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{"created":"2022-01-31T12:24:18.231401+00:00","id":"lit4255","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Arrer, Maximilian","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 13: 116-161","fulltext":[{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Bedeutung der Convergenz- und Accommodations-bewegungen f\u00fcr die Tiefenwahrnehmung.\nVon\nMaximilian Arrer.\nMit 1 Figur im Text.\nEinleitung.\n\u00a7 1. In der Psychologie spielen die Convergenzbewegungen f\u00fcr die Frage nach der r\u00e4umlichen Tiefensch\u00e4tzung seit Descartes eine wesentliche Polle. Descartes selbst betrachtete sie als ein Mittel der Tiefensch\u00e4tzung, allerdings in einer Weise, wie sie den heutigen Anschauungen ma\u00dfgebender Forscher sehr ferne liegt1). Dagegen harm gesagt werden, dass seit Berkeley die Convergenzbewegungen hei Physiologen und Psychologen nicht aufgeh\u00f6rt haben, diejenige Bolle zu spielen, die ihnen dieser Psychologe und Philosoph schon f\u00fcr die r\u00e4umliche Tiefenwahrnehmung zuschrieb. An die Augenbewegungen kn\u00fcpfen sich intensive Empfindungen, die in Folge der Anstrengung, die Augen auf die Gegenst\u00e4nde richtig einzustellen, hervorgerufen werden. Berkeley nennt diese Empfindungen sensation of straining, und er kann darunter nichts anderes verstanden haben, als was wir heute Muskelempfindungen des Auges nennen. Diese Muskelempfindungen werden neben anderen wichtigeren Motiven des Tiefensehens durch die Erfahrung zu Zeichen der Tiefe, indem verschiedenen Entfernungen verschieden starke Augenmuskelempfindungen entsprechen2). In dieser Weise wurde die Theorie von fast\n1)\tDescartes, Dioptrique, Oeuvres publ. par V. Cousin. V. S. 60 ff.\n2)\tBerkeley, An Essay towards a new theory of Vision, Works, edit, by A. C. Fraser. I. S. 37\u201458.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"[leb. d. Bedeutung d. Convergenz- u. Accomniodationsbew. f. d. Tiefenwahmehraung. 117\n\u2022illen hervorragenden Physiologen und Psychologen der Folgezeit an-o-enoinmen, und sie hat sich trotz des Wandels sonstiger Anschauungen bis in die heutigen Tage erhalten.\n\u00a7 2. Der erste aber, der den Anspruch erheben darf, den Einfluss der Augenbewegungen auf die Ausmessung des Raumes experimentell nachgewiesen zu haben, d\u00fcrfte Hueck sein. Die Experimente von Hueck suchen allerdings zun\u00e4chst den Einfluss der Augenbewegungen auf die Lagebestimmung und Distanzausmessung der Objecte festzustellen. War aber einmal ihr Einfluss hier nachgewiesen, so war die Uebertragung auch auf die Tiefensch\u00e4tzung gewiss erlaubt1). Hueck scheint auch der erste gewesen zu sein, der vom Standpunkte der Augenmuskelempfindungstheorie aus gewisse abnorme Erscheinungen in der Localisation von G-esichtsbildem zu erkl\u00e4ren und damit gleichzeitig diese Theorie auch durch pathologische Erfahrungen zu st\u00fctzen suchte. Er theilt in der citirten Schrift einen Fall mit, wo in Folge einer Abnormit\u00e4t in dem Muse, obliq. sup. oder infer, des rechten Auges das Netzhautbild dieses Auges immer schief mit dem oberen Ende nach au\u00dfen gekehrt erschien, und sucht diese Erscheinung durch die bezeichnete Abnormit\u00e4t zu erkl\u00e4ren. Hueck\u2019s Untersuchungen und Schlussfolgerungen verlieren aber an Bedeutung, weil es f\u00fcr ihn von vornherein feststand, dass alle r\u00e4umlichen Sch\u00e4tzungen auf Augenbewegungen beruhen, so dass die experimentellen Ergebnisse ohne weiteres als Best\u00e4tigungen f\u00fcr die vorausgesetzte Theorie angesehen wurden.\nIn viel vollkommenerer Weise als Hueck hat Hermann Meyer Experimente angestellt, die den Beweis liefern sollten, dass die Tiefensch\u00e4tzung aus Convergenzbewegungen und den sie begleitenden Muskelempfindungen zu erkl\u00e4ren \u00abei. Zun\u00e4chst sind es die bekannten Versuche mit dem Tapetenmuster. Blickt man mit convergenter Stellung der Sehachsen auf zwei neben einander liegende gleiche Tapetenfiguren, so erscheint das Sammelbild je nach der Lage des Oonvergenzpunktes n\u00e4her oder weiter, und dementsprechend kleiner oder gr\u00f6\u00dfer2).\nIn einer sp\u00e4teren Abhandlung theilt Meyer messende Versuche\n1)\tAlex. Hueck, Die Achsendrehung des Auges. Dorpat 1838. S. 20 ff.\n2)\tH. Meyer, Ueber einige T\u00e4uschungen in der Entfernung etc. Wunder-lchs u. Roger\u2019s Arch. f. physiol. Heilkunde, I. 1842.","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nMaximilian Arrer.\nmit, die er am Wheatstone\u2019schen Spiegelstereoskope gewann, und die seine oben ausgesprochene Ansicht \u00fcber die Bedeutung der Conver-genz der Sehachsen f\u00fcr die Auffassung der Tiefe und Gr\u00f6\u00dfe noch mehr best\u00e4tigen sollten. Meyer brachte an den Seitenw\u00e4nden eines Wheatstone\u2019schen Stereoskops eine Centimeterscala an, deren Nullpunkt so gelegen war, dass bei parallel gerichteten Sehachsen die von den Nullpunkten kommenden gebrochenen Strahlen parallel in die Augen fielen. Verschob er nun ein Object von bestimmter Gr\u00f6\u00dfe l\u00e4ngs der Centimeterscala, so konnte er beobachten, wie sich dabe die scheinbare Entfernung und Gr\u00f6\u00dfe \u00fcbereinstimmend mit den Convergenzbewegungen der Sehachsen ver\u00e4ndern ').\nDie Versuche von Meyer schienen keinen Zweifel mehr dar\u00fcber zu lassen, dass sich mit der Convergenz\u00e4nderung auch die Tiefenwahrnehmung \u00e4ndert, und vollends schien es bewiesen zu sein, dass die Beurtheilung der scheinbaren Gr\u00f6\u00dfe eines Objectes von der Entfernung, in die es verlegt wird, abh\u00e4ngig ist. Allein einwandsfrei waren die Versuche von Meyer auch nicht. Meyer benutzte zu seinen Versuchen zusammengesetzte Gebilde, Tapetenmuster, quadratische Formen, Gebilde, deren Netzhautbilder sich nicht unwesentlich \u00e4ndern, wenn die Stellung der Augen eine andere wird. Es galt nun, diese Momente so weit als m\u00f6glich auszuschlie\u00dfen und solche Versuchsbedingungen zu treffen, die einen sichereren Schluss auf die Rolle, die den Einstellungen der Sehachsen bei dem Tiefensehen zukommt, gestatten. Dann aber lag den Schlussfolgerungen von Meyer die Ansicht zu Grunde, dass die scheinbare Gr\u00f6\u00dfe der Tiefenverschiebung der wirklichen entsprechen m\u00fcsse, und indem er dies glaubte in seinen Experimenten best\u00e4tigt zu finden, zog er erst seine weiteren Schlussfolgerungen. Es galt also, ohne solche Voraussetzungen an die Frage heranzutreten.\nIm Jahre 1859 und 1861 ver\u00f6ffentlichte Wundt experimentelle Beobachtungen, die in unzweideutiger Weise den Antheil der Con-vergenz der Blicklinien an der r\u00e4umlichen Entfernungssch\u00e4tzung nacli-weisen sollten1 2). Wundt untersuchte zun\u00e4chst die Tiefensch\u00e4tzung\n1)\tH. Meyer, Ueber die Sch\u00e4tzung der Gr\u00f6\u00dfe und Entfernung etc. Poggen-dorff\u2019s Annalen XXV. 1852.\n2)\tWundt, Ueber den Einfluss der Accommodation auf die r\u00e4umliche Tiefen-","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"(jeb. d. Bedeutung d. Convergenz- u. Aceommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 119\nbeim monocularen Sehen und dann beim binocularen. Die Ergebnisse beider Untersuchungen waren qualitativ und quantitativ wesentlich verschieden, und da ferner das Object, das dem Beobachter zur Fixation dargeboten wurde, ein d\u00fcnner Faden, also ein stereoskopischer Effekt, wie Wundt annahm, hier so gut wie nicht vorhanden war, so konnte die Verschiedenheit der gewonnenen Besultate hei sonst gleichen Bedingungen nur aus den Mitbewegungen des anderen Auges, also der Convergenzbewegung beider, erkl\u00e4rt werden. Die Untersuchungen von Wundt ergaben ferner, dass die vorgestellte Entfernung mit der wirklichen nicht \u00fcbereinstimmt, wie dies Meyer annahm. Endlich hat Wundt auch in die Theorie ver\u00e4ndernd eingegriffen. W\u00e4hrend nach der bisherigen Theorie die Convergenz-empfindungen auf dem Wege der Erfahrung zu Zeichen der Tiefe werden sollten, lehrte Wundt eine Synthese dieser Empfindungen mit den Netzhauteindr\u00fccken der Objecte, so dass in der r\u00e4umlichen Vorstellung dieser letzteren die Convergenzempfindungen diejenigen Bewusstseinselemente seien, welche uns die Anschauung der Tiefe vermitteln.\n\u00a7 3. Aber neben dieser Meinung, dass die Convergenzhewegungen f\u00fcr unser Baumbewusstsein durch Actionen der Augenmuskeln, die von Empfindungen gefolgt werden, ihre Bedeutung haben, entwickelte sich eine andere, die gerade den letzthervorgehohenen Punkt niedrig anschlug, oder auch ganz leugnete. Die Bedeutung, welche die Augenmuskelempfindungen f\u00fcr das r\u00e4umliche Sehen \u00fcberhaupt, besonders aber f\u00fcr die Tiefenwahrnehmung erlangt haben, entspringt zun\u00e4chst der Einsicht, dass uns der Gesichtssinn Helligkeiten und Farben vermittelt, die nach dem Zeugniss der inneren Wahrnehmung etwas von dem Inhalt irgend einer Baumvorstellung g\u00e4nzlich Verschiedenes sind; es kann also die r\u00e4umliche und vor allem die Tiefenwahrnehmung nicht an die Lichtempfindung als solche gebunden sein. Eine Analogie mit dem anderen Sinnesorgan, das uns ebenfalls r\u00e4umliche Anschauungen vermittelt, dem Tastsinn, zu suchen, lag nahe genug.\nWahrnehmung, in Zeitschr. f. rationelle Mediein von Henle u. Pfeufer. Bd. VIII.; und ebendaselbst Bd. XII: Ueber den Einfluss der Convergenz der Sehachsen auf die r\u00e4umliche Tiefensch\u00e4tzung. Es sind diese Abhandlungen in Wundt\u2019s Beitr\u00e4gen zur Theorie der Sinneswahrnehmung 1862 wieder abgedruckt und werden Folgenden aus diesen citirt.","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nMaximilian Arrer.\nUnd wenn sich am Auge Organe und Verh\u00e4ltnisse finden sollten, die beim Tastsinn unzweifelhaft zur Erzeugung der Raumvorstellung con-curriren, so mussten es eben diese sein, die auch an der Hervorbringung der Raumvorstellung beim Gesichtssinn Antheil haben. Schon bei Descartes ist dieser Gedankengang leicht erkennbar: er meint, so wie der Blinde, wenn er die Lage und Bewegungen seiner H\u00e4nde kennt, aus der Oonvergenz der St\u00e4be, mit denen er tastet, auch die Entfernung des betasteten Gegenstandes ermittele, ebenso der Sehende durch die Blickbewegungen seiner Augen1). Dieselbe\n1) Descartes, a. a. O. p. 62. Von der Lage und den Bewegungen der H\u00e4nde, so wie der Augen, wie endlich jedes der Bewegung f\u00e4higen Organs, haben wir ein Bewusstsein durch entsprechende Ver\u00e4nderungen im Centralorgan. Wenn wir unsere Augen oder unseren Kopf nach irgend einer Seite wenden, sagt Descartes, so ist die Seele davon benachrichtigt durch die Ver\u00e4nderungen in den Nerven, die in diejenigen Mushein eingeh en, verm\u00f6ge welcher jene Bewegungen Zustandekommen (S. 60). Aber die Seele erlangt auf diesem Wege nicht nur Kenntniss von der Richtung, nach welcher ein Organ gewendet ist, sondern sie kann auch ihre Aufmerksamkeit auf alle Punkte der Linie \u00fcbertragen, die die Richtung des Auges repr\u00e4sentirt. Descartes denkt sich von allen Theilen des K\u00f6rpers Linien in den Raum ausgehend, nach denen die Eindr\u00fccke nach au\u00dfen verlegt werden. Jeder Nervenfaser der Netzhaut entspricht eine solche Linie. Wie gro\u00df aber die Entfernung des so gesehenen Gegenstandes ist, wissen wir noch nicht; die Seele kann wohl, wie bemerkt, auf jeden Punkt der Projectionslinie ihre Aufmerksamkeit \u00fcbertragen, sie bedarf aber in unserem Palle eines besonderen H\u00fclfsmittels, um die Entfernung genau zu ermitteln. Dieses besondere Mittel ist der Convergenzwinkel; ihn sch\u00e4tzen wir mittelst einer in uns existirenden \u00bbnat\u00fcrlichen Geometrie\u00ab (S. 62). \u2014 Man sieht aus allem dem, dass die Neuerung, die Berkeley in Bezug auf die Convergenz-bewegungen der Augen hinzugef\u00fcgt hat, nicht in der Entdeckung von Augenmuskelempfindungen besteht, sondern dass er den rationalistischen Standpunkt Descartes\u2019 mit seinem empirischen vertauschte. \u2014 Vergleicht man ferner in unserer speciellen Frage die Ansichten nicht etwa von Le Cat (Trait\u00e9 des sensations 1767, zum ersten Mal 1740, VI. S. 474) oder Porterfield (On the eye, IL S. 388 fil.) mit denjenigen Descartes\u2019, sondern von Forschern unseres Jahrhunderts, wie etwa Hu eck, der da sagt: um die Entfernung eines vor uns liegenden Objectes zu bestimmen, \u00bbmessen\u00ab wir \u00bbganz trigonometrisch zuerst die Basis oder Standlinie und dann den parallaktischen Winkel oder vielmehr den dazu geh\u00f6rigen Bogen\u00ab (a. a. O. S. 28); oder wie Nagel, dem der Mechanismus ebenfalls \u00bbsehr einfach ist, n\u00e4mlich eine geometrische Construction\u00ab (Das Sehen mit zwei Augen, 1861. S. 15, 181 ff.), oder Fick, der die Seele aus den Eindr\u00fccken beider Augen wie aus Bausteinen den r\u00e4umlichen Vorstellungsinhalt im Au\u00dfenraume regelrecht aufbauen l\u00e4sst (Lehrbuch der Anatomie und Physiologie der Sinnesorgane, 1864. S. 318 ff.), dann wird man zugestehen m\u00fcssen, dass der g\u00e9om\u00e9trie naturelle noch in unseren Tagen eine gro\u00dfe Rolle zukommt.","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"[jeb. d. Bedeutung d. Convergenz- u. Accommodatioiisbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 121\nArgumentation liegt auch den Ausf\u00fchrungen von Berkeley und \u00e4nderen zu Grunde. Diese Ueherlegung galt allerdings nur f\u00fcr die Tiefenwahrnehmung. Doch ist klar, dass auf diese Weise die ganze Entstehung des r\u00e4umlichen Tiefensehens psychologisch, mit Zuli\u00fclfe-nahme der Erfahrung oder sonst wie durch psychische Processe, erkl\u00e4rt wird, gleichviel oh die Vertreter dieser Ansicht mehr einer nativistischen oder einer genetischen Raumentwickelungstheorie huldigen.\n\u00a7 4. Die andere Ansicht nahm ihren Ausgangspunkt von Johannes M\u00fcller, als dieser die Lehre von den specifischen Energien ausbildete, und nicht nur in Bezug auf die Sinnesqualit\u00e4ten, sondern in etwas ver\u00e4nderter Form auch auf psychische Inhalte ausdehnte. Bisher war der Unterschied zwischen Nativismus und Empirismus im Raumproblem trotz Berkeley und seiner Schule kaum zu ziehen, er wird aber scharf ausgedr\u00fcckt durch J. M\u00fcller, der die Raumanschauung auch f\u00fcr den Psychologen angeboren, d. h. ein letztes Datum sein l\u00e4sst1). Der ber\u00fchmte Satz von M\u00fcller, dass wir \u00fcberall nur uns seihst r\u00e4umlich empfinden, ebenso die Netzhaut in ihrer Ausdehnung, ist bekannt. Von diesem Standpunkte bek\u00e4mpft M\u00fcller nicht ohne Ironie den Versuch Steinbuch\u2019s, die ganze Raumwahrnehmung mit Zuh\u00fclfenahme von Muskelempfindungen zu erkl\u00e4ren2). Trotzdem schrieb M\u00fcller den Convergenzbewegungen f\u00fcr die Entwickelung der Tiefenwahrnehmung die gr\u00f6\u00dfte Rolle zu. Von Kindheit an, schreibt er, entwickelt sich das Tiefensehen durch immerw\u00e4hrendes Einstellen der Sehachsen auf die Entfernung des Objectes ; die Doppelbilder und das Streben nach Deutlichsehen sind die immerw\u00e4hrend wirksamen Motive zu jenen Convergenzeinstellungen3). Die Ansichten von M\u00fcller wurden in der Folgezeit von allen Physiologen mehr oder weniger acceptirt. Alsbald aber sollte die Netzhaut noch mehr empfinden, als ihr auch M\u00fcller zuschrieb. In seiner ebenso interessanten als bedeutungsvollen Schrift \u00bbPhysiologische Untersuchungen \u00fcber das Sehen mit zwei Augen\u00ab gelangte Panum auf Grund einer zweifellos richtigen Beobachtung zur Ansicht, dass\nb J- M\u00fcller, Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinns. S. 54 ff.\n2)\tM\u00fcller, a. a. O. S. 52\u201455; Steinbuch, Beitrag zur Physiologie der Sinne. N\u00fcrnberg 1811.\n3)\ta. a. O. S. 290\u2014294.","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nMaximilian Arrer,\ndie Netzhaut oder vielmehr beide Netzh\u00e4ute zusammen die F\u00e4higkeit bes\u00e4\u00dfen, die Tiefe unmittelbar zu empfinden1). Zun\u00e4chst hebt Pa-num richtig die Thatsache hervor, dass die binoculare Tiefenwahrnehmung als psychischer Inhalt wesentlich verschieden sei von dem der monocularen Tiefenwahrnehmung. Doch l\u00e4sst er \u00fcbertreibend die Unterschiede so gro\u00df sein wie die zweier g\u00e4nzlich von einander verschiedener Empfindungen. Und indem er nun die verschiedenen Bewusstseinsinhalte mit den sie hervorrufenden Processen verwechselt, und, wie viele Andre, den Begriff der Empfindung nicht eindeutig genug definirt, sondern bald in einem engeren bald in einem weiteren Sinne gebraucht, wird von ihm unter der Hand auch die binoculare Tiefenwahrnehmung als eine besondere \u00bbEmpfindung\u00ab eingef\u00fchrt. Zun\u00e4chst noch nicht als ein psychologisch schlechthin Einfaches, wie etwa die Farbe, aber doch als ein Inhalt, der als unmittelbare Reaction einfacher physiologischer Processe hingestellt wird2). Damit ist aber ein zweifellos zusammengesetzter psychischer Inhalt zu einem relativ einfachen herabgedr\u00fcckt. Dies schien f\u00fcr das Fernere noth-wendig. Stereoskopische und haploskopische Beobachtungen f\u00fchrten Panum zur Aufstellung einiger relativ einfacher, man darf wohl sagen Gesetze \u00fcber die Lage und das Verh\u00e4ltniss der stereoskopischen Bildprojectionen auf den Netzh\u00e4uten, je nachdem ein bestimmter stereoskopischer Tiefeneffect im Sammelbilde entstehen soll. Dr\u00e4ngte schon die subjective Verschiedenheit zwischen hinocularer und mono-cularer Tiefenwahrnehmung unmittelbar zur Annahme einer besonderen Empfindungsqualit\u00e4t, die der binocularen Tiefenwahrnehmung zu Grunde liege, so wurden ihm auf der anderen Seite die gefundenen Gesetze des binocularen Tiefensehens objective Hinweise und Anhaltspunkte f\u00fcr die Construction der geforderten Empfindungen. Es sind die Lageverh\u00e4ltnisse der Halbbilder auf den Netzh\u00e4uten, die letzten Grundes, wenn sie verschmelzen, die specifische Tiefenempfindung bedingen. Panum nennt sie in Bezug auf das \u00e4u\u00dfere Object \u00bbOrtsempfindungen der Punkte\u00ab, welche da stattfinden, \u00bbwo die den zusammengeh\u00f6rigen Contouren zukommenden Projectionslinien im \u00e4u\u00dferen\n1) Panum, Physiologische Untersuchungen \u00fcber das Sehen mit zwei Augen. 1858. S. 85.\n2) a. a. O. S. 13.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Ueb. d. Bedeutung d. Convergenz- u. Aceommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 123\nRaume zusammensto\u00dfen\u00ab1). Und mit Bezug darauf, dass die Projection nach au\u00dfen eine angeborene, keineswegs angelernte \u00bbEmpfindungsqualit\u00e4t\u00ab sei, schreibt Panum, \u00bbkann man diese eigenth\u00fcmliche Empfindungsweise der Dimension der Tiefe, welche beim Sehen mit zwei Augen entsteht, die Empfindung der binocularen Parallaxe nennen\u00ab2).\nDass vom Standpunkte dieser Theorie die Convergenzbewegungen und Muskelempfindungen f\u00fcr das r\u00e4umliche Tiefensehen \u00fcberfl\u00fcssig werden, ist klar, Die einzige, freilich immer noch wesentliche Bedeutung, die ihnen zukommt, \u00bbbesteht offenbar nur darin, dass sie eine Vergleichung der verschiedenen, auf die Dimension der Tiefe bez\u00fcglichen Empfindungen, die bei verschiedenen Augenstellungen vorhanden sind, durch die unmittelbare Aufeinanderfolge erleichtern3).\nPanum bezweckte in seiner Schrift ein doppeltes, einmal das von Wheatstone angeregte Problem weiter zu f\u00fchren, und dann den psychologischen Baumtheorien entgegenzutreten. Die Erscheinungen der r\u00e4umlichen Wahrnehmung, besonders aber die der Tiefenwahrnehmung, wurden his jetzt, so f\u00fchrt er aus, letzten Grundes aus \u00bbpsychischen Th\u00e4tigkeiten\u00ab erkl\u00e4rt, und die \u00bbbequemen und elastischen psychischen Erkl\u00e4rungen\u00ab schienen, dank dieser ihrer Eigenschaft, den beobachteten Erscheinungen zu gen\u00fcgen. Aber ein zwingender Grund daf\u00fcr konnte in keinem Falle erbracht werden. Wenn Erfahrung, Aufmerksamkeit, Phantasie etc., so gro\u00df der Einfluss ist, den sie f\u00fcr die Ausbildung der r\u00e4umlichen Wahrnehmung haben, in jedem einzelnen Falle f\u00fcr den eintretenden Effect ma\u00dfgebend sein sollen, sollte es da nicht m\u00f6glich sein, dass sinnliche Empfindungen als prim\u00e4re Motive r\u00e4umlichen Sehens jene psychischen Th\u00e4tigkeiten erst wecken sollten? Solche Ueberlegungen sind es, die Panum veranlassen, den ger\u00fcgten psychologischen Standpunkt zu verlassen und ihn durch einen mehr physiologischen zu ersetzen. Und in Wahrheit erblickt Panum das Verdienst seiner Schrift au\u00dfer in der Feststellung neuer Thatsachen ebenso sehr in der \u00bbEroberung eines bisher gew\u00f6hnlich der Psychologie vindicirten Terrains f\u00fcr die Physiologie\u00ab4). Dem gegen\u00fcber wird man sich fragen m\u00fcssen, wes-hnlb Panum die Muskelempfindungen verwirft, da sie doch solche\n1) a. a. O. S. 85.\t2) a. a. O. S. 85.\t3) a. a. 0. S. 73.\n4) a. a. O. S. 2\u201416.","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nMaximilian Arrer.\nsinnliche Empfindungen sind, wie er sie eben forderte? Der Grund davon ist Br\u00fccke\u2019s Erkl\u00e4rung der Wheatstone\u2019schen Versuche und ihre Widerlegung durch Dove. Wie bekannt nahm Br\u00fccke, um die Identit\u00e4tstheorie zu retten, an, die Augen durchliefen in raschen Parallel- und Convergenzbewegungen die einzelnen Partien des Bildes, so dass ihre einzelnen Bildpunkte in Horopterkreise fallen, sich auf identischen Stellen abbilden und dann durch Verschmelzung den stereoskopischen Effect erzeugen1). Die Wahrnehmung der Entfernung f\u00fchrte Br\u00fccke auf Muskelempfindungen zur\u00fcck. Nun zeigte aber Dove, dass der stereoskopische Effect auch bei instantaner elektrischer Beleuchtung eintritt, wo die Zeit viel zu kurz ist, um Convergenzbewegungen ausf\u00fchren zu k\u00f6nnen2). Dieses Resultat von Dove war f\u00fcr Panum ma\u00dfgebend: ist ein stereoskopischer Effect auch dann noch m\u00f6glich, wenn Convergenzbewegungen ausgeschlossen sind, und in Folge davon auch Muskelempfindungen fehlen, so ist damit klar gemacht, dass solche Empfindungen f\u00fcr das Tiefensehen \u00fcberhaupt von keiner Bedeutung sind3). Diese Ueberlegungen d\u00fcrften es wahrscheinlich auch erkl\u00e4ren, warum Panum \u00fcber Lotze und Mei\u00dfner hinweggeht, obwohl er bei diesen M\u00e4nnern seine Forderungen f\u00fcr den Ausbau einer Theorie des r\u00e4umlichen Sehens deutlich ausgesprochen und durchgef\u00fchrt vorfindet, aber allerdings mit Heranziehung der Augenmuskelempfindungen. Man wird daher annehmen k\u00f6nnen, dass es Panum von vornherein auf Grund der Wheatstone\u2019schen und seiner Versuche wahrscheinlich schien, das r\u00e4umliche Sehen sei, physiologisch betrachtet, ausschlie\u00dflich eine Function der Netzhaut und ihrer centralen Apparate.\nDieser Standpunkt wurde dann in seiner Allgemeinheit von Hering aufgenommen, physiologisch und psychologisch ausgebildet und bis ins Einzelnste consequent durchgef\u00fchrt. Von diesem Standpunkte aus kommt nach Hering jeder durch die Reizung eines Punktes auf der Netzhaut ausgel\u00f6sten Empfindung auch noch eine Sehrichtung zu. Diese wird unmittelbar durch den Lichtreiz ausgel\u00f6st, so dass \u00bbeine jede von einem beliebigen Netzhautpunkte her\n1)\tM\u00fcller\u2019s Archiv f. Aiiat. u. Physiol. 1841. S. 459 ff., 468.\n2)\tDove, Berliner Akademieberichte. 1841. S. 252.\n3)\ta. a. O. S. 83.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Ueb. d. Bedeutung d. Conmgenz- u. Aecommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 125\njjn Sensorium ausgel\u00f6ste Empfindung . . . sozusagen . . . aus einer Lichtempfindung und einem Raumgef\u00fchl\u00ab gemischt ist1). Solcher Raumgef\u00fchle, oder mit R\u00fccksicht auf die Netzhautpunkte, von denen her sie ausgel\u00f6st werden, \u00bbRaumwerthe\u00ab, gibt es dreierlei: Breiten-, H\u00f6hen- und Tiefenwerthe bez. -Gef\u00fchle. Diese Benennungen sind offenbar Mei\u00dfner entlehnt. Aber w\u00e4hrend f\u00fcr Mei\u00dfner die f\u00fcr das Sehorgan bestehende \u00bbEmpfindungseinheit\u00ab, deren jeder \u00bbein bestimmter Werth in der Dimension der Breite, H\u00f6he und Tiefe zukommt\u00ab2), ein Gebilde aus zwei bekannten oder doch n\u00e4her angeb-baren Factoren ist: der Lichtempfindung und dem Localzeichen, das seinem Entstehen und seinem Begriffe nach ganz so gedacht ist wie bei Lotze, au\u00dfer dass Mei\u00dfner den Muskelempfindungen durch das Heranziehen von Convergenzempfindungen auch auf das Tiefensehen doch eine gr\u00f6\u00dfere Rolle zuschreibt als sein Vorg\u00e4nger3), sind bei Hering diejenigen Bestandtheile der \u00bbEmpfindung\u00ab, die ihren Raumwerth ausmachen, auch wieder nur Functionen des nerv\u00f6sen Sehapparates und seiner centralen Theile. F\u00fcr Hering kommen also irgend welche Muskelempfindungen durch Augenbewegungen ebenso wenig wie f\u00fcr Pan um in Betracht: die Tiefenlocalisation ist bedingt durch die jedem Punkt zukommenden Richtungs- und Tiefengef\u00fchle. Aber diese erhalten ihre Bestimmung von der Netzhautgrube aus, sie sind alle nur relative Werthe. Die Projectionslehre, die bei Panum auf die Frage nach der absoluten Tiefenlocalisation noch eine Antwort gab, verwirft Hering ganz. Alles Tiefensehen, sagt er, geschieht relativ zur \u00bbKernfl\u00e4che\u00ab des Sehraumes, die ungef\u00e4hr im Convergenzpunkt der Blicklinien gesehen wird, aber nicht etwa weil wir sie durch Muskelempfindungen dorthin verlegen, sondern weil wir bei willk\u00fcrlich intendirten Augenbewegungen eine ungef\u00e4hre Kenntniss von den Lagen unserer Augen und dem Schnittpunkt ihrer Sehachsen haben4). Die Muskelcontractionen selbst erzeugen keine Muskelempfindungen, die auf das r\u00e4umliche Tiefensehen Bezug h\u00e4tten5). In den meisten F\u00e4llen aber ist es die Erfahrung im weitesten Sinne, sind es also die secund\u00e4ren Motive der Tiefenlocalisa-\n1)\tHering, Beitr\u00e4ge zur Physiologie. 1864. V. S. 289 f.\n2)\tMei\u00dfner, Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Sehorgans. 1854. S. 99.\n3)\tMei\u00dfner, a. a. O. S. 108 ff.\t4) Hering, a. a. O. S. 135 ff.\n5) a. a. S. 31, 316.","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nMaximilian Arrer.\ntion, die die Lage der Kernfl\u00e4che bestimmen. Ist dies geschehen, So werden die Augenbewegungen durch die Richtungs- und Tiefenwerthe der Netzhaut regiert. Als Anh\u00e4nger und hervorragendster Vertreter der Identit\u00e4tslehre schreibt Hering je zwei identischen Punkten der Doppelnetzhaut eine einfache Empfindung und eine gemeinsame Seh-riclitung zu. Alle Punkte, die n\u00e4her als die Kernfl\u00e4che erscheinen, haben einen relativen Nahwerth, umgekehrt alle diejenigen, die ferner erscheinen, einen relativen Tiefenwerth. Nach dieser Bestimmung der Nah- und Tiefenwerthe kommen identischen Punkten entgegengesetzte Tiefenwerthe zu, symmetrische Punkte dagegen haben identische Tiefenwerthe, aber gegensinnige Richtungswerthe. Ist ein Lichtreiz gegeben und bildet sich der Punkt auf identischen Stellen ab, so ist damit auch das zugeh\u00f6rige Richtungsgef\u00fchl gleichzeitig vorhanden, das eine gleichsinnige Bewegung der Augen ausl\u00f6st. Der Ort, wo der Punkt erscheint, entspricht der Differenz der entgegengesetzten Tiefenwerthe der identischen Stellen, und da diese in diesem Falle = 0 ist, so erscheint er in der Kernfl\u00e4che des Sehraumes. Bildet sich der objective Lichtpunkt auf nichtidentischen Stellen aber identischen H\u00e4lften der Doppelnetzhaut ab, so werden wieder gleichsinnige aber ungleich gro\u00dfe Augenbewegungen ausgel\u00f6st, und da ferner die Tiefenwerthe verschieden gro\u00df sind, so wird der Punkt, falls er einfach gesehen wird, vor oder hinter der Kernfl\u00e4che erscheinen, je nach der Lage der Halbbilder auf der Netzhaut. Symmetrisch gelegene Punkte endlich haben entgegengesetzte und gleichgro\u00dfe Richtungswerthe, ihre Antriebe zur Bewegung m\u00fcssten sich aufheben, da aber ihre Tiefenwerthe auch entgegengesetzt sind, so erfolgt eine gegensinnige Bewegung nun auf Antrieb dieser, und sofern endlich ihre Tiefenwerthe gleich gro\u00df sind, erscheint der Punkt auf der Kemfl\u00e4che des Sehraumes1). So sind es also die Richtungs- und die Tiefenwerthe, welche die Bewegungen des Doppelauges leiten. Es ist daher irrig zu meinen, dass die Bewegungen der Augen die Tiefenwahrnehmung bedingen, vielmehr: die Tiefenwahrnehmung erzeugt die \u00bbTiefenbewegung des Doppelauges, nicht umgekehrt\u00ab2).\n1)\tHering, a. a. S. S. 317 ff.\n2)\tHering, a. a. O. S. 320.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"{jeb. d. Bedeutung d. Convergenz- u. Aecommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 127\n\u00a7 5. Die Lehre von den Augenmuskelempfindungen wurde in ihrer Bedeutung f\u00fcr das r\u00e4umliche Tiefensehen am meisten von \u25a0^undt ausgebildet und von Hering gleichzeitig auf das entschiedenste bestritten. Die Gegens\u00e4tze waren die gr\u00f6\u00dftm\u00f6glichen und gj\u00dfd es noch heute.\nBeide Ansichten haben sich wechselseitig mannigfache Widerspr\u00e4che vorgeworfen. Von den Einw\u00e4nden, die gegen Hering\u2019s Theorie erhoben wurden, ist f\u00fcr uns hier nur einer von Interesse, n\u00e4mlich der Einwand, es gehe in der Theorie keine Motive f\u00fcr die Localisation der Kernfl\u00e4che, wenn die erfahrungsm\u00e4\u00dfigen Motive ausgeschlossen seien1). Eine bestimmte Theorie, wie die \u00bbRaumgef\u00fchle\u00ab psychologisch Zusammenh\u00e4ngen, hat Hering nicht gegeben. Und seinen nativistischen Standpunkt zu kritisiren liegt au\u00dferhalb der Aufgabe dieser Arbeit. So viel ist sicher, dass Hering die Bewusstseinsinhalte mit den psychischen Processen verwechselt und die wahre Aufgabe der Psychologie zum Theil verkennt. Die nativistischen Raumtheorien w\u00fcrden wahrscheinlich \u00fcberhaupt aufh\u00f6ren in der Wissenschaft zu existiren, wenn jene Verwechselung nicht stattf\u00e4nde. Dass auch der Psycholog zun\u00e4chst die fertige Raumanschauung hat, dass sie auch ihm f\u00fcr seine Untersuchung gegeben ist, ist sicher; ob damit aber sein Gesch\u00e4ft erledigt sei, ist eine andere Frage, deren L\u00f6sung nicht zum wenigsten von der Begriffsbestimmung der Psychologie selbst und der Feststellung ihrer Aufgaben ahh\u00e4ngt.\nDie Ansichten von Wundt, sofern sie auch psychologisch klar ausgebildet sind, haben nach beiden Seiten, nach der experimentellen wie nach der theoretischen, Einw\u00e4nde hervorgerufen. Einen ersten Einwand erhob sogleich Hering. Wenn die Tiefenlocalisation von der Convergenzstellung der Blicklinien abh\u00e4ngt, so m\u00fcsste, meint er, der Gegenstand im Convergenzpunkt gesehen werden, d. h. auf seinem richtigen Orte. Dass dies aber nicht der Fall ist, dass wir auch binocular die absolute Entfernung nicht sch\u00e4tzen k\u00f6nnen, hebt auch Wundt hervor2), aus welchem Zugest\u00e4ndnis Hering die Schl\u00fcssel C. Stumpf, Ueber den psychologischen Ursprung der Raumwahrneh-jnung. Leipzig 1873. Ich f\u00fchre die Einw\u00e4nde hier blo\u00df an, sie werden sp\u00e4ter \u201cn Text ausf\u00fchrlicher zur Sprache kommen.\n2) a. a. O. S. 193.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nMaximilian Arrer.\nfolgerung zieht, dass die Tiefenlocalisation eben nicht nach der Con\u00ab vergenz der Sehachsen geschehe1). Ein zweiter Einwand wurde sodann yon Helmholtz erhoben. Bei den Versuchen von Wundt k\u00f6nnten sich m\u00f6glicherweise die Augen gar nicht bewegt haben, sondern mit der Weiter- und N\u00e4herr\u00fcckung des Fadens blo\u00df das Netzhautbild verschoben worden sein und danach der Beobachter die Tiefe be-urtheilen2). Sodann bemerkte Aubert, in Wundt\u2019s monocularen Versuchen k\u00f6nne nicht mit Sicherheit angenommen werden, dass die Convergenzstellung der Sehachsen ausgeschlossen war, wie Wundt dies annahm. Auhert schreibt: \u00bbwenn ich auch nur mit einem Auge sehe, so habe ich doch immer noch eine Empfindung davon, ob meine Augenachsen stark oder schwach convergiren\u00ab3). Endlich hat in neuester Zeit Franz Hillehrand Versuche mitgetheilt, die in Bezug auf die Accommodations- und Convergenzempfindungen f\u00fcr die Tiefensch\u00e4tzung scheinbar ein g\u00e4nzlich negatives Resultat ergaben4).\nAu\u00dfer diesen Einw\u00fcrfen nach der Seite der Versuche selbst wurden noch andere nach der theoretischen Seite erhoben. Nach Wundt\u2019s theoretischer Ansicht ist die Baumvorstellung ein synthetisches Verschmelzungsproduct aus mannigfachen Elementen, unter denen die Accommodations- und Convergenzempfindungen diejenigen urspr\u00fcnglichen Elemente sind, welche in diesem Verschmelzungsproduct f\u00fcr unser Bewusstsein die Beziehung nach der Tiefe des Raumes zum Ausdruck bringen5). Ohne die Bedeutung der Augenmuskelempfindungen f\u00fcr die Tiefenwahrnehmung zu verkennen, wenden sich Stumpf6) und Lipps7) gegen den von Wundt angenommenen psychischen Process. Endlich hebt Wundt in seinen Beitr\u00e4gen selbst\n1)\tHering, a. a. O. S. 135ff.\n2)\tHelmholtz, Physiologische Optik. I. Aufl. S. 651; II. Aufl. S. 797.\n3)\tAubert, Physiologie der Netzhaut. 1865. S. 328.\n4)\tFr. Hillebrand, Das Verh\u00e4ltniss von Accommodation und ConvergeM zur Tiefenlocalisation. Zeitschr. f. Psychologie u. Physiologie der Sinnesorgane, herausg. von H. Ebbinghaus und A. K\u00f6nig. Bd. VII.\n5)\tWundt, Beitr\u00e4ge. S. 443.\n6)\tStumpf, Ueber den psychologischen Ursprung der Raumvorstellung. 1873. S. 106.\n7)\tTh. Lipps, Die Raumanschauung und die Augenbewegung. Zeitschr. f Psychologie u. Physiologie der Sinnesorgane, herausg. von H. Ebbinghaus und A. K\u00f6nig. Bd. III.","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"(Jeb. d. Bedeutung d. Convergent- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 129\nhervor, dass seine Versuche an Zahl gering sind, und in Folge dessen vielleicht auch manche Ungenauigkeit enthalten1).\nSo ist denn Grund genug vorhanden gewesen, diese Versuche einer erneuten Pr\u00fcfung zu unterziehen, die Argumente f\u00fcr und wider durchzugehen, um wom\u00f6glich zu einem gesicherteren Ergebniss zu gelangen. Dies ist die Aufgabe der folgenden Untersuchungen.\nCapitel I.\nVersuche \u00fcber die Wahrnehmung von Tiefenunterschieden hei successiver Vergleichung.\na. Versuchsbedingungen und ihre Anordnung.\n\u00a7 6. Wundt hat auf den thats\u00e4chlichen Einfluss der Conver-genzbewegungen auf die Tiefenlocalisation, hei Ausschluss aller sonst durch die Erfahrung bekannten Motive, aus Versuchen bei mono-cularem und bei binocularem Sehen geschlossen. Dies schien durch gewisse Verh\u00e4ltnisse von selbst geboten zu sein. Man schrieb der Accommodation die F\u00e4higkeit zu, durch Muskelempfindungen Aufschluss \u00fcber die Entfernung der Objecte zu geben. Thut sie dies, so muss es in gleichem Ma\u00dfe geschehen, ob monocular oder binocular gesehen wird, f\u00fcr die Oonvergenzbewegungen dagegen schien \u00e4hnliches nicht gelten zu k\u00f6nnen. Denn die haupts\u00e4chlich von Porterfield und M\u00fcller vertretene Ansicht, Accommodation und Convergenz st\u00fcnden in solcher physiologischer Association, dass unter allen Umst\u00e4nden, wenn nur ein Auge einen Punkt fixirt, auch das geschlossene nut seiner Blicklinie genau auf denselben Punkt eingestellt ist, war durch Volkmann als unzutreffend nachgewiesen worden2). Hierauf, wie auch auf die Untersuchungen von Donders3) und Czermak4)\n!) a. a. O. S. 415.\n2)\tVolkmann, Neue Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Gesichtssinnes. 1836. h. 147 f.\n3)\tDonders, Nederlandsch Tijdschrift voor Geneeskunde, 1857, citirt nach \"undt, Beitr\u00e4ge. S. 187.\n4)\tGesammelte Schriften von Joh. Nep. Czermak. Leipzig 1879. Bd. I. \u2022 h S. 243 ff. (Zum ersten Male ver\u00f6ffentlicht 1854/55 in den Wiener Akademieberichten.)\nWaadt, Philos. Studien XIII.\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nMaximilian Arrer.\ngest\u00fctzt, denen es gelang, innerhalb ziemlich weiter Grenzen die Accommodation und Convergenz von einander unabh\u00e4ngig zu ver\u00e4ndern, nahm Wundt an, dass heim monocularen Sehen, und besonders in den von ihm ausgef\u00fchrten monocularen Versuchen, wo das Fixationsobject immer in der gerade nach vorn gerichteten Sehachse verblieb, die Convergenz wie auch jede andere \u00e4u\u00dfere Augenbewegung ausgeschlossen sei'). Auf der andern Seite f\u00fchren gewisse Thatsachen zu der Annahme, dass, sofern ein gewisses Zusammengehen von Accommodation und Convergenz besteht, in der Regel nicht die Convergenz nach der Accommodation, sondern umgekehrt diese nach jener sich richtet. Die haupts\u00e4chlichste Thatsache, die darauf hinweist, ist, dass sowohl die Accommodation als auch die Convergenz durch gewisse distincte Punkte und dominirende Linien im Gesichtsfelde regiert werden. Reflex artig wird ein solcher dominirender Punkt auf die Stelle des deutlichsten Sehens \u00fchergef\u00fchrt, und ebenso reflexartig wird auf ihn accommodirt. Aber jener erstere Zusammenhang ist ein unmittelbarerer als dieser letztere; es geschieht ferner jene erstere Bewegung schneller als diese zweite ; und es geht endlich die Ueberf\u00fchrung des seitlich sich auf der Netzhaut abbildenden Punktes zur Fovea in gewissem Betracht der Accommodation voran. Auf Grund solcher Betrachtungen erkl\u00e4rt Wundt die Entstehung des Zusammenhanges zwischen Convergenz und Accommodation durch physiologische Uebung unter der Herrschaft f\u00fcr beide gleichartig wirkender Motive (der dominirenden Punkte und Linien)1 2). F\u00fcr monoculare und binoculare Versuchsreihen w\u00fcrde daraus und aus dem Vorangehenden folgen erstens, dass, wenn die Erkennung von Tiefenunterschieden heim monocularen und heim binocularen Sehen durch Accommodationshewegungen bedingt w\u00e4re, kein Unterschied zwischen beiden Versuchsreihen sein d\u00fcrfte, und zweitens, wenn ein solcher vorhanden ist, so wird er durch die Convergenzhewegungen heim binocularen Sehen zu erkl\u00e4ren sein.\n\u00a7 7. Dem Beispiele Wundt\u2019s folgend habe auch ich die Versuche monocular und binocular ausgef\u00fchrt. Dies bedarf gegen\u00fcber einem j\u00fcngst erhobenen Einwande einer besonderen Rechtfertigung.\n1)\tWundt, Beitr\u00e4ge, S. 123.\n2)\ta. a. 0. S. 188 f.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"(jeb. d. Bedeutung d. Convergenz- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahr-nehmung. 131\nIn seiner schon erw\u00e4hnten Abhandlung hebt Hillebrand hervor, binoculare Versuche \u00fcber die Tiefensch\u00e4tzung auf Grund der Convergenz seien ungeeignet, weil die Disparation der Bilder hier nicht ausgeschlossen, sie aber ein weit besseres Mittel der Tiefensch\u00e4tzung als irgend ein anderes sei. Es d\u00fcrften demnach die Versuche nur monocular ausgef\u00fchrt werden. Und dies gen\u00fcge auch, denn die physiologische Association zwischen Accommodation und Convergenz bringe es mit sich, dass sich mit jeder Aenderung des Accommoda,-tionszustandes auch die Convergenz entsprechend \u00e4ndere. Die von Volkmann, Donders, Czermak u. A. nachgewiesene Thatsache, dass der Zusammenhang zwischen Accommodation und Convergenz kein unl\u00f6sbarer sei, habe hier nichts zu bedeuten, da jene L\u00f6sung nichts normales sei, sondern immer erst durch Anwendung k\u00fcnstlicher Mittel (Donders) oder durch absichtliches Ein\u00fcben (Czermak) erfolge, w\u00e4hrend die Association sonst immer bestehe. Daraus folge dann, dass, wenn man die Leistung der Accommodation f\u00fcr das Erkennen von Tiefenunterschieden untersuche, damit auch die Leistung der Convergenz implicite untersucht werde1). Was den ersten Einwand anlangt betreffs der Disparation beim binocularen Sehen, so soll auf ihn erst bei einer sp\u00e4teren Gelegenheit eingegangen werden2). Was Hillebrand an zweiter Stelle vorbringt, dass n\u00e4mlich mit der Untersuchung der Leistung der Accommodation f\u00fcr die Tiefensch\u00e4tzung gleichzeitig auch die der Convergenz untersucht werde, trifft im allgemeinen sicher zu. Einmal weil, wie Hering nachwies, die Innervation des bewegten Doppelauges f\u00fcr beide Theile eine gemeinsame ist3), denn bei allen diesen Versuchen sind Augenbewegungen nicht ausgeschlossen, und d\u00fcrfte das \u00fcberhaupt schwer zu erreichen sein, einfach weil der Beobachter seine Augen nicht ruhig h\u00e4lt und nicht ttdiig halten kann, ohne in k\u00fcrzester Zeit zu erm\u00fcden; und ferner, weil unter normalen Umst\u00e4nden4) doch innerhalb ziemlich enger Grenzen Accommodation und Convergenz \u00fcbereinstimmen. In Anbetracht der Thatsache aber, dass Wundt\u2019s monoculare und binoculare Versuche m wesentlichen Punkten verschiedene Resultate ergaben, und weil \u00fcber-\n4) Hillebrand, a. a. O. S. 104.\n2) S. unten Cap. II, c. und e.\nHering, Die Lehre vom binocularen Sehen. 1868. S. 6 ff.\n4) S. unten Cap. II, e.\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nMaximilian Arrer.\ndies die Bedingungen der Association von Accommodation und Con-vergenz in Bezug auf das causale und demzufolge wohl auch auf das zeitliche Verh\u00e4ltniss beider verschiedene sind1), ist es jedenfalls nothwendig beide Versuchsweisen von neuem zu pr\u00fcfen.\n\u00a7 8. Um den Einfluss der Oonvergenz der Blicklinien auf die r\u00e4umliche Tiefenwahmehmung experimentell zu untersuchen, hat Wundt folgende Versuchsanordnung getroffen: Hinter einer Wand sa\u00df die Versuchsperson und konnte nur durch eine innen geschw\u00e4rzte Bohre auf einen ziemlich entfernten gleichm\u00e4\u00dfigen wei\u00dfen Hintergrund blicken. Als Object diente ein d\u00fcnner schwarzer Faden, der frei im Gesichtsraume, durch ein kleines Gewicht beschwert, herabhing und an einer Oentimeterscala verschiebbar war. In einer ersten Beihe von Versuchen wurde immer nur dieser eine Faden benutzt. Der Beobachter blickte zun\u00e4chst durch die Bohre nach dem Faden, wendete dann, w\u00e4hrend derselbe an der Scala verschoben wurde, den Blick von der Bohre ab, und sah hierauf wieder hinein, um die Entfernung des nun nach der Tiefe verschobenen Fadens mit der im Ged\u00e4chtniss behaltenen zu vergleichen und zu bestimmen. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Verr\u00fcckung des Fadens so rasch als m\u00f6glich und immer in gleichlanger Zeit geschah.\nDie beschriebene Versuchsanordnung wurde auch in den im Folgenden mitzutheilenden Versuchen im allgemeinen benutzt, jedoch mit einigen wesentlichen Verbesserungen, die mir Herr Professor Wundt selbst vorschlug. Vor allem sollten nicht ein, sondern zwei F\u00e4den benutzt werden. Ein noch so d\u00fcnner und gleichm\u00e4\u00dfig gearbeiteter Faden enth\u00e4lt doch immer F\u00e4serchen und kleine Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten, die vielleicht als Kriterien der Vergleichung dienen k\u00f6nnten. Benutzt man aber zwei gleich d\u00fcnne F\u00e4den, so dass der eine, und zwar nicht immer derselbe, als Vormalfaden hez. Normaldistanz dient, der andere als Vergleichsdistanz, so k\u00f6nnen jene geringen Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten, wenn sie auch bemerkbar sein sollten, doch nicht als Urtheilskriterien verwendet werden. Um aber auch bei solcher Anordnung in m\u00f6glichst kurzer Zeit die Vergleichsdistanz herzustellen, waren noch einige andere Ver\u00e4nderungen erforderlich. Alle diese ber\u00fccksichtigt, gestaltete sich die neue von Herrn Pro-\n1) S. unten \u00a7 34 ff.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"[job. d. Bedeutung d. Convergenz- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 133\nfessor Wundt mir vorgeschlagene technische Versuchsanordnung\nfolgenderma\u00dfen:\nAB ist eine mit mattschwarzem Papier \u00fcberzogene Wand, die in der Augenh\u00f6he des Beobachters einen innen geschw\u00e4rzten Tubus tr\u00e4gt (o). Der Tubus war 80 mm breit und 40 mm hoch, nach der Tiefe war er zu verl\u00e4ngern und zu verk\u00fcrzen. Der hintere Ausschnitt des Rohres war dann immer ein solcher, dass das durch den gleichm\u00e4\u00dfigen grauen Hintergrund H ausgef\u00fcllte Gesichtsfeld ungef\u00e4hr gleiche Breite und H\u00f6he besa\u00df. Bei g befindet sich eine Kinnst\u00fctze. Zwischen den gegen\u00fcberstehenden W\u00e4nden eines 5,50 m langen Zimmers, dessen Beleuchtung eine g\u00fcnstige ist, ist ein ziemlich starker Draht CD gespannt. An diesem Drahte ist beweglich aufgeh\u00e4ngt ein aus d\u00fcnnem Holz verfertigtes Lineal von einem halben Meter L\u00e4nge. Durch metallene Oesen leicht beweglich, aber den Draht CD gut umfassend, hingen an demselben die P\u00e4den f und f herab, beide durch conische und mit langen Seiten ausgestattete Stahlgewichte beschwert. Die technische Arbeit des Experimentators bestand nun in folgendem: das Gesichtsfeld des Beobachters ist durch einen vor dem Tubus aufgestellten Schirm zun\u00e4chst verdeckt. Nachdem die Distanz, f\u00fcr welche die Unterscheidungsf\u00e4higkeit untersucht werden soll, abgemessen war, wurde der Faden f eingestellt, und gleichzeitig auch f auf eine etwas gr\u00f6\u00dfere oder geringere Entfernung (in F\u00e4llen, wo die Entfernung dieselbe blieb, wurde der zweite Faden abgeh\u00e4ngt). War alles in beschriebener Weise vorbereitet, so hob der Experimentator den die Vergleichsdistanz markirenden Faden auf und hielt ihn,","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nMaximilian Arrer.\nw\u00e4hrend er das Gesichtsfeld des Beobachters \u00f6ffnete, mit der Hand oberhalb des Bereiches desselben. Hatte sich der Beobachter eine gen\u00fcgend klare Vorstellung von der Entfernung des sichtbaren Badens gebildet, so gab er dies dem Experimentator durch ein \u00bbjetzt\u00ab Zu erkennen, und schloss gleichzeitig die Augen. Sofort lie\u00df der Experimentator mit der einen Hand den hoch gehaltenen Baden herab w\u00e4hrend er den ersten gleichzeitig mit der anderen aufhob, worauf auf ein \u00bbjetzt\u00ab von Seiten des Experimentators der Beobachter die Augen wieder \u00f6ffnete und durch das Blickrohr nach dem Baden sab. Der rasch herabgelassene Baden konnte nicht pendeln, denn das an ihm befestigte Stahlgewicht wurde sofort beim Herablassen durch einen gen\u00fcgend starken prismatisch geschnittenen Magneten festgehalten. Die Magnete m und m' standen auf einem breiten und gleichm\u00e4\u00dfig flachen Meterma\u00dfstab, dessen Theilstriche vor dem Versuche in genaue Uebereinstimmung mit dem am Drahte aufgeh\u00e4ngten Ma\u00dfstabe gebracht wurden.\nBei dieser Versuchsanordnung, wo immer gleichzeitig zwei gleichd\u00fcnne B\u00e4den benutzt wurden, ist der Uebelstand, der bei Verwendung nur eines Badens auftritt, dass Basem und Unebenheiten des Badens zu bewussten Kriterien der Vergleichung dienen, beseitigt1).\nAu\u00dfer dass mir Herr Professor Wundt diese ganze Versuchsanordnung vorschlug, He\u00df er mir auch noch an manchen anderen Stellen seinen werthvollen Bath zu Theil werden, und so folge ich nur einem inneren Drange, meinem hochverehrten Lehrer meinen tiefsten Dank hier auszusprechen.\nDie Herren, die die G\u00fcte hatten, an diesen Untersuchungen Theil zu nehmen, waren: Herr Prof. K\u00fclpe, derzeit Professor der Philosophie an der Universit\u00e4t W\u00fcrzburg; Herr Dr. Armand Thi\u00e9ry, Assistent am psychologischen Laboratorium in Br\u00fcssel (Verfasser der Abhandlung \u00bbUeber geometrisch-optische T\u00e4uschungen\u00ab in Wundt\u2019s Philos. Studien, Bd. XI, Heft 3 u. 4 und Bd. XH, Heft 1); Herr Dr. Alexander Spitzer, Assistent an der psychiatrischen Klinik des Herrn Prof. v. Kraft-Ebing in Wien; Herr Xicolaus Ussow, jetzt Privatdocent in Petersburg; Herr Dr. Briedrich Kiesow, damals 2. Assistent am psychologischen Laboratorium in Leipzig,\n1) Hillebrand, a. a. O. S. 112, 117.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"(Jeb. d. Bedeutung d. Converger\u00ab- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahmehmung. 135\njetzt in Turin; Herr cand. phil. E. A. Taylor (England); Herr J. Phi Fruit (Amerika); Herr Gr. E. Tawney, cand. phil. (Amerika). Gelegentliche Beobachtungen wurden noch angef\u00fchrt von den Herren Dr. Meumann, G. D. Hicks, cand. phil. (England), und Dr. A. Hoch (Amerika). Allen diesen Herren sage ich meinen besten Dank f\u00fcr ihre freundliche und ausdauernde Mitarbeit.\nb. Monoculare Versuche.\n\u00a7 9. Wundt beginnt die Darstellung seiner monocularen Versuche mit einer Beschreibung davon, wie sich das Subject verhalte, wenn es zum ersten Male an diese Versuche herantrete, d. h. was es sehe, wenn es zum ersten Male durch das Blickrohr des beschriebenen Apparates blickt. Dies ist unbedingt erforderlich, da, wie ich sp\u00e4ter n\u00e4her mittheilen werde, das Verhalten des Beobachters sich in relativ kurzer Zeit sehr \u00e4ndert. Wundt schreibt: \u00bbMan \u00fcberzeugt sich bei diesen Versuchen sogleich, dass es in denselben durchaus unm\u00f6glich ist, \u00fcber die absolute Entfernung irgend etwas auszusagen. Vor allem erscheint die wei\u00dfe El\u00e4che, auf die man blickt, in g\u00e4nzlich unbestimmter Weite, man wei\u00df nicht, ob sie dicht vor der geschw\u00e4rzten R\u00f6hre oder in mehr oder minder gro\u00dfer Ferne sich befindet. Ist nun zwischen der wei\u00dfen Fl\u00e4che und dem Auge ein schwarzer Faden aufgeh\u00e4ngt, so l\u00e4sst sich auch \u00fcber dessen Entfernung \u2014\u2022 wenn man nicht seine Dicke etwa vorher kennt \u2014 nicht das geringste bestimmen: er erscheint als ein schwarzer Strich, der auf der wei\u00dfen Fl\u00e4che gezogen ist. Nur wenn der Faden sich sehr weit oder sehr nahe befindet, l\u00e4sst sich dies erkennen . . .A).\nDiese Beschreibung gilt f\u00fcr alle meine Beobachter und mich in gleichem Ma\u00dfe, nur Herr Dr. Spitzer verhielt sich, wie gleich erw\u00e4hnt werden soll, etwas anders.\nSo lange der Beobachter in der von Wundt beschriebenen Weise so zu sagen gar kein Urtheil \u00fcber die Entfernung des Fadens von sich hat, ist auch eine relative Entfernungssch\u00e4tzung kaum m\u00f6g-hch. Nur wenn der Faden um so viel verschoben wird, dass eine deutliche Ver\u00e4nderung seines scheinbaren Durchmessers erkannt wird,\n1) Wundt, a. a. O. S. 107.","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nMaximilian Arrer.\nschlie\u00dft der Beobachter auf eine Verschiebung nach der Tiefe; manchmal wird diese gesehen, weit \u00f6fters aber nur erschlossen. Mit dem letzteren steht ein anderes Verhalten im Zusammenh\u00e4nge, n\u00e4mlich dass h\u00e4ufig trotz der scheinbaren Erkenntniss, dass sich der scheinbare Durchmesser ver\u00e4ndert hat, mit dem Urtheil doch zur\u00fcckgehalten wird, oder sogar eines der scheinbaren Ver\u00e4nderung des Durchmessers des Fadens widersprechendes Urtheil abgegeben wird. Womit das alles zusammenh\u00e4ngt, wie es zu erkl\u00e4ren ist, dar\u00fcber sp\u00e4ter. Sofern aber das beschriebene Verhalten des Beobachters nicht vereinzelt auftrat, sondern sich h\u00e4ufig genug wiederholte, darf schon jetzt daraus geschlossen werden, dass es nicht, oder jedenfalls nicht durchgehends, die scheinbare Dicke des Fadens ist, wonach bei diesen Versuchen die Verschiebung nach der Tiefe erkannt wird.\n\u00a7 10. Erst allm\u00e4hlich, aber immerhin relativ schnell, manchmal innerhalb einer Versuchsreihe von 10\u201420 Einzelversuchen, lernt der Beobachter die Einstellungen des Objectes in verschiedenen Entfernungen unterscheiden, zun\u00e4chst noch unbestimmt nach ihrer absoluten Entfernung, aber jede folgende relativ zur vorangehenden. Erst als dieses Stadium erreicht war, begann ich die Versuche in systematischer Weise auszuf\u00fchren. Ich bediente mich der Methode der Minimal\u00e4nderungen mit doppelter Abschreitung. Dabei hielt ich f\u00fcr die verschiedenen einzelnen Normaldistanzen, f\u00fcr welche es galt, die Unterscheidungsf\u00e4higkeit in der Tiefenverschiebung zu untersuchen, nicht die gleiche Zahl von Zwischenstufen zwischen \u00bbgleich\u00ab und \u00bbdeutlich verschieden\u00ab, d. h. weiter oder n\u00e4her, ein. Dies war un-n\u00f6thig und auch unm\u00f6glich, da hei gewissen geringen Entfernungen die Unterscheidungsf\u00e4higkeit so gross ist, dass der Apparat ein Einschieben von mehreren Zwischenstufen nicht erlaubte. Wird ferner hei der Methode der Minimal\u00e4nderungen ein doppeltes Abschreiten nach einer oberen und einer unteren Grenze vom Normalreiz erst als eine ganze Versuchsreihe angesehen, so habe ich auch das nicht durchgehends ohne Unterbrechung eingehalten. Um dies zu thun, h\u00e4tte ich die Erhaltung der Gleichm\u00e4\u00dfigkeit der psychischen Disposition des Beobachters preisgehen m\u00fcssen, denn es tritt hei diesen Versuchen sehr schnell Erm\u00fcdung ein, aber nicht gleichm\u00e4\u00dfig, sondern je nach der Gr\u00f6\u00dfe der Entfernungen. Da ich glaubte auf die Erhaltung einer gleichm\u00e4\u00dfigen Disposition bei dem Beobachter achten zu m\u00fcssen","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"d Bedeutung d. Coiivergenz-11 Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahruehmung. 137\ns0 trennte ich besonders hei ferneren Distanzen die einheitliche Versuchsreihe in zwei Theile, indem ich zwischen die doppelte Abschrei-tung nach einer oberen und unteren Grenze (Entfernung und Ann\u00e4herung) eine kleine Pause (3\u20144 Min.) einschob. Zwischen je zwei vollst\u00e4ndigen Versuchsreihen lag immer eine gr\u00f6\u00dfere Zeit zum Ausruhen (ungef\u00e4hr 10 Min.).\n\u00a711. Um genaue Zahlenwerthe f\u00fcr die Ann\u00e4herungs- und Ent-femungsschwelle zu erhalten, h\u00e4tte ich eine sehr gro\u00dfe Zahl von Versuchen anstellen m\u00fcssen, was sehr viel Zeit erfordert h\u00e4tte. Statt dessen habe ich bei den Beobachtern, die mir durch ihre G\u00fcte l\u00e4ngere Zeit zur Verf\u00fcgung standen, alle in den folgenden Tabellen angegebenen Distanzen nur zweimal gepr\u00fcft und demnach auch beide in dieser Weise erhaltenen Schwellenwerthe angegeben. Nur mit Herrn Thi\u00e9ry wiederholte ich die Versuche viermal, zog aus ihnen das Mittel und gab dazu die gr\u00f6\u00dfte und kleinste Abweichung an. Damit ist gesagt, dass die in den Tabellen niedergelegten Zahlen nicht absolut gelten. Immerhin wird man bemerken, dass die Verschiedenheiten zwischen den angegebenen Versuchsreihen nicht nur eines und desselben Beobachters, sondern auch aller untereinander nicht gro\u00df sind.\n\u00a7 12. Im Folgenden reproducire ich zun\u00e4chst die Ergebnisse von Wundt, bringe dann in den darauf folgenden Tabellen die eigenen Versuche, um endlich beide mit einander zu vergleichen.\nWundt stellte seine Versuche an einer Person an, deren Auge etwas fernsichtig war und ein beschr\u00e4nktes Accommodationsverm\u00f6gen hatte: sein Eempunkt lag 250, sein Nahepunkt 40 cm vom Auge entfernt. Solche Augen, meint Wundt, sind f\u00fcr die Untersuchung der monocularen Tiefenlocalisation am geeignetsten, weil sie innerhalb eines beschr\u00e4nkten Baumes alle Verh\u00e4ltnisse der Tiefensch\u00e4tzung diesseits, jenseits und innerhalb des Accommodationsbereiches zu erkennen gestatten. Die numerischen Ergebnisse, die Wundt an dem beschriebenen Auge fand, sind folgende ^ (die Zahlen bedeuten Centimeter) :\n1) Wundt, Beitr\u00e4ge, S. 114; Grundz\u00fcge der Physiologischen Psychologie. 4' Aufl. ix. g. 107","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"\tMaximilian Arrer.\t\nD\tSa\tSe\n40\t4,5\t4,5\n50\t4,5\t6,5\n80\t5\t7\n100\t8\t11\n180\t8\t12\n200\t8\t12\n220\t10\t12\n250\t12\t12\nD bezeichnet die Entfernung des Fadens vom Auge, Sa die Ann\u00e4herungsschwelle, Se die Entfemungsschwelle. Ferner ergab sich, dass jenseits des Fempunktes sowohl die Entfernung als die Ann\u00e4herung erst dann erkannt wurde, wenn sich der scheinbare Durchmesser des Fadens bereits um ein merkliches ver\u00e4ndert hatte. Diesseits des Nahepunktes dagegen wurde das Urtheil \u00fcber die relative Entfernung des zweiten Fadens durch die gr\u00f6\u00dfere oder geringere Undeutlichkeit des Fadens bedingt.\nInnerhalb des Accommodationsverm\u00f6gens ist das Verhalten ein anderes. W\u00e4hrend sich ergab, dass sich au\u00dferhalb des Accommodationsverm\u00f6gens Ann\u00e4herungs- und Entfernungsgrenze gleich verhalten, indem sie von der scheinbaren Dicke und Deutlichkeit abh\u00e4ngig sind, tritt hier innerhalb des Accommodationsbereiches ein verschiedenes Verhalten der Unterscheidungsgrenzen ein: die Entfernungsgrenze verh\u00e4lt sich zun\u00e4chst noch gleich wie jenseits des Fempunktes, und bleibt sich auch der Gr\u00f6\u00dfe nach gleich, w\u00e4hrend die Ann\u00e4herungsgrenze bedeutend an Feinheit zunimmt. Allm\u00e4hlich nimmt dann auch die Unterscheidungsgrenze f\u00fcr Entfernung an Feinheit zu; mit immer gr\u00f6\u00dferer Ann\u00e4herung des Fadens an das Auge gleichen sich die beiden Unterscheidungsgrenzen immer mehr aus, bis sie endlich beim Nahepunkte wieder gleich werden und diesseits desselben auch gleich bleiben.\n\u00a7 13. Sehen wir jetzt zu, ob und (wie weit sich die eben mit-getheilten Verh\u00e4ltnisse in den von mir angestellten Versuchen wiederfinden. Ich will sogleich mittheilen, dass unter sechs Beobachtern nur einer, dessen rechtes Auge gleichfalls \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse wie das von Wundt zu seinen Versuchen herangezogene aufwies, Ergebnisse lieferte, die nach ihrer objectiven Seite denen von Wundt","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Ueb. d. Bedeutung d. Convergenz- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehranng. 139\ngleichen. Es sind dies die Versuche an Herrn A. E. Taylor; sein Fernpunkt lag etwas liber 200 cm, sein Nahepunkt etwa hei 30 cm.\nB\tSa\tSe\n20\t1\t1\n30\t1\t1\n40\t2\t3\n60\t3\t5\n80\t6\t7\n100\t6\t12\n150\t8\t12\n180\t7\t10\n220\t10\t12\nEin Blick auf die von Wundt mitgetheilte und diese Tabelle l\u00e4sst sofort ihre Uebereinstimmung erkennen. Auch das, was Wundt \u00fcber das Verhalten jenseits des Eernpunktes fand, traf f\u00fcr Herrn Taylor zu, dagegen war es ihm kaum m\u00f6glich, diesseits von 20 cm Entfernungsunterschiede noch zu erkennen, er f\u00fchlte hei so geringer Entfernung starke Erm\u00fcdung in den Augen, die sich bis zum Schmerz steigerte. Schon hei 40 cm Entfernung klagte er \u00fcber schnell eintretende Erm\u00fcdung, besonders im linken, vom Sehen excludirten Auge. Sonst gab dieser Beobachter nur noch an, dass er sich im allgemeinen im Urtheil immer mehr oder weniger unsicher f\u00fchle und haupts\u00e4chlich auf die geringere oder gr\u00f6bere Deutlichkeit des Fadens achte. Der Beobachter meinte dabei nicht die Dicke des Fadens, sondern die Sch\u00e4rfe, mit der er ihn sah. Immerhin war es erforderlich nachzusehen, ob sich hei diesen Versuchen denn doch nicht vielleicht auch die scheinbare Dicke des Fadens in einem Ma\u00dfe \u00e4nderte, dass sie, wenn auch vielleicht vom Beobachter unbeachtet, doch f\u00fcr die abgegebenen Urtheile von Bedeutung h\u00e4tte sein k\u00f6nnen. Berechnet man aber die Differenzen der Gesichtswinkel, die den Ann\u00e4herungs- und Entfernungsstrecken in der obigen Tabelle entsprechen, so ergibt sich bei 0,22 mm Dicke des Fadens ein gr\u00f6\u00dfter Werth von 12' f\u00fcr die Ann\u00e4herung und 11\" f\u00fcr die Entfernung bei 20 cm Bistanz des Fadens, und ein geringster von 1\" f\u00fcr Ann\u00e4herung und Entfernung bei 220 cm. Wollte man hier die geringsten Werthe, die f\u00fcr die Unterscheidungsf\u00e4higkeit des Gesichtswinkels geltend","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nMaximilian Arrer.\ngemacht worden sind1 2), in Betracht ziehen, n\u00e4mlich die von W\u00fclfing gefundenen, deren Minimalwerth 10 bis 12 Winkelsecunden betr\u00e4gt 2) so w\u00e4re es noch immer unzul\u00e4ssig zu meinen, es h\u00e4tte die scheinbare Dicke des Fadens bei diesen Versuchen eine Rolle gespielt.\nDie Tabellen der \u00fcbrigen Beobachter weisen durchgehends eine feinere Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr das Erkennen von Tiefenunterschieden auf, die Differenzen der Gesichtswinkel sind dann noch geringere. In den folgenden drei Tabellen sind die Unterscheidungsgrenzen f\u00fcr alle Distanzen je zweimal verzeichnet, entsprechend der doppelten Pr\u00fcfung derselben; die mit I. V. \u00fcberschriebenen Rubriken enthalten die Resultate der ersten Versuchsreihe, die mit II. V. die der zweiten.\nBeobachter: Herr Prof. K\u00fclpe. Rechtes Auge.\nD\tI.\tV.\tII.\tV.\n\tSa\tSe\tSa\tSe\ncm\tcm\tcm\tcm\tcm\n40\ti\t1,5\ti\t1,5\n60\t2,5\t2,5\t2\t2\n80\t3\t3\t2,75\t3\n100\t4\t4\t3,5\t4\n125\t4\t5\t4\t4,5\n150\t4\t5\t4\t5\n180\t4,5\t6\t4,5\t5,5\n200\t10\t9\t6\t6\n250\t12\t15\t9\t10\nDie Aussagen \u00fcber das subjective Verhalten des Beobachters, sofern sie sich blo\u00df auf das monoculare Erkennen von Tiefenunterschieden beziehen, sind sp\u00e4rlich: Reagent achtete nach oftmals wiederholter eigener Bemerkung sehr auf die Deutlichkeit und St\u00e4rke des Fadens, f\u00fchlte sich aber dabei stets unsicher, diese Unsicherheit wurde eine um so gr\u00f6\u00dfere, je l\u00e4nger er mit dem Urtheil z\u00f6gerte. Dasselbe gilt auch f\u00fcr die folgenden zwei Beobachter.\n1)\tHillebrand, a. a. O. S. 116 f.\n2)\tE. A. W\u00fclfing, Ueber den kleinsten Gesichtswinkel. Zeitsch. f. Biologie. XXIX. Neue Folge XI. S. 199 ff.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Ueb. d. Bedeutung d. Oonvergenz- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 141\nBeobachter: Herr J. Phi. Fruit. Rechtes Auge.\nD\tI.\ty.\tII.\tV.\n\tSa\tSe\tSa\tSe\n30\t0,5\t1,5\t1\t1,5\n40\t1\t1,5\t1\t1,5\n00\t1,5\t1,5\t1,5\t1,5\n80\t2\t2\t2\t2\n100\t3\t4\t2\t3\n125\t3\t3\t2,5\t3\n150\t3\t4\t3\t3\n180\t5\t4\t4\t4\n200\t6\t6\t5\t5\n230\t6\t7\t6\t6\n260\t6\t7\t6\t6\n300\t8\t8\t8\t7\nBeobachter: Herr Tawney. Rechtes Auge.\nB\tI.\tV.\tII.\tV.\n\tSa\tSe\tSa\tSe\n20\t1\t0,5\t1\t0,5\n40\t1\t1\t1\t1\n60\t2\t2\t1,5\t2\n80\t2\t3\t2\t2,5\n100\t3\t4\t2\t3,5\n130\t4\t5\t3\t4,5\n160\t5\t7\t4\t5\n200\t6\t8\t5\t7\n250\t8\t12\t6\t9\nDie folgende Tabelle von Herrn Dr. Thi\u00e9ry enth\u00e4lt unter Se und 'S\u00ae als Unterscheidungsgrenzen das Mittel von je vier Versuchen, UQd die Rubriken Eo und Eu, Ao und Au die maximalen (Eo, Ao) und minimalen Abweichungen [Eu, Au) des berechneten Mittels von den ihnen am weitesten bez. n\u00e4chsten stehenden Werthen.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nMaximilian Arrer.\nBeobachter: Herr Dr. Thi\u00e9ry. Linkes Auge.\nD\tSa\tAo\tAu\tSe\tEo\tEu\n30\t0,875\t0,125\t0,375\t0,875\t0,125\t0,375\n40\t1,6\t0,4\t0,6\t1,1\t0,9\t0,1\n60\t1,2\t0,8\t0,2\t1,75\t0,25\t0,75\n80\t1,5\t0,5\t0,5\t2\t0\t0\n100\t2,5\t0,5\t0,5\t3,5\t0,5\t0,5\n125\t4,2\t0,8\t1,2\t4,2\t0,8\t0,2\n150\t4\t1\t1\t4,1\t0,9\t0,6\n180\t4\t1\t1\t4\t1\t0,5\n200\t4\t1\t1\t4,75\t1,25\t0,75\n230\t6\t1\t1\t5\t0\t0\n260\t7\t1\t1\t5,5\t0,5\t1,5\n300\t8,5\t1,5\t0,5\t6,5\t0,5\t0,5\nEndlich die letzte Tabelle enth\u00e4lt die numerischen Ergebnisse des Herrn Dr. Spitzer. Diese Tabelle ist insofern interessant, als Herr Spitzer, ohne vorher irgend einmal \u00e4hnliche Versuche mitgemacht zu haben, sogleich ohne vorangehende Ein\u00fcbung f\u00e4hig war, mit be-merkenswerther Sicherheit Tiefenunterschiede zu erkennen. Die Tabelle enth\u00e4lt nur eine Versuchsreihe.\nBeobachter: Herr Dr. Spitzer. Rechtes Auge.\nD\tSa\tSe\n30\t0,5\t0,5\n40\t1\t1\n60\t1,5\t2\n80\t2\t2\n100\t2\t2,5\n125\t2,5\t3\n150\t3,5\t5\n180\t5\t6,5\n220\t6\t8","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Ueb. ,1, Bedeutung d. Convergent- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 143\nVergleicht man die letzten f\u00fcnf Tabellen mit der von Wundt mittheilten, so wird man auch in ihnen bemerken, dass die Entfernungsgrenzen im allgemeinen etwas gr\u00f6\u00dfer sind als die Ann\u00e4herungsgrenzen, dass ferner die ersteren mit der Ann\u00e4herung des Fadens an das Auge relativ schneller an Feinheit zunehmen als die zweiten, dass endlich um den Nahepunkt sich beide Unterscheidungsgrenzen einander n\u00e4hern; sie unterscheiden sich von der Wundt\u2019sehen insofern, als sie fast durchgehends geringere Werthe f\u00fcr das Erkennen von Tiefenunterschieden aufweisen. Weitere Mittheilungen behalte ich mir f\u00fcr einen sp\u00e4teren Ort vor.\nc. Wundt\u2019s Erkl\u00e4rung seiner monocularen Tiefenversuche.\n\u00a7 14. Die Erkl\u00e4rung seiner monocularen Versuche entnimmt Wundt der verschiedenen F\u00e4higkeit, Tiefenunterschiede innerhalb der Accommodationsgrenzen sowie jenseits und diesseits derselben zu erkennen. Die Erkl\u00e4rung ist folgende: Di\u00e8s- und jenseits des Accom-modationsverm\u00f6gens schlie\u00dft der Beobachter auf die Verr\u00fcckung des Fadens nach der Tiefe aus der Ver\u00e4nderung d\u00e9s scheinbaren Durchmessers des Fadens (jenseits des Fernpunktes), oder aus der Undeutlichkeit desselben (diesseits des Nahepunktes). Dem entspricht das gleichm\u00e4\u00dfige Verhalten der Entfemungs- und Ann\u00e4herungsgrenze. Das Erkennen von Tiefenunterschieden diesseits des Nahepunktes wird noch durch die Erm\u00fcdung, die in Folg? der vergeblichen Anstrengung zu accommodiren eintritt und sehr unangenehm ist, beeintr\u00e4chtigt. Innerhalb des Accommodationsbereiches verhalten sich die Unterscheidungsgrenzen verschieden, demnach muss auch die Erkl\u00e4rung hier eine andere sein. Der Einfluss der scheinbaren Gr\u00f6\u00dfe des Objectes ist hier von geringem Einfluss, es \u00fcberwiegt der der Accom-modationsbewegungen selber. Die Th\u00e4tigkeit der die Accommodation der Linse besorgenden Muskeln ist von Empfindungen, sog. Accom-modationsempfindungen, begleitet, die als Bewusstseinselemente di-subjective Ursache der relativen Tiefensch\u00e4tzung in unserem Falle sind. Sie sind es aber nur f\u00fcr die Ann\u00e4herung, denn f\u00fcr die Entfernung des Objectes wird wieder der scheinbare Durchmesser desselben f\u00fcr das Erkennen von Einfluss1). Physiologisch erkl\u00e4rt sich\n1) a. a. O. S. 108 ff.; Grundz. d. Physiol. Psychol. 4. Aufl. II. S. 107.","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nMaximilian Arrer.\ndas dadurch, dass nur die Oontractionen der Muskeln von Etnpfi^ d\u00fcngen begleitet sind, nicht ihr Nachlassen, was lediglich ein Ueber-gehen in den Zustand der \u00dfuhe ist. Ein actives Accommodiren findet eigentlich nur f\u00fcr die Ann\u00e4herung statt.\nEs er\u00fcbrigt noch, eines zu erkl\u00e4ren. Die beiden Unterscheidungsgrenzen au\u00dferhalb des Accommodationsverm\u00f6gens und die Entfernungsgrenze innerhalb desselben sind ihrer Gr\u00f6\u00dfe nach durch die Erkennbarkeit der Ver\u00e4nderungen des scheinbaren Durchmessers des Objectes bestimmt. Da letzteres Moment f\u00fcr das Erkennen der Ann\u00e4herung innerhalb des Accommodationsbereiches nicht in Betracht kommt, so fragt es sich, wodurch die Grenzen der nothwendigen Ann\u00e4herungsstrecken bedingt sind. Wundt antwortet darauf : durch das Bestehen der Ozermak\u2019schen Accommodationslinie. Letztere ist, wie bekannt, durch die beschr\u00e4nkte Empfindungssch\u00e4rfe der Retina bedingt. Bewegt sich das Object, in unserem Falle der Faden, innerhalb der seiner Entfernung entsprechenden Accommodationslinie, so gibt es keinen Antrieb zur Accommodation, also auch keine Accommodationsempfindung, es ist innerhalb dieser Grenzen die Verschiebung des Fadens nicht erkennbar. Wundt folgert daraus, dass die \u00fcberhaupt erreichbaren Grenzen f\u00fcr die Ann\u00e4herung mit den Accommodationslinien im Grenzfalle identisch sind1).\n\u00a7 15. Trotz wesentlicher Uebereinstimmungen der mitgetheilten Tabellen mit der yob Wundt ist in diesen Tabellen selbst schon Eines enthalten, was mit einem Punkte der Wundt\u2019sehen Erkl\u00e4rung nicht \u00fcbereinstimmt. Diese forciert, dass die Schwelle f\u00fcr das Fernerr\u00fccken auch innerhalb der Accommodationshreite durch die eben erkennbare Verkleinerung des scheinbaren Durchmessers des Objectes bestimmt werde. Dies ist aber in keiner der sechs mitgetheilten Tabellen der Fall. Die Tabelle des Herrn Taylor weist die gr\u00f6\u00dften Entfernungsstrecken auf, so gro\u00dfe, dass sie von allen \u00fcbrigen Beobachtern immer sicher erkannt wurden, sie gen\u00fcgen aber, wie gezeigt, noch nicht, um objectiv auf eine Ver\u00e4nderung der scheinbaren Gr\u00f6\u00dfe des Objectes zu schlie\u00dfen. Und nimmt man den Faden in den Versuchen von Wundt ebenso dick wie in den meinigen, d. h. 0,22 nun,\n1) a. a. O. S. 113.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Ueb. d. Bedeutung d. Convergent- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 145\nso gen\u00fcgen die dort gefundenen Schwellen auch nicht, um sagen u k\u00f6nnen, dass die Entfernung aus der Verkleinerung des scheinbaren Durchmessers des Fadens erkannt wurde. In den f\u00fcnf \u00fcbrigen Tabellen endlich sind die Entfemungsstrecken noch geringer, die wirklich ver\u00e4nderte Gr\u00f6\u00dfe des Objectes bleibt hinter der erforderlichen noch mehr zur\u00fcck.\nDer Beobachter beruft sich oft auf das Zeugniss der inneren Wahrnehmung, wenn er angibt, nach der Dicke des Fadens gesch\u00e4tzt zu haben. Das Zeugniss der inneren Wahrnehmung aber, so wichtig es an sich ist, erlaubt doch nicht ohne weiteres einen Schluss auf das objective Verhalten. Objectiv sind, wie gezeigt, diese Aussagen aus der inneren Wahrnehmung nicht zu best\u00e4tigen. Immerhin enthalten sie nichts unerkl\u00e4rliches: Schwankungen in der Accommodation, unruhige Bewegungen der Augen in Folge der Erm\u00fcdung m\u00f6gen oft den Schein einer ver\u00e4nderten Dicke des Fadens verursacht, ein anderes Mal nebst anderen Factoren ihn mitbedingt haben ').\n\u00a7 16. Der zweite Punkt der Erkl\u00e4rung von Wundt betrifft das Verhalten des Accommodationsvorgangs. Ist es au\u00dfer Zweifel, dass bei der N\u00e4herung innerhalb des Accommodationsverm\u00f6gens die scheinbare Dicke des Objectes kaum in Betracht gezogen werden kann, so ist es naheliegend, an die Accommodationsbewegungen zu denken, besonders da sie auch aus innerer Wahrnehmung unmittelbar nachweisbar sind. Die Erkl\u00e4rung besagt: N\u00e4herung wird durch Accom-modationsempfindungen erkannt, Entfernung nicht, da die Abspannung der Muskeln nicht von Empfindungen gefolgt ist. Diese Erkl\u00e4rung bietet einige Schwierigkeiten. Soll dem Erkennen der Tiefenunterschiede der Ann\u00e4herung Anspannung, der Entfernung Entspannung der Accommodation correspondiren, so hei\u00dft das so Viel, dass die Accommodations\u00e4nderung immer von dem Accommo-dationsgrade, der der Normaldistanz entspricht, ausgeht. Man wird den Vorgang folgenderma\u00dfen sich vorstellen k\u00f6nnen: Im Normal-v-rauche stellt sich die Accommodation f\u00fcr eine bestimmte Entfernung c\u2018n> ihr entspricht eine bestimmte Accommodationsempfindung ; im zweiten Versuch, wo der Faden n\u00e4her oder weiter eingestellt ist,\n1 ) S. unten Cap. II, a. Wandt, PMlos. Studien XIII.\nto","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nMaximilian Arrer.\nwird verm\u00f6ge der im G-ed\u00e4chtniss festgehaltenen Entfernungsvorstei. lung der Normaldistanz zun\u00e4chst wieder der urspr\u00fcngliche Accom-modationsgrad hergestellt, und nun \u00e4ndert sich die Accommodation von da aus, bis der Faden nicht deutlich, d. h. ohne Zerstreuungskreise gesehen wird. Wird der Vorgang so gedacht, so entspricht dem N\u00e4herr\u00fccken des Fadens ein Anspannen, dem Fernerr\u00fccken ein Entspannen der Accommodation. An sich ist der Vorgang in dieser Weise sehr wohl denkbar, er ist auch naturgem\u00e4\u00df, sofern zugegeben wird, dass die Accommodationsempfindungen f\u00fcr das monoculare Tiefensehen eine Folie spielen. Die Schwierigkeit dieser Erkl\u00e4rung besteht dann aber darin, dass sie ein sehr feines Tiefenged\u00e4chtniss voraussetzt, d. h. ein sehr genaues Erneuern des urspr\u00fcnglichen Accommodationsgrades, was unmittelbar durch die geringen Schwellen-werthe gefordert wird. Und ferner sind dann die Zerstreuungskreise vor dem Einstellen auf die neue Entfernung so klein, dass man wohl annehmen muss, dass sich die Accommodation nicht sofort in der angemessenen Richtung, sondern nur ganz allgemein \u00e4ndern wird, bis der Faden scharf ohne Zerstreuungskreise erscheint; d. h. es liegt kein oder jedenfalls kein zwingender Grund mehr vor, f\u00fcr das Fernerr\u00fccken des Fadens blo\u00df Anspannung der Accommodation anzunehmen. Und dass das Erkennen der Entfernung nicht allein aus der Verkleinerung des scheinbaren Durchmessers sich erkl\u00e4ren l\u00e4sst, haben wir bereits oben gesehen.\nWas endlich die Gr\u00f6\u00dfe der Ann\u00e4herungsstrecke innerhalb der Accommodationsbreite betrifft, so kann man die Accommodationslinie wohl im allgemeinen als die Grenze derselben ansehen; in den Versuchen ist sie aber jedenfalls niemals erreicht worden. Denn wenn sich die in den Tabellen niedergelegten Werthe an der Grenze der erreichbaren Minimalwerthe befinden, so sind die Accommodationslinien f\u00fcr diese Strecken jedenfalls noch bedeutend kleiner1). Man k\u00f6nnte aber darin einen Beweis daf\u00fcr erblicken, dass bei diesen Versuchen die Zerstreuungskreise nicht dasjenige Moment abgehen, welches die Erkennbarkeit der Tiefenunterschiede bewirkte.\n1) Yergl. Aubert, Grundz\u00fcge der physiol. Optik 1876. S. 460.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Ueb. d. Bedeutung d. Convergenz- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 147\nd. Binoculare Versuche.\n\u00a7 17. In technischer Beziehung unterscheiden sich diese Versuche von den monocularen in nichts, blo\u00df dass hier der Beobachter den Baden mit beiden Augen fixirte. Derselbe befand sich immer in der verl\u00e4ngerten Medianebene des K\u00f6rpers. Zun\u00e4chst fand Wundt, dass es auch bei diesen Versuchen unm\u00f6glich ist, \u00fcber die absolute Entfernung zu urtheilen. Versucht man dies dennoch, so f\u00e4llt das Urtheil immer zu klein aus, und zwar um */3 bis 1/2 der wirklichen Entfernung. Doch ist das Urtheil \u00fcber die absolute Entfernung etwas genauer als bei den monocularen Sehversuchen *). Die relative Sch\u00e4tzung dagegen stellte sich als sehr vollkommen heraus.\nIch theile hier die Tabelle von Wundt mit, wie sie theils in den Beitr\u00e4gen zur Theorie der Sinneswahrnehmung, S. 195, theils in den Grundz\u00fcgen der physiologischen Psychologie, 4. Aufl. II. S. 136, enthalten ist, und f\u00fcge nur noch eine Rubrik (v') hinzu, die ich aus den Zahlen dieser Tabelle berechnet habe. Die Tabelle stammt von demselben Beobachter wie auch die monoculare.\nD\tSa\tSe\tC\ta\tV\tvf\n50\t1\t1\t86\u00b0 34'\t252\"\tV\u00e4O\t749\n70\t1,5\t1,5\t87\u00b0 32,5'\t193\"\tV45\t745\n80\t2\t2\t87\u00b0 51'\t199\"\tV39\t739\n110\t2\t2\t88\u00b0 26'\t104\"\tVs4\t754\n130\t2\t3\t88\u00b0 40,5'\t74\"\tVe4\tV\u00ab4,5\n150\t3\t3\t88\u00b0 51'\t85\"\t748\t748,7\n160\t3\t3\t88\u00b0 55,5'\t73\"\t754\t7\u00f63\n170\t3\t4\t88\u00b0 59'\t66\"\t7\u00f65\t753,6\n180\t3,5\t5\t89\u00b0 2,5'\t68\"\t750\t750,7\n-\u00d6 bezeichnet die Entfernung des Badens von den Augen des Beobachters, Sa die den einzelnen Entfernungen entsprechenden Ann\u00e4he-\n1) a. a. O. S. 193.\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nMaximilian Arrer.\nrungs-, Se die Entfernungsschwellen, C den Winkel zwischen der Blick- und Basallinie, a die kleinen Ver\u00e4nderungen dieses Winkels f\u00fcr die Werthe Sa, v das Verh\u00e4ltniss der Ann\u00e4herungsstrecke zur absoluten Entfernung D des Objectes, und v' das Verh\u00e4ltniss der ebenmerklichen Abnahme des Winkels C f\u00fcr die Werthe Sa zur vorhandenen Gr\u00f6\u00dfe desselben.\nIn zweierlei unterscheidet sich die obige Tabelle von den bei den monocularen Sehversuchen gewonnenen: erstens sind die Unterscheidungsgrenzen bedeutend kleiner als in jener, und zweitens besteht hier nicht innerhalb der Accommodationsbreite jener Unterschied zwischen den Entfernungs- und Ann\u00e4herungsstrecken wie dort. Dieser Unterschied besteht in geringem Grade nur bei weiteren Distanzen. Der Durchmesser des Fadens war nur insofern von Einfluss auf die Unterschiedsstrecken, als ein feinerer Faden Unterscheidungen schon dort m\u00f6glich macht, wo das hei einem dickeren noch nicht der Fall ist. Ferner fand Wundt die Erm\u00fcdung von erheblichem Einfluss auf die Unterscheidungsgrenzen, besonders beeintr\u00e4chtigte sie die Feinheit der Sch\u00e4tzung in gr\u00f6\u00dferer N\u00e4he. Alles das fand ich best\u00e4tigt.\n\u00a7 18. Ich gehe jetzt zur Darstellung der selbst ausgef\u00fchrten Versuche \u00fcber. In den folgenden Tabellen sind die Winkel C der Wundt\u2019sehen Tabelle weggelassen und nur die Differenzwinkel angef\u00fchrt, die den beiden Unterschiedsstrecken (a f\u00fcr die Entfernungs-, e f\u00fcr die Ann\u00e4herungsstrecke) entsprechen, und zwar in den Tabellen, die die Resultate von zwei Versuchsreihen enthalten, nur f\u00fcr die zweite, bei gr\u00f6\u00dferer Uehung des Beobachters gewonnenen. Auch sind die Zahlen, die das Verh\u00e4ltniss der Unterschiedsstrecken ausdr\u00fccken (in der Wundt\u2019schen Tabelle v f\u00fcr die Ann\u00e4herungsstrecken), hier nicht eingetragen, sie sind weiter unten f\u00fcr alle Beobachter \u00fcbersichtlich zusammengestellt.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Ueb. <1. Bedeutung d. Converges- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahruehmung. 149\nBeobachter: Herr Prof. K\u00fclpe. Pd = 68 mm').\nII. V.\n11' 18;\n6' 41,71\n2'\t1,37'\n1' 22,87\"\n1' 20,69\"\n1' 47,55'\nV 32,65'\nVergleicht man diese Tabelle mit derjenigen desselben Beobachters, die bei monocularen Sehversuchen gewonnen wurde, so wird man nur geringe Unterschiede entdecken k\u00f6nnen. In den kleinsten Entfernungen sind beide Tabellen gleich, dieWerthe der monocularen sogar etwas geringer ; mit wachsender Entfernung werden die Unterschiede in den Unterschiedsgrenzen zwischen den monocularen und binocularen Sehversuchen etwas gr\u00f6\u00dfer, aber nicht bedeutend ; in die Augen f\u00e4llt nur, dass die Entfernungsstrecken gr\u00f6\u00dfere Uebereinstimmung zeigen als die Ann\u00e4herungsstrecken. In diesem Punkte unterscheidet sie sich auch von der Tabelle von Wundt; sie unterscheidet sich aber au\u00dferdem darin, dass hier ebenso wie bei den monocularen Versuchen die Ann\u00e4herungsstrecken fast durchgehends etwas geringer sind als die Entfernungsstrecken. Aehnlich sind die Verh\u00e4ltnisse bei den \u00fcbrigen Beobachtern. In der folgenden Tabelle findet sich bei den geringsten Entfernungen dieselbe Uebereinstimmung der Unterschiedsstrecken mit den entsprechenden monocularen Versuchen wie oben, die Differenzen in den weiteren Distanzen sind aber etwas gr\u00f6\u00dfer als bei dem vorigen Beobachter.\n1) Pd bedeutet den Abstand beider Pupillen von einander bei paralleler\nAugenstellung.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nMaximilian Arrer.\nBeobachter: Herr Tawney. Pd \u2014 65 mro.\nr>\tI.\tV.\tII. V.\t\t\t\n\tSa\tSe\tSa\tSe\ta\te\n20\t1\t0,5\t0,75\t0,5\t21' 10,98\"\t13' 16,89\"\n40\t1\t1\t1\t1\t7' 6,78\"\t6' 46,09\"\n60\t1,5\t1,5\t1,5\t1,5\t4' 45,59\"\t4' 31,69\"\n80\t2\t3\t1,5\t2\t2' 39,84\"\t3' 24,01\"\n100\t3\t3\t2\t3\t2' 16,64\"\t3' 15,03\"\n130\t3\t3\t2,5\t3\t1' 41,08\"\t1' 56,19\"\n160\t4\t4\t3\t4\t1' 20,02\"\t1' 42,13\"\n200\t(8)\t6\t(8)\t5\t[2' 19,61\"]\tV 21,72\"\n250\t(8)\t7\t(8)\t6\t[1' 28,59\"]\t1' 2,85\"\nF\u00fcr die Entfernungen 200 und 250 cm findet sich in beiden Versuchsreihen als Ann\u00e4herungsstrecke eine eingeklammerte (8) angegeben. Herr Tawney hat sowohl in der ersten als in der zweiten Reihe alle Ann\u00e4herungen bis 190 resp. 238 cm als Zunahmen der Entfernung beurtheilt. Erst bei den letztangef\u00fchrten Wer then gab er die Urtheile \u00bbn\u00e4her\u00ab ab mit der Bemerkung, dass auch die ihnen unmittelbar vorangehenden (192 und 242 cm) n\u00e4her sein m\u00fcssten (im Vergleich zu 200 und 250), weil er jetzt erkenne, dass sich beide Eindr\u00fccke \u00bb\u00e4hnlich\u00ab seien. Ging ich jetzt nochmals alle Ann\u00e4herungen durch, so lauteten die Urtheile noch immer in \u00fcberwiegender Zahl auf \u00bbweiter\u00ab, aber vermischt mit solchen auf \u00bbgleich\u00ab, und hei 192 resp. 242 wurden die Urtheile \u00bbn\u00e4her\u00ab mit Sicherheit abgegeben. Dasselbe Verhalten notirte ich auch hei gelegentlich ausgef\u00fchrten Versuchen mit Herrn Dr. Hoch in allen Entfernungen von 200 bis 300 cm. Alles was beide aus innerer Wahrnehmung angeben konnten, war nur, dass sie sich bei allen diesen Sch\u00e4tzungen sehr unsicher f\u00fchlten, w\u00e4hrend sie die Zunahmen der Entfernung leichter und mit ziemlich gro\u00dfer Sicherheit beurtheilten. Dasselbe Verhalten bestand endlich auch f\u00fcr mich. Eine Ursache dieser Erscheinung anzugeben vermag ich nicht, ich werde sp\u00e4ter versuchen, ob sie sich nicht im Zusammenh\u00e4nge aller noch zur Sprache kommenden Erscheinungen erkl\u00e4ren l\u00e4sst.","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"(jeb. d. Bedeutung d. Converge!\u00ab- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 151\ng 19. Nichts von den vorigen zwei Tabellen abweichendes weisen auch die zwei folgenden auf.\nBeobachter: Herr Fruit. Pd = 60 nun.\n\tI.\tV.\tII. V.\t\t\t\n\tSa\tSe\tSa\tSe\ta\te\n30\t1\t1,5\ti\t1,5\t11' 43,99\"\t16' 12,92\"\n40\t1\t1,5\ti\t1\t6' 34,34\"\t6' 15,30\"\n60\t1\t2\ti\t2\t2' 54,36\"\t5' 31,88\"\n80\t2\t3\t1,5\t2,5\t2' 26,97\"\t3' 54,07\"\n100\t2\t3\t2\t3\t2' 6,18\"\t3' 0,0\"\n125\t3\t3\t2\t3\t1' 20,44\"\t1' 55,96\"\n150\t3\t4\t3\t3,5\t1' 24,15\"\t1' 34,0\"\n180\t4\t4\t3\t4\t0' 58,25\"\t1' 14,71\"\n200\t4\t6\t4\t5\t1' 3,13\"\t1' 15,45\"\n230\t5\t6\t5\t5\t0' 59,77\"\t0' 57,22\"\n260\t5\t6\t5\t6\t0' 46,66\"\t0' 53,67\"\n300\t8\t8\t7\t6\t0' 42,04\"\t0' 40,49\"\nBeobachter: Herr Dr. T hier y. Pd \u2014 60 mm.\nD\tSa\tAo\tAu\tSe\tJEo\tHu\ta\te\n30\t0,75\t0,25\t0,25\t0,875\t0,125\t0,375\t8' 43,03\"\t9' 38,93\"\n40\t0,81\t0,19\t0,31\t1,2\t0,8\t0,2\t5' 17,92\"\tV 28,13\"\n60\t1\t0\t0\tJ ,75\t0,25\t0,75\t2' 54,36\"\t4' 51,57\"\n80\t1,75\t0,25\t0,75\t2,2\t1\t0,2\t2' 52,74\"\t3' 26,73\"\n100\t2\t1\t1\t3,1\t0,9\t0,1\t2' 6,18\"\t3' 5,90\"\n125\t2,75\t1,25\t0,75\t3,1\t0,4\t0,1\t1' 51,41\"\t1' 59,73\"\n150\t3\t0\t0\t4,0\t0\t1\t1' 24,15\"\t1' 47,11\"\n180\t3,25\t0,75\t0,25\t4,1\t0,4\t0,1\tV 3,20\"\t1' 16,54\"\n200\t3,25\t0,75\t0,25\t4,1\t0,4\t1,1\t0' 51,10\"\t1' 2,13\"\n230\t3,75\t1,25\t0,75\t4,75\t1,25\t0,75\t0' 44,59\"\t0' 54,43\"\n260\t4,25\t0,75\t0,25\t5,75\t1,25\t0,75\t0' 39,54\"\t0' 51,49\"\n300\t6,5\t0,5\t0,5\t7,5\t0,5\t0,5\t0' 45,68\"\t0' 50,30\"","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nMaximilian Arrer.\nDie Entfemungsstrecken sind in der Tabelle des Herrn Thi\u00e9ry, mit Ausnahme der gr\u00f6\u00dften Entfernungen, kaum geringer als bei den monocularen Versuchen, bei gewissen geringeren Distanzen sogar etwas gr\u00f6\u00dfer; die Ann\u00e4herungsstrecken sind dagegen fast durchgehends feiner. Immerhin erkennt man aus den Columnen der oberen und unteren Abweichungen, dass die binoculare Sch\u00e4tzung eine nicht nur genauere, sondern auch constantere war, besonders wieder was die Beurtheilung der Ann\u00e4herung anlangt.\nEndlich theile ich hier noch eine Tabelle des Herrn Dr. Spitzer mit, die, wie auch seine monoculare Tabelle, schon deshalb interessant ist, weil sie Versuche enth\u00e4lt, die ohne vorherige Ein\u00fcbung sofort in die Protocolle aufgenommen wurden, w\u00e4hrend gleichwohl die Urtheile pr\u00e4ciser waren als die aller \u00fcbrigen Beobachter.\nBeobachter: Herr Dr. Spitzer. Pd \u2014 63 mm.\nD\tSa\tSe\ta\te\n30\t0,5\t0,5\t6' 3,78\"\t5' 51,99\"\n40\t0,5\t1\t3' 24,77\"\t6' 34,65\"\n60\t1\t2\t3' 3,43\"\t5' 49,14\"\n80\t1,5\t2\t2' 35,27\"\t3' 18,22\"\n100\t1,5\t2,5\tV 39,06\"\t2' 38,67\"\n125\t2\t3\t1' 24,65\"\t2' 2\"\n150\t2,5\t4\t1' 13,54\"\t1' 52,71\"\n180\t3,5\t4,5\t1' 11,71\"\t1' 28,21\"\n220\t5\t7\t1' 8,82\"\t1' 31,25\"\ne. Wundt\u2019s Erkl\u00e4rung seiner binocularen Tiefenversuche.\n\u00a7 20. Wie bei seinen monocularen Sehversuchen, so hat Wundt auch hier der Erkl\u00e4rung vor allem das besondere Bild der objectiv gewonnenen Ergebnisse zu Grunde gelegt. Das n\u00e4chste, woran hier zu denken war, waren die Oonvergenzbewegungen der Augen. Die Accommodationsbewegungen, waren sie auch hier mit betheiligt, konnten doch nicht die erste Bolle beanspruchen, weil sie in diesem","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"lieb. d. Bedeutung d. Convergenz- u. Accommodationsbevv. f. d. Tiefenwahrnehmung. 153\njvjl von den Convergenzbewegungen abh\u00e4ngig sind, und nicht umgekehrt, Da ein einfacher Faden endlich in beiden Augen gleiche Bilder entwirft, so k\u00f6nnen diese, insofern es sich hier wieder um Gfed\u00e4chtnissversuche handelt, keine gen\u00fcgenden Anhaltspunkte f\u00fcr die relative Tiefensch\u00e4tzung ahgeben. Es bleibt also nur \u00fcbrig, allen Unterschied auf die Convergenzbewegungen der Sehachsen zur\u00fcckzuf\u00fchren. Indem Wundt dies thut, wird es ihm ein Leichtes, die Eigenth\u00fcmlichkeiten der gewonnenen Resultate zu erkl\u00e4ren. Dass zun\u00e4chst die Unterscheidungsgrenzen im allgemeinen gleich sind, erkl\u00e4rt sich daraus, dass sowohl bei der N\u00e4herung als bei der Entfernung active Muskelcontractionen im Spiele sind1). Bei der Entfernung oder Ann\u00e4herung sind aber ganz verschiedene Muskeln wirksam Recti extend und intend), denen auch verschiedene Empfindungen entsprechen werden2).\nDaf\u00fcr, dass bei gewissen mittleren Distanzen auch bei den bino-cularen Versuchen die Ann\u00e4herungsgrenzen etwas feiner sind als die Entfernungsgrenzen, f\u00fchrt Wundt zun\u00e4chst zwei Ursachen als m\u00f6gliche an. Man k\u00f6nne entweder an einen unterst\u00fctzenden Einfluss der Accommodationsempfindungen denken, oder annehmen, dass die Unter-schiedsempfindlichkeit f\u00fcr die Empfindungen der Recti interni eine feinere sei als f\u00fcr die der Recti extend. Die erste Meinung weist Wundt ah, einmal weil, wie seine monocularen Versuche lehrten, bei so geringen Distanzverscldehungen, wie sie die binocularen Versuche aufweisen, eine merkliche Accommodationsempfindung noch nicht entstehe, zweitens aber bliebe es unverst\u00e4ndlich, weshalb mit dem Herantreten an den Nahepunkt diese Verschiedenheit der Unterscheidungsgrenzen verschwindet. Die zweite Annahme scheint ebenfalls nicht ohne einen Widerspruch zu sein, denn w\u00e4re sie richtig, so musste die in Rede stehende Differenz der Unterscheidungsschwellen f'd alle Entfernungen bestehen. Diesen Widerspruch l\u00f6st aber Wundt, indem er meint, dass wir auf die Hervorbringung geringer Convergenzgrade einge\u00fcbt seien, weil unsere Augen sich meistens in gennger Convergenz befinden. Wollen wir daher ein Object in m\u00e4\u00dfiger Entfernung fixiren, so gen\u00fcgt eine geringe Convergenz, \"eilen wir wieder unsere Augen in die Ruhestellung \u00fcberf\u00fchren, so\nb Wundt, Beitr\u00e4ge, S. 197.\t2) Ebenda, S. 183.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nMaximilian Arrer.\ngen\u00fcgt schon allein das Abspannen der Recti intemi, ohne dass die externi in Action treten. Insofern wiederholen sich hier \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse wie bei der Accommodationsanspannung und ihrem Nachlassen. Bei n\u00e4heren Distanzen dagegen m\u00fcssen, soll richtige Einstellung der Sehachsen erfolgen, immer, w\u00e4hrend die Recti interni nachlassen, gleichzeitig die externi sich contrahiren *).\n\u00a7 21. Gegen diese Versuche hat Helmholtz einen Einwand erhoben. Er schreibt: \u00bbEs bleibt bei diesen Versuchen wohl noch zweifelhaft, ob die beiden Augen dem Faden gefolgt und das Netzhautbild auf der Netzhaut ruhend geblieben ist, oder ob die Augen festgehalten wurden und die Verschiebung des Netzhautbildes bemerkt wurde\u00ab* 2). Gegen diesen Einwand bemerkte Wundt folgendes: 1) Er habe seine Versuche so angestellt, dass die Augen, nachdem sie w\u00e4hrend der Verschiebung des Fadens geschlossen waren, sich zuerst auf die entfernte Wand und von da aus auf den Faden einstellten; eine Verschiebung des Netzhautbildes konnte also nicht 'statt-hnden. 2) In Versuchen, wo der Beobachter den Faden w\u00e4hrend der N\u00e4herung fixirte, waren die Resultate von den nach obiger Methode gewonnenen nicht wesentlich verschieden. 3) W\u00e4re in diesen Versuchen die Ann\u00e4herung des Fadens an den Verschiebungen der Doppelbilder erkannt worden, so w\u00fcrde bei fortw\u00e4hrender Fixation des Fadens die Unterscheidungsgrenze nicht zunehmen, sondern constant bleiben, n\u00e4mlich gleich dem geringsten erkennbaren Unterschied des Netzhautbildes sein; sie \u00fcbertreffe aber diesen bei einer geringen Oonvergenz (70\u201450 cm Distanz) um das vier- bis f\u00fcnffache seiner Gr\u00f6\u00dfe. 4) Man sei sich in diesen Versuchen der angewandten Muskelanstrengung unmittelbar bewusst3 4). Die zwei letzteren Gegeneinw\u00e4nde wird man ohne weiteres gelten lassen m\u00fcssen. Der zweite Punkt verliert einen wesentlichen Theil seiner St\u00e4rke dadurch, dass die in ihm betonten Versuche doch verschieden ausfielen als die zuerst gemachten. Zudem sind solche Versuche vom heutigen Standpunkte der Betrachtung und mit R\u00fccksicht auf die Theorien von Hering\n1)\tBeitr\u00e4ge, S. 198 f.\n2)\tv. Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik, 1. Aufl. S. 651.\n2. Aufl. S. 797.\n3)\tWundt, Grundz\u00fcge der physiologischen Psychologie, 1. Aufl. S. 556f.\n4. Aufl'. II. S. 135","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Ueb. d. Bedeutung d. Convergenz- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehinung. 155\nzweckm\u00e4\u00dfig, wir d\u00fcrfen also diesen Einwand \u00fcbergehen. Dagegen ^fordert der erste Punkt eine ausf\u00fchrlichere Betrachtung. Zun\u00e4chst j,nt der Einwand von Helmholtz sicher nur dann eine Existenzberechtigung, wenn, wie Helmholtz sagt, die Augen ruhig blieben nnd die Netzhautbilder sich verschoben. Diese Bedingung war aber in den Versuchen von Wundt nicht vorhanden, da der Beobachter, nachdem er die Normaldistanz sich eingepr\u00e4gt hatte, wegblickte, um jjann. als der Faden verschoben wurde, wieder durch das Bohr zu blicken. Allerdings k\u00f6nnte man an eine Erkennbarkeit der Distanz\u00e4nderung aus den Verschiebungen der Netzhauthilder auch dann denken, wenn man, analog wie bei der Erkl\u00e4rung der monocularen Versuche, annehmen w\u00fcrde, dass bei dem Vorzeigen der Vergleichsdistanz zun\u00e4chst der Convergenzgrad der Normaldistanz wieder hergestellt werde, um dann die Augen zu bewegen, bis der Faden scharf und deutlich gesehen wird. Bei dieser Annahme m\u00fcsste vorausgesetzt werden, dass die Ann\u00e4herung mit Oonvergenz-, die Entfernung mit Divergenzbewegungen verbunden sei. Und da auch hier durch die Constanz der Ergebnisse gefordert wird, dass die Wiederherstellung des urspr\u00fcnglichen Oonvergenzgrades sehr regelm\u00e4\u00dfig und mit gro\u00dfer Genauigkeit geschieht, so w\u00fcrde dem Ein w\u00e4nde von Helmholtz, falls man die letztangef\u00fchrte Annahme festhielte, eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen sein, da beim Wiederherstellen des urspr\u00fcnglichen Oonvergenzgrades der Vergleichsfaden, wenigstens der Theorie zu Folge, nicht einfach erscheinen kann. Wurden aber die Versuche so ausgef\u00fchrt, dass der Beobachter zun\u00e4chst immer auf den wei\u00dfen Hintergrund blickte, so wird man sich den Vorgang folgenderma\u00dfen denken k\u00f6nnen : der Beobachter sieht bei dem Normalversuch zun\u00e4chst nach dem wei\u00dfen Hintergrund und sucht dann den Faden auf, seine Augen nehmen eine Convergenzstellung a ein; im Vergleichsversuch verf\u00e4hrt er ebenso, und es wird eine Convergenzstellung b hervorgebracht. Sind nun beide Convergenzstellungen verschieden, so wird sich aus einem Vergleichsact [beider Convergenzempfindungen \u2018k\u00ae Urtheil \u00fcber die relative Distanz\u00e4nderung bilden. Und sofern solche Versuche zu gleichen Ergebnissen f\u00fchren wie jene, bei welchen aD den Beobachter nicht die Forderung gestellt wurde, zuerst nach \u00abfern wei\u00dfen Hintergrund zu blicken, enthalten sie immerhin, wenn nicht gerade eine Widerlegung des Helmholtz\u2019sehen Einwandes, so doch","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nMaximilian Arrer.\neine St\u00fctze mehr f\u00fcr die von Wundt gegebene Erkl\u00e4rung seiner Versuche. Eine Widerlegung enthalten sie deshalb nicht, weil sich aus R\u00fccksicht auf den Einwand von Helmholtz die Frage erhebt, ob der Beobachter, wenn auch nicht gleich im Anfang, so doch im Verlauf der Versuche, denn doch nicht eine bestimmte, d. h. constante Entfemungsvorstellung von dem wei\u00dfen Hintergr\u00fcnde gewinnt. W\u00e4re dies der Fall, so w\u00fcrden sich die Augen heim Anblicken des Hintergrundes immer in ungef\u00e4hr gleicher Convergenz befinden, wodurch dann ein Ma\u00df f\u00fcr die Verschiebungen der Netzhautbilder hei der Augenbewegung vorhanden w\u00e4re. Diese Frage w\u00e4re zun\u00e4chst nur experimentell zu entscheiden. Ein endg\u00fcltiger Schluss k\u00f6nnte aus den experimentellen Ergebnissen aber auch dann noch nicht gezogen werden, weil hier Netzhautbildverschiebungen und Augenbewegungen gleichzeitig geschehen. Es kann aber fast als sicher angesehen werden, dass die Entfemungsvorstellung, wenn das Distanzobject ein gleichm\u00e4\u00dfiger Hintergrund ist, nicht in dem Ma\u00dfe eine bestimmte sein wird, als wenn ein scharf umgrenztes Object, z. B. ein Faden gegeben ist, dass also der erforderliche Ausgangspunkt f\u00fcr die Verschiebung der Netzhautbilder ein in allen Versuchen zu wenig con-stanter war. In Bezug auf die Erkl\u00e4rung Wundt\u2019s ist dann noch zu bemerken, dass, wenn der Beobachter zun\u00e4chst auf den wei\u00dfen Hintergrund blickt und dann den Faden aufsucht, die Erkennung des N\u00e4her- oder Fernerr\u00fcckens des Fadens nicht aus einer entsprechenden Convergenz- oder Divergenzbewegung, sondern aus der Vergleichung je zweier Convergenzstellungen erkl\u00e4rt werden muss, wobei im einen Fall (bei der N\u00e4herung) auf die schw\u00e4chere die st\u00e4rkere, im andern Falle (bei der Entfernung) umgekehrt auf die st\u00e4rkere die schw\u00e4chere Convergenz folgt.\n\u00a7 22. Ich gehe jetzt \u00fcber zu den weiteren Consequenzen, die Wundt aus seinen Versuchen gezogen hat. Zun\u00e4chst ist aus den Columnen C und A der Wundt\u2019sehen Tabelle und mit ihnen \u00fcbereinstimmend aus meinen Tabellen ersichtlich, dass die Differenzen der Drehungswinkel, die den Normaleinstellungen des Fadens und dessen Verschiebungen entsprechen, um so gr\u00f6\u00dfer werden, je geringer die Entfernungen gew\u00e4hlt werden, f\u00fcr welche man die Unterschiedsstrecken untersucht. Schon aus dieser Thatsache allein hat Wundt gefolgert, dass die Tiefensch\u00e4tzung aus Convergenzempfindungen dem","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"(jeb d. Bedeutung d. Convergenz- u. Accommodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 157\nsychophysischen Relativit\u00e4tsgesetze folge '). Er erblickte darin eine directe Best\u00e4tigung f\u00fcr die G\u00fcltigkeit des Web er\u2019sehen Grundgesetzes 2).\nIn den Beitr\u00e4gen zur Theorie der Sinneswahmehmungen und ebenso in den Grundz\u00fcgen der physiologischen Psychologie sind hierbei \u00fcberall die Werthe der linearen Entfernungsschwellen angef\u00fchrt, aus denen das Bestehen einer relativen Constante, wie sie das Web er\u2019sehe Gesetz fordert, zu ersehen ist. In den Vorlesungen \u00fcber die Menschen- und Thierseele, 1. Aufl., sind dagegen die Drehungswinkel verzeichnet, die den kleinen Verschiebungen des Fadens entsprechen. F\u00fcr die G\u00fcltigkeit des Web er\u2019sehen Gesetzes sind die letzteren Werthe zweifellos die ausschlaggebenden; man kann aber statt ihrer die linearen Entfemungsschwellen setzen, weil sie den zugeh\u00f6rigen Winkeln proportional sind. Ich habe deshalb in der unten folgenden Tabelle statt der Drehungswinkel die ihnen entsprechenden linearen Schwellen mitgetheilt3).\nDer mittlere Werth dieser relativen Constante ist f\u00fcr neun Distanzen in den Versuchen von Wundt l/-oi mit einer gr\u00f6\u00dften Abweichung nach unten von 12 und einer gr\u00f6\u00dften nach oben von 13. Dass eine solche relative Constante im allgemeinen besteht, fand ich in allen meinen Versuchen best\u00e4tigt; sie ist aber f\u00fcr verschiedene Beobachter verschieden gro\u00df. Ich habe sowohl f\u00fcr die Ann\u00e4herung als auch f\u00fcr die Entfernung das Mittel dieser Constanten mit ihren gr\u00f6\u00dften Abweichungen nach oben und unten, und die mittlere Abweichung aller von der berechneten Constante aus den obigen Tabellen berechnet und in einer besonderen Tabelle zusammengestellt.\n1)\tWundt, Beitr\u00e4ge, S. 295, 416.\n2)\tWundt, Grundz\u00fcge der physiologischen Psychologie, 1. Aufl. S. 577. Aufl. ix. s. i3g Vorlesungen \u00fcber die Menschen- u. Thierseele, 1. Aufl. 1863.\nII- p. 482.\n3)\tVergl. G. E. M\u00fcller, Zur Grundlegung der Psychophysik, 1879. S. 216.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nMaximilian Arrer.\nA II\tuaSunrpp.ii.qy aaip PD\u00ceH\t\t1\tCO \u00bb\u00df\tk\u00df\t1\tt-T ccT\n\tAb- weichung\t3\t20 32 33 20\n\t\t\u00a9\t37 49 43 50\n\t\u00ab O\t\t30 39.4 40 38.5\n\tuaSumpp.aqy aaiP p'wiK\t\t6,2 6,4 8 6,6\n\tAb- weichung\t3\t27 40 27 30\n\t\tc\t48 61,5 54 62\n\tc3\t\t37 52 45 49,5\n> h-M\tua8uuqop.\u00fcqy\t\t4,4 5 4 6\n\tAb- weichung\t3\t20 30 27 20\n\t\t\u00a9\t37 60 43 45\n\t6\t\t26 40 37 34\n\tuaSunqopiiqy raip PW\u00cfM\t\t3,3 5,8 5,8 6\n\tAb- weichung\t3\t27 44 20 30\n\t\t\u00a9\t40 80 43 60\n\t5\t\t33 59.5 36.5 45\n\u00ab\t\t\t9 12 9 9 (7*) 12\nBeobachter\t\t\tHerr K\u00fclpe .... \u00bb Thi\u00e9ry .... \u00bb Spitzer.... \u00bb Tawney . . . \u00bb Fruit\t\n(7*) bedeutet, dass die Ca bei Herrn Tawney nur aus 7 Distanzen berechnet sind. Vgl. S. 150.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Ueb. d. Bedeutung d Convergenz- u. Aceommodationsbew. f. d. Tiefenwahriiehmung. 159\na bedeutet die Zahl der Distanzen, aus denen die mittleren Con-stanten Ca f\u00fcr die Ann\u00e4herung, Ce f\u00fcr die Entfernung berechnet sind' o die gr\u00f6\u00dfte Abweichung nach oben, u nach unten.\nMan ersieht aus dieser Tabelle, dass die Ann\u00e4herung auch beim binocularen Tiefensch\u00e4tzen in unseren Versuchen etwas genauer erkannt wurde als die Entfernung. Ebenso ist die Constante in der zweiten Versuchsreihe der ersten drei Beobachter feiner als in der ersten, woraus der Einfluss der Uebung zu erkennen ist. Es muss noch bemerkt werden, dass zu den Versuchen der zweiten Reihe nicht sofort nach Beendigung der ersten \u00fcbergegangen wurde, sondern erst nach Verlauf von 8\u201410 Tagen, weil alle Beobachter schon am Ende der ersten Versuchsreihe dieser Experimente erm\u00fcdet waren. Auff\u00e4llig ist es, dass die Abweichungen von der Constante f\u00fcr die Ann\u00e4herung im allgemeinen etwas gr\u00f6\u00dfer sind als f\u00fcr die Entfernungen.\nZwei weitere Ergebnisse entnahm Wundt aus den absoluten Gr\u00f6\u00dfen der Winkelverschiebungen a des Auges und denen der Unterscheidungsschwelle v. Die absolute Gr\u00f6\u00dfe der eben merklichen Winkelverschiebung bei m\u00f6glichst g\u00fcnstigen Bedingungen, d. h. bei geringer Convergenz, stimmte sehr nahe \u00fcberein mit den kleinsten Unterschieden des Netzhautbildes, wie sie bei den gew\u00f6hnlichen Versuchsbedingungen gefunden wurden1). Und zweitens hebt Wundt hervor, dass die Werthe unter v nahe zusammenfallen mit denjenigen, die f\u00fcr die ebenmerklichen Unterschiede des Augenma\u00dfes f\u00fcr Distanzen gefunden wurden. Aus diesen Ergebnissen zieht Wundt folgende Schlussfolgerungen : \u00bbDas erste dieser Resultate spricht daf\u00fcr, dass die Augenbewegungen schon bei der Auffassung der kleinsten erkennbaren Unterschiede des Netzhautbildes von bestimmendem Einfl\u00fcsse sind; das zweite macht es wahrscheinlich, dass unser Augenma\u00df f\u00fcr den Unterschied von Distanzen auf unserer F\u00e4lligkeit, Grade der Augenbewegung zu unterscheiden, beruht. Damit ist die G\u00fcltigkeit des Web er\u2019sehen Gesetzes f\u00fcr das Augenma\u00df mit gro\u00dfer Wahrschein-\n1) Wundt fand, dass f\u00fcr sein Auge Linien von 3,5 mm Breite und 1,083 mm istanz in 2870 mm Entfernung, also bei einem Winkel von 77,7\" verschmelzen. g1BMnt man die F\u00e4den feiner, so ist, wie Aubert (Physiologie der Netzhaut, f\u00fcr Spinnwebf\u00e4den fand, ein gr\u00f6\u00dferer Winkel n\u00f6thig, ungef\u00e4hr 80,4\" bis\n\u25a0 Wundt, Grundz\u00fcge, 1. Aufl. S. 525. 4. Aufl. II. S. 99.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nMaximilian Arrer.\nlichkeit auf seine G\u00fcltigkeit f\u00fcr die Bewegungsempfindungen zur\u00fcck, gef\u00fchrt\u00ab ').\nWas die zwei letzten Ergebnisse und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen anbelangt, wird man sie, so lange man die Ver-suche, besonders in quantitativer Beziehung, als g\u00fcltig betrachtet, ge. wiss gelten lassen m\u00fcssen. Besonders stimmen die Winkelverschiebungen \u2014 ganz allgemein gesprochen \u2014 auch hei allen den f\u00fcnf Beobachtern, an denen ich experimentirte, mit den von Wundt gefundenen oft sehr nahe \u00fcberein, und liegen bei allen bis auf 100 cm absolute Entfernung diese Winkelverschiehungen um die kleinsten unter gew\u00f6hnlichen Bedingungen gefundenen Unterschiede des Netzhautbildes herum. Die absoluten Gr\u00f6\u00dfen der relativen Oonstanten dagegen zeigen in meinen Versuchen hei den verschiedenen Beobachtern nicht unbetr\u00e4chtliche Abweichungen von denen bei Wundt. F\u00fcr Wundt\u2019s Beobachter betr\u00e4gt die Constante im Mittel aus neun Distanzen \u2018/si, dagegen kommen hei mir Werthe vor wie ^ und Vj7 f\u00fcr Herrn Prof. K\u00fclpe, l/3e und 1 /1- f\u00fcr Herrn Tawney, und auf der anderen Seite */52 f\u00fcr Herrn Thi\u00e9ry und V59,5 f\u00fcr Herrn Spitzer. Ob diese Werthe \u00fcbereinstimmen mit der Feinheit ihres Augenma\u00dfes, dar\u00fcber habe ich leider keine Versuche angestellt. Es w\u00e4re das insofern nothwendig gexvesen, als die drei erstangef\u00fchrten Werthe au\u00dferhalb der Grenzen der Feinheit des Augenma\u00dfes fallen, wie sie vonFechner und Volkmann nach der Methode der ehenmerklichen Unterschiede gefunden wurde2).\nAuch mit R\u00fccksicht auf die relative Constante, die sich bei diesen Versuchen im Sinne des Weber\u2019sehen Gesetzes ergibt, muss jedoch der entgegengesetzten Meinung gedacht werden. Die obige Constante wird, auf die Drehungswinkel zur\u00fcckgef\u00fchrt, f\u00fcr den Anh\u00e4nger der Meinung, dass es Augenmuskelempfindungen sind, die in den obigen Versuchen das sinnliche Moment der Erkenntniss der Tiefenverschiebungen ahgehen, eine starke Best\u00e4tigung seiner Ansicht sein. Aber auch f\u00fcr denjenigen, der da meint, dass es Verh\u00e4ltnisse auf der Netzhaut sind, die auf unsere Frage eine Antwort geben, ist\n1)\tWundt, Grundz\u00fcge, 1. Aufl. S. 557. 4. Aufl. II. S. 137.\n2)\tF\u00fcr Fechner ergab sich im Mittel \u25a0/\u00ab (Elemente der Psychophysik, I-S. 233 f.). Bei Yolkmann (Physiologische Untersuchungen im Gebiete der Optik, 1864, S. 129 f.) schwankten die Werthe zwischen V45\u2014llm-","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"0eb. d Bedeutung d. Couvergenz- u. Accoinmodationsbew. f. d. Tiefenwahrnehmung. 161\nohne weiteres einleuchtend, dass die obigen Verh\u00e4ltnisse der Winkel, wenn man die Netzhaut als Kugelschale ansieht, eben Verh\u00e4ltnisse der B\u00f6gen dieser Winkel sind, und die Abweichungen, die hier statt-finden werden, k\u00f6nnen dann auch 'nicht gr\u00f6\u00dfer sein als diejenigen, die sich eben gezeigt haben]1).\nDie bisherige Betrachtung der Wundt\u2019sehen Versuche und ihrer Theorie hat auf der einen Seite manches ergeben, was sich der Modification bed\u00fcrftig erwies; auf der anderenJSeite wieder manches, was dem in der Theorie Andersdenkenden ebenso werthvoll sein kann, als einem Vertreter Wundt\u2019scher Ansichten. Und sofern diese letzteren Thatsachen nicht schon an und f\u00fcr [sich zu dieser oder jener Ansicht n\u00f6thigen, stellt sich von selbst die Aufgabe, nach beiden Seiten, so weit dies m\u00f6glich sein wird, eine Entscheidung zu versuchen, um dann von da aus eine Erkl\u00e4rung der mitgetheilten Versuche zu finden.\n1) R. Greeff fand auch f\u00fcr die Hering\u2019sehen Fallversuche jene Verh\u00e4ltnisse zwischen den Unterschiedsstrecken und der absoluten Entfernung, ebenfalls aber auch, dass das Bild der fallenden Kugel um ein bestimmtes von der Macula lutea entfernt liegen muss, was nach allem Obigen nicht Wunder nehmen kann (Zeitschr. f\u00fcr Psychologie von Ebbinghaus u. K\u00f6nig, Bd. III. S. 39). Nur irrt Greeff, wenn er glaubt, der erste Entdecker jenes Verh\u00e4ltnisses der Unterschiedsstrecken zu sein. Wundt bemerkte dies schon lange vor ihm. Die Fallversuche von Hering \u00fcbergehe ich hier, sie erfordern eine besondere Betrachtung.\n(Schluss folgt im n\u00e4chsten Hefte.)\n\u25a0Wundt, Philos. Studien XIII.\n11","page":161}],"identifier":"lit4255","issued":"1898","language":"de","pages":"116-161","startpages":"116","title":"Ueber die Bedeutung der Convergenz- und Accommodationsbewegungen f\u00fcr die Tiefenwahrnehmung","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:24:18.231406+00:00"}