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{"created":"2022-01-31T14:17:17.471058+00:00","id":"lit4258","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Tawney, Guy A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 13: 163-221","fulltext":[{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes, mit R\u00fccksicht auf die Frage der Uebung und die Entstehung\nder Vexirfehler.\nVon\nGuy A. Tawney.\nMit 5 Figuren im Text.\nTrotz der zahlreichen eingehenden Abhandlungen im Gebiete des Tastsinnes, die seit den Web er\u2019sehen Versuchen erschienen sind, bleibt die Psychologie bis heute noch \u00fcber die Erkl\u00e4rung mancher Thatsachen dieses Gebietes unentschieden. Die vorliegende Arbeit setzte sich zun\u00e4chst die Aufgabe, den Einfluss der Uebung auf das Erkennen zweier Punkte durch den Tastsinn zu untersuchen. Eine andere Frage stellte sich aber bald in den Weg: dies war der oft bemerkte und bis jetzt kaum erkl\u00e4rte Vexirfehler. W\u00e4hrend der Untersuchung dieser zwei Erscheinungen wurden einige neue Thatsachen gefunden, deren Bedeutung einerseits f\u00fcr die allgemeine Theorie der Sinneswahrnehmung, anderseits f\u00fcr die Methode aller Ta8tsinnversuche von Wichtigkeit zu sein scheint. Im Anschluss an diese Untersuchungen sollen daher schlie\u00dflich einige kritische Bemer-\u00abuagen \u00fcber die Methode gegeben werden.\nAls Versuchspersonen, denen hiermit zugleich mein bester Dank ^\u00abgesprochen sei, nahmen an diesen Untersuchungen Theil die erren: G. M. Stratton, W. P. Ladd, M. Arrer, Dr. F. Kiesow,\n\u2022 Chamdanjian, H. Eber, Dr. P. Mentz, Dr. Brahn, E. Mosch, ,.\t' PerrU E- M. Weyer und S. J. Franz, au\u00dferhalb des In-\nU tfi8 ^en' ^GV' Hefelbower. Es sei noch bemerkt, dass die i a u\u00b0hungen urspr\u00fcnglich gemeinsam mit Herrn Dr. O. H. Judd \"egonnen wurden.\n\u2022^\u25a0ls H\u00fclfsapparat wurde mit wenigen Ausnahmen ein einfacher\nPhlios. Studien XIII.\n12","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nGuy A. Tawney.\naus Messing angefertigter Zirkel gebraucht, dessen Schenkel mit Gelenken versehen waren, damit die Spitzen rechtwinklig zur Oberfl\u00e4che der Hautstelle aufgesetzt werden konnten. Steht n\u00e4mlich eine Spitze schief auf der Haut, so wird die Empfindung einer Bewegung \u00fcber die Haut hin erzeugt, die sehr leicht einen st\u00f6renden Einfluss haben kann. Um dies zu vermeiden, wurden bei erheblicheren Distanzen die Schenkel des Zirkels immer entsprechend zusammengebogen. Die Spitzen selbst waren aus Knochen gefertigt und mit einer Breite des Ber\u00fchrungspunktes von ann\u00e4hernd l/2 mm abgerundet. Dies ist die beste Breite, weil sie einerseits allen Schmerz vermeidet, anderseits doch klein genug ist, um Ma\u00dfbestimmungen von nur 2 mm zu erm\u00f6glichen. Dementsprechend wurden auch nur Hautstellen ausgew\u00e4hlt, bei denen kleinere Ma\u00dfbestimmungen nicht erforderlich sind. Es darf nicht \u00fcbersehen werden, dass die Form der Spitzen einen betr\u00e4chtlichen Einfluss auf die Schwellenwerthe besitzt. Ohne Nadelspitzen h\u00e4tte Goldscheider seine auffallend kleinen Schwellenwerthe nicht erhalten k\u00f6nnen. Bei unseren Versuchen wurde eine etwas gr\u00f6\u00dfere Dicke genommen, theils weil die besonderen Erscheinungen, die untersucht werden sollten, von der Form der Spitzen ziemlich unabh\u00e4ngig sich erwiesen haben, theils weil gr\u00f6\u00dfere Schwellenwerthe f\u00fcr die vorliegende Aufgabe im allgemeinen am g\u00fcnstigsten sind: wenn n\u00e4mlich die Schwellenwerthe sehr klein sind, so bleiben die verschiedenen Abweichungen derselben unsicher, und dadurch k\u00f6nnen leicht bedeutende T\u00e4uschungen eintreten und dabei wichtige Erscheinungen \u00fcbersehen werden.\nUnsere erste Aufgabe war, wie bemerkt, den sogenannten Einfluss der Ein\u00fcbung auf das Erkennen minimaler Distanzen mittelst des Tastsinnes zu untersuchen. Die Forscher, die sich mit der Uebungsfrage besch\u00e4ftigt haben, sind mit einander einverstanden, dass durch Uebung die Schwelle f\u00fcr die \"Wahrnehmung zweier Punkte verkleinert wird. Es erhebt sich dabei zugleich die Frage, ob, wenn eine Stelle einge\u00fcbt wird, dadurch andere Stellen miteinge\u00fcbt werden. Darauf hat schon Volkmann geantwortet, dass, wenn eine von zwei symmetrischen Hautstellen einge\u00fcbt werde, die andere eine gleichm\u00e4\u00dfige Schwellenverkleinerung erfahre ')\u2022\n1) \u00bbUeber den Einfluss der Ein\u00fcbung auf das Erkennen r\u00e4umlicher Distanzen\u00ab. Berichte d. s\u00e4chs. Gesellsch. d. Wissensch. Bd. X (1S58) math.-phys. Abth. S. 38 ff.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n165\n{\u2019unker, der die Volkmann\u2019sehen Versuche er\u00f6rtert, bemerkt, dass vielleicht eine allgemeine Schwellenverkleinerung auf der ganzen Hautoberfl\u00e4che stattfinde, wogegen Dresslar1 2) dies aus theoretischen Gr\u00fcnden zur\u00fcckwies. Keiner von den Autoren, welche die Frage nach dem Umfang der Ein\u00fcbung untersucht haben, ist jedoch bei seinen Versuchen darauf specieller eingegangen. Die meisten scheinen anzunehmen, dass die Ein\u00fcbung nur eine Ein\u00fcbung der physiologischen Bedingungen des Ortssinnes der Haut selbst sei. V\u00f6lkern! z. B. fand, dass durch Ein\u00fcbung der Volarseite des Zeigefingers einer Hand eine gleichm\u00e4\u00dfige Verkleinerung der Schwelle auf f\u00fcnf anderen Stellen derselben und zugleich der andern Hand auftrat. Daraus schlie\u00dft er, dass die zwei entsprechenden Nervenbahnen der beiden Arme, von denen jede eine gemeinsame Leitung zu den sechs Stellen darstellt, ein gemeinsames Centrum besitzen m\u00fcssen, und dass die Ein\u00fcbung ein Vorgang in diesem Centrum sei. Nur einmal, und dies in neuester Zeit, n\u00e4mlich von Judd3), ist vermuthet worden, dass die Schwellenverkleinerung auf einen noch centraleren Ein-\u00fcbungsprocess zur\u00fcckzuf\u00fchren sei.\nUm diese Frage zu pr\u00fcfen, wurden zun\u00e4chst die Schwellen f\u00fcr zw\u00f6lf bis zweiunddrei\u00dfig Hautstellen bei jeder Versuchsperson ermittelt, sodann eine bestimmte bei verschiedenen Versuchspersonen verschiedene Stelle durch t\u00e4glich vorgenommene Schwellenbestimmungen zwanzig oder drei\u00dfig Tage hindurch einge\u00fcbt. Zuletzt wurden die am Anf\u00e4nge auf verschiedenen Hautstellen festgestellten Schwellen wieder bestimmt und die Resultate mit den fr\u00fcheren Messungen verglichen, um zu sehen, ob sie gr\u00f6\u00dfer, gleich oder kleiner geworden seien.\nIn allen diesen Versuchen wurde, wo es der Sache nach m\u00f6glich \u25a0war, die Methode der Minimal\u00e4nderungen angewandt. Die Dauer fles Aufsetzens der Spitzen wurde bei allen unseren Versuchen (abgesehen von einigen absichtlichen Ver\u00e4nderungen) m\u00f6glichst constant gehalten, n\u00e4mlich ungef\u00e4hr 4 Secunden. Um dies zu erreichen, wurde ui regelm\u00e4\u00dfigem langsamem Tact, f\u00fcr die Versuchspersonen unh\u00f6rbar,\n1)\tHermann\u2019s Handbuch d. Physiologie, Bd. III, Abth. 2, S. 377\u2014414.\n2)\tAmerican Journal of Psychology, Bd. VI (1894), S. 324\u2014332.\n3)\tPhilos. Studien Bd. XI, S. 409 ff.\n12*","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nGuy A. Tawney.\nbis vier gez\u00e4hlt. Als Zwischenzeit f\u00fcr die einzelnen Versuche wurden in der Regel 10 oder 15 Secunden genommen. Zwischen den Reihen wurden h\u00e4ufige Pausen gemacht, um alle Erm\u00fcdung der Haut und der Aufmerksamkeit zu vermeiden. Von dieser Regel wurde eine Ausnahme gemacht, so oft die Versuchsperson um eine genauere Beschreibung ihres Verfahrens gebeten wurde. Alle Hautstellen (mit wenigen Ausnahmen) wurden mit Anilin markirt und die Lage des K\u00f6rpertheils genau beschrieben, um dieselben Stellen bei denselben Lagen wieder zu finden; so wurde z. B. bei Schwellenbestimmungen auf der H\u00fcfte zun\u00e4chst ein Punkt markirt, von diesem aus wurden in zwei Richtungen die einzelnen Versuche gemacht, und sodann die weiteren Bedingungen der Versuche niedergeschrieben, ob z. B. die Versuchsperson stand oder auf einem Stuhl sa\u00df, oh im letzten Falle das Bein gleichfalls ausgestreckt auf einem Stuhl oder auf dem Boden ruhte u. s. w. Die Versuche wurden fast ausschlie\u00dflich parallel der L\u00e4ngsachse des K\u00f6rpers angestellt; eine Ausnahme wurde nur gemacht, um das Erkennen der Richtung oder die von Weber herr\u00fchrende Behauptung, dass die transversalen Schwellen k\u00fcrzer seien als die, welche der L\u00e4ngsachse des K\u00f6rpers parallel sind, zu pr\u00fcfen. Es wurden auch m\u00f6glichst f\u00fcr jede Versuchsperson die allgemeineren Bedingungen der Versuche so constant wie m\u00f6glich gehalten: n\u00e4mlich die Temperatur des Zimmers ') und die Tageszeit. Ferner wurden die allgemeinen K\u00f6rperzust\u00e4nde, wie Erm\u00fcdung, Kopfweh u. dergl. sorgf\u00e4ltig ber\u00fccksichtigt. Uebrigens kam ich zu der Ueberzeugung, dass es im allgemeinen f\u00fcr die Zwecke dieser Versuche nutzlos sei, Essen, Schlafen und Arbeiten der Versuchsperson innerhalb gewisser sehr breiter Grenzen streng zu controliren. Es wurde n\u00e4mlicb bemerkt, dass die Gem\u00fcthslage der Versuchsperson eine sehr bedeutende Rolle spielt, w\u00e4hrend z. B. der Umstand, dass sie bis zw\u00f6lf Uhr in der vorigen Nacht gearbeitet hatte, fast gar keine Rolle spielte. Der Einfluss solcher Bedingungen auf die Versuche h\u00e4ngt \u00fcbrigens von der Individualit\u00e4t ab: es hat sich nur allgemein als die wichtigste Bedingung herausgestellt, dass die Aufmerksamkeit normal und ohne unwillk\u00fcrliche Schwankungen sein muss.\n1) Loewenton fand, dass die Temperatur des Zimmers einen erheblichen Einfluss auf die Schwelle aus\u00fcbt. Versuche \u00fcb. d. Ged\u00e4chtniss im Gebiete des Raumsinnes der Haut. Dorpat 189.1. S. 18.","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n167\nEs sei schon an dieser Stelle hervorgehoben, dass die Zeitdauer 4es Aufsetzens der Spitzen in der Regel auf das Urtheil keinen betr\u00e4chtlichen Einfluss auszu\u00fcben scheint. Auf einige interessante Erscheinungen in dieser Hinsicht werden wir noch sp\u00e4ter zur\u00fcckkommen. jfur dies sei bemerkt, dass, wenn die Versuchsperson wegen fr\u00fcherer Versuche oder Suggestion eine gewisse Dauer des Aufsetzens erwartete und die Spitzen nur f\u00fcr eine viel k\u00fcrzere Zeit thats\u00e4chlich aufgesetzt wurden, sie entweder kein oder h\u00f6chstens nur ein sehr unsicheres Urtheil abgehen kann. Im umgekehrten Falle gibt sie das Urtheil ab, bevor die Spitzen weggenommen werden; aber keine Ver\u00e4nderung aus Anlass der Fortdauer des Reizes wurde hei diesen Versuchen bemerkt. Wenn die Versuchsperson erwartet, dass die Spitzen nur f\u00fcr eine sehr kurze Zeit aufgesetzt werden, und ihre Erwartung thats\u00e4chlich erf\u00fcllt wird, so erh\u00e4lt man immer dieselben Resultate wie sonst. Die L\u00e4nge der Zwischenzeit der Versuche kann aber zuweilen wegen starker Nachbilder, die bei einigen Versuchspersonen auf treten, und auch wegen der Spannung der Erwartung einen gewissen Einfluss haben. Um den Einfluss der Erwartung zu vermeiden, hat C amer er schon in \u00e4hnlichen Versuchen die Zwischenzeit sehr gro\u00df gew\u00e4hlt, f\u00fcnf Minuten und in einer andern Reihe eine halbe Stunde. Die Erwartung bildet aber einen Theil der allgemeinen Frage nach dem Einfluss der Vorstellungen. Wenn die Versuchsperson schon vorher wei\u00df, was f\u00fcr Versuche an ihr gemacht werden, kann eine l\u00e4ngere Zwischenzeit den Einfluss der Erwartung gar nicht ver\u00e4ndern: wenn dagegen die Versuchsperson von der Art der Versuche nichts vorher wei\u00df, dann beruht die Erwartung auf einem vorhergehenden Urtheil, und die Beschaffenheit dieses Urtheils wird die Erwartung selbst ver\u00e4ndern.\nEine weitere wichtige Bedingung dieser Versuche ist die Druckst\u00e4rke der Spitzen. Um die inneren Bedingungen der Wahrnehmung zu constatiren, ist vor allem nothwendig, dass die zwei Spitzen mit gleicher St\u00e4rke in dem einzelnen Versuch und mit constanter St\u00e4rke ln allen Versuchen, die nachher zur Vergleichung kommen, aufgesetzt werden. Um dieser Forderung nachzukommen wurde versucht, ein besonderes Aesthesiometer herzustellen, das die St\u00e4rke des Druckes bei jeder Lage des K\u00f6rpertheils, auf dem die Versuche gemacht werden, genau misst. Au\u00dfer den bekannten sehr betr\u00e4chtlichen","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nGuy A. Tawney.\nmechanischen Schwierigkeiten gibt es jedoch auch andere Gr\u00fcnde, die dies nicht lohnend machen. Verschiedene Hautstellen besitzen n\u00e4mlich f\u00fcr Druckempfindungen ganz verschiedene Empfindlichkeit, so dass dieselbe Druckst\u00e4rke auf verschiedenen Hautstellen ganz verschiedene Empfindungsintensit\u00e4ten erzeugt. So gro\u00df sind diese Abweichungen in der Sensibilit\u00e4t der Hautstellen, dass sehr oft in einem einzelnen Versuch die zwei Spitzen zwei Empfindungen von deutlich erkennbar verschiedenen Intensit\u00e4ten erzeugten. Auf den Schulterbl\u00e4ttern z. B. wurde versucht, gleiche Intensit\u00e4ten von zwei in einer horizontalen Linie liegenden Empfindungen durch tiefes Dr\u00fccken der inneren Spitze herzustellen. Bei diesem Versuch stellte sich folgendes heraus: W\u00e4hrend die \u00e4u\u00dfere Spitze ganz leise die Haut ber\u00fchrte und die innere so tief aufgedr\u00fcckt wurde, dass sie die Haut fast zu verwunden schien, empfand die Versuchsperson die \u00e4u\u00dfere Spitze bedeutend intensiver als die innere. Es ist von K\u00fclpe hervorgehoben, dass \u00bbeine reinliche Untersuchung der Baumschwelle die gleiche subjective Intensit\u00e4t \u00fcberall hersteilen muss\u00ab1). Doch werden die Empfindungen auf dem B\u00fccken z. B. schmerzhaft, ehe sie dieselbe gleiche subjective Intensit\u00e4t erreicht haben wie die aus mittelstarken Ber\u00fchrungen entstehenden Empfindungen auf den Fingerspitzen oder auf der Zunge. Es w\u00e4re eine lohnende Aufgabe, die verschiedenen Empfindlichkeiten verschiedener Hautstellen f\u00fcr einfache Druckreize zu untersuchen. Bei der vorhegenden Arbeit aber glauben wir, dass die subjectiv scheinbare Intensit\u00e4t der Empfindungen eine viel geringere Bolle spielt als die Klarheit und Deutlichkeit derselben. Diese sind der Intensit\u00e4t der Empfindungen nicht durchaus proportional. Zwischen einem Beiz, der blo\u00df empfunden wird, und einem Beiz, der schmerzhaft ist, gibt es auf jeder Hautstelle einen mittleren Beiz, der f\u00fcr die Wahrnehmung zweier Punkte am g\u00fcnstigsten ist, und dieser Beiz entspricht entschieden nicht bei jeder Hautstelle derselben \u00e4u\u00dferen Druckst\u00e4rke. Wie wird nun dieser mittlere Beiz festgestellt? Er ist ebenso verschieden bei verschiedenen Hautstellen derselben Versuchsperson wie hei derselben Hautstelle verschiedener Versuchspersonen; und er ist hei derselben Hautstelle derselben Versuchsperson verschieden bei verschiedenen\n1) Grundriss der Psychologie. Leipzig 1893. S. 352.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\t169\nAnwendungen der Spitzen. Diese Thatsache l\u00e4sst sich durch Auf-jnerksamkeitsschwankungen und k\u00f6rperliche Disposition der Versuchsperson leicht erkl\u00e4ren. Es bleibt aber in Folge dessen nichts \u00fcbrig, als den g\u00fcnstigsten Reiz w\u00e4hrend des Verlaufs der Versuche seihst rein empirisch festzustellen. Man darf wohl annehmen, dass im allgemeinen die auf diese Weise gewonnenen Schwellenwerthe viel verwertbarer sind, als die durch einen complicirteren Apparat hergestellten. Damit es aber nicht n\u00f6thig w\u00fcrde, die Druckst\u00e4rke jedesmal auszusuchen, wurde immer, wenn die Spitzen senkrecht aufgesetzt wurden, eine Stelle ausgesucht, wo die Haut ziemlich gleichm\u00e4\u00dfig empfindlich ist und wo das Gewicht des Zirkels, das 27,15 g betrug, bei jedem Versuch auf der Haut stehen gelassen werden konnte. Dies war das Verfahren in allen Versuchen auf dem Vorderarm, wo das Gewicht des Zirkels, also ungef\u00e4hr 13,57 g auf jeder Spitze, f\u00fcr die Schwellenbestimmungen sich \u00fcberall als sehr g\u00fcnstig erwies. Wo aber nur eine einzelne Spitze gebraucht wurde, wurde die g\u00fcnstigste Druckst\u00e4rke erst durch einige Probeversuche festgestellt und dann m\u00f6glichst constant gehalten. Bei einigen Versuchspersonen war es uns unm\u00f6glich, eine Stelle zu finden, wo die Strecke der ann\u00e4hernd gleichm\u00e4\u00dfigen Empfindlichkeit gro\u00df genug war, um dieses Verfahren reinlich durchzuf\u00fchren. In solchen F\u00e4llen blieb nichts \u00fcbrig, als die eine Spitze etwas st\u00e4rker als die andere aufzusetzen: es wurde dabei immer darauf gesehen, dass der Versuchsperson die zwei Empfindungen immer von gleicher Intensit\u00e4t erschienen.\nAndere Schwierigkeiten waren f\u00fcr diese Versuche die Schmerz-und Temperaturempfindungen. Solche Empfindungen waren immer als st\u00f6rende Factoren vorhanden, und ihr Einfluss konnte nur dadurch vermieden werden, dass die Versuchsperson beim Auf tauchen dieser Empfindungen sofort Auskunft dar\u00fcber gab. Es wurde zuerst versucht, die Temperatur- und Schmerzpunkte innerhalb jeder untersuchten Stelle auszusuchen und zu markiren, um ihre Ber\u00fchrung zu vermeiden. Es stellte sich aber heraus, dass die so gewonnenen Resultate in keinem Falle regelm\u00e4\u00dfiger waren als die Resultate derjenigen Versuche, in denen die Versuchsperson einfach \u00fcber das Vorhandensein von Temperatur- und Schmerzempfindungen Auskunft gab. Uebrigens wirkte das Herausfinden solcher Punkte als eine Art","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nGuy A. Tawney.\nEin\u00fcbung, welche die ersten Schwellenwerthe sehr klein machte. Um das Ber\u00fchren von Haarpapillen zu vermeiden, wurde, wo solche Papillen vorhanden waren, ein St\u00fcck Haut rasirt.\nYon den Resultaten der Untersuchungen sei hier einiges im allgemeinen vorausgeschickt. Es wurde von Weher behauptet, dass die Schwellenbestimmungen, die der L\u00e4ngsachse des K\u00f6rpers parallel genommen werden, gr\u00f6\u00dfer seien als die Bestimmungen, die rechtwinklig zur L\u00e4ngsachse gemacht werden. E\u00fcr die Arme und Beine wurde diese Behauptung als ganz richtig befunden: f\u00fcr den \u00fcbrigen K\u00f6rper ergab sich aber aus den Versuchen, dass die Schwellenwerthe in den zwei Richtungen ziemlich dieselben f\u00fcr dieselbe Stelle waren. Wo Abweichungen von dieser Regel sich gezeigt haben, ist die transversale Schwelle eben so oft gr\u00f6\u00dfer wie kleiner als die longitudinale. Auf dem Bauch z. B., der Brust, den Schulterbl\u00e4ttern und dem R\u00fccken fand sich in dieser Beziehung fast gar kein Unterschied. Auch die Angabe von Valentin1), dass die relativen Werthe der Schwellen f\u00fcr verschiedene Hautstellen ann\u00e4hernd gleich seien, k\u00f6nnen wir nur als eine sehr ungef\u00e4hre Regel ansehen. Aus f\u00fcnf Schwellenbestimmungen z. B., auf der rechten H\u00fcfte, dem Unken Vorderarm, dem rechten Oberarm, der linken Brust, dem rechten Daumen waren drei bei einer Versuchsperson gr\u00f6\u00dfer als bei einer andern, w\u00e4hrend die andern zwei bei jener kleiner waren als bei dieser. Wenn man aber z. B. die relativen Werthe der L\u00e4ngs-Querschwellen auf dem Ober- und Unterarm bestimmt, so bleiben diese ann\u00e4hernd dieselben bei fast allen Versuchspersonen. Dasselbe gilt f\u00fcr die Beine. F\u00fcr den Rumpf aber hat diese Regel fast gar keine sichere Geltung. Auch auf dem Kniegelenk konnten wir einen Unterschied zwischen der longitudinalen und der transversalen Schwelle nicht bemerken. Von Vierordt wurde das Folgende angegeben2): \u00bbDie relative Feinheit des Ortssinnes eines bestimmten Hauptpunktes eines K\u00f6rpertheils ist im Verh\u00e4ltniss zum Ortssinn der \u00fcbrigen Punkte desselben Theils eine Function seiner Beweglichkeit, h\u00e4ngt ab von der relativen Gr\u00f6\u00dfe der Excursionen, welche er bei den Bewegungen des betreffenden\n1) Valentin, Lehrbuch der Physiologie des Menschen, Braunschweig 1844. Band II.\n2) Pfl\u00fcger\u2019s Archiv II, S. 297 und Vierordt\u2019s Grundriss der Physiologie 5. Aufl. S. 342.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n171\nTbeils um die zugeh\u00f6rige Drehachse ausf\u00fchrt, w\u00e4chst also proportional mit seinem Abstand von der Drehachse\u00ab '). Wenn man die Extre-juit\u00e4ten allein ins Auge fasst, so scheint sich diese Angabe zu best\u00e4tigen: die Fingerspitzen und die Zehen sind wohl am empfindlichsten. Im allgemeinen kann man aber annehmen, dass, je weiter J\u00fcan vom Fu\u00df nach der H\u00fcfte, oder von der Hand nach der Schulter geht, die Schwellenwerthe um so gr\u00f6\u00dfer werden. Dabei erf\u00e4hrt die Schwelle eine bedeutende Zunahme in der N\u00e4he jedes Gelenkes, und wenn man den Rumpf und den Kopf untersucht, best\u00e4tigt sich diese Regel \u00fcberhaupt nicht mehr. Nach der Kritik, der Funke diese Angabe Yierordt\u2019s unterworfen hat, stellt sich heraus, dass man nicht nur die Gr\u00f6\u00dfe der Excursion des Gliedes, sondern auch die Geschwindigkeit und H\u00e4ufigkeit der Bewegungen des K\u00f6rpertheils in Betracht ziehen muss. So f\u00fchrt er das Vierordt\u2019sche Gesetz auf das allgemeine Uebungsgesetz zur\u00fcck2). Die Empfindlichkeit eines K\u00f6rpertheils sei proportional dem Gebrauch des Theils beim Individuum und der durch Vererbung her\u00fcbergenommenen Empfindlichkeitsanlage. Die Angabe Yierordt\u2019s k\u00f6nnte jedenfalls nur als ein rein empirisches Gesetz gelten: wenn es sich auch best\u00e4tigen lie\u00dfe, so k\u00f6nnte es doch keineswegs die Erscheinungen erkl\u00e4ren, die es zum Ausdruck bringt. In der That entspricht aber die Angabe nicht den Thatsachen.\nDie Schwellenwerthe f\u00fcr die Wahrnehmung zweier Punkte haben sich in unsern Versuchen im allgemeinen viel inconstanter erwiesen, als nach den Angaben fr\u00fcherer Beobachter zu erwarten war. Dies f\u00fchrte uns zu der Ueberzeugung, dass jene Zahlenangaben zum Theil auf falschen Voraussetzungen beruhen m\u00fcssten. Gerade die wohl-bekannte Tabelle der Schwellenwerthe, die Weber festgestellt hat, darf nicht als allgemein g\u00fcltig angesehen werden. Man darf wohl annehmen, dass es nirgends in der Welt einen Menschen gibt, bei dem alle in dieser Tabelle angegebenen Schwellenwerthe best\u00e4tigt werden k\u00f6nnen. Wo man einige Schwellenwerthe von derselben Gr\u00f6\u00dfe wie die von Weber angegebenen findet, werden an-e ganz betr\u00e4chtlich davon abweichen. jUebrigens glauben wir nach\nHandbuch a. a. O.\n| Diese Formulirung ist aus Funke-Hermann\u2019i--------\njer\tFunke hat auch Klingenberg dasselbe gethan: Der Raumsinn\naut und seine Modification durch \u00e4u\u00dfere Tastreize. Bonn, 1883. S. 20.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nGuy A. Tawney.\nunserer Erfahrung nicht, dass die Schwellenwerthe f\u00fcr dieselben Haut stellen bei derselben Versuchsperson z. B. innerhalb 0,5 mm in je zwei successiven Bestimmungen genau dieselben bleiben. Manchmal erreichen die Variationen des Scliwellenwerthes f\u00fcr dieselbe Hautstelle z. B. am Rumpf, Oberarm oder Oberschenkel eine Gr\u00f6\u00dfe von 5 bis 10 mm. Wir haben es versucht, durch eine gro\u00dfe Anzahl von Schwellenbestimmungen, deren Durchschnitt als die Schwelle angenommen wurde, die Web er\u2019sehen Schwellenwerthe herzustellen. Aus diesem Versuch ergab sich, dass die Schwelle in einzelnen Bestimmungen verschieden ist je nach der Form der angewandten Spitzen, und je nachdem man als Schwelle die erste Distanz, die hei dem aufsteigenden Verfahren erkannt wird, annimmt, oder diejenige, wo das Urtheil nicht mehr schwankend ist, oder endlich das Mittel zwischen jener und dieser. Bei jeder einzelnen Bestimmung konnten wir die Weh er\u2019sehe Zahl ann\u00e4hernd, d. h. innerhalb 3 mm her-stellen, wenn wir uns offen hielten, irgend eine von den drei Bestimmungsweisen zu w\u00e4hlen. Wenn wir aber eine von den drei Arten von vornherein ausw\u00e4hlten und als die Schwelle in allen einzelnen Bestimmungen constant festhielten, um den Durchschnitt zu ziehen, so erhielten wir fast niemals den Weber\u2019schen Schwellenwerth. Die von Weber angegebenen Schwellenwerthe k\u00f6nnen wir daher nur als ungef\u00e4hre ansehen, was sich wohl daraus erkl\u00e4rt, dass bei der von Weber angewandten Methode der \u00bbeben bemerklichen Unterschiede\u00ab die Schwellenbestimmung nicht mit der gleichen Regelm\u00e4\u00dfigkeit geschieht wie hei der von uns angewandten Methode der Minimal\u00e4nderungen.\nWie oben angegeben, wurden die vorliegenden Untersuchungen urspr\u00fcnglich von zwei Experimentatoren begonnen, denen nat\u00fcrlich das Programm derselben durchweg bewusst war. In den Vorversuchen, die wir zusammen ausf\u00fchrten, wurde die Methode der Minimal\u00e4nderungen unmodificirt gebraucht. Bei jedem Versuch wurde mit dem Auf setzen blo\u00df eines Punktes angefangen, dann mit zwei Punkten, von minimalen Distanzen ausgehend, in Abstufungen fortgefahren, bis die Distanz deutlich \u00fcber der Schwelle war ; dann wurde die Distanz ebenso regelm\u00e4\u00dfig wieder vermindert, bis die Spitzen nicht mehr als zwei erkannt werden konnten. Bei dem aufsteigenden Vef-","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n173\nfahren wurde die Distanz gewonnen, bei welcher die Spitzen zuerst iJg zwei sicher erkannt wurden, bei dem absteigenden diejenige, bei welcher sie als zwei zum letzten Male erkannt wurden. Von diesen zwei Zahlen wurde das arithmetische Mittel als die Schwelle genommen. Jeder Schwellenwerth wurde in dieser Weise zweimal bestimmt und demnach das arithmetische Mittel aus vier Bestimmungen, zwei aufsteigend, zwei absteigend, schlie\u00dflich als die Schwelle angenommen. In der Begel blieben die Spitzen auf der Haut, bis die Versuchsperson antwortete. Die Zwischenzeit der einzelnen Versuche war stets 20 Secunden. Die Druckst\u00e4rke war bei den Versuchen nicht durchweg gleichm\u00e4\u00dfig. Die Tageszeit war immer dieselbe, n\u00e4mlich 8 Uhr Vormittags. Nachdem wir die Schwellen auf 10 Hautstellen bei uns beiden bestimmt hatten, w\u00e4hlten wir eine Stelle f\u00fcr die t\u00e4gliche Uebung aus. Es wird von Verschiedenen, z. B. von Funke, angegeben, dass die Schwellenverkleinerung schlie\u00dflich auf einen minimalen Werth f\u00fchre, bei welchem die Schwelle constant bleibe. Um diesen Grenzwerth zu erreichen, wurden die t\u00e4glichen Bestimmungen 30 Tage lang fortgesetzt. Jene Erwartung wurde aber nicht erf\u00fcllt. Von Anfang an waren die Schwellenwertke fast immer verschieden, indem die absteigend bestimmten gew\u00f6hnlich kleiner waren als die aufsteigend bestimmten \u2014 eine Erscheinung, die schon seit lange bekannt ist1). Von Tag zu Tag wurde aber der Unterschied der zwei Werthe ein gr\u00f6\u00dferer, bis am Ende der \u2019Reihen bei den Bestimmungen von oben nach unten keine sichere Schwelle mehr bestimmt werden konnte: die Versuchsperson antwortete n\u00e4mlich in diesen F\u00e4llen \u00bbzwei Spitzen\u00ab, nachdem die fr\u00fchere auf steigend bestimmte Schwelle l\u00e4ngst vorbei war. Auch antwortete die Versuchsperson ziemlich oft \u00bbzwei Spitzen\u00ab, wenn nur eine aufgesetzt war \u2014 eme Erfahrung, die im Anf\u00e4nge gar nicht vorkam. Schlie\u00dflich wurden diese Vexirfelder (wie sie Fechner genannt hat) so h\u00e4ufig, dass bei Wiederholung der sechs Schwellenbestimmungen auf verschiedenen utstellen in der Hegel keine sicheren Schwellen mehr ermittelt werden konnten. Vor dem Aufh\u00f6ren der t\u00e4glichen Uebungen war e Schwelle auf der linken Kniescheibe der einen Versuchsperson bis auf 3 mm hinuntergegangen, und die Schwelle auf dem\nSeidelbe^11^^\u2019 \u00aeeitr\u00e4^e zur Theorie der Sinneswahrnehmung. Leipzig und","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nGuy A. Tawney.\nlinken Handgelenk der andern Versuchsperson von 19 mm bis auf 7. Diesen kleinen Wertlien entsprechend schien es, als oh die andern sechs Werthe auf den nicht einge\u00fcbten Stellen eine ebenso betr\u00e4chtliche Verminderung gezeigt h\u00e4tten. Doch machten die Vexirfelder, die schlie\u00dflich bei beiden Verfahrungsweisen erschienen, diese Bestimmungen ganz unzuverl\u00e4ssig. Es war daher aus diesen Versuchen nur zu schlie\u00dfen, dass das Resultat der Ein\u00fcbung wahrscheinlich ein allgemeines ist. Die scheinbare Verkleinerung der Schwellen und die Vexirfehler selbst konnten m\u00f6glicher Weise durch irgend eine Unregelm\u00e4\u00dfigkeit in den Versuchsbedingungen vorgekommen sein. Es blieb daher nichts \u00fcbrig als die Versuche noch einmal unter constan-teren Bedingungen zu beginnen. Immerhin ergaben sich aus diesen Versuchen neue Fragen. Die scheinbare Schwellenverkleinerung schien nicht \u00fcberall gleichm\u00e4\u00dfig zu sein. Die Vexirfehler ferner kamen auf verschiedenen Hautstellen in sehr ungleichem Ma\u00dfe zum Vorschein. Ungef\u00e4hr gleichzeitig mit dem Vexirfehler schienen schlie\u00dflich in eigenth\u00fcmlicher Weise zwei Schwellen vorhanden zu sein, eine kleinere und eine gr\u00f6\u00dfere mit einer Zwischenstrecke, wo nur ein Punkt wahrgenommen wurde. Weil wegen der h\u00e4ufigen Vexirfehler sehr oft keine Bestimmung der Schwelle in absteigender Richtung m\u00f6glich war, wurde im Folgenden lediglich das auf steigende Verfahren angewandt. Anstatt die Schwelle zweimal von unten nach oben und zweimal von oben nach unten zu bestimmen, wurden nun jedes Mal vier Bestimmungen von unten nach oben gemacht und das arithmetische Mittel aus ihnen genommen. In allen folgenden Versuchen wurde auch die Zeitdauer des Reizes auf 4 Secunden, wie schon beschrieben, beschr\u00e4nkt. Die Stellen wurden markirt und anstatt den Zirkel mit unregelm\u00e4\u00dfiger Druckst\u00e4rke auf die einge\u00fcbte Stelle aufzusetzen, wurde auch noch dieser Factor v\u00f6llig constant gehalten. Die einge\u00fcbte Stelle war, au\u00dfer bei Herrn Arrer, bei jeder Versuchsperson auf dem Vorderarm, wro der Zirkel senkrecht aufgesetzt werden konnte. Es wurde eine Stelle ausgesucht, wo gerade das Gewicht des Zirkels f\u00fcr die Bestimmungen g\u00fcnstig erschien. Bei Herrn Arrer war die einge\u00fcbte Stelle in der Mitte des rechten Oberarmes, und auf dieser Stelle musste man sich begn\u00fcgen, die Spitzen so regelm\u00e4\u00dfig wie m\u00f6glich aufzusetzen: dabei waren nur solche empirische Ma\u00dfst\u00e4be m\u00f6glich, wie das beim Aufsetzen der Spitzen statt-","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n175\n\u25a0findende Einsinken der Haut, die Widerstandsempfindung des ausge\u00fcbten Druckes u. s. w., wonach die Druckst\u00e4rke der Spitzen gemessen werden konnte. Es sei aber hervorgehoben, dass wir uns fortw\u00e4hrend durch die Aussagen der Versuchsperson in allen Versuchsreihen versichert haben, dass die Druckst\u00e4rke angemessen sei. Dazu kommt noch, dass die g\u00fcnstigen Bedingungen viel leichter herzustellen sind, als man beim ersten Blick anzunehmen geneigt ist: man gewinnt n\u00e4mlich sehr leicht eine gro\u00dfe Fertigkeit in diesem Verfahren, wovon jeder sich \u00fcberzeugen kann, wenn er einige Versuchsreihen ausf\u00fchrt. Um die Bedingungen der Volkmann\u2019schen und Dresslar\u2019schen Versuche v\u00f6llig herzustellen, wurden der Versuchsperson im Anf\u00e4nge der Zweck der Versuche sowie die bis dahin gewonnenen Resultate mit-getheilt. Allen Versuchspersonen, au\u00dfer Herrn Perry, wurde auch ausdr\u00fccklich gesagt, dass die Resultate gar nicht verwerthbar sein w\u00fcrden, im Falle Vexirfehler vork\u00e4men; ferner wurde die Versuchsperson gebeten, niemals zwei zu antworten, bis sie v\u00f6llig sicher sei. Versuchspersonen waren die Herren Hefelbower (Hef.), Arrer (A. und Perry (P.). \u2014\nUnter diesen Versuchen sind die des Herrn Hef. au\u00dferordentlich frei von Vexirfehlern. Wir k\u00f6nnen sagen, dass diese bis gegen das Ende der Reihe fast gar nicht zum Vorschein kamen. Die Reihe wurde nur 20 Tage weiter gef\u00fchrt, nicht 30, wie bei den Vorversuchen. Die Tageszeit war immer dieselbe, ya7 Uhr morgens. Die Tabellen I und II zeigen die zwei Reihen von Schwellenbestimmungen auf mehreren Hautstellen, die vor und nach der Ein\u00fchungsreihe gemacht wurden. Da Herr Hef. sehr gesund und eine gute Versuchsperson ist, so suchte ich die Zahl der Hautstellen zu vermehren, um zu sehen, oh dieselbe Verkleinerung der Schwellen auf der linken we auf der rechten Seite des K\u00f6rpers stattfinde. Es wurden diese Stellen auch nach der Unterlage der Hautstelle, ihrer Lage am K\u00f6rper und ihrer Entfernung von der Drehachse des Gliedes ausgew\u00e4hlt. Es war n\u00e4mlich m\u00f6glich, dass es einen Unterschied machte, ob die Unterlage Knochen oder Fleisch, oh die Haut selbst dick oder d\u00fcnn, rauh oder glatt war, und ob die Stelle nahe oder fern von der rehachse des Gliedes lag. Aber kein solcher Einfluss der Unterlage er des Zustandes der Hautstelle oder ihrer Entfernung von der rehachse ist in den Tabellen zu sehen.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"Tabelle I.\nBeob. : Hef. 16 Schwellen auf der linken Seite.\n176\nGuy A. Tawney\nsassnq sap n^qi\tCO co\tO CS\tCO \u2018rH co\n9SI9J\t\trH\t\nuaqoijg;\tCO\tcs rH\tCS rH\n[aquaqosiaqo\to CO\tCO cs\tS .js s\u00ae.\nqonijg\t\t00 rH\t2 i_2 i\u00df \u2014 CS\njaqooirg; I9J9UUJ\t00 co\tco\tco J co \u25a0 * |co~~ 00 |cs co\nuaoiireQ;\tCO\t>\u00df\ti\u00df . \u00abIst\njaqooirg; laiagnay\tco CO\tCO rH\t\u00ab2 co \u00bb[r si\u00ab\nitqoA raiBiapio^\t00 \u2022'T\t\u00a9 cs\t00 les TH\nnureiaqo\tO 1\u2014\t\u25a0>* cs\t\u00f6l?,\naiaqi[9Ssn^qog\tgr>\t\trr \u2022 \u25a0 co\"\" ec |co\nayOH\to k-\to cs\tCS | \u00a9, o |co fr\naqxaqosaiu-g;\tO CO\t00\t00 \u2022\u2022 I-\u00cf o \u00a3Oli0\n\u00efsiug\tt~- CO\tco\tCO rl* \u00ab1=\u00b0\nuaqonjpu^jj\t\u00bb\u00df CS\t\t\npisiop raiBjapjo^ *\\\\n% a^qnaSuig;\to i\u00df\tu\u00df\ti\u00df ! \u2022\u2022 \u00a9 O r\u2014 \u00bb\u00df 1\nDatum\tJuni 28.\u201430.\tJuli 20.\u201423.\tRelativer Werth der Ein\u00fcbung\n\u00a73\n&\n:0\nM\nm\n\u00a9\nTi\nmC\u00dc\n'3\nu\n<D\nTi\n\u00a9\nr\u201dH\nI\nOQ\n\u2022 rH \u00a9 u\np\nStirn\t22\tCO rH\tco r.i^ Sl1\"\nR\u00fccken zwischen den H\u00fcften.\t57\t28\t00 CS | co 1\u00ab i\u00df\nR\u00fccken zwischen den Schultern\t55\t30\tO CO I \u00c7Q * * in' I\u00df irH i\u00df\nDatum\tJuni 28.\u201430.\tJuli 20.\u201423.\tRelativer W erth der Ein\u00fcbung","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Tabelle II.\nBeob. : Hef. 16 Schwellen auf der rechten Seite.\nUeber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n177\nsagn\u00a3 cap i;aqX \u00bb\u00abqo\to CO\tI\u00df\t30: 15 2\nasiaj\tI\u00df\t00\t00 1 00 slBr\nngqoBg;\tCO\to\t\u00ae y\u2014i I O OO ^\npqugqoBigqo\to t-\t<M\t70:12 55/6\nqonug\t\tCO\t27 : 13 27l3\npqooir\u00e4 jaiauaj\tOO\t\tT. < or co\nU9UIIVB(J\tCS\tCD\t12: 6 2\npqootrg; J9i9gn9y\ti\u00df \u2022o\ti\u00df\t55: 15\nJBjOA UIIBI9piO^\t00 \u00bb\u00df\tCS\tcs r 2 OO \u00f6S I\u00df\nraiBigqo\to\tCO CO\tCO . I S3 ' ' sC- \u00ae cs\nuigqpssnjqog\tI\u00df cs\to\t25 : 10 2%\n3pi\t00 00\t05\tOS 00\ngqigqosgiirg;\t00 T-t\t\u00ae\to \u2022\u00abH 1 IO * * OO IfH\ntstua\to I\u00df\tI\u00df\t50:5 10\nU9qoniptn?u\tI\u00df cs\t\t\u2019\u2019 \u00bb\u00df les CS\naipns aqosui -atuniig\to \u00bb\u00df\t\u00bb\u00df\tI\u00df . *\u2022 \u00ae O T-i I\u00df 1\nDatum\tJuni 28.\u201430.\tJuli 20.\u201423.\tRelative Werth\nAus diesen Tabellen k\u00f6nnte man, nach dem Vor-gangV olkmann\u2019s, schlie\u00dfen, dass die Ein\u00fcbung kein peripherer, sondern ein centraler Vorgang irgend welcher Art sei. Volkmann hat n\u00e4mlich gefunden, dass bei der Ein\u00fcbung der Volarseite des Endgliedes des Zeigefingers f\u00fcnf andere Stellen auf der Hand mit einge\u00fcbt werden. Daraus schlie\u00dft er, dass diese sechs Stellen eine gemeinsame Nervenbahn besitzen. Da die andere Hand eine gleichm\u00e4\u00dfige Mitein\u00fcbung erfuhr, so schlie\u00dft er, dass die zwei Bahnen von den zwei H\u00e4nden ein gemeinsames Centrum haben. H\u00e4tte er nun noch mehr Hautstellen gepr\u00fcft, so h\u00e4tte er schlie\u00dfen m\u00fcssen, dass das ganze Centrum einge\u00fcht w\u00fcrde. Auf diese Frage werden wir sp\u00e4ter noch genauer eingehen. Die Schwellenverkleinerungen auf der einge\u00fcbten und der ihr symmetrischen Stelle sind hier verschieden; auch sind die andern Verkleinerungen ungleichm\u00e4\u00dfig , und insofern werden die weniger sicheren Resultate der Vorversuche best\u00e4tigt.","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nGuy A. Tawney.\nTabelle Ht, nebst der Curve Fig. 1, zeigen die Verkleinerung auf der einge\u00fcbten Stelle. Die Eegelm\u00e4\u00dfigkeit der Abnahme ist dadurch zu erkl\u00e4ren, dass bei jedem Experiment die Schwelle viermal bestimmt und der Durchschnitt als die Schwelle f\u00fcr den Tag angenommen wurde. Dasselbe Verfahren wurde auch bei den Herren A. und P. gebraucht, aber nicht mit so regelm\u00e4\u00dfigen Resultaten. Man k\u00f6nnte vermuthen, dass Herr Hef. die einzelnen Abstufungen gez\u00e4hlt oder durch irgend ein anderes H\u00fclfsmittel sein Urtheil gewonnen habe. Es wurde jedoch alles versucht, Vermehrung oder Verminderung der Zahl der Abstufungen, Einschiebung von Vexir-versuchen u. s. w., um seine Urtheile zu pr\u00fcfen. Es wurden z. B., wenn die Schwelle nur 5 mm zu sein schien, bald 5 bald 10 Abstufungen angewandt, ehe die Entfernung der Spitzen 5 mm wurde; und dabei wurden Reihen von z. B. 10 Vexirversuchen, wo nur eine Spitze aufgesetzt war, eingeschoben. Dennoch hat Herr Hef. die in den Tabellen als Schwellen angegebenen Entfernungen, einige Vexir-fehler ausgenommen, au\u00dferordentlich regelm\u00e4\u00dfig angegeben.\nTabelle HL\nBeob. : Hef. Abnahme der Schwelle auf dem linken Vorderarm durch t\u00e4gliche Uebung vom 1. bis 20. Juli.\nDatum\tVII. 1.\t2.\t3.\t4.\t5.\t6.\t7.\t8.\t9.\t10.\t11.\t12.\t13.\t14.\t15.\t16.\t17.\t18.\t19.\t20.\nSchwelle\t50\t35\t29\t24\t23\t18\t18\t14\t14\t12\t12\t12\t11\t11\t7\t7\t5\t7\t4\t5\n'<\u00e4\n-3\t. . .\nFig. 1.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes ete.\n179\nAus dieser Tabelle ist zu sehen, dass in den ersten 7 Tagen die Schwelle schon um 32 mm, innerhalb der ganzen 20 Tage aber nur um 45 mm ahgenommen hat. Im Anf\u00e4nge der Versuche schien Herr Hef. ganz unf\u00e4hig, Vexirfehler zu machen; eine Spitze nahm er immer richtig wahr. Am Ende der Versuche erschienen im Gegen-theil Vexirfehler mit gr\u00f6\u00dferer oder geringerer H\u00e4ufigkeit \u00fcberall auf allen Hautstellen; an einem Tage waren sie sehr h\u00e4ufig. Am 10. Juli erschienen Vexirfehler zum ersten Male, und an demselben Tage kamen auch die fr\u00fcher bemerkten zwei Schwellen zum Vorschein. Von Tag zu Tag aber verschwand die obere Schwelle allm\u00e4hlich, und nur die untere, die immer kleiner wurde, blieb. Der Vexirfehler verschwand aber nicht mit der oberen Schwelle.\nBei Herrn Ar rer waren Vexirfehler am Anfang sehr selten, obwohl nicht ganz ausgeschlossen. Seine Schwellen waren immer deutlich und relativ gro\u00df. Da Herr A. ein ge\u00fcbter und sehr guter Beobachter ist, d\u00fcrfen wir dieser Beihe einen hohen Werth zuschreiben. Tabelle IV zeigt die Schwellen, welche vor und nach der Ein\u00fcbungsreihe gefunden wurden. Die einge\u00fcbte Stelle war auf der Dorsalseite des rechten Oberarms.\nIn dieser Tabelle sehen wir, wie in Tabelle I und H, die Verkleinerung auf der ge\u00fcbten und der ihr symmetrischen Stelle im allgemeinen gr\u00f6\u00dfer als die Verkleinerungen auf andern Stellen. Im allgemeinen ist die Abnahme der Schwellen entschieden geringer als in Tabelle I und H, vielleicht weil Herr A. von Anfang an kleinere Schwellen hatte. Die vor der Ein\u00fcbung gewonnenen Schwellenwerthe hei Hef. und A. waren von einem Viertel bis zur H\u00e4lfte verschieden \u2014 Variationen, die Valentin schon bemerkt hat. Das Vier-ordt\u2019sche \u00bbGesetz\u00ab wird in den vorliegenden Tabellen nur in den entferntesten Umrissen best\u00e4tigt und es finden sich viele Ausnahmen. Auch die Verh\u00e4ltnisse der Schwellenverkleinerungen bei Hef. und A. s>nd keineswegs \u00fcbereinstimmend. Tabelle V und die Curven Eig. 2 zeigen die Abnahme der Schwellen auf der ge\u00fcbten Stelle, dem rechten Oberarm, bei A. Man sieht in der Curve gro\u00dfe Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten, kie sind theilweise dadurch zu erkl\u00e4ren, dass die Versuche oft f\u00fcr ' lrlen \u00b0der zwei Tage unterbrochen wurden, theilweise durch Schwanken der Aufmerksamkeit wegen Erm\u00fcdung, und theilweise wahrscheinlich durch Einfl\u00fcsse, die noch nicht nachgewiesen sind.\n^Qdt, PMlos. Studien XIII.\t13","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"Tabelle IV.\nBeob. : A. 19 Schwellen.\n180\nGuy A. Tawney.\nuaSuBj^ s^n!I\tCO\tcs tH\t13: 12\tc\u00bb\nsuaqon^ sap a^lH\to\tlO cs\ttO cs O \u00bb1\"\ttO eo\naswj; s^ui|\t00 tH\tco\t18: 13\tco tO^ *\"\u25a04\n}siug s^qosj\tlO T*\ttO cs\t45: 25\t\nuauui |aqoou^85[ut|\tcs cs\tcs\t22:12\t^c\u00a9 \u00abo \u00ab 1\nuagn\u00ab laqDOu^squq\t\tcs cs\t41 : 22\tg\nIBJOA ptrejj squq\t00\t\trf! 00\tcs\nuiaqiasSTqqag squij\tT* to\tto cs\t54:25\t\nWtqqiaiqiiqos s^qoai\tto to\tlO cs\t55:25\t<o cs\naxu^g; squij\tcs GS\t\u00a9\t22: 10\t^uo CS\n9M \u00abF\u00cfI\tr- CO\tCO\t37 : 16\tCO \u2022o\" cs\nqonug; squij\to CO\tco cs\t60: 26\teo \u25a0i\" CS\nuaqapi -puBji squij\to GS\t00\t00 O cs\tco cs\nuiiig s^qoai\tto cs\tO\t\u00a9 to cs\tcs\n31J0H S5[n;x\ttO GS\t\u00ae\t\u00a9 T\u201ct to cs\t(N cs\n^aquaqog squi|\to io\t\u00ae cs\t\u00a9 cs \u00a9 tO\tC4 cs\nmiBiapio^ s^qoax\to CO\t\u00ae\t30 : 10\tco\ns^n;i aipig aqostr\u00e7 -amunCg\tCO co\tt~-\tt- \u00a9 CO\ts\u00ab co\" 73\ns^qaai p?sxop miBiaqo \u00abIPJS a^qnasuig;\ttO IO\tto\ttO io tO\t4-H\nDatum\tJuli 1.\u20147.\tAugust 1.\u20146.\tRelativer Werth der Ein\u00fcbung\t\n\u00f6\n\u00a3\nr^fl\no\nQO\n*\u00a9\n\u00a3\nS3\nir\nfl\ni\u00f6\n<M\n\u00ceH\nfl\n<X>\nrO\nt> O\no\nfl\n<D\n7=3 +3 CU rt rO O\nfl cu\no>\nH\u00d6\n<u\nI\nUl\nu\nCU\n*~\u00f6\n'S\nfl\n3\nr-Q\no\n\u00a9\nPQ\n\nc3\nfi\nSchwellen","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n181\nNach dem elften Tage sind die zwei Schwellen, von einem Tage abgesehen, immer vorhanden gewesen. Vexirfehler waren bei A. entschieden h\u00e4ufiger am Ende der Reihe als am Anf\u00e4nge. An einigen Tagen erschienen sie auch h\u00e4ufiger als an anderen. Ferner waren sie bedeutend h\u00e4ufiger in der N\u00e4he der unteren Schwelle als der oberen.\nEs schien nun w\u00fcnschenswerth, um die allgemeine Verkleinerung der Schwelle festzustellen, eine Reihe von Versuchen auszuf\u00fchren, bei denen zwar Vexirfehler, aber doch in geringer Zahl Vorkommen. Demgem\u00e4\u00df wurde der Versuchsperson zun\u00e4chst gar keine Auskunft \u00fcber Vexirfehler gegeben, und damit sie nichts von der Empfindung einer einzelnen Spitze erfahren konnte, wurde niemals eine Spitze allein auf die Hand aufgesetzt1). Hierher geh\u00f6rt die Reihe bei Herrn Perry. Ihm wurde am Anf\u00e4nge alles \u00fcber die Versuche gesagt, aber nichts \u00fcber das Vorkommen von Vexirfehlern; dabei wurde durchaus vermieden, mit einer Spitze allein die Haut zu ber\u00fchren. Au\u00dferdem war das Verfahren wie bei A. und Hef. Die Dauer des Aufsetzens war immer ann\u00e4hernd 4 Secunden mit regelm\u00e4\u00dfigen Zwischenzeiten von 15 Secunden. Die Tageszeit wurde nicht durchweg constant gehalten. Die meisten Versuche wurden gegen 2 Uhr,\n1) Dieses Verfahren verdanken wir der G\u00fcte des Herrn Prof. Wundt.\n13*","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nGuy A. Tawney.\ngerade nach dem Mittagsessen, ausgef\u00fchrt; aber einige fanden sp\u00e4ter am Nachmittag und einige auch fr\u00fcher am Vormittag statt, denn es schien besser, die Tageszeit etwas zu variiren, als die Versuche f\u00fcr einen oder zwei Tage ganz ausfallen zu lassen. Die Versuche, die Vormittags ausgef\u00fchrt wurden, wurden in dem Zimmer des Herrn P. gemacht, die andern in dem Institute. Wie alle anderen Versuchspersonen machte Herr P. beim Aufsetzen der Spitzen die Augen zu, und es wurde au\u00dferdem daf\u00fcr gesorgt, dass er w\u00e4hrend der Stunde nicht nach der untersuchten Stelle hinschaute. Tabelle VI gibt die Schwellenwerthe an, die vor und nach der Ein\u00fcbungsreihe erhalten wurden. Die Ein\u00fcbung wurde wegen unvermeidlicher Unterbrechung nur 15 Tage lang fortgesetzt. Die einge\u00fcbte Stelle war auf der Volarseite des rechten Vorderarms.\nTabelle VI.\nBeob. P. Schwelle an sechs Stellen der Haut.\nDatum\tEinge\u00fcbte Stelle rechter Vorderarm\tSymmetrische Stelle 1. Vorderarm\trechter Oberarm\tlinker Oberarm\trechtes Bein\tlinkes Bein\nXI. 26.-29.\t40\t42\t68\t54\t43\t45\nXII. 17.\u201420.\t15\t14\t24\t24\t22\t18\nRelativer Werth der Ein\u00fcbung\t40: 15 2%'\t42: 14 3\t68:24 25/6\t54: 24 2V\u00ab\t43:22 2\t45:18 3\nDiese Tabelle zeigt, dass die allgemeinen Schwellenverkleinerungen etwas gleichm\u00e4\u00dfiger sind, als bei A. und Hef., vielleicht weil die Hautstellen \u00fcberhaupt hier kleiner an Zahl sind. Merkw\u00fcrdigerweise ist die scheinbare Ein\u00fcbung der zur einge\u00fcbten symmetrischen Stelle und der Stelle auf dem linken Bein gr\u00f6\u00dfer als die der einge\u00fcbten Stelle selbst: also wird eins der Besultate der Versuche bei Hef. in dieser Tabelle nicht best\u00e4tigt, sondern ihm geradezu widersprochen. Vexirfehler waren bei P. etwas h\u00e4ufiger als bei Hef. und nicht ganz so h\u00e4ufig als bei A. Unter \u00bbVexirfehler\u00ab verstehen wir hier die Antwort \u00bbzwei Spitzen\u00ab, wenn die Entfernung der Spitzen thats\u00e4chlich weit unter der angegebenen Schwelle liegt, z. B. wenn auf dem rechten","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\t183\nOberarm, wo die Schwelle 68 mm ist, bei einer Entfernung der Spitzen von 5 mm \u00bbzwei Spitzen\u00ab geantwortet wurde, nachdem schon eine Entfernung von 20 mm nicht als zwei Spitzen erkannt worden war. Aus der Erfahrung an anderen Versuchspersonen kann man schlie\u00dfen, dass, wenn man eine Spitze aufgesetzt h\u00e4tte, ungef\u00e4hr dieselbe Zahl von Vexirfehlern herausgekommen w\u00e4re, als heim Aufsetzen von zwei Spitzen bei einer Entfernung von z. B. 4 oder 5 mm. Es wurden hier nur diejenigen Antworten den Vexirfehlern zugeschrieben, die beim Aufsetzen der Spitze bei den kleinsten Entfernungen, die \u00fcberhaupt angewandt wurden, vorkamen. Aus Tabelle VH und der Curve Eig. 3 sieht man, dass P. au\u00dfer diesen Vexirfehlern noch zwei deutliche Schwellen ziemlich oft angegeben hat. In der That kamen diese zwei Schwellen und die Vexirfehler ziemlich gleichzeitig zum Vorschein. Au\u00dferdem vermehren sich die Vexirfehler nach einem gewissen Punkt proportional der Verkleinerung der Schwelle, eben wie die Vexirfehler, die beim Auf setzen einer einzelnen Spitze in den fr\u00fcheren Tabellen Vorkommen. Tabelle VII gibt die Ein\u00fcbungsbestimmungen an, die auf der Volarseite des linken Vorderarmes gemacht wurden.\nTabelle VH.\nBeob.: P. Abnahme der Schwelle am linken Vorderarm in 15 Tagen.\nDatum\tXI. 26.\t30.\tXII. 2.\t3.\t4.\t5.\t6.\t7.\t9.\t10.\t11.\t12.\t13.\t14.\t17.\nlinker Vorderarm\t40\t26\t21\t23 19\t28\t25 16\t23 17\t20\t19 12\t16 11\t26 9\t20 10V\u00ab\t24 7\t23 11\t15\n; 'ij \u00ab\u00d4 is\n\u00a3\te\u00abj *>'\nFig. 3.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nGuy A. Tawney.\nAuch bei anderen Versuchspersonen, deren Resultate wegen besonderer Erscheinungen, die bei ihnen vorgekommen sind, hier noch nicht angef\u00fchrt werden k\u00f6nnen, stellte sich heraus, dass das Vorkommen von Vexirfehlern von dem Wissen \u00fcber dieselben und von dem Aufsetzen nur einer Spitze unabh\u00e4ngig erscheint. Es deutet dies auf eine andere Erkl\u00e4rung des Vexirfehlers hin, als sie bis jetzt gegeben wurde. Hier sei nur hervorgehoben, dass Herr P. von Anfang bis zum Ende dieser Versuche von Vexirfehlern \u00fcberhaupt selbst nichts wusste. Im Anfang waren seine Antworten durchaus eindeutig: die kleineren Entfernungen der Spitzen erkannte er immer als eine Spitze an, obwohl er von Anfang an wusste, dass eine Spitze in diesem Versuche nicht angewandt wurde. Am Ende dieser Versuche wurde absichtlich nur eine Spitze angewandt, um zu erfahren, ob er die eigentlichen Vexirfehler machen werde. Das Resultat war \u00fcberraschend eindeutig: auf dem Vorderarm, wo die Schwelle im Anf\u00e4nge sehr deutlich 40 mm war, nahm er eine Spitze als \u00bbzwei\u00ab 10 mal nacheinander wahr. Beim elften Auf setzen der Spitze antwortete er \u00bbeins\u00ab, aber bei den hier gemachten 25 Versuchen zusammen nahm er die Spitze 19 mal falsch wahr.\nEs ist aus den bis jetzt angef\u00fchrten Tabellen ersichtlich, dass die von Volkmann, Rechner, Funke und Dresslar beobachtete Erscheinung eine Verkleinerung der Schwelle f\u00fcr die Wahrnehmung zweier Punkte (von Volkmann und Dresslar \u00bbeine Verkleinerung der Raumschwelle\u00ab und von Funke \u00bbeine Verfeinerung des Ortsinnes der Haut\u00ab genannt) in der That auf die einge\u00fcbte und die ihr symmetrische Hautstelle nicht beschr\u00e4nkt ist. Dies war schon aus den Vorversuchen wahrscheinlich; aus den Versuchen hei Herrn Hef. bei im ganzen 32 verschiedenen Hautstellen ist der Schluss augenf\u00e4llig. Nur an einer Stelle bei dieser Versuchsperson gab es fast keine Verkleinerung der Schwelle: n\u00e4mlich auf der linken Backe unter dem Auge war die Schwelle 12 mm gegen 13 mm am Anf\u00e4nge. Dies ist aus den allgemeinen Gr\u00fcnden, die wir sp\u00e4ter anf\u00fchren wollen, wohl erkl\u00e4rbar. Die Resultate der Versuche bei A. und P. sind mit diesem allgemeinen Schluss durchaus \u00fcbereinstimmend. Von Dresslar1) wird angegeben, dass ein Unterschied in der Qualit\u00e4t\n1) a. a. O. S. 329.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\t185\nder Empfindung bei Ber\u00fchrung eines Punktes innerhalb und au\u00dferhalb der einge\u00fcbten Strecke der Haut nach der Ein\u00fcbungsreihe zu erkennen war. Die Unterschiede der Localzeicben verschiedener Hautpunkte gingen, wie es scheine, allm\u00e4hlich in einander \u00fcber; nach der Ein\u00fcbung aber seien diese Ueherg\u00e4nge zwischen den Punkten innerhalb der einge\u00fchten Strecke und denjenigen, die unmittelbar au\u00dferhalb derselben liegen, nicht mehr vorhanden, sondern es geschehe ein pl\u00f6tzlicher Sprung von einer Stelle zur anderen. Die Punkte, die innerhalb dieser Strecke liegen, seien von den umgrenzenden Punkten qualitativ verschieden. Dadurch k\u00f6nne die Versuchsperson angeben, ob ein ber\u00fchrter Punkt innerhalb oder au\u00dferhalb der einge\u00fcbten Strecke Hege. Daraus schloss er, dass die Endorgane eine Ver\u00e4nderung, nicht im Bau, sondern in der Function erfahren h\u00e4tten. Diesen angeblichen \u00bbQualit\u00e4tsunterschied\u00ab konnten wir jedoch bei keiner Versuchsperson finden. Die Versuchsperson kann wohl in der Regel die einge\u00fcbte Hautstrecke ungef\u00e4hr abgrenzen, aber einfach dadurch, dass sie die Localzeichen der Punkte innerhalb derselben, die so oft im Bewusstsein w\u00e4hrend der Ein\u00fcbung hervorgerufen wjrrden, wiedererkennt. Au\u00dferdem giebt Dresslar an, dass die Schwellenwerthe, die in der unmittelbaren Nachbarschaft der einge\u00fcbten Hautstrecke gefunden wurden, viel gr\u00f6sser waren als die an der einge\u00fcbten Hautstrecke selbst. Diese Angabe stimmt erstens mit den Resultaten Volkmann\u2019s1), der dieselbe Verkleinerung auf f\u00fcnf anderen Stellen derselben Hand fand, nicht \u00fcberein. Zweitens k\u00f6nnte diese Angabe \u00fcber die Frage nach einer allgemeinen Verkleinerung der Schwellen f\u00fcr die Wahrnehmung zweier Punkte nur in dem Falle entscheidend sein, wenn der Verfasser au\u00dferdem bewiesen h\u00e4tte, dass die Erscheinung nicht auf andere Art (z. B. durch Suggestion) erkl\u00e4rbar sei. Hierauf werden wir noch zur\u00fcckkommen. Uebrigens waren die Hautstrecken, die Dresslar ein\u00fcben wollte, ziemhch gro\u00df, n\u00e4mhch bei einer Versuchsperson 5 cm im Quadrat und bei der andern 7 cm im Quadrat. Es ist also nicht leicht zu denken, dass alle die Druckpunkte dieser Strecken innerhalb eines Monats functioneile Verschiedenheiten in gleichem Ma\u00dfe zeigen sollten: es m\u00fcssten daher irgend welche Unterschiede zwischen diesen\n1) a. a. O.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nGuy A. Tawney.\nPunkten selbst immer noch vorhanden gewesen sein, auch wenn man die Annahme von Dresslar wahrscheinlich f\u00e4nde.\nWie werden wir aber dann eine solche Ein\u00fcbung erkl\u00e4ren? Es wird von Dresslar hervorgehoben, dass von einer Ver\u00e4nderung im Bau des Tastorganes w\u00e4hrend der kurzen Zeit dieser Versuche keine Bede sein k\u00f6nne; und er findet es deshalb wahrscheinlicher, dass sich eine Ver\u00e4nderung in der Function der Tastorgane vollziehe. Da jedoch dieser Schluss nur aus den Versuchen an zwei symmetrischen Stellen gezogen wurde, so ist er nicht ohne weiteres anzunehmen. Es ist sodann in neuester Zeit versucht worden, die Ein\u00fcbung als ein rein psychisches Ph\u00e4nomen zu betrachten und auf eine Verst\u00e4rkung der Aufmerksamkeit zur\u00fcckzuf\u00fchren1). Hierbei ist jedoch die Thatsache nicht ber\u00fccksichtigt, dass die Ein\u00fcbung zugleich zu Trugwahrnehmungen f\u00fchrt: eine solche ist offenbar der Vexirfehler, den keine Verst\u00e4rkung oder Verringerung der Aufmerksamkeit zu erkl\u00e4ren vermag.\nH.\nDie nunmehr folgenden Beobachtungen wurden an einer Anzahl von Versuchspersonen gewonnen, die \u00fcberhaupt keine sichere Schwelle zu haben schienen, wobei aber nur schwer eine solche zu finden war, weil sie fortw\u00e4hrend Vexirfehler machten, so dass auch die Ein\u00fcbung bei ihnen schwer zu verfolgen war. Diese Versuchspersonen lassen sich je nach der H\u00e4ufigkeit der Vexirfehler in drei Olassen ordnen: 1) Solche, bei denen wegen h\u00e4ufiger Vexirfehler gar keine sichere Schwelle festzustellen war, 2) Solche, die neben h\u00e4ufigen Vexirfehlern doch eine Schwelle mehr oder weniger deutlich zeigten, und 3) Solche, die im Anf\u00e4nge Vexirfehler machten, aber nachher dazu gelangten eine deutliche Schwelle zu zeigen.\nZur ersten Classe geh\u00f6rte Herr Dr. F. Kiesow. Es ist uns mit aller M\u00fche nicht gelungen, eine Schwelle auf der Volarseite des rechten Vorderarms festzustellen, welche f\u00fcr eine halbe Stunde ann\u00e4hernd constant blieb. Die Versuche wurden aufsteigend und absteigend angestellt. Am 25. Februar 1895 schien z. B. die Schwelle\n1) Judd, Die Raumwahrnehmung im Gebiete des Tastsinnes, Philos. Stud. Bd. XII. S. 452, 455.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n187\n23 mm; am 28. Februar 14 mm; am 1. M\u00e4rz konnte \u00fcberhaupt keine Schwelle gefunden werden, die Antwort lautete immer \u00bbzwei Spitzen\u00ab; am 4. M\u00e4rz schien die Schwelle wieder bei 23,5 mm zu sein; am 7. M\u00e4rz war sie bei 5 mm. Da es m\u00f6glich war, dass Nachempfindungen irgend einen Einfluss haben konnten, wurde die Zwischenzeit der einzelnen Versuche ver\u00e4ndert (von 1 bis 30 Secunden), w\u00e4hrend die Spitzen in der Regel auf der Hand blieben, bis die Antwort abgegeben wurde. Bei 1 Secunde Zwischenzeit z. B. und 20 Versuchen bei einer constanten Entfernung der Spitzen von 23 mm nahm K. die Reize 6 Mal als 2 und 14 Mal als 1 wahr. Bei 2 Secunden Zwischenzeit erschienen die Spitzen immer als eine. Bei 3 Secunden und 20 Versuchen wurden sie immer als zwei wahrgenommen. Bei 4 Secunden gleichfalls als zwei. Bei 5 Secunden und 20 Versuchen 3 Mal als eine, u. s. w.\nZur ersten Classe der Versuchspersonen geh\u00f6rte ferner Herr Dr. Brahn. Auch gelang es liier nicht, trotz der l\u00e4ngeren Fortsetzung der Versuche, den widersprechenden Charakter der Antworten zu \u00e4ndern. Man kann diese eigenth\u00fcmliche Erscheinung, dass keine sichere Schwelle aufzufinden m\u00f6glich war, keineswegs durch Schwankungen der Aufmerksamkeit oder sonstige ung\u00fcnstige Bedingungen von Seiten der Versuchspersonen erkl\u00e4ren, denn diese waren sonst sehr gute Beobachter. Diese Versuche ganz einfach als unbrauchbares Versuchsmaterial zu verwerfen, w\u00fcrde daher nicht richtig sein. Die Bedingungen der Versuche waren \u00fcbrigens noch im allgemeinen dieselben wie hei den Herren Hef., A. und P. und wie bei den Volkmann\u2019schen und Dresslar\u2019schen Versuchen.\nDerselben Classe geh\u00f6rte schlie\u00dflich auch Herr Stratton an, bei dem, wie auch bei Dr. K. und Dr. B., von Anfang an die Erscheinung der \u00bbVexirfehler\u00ab vorhanden war.\nDer zweiten Classe ist allein Herr Chamdanjian zuzuz\u00e4hlen. Die Hautstelle, die zur Ein\u00fcbung ausgew\u00e4hlt wurde, war am Hals. Das Eigenth\u00fcmliche in diesem Falle war, dass die Versuchsperson gehr oft lauter Vexirfehler zu machen anfing; wurde ihr jedoch davon Mittheilung gemacht, so konnte sie das Urtheil seihst verbessern und $De deutliche und (trotz Variationen in der Zahl der Abstufungen eine constante Schwelle zeigen. Manchmal machte sie am Anfang keine Vexirfehler, manchmal jedoch trotz des besten Willens nichts","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nGuy A. Tawney.\nals solche. Es war also ein sonderbar wechselndes Verfahren, das wir zun\u00e4chst gar nicht verstehen konnten. Leider mussten auch hier aus \u00e4u\u00dferen Gr\u00fcnden die Versuche abgebrochen werden. Die Schwellenwerthe zeigten \u00fcbrigens trotz l\u00e4ngerer Versuche keine Verkleinerung.\nVon der dritten Classe, bei der am Anf\u00e4nge sehr viele und sp\u00e4ter vergleichsweise sehr wenige Vexirfehler gemacht wurden, sei zun\u00e4chst Herr Ladd erw\u00e4hnt. Die Schwellen wurden auf 18 verschiedenen Hautstellen bei dem auf- und absteigenden Verfahren zu bestimmen versucht. Hach vieler M\u00fche wurden schlie\u00dflich 18 annehmbare Schwellenwerthe erhalten. Sie waren aber auffallend klein und stimmten mit den Schwellenwerthen bei anderen Versuchspersonen an keiner der Stellen \u00fcberein. Infolge dessen wurde nur das aufsteigende Verfahren angewandt und der Versuchsperson von den Ergebnissen Mittheilung gemacht. Sie wurde auch aufgefordert, die Antwort \u00bbzwei Spitzen\u00ab hei allen weiteren Versuchen nur ahzugeben, wenn sie vollst\u00e4ndig \u00fcberzeugt sei. Dasselbe war auch schon den vorhin genannten Versuchspersonen gesagt worden, aber ohne denselben Erfolg. Es wurde nun 19 Tage hindurch die Schwelle auf der Volarseite des linken Vorderarms t\u00e4glich bestimmt, und die folgenden Werthe erhalten: 60, 52, 60, 64, 54, 52, 55, 50, 42, 40, 45, 40, 45, 40, 38, 43, 38, 41, 42 mm. Im Vergleich zu den Resultaten von Volkmann und Dresslar, wie auch zu den fr\u00fcheren von uns selbst, war hier fast gar keine Ein\u00fcbung zu erkennen. Nach dieser Reihe wurden die Schwellen f\u00fcr die 18 Hautstellen noch einmal bestimmt. Sie waren in der Regel 2 bis 4mal gr\u00f6\u00dfer als die vor der Ein\u00fcbungsreihe bestimmten Schwellenwerthe.\nFerner geh\u00f6rte zur dritten Classe Herr H. Eber. Die Versuche an ihm hatten den Zweck: 1) alle Vexirfehler zu vermeiden, und 2) zu constatiren, ob es eine eigentliche Verkleinerung der Schwelle durch Ein\u00fcbung gebe. Die Versuchsperson wusste im Anf\u00e4nge nichts von Vexirfehlern \u00fcberhaupt, auch nichts von einer Verkleinerung der Schwelle durch Ein\u00fcbung, au\u00dfer dem, was sie durch den Titel der Arbeit vermuthen konnte. Es wurde nachher zuf\u00e4llig gefunden, dass sie doch am Anf\u00e4nge eine Verkleinerung der Schwelle erwartete. Zun\u00e4chst wurden die Schwellenbestinpnungen auf sechs verschiedenen Hautstellen gemacht, sodann eine Ein\u00fcbungsreihe f\u00fcr 13 Tage auf","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n189\nder Dorsalseite des linken Handgelenks. Dann wurden die sechs Schwellenwerthe wieder bestimmt. Sehr oft antwortete Herr E. \u00bbzwei Spitzen\u00ab, wenn die Entfernung der Spitzen weit unter der Schwelle war- sein Verfahren zeigte im allgemeinen dieselben Resultate wie das der Herren Hef., A. und P. Nach der zweiten Bestimmung der sechs verschiedenen Schwellenwerthe wurde die Ein\u00fcbungsreihe fortgesetzt, und nach ferneren 13 Tagen wurden die sechs Schwellenwerthe zum dritten Male bestimmt. Tabelle VIII zeigt die erste Ein\u00fcbungsreihe.\nTabelle VTH.\nBeob. : E. Linkes Handgelenk.\nDatum\tXI. 8.\t11.\t12.\t13.\t14.\t15.\t16.\t18.\t19.\t21.\t22.\t23.\t25.\nlinkes Handgelenk\t18\t16\t10\t12\t13\t12\t14\t13\t13\t9\t10\t9\t6\nTabelle IX zeigt die Bestimmungen auf sechs Hautstellen, die vor und nach der ersten Uebungsreihe vorgenommen wurden.\nTabelle IX.\nBeob. : E. 6 Hautstellen vor und nach der ersten Ein\u00fcbung.\nDatum\tEinge\u00fcbtes 1. Handgelenk\tSymmetrisches r. Handgelenk\tlinker Vorder- arm /\trechter Vorder- arm\tlinker Oberarm\trechter Oberarm\nXI. 2.-9.\t18\t28\t22\t18\t55\t30\nXI. 25.\u201430.\t6\t8\t7\t12\t53\t12\nRelativer Werth der Ein\u00fcbung\t18:6 3\t28: 8 31/2\t22:7 3\u2018A\t18 :12 IV*\t55: 53 l\u20182/53\t30: 12 2V7\nAus dieser Tabelle ist nichts Neues zu ersehen: sie zeigt dieselben Verkleinerungen, und es waren auch dieselben Vexirfehler vorhanden wie hei Herrn P. Um nun zu sehen, oh die Versuchsperson nicht andere Antworten zu geben im Stande sei, wurde ihr alles \u00fcber die Vexirfehler, die Art ihres Zustandekommens mitgetheilt, ja sogar die eigenen Resultate und das ganze Verfahren. Darauf folgte die zweite Ein\u00fcbungsreihe, die in Tabelle X dargestellt ist.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\tGuy A. Tawuey.\nTabelle X.\nDatum\tXII. 2.\t3.\t4.\t5.\t6.\t7.\t9.\t10.\t11.\t12.\t13.\t14.\t16.\nlinkes Handgelenk\t12\t17\t15\t22\t19\t19\t17\t22\t23\t20\t18\t14\t14\nHierauf wurde betont, dass es f\u00fcr diese Zwecke gar nicht darauf ankomme, dass die Schwellenwerthe sich klein zeigten; die Versuchsperson solle sich niemals bem\u00fchen, zwei Reize zu unterscheiden, sondern sich ganz receptiv verhalten. Es wurde auch sorgf\u00e4ltig versucht, alle Anstrengung nach einer Unterscheidung der zwei Reize zu vermeiden, die Versuchsperson sollte in der Versuchsstunde die Aufmerksamkeit auf gar nichts als die gegenw\u00e4rtigen Eindr\u00fccke richten. Tabelle XI zeigt die auf die zweite Ein\u00fcbungsreihe folgenden allgemeinen Bestimmungen.\nTabelle XI.\nDatum\tEin ge\u00fcbtes 1. Handgelenk\tSymmetrisches r. Handgelenk\tlinker Vorder- arm\trechter Vorder- arm\tlinker Oberarm\trechter Oberarm\nXI. 25.\u201430.\t6\t8\t7\t12\t53\t12\nXII. 16.\u201420.\t12\t16\t12\t11\t20\t18\nRelativer Werth der Ein\u00fcbung\t6:12 lk\t8:16 V2\t7: 12 7/l2\t12:11 iVit\t53:20 2M/20\t12:18 %\nEs ist aus Tabelle XI ersichtlich, dass die Schwelle der einge\u00fcbten Stelle am Ende 12 mm anstatt 6 mm, wie am Ende der fr\u00fcheren Reihe (Tab. IX), war. In der Zwischenzeit der zwei Reihen wurden nur die allgemeinen Bestimmungen gemacht; und wenn man eine allgemeine Verkleinerung der Schwelle als das Resultat aller Ein\u00fcbung annimmt, so m\u00fcsste die Schwelle der einge\u00fchten Stelle sich w\u00e4hrend der Zeit der sechs Schwellenbestimmungen eigentlich immer noch verkleinert haben. Die Vergr\u00f6sserung der Schwelle ist daher nicht durch eine Herabsetzung der Empfindlichkeit der Haut, sondern durch neue Bedingungen des Urtheils zu erkl\u00e4ren. W\u00e4hrend der zweiten Ein\u00fcbungsreihe wurde diese Schwelle zun\u00e4chst gr\u00f6sser:","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n191\nyou 12 mm im Anf\u00e4nge erreichte sie ein Maximum von 23 mm. Dann ging sie f\u00fcr einige Tage schnell zur\u00fcck, wahrscheinlich weil ^ie alten Urtheilsbedingungen sich unwillk\u00fcrlich wieder herstellten. Dm die Verschiedenheiten in kurzer Uebersicht darzustellen, seien die folgenden Curven gegeben (Eg. 4 und 5). Schon aus diesen Re-\nsultaten wix-d ersichtlich, dass die allerwichtigsten Momente dieser ganzen Ein\u00fcbungsfrage in den suhjectiven Bedingungen der Wahrnehmung liegen. Sobald die Versuchsperson sich dar\u00fcber klar wird, dass es gar nicht darauf ankommt, eine m\u00f6glichst kleine Schwelle zu zeigen, dass es dagegen sehr darauf ankommt, dass die Antwort dem Reizobject angemessen sei, so erscheint keine Ein\u00fcbung mehr und auch kein Vexirfehler. Hierbei erhebt sich aber vor allem die Frage, welches die Bedingungen sind, die diese Ver\u00e4nderung in der Antwort verursacht haben. Dies schlie\u00dft zugleich die Frage nach der Entstehung des Vexirfehlers ein. Dabei bleibt immerhin m\u00f6glich, dass auch eine wahre Ein\u00fcbung in der Wahrnehmung zweier Punkte, die sich haupts\u00e4chlich in einer Verkleinerung der Schwelle zeigt, stattfinden kann.\nAus den vorliegenden Erfahrungen ergibt sich, dass das Vorkommen des Vexirfehlers weit h\u00e4ufiger bei einigen Versuchspersonen ^ hei anderen ist. Au\u00dferdem sieht man bei einigen Versuchspersonen die Neigung, eine betr\u00e4chtliche Pause zwischen dem Reiz ^\u00fcd dem Urtheil einzuschieben, wodurch das Urtheil langsam vollzogen ^d. Man kann wohl annehmen, dass die Versuchsperson in F\u00e4llen, Wo diese Pause vorkommt, \u00fcber die Beschaffenheit der Empfindung","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nGuy A. Tawney.\nreflectirt. Um dies zu vermeiden, wurde sie in einigen F\u00e4llen gebeten, das Urtheil sofort nach dem Empfinden des Aufsetzens abzugeben; doch es erschien kein Unterschied in den Resultaten. Bei den Herren Ch. und Dr. K. wurde ferner versucht, das Reflectiren durch k\u00fcrzer dauerndes Aufsetzen der Spitzen zu vermeiden. Beide Vorsichtsma\u00dfregeln erwiesen sich schlie\u00dflich als ungen\u00fcgend, die Vexirfehler auszuschlie\u00dfen. Es lie\u00df sich aber feststellen, dass Solche, welche dieser Verlangsamung des Urtheils am st\u00e4rksten zugeneigt waren, im allgemeinen die n\u00e4mlichen sind, welche Vexirfehler am h\u00e4ufigsten machen. Auch bei denjenigen Versuchspersonen, welche eine gro\u00dfe Verkleinerung der Schwelle durch die fortgesetzte Wiederholung von Schwellenbestimmungen zeigten, erschien es sicher, dass die Verlangsamung des Urtheils bei der Fortsetzung der Versuche gr\u00f6\u00dfer wurde. Bei Herrn Hef. z. B. versp\u00e4tete sich das Urtheil, das im Anf\u00e4nge der Versuche immer sofort abgegeben wurde, nach einer Woche im allgemeinen sehr betr\u00e4chtlich.\nAuch in Bezug auf die schwankenden oder zweifelhaften Urtheile, die mit gr\u00f6\u00dferer oder geringerer H\u00e4ufigkeit bei jeder Versuchsperson erscheinen, zeigt es sich im allgemeinen sehr deutlich, dass dieselben entschieden h\u00e4ufiger sind bei denjenigen Versuchspersonen, die am h\u00e4ufigsten Vexirfehler machen, als bei den anderen. Auch bei den Herren Hef., A. und P. waren solche Urtheile am Ende h\u00e4ufiger als am Anf\u00e4nge der Versuche. Man kann daher annehmen, dass sie dadurch entstehen, dass die Versuchsperson aufmerksamer wird und ihre Urtheile immer genauer zu machen sucht. Es sei aber noch weiter bemerkt, dass am Ende der Versuche bei den Herren Hef., A. und P. die zweifelhaften F\u00e4lle, die im Anf\u00e4nge einfach \u00bbunentschieden\u00ab blieben, wie auch alle solchen F\u00e4lle bei den Herren Dr. B. und Dr. K., in der Regel schlie\u00dflich als \u00bbwahrscheinlich zwei\u00ab angegeben wurden. In solchen F\u00e4llen entsteht die Verlangsamung des Urtheils offenbar aus dem Zweifel, ob die n\u00e4here Beschaffenheit der Empfindung aus einer doppelten Ber\u00fchrung der Haut entstanden sei. Nun mag man annehmen, dass durch eingehendere und aufmerksamere Beobachtung der Empfindung oder durch vergr\u00f6\u00dferte Empfindlichkeit der Haut selbst feinere Qualit\u00e4tsunterschiede in dei Empfindung bemerkt werden. Wie aber kann die Versuchsperson durch dieses Verfahren dazu kommen, zwei Punkte zu empfinden","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n193\nwo nur einer ist? Hier kann man vielleicht annehmen, in solchen F\u00e4llen sei die Versuchsperson nicht gen\u00fcgend aufmerksam, oder sie reflectire. Dieser Annahme widerspricht aber die Thatsache, dass durch eine sch\u00e4rfere und l\u00e4ngere Beobachtung der Empfindung die zwei scheinbaren Punkte immer noch deutlicher bewusst und vollst\u00e4ndiger von einander getrennt werden. Auch wenn die Versuchsperson die eine Spitze, welche auf der Haut steht, mit den Augen geradezu ansieht, empfindet sie sehr oft doch noch zwei Reize. Solche F\u00e4lle zeigen unverkennbar, dass es sich hier um etwas anderes als um eine erh\u00f6hte Aufmerksamkeit oder Empfindlichkeit handelt. Vielleicht kann man annehmen, dass Irradiations- oder Nebenerscheinungen der Empfindung hei einigen Versuchspersonen so stark hervortreten, dass sie dieselben von thats\u00e4chlichen Reizen nicht unterscheiden k\u00f6nnen. Offenbar bedarf aber die Punktf\u00f6rmigkeit und die Begrenzung der empfundenen Punkte auf nur zwei Punkte einer Erkl\u00e4rung durch anderweitige subjective Bedingungen.\nIn Bezug auf die Sicherheit des Antwortens wurden die folgenden Thatsachen beobachtet. Die Personen, die Vexirfehler begehen, insbesondere wenn sie schon wissen, dass sie manchmal solche Fehler gemacht haben, haben sehr oft das Gef\u00fchl, nachdem sie das Urtheil abgegeben, dass es unm\u00f6glich sei, unter diesen Versuchsbedingungen sichere Urtheile zu bilden. Diese Zweifel traten besonders stark in den Versuchen des Herrn Dr. B. und hei mir hervor. Die Versuchsperson will in der Regel durchaus nicht glauben, dass sie sich t\u00e4uschen l\u00e4sst, aber es bleibt ein Gef\u00fchl der Unsicherheit zur\u00fcck. Als Versuchsperson in den Vorversuchen bemerkte ich, dass bei der Fortsetzung der Versuchsreihe diese Unsicherheit immer gr\u00f6\u00dfer wurde. Nicht nur wurde das Urtheilen verlangsamt und schwankend, sondern schlie\u00dflich hatte ich das Gef\u00fchl, dass m\u00f6glicherweise ein anderes Urtheil unter anderen subjectiven Bedingungen, die ich doch nicht genauer erkennen konnte, ebenso richtig erschienen w\u00e4re, wie das abgegebene. \"Wegen der Einheit des Bewusstseins und jedes Apper-cePtionsactes sind wir unf\u00e4hig uns ein Object vorzustellen, das z. B. dem Gesichtssinn als eins und zugleich dem Tastsinn als zwei er-8cheint. Wo wir ein Object mit allen Sinnen wahrnehmen, pr\u00fcfen Wlr im gew\u00f6hnlichen Lehen die Eindr\u00fccke eines vergleichungsweise sebr wenig entwickelten Sinnes an den Eindr\u00fccken des h\u00f6her ent-","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nGuy A. Tawney.\nwickelten. Wenn z. B. die Versuchsperson einen Vexirfehier begeht und sich nachher die eine Spitze, die auf der Haut steht, ansieht, so glaubt sie nicht mehr, dass zwei Spitzen da sind, obgleich sie die zwei Tasteindr\u00fccke immer noch deutlich empfindet. Daher entsteht der gro\u00dfe Einfluss der sogenannten Gesichtsassociationen auf die Wahrnehmung r\u00e4umlicher Gestalten durch den Tastsinn, den Miss Washburn1) und Pillsbury2) hervorgehoben haben. Manche Versuchspersonen erkl\u00e4ren, dass im Moment des Aufsetzens der Spitzen keine Gesichtsvorstellungen in der Regel vorhanden seien. Dies wurde besonders von den Herren Dr. B. und Dr. Mentz angegeben; andere wie Hef., P., A., Mosch gaben an, dass Gesichtsvorstellungen immer zu beobachten seien. Nun zeigt sich, dass die Beobachter, welche die st\u00e4rksten Gesichtsvorstellungen angeben, gerade diejenigen sind, welche im Anf\u00e4nge ihrer Versuche die gr\u00f6\u00dften und constantesten Schwellen haben und die wenigsten Vexirfehier begehen. Von Herrn Dr. M. wird angegeben, dass auch er, um das Urtheil zu vollenden, ein \u00bbgeometrisches Bild\u00ab, d. h. eine Gesichts Vorstellung als H\u00fclfs-mittel hervorrufe. Die Thatsachen, welche bei der Angabe des Herrn Dr. M. zum Ausdruck kommen, scheinen demnach diese zu sein: 1) sein Urtheil beruht in erster Linie auf einer genauen Beobachtung der beim Aufsetzen der Spitzen erzeugten Empfindung; 2) f\u00fcr die Beurtheilung dieser Empfindung machen sich gewisse Gesichtsvorstellungen geltend.\nHier ist eine vierte allgemeine Beobachtung wichtig: Nicht nur die Zeitdauer, die Schwankungen und die relative Sicherheit des Urtheils zeigen sich bei verschiedenen Versuchspersonen und bei derselben Versuchsperson in verschiedenen Stadien ihres Verfahrens verschieden, sondern auch die Richtung der Aufmerksamkeit bietet beim Vollziehen des Urtheils betr\u00e4chtliche Verschiedenheiten dar. Am Anf\u00e4nge der Versuche bei den Herren Hef., A., P. und mir selbst ist die Aufmerksamkeit ganz objectiv gerichtet. Der Empfindungen als solcher waren sich diese Versuchspersonen w\u00e4hrend der Versuche im Anf\u00e4nge \u00fcberhaupt nicht bewusst. Die Frage, die sie an sich stellten, war rein objectiv: wie viele Spitzen ber\u00fchren die Haut, eine\nJ) Philos. Stud. XI. S. 190 ff.\n2) Amer. Journ. of Psych. VII. S. 42 ff.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"(Jeber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n195\noder zwei? Bei der Fortsetzung der Versuche wird man sich aber der Empfindungen immer deutlicher bewusst, bis schlie\u00dflich vom Reizobject \u00fcberhaupt ahstrahirt wird und die Beschaffenheit der beim Aufsetzen der Spitzen erzeugten Empfindungen allein in Betracht kommt. Bei mir war diese Uebertragung der Aufmerksamkeit vom Reizobject auf die Empfindung so deutlich, dass ich zuerst geneigt war anzunehmen, dass die ganze sogenannte \u00bbEin\u00fcbung\u00ab eigentlich keine andere Bedeutung habe, als dass Qualit\u00e4tsunterschiede der Empfindung auf diese Weise zur Geltung k\u00e4men, welche in der gew\u00f6hnlichen Erfahrung gar nicht in Betracht kommen. Hiermit stimmen die Angaben der Herren Dr. B. und E. \u00fcberein, dass der erste Gegenstand der Aufmerksamkeit hei ihnen die erregte Empfindung sei. \u00bbDie Aufmerksamkeit\u00ab, gibt Herr Dr. B. an, \u00bbwird momentan nach dem betreffenden Punkte gerichtet: immer kommt dann zun\u00e4chst ein diffuser Reiz, der sich hierauf zu theilen scheint.\u00ab Mit dieser Angabe stimmt die erste von Herrn E., die am Anf\u00e4nge der ersten Versuchsreihe gemacht wurde, fast durchaus \u00fcberein. Rur gab er an, dass ihm der objective Reiz sofort als doppelt erscheine. Da dies der einzige Unterschied zwischen den Aussagen dieser Versuchspersonen ist, so erhebt sich die Frage, ob die Unterschiede in den Resultaten beider damit irgendwie in Verbindung stehen. Herr Dr. B. selbst gab auch sp\u00e4ter an, sehr oft komme noch ein Punkt auf einer in der M\u00e4he liegenden Stelle der Haut zum Vorschein, der mit jenem ersten verbunden oder von ihm ganz getrennt sein k\u00f6nne. \u00bbGew\u00f6hnlich\u00ab, sagt ferner Herr E., \u00bbbleibt das Urtheil schwankend, und ich warte einen Augenblick, um zu erfahren, ob der Reiz nach l\u00e4ngerer Wirkung sich nicht als zwei zeigen will.\u00ab Dass die Empfindung unter Abstraction vom Reizobjecte in diesem Falle, vie auch hei den Herren Dr. M. und Strat., welche \u00e4hnliche Angaben gemacht haben, als das einzige Datum, worauf das Urtheil beruht, angenommen wird, ist kaum zu bezweifeln.\nIm Gegens\u00e4tze zu dieser Thatsache steht nun das Verfahren der Versuchspersonen in denjenigen F\u00e4llen, bei denen keine Ein\u00fcbung eingetreten ist, und wo keine Vexirfehler begangen werden. Von Derrn E. wurde gegen das Ende der zweiten schon beschriebenen ersuchsreihe noch eine Angabe \u00fcber sein Verfahren gemacht. Es Sei k*er hervorgehoben, dass er eine fr\u00fchere \u00e4hnliche Angabe schon\nWnndt, Philos. Studien XIII.\t14","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nGuy A. Tawney.\nganz vergessen hatte. \u00bbWenn es eins oder zwei ist, sage ich\n\u201c8\nsofort, und wenn ich im Zweifel hin, antwortete ich unentschieden \u00ab Er wurde weiter gefragt, worauf sein Urtheil beruhe, und er schien \u00fcberrascht, dass an etwas anderes als die Ber\u00fchrung der Zirkelspitzen gedacht wurde. Von Empfindungen wurde nichts gesagt, und er z\u00f6gerte keinen Augenblick zwischen dem Beiz und dem Urtheil. Ebenfalls von Herrn Hef. wurde am Anf\u00e4nge seiner Versuche angegeben, dass er, w\u00e4hrend die Augen geschlossen waren, eine Vorstellung von dem Arm, dem Tisch worauf der Arm liegt (d. h. von einem kleinen Theil desselben, der in der unmittelbaren N\u00e4he des Armes ist), dem Aufsetzen des Zirkels u. s. w. in dunklen Umrissen immer noch behalte. Er war ebenfalls \u00fcberrascht, dass an etwas anderes als das Aufsetzen der Spitzen als Object der Aufmerksamkeit gedacht werden konnte. Bei Herrn M., dessen Schwelle durchaus constant und von Vexirfehlern frei blieb, war dies ebenfalls der Fall; nur f\u00fcgte er noch hinzu, dass das Moment des Aufsetzens der Spitzen f\u00fcr ihn das allerwichtigste sei. In diesem Augenblick, gibt er an, wird das Urtheil bestimmt. Auch in den sp\u00e4teren Versuchen hei Herrn Ladd wurde bemerkt, dass die zwei Momente, das des Auf setzens und das des Wegnehmens, zusammenfielen. Weiteres konnte aber nicht gefragt werden, ohne die Antwort zu suggeriren. An dieser Stelle bemerken wir, dass es sich in solchen F\u00e4llen um ein rein objectives Urtheil handelt, f\u00fcr welches eine l\u00e4ngere ana-lysirende Betrachtung der Qualit\u00e4tsunterschiede der Empfindung seihst in keiner Weise ma\u00dfgebend ist. Es geht sehr deutlich hervor, dass diese Versuchspersonen nie \u00bbzwei Spitzen\u00ab antworteten, bis sie \u00fcberzeugt waren, dass die Tastempfindung mit der Vorstellung von zwei objectiven Spitzen zusammenpasste. Man darf hier annehmeu, und meine eigene Selbstbeobachtung best\u00e4tigt es, dass bei allen diesen Versuchspersonen die aus der Erfahrung hervorgehende Verbindung zwischen der Vorstellung des objectiven Reizes und dem Tasteindruck f\u00fcr das Urtheil schlie\u00dflich ma\u00dfgebend ist. Die Antwort ist in solchen F\u00e4llen eine Deutung nach fr\u00fcherer im gew\u00f6hnlichen Leben gemachter Erfahrung, wo man, ausgenommen wenn die Entfernung der Tasteindr\u00fccke sehr gro\u00df ist, fortw\u00e4hrend seine Tasteindr\u00fccke an den Gesichtseindr\u00fccken pr\u00fcft. Wenn man dar\u00fcber entscheiden will, oh die Gesichtsvorstellung eines Objectes illusorisch sei, so pflegt","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n197\nbekanntlich der Tastsinn entscheidend zu sein. Gerade umgekehrt erscheint die Beziehung zwischen Gesichts- und Tastvorstellungen bei der Wahrnehmung r\u00e4umlicher Unterschiede. Wo es unm\u00f6glich ist, wie bei unserem Versuchsverfahren, den Tasteindruck hei minimalen Distanzen an dem Gesichtseindruck zu pr\u00fcfen, wird der Grad des Glaubens, dass, wenn die Versuchsperson die Spitzen sehen k\u00f6nnte, sie eine oder zwei sehen w\u00fcrde, f\u00fcr das Urtheil ma\u00dfgebend. Zwischen der gesehenen Entfernung der Spitzen, z. B. 40 mm, bei welcher sie durch den Tastsinn als zwei empfunden werden, und den Tasteindr\u00fccken selbst besteht eine enge Beziehung: wenn eine Versuchsperson die scheinbare Entfernung der bei dem Vexirfehler wahrgenommenen Empfindungen angibt, so scheint diese Entfernung in der Regel nahe der thats\u00e4chlichen Schwelle f\u00fcr die gereizte Hautstelle zu liegen, wie schon von Nichols1) und von Henri und Tawney2) bemerkt wurde. Diese Beobachtung stimmt mit der Annahme \u00fcberein, dass das scheinbare Vorhandensein von zwei Tasteindr\u00fccken von minimaler Entfernung in der Regel an den Gesichtsvorstellungen gepr\u00fcft wird.\nWir k\u00f6nnen unsere Versuchspersonen in zwei Classen theilen, je nachdem sie die blo\u00dfe Tastempfindung als f\u00fcr das Urtheil ma\u00dfgebend annehmen oder nicht. In die erste Classe fallen diejenigen Versuchspersonen, welche die Empfindung vom Reizobject unterscheiden: Str., Dr. K., Dr. Br., Dr. M., Cham., E., L., Ar. und ich selbst. Die Verwerthung von Empfindungen zu Urtheilen wurde bei E., wie seine Aussagen beweisen, im Laufe der Versuche beseitigt. Wahrscheinlich geschah eine \u00e4hnliche Ver\u00e4nderung bei L., dessen verschiedenartige Resultate wir schon besprochen haben. In die zweite Classe fallen diejenigen, welche sich mit psychologischen Analysen und Unterscheidungen weniger besch\u00e4ftigt haben: Hef., P., M. und andere. Im Anf\u00e4nge der Versuche schienen diese Versuchspersonen niemals das Reizobject von den Empfindungen zu unterscheiden.\nDiesen Thatsachen stellen wir die folgenden Erscheinungen gegen\u00fcber, die gleichfalls aus den vorliegenden Versuchen hervorgehen: Die Versuchspersonen der ersten Classe geben entschieden mehr\n1)\tNichols, Our Notions of Time and Space. Boston 1894. S. 161.\n2)\tPhilos. Stud. XI. S. 400.\n14*","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nGuy A. Tawney.\nVexirfehler \u00fcberhaupt an, als die der zweiten: bei manchen derselben ist keine Schwelle der Vexirfehler wegen bestimmbar. Die der zweiten Classe zeigen im Gfegentheil, wenigstens am Anf\u00e4nge ihrer Versuche, fast gar keine Vexirfehler und ferner eine sehr deutliche und von Versuch zu Versuch constante Schwelle. Durch die sogenannte Ein\u00fcbung aber, die sich uns schon als ein sehr zweifelhafter Vorgang erwiesen hat, werden die Personen der zweiten Classe allm\u00e4hlich zu Mitgliedern der ersten. Das TJrtheil wird langsamer, schwankender, unsicherer: die Aufmerksamkeit wird auf die Tasteindr\u00fccke allein gerichtet; Vexirfehler werden schlie\u00dflich h\u00e4ufig und die Schwelle au\u00dferordentlich klein, wenn nicht ganz verschwindend.\nAus den beschriebenen Versuchen geht deutlich hervor, dass die scheinbare Verkleinerung der Schwelle und der in enger Beziehung damit stehende Vexirfehler zwei \u00fcberall auf der Hautoberfl\u00e4che erscheinende Producte der sogenannten Ein\u00fcbung sind. Daraus ist zu schlie\u00dfen, dass die scheinbare Verkleinerung und der Vexirfehler an centrale, und zwar an psychische Vorg\u00e4nge gebunden sind. Es entsteht daher die Frage: welches sind diese die Schwellenverkleinerung und den Vexirfehler bedingenden psychischen Vorg\u00e4nge? Betrachten wir die allgemeinen Bedingungen der Versuchsanordnung, so ist ersichtlich, dass alle diese Bedingungen, au\u00dfer einer einzigen, einer Variation unterworfen waren. Diese war das Vorherwissen des Zwecks und der Art der Versuche selbst. Jede Versuchsperson wusste \u00fcber die Versuche selbst am Anf\u00e4nge alles, was der Experimentator selbst wusste. Der n\u00e4chste Schritt war offenbar, in weiteren Versuchen auch diesen Factor m\u00f6glichst zu variiren. Vor allem sollte die Aufmerksamkeit der Versuchspersonen wom\u00f6glich gleichm\u00e4\u00dfig auf das Reizobject gerichtet, und au\u00dferdem daf\u00fcr gesorgt werden, dass dieselben von dem Zweck und der Methode der Versuche absolut nichts wussten.\nHI.\nZun\u00e4chst wurde die Titelangahe der Untersuchung ver\u00e4ndert (sie wurde nur allgemein als \u00bbUntersuchung \u00fcber Erkennung r\u00e4umlicher Distanzen\u00ab bezeichnet), damit die Versuchspersonen nicht von vornherein durch den Titel suggestiv beeinflusst werden konnten. Die Versuchspersonen wurden so gew\u00e4hlt, dass sie keine oder nur unbestimmte","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung' zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\t199\nKenntnisse von bisherigen Untersuchungen auf diesem Gebiete besa\u00dfen. Sie sollten zun\u00e4chst blo\u00df angehen, was die Haut ber\u00fchrte. 2wischen der Versuchsperson und dem Experimentator wurde ein schwarzer Pappschirm aufgestellt und durch eine Oeffnung desselben der Arm gesteckt. Im \u00fcbrigen blieben die allgemeinen Bedingungen der Versuche die n\u00e4mlichen wie fr\u00fcher. Die Dauer der Ein\u00fcbungsreihen war den Tagen nach gerechnet k\u00fcrzer, aber die Zahl der einzelnen Bestimmungen an jedem Tage entschieden gr\u00f6\u00dfer. Die allgemeinen Schwellenbestimmungen wurden weggelassen und die Untersuchungen auf eine einzelne oder h\u00f6chstens zwei Stellen beschr\u00e4nkt. Beobachter waren die Herren Franz, Mosch und Weyer. Die erste Reihe wurde an Herrn F. gewonnen. Tab. XII enth\u00e4lt die arithmetischen Mittel der Schwellenwerthe aus 9\u201412 Einzelbestimmungen an jedem Tage.\nTabelle XII.\nDatum\tV. 18.\t20.\t21.\t22.\t23.\t24.\nVolarseite des Vorderarmes\t26\t24\t27\t\t\t14\nDorsalseite desselben\t39\t37\t36\t40\t38\t10\nNach 40 Einzelbestimmungen innerhalb f\u00fcnf Tagen war keine Verkleinerung der Schwelle mehr ersichtlich. Am 24. Mai wurde, um den Einfluss der Ein\u00fcbung zu untersuchen, der Versuchsperson suggerirt, dass zun\u00e4chst mehrere Schwellenbestimmungen innerhalb einer Stunde gemacht werden sollten, und es wurden ihr au\u00dferdem die Resultate der bisherigen Versuche mitgetheilt. Sofort wurden die Schwellenwerthe kleiner. Am vorangegangenen Tag (23. Mai) waren sie an der Dorsalseite des Vorderarmes gewesen: 40, 35, 35, 35> 30, 45, 35, 35, 40, 40, 45 mm. Am 24. Mai waren sie: 14, 8, 12> H, 8, 6, 8, 12, 8, 2 mm.\nDie zweite Versuchsreihe wurde bei Herrn Weyer ausgef\u00fchrt. Stellen wir die arithmetischen Mittel aus 7\u201410 Einzelbestimmungen","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\tGuy A. Tawney.\nzusammen, wie in der vorhergehenden Tabelle, so erhalten wir die folgenden Zahlen.\nTabelle XHI.\nDatum\tV. 4.\t6.\th.\tVI. 26.\t27.\tVII. 1.\t2.\nVolarseite des Armes\t22\t20\t29\t23\t38\t30\t12\nZwischen dem 11. Mai und dem 26. Juni war eine l\u00e4ngere Pause: wir k\u00f6nnen daher die gesammte Reihe eigentlich nicht als eine Ein\u00fcbungsreihe betrachten. Es wurde aber von Yolkmann gefunden, dass an demselben Tage durch 13 einzelne Bestimmungen der Schwelle der Werth derselben von 0,75\"' am Anfang auf 0,45'\" am Ende sank. In den Versuchen hei Herrn W. wurden hier im G-egentheil z. B. am\n1.\tJuli folgende Zahlen gewonnen: 30, 30, 30, 35, 35, 25, 25, 30, 30, 25 mm: in diesen Versuchen ist gar keine Verkleinerung ersichtlich. Am\n2.\tJuli wurde Herrn W., wie fr\u00fcher Herrn E., suggerirt, dass der Einfluss der Ein\u00fcbung untersucht werden sollte. Darauf folgten sieben Bestimmungen, bei welchen eine Schwelle nur zwei Mal bestimmbar wurde, einmal bei 10 mm und einmal bei 14 mm. Infolge der Suggestion wurden also die Vexirfehler h\u00e4ufiger, und die Schwelle sank auf ein Drittel ihrer fr\u00fcheren Gr\u00f6\u00dfe. In drei anderen Bestimmungen waren Vexirfehler zu h\u00e4ufig, um eine Schwelle zu erkennen, und in den zwei \u00fcbrigen schienen wegen Erm\u00fcdung der Versuchsperson die Bedingungen f\u00fcr die Wirkung der Suggestion nicht mehr vorhanden zu sein: diese Schwellen waren deutlich 40 und 35 mm.\nDie dritte und letzte dieser Versuchspersonen war Herr Mosch. In keiner Versuchsreihe waren Vexirfehler so wenig vorhanden wie bei ihm. Die Suggestionsversuche wurden am 18. und 19. Juni angestellt. Es wurde suggerirt, dass nun der Einfluss der Ein\u00fcbung untersucht \u2022 werden sollte. Auf die Frage, warum die schon angef\u00fchrten Versuche nicht als Ein\u00fcbungsversuche gelten d\u00fcrften, wurde erwidert, dass die Uebungserfolge anderer Beobachter noch nicht erreicht seien. Um dies zu erzielen, sollte der Beobachter jetzt die Empfindungen sehr scharf fixiren und die Antworten m\u00f6glichst exact","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n201\ngeben. Nachher wurde die Versuchsperson veranlasst, ihre alte Ur-theilsweise wieder anzuwenden. In Folge dessen kehrte die Schwelle noch einmal zu der urspr\u00fcnglichen Gr\u00f6\u00dfe zur\u00fcck. Die Mittel aus g_.12 Einzelversuchen sind:\nTabelle XIV.\n\u25a0 Datum\tVI. 2.\t4.\t9.\t11.\t13.\t16.\t18.\t19.\t25.\t27.\nVolarseite des Armes\t31\t36\t28\t43\t44\t48\t30\t9\t37\t43\nUm die einzelnen Abweichungen der Schwellen wer the genauer ersichtlich zu machen, sind in der folgenden Tabelle die einzelnen Bestimmungen angef\u00fchrt.\nTabelle XV.\nDatum ;\tSchwellenbestimmungen.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n2. VI\t15\t30\t40\t30\t35\t35\t30\t30\t\t\t\t\n4.\t25\t35\t40\t35\t35\t30\t40\t40\t35\t40\t\t\n9.\t30\t30\t25\t25\t30\t30\t\t\t\t\t\t\n11.\t40\t40\t40\t45\t45\t50\t45\t40\t\t\t\t\n13.\t45\t40\t40\t40\t45\t45\t50\t45\t45\t\t\t\n16.\t45\t55\t50\t50\t55\t50\t50\t50\t\t\t\t\n18.\t25\t35\t25\t35\t40\t35\t25\t30\t\t\t\t\n19.\t16\t0\t0\t20\t20\t5\t5\t5\t10\t5\t\t\n25.\t35\t35\t30\t30\t40\t35\t45\t45\t\t\t\t\n27.\t45\t50\t45\t40\t40\t40\t40\t45\t45\t40\t40\t45","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nGuy A. Tawney.\nDiese Tabelle zeigt, dass die Schwelle im Anfang der Versuche kleiner war als am Ende, was dadurch zu erkl\u00e4ren ist, dass die Versuchsperson anfangs ihre Aufmerksamkeit etwas sch\u00e4rfer auf die Versuche richtete als sp\u00e4ter. Anstatt einer Verkleinerung der Schwelle durch Ein\u00fcbung der Aufmerksamkeit geschah also in diesem Falle eine Zunahme derselben wahrscheinlich in Folge der Ablenkung der Aufmerksamkeit. Am 18. gelang die Suggestion nur sehr wenig: die Uebertragung der Aufmerksamkeit von dem Reizobject auf die voni Reizobject abstrahirten Empfindungen brauchte offenbar eine \u00bbEin\u00fcbung\u00ab, die erst am 19. ann\u00e4hernd vollkommen war. Nebst der Verkleinerung der Schwelle an diesem Tage machte Herr M. die einzigen Vexirfehler, die er \u00fcberhaupt angab. Auch hier nahm er eine Spitze, au\u00dfer in zwei F\u00e4llen, in welchen das Urtheil \u00bbunsicher\u00ab war, immer richtig wahr, aber Entfernungen von 5 mm sehr oft als zwei Spitzen. Schlie\u00dflich sagte er ganz spontan : \u00bbUebrigens kann ich zwei Eindr\u00fccke immer empfinden, wenn ich will.\u00ab Nach diesen zwei Tagen wurde ihm gesagt, dass er nicht mehr versuchen solle, feinere Unterscheidungen zu machen, sondern ganz \u00bbgrob\u00ab, wie vorher, die Zahl der Spitzen angeben. Am 25. wurden die Versuche wieder fortgesetzt, und die alte Schwelle war wieder vorhanden. Am 27. wurden die Bestimmungen in l\u00e4ngerer zusammenh\u00e4ngender Reihe 12 mal wiederholt mit Abstufungen der einzelnen Versuche von 5 mm. Die Schwellenwerthe waren au\u00dferordentlich klar und deutlich, n\u00e4mlich entweder 40 oder 45 mm, wie aus der Tabelle ersichtlich ist. Die sehr bedeutende Schwellenverkleinerung, die bei Volkmann und F e c h n e r innerhalb einer zusammenh\u00e4ngenden Reihe vorkam, ist hier gar nicht vorhanden. Auf- und absteigendes Verfahren konnten bei Herrn M. angewandt werden, ohne die Resultate zu \u00e4ndern. Die Schwellen-werthe am 27. Juni wurden alle mittelst des aufsteigenden Verfahrens gewonnen.\nAus diesen Versuchen, besonders wenn sie mit den fr\u00fcheren bei den Herren Hef., A. und P. verglichen werden, geht sehr deutlich hervor, dass die sogenannte \u00bbEin\u00fcbung\u00ab einerseits irgendwie an das Vorherwissen \u00fcber den Zweck und die Methode der Versuche gebunden war, anderseits, dass durch das Ausschlie\u00dfen dieses Einflusses die \u00bbEin\u00fcbung\u00ab abhanden kam. Nehmen wir nun dieses Resultat mit den schon besprochenen Thatsachen zusammen, dass","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Lieber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\t203\ndie Aufmerksamkeit durch \u00bbEin\u00fcbung\u00ab allm\u00e4hlich auf die Empfindung anstatt auf das Reizobject gerichtet wird, und dass die Versuchsperson bei minimalen Distanzen glaubt, sich iganz und gar auf eine Analyse der Qualit\u00e4tsunterschiede der Tastempfindung verlassen zu k\u00f6nnen, so sehen wir, dass diese Ergebnisse sich einigerma\u00dfen erg\u00e4nzen. Die Versuchsperson, die den Zweck und die Methode der Versuche vorher wei\u00df, verl\u00e4sst den gew\u00f6nnlichen Weg des Pr\u00fcfens ihrer Tasteindr\u00fccke an Gesichtsvorstellungen und glaubt sich f\u00e4hig, auf der Basis ihres Vorherwissens und der Qualit\u00e4tsunterschiede der Tastempfindung genauere Auskunft \u00fcber den vorhandenen Reiz geben zu k\u00f6nnen. Wenn sie nicht w\u00fcsste, dass nur eine oder zwei Spitzen jedes Mal aufgesetzt werden, w\u00fcrde sie demnach auch noch mehrere Reize anscheinend empfinden k\u00f6nnen: in der That gab Herr St. an, dass er manchmal drei oder sogar f\u00fcnf oder mehr verschiedene Reize deutlich empfinde, obwohl nur eine Spitze aufgesetzt wurde. In solchen F\u00e4llen abstrahirt wahrscheinlich die Versuchsperson nicht nur von allen Gesichtsvorstellungen, sondern auch von dem Vorherwissen seihst und richtet das Urtheil ganz nach den f\u00fcr sie scheinbar vorhandenen Qualit\u00e4tsunterschieden der Tastempfindung. Einige von diesen Unterschieden sind anf\u00e4ngliche Schmerz- oder Temperaturempfindungen, die Irradiation des Reizes selbst, die diffuse Empfindung des Dehnens der Haut beim Aufsetzen der Spitze u. s. w. Dazu kommen auch die von vorangegangenen Versuchen nachgebliehenen Ver\u00e4nderungen in der Empfindlichkeit der Haut selbst. Das Vorherwissen \u00fcber den Zweck und die Methode der Versuche kann deswegen keine zug\u00e4ngliche Basis f\u00fcr das Urtheil darhieten, weil es in jedem Falle mehrere Vorstellungen erlaubt. Die Vorstellung der zwei Punkte kann in jedem Fall als eine Suggestion wirken, welche zwei scheinbare Empfindungen hervorrufen kann. Von fast allen Versuchspersonen wird angegeben, dass nach dem Signal eine mehr oder weniger diffuse Empfindung auf der gebrauchten Hautstelle deutlich hervortrete, schon bevor der Reiz thats\u00e4chlich einwirkt. \u00bbAuf der Haut\u00ab \u2014 sagt in Uebereinstimmung hiermit H. Meyer \u2014 \u00bbgelingt es mir leicht, an welcher Stelle ich will, subjective Empfindungen (W\u00e4rme, K\u00e4lte, Druck) durch angespannte Vorstellung derselben liervorzu-\nbringen.......Die Empfindungen k\u00f6nnen so lebhaft werden, dass\nmb, ich mag wollen oder nicht, mit der Hand \u00fcber die Hautstelle","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nGuy A. Tawney.\nhinstreichen muss, wie man es in F\u00e4llen \u00f6rtlicher Hautempfindungep zu thun pflegt\u00ab *). Ber\u00fchrt man eine angesehene Hautstelle mit einer Spitze und versucht es \u2014 nicht zu denken, dass zwei Spitzen da seien'1 2) \u2014 sondern zwei getrennte und punktf\u00f6rmige Tasteindr\u00fccke zu empfinden, so gelingt der Versuch der Mehrzahl von Personen. Man braucht blo\u00df von der Gesichtsvorstellung der Spitze zuerst ganz zu ahstrahiren, und der Versuch gelingt jedes Mal.\nWo man bei minimalen Distanzen sich ganz auf die durch fr\u00fchere Erfahrung gewonnene Deutung des Tasteindruckes verl\u00e4sst, ist die Fragestellung, welche bei der Antwort ein tritt, ungef\u00e4hr folgende: Ist die Tastempfindung, die ich jetzt erfahre, der Tastempfindung gleich, die ich immer gleichzeitig mit zwei Gesichtseindr\u00fccken erfahren habe ? Ein sicheres Urtlieil ist hierbei nur bei den gr\u00f6\u00dften Entfernungen der Spitzen m\u00f6glich, z. B. 40 oder 45 mm auf dem Vorderarm, bei welchen die gew\u00f6hnlichen Schwellen liegen. Sieht nun die Versuchsperson von ihren Gesichtsvorstellungen und ihrer Erfahrung minimaler Distanzen ganz ab, so wird sie in dem Tasteindruck zun\u00e4chst einen diffusen Beiz finden, welcher sich durch den Einfluss der Suggestion in mehrere Punkte zerlegen l\u00e4sst.\nAuf \u00e4hnliche Weise hat im Grunde schon C amer er den Vexir-fehler erkl\u00e4rt. Er ist nach ihm ein Product der Einbildungskraft und der Erwartung3). Auf Grund seiner ersten Versuchsreihe war er geneigt gewesen anzunehmen, dass die Erscheinung von \u00e4u\u00dferen Bedingungen ahh\u00e4nge, wie schiefes Aufsetzen der Spitzen, ungleichf\u00f6rmiges Auf dr\u00fccken derselben u. s. w. Er fand aber, dass der Vexirfehler nicht nur zu dem Urtheil \u00bbmehr als ein Punkt\u00ab, sondern auch zu dem deutlichen Eindruck von zwei Spitzen f\u00fchrte. Dies kann nun von solchen \u00e4u\u00dferen Bedingungen nicht wohl hervorgebracht werden. In neuerer Zeit ist eine \u00e4hnliche Ansicht auch von Nichols4) vertreten worden. Fechner behauptet, dass der Vexirfehler, wo er innerhalb gemischter Versuchsreihen (d. h. wo bald eine, bald zwei Spitzen verwendet werden) vorkomme, eine Erscheinung des Contrastes\n1)\tFechner, Elemente der Psychophysik, Bd. II, S. 486, Leipzig 1889.\n2)\tDies scheint der nicht gelungene Versuch Fechner\u2019s gewesen zu sein. Fechner: Ueber die M. d. r. u. f. F\u00e4lle. Leipzig 1884. S. 137 u. f.\n3)\tZeitschrift f. Biologie, Bd. XIX, S. 280\u2014300.\n4)\tNichols, Our Notion of Time and Space. Boston 1894. S. 156 If.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n205\ngeii): w0 er aber am Anf\u00e4nge einer solchen Versuchsreihe oder bei reinen Vexirversuchen vorkommt, schlie\u00dft er sich der Theorie Camerer\u2019s an: \u00bbDie Entstehung der Vexirfehler an sich selbst aber scheint in der Hauptsache eine Sache 'der Einbildung zu sein, wenn schon die Mitwirkung anderer Momente dabei nicht ausgeschlossen ist\u00ab1 2).\nIV.\nGlehen wir nun zu einer kurzen Betrachtung einiger weiteren Erscheinungen der Vexirfehler \u00fcber, wie sie in den Versuchen vorkamen, welche den Zweck hatten, das Vorkommen von Vexir-fehlern zu beeinflussen. Dies geschah in zwei Richtungen. Zun\u00e4chst wurde der Versuchsperson suggerirt, dass blo\u00df eine Spitze in 10 Versuchen aufgesetzt werden w\u00fcrde, worauf das Resultat mit 10 \u00bbunwissentlichen\u00ab Vexirversuchen verglichen wurde. Sodann wurden der Versuchsperson zwei Spitzen gezeigt, aber blo\u00df eine derselben aufgesetzt, und die Resultate abermals mit unwissentlichen Vexirversuchen verglichen. Hach der Ausf\u00fchrung von 14 Versuchsreihen bei Herrn Dr. M., die den Zweck hatten, die Schwelle zu bestimmen, war jedoch gar keine Schwelle ersichtlich. Da es unm\u00f6glich ist, die Art der Vexirversuche in Tabellen oder blo\u00dfen Beschreibungen wiederzugeben, sollen die folgenden Vexirversuche als Beispiele herausgegriffen werden. Zun\u00e4chst wurde eine Spitze 10 Mal unwissentlich aufgesetzt und die folgenden Antworten gewonnen:\n1)\tZwei Spitzen gleichzeitig: die eine st\u00e4rker und tiefer sinkend.\n2)\tEine linienartige Tastvorstellung.\n3)\tZwei \u2014 die eine st\u00e4rker als die andere.\n4)\tZwei _ eben merklich, durch eine linienartige Tastvorstellung verbunden.\n5)\tZwei \u2014 gleichstark, gleichzeitig und deutlich getrennt.\n6)\tZwei \u2014 eine Linie mit zwei Punkten an den Enden.\n7)\tZwei \u2014 dasselbe.\n8)\tEine Linie, die allm\u00e4hlich zwei Endpunkte zeigte.\n9)\tZwei \u2014 eben merklich verbunden.\n10)\tZwei \u2014 verbunden. Die Linie ist zun\u00e4chst keine Gesichtsvorstellung.\nSodann wurde der Versuchsperson gesagt, dass nur eine Spitze aufgesetzt werde, sie solle aber die Empfindung unbefangen beschreiben. Darauf wurden die folgenden Antworten gewonnen:\n1)\tFechner, Ueber die Meth. d. r. u. f. F\u00e4lle. Leipzig 1884. S. 131 u. 137.\n2)\ta. a. O. S. 306.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nGuy A. Tawney.\n1)\tEine Spitze, aber ausgebreitet.\n2)\tEine Spitze.\n3)\tEine Spitze mit diffuser Ausbreitung.\n4)\tEine Spitze mit eben merklicher Ausbreitung.\n5)\tEine Spitze.\n6)\tDasselbe.\n7)\tEine Spitze, etwas ausgebreitet.\n8)\tDasselbe.\n9)\tDasselbe.\n10)\tEine Spitze.\nDer ber\u00fchrte Hautpunkt war innerhalb J/8 mm der n\u00e4mliche wie in den obigen 10 Versuchen. Der Punkt war mit Anilin markirt und wurde bei jedem Versuche m\u00f6glichst genau getroffen. Die Versuche wurden an drei Tagen wiederholt, mit denselben Resultaten. Gleichzeitig wurden Versuche mit zwei Spitzen und mit Abstufungen von 5 mm angewandt, his zur Entfernung von 20 mm: gleichwohl lautete die Antwort \u00bbeine Spitze\u00ab. Bei 20 mm bemerkte Herr Dr. M., \u00bbes k\u00f6nnten auch 2 sein: jedenfalls sei eine Ausbreitung da\u00ab. Wurde dann wieder eine Spitze aufgesetzt, so erschien dieselbe Antwort wie bei 20 mm: \u00bbes scheint, als ob zwei da waren\u00ab. Schlie\u00dflich betrachtete die Versuchsperson die Hautstelle, w\u00e4hrend eine Spitze aufgesetzt wurde, f\u00fchlte jedoch zwei deutliche Empfindungen, eine an dem wirklichen Ort der Spitze oder auf der einen Seite derselben, die andere auf der anderen Seite, und zwar anscheinend in verschiedener Entfernung, zuweilen auch mit diffuser Verbindung. Bei Entfernungen von 5, 10, 15 und 20 mm, wo die Spitzen fr\u00fcher immer als zwei wahrgenommen worden waren, und wo der Beiz sehr diffus war, wurde doch in Folge der Suggestion, dass nur eine Spitze aufgesetzt werde, auch nur eine Spitze anscheinend wahrgenommen. Bei Herrn Str. wurde diese Erscheinung ebenfalls beobachtet und folgenderma\u00dfen gepr\u00fcft: Ihm wurde eine Spitze gezeigt, w\u00e4hrend zwei bei einer Entfernung von 20 mm (d. i. etwas oberhalb der Distanz, die als die Schwelle der Stelle bestimmt war) aufgesetzt wurden. Die Antwort \u00bbzwei Punkte\u00ab wurde nur f\u00fcnf Mal bei im ganzen 37 Versuchen gegeben, die andern 32 Wahrnehmungen erschienen als ein einzelner, mehr oder weniger ausgebreiteter, bald linienartiger, bald punktf\u00f6rmiger Beiz.\nGehen wir sodann zu den Beobachtungen \u00fcber, bei denen versucht wurde, den Vexirfehler durch das Zeigen von zwei Spitzen zu","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Ucber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\t207\nbeeinflussen. Ein Theil dieser Versuche ist schon fr\u00fcher ver\u00f6ffentlicht1) worden. Deshalb sei hier blo\u00df das Resultat wiedergegehen : \u00bbdiese Tabellen zeigen deutlich, dass die Erwartung von zwei Punkten einen sehr bedeutenden Einfluss auf die Zahl und Art der Vexir-fehler hat. Wir sehen n\u00e4mlich, dass hei T. in den -19 Versuchen, in denen zwei Spitzen gezeigt wurden, zehn Mal ein Punkt und 39 Mal zwei Punkte wahrgenommen wurden: die andere Versuchsperson, Str., hat in \"5 t Versuchen 11 Mal einen Punkt und 40 Mal zwei Punkte angegeben; dagegen in den Versuchen, wo eine Spitze gezeigt und auch ein Punkt ber\u00fchrt wurde, hat T. 24 Mal in 28 Versuchen und Str. 14 Mal in 23 Versuchen einen Punkt empfunden\u00ab. Bei einer andern Versuchsperson hatten die gezeigten Spitzen einen in 5 mm ahgestuften Abstand, den man zu Schwellenbestimmungen nach der Methode der Minimal\u00e4nderungen h\u00e4tte anwenden k\u00f6nnen. Dabei -wurde die Versuchsperson veranlasst, nicht blo\u00df die Zahl, sondern auch in E\u00e4llen, wo scheinbar zwei Spitzen wahrgenommen wurden, die wahrgenommene Empfindung anzugeben. Die Resultate sprechen sehr deutlich f\u00fcr den Einfluss der Suggestion, indem die angegebenen Entfernungen der angeblich wahrgenommenen Punkte eine ziemlich regelm\u00e4\u00dfig ahgestufte Reihe bildeten. Dieselben Versuche wurden noch hei den Herren Er. und M., die, wie schon angegeben, fast keine Vexirfelder machten, ausgef\u00fchrt, aber ohne denselben Erfolg. Nach wenigen Versuchen, in denen die Spitze richtig wahrgenommen wurde, sagte die Versuchsperson ganz einfach : \u00bbSie setzen die gezeigten Spitzen nicht auf die Haut\u00ab; sie lie\u00df sich also gar nicht t\u00e4uschen. Im allgemeinen ergibt sich aus diesen Versuchen das folgende Resultat: bei Versuchspersonen, die daran gew\u00f6hnt werden, Vexirfeliler h\u00e4ufig zu begehen, wirkt die eben beschriebene Suggestion vollkommen; bei Versuchspersonen, die Vexir-fehler \u00fcberhaupt sehr selten machen, bleibt die Suggestion fast wirkungslos. Stellt man nun che Versuche \u00fcber den Vexirvorgang, die schon ausgef\u00fchrt worden sind, mit diesem Resultat zusammen, so kann man vielleicht annehmen, dass eine suggerirte Vorstellung schlie\u00dflich hei allen minimalen Distanzen zum n\u00e4chsten Ma\u00dfstabe\n1) Henri und Tawney, Ueber die Trugwahrnehmung zweier Punkte. Thilos. Studien XI, S. 402 f., Tabellen Y, VI.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nGuy A. Tawney.\nder Wahrnehmung wird, dass man aber dieselbe in Folge von fr\u00fcheren Erfahrungen \u00fcber die Tastempfindungen und in Folge eines hinzutretenden Abstractionsvorgangs auch wieder ablehnen kann.\nSchon in den Versuchen von Herrn Cham, erschien das Vermeiden des Vexirfehlers in Folge solcher secund\u00e4rer Vorg\u00e4nge m\u00f6glich. Er machte sehr oft im Anf\u00e4nge der Versuchsstunde so viele Vexir-fehler, dass eine sichere Schwelle nicht bestimmt werden konnte, aber nachher wurde das Urtheil constanter. Auch bei anderen Versuchspersonen waren Vexirfehler an einigen Tagen h\u00e4ufiger als an anderen, obgleich die Hautstellen dieselben waren. Die Versuche bei den Herren Ladd und Eber seien auch hier wieder hervorgehoben. Im Anf\u00e4nge waren Vexirfehler bei ihnen sehr h\u00e4ufig; nachdem die Versuche mit jedem von ihnen ausf\u00fchrlich besprochen waren, wurden ihre Schwellenwerthe gr\u00f6\u00dfer und constanter, und Vexirfehler erschienen fast gar nicht mehr. Ich habe selbst versucht, mit der H\u00fclfe des Herrn H. A. Senter, die zwei Verfahrungsweisen willk\u00fcrlich anzuwenden und Versuche an einem Tage nach der einen, an einem anderen Tage nach der andern auszuf\u00fchren. Der Versuch gelang einigerma\u00dfen. Hach einiger Zeit war ich gar nicht mehr im Stande, die Trugwahrnehmungen von richtigen Wahrnehmungen zu unterscheiden. An anderen Tagen konnte ich jedoch die Spitzen in gemischten Versuchsreihen in der Hegel richtig wahmehmen. Sehr oft \u00fcbte der Versuch, alle Suggestion zu vermeiden, gerade die entgegengesetzte Wirkung aus: dies ist, wie es scheint, in der Hegel das Resultat, wenn eine Versuchsperson, die h\u00e4ufige Vexirfehler \u00fcberhaupt begeht, Vexirversuche an sich selbst machen l\u00e4sst. Um dies zu vermeiden, nahm ich mir vor jenen Suggestionsversuchen fest vor, die Tastempfindung allein bei jedem Versuch zu beobachten. Aber auch dies gelingt nicht leicht, wenn man nicht viele solche Versuche schon gemacht hat. Jedenfalls muss man von dem Heizobject und allen \u00e4u\u00dferen Umst\u00e4nden der Versuche ganz abstrahiren, und dies ist viel mehr eine Sache der Gewohnheit als der Willk\u00fcr. Doch kann nicht geleugnet werden, dass unter Umst\u00e4nden auch die letztere einen Einfluss aus\u00fcbt. In dieser Beziehung sind einige Beobachtungen an Herrn Dr. M. lehrreich. Nach mehreren Versuchen, bei denen Vexirfehler h\u00e4ufig auf traten, wurde der Unterschied der verschiedenen Versuchspersonen bez\u00fcglich des Vorkommens von Vexirfehlem mit ihm","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n209\nbesprochen, soclann die scheinbar genauere Analyse der Empfindungen, welche bei solchen Personen Vorkommen, die Vexirfehler machen. Auch die Seltenheit der Vexirfehler hei manchen Beobachtern wurde erw\u00e4hnt- Darauf wurden gemischte Eeihen von Vexirversuchen angestellt, und zwar mit abwechselnd einer und zwei Spitzen: im letzteren Palle betrugen die Spitzen immer dieselbe Entfernung, n\u00e4mlich 30 mm. Das Resultat war, dass die Spitzen bei jedem Versuch richtig wahrgenommen wurden. Dies konnte vielleicht daher entstehen, dass der Contrast sehr stark war (Fechner). Darauf folgten aber 10 reine Vexirversuche, in denen die Spitze gleichfalls immer richtig wahrgenommen wurde \u2014 ein Resultat, das niemals fr\u00fcher beobachtet war, ausgenommen wenn es der Versuchsperson vorher suggerirt war, dass nur eine Spitze angewendet werde. Diese Reihen wurden nachher innerhalb derselben Stunde zweimal wiederholt, und mit nur vier Ausnahmen wurden die Spitzen richtig wahrgenommen. An einem sp\u00e4teren Tage wurden die folgenden vier Schwellenbestimmungen gemacht. Die linke Columne gibt den Abstand der Zirkelspitzen in Millimetern an, die rechte die Antwort der Versuchsperson. Die Hautstelle war auf der Dorsalseite des rechten Vorderarmes zwischen 9 und 12 cm von der Linie des Handgelenks nach dem Ellenbogen hin.\n1.\t\t2.\t\t3.\t\t4.\t\n5 mm\t1\t5 mm\t1\t5 mm\t1\t5 mm\t1\n10\t1\t10\t1\t10\t1\t10\u201420\t1\n15\u201430\t1\t15\u201425\t1\t15\u201425\t1\t25\t2\n35\t2\t30\t2\t30\t2\t30\t?\n40\t2\t35\t2\t35\t2\t30\t2\n45\t2\t40\t2\t40\t2\t35\t2\nMan sieht aus diesen Bestimmungen eine deutliche und constante Schwelle, wo fr\u00fcher keine Schwelle bestimmt werden konnte. Auch zeigt sich noch einmal, dass das Begehen von Vexirfehlern von der Versuchsperson seihst vermieden werden kann. Die Frage, wie dies geschehen ist, ist aus den Thatsachen seihst nicht ohne weiteres zu beantworten; aber einige Aussagen des Herrn Dr. M. scheinen wohl zutreffend zu sein. Sein Verfahren erschien zun\u00e4chst als ein Versuch, die Wahrnehmungsweise anderer Versuchspersonen', deren sonstiges","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nGuy A. Tawney.\nVerhalten ihm bekannt war, sich vorzustellen und selbst nachzuahmen Dabei bemerkte er folgendes: \u00bbich passe sonst zu genau auf Nebenerscheinungen auf\u00ab, \u00bbman soll blo\u00df fragen, was f\u00fcr ein Object die Haut ber\u00fchrt, soll die Empfindung von dem Object \u00fcberhaupt nicht unterscheiden u. s. w.\u00ab Es schien dem Herrn Dr. M. g\u00fcnstig zu sein, die Aussagen m\u00f6glichst rasch und die Zwischenzeit der einzelnen Versuche sehr kurz zu machen. Entscheidend ist offenbar, dass man versucht, blo\u00df Aussagen \u00fcber das \u00e4u\u00dfere Object selbst zu machen, ohne sich durch die suhjectiven Nebenerscheinungen der Empfindung beirren zu lassen; das zweite, die Verk\u00fcrzung der Zwischenzeit, ist nur ein H\u00fclfsmittel f\u00fcr das erstere. Von Camerer wurde hei seiner ersten Versuchsanordnung1) gefunden, dass, wo Vexirversuche zwischen Versuchen mit zwei Nadeln eingeschaltet sind, die L\u00e4nge der Zwischenzeit einen betr\u00e4chtlichen Einfluss aus\u00fcbt. Dies Resultat wird auch durch die vorliegende Untersuchung best\u00e4tigt, aber die Thatsaclie l\u00e4sst sich leicht \u00fcbereinstimmend mit Eeohner2) durch den Contrast erkl\u00e4ren, der in solchen Versuchen zur Geltung kommt,. In seiner zweiten Versuchsanordnung3) w\u00e4hlte Camerer sehr lange Zwischenzeiten, 5 Minuten und eine halbe Stunde, und der betreffende Einfluss fiel in Folge dessen hinweg. Bei reinen Vexirversuchen, wie auch bei Schwellenbestimmungen nach der Methode der Minimal\u00e4nderungen mit kleinen Abstufungen, scheint aber der Contrast keinen betr\u00e4chtlichen Einfluss auszu\u00fcben.\nVergleichen wir die Angaben des Herrn Dr. M. und die Erfahrungen bei Herrn E. mit den Angaben jener Versuchspersonen, bei denen umgekehrt eine gro\u00dfe Verkleinerung der Schwelle stattgefunden hatte, so finden wir einen gerade entgegengesetzten Verlauf der Versuche, wie die folgende Uebersicht zeigt:\nDie einge\u00fcbten Versuchspersonen Hef., Ar. und P.\tDr. M. und E.\nIm Anf\u00e4nge: Aufmerksamkeit\tIm Anf\u00e4nge: Aufmerksamkeit\nobjectiv, Stellung gegen den Tastein- subjectiv auf die Tastempfindung ge-druck passiv, H\u00fclfe f\u00fcr das Urtheil die richtet, Stellung gegen diese activ und mit dem Eindruck durch fr\u00fchere Er- analysirend, H\u00fclfe f\u00fcr das Urtheil durch\n1)\tCamerer, Zeitschrift f\u00fcr Biologie. Bd. XVII. S. 1 ff.\n2)\tFechner, Ueber die M. d. r. u. f. F\u00e4lle. Leipzig 1884. S. 131.\n3)\tCamerer, a. a. O. Bd. XIX. S. 280ff.","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes ete.\nfabrung in Complicationsverbindung stehenden Gesichtsvorstellungen.\nAm Ende: Aufmerksamkeit sub-jectiv auf die vom Reizobject abstra-hirte Tastempfindung gerichtet, Stellung gegen diese Empfindung activ und ana-lysirend, H\u00fclfe f\u00fcr das Urtheil die Suggestion der Gesichtsvorstellungen, die auf die Empfindung wirken.\n211\nGesichtsvorstellungen, die suggestiv auf die Tastempfindung wirken.\nAm Ende: Aufmerksamkeit ob-jectiv, Stellung gegen den Tasteindruck passiv, H\u00fclfe f\u00fcr das Urtheil die mit dem Eindruck in ComplicatioDSverbin-dung stehenden Gesichtsvorstellungen.\nDie ganze sogenannte Ein\u00fcbung scheint hiernach eigentlich nichts anderes zu sein, als ein Process, wodurch ein Autosuggestionsverfahren im Bewusstsein der Versuchsperson sich abspielt: die Trug-w\u00e0hmehmung zweier Punkte, der sogenannte Vexirfehler, erscheint in diesem Palle als ein Product der durch \u00bbEin\u00fcbung\u00ab hergestellten Autosuggestion. Bei beiden Classen von Versuchspersonen aber scheint die Autosuggestion schlie\u00dflich durch Abstraction von dem objectiven Eindruck und seinen Gesichtscomplicationen, sowie durch die Absicht, die Schwelle so klein und genau wie m\u00f6glich zu machen, vorbereitet zu sein.\nNoch bleiben uns einige weitere Eigenschaften des Vexirfehlers zu er\u00f6rtern \u00fcbrig. Nach dem Protocoll dieser Versuche scheinen die zwei Punkte des Vexirfehlers sehr oft weder gleichzeitig noch gleichstark noch gleichf\u00f6rmig zu sein. Die Versuchspersonen wurden absichtlich selten nach den Umst\u00e4nden des Auftretens der Vexirfehler gefragt, weil dadurch die Aufmerksamkeit zu sehr auf Nebenerscheinungen der Versuche gerichtet gewesen w\u00e4re. Soweit, wie diese Methode reichen kann, stellt sich heraus, dass die Thatsachen sich verschieden bei verschiedenen Versuchspersonen verhalten. Bei Herrn Stratton erscheinen die als angeblich zwei wahrgenommenen Punkte in der Pegel gleichzeitig, gleichf\u00f6rmig und gleichstark. Bei Herrn Dr. M. und Dr. Br. war dies nicht der Fall. Es sei aber bemerkt, dass bei fr\u00fcheren Versuchen \u00fcber den Vexirfehler, wo die Versuchsperson immer um eine ausf\u00fcrlichere Beschreibung gebeten wurde, die Punkte in der Mehrzahl der F\u00e4lle als gleich angegeben wurden, w\u00e4hrend bei denselben Versuchspersonen, wo blo\u00df um gelegentliche Beschreibung gebeten wurde, die Punkte in der Hegel ungleich erschienen. Daher kann man annehmen, dass die Suggestion, welche die Fragestellung des Experimentators in jenen Versuchen schlie\u00dflich\nWundt, Philos. Studien XIU.\t15","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nGuy A. Tawuey.\naus\u00fcbte, die zwei Punkte im allgemeinen als gleich erscheinen lie\u00df Dies stimmt mit der Beobachtung des Herrn Ar. \u00fcberein, dass eiserne Trugwahrnehmungen von seinen richtigen Wahrnehmungen zu unterscheiden verm\u00f6ge. Aber sobald man versucht, diese Unterscheidung zu vollziehen, macht sich eine Suggestion geltend, und die Punkte werden gleich, wie mehrfach bei Herrn A. und auch anderen Versuchspersonen constatirt wurde. Oft erscheint ein Punkt mit einer mehr oder weniger diffusen Ausstrahlung nach einer Richtung hin, die der Versuchsperson aber gen\u00fcgend einheitlich vorkommt, um als ein Punkt bezeichnet zu werden. Anderemale erscheinen die Punkte gleichf\u00f6rmig, aber durch eine linienartige Empfindung verbunden. Zuweilen erscheinen sie als eine Linie. Wenn man ferner eine Hautstelle mit weicher Unterlage ganz leise mit einer Spitze ber\u00fchrt, so wird vielfach nur eine Empfindung erzeugt; sobald aber die Spitze tiefer einsinkt, wird die Antwort \u00bbzwei Spitzen\u00ab gegeben. Hier k\u00f6nnte man annehmen, dass der Vexirfehler durch das Dehnen der Haut oder andere physiologische Ver\u00e4nderungen erzeugt werde. Dagegen l\u00e4sst sich jedoch bemerken, dass 1) bei einer solchen Ber\u00fchrung mit offenen Augen man zun\u00e4chst eine diffuse, aber ziemlich gleichm\u00e4\u00dfig ausgehreitete Empfindung hat, die sich nur durch Autosuggestion als punktf\u00f6rmig vorstellen l\u00e4sst, und dass 2) Vexirfehler eben so h\u00e4ufig auf Stellen zum Vorschein kommen, wo die Unterlage hart ist. Auf dem Knochen der Dorsalseite des Handgelenks und auf dem Fu\u00dfkn\u00f6chel erscheinen Vexirfehler ebenso h\u00e4ufig wie auf der Volarseite des Vorderarms. Aus dem Auf tauchen des Vexirfehler,s durch das tiefere Dr\u00fccken der Spitze ist daher h\u00f6chstens zu schlie\u00dfen, dass die von G. E. M\u00fcller1) hervorgehobenen Irradiationserscheinungen aller Tastempfindungen das Vorkommen von Vexirfehlern unter Umst\u00e4nden beg\u00fcnstigen k\u00f6nnen.\nUeber die Richtung, in welcher die zwei angeblich wahrgenommenen Punkte liegen, wurden folgende Versuche angestellt. Zun\u00e4chst gab die Versuchsperson in 10 Versuchen die Richtung an, ohne Suggestion vom Experimentator; sodann wurden 10 Versuche ausgef\u00fchrt, nachdem der Versuchsperson gesagt war, dass zwei Spitzen in einer bestimmten Richtung aufgesetzt w\u00fcrden. Bei den ersten\n1) G. E. M\u00fcller, Pfl\u00fcger\u2019s Archiv. Bd. 19, 1879, S. 217 f.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\t213\nVersuchen waren die angegebenen Richtungen im Ganzen zwischen querer, longitudinaler und diagonaler Richtung von rechts nach links und von links nach rechts ziemlich gleich eingetheilt. Bei einigen Versuchsreihen wurde auch die Richtung \u00fcberwiegend als quer angegeben, hei anderen aber als longitudinal oder diagonal. Das Ueber-wiegen einer Richtung l\u00e4sst sich durch eine beliebige Autosuggestion leicht erkl\u00e4ren. Bei den Versuchen, hei denen der Versuchsperson vorher gesagt war, dass eine bestimmte Richtung inne gehalten werde, zeigte sich sehr deutlich der Einfluss dieser Suggestion. Wo die quere Richtung z. B. suggerirt war, wurden aus 26 Versuchen im Ganzen 16 mit querer Richtung angegeben: einmal wurde eine Linie in querer Richtung empfunden, 7mal zwei Spitzen in diagonaler, 2mal in \u00bbfast longitudinaler\u00ab. Bei diesen Versuchen zeigte sich auch oft die entgegengesetzte Wirkung, wie sie bei aller Suggestion m\u00f6glich ist, indem die Versuchsperson unwillk\u00fcrlich Autosuggestion aus\u00fcbte. Aus einer derartigen Reihe von 15 Versuchen, wo die L\u00e4ngsrichtung suggerirt wurde, waren die empfundenen Punkte 6mal in querer Richtung, 3mal in longitudinaler (parallel dem Arm), 3mal in \u00bbfast longitudinaler\u00ab, lmal in diagonaler von links nach rechts und 2 mal von rechts nach links.\nAuch \u00fcber die Unterscheidung zwischen einem linienartigen und einem punktartigen Reiz ergeben sich aus den Versuchen von Herrn Franz einige interessante Beobachtungen. Es sei hier nochmals hervorgehoben, dass diese Versuchsreihen angefangen wurden, ohne der Versuchsperson irgend welche Nachricht \u00fcber die Art oder den Zweck der Versuche mitzutheilen. Herr Fr. empfand zuerst bei einer Entfernung der Spitzen von 2 mm einen linienartigen Reiz. Er antwortete \u00bbeine Linie\u00ab, bis die Entfernung der Spitzen durch 2 mm-Abstufungen 48 mm war. Bei dieser Entfernung gab er an: \u00bbich hin der Meinung, dass Sie mit einer Karte ber\u00fchren\u00ab. Die Entfernungen wurden immer weiter bis zu 82 mm abgestuft. Manchmal schienen die zwei Enden des angeblichen Kartenrandes abwechselnd st\u00e4rker gedr\u00fcckt zu werden: solche Wahrnehmungen wurden von ihm als \u00bbrocky\u00ab bezeichnet und wir behalten den Ausdruck in dem folgenden \"V ersuchsbeispiel bei. Die ersten Zahlen bedeuten die Entfernung der Spitzen in Millimetern. Die Richtung des Aufsetzens war stets longitudinal.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nGuy A. Tawney.\n2 \u2014 eine Linie, Karte oder Aehnliches, etwa 2 oder 3 mm lang.\n4 \u2014 \u00e4hnlich, aber punktf\u00f6rmiger.\n6 \u2014 eine Linie, 2 oder 3 mm lang.\n8 \u2014 eine Linie, 5 mm lang.\n1 Punkt \u2014 eine Linie, dieselbe L\u00e4nge.\n1 Punkt \u2014 eine Linie, dieselbe L\u00e4nge.\n10 \u2014 eine Linie, l\u00e4nger.\n12 \u2014 eine Linie, dieselbe L\u00e4nge wie die vorige.\n14 \u2014 eine Linie, 10 mm.\n16 \u2014 eine Linie, 2 oder 3 mm.\n18 \u2014 ein stumpfer Punkt.\n20 \u2014 eine Linie, 5 mm, logitudinal (parallel dem Arm).\n22 \u2014 eine Linie, 4 oder 5 mm, transversal.\n24 \u2014 eine Linie, 10 mm, transversal.\n26 \u2014 eine Linie, 5 mm, diagonal.\n28 \u2014\teine\tLinie,\t7\toder\t8\tmm,\tlongitudinal.\n30 \u2014\teine\tLinie,\t7\toder\t8\tmm,\tdiagonal.\n32 \u2014\teine\tLinie,\t7\toder\t8\tmm,\tdiagonal.\n34 \u2014\teine\tLinie,\t7\toder\t8\tmm,\tlongitudinal.\n36 \u2014 eine Linie, 10 mm, \u00bbrocky\u00ab.\n38 \u2014 eine Linie, 5 mm, longitudinal.\n40 \u2022\u2014 eine Linie, 10 mm, longitudinal, \u00bbrocky\u00ab.\n42 \u2014 eine Linie, 10 mm, longitudinal.\n44 \u2014 eine Linie, 5 mm, longitudinal.\n46 \u2014 eine Linie, 10 mm, loagitudinal, \u00bbrocky\u00ab.\n48 \u2014 eine Linie, 10 mm, longitudinal.\n50 \u2014 eine Linie, 5 mm, longitudinal.\n52 \u2014 ein stumpfer Punkt.\n54 \u2014 eine Linie, 2 oder 3 mm, keine Richtung erkennbar.\n56 \u2014 zuerst ein Punkt, wurde \u00bbrocky\u00ab.\n58 \u2014 ein Punkt.\n60 \u2014 eine Linie, 4 mm, diagonal.\n62 \u2014 eine Linie, 2 oder 3 mm, diagonal.\n64 \u2014 ein stumpfer Punkt.\n66 \u2014 eine Linie, 5 mm, longitudinal, \u00bbrocky\u00ab.\n68 \u2014 eine Linie, 10 mm, longitudinal, \u00bbrocky\u00ab.\n70 \u2014 eine Linie, 3 mm, transversal.\n72 \u2014 ein stumpfer Punkt.\n74 \u2014 eine Linie, 5 mm, logitudinal, \u00bbrocky\u00ab.\n76 \u2014 ein ausgebreiteter Punkt, keine Linie.\n78 \u2014 ein stumpfer Punkt.\n80 \u2014 mehr als zwei Punkte, \u00bbrocky\u00ab, mit deutlichen Enden.\n82 \u2014 ein stumpfer Punkt.\nDiese Versuchsreihe wurde 6 mal an verschiedenen Tagen wiederholt, mit immer demselben Resultat. Dass es sich hier um eine reine Autosuggestion handelt, l\u00e4sst keinen Zweifel zu. Die Versuchsperson gibt an, dass sie die Vorstellung einer Karte aus den Empfindungen","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\t215\nallein bekam. Dies ist wohl annehmbar, weil die Uebergangsstufen zwischen der Empfindung eines Punktes und zweier Punkte, wie alle Versuchspersonen mehrfach angegeben haben, immer eine linienartige Empfindung ist. Die Angaben werden allen denjenigen \u00fcberraschend sein, die den Einfluss centraler Apperceptionsvorg\u00e4nge auf die Wahrnehmungen der Haut leugnen, wie auch denjenigen, welche die Wahrnehmung minimaler Distanzen auf Qualit\u00e4tsunterschiede allein begr\u00fcnden wollen. Dass man einen Punkt oder eine Linie immer noch bei Entfernungen von 50\u201482 mm wahrnimmt, wo die Schwelle der Wahrnehmung zweier getrennter Punkte, wie sp\u00e4tere Bestimmungen zeigen, zwischen 30 und 45 mm liegt, ist vom Standpunkte dieser Erkl\u00e4rungsweisen unverst\u00e4ndlich. Breiter konnte die Entfernung der Spitzen wegen der K\u00fcrze der Schenkel des Zirkels nicht gemacht werden, ohne die Spitzen schief aufzusetzen.\nAus diesen Versuchen wird ersichtlich, dass das scheinbare Erkennen der Zweiheit und der Richtung zweier Punkte, sowie des Unterschieds zwischen einem Punkte und einer Linie bei minimalen Distanzen gr\u00f6\u00dftentheils eine Sache der Autosuggestion ist. Man kann aber nicht behaupten, dass es ausschlie\u00dflich so sei, weil der vorbereitende Einfluss einer diffusen Irradiation des Reizes sich immerhin noch nachweisen l\u00e4sst. Was die Irradiation aber nicht zu erkl\u00e4ren vermag, das ist die Punktf\u00f6rmigkeit, die Linienartigkeit und die Zweiheit der Empfindungen bei minimaler Distanz der Spitzen. Bei den kleineren Entfernungen der Spitzen, die unter der Schwelle hegen, scheinen diese der Versuchsperson erscheinenden Eigenschaften des Reizes fast, wenn nicht ausschlie\u00dflich, aus reinen Autosuggestionen zu entstehen.\nV.\nDie mitgethejlten Beobachtungen best\u00e4tigen die Anschauung, dass das Ganze einer Wahrnehmung niemals mit dem Reize allein gegeben ist, sondern dass die Vorstellungselemente theilweise stets von Associationsverbindungen herr\u00fchren. \u00bbEs bleibt nur die Annahme m\u00f6glich\u00ab, wie Wundt sagt, \u00bbdass durch jeden Sinneseindruck eine Menge von Dispositionen, die von fr\u00fcheren Eindr\u00fccken zur\u00fcckgeblieben sind, in Miterregung ger\u00e4th, und dass von diesen Miterregungen jedesmal solche in die neugebildete Vorstellung eingehen,","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nGuy A. Tawney.\nwelche mit dem gegebenen Eindruck eine gel\u00e4ufige Vorstellung bilden k\u00f6nnen\u00ab \u2019). Die Erinnerungselemente, die in die neugebildete Vorstellung eingehen, sind durchweg nur Theile fr\u00fcherer Vorstellungen. Dabei werden, wie schon Scripture1 2) festgestellt bat, die \u00fcbrigen Elemente der Vorstellungen entweder nicht percipirt und bleiben au\u00dferhalb des Bewusstseins, oder sie werden percipirt, aber nicht appercipirt, indem sie in die undeutlichen Regionen des Bewusstseins gelangen, ohne irgend welchen Einfluss auf die neugebildete Vorstellung selbst auszu\u00fcben. Dagegen \u00fcbt der Sinneseindruck auf die Erinnerungselemente eine verst\u00e4rkende Wirkung aus, so dass sie von den durch den \u00e4u\u00dferen Reiz erweckten Empfindungen nicht mehr unterschieden werden k\u00f6nnen. Jede Wahrnehmung besitzt in diesem Sinne den Charakter einer Illusion oder Trugwahmehmung, obgleich sie speciell nur dann so bezeichnet wird, wenn die so entstandene Vorstellung mit den Sinneseindr\u00fccken anderer Sinnesgebiete oder desselben Sinnesgebietes zu anderen Zeiten nicht vereinbar ist.\nDamit die Versuchsperson durch die Tasteindr\u00fccke, die das Aufsetzen der Spitzen erzeugt, zwei Spitzen richtig wahrnimmt, ist es erforderlich, dass 1) die Tastempfindung mit fr\u00fcheren auf diese Weise erzeugten Empfindungen als gleich appercipirt wird, und dass 2) diese Empfindungen durch die Gesichtsvorstellungen erg\u00e4nzt werden, die mit denselben in fr\u00fcheren Wahrnehmungen durch Association verbunden sind.\nAus den schon erw\u00e4hnten Untersuchungen und Er\u00f6rterungen von Scripture und Wundt wird ersichtlich, dass die Erinnerungselemente, die in eine Vorstellung eingehen, durch die Vorstellungen, die der Wahrnehmung unmittelbar vorangehen und dieselbe so zu sagen beherrschen, bestimmt werden. Stellt die Versuchsperson sich vor, dass entweder eine oder zwei in fr\u00fcheren Gesichtsvorstellungen enthaltene Spitzen auf die Haut aufgesetzt werden, und l\u00e4sst sie die durch fr\u00fchere Erfahrung gewonnene Ber\u00fchrungsassociation zwischen dem Tasteindruck und den Gesichtsvorstellungen entscheiden, ob sie eine oder zwei Spitzen wahrnehme, so entsteht eine Vorstellung, welche hinsichtlich des Verh\u00e4ltnisses der Tastempfindung zum Reizobject fr\u00fcheren Vorstellungen entsprechen wird. Stellt sie\n1)\tWundt, Philos. Stud. Bd. VII. S. 338.\n2)\tScripture, Philos. Stud. Bd. VII. S. 50 ff.","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n217\nsich aber vor, dass entweder eine oder zwei Spitzen in die Wahrnehmungsvorstellung je nach den Qualit\u00e4tsunterschieden der Tastempfindung eingehen, so wird eine Uebereinstimmung zwischen dem Tasteindruck und der Gesichtsvorstellung ganz und gar davon ab-h\u00e4ngen, ob die scheinbaren Qualit\u00e4tsunterschiede der Tastempfindung von fr\u00fcheren Empfindungen thats\u00e4chlich den \u00e4u\u00dferen Beizen entsprechen. Stellt sie sich bei minimalen Distanzen vor, dass vielleicht oder wahrscheinlich zwei Spitzen auf der Haut ruhen, so wird die M\u00f6glichkeit einer Gesichtsvorstellung von zwei Spitzen lediglich davon abh\u00e4ngig sein, dass sich die Versuchsperson zwei Tasteindr\u00fccke, die untereinander in Ber\u00fchrungsassociation stehen, klar vorstellen kann. Wenn sie schon von vornherein an psychologische Analysen gew\u00f6hnt ist, wird sie dies sogleich vollziehen k\u00f6nnen. Falls sie sich jedoch mit der Analyse ihrer Empfindungen \u00fcberhaupt nicht sehr viel besch\u00e4ftigt hat, wird es erforderlich sein, ehe sie zwei Spitzen bei minimaler Distanz wahrnimmt, dass die Empfindungen derselben erst in Association mit der Vorstellung gebracht werden. Wenn aber dies einmal geschehen ist und die Aufmerksamkeit der Versuchsperson auf den Tasteindruck allein gerichtet wird, dann sind die Bedingungen f\u00fcr eine pl\u00f6tzliche Abnahme der scheinbaren Schwelle vorhanden, wie dies bei den Herren Hef., Ar. und P. schon erw\u00e4hnt wurde. Bei Herrn Hef., der sich am wenigsten mit psychologischen Untersuchungen besch\u00e4ftigt hatte, war diese Abnahme am deutlichsten: zun\u00e4chst steht Herr P. und in dritter Beihe Herr Ar., der sich zwar viel mit Psychologie besch\u00e4ftigt, aber auf Tastempfindungen bis dahin wenig seine Aufmerksamkeit gerichtet hatte.\nEs ist aber doch nicht zu erwarten, dass solche Versuchspersonen bei jedem Beiz, welcher Art er auch sein mag, zwei Punkte empfinden werden. Dies kann nur dann Vorkommen, wenn die Versuchsperson durch Gewohnheit, psychologische Bildung oder sonst irgendwie die Uebertragung der Aufmerksamkeit vom Beizobject auf die subjective Empfindung von Anfang an vollzogen hat. Wo sie eine \u00bbEin\u00fcbung\u00ab gebraucht, bevor diese Uebertragung geschieht, wird das Urtheil f\u00fcr einen Zeitraum, in welchem die sogenannte Verkleinerung der Schwelle stattfindet, dem Associationsgesetz unterworfen sein. Diese zwei F\u00e4lle m\u00fcssen deutlich unterschieden werden. In dem ersten stellt sich die Versuchsperson von Anfang an zwei Spitzen deutlich vor: im zweiten","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nGuy A. Tawney.\ngeschieht dies nur als ein Product der \u00bbEin\u00fcbung\u00ab. In jenem Palle kennt die Versuchsperson den Vorgang, durch den sie ihre Wahrnehmung vollendet hat; in diesem ist es in der Regel unm\u00f6glich, eine Beschreibung dieses Vorgangs anzugeben. In jenem handelt es sich um einen irref\u00fchrenden Versuch, die Tastempfindung reflectiv zu analysiren; in diesem um einen Assimilationsvorgang ') unter Bedingungen, wo die Qualit\u00e4tsunterschiede innerhalb der einzelnen Empfindung nicht gen\u00fcgend sind, um eine sichere Unterscheidung der Reize zuzulassen. Auf diese Weise ist es theilweise erkl\u00e4rlich, dass eine Spitze hei solchen Versuchspersonen bald als eine, bald als zwei wahrgenommen werden kann. F\u00e4ngt man eine Versuchsreihe mit dem Auf setzen einer Spitze an und setzt die Versuche dann mit zwei Spitzen in Abstufungen von 1 mm fort, so wird die Versuchsperson wahrscheinlich \u00bbeine Spitze\u00ab antworten, bis die Distanz 4 oder 5 mm betr\u00e4gt. Bei dieser Entfernung wird die Empfindung \u00bbl\u00e4nglich\u00ab oder \u00bbausgedehnt\u00ab (wie die Aussage h\u00e4ufig lautet); durch die Association dieser Empfindung mit der eines anderen Punktes wird diese nun in der That hervorgerufen. Sobald die Entfernung der Spitzen aber 7 oder 8 mm wird, hat die entstehende Empfindung mit der eines Punktes keine Aehnlichkeit mehr, und in Folge dessen kann nur wieder die Antwort \u00bbeine Spitze\u00ab erfolgen, falls nicht die Ueber-zeugung, dass es eigentlich zwei Spitzen sein sollen, auch hier die Association hervorruft. Ist die Entfernung 20 oder 30 mm geworden, so werden nun zwei Spitzen wirklich wahrgenommen. Man erh\u00e4lt so die Erscheinung von zwei Schwellen, einer unteren und einer oberen. Bei f\u00fcnf Versuchspersonen wurde diese Erscheinung bemerkt: bei Herrn A. am deutlichsten. In allen diesen F\u00e4llen wird die durch Association hervorgerufene Empfindung durch den Apperceptionsact in der Einheit einer Vorstellung zusammengefasst. Dann gibt der Tasteindruck selbst der ganzen Vorstellung die St\u00e4rke und Lebhaftigkeit einer wirklichen Wahrnehmung, und die Trugwahrnehmung ist fertig.\nDieser Process scheint namentlich den Erscheinungen in den Versuchen der Herren Hef., A. und P. zu Grunde zu liegen. Bei\n1) Der Name Assimilation wird im Sinne Wundt\u2019s gebraucht, um die Verbindung eines Sinneseindrucks mit ihm gleichen Erinnerungselementen fr\u00fcherer Vorstellungen zu bezeichnen. (Philos. Stud. VII. S. 335.)","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\n219\nder Versuchsperson trat hei der Wahrnehmung minimaler Distanzen in der Urtheilsbildung ein Assimilations- statt eines Complications-vorganges ein: dies zeigt sich zun\u00e4chst in der Richtung der Aufmerksamkeit auf den vom Reizobject unabh\u00e4ngigen Empfindungsinhalt und in der Beseitigung der sonst gewohnten R\u00fcckheziehung der Tasteindr\u00fccke auf Gesichtseindr\u00fccke. Die Versuchsperson ist gar nicht im Stande, ihre Trugwahrnehmungen von richtigen Wahrnehmungen zu unterscheiden. Beide sind Apperceptionsvorg\u00e4nge ; aber w\u00e4hrend es bei der normalen Apperception keine dem Subject bewusste Pause zwischen dem Reiz und der Wahrnehmung gibt, ist sich hei der Trugwahrnehmung jede Versuchsperson einer solchen Pause bewusst. Ebenso gibt es dort keine bewusste Analyse des Empfindungsinhaltes ; hier gr\u00fcndet sich das Urtheil auf eine solche, wodurch es schlie\u00dflich zu jener auf Assimilation beruhenden Autosuggestion kommt.\nEs sei hier kurz bemerkt, dass die Autosuggestion auch in anderen Gebieten eine gro\u00dfe Rolle spielen kann. East \u00fcberall, wo die Methode der Minimal\u00e4nderungen angewendet wird, kann ihr Einfluss Vorkommen. In keinem anderen Gebiet ist aber wohl dieser Einfluss so gro\u00df wie in dem des Tastsinnes. Will man denselben vermeiden, so ist es nach den Ergebnissen unserer Untersuchung vor allem erforderlich, die Aufmerksamkeit der Versuchsperson vollkommen objectiv und das Urtheil rein sensorisch zu erhalten. Dazu gen\u00fcgt es aber entschieden nicht, die Methode unwissentlich anzuwenden; dadurch wird vielmehr der Spielraum der Autosuggestion nur gr\u00f6\u00dfer gemacht, wie die Versuche hei Herrn Franz zeigen. Die Versuche bei den Herren Mosch und Franz beweisen, dass eine vollkommen wissentliche Anwendung der Methode am g\u00fcnstigsten war; dabei ist es aber erforderlich, dass die Versuchsperson bei minimalen Distanzen sich von aller Anstrengung, die Schwelle sehr genau anzugeben, m\u00f6glichst frei h\u00e4lt. Es sollte ferner keine erhebliche Pause zwischen dem Reiz und dem Urtheil stattfinden, und jede Reflexion der Versuchsperson vermieden werden. Wo diese Bedingungen nicht durchaus innegehalten werden, k\u00f6nnen die Resultate nicht sicher als ver-trauenswerth angesehen werden.\nVon diesem Standpunkt aus seien an letzter Stelle einige als Beispiele herausgegriffene Arbeiten dieses Gebietes einer kurzen Kritik unterworfen.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nGuy A. Tawney.\nEs wurde schon von Czermak1) bemerkt, dass die Schwelle f\u00fcr die Wahrnehmung zweier gleichzeitig gereizter Punkte der Haut hei Blinden und bei Leuten, deren Beruf eine besondere Uebung des Tastsinnes erforderlich macht, wie z. B. Schriftsetzern, kleiner ist als hei andern. Das Beispiel der Schriftsetzer ist aber f\u00fcr die Ein\u00fcbungstheorie deswegen nicht ohne weiteres beweiskr\u00e4ftig, weil das Erkennen der Buchstabenformen sehr wohl ein Assimilationsvorgang sein kann. Untersuchungen bei Blinden zeigen in der Mehrzahl der F\u00e4lle, dass dieselben eine kleinere Schwelle angeben als Sehende. Die Resultate Czermak\u2019s sind seitdem von Goltz2), G\u00e4rtner3), Heller4) und Miss Washburn5) best\u00e4tigt worden. Es wird aber von Heller bemerkt, dass der Unterschied zwischen den Sehenden und den Blinden in dieser Beziehung entschieden nicht so gro\u00df ist, wie fr\u00fcher angenommen wurde, und Ulithoff6) konnte sogar keine feinere Schwelle bei den Blinden als bei den Sehenden finden.\nBez\u00fcglich der von Henri und mir fr\u00fcher ver\u00f6ffentlichten Versuche \u00fcber den Vexirfehler sei noch Folgendes erw\u00e4hnt: Wir sind damals zu dem Schluss gelangt, >dass die Wahrnehmung zweier Punkte hei der Ber\u00fchrung eines Punktes der Haut zun\u00e4chst von physiologischen Bedingungen (wahrscheinlich den Nervenverbindungen des ber\u00fchrten Punktes) abh\u00e4ngt, dass sie aber durch psychische Vorg\u00e4nge, wie Wissen und Erwartung, beeinflusst wird\u00ab7). Der erste Satz dieser Schlussfolgerung wurde aus den folgenden Thatsachen gezogen: es wurden zwei Punkte A und B auf dem Arm der Versuchsperson mit einer Spitze ber\u00fchrt. Aus den Tabellen I und II ist ersichtlich, dass lj die wahrgenommenen Punkte einer Versuchsperson, die bei der Ber\u00fchrung von A auf traten, 25 mal in querer und nur 5 mal in longitudinaler Richtung zu sein schienen; bei der Ber\u00fchrung von B schienen sie aber nur 14 mal in querer und 20 mal in longitudinaler Richtung zu sein. Die Frage erhebt sich nun, warum\n1)\tCzermak, Sitzungeber. d. Wiener Acad., 2. Abth. XVII, S. 563; Mo-lesch. Unters. I, S. 188.\n2)\tGoltz, De spatii sensu cutis. K\u00f6nigsberg 1858, S. 9.\n3)\tG\u00e4rtner, Zeitschrift f\u00fcr Biologie. 1881. S. 56.\n4)\tHeller, Philos. Stud. Bd. XI S. 226 f.\n5)\tMiss Washburn, Philos. Stud. Bd. XI. S. 191 f.\n6)\tUhthoff, Untersuch, \u00fcber das Sehenlernen eines siebenj\u00e4hrigen blindgeborenen und mit Erfolg operirten Knaben. Hamburg und Leipzig 1891. S. 54.\n7)\tHenri und Tawney, Philos. Stud. Bd. XI. S. 435.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes etc.\t221\nijie Punkte bei der Ber\u00fchrung von A meistens in einer Richtung, \u00dcei der Ber\u00fchrung von B aber meistens in der anderen Richtung zu liegen schienen. In Bezug auf die Gleichheit oder Verschiedenheit erscheinen die Punkte bei der Ber\u00fchrung von A 10 mal gleich und 21 mal verschieden, bei der Ber\u00fchrung von B aber 23 mal gleich und nur 12 mal verschieden. Wie sind diese Regelm\u00e4\u00dfigkeiten entstanden? Es wurde vorausgesetzt, dass die ber\u00fchrten Punkte der Versuchsperson nicht bekannt waren. Mehrere Punkte auf dem Arm wurden mit Anilin markirt, damit A und B von dem Subject nicht besonders bemerkt werden konnten; und es wurde als unm\u00f6glich angenommen, dass die Regelm\u00e4\u00dfigkeiten durch irgend einen psychischen Vorgang entstanden seien, weil die Versuchsperson nichts von den Punkten wissen konnte. Jeder Punkt musste daher mit andern neben ihm stehenden Punkten in irgend welcher physiologischer Verbindung stehen, um diese Regelm\u00e4\u00dfigkeiten hervorzubringen. Dieser Schluss scheint richtig, wenn zugegeben wird, dass die Versuchsperson thats\u00e4chlich nichts von den ber\u00fchrten Punkten wisse *). Schon aus allgemeinen Gr\u00fcnden aber, insbesondere aus der Thatsache, dass die Punkte A und B weit genug entfernt waren, um eigenth\u00fcmliche locale F\u00e4rbungen zu besitzen, ist zu vermuthen, dass die Versuchsperson doch manchmal denselben Punkt bei einer zweiten Ber\u00fchrung wiedererkannte. Ich hatte bei diesen Versuchen ziemlich oft den folgenden Gedanken : das ist derselbe Punkt, bei welchem ich fr\u00fcher zwei Reize in querer Richtung wahrnahm. Dann suchte ich, ob nicht wieder Punkte in derselben Richtung vorhanden seien, und sehr oft erschienen die zwei Empfindungen nach einiger Zeit. Der Autosuggestionsvorgang ist liier ganz deutlich. Auch von der Methode l\u00e4sst sich vielleicht sagen, dass durch die Fragen, die an die Versuchsperson nach jedem Versuch gestellt wurden, die Aufmerksamkeit derselben zu sehr auf Nebenerscheinungen gerichtet und dadurch der normale Verlauf der Wahrnehmungen gest\u00f6rt worden sei. Ueberhaupt d\u00fcrften diejenigen Angaben der Versuchspersonen die n\u00fctzlichsten sein, die spontan, ohne suggestive Beeinflussung von Seiten des Experimentators gemacht werden.\n1) Die Bemerkung des Herrn Judd (Philos. Stud. XII. S. 447) scheint auf einem Missverst\u00e4ndniss dieser Folgerung zu beruhen: \u00bbphysiologisch\u00ab hei\u00dft nicht uothwendig \u00bbperipherisch\u00ab, wie er vorauszusetzen scheint.","page":221}],"identifier":"lit4258","issued":"1898","language":"de","pages":"163-221","startpages":"163","title":"Ueber die Wahrnehmung zweier Punkte mittelst des Tastsinnes, mit R\u00fccksicht auf die Frage der Uebung und die Entstehung der Vexirfehler","type":"Journal Article","volume":"13"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:17:17.471063+00:00"}