2,0 s eintrat. Es scheint demnach 4,5 Sec. die Zeitgr\u00f6\u00dfe zu sein, welche sich, individuelle Schwankungen eingerechnet, als ungef\u00e4hrer Anhaltspunkt f\u00fcr den Umschlag des Urtheils angeben l\u00e4sst, wenn 5 bis 9 Schalleindr\u00fccke die erste Zeit erf\u00fcllen. Mit Sicherheit ergibt sich aber als \u00fcbereinstimmendes Resultat aller dieser Versuche, dass eine Ausf\u00fcllung mit einer gr\u00f6\u00dferen Zahl von Eindr\u00fccken die Indifferenzlage der Unterschieds-urtheile hinausschiebt.\nIn Tabelle 4 sehen wir die Ausf\u00fcllung mit 6 Schalleindr\u00fccken in zweiter Zeitlage (f\u00fcr Ksw.), in Tabelle 6 b die 9 Schallreize in zweiter Zeitlage (bei Twn.). Der Gang der T\u00e4uschungen ist f\u00fcr Ksw. wieder im allgemeinen derselbe, wie wenn die erste Zeit ausgef\u00fcllt wurde, bis 1,0 erscheint die ausgef\u00fcllte Zeit weit gr\u00f6\u00dfer1). Bei 4,5, also fr\u00fcher wie bei der ersten Zeitlage derselben Ausf\u00fcllung, ist f\u00fcr diesen Beobachter entschiedener Umschlag des Urtheils vorhanden. Wiederum ist die Indifferenzzone f\u00fcr beide Zeitlagen der A\u00fcsf\u00fcllung eine betr\u00e4chtlich verschiedene, ebenso wie vorher bei Ausf\u00fcllung mit 3 Schallempfindungen. Bei Twn. hingegen tritt der Umschlag des Urtheils, wenn 9 Schalleindr\u00fccke die zweite Zeit ausf\u00fcllen, wohl erst betr\u00e4chtlich oberhalb von 5 s ein.\nZweite Versuchsgruppe.\nEinfluss k\u00fcnstlicher Unterst\u00fctzungsmittel auf die Vergleichung reizerf\u00fcllter und reizbegrenzter Zeitstrecken.\nBei allen bisher beschriebenen Experimenten \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit der Zeitsch\u00e4tzung von der Zeitausf\u00fcllung war mir aufgefallen,\n1) Bei 1,0 nehmen die absoluten und relativen Werthe immer die gleichen Zahlen an, weil bei der Umrechnung der absoluten Werthe f\u00fcr Verkleinerung und Vergr\u00f6\u00dferung die absolute Zahl der Z\u00e4hler und 1 der Nenner des relativen Werthes ist.\n12*","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nErnst Meumann.\ndass die Versuchspersonen sich bei der Beurtheilung sehr verschieden verhielten, und dass dieses verschiedene Verhalten einen gro\u00dfen Einfluss hatte auf den Ausfall der Urtheile. Einige Be\u00f6bachter neigten, namentlich anfangs, dazu, sich durch Kopfnicken, Kehlkopfinnervationen, kurze Athemst\u00f6\u00dfe, kurz durch motorische, rhythmische Vorg\u00e4nge der verschiedensten Art hei der Vergleichung zu \u00bbunterst\u00fctzen\u00ab, indem Anfangs- und Schlussmoment der reizerf\u00fcllten wie der \u00bbleeren\u00ab Zeit mit solchen Bewegungsinnervationen begleitet wurden. Andere Unterschiede ergaben sich auf meine Fragen hinsichtlich des Verhaltens w\u00e4hrend der \u00bbleeren\u00ab Zeit: die einen Versuchspersonen gaben an, sie reproducirten das \u00bbBild\u00ab der reizerf\u00fcllten Zeit, also hier die Schallempfindungen w\u00e4hrend der reizbegrenzten. Wieder andere wussten davon nichts und versicherten, dass sie sich ganz passiv dem Eindruck beider Zeiten hing\u00e4ben. Bei gr\u00f6\u00dferen Zeitstrecken wurde w\u00e4hrend der leeren, reizbegrenzten Zeit ein anderer Unterschied in der Urtheilsbildung angegeben. Die Versuchspersonen schienen bald den Schlussmoment der Zeit best\u00e4ndig vorzustellen und bestimmt zu erwarten, bald war von solchem \u00bbErwarten\u00ab nichts zu bemerken, und das Verhalten wurde auch da als ganz passive Hinnahme des Eindrucks der reiz-hegrenzten Zeit beschrieben. Einige Beobachter (ganz besonders Jdd.) gaben mir an, dass sie ohne erkennbare Ursache zwischen beiden Verhaltungsweisen alternirten. Ich verlangte, wie erw\u00e4hnt, immer \u00bbpassive Hingabe an den Eindruck beider Zeiten\u00ab. Dazu bestimmte mich die Erfahrung, dass in allen Gebieten der Sinneswahrnehmung eine solche aufmerksame Gleichg\u00fcltigkeit, oder wenn man will gleichg\u00fcltige Aufmerksamkeit, die g\u00fcnstigste subjective Verfassung zur correcten Beobachtung ist. In den meisten F\u00e4llen aber ist die bestimmte Erwartung eines Eindrucks nur dazu geeignet, die treue Beobachtung zu erschweren.\nIch versuchte nun, diese verschiedenen unwillk\u00fcrlich benutzten H\u00fclfsmittel und die verschiedenen Verhaltungsweisen der Beobachter absichtlich in den Versuch einzuf\u00fchren, um zu pr\u00fcfen, wie weit sie die Einwirkung der Zeitausf\u00fcllungen auf die Zeitsch\u00e4tzung modificiren k\u00f6nnen. F\u00fcr die Verhaltungsweisen der Beobachter gelang das nur mit sehr unbestimmtem Erfolg. So lange man keine sichere objective Contr\u00f4le daf\u00fcr hat, ob die Versuchsperson in einer bestimmten Art der","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n179\nBeurtheilung verharrt oder nicht, so lange kann man auch die Versuchsperson nicht dazu anleiten, und die Selbstcontrole der Beobachter gen\u00fcgt nicht, sie verfallen in eine andere Art des Verhaltens, ohne es zu bemerken, oder sie geben vielfach seihst an, dass die Regelung der Erwartung bezw. des passiven Verhaltens nach einer bestimmten vorher gegebenen Anweisung sehr unsicher sei. Ich theile daher nur solche Versuche mit, bei denen objectiv controlirbare, oder vom Beobachter selbst leicht einzuhaltende \u00bbUnterst\u00fctzungen\u00ab eingef\u00fchrt wurden. Diese k\u00f6nnen zugleich die Frage pr\u00fcfen, ob motorische Vorg\u00e4nge, wie diejenigen, auf welche die Beobachter instinctiv zu verfallen pflegen, dem Einfluss der Zeitausf\u00fcllung entgegenarbeiten oder nicht, ob ferner eine Aufhebung der durch differente Zeitausf\u00fcllung bewirkten T\u00e4uschungen eintritt, wenn ein zweiter Ablauf zeitlich begrenzter Vorg\u00e4nge (wie etwa rhythmischer Bewegungen) von dem Beobachter selbst eingef\u00fchrt wird. Es w\u00e4re ja denkbar, dass z. B. Taktirbewegungen, welche Anfangs- und Schlussmoment beider Zeitstrecken begleiten, der Versuchsperson so bestimmt die wirkliche Zeitl\u00e4nge der reizerf\u00fcllten Zeit zum Bewusstsein bringen, dass die Uebersch\u00e4tzung v\u00f6llig aufh\u00f6rt.\nDer einfachste Fall einer solchen Unterst\u00fctzung des Beobachters beim Vergleich different erf\u00fcllter Zeiten ist wohl der, dass man bei der reizerf\u00fcllten Zeit die begrenzenden Schalleindr\u00fccke st\u00e4rker markirt. Anfangs- und Endreiz treten dadurch bestimmt hervor, die ausgef\u00fcllte Zeit hat nicht mehr die im andern Falle stets sp\u00fcrbare Unbestimmtheit der Begrenzung, und es wird zu erwarten sein, dass die Versuchsperson mehr von der ohjectiven Zeitdistanz der I)ndreize wie von den zwischen ihnen ablaufenden Erlebnissen beeinflusst wird.","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nErnst Meumann.\nTabelle 7.\nEinfluss willk\u00fcrlicher Zeitmarkirung auf die Vergleichung ausgef\u00fcllter und leerer Zeiten.\na)\tRky., mit Verst\u00e4rkung des ersten und f\u00fcnften Schallreizes.\nb)\tKlbss., mit Taktirbewegungen, Z\u00e4hlen und periodischem Athmen. o) Ksw., mit Taktirbewegungen und Z\u00e4hlen.\nNZ\ta Kl\ta Gr\trKl\tr Gr\tSGI\tOGI\na) Rky.\t\t\t\t\t\t\n1,0 mit f\u00fcnf Schall-eindr\u00fceken\t\u2014 0,22\tbeit=+\t0,22\t\u2014\t?\t2>1>?7>\nDasselbe mit Verst\u00e4rkung von 1 und 5\t\u2014 0,094\t+ 0,05\t0,094\t0,05.\t?\t10 > 5 =\nb) Klbss. NZ = 1,0 Zehn Funkenger\u00e4usche, constant; VZ zwei Funkenger\u00e4usche, ver\u00e4ndert.\t\t\t\t\t\t\n1) Normalversuch, ohne H\u00fclfsmittel\t\u20140,027.\t+ 0,33\t0,027\t0,33\t0,138\t1 > 1 = 18< (3 < ? 15 <)\n2) t mit Taktiren begleitet\tbei t=ty\t+ 0,44\t\u2014\t0,44\t?\t10 <\n3) t und tj mit Taktiren begleitet\t\u20140,027.\t+ 0,416\t0,027\t0,416\t0,138\t1>4= 10<\n4) t und ti mit Athmen begleitet\t\u2014 0,083\t+ 0,33\t0,083\t0,33\t0,11\tV vH vH II CO A vH\nc) Kw. NZ = 1,0. t zwei Schalleindr\u00fccke ver\u00e4ndert; ty sechs Schalleindr\u00fccke constant.\t\t\t\t\t\t\n1) Normalversuch, ohne H\u00fclfsmittel\t+ 0,166\t+ 0,055\t0,16\t0,05.\t?\t2<5 = 2 = ? 8>\n2) Taktiren und Z\u00e4hlen bei t und ty\t+ 0,166\t+ 0,055\t0,16\t0,05.\t0,05\t10> 5 =\nDie Tabelle 7 a zeigt einen solchen Versuch. Es wurde zuerst die Zeit von 1,0 s, mit f\u00fcnf Hammerschl\u00e4gen des Schallhammers ausgef\u00fcllt und in erster Zeitlage mit einer reizhegrenzten verglichen. Die Hammerschl\u00e4ge sind in eine rhythmisch geordnete Zeitfolge gebracht, damit die Rhythmisirung nicht dem suhjectiven Ermessen des Beobachters verblieb (wobei sie innerhalb einer Versuchsstunde mehrfach wechseln kann). Der Ausfall des Versuchs zeigt, dass die reizerf\u00fcllte Zeit f\u00fcr diesen Beobachter (Rky.) schon bei 1,0 (unter","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n181\ndem Einfluss des Rhythmus!) kleiner erscheint, das TJrtheil gr\u00f6\u00dfer ist sofort constant. In-einem der sp\u00e4teren Versuche (vgl. Tabelle B dieser Abhdlg.) werde ich zeigen, dass die Rhythmisirung der Schl\u00e4ge schon hei verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig so kleinen Zeiten den Umschlag des Urtheils (zur Uebersch\u00e4tzung der reizbegrenzten Zeit) herbeif\u00fchren kann. In einem zweiten Versuch (zweite Horizontalreihe der Tabelle) wurde nun der erste und letzte Schlag des Schallhammers verst\u00e4rkt, die mittleren Schl\u00e4ge gegen fr\u00fcher wenig ah-geschw\u00e4cht. Die Verst\u00e4rkung von 1 und 5 ist als eine sehr betr\u00e4chtliche zu denken. Das Resultat ist eine Verminderung der T\u00e4uschung und zugleich eine sehr betr\u00e4chtliche Verfeinerung des Urtheils. Immerhin aber bleibt die T\u00e4uschung bestehen, es wird also durch eine st\u00e4rkere Markirung des Anfangs- und Schlussmomentes der reizerf\u00fcllten Zeit die Wirkung der Ausf\u00fcllung auf das Zeiturtheil nicht aufgehoben, sondern nur m\u00e4\u00dfig geschw\u00e4cht.\nSodann f\u00fchrte ich motorische \u00bbH\u00fclfen\u00ab bei der Zeitvergleichung ein (Tabelle 7 b). Der Beobachter, der bei diesen Versuchen verwendet wurde (Klbss.), war durch eine gr\u00f6\u00dfere voraufgegangene Reihe von Zeitsinnexperimenten sicher einge\u00fcbt. Um die Ergebnisse m\u00f6glichst sicher zu gestalten, machte ich (ausgenommen bei dem 2. Versuch) 15 bezw. 20 Einzelbestimmungen auf die Differenz. Ferner stellte ich die Schalleindr\u00fccke nicht mit dem Schallhammer her, um die unberechenbaren Einfl\u00fcsse der subjectiven Rhythmisirung m\u00f6glichst zu verhindern, sondern ich verwendete Funkenger\u00e4usche von Inductionsfunken, die in einem Funkenzieher mit nur 0,25 mm Schlagweite \u00fcbersprangen1). Ich stellte zuerst einen Versuch ohne Einf\u00fchrung k\u00fcnstlicher H\u00fclfen an, den ich kurz als den Normalversuch bezeichnen will. Dieser hatte jetzt folgende Anordnung : Sechs Funkenger\u00e4usche erf\u00fcllen die erste Zeit, die zweite, \u00bbleere\u00ab wird von zwei Funkenger\u00e4uschen begrenzt. Die Tabelle zeigt, dass der Ausfall der Grenzwerthe bei diesem Normal-\n1) Es machte mir anfangs Schwierigkeiten, die Funken immer ganz gleich stark zu erhalten. Man erreicht das in befriedigender Weise, wenn man die Spannung des Inductionsstroms f\u00fcr die von dem Inductionsfunken zu leistende Schlagweite viel zu stark nimmt. Die schw\u00e4cheren Entladungen m\u00fcssen immer noch im Vergleich zur n\u00f6thigen Schlagweite zu stark sein.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nErnst Meumann.\nversuch der gew\u00f6hnliche ist: die reizerf\u00fcllte Zeit erscheint viel gr\u00f6\u00dfer wie die reizbegrenzte. Klbss. repr\u00e4sentirt augenscheinlich denjenigen Beobachtertypus, bei welchem die Uebersch\u00e4tzung sehr gro\u00dfe Werthe annimmt. Nachdem dies festgestellt war, lie\u00df ich in einem zweiten Versuch die erste Zeit mit einer rhythmischen, taktirenden Fingerbewegung begleiten, in der Weise, dass auf den Tisch, vor dem der Beobachter sa\u00df, mit dem Zeigefinger der rechten Hand geklopft wurde, wenn der erste und letzte Funke der aus-gef\u00fcllten Zeit geh\u00f6rt wurde. Es sollte dabei zun\u00e4chst nur eine m\u00f6glichst correcte Adaptation an die Gesammtdauer der erf\u00fcllten Zeit erzielt werden. Dabei wandte ich nun ganz besondere Vorsichtsma\u00dfregeln an, um dem Beobachter ein correctes Mittaktiren zu erm\u00f6glichen. Es ist n\u00e4mlich zwecklos, eine solche Bewegung ausf\u00fchren zu lassen, wenn der Beobachter nicht Anfangs- und Schlussmoment der mit der Bewegung zu begleitenden Zeitstrecke kennt; hat er erst abzuwarten, wann das erste Ger\u00e4usch kommt, so muss nothwendig seine erste Bewegung zu sp\u00e4t innervirt werden, und etwas Aehnliches wiederholt sich am Schluss der Zeit. Daher lie\u00df ich unmittelbar vor dem Versuch die Bewegung ein\u00fcben, in der Weise, dass die Funken in gleichm\u00e4\u00dfigem Tempo von 1,0 s aufeinander folgten und der Beobachter sie so lange mit seinem Fingertippen begleitete, bis er selbst angab, die Bewegung zu beherrschen. Als Minimum der Wiederholungen der Bewegung setzte ich 30 maliges Taktiren fest. Ferner wurde w\u00e4hrend des Versuchs selbst, genau 1 s vor Beginn der NZ, ein Funkenger\u00e4usch h\u00f6rbar gemacht, bei welchem der Beobachter mit dem Taktiren einzusetzen hatte, und diesem ging in 2 Sec. das Aufmerksamkeitssignal voraus. Auf diese Weise traf er leicht und sicher Anfangs- und Schlussmoment der ersten Zeit. Wenn nun \u00fcberhaupt durch Willk\u00fcrbewegungen eine Befreiung von der T\u00e4uschung m\u00f6glich ist, so musste sie auf diese Weise erreicht werden k\u00f6nnen.\nDas Ergebniss des Versuchs ist, dass die T\u00e4uschung unvermindert fortbesteht, bezw. sich sogar etwas verst\u00e4rkt. Gehen wir sogleich zum n\u00e4chsten Versuch weiter. Er unterscheidet sich nur dadurch von dem vorigen, dass 1) beide Zeitstrecken, die reizerf\u00fcllte und die reizbegrenzte, mit dem Fingertippen begleitet werden, und dass 2) in den ersten sechs Umdrehungen des","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n183\nApparats vor dem jedesmaligen Eintreten der ausgef\u00fcllten Zeit das Normalintervall durch Funkenger\u00e4usche dem Beobachter angegeben wurde. Alle 6 Funken hatte er mit dem Fingertaktiren zu begleiten, und da die Zwischenzeit bei allen diesen Versuchen ebenfalls eine Secunde war, so konnte er bis zum Schluss der VZ mit seiner gleichm\u00e4\u00dfigen Taktirbewegung fortfahren. Die ausgef\u00fcllte Zeih trat gewisserma\u00dfen in die gleichm\u00e4\u00dfig ablaufende Taktirbewegung ein. Das Ergebniss des Versuchs ist, dass die T\u00e4uschung auch jetzt noch gr\u00f6\u00dfer ist, wie beim Normalversuch (ohne Taktiren), gegen den vorigen Versuch dagegen ist eine Abnahme der Uebersch\u00e4tzung der erf\u00fcllten Zeit sichtbar. Begreiflicherweise, denn die noch sorgf\u00e4ltiger vorbereitete Taktirbewegung bei NZ und VZ konnte einen andern Erfolg haben, wie die blo\u00dfe Begleitung der Normalzeit. Von dem Ergebniss dieser Versuche war ich selbst \u00fcberrascht, da ich zum mindesten eine Abnahme der T\u00e4uschung erwartet hatte. Aber die Aussagen der Beobachter erkl\u00e4ren das Factum vollst\u00e4ndig. Ehe ich zu einer Verwerthung derselben \u00fcbergehe, stelle ich die weiteren Versuche mit motorischen H\u00fclfen dar.\nAls ein -weiteres vermuthlich unterst\u00fctzendes H\u00fclfsmittel bot sich der Athem dar, mit dem M\u00fcnsterberg so wunderbare Erfolge in der Zeitsch\u00e4tzung erzielt hat (vgl. dessen Beitr\u00e4ge, II, S. 54ff.). Obgleich ich fr\u00fcher gezeigt habe, dass die M\u00fcnsterberg-schen Athemversuche in der Weise, wie er sie schildert, gar nicht ausf\u00fchrbar sind1), so lie\u00df sich doch vermuthen, dass hinter dem blinden Glauben an die Bedeutung des Athems f\u00fcr die Zeitsch\u00e4tzung irgend ein Thatbestand stecke. Ich habe daher zahlreiche Versuche, mit willk\u00fcrlicher periodischer Athmung Zeiten abzusch\u00e4tzen, ausf\u00fchren lassen, aber die darauf verwendete Zeit bereut, weil diese Athemzeitsch\u00e4tzung in dem ganzen Bereich der kleineren und mittleren Zeiten, in denen noch eine gr\u00f6\u00dfere TJE herrscht, nur st\u00f6rend wirkt und die Schwellen sehr betr\u00e4chtlich vergr\u00f6\u00dfert, w\u00e4hrend bei gr\u00f6\u00dferen Zeiten mit jeder beliebigen periodischen Theilung derselben mit Fingerbewegungen, Armbewegungen, rhythmischem Z\u00e4hlen u. s. w. derselbe bezw. ein besserer Erfolg zu erzielen ist wie mit dem periodischen Athmen. (Ich werde\n1) Phil. Stud. Bd. VIII, S. 442 ff.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nErnst Meumann.\ndiese Versuche bald in einem kleinen Aufsatze zusammenfassen.) Es fragte sich aber immerhin, ob periodische Athembewegungen nicht doch vielleicht die T\u00e4uschungen hei differenter Zeitausf\u00fcllung aufhehen k\u00f6nnen? Der Beobachter Klbss. wurde deshalb zun\u00e4chst auf eine gleichm\u00e4\u00dfige Exspirations- und Inspirationsbewegung f\u00fcr 3 s einge\u00fcbt, w\u00e4hrend Funkenger\u00e4usche die \u00bbleeren\u00ab Zeiten begrenzten: NZ ZZ VZ machen bei diesen Versuchen 3 s aus; das erste Inspirium f\u00e4llt dabei mit dem ersten Schallreiz zusammen, das erste Exspirium mit dem zweiten, d. h. also es wurde in den 3 s zweimal geathmet, das ist f\u00fcr willk\u00fcrliche Atheminner-vation ein sehr bestimmter und gut einzuhaltender Rhythmus. Nachdem der Beobachter selbst erkl\u00e4rt hatte, dass er Anfang und Ende der NZ und VZ leicht mit dem Athem zu treffen wisse und dass der Athemrhythmus ihm bequem erscheine, beginnt der Versuch. Wiederum wird 3 Sec. vorher ein Signal gegeben, bei welchem die Athemhewegung einsetzen kann. (Horizontalreihe 4 der Tabelle.) Das Ergebniss des Versuchs ist ein fast unvermindertes Fortbestehen der T\u00e4uschung im Vergleich mit dem Normalversuch. Dagegen vermindert sich die T\u00e4uschung betr\u00e4chtlich gegen\u00fcber den Taktirversuchen. Die rhythmische Athemhewegung hebt also die T\u00e4uschung nicht auf, sondern diese bleibt fast ungeschw\u00e4cht bestehen.\nSchlie\u00dfen wir sogleich noch den letzten Versuch dieser Art an! Es hatte noch einiges Interesse zu sehen, wie die motorischen H\u00fclfen wirken, wenn die Ausf\u00fcllung in zweiter Zeitlage eingef\u00fchrt wird. Ich versprach mir kein Gelingen des Versuchs, da ich hierbei die erste Zeit ver\u00e4ndern musste, und der Beobachter also, wenn er mit der ver\u00e4nderten ersten Zeit mittaktiren musste, ja schon bei dieser die eingestellten Unterschiede erkennen konnte. Aber zahlreiche Erfahrungen, die ich bei rhythmischen Versuchen \u00fcber den gro\u00dfen Einfluss von Erwartungsvorstellungen auf die Ausf\u00fchrung rhythmischer Bewegungen gemacht hatte, bewogen mich, die Sache zu versuchen, da der Beobachter Ksw. nicht wusste, dass ich die erste Zeit variiren w\u00fcrde. Herr Ksw. hatte zwar die Versuche mit zweiter Zeitlage der Ausf\u00fcllung mitgemacht, aber sowohl er, wie die meisten andern meiner Versuchspersonen hatten kein bestimmtes Bewusstsein, dass dabei die erste Zeit die ver\u00e4nderte","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n185\nsei1). Herr Ksw. wurde also zun\u00e4chst wiederum durch 30 Fingerbewegungen2) auf die Zeit von 1,0 s einge\u00fcbt. Nach diesen 30 Bewegungen erkl\u00e4rte er selbst, das Tempo sicher zu beherrschen. Sodann wird sogleich danach der Versuch in der angegebenen Weise ausgef\u00fchrt. Das Ergebniss ist ein vollkommen unvermindertes Fortbestehen der T\u00e4uschung, gegen\u00fcber dem Normalversuch ohne Taktirbewegung (Tabelle 7c, Ksw. 1 u. 2). Die Sch\u00e4tzung unterschied sich auch in dem Gang der Rohzahlen, soweit das innerhalb der Zufallsgrenzen zu erwarten war, nicht von der in dem vorigen Versuch.\nWie erkl\u00e4rt sich diese Wirkungslosigkeit bezw. diese die T\u00e4uschung sogar beg\u00fcnstigende Einwirkung der Bewegungen ? Man muss die Versuche an sich selbst ausf\u00fchren lassen, dann bemerkt man, dass die rhythmische Bewegung uns nicht nur nicht sicherer macht, sondern das Vergleichen der Zeiten erschwert. Man hat das bestimmte Bewusstsein, dass die Feinheit, mit der man die Unterschiede beim blo\u00dfen An h\u00f6ren herausfinden w\u00fcrde, durch das Taktiren verloren geht; alle Versuchspersonen empfinden denn auch die Einf\u00fchrung der Bewegungen als St\u00f6rung, und ein Beobachter sagte mir, es sei, wie wenn man gezwungen w\u00fcrde, ein feineres Sch\u00e4tzungsmittel durch ein gr\u00f6beres zu ersetzen, man \u00bbf\u00fchle\u00ab nicht mit derselben Sicherheit, ob der letzte Schall mit der letzten Bewegung coincidire, mit der man \u00bbheraush\u00f6ren\u00ab k\u00f6nne, ob er mit dem erwarteten Schlussmoment Zusammenfalle oder nicht.\nEs liegt vielleicht der Ein wand nahe, dass die Versuchspersonen an eine ganz andere Urtheilsweise gew\u00f6hnt waren, und daher das Fingertippen als ungew\u00f6hnliche Vergleichungsweise st\u00f6ren musste. Aber wenn sie st\u00f6rend wirkte, warum macht sich diese St\u00f6rung im Sinne desselben constanten Fehlers geltend, wie die Wirkung der Ausf\u00fcllung? Warum nicht im Sinne einer Vergr\u00f6\u00dferung der Grenzwerthe nach beiden Seiten hin? Aber der Einwand ist auch abgesehen von diesem Bedenken ganz hin-\n1)\tIch habe bei Versuchen \u00fcber Localisationssch\u00e4rfe der Haut \u00e4hnliche Erfahrungen gemacht.\n2)\tIch w\u00e4hlte die Zahl von 30 Bewegungen als Minimum mit R\u00fccksicht auf die Erfahrungen von G. E. M\u00fcller und F. Schumann \u00fcber motorische Einstellung.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nErnst Meumann.\nf\u00e4llig. Man erw\u00e4ge, dass die Beobachter bei diesen Versuchen zum Theil mehrere Stunden (Versuchstage) hindurch viele hundert Einzelhestimmungen in der taktirenden Sch\u00e4tzungsweise ausf\u00fchren mussten !\nDie Aussage der Beobachter \u00fcber die Vorg\u00e4nge bei der Zeitvergleichung mittels Bewegungen gibt eine Andeutung, die vieles erkl\u00e4ren und best\u00e4tigen kann, was in den objectiven Versuchsresultaten zu Tage tritt. Die Herren Klb. und Ksw. geben an, dass, sobald die erf\u00fcllte Zeit eintritt, die Bewegung \u00bbmit unter den Einfluss der Ausf\u00fcllung ger\u00e4th\u00ab, \u00bbdie ausf\u00fcllenden Schalleindr\u00fccke treiben einen fort\u00ab sagte mir w\u00f6rtlich Herr Ksw. Die motorische Innervation wird also entweder in ihrem Rhythmus durch die sensorische Zeitperception bei der Ausf\u00fcllung beeinflusst, wenn die Versuchspersonen richtig beobachtet haben, oder man muss annehmen, dass sie \u00fcberhaupt nicht den Gang der sensorischen Perception ber\u00fchrt. F\u00fcr die Richtigkeit der ersteren Auffassung spricht der Unterschied in der Einwirkung von Fingerbewegung und Athem, und von dem Fingertippen bei Klbss. und Ksw. Bei Klbss. vermindert rhythmisches Athmen schwach die T\u00e4uschung, Fingertippen vermehrt sie etwas. Nun beherrschen wir unsere Fingerbewegungen sehr leicht; wird die motorische Innervation also durch die Ausf\u00fcllung in ihrem Rhythmus beeinflusst, so ist es leicht m\u00f6glich, dass die Versp\u00e4tung der Bewegung bei der Normalzeit etwas zu gro\u00df wird. Der Athem dagegen entzieht sich einer so momentanen Ver\u00e4nderung (durch eine Secunde Zeitausf\u00fcllung), weil der Bewegungsmechanismus desselben ein complicirterer und tr\u00e4gerer ist und mehr Selbststeuerung hat, wie der des Fingers, er kann mehr in seinem Rhythmus beharren, und folglich thats\u00e4chlich als eine, wenn auch schwach wirkende, \u00bbH\u00fclfe\u00ab gegen\u00fcber der T\u00e4uschung betrachtet werden. Ebenso w\u00fcrde sich mit der Annahme eines Einflusses der Ausf\u00fcllung auf die motorische Innervation der Unterschied des taktirenden Vergleichens bei Ksw. und Klbss. erkl\u00e4ren lassen. Ksw. ist ge\u00fcbter Clavierspieler, Klbss. nicht, der letztere wird daher durch die Ausf\u00fcllung im Einhalten der gleichen Taktirzeit mehr gest\u00f6rt, wie der erstere. (Vgl. die in Tabelle d mitgetheilten Experimente.) Man kann den Ausfall der Urtheile aber auch so erkl\u00e4ren, dass","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n187\ndie \u00bbmotorischen H\u00fclfen\u00ab deshalb unwirksam blieben, weil man au\u00dfer Stande sei, die Coincidenz der letzten Bewegung mit dem letzten Funken der ver\u00e4nderten Zeit correct aufzufassen. Die Entscheidung l\u00e4sst sich durch graphische Aufnahme der Taktirbe-wegungen experimentell herbeif\u00fchren. Ich theile das Ergebniss solcher Versuche bei der Darstellung derjenigen Experimente mit, die sich direct mit der Erkl\u00e4rung aller der durch differente Zeitausf\u00fcllung entstehenden T\u00e4uschungen besch\u00e4ftigen.\nGegen\u00fcber dem Ausfall dieser Zeitvergleichungen mit motorischen H\u00fclfen liegt ein schwerwiegendes Bedenken nahe, auf das ich um so mehr eingehen muss, als auch die Ausf\u00fcllungsversuche ohne Taktiren davon ber\u00fchrt werden. Wenn zwei objectiv gleiche Zeitstrecken, die mit verschiedenartigen Sinneseindr\u00fccken ausgef\u00fcllt sind, unserm Zeitbewusstsein so eminent verschieden erscheinen, wie ist es dann m\u00f6glich, dass in der Rhythmik beim Anh\u00f6ren von Takten mit ungleicher Notenzahl u. s. w. diese T\u00e4uschungen nicht eine ganz unheilvolle Rolle spielen? Wie kommt es, dass etwa achtel Triolen sich nicht bedeutend l\u00e4nger anh\u00f6ren wie zwei Achtel, wenn sie auf die gleiche Zeit wie diese gespielt werden? Und doch w\u00fcrden \u2014 nach dem Anblick unserer ersten Tabelle zu schlie\u00dfen \u2014 bei flottem Tempo solche Takte etwa in das (erste) Maximum der T\u00e4uschung fallen. Dazu ist erstens zu bemerken, dass diese T\u00e4uschungen auch thats\u00e4chlich in der Musik existiren. Man darf dabei aber nat\u00fcrlich nicht an die Beobachtung denken, die man jederzeit machen kann, dass der Anf\u00e4nger Takte, auf die mehr Noten kommen, langsamer spielt, wie einfachere rhythmische Figuren, sondern man muss wom\u00f6glich bei dem an Zusammenspiel gew\u00f6hnten perfecten Musiker Beobachtungen machen. Bei dem Spiel eines solchen h\u00f6ren sich in der That oft die ausgef\u00fcllteren Taktzeiten l\u00e4nger an, wie die weniger notenreichen. Aber die T\u00e4uschung entspricht in ihrer scheinbaren Gr\u00f6\u00dfe doch nicht ann\u00e4hernd dem Quantum der Uebersch\u00e4tzung, das die vorigen Experimente zeigen! Zweierlei lie\u00df sich vermuthen zur Erkl\u00e4rung des weniger auffallenden Unterschiedes verschieden ausgef\u00fcllter Zeiten in der Musik und im Experiment: 1) dass der Zuh\u00f6rer eine best\u00e4ndige, immer wiederkehrende gleiche Taktfolge vernimmt, die noch dazu meistens gleichzeitig durch mehrere Tonreihen von verschiedener Tonh\u00f6he und","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nErnst Meumann.\nKlangfarbe markirt wird, er erreicht also eine viel vollkommenere Adaptation an die Taktreihe wie die Versuchsperson im Experiment, er bleibt best\u00e4ndig in derselben; und 2) f\u00fchrt der Musiker die Zeiten (Takte) so aus, wie er sie h\u00f6ren will, beschleunigt also die ausgef\u00fcllte Zeit.\nDa es leicht ist, nach der von mir fr\u00fcher angegebenen Methode die Zeitverh\u00e4ltnisse von Taktirbewegungen sehr genau zu messen (vgl. Philos. Stud. X), so bat ich zwei meiner Versuchspersonen, Herrn Prof. Kip. und Herrn Rky., auf einem Telegraphentaster eine einfache Taktfolge, die m\u00f6glichst entsprechend den Zeitsinnversuchen in Tabelle 1 gegeben wurde, mit dem Zeigefinger zu taktiren. (Der Taster gibt einen kurzen scharfen Schlag, der vordere Aufschlag desselben wurde mit Filz belegt, um den Doppelschlag zu vermeiden1).) Es wurde also eine erste Taktzeit durch zwei Schl\u00e4ge auf dem Taster begrenzt, nach einer beliebigen, der Versuchsperson bequem erscheinenden Zwischenzeit sollte eine zweite, aus drei Taktirbewegungen bestehende Gesammtzeit durch Klopfen hergestellt werden, die der ersten genau gleich schien. Das Tempo gab ich durch Vorklopfen ungef\u00e4hr an, doch bat ich, ein recht flottes, wohlgef\u00e4lliges Tempo etwa von der angegebenen Geschwindigkeit selbst zu w\u00e4hlen. Ueber Ithythmisirung der Bewegungen machte ich zuerst keine Vorschrift.\nEs ist interessant, dass die Versuchspersonen sofort die Schl\u00e4ge\nj__2\nrhythmisirten, und zwar in dem Takte i . Erst nachdem sich\n12 3\ndie Trommel in volle Bewegung gesetzt und der Taktirende den Rhythmus etwa 10 mal wiederholt hatte, schloss ich den Registrirstrom. Es wurden m\u00f6glichst 20 Wiederholungen der ganzen Taktfolge\nt\tt\tit\t.\n(1\u2014^ =12 3 oder 1\u20142 = 12 3) aufgenommen und bis auf halbe Millimeter ausgemessen, das arithmetische Mittel aus den 20 Wiederholungen m\u00f6ge die mittlere Taktirzeit f\u00fcr jeden der beiden Takte\n1) Der Taster stand im Dunkelzimmer. Der Stromsehluss erfolgte so lange, \u25a0wie die Hand unten liegen blieb. Auf der Kymographiontrommel des mit dem Zeitsinnapparat verbundenen Kymographions wurden in der fr\u00fcher beschriebenen Weise mit einem elektromagnetischen Schreibapparat die Contaetzeiten aufgenommen. Die Messung kann bis auf V200 Secunde als fehlerfrei angesehen werden.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"189:\nBeitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n, >\n1\u20142 und 12 3 angeben, die mV gew\u00e4hrt einen Einblick in die Pr\u00e4cision der Ausf\u00fchrung beider Takte1). Man kann dar\u00fcber streiten, wie die Taktzeit anzugeben sei. Der Zeitmarkirer schreibt immer Contactzeiten und als die Zwischenr\u00e4ume zwischen diesen die eigentlichen Bewegungszeiten auf, d. h. die Zeiten vom Aufheben des Fingers bis zu seinem n\u00e4chsten Niederschlagen. Ich muss aus meiner Analyse der Yertheilung der Impulse bei rhythmischen Bewegungen schlie\u00dfen, dass man eine Taktirbewegung so zu messen hat, dass als Taktirzeit f\u00fcr ein rhythmisches Ganze immer gelten muss: die Bewegungszeit addirt zu der vorausgehenden Contactzeit.\nt\nAlso z. B. f\u00fcr den einfachen Takt 1\u20142 muss die erste Contactzeit (Zeit des ersten Niederschlagens) addirt werden zur Zeit der freien Bewegung bis zum zweiten Niederschlagen (bis zur zweiten Contactzeit). Man kann immerhin aber die unten folgenden Tabellen auch anders berechnen, es kommt immer dasselbe Ergebniss heraus. Ich habe sogar hierbei die f\u00fcr mich ung\u00fcnstigste Berechnungsweise herausgegriffen, da das unten mitgetheilte Resultat deutlicher zu Tage tritt, wenn man die letzten Contactzeiten mit in die Bewegungszeiten einrechnet. Nimmt man jedoch an, dass der Taktirende (Spielende) den Rhythmus immer so ausf\u00fchrt, wie er ihn h\u00f6ren will, so bleibt es zweifelhaft, wie weit das letzte Liegenbleiben des Fingers auf dem Taster (der Taste) mit als rhythmische Zeit verrechnet werden kann, da dieses Liegenbleiben des Fingers weder bei T\u00f6nen noch bei Schalleindr\u00fccken der Dauer des letzten Tones oder gar des Schalles entspricht. Zu den Tabellen von Kip. und Rky. habe ich noch Folgendes erkl\u00e4rend zu bemerken: ATZ bedeutet Contactzeit, ZZ Zwischenzeit (zwischen einer Contactzeit und der n\u00e4chsten), BZ bedeutet Bewegungszeit, AM der 1. BZ bezeichnet daher: Arithmetisches Mittel der ersten Bewegungszeiten u. s. w. Im \u00fcbrigen sind die Tabellen so aufgef\u00fchrt, wie sie urspr\u00fcnglich \u2014 zum Zwecke ganz anderer Verwendung \u2014 angelegt waren. Ausdr\u00fccklich bemerke ich, dass weder ich selbst noch eine meiner\n1) Bei allen Versuchspersonen machte ich Messungen nach beiden Betonungsformen 1 2 und 1 2. Ich theile nur einige Proben mit und bemerke ausdr\u00fccklich, dass ich bis jetzt eine Abweichung von den in diesen enthaltenen Resultaten nicht gefunden habe.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nErnst Meumann.\nVersuchspersonen bei der Veranstaltung dieser Taktirversuche die bestimmte Beziehung derselben zu Experimenten \u00fcber Zeitausf\u00fcllung im Auge gehabt haben. Erst bei einem Ueberblick \u00fcber ihre Ergebnisse fiel mir diese Beziehung auf. Ganz \u00fcbereinstimmend machen nun beide Versuchspersonen die dreigliedrige Zeit im Mittel (1 2 3) etwas k\u00fcrzer wie die zweigliedrige (1 2). Die der reizbegrenzten Zeit entsprechende Taktfolge 1\u20142 betr\u00e4gt im Mittel aus 20 Messungen bei Klpe. 0,455 s (= 113,75 mm), bei Bky. 0,459 s (=114,8 mm), dagegen die der reizerf\u00fcllten Zeit bei Kipp 0,427 s (\u2014 106,93 mm), bei Bky. 0,4428 s (= 110,7 mm).\nMit einem Wort, die mehr Noten enthaltende Takteinheit wird von dem Spieler beschleunigt wiedergegeben, gegen\u00fcber der einfacher zusammengesetzten, und diese Erscheinung ist nach meinen rhythmischen Versuchen eine ganz allgemeine, die ihre Grenzen nur findet an der technischen Fertigkeit des einzelnen Spielers, bezw. an der Grenze der Schnelligkeit menschlicher Fingerbewegung, Je mehr \u00bbTechnik\u00ab der Spieler hat, desto mehr pr\u00e4gt sie sich aus.\nIch hin nun weit entfernt, als die einzige Ursache dieses Ph\u00e4nomens anzunehmen, dass der Taktirende damit lediglich der Zeitt\u00e4uschung durch differente Ausf\u00fcllung entgegenarbeiten wolle! Es ist sogar wohl ziemlich sicher, dass die Ursache des beschleunigten Taktirens bei gr\u00f6\u00dferer Zahl der Noten haupts\u00e4chlich darin liegt, dass der Taktirende jetzt eine gr\u00f6\u00dfere motorische Leistung zu vollbringen hat, er innervirt also \u00fcberhaupt st\u00e4rker und das wirkt auch beschleunigend auf die Zeitfolge der Schl\u00e4ge, \u2014 sowie wir \u00fcberall beobachten k\u00f6nnen, dass m\u00e4\u00dfig anstrengende Bewegungen gern in einem schnelleren Tempo ausgef\u00fchrt werden. Als Mitursache aber ist ohne Zweifel diese zu betrachten, dass der Spielende die Zeiten so ausf\u00fchrt, wie er sie h\u00f6ren will. Man wird vielleicht darauf hinweisen, dass das Quantum der Beschleunigung in den Taktirversuchen ein ungleich geringeres sei, wie das der Uebersch\u00e4tzungen durch differente Ausf\u00fcllung. Das ist aber nur scheinbar der Fall, denn 1) gehen meine obigen Messungen der Uebersch\u00e4tzung durch die Grenzwerthe, wie ich \u00f6fter betont habe, ein vergr\u00f6\u00dfertes Bild der T\u00e4uschungen; und 2) handelt es sich hier um rhythmisirte Ausf\u00fcllung, die, wie die auf S. 228 folgenden Versuche .zeigen (Tabelle a, b, d), eine weit geringere","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Graphische Messung von Taktirzeiten. Versuchsperson: Kip. Ohne Rhythmus: 1\u20142 = 1\nBeitr\u00e4ge 7,ur Psychologie des Zeitbewusstseins,\n191\nWundt', Philos. Studien. XII.\n13\nDurchschnittliche Bewegungszeit des zweigliedrigen Rhythmus:\t122 mm = 0,488 Sec.\nDurchschnitt der beiden Bewegungszeiten des dreigliedrigen Rhythmus: 185,41 - = 0,742 -\n(500 mm = 2 See.; 1 mm = 0,004 Sec.)","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"Versuchsperson: Kip. Rhythmus:\n192\nErnst Meumann,\nM O 05 CO CD l- OOMOitOONtOCOQOCDiO\n05050005000005005050505050505000505\nIO lO iO tO\nCDI>C00505CDC0CD>\u00c4\u00bb0C0\n05 00 00 t- 05 IC\n\u25a0O \u00bbO\nN, \u00abf N CI5 CO \u00d6D tN C*5 \u00ceO\n>o a a 05 co co\n*0>$>fi'^*0l0\u20180,0*0\u20180\u20180>+\u20180l0l0\u20180*0\u20180\nCD^\u2019\u00abitC0r*i0^05 05C0t'\u00abrHh-05OCDH\ncocococococococococococo^coco-^corti\nl^i\u00dfTfi\u00dfOSOOh-CDCOtncOCOCOiO^COCO\u00ab\n\ntOiO\u20180\u20180\u20180\u20180\u20180\u20180\u20180\u20180\u20180\u20180\u20180\u20180\u20180\u20180'0\u20180\nrt< \u00bbO CO CO rf ^\nCOfOCOrJtMCOCO^\u00ab^^\nCO CO CO CO CO\nCOiOt-COt-OCOt'*OiO^>Oi\u00c4COCO(NMr|<\nQO CD CO i\u00df CO CO CO 05\nGOaOaOCJOGOt-QOCO\n050500050000000505\nCOOt'^'iOCCt'-C-OOlNGDh'GO^\n(N(N(N(N(NC10C1\n>!r>i<OQOC>rC>Or>^05\u00bbOCo'<M*OOo>^'co'<S1or\n0 0\u00ab^H0001005CSC003C1CO\n05 05 05 05 05 00 05 05 05 05 05 05 05 05 05 05 05 05\nOt-05(N05C5t-05\u00ab5\n(NCKNHHlNfNlNMM\nIM M Tji \u00bbO CO CO 05 o\" rH fl CO Tf( \u00bbo CD l> CO\nDurchschnittliche Bewegungszeit des zweigliedrigen Rhythmus:\t113,75 mm = 0,455 Sec.\nDurchschnitt der Summe der beiden Bewegungszeiten des dreigliedrigen Rhythmus: 106,93 - = 0,427 -\n(500 mm = 2 Sec.; 1 mm = 0,004 Sec.)","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n193\ni(\n<N\n\\\nc\u00f6\nP\no\n>\nb\u00df\n\u00d6\na>\ns\nQ\nP\u00ce\nP-t\n\u00f6S\n6\ns\nrP\n2\nd\no\nCO\n<U\nPh\nG\u00df\nrP\n\u00fc\nP\nCO\n\u00ceH\nOJ\nPause\t\t\u00df\tt\u00df\txO W5\t\u00df OD *H C5 O ^ ^ G t*Cs'gs'C5\u00a9CO\u00a9CS'th OtM \u2014 t^QOGOSQOQOl't-COGQOt-t'l^cC\u00eeOOih-t^QO\t1651,5 82,57\nN N to\t\t\u00df\t\u00df\t\u00df CI 05 I\u00df O o''# N t^OCO tfl O G (N to O tfl r- \u00df af COCOCOCOrr'^b\u00df'\"Cf<,'1,i\u00df,ll!3,,,=?<''rcD\u00df\u00a9CO^t*\u00dfCO\tt' i\u00df.05 of-*' 05 TJ* ao\nts \u00ab1\t\t*o *o GS GS^ *\u00df^\ti\u00df\t*\u00df *\u00df\tt\u00df\t\u00bb\u00df co ocT co\" \u25a0cd' oo >*co*\u00dfcocc>rd'\u2019''<Gd'cd''** \u00a9 oT co ^ *>T \u2018\u00df>*\u2018\u00df\u2018\u00dft\u00dfC0l\u00df*\u00df'C0\u2018\u00dfC0C0*O50\u2018\u00dfC0,\u00df*OC0\u00bb\u00df\tN \u00b0\u00b0~ tC i\u00df ts:\nM ca\t\t\u00df if^r-^\u00df^\t\u00df GO CS t\u2014 t*< CS I\u2014 I\u2014 %Q-C5MrHT)trqh-t-OCOCOt'CO cocococort<cococococo'^'^\u2019^<,=rco'r^T^-\u00bbt-^co\t787,25 I 39,36 I der 2. B 305\nN bei sa\t\t\u00df 1\"* \u00df\t\u00df\t\u00df\ttO \u00df\ti\u00df\tt\u00df \u00df t\u00df\" gcT cs\tcd t- cd oT\tco cs~ t-\tt\u2014~ cd~ t\u2014\to ccT co\t^ oT\ti\u00fchS\to' 3-5^ h s\n1. BZ\t\t50 \u2018r5sC'llP*^\t*0 10*0 0*0*0 *o*o ^'^0?OOi05>!l*\u00dfi>*lCoo'(to'*0'co't\u00d6'\u00df4^o'tsroo'!j* ?0'^'^*0>K*0*0*0*\u00df*0*0*0*0,0\u20180'0*0*\u00df*0\u20180\t>* t- TH 0^00^ CO^ 5s t\u2014 \u00a9 \u2022Oto -1 N5 (.-s\n1 ZZ\t\t\u00df^\ti\u00df\tI\u00df rtrH^T-Tt'COt\u00dfl\u00df\u00df\u00dfNrt\u00df^cfl\u00d6OO'^QO GSCOGSCOCO. COCOCOCOCOr^^COT^cOCO'^'cf^CO\t*5* ^ CS CD rH\tu CS CO -\t0) ^\t\u00a9 ns\nN t*\t\t\u00df \u00e4\u00df^CS^I\"^\tt\u00df\tI\u00df i\u00df t\u00df\ti\u00df i\u00df CDC0CDGSCSC005t\u2014\u00df od' \u00a9 i\u00df - co\" cs\" CO CD CfiT t-P rr1 CD\to \u00a9 ^5 CO a-l CO\n2 3?Z\t\ti\u00df \u00df^ \u00df^\ti\u00df i\u00df\ti\u00df 't -H~C\u00db d'd \u2019^COCOCDO'\u2019HQOCDCS cdco\u00ab TtTcS o t'-CDCDi\u00dfCDi\u00dfi\u00dfCDl\u2014CDCDCDCDCDcDi\u00dfCDi\u00dfl-'-r-\t1272,25 I 63,61 j\n2 KZ\t\t\u00df^\ti\u00df\ti\u00df\ti\u00df t'-05t-Tt<cD'!tf*coao\u00a9t\u00df'csaocD05cD'cst^ cxT *-* oo \u2022^\u00a9rfi\u00dfi\u00dfC\u00dfcDi\u00dfi\u00dfcDCDi\u00dfi\u00dfi\u00dfi\u00dfi\u00dfi\u00dfi\u00dfi\u00dfi\u00df\tccT cjt\u00a3 || \u00df . = \u00ab\nN pq\t\t\u00bb^\u00bb\u00df^\t*\u00df\t*\u00df\tt\u00df O5*Ot>'^t>To5Qd'C)O5i\u00c4>$*\u00dfCo'>*CCC0>5l'*\u00dfC0t> 0iO\u2019N\u2019^C3C)(0'^^Ci(5t60iK< \u2019^G'jGvt\u00dfiGS'^i\tGS \u00b00^\ntsj\t\t*-Hao\u00a905aoi\u00dfao,^,co-'^<cot\u2014Tt<a5Q0Tj*O5aD\u00a9Oi l'-\u00dfO5GOt'-COt^G5QOQ0O5GOC5Q0COO5a0O5a5G0\t* Sfq H{Du CS CO 4) t-\tr\u00f6 V\u00bb\n1 KZ\t\ti\u00df i\u00df\ti\u00df\ti\u00df\t\u00df od'iP'r^ \u00df oT r* o' cd \u00a9 \u00df a\u2014* co cf \u00df co \u00a9 i\u00df co oo GS^t<CSCSCSCSCOa-'COCSCOa-iCOGSGSCSCOGSCOCS\tSummen: 575,5 AM: 28,77\n\t\tt-iGSC0*^\u00df\u00abDI><\u00bbG5\u00a9\u2014iCSC\u00d6TlHi\u00dfc\u00d6t-o\u00d6OS\u00a9 rHrHrH\u00bb-*T-(TH\u00bb-i\u00bbH^rHCS\t\n05 CO \u00df rf\ns * s\nCS\n00 00 20\nG\na\n\u00abp\nI* ^,\n+2 \u00ae\n0) ,\u00a9\ng ^\nb\u00df\u00ae G TS\na\u00ae\n\u00ab a \u00a3 a\nO 3\nWk\n\u00f6t3\na\n\u00a3\u00bb $j\u00bb\n*3'S\ngs -G o o \u00bb to\nrG r-G\no o \u00bb1 s-G G\nflfi\n13*","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"Graphische'Messungen von Taktirzeiten.\nA\nVersuchsperson: Rky. Rhythmus: 1\u20142 = 12\n194\nErnst Menmann,\nO) GQ 2 Ps N CO\ttA\t\u00bbA\tifll\u00df\t^ co'^nrcO't'- co-^^Af\u00ab*f05eocococsf\u2014'OtN \u2014 l\u2014 00O5O5Q0 00l^t-Q0CC>00\u00bb>'\u00bb^-V'CC>\u00eeOC5t-lr-CO\t\n\txA^ SxA^\tS ^ (MO5Aod'^Mt'O0iA\u00a9COW\u2018AOlArHAO) COCOCACO,^rJltA^frr\u00bbATl4'Tji'\u00ab!J,CA>A<OCO,qf\u00bbAfO\t\u2022A\t05 *> tsT \u00abo\t<o <s> fc* pq cs u o nd\nts: fq cs\t*A *0 Ol Ol *A\t*A\t>A *A^\t^\t*A. CAG\u00d4'\u00e7o'5o\u2018co>i'\u00ae0*AC^\u00eeoCV3'r*HCo'co'^OOil\u00ceO,^\u2018\u00ab> *A>:K\u2018O\u2018A\u2018O^\u00db*A,A<0lCi^>'!0,A^C*O\u00e70\u2018O*^\u00e7C>*0\t\nN cs\tIA lA 1^ \u00bbA\t\u00bbA 00 C<T t~\u00bb~ *^T !M D- h- lA-\" a3f7wSrfrHt-D-OfOCOI\"CO COCOrtCOrfCOfOCOrtW^TP ^rrt^S'rp'rtl^Tf'CO\t\nN cs\tlA t\u2014 1A\tlA\txA\t>A xA\tXA\tXA^ ia ift'cc'e* coi\u2014cooT^coc'Tt'- t-~ ecT t- o co~ co ^ os HHHlNrtflHHWlNlNHHHHWHHrtH\t\n1 BZ\t*o CiMNO\t\u2018A\u2018A\u20180\u20180 *A^\u00bbA^\t*A_ \u201cS t>T >sT cT 05 Oi -th Ai >* \u00bb>T c<r \u00bbo' \u00abo' \u00abo' \u00bbo' Ai \u00abo' oo ^ C0\u00bb>!*\u00abO>'*'O\u2018O\u2018O*O\u00bbO\u00bbO*O\u2018O,O\u2018O,O\u00bbO\u00bbO\u2018O*O\t^\t\u00b00 05 t~- | as\u201cs* \u00a7 g\n1 ZZ\tiA\t\u00bbA\t\u00bbO ,H H \u00absf\tCO A i\u00df O\u00ee 05 irTwS 05*- \u00ab^co O O 'f CO CSCOCSCOCOCOCOCOCOCO^t<T}<CO'rflCOCOTtt'\u20193<T\u00ee< CO\t:\tpq ^\tu u\t\u00ab 0)\t^ s\t*\ntH\txA lAC'Jt\u2014\t\u00bbA\ttA \u00bbA lA\txA xA \u00abcTco'ccTcSfMCOCil'-xAaD'cDxA'cD'ArcOCOCAt'-^tO TirtHflr(ClrtrlHHH\u00abnrHlMrG'HrGrH-\t\nPause\tXA lA\txA\txA *A\t\u00bbA rt< t-T co oT co^tooffOcocTs\u2014iqoco<mcT tO co <m o t'0 0\u00bbACOtAiOCCtiCOXit\u00dcOOO\u2018ACO\u00bbAt-l-\t\nN 1*1 <N\tlA\txA\t^\txA^ t^05r-^'\u00ab0'^C00DOtA'(M00CC'C5\u00ee00;\u00bbV-acr\u00abi-'Q0 ^tO^lAiACDtOiOlAcOtD'AiAiAiAiAlAiAlfliA\toq^ b- 35\t*\u00bb\u25a0\u00ab Al Al\ncq\tIO *0\t*A\t\u00bbO^ oT\u00bbo't^>^QOOiCo'OC50S>4(,A<\u00f6'^,to^5>K\u20180^t>\u2018 OiCi*\" ^\u00fbOO^^C)OlOG'lNN,C4^0ll74\"s ^NUXsiN^N^^NN'xNNI^NiNNN\t\nM N s-H\t\u00bbA s-4Gf)005(Xr\u00bbAQOTt\u2018CO\u2018^COI>''^05QO\u20192JOTGOO^ 1-iOO5Q01>GOP*O5QOCOO\u00ee00O5COCCO>COO5O\u00eeCO\tpq u Q> ni\nN s-H\txA xA\txA\t\u00bbA^ Oo''t^'t-XAOrTtto'cDCOxAr-tC\u00bb<M*AGOa\u00eei2ir!S2S dONM'MMfO'rtfOMW'HCOiMiNM\u00eeOiMCOCS\tc j\u00e4 Q> Ps T OQ\n\tT-i(r4?\u00ee^\u00e0A\u2019cOt^G\u00d4050^-iA47O'^'\u2018AC0r^Gl02^\t\nDurchschnittliche Bewegungszeit des zweigliedrigen Rhythmus:\t114,8 mm = 0,459 Sec.\nDurchschnitt der beiden Bewegungszeiten des dreigliedrigen Rhythmus: 110,7\t\u00bb\t= 0,4428 \u00bb","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\t195\nUebersch\u00e4tzung der ausgef\u00fcllten Zeiten ergeben. Es entsprechen also die obigen Zeitverh\u00e4ltnisse beider Takte h\u00f6chst wahrscheinlich genau der scheinbaren Taktgleichheit, der Taktirende glaubt bei dieser geringen Beschleunigung der dreigliedrigen (zweitheiligen) Zeit, sie gleich der ersten gemacht zu haben. Die obigen Taktirversuche verlocken zu einer Menge interessanter Abschweifungen. Man sieht wieder, mit welch \u00fcberraschender Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit der intensivere (betonte) Schlag die l\u00e4ngere Contactzeit hat. Ferner wie verschieden die mV bei den zwei eingef\u00fchrten Betonungsarten ist (vgl. Klpe. 1\u20142, 12 3 und 1\u20142, 1 2 3). Ferner, wie die Rhythmisirung der Bewegung augenscheinlich das eigentliche Mittel ist, mit dem die Einhaltung der Taktgleichheit erreicht wird, denn wenn man unrhythmische Bewegungen von der Versuchsperson fordert (was manchen die Sache unm\u00f6glich macht), so wird die dreigliedrige Zeit bei weitem zu lang gemacht (vgl. meine Ausf\u00fchrungen \u00fcber Psychologie und Aesthetik des Rhythmus, Philos. Stud. Bd. X, 1894). Allen diesen Abschweifungen widerstehe ich, um bei der n\u00e4chsten Ver\u00f6ffentlichung meiner RhythmusexperimAte ausf\u00fchrlich darauf zur\u00fcckzukommen.\nDritte Versuchsgruppe.\nDie Zeitt\u00e4uschungen bei der Vergleichung different ausgef\u00fcllter Zeiten in den \u00fcbrigen Sinnesgebieten.\nEs ist von gr\u00f6\u00dftem Interesse f\u00fcr die Psychologie des Zeitbewusstseins, die Beziehungen unserer Zeitsch\u00e4tzung zu den psychischen Inhalten festzustellen, durch welche uns jeweils die Zeiten psychisch repr\u00e4sentirt werden. Daher fragt sich auch bei den Zeitt\u00e4uschungen durch differente Ausf\u00fcllung, ob neue Erscheinungen in dem Gang des Urtheils auftreten, wenn man die experimentelle Zeitausf\u00fcllung mit den Empfindungen anderer Sinne, wie des Geh\u00f6rssinns herstellt? Ich musste nach meinen bisherigen Erfahrungen erwarten, dass der allgemeine Charakter der Zeitt\u00e4uschungen durch differente Ausf\u00fcllung der gleiche blieb, wenn man die reizerf\u00fcllten Zeiten (ebenso wie die reizbegrenzten) mit Tast- oder Lichtempfindungen ausf\u00fcllte1), dass aber jedes Sinnesgebiet seine ihm eigen-\n1) Geschmacks- und Geruchsempfindungen kommen f\u00fcr die Zeitsch\u00e4tzung wohl kaum in Betracht.","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nErnst Meumann.\nth\u00fcmlichen Besonderheiten in der Wirkung der Ausf\u00fcllungen auf das Urtheil zeigte. Dies best\u00e4tigte sich.\n. Ich trennte zun\u00e4chst, nach wenigen Vorversuchen, die Zeitausf\u00fcllung mit kin\u00e4sthetischen (Bewegungs-) Empfindungen ab, sie bietet wegen des Gegensatzes activer und passiver Bewegungen und wegen der Complicirtheit des Empfindungsmaterials ein besonders schwieriges Untersuchungsgebiet mit mancherlei eigenartigen Verh\u00e4ltnissen dar. Es blieben also nur Tast- und Lichtempfin d\u00fcngen.\nVerwendet man nur reine, vollkommen lautlose Lichtempfindungen und elektrische Taktreize, die so abgestuft werden, dass sie g\u00e4nzlich schmerzlos sind, so erh\u00e4lt man bei Versuchen nach Art der eben mitgetheilten Vergleichungen different ausgef\u00fcllter Schallzeiten im allgemeinen ein durchg\u00e4ngig mit den Schallversuchen \u00fcbereinstimmendes Resultat. Die reizerf\u00fcllten Zeitstrecken erscheinen bei kleinsten absoluten Zeiten weitaus gr\u00f6\u00dfer, wie die reizbegrenzten, bei einer mittleren L\u00e4nge der Zeiten stellt sich eine Zone scheinbarer Gleichheit beider, der reizerf\u00fcllten und reizb\u00eagrenzten Zeit ein (Indifferenzzone), und bei gr\u00f6\u00dferen Zeiten schl\u00e4gt das Urtheil vollkommen um: die leeren Zeiten erscheinen gr\u00f6\u00dfer als die ausgef\u00fcllten. Es m\u00f6ge, wegen dieser Wiederkehr der gleichen Erscheinungen, gen\u00fcgen, wenn ich nunmehr die Analyse der Versuchsergebnisse immer m\u00f6glichst kurz fasse- Ich bitte ferner, mir die vielleicht allzugro\u00dfe H\u00e4ufung der Versuche mit Lichtreizen, die ja nur vergleichsweise zu den Schallversuchen h\u00e4tten unternommen werden k\u00f6nnen, nicht als blo\u00dfe Sammelarbeit auszulegen. Die zahlreichen Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten im Gang des Urtheils bei Schallversuchen bewogen mich zu dieser Wiederaufnahme aller entsprechenden Verh\u00e4ltnisse bei Lichtreizen (ich lasse in den Tabellen zahlreiche nichts Neues bringende Versuche weg), bis ich fand, dass bei Ausf\u00fcllung mit Lichtreizen neue Complicationen, wie die Verschmelzung der Funkenbilder, die allgemeine Schwierigkeit der Beurtheilung der Zeitverh\u00e4ltnisse von Lichtempfindungen, den Gang des Urtheils hier nicht minder unregelm\u00e4\u00dfig gestalten.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\t197\nTabelle I.\nt sechs Lichtreize, constant; ts zwei Lichtreize, ver\u00e4ndert.\nBeob. Rky.\nNZ\ta Kl\ta Or\tr Kl\tr Gr\tSGI\n0,8\t\u2014 0,028\t+ 0,283\t0,035\t0,298\t?\n2,5\t\u2014 0,055\t+ 0,244\t0,022\t0,097\t?\n5,0\t\u2014 0,11\t+ 0,8\t0,022\t0,160\t0,035\n8,0\t- 0,583\t+ 0,27.\t0,0729\t0,037\t0,019\nTabelle II.\nt f\u00fcnf Lichtreize, constant; tx zwei Lichtreize, ver\u00e4ndert.\nNZ\ta Gr\ta Kl\tr Gr\tr Kl\tSGI\na) Hlr.\t\t\t\t\t\n0,5\t\u2014 0,028\t+ 0,194\t0,056\t0,38 f\t?\n2,0\t\u2014 0,055\t+ 0,177\t0,028\t0,08\t?\n5,0\t\u2014 0,266\t+ 0,11\t0,053\t0,022\t?\n7,0\t\u2014 0,694\t+ 0,13\t0,099\t0,018\t?\nb) Gle.\t\t\t\t\t\n0,4\t\u2014 0,05\t+ 0,11\t0,138\t0,277\t?\n0,8\t\u2014 0,028\t+ 0,322\t0,035\t0,402\t0,208\n3,8\t\u2014 0,11\t+ 0,44\t0,028\t0,073\t?\n4,5\t\u2014 0,22\t+ 0,33\t0,049\t0,074\t?\n5,5\t\u2014 0,66\t+ 0,22\t0,121\t0,04\t0,069","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nErnst Meumann,\nTabelle III.\nt drei Lichtreize, constant; zwei Lichtreize, ver\u00e4ndert.\nNZ\ta Kl\ta Gr\tr Kl\tr Gr\tSGI\na) Hlr.\t\t\t\t\t\n0,5\t\u2014 0,028\t4- 0,322\t0,056\t0,64\t?\n0,8\t\u2014 0,028\t4-0,216\t0,035\t0,201\t9\n1,8\t\u2014 0,055\t4-0,144\t0,031\t0,082\t?\n3,8\t\u2014 0,133\t4-0,11\t0,035\t0,028\t?\n4,5\t\u2014 0,55\t+ 0,11\t0,123\t0,024\t0,093\nb) Hpf.\t\t\t\t\t\n0,3\t\u2014 0,028\t+ 0,11\t0,093\t0,703\t?\n0,5\t\u2014 0,028\t+ 0,272\t0,056\t0,54\t0,27\n1,2\t\u2014 0,028\t+ 0,127\t0,023\t0,212\t0,083\n2,0\t\u2014 0,11\t4-0,22\t0,055\t0,11\tP\n2,5\t-0,4\t+ 0,055\t0,16\t0,022\t\u0178\n4,5\t-0,4\t+ 0,11\t0,089\t0,024\t?\nc) Gle.\t\t\t\t\t\n0,4\t\u2014 0,055\t+ 0,166\t0,251\t0,416\tP\n0,5\t\u2014 0,088\t+ 0,166\t0,177\t0,33\tP\n4,5\t\u2014 1,33\t4-0,11\t0,295\t0,024\t0,14","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n199\nTabelle IV.\nt zw\u00f6lf Lichtreize, constant; Zx zwei Lichtreize, ver\u00e4ndert.\nBeob. Hpf.\nNZ\ta Kl\ta Gr\trKl\tr Gr\tSOI\n0,8\t\u2014 0,128\t+ 0,322\t0,160\t0,409\t0,35\n3,8\t\u2014 0,11\t+ 0,933\t0,029\t0,245\t0,146\n5,0\t\u2014 0,22\t+ 0,466\t0,045\t0,093\t?\nTabelle V.\nt zwei Lichtreize, ver\u00e4ndert; drei Lichtreize, constant.\nBeob. Gle.\nNZ\ta Kl\ta Gr\trKl\tr Gr\tSGI\n0,5\t+ 0,33\t\u2014 0,055\t0,6\t0,11\t?\n4,5\t+ 0,22\t\u2014 0,84\t0,16\t0,187\t?\nTabelle VI.\nt drei Tasteindr\u00fccke, constant; Z, zwei Tasteindr\u00fccke, ver\u00e4ndert.\nNZ\ta Kl\ta Gr\trKl\tr Gr\tSGI\tOGI\na) Hcks.\t\t\t\t\t\t\n0,4\tbei t =\t+ 0,44\t\u2014\t1,11\t0,736\t10 < 3 < 1 =?\n0,8\tbei t = ti\t+ 0,33\t\u2014\t0,416\t0,312\t3<6< 1 =?\n3,0\t\u2014 0,083\t+ 0,33\t0,27\t1,11\t0,37\t6<1> 3 =\n5,0\t\u2014 0,81\t+ 0,27\t0,1805\t0,055\t?\t6 > 3 = 2>?1 = ?3<\nb) Rky.\t\t\t\t\t\t\n0,3\t\u2014 0,055\t+ 0,138\t0,277\t0,694\t?\t3<4<1<? 2 > ?\n0,5\t\u2014 0,055\t+ 0,305\t0,11\t0,61 '\t0,22\t1 < 1 < 3 < ? 4=1 >\n2,0\t\u2014 0,388\t+ 0,166\t0,194\t0,083\t0,09\t1 < ? 1 < 3 == ? 4 > 1 >\n2,01)\t+ 0,55\t\u2014 0,166\t0,277\t0,083\t0,11\t2\t> 3 > ? 3\t= ? 2 < ?\n1) 2,0 zum Vergleich in zweiter Zeitlage der drei Tastreize.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nErnst Meumann.\nDie Tabellen zeigen dieselben Versuche mit Lichtreizen, die ich bei den Schallversuchen (in Tabelle 1\u20146) ausgef\u00fchrt habe. Die Inductionsfunken wurden erhalten bei 1,0 mm Weite der Spitzen des Funkenziehers. Die Funken wurden im halbdunkeln Zimmer gesehen, damit der Bobachter den Fixationspunkt nicht verlor1).\nDie Zeitsch\u00e4tzung ist, wenn blo\u00dfe Lichtreize die \u00bbleeren\u00ab Zeiten begrenzen, schwierig und ungenau. Aber es tritt hier etwas Aehn-liches ein, wie bei der Sch\u00e4tzung von Raumstrecken mittels wenig ge\u00fcbter Hautstellen: die Beurtheilung wird in den ersten Versuchen manchmal als \u00bbfast unm\u00f6glich\u00ab, als \u00bbganz dem Vermuthen anheim gegeben\u00ab u. s. w. bezeichnet, nimmt dann aber schnell durch die Ein\u00fcbung an Genauigkeit zu und zwar verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig viel mehr wie die Zeitsch\u00e4tzung von Geh\u00f6rsreizen, sie bleibt aber immer an Genauigkeit hinter dieser zur\u00fcck. Der Gesichtssinn ist eben so sehr Raumsinn, dass wir weder gewohnt sind, rein visuelle Zeiten abzusch\u00e4tzen, noch jemals darin die Fertigkeit des Ohres erlangen k\u00f6nnen. Daraus folgt, dass Versuche \u00fcber Zeitausf\u00fcllung mit reinen Lichtreizen nur nach vorheriger Ein\u00fcbung der Versuchspersonen auf die Vergleichung von Lichtzeiten ausgef\u00fchrt werden d\u00fcrfen. Demgem\u00e4\u00df habe ich die Versuchspersonen, sofern sie nicht durch\n1) Ueber die Technik dieser Versuche habe ich noch folgendes zu bemerken: Die Funken wurden mittelst eines Ruhmkorff\u2019schen Inductoriums von 4 cm Funkenweite erzeugt. Der Wagner\u2019sche Hammer desselben bleibt bei den Versuchen angeschraubt. Der Zeitsinnapparat functionirte dabei als Unterbrecher des prim\u00e4ren Stroms. Die Zuleitung des prim\u00e4ren Stroms geschah nach demselben Schema, wie bei den Schallzeiten (vergl. S. 146 dieser Abhandl.), so dass ich auch hier auf die Fehler der Contacte keine R\u00fccksicht zu nehmen brauchte. Der secund\u00e4re Strom wurde von den Klemmen des Inductoriums durch eine besondere, gut isolirte Leitung zum Beobachterzimmer geleitet. Hier geht er auf den Funkenzieher in dem fr\u00fcher beschriebenen schalldichten Kasten, der nach vorn mit mehreren (bis zu 3) Glasplatten zwischen F\u00fczlagen abgeschlossen ist. Arbeitete ich, wie anfangs immer, im ganz verdunkelten Zimmer, so musste ich den Fixationspunkt (auf der innersten Glasplatte) mit Leuchtfarbe bezeichnen, da sonst der Beobachter die Fixationsrichtung best\u00e4ndig verliert und die Funken bald direct, bald indirect sieht. Sp\u00e4ter lie\u00df ich eine schwache Gasflamme im Dunkelzimmer brennen, wobei der Fixationspunkt leicht beizubehalten ist und die Augen des Beobachters weniger erm\u00fcden. F\u00fcr die Gleichm\u00e4\u00dfigkeit der Lichtst\u00e4rke der Funken gilt dasselbe, was fr\u00fcher f\u00fcr die Schallst\u00e4rke derselben bemerkt wurde. Man erreicht nur dann gleichm\u00e4\u00dfig helle Funken, wenn man mit hoher Stromspannung und einer im Verh\u00e4ltniss zu dieser sehr geringen Oeffnungsweite der Funken des Funkenziehers arbeitet.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n201\nNormal versuche mit Lichtreizen einge\u00fcbt waren, erst l\u00e4ngere Zeit hindurch Ausfiillungsversuche machen lassen, ohne ihre Ergebnisse zu verwenden.\nVerfolgt man nun z. B. die erste Tabelle (Tab. I), so zeigt sich eine sehr betr\u00e4chtliche Uebersch\u00e4tzung der ausgef\u00fcllten Zeit, von dem kleinsten eingestellten Intervall 0,8 an bis 5 Sec. Auch die Funkenzeiten zeigen den unregelm\u00e4\u00dfigen Gang der constanten Fehlsch\u00e4tzung. Bei 0,8 s hat die Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit ein Maximum, bei 2,5 geht sie etwas zur\u00fcck, um bei 5,0 wieder etwas zu wachsen. Ich machte daher hier einen gr\u00f6\u00dferen Schritt und fand bei 8,0 einen v\u00f6lligen Umschlag des Ur the ils. Die Ausf\u00fcllung der ersten Zeit wirkt also bis zu ziemlich gro\u00dfen Zeiten im Sinne der Uebersch\u00e4tzung. Ebenso ist in Tab. II f\u00fcr Hlr. bei 5,0 s, f\u00fcr Gle. bei 5,5 s der bestimmte Umschlag des Urtheils da. Herr Gle. zeigt sich vielleicht auch darin als auditiv veranlagter Beobachter, dass er die Lichtzeiten dauernd ungemein schwierig zu beurtheilen findet, charakteristisch ist f\u00fcr ihn die Vergr\u00f6\u00dferung der Grenzwerthe nach beiden Seiten. In Tabelle III, bei Ausf\u00fcllung mit drei Funken, zeigt sich derselbe allgemeine Gang der Erscheinung. Ein Vergleich aller Tabellen I\u2014V ergibt, dass auch f\u00fcr Ausf\u00fcllung mit Lichtreizen wieder nicht allgemein gesagt werden kann, dass das Quantum der Uebersch\u00e4tzung mit der Funkenzahl zunimmt, wohl aber schiebt sich, genau wie bei den Schallversuchen, die Indifferenzzone um so weiter hinaus, tritt die Uebersch\u00e4tzung der leeren Zeit bei um so gr\u00f6\u00dferen Zeiten ein, je gr\u00f6\u00dfer die Zahl der ausf\u00fcllenden Reize ist. Zu vergleichen sind in dieser Hinsicht 1) die Urtheile von Gle. und Hlr. in Tabelle II und III. Hat die erste Zeit drei Lichtreize, so ist f\u00fcr Hlr. schon bei 3,8 s, f\u00fcr Gle. bei 4,5 der Umschlag des Urtheils da, w\u00e4hrend Ausf\u00fcllung mit f\u00fcnf Lichtreizen (im Ganzen) f\u00fcr Hlr. erst bei 5,0 s, f\u00fcr Gle. bei 5,5 s den entschiedenen Umschlag des Urtheils herbeif\u00fchrt. Noch auffallender wird 2) der Unterschied bei Beobachter Hpf. Bei Ausf\u00fcllung mit 3 Lichtreizen tritt bei 2,5 s, dagegen bei Ausf\u00fcllung mit 12 Funken noch nicht bei 5,0 der Umschlag ein.\nDarin d\u00fcrfte also eine allgemeine, von der speciellen Natur der Sinnesreize unabh\u00e4ngige Erscheinung gesehen werden.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nErnst Meumann.\nJe differenzirter und zahlreicher die Erlebnisse w\u00e4hrend eines Zeitraumes sind, desto mehr sind wir geneigt, ihn zu \u00fcbersch\u00e4tzen, und das muss so lange hervortreten, wie der Ma\u00dfstab, der uns in der \u00bbleeren\u00ab Zeit gegeben ist, nicht seinerseits dazu tendirt \u00fcbersch\u00e4tzt zu werden. Ohne in eine n\u00e4here theoretische Verwerthung dieser Thatsache einzutreten, deute ich doch hier schon an, dass damit die vor einigen Jahren von mir gemachte Voraussage, dass die \u00bbleeren\u00ab Zeiten je nach ihrer absoluten Gr\u00f6\u00dfe einen total verschiedenen Zeitwerth repr\u00e4sentiren, sehr wahrscheinlich gemacht ist.\nIn Tabelle V theile ich endlich als Stichprobe einen Versuch an Gle. mit, bei welchem die ausf\u00fcllenden Lichtreize in zweiter Zeitlage angebracht werden. Der Gang des Urtheils ist wiederum (wenn die zweite Zeit mit 3 Lichtreizen hergestellt wird) derselbe, wie bei dem entsprechenden Schallversuch, er entspricht ferner dem Lichtversuch mit 3 Reizen in erster Zeitlage. Beidemale ist bei 4,5 s der Urtheilsumschlag vorhanden, nur ist er entschiedener, wenn die reizerf\u00fcllte Zeit vorangeht.\nIch durfte nach dem Ausfall der Versuche mit Lichtreizen schon als sicher annehmen, dass Tastzeiten mit differenter Ausf\u00fcllung ein gleiches Resultat ergeben w\u00fcrden, wie die bisherigen Versuche mit Ausf\u00fcllung durch Schall- und Lichtreize.\nDoch f\u00fchrte ich an 2 Versuchspersonen noch Versuche mit elektrischen Hautreizen aus, bei denen eine aus drei Tasteindr\u00fccken hergestellte erste Zeit mit einer blo\u00df reizbegrenzten leeren Tastzeit verglichen wurde (Tab. VI a u. b).\nDass ich gerade drei Tastreize zur Herstellung der ausgef\u00fcllten Zeit w\u00e4hlte, hat darin seinen Grund, dass rasch aufeinanderfolgende Inductionsschl\u00e4ge, in gr\u00f6\u00dferer Zahl auch bei gro\u00dfer Abschw\u00e4chung sich leicht zu einem Schmerzeffect summiren. Die Technik der Versuche war sehr einfach. Der Zeitsinnapparat ist auch hierbei in den prim\u00e4ren Stromkreis des Inductoriums eingeschaltet. Die Ableitung von der secund\u00e4ren Rolle geht auf die Klemmen eines kleinen, eigens f\u00fcr solche Tastreizungen hergestellten Reizapparates. Dieser besteht aus einer schwach gebogenen Hartgummiplatte, die auf dem Handr\u00fccken der linken Hand des Beobachters aufliegt und mit breiten Binden angelegt wird. Die Binden gehen \u00fcber eine dicke Tuchmanschette, damit der Beobachter nicht unter dem Druck","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n203\nder Binden den Puls f\u00fchlt. Von den Klemmen der Hartgummiplatte treten zwei halbkreisf\u00f6rmig gebogene starke Messingdr\u00e4hte nach vorn, die in kleine Kugeln auslaufen. Diese werden auf dem Handr\u00fccken etwa zwischen der Sehne des zweiten und dritten Fingers aufgedr\u00fcckt. Sie liegen aber nicht unmittelbar auf der Haut, sondern sind von dieser durch starke Schichten feuchten Papiers getrennt. Die Hand des Beobachters ist auf einem schr\u00e4gen Brett gelagert, so dass er durch die st\u00e4rkere oder schw\u00e4chere Beugung des Handgelenks bzw. durch Ann\u00e4herung der auf dem Brett aufliegenden Fingerspitzen an die Hohlhand die Kugeln mehr oder weniger andr\u00fccken kann; damit regulirt er in etwas die Beizst\u00e4rke f\u00fcr den Fall, dass das Papier im Laufe des Versuchs trocknet und die Reize schw\u00e4cher werden. Es wurde nie eine so bedeutende Abschw\u00e4chung der Reize beobachtet, dass sie sich nicht durch etwas st\u00e4rkeres Heben der Hand ausgleichen lie\u00df. Die Lage der Hand war durchaus bequem. Vor Beginn jedes Versuchs stufte ich zuerst durch Einlegen oder Wegziehen von Papierschichten die Schl\u00e4ge des Inductoriums so ah, dass sie ganz schmerzlos als einfache \u00bbBer\u00fchrungen\u00ab empfunden wurden. Vor allem darf die Versuchsperson keine sp\u00fcrbaren Muskelzuckungen bemerken. Auch bei diesen Tastversuchen erh\u00e4lt man durch Anwendung einer relativ hohen Spannung und richtigen Abschw\u00e4chung der Schl\u00e4ge durch Papierschichten eine sehr gleichm\u00e4\u00dfige St\u00e4rke der Reizung.\nDie beiden Beobachter Hcks. und Rky. hatten fr\u00fcher schon Normalversuche \u00fcber Zeitvergleichungen bei Tastreizen mitgemacht. Sie waren also an die Art der Reizung gew\u00f6hnt. Beobachter, die dauernd \u00e4ngstlich gegen\u00fcber elektrischen Reizen bleiben, darf man nat\u00fcrlich nicht verwenden.\nDie Versuchsreihe an Hcks. zeigt, ebenso wie die an Rky., dass der allgemeine Gang der Zeitvergleichung bei differenter Ausf\u00fcllung mit Tastreizen der gleiche ist, wie derjenige bei differenter Ausf\u00fcllung injinderen Sinnesgebieten. Bei kleinsten Zeiten erscheint die reizerf\u00fcllte Zeitstrecke sehr viel gr\u00f6\u00dfer als die \u00bbleere\u00ab (bei Hcks. wiederum mit individuell betr\u00e4chtlich st\u00e4rkerer Uebersch\u00e4tzung der ausgef\u00fcllten Zeit, wie bei Rky.).\nBei 0,5 s ist f\u00fcr Hcks. der vollst\u00e4ndige Umschlag des Urtheils vorhanden; bei Rky. ist, entsprechend der allgemein geringeren","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nErnst Meumann.\nEinwirkung der Ausf\u00fcllungen f\u00fcr diesen Beobachter schon bei 2,0 der Umschlag deutlich. An Rky. pr\u00fcfte ich (letzte Horizontalreihe der Tab. VI b) auch die Ausf\u00fcllung mit drei Tastreizen in zweiter Zeitlage hei 2,0 s. Auch da ist die Umkehrung des con-stanten Fehlers sichtbar; die reizbegrenzte Zeit erscheint jetzt, wenn sie vorausgeht, noch betr\u00e4chtlich gr\u00f6\u00dfer wie bei entgegengesetzter Zeitlage.\nDie Zeitausf\u00fcllung mit Tastreizen zeigt also dieselben Erscheinungen in dem Einfluss differenter Zeitausf\u00fcllungen auf das Urtheil, wie die Ausf\u00fcllung von Zeitstrecken mit Empfindungen der \u00fcbrigen Sinnesgebiete. Dieser charakteristische Gang des Urtheils muss demnach als eine allgemeine von der besonderen Natur des Sinnesgebietes \u2014 in seiner typischen Form \u2014 unabh\u00e4ngige Eigent\u00fcmlichkeit der Zeitvergleichung aufgefasst werden. Wie weit aber die einzelnen Sinnesgebiete etwa Besonderheiten zeigen, das konnte wegen des Wechsels der absoluten Gr\u00f6\u00dfe der verglichenen Zeitintervalle, wegen der gro\u00dfen oft wochenlangen Zwischenr\u00e4ume zwischen der Ausf\u00fchrung der daf\u00fcr in Vergleich zu bringenden Versuchsgruppen mit diesen bisherigen Experimenten nicht entschieden werden. Eine folgende Versuchsgruppe wird daher diese Frage speciell in Angriff nehmen.\nVorher theile ich noch die Ergebnisse von einigen Versuchen mit continuirlicher Zeitausf\u00fcllung mit.\nVierte Versuchsgruppe.\nDie Abh\u00e4ngigkeit der Zeitvergleichung von der Ausf\u00fcllung der Zeitstrecken mit continuirlichen Eindr\u00fccken.\nAlle in den bisher mitgetheilten Versuchen zur Ausf\u00fcllung der Zeiten verwendeten Sinneseindr\u00fccke hatten den Charakter von dis-continuirlich\u00e7n, in kleinen Zeitr\u00e4umen aufeinanderfolgenden Einzelempfindungen, die sich nur hei den kleinsten Zeiten und gr\u00f6\u00dferer Zahl der Eindr\u00fccke einer continuirlichen Ausf\u00fcllung der zwischen den Grenzreizen liegenden Intervalle n\u00e4hern. Indem ich wieder von der blo\u00dfen Weiterentwickelung der experimentellen Bedingungen aus fortschreite, fragt sich zun\u00e4chst,' wie wirken relativ continuirliche und ganz continuirliche Zeitausf\u00fcllungen, wenn sie mit dem bis-","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\t20 5\nherigen st\u00e4ndigen Ma\u00dfstab, dem Grenzfall leerer, reizbegrenzter Zeiten in Vergleich gebracht werden?\nDie Frage ist um so wichtiger, als die \u00bbleeren\u00ab Zeiten ebenfalls als relativ homogen und continuirlich ausgef\u00fcllt angesehen werden m\u00fcssen, entsprechend etwa dem Charakter der Tonzeiten.\nWas bei der Concentration auf reizbegrenzte \u00bbleere\u00ab Zeiten etwa noch an Bewusstseinsinhalt \u00fcbrig bleibt, das sind Druckempfindungen der Haut, ausgehend von den K\u00f6rpertheilen, an denen wir unsere St\u00fctzpunkte haben, und vom Druck der Kleider, von der Reibung der Kleider w\u00e4hrend des Athmens; schwache Ger\u00e4usche unserer Umgebung, Organ- und Gemeinempfindungen h\u00f6chst unbestimmter und diffuser Natur von unbestimmter Localisation und solche Hautempfindungen, die sich an die Ver\u00e4nderungen der Spannung der Haut des Brustkorbes kn\u00fcpfen, welche das Athmen periodisch mit sich bringt; endlich Spannungsempfindungen, welche jede nat\u00fcrliche Anspannung der Aufmerksamkeit begleiten, sofern wir uns nicht k\u00fcnstlich in v\u00f6llige muscul\u00e4re Ruhe versetzen.\nAlle diese Empfindungscomplexe zeigen keine abrupten Ver\u00e4nderungen, wie rasch succedirende Schall- oder Lichtreize, sie alle verlaufen langsam, bleiben l\u00e4ngere Zeit hindurch relativ homogen und k\u00f6nnten danach als Zeitausf\u00fcllungen von homogenem, con-tinuirlichem Charakter angesehen werden. Muss man also nicht erwarten, dass Tonzeiten ihnen sehr \u00e4hnlich erscheinen werden und viel leichter mit ihnen zu vergleichen sind, wie Zeitausf\u00fcllungen mit discontinuirlichen Schall-, Licht- und Tastempfindungen? Gewiss werden Tonzeiten in ihrem subjectiven Zeitcharakter, ihrem scheinbaren Zeitverlauf und ihrer scheinbaren Zeitl\u00e4nge den Organ-und Spannungsempfindungszeiten n\u00e4her stehen, aber sie m\u00fcssen sich f\u00fcr unsere Zeitwahrnehmung doch immerhin von diesen nat\u00fcrlich ausgef\u00fcllten Zeiten sehr unterscheiden. Erstens dominirt bei Tonzeiten der Ton im Bewusstsein, bei den reizbegrenzten \u00bbleeren\u00ab Zeiten tritt der Empfindungs- und Gef\u00fchlsinhalt derselben so sehr f\u00fcr die Aufmerksamkeit zur\u00fcck, dass wir ihn nur mit einiger M\u00fche feststellen und immer nur mit einer ann\u00e4hernden Genauigkeit und Vollst\u00e4ndigkeit beschreiben k\u00f6nnen. Sodann ist der gr\u00f6\u00dfte Theil der w\u00e4hrend der \u00bbleeren\u00ab Zeiten noch restirenden Empfindungs-","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nErnst Menmann.\ninhalte best\u00e4ndig vorhanden, er setzt nicht mit der willk\u00fcrlich im Experiment abgegrenzten Zeitstrecke ein, wohl aber der Ton.\nIn diesen immer vorhandener! Empfindungsinhalt tritt vielmehr die experimentelle abgegrenzte Zeitstrecke beliebig hinein, was ganz besonders vom Athemempfindungscomplex gilt. Die durch unser Athmen vermittelten Empfindungen m\u00fcssten,, wenn sie etwas mit der Zeitsch\u00e4tzung zu thun h\u00e4tten, nothwendig so lange geradezu st\u00f6rend und verwirrend wirken, als nicht die experimentell abgegrenzten Zeiten zuf\u00e4llig mit den sich entsprechenden Athemphasen zusammenfielen. Davon bemerkt man aber im Experiment nicht das Geringste! (Vgl. meine Ausf\u00fchrungen \u00fcber die Beziehungen des Athems zur Zeitsch\u00e4tzung S. 181 f. dieser Abhdlg.).\nDer einzige Bestandtheil, der in diesem best\u00e4ndig vorhandenen Empfindungscomplex etwa mit der experimentell abgegrenzten Zeitstrecke einsetzt und aufh\u00f6rt, w\u00e4re derjenige Bestandtheil unserer Spannungsempfindungen, der mit dem speciellen Achten auf die ahgegrenzte Zeitstrecke eintritt und aufh\u00f6rt, und auch dieser kann durch absichtlich passives Verhalten auf ein Minimum reducirt, wo nicht ganz aufgehoben werden, und gerade bei solchem Verhalten scheint nach meinen Erfahrungen die Zeitsch\u00e4tzung am genauesten zu sein.\nEs hat also aller Wahrscheinlichkeit nach der psychophysische Mechanismus der Zeitsch\u00e4tzung lediglich in gewissen allgemeinen Eigenschaften des Bewusstseins (als welche ich z. B. die Thatsachen der \u00bbEinstellung\u00ab betrachte, ohne diese f\u00fcr die allein zur Erkl\u00e4rung zureichenden zu halten) seinen letzten Erkl\u00e4rungsgrund, und man schiebt das Problem nur hinaus, wenn man gewissen Empfindungsgebieten, wie den Spannungsempfindungen, einfach die mystische F\u00e4higkeit zudictirt, die Zeitsch\u00e4tzung vermitteln zu k\u00f6nnen.\nKurz, es muss nothwendig f\u00fcr das Bewusstsein eine ganz andere Art der psychischen Repr\u00e4sentation einer Zeitstrecke vorhanden sein, wenn die abgesch\u00e4tzte Zeitstrecke mit dem Eintreten, dem Verlauf und dem Schlussmoment einer Tonempfindung gegeben ist, wie wenn nur Anfangs- und Schlussmoment einer \u00bbleeren\u00ab Zeit durch zwei kurzdauernde Empfindungen. markirt werden. Darum ist von vornherein zu erwarten, dass auch die Tonzeiten eine andere Beurtheilung erfahren wie objectiv gleichlange, reizhegrenzte Zeiten.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n207\nIch suchte nun zun\u00e4chst eine Art von Uehergang zwischen discontinuirlichen und continuirlichen Zeitausf\u00fcllungen einzuf\u00fchren. Ein Empfindungsverlauf, der etwa dem entspricht, ist z. B. das schnurrende Ger\u00e4usch des Wagner\u2019schen Hammers eines kleinen Inductoriums. Wenn der intermittirende Strom eines solchen Hammers auf ein Telephon geleitet wird, so bringt er Schwingungen der Telephonplatte hervor, die ihrem Schallcharakter nach etwa in der Mitte zwischen Ton und Ger\u00e4usch stehen und in denen man noch deutlich die Intermissionen h\u00f6rt, so lange die Hammerschwingungen nicht zu schnell werden. Bei dem von mir verwendeten Hammer war die Zahl der Stromunterbrechungen immer etwa 80 in der Secunde. An den Hauptstrom des Hammers wurde eine Nehenschlie\u00dfung angeschaltet, die zu einem im Beohachter-zimmer aufgestellten Telephon ging. Die Nebenschlie\u00dfung wurde durch die 'Sterncontacte geschlossen, das tonartige Ger\u00e4usch des Telephons also f\u00fcr den ganzen Vorbeigang des Zeigers von dem einen Drehcontact bis zum n\u00e4chsten im Beobachterzimmer h\u00f6rbar. Der Wagner\u2019sche Hammer stand im Zimmer des Experimentators. Die reizbegrenzte leere Zeit wurde durch zwei kurze Telephonknalle begrenzt. Diese schienen mir anfangs als Grenzreize geboten, damit die Grenzreize von dem Charakter der ausf\u00fcllenden Empfindungen nicht zu verschieden waren. Sp\u00e4ter \u00fcberzeugte ich mich, dass, so lange man innerhalb desselben Sinnesgebietes bleibt, die Qualit\u00e4t der begrenzenden Empfindungen nicht sehr wichtig ist, wenn nur kein Wechsel derselben ein tritt. Die reizerf\u00fcllte Zeit wird also in den n\u00e4chsten Versuchen durch das Tonger\u00e4usch des vom Wagnersehen Hammer angeregten Telephons gebildet, die \u00bbleere\u00ab wird von zwei kurzen Telephonknallen begrenzt. Diese Telephonknalle wurden mittels der Federcontacte hergestellt. Es ist bei schneller Rotation des Apparates leicht, den Contact derselben so kurz zu machen, dass der Doppelschlag des Telephons als ein Eindruck geh\u00f6rt wird. Bei den langsamsten Umdrehungen gelang mir dies nicht nach Wunsch, da diese jedoch f\u00fcr die gro\u00dfen Zeiten in Betracht kommen, bei denen die Unterscheidungsfeinheit schon beim Normalversuch eine sehr herabgesetzte ist, so lie\u00df ich diesen Fehler bestehen. Als \u00bbFehlerquelle\u00ab k\u00f6nnte dies bei Versuchen \u00fcber die UE sehr wohl, bei den gegenw\u00e4rtigen Versuchen \u00fcberhaupt nicht in Betracht kommen.\nWundt, Philos. Studien. XII.\n14","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nErnst Meumann.\nDie beiden verwendeten Telephone wurden nach einigen Vorversuchen mit etwas anderer Anordnung so angebracht, dass das Telephon, in dem das sehr laute Schnurren des Wagner\u2019schen Hammers \u00fcbertragen wurde, etwas entfernt vom Ohre des Beobachters auf einem Stativ befestigt war. Es wurde, um den Schall noch etwas zu d\u00e4mpfen, in ein Tuch eingeschlagen. Das zweite Telephon stand auf einem Stativ in 20 cm Entfernung vom Ohre der Versuchsperson. Die Entfernung des Kopfes wurde durch einen Index, der vom Stativ ausging, geregelt, doch \u00fcberzeugte ich mich, dass die Telephonger\u00e4usche in ihrer Intensit\u00e4t nicht viel variiren, so lange man dem Schalltrichter des Telephons nur nicht n\u00e4her kommt. Als Versuchsperson diente bei diesen Versuchen Herr Jdd. Er hatte im vorausgehenden Semester einige tausend Versuche \u00fcber die UE f\u00fcr Zeitstrecken bei Normalversuchen mitgemacht. Bei den folgenden Versuchen geht wiederum zun\u00e4chst die reizerf\u00fcllte Zeit voraus.\nTabelle A.\nt Ger\u00e4usch des Wagner\u2019schen Hammers, constant, tl zwei Telephonger\u00e4usche, ver\u00e4ndert.\nBeob. Jdd.\nNZ\ta Kl\ta Or\tr Kl\tr Gr\tSGI\tOGI\n0,2\tbei t = U\t+ 0,33\t\u2014\t1,66\t0,734\t10<\n0,3\t+ 0,005\t+ 0,338\t\t1,12\t0,88\t10 <\n0,5\t+ 0,061\t+ 0,211\t\t0,43\t0,255\t10 <\n0,8\t+ 0,11!\t+ 0,55\t\u2014\t0,6\t0,45\t9<1<\n2,0\tbei< =\t+ 1,0\t\u2014\t0,5\t0,31\t7<3<\n4,0\t\u2014 0,44\t+ 1,55\t0,11\t0,38\t0,1\t8 < 2 =\n6,0\t\u2014 1,38\t+ 1,0\t0,231\t0,16\t0,046\t2<4=4>\n10,0\t\u2014 1,66\t+ 1,66\t0,16\t0,16\tt III h\t6<5=4>","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n209\nEin Blick auf die Tabelle zeigt einen \u00e4u\u00dferst charakteristischen Gang des Urtheils. Die mit dem ann\u00e4hernd continuirlichen Ger\u00e4usch des auf das Telephon \u00fcbertragenen Schnurrens des Wagner\u2019schen Hammers erf\u00fcllten Zeiten werden sehr betr\u00e4chtlich \u00fcbersch\u00e4tzt. Die reizbegrenzten leeren Zeiten erscheinen weit kleiner als die ausgef\u00fcllten. Die scheinbare Vergr\u00f6\u00dferung der reizerf\u00fcllten Zeiten ist eine so eminente, dass mehrfach das Urtheil kleiner noch bei betr\u00e4chtlicher Vergr\u00f6\u00dferung der VZ sich constant erh\u00e4lt (so bei 0,3, 0,5 und 0,8 s), und dass bei 0,2 und bei 2,0 s die reizbegrenzte Zeit constant als kleiner beurtheilt wird, wenn sie der reizerf\u00fcllten objectiv gleich ist. Dabei ist weiter f\u00fcr diesen Fall (oder diesen Beobachter?) eigenth\u00fcmlich, dass die Uebersch\u00e4tzung sich sehr lange, bis zu sehr gro\u00dfen Zeiten fast unvermindert erh\u00e4lt. Noch bei 4,0 s ist sie deutlich vorhanden, erst bei 6 s erfolgt auch hier dar Umschlag des Urtheils; die reizbegrenzte leere Zeit erscheint jetzt gr\u00f6\u00dfer, und bei 10 s verliert sich, wie es scheint, die Wirkung der Ausf\u00fcllung \u00fcberhaupt. Andeutungen dieser Erscheinung habe ich auch f\u00fcr discontinuirliche Ausf\u00fcllung wiederholt gefunden. Die Berechnung eines Uebersch\u00e4tzungs-quotienten aus der Lage der scheinbaren Gleichheit ist hier m\u00f6glich, weil der Beobachter wiederum mehr Gleichheitsurtheile abgibt, wie die meisten \u00fcbrigen. Sowohl dieser Werth (f\u00fcnfte Verticalreihe) wie die Beurtheilung des objectiven Gleichheitsfalles (sechste Reihe) gibt den charakteristischen Gang des Urtheils wieder.\nAuch der unregelm\u00e4\u00dfige Gang der T\u00e4uschung ist hier scheinbar vorhanden; nimmt man jedoch 0,5 aus der Reihe weg, so ist eine ganz gleichm\u00e4\u00dfige Abnahme der Uebersch\u00e4tzung bis zum Umschlag des Urtheils vorhanden. Es fallen hier ehen jene zahlreichen interferirenden Factoren, die bei discontinuirlichen Schallund Lichtreizen st\u00f6rend wirkten, weg.\nVon besonderem Interesse sind nun gerade bei diesen Versuchen die Zeitvergleichungen bei der zweiten Zeitlage der reizerf\u00fcllten Zeit. Denn die continuirliche Ausf\u00fcllung gestattet hier eine Ver\u00e4nderung der zweiten, ausgef\u00fcllten Zeit, ohne dass man dabei einen vollst\u00e4ndig neuen Thatbestand einzuf\u00fchren gezwungen w\u00e4re, wie das bei dis-\n14*","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nErnst Meumami.\ncontinuirlicher Ausf\u00fcllung der Fall ist (vgl. S. 171 f. d. Abhandl.)i). Wenn man also in den fr\u00fcheren Versuchen mit Ausf\u00fcllung der zweiten Zeit den verschiedenen Ausfall der T\u00e4uschung im Vergleich mit den Ergebnissen bei vorausgehender Ausf\u00fcllung vielleicht darauf zur\u00fcckf\u00fchren konnte, dass hier eben die erste Zeit zur variabeln gemacht wurde, so ist das bei den jetzigen Versuchen nicht mehr m\u00f6glich. Ein verschiedener Ausfall des Urtheils ist also nunmehr lediglich darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dass die reizerf\u00fcllte Zeit an zweiter Stelle kommt. Tabelle B gibt das Resultat der Versuche an, bei denen die reizbegrenzte Zeit vorausgeht, die mit dem Ger\u00e4usch des Wagner\u2019schen Hammers erf\u00fcllte Zeit nachfolgt, ver\u00e4ndert und beurtheilt wird.\nTabelle B.\nt zwei Telephonger\u00e4usche, constant; t{ Ger\u00e4usch des Wagner\u2019schen Hammers, ver\u00e4ndert.\nBeob. Jdd.\nNZ\ta Kl\ta Gr\trKl\tr Gr\tSGI\tOGI\n0,2\t\u2014 0,027\t+ 0,05\t0,138\t0,276\t?\t8< 2 =\n0,3\t\u2014 0,027\t+ 0,066\t0,092\t0,22\t0,370\t2 < 5 = 8<\n0,5\t\u2014 0,11\t+ 0,083\t0,22\t0,166\t?\t3 > 1 = 2 > 1 < 3>?\n0,8\t\u2014 0,11\t+ 0,083\t0,139\t0,104\t?\t5>3<? 4 \u2014 2 == ? 1 <\n2,0\t\u2014 0,22\t+ 0,55\t0,11\t0,277\t?\t1 < 3 < 1 < ? 3 = 1 > 1 > ?\n6,0\t\u2014 0,55\t+ 2,94\t0,002\t0,463\t?\t2 < 7 < 1 =\n10,0\t-1,11\t+ 4,44\t0,11\t0,44\t0,14\t8 < 6 = 6>\n1) Einen neuen Thatbestand, eine andere Art der Ausf\u00fcllung der ganzen Zeitstrecke f\u00fchrt man ein, wenn man bei Zeitausf\u00fcllung mit discontinuirlichen Beizen das Tempo oder die Anzahl der Beize ver\u00e4ndert, um die zweite Zeit verl\u00e4ngern zu k\u00f6nnen. Dies ist wohl zu unterscheiden von meiner weiteren Behauptung, dass es f\u00fcr das Bewusstsein nicht dasselbe ist, ob von zwei different ausgef\u00fcllten Zeiten die eine oder andere ver\u00e4ndert wird.","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n211\nAls allgemeines Ergebniss scheint die Tabelle einen etwas complicirteren Gang der T\u00e4uschung zu zeigen. Sehen wir aber zuerst einmal ab von dem Ausfall der Vergleichung bei 0,2 und 0,3, den beiden kleinsten, an Gr\u00f6\u00dfe sehr wenig verschiedenen Zeiten, so ist (von 0,5 s an) derselbe allgemeine Gang des Urtheils da wie fr\u00fcher. Bei kleinen und mittleren Zeiten (0,5 und 0,8) erscheint die reizerf\u00fcllte Zeit, auch wenn sie nachfolgt, gr\u00f6\u00dfer wie die vorausgehende reizbegrenzte; bei 2,0 s ist schon entschiedener Umschlag des Urtheils da; die reizerf\u00fcllte zweite Zeit erscheint zu klein und diese Beurtheilung bleibt bis 10 s, wo der obere Grenzwerth viermal so gro\u00df ist, wie der untere.\nAber abgesehen von dieser Uebereinstimmung in den allgemeinsten Verh\u00e4ltnissen unterscheidet sich der Ausfall der\no\nUrtheile in fast allen anderen, sonst f\u00fcr den Gang der T\u00e4uschung in Betracht kommenden Punkten. Zuerst ist bei den kleinsten Zeiten 0,3 und 0,2 ein entschiedener zweiter Umschlag des Urtheils vorhanden: die ann\u00e4hernd continuirlich ausgef\u00fcllte Zeit erscheint wiederum kleiner wie die reizbegrenzte, leere. Es ist sehr auffallend, schon bei blo\u00df gelegentlicher Beobachtung, wie ausgepr\u00e4gt diese T\u00e4uschung hervortritt. Sie hat darin ihre Ursache, dass continuirliche Eindr\u00fccke, wie namentlich T\u00f6ne, wenn sie sehr kurz dauern, bald \u00fcberhaupt den Charakter des dauernden verlieren und sto\u00dfartig und momentan erscheinen. Verkleinert man also z. B. eine Tonzeit von 0,2 s, so n\u00e4hern sich diese verk\u00fcrzten Zeiten schnell dem Eindruck des Momentanen an, sie werden f\u00fcr zu kurz gehalten, wogegen die Vergr\u00f6\u00dferung jetzt sehr ins Gewicht f\u00e4llt, als diejenige Ver\u00e4nderung, welche der Tendenz des Urtheils, das auf die Sch\u00e4tzung einer Dauer gerichtet ist, entgegenkommt. Dahingegen beh\u00e4lt die Succession der kurzen Grenzreize der reizbegrenzten leeren Zeit bis zu weit gr\u00f6\u00dferen Verkleinerungen noch den Intervallcharakter, dem gegen\u00fcber nun der sto\u00dfartige Ton k\u00fcrzer erscheint.\nWeiter ist ein auffallender Unterschied von der Wirkung der gleichen Reizerf\u00fcllung bei erster Zeitlage, dass das Ma\u00df der T\u00e4uschung, insbesondere das Quantum der Ueber-sch\u00e4tzung durchweg ein viel geringeres ist, wenn die continuirlich erf\u00fcllte Zeit nachfolgt.","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nErnst Meumann.\nGanz dem entsprechend ist die Uebersch\u00e4tzung nur bei einer kleinen Zone von Intervallen vorhanden, sie d\u00fcrfte bis etwas \u00fcber 1 s hinausreichen. Addirte man also \u2014 nach M\u00fcnsterberg \u2014 z. B. die Zahlenwerthe von 0,8 bei erster und zweiter Zeitlage, so w\u00fcrde man zwei genau entgegengesetzt gerichtete constante Fehlsch\u00e4tzungen zusammenwerfen, damit also dann \u2014 nach M\u00fcnsterberg \u2014 die Abh\u00e4ngigkeit des Zeiturtheils von der Zeitausf\u00fcllung \u00bbim allgemeinen\u00ab erhalten.\nKann es noch deutlicher gezeigt werden, als durch diese Versuche, dass die Anbringung einer k\u00fcnstlichen Ausf\u00fcllung hei der ersten und der zweiten von zwei verglichenen Zeitstrecken zwei psychologisch verschiedene Thatsachen sind?\nNunmehr bot sich eine vollkommen continuirliche Ausf\u00fcllung der einen von beiden Zeiten als der einzige Fall dar, der f\u00fcr die Herstellung different ausgef\u00fcllter Zeiten mit Variation der ausf\u00fcllenden Empfindungen \u00fcbrig blieb. Ich erreichte dies ann\u00e4hernd durch Ausf\u00fcllung der einen der verglichenen Zeitstrecken mit dem Ton einer Stimmgabel von 150 Schwingungen, der wiederum dem Telephon im Beobachterzimmer zugeleitet wurde. Nur ann\u00e4hernd repr\u00e4sentirt meine Versuchsanordnung den gew\u00fcnschten Fall, weil ich den Stimmgabelton so \u00fcbertrug, dass das Telephon wiederum einfach an eine Nebenschlie\u00dfung der permanent t\u00f6nenden Stimmgabel angeschaltet wurde. Dabei kann kein reiner Ton entstehen, weil der Stimmgabelton der Telephonplatte zwar beim Schluss des intermittirenden Stromes im Tempo ihrer Schwingungszahl Anst\u00f6\u00dfe (Anziehungen) ertheilt, aber die Platte schwingt 1) nach jeder Anziehung frei zur\u00fcck, und sie ist 2) zwischen den Ringen des Telephontrichters nicht gleichm\u00e4\u00dfig genug befestigt, so dass sie auf die periodischen Anst\u00f6\u00dfe der Stimmgabel mit einer wahrscheinlich weit complicirteren Schwingungsform antwortet, die ihrem Ton einen gewissen n\u00e4selnden Ger\u00e4uschcharakter gibt, und ihn nicht ganz so homogen erscheinen l\u00e4sst, wie den reinen Stinjmgabelton. Die Nebenschlie\u00dfung wurde wiederum durch die Sterncontacte nur f\u00fcr die zu sch\u00e4tzende Zeitstrecke geschlossen. Die Stimmgabel stand im Zimmer des Experimentators.\nDie reizerf\u00fcllten Zeiten werden also jetzt mit dem Stimmgabelton hergestellt, die reizbegrenzten wiederum mit zwei kurzen Tele-","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseius.\n213\nphonger\u00e4uschen. Es gelang mir nicht, hinreichend kurze Tonst\u00f6\u00dfe zu erzeugen, ohne dass dieselben im Telephon Ger\u00e4uschcharakter annahmen, die Versuche beanspruchen also nur als Vergleichungen von Tonzeiten mit ger\u00e4uschbegrenzten leeren Zeiten aufgefasst zu werden. In Tabelle C a) ist, wiederum an dem Beobachter Jdd., das Ergebniss der Vergleichung bei erster Zeitlage des Tons, in Tabelle C b) hei zweiter Zeitlage desselben aufgef\u00fchrt.\nTabelle C.\nt (*,) Stimmgabelton; tx (t) zwei Telephonger\u00e4usche. Beob. Jdd.\nNZ\ta Kl\ta Gr\tr Kl\tr Gr\tSGI\tOGI\na) Stimmgabelton in erster Zeitlage, reizbegrenzte Zeit ver\u00e4ndert.\t\t\t\t\t\t\n0,3\t+ 0,027\t-h* 0,183\t\u2014\t0,462\t?\t7< 2 < 1 < ?\n0,5\tbei Z = Zi\t+ 0,22\t\u2014\t0,44\t?\t3 < 10 < 2 = ?\n1,2\tbei t =\t+ 0,55\t\u2014\t0,462\t?\t10 <\n5,0\t\u2014 0,277\t+ 1,77\t0,055\t0,355\t0,11\t6<3=1>\n10,0\t\u2014 0,55\t+ 2,22\t0,055\t0,22\t0,077\t7 < 1 < ? 1 = 1 =?\nb) Stimmgabelton in zweiter Zeitlage, Tonzeit ver\u00e4ndert.\t\t\t\t\t\t\n0,2\t\u2014 0,033\t+ 0,055\t0,166\t0,277\t?\t5 < 4 > 1 =\n0,3\t\u2014 0,083\t+ 0,055\t0,277\t0,185\t?\t7> 3 =\n0,5\t\u2014 0,138\t+ 0,055\t0,277\t0,11\t?\t7 > 2 = 1 <\n1,2\t\u2014 0,055\t+ 0,66\t0,046\t0,55\t?\t10<\n10,0\t-1,11\t+ 2,22\t0,11\t0,22\t0,05\t7<5 = 3>\nDie Tabelle C a) zeigt nicht ganz denselben Gang der Urtheile, den wir in allen bisherigen Versuchen bei differenter Zeitausf\u00fcllung","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nErnst Meiiirfann.\neintreten sahen: die vorangehende Tonzeit erscheint allerdings bei kleinen und mittleren Zeiten (von 0,3 bis 1,2 s) weitaus zu gro\u00df. Deshalb machte ich von 1,2 an einen gr\u00f6\u00dferen Schritt in der Wahl d\u00e9r n\u00e4chst gr\u00f6\u00dferen absoluten Zeit, und fand hei 5,0 s eine Abnahme der Uebersch\u00e4tzung. Aber noch bei 10,0 s bleibt dieselbe in sehr ausgepr\u00e4gter Weise bestehen, einen Umschlag des Urtheils kann ich hier also nicht constatiren. Der Beobachter wurde schon bei 10,0 s so unsicher in der Beurtheilung der Zeiten, dass ich von einer Pr\u00fcfung desselben Falls bei gr\u00f6\u00dferen Intervallen nichts zu holfen hatte. Worin diese Constanz der Uebersch\u00e4tzung der Tonzeiten ihre Ursache hatte, konnte ich nicht herausfinden. Ob hier eine specielle Eigenth\u00fcmlichkeit der Tonzeiten oder des urtheilenden Individuums vorliegt, habe ich bis jetzt nicht festgestellt.\nDie Vergleichung der Tonzeit und der \u00bbleeren\u00ab Ger\u00e4uschzeit stimmt dagegen wieder fast ganz zu dem Ergebniss der vorigen Ausf\u00fcllung mit dem Ger\u00e4usch des Wagner\u2019schen Hammers, wenn die Tonzeit nachfolgt. (Auch hier wird die Tonzeit selbst variirt und beurtheilt. Bei 0,2 s findet eine geringe Untersch\u00e4tzung der Tonzeit statt \u2014 das oben als \u00bbzweiter Umschlag\u00ab charakterisirte Resultat\u2014, bei 0,3 und 0,5 s Uebersch\u00e4tzung derselben. Sehr bald erfolgt der Umschlag des Urtheils, schon bei 1,2 s, worauf bei 10,0 s Uebersch\u00e4tzung der leeren, reizbegrenzten, Untersch\u00e4tzung der Tonzeit vorhanden ist. Auffallend ist der pl\u00f6tzliche, entschiedene Charakter des Umschlags der Beurtheilung zur Untersch\u00e4tzung der Tonzeit bei 1,2 s. Es geh\u00f6ren diese abrupten Schwankungen des Urtheils bei verschieden gro\u00dfen Zeiten, die auch die Versuchspersonen selbst bemerken, indem ihnen manchmal bei gleichm\u00e4\u00dfigem Aufsteigen in den Zeiten pl\u00f6tzlich eine absolute Intervallgr\u00f6\u00dfe besonders angenehm und leicht zu beurtheilen, eine, andere besonders schwierig erscheint, mit zu den allgemeinen Eigent\u00fcmlichkeiten unseres Zeiturtheils, die ihrer Erkl\u00e4rung noch harren. Ich werde in dem Schlussparagraphen dieser Abhandlung einige Andeutungen \u00fcber Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeiten f\u00fcr diese Thatsache geben1).\n1) Ich muss zu den vorigen Versuchen bemerken, dass ich bei ihnen die beiden Zeitlagen immer m\u00f6glichst kurz nach einander pr\u00fcfte. Anfangs habe ich einigemale die beiden Zeitlagen der Ausf\u00fcllung in einer und derselben Versuchsstunde eingestellt, doch verwarf ich diese Versuche, weil die Beobachter den","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n215\nF\u00fcnfte Versuch'sgruppe.\nDie Wirkungen verschiedener Arteh von differenter Zeitausf\u00fcllung auf das Zeiturtheil hei demselben Zeitintervall unter einander verglichen.\nBisher verfolgte ich den Einfluss, den eine nach M\u00f6glichkeit constant gehaltene Art differenter Zeitausf\u00fcllung hei verschieden gro\u00dfen Zeiten auf den Ausfall der Zeitvergleichung hat. Das wesentliche, unter allen Versuchsumst\u00e4nden wiederkehrende Resultat dieser Pr\u00fcfung war das, dass die Einf\u00fchrung k\u00fcnstlicher Zeitausf\u00fcllungen in einer der verglichenen Zeitstrecken ganz verschieden auf die scheinbare Gr\u00f6\u00dfe der Zeiten wirkt, je nachdem man sie hei der einen oder andern absoluten Zeitgr\u00f6\u00dfe anbringt. Die bisherigen Versuche gestatten aber noch nicht, die Einwirkung verschiedener Arten von Zeitausf\u00fcllung, die bei der gleichen absoluten Zeit angebracht werden, unter einander in ihrer Einwirkung auf die Beurtheilung der Zeitstrecken zu vergleichen. Vor allem sind die Quanta der Ueher- und Untersch\u00e4tzungen nach den bisherigen Versuchen unvergleichbar. Ich brauche wohl nicht n\u00e4her auszuf\u00fchren, aus welchen mancherlei Gr\u00fcnden sich Versuche, bei denen mir ganz andere Zwecke vorschwebten, nicht dazu verwenden lassen, nachtr\u00e4glich die Gr\u00f6\u00dfe der constanten Fehlsch\u00e4tzungen in Vergleich zu bringen. Einen solchen Vergleich der Wirkung verschiedener Zeitausf\u00fcllungen zu erm\u00f6glichen, ist der specielle Zweck der Versuchsgruppe dieses Abschnitt.\nIch konnte auf Grund der bisherigen Versuche nur diejenigen absoluten Zeitgr\u00f6\u00dfen herausgreifen, bei denen f\u00fcr bestimmte Versuchspersonen die Hauptgegens\u00e4tze in der Einwirkung differenter Zeitausf\u00fcllung auf die Zeitvergleichung hervortreten. Ich hatte einerseits die verschiedenen F\u00e4lle differenter Zeitausf\u00fcllung bei kleinsten Zeiten zu pr\u00fcfen, bei denen die Uehersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten, bezw. Untersch\u00e4tzung der reizhegrenzten Zeit gleichm\u00e4\u00dfig vorherrscht. Zweitens war eine gr\u00f6\u00dfte Zeit zu w\u00e4hlen, bei welcher der \u00bbUmschlag der Urtheils\u00ab zu Uehersch\u00e4tzung der reizbegrenzten \u00bbleeren\u00ab Zeit bestimmt hervortritt. Endlich musste eine\nUebergang zur andern Zeitlage der Ausf\u00fcllung als schwierig empfinden, und es zeigt sich das auch im Ausfall der Urtheile.","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nErnst Meumann.\nin der Indifferenzzone liegende Zeitstrecke ausgew\u00e4hlt werden, \u2014. eine Wahl die besonders schwierig zu treffen war, weil diese Zone individuell sehr verschieden zu liegen scheint, und nach dem Ergebniss der bisherigen Versuche^ immer nur f\u00fcr bestimmte Ausf\u00fcllungen wirklich Indifferenzzone ist. Es w\u00e4re das Ideal gewesen, alle Versuche an einer Versuchsperson auszuf\u00fchren oder wom\u00f6glich mehrere Versuchspersonen an allen diesen Versuchen Theil nehmen zu lassen. Aber das ist ein Ideal, das au\u00dfer aller M\u00f6glichkeit liegt f\u00fcr einen Experimentator, der gezwungen ist, seine Versuche \u00fcber Jahre zu vertheilen, und der demgem\u00e4\u00df darauf angewiesen ist, mit einem best\u00e4ndig wechselnden Beobachterpersonal zu arbeiten ! Doch f\u00fchrte ich wenigstens die Experimente f\u00fcr je eine der untersuchten absoluten Zeitgr\u00f6\u00dfen immer an einem Beobachter durch. Ich w\u00e4hlte als Zeiten 0,4 s (Beoh. Hcks.), 1,0 s (Beob. Rky.) und 8,0 s (Beob. Twn.); eine Parallelreihe f\u00fcr 1,0 s f\u00fchrte ich uoch an Herrn Gale aus, da dieser Herr wegen seines ausgebildeten rhythmischen Gef\u00fchls sich am besten zu einer speciellen Pr\u00fcfung rhythmischer Einfl\u00fcsse bei der Zeitsch\u00e4tzung eignete. Bei der kleinsten dieser Zeiten (0,4 s) pr\u00fcfte ich im Ganzen elf verschiedene Ausf\u00fcllungen, die s\u00e4mmtlich, mit Ausnahme der continuirlichen, nur in erster Zeitlage eingef\u00fchrt sind. Die continuirlichen Ausf\u00fcllungen habe ich bei beiden Zeitlagen untersucht. Wo also nichts anderes bemerkt ist, gilt in den Versuchen dieser Gruppe (Tabelle a\u2014d) immer, dass die angegebene Ausf\u00fcllung vorausgeht und eine \u00bbleere\u00ab mit zwei kurzen Beizen desselben Sinnesgebietes begrenzte Zeitstrecke nachfolgt.\nDie Auswahl der Ausf\u00fcllungen geschah auf Grund der voraufgegangenen Versuche nach folgendem Plan: Zuerst sollten zwei recht verschiedene Zahlen von Schalleindr\u00fccken eingef\u00fchrt werden, ich w\u00e4hlte zun\u00e4chst drei, sodann sechs Hammerschl\u00e4ge des Schallhammers. Da sich bei Schalleindr\u00fccken der Einfluss der subjectiven Bhythmisirung gezeigt hatte, so sollte demn\u00e4chst festgestellt werden, in welchem Sinne eine objective, aber sehr verschieden angeordnete rhythmische Zeitfolge der Schl\u00e4ge, sowie ein Rhythmus mit Be-tonungs- bzw. Intensit\u00e4tsunterschipden der Schalleindr\u00fccke wirksam sei. Sodann wurden Tast- und (Lichtreize eingef\u00fchrt. Bei diesen beiden h\u00e4tte sich schon eher der Einfluss der Zahl der ausf\u00fcllenden","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge \u00bbur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n217\nReize auf das Quantum der T\u00e4uschung pr\u00fcfen lassen, wie bei Schallreizen. Doch verbot sich eine gr\u00f6\u00dfere Zahl von Tastreizen leider bei 0,4, weil sie entweder schwach und dann undeutlich, oder deutlich genug, aber dann zu stark, d. h. schmerzhaft wurden. Sodann wurden die bisher verwendeten beiden Stufen continuirlicher Ausf\u00fcllung verwendet und diese in zwei Zeitlagen gepr\u00fcft.\nEs verlohnt sich die Reihenfolge anzugeben, in der die Versuche ausgef\u00fchrt wurden, damit man sieht, dass diese keinen Einfluss auf die Quanta der Sch\u00e4tzung \u00fcbt. Der Beobachter steht vor jeder neuen Ausf\u00fcllung wie vor einer v\u00f6llig neuen Erscheinung und hat sich erst an jede zu gew\u00f6hnen, eine allgemeine Fertigkeit im Ausf\u00fcllungssch\u00e4tzen wird er ja immerhin erwerben, nehmen wir an, die vier Herren h\u00e4tten sie bei diesen Versuchen schon besessen, da sie sp\u00e4ter als die fr\u00fcher mitgetheilten Ausf\u00fcllungsversuche stattfanden. Ich gebe die Reihenfolge zun\u00e4chst f\u00fcr Tabelle a an. Die Versuche 1\u20143 waren die ersten der Reihe, sodann folgten 7\u201410, darauf 5 und 6, endlich 4. Einzelne Reihen habe ich zur eigenen Beruhigung sp\u00e4ter noch einmal mit geringerer Versuchszahl durchgepr\u00fcft. Ich fand nie einen R\u00fcckgang der T\u00e4uschung.\nDie Tabelle zeigt, dass die s\u00e4mmtlichen verwendeten Zeitausf\u00fcllungen eine bedeutende Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit bewirken; die reizbegrenzte \u00bbleere\u00ab Zeit erscheint \u00fcberall betr\u00e4chtlich kleiner als die reizerf\u00fcllte. Wie aber verhalten sich die Quanta der Uebersch\u00e4tzung? Ein Vergleich zwischen Horizontalreihe 1 und 2 (Ausf\u00fcllung mit drei und sechs Hammerschl\u00e4gen im Ganzen) zeigt eine bedeutend st\u00e4rkere Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit bei der gr\u00f6\u00dferen Zahl erf\u00fcllender Schalleindr\u00fccke. Die relative Uebersch\u00e4tzung betr\u00e4gt bei Ausf\u00fcllung mit sechs Schalleindr\u00fccken 1,9 der NZ, sie ist die gr\u00f6\u00dfte dieser ganzen Versuchsreihe. Die dritte Horizontalreihe zeigt den Einfluss einer lediglich durch die Zeitordnung der Hammerschl\u00e4ge gewonnenen Rhythmisirung der sechs ausf\u00fcllenden Schalleindr\u00fccke, zu der der Beobachter eine subjective Betonung hinzubringt. Schematisch l\u00e4sst sich die Zeitfolge etwa wiedergeben durch\n,-----,\t_\t\\\t/\tA\n1 \u2014 2-345 6, es wurde subjectiv betont: 1 2 3 4 5 6. Ich nenne einen solchen Rhythmus kurz: Rhythmus mit beschleunigender Tendenz, die Zwischenr\u00e4ume der einzelnen Schl\u00e4ge waren: 0,22,","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nErnst Meumann.\nTabelle a.\nPr\u00fcfung der Wirkung verschiedener Ausf\u00fcllungen bei der gleichen absoluten Zeit, t \u2014 0,4.\nBeob. Hcks.\nArt der Ausf\u00fcllung der ersten Zeit (t)\ta Kl\ta Gr\trKl\tr Gr\tSGI\tOGI\n1) t drei Hammerschl\u00e4ge ti zwei\t\u00bb\tbei t=t\\\t+ 0,272\t\u2014\t0,694\t?\t14 < 1 =\n2) t sechs Hammerschl\u00e4ge <i zwei\t\u00bb\t4- 0,055\t+ 0,77\t\u2014\t1,94\t1,38\t15 <\n3) t sechs Schl\u00e4ge, rhythmisch t\\ zwei Hammerschl\u00e4ge\t+ 0,055\t+ 0,611\t\u2014\t1,527\t1,25\t15 <\n4) t drei elektrische Tastreize ti zwei\t\u00bb\t\u00bb\tbei\t+ 0,44\t\u2014\t1,11\t0,736\t10 < 4 < 1 =?\n5) t drei Lichtreize zwei\t\u00bb\t+ 0,055\t+ 0,38\t\u2014\t0,972\t?\t9< 1 <\n6) t sechs Lichtreize ti zwei\t\u00bb\t+ 0,055\t+ 0,55\t\u2014\t1,388\t?\t15 <\n7) t acht Lichtreize ti zwei\t\u00bb\t+ 0,055\t+ 0,44\t\u2014\t1,11\t?\t20 <\n8) t Ger\u00e4usch d. Wagn. Hamm. <1 zwei Telephonger\u00e4usche\t+ 0,055\t+ 0,38\t\u2014\t0,972\t?\t5 < 10 <\n9) Dasselbe in umgek. Zeitlage ti ver\u00e4ndert\t+ 0,25\tbeU=h\t0,625\t\u2014\t0,25\t10>5>\n10) t Stimmgabelton tt zwei Telephonger\u00e4usche\tbeD=f,\t+ 0,166\t\u2014\t0,416\t?\t0\t< 3 < 1\t=\n11) Dasselbe in umgek. Zeitlage Tonzeit ver\u00e4ndert\t\u2014 0,11\t+ 0,055\t0,27\t0,136\t?\t2 = ? 1 = 1 > ? 5 > 1 >\n0,08, 0,05, 0,05 s. Der Versuch ergibt, dass die Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit durch die Rhythmisirung abnimmt. Dass sie nicht mehr abnimmt (vergl. dagegen die entsprechenden Versuche an Gle. und Rky., Tabellen b und c) ist 1) durch die starke Schallsummation zu erkl\u00e4ren, die eine gut wahrnehmbare Nachdauer erzeugt (die Schallreize r\u00fccken gegen den Schluss des Intervalls ja zusammen) und 2) durch die sehr geringe Empf\u00e4nglichkeit der Versuchsperson f\u00fcr rhythmische Eindr\u00fccke. Immerhin sieht man schon hier, dass Rhythmisirung der Schalleindr\u00fccke der Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit entgegenarbeitet. Die 4. Reihe,","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n219\ndrei Tastreize als Ausf\u00fcllung der ersten Zeit, zeigt eine Ueber-sch\u00e4tzung der NZ, welche diejenige bei Schall- und Lichtreizen (in entsprechender Zahl) \u00fcbertrifft (0,69 f\u00fcr drei Hammerschl\u00e4ge, 1,1 f\u00fcr drei Tastreize, 0,9 f\u00fcr drei Lichtreize sind die Zahlen der relativen Uebersch\u00e4tzung dieser drei Arten von Eindr\u00fccken). Vergleicht man wiederum die Wirkung der drei und sechs Lichtreize (Reihe 5 und 6), so ergibt sich eine betr\u00e4chtlich st\u00e4rkere Uebersch\u00e4tzung bei den sechs Lichtreizen. Also dasselbe Resultat wie bei der gr\u00f6\u00dferen Zahl von Schallreizen.\nDie Ausf\u00fcllungen mit continuirlichen Empfindungen (Reihe 8\u201411) zeigen durchschnittlich eine geringere Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit. Die Uebersch\u00e4tzung der Tonzeit ist dabei die geringere, und das Urtheil bei der Tonausf\u00fcllung \u00fcberhaupt genauer. Die Ausf\u00fcllung mit dem Stimmgabelton kommt also in jeder Hinsicht dem Grenzfall der \u00bbleeren\u00ab reizbegrenzten Zeit am n\u00e4chsten. Beachtenswerth ist, dass das tonartige Ger\u00e4usch des Wagner\u2019sehen Hammers in erster Zeitlage etwas mehr Uebersch\u00e4tzung zeigt, als die einfache Ausf\u00fcllung mit drei Schallreizen (erste Horizontalreihe) und ebensoviel als die Lichtreize (dritte Reihe). Es mag das daher kommen, dass das tonartige Ger\u00e4usch sehr intensiv war, und ich muss schon jetzt aus meinen Versuchen mit verschiedener Ausf\u00fcllung beider Zeiten mittheilen, dass intensivere T\u00f6ne l\u00e4nger erscheinen wie schw\u00e4chere (in erster Zeitlage der intensiveren T\u00f6ne). Es w\u00e4re also auch eine ideale Forderung f\u00fcr alle vorigen Versuche gewesen, die Intensit\u00e4tsstufen aller ausf\u00fcllenden Eindr\u00fccke vollst\u00e4ndig gleich zu machen. Das habe ich wenigstens f\u00fcr die Schalleindr\u00fccke und die Licht- und Tasteindr\u00fccke unter sich nach bestem Ermessen versucht, bei der Schwierigkeit entsprechender objectiver Messungen verzichtete ich auf diese.\nDie Wirkung der continuirlichen Ausf\u00fcllungen in zweiter Zeitlage ist hier, ebenso wie fr\u00fcher bei Jdd., eine schw\u00e4chere.\nIch gehe weiter zu den entsprechenden Versuchen bei 1,0 s (Beob. Rky.). F\u00fcr Rky. lag, wie ich mich durch Vorversuche \u00fcberzeugte, die Zeit von 1,0 s so, dass eine Indifferenz f\u00fcr gewisse Ausf\u00fcllungen, f\u00fcr andere Uebersch\u00e4tzung, f\u00fcr wieder andere Untersch\u00e4tzung zu erwarten war. Gerade diese scheinbare Regel-","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nErnst Meumann.\nlosigkeit des Ausfalls der Urtheile f\u00fcgt sich aber dem Gesammt-ergebniss bei 0,4 s (Hcks.) in \u00fcberraschender Weise ein! Es ist doch zum mindesten sehr wahrscheinlich, dass eine Ausf\u00fcllung ihre subjectiv vergr\u00f6\u00dfernde Wirkung um so eher verlieren wird, bezw. dass die reizbegrenzte \u00bbleere\u00ab Zeit an Gewicht ihr gegen\u00fcber um so schneller gewinnen wird, je geringer das Quantum der Uebersch\u00e4tzung dieser Ausf\u00fcllung hei den kleinen Zeiten war. Dazu stimmen die beiden Thatsachen, dass erstens die gr\u00f6\u00dfere Zahl von Eindr\u00fccken gr\u00f6\u00dfere Uebersch\u00e4tzung bewirkt \u2014 in den Versuchen, hei denen wegen der Gleichheit der \u00fcbrigen Bedingungen die Quanta der Uebersch\u00e4tzung vergleichbar sind \u2014 und dass zweitens die gr\u00f6\u00dfere Zahl der Eindr\u00fccke die Indifferenzzone erst hei gr\u00f6\u00dferen absoluten Zeitwerthen eintreten l\u00e4sst \u2014- das gemeinsame Ergehniss der ersten und dritten Versuchsgruppe.\nGilt nun diese Regel, so muss man erwarten, dass in der Zone der Indifferenz der Ausf\u00fcllungen die st\u00e4rkere Uebersch\u00e4tzung bewirkenden Ausf\u00fcllungen noch eine gewisse vergr\u00f6\u00dfernde Tendenz behalten, w\u00e4hrend diejenigen Ausf\u00fcllungen, die bei kleinsten Zeiten weniger Uebersch\u00e4tzung bewirkten, schon in die Indifferenz eingetreten sind, oder gar die mittelst ihrer hergestellte Zeit schon kleiner erscheinen lassen. Das d\u00fcrfte die Regel sein, die in dem Ergebniss der vergleichsweisen Pr\u00fcfung verschiedener Zeitausf\u00fcllung bei Rky. an der Gesammtzeit von 1,0 s herrscht. Zw\u00f6lf verschiedene F\u00e4lle differenter Ausf\u00fcllung wurden bei Rky. gepr\u00fcft. Sie entsprechen im Ganzen denen der vorigen Reihe bei 0,4 s, neu ist hier, 1) dass statt mit sechs Hammerschl\u00e4gen mit f\u00fcnf ausgef\u00fcllt wurde, weil Rky. den geradzahligen Rhythmus \u00bbunertr\u00e4glich\u00ab fand (Horizontalreihe 3); 2) dass neben dem beschleunigenden Rhythmus ein solcher mit verz\u00f6gernder Tendenz gepr\u00fcft und der erstere dann noch einmal mit objectiver Verst\u00e4rkung des ersten und letzten Schlages eingef\u00fchrt wurde (Reihe 3, 4 und 5); 3) dass mit der Wirkung von zwei elektrischen Tastreizen die von f\u00fcnf verglichen wurden, was bei dieser Zeitfolge der Reize schon ohne schmerzhafte Aflfectionen m\u00f6glich war, 4) dass neben f\u00fcnf Lichtreizen noch die Wirkung von neun Funken gepr\u00fcft wurde, die f\u00fcr den Anblick als schon fast continuirliches Leuchten erscheinen. t","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\t*221\nTabelle b.\nPr\u00fcfung der Wirkung verschiedener Ausf\u00fcllungen bei der gleichen absoluten Zeit. <=1,0.\nBeob. Rky.\nArt der Ausf\u00fcllung der ersten Zeit\ta Kl\ta Or\trKl\tr Or\tSGI\tOOl\n1) t drei Hammerschl\u00e4ge <i zwei\t\u00bb\t\u2014 0,055\t+ 0,11\t0,055\t0,11\t0,05\t3 > 6 = 6<\n2) t f\u00fcnf Hammerschl\u00e4ge <i zwei\t\u00bb\t\u2014 0,055\t+ 0,11\t0,055\t0,11\t0,027\th-* VX VA II\n3) t f\u00fcnf Hammersehl., rhythm, zwei\t\u00bb\t\u2014 0,027\t+ 0,063\t0,027\t0,063\t?\t8 < 3 = 4>\n4) Dasselbe mit anderem Rhythmus\t\u2014 0,22\tbeit=<i\t0,22\t\u2014\t?\t10 >\n5) Dasselbe wie 4), aber 1 und 5 verst\u00e4rkt\t\u2014 0,094\t+ 0,05\t0,094\t0,05\tV\t10 < 5 = 5 >\t'\n6) t mit f\u00fcnf elektr. Tastreizen \u00bb zwei \u00bb\t\u00bb\t\u2014 0,55\t+ 0,22\t0,055\t0,22\t?\t2 < ? 2 = ? K 3<2>?\n7) t mit f\u00fcnf Lichtreizen t\\ \u00bb zwei\t\u00bb\t\u2014 0,066\t+ 0,1\t0,066\t0,1\t?\t3 < 5 < ? 2 = 4>? 1>\n8) t mit neun Lichtreizen t\\ \u00bb zwei\t\u00bb\t\u2014 0,11\t+ 0,138\t0,11\t0,138\t?\t3 < 1 < ? 2 = 4 > ?\n9) t mit Ger\u00e4usch, d. W. Hamm. \u00bb zwei Telephonger\u00e4useh.\t\u2014 0,083\t+ 0,05\t0,083\t0,05\t?\t2 < 4 = ? 5 > ? 4 >\n10) Dasselbe in umgek. Zeitlage <i ver\u00e4ndert\t\u2014 0,16\t+ 0,05\t0,16\t0,05\t?\t8> 2 =\n11) t mit Stimmgabelton <! \u00bb zwei Telephonger.\t\u2014 0,083\t+ 0,027\t0,083\t0,027\t0,05\t5> 5 = 2 = 3 < ?\n12) Dasselbe wie 11), in umgek. Zeitlage. Tonzeit ver\u00e4ndert\t\u2014 0,083\t+ 0,05\t0,083\t0,05\t\u2014\t6 > ? 6 > 1 >2 < ?\nReihenfolge der Versuche: 1) Nr. 1. 2) Nr. 2. 3) Nr. 3. 4) Nr. 4. 5) Nr. 5. 6) Nr. 9. 7) Nr. 10. 8) Nr. 11. 9) Nr. 12. 10) Nr. 7. 11) Nr. 8. 12) Nr. 6.\nDie Tabelle zeigt eine stark ausgepr\u00e4gte Tendenz zur Ueber-sch\u00e4tzung der erf\u00fcllten Zeit, wenn diese mit discontinuir-lichen Reizen ausgef\u00fcllt wird, hingegen bei Verwendung con-tinuirlicher Reize und rhythmischer Ordnung der Schalleindr\u00fccke sogar durchweg Untersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten oder Uebersch\u00e4tzung der leeren reizbegrenzten Zeit.","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nErnst Meumann.\nIn Horizontalreihe 1 und 2 sieht man, dass die Ausf\u00fcllung der ersten Zeit mit drei und f\u00fcnf Hammerschl\u00e4gen ganz gleich be-urtheilt wird. Die subjective Rhythmisirung (scheinbarer Rhyth-\n\\\t1 K\nmus 1 2 3 4 5), tritt so entschieden hervor, dass die vermehrte Tendenz zur Uebersch\u00e4tzung, aus Anlass der gr\u00f6\u00dferen Zahl erf\u00fcllender Eindr\u00fccke, nicht zum Ausdruck kommt. Dass eine solche Compensation stattfindet, zeigen entscheidend die folgenden Versuche: Wenn bei diesen die (objective) Rhythmisirung so eminent der T\u00e4uschung entgegenarbeitet, dass vollst\u00e4ndiger Urtheils-umschlag eintritt, so musste eine Abnahme der Tendenz zur Uebersch\u00e4tzung bei den f\u00fcnf Schalleindr\u00fccken zufolge der suhjectiven Rhythmisirung erwartet werden. Ist sie nicht vorhanden, so muss die vermehrte Tendenz zur Uebersch\u00e4tzung der st\u00e4rker ausgef\u00fcllten Zeit ihr entgegen gewirkt haben. Dass ich subjective und objective Rhythmisirung in der Tendenz ihres Einflusses (nicht in der Gr\u00f6\u00dfe desselben!) gleich setze, daf\u00fcr st\u00fctze ich mich 1) auf die Ergebnisse zahlreicher Versuchsreihen \u00fcber Zeitt\u00e4uschungen durch rein subjective Betonung; 2) auf die Aussagen der Versuchspersonen, die mir selbst h\u00e4ufig angaben, dass diese oder jene Ausf\u00fcllung mit Schalleindr\u00fccken einen ausgepr\u00e4gten Rhythmus habe \u2014 regelm\u00e4\u00dfig war dann ein R\u00fcckgang der constanten Fehlsch\u00e4tzung vorhanden; 3) auf die oft zu beobachtende Ununterscheidbarkeit objectiver und subjectiver Rhythmisirung, manche Versuchspersonen h\u00f6rten den rein subjectiven Rhythmus der Zeitordnung und Betonung mit so illusion\u00e4rer Bestimmtheit, dass ich sie erst durch eine Demonstration der Versuchsanordnung und eine langsamere Folge der Schl\u00e4ge von dem subjectiven Charakter des rhythmischen Eindrucks \u00fcberzeugen konnte; 4) auf gewisse Thatsachen dieser Versuche selbst. Es wurden ja die einfacheren F\u00e4lle von objectiver Rhythmisirung nur durch eine bestimmte Zeitordnung der Schl\u00e4ge gewonnen. Wenn dabei ein Rhythmus geh\u00f6rt wird, so ist er stets zugleich ein Betonungsrhythmus, die Betonung aber ist subjective Zuthat des Beobachters. Diese halbobjective Rhythmisirung wirkt nun, der Tendenz nach, gerade so auf die Zeitvergleichung wie die ganz objective mit gleichzeitiger Einf\u00fchrung von Betonungs- d. h. Intensit\u00e4tsunterschieden in den Hammerschl\u00e4gen.","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n223\nIch deute daher die Resultate der folgenden drei Versuche (Horizontalreihe 3, 4 und 5) so, dass der Einfluss einer partiell oder ganz objectiven Rhythmisirung der Schalleindr\u00fccke, wie er in diesen drei Versuchen hervortritt, zugleich angibt, wie der Einfluss gelegentlich auftretender rein subjectiver Rhythmisirungen von Schalleindr\u00fccken aufgefasst werden muss. Nun zeigt der Ausfall der drei Versuche, dass unter dem Einfluss der rhythmischen Ordnung der Schl\u00e4ge 1) die Sch\u00e4tzung \u00fcberhaupt genauer wird, beide Grenzwerthe verkleinern sich gegen die vorigen Versuche ; dass 2) die Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit entweder bedeutend abnimmt oder (Reihe 4) in eine Untersch\u00e4tzung dieser Zeit umschl\u00e4gt. Damit ist wohl bewiesen, dass meine fr\u00fchere, damals nur auf den Vergleich der Aussagen der Versuchspersonen und der objectiven Resultate gest\u00fctzte Vermuthung, dass die auffallenden Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten im Gang der T\u00e4uschung bei Schallausf\u00fcllung auf subjective Rhythmisirung zur\u00fcckzuf\u00fchren sind, \u2014 eine berechtigte war.\nWichtiger als dieser R\u00fcckblick ist eine Betrachtung der eminenten Wirkungen des objectiven Rhythmus der Schalleindr\u00fccke auf die scheinbare Gr\u00f6\u00dfe der Zeiten. Reihe 3) zeigt einen Versuch mit beschleunigtem Rhythmus (die Zwischenzeiten verk\u00fcrzen sich vom ersten Schalleindruck an, ungef\u00e4hres\nSchema 1-------2 \u2014 3 4~5) die Grenzwerthe, bei denen hier die\nUrtheile kleiner und gr\u00f6\u00dfer constant werden, sind nur wenig gr\u00f6\u00dfer wie die desselben Beobachters im Normalversuch mit \u00bbleeren\u00ab Zeiten. Das Urtheil wird f\u00fcr \u00bbleicht und sicher\u00ab erkl\u00e4rt. Die vergr\u00f6\u00dfernde Wirkung der Ausf\u00fcllung ist verschwunden. In Reihe 4) versuchte ich einen Rhythmus mit retardirendem Charakter einzuf\u00fchren, um den Eindruck einer Zeitverl\u00e4ngerung durch die Ausf\u00fcllung zu bewirken. Gegen meine Erwartung hatte das den gegentheiligen Erfolg. Die Gesammtzeit von 1,0 s ist n\u00e4mlich zu kurz, als dass bei mehrfacher Unterbrechung der Zeit dem Rhythmus noch eine deutlich hervortretende verz\u00f6gernde Tendenz gegeben werden k\u00f6nnte. Der Beobachter fand den verwendeten Rhythmus ganz besonders \u00bbflott\u00ab, dazu kam, dass jetzt nicht mehr, wie im vorigen Versuch, die Schallsummation auf den Schluss der Zeit fiel, was stets Zeitverl\u00e4ngerung bewirkt. Daher schl\u00e4gt jetzt\nWundt, Philos. Studien. XII.\t15","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nErnst Meumann.\ndie Uebersch\u00e4tzung der rhythmisch erf\u00fcllten Schallzeit sogar in Untersch\u00e4tzung um. Ebenso bewirkte eine betr\u00e4chtliche objective Verst\u00e4rkung des ersten und letzten Schlages, bei dem gleichen beschleunigenden Rhythmus wie im ersten Fall, wiederum Untersch\u00e4tzung der rhythmisch erf\u00fcllten Zeit, doch st\u00f6rt \u2014 wie mir Herr Rky. sich beschwerend mittheilte \u2014 die St\u00e4rke der begrenzenden Schl\u00e4ge etwas die Vergleichung, daher wohl die Vergr\u00f6\u00dferung des oberen Grenzwerthes. Reihe 6, 6a), 7 und 8 zeigen Ausf\u00fcllungen der ersten Zeit mit verschiedenen Anzahlen von Tast-und Lichtreizen. Aehnlich wie bei Hcks. (Tabelle a, Reihe 1 und 2 verglichen mit 4 ff.) ist die subjectiv vergr\u00f6\u00dfernde Wirkung der Tastreize etwas st\u00e4rker als die der gleichen Zahl von Schallreizen. Die Lichtreize wirken dagegen \u00fcbereinstimmend bei Rky. und bei Hcks. in dem Sinne verschieden nach ihrer Zahl, dass eine gewisse mittlere Vermehrung der Anzahl erf\u00fcllender Funken (bei Hcks. auf 6 f\u00fcr 0,4 s, bei Rky. auf 5 f\u00fcr 1,0 s), die Uebersch\u00e4tzung zunehmen, eine weitere Vermehrung (bei Rky. auf 9, bei Hcks auf 8) sie abnehmen l\u00e4sst. Der letztere Erfolg erkl\u00e4rt sich daraus, dass mit zunehmender Zahl von Funken das Bild der succedirenden Lichtblitze ein mehr continuirliches wird. Wenigstens ist das die einzige unmittelbare Ursache einer Ver\u00e4nderung des Zeiturtheils, die 1) direct aus den Versuchsumst\u00e4nden zu entnehmen ist, und die 2) dem Ausfall der Urtheile bei continuirlicher Ausf\u00fcllung der ersten Zeit entspricht. Nur andeuten will ich, dass es sich f\u00fcr mich von selbst versteht, dass damit auch Aenderungen in dem gesammten Verlauf der inneren Erlebnisse w\u00e4hrend der ausgef\u00fcllten Zeit, also auch Aenderungen des Aufmerksamkeitszustandes gegeben sind. Das auszuf\u00fchren geht aber schon \u00fcber meine gegenw\u00e4rtigen Ziele hinaus.\nGanz andere Ergebnisse liefern die Zeitausf\u00fcllungen mit continuirlicher Ausf\u00fcllung. Sowohl bei Anwendung des Wagner-schen Hammers wie beim Stimmgabelton werden die reizerf\u00fcllten Zeiten untersch\u00e4tzt. Die Kleinheit des oberen Grenzwerthes f\u00fcr die Tonzeitvergleichung (Reihe 11, 0,27) zeigt, dass die Tonzeit genauer beurtheilt wird. Die Ausf\u00fcllung mit dem Ton kommt also auch hier, wie bei Hcks. (f\u00fcr 0,4 s), dem Grenzfall der \u00bbleeren\u00ab reizbegrenzten Zeit am n\u00e4chsten \u2014 mit Ausnahme einzelner Ver-","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge znr Psychologie des Zeitbewusstseins.\n225\nsuche mit rhythmischer Ordnung der Schalleindr\u00fccke. In zweiter Zeitlage wird das Ger\u00e4usch des Wagner\u2019sehen Hammers ebenso wie der Stimmgahelton in entgegengesetzter Weise beurtheilt, sie erscheinen beide gr\u00f6\u00dfer als die \u00bbleere\u00ab Zeit.\nEs war nun meine Absicht, den eigenth\u00fcmlichen Antagonismus in dem Einfluss der Rhythmisirung und der Ausf\u00fcllung mit dis-continuirlichen Eindr\u00fccken noch einmal an einem besonders f\u00fcr rhythmische Perception veranlagten Beobachter zu verfolgen. Ich gebe einige Andeutungen der Ueberlegungen, die mich dabei leiteten.\nAlle bisher verwendeten Arten k\u00fcnstlicher Zeitausf\u00fcllung gestatten der Aufmerksamkeit sich mit dem Zeitverlauf selbst zu besch\u00e4ftigen. Die ganze Energie des Bewusstseins ist auf die Zeitverh\u00e4ltnisse selbst gerichtet. Die discontinuirlichen Schall-, Licht- und Tastreize werden geradezu als Zeitmarken, als ebenso viele Stadien des Zeitverlaufs selbst beurtheilt, und \u00e4hnlich repr\u00e4sentiren die T\u00f6ne und tonartigen Ger\u00e4usche der inneren Wahrnehmung unmittelbar eine bestimmte Art und L\u00e4nge des Zeitverlaufs seihst. Ein extrem von diesem verschiedener Fall der Zeitheurtheilung ist dann gegeben, wenn wir z. B. die Zeitdauer einer geistigen Besch\u00e4ftigung, einer Reflexion, oder des Lesens fesselnder Lect\u00fcre u. s. w. angeben sollen. Dabei ist eine Beachtung des Zeitverlaufs selbst unm\u00f6glich, die \u00bbInhalte\u00ab, Erlebnisse nehmen uns ganz in Anspruch und diese radicale Ablenkung der Aufmerksamkeit vom Zeitverlauf selbst ist dann die Ursache neuer eigenth\u00fcmlicher Zeitt\u00e4uschungen. Yon dem Fall der differenten Zeitausf\u00fcllung nach Art der bisherigen Versuche unterscheidet sich die Beurtheilung reizbegrenzter leerer Zeiten wahrscheinlich nur graduell. Die Aufmerksamkeit kann sich in beiden F\u00e4llen noch mit dem Zeitverlauf selbst besch\u00e4ftigen, aber dieser wird dem Bewusstsein im einen Falle anders repr\u00e4sentirt als im andern.\nIn der n\u00e4chsten Versuchsgruppe werde ich nun jenes Extrem totaler Ablenkung der Aufmerksamkeit vom Zeitverlaufe selbst einf\u00fchren. Zwischen beiden F\u00e4llen lassen sich aber zahlreiche Ueber-gangsstufen herstellen. Eine solche Uebergangsstufe d\u00fcrfte dann gegeben sein, wenn zeitausf\u00fcllende Schalleindr\u00fccke in rhythmischer Form gegeben werden. Sie wirken dann nicht mehr als wech-\n15*","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\tErnst Meumaun.\nselnde Empfindungsinhalte schlechthin auf die Zeitvergleichung ein (und bringen gewisse secund\u00e4re Aenderungen in der Art der Besch\u00e4ftigung der Aufmerksamkeit mit), sondern sie sind als einfache Rthythmusformen wirksam: als mehr oder weniger elementare Formen einer Gruppe nur f\u00fcr das Zeitbewusstsein exi-stirender \u00e4sthetischer Thatbest\u00e4nde. Sie sind, wie ich fr\u00fcher in Anlehnung an einen von Lipps in die Erkl\u00e4rung optischer T\u00e4uschungen eingef\u00fchrten Ausdruck sagte, als \u00e4sthetische Factoren der Zeitsch\u00e4tzung wirksam. Als solche aber gestatten sie der vergleichenden Th\u00e4tigkeit des Bewusstseins schon weniger eine directe Besch\u00e4ftigung mit dem Zeitverlauf selbst, die einzelnen Schalleindr\u00fccke der Zeitstrecke dienen jetzt nicht mehr einfach zur Markirung des Fortschritts in der Zeit, sondern es kn\u00fcpfen sich an sie Gef\u00fchlszust\u00e4nde und \u00e4sthetisch associative Interpretationen mannigfaltiger Art, und mit diesem ihrem \u00e4sthetischen Werth und seiner associativen Interpretation besch\u00e4ftigt sich ein Theil der verf\u00fcgbaren Aufmerksamkeit. Die eigent\u00fcmlichen neuen Functionen des Bewusstseins, die dabei in Kraft treten, habe ich schon fr\u00fcher beschrieben (vgl. Philos. Stud. X). Es tritt bei aller Rhythmusbildung eine synthetische, zusammenfassende Th\u00e4tigkeit des Bewusstseins ein.\nDie Schalleindr\u00fccke werden aus der Isolirung, mit der sie als einzeln ablaufende Empfindungen thats\u00e4chlich erscheinen, so lange wir z. B. beim Anh\u00f6ren einer einfachen objectiv nicht rhyth-misirten Schallreihe noch nicht subjectiv rhythmisirend th\u00e4tig sind, herausgehoben und als zu Gruppen zusammengeh\u00f6rig aufgefasst. Innerhalb dieser Gruppen herrschen eigenth\u00fcmliche Verh\u00e4ltnisse der Coordination gleicher Betonungsstufen und der Subordination der minder betonten unter die st\u00e4rker betonten Elemente, und dieser etwa wieder unter diejenigen Schalle, welche als Tr\u00e4ger der Hauptbetonung erscheinen.\nSobald die chaotische Menge succedirender Schalleindr\u00fccke zu solchen Gruppen und einer periodischen Wiederkehr analog gegliederter Gruppen zusammengefasst wird, entstehen scheinbare Zeitver\u00e4nderungen, rhythmische Zeitt\u00e4uschungen, die der allgemeinen Regel folgen, dass das rhythmisch zusammengeh\u00f6rige auch zeitlich zusammenger\u00fcckt, das rhythmisch getrennte auch","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n227\nzeitlich getrennt erscheint. Dass solche rhythmische Zusammenfassungen in die Zeitsch\u00e4tzung hei Ausf\u00fcllungen der bisherigen Art eingreifen mussten, war mir von vornherein sicher. Die Versuche hei Hcks. und Rky. haben es sodann best\u00e4tigt.\nAber ich wollte an einem ganz speciell rhythmisch veranlagten Beobachter noch einmal pr\u00fcfen, ob sich, eine bestimmtere Beziehung zwischen Rhythmusperception und Zeitt\u00e4uschung ' durch differente Ausf\u00fcllung finden lie\u00dfe, insbesondere, ob etwa die Bestimmtheit der Rhythmisirung und der \u00e4sthetische Charakter des Rhythmus die Aufstellung einer einfachen Regel f\u00fcr den Antagonismus zwischen rhythmischer Gruppirung und Uebersch\u00e4tzung reizerf\u00fcllter Zeit aufstellen lie\u00dfen. Ich w\u00e4hlte f\u00fcr die betreffenden Versuche den mehrfach erw\u00e4hnten Herrn Gale, der mir auch bei meinen rhythmischen Experimenten mit seinem ausgebildeten Sinn f\u00fcr Rhythmus gute Dienste geleistet hatte.\nAls NZ wurde in allen Versuchen 1,0 s gew\u00e4hlt. Diese Zeit hielt ich auch hier bei, weil sie 1) eben noch lang genug ist, um die Hervorbringung verschiedenartiger rhythmischer Effecte zu gestatten, und vyeil sie 2) bei diesem Beobachter, der den Typus der st\u00e4rkeren Uebersch\u00e4tzungen reizerf\u00fcllter kleiner Zeiten repr\u00e4sen-tirt, blo\u00dfe Uebersch\u00e4tzungen der reizerf\u00fcllten Zeit erwarten lie\u00df. Daran war mir gelegen, weil ich das complicirtere Bild, wie es die T\u00e4uschungen an Rky. darbieten, vermeiden wollte.\nDie Zeitlage ist immer die erste : Ausgef\u00fcllte Zeit voran. Zuerst pr\u00fcfte ich die Ausf\u00fcllung mit sechs Hammerschl\u00e4gen, die als Ausgangs- oder Normalversuch den rhythmischen Ab\u00e4nderungen zu Grunde liegen m\u00f6ge.\nDie Tabelle zeigt im allgemeinen, dass Gle. den Beobachtertypus repr\u00e4sentirt, der durch den Einfluss der Ausf\u00fcllung sehr starken T\u00e4uschungen verf\u00e4llt; ferner, dass diese T\u00e4uschung, welche stets im Sinne einer betr\u00e4chtlichen Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit eintritt, durch alle Arten von Schallrhythmen vermindert wird.\nBei Versuch Nr. 1 (Ausf\u00fcllung mit sechs in gleichen Zeitr\u00e4umen folgenden Schalleindr\u00fccken) bat ich den Beobachter, m\u00f6glichst wenig der Rhythmisirung nachzugeben. Die gerade Zahl der Schl\u00e4ge zusammen mit ihrer gleichen Zeitdistanz findet er","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nErnst Meumann.\nTabelle c.\nPr\u00fcfung der Einwirkung rhythmisch geordneter Schallreize auf die Vergleichung erf\u00fcllter und leerer Schallzeiten, t \u2014 1,0.\nBeob. Gle.\nArt der Ausf\u00fcllung der ersten Zeit. (t\\ stets zwei Hammerschl\u00e4ge)\ta Kl\ta Or\trKl\tr Gr\tSOI\n1) \"Sechs Hammerschl\u00e4ge in gleichen Zwischenr\u00e4umen\tbei t\u2014ti\t+ 0,611\t\u2014\t0,611\t10 <]\n2) Unregelm\u00e4\u00dfige Vertheilung der Hammerschl\u00e4ge\t\u2014 0,028\t+ 0,722\t0,028\t0,722\t8 < 2 =\n3) Wohlgef\u00e4lliger beschleunigender Rhythmus\t\u2014 0,028\t+ 0,208\t0,028\t0,208\t7 < 3 =\n4) Wohlgef\u00e4lliger verz\u00f6gernder Rhythmus\t- 0,028\t+ 0>238\t0,028\t0,238\t8 < 2 =\n5) Wie 3), aber mit Verst\u00e4rkung von 1 und 3\t\u2014 0,028\t+ 0,233\t0,028\t0,233\t7 < 2 = 1 >\n6) Rhythmische Beschleunigung der 5 letzten Schalle\t\u2014 0,028\t+ 0,2\t0,028\t0,2\tA \u00cf\u00ce V QO\n7) Wie 3), aber mit Taktiren und Z\u00e4hlen\t\u2014 0,055\t+ 0,127\t0,055\t0,127\t7<3>\n8) Wie 1), aber mit Taktiren und Z\u00e4hlen\t\u2014 0,055\t+ 0,427\t0,055\t0,427\t7 <1 = 2 >\nReihenfolge der Versuche: 1) Nr. 3.\t2) Nr. 4.\t3) Nr. 1.\t4) Nr. 5.\t5) Nr. 6.\n6) Nr. 7. 7) Nr. 8. 8) Nr. 2.\nunangenehm. Der Ausfall der Vergleichung zeigt, dass die erf\u00fcllte Zeit sehr stark \u00fcbersch\u00e4tzt wird (das Urtheil gr\u00f6\u00dfer wird erst bei + 0,611 constant). Bei Versuch Nr. 2 wurde eine nach M\u00f6glichkeit musikalisch unbrauchbare, \u00e4sthetisch unangenehme Schlagfolge vorher ausprobirt. Die T\u00e4uschung nimmt jetzt noch betr\u00e4chtlich zu und gleichzeitig erscheint die Vergleichung \u00fcberhaupt erschwert (der Quotient der relativen Uebersch\u00e4tzung steigt auf 0,72).\nSodann wird (Reihe 3) ein wohlgef\u00e4lliger Rhythmus vor dem Versuch aufgesucht und zun\u00e4chst nur durch die Zeitfolge der Schl\u00e4ge hergestellt. Die mit voller Illusion des objectiven Vorhandenseins von dem Beobachter eingef\u00fchrte subjective Betonung","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n229\nfolgte dem Schema: 1 2 3 4 5 6. Der Rhythmus hatte beschleunigende Tendenz. Durch den Einfluss dieser Rhythmisirung nimmt die T\u00e4uschung bedeutend ab, die Uebersch\u00e4tzung vermindert sich gegen den Ausgangsversuch fast um 1/3.\nDer n\u00e4chste Rhythmus sollte verz\u00f6gernde Tendenz haben (gleichm\u00e4\u00dfige Zunahme der Zwischenzeiten der Schl\u00e4ge nach dem Zeitende hin). Das gelang auch diesmal nicht nach Wunsch, da der Beobachter den Rhythmus kr\u00e4ftig betont h\u00f6rte und nicht un-\nC~~Z~ ' V\nangenehm fand (scheinbare Betonung: 1 2 3 4 5 6. Immerhin scheint sich der retardirende Charakter des Rhythmus in einer geringen Zunahme der Uebersch\u00e4tzung zu zeigen (relative Uebersch\u00e4tzung 0,238).\nBei Versuch Nr. 5 wird objective Verst\u00e4rkung des ersten und dritten Schlages eingef\u00fchrt, wodurch der Rhythmus in zwei Gruppen aufgel\u00f6st wurde, von denen die eine der anderen subordinirt\nist. (Schema: 1 2 3 4 5 6.) Die Reihenfolge der Schl\u00e4ge blieb wie in Nr. 3, repr\u00e4sentirt also ein accelerando. Der Erfolg ist der, dass die T\u00e4uschung wieder etwas abnimmt gegen den vorigen Fall, doch macht sich wiederum die gr\u00f6\u00dfere Intensit\u00e4t der ge-sammten Schallwirkung darin geltend, dass die T\u00e4uschung st\u00e4rker bleibt, als in Nr. 3.\nIn der sechsten Reihe ist die Wirkung einer dichten Zusam-menr\u00fcckung der f\u00fcnf letzten Schl\u00e4ge (mit gleichm\u00e4\u00dfig abnehmender Zwischenzeit, nach einer Pause von 0,2 s zwischen dem*ersten und zweiten Schall) sichtbar. Der Rhythmus erschien stark accelerando und crescendo, der Schluss des Intervalls erscheint f\u00f6rmlich\nt\t-\t-\t- A\nabrupt. (Schema der subjectiven Auffassung etwa: 1 \u2014 2 \u2014 3 45 6.) Die scheinbare Vergr\u00f6\u00dferung der reizerf\u00fcllten Zeit ist wiederum betr\u00e4chtlich vermindert, sie erreicht hier gegen\u00fcber den bisherigen Uebersch\u00e4tzungen den Minimalwerth.\nDie Versuche 7 und 8 geben, wie es auf den ersten Blick scheinen k\u00f6nnte, ein anderes Resultat als die fr\u00fcheren Zeitsch\u00e4tzungen mit motorischen H\u00fclfen bei Rky., Klbss. und Ksw. (Tabelle 7).","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nErnst Meumann.\nIch \u00fcbte Herrn Gale auf Mittaktiren bei 1,0 s ein, und bat ihn, in zwei Versuchsreihen seine Zeitvergleichung durch das fr\u00fcher beschriebene Anfang und Ende der Zeiten markirende Fingertippen auf dem Tisch zu begleiten. W\u00e4hrend nun bei Klbss. die T\u00e4uschung zunahm und bei Ksw. sich \u00fcberhaupt kein Einfluss zeigte, ist bei Gle. in beiden Versuchsreihen eine Verminderung der T\u00e4uschung eingetreten. Allein der Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Zuerst ist zu beachten, dass auch bei Gle. die T\u00e4uschung bestehen bleibt, in Versuch Nr. 8, bei dem einfach wieder mit sechs gleichdistanten Schalleindr\u00fccken ausgef\u00fcllt wurde, ist sie sogar noch sehr stark. Dass aber eine Verminderung eintritt, muss speciell auf zwei besondere Umst\u00e4nde dieser Versuche zur\u00fcckgef\u00fchrt werden: 1) darauf, dass in Versuch Nr. 1, der das Minimum der T\u00e4uschung f\u00fcr die ganze Reihe zeigt, objective Rhyth-misirung der Schl\u00e4ge und Fingertippen Zusammenwirken; 2) auf die musikalische Technik dieser Versuchsperson, w\u00e4hrend Ksw. nur selten Clavier spielte und Herr Kolbassin gar nicht aus\u00fcbender Musiker war. Man kann also annehmen, dass bei den motorischen H\u00fclfen viel darauf ankommt, wie weit der Beobachter den Rhythmus der Schalleindr\u00fccke mit seinen Bewegungen zu treffen und festzuhalten wei\u00df, und da zeigen diese Versuche an Klbss., Ksw. und Gle., dass, wenn differente Zeitausf\u00fcllung vorhanden ist, es selbst dem ge\u00fcbten Musiker nur unvollkommen, dem Nichtmusiker aber gar nicht gelingt, die T\u00e4uschung durch Zeitausf\u00fcllung zu vernichten, obgleich es sich um eine so simple Sache handelt, wie das Fin-gerti^pen mit Schallen, die in der bequemen Zeit von 1,0 s aufeinanderfolgen! (Ich bemerke ausdr\u00fccklich, dass die Ger\u00e4usche des Fingertippens weder die Hammerschl\u00e4ge, noch das durchdringende, knisternde Funkenger\u00e4usch irgendwie \u00fcbert\u00f6nten!)\nWelche Regel wird nun den Einfluss rhythmisirter Schalleindr\u00fccke auf die Zeitsch\u00e4tzung beherrschen? Die rhythmische Ordnung bzw. Betonung von Schalleindr\u00fccken wirkt dem Einfluss der Ausf\u00fcllung mit Schallreizen dadurch entgegen, dass sie die Tendenz zur Uebersch\u00e4tzung der schallerf\u00fcllten Zeit vermindert. Dieser Einfluss der objectiven Rhythmisirung scheint sich um so st\u00e4rker geltend zu machen, je mehr der Rhythmus ein \u00e4sthetisch","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbevvusstseins.\n231\nwohlgef\u00e4lliger ist, je mehr er den Charakter eines beschleunigten Zeitverlaufs tr\u00e4gt (die Association eines beschleunigten Zeitverlaufs weckt), je strenger gegliedert der Rhythmus ist (vgl. die Analyse von Versuch Nr. 5). Dieser ganze Thathestand zeigt also den bedeutenden Einfluss \u00e4sthetischer und associativer Factoren auf den Ausfall der Zeiturtheile.\nEs bedarf wohl kaum der Erw\u00e4hnung, dass bei diesen Versuchen \u00bbmit rhythmisirten Schallempfindungen auch ein betr\u00e4chtlicher Einfluss von Lustgef\u00fchlen auf die scheinbare Gr\u00f6\u00dfe der Zeiten angenommen werden muss. Und zwar kann dieser Einfluss der Lustgef\u00fchle sowohl positiv gedeutet werden, indem der Lust eine zeitverk\u00fcrzende Tendenz zugeschrieben werden darf (Erfahrungen des t\u00e4glichen Lehens), als auch negativ, indem der lustbetonte Rhythmus das Auftreten unlustvoller Spannungs- und Erwartungszust\u00e4nde verhindert. Diesen letzteren aber kommt, ebenfalls schon nach den Erfahrungen des t\u00e4glichen Lebens, zeitverl\u00e4ngernde Tendenz zu.\nNur anhangsweise theile ich eine Versuchsreihe an 8,0 s mit, die ebenfalls dem Vergleich der Uebersch\u00e4tzungs- bezw. Untersch\u00e4tzungsquanta gewidmet war. Eine exacte Bestimmung dieser Quanta unter m\u00f6glichst vergleichbaren Versuchsbedingungen ist bei Zeiten von 8\u201410 s kaum noch erreichbar. Das Urtheil wird schon sehr unsicher, die Ergebnisse der einzelnen Versuchsstunden weichen oft bei derselben Zeit und derselben Ausf\u00fcllung sehr von einander ab, au\u00dferdem w\u00fcrde man eine l\u00e4ngere Reihe von 10 oder 12 verschiedenen Arten der Ausf\u00fcllung \u00fcber eine viel zu lange Zeit vertheilen m\u00fcssen, als dass die einzelnen Versuche gut unter einander vergleichbar w\u00e4ren.\nIch gebe in Tabelle c. die Resultate einer Versuchsreihe von Beobachter Twn., in der bei 8,0 s drei Zeitausf\u00fcllungen von recht verschiedenem Charakter gepr\u00fcft wurden.","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nErnst Meumami.\nTabelle d.\nPr\u00fcfung der Wirkung verschiedener Ausf\u00fcllungen bei der gleichen absoluten Zeit, t = 8,0.\nBeob. Twn.\nArt der Ausf\u00fcllung der ersten Zeit\ta Kl\ta Gr\tr Kl\tr Gr\tSGI\tOGI\n1) t sechs Hammerschl\u00e4ge t\\ zwei\t\u00bb\t\u2014 1,38\t+ 0,27\t0,173\t0,034\t?\t5> 2 > 1 > ? 1<1<?\n2) t zw\u00f6lf Hammerschl\u00e4ge zwei\t\u00bb\t- 0,27\t+ 0,83\t0,034\t0,104\t?\t5<?3=?1 = 1>\n3) t Stimmgabelton t\\ zwei Telephonger\u00e4usche\t-1,11\t+ 1,66\t0,139\t0,208\t?\t6 < 4 = 4 > ? 1 >\n4) Dasselbe in umgekehrter Zeitlage, Tonzeit ver\u00e4nd.\t\u2014 1,88\t+ 1,11\t0,236\t0,139\t?\t5 > 3 > ? 2<\nZuerst wurde die erste Zeit mit sechs Hammerschl\u00e4gen ausgef\u00fcllt, die zweite \u00bbleere\u00ab, wie immer bei meinen Schallhammerversuchen, mit zwei Schl\u00e4gen begrenzt. Das Ergebniss ist, dass die reizbegrenzte Zeit bei dieser absoluten Zeitgr\u00f6\u00dfe schon \u00fcbersch\u00e4tzt wird, die reizerf\u00fcllte Zeit erscheint als die kleinere.\nAnders bei Ausf\u00fcllung der ersten Zeit mit 12 Hammerschl\u00e4gen. Wie in den fr\u00fcheren Versuchen, so wirkt auch hier die gr\u00f6\u00dfere Zahl von ausf\u00fcllenden Empfindungen in der Weise, dass die In-differenzzone erst bei gr\u00f6\u00dferen Zeiten eintritt. (Vergl. Tabelle 6, wo sich zeigt, dass die Ausf\u00fcllung mit neun Schalleindr\u00fccken bei 8,0 der mit 6 in der Wirkung auf das Urtheil n\u00e4her steht.)\nWird die erste Zeitstrecke mit einem Stimmgahelton ausgef\u00fcllt, so erscheint sie wieder gr\u00f6\u00dfer, als die reizbegrenzte zweite Zeit, und dasselbe tritt bei zweiter Zeitlage des Tones ein. Es stimmt das zu den Tonversuchen bei Jdd. (Tabelle c), wo sich die Ueber-sch\u00e4tzung des Tons bis zu sehr gro\u00dfen Zeiten erh\u00e4lt. Der Ton, so scheint es, wird gegen\u00fcber der \u00bbleeren\u00ab Zeit noch betr\u00e4chtlich \u00fcbersch\u00e4tzt, wenn auch nicht so viel, wie die continuirliche Ausf\u00fcllung (Tabelle a\u2014c), aber seine Uebersch\u00e4tzung bleibt (in erster Zeitlage) sehr lange bestehen. Das w\u00fcrde vielleicht daraus zu erkl\u00e4ren sein, dass der Ton sich viel mehr dem Bewusstsein aufdr\u00e4ngt, wie der","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseius.\n233\nunbestimmte Empfindungs- und Gef\u00fchlsinhalt der \u00bbleeren\u00ab Zeit, dass er aber andererseits, wenn die Zeitstrecken gr\u00f6\u00dfer werden, denselben Charakter des langweiligen, spannenden, unlusterregenden tr\u00e4gt, der zur Erwartung des Abschlusses dr\u00e4ngt, wie der homogene Inhalt der \u00bbleeren\u00ab Zeiten. Daher treten die Span-nungs- und Unlustzust\u00e4nde, die vielleicht den \u00bbleeren\u00ab Zeiten mehr Gewicht verleihen, wenn sie gr\u00f6\u00dfer werden, auch bei den gr\u00f6\u00dferen Tonzeiten auf, und hindern die Uebersch\u00e4tzung der mit der Tonzeit verglichenen \u00bbleeren\u00ab Zeit; w\u00e4hrend sie bei den discontinuir-lich erf\u00fcllten fehlen, oder doch weit schw\u00e4cher sind. Sch\u00f6n die t\u00e4gliche Erfahrung ergibt, dass das Anh\u00f6ren eines continuirlichen Tons viel peinlicher ist, als das Anh\u00f6ren einer Reihe einzelner Schallempfindungen. Damit w\u00e4ren vielleicht die beiden Eigent\u00fcmlichkeiten der Tonzeiten zu erkl\u00e4ren: ihre scheinbare L\u00e4nge gegen\u00fcber reizbegrenzten Zeitstrecken, und die Thatsache, dass die scheinbar l\u00e4ngere Dauer auch bei gr\u00f6\u00dferen Zeiten bleibt.\nSechste Versuchsgruppe.\nDie Abh\u00e4ngigkeit der Zeitsch\u00e4tzung von der Ausf\u00fcllung der Zeitstrecken mit geistiger Arbeit.\nNur als eine Art von Anhang lasse ich den bisher geschilderten Versuchen einen Theil eines Cyklus von Experimenten folgen, die gegen\u00fcber der Zeitausf\u00fcll\u00fcng mit Sinneseindr\u00fccken jenes vorher erw\u00e4hnte Extrem darstellen, n\u00e4mlich eine Zeitsch\u00e4tzung hei totaler Ablenkung der Aufmerksamkeit von dem Zeitverlauf der Erlebnisse. Ich beabsichtige den Versuchscyklus ganz zu ver\u00f6ffentlichen, wenn ich diese Versuche ebenfalls bis auf die Sch\u00e4tzung kleinster Zeiten durchgef\u00fchrt habe, was mir wegen der technischen Schwierigkeiten bis jetzt nur unvollkommen gelungen ist. Hier m\u00f6gen einige Experimente an gr\u00f6\u00dferen Zeiten folgen1), die das Bild der Zeitsch\u00e4tzungen unter dem Einfluss differenter Ausf\u00fcllung, bei welcher der Grenzfall der \u00bbleeren\u00ab Zeit als Ma\u00dfstab genommen\n1) Auch diese Versuche habe ich schon 1893 begonnen und 1894 zum ersten Mal erw\u00e4hnt (Phil. Stud. X, 1894. S. 398).","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nErnst Meumann.\nwird, mit R\u00fccksicht auf das bezeichnete extreme Verhalten der Aufmerksamkeit vervollst\u00e4ndigen.\nEine die Aufmerksamkeit der Versuchsperson vollkommen in Anspruch nehmende geistige Besch\u00e4ftigung lie\u00df sich am leichtesten dadurch erreichen, dass ich die Zeitintervalle mit Leseversuchen ausf\u00fcllte, bei denen die Versuchspersonen unter so erschwerenden Bedingungen Buchstaben lesen und zu Worten zusammensetzen mussten, dass sie zu gr\u00f6\u00dfter Concentration auf die Besch\u00e4ftigung des Lesens gezwungen waren.\nDie Technik solcher Versuche ist durch die bekannten Verfahrungsweisen hei Ged\u00e4chtnissversuchen nahe gelegt. Die Trommel des mit meinem Zeitsinnapparate verbundenen Kymo-graphions wurde mit einer Papierrolle \u00fcberzogen, auf der in Horizontalreihen Buchstaben (in kleinem und gro\u00dfem Antiquadruck) angebracht waren, die jeder ann\u00e4hernd einen Quadratcentimeter f\u00fcllten. Die Buchstaben setzten sich zu gleichg\u00fcltigen, der Versuchsperson gel\u00e4ufigen Worten zusammen, wie \u00bbAuge\u00ab, \u00bbSache\u00ab, \u00bbFarbe\u00ab u. s. w. Die Buchstahenzahl der Worte je einer Reihe wurde m\u00f6glichst gleich gehalten. Die Trommel wurde nun horizontal gelegt, und dicht vor dieselbe in schwacher Neigung gegen die Trommel ein h\u00f6lzerner geschw\u00e4rzter Schirm gestellt, der in einer Holzschiene verschiebbar war, und einen 1 cm breiten, 10 cm langen Ausschnitt hatte. Ueber dem Brett lag ein zweites horizontal gegen das untere verschiebbares Brett mit einer 1 qcm gro\u00dfen Oeffnung (Fenster). Da das Fenster genau \u00fcber dem Ausschnitt lag, so konnte man dasselbe beliebig vor der Trommel herschieben, ohne den unteren Schirm mitzubewegen. Fenster und Ausschnitt lagen in der H\u00f6he des Schirms, in der Schirm und Trommel sich am n\u00e4chsten kommen (0,5 cm \u00fcber dem Ber\u00fchrungspunkt der Tangente). Sitzt die Versuchsperson in bequemer Haltung, angelehnt, vor dem Schirm, so kann sie durch das Fenster immer nur je einen Buchstaben auf der Trommel vollst\u00e4ndig sehen. Wenn die Trommel nun rotirte, so erschienen, von unten nach oben ablaufend, die Buchstaben einzeln vor dem Fenster des Doppelschirms.\nDie Beobachter hatten w\u00e4hrend des Versuchs die Buchstaben halblaut zu lesen und zu Worten zusammenzusetzen. Das Ende eines Wortes k\u00fcndete sich durch einen schwarzen Horizontalstrich","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n235\nan, der Anfang eines neuen Wortes wurde durch einen gro\u00dfen Buchstaben eingef\u00fchrt. Waren die Buchstaben eines ganzen Wortes gelesen, so musste dieses kurz ausgesprochen werden. Auf diese Weise hatte ich, neben dem Apparat stehend, eine Contr\u00f4le \u00fcber den Ausfall des Lesens.\nDas Kymographion stand auf einer Filzunterlage. Ein in diesen ersten hier mitgetheilten Versuchen noch nicht beseitigter Fehler war der, dass das schnurrende Ger\u00e4usch der Windfl\u00fcgel (das \u00fcbrigens bei den hier verwendeten langsameren Geschwindigkeiten sehr schwach ist) nicht beseitigt war. Fragte ich w\u00e4hrend der Versuche die Beobachter, ob dasselbe st\u00f6rend sei, so erkl\u00e4rten sie, es gar nicht bemerkt zu haben.\nSo einfach nun die Technik solcher Versuche ist, so schwierig wurde die Ausbildung der Methoden zu wirklich genauer quantitativer Bestimmung der T\u00e4uschungen, welchen die Versuchsperson etwa verf\u00e4llt, wenn sie die Zeit des Lesens absch\u00e4tzen soll. Es schienen sich zwei M\u00f6glichkeiten zu bieten. Entweder man l\u00e4sst immer eine Reihe Buchstaben lesen, dann wird diese nat\u00fcrlich von Fall zu Fall dem Beobachter gel\u00e4ufiger und der Grad der Aufmerksamkeitsablenkung nimmt best\u00e4ndig ab. Dieses Verfahren k\u00f6nnte man benutzen, um speciell die Ver\u00e4nderung festzustellen, welche die T\u00e4uschung durch das Bekanntwerden der Buchstabenreihe erf\u00e4hrt.\nSodann k\u00f6nnte man versuchen, mehrere Reihen, die m\u00f6glichst gleichm\u00e4\u00dfig nach Buchstaben- und Wortzahl, wie nach neutralem Charakter des Inhalts der Worte construirt w\u00e4ren, zu einer quantitativen Bestimmung zu vereinigen. Man ginge etwa bei jeder einzelnen Sch\u00e4tzung zu einer neuen Reihe \u00fcber, und m\u00fcsste die Beurtheilungen dieser nat\u00fcrlich immer verschiedenen Urtheils-f\u00e4lle zusammenstellen. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Buchstabenreihen immer betr\u00e4chtlich verschiedenartige Perceptionsbedingungen mit sich bringen. Ungleiche phonetische Schwierigkeiten, ungleiche Beziehungen der einzelnen Worte zum Interessenkreis der Versuchsperson u. a. m. machen die Reihen nie in Hinsicht der Lesehedingungen vergleichbar.\nMan kann weiter fragen, ob man besser thut, bei den Leseversuchen eine vergleichende Methode anzuwenden, so dass","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nErnst Meumann.\netwa nach einer Zwischenzeit eine reizbegrenzte \u00bbleere\u00ab Zeit mit der Zeitstrecke des Lesens verglichen w\u00fcrde; oder ob die Herstellung einer gleichen Zeit wie der Lesezeit durch die Versuchsperson, etwa mittels graphischer Registrirung derselben, vor-theilhafter ist? Ich combinirte aus Gr\u00fcnden, die ich bei einer Gesammtdarstellung der Versuche mit Zeitsch\u00e4tzung bei totaler Ablenkung der Aufmerksamkeit darlegen werde, je eine der obigen Verfahrungsweisen mit einer dieser Methoden zu zwei Arten der quantitativen Bestimmung der etwa vorhandenen Zeitt\u00e4uschungen.\nEs wurde zun\u00e4chst immer eine Reihe gelesen, bis dieselbe der Versuchsperson ganz gel\u00e4ufig zu sein schien; sobald diese zu Ende war, wurde eine scheinbar gleich lange Zeit abgewartet, und wenn der Schluss derselben gekommen schien, markirte die Versuchsperson denselben mit einer Registrirvorrichtung auf der Ky-mographiontrommel. Zugleich war damit gegen die fr\u00fcheren Versuche ein weiterer Unterschied gegeben: die Fehlzeit, wenn ich so sagen darf, musste ohne Einschiebung der Zwischenzeit registrirt werden. Die Einschiebung einer Zwischenzeit erschwert das ohnehin schwierige Absch\u00e4tzen der Lesezeit so sehr, dass die Registri-rungen geradezu l\u00e4cherliche Schwankungen aufweisen. Ist dagegen die Lesezeit noch frisch im Ged\u00e4chtniss \u2014 wie bei unmittelbarer Wiedergabe derselben, ohne Zwischenzeit \u2014 so zeigt sich ein einigerma\u00dfen constanter Gang der Sch\u00e4tzung.\nDie \"Versuche nach diesem ersten Verfahren wurden nun so ausgef\u00fchrt. Der Beobachter hatte immer dieselbe Reihe zu lesen. Vor dem Versuche wurde der obere Schirm so geschoben, dass eine Buchstabenreihe unter seinem Fenster ablief. Durch einen Schieber hielt ich das Fenster verschlossen, bis ich die Buchstabenreihe kommen sah, dann rief ich der Versuchsperson \u00bbjetzt\u00ab zu, zugleich mit dem \u00bbjetzt\u00ab schnellte ich den Schieber zur\u00fcck, der Beobachter blickte auf die Trommel und las die Buchstabenreihe. Sobald dieselbe zu Ende war, schloss er die Augen und wartete, die Hand am Registrirapparat, bis ihm eine der Zeitdauer des Lesens gleiche Zeitstrecke abgelaufen schien. (Bei einigen Vorversuchen lie\u00df ich nach beendetem Lesen die Trommel fixiren. Sehr bald habe ich das als st\u00f6rend erkannt und die betreffenden Versuche verworfen.) Den Schlussmomeut derselben suchte er mit","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n237\nder Registrirbewegung m\u00f6glichst genau zu treffen. Anfang und Schluss der Lesezeit wurden hei einigen Versuchsreihen noch besonders, in zweifacher Weise markirt. Den Beginn wie den Schluss der Buchstabenreihe bezeichnete n\u00e4mlich auf der Trommel eine horizontale rothe Linie; und durch eine an der Trommel angebrachte Contactspitze, die ganz momentan eine d\u00fcnne Kupferlamelle streifte, wurde ein schwacher Glockenschlag ausgel\u00f6st. (Die Glocke befand sich hinter dem Kymographion.) Der Contact muss in diesem Falle \u00fcbrigens so angebracht sein, dass das Glockensignal auch wirklich dem ersten bezw. letzten Moment des Lesens entspricht, er muss daher mit dem zunehmenden Bekanntwerden der Reihe \u00f6fter verschoben werden, sonst empfindet ihn der Beobachter als st\u00f6rend. Kommt das Glockensignal hingegen nicht gerade in st\u00f6render Weise zu fr\u00fch oder zu sp\u00e4t, so wird es von der Versuchsperson \u00fcberhaupt nicht beachtet. Ich lie\u00df es daher in sp\u00e4teren Versuchen wieder weg und fand, dass das weder f\u00fcr das Sicherheitsgef\u00fchl der Versuchsperson noch f\u00fcr den Ausfall der Urtheile etwas zu bedeuten hatte. Eine etwas ver\u00e4nderte Anordnung hatte noch die Versuchsreihe des Herrn Klbss. Bei dieser lie\u00df ich den Beobachter nur durch Aussprechen des Wortes \u00bbjetzt\u00ab den Schlussmoment der zweiten Zeit angeben. Dann schnellte ich selbst den Schreiber von der Trommel ab. Bei den Zahlen dieser Reihe w\u00e4re also meine Reaction auf Schall zu subtrahiren. Da sie als ziemlich constanter Werth (ich besitze im Reagiren einige Uebung) hinzukommen d\u00fcrfte, so habe ich diese Abrechnung nicht ausgef\u00fchrt, weil hier der Gang der Zahlen lediglich in Betracht kommt.\nIch hatte nun am Schluss jedes Einzelversuchs nur nachzusehen, wo die Linie des Schreibers auf der Trommel endigte, und las deren L\u00e4nge an einer auf der Trommel selbst angebrachten Halbmillimetertheilung ab. Die Justirung des Schreibers geschah so, dass als seine Nullstellung derjenige Moment markirt wurde, bei welchem die horizontale rothe, den Anfang der Buchstaben bezeichnende Linie voll ins Gesichtsfeld trat. Es ist n\u00f6thig, f\u00fcr eine gleichm\u00e4\u00dfige Kopfhaltung der Versuchsperson zu sorgen, doch sind die Fehler, die durch kleine Schwankungen der Kopfhaltung entstehen k\u00f6nnen, verschwindend gegen die subjectiven Sch\u00e4tzun gsfehler.","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nErnst Meumann.\nDurch besondere Versuche \u00fcberzeugte ich mich endlich davon, mit welcher Genauigkeit eine Registrirung eines bestimmten Zeitmomentes von der Versuchsperson ausgef\u00fchrt werden k\u00f6nne. Eine ausreichende Contr\u00f4le hierf\u00fcr erh\u00e4lt man nat\u00fcrlich nie, da es sich bei dem Markiren des Schlussmomentes der abgewarteten Zeit ja um die Wiedergabe des Momentes eines inneren Erlebnisses handelt. Wohl aber kann man die Versuchsperson daraufhin pr\u00fcfen, wie constant sie einen erwarteten Zeitmoment, z. B. das Erscheinen von Linien auf der Trommel in leicht zu beurtheilender Zeitfolge registrirt. So oft ich diesen Versuch ausf\u00fchren lie\u00df, fand ich nicht unbetr\u00e4chtliche Registrirfehler, die im Maximum bis 0,2 s reichten. Innerhalb der Grenzen von \u00b1 0,2 s d\u00fcrften also die unten mit-getheilten Einzelregistrirungen (von Jdd. und Hcks.) ungenau sein, obwohl man beachten muss, dass das eine maximale Angabe f\u00fcr die m\u00f6gliche Fehlerhreite ist. Von Fall zu Fall, d. h. nach jeder Einzelregistrirung fragte ich die Versuchsperson nach der etwa vermutheten Fehlerrichtung. Ich erhielt dann meist Antworten, welche den auffallenderen objectiven Schwankungen der Registrir-zahlen entsprachen. Dagegen waren sich meine Versuchspersonen des constanten Fehlers, den sie begehen, gar nicht bewusst. Numerisch verwerthen lassen sich diese Selbstangaben der Versuchspersonen wohl nicht.\nDie Zahl der gelesenen Buchstaben betrug stets 25 (au\u00dfer in der Versuchsreihe von Klbss., bei welcher 15 Buchstaben gelesen wurden), sie bedeckten also die H\u00e4lfte der Trommel. (Alle Baltzar-Zimmermann\u2019sehen Kymographiontrommeln haben 50 cm Umfang.) Bei allen Versuchen, mit Ausnahme derer von 15 Worten, betr\u00e4gt also die Lesezeit die H\u00e4lfte der Umdrehungszeit der Trommel. Ein Wiederauftauchen der Buchstaben vor dem Blick des Beobachters war \u00fcbrigens nicht m\u00f6glich, da 1) die Versuchsperson die Augen schloss und 2) der Schieber des Schirmfensters von mir sogleich nach dem Lesen wieder zugeschoben wurde.\nIch theile zuerst eine kurze Versuchsreihe des Beobachters Jdd. mit. Die Rotationszeit der Trommel ist 10,0 s, die Lesezeit also, da 25 Buchstaben gelesen werden, 5,0 s. Die einzelnen Regi-strirungen (Fehlzeiten) werden in cm und Secundentheilen angegeben, 1 cm ist hier also = 0,2 s. Die 25 Buchstaben bilden sechs Worte.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"239\nBeitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\nBeob. Jdd. Lesezeit 5,0 s = 25 cm.\nRegistrirte Zeiten\tin cm\tin Sec.\n1.\t22,4\t4,48\n2.\t24\t4,80\n3.\t24,3\t4,86\n4.\t24,5\t4,90\n5.\t26,51)\t5,30\n6.\t22,52)\t4,50\n7.\t24,5\t4,90\n8.\t24\t4,80\n9.\t22,6\t4,52\n10.\t22,2\t4,44\nMittel der registrirten Zeiten: 4,75 s.\nMan sieht sogleich, dass die Lesezeit durchweg untersch\u00e4tzt, die \u00bbleere\u00ab Zeit \u00fcbersch\u00e4tzt wird1 2 3). Der Mittelwerth der gesch\u00e4tzten Zeit 4,75 s hat aber hier keinen besonderen Werth, sondern was interessiren muss, ist der Gang des Urtheils, denn in diesem muss der Einfluss des Bekanntwerdens der Reihe auf die Zeitsch\u00e4tzung zu Tage treten. Die Versuche wurden so lange fortgesetzt, bis die Versuchsperson das Lesen v\u00f6llig zu beherrschen erkl\u00e4rte. Zum Verst\u00e4ndniss der Versuche muss man sich vergegenw\u00e4rtigen, dass das Lesen einer Buchstabenreihe unter den Umst\u00e4nden dieses Experiments an sich schon schwierig ist; sollen die Buchstaben wohl gar zu Worten zusammengesetzt werden, so erfordert das bei dem successiven Auftreten und fast augenblicklichen Wiederverschwinden die ganze Concentration des Beobachters, weil wir gewohnt sind, Worte immer so zu lesen, dass uns der gleichzeitige Anblick aller Buchstaben gestattet ist. Es wird also auch das Ged\u00e4chtniss der Versuchsperson in Anspruch genommen, sie hat immer die soeben verschwundenen Buchstaben festzuhalten, um sie zu Worten zusammensetzen zu k\u00f6nnen. Dazu kommt, dass\n1)\tVom Beobachter selbst als zu lang bezeichnet.\n2)\tVom Beobachter selbst als zu kurz bezeichnet.\n3)\tWenn, wie hier, nach Art der Methode der mittleren Fehler die zweite Zeit von der Versuchsperson producirt wird, so muss sich Uebersch\u00e4tzung derselben darin zeigen, dass sie zu kurz gemacht wird. Die Versuchsperson h\u00e4lt die subjectiv erlebte Zeit f\u00fcr l\u00e4nger, als sie ihrem objectiven Zeitwerthe nach ist, darum gibt sie dieselbe mit einem zu kleinen Zeitwerthe wieder.\nWundt, Philos. Studien. XII.\t16","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nErnst Meumann.\ndas Aussprechen der Worte vor dem Auftreten der ersten Buchstaben des neuen Wortes schnell und p\u00fcnktlich geschehen muss. F\u00fcr den geistigen Act der Combination der successiv gelesenen Buchstaben zum Worte ist also nur ein Moment verf\u00fcgbar, wenn die Versuchsperson f\u00fcr das n\u00e4chste Buchstabenbild bereit sein soll. Die ganze Leistung liegt bei den von mir verwendeten Zeitverh\u00e4ltnissen gerade an der Grenze der Leistungsf\u00e4higkeit der Versuchspersonen. Infolge dessen war bei den ersten 4\u20145 Vorbeig\u00e4ngen der Buchstabenreihen immer nur eine partielle Lesung und Combination der Buchstaben zu Worten m\u00f6glich. Vom f\u00fcnften Vorbeigang an pflegte die Reihe richtig gelesen zu werden. Dann wurde sie schnell bekannt, etwa bis zum siebenten Versuch. Darauf wurde sie als bekannte mit dem Bewusstsein der Sicherheit gelesen. Dementsprechend war die Absch\u00e4tzung und Begistrirung der Lesezeit anfangs mit dem Gef\u00fchl gr\u00f6\u00dfter Unsicherheit verbunden. Vom f\u00fcnften Versuche an pflegten die Versuchspersonen sich sicherer zu f\u00fchlen, etwa bei der neunten und den folgenden Wiederholungen erkl\u00e4rten sie sogar, einigerma\u00dfen auf die Lesezeit selbst achten zu k\u00f6nnen, und wenn ich weiter zu v\u00f6lliger Bekanntheit der Reihe ging, wie bei Hcks., so wurde der Versuch mit einem gewissen Grade von Lust \u00fcber die leichte Art des Gelingens der vorher als \u00e4u\u00dferst m\u00fchsam empfundenen Th\u00e4tigkeit ausgef\u00fchrt.\nDiese Bemerkungen m\u00f6gen eine Andeutung zur Erkl\u00e4rung des auffallenden Ganges der Einzelsch\u00e4tzungen geben.\nMan sieht aus der Zahlenreihe von Jdd. zun\u00e4chst, dass anfangs die Lesezeit betr\u00e4chtlich zu kurz wiedergegeben wird. Nach den Erfahrungen des t\u00e4glichen Lebens hat man das zu erwarten, denn es d\u00fcrfte sich das Experiment des Absch\u00e4tzens einer Lesezeit mit den bekannten Thatsachen decken, dass wir einen mit interessanter oder anstrengender geistiger Th\u00e4tigkeit ausgef\u00fcllten Zeitraum f\u00fcr zu kurz halten. Die Aufmerksamkeit \u2014 so will ich in der Sprechweise des t\u00e4glichen Lebens kurz sagen \u2014 ist von der Wahrnehmung des Zeitverlaufs ganz abgelenkt, wir sind ganz mit unserer Arbeit, mit dem Zeitinhalt also, besch\u00e4ftigt, und darum erscheint uns die Zeit zu kurz. Auch das entspricht der t\u00e4glichen Erfahrung, dass in dem Ma\u00dfe, wie die Buchstabenreihe bekannt wird, nun die Aufmerksamkeit sich mehr dem Zeitver-","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00fcge zur Psychologie des Zeitbewusstseius.\n241\nlaufe selbst zuwenden kann, zu erwarten ist, dass dann die Zeitsch\u00e4tzung correcter wird, die registrirten Zeiten m\u00fcssen also gr\u00f6\u00dfer werden. Ganz entsprechend lesen wir in den Versuchsergehnissen, dass die registrirten Zeiten sich schnell dem Werth der NZ n\u00e4hern, und heim f\u00fcnften Versuch wird sogar die \u00bbleere\u00ab Zeit zu gro\u00df gemacht. Da der Beobachter hier selbst angibt, zu sp\u00e4t registrirt zu haben, so ist wahrscheinlich dieser Fehler kein allzugro\u00dfer. Dann aber tritt in \u00fcberraschender Weise eine gleichm\u00e4\u00dfige Wiederabnahme der gesch\u00e4tzten Zeit ein. Beim zehnten Einzelversuch ist die Uehersch\u00e4tzung der zweiten Zeit wieder beinahe dieselbe wie anfangs.\nWie ist dieser zweite R\u00fcckgang in den Zahlen der registrirten Zeit zu erkl\u00e4ren?\nIch zeige zun\u00e4chst, dass diese Erscheinung keine vereinzelte und individuelle ist. Der n\u00e4chste Versuch ist in derselben Weise ausgef\u00fchrt wie bei Jdd., Beobachter ist Hcks., die Lesezeit ist hier 8,0 s, die Umdrehungszeit der Trommel 16 s (1 cm also \u2014 0,32 s). Es werden 25 Buchstaben (5 Worte) gelesen. Das Lesen der Reihe wird so lange fortgesetzt, als sich noch keine Erm\u00fcdung des Beobachters geltend machte.\nBeob. Hcks. Lesezeit 8,0 s = 25 cm.\nRegistrirte Zeit\tin cm\tin Sec.\n1.\t17,80\t5,70\n2.\t18,90\t6,05\n3.\t21,05\t6,70\n4.\t20,40\t6,50\n5.\t21,30\t6,80\n6.\t20,55\t6,57\n7.\t22,90\t7,32\n8.\t21,50\t6,88\n9.\t20,75\t6,64\n10.\t21,80\t6,97\n11.\t23,15\t7,40\n12.\t23,25\t7,44\n13.\t20,20\t6,46\n14.\t19,90\t6,36\n15.\t22,00\t7,04\n16.\t23,00\t7,36\n17.\t19,85\t6,35\n18.\t19,10\t6,10\n19.\t17,60\t5,63\n20.\t19,50\t6,04\n21.\t16,60\t5,31\nMittel der registrirten Zeiten = 6,416 s.\n16*","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nErnst Meumann.\nDer Gang der Urtheile bei diesem Versuch entspricht demjenigen hei Jdd., der constante Fehler aber hat viel entschiedenere Auspr\u00e4gung, der Beobachter untersch\u00e4tzt die Lesezeit bei weitem, er gibt sie anfangs um etwa 2 Sec. zu kurz an, erst ganz allm\u00e4hlich wird die Sch\u00e4tzung correcter, bei der elften und zw\u00f6lften Wiederholung derselben Buchstabenreihe erreicht die registrirte Zeit ihr Maximum, bleibt aber auch da noch hinter dem objectiven Zeitwerth der Lesezeit zur\u00fcck. Vom 13. Einzelversuch an tritt wieder der R\u00fcckgang des Zeitwerthes der Lesezeit, bezw. eine Uebersch\u00e4tzung der registrirten Zeit auf (allerdings zun\u00e4chst mit gro\u00dfer Unregelm\u00e4\u00dfigkeit). Die registrirte Zeit kommt dann zuletzt gar zu kleineren Zahlen wie bei dem ersten Einzelversuch.\nDieses erstaunliche Ma\u00df der ganzen T\u00e4uschung erkl\u00e4rt sich gegen\u00fcber dem Ergebniss des vorigen Versuchs wohl 1) daraus, dass hier eine l\u00e4ngere Zeit gelesen wird, und es ist danach wahrscheinlich, dass zwischen 5 und 8 Secunden die T\u00e4uschung durch Ablenkung der Aufmerksamkeit auf den Zeitinhalt noch im Zunehmen begriffen ist; sodann 2) dadurch, dass der Beobachter damals (Sommer 1893) der deutschen Sprache nicht sehr m\u00e4chtig war, er bedurfte zum Lesen einer ungew\u00f6hnlichen Concentration; es ist endlich Hcks. derselbe Beobachter, der auch bei den Versuchen mit Zeitausf\u00fcllung durch einfache Sinnesreize den Typus der starken Uebersch\u00e4tzung repr\u00e4sentirt. (Das Ergebniss aller dieser Versuche bedarf nat\u00fcrlich zu seinem vollen Verst\u00e4ndniss einer Pr\u00fcfung der constanten Fehler beim normalen Zeitsinnversuch nach der Methode der mittleren Fehler.)\nDer R\u00fcckgang der Zeitwerthe der registrirten Zeit k\u00f6nnte vorl\u00e4ufig vielleicht so erkl\u00e4rt werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Art und Weise, auf welche die Versuchsperson hei diesen Absch\u00e4tzungen der Zeitdauer des Buchstabenlesens zu einer Vorstellung von der Zeit, die sie zum Lesen gebrauchte, gelangt, drei verschiedene Stadien durchl\u00e4uft. Das erste Stadium wird dadurch charakterisirt, dass das Lesen die ganze verf\u00fcgbare Aufmerksamkeitsenergie in Anspruch nimmt. Der Zeitverlauf selbst, die Zeitverh\u00e4ltnisse des Lesens als solche k\u00f6nnen nicht beachtet werden, deshalb scheint uns die Lesezeit zu kurz. Allm\u00e4hlich wird die Reihe","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n243\nbekannter, dadurch gelingt es vielleicht der Versuchsperson ein gewisses Ma\u00df von Aufmerksamkeit den zeitlichen Verh\u00e4ltnissen selbst zuzuwenden, diese werden infolgedessen correcter beurtheilt. Nun aber, nachdem die Lesereihe bekannt geworden ist, gewinnt das Lesen den Charakter einer lustvollen, leicht von statten gehenden Th\u00e4tigkeit (ganz besonders im Gegensatz zu der vorigen Anstrengung), die schon nach den Erfahrungen des t\u00e4glichen Lebens mit scheinbarer Zeitverk\u00fcrzung verbunden ist. (\u00bbLust und Besch\u00e4ftigung verk\u00fcrzen die Zeit\u00ab sagt das Sprichwort.) Worin die Beziehung der Lust- und Unlustgef\u00fchle zu unserer Zeitsch\u00e4tzung ihre Erkl\u00e4rung findet, darauf gehe ich hier nicht ein. Ich hoffe in Kurzem zeigen zu k\u00f6nnen, dass unsere Zeitt\u00e4uschungen nicht blo\u00df auf dem \u00f6fter erw\u00e4hnten Gegensatz der Aufmerksamkeitsrichtung beruhen, der neuerdings von einigen Psychologen so einseitig betont wird, sondern dass das verschiedene Ma\u00df von Differenzirung des Zeitinhaltes und die Bildung von Ma\u00dfst\u00e4ben zwei selbst\u00e4ndige Ursachen eigenth\u00fcmlicher T\u00e4uschungen sind.\nDie Erkl\u00e4rung von Zeitt\u00e4uschungen aus dem Unterschied der Aufmerksamkeitsrichtung (auf die Zeitverh\u00e4ltnisse oder den Zeitinhalt) war \u00fcbrigens auch der \u00e4lteren Psychologie nicht unbekannt. (Vgl. die vortreffliche Analyse der \u00bbLangenweile\u00ab bei J. E. Erdmann, Psychologische Briefe S. 271 ff. 1856.) F\u00fcr die obige Auffassung spricht noch, dass die zweite Untersch\u00e4tzung der Lesezeit nach dem Bekanntwerden der Wortreihe nicht immer eintritt. Sie kommt nur vor, wenn man den Beobachter ganz sich selbst \u00fcberl\u00e4sst. Sie bleibt vielfach aus, wenn man ihn w\u00e4hrend der Versuchsstunde ermahnt, best\u00e4ndig auf die Zeitverh\u00e4ltnisse der Buchstabenreihe zu achten.\nIch theile noch zwei weitere Versuche mit, die die Richtigkeit dieser Auffassung best\u00e4tigen. In dem n\u00e4chsten Experiment werden nur 15 Buchstaben (f\u00fcnf Worte) gelesen. Die Zeitdauer des Lesens ist 4,8 s, die ich kurz als f\u00fcnf Secunden bezeichne (aber unten immer ihrem wahren Zeitwerth nach berechne). Die Umdrehungszeit der Trommel ist 16 s. Beobachter Klbss. (1 cm = 0,32 s).","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nErnst Meumann.\nBeob. Klbss. Lesezeit 5,0 (4,8) s === 15 cm.\nstrirte Zeit\tin cm\tin Sec.\n1.\t9,50 (!)\t3,04\n2.\t10,80\t3,45\n3.\t12,10\t3,87\n4.\t13,90\t4,44\n5.\t11,95\t3,80\n6.\t13,35\t4,27\n7.\t13,50\t4,32\n8.\t14,50\t4,64\n9.\t13,95\t4,46\n10.\t13,15\t4,20\n11.\t12,25\t3,92\n12.\t12,80\t4,09\nMittel der registrirten Zeiten = 4,041 s.\nEs wurde gelesen, bis der Beobachter die Reihe f\u00fcr ganz bekannt erkl\u00e4rte. Die Lesezeit wird auch hier sehr betr\u00e4chtlich untersch\u00e4tzt. Anfangs betr\u00e4gt der Fehler (\u00e4hnlich wie vorher f\u00fcr Hcks. bei 8,0 s) etwa anderthalb Seeunden! Ebenso wie bei Hcks. wird die objective Dauer der Lesezeit durch die ganze Reihe zu kurz angegeben. Bei der achten Wiederholung des Versuchs erreicht die Sch\u00e4tzung der ersten Zeit ihr Maximum, wobei sie noch immer um 0,16 s zu kurz angegeben wird. Dann tritt auch hier aufs neue st\u00e4rkere Untersch\u00e4tzung der Lesezeit ein, obgleich diese nicht soweit in den registrirten Zeitwerthen zur\u00fcckgeht wie bei Hcks.\nDieser Versuch, mit den beiden fr\u00fcheren (an Jdd. und Hcks.) zusammengestellt, d\u00fcrfte best\u00e4tigen, dass die Wiederzunahme der Untersch\u00e4tzung der Lesezeit keine vereinzelte oder individuelle Erscheinung ist, um so interessanter ist die Thatsache, dass sie bei einer anderen Art von Versuchen, bei denen auf eine nur wenig von den Leseversuchen verschiedene Art die Ablenkung der Aufmerksamkeit vom Zeitverlauf erreicht wurde, dieser R\u00fcckgang der gesch\u00e4tzten Zeitwerthe nicht eintritt. Ich variirte unter anderen den Versuch so, dass statt der Buchstaben Reihen von etwa 7 mm langen Linien und von Punkten auf der Trommel gezeichnet wurden (ich erw\u00e4hne hier nur die Linienversuche n\u00e4her). Die Linien waren in Gruppen von 2\u20145 zusammengeordnet. Die Zahl der Linien in den Gruppen wechselte unregelm\u00e4\u00dfig; auf je","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n245\n1 qcm der Trommel kam eine Liniengruppe, die etwa den Raum eines der in den vorigen Versuchen verwendeten Buchstaben einnahm. Die gesammte \u00fcbrige Anordnung blieb dieselbe. Der Beobachter hatte durch das Fenster des Schirms auf die vorbeiziehenden Linien hinzublicken, und dieselben zu z\u00e4hlen. Es erschien immer nur eine Liniengruppe vollst\u00e4ndig im Gesichtsfeld. Je nachdem, ob die Linien horizontal oder vertical gezogen waren, musste das Z\u00e4hlen sehr verschiedene Schwierigkeit bereiten, ebenso je nach der Anzahl der Linien in den Gruppen. Hierdurch und durch die verschiedene Geschwindigkeit der Trommel konnte die zum Linienz\u00e4hlen erforderliche Aufmerksamkeitsenergie in weiten Grenzen abgestuft werden.\nIch theile von diesen Versuchen nur einen mit, da er f\u00fcr den Ausfall der Zeitsch\u00e4tzung bei dem Z\u00e4hlen von Linien typisch ist. Beobachter ist Jdd. Die Z\u00e4hlzeit1) 5,0 s. Die Zahl der Linien einer Gruppe schwankt zwischen 2 und 4, die Zahl der Gruppen ist 25 (die H\u00e4lfte der Trommel bedeckend). Die Umlaufsgeschwindigkeit der Trommel ist 10 s. Die registrirten Zeiten werden wieder in cm und Sec. angegeben; 1 cm == 0,2 s.\nBeoh. Jdd. Z\u00e4hlzeit 5,0 s = 25 cm.\nRegistrirte Zeit\tin cm\tin Sec.\n1.\t17,4\t3,48\n2.\t20,00\t4,00\n3.\t22,50\t4,50\n4.\t24,50\t4,90\n5.\t20,00\t4,00\n6.\t19,50\t3,90\n7.\t20,40\t4,08\n8.\t23,90\t4,78\n9.\t21,00\t4,20\n10.\t21,50\t4,30\n11.\t23,00\t4,60\n12.\t23,40\t4,68\n13.\t22,60\t4,52\n14.\t22,00\t4,40\n15.\t23,40\t4,68\n16.\t22,6\t4,52\nMittel der\tregistrirten Zeiten =\t4,19.\n1) Sie kann nat\u00fcrlich auch als \u00bbLesezeit\u00ab bezeichnet werden.","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nErnst Meumann.\nGemeinsam ist dem Ergebniss dieses Versuchs mit dem der vorigen zweierlei, 1) dass die Zeit des Linienz\u00e4hlens constant untersch\u00e4tzt, also durch zu kleine Zeitwerthe der regi-strirten Zeit wiedergegeben wird; nicht ein einziges Mal wird die Z\u00e4hlzeit correct, d. h. in der vollen L\u00e4nge registrirt; 2) ist anfangs bei den ersten zwei Absch\u00e4tzungen diese Untersch\u00e4tzung am gr\u00f6\u00dften, sie nimmt dann schnell zu, um in sehr unregelm\u00e4\u00dfigen Schwankungen bis zum Schluss immer unter dem Werth der ob-jectiven Z\u00e4hlzeit zu verharren. Dagegen fehlt hier ganz der R\u00fcckgang der registrirten Zeitwerthe nach erreichtem Maximum der Sch\u00e4tzungsgenauigkeit. Es tritt also kein zweites Stadium der Untersch\u00e4tzung der Z\u00e4hl- oder Lesezeit ein ! Es erkl\u00e4rt sich das daraus, dass die Linienreihen selbst bei l\u00e4ngerer Fortsetzung der Versuche mit einer und derselben Reihe nie \u00bbauswendig gelernt\u00ab, nie vollst\u00e4ndig bekannt werden. Bei jedem Versuche erscheint die Reihe wieder neu, und bereitet fast die gleichen Schwierigkeiten. Es kann also bei dem Absch\u00e4tzen der Zeit des Linienz\u00e4hlens das dritte Stadium der angenehmen und leichten Absch\u00e4tzung gar nicht eintreten. Da dieses Nichtbekanntwerden der Linienreihen der einzige durchgreifende Unterschied im ganzen Verlauf der Zeitsch\u00e4tzung bei den Z\u00e4hlversuchen und denen mit Buchstabenlesen ist, so d\u00fcrfte das zweite Stadium der Untersch\u00e4tzung der Lesezeiten bei den ersteren Versuchen auf diesen einzigen verschiedenen Umstand, d. h. das vollst\u00e4ndige Bekanntwerden der Wortreihe und die dadurch verursachte Aenderung in der Urtheilsbildung zur\u00fcckzuf\u00fchren sein.\nDamit, dass die Linienreihe fast gar nicht bekannt wird, erkl\u00e4rt sich auch, dass das erste Stadium der Urtheilsbildung hier anders verl\u00e4uft, wie in den fr\u00fcheren Versuchen mit Buchstabenlesen. W\u00e4hrend dort n\u00e4mlich die Untersch\u00e4tzung der Lesezeit langsam abnahm, ist hier streng genommen nur in der ersten Registrirung ein auffallend niedriger Zeitwerth angegeben. Schon die zweite Registrirung n\u00e4hert sich dem Durchschnittswerth der gesch\u00e4tzten Zeiten an (21,7 cm = 4,54 s) und die sechste Wiederholung des Versuchs ergibt eine niedrigere Sch\u00e4tzung wie die zweite.\nEs fehlt eben hier das Stadium des Bekanntwerdens und die erste Sch\u00e4tzung der Reihe verdankt ihren niedrigen Werth der","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n247\nbesonderen Schwierigkeit des Z\u00e4hlens, die aus der mangelhaften Adaptation des Beobachters an die Versuchsumst\u00e4nde stammt. Andererseits kann die Thatsache, dass beim Linienz\u00e4hlen 1) das Stadium des Bekanntwerdens der Reihe fehlt, und dass 2) bei diesem Versuch zugleich die gleichm\u00e4\u00dfige Zunahme des scheinbaren Zeitwerthes der Lesezeit fehlt, zum Beweis daf\u00fcr dienen, dass das Bekanntwerden der Buchstaben wirklich die Ursache f\u00fcr die anf\u00e4ngliche Zunahme der scheinbaren L\u00e4nge der Buchstaben-Lesezeit ist.\nSchlussbemerkungen.\nZum Abschluss dieser Arbeit m\u00f6chte ich eine kurze Zusammenfassung ihrer wichtigsten Resultate geben und sodann einige Erfahrungen und Beobachtungen etwas ausf\u00fchrlicher er\u00f6rtern, die ich zum Theil schon im Vorigen fl\u00fcchtig ber\u00fchrt habe.\nUnsere Zeitsch\u00e4tzung ist in hohem Ma\u00dfe abh\u00e4ngig von der Art der Ausf\u00fcllung der Zeitstrecken.\nDiese Abh\u00e4ngigkeit \u00e4u\u00dfert sich in ganz verschiedener Weise bei kleinen, mittleren und gr\u00f6\u00dferen Zeiten.\nWerden zwei different ausgef\u00fcllte Zeitstrecken miteinander verglichen, von denen die erste eine reizerf\u00fcllte, die zweite eine \u00bbleere\u00ab, reizbegrenzte ist, so erscheint bei kleinsten und kleinen Zeiten die reizerf\u00fcllte Zeit gr\u00f6\u00dfer wie die reizbegrenzte Zeitstrecke; bei gro\u00dfen Zeiten tritt das Umgekehrte ein, die reizerf\u00fcllte Zeit erscheint kleiner wie die reizbegrenzte. Zwischen diesen beiden Richtungen der constanten Fehlsch\u00e4tzung unter dem Einfluss differenter Ausf\u00fcllung l\u00e4sst sich fast immer eine Indifferenzzone nachweisen, innerhalb deren die different ausgef\u00fcllten Zeitstrecken gleich oder ann\u00e4hernd gleich erscheinen, innerhalb deren also weder Ueber- noch Untersch\u00e4tzung einer von beiden Zeitstrecken herrscht.\nDiese Regel gilt streng nur von der Ausf\u00fcllung einer der verglichenen Zeiten mit discontinuirlichen Empfindungen, ihre Anwendbarkeit auf die Vergleichung von Tonzeiten mit reizbegrenzten Zeiten ist noch zweifelhaft.\nWird eine mit geistiger Arbeit ausgef\u00fcllte Zeit ihrer Dauer nach abgesch\u00e4tzt (reproducirt), so wird diese viel zu kurz angegeben.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nErnst Meumann.\nDer Fehler scheint sich einerseits nach dem Ma\u00df der aufgewendeten Aufmerksamkeitsenergie zir richten, andererseits nach dem Lustcharakter der Th\u00e4tigkeit.\nAm eingehendsten ist durch unsere bisherigen Untersuchungen festgestellt worden, welchen Einfluss differente Ausf\u00fcllung auf die Zeitsch\u00e4tzung hat, wenn discontinuirliche Empfindungen des Geh\u00f6rs-, Gesichts- und Tastsinns zur Ausf\u00fcllung der einen der beiden verglichenen Zeiten verwendet werden. Die Einwirkung dieser Art von Zeitausf\u00fcllung l\u00e4sst sich auf folgende Regeln bringen:\nDurch Ausf\u00fcllung einer von zwei verglichenen Zeiten mit einem oder mehreren Schall-, Licht- oder Tasteindr\u00fccken werden, wenn die andere Zeitstrecke blo\u00df durch Reizbegrenzung hergestellt wird, kleinste bis mittlere reizerf\u00fcllte Zeiten (bis im Maximum reichlich 4,0 s) sehr betr\u00e4chtlich \u00fcbersch\u00e4tzt, bei mittleren verliert sich allm\u00e4hlich der Einfluss der Ausf\u00fcllung in dem Sinne, dass keine constante Fehlsch\u00e4tzung nach einer Richtung mehr sichtbar ist und die Wirkung der differenten Ausf\u00fcllung der Zeiten zeigt sich nur in einer Vergr\u00f6\u00dferung beider Schwellen. Bei gr\u00f6\u00dferen Zeiten (mindestens hei 8-10 s) tritt ein Umschlag des Urtheils ein, so dass die reizhegrenzten Zeiten \u00fcbersch\u00e4tzt werden.\nDie Zahl der ausf\u00fcllenden Eindr\u00fccke ist f\u00fcr den Effekt der Zeitausf\u00fcllung nicht gleichg\u00fcltig. Ihr Einfluss d\u00fcrfte am st\u00e4rksten sein bei kleinen Zeiten. F\u00fcr diese gilt folgende Regel. Bei Schalleindr\u00fccken bewirkt zunehmende Zahl der zeiterf\u00fcllenden Eindr\u00fccke nicht nothwendig zunehmende Uebersch\u00e4tzung, da die h\u00e4ufig eintretende subjective Rhythmisirung der Schallempfindungen der Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit entgegenarbeitet. Bei Lichteindr\u00fccken wie (abgesehen von der Rhythmisirung) hei Schalleindr\u00fccken nimmt das Quantum der Uebersch\u00e4tzung mit zunehmender Zahl der ausf\u00fcllenden Reize zu, so lange nicht die Empfindungen sich der Continuirlichkeit (Verschmelzung) ann\u00e4hern. F\u00fcr Tasteindr\u00fccke ist in den bisherigen Versuchen nur Zunahme der Uebersch\u00e4tzung mit der Zunahme der Reizzahl festgestellt.\nDie Zahl der Eindr\u00fccke bewirkt ferner, dass die Indifferenzzone erst hei um so gr\u00f6\u00dferen Zeiten eintritt, je mehr Eindr\u00fccke in der reizerf\u00fcllten Zeit ablaufen.\nDie Ausf\u00fcllung einer der verglichenen Zeiten mit continuirlichen","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00fcge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n249\nEmpfindungen (z. B. T\u00f6nen) gibt im allgemeinen dasselbe Resultat, wie die Ausf\u00fcllung mit discontinuirlichen Eindr\u00fccken. Aber das Quantum der T\u00e4uschungen ist unter sonst gleichen Bedingungen bei Ausf\u00fcllung mit continuirlichen Empfindungen geringer. F\u00fcr gr\u00f6\u00dfere Zeiten ist das noch nicht sicher festgestellt, bei Tonzeiten scheint \u00fcberdies der Umschlag des Urtheils unter dem Einfluss der Vergr\u00f6\u00dferung der Zeiten nicht einzutreten, sondern die anf\u00e4ngliche Uebersch\u00e4tzung der Tonzeit nur einer Indifferenz des Einflusses der Ausf\u00fcllung Platz zu machen.\nAlle diese \u00bbT\u00e4uschungen des Zeiturtheils\u00ab gelten streng nur, wenn die k\u00fcnstliche Zeitausf\u00fcllung bei der vorausgehenden Zeit angebracht wird. Die Wirkung, welche irgend eine Art der Zeitausf\u00fcllung in der zweiten Zeitlage auf das Zeiturtheil zeigt, ist fast immer von der bei erster Zeitlage der Ausf\u00fcllung verschieden, h\u00e4ufig ist sie gerade die entgegengesetzte.\nAus diesen und anderen im Vorigen entwickelten Gr\u00fcnden muss man annehmen, dass die Anbringung der Ausf\u00fcllung bei der ersten oder zweiten von zwei verglichenen Zeiten zwei psychologisch verschiedene Thatbest\u00e4nde bezeichnet1).\nAlle bis hierher entwickelten Regeln f\u00fcr die Abh\u00e4ngigkeit der\n1) Man vergleiche dazu die verschiedene Wirkung intensiverer zeitbegrenzender Schallempfindungen gegen\u00fcber einer von schw\u00e4cheren Schalleindr\u00fccken begrenzten Zeit, je nach der Zeitlage der intensiveren Schl\u00e4ge, Phil. Stud. IX, S. 286 ff. Ich erkl\u00e4re an dieser Stelle meiner fr\u00fcheren Abhandlung, \u00fcber den Einfluss der Intensit\u00e4t der begrenzenden Empfindungen auf die Zeitvergleichung, diesen Unterschied in der Beurtheilung intensiv und schwach begrenzter Schallzeiten ausdr\u00fccklich aus dem verschiedenen Verhalten der Aufmerksamkeit bei NZ und VZ, zufolge dessen erst die Tiiatsache erkl\u00e4rbar wird, dass Schallverschmelzung sich nur in zweiter Zeitlage geltend macht im zeitverk\u00fcrzenden Sinne. Schumann, der diesen Zusammenhang nicht begreift, behauptet in einem Referat \u00fcber meine Abhandlung, dass ich nur die Schallverschmelzung als Erkl\u00e4rungsursache herbeiz\u00f6ge. Obgleich ich dann in einer \u00bbBerichtigung\u00ab auf diese falsche Auffassung der angef\u00fchrten Stelle von Seiten Schumann\u2019s aufmerksam gemacht hatte, so hat Schumann in einer darauf folgenden \u00bbErwiderung\u00ab auf seinem Irrthum bestanden und mir \u00fcbrigens durch eine n\u00e4here Analyse der angef\u00fchrten Stelle meiner Arbeit mit w\u00fcnschenswerther Deutlichkeit gezeigt, dass er thats\u00e4chlich den Zusammenhang nicht verstanden hat. Daf\u00fcr erhebt er den Vorwurf gegen mich, dass ich meine eigene Arbeit nicht kenne. Unf\u00e4hig zum Verst\u00e4ndniss der Absichten Anderer und pr\u00e4tenti\u00f6s in der Kritik \u2014 das charakterisirt meinen Gegner. \u2022","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nErnst Meumann.\nZeitsch\u00e4tzung von der differenten Zeitausf\u00fcllung gelten f\u00fcr die Zeitausf\u00fcllung mit Empfindungen aller Sinnesgebiete gemeinsam.\nDaneben lassen sieb Besonderheiten geltend machen, die der Wirkung der Zeitausf\u00fcllung mit Empfindungen eines speciellen Sinnesgebietes auf das Zeiturtheil zukommen. Diese besonderen Wirkungen der einzelnen Sinnesgebiete auf das Zeiturtheil bei differenter Zeitausf\u00fcllung zeigen sich: 1) in dem Quantum der \u00bbT\u00e4uschung des Zeiturtheils\u00ab, der Ueber- und Untersch\u00e4tzung, das unter sonst gleichen Bedingungen, d. h. insbesondere bei gleicher Zeitgr\u00f6\u00dfe und gleicher Zahl und analoger Intensit\u00e4t der erf\u00fcllenden Empfindungen f\u00fcr Empfindungen jedes Sinnesgebietes ein anderes zu sein scheint. Insbesondere ist bei kleinen Zeiten die Ueber-sch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit f\u00fcr Tastempfindungen am gr\u00f6\u00dften, f\u00fcr Lichtempfindungen etwas schw\u00e4cher und f\u00fcr Schallempfindungen am schw\u00e4chsten, \u2014 gleiche Anzahl der erf\u00fcllenden Empfindungen vorausgesetzt. 2) In der verschiedenen Regelm\u00e4\u00dfigkeit, die der Gang der T\u00e4uschung mit der Zunahme der absoluten Gr\u00f6\u00dfe der Zeitstrecken annimmt. Dieser ist am regelm\u00e4\u00dfigsten bei der Anwendung von Tastreizen, weniger regelm\u00e4\u00dfig bei Lichtreizen, noch weniger bei Schallreizen. 3) Das Gebiet der Schallempfindungen weist in seinen rhythmischen Verh\u00e4ltnissen eine Reihe von eigen-th\u00fcmlichen T\u00e4uschungen des Zeiturtheils auf. Objective oder subjective Rhythmisirung der Schalleindr\u00fccke, die nur bei kleinen Zeiten in Betracht kommt, verh\u00e4lt sich bei diesen antagonistisch zur Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit. Objective Rhythmisirung der Schalleindr\u00fccke der reizerf\u00fcllten Zeit bewirkt einen um so st\u00e4rkeren R\u00fcckgang der Uebersch\u00e4tzung dieser Zeit, je lebhafter, \u00e4sthetisch wohlgef\u00e4lliger und strenger gegliedert der Rhythmus ist und je mehr er die Vorstellung der Beschleunigung mit sich bringt. Es muss aus mehreren Gr\u00fcnden angenommen werden, dass der Einfluss der subjectiven Rhythmisirung auf die Sch\u00e4tzung different erf\u00fcllter Zeiten denselben Regeln folgt, obgleich derselbe wahrscheinlich quantitativ hinter dem der objectiven zur\u00fccksteht.\nIn der N\u00e4he der Indifferenzzone kann durch (subjective oder objective) Rhythmisirung der Schalleindr\u00fccke Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit in Untersch\u00e4tzung derselben verwandelt werden.\nNach diesem Ueberblick \u00fcber die wesentlichsten Ergebnisse der","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\n251\nin der vorliegenden Abhandlung mitgetheilten Experimente trage ich einige gelegentliche Erfahrungen und Beobachtungen nach, die ich zum Theil selbst gemacht habe, zum Theil den Aussagen meiner Versuchspersonen entnehme. Alle die fr\u00fcher festgestellten quantitativen Bestimmungen von Uebersch\u00e4tzungen oder Untersch\u00e4tzungen der einen von zwei different ausgef\u00fcllten Zeiten lassen eine sehr verschiedene Auffassung zu, je nachdem man die \u00bbleere\u00ab reiz-hegrenzte Zeit dabei als einen constanten Ma\u00dfstab betrachtet oder nicht. Thut man das nicht, so lassen sich die Ueber- und Untersch\u00e4tzungen zum gr\u00f6\u00dften Theil ebensowohl darauf beziehen, dass die reizbegrenzte leere Zeit je nach ihrer absoluten Gr\u00f6\u00dfe einen verschiedenen Zeitwerth f\u00fcr das Bewusstsein besitzt, wie darauf, dass eine und dieselbe Beizausf\u00fcllung je nach der Gr\u00f6\u00dfe der Zeit, bei welcher sie angebracht wird, eine andere Vorstellung von der Zeitgr\u00f6\u00dfe der erf\u00fcllten Zeit erweckt. Die Frage der Deutung der obigen Versuchsresultate . complicirt sich aber noch dadurch, dass, wie ich wiederholt bemerkte, die Vergleichung reizerf\u00fcllter und reizbegrenzter Zeiten theilweise einen qualitativen Charakter tr\u00e4gt, dass die Quanta der Ueber- und Untersch\u00e4tzung auch den qualitativen Gegensatz zweier Zeitstrecken, d. h. die verschiedene Lebhaftigkeit, den Gef\u00fchlston und die Differenzirung der Zeitinhalte zum Ausdruck bringen. Nur so kann man es verstehen, dass unter Umst\u00e4nden eine \u00bbleere\u00ab Zeit mehr als doppelt genommen werden muss, um einer reizerf\u00fcllten an Gr\u00f6\u00dfe (Dauer), an subjectivem Zeitwerth \u00fcberlegen zu sein. Ich deute diese verschiedenen M\u00f6glichkeiten der Auffassung jener quantitativen Bestimmungen nur an, um mit meinen sp\u00e4teren auf die Erkl\u00e4rung aller jener Ph\u00e4nomene der Zeitt\u00e4uschung gerichteten Experimenten an diesem Punkte ankn\u00fcpfen zu k\u00f6nnen.\nDie Ausf\u00fchrung solcher quantitativen Bestimmungen von Zeitt\u00e4uschungen durch differente Ausf\u00fcllung st\u00f6\u00dft auf gewisse sehr auffallende Schwierigkeiten, sobald man mehr erreichen will als eine blo\u00dfe Bestimmung des einzelnen Falles, d. h. sobald man die Ergebnisse ganzer Versuchsreihen untereinander vergleichbar machen will. Die Wirkung der Ausf\u00fcllung auf die Zeitsch\u00e4tzung ist au\u00dferordentlich verschieden nach der jeweiligen Disposition der Versuchsperson, sie ver\u00e4ndert sich oft von Stunde zu Stunde, sie ist","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nErnst Meumann.\n\u2014 dem Quantum nach \u2014 individuell sehr verschieden, und eine andere bei demselben Individuum zu sehr verschiedenen Zeiten. Man beobachtet nicht selten, dass die ersten f\u00fcnf bis zehn Urtheile in einer Versuchsstunde ganz correct sind, die Wirkung der Ausf\u00fcllung ist gar nicht sichtbar. Mit einem Male tritt sie hervor und nun steigert sich der constante Fehler schnell bis zu der Gr\u00f6\u00dfe, auf der er bis zum Schluss der Vers\u00fcchsstunde verharrt. Erm\u00fcdung der Versuchspersonen steigert ebenfalls die t\u00e4uschende Wirkung der Ausf\u00fcllung in hohem Ma\u00dfe. Gro\u00dfe Uebung scheint sie etwas zu vermindern, aber nur bei bestimmten Individuen, bei anderen bewirkt eine l\u00e4ngere Fortsetzung desselben Ausf\u00fcllungsversuchs eher eine Zu- als Abnahme der T\u00e4uschung.\nUnter allen Umst\u00e4nden findet man vergleichbare T\u00e4uschungsquanta nur bei in kurzer Zeit beendigten Versuchsreihen, bei welchen auch die Disposition des Beobachters, sein Verhalten w\u00e4hrend des Versuchs, seine Urtheilsweise u. s. w. gleich geblieben sind.\nDie individuellen Unterschiede erkl\u00e4ren sich vielleicht aus dem mehr directen oder indirecten, mehr qualitativen oder quantitativen Charakter des Zeiturtheils einzelner Personen. Je weniger sich ein Beobachter von dem Eindruck der sinnlichen F\u00fclle des Inhalts der reizerf\u00fcllten Zeit losmachen kann, je mehr er also von der Art, von der Differenzirung dieses Inhaltes, von dem Eindruck der gro\u00dfen Zahl erf\u00fcllender Eindr\u00fccke in seiner Urtheilsbildung bestimmt wird, desto gr\u00f6\u00dfer wird die T\u00e4uschung, desto inconstante! ist sein Urtheil. Je mehr ein Beobachter zur rein quantitativen Sch\u00e4tzung gelangt, desto constanter ist sein Urtheil, desto geringer die T\u00e4uschung. Sie bleibt aber niemals aus und vermindert sich durch die l\u00e4ngere Fortsetzung der Versuche nur etwa dann, wenn dqr Beobachter zu einer mehr quantitativen Auffassung der verglichenen Zeiten \u00fcbergeht. Das kann man auf den Einfluss der \u00bbUebung\u00ab beziehen, denn es kommt das von einer Stunde zur andern vor. Am auffallendsten ging von meinen Versuchspersonen Rky. zu einem andern Urtheilstypus \u00fcber. Anfangs hatte er gro\u00dfe T\u00e4uschungen und sehr inconstantes Urtheil, als ich nach l\u00e4ngerer Unterbrechung die Versuche wieder aufnahm, waren die Urtheile sehr constant und die T\u00e4uschungen gering. Ich versuchte daher gerade bei diesem Beobachter durch \u00f6ftere Wiederholung einer und","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\t253\nderselben Ausf\u00fcllung ein Verschwinden der T\u00e4uschung zu erreichen, aber die T\u00e4uschung blieh bei ihrem festen Typus.\nF\u00fcr die quantitative Bestimmung hat man folgende wichtige Regel zu beachten. Die Vergleichung \u00bberf\u00fcllter\u00ab und \u00bbleerer\u00ab Zeiten ist namentlich anfangs so schwierig, dass die Versuchspersonen geneigt sind, von Versuch zu Versuch immer die \u00bbleere\u00ab Zeit des folgenden Versuchs mit der leeren des vorigen zu vergleichen. W\u00fcrde man nun die quantitative Bestimmung so ausf\u00fchren, dass man bei etwaiger Uebersch\u00e4tzung der ersten und Untersch\u00e4tzung der zweiten Zeit sehr wenig Verkleinerungen der \u00bbleeren\u00ab FZ, dagegen sehr viele Vergr\u00f6\u00dferungen derselben einstellte, so m\u00fcsste die Gefahr eintreten, dass der Beobachter, die leeren Zeiten untereinander vergleichend, sich eine falsche (d. h. in diesem Falle zu gro\u00dfe) Vorstellung von der mittleren L\u00e4nge der eingestellten Vergleichszeiten bildete. Die Uebersch\u00e4tzung der reizerf\u00fcllten Zeit k\u00f6nnte dadurch ganz unnat\u00fcrlich gesteigert werden. Daher hat man, auch wenn das \u00fcrtheil kleiner, z. B. schon bei objectiver Gleichheit der verglichenen Zeiten constant wird, doch noch selbst die gr\u00f6\u00dferen Verkleinerungen einzustellen, damit man nicht der erw\u00e4hnten Tendenz des Beobachters Vorschub leistet. Im Laufe der Versuche verschwindet \u00fcbrigens diese wie so manche andere Abnormit\u00e4t in den Urtheilsvorg\u00e4ngen.\nWegen des variabeln Charakters der Zeitt\u00e4uschungen bei differenter Zeitausf\u00fcllung hat man sich ganz besonders vor Beeinflussung der Versuchspersonen zu h\u00fcten. Die Fragestellungen, mit denen man die Selbstbeobachtung der Versuchspersonen gewinnt, m\u00fcssen so unbestimmt wie m\u00f6glich gehalten sein. Es gibt Fragen, die immer unverf\u00e4nglich sind, z. B. die nach dem verschiedenen Sicherheitsgef\u00fchl der einzelnen Urtheile. Diese best\u00e4tigten mir stets den Ausfall der objectiven Versuchsresultate. Man kann aber durch taktloses Ausfragen der Versuchspersonen geradezu Urtheilsfehler bei ihnen z\u00fcchten, ja sie f\u00fcr bestimmte Versuche unbrauchbar machen, ich habe dar\u00fcber bei Hautsinnversuchen, die im hiesigen Institut ausgef\u00fchrt wurden, ganz eigenartige Beobachtungen gemacht, die ich sp\u00e4ter vielleicht einmal zu verwerthen denke. Ich wartete daher in der Regel einfach die spontane Aussage meiner Versuchspersonen ab, stenographirte diese aber sogleich w\u00f6rtlich nach, um sie nicht mit eigenen theoretischen Vorstellungen zu vermengen.","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\tErnst Meumann. Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins.\nMan k\u00f6nnte vielleicht von mir an dieser Stelle Ausf\u00fchrungen dar\u00fcber erwarten, oh ich die in den obigen Experimenten hervortretenden T\u00e4uschungen f\u00fcr Aussagen des directen Zeitbewusstseins ansehe oder ob ich sie auf die Benutzung indirecter Kriterien zur\u00fcckf\u00fchre. Allein meiner Absicht gem\u00e4\u00df, in eine theoretische Verwerthung der Versuchsresultate noch nicht eintreten zu wollen, bis ich das wesentlichste Thatsachenmaterial meiner bisherigen Experimente ver\u00f6ffentlicht habe, spreche ich dar\u00fcber noch keine Meinung aus. Derselben Zur\u00fcckhaltung in der theoretischen Deutung der Versuchsergebnisse denke ich mich in den n\u00e4chsten Ver\u00f6ffentlichungen zu beflei\u00dfigen1).\n1) Ich theile hier noch die Namen der Herren mit, die mir als Versuchspersonen und bisweilen auch in der Rolle des Experimentators mit ihrer Ausdauer und ihrer unerm\u00fcdlichen Bereitwilligkeit bei diesen m\u00fchsamen und zeitraubenden Versuchen beigestanden haben. Es waren dies die Herren Gale (Gle.), Heller (Hlr.), Hicks (Hcks.), Hupfer (Hpfr.), Judd (Jdd.), Kiesow (Ksw.), Kolbassin (Klbss.), Rostosky (Rky.), Tawney (Twn.). Herr Professor K\u00fclpe hat mir bei den S. 191 ff. erw\u00e4hnten rhythmischen Versuchen freundlichst mit seiner gro\u00dfen musikalischen Technik ausgeholfen. Allen den genannten Herren bin ich zu gr\u00f6\u00dftem Dank verpflichtet.","page":254}],"identifier":"lit4243","issued":"1896","language":"de","pages":"127-254","startpages":"127","title":"Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Zeitbewusstseins, Dritte Abhandlung","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:59:10.175852+00:00"}