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{"created":"2022-01-31T12:38:57.236273+00:00","id":"lit4279","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Radoslawow, Zwetan H. D.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 15: 318-452","fulltext":[{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes.\nVon\nZwetan Radoslawow-Hadji-Denkow\naus Sistov in Bulgarien.\nMit 6 Figuren im Text und Tafel I\u2014II.\nI. Uebersicht der Vorarbeiten.\nNeben theoretischen Betrachtungen sind in neuerer Zeit mehrere auf experimentellen Untersuchungen beruhende Arbeiten \u00fcber das Ged\u00e4chtniss erschienen. Unter ihnen kommt vor allen die Schrift von Ebbinghaus in Betracht, die in dieser Beziehung als grundlegend angesehen werden darf. Ebbinghaus1 2) lernte verschiedene willk\u00fcrlich zusammengesetzte Silbenreihen auswendig und suchte zu bestimmen, wie viel er nach einer bestimmten Zeit \u2014 die Zeitintervalle hatten eiye Dauer von 19 Minuten bis zu 31 Tagen \u2014 behalten und wie viel er vergessen hatte. Dies geschah dadurch, dass er die Silbenreihen nach verstrichener Zwischenzeit von neuem bis zur gel\u00e4ufigen Reproduction lernte. Das Vergessen wurde dann an dem Unterschied der Zahl der Wiederholungen (der Lernzeit) gemessen, welche zum ersten und zum zweiten Lernen n\u00f6thig waren. Diese Versuche f\u00fchrten zu einem Gesetze, welches Ebbinghaus in der folgenden Formel ausdr\u00fcckt:\n\u00b1 = \u00ab\nV (log t)c\n(b hei\u00dft das Behaltene, v das Vergessene), wonach das Vergessen nicht der Zeit, sondern ihrem Logarithmus proportional w\u00e4chst (ich will im Folgenden diesen Verlauf der K\u00fcrze wegen einen logarith-misehen nennen).\n1)\tH. Ebbinghaus, Ueber das Ged\u00e4chtniss. Leipzig 1885.\n2)\ta. a. O. S. 106.","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4ehtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 319\nDas Ged\u00e4ehtniss f\u00fcr T\u00f6ne hat Wolfe experimentell zu erforschen versucht1 2). Er lie\u00df einen Normalton von einer bestimmten Schwingungszahl eine Zeit lang auf das Geh\u00f6r einwirken und nach einer bestimmten Zwischenzeit einen anderen von dem ersten um wenige (4, 8 oder 12) Schwingungen verschiedenen Yergleichston folgen, wobei die Versuchsperson beurtheilen sollte, ob der letztere dem ersteren gleich oder von ihm verschieden sei. Die Versuche wurden nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle und zwar f\u00fcr verschiedene Zeitintervalle von 1 bis 120 Secunden gemacht. Die Resultate dieser Versuche stellen den von Ebbinghaus gefundenen logarithmischen Verlauf der Ver\u00e4nderungen der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe mit der Zeit im allgemeinen auch f\u00fcr Tonunterschiede fest. Wolfe dr\u00fcckt die Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit dieser Ver\u00e4nderungen durch folgende Formel aus :\nAuf dem Gebiete des Gesichtssinnes liegen zun\u00e4chst zwei Arbeiten \u2014 von Baldwin und Shaw und von Warren und Shaw \u2014 vor. Diese Autoren haben mit vielen Versuchspersonen zugleich Experimente ausgef\u00fchrt, wobei als Versuchsobject ein auf einer schwarzen Tafel gezeichnetes Quadrat diente (die n\u00e4here Beschreibung werden wir in anderem Zusammenhang sp\u00e4ter bringen3)). Gegen diese Versuche, wie gegen jedes cumulative Verfahren bei experimentellen psychologischen Untersuchungen l\u00e4sst sich, obgleich es in manchen F\u00e4llen statthaft und unter Umst\u00e4nden vielleicht angezeigt sein mag, mancherlei einwenden. Vor allem wird dabei das individuelle Moment zu wenig ber\u00fccksichtigt; au\u00dferdem haben bei den hier besprochenen Versuchen die Beobachter das Versuchsobject nicht von demselben Standpunkt und von derselben Entfernung aus sehen k\u00f6nnen, was nothwendig auf die Auffassung wie die Reproduction desselben st\u00f6rend wirken musste, so dass die Urtheile unm\u00f6glich als gleichwerthig behandelt und rubricirt werden k\u00f6nnen.\n1)\tH. K. Wolfe, Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss, Philos. Studien Bd. HI S. 534 ff.\n2)\tWolfe, a. a. 0. S. 554.\n3)\tVergl. unten Abschnitt IV, \u00a7 5.\nWundt, Philos. Studien. XV.\n22","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nZ. Radoslawow-Hadji-Deukow.\nEs wurden \u00fcbrigens Bestimmungen nur bei drei Zeitintervallen ausgef\u00fchrt, so dass an eine genauere Deduction einer Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit des Verlaufes aus ihnen nicht zu denken ist. Trotzdem deuten auch hier die Ergebnisse den von Ebbinghaus aufgedeckten Ver\u00e4nderungsverlauf der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe mit der Zeit an, indem die Curven zuerst steil abfallen und dann, einer Horizontalen sich n\u00e4hernd, flacher werden1).\nTVhs sodann speciell unser Thema, das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr Baumdistanzen des Gesichtssinnes, anbelangt, so sind zwei vor kurzem erschienene Arbeiten von W. Lewy und J. C\u00eblikov zu erw\u00e4hnen. Lewy2) hat seine Versuche bei einem dem unseligen \u00e4hnlichen Verfahren nach der Methode der mittleren Fehler ausgef\u00fchrt. Auf einem schwarzen Hintergrund befanden sich zwei kleine, wei\u00dfe Elfenbeint\u00e4felchen, welche gegeneinander bewegt werden konnten. Dabei musste die Versuchsperson immer nur das eine fixiren, eine Anordnung, welche, wie mir scheint, nicht ganz einwandsfrei ist (vergl. unten S. 345, Anm. 1), abgesehen davon, dass sie schwer zu erf\u00fcllen ist. Ferner muss hier, wie bei Baldwin und Shaw, die Irradiation der wei\u00dfen Objecte auf dem schwarzen Hintergr\u00fcnde eine Fehlerquelle bilden, indem sie bei der Auffassung und Beproduction sicherlich von st\u00f6rendem Einfluss sein kann. Der Fehler, der daraus entspringt, kann nicht gleichgiltig sein, weil, wie ich glaube (vergl. unten Abschnitt IV, 5), jener Einfluss bei der Beproduction mehr sich geltend macht als bei dem Merken des Versuchsobjectes. Die Ergebnisse der vielen Einstellungen liefern \u00fcbrigens ebenfalls \u2014 obwohl sich der Verfasser die Ableitung eines Gesetzes f\u00fcr sp\u00e4tere Untersuchungen vorbeh\u00e4lt \u2014 im allgemeinen eine Best\u00e4tigung des bekannten Ebbinghaus\u2019schen Verlaufes3).\n1)\tJ. M. Baldwin and W. J. Shaw, Memory for Square-Size, Psychological Review Vol. 2, 1895. S. 237.\n2)\tW. Lewy, Experimentelle Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss, Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, Bd. VIII, 1895, S. 231 if.\n3)\ta. a. O. S. 244 f. \u2014 Lewy hat die Ver\u00e4nderungen der Unterschiedsschwelle bei ver\u00e4nderter Zwischenzeit auch bei r\u00e4umlichen Distanzen des Tastsinnes untersucht (a. a. O. S. 254 ff.). Aber da die Versuche an psychopathologi-schem Material und au\u00dferdem nur f\u00fcr wenige Zeitintervalle ausgef\u00fchrt wurden, so kommen sie hier wenig in Betracht, obwohl auch da ein Steigen des Schwelien-werthes mit der Zeit constatirt werden konnte.","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 321\nC\u00eblikov1) bediente sich bei seinen Versuchen einer dem Eum-f ord\u2019sehen Photometer \u00e4hnlichen Vorrichtung. Die Distanzen wurden durch die von beleuchteten Stangen auf einen hellen Hintergrund geworfenen Schatten gebildet. Durch die Bewegung der Lichtquelle (oder des schattenwerfenden Gegenstandes) konnten sie minimal ver\u00e4ndert werden; die angewandte Methode war die der richtigen und falschen F\u00e4lle. Die Versuche wurden mit mehreren Versuchspersonen zugleich gemacht und Bestimmungen bei mehreren Zeitintervallen von 1 bis 180 Secunden vorgenommen (dies war bei den gro\u00dfen Zwischenzeiten allerdings leicht ausf\u00fchrbar, da mehrere Versuchspersonen zu gleicher Zeit beobachteten und folglich die Versuche mit jeder einzelnen derselben wenig an Zahl sein konnten (vergl. sp\u00e4ter S. 334)). Auch C\u00eblikov spricht sich \u00fcber eine Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit des aus seinen Versuchen resultirenden Verlaufes nicht n\u00e4her aus. Aber aus der mitgetheilten, die richtigen F\u00e4lle darstellenden Curve2) geht ebenfalls ein ann\u00e4hernd logarithmisches Verh\u00e4ltnis klar hervor.\nDie ersten auf experimentellen Untersuchungen beruhenden Angaben \u00fcber den Einfluss der Zeit auf die Beproduction stammen \u00fcbrigens von keinem Geringeren als von E. H. Weber. In seiner f\u00fcr die Physiologie und Psychologie so wichtig gewordenen Schrift \u00fcber den Tastsinn3) hat er auch die Wahrnehmbarkeit von Reizunterschieden beim Tastsinn (f\u00fcr Gewichte) und beim Gesichtssinn (f\u00fcr Linien) untersucht, wenn zwischen dem ersten und dem zweiten\n1)\tJ. C\u00eblikov, Ueber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr Gesichtswahrnehmungen, Aufzeichnungen des psychologischen Laboratoriums an der psychiatrischen Klinik der kaiserlichen Universit\u00e4t Moskau, Heft 4, S. 248 ff. (russisch).\n2)\ta. a. O. S. 255. Der Verlauf wird in zwei Curven zur Anschauung gebracht: der einen liegen die r-F\u00e4lle ohne, der anderen mit i/2 der g-F\u00e4lle zu Grunde; erstere ist in der Figur punktirt, letztere ausgezogen. \u2014 Die Curven sind sehr glatt und gleichm\u00e4\u00dfig \u2014 auch die uns sp\u00e4ter besch\u00e4ftigende Abweichung bei 25 oder 30 Secunden fehlt, was au\u00dfer der gro\u00dfen Anzahl der Versuche sicherlich auch dem Umstande zuzuschreiben ist, dass die Versuche mit vielen Personen zugleich gemacht und die Resultate zusammen berechnet worden sind.\n3)\tE. H. Weber, Annotationes anatomicae et physiologicae 1833 Prol. VIII, p. 3 et seqq. \u2014 In dem deutschen Artikel in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch der Physiologie (HI. Band S. 481 ff. \u00bbTastsinn und Gemeingef\u00fchl\u00ab) finden sich diese Angaben nicht.\n22*","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322\nZ. Radoslavvow-Hadji-Denkow.\nEindruck verschieden, gro\u00dfe Zeitintervalle liegen, und gefunden, dass bestimmte Unterschiede nur bis zu gewissen Zwischenzeiten, nicht aber bei gr\u00f6\u00dferen, und dass also bei gr\u00f6\u00dferen Zeitintervallen nur gr\u00f6\u00dfere Unterschiede wahrgenommen werden k\u00f6nnen '). Dies hei\u00dft aber: mit der Zunahme der Zeit m\u00fcssen auch die Unterschiede gr\u00f6\u00dfer werden, wenn sie noch erkannt werden sollen. Freilich hat Weber nicht daran gedacht, dieses Yerh\u00e4ltniss der wahrnehmbaren Unterschiedsgr\u00f6\u00dfen zu den betreffenden Zeitintervallen n\u00e4her zu untersuchen ; aber es ist interessant festzustellen, dass seine Angaben dieses Yerh\u00e4ltniss nicht als ein direct proportionales erscheinen lassen, dass vielmehr auch in ihnen der logarithmische Verlauf angedeutet ist1 2). Klarer als hei den Gewichtsversuchen3) gibt sich dies bei den Linienversuchen zu erkennen. Wenn ein bestimmter Distanzunterschied bei einer bestimmten Zwischenzeit, z. B. bei 3\" noch erkannt wird, das hei\u00dft so, dass dies hei dieser und bei kleineren Zwischenzeiten wohl noch geschehen kann, nicht aber bei gr\u00f6\u00dferen (z. B. bei 4\", wie auch Weber fand), so k\u00f6nnen wir \u2014 was der Methode der Minimal\u00e4nderungen entspr\u00e4che \u2014 diesen Unterschied als den Schwellenwerth f\u00fcr diese Zwischenzeit auffassen. Wenn wir nun unter diesem Gesichtspunkte das Yerh\u00e4ltniss der von Weber untersuchten Unterschiede zu einander, wie zu den Zeitintervallen, nach denen sie noch wahrgenommen werden, n\u00e4her ins Auge fassen, so wird jenes Yerh\u00e4ltniss noch deutlicher. Ich habe (zur besseren Uebersicht) die zerstreuten Daten f\u00fcr die angef\u00fchrten Zwischenzeiten von 0\" (oder einer unendlich kleinen Zeit), 3\", 30\" (bis 35\" und 40\") und 60\" (bis 70\") unter Zugrundelegung der klei-\n1)\t1. c. p. 6 hei\u00dft es: Quo brevius temporis spatium interpositum est inter perceptionem primi et secundi ponderis, eo accuratius perceptiones inter se com-parantur. Temporis spatium nimis longo comparatio incerta fit aut plane im-peditur. Si differentia magnitudinem utriusque ponderis intercedens maior est, maius etiam temporis spatium inter observationem primi et secundi ponderis elabi potest accurata eorum comparatione non impedita.\n2)\tVergl. die Resultate 1. c. p. 6 seqq. und 9 seq.\n3)\tFolgende Stelle (ibidem p. 7) l\u00e4sst sich vielleicht in diesem Sinne verstehen: Paulo maiores differentiae ponderum adhibitorum (als die bei 5 Secunden noch wahrgenommenen von 15:14 und 151/2:14) recte percipiebantur, etiamsi inter observationem primi et secundi ponderis 30 vel 60 vel adeo 110 secundae interpositae erant.","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4ehtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 323\nneren Linie von 100 mm als Normaldistanz in dem in Figur 1 dargestellten Diagramm zusammengestellt.\nAus dieser Figur ersehen wir, dass, w\u00e4hrend der hei 0\" wahrgenommene Unterschied von 1 mm bei 3\" schon auf 2,5 mm steigt \u2014 also um 1,5 mm gr\u00f6\u00dfer wird \u2014 er bei 30\" nur 5 mm und hei 60\" nur 10 mm betr\u00e4gt. N\u00e4hme der Schwellenwerth proportional der Zeit im seihen Verh\u00e4ltnisse, wie zwischen 0\" und 3\" zu, so m\u00fcsste er bei 60\"\n30 mm erreichen (die punktirte Linie); er betr\u00e4gt aber nur 10 mm.\nJa noch mehr! W\u00e4hrend der hei 3\" noch erkannte Unterschied hei 4\" nicht mehr wahrgenommen wird, wird der hei 30\" noch wahrgenommene auch bei 35\" noch unterschieden, und erst hei 40\" beginnt die Beurtheilung zu schwanken (ich habe deshalb die Curve bei 37,5\" ansteigen lassen); ebenso wird die Differenz bei 60\" (10 mm) noch bei 70\" richtig beurtheilt. Der zu dem hier angenommenen Verlauf nicht passende zu kleine Werth bei 30\" k\u00f6nnte der aus unseren Versuchen und sonst sich ergebenden, sp\u00e4ter zu besprechenden gro\u00dfen Schwankung bei dieser Zwischenzeit entsprechen.\nWeber hat nicht die Unterschiede ermitteln wollen, welche bei bestimmten Zeitintervallen noch wahrgenommen werden k\u00f6nnen, sondern er hat im Gegentheil die Zeiten untersucht, bei welchen bestimmte Unterschiede noch erkannt werden. H\u00e4tte er das erstere gethan, und zwar f\u00fcr eine gr\u00f6\u00dfere Folge von Zwischenzeiten, so w\u00fcrde sicherlich in seinen Versuchen der in Bede stehende Verlauf deutlicher zu Tage getreten sein.\n7W7V.\n30\" 35\u201c\\ IQ'","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nII. Versuchsanordnungen und Methoden.\nDie Versuche wurden mit Punktdistanzen ausgef\u00fchrt. Die Ver\u00e4nderung derselben, das ist die Vergr\u00f6\u00dferung und die Verkleinerung der Vergleichsdistanz und das \u2014 jedesmal von neuem vorzunehmende \u2014 Einstellen der Normaldistanz geschah dadurch, dass die beiden Punkte von einander entfernt, beziehungsweise einander gen\u00e4hert\nwurden. Dieses Verfahren erleichterte einerseits das Einhalten der\n\u00bb\ngleichen Versuchsanordnungen und die \u2014 namentlich hinsichtlich der Zeit \u2014 pr\u00e4cise Einstellung der Distanzen, und sicherte andererseits die Gleichm\u00e4\u00dfigkeit und Constanz der ohjectiven Bedingungen und\nNebenumst\u00e4nde. Die M\u00f6glichkeit hierzu wurde durch die Construction des Apparates gegeben, mit welchem die Versuche ausgef\u00fchrt wurden (vergl. Eig. 2). In einem viereckigen 70 cm hohen und ebenso breiten Rahmen, welcher aufrecht auf einem in einem Schlitten verschiebbaren Gestell feststand, befand sich eine Glasscheibe. Hinter dieser, unmittelbar an ihr anliegend, war\nein ebensogro\u00dfer wei\u00dfer Carton angebracht, der in horizontaler Richtung gleichm\u00e4\u00dfig nach rechts und nach links verschoben werden konnte. An der linken Seite war er an einer horizontal liegenden Mikrometerschraube befestigt, die ihrerseits mit dem Rahmen fest verbunden war und so eine Verbindung desselben und der feststehenden Glasscheibe mit dem Carton herstellte. Durch ihre Drehungen wurden die Verschiebungen bewerkstelligt. Die zwei","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 325\nPunkte, welche die Distanz bildeten, waren so angebracht, dass sich der eine auf der -inneren Fl\u00e4che der feststehenden Glasscheibe, der andere auf dem beweglichen Carton befand, und zwar auf der gleichen Horizontalen. Wurde nun der Carton nach der einen Seite verschoben, so traten die Punkte mehr und mehr auseinander, wodurch die Distanz vergr\u00f6\u00dfert wurde; bewegte er sich nach der entgegengesetzten Richtung, so n\u00e4herten sich dieselben und die Distanz wurde kleiner. Die gr\u00f6\u00dferen Verschiebungen konnten an einem hinter der Mikrometerschraube in horizontaler Lage befestigten Meterma\u00df, welches halbe Millimeter zeigte, abgelesen werden; die kleineren dagegen wurden durch die Mikrometers ehr aube selbst angegeben. Da eine Umdrehung der Schraube eine Verschiebung des Cartons in der Gr\u00f6\u00dfe von 0,5 mm bewirkte, und der Durchmesser des Messrades, das in 100 Theile getheilt war, 8,5 cm betrug, so konnten an der Ma\u00dfeintheilung noch Unterschiede von 1/2oo mm abgelesen werden.\nDamit nicht durch die Glasscheibe entstehende Lichtreflexe die Aufmerksamkeit vom Versuchsobjecte ablenkten, wurde das Sehfeld so abgegrenzt, dass die Glasscheibe mit einem braunen Papier beklebt, und nur, wo die Distanz sich befand, ein viereckiger Ausschnitt freigelassen wurde. Dieser war hinreichend gro\u00df, dass bei der Auffassung und Reproduction des Eindruckes keine st\u00f6renden Wirkungen durch die R\u00e4nder des so abgegrenzten Sehfeldes entstehen konnten. Der ganze Apparat war auf einem Tische, ungef\u00e4hr 75 cm vom Beobachter entfernt aufgestellt. Die Beleuchtung wurde m\u00f6glichst constant gehalten, und es wurde mit jedem Beobachter entweder nur bei Tages- oder nur bei Lampenlicht gearbeitet.\nDie Versuche wurden dann folgenderma\u00dfen ausgef\u00fchrt. Zuerst wurde die Normaldistanz gezeigt und die Versuchsperson aufgefordert, sich dieselbe zu merken \u2014 wobei die Zeitdauer wie die Art des Merkens ihrem Belieben \u00fcberlassen wurde1) \u2014 und nachdem dies\n1) Im Anfang verlangte ich von den Beobachtern, dass sie die Mitte der Distanz fixiren sollten. Es ergab sich aber, dass Augenbewegungen nicht zu unterdr\u00fccken waren, und dass ein Versuch, ihnen entgegenzuwirken, auf die Auffassung des Eindruckes von nachtheiligem Einfluss war (vergl. Abschnitt V, 2), was in einem Steigen des Schwellenwerthes deutlich zum Ausdruck kam. Ich \u00e4nderte daher das Verfahren im obigen Sinne. Bez\u00fcglich der Merkzeitendauer vergl. unten Abschnitt IV, 6 \u00bbMerkzeiten\u00ab.","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326\nZ. Radoslawovv-Hadji-Denkow.\nnach ihrem Daf\u00fcrhalten geschehen war, ein Zeichen zu geben. Darauf wurde das Versuchsobject sogleich mit einem Schirm verdeckt. Mit dem Zeichen begann die Zwischenzeit, w\u00e4hrend welcher die Distanz verstellt wurde. Nach Ablauf derselben (die Zwischenzeiten wurden mit einer Secundenuhr, welche Viertelsecunden zeigte, gemessen) wurde vom Experimentator ein anderes Zeichen gegeben, und zugleich der Eindruck enth\u00fcllt, worauf der Beobachter die nun vorliegende Vergleichsdistanz zu beurtheilen hatte. Die Aussagen waren \u00bbgleich\u00ab, \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab und \u00bbkleiner\u00ab. Vor jedem Einzelversuch wurde selbstredend die Normaldistanz von neuem dargeboten. Sollte eine Vergleichsdistanz von gleicher Gr\u00f6\u00dfe gezeigt werden, so wurde sie dennoch, obwohl sie als Normaleindruck schon da war, von neuem eingestellt, indem der Apparat in Bewegung gesetzt wurde. Dies geschah, damit der Beobachter nicht durch das Fehlen der betreffenden Handgriffe des Experimentators in seinem Urtheil beeinflusst werde. Dasselbe geschah, wenn eine Vergleichsdistanz sogleich nachher als Normaldistanz dienen sollte. Jede Einzelversuchsreihe begann mit der objectiven Gleichheit. Die Augen waren in der Zwischenzeit, sofern dies nicht durch andere Versuchsbedingungen anders erfordert wurde, geschlossen.\nDie Versuche wurden, bei diesem Verfahren, nach der Methode der Minimal\u00e4nderungen gemacht, und zwar wurden Schwellenbestimmungen f\u00fcr die obere und f\u00fcr die untere Schwelle \u2014 d. h. bei Vergr\u00f6\u00dferung, beziehungsweise bei Verkleinerung der Vergleichsdistanz \u2014 vorgenommen. Das Verfahren war ein unwissentliches, d. h. insofern, als die Versuchspersonen wohl wissen konnten, wann eine neue Einzelversuchsreihe begann, jedoch nicht, nach welcher Bichtung die Ver\u00e4nderung der Normaldistanz vor sich gehen werde: denn es wurde mit den Versuchen (Einzelversuchsreihen) unregelm\u00e4\u00dfig zwischen der oberen und unteren Schwelle abgewechselt. \u2014 Die Sehweite, sowie die Sch\u00e4rfe des Augenma\u00dfes und die nach ihr zu bemessende Gr\u00f6\u00dfe der Minimal\u00e4nderungen wurde bei jedem Beobachter in einigen, besonderen Versuchen vorher bestimmt (siehe \u00fcbrigens unten Abschnitt IH, a und d). Um der Ausbildung eines absoluten Ged\u00e4chtnisses vorzubeugen, wurde zu einem jeden Versuchstag eine von der am vorhergegangenen verschiedene Normaldistanz genommen, die jedoch dann w\u00e4hrend desselben Versuchs-","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 327\ntages nicht ge\u00e4ndert w\u00fcrde (wegen der sp\u00e4ter zu erw\u00e4hnenden Neigung, sich auf die \u2022 vorhergehende Vergleichsdistanz \u2014 namentlich wenn sie sich wenig von der normalen unterscheidet \u2014 zu beziehen, was eine Vermengung der Vergleichs- mit der Normaldistanz herbeif\u00fchrte). Diese Variirungen der Normaldistanz betrugen die Gr\u00f6\u00dfe einer einzigen hei der betreffenden Versuchsperson gebrauchten Minimal\u00e4nderung und geschahen in positiver und negativer Bichtung. Der Ein wand, der diesem Verfahren entgegengesetzt werden k\u00f6nnte, dass dadurch das Verh\u00e4ltnis zwischen der Normaldistanz und der Gr\u00f6\u00dfe der Minimal\u00e4nderung ein anderes und daher auch der relative Unterschied zwischen beiden an den verschiedenen Versuchstagen verschieden sein werde, ist nicht von Bedeutung. Denn erstens kommen diese kleinen Ver\u00e4nderungen der Normaldistanz hei allen Schwellen gleichm\u00e4\u00dfig vor, so dass ihr eventueller Einfluss auf alle in gleichem Ma\u00dfe sich vertheilt; zweitens ist es ja unsere Aufgabe, nicht sowohl die absolute Gr\u00f6\u00dfe des Schwellen-werthes f\u00fcr bestimmte Zwischenzeiten zu ermitteln, als vielmehr das Verh\u00e4ltnis aufzudecken, in welchem sich die Ged\u00e4chtnissschwelle mit der Zeit ver\u00e4ndert; und drittens sind die Differenzen, welche aus jenen Verschiebungen resultiren, so gering, dass sie auf die Zahlen des Schwellenwerthes von keiner ver\u00e4ndernden \"Wirkung sein k\u00f6nnen1).\nAu\u00dfer den nach dieser Methode gemachten Versuchen habe ich auch solche nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle und zwar mit mir selbst angestellt. Dabei ben\u00fctzte ich Punktdistanzen, welche auf Cartons von Visitenkartenformat mittels Nadelstichen gezeichnet worden waren (mit der Feder konnte keine vollkommene Gleichheit der Punkte erreicht werden). Auf einem Carton wurde die Normaldistanz \u2014 von 30 mm \u2014 angebracht. Von den drei Vergleichsdistanzen war die eine der normalen gleich, die anderen um -f- 0,25 mm beziehungsweise \u2014 0,25 mm von ihr verschieden2); jede dieser Vergleichsdistanzen wurde zugleich auf mehrere \u2014 je 3, je 4 oder je 5 \u2014 Cartons auf getragen. Dies ge-\nll Anders verh\u00e4lt es sich, wenn die Gr\u00f6\u00dfe der Minimal\u00e4nderung ge\u00e4ndert wird (siehe unten 2, d).\n2) Sehweite, Augenma\u00df und Minimalunterschied wurden auch hier im voraus bestimmt.","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nschah, damit etwaige Ungenauigkeiten in der Zeichnung \u2014 obwohl diese unter der Lupe vorgenommen wurde \u2014 ausgeglichen w\u00fcrden, haupts\u00e4chlich aber, damit nicht hei einmaligem Vorhandensein gewisse unbeabsichtigte Beziehungen stattf\u00e4nden, welche die wirkliche Gr\u00f6\u00dfe der Distanzen verrathen k\u00f6nnten. Nachdem die Zeichnung ausgef\u00fchrt war, wurden die Cartons, welche die Vergleichsdistanzen trugen, vermischt und auf der R\u00fcckseite in der Reihenfolge, welche sie zuf\u00e4llig hatten, mit laufenden Buchstaben versehen. F\u00fcr jeden Buchstaben wurde dann im Protocollbuch \u2014 und zwar f\u00fcr jede Zwischenzeit besonders \u2014 eine Rubrik gemacht, welche in vier Unterrubriken \u2014 f\u00fcr die Urtlieile \u00bbgleich\u00ab, \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab, \u00bbkleiner\u00ab und \u00bbzweifelhaft\u00ab \u2014 eingetheilt war. Diese Anordnung schlie\u00dft, wie ich glaube, jede M\u00f6glichkeit aus, die Vergleichsdistanzen in ihrer wirklichen Gr\u00f6\u00dfe von vornherein zu erkennen. Wenn man hei fortgeschrittenerer Versuchszahl durch Anh\u00e4ufung von Urtheilen in einer der vier Rubriken auf die Vermuthung gef\u00fchrt werden k\u00f6nnte, der betreffende Buchstabe geh\u00f6re zu einer Distanz, welche den in diese Rubrik fallenden Urtheilen entspricht \u2014 \u00fcbrigens eine Vermuthung, die ohnedies auf T\u00e4uschung beruhen kann \u2014, so kann das auf die Beurtkeilung der Distanz schon deshalb von keinem Einfluss sein, weil ja bei den Versuchen \u2014 wie wir unten sehen werden \u2014 zuerst die Aversseite des Cartons und dann erst, nachdem das Urtheil feststand, der auf seiner R\u00fcckseite befindliche Buchstabe angesehen wurde. Eine solche Beeinflussung k\u00f6nnte nur dann stattfinden, wenn die Aversseite irgendwie kenntlich gemacht und dadurch in eine feste Beziehung zu dem betreffenden Buchstaben gebracht w\u00fcrde. Kam etwas dergleichen vor, so wurde die betreffende Distanz, ohne gemessen zu wurden, mit einem Zirkel ahgenommen und auf einen neuen Carton \u00fcbertragen, der dann mit demselben Buchstaben versehen, w\u00e4hrend der alte ausgeschieden wurde. Nachdem mit einem solchen Cartonsystem l\u00e4ngere Zeit gearbeitet war, wurde es bei Seite gelegt, und ein neues in denselben Ma\u00dfverh\u00e4ltnissen angefertigt, bei welchem jedoch die Reihenfolge der Buchstaben selbstverst\u00e4nd lieh eine andere war, daher f\u00fcr dasselbe neue Protocolle angelegt werden mussten.\nEs wurde zugleich mit drei solchen Systemen experimentirt: dem einen lag eine Normaldistanz von 30 mm, den anderen zwei solche","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 329\nvon 29,75 mm beziehungsweise 30,25 mm zu Grunde. Die zugeh\u00f6rigen Vergleichsdistanzen' differirten \u00fcberall um 0,25 mm (+ 0,25 respective \u2014 0,25 mm) von der betreffenden Normaldistanz. Diese Anordnung wurde getroffen, um der eventuellen Ausbildung eines absoluten Ged\u00e4chtnisses m\u00f6glichst zu wehren (vergl. oben) \u2019).\nDie Ausf\u00fchrung der Versuche war die folgende. Der Normalcarton lag vor mir, ungef\u00e4hr 18 cm von den Augen entfernt (ich bin stark myopisch) auf dem Tisch. Das Kinn wurde auf eine Unterlage gest\u00fctzt. Nachdem ich die Normaldistanz gemerkt hatte, blickte ich allsogleich auf die dicht daneben stehende Secundenuhr, um nach Ablauf der Zwischenzeit (die kleinsten Zwischenzeiten wurden durch Z\u00e4hlen gemessen) auf den inzwischen genau auf den Normalcarton gelegten Vergleichscarton zu sehen und die nun vorliegende Vergleichsdistanz zu beurtheilen. Stand das Urtheil fest, so wurde der auf der R\u00fcckseite befindliche Buchstabe angesehen und das Urtheil in die ihm entsprechende Rubrik desselben eingetragen. Die Vergleichscartons, deren Zahl 9, 12 oder 15 betrug, wurden jedesmal von neuem vermischt. Nachdem die Versuche vollendet waren, wurden die Distanzen auf den Vergleichscartons mit dem Millimeterma\u00df abgemessen und die in die Rubriken der betreffenden Buchstaben (selbstverst\u00e4ndlich auch des betreffenden Cartonsystems) fallenden Urtheile mit ihnen verglichen, auf ihre Richtigkeit gepr\u00fcft und dann als \u00bbrichtig\u00ab, \u00bbfalsch\u00ab, \u00bbgleich\u00ab und \u00bbzweifelhaft\u00ab classificirt.\nDie Versuche wurden bei allen Beobachtern in mehreren Folgen ausgef\u00fchrt. Vor Beginn der eigentlichen Untersuchungen wurden mehrere Versuche gemacht, um einen gewissen Grad der Uebung zu erreichen. Ebenso wurden, um den Einfluss der noch fehlenden Uebung auszuscheiden, die ersten Versuche jedes Versuchstages nicht in Rechnung gezogen1 2). \u2014 Bei vorhandener Indisposition wurden die\n1)\tZu demselben Zwecke habe ich im Anfang, bei Anwendung nur eines Cartonsystems, neben dem blo\u00dfen Auge Augengl\u00e4ser verschiedener Dioptrien (\u2014 1,5 und \u2014 2) ben\u00fctzt, indem ich abwechselnd \u2014 jedoch immer f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit \u2014 bald mit dem einen, bald mit dem anderen, bald mit unbewaffnetem Auge arbeitete. Dieses Verfahren hat sich jedoch als nicht zweckm\u00e4\u00dfig erwiesen, obgleich dadurch das Ma\u00dfverh\u00e4ltniss zwischen der Normal- und den Vergleichsdistanzen besser gewahrt wird.\n2)\tAu\u00dfer den Abschnitt IV, 3 beschriebenen Versuchen mit Moebius, welche","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\nZ. Radoslawow-Hadji-Deiikow.\nUntersuchungen unterlassen, und wenn eine solche oder Erm\u00fcdung w\u00e4hrend des Experimentirens auftrat, so wurden sie sogleich unterbrochen.\nIch will hier Einiges zum Verst\u00e4ndniss der von mir gebrauchten Terminologie, soweit es sich nicht von selbst ergibt, beif\u00fcgen. Den aus dem Merken des Normaleindruckes und der nach verstrichener Zwischenzeit erfolgten Beurtheilung einer einzigen Vergleichsdistanz bestehenden Versuch nenne ich einen Einzelversuch. Mehrere solche Einzelversuche \u2014 bei mehrmals ver\u00e4nderter Vergleichsdistanz\n\u2014\twelche (bei der Methode der Minimal\u00e4nderungen) noting sind zur Gewinnung eines definitiven Urtheils \u2014 der \u00bbEinzelbestimmung\u00ab\n\u2014\tbilden eine Einzelversuchsreihe. Aus den Einzelbestimmungen, welche die \u00bbVersuchsreihen\u00ab bilden, wird das arithmetische Mittel berechnet. Eine Folge alle Zeitintervalle* 1 2) betreffender Versuchsreihen wird eine Versuchsserie (kurz Serie) oder Versuchsfolge genannt. Die Schwellenwerthe bei der Vergr\u00f6\u00dferung der Vergleichsdistanz hei\u00dfen die obere, diejenigen bei der Verkleinerung derselben die untere Schwelle, und die Ver\u00e4nderungen der erster en mit der Zeit der obere, die der letzteren der untere Verlauf oder kurz, die obere beziehungsweise die untere Schwelle. Diese Schwellen und ihre Ver\u00e4nderungen nenne ich zum Unterschied vom Verlauf der Merk- und Reproductionszeiten (vergl. Abschnitt IV) auch Ged\u00e4chtnissschwellen. Das Wort \u00bbSchwelle\u00ab gebrauche ich \u00fcbrigens \u2014 wo es nicht den Sinn st\u00f6rt \u2014 auch zur Bezeichnung des Schwellenwerthes f\u00fcr ein Zeitintervall oder einen Zwischeneindruck, oder aber f\u00fcr diese selbsta).\nDie meisten Versuchsergebnisse sind (im Text und a\u00fcf zwei Curventafeln) graphisch dargestellt worden. Die Curven des oberen Verlaufes sind ausgezogen, die des unteren punktirt. Der Ma\u00dfstab des Coordinatensystems ist aber nicht immer, d. h. bei allen Beobachtern und bei allen gleichen Versuchen, derselbe. Die Eintheilung\neben der Untersuchung des Einflusses der Uebung auf die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe gewidmet waren.\n1)\tUnd bei denVersuchen mit ausgef\u00fcllter Zwischenzeit \u2014Abschnitt III, B \u2014 alle Zwischeneindr\u00fccke.\n2)\tDie Bedeutung sonst vorkommender Ausdr\u00fccke wird gegebenenorts bestimmt werden.","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen Aber das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 331\nder Ordinatenlinie ist n\u00e4mlich bei den Versuchen mit ausgef\u00fcllter Zwischenzeit (Abschnitt III, B) zum Theil eine andere als bei denjenigen, welche den Einfluss der ver\u00e4nderten Zwischenzeit betreffen (Abschnitt m, A, 1). Ferner ist sie bei den ersteren auch bei Beobachtern, mit welchen dieselben Versuche gemacht worden sind, \u2014 so bei Jasper und Hanschmann und bei Seyfert und Moebius \u2014 verschieden. Dieses letztere geschah, damit, bei der durch sp\u00e4ter zu besprechende Bedingungen (Abschnitt IU, A, 2) verursachten individuellen Verschiedenheit der Schwellenwerthgr\u00f6\u00dfe, dennoch die vorhandene Aehnlichkeit der Verl\u00e4ufe deutlicher hervortrete. Man kann eigentlich hier (bei den Versuchen mit ausgef\u00fcllter Zwischenzeit) von regelrechten Curven als Darstellung der Function zweier bestimmten Gr\u00f6\u00dfen kaum sprechen: denn es sind auf der Abscissen-linie Werthe aufgetragen, welche nicht einer und derselben variablen Gr\u00f6\u00dfe angeh\u00f6ren, n\u00e4mlich bei den Versuchen mit Geh\u00f6rsreizen als Zwischeneindruck, neben der leeren Zwischenzeit, die nicht in einem bestimmten Verh\u00e4ltnis sich ver\u00e4ndernden Zahlen der Metronomschl\u00e4ge und hei nicht homogener Ausf\u00fcllung der Zwischenzeit durch unregelm\u00e4\u00dfig zusammengesetzte Schl\u00e4ge zweier Metronome und Glocken; bei den Zwischeneindr\u00fccken des Gesichtssinns wiederum sind, au\u00dfer der leeren Zwischenzeit, die verschiedenen Farben und farblosen Qualit\u00e4ten, und zwar in freigew\u00e4hlter Folge angeordnet. Trotzdem habe ich diese Curven f\u00fcr die Ged\u00e4chtnissschwellen, wie auch solche f\u00fcr die zugeh\u00f6rigen Merkzeiten angefertigt, um die Ver\u00e4nderungen der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe anschaulicher darzustellen und namentlich einen Vergleich derselben mit denjenigen der Merkzeiten zu erleichtern. Dabei habe ich jedoch, da ja unter diesen Wer then gewisse Beziehungen bestehen \u2014 so einerseits die Verschiedenheit der Zahl der Metronomschl\u00e4ge, andererseits diejenige der farblosen von den farbigen Qualit\u00e4ten \u2014 die Anordnung derselben nicht ganz willk\u00fcrlich gew\u00e4hlt, dieselbe vielmehr so vorgenommen, dass die Zahlen der Metronomschl\u00e4ge in aufsteigender Reihe sich folgen, w\u00e4hrend bei den Gesichtsreizen, obwohl die Versuche in anderer Ordnung gemacht worden sind, die farblosen Eindr\u00fccke auf der einen, die farbigen auf der anderen Seite zu stehen kamen; unter ihnen aber wurde die Reihenfolge durch die Gr\u00f6\u00dfe des Schwellen-werthes, wie er im oberen Verlauf bei Seyfert gegeben ist,","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nbestimmt, und zwar so, dass die kleineren Zahlen den gr\u00f6\u00dferen vorangehen. Dadurch gelangen einerseits jene Beziehungen bildlich deutlicher zum Ausdruck und andererseits gewinnt die ganze Figur markantere Z\u00fcge.\nDen Merkzeitencurven liegt bei allen Beobachtern derselbe Ma\u00dfstab zu Grunde; jedoch ist \u2014 ebenso wie bei den Beproductions-zeiten \u2014 aus den oben angef\u00fchrten Gr\u00fcnden die Ordinatenlinie im Vergleich zur Abscisse, obwohl beide die Zeit bedeuten, nach einem gr\u00f6\u00dferen Ma\u00dfe eingetheilt.\nAls Versuchspersonen hatten die Freundlichkeit zu functioniren die Herren S. Franz, H. Eber, J. Jasper, R Seyfert, Dr. E. Meumann, A. Tyszko, Dr. R Weinmann, 0. Hanschmann und W. Moebius. Ich spreche ihnen hiermit f\u00fcr ihre Geduld und Ausdauer bei den nicht gerade unterhaltenden Experimenten meinen besten Dank aus. In der folgenden Tabelle sind vergleichende\nVersuchs- person\tbei einer Normaldistanz von\tbei einer Entfernung von\tbei der Vergr\u00f6\u00dferung\t\tbei der Verkleinerung\t\n\t\t\tin mm\tin Theilen der Normaldistanz\tin mm\tin Theilen der Normaldistanz\nFranz\t30 mm\t75 cm\t0,583\t1 : 51,4\t0,555\t1 : 54,0\nEber\t30 mm\t75 cm\t0,517\t1 : 58,0\t0,477\t1 : 62,9\nTyszko\t40 mm\t75 cm\t0,333\t1 : 120,0\t0,291\t1 : 137,0\nB.-H.-D.\t30 mm\t18 cm\t0,265\t1 :113,0\t0,275\t1 :109,0\nJasper\t30 mm\t75 cm\t0,295\t1 :102,0\t0,271\t1 :110,0\nHanschmann\t30 mm\t75 cm\t0,545\t1 : 55,0\t0,523\t1 : 57,3\nSeyfert\t30 mm\t75 cm\t0,590\t1: 50,8\t0,589\t1 : 50,9\nMoebius l)\t30 mm\t75 cm\t0,275\t1:109,0\t0,250\t1:120,0\nMeumann\t25 mm\t75 cm\t0,521\t1: 47,9\t0,458\t1: 54,5\nWeinmann\t50 mm\t75 cm\t0,844\t1 : 58,9\t0,687\t1 : 72,7\n1) Die Bestimmung des Augenma\u00dfes bei Moebius wurde nach den mit diesem Beobachter gemachten Uebungsversuchen (siehe Abschnitt IV) vorgenommen.","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 333\nBestimmungen des Augenma\u00dfes dieser Beobachter f\u00fcr die Vergr\u00f6\u00dferung und Verkleinerung einer Distanz mitgetheilt.\nDie Versuche, deren Zahl sich auf ungef\u00e4hr 17 000 Einzelversuche bel\u00e4uft, wurden im Institut f\u00fcr experimentelle Psychologie an der Universit\u00e4t Leipzig w\u00e4hrend dreier Semester der Jahre 1896 und 1897 ausgef\u00fchrt. Ich f\u00fchle die angenehme Pflicht, dem Leiter des Instituts, Herrn Professor Dr. Wilhelm Wundt, f\u00fcr die anregenden Rathschl\u00e4ge, welche er mir hat zu Theil werden lassen, hier meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen.\nIII. Die Versuchsergebnisse und ihre Deutung.\nIch will die von mir angestellten Versuche, gem\u00e4\u00df der doppelten Fragestellung unserer Aufgabe, in zwei Abtheilungen dieses Abschnittes mittheilen: erstens diejenigen, welche die Untersuchung des Einflusses der Zeit auf das Ged\u00e4chtniss betrafen, und zweitens diejenigen, welche die Ermittelung etwaiger Ver\u00e4nderungen der Ge-d\u00e4chtnisssch\u00e4rfe, wenn die zwischen Normal- und Vergleichseindruck verflie\u00dfende Zeit mit heterogenen (Geh\u00f6rs- oder Gesichts-) Eindr\u00fccken ausgef\u00fcllt wird, zum Zwecke hatten.\nA. 1. Die Ver\u00e4nderungen der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe mit der Zeit.\nIch lasse zun\u00e4chst die Resultate, wie sie sich unmittelbar aus den Versuchen ergeben, folgen und f\u00fcge zur anschaulicheren Ueber-sicht bei der Deutung und Kritik derselben einige Curven bei (Tafel I), welche ich nach ihnen entworfen habe1).\nDie Ver\u00e4nderungen der Zwischenzeit konnten nicht alle Zwischenstufen umfassen, da dies eine viel l\u00e4ngere Versuchszeit erfordert h\u00e4tte, als mir zu Gebote stand, und haupts\u00e4chlich, weil die Versuchspersonen ihren Ueberdruss an den f\u00fcr sie oft peinlichen Unter-\n1) Der Zeichnung der Curven aus den Versuchen nach der Methode der Minimal\u00e4nderungen liegt bei den hier behandelten Untersuchungen derselbe Ma\u00dfstab zu Grunde.","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nsuchungen kaum bemeistern konnten. Aber die Zeitintervalle, welche zur Anwendung gekommen sind, reichen, glaube ich, hin, um uns eine gen\u00fcgend zutreffende Antwort auf die untersuchte Frage zu vermitteln. Es wurden Schwellenbestimmungen gemacht bei 1, 2,5, 5, 7,5, 10, 12,5, 15, 20, 25, 30, 40, 50 und 60 Secunden. Die Zwischenzeit wurde pr\u00e4cis eingehalten; nur bei 1 Secunde konnte dies wegen des schwierigen Handhabens des Apparates bei der schnellen Einstellung, namentlich gr\u00f6\u00dferer Distanzunterschiede, nicht immer geschehen. Aber der daraus resultirende Fehler betrug h\u00f6chstens 0,5\", so dass diese Zwischenzeit niemals die Dauer von 1,5\" \u00fcberschritt. Noch l\u00e4ngere Zwischenzeiten als 60\" \u2014 etwa mehrere Minuten oder vielleicht Stunden \u2014 zu nehmen, musste von vornherein als unm\u00f6glich und unangezeigt angesehen werden. Denn da die Versuchspersonen, wie aus ihren Aussagen und aus ihrem \u00e4u\u00dferen unruhigen Geb\u00fchren zu schlie\u00dfen war, schon bei den angewandten gr\u00f6\u00dften Zwischenzeiten kaum im Stande waren, ihre Unruhe zu beherrschen und mit geschlossenen Augen ruhig das Signal, auf die Vergleichsdistanz zu sehen, abzuwarten, so war dies bei noch l\u00e4ngeren Zeitintervallen noch mehr zu bef\u00fcrchten, so dass eine der haupts\u00e4chlichsten Versuchsbedingungen, die Gleichm\u00e4\u00dfigkeit der Nebenumst\u00e4nde, namentlich der Disposition, nicht gen\u00fcgend gewahrt werden k\u00f6nnte. Aber die Schwellenbestimmungen f\u00fcr gr\u00f6\u00dfere Zeitintervalle w\u00fcrden, wie wir sp\u00e4ter sehen werden, das allgemeine Bild des Ver\u00e4nderungsverlaufes der Ged\u00e4chtnissschwelle mit der Zeit nicht anders gestaltet haben (vergl. auch Abschnitt IV \u00bbideales und absolutes Ged\u00e4chtniss\u00ab).\nDie Versuche wurden, wie oben bemerkt, in mehreren Serien ausgef\u00fchrt, um die den Verlauf st\u00f6rend beeinflussenden Wirkungen der nebenherlaufenden Bewusstseinsvorg\u00e4nge, vornehmlich den der Uebung, m\u00f6glichst zu eliminiren.\nDie Gr\u00f6\u00dfe der Minimal\u00e4nderung betrug bei Franz, bei einer Normaldistanz von 30 mm L\u00e4nge, 0,5 mm, was in Anbetracht dessen, dass dieser Beobachter kein gutes Augenma\u00df hatte, auf den \u00e4u\u00dferen Ausdruck des Ged\u00e4chtnissverlaufes keinen beeintr\u00e4chtigenden Einfluss hatte. F\u00fcr jedes Zeitintervall der oberen und der unteren Schwelle wurden hier je 25 Einzelbestimmungen gemacht, und zwar in drei Serien \u2014 die erste aus je 15, die zweite und dritte aus je","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"Franz.\nNormaldistanz 30 mm\tMinimal\u00e4nderung 0,5 mm\nUntersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4ehtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 335\n\u00a9 CO\t2,78\t4,00\t2,25\t0,33\t25\t9,27\t00 oo\t2,50\t1,00\t1- CO_ cT\t25\t6,27\n50\"\t2,65\t3,00\t2,25 !\t0,26\t25\t8,83\t1,86 1 1\t2,50\t\u00a9 \u00a9^\t0,30\t25\t\u00a9 co\n\u00a9 Tt<\t2,50\t3,25\t1,75\t0,20\t25\t8,33\tr\u2014 CO_\t2,75\t1,00\t0,45\t25\tt- U\u00bb urT\n30\"\t00 CS^\t2,75\t1,25\t0,34\t25\t6,93\t1,23\t1,75\t0,50\t0,36\t25\t4,10\n25\"\t2,30\t3,00\t1,50\t0,33\t25\t7,66\t1,00\t1,50\t0,50\t0,24\t25\t3,33\n20\"\t2,20\t3,00\t1,25\t0,38\t25\tco co^ i-\t0,76\tXD (N\t0,50\t0,31\t25\t2,53\nxb\t2,01\t2,50\t1,25\t0,29\t25\t6,70\tOi N\t1,75\t0,75\t0,30\t25\t4,30 j\n12,5\"\t1,94\t2,50\t1,50\t0,28\t25\tr- crT\tt-\t2,00\t0,75\t0,30\t25\t4,90\n10\" :\tt- 1>^\t2,25\t1,00\t0,28\t25\t5,90\tCS T\u20141\t1,50\t0,50\t0,30\t25\t3,73\n7,5\"\t1,78\t2,25\t1,25\t0,24\t25\t5,93\t1,43 1 _ 1\t2,00\t1,00\t0,24\t25\tt- r}T\n5\"\t1,65\t2,25\t1,25\t0,28\t25\t5,50\t1,34\t2,00\t0,50\t00 (N cT\t25\t4,47\n2,5\"\t\t2,00\t0,75\t0,27\t25\t4,73\t1,34 I\t2,00\t0,75\t0,30\t25\t4,47\n-\t1,94\t2,50\t1,25\t0,28\t25\t6,47\t1,89\t2,50\t1,25\t0,29\t25\t6,30\nZwischenzeit\tA. M. in mm\tMax.\tMin.\tI >\tVersuchszahl\tin X der Normaldistanz\tA. M. in mm\tMax.\tMin.\tM. V. in mm\tVersuchszahl\tin X der Normaldistanz\n\to. S.\t\t\t\t\t\tu. S.\t\t\t\t\t\nTVundt, Philos. Studien. XV.\n23","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"Eber.\nNormaldistanz 30 mm\t'\tMinimal\u00e4nderung 0,5 mm\n336\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkovv,\n60\"\t1,60\t2,00\tO\t0,24\tO\t5,33\t1,35\t2,00\t1,00\t0,28\t10\t4,50\n50\"\t1,55\t2,00\t1,00\t0,36\to iH\tV- icT\t1,40\t2,00\t1,00\t0,32\t10\t4,67\n40\"\t1,35\t2,00\t1,00\t0,28\to\t4,50\t1,25\t1,50\t1,00\t0,24\t10\tr-\n30\"\t1,06\t1,50\t0,50\t0,26\tco\t3,54\t1,00\t1,50\t0,50\t0,31\tCD\tj 3,33\n25\"\t1,27\t2,00\t0,50\t0,39\t20\t3,25\t0,77\t1,50\t0,50\t0,33\t20\t2,58\n20\"\t1,40\t2,00\t1,00\t0,32\t20\tt- \u00ab\t0,85\t1,50\t0,50\t0,31\tO CS\t2,83\n15\"\t1,30\t1,50\t0,50\t0,26\t20\tCO co_\t1,35\t2,00\to, o_\t0,31\t\u25a0 20\t\u00a9\nub cs~\t1,00\t1,50\t0,50\t0,20\t20\tco co^ CO\t1,00\t1,50\t0,50\t0,20\t20\t3,33\n\u00ae\t1,10\t2,00\t0,50\t0,27\t20\tt~- cfi^ CO\t1,00 1 !\t1,50\t0,50\t0,30\t20\t3,33\n7,5\"\t1,00 j\t1,50\t0,50\t0,25\t20\t3,33\t1,22\t1,50\t0,50\t0,24\t20\t00\n5\"\tr\u2014 00 \u00abr\t1,50\t0,50\t0,30\t20\t2,91\t1,02\t1,50\t0,50\t0,14\t20\t3,41\n2,5\"\t0,65\t1,00\t0,50\t0,22\t20\tt\u2014\t0,75\t1,50\to o'\t0,30\t20\t2,50\n\u00ab\u25a0H\t1\t1\t1\t1\t1\t\\\t1\t1\t1\t1\t1\t1\nZwischenzeit\tA. M. in mm\ti!\tMax.\tMin.\tM. Y. in mm\tVersuchszahl\t1 xn \u00a3 'S B t-i g O \u2022n X \u2022S\tA. M. in mm\tMax.\tMin.\tM. Y. in mm\tVersuchszahl\tin % der Normaldistanz\n\to. S.\t\t\t\t\t\tu. S.\t\t\t\t\t","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 337\n5 Einzelbestimmungen bestehend, wobei die erste und dritte mit den kleinsten, die zweite mit den gr\u00f6\u00dften Zwischenzeiten begonnen wurde. Letzteres geschah, um in Erwartung einer fortschreitenden Uebung (vergl. Abschnitt IV \u00bbUebung\u00ab) diese auch den gr\u00f6\u00dferen Zwischenzeiten zu gute kommen zu lassen. Im Uebrigen wurde die Reihenfolge der Zeitintervalle hier, wie bei Eber und Tyszko, eingehalten.\nBei Eber ist die Versuchszahl nicht bei allen Schwellen gleich, weil die Untersuchungen mit ihm wegen Abganges von der Universit\u00e4t nicht zu Ende gef\u00fchrt werden konnten. Normaldistanz und Minimal\u00e4nderung waren dieselben wie bei Franz. Letztere war jedoch f\u00fcr das scharfe Augenma\u00df Eber\u2019s offenbar zu gro\u00df. Die Folgen davon werden wir sp\u00e4ter besprechen. Eine Schwellenbestimmung bei einer Secunde Zwischenzeit wurde nicht vorgenommen.\nUm etwaige Verschiedenheiten des Ver\u00e4nderungsverh\u00e4ltnisses des Schwellenwerthes bei gr\u00f6\u00dferen Distanzen zu untersuchen, wurde bei Tyszko eine 40 mm gro\u00dfe Normaldistanz genommen, und da das Augenma\u00df dieses Beobachters als ein au\u00dferordentlich scharfes sich erwies, so wurde ein 0,25 mm gro\u00dfer Minimalunterschied angewendet. Die Versuche, deren Zahl f\u00fcr jedes Zeitintervall einer jeden Schwelle 20 betrug, wurden in zwei Folgen, die erste \u2014 von je 15 Einzelbestimmungen \u2014 mit den gr\u00f6\u00dften, die zweite \u2014 aus je 5 Einzelbestimmungen \u2014 mit den kleinsten Zwischenzeiten beginnend, vorgenommen (vergl. Abtheilung A, 2 dieses Abschnittes).\nIn Tabelle IV sind die Ergebnisse der Versuche, welche ich mit mir selbst nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle angestellt habe, enthalten. Sie wurden in vielen Serien gemacht, wobei jedoch die Reihenfolge der Zwischenzeiten nicht gewahrt, sondern mit diesen unregelm\u00e4\u00dfig abgewechselt wurde. Die Versuchszahl ist aus den schon angef\u00fchrten Gr\u00fcnden bei den gr\u00f6\u00dften Intervallen kleiner als bei den kleineren. Au\u00dfer f\u00fcr die in der Tabelle angegebenen Zeiten habe ich einige Versuche auch bei 90\" und 120\" gemacht, welche ich jedoch wegen ihrer geringen Zahl hier nicht anf\u00fchren will. Sie konnten nicht fortgef\u00fchrt werden, weil bei diesen langen Zwischenzeiten gewisse st\u00f6rende Einfl\u00fcsse zu sehr die Vorherrschaft gewinnen und den wirklichen Thatbestand verdunkeln k\u00f6nnten. Aber auch sie ergeben einen dem durch die untersuchten Zeitintervalle festgestellten nicht widersprechenden Verlauf.\n23*","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"Tyszko.\nNormaldistanz 40 mm\tMinimal\u00e4nderung 0,25 mm\n338\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\n60\"\t1,19\t2,50\t0,50\t9k\u20180\t20\t2,97\t1,00\t2,00\t0,25\t0,42\t20\tO cs'\nO m\tCO\t2,00\t0,50\t0,38\t20\t2,90\t0,91\t1,50,\t0,50\t0,30\t20\t2,27\n40\"\t1,03\t2,00\t0,50\t0,32\t20\t2,57\t0,94\to\t0,25\t0,28\t20\t2,35\n30\" |\t0,60\tO i\u00df\t0,25\t0,24\t20\t' 1,50\t0,56\t1,50\t0,25\t0,20\t20\t1,40\n25\"\t0,85\t1,50\t0,25\t0,30\t20\t2,12\t0,62\t1,00\t0,25\t0,22\t20\t1,55\n20\"\t0,76\t1,00\t0,25\t0,23\t20\t1,90\t0,55\t\t0,25\t0,15\t20\t1,37\n15\"\t0,70\t1,50\t0,50\t0,28\t20\t1,75\t0,64\t1,00\t0,25\t0,22\t20\t1,60\n12,5\"\t0,63\t1,00\t0,25\t0,19\t20\t1,57\t0,57\t1,00\t0,25\t00 cT\t20\tCS\n10\"\t0,45\t\u00bbo cT\t0,25\t0,12\t20\tCS T\u201c<\t0,50\t1,00\t0,25\tr\u2014 T\u2014< o*\t20\t\n7,5\"\t0,51\t1,00\t0,25\t0,12\t20\t1,27\t0,50\t1,00\t0,25\t0,10\t20\t1,25\n5\"\t0,37\t0,75\t0,25\t0,13\t20\t0,92\t0,40\t0,75\t0,25\t0,13\t20\t1,00\n2,5\"\t0,25\t0,25\t0,25\t0,00\t20\t0,62\t0,30\t0,50\t0,25\t00 o'\t20\t0,75\n\t0,44\t0,75\t0,25\tt- T-< o\t20\t1,10\t0,47\t0,75\t0,25\tO cT\t20\t00\nZwischenzeit\tA. M. in mm\tMax.\tMin.\tM. Y. in mm\tYersuchszahl\tj in yi der Normaldistanz\tA. M. in mm\tMax.\tMin.\tM. V. in mm\tVersuchszahl\t| in % der Normaldistanz\n\to. S.\t\t\t\t\t\tu. S.\t\t\t\t\t","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Normaldistanz 30 mm\tUnterschied 0,25 mm\nUntersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 339\n\tm\t\t\t\to\tio\no \u2022 CO\tcd\"\tt-\t-d\tcT\to cs\tst*\n\tCO\tcs\trH\tT\u00ab4\t\t\n\ti\u00df\to\to\tio\to\tt\u00bb\no\t\t\t\twT\to\t_T\n\t\tcs\t\tcs\t\tst*\n\t\t\t1*0\tio\to\t\u00ae\no\tcs\"\tCO cs\tcd\to\" cs\to cs\tcb* S\u00ce*\n\t\t\tr-\teo\to\tco\no\t\tco\"\t_r\tCSr\tCO\too\n\ti\u00df\t\t\t\t\t\n\t\t\tCO\tCO\to\t\u00ae\nuo\teo\tco\"\t*T\t00\tco\t\u00ae\n\t\tcs\tvH\t*H\t\t\n\t\tCO\tr\u2014\t\to\t\u00ae\no cs\tt-\"\tcT\tcs\" vH\tcT cs\tco\tCO co\n\tCO\t\t\t\to\tlO\n\u00efb\tto\tcs\"\t\tcs\"\t\u00ae co\tco\n\t\t^\u25a04\t\tcs\t\t\n\u00eeb\t\t\t\tCO\tO\t\u00ae\ncs'\tco\"\tcs\"\too\"\tcs\"\tO\too\n\t\tcs\t\u2019\u25a0*\t\t\t\n\t\t\tCO\to\tO\t00\no\t05\too\"\tcs\"\to\"\t\u00ae co\tsr\n\t\tT\u2014t\t\tcs\t\t\nSi\tCO\t\tCO\to\t\u00ae\tst*\nr-\"\ti\u00df\" i\u00df\t\ti\u00df\" vH\tin\tO co\t\u00a95 cs\n\tr-^\tcc\t\tCO\t\u00ae\t\n\ti\u00df\tcs\tl\u2014\tT\u2014\u00bb\tco\tco\n\tCO\t\tCO\t\tO\tcs\nos'\t\tCO T\u2014(\to vH\t\tco\tcs\n5j\tco^\t\to\t90\t\u00ae O\tCO^\n\tCO\t-\t\t\tco\tcs\n\t\t\t\t\t\t\u00ab 1\u00ab\n\u25a0+3 \u2019\u00a9 fi\t\u00a9 1\tQ> S3\tG> :3 \u00e8\t\u00a9 a :cc\u00e4\ti N\t+ &S|CS\n\u00a9 -s\tsL\tu\t\u00d65\t\u00ab\trS \u00a9\t+\n\t\u00a9\t\t\u00a9 TS\t\u00a9 TS\t02 u *\u00ae\t\u00f6 o\nN\tX\t\tX\tX\t!>\t>\n\t\t\t\t\t\tX","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nIn der Tabelle sind die richtigen, die falschen, die gleichen und die zweifelhaften F\u00e4lle besonders vermerkt. Als Ausdruck des Ver-\u00e4nderungsverlaufes der Gled\u00e4chtnisssch\u00e4rfe mit der Zeit ist die Summe der\nf+9- + -1 ^ 2^2\nF\u00e4lle berechnet worden, welche auch der betreffenden Curve auf Tafel I zu Grunde hegt.\nBetrachten wir die hier mitgetheilten YerSuchsresultate, so ergibt sich, dass mit variirter Zwischenzeit auch der Schwellenwerth verschieden wird, das hei\u00dft, dass die Sch\u00e4rfe des Ged\u00e4chtnisses mit der Zeit sich ver\u00e4ndert.\nEs ist unsere Aufgabe gewesen, das Yerh\u00e4ltniss dieser Ver\u00e4nderungen, das ist den Verlauf der Ged\u00e4chtnissschwelle mit der Zeit zu ermitteln. Die Versuchsergebnisse, deren Kritik wir \u00fcbrigens weiter unten folgen lassen, sind freilich nicht im Stande, uns eine vollkommen sichere und unzweideutige Antwort auf diese Frage zu verschaffen; aber da sie bei allen Versuchspersonen im allgemeinen \u00fcbereinstimmen und dadurch eine und dieselbe Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit auszudr\u00fccken scheinen, und da ferner, wie aus ihrer Kritik hervorgeht, der Verlauf, welchen sie ausdr\u00fccken, nach Abzug der Einfl\u00fcsse der denselben st\u00f6renden, in den Kesultaten ebenfalls zum Ausdruck kommenden Nebenumst\u00e4nde im allgemeinen auf einen Typus redu-cirt werden kann, so sind wir, glaube ich, berechtigt, eine Deutung derselben und der in ihnen sich kundthuenden Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit zu versuchen. Dabei m\u00fcssen wir uns allerdings haupts\u00e4chlich an den oberen Verlauf \u2014 namentlich bei Franz und Tyszko \u2014, und an denjenigen bei mir halten, weil hier (wie uns die kritische Besprechung zeigen wird \u2014 A, 2 dieses Abschnittes \u2014) der gesetzm\u00e4\u00dfige Thatbestand am besten und sichersten ausgedr\u00fcckt erscheint, obwohl, wie oben bemerkt, bei n\u00e4herer Betrachtung auch die anderen Ourven denselben deutlich verratlien.\nDie Versuchsergebnisse belehren uns zun\u00e4chst, dass die Ge-d\u00e4chtnisssch\u00e4rfe mit der Zeit abnimmt; denn wenn wir annehmen, dass um so kleinere Unterschiede bei einer bestimmten Zwischenzeit erkannt werden k\u00f6nnen, je gr\u00f6\u00dfer die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe ist, und umgekehrt, je geringer diese ist, um so gr\u00f6\u00dfer die Unterschiede werden","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4ehtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 341\nm\u00fcssen, damit sie nach einer bestimmten Zwischenzeit wahrgenommen werden, so m\u00fcssen wir aus dem Umstande, dass bei unseren Versuchen mit dem Wachsen der Zwischenzeit auch die wahrnehmbaren Unterschiede gr\u00f6\u00dfer werden, schlie\u00dfen, dass die Zeit eine Abnahme der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe bewirkt. Aber dies geschieht augenscheinlich nicht in einem den Ver\u00e4nderungen der Zeit proportionalen Verh\u00e4ltnisse, sondern \u00fcn einem anderen. Es scheint vielmehr der arithmetisch fortschreitenden Zunahme der Zwischenzeit ann\u00e4hernd eine in geometrischer Progression vor sich gehende Abnahme der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe parallel zu gehen. Dies bedingt aber ein logarith-misches Verh\u00e4ltnis, und es scheint sich daher auch in unseren Versuchen f\u00fcr die Ver\u00e4nderung der durch den Schwellenwerth repr\u00e4sentirten Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe als eine Function der Zeit zu best\u00e4tigen, dass innerhalb gewisser Grenzen die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe dem Logarithmus der Zeit ann\u00e4hernd proportional ist. Dieser Satz l\u00e4sst sich durch die folgende Gleichung ausdr\u00fccken:\ns bedeutet den Schwellenwerth (oder kurz die Schwelle), k und c sind Constanten.\nZu dieser Formel f\u00fchren mehr oder weniger alle unsere diesbez\u00fcglichen Versuchsergebnisse. Sie ist \u00e4hnlich derjenigen von Ebbinghaus und Wolfe, so dass unsere Versuche in dieser Beziehung als eine weitere Best\u00e4tigung des von diesen Forschern aufgedeckten Ver\u00e4nderungsverh\u00e4ltnisses der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe mit der Zeit angesehen werden k\u00f6nnen. Wenn wir beispielsweise das umgekehrte Spiegelbild der den oberen Verlauf hei Franz darstellenden Curve (Tafel I) betrachten, so zeigt sie eine auffallende Aehnlich-keit mit derjenigen f\u00fcr L bei Wolfe1).\nUm die Uebereinstimmung der Kesultate mit dem Gesetze zu veranschaulichen, habe ich in Tabelle V f\u00fcr die obere Schwelle\nbei Franz und Tyszko und f\u00fcr die f+ |^ + |- F\u00e4lle bei mir, mit\nConstanten, welche f\u00fcr jeden Beobachter aus dem gegebenen Ver-\n1) a. a. O. Tafel Y.","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"Tabelle Y.\n342\nZ. ladoslawow-Hadji-Derikow.\nCD w w","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 343\nlauf festgestellt wurden, einen idealen Verlauf berechnet und die betreffenden Zahlen neben diejenigen der gegebenen Schwellen gestellt. Die die idealen Verl\u00e4ufe darstellenden Curven sind auf Tafel I\ndurch die Linien------------------angegeben. Die Constanten waren\nf\u00fcr Franz k = 0,82, c = 0,60; f\u00fcr Tyszkro k = 1,568, c = \u20140,04; f\u00fcr mich k \u2014 0,732, c = 21.\nWie aus dem Vergleich hervorgeht, liegen die Werthe beider Verl\u00e4ufe \u2014 des gegebenen und des idealen \u2014 ausgenommen einige Abweichungen bei gewissen Zeitintervallen, welche sp\u00e4ter zu besprechen sein werden, sehr nahe bei einander und fallen \u2014 namentlich bei Franz, wo die Versuchszahl am gr\u00f6\u00dften ist (vergl. unten) \u2014 an vielen Stellen zusammen.\nBei den Versuchen mit mir selbst nehmen die f- und %-F\u00e4lle \u2014 namentlich die ersteren \u2014 mit der Zeit in einem dem Schwellenverlauf \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnisse zu. Bei den \u00ab/-F\u00e4llen ist dies nur bei den kleineren Zwischenzeiten der Fall. Bei den gr\u00f6\u00dferen dagegen wird ihre Zahl naturgem\u00e4\u00df wegen der geringeren Unterscheidungsf\u00e4higkeit zu Gunsten der %-, namentlich aber der /-F\u00e4lle, geringer.\nDen Verlauf der Schwellen bei noch gr\u00f6\u00dferen Zwischenzeiten nach derselben Methode zu verfolgen war \u2014 abgesehen von den wenigen, oben erw\u00e4hnten Versuchen mit mir selbst bei 90\" und 120\" \u2014 wie schon bemerkt, nicht m\u00f6glich. Ich habe jedoch, um wenigstens eine Andeutung von dem Verhalten des Verlaufes auch nach l\u00e4ngeren Zeiten zu gewinnen, folgende Versuche gemacht. Es war n\u00e4mlich von vornherein zu erwarten, dass, wenn der Verlauf mit der Zeit asymptotisch wird, die wahrnehmbaren Distanzunterschiede auch bei sehr gro\u00dfen Zwischenzeiten nicht erheblich von denjenigen bei den gr\u00f6\u00dften schon untersuchten (50\", 60\") differiren werden, oder dass nur wenig gr\u00f6\u00dfere oder ann\u00e4hernd dieselben Distanzunterschiede, wie die bei den gr\u00f6\u00dften angewandten Zeitintervallen schon erhaltenen, werden wahrgenommen werden, wenn die Zwischenzeit in derselben Progression zunimmt und sehr gro\u00df wird. Die Versuche bestanden daher in Folgendem. Ich Me\u00df die Beobachter zum Schluss jedes Versuchstages die Normaldistanz, mit welcher an diesem Tage gearbeitet wurde, sich merken und verlangte von ihnen zu Beginn des n\u00e4chstfolgenden \u2014 also nach einer Zwischenzeit von mehreren (gew\u00f6hnlich zwei) Tagen \u2014 eine dargebotene Vergleichsdistanz zu","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nbeurtheil\u00e8n. Die Ver\u00e4nderungen der letzteren geschahen selbstredend im Verh\u00e4ltnis zur Gr\u00f6\u00dfe der am vorhergegangenen Versuchstage beim betreffenden Beobachter gebrauchten Normaldistanz (vergl. oben S. 326 f.). Als Vergleichsdistanzen wurden angewandt die Gleichheit und mehrere abgestufte Unterschiede nach der positiven und negativen Richtung hin. Die Versuche, welche auch einem anderen Zwecke dienten (vergl. Abschnitt IV \u00bb ideales Ged\u00e4chtnis \u00ab und \u00bb absolutes Ged\u00e4chtnis\u00ab) wurden mit mehreren Personen ausgef\u00fchrt. Sie konnten naturgem\u00e4\u00df nicht viele sein, da die Zahl der Arbeitstage eine beschr\u00e4nkte war: ihre Anzahl bel\u00e4uft sich bei den verschiedenen Versuchspersonen auf 12 bi 40.\nBei Tyszko, der hier eigentlich haupts\u00e4chlich in Betracht kommt, weil unter den Versuchspersonen, mit welchen diese Versuche angestellt wurden, \u2014 Franz und Eber befinden sich nicht darunter \u2014 nur bei ihm ein Schwellenverlauf bei zunehmender Zwischenzeit vorhanden ist, ergaben nun diese Untersuchungen folgendes Resultat. Bei der Vergr\u00f6\u00dferung der Vergleichsdistanz werden bei einer Normaldistanz von 40 mm die Unterschiede bis zu 1,25 mm zum gr\u00f6\u00dften Theil falsch gesch\u00e4tzt; bei 1,5 mm werden die Urtheile schwankend; von 2 mm (also von einem Unterschied von 1/2o der Normaldistanz) an werden alle weiteren Differenzen fast durchwegs (in 14 von 15 F\u00e4llen) richtig als gr\u00f6\u00dfer erkannt. Bei der Verkleinerung der Vergleichsdistanz wird schon der Distanzunterschied von 1,5 mm (726,6 der Normaldistanz) und noch mehr derjenige von 1,75 mm gr\u00f6\u00dftentheils, die gr\u00f6\u00dferen aber durchwegs (in allen 9 F\u00e4llen) richtig \u2014 also kleiner \u2014 gesch\u00e4tzt. Ja nach einer Zwischenzeit von drei Wochen (Weihnachtsferien) wurde noch ein Unterschied von -f- 3 mm erkannt. Wenn wir nun die bei 60\" erhaltenen Schwellen-werthe von 1,19 mm f\u00fcr die obere und 1,00 mm f\u00fcr die untere Schwelle mit den zugeh\u00f6rigen hier gewonnenen Zahlen von 2 mm beziehungsweise 1,5 mm vergleichen, so k\u00f6nnen wir letztere wohl als eine logarithmische Fortsetzung der ersteren und somit des Verlaufes, dem diese angeh\u00f6ren, f\u00fcr die Zwischenzeit von zwei bis drei Tagen (und auch vielleicht den Unterschied von 3 mm f\u00fcr eine Zwischenzeit von drei Wochen) betrachten und denselben Verlauf auch f\u00fcr diese Zeitiniervalle annehmen.\nAber auch bei den anderen Versuchspersonen kann eine sichere","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 345\nAndeutung desselben Factums constatirt werden. Auch hier (die n\u00e4heren Daten befinden sich Abschnitt IV, 2, a) wurden nach Intervallen von derselben Zeitdauer, desgleichen noch nach den \"Weih-nachtsferien, noch ziemlich geringe Distanzunterschiede richtig wahrgenommen. Wir werden \u00fcbrigens sp\u00e4ter bei der Er\u00f6rterung des \u00bbabsoluten Ged\u00e4chtnisses\u00ab (Abschnitt IV) auf diese Frage noch einmal zur\u00fcckkommen.\nWie oben angef\u00fchrt, habe ich bei Tyszko eine gr\u00f6\u00dfere \u2014 40 mm lange \u2014 Normaldistanz gebraucht, als bei den anderen Beobachtern. Es zeigt sich nun, dass der Verlauf dadurch keine Mo-dificationen erleidet. Und dies war auch \u2014 schon wegen des geringen Gr\u00f6\u00dfenunterschiedes \u2014 zu erwarten. Es ist wohl m\u00f6glich, dass bei noch gr\u00f6\u00dferen \u2014 etwa mehrere Decimeter langen \u2014 Distanzen Abweichungen oder vielleicht Ver\u00e4nderungen im Verlauf eintreten k\u00f6nnten; aber solche Untersuchungen lie\u00dfen sich mit dem von mir angewendeten Apparat nicht anstellen. Es ist dabei aber auch zu erw\u00e4gen, dass bei solchen Untersuchungen (mit sehr gro\u00dfen Strecken) auch ganz unberechenbare \u00e4u\u00dfere Umst\u00e4nde mit im Spiele w\u00e4ren, welche dann der eigentliche Grund der etwaigen Abweichungen des Verlaufes sein k\u00f6nnten, so dass letztere nicht einem ver\u00e4nderten Ged\u00e4chtnisse, sondern einer ver\u00e4nderten Auffassung zuzuschreiben w\u00e4ren. Vor allem kommt hier die Schwierigkeit in Betracht, die gro\u00dfen Distanzen auf einen Blick aufzufassen und durch kleine Augenbewegungen zu durchmessen1). Es ist denn auch schwer zu begreifen, warum das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr gr\u00f6\u00dfere Strecken ein anderes sein sollte als f\u00fcr kleinere. Es ist vielmehr zu erwarten, dass die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe f\u00fcr verschieden gro\u00dfe Strecken, sobald diese jene\n1) Ich habe mit mir selbst f\u00fcr einige Zeitintervalle mehrere Versuche nach der oben (S. 327 ff.) beschriebenen Methode mit einem Distanzensystem vorgenommen, welchem eine 15 cm lange Normaldistanz zu Grunde lag. Die Distanzen waren auf gro\u00dfen Cartons angebracht. Der Unterschied der Vergleichsdistanzen betrug 1,25 mm \u2014 stand also im selben Verh\u00e4ltnisse zur Normaldistanz, wie bei den fr\u00fcheren Versuchen. Die Urtheile waren \u2014 selbst bei sehr kleinen Zwischenzeiten \u2014 gr\u00f6\u00dftenteils falsch. Da ich die Distanzen von einer nahen Entfernung \u2014\u2022 18 bis 20 cm \u2014 sah, war die Bewegung, welche das Auge von dem einen Ende der Distanz zum anderen machen musste, eine betr\u00e4chtliche und daher keine einfache und eindeutige. Dies machte aber die einheitliche Auffassung der Versuchsobjecte unm\u00f6glich (vergl. Abschnitt V).","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nGr\u00f6\u00dfe nicht erreichen, bei der die angef\u00fchrten \u00e4u\u00dferen st\u00f6renden Umst\u00e4nde Platz greifen, dieselben Ver\u00e4nderungen durch die Zeit erfahren wird; nur insofern wird ein Unterschied stattfinden, dass der Verlauf, dem die gr\u00f6\u00dfere Normaldistanz zu Grunde liegt, absolut gr\u00f6\u00dfere \u2014 relativ aber, dem Weh er\u2019sehen Gesetze gem\u00e4\u00df, die gleichen Schwellenwerthe aufweisen wird, wie hei einer kleineren. Dass letzteres bei Tyszko nicht zutrifft, da n\u00e4mlich hier hei einer gr\u00f6\u00dferen Normaldistanz die Curven sogar tiefer liegen, als hei Franz und Eber, hei denen die Normaldistanz um 1/i kleiner war, ist auf Rechnung des besseren Augenma\u00dfes jenes Beobachters und der kleineren Minimal\u00e4nderungen, die dort angewandt worden sind (vergl. unten 2, d), zu setzen. Die G\u00fcltigkeit des Weher\u2019sehen Gesetzes w\u00fcrde sich experimentell sicherlich auch hier ergeben, wenn die Versuche (mit den verschieden gro\u00dfen Normaldistanzen) mit einer und derselben Versuchsperson ausgef\u00fchrt w\u00fcrden \u2014 was mir jedoch nicht m\u00f6glich war \u2014 und wenn zu jeder der verschiedenen Normaldistanzen die zugeh\u00f6rigen Minimal\u00e4nderungen im selben Gr\u00f6\u00dfenverh\u00e4ltnisse st\u00fcnden.\n2. Zur Kritik und Erl\u00e4uterung der Versuchsergebnisse.\nEs haben bei den Untersuchungen mancherlei Umst\u00e4nde \u2014 zum Theil \u00e4u\u00dferer Natur \u2014 mitgespielt, deren Eingreifen in die Versuche den \u00e4u\u00dferen Ausdruck des Ged\u00e4chtnissverlaufes bis zu einem gewissen Grade verdunkelt hat, indem es die Ursache f\u00fcr die unten anzuf\u00fchrenden Abweichungen von der als normal angenommenen Verlaufsform bildet. Es handelt sich demnach hier durch Anf\u00fchrung und Auseinandersetzung dieser Nebenumst\u00e4nde, deren Einflussnahme auf die Versuchsergebnisse nicht zu vermeiden war, aus dem gegebenen Verlauf den thats\u00e4chlichen m\u00f6glichst zu recon-struiren.\nWenn wir die gegebenen Verl\u00e4ufe bei den verschiedenen Versuchspersonen, wie die der oberen und unteren Schwelle bei einem und demselben Beobachter mit einander und mit dem idealen vergleichen, so bemerken wir bei allgemeiner Einhaltung des logarith-mischen Ver\u00e4nderungsganges gewisse Verschiedenheiten und Abweichungen, welche scheinbar dem Gesetze nicht subsumirt werden","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. H47\nk\u00f6nnen. So liegen die mit unterbrochenen Linien gezeichneten Curven des unteren Verlaufes fast durchweg tiefer als die des oberen1) (dass das umgekehrte Verh\u00e4ltniss bei Seyfert- und Moebius stattfindet, werden wir in Abschnitt IV zu erkl\u00e4ren versuchen). Obwohl alle Verl\u00e4ufe auf dieselbe, oben auf gestellte Formel zur\u00fcckgef\u00fchrt werden k\u00f6nnen, so haben sie doch nicht alle dieselbe Constante k, so dass die Curven, obwohl ihnen der gleiche Ma\u00dfstab zu Grunde liegt \u2014 und bei Franz und Eber auch die Normaldistanz wie die Minimal\u00e4nderung von derselben Gr\u00f6\u00dfe waren \u2014 nicht die gleiche logarithmische Biegung aufweisen, indem diese bei den einen st\u00e4rker, bei den anderen schw\u00e4cher erscheint und so auf verschiedene H\u00f6he zu hegen kommt. Besonders abweichend zeigt sich in dieser Beziehung der Verlauf bei Tyszko, der bedeutend kleinere Schwellenwerthe hat als die anderen, namentlich der von Franz. Dasselbe Verh\u00e4ltniss ist auch bez\u00fcglich des Verlaufes der beiden Curvenpaare zu einander, welche die Ergebnisse aus den zwei Versuchsserien bei Tyszko repr\u00e4sentiren, zu ersehen (siehe unten Fig. 6). Ferner sind die unteren Curven bei Eber und Franz bei den kleineren Zwischenzeiten in ihrem Verlauf verschieden von den oberen und scheinen der Formel nicht zu entsprechen. Sie zeigen hier\n\u2014\tim Anfang \u2014 ein ganz eigent\u00fcmliches Bild, und erst sp\u00e4ter\n\u2014\tbei 20\" bei Franz und bei 25\" bei Eber \u2014 beginnt der normale Ver\u00e4nderungsgang. Ueberhaupt scheint dieser bei der unteren Schwelle viel unregelm\u00e4\u00dfiger und schwankender zu sein, als bei der oberen, wie nicht nur aus den hier behandelten, sondern auch aus den sp\u00e4ter zu besprechenden Versuchen hervorgeht. Eine gro\u00dfe Abweichung bemerkt man weiter an der oberen Curve bei den gro\u00dfen Zwischenzeiten bei Tyszko und bei den kleinen bei Franz, wo in beiden F\u00e4llen der Abscissenabstand erheblich gr\u00f6\u00dfer ist, als es nach der Eigent\u00fcmlichkeit des allgemeinen Verlaufes im Verh\u00e4ltniss zum anderen Theil der Curven zu erwarten w\u00e4re, so dass der betreffende Theil derselben, obwohl auch er dem charakteristischen Ver\u00e4nderungsverh\u00e4ltniss nicht widerspricht, doch nicht als logarithmische Fortsetzung des \u00fcbrigen erscheint.\n1) Die Verschiedenheit der Normaldistanz, wie bei Tyszko, ist, wie wir oben gesehen haben, von keinem Einfluss auf den Verlauf der Schwellenver\u00e4nde-rung gewesen.","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nDie anderen gr\u00f6\u00dferen und kleineren Schwankungen der Curven, die gewisserma\u00dfen im Rahmen des allgemeinen Verlaufes bleiben, sollen sp\u00e4ter besprochen werden.\nDie Factoren, welche die hier angef\u00fchrten Differenzen und Abweichungen der verschiedenen Curven von einander und von der normalen (idealen) bedingen, sind au\u00dfer der individuellen Verschiedenheit der Gfed\u00e4chtnisssch\u00e4rfe, welche wir annehmen m\u00fcssen, haupts\u00e4chlich die individuell verschiedene Augenma\u00dfsch\u00e4rfe, die Uebung und die verschiedene Gr\u00f6\u00dfe der Minimal\u00e4nderung1). Dazu kommt wahrscheinlich \u2014 was die Versuche nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle anbelangt \u2014 auch die Verschiedenheit der angewandten Methoden. Die vor\u00fcbergehenden Einfl\u00fcsse nebens\u00e4chlicher Umst\u00e4nde, wie der Erm\u00fcdung, der relativen Uebung und dergleichen, kommen gelegentlich noch zur Erw\u00e4hnung.\nVon diesen Factoren kommt der meiste Einfluss dem Augenma\u00df und der Uebung zu. Ihre Wirkungen in dem Verlauf der Curven sind aber schwer von einander zu scheiden, um so weniger, als das erstere selbst der Uebung unterworfen ist2).\na) Die Wirkung des Augenma\u00dfes. Je sch\u00e4rfer das Augenma\u00df ist, um so kleiner werden die Schwellenwerthe sein, und die Curven werden tiefer zu liegen kommen. Bei einer sehr gro\u00dfen Sch\u00e4rfe des Augenma\u00dfes wird daher die Schwelle einen ganz flachen Verlauf nehmen. Aber dieser wird, da ein ideales Ged\u00e4chtniss, wie wir sehen werden, weder vorhanden ist, noch zur Ausbildung kommt, seine charakteristische, logarithmische Form beibehalten. Aus der Wirkung des Augenma\u00dfes erkl\u00e4rt sich die tiefere Lage der Curven bei Eber, der ein sch\u00e4rferes Augenma\u00df hat, gegen\u00fcber derjenigen bei Franz, dem ein solches in hohem Grade fehlte.\nEbenfalls dem sch\u00e4rferen Augenma\u00df \u2014 und zwar ' mehr dem urspr\u00fcnglichen als dem w\u00e4hrend der Versuche erworbenen \u2014 ist es wohl haupts\u00e4chlich zuzuschreiben, dass die Schwellenwerthe bei Tyszko durchwegs kleiner sind, als bei den anderen Beobachtern, obwohl die bei ihm angewandte Normaldistanz gr\u00f6\u00dfer war (40 mm)\n1)\tVergleiche die betreffenden Paragraphen in Abschnitt IV.\n2)\tUeber die Arten, in welchen sich die Uebung kundgibt, das ist, \u00fcber ihre Wirkung auf das Ged\u00e4chtniss allein, ebenso wie auf das Augenma\u00df siehe Abschnitt IV \u00bbAugenma\u00df\u00ab und besonders \u00bbUebung\u00ab.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 349\nund daher, dem Web er\u2019sehen Gesetze gem\u00e4\u00df, die wahrnehmbaren Unterschiede gr\u00f6\u00dfer sein m\u00fcssten. Dazu kommt freilich auch die Wirkung der durch das sch\u00e4rfere Augenma\u00df dieses Beobachters geforderten kleineren Minimal\u00e4nderungen (vergl. unten).\nb) Die Wirkungen der Uebung. Wir m\u00fcssen annehmen, dass die Uebung sowohl das Augenma\u00df als auch das Ged\u00e4chtniss beeinflusst, und dass sie daher in doppelter Weise auf den Schwellenverlauf wirkt. Das Ma\u00df jeder dieser beiden Wirkungen getrennt zu bestimmen, gehen aber unsere Versuche keinen sicheren Anhaltspunkt (vergl. Abschnitt IV \u00bbUebung\u00ab). Wir m\u00fcssen daher den Einfluss der Uebung als Ganzes auf fassen, um untersuchen zu k\u00f6nnen, in welcher Weise er in den Verlauf eingreift.\nKommt das Augenma\u00df und das Ged\u00e4chtniss w\u00e4hrend der Versuche durch die Uebung zur sch\u00e4rferen Ausbildung \u2014 was wir eben nicht bezweifeln k\u00f6nnen \u2014 so h\u00e4ngt die Beurtheilung ihres Einflusses davon ah, ob wir den Gang der Uebung w\u00e4hrend der Versuche genau verfolgen k\u00f6nnen. Aus den Versuchsergebnissen l\u00e4sst sich dieser jedoch nicht erschlie\u00df\u00f6n, weil in ihnen die Wirkungen noch anderer Umst\u00e4nde zum Ausdruck kommen. Mit den betreffenden Personen besondere Versuche auch zu diesem Zwecke zu machen, h\u00e4tte uns nat\u00fcrlich keine Aufkl\u00e4rung \u00fcber die Sache geben k\u00f6nnen, weil ja die einen Versuche den anderen vorhergehen m\u00fcssten, so dass das Ma\u00df der stattgehabten Uebung in beiden F\u00e4llen nicht als dasselbe angenommen werden k\u00f6nnte. Ich habe mit einem anderen Beobachter \u2014 Moebius \u2014 Experimente blo\u00df behufs Ermittelung des Uebungseinflusses gemacht, welche ich sp\u00e4ter (Abschnit IV) beschreiben werde ; aus ihnen ergibt sich, wie ich vorgreifend anf\u00fchren will, dass die Uebung am zweiten oder am dritten Tage ihr Maximum erreicht und dann \u2014 sofern nicht die Versuche f\u00fcr l\u00e4ngere Zeiten ausgesetzt werden \u2014 mehr oder weniger constant bleibt. Diese Versuche berechtigen uns freilich nicht vollkommen, die aus ihnen gewonnene Erfahrung zu einer allgemeing\u00fcltigen Regel zu erweitern, da auch der Fortgang der Uebung und somit der f\u00fcr eine bestimmte Zwischenzeit erreichte Grad derselben als von individuell verschiedenen Dispositionen bedingt angesehen werden muss. Obzwar wir daher die Ergebnisse dieser Versuche nicht ohne weiteres auf alle Versuchspersonen anwenden k\u00f6nnen, so","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\ngeben sie uns doch einen allgemeinen Fingerzeig, in welcher Weise wrir die Wirkung der Uebung bez\u00fcglich der Zeit und des Grades verstehen k\u00f6nnen. An der Hand dessen h\u00e4ngt die Beurtheilung dieser Wirkung auf den Gang der Ged\u00e4chtnissschwelle von dem Umstande ab, mit welchen Zwischenzeiten die Versuche angefangen wurden: geschah dies mit den kleinsten, wie bei Eber und Franz, so wird das zur sch\u00e4rferen Ausbildung gekommene Augenma\u00df und Ged\u00e4chtniss den Schwellen bei den gr\u00f6\u00dferen \u2014 weil sp\u00e4teren \u2014 Zwischenzeiten zu gute kommen; ist das Umgekehrte der Fall, wie bei Tyszko (erste Serie, vergl. unten Fig. 6), so gewinnen die Schwellen der kleineren Zeitintervalle, so dass im ersteren Falle der Abscissenabstand bei den gr\u00f6\u00dferen Schwellen kleiner, bei den kleineren gr\u00f6\u00dfer sein wird, als bei einer gleichm\u00e4\u00dfig vorhandenen Uebung; im zweiten Falle wird das umgekehrte Verh\u00e4ltniss Platz greifen. Dies k\u00f6nnen wir auch an den betreffenden Curven (Taf. I) wahrnehmen: bei Franz liegt der Anfang des oberen Verlaufes bis zum Punkte bei 7,5\" h\u00f6her als die ideale Curve. Aehnlich verh\u00e4lt es sich bei Eber, wo jedoch dieses Verh\u00e4ltniss erst im Gegensatz zu den gr\u00f6\u00dften Zwischenzeiten deutlicher hervortritt. Auch scheint die h\u00f6here Lage, welche die unteren Curven dieser Beobachter bei den kleineren Zeitintervallen aufweisen, zum Theil von demselben Einfl\u00fcsse der noch fehlenden Uebung bedingt zu sein. Umgekehrt sind bei Tyszko, wo die Versuche (entgegen denjenigen bei Franz und Eber, welche von den kleinsten Zwischenzeiten ausgingen), mit den gr\u00f6\u00dften Intervallen angefangen wurden, die Schwellenwerthe des oberen Verlaufes (vergl. die Curven der I. Serie \u2014 Fig. 6 \u2014 wo auch die untere dasselbe Verhalten zeigt) bei 60\", 50\" und 40\" bedeutend gr\u00f6\u00dfer, als es das normale Verh\u00e4ltniss erfordert.\nc) Die Abh\u00e4ngigkeit des Schwellenverlaufes vom idealen und absoluten Ged\u00e4chtnisse. Wenn wir das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr einen ebenmerklichen Unterschied bei jeder beliebigen Zwischenzeit als ein ideales bezeichnen, so k\u00f6nnen wir die F\u00e4higkeit, Distanzunterschiede, welche eine gewisse Gr\u00f6\u00dfe \u00fcberschreiten, nach beliebiger Zeit zu erkennen, das absolute nennen (vergl. die betreffenden Paragraphen in Abschnitt IV). W\u00e4hrend das Vorhandensein des letzteren uns durch die Erfahrung gelehrt wird, erscheint die Annahme des ersteren durch unsere Versuche (siehe Abschnitt IV) ausgeschlossen.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen fiber das Ged\u00e4ehtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 351\nJe gr\u00f6\u00dfer die Distanzunterschiede bei einem constanten Zeitintervall werden, um so besser ist das Ged\u00e4ehtniss f\u00fcr sie: sie werden also immer \u00f6fter und \u00f6fter erkannt werden, bis eine Differenz erreicht wird, welche (so wie alle gr\u00f6\u00dferen) jedesmal wahrgenommen wird (im Sinne der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle gesprochen, werden die richtigen Urtheile immer mehr an Zahl zunehmen, bis sie schlie\u00dflich die Oberhand gewinnen, und dann f\u00fcr immer die alleinige Herrschaft behalten). Mit der Ver\u00e4nderung des Zeitintervalles werden sich, da die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe mit der Zeit abnimmt, auch die Unterschiede ver\u00e4ndern m\u00fcssen, und jene wird hei einem bestimmten Zeitintervall um so gr\u00f6\u00dfer sein, je kleiner die Unterschiede sein k\u00f6nnen, um jedesmal erkannt zu werden, und umgekehrt. Die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe f\u00fcr Unterschiede, die eine gewisse Gr\u00f6\u00dfe \u00fcberschreiten, wird jedoch dem Einfl\u00fcsse der Zeit nicht unterworfen sein: diese werden nach jedem Zeitintervall, mag es noch so gro\u00df werden, mit absoluter Sicherheit erkannt werden; solche \u2014 \u00fcbergro\u00dfe \u2014 Unterschiede fallen in das absolute Ged\u00e4ehtniss, und diese Zwischenzeiten, nach welchen die kleineren Differenzen nicht mehr wahrgenommen werden, wollen wir \u00fcbergro\u00dfe nennen.\nDie Ged\u00e4chtnissschwelle verl\u00e4uft hiernach zwischen dem idealen und dem absoluten Ged\u00e4chtnisse und geht allm\u00e4hlich in das letztere \u00fcber. Dies geschieht aber, wie unsere Untersuchungen dargethan haben, nicht pl\u00f6tzlich (und es scheint, als ob die Form dieses Verlaufes gewisserma\u00dfen durch das absolute Ged\u00e4ehtniss bedingt werde \u2014 vergl. Abschnitt IV \u2014). Dieser Uebergang wird nun um so fr\u00fcher geschehen, das hei\u00dft, die Schwelle wird um so kleinere Werthe bei den gr\u00f6\u00dften Zwischenzeiten aufweisen (und die Curve um so flacher sein), je geringer der erste der in das absolute Ged\u00e4ehtniss fallenden Unterschiede ist. Letzteres wird aber der Fall sein, je gr\u00f6\u00dfer die individuelle Ged\u00e4ehtniss- und Augenma\u00dfsch\u00e4rfe, sowie die Uebung ist.\nd) Die Beeinflussung des Verlaufes durch die Gr\u00f6\u00dfe der Minimal\u00e4nderung. Einige Beschaffenheiten des Verlaufes der Schwellen, und zwar die H\u00f6he seiner Lage und die kleineren Schwankungen, sind ohne Zweifel zum Theil der Wirkung zuzuschreiben, welche die Gr\u00f6\u00dfe der nicht im richtigen Verh\u00e4ltnisse zum betreffenden Augenma\u00df gew\u00e4hlten Minimal\u00e4nderungen auf die \u00e4u\u00dferen Zahlen-werthe ausge\u00fcbt hat. Dieser Einfluss ist nat\u00fcrlich, im Gegensatz zu\nWundt, Philos. Studien. XV.\t24","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\ndemjenigen des Augenma\u00dfes, der Uebung und vor allem des Ged\u00e4chtnisses selbst, nur ein \u00e4u\u00dferlicher und betrifft daher nur den \u25a0\u00e4u\u00dferen Ausdruck des Verlaufes. Es ist nat\u00fcrlich im voraus nicht leicht zu bestimmen gewesen, welche Gr\u00f6\u00dfe der Minimal\u00e4nderungen bei jedem Beobachter in Anbetracht des individuellen Augenma\u00dfes anzuwenden war, um so weniger als letzteres durch die Uebung in seiner Sch\u00e4rfe ver\u00e4ndert wird ; ich war daher, obwohl ich vor Anfang der eigentlichen Versuche bei jedem Beobachter die Augenma\u00dfsch\u00e4rfe und damit die Gr\u00f6\u00dfe der anzuwendenden Minimal\u00e4nderungen in mehreren Versuchen festgestellt hatte, gen\u00f6thigt, bei denjenigen, bei denen es sich herausstellte, dass sie zu gro\u00df waren, die schon angefangenen Experimente aufzugeben und die Untersuchung von neuem, mit kleineren Minimalunterschieden, zu beginnen: so bei Tyszko und Jasper.\nIst die Minimal\u00e4nderung zu gro\u00df, so wird es oft \u2014 namentlich bei einem scharfen Augenma\u00df \u2014- Vorkommen, dass die wahrnehmbaren Unterschiede (und zwar nicht nur zwischen der Normal--d. i.\nder Gleichheits---und der durch die erste Minimal\u00e4nderung ver-\n\u00e4nderten Vergleichsdistanz, sondern auch zwischen zwei gr\u00f6\u00dferen nachfolgenden Vergleichsdistanzen \u2014 also \u00fcberhaupt zwischen einer noch nicht wahrnehmbaren und einer wahrnehmbaren Differenz \u2014) kleiner sind als die Minimal\u00e4nderung selbst. In diesem Falle wird die Versuchsperson, da ja objectiv dem Auge keine continuirliehen Ver\u00e4nderungen der Vergleichsdistanz geboten werden, denjenigen Unterschied als solchen angeben, der durch die Minimal\u00e4nderung objectiv gebildet wird, innerhalb deren der an sich wahrnehmbare liegt. In Folge dessen wird aber der erstere \u2014 und somit der Schwellenwerth \u2014 gr\u00f6\u00dfer werden, als der letztere, und als es der Fall w\u00e4re, wenn die Vergleichsdistanz continuirlich ver\u00e4ndert w\u00fcrde. Eine kleinere Minimal\u00e4nderung wird also die Wahrheit besser aus-dr\u00fccken. Daraus erkl\u00e4rt sich zum Theil der Umstand, dass bei Tyszko, wo die Minimal\u00e4nderungen 0,25 mm gro\u00df waren, der Verlauf tiefer liegt, als bei Franz und Eber, bei denen sie 0,5 mm betrugen. Ferner scheint auch die h\u00f6here Lage des ersten Theiles der Curven bei dem letzteren Beobachter (und vielleicht auch ihr Anfang bei Franz) neben anderen (siehe oben Wirkungen der Uebung) auf dieselbe Ursache zur\u00fcckzuf\u00fchren zu sein. F\u00fcr den weiteren Ver-","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4ehtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 353\nlauf dieser Curven gilt dies weniger, weil bei der geringeren Ged\u00e4cht-nisssch\u00e4rfe, die hier wegen der gr\u00f6\u00dferen Zwischenzeiten obwaltet, der angewandte Minimalunterschied (0,5 mm) dem Augenma\u00df dieser Beobachter besser entspricht.\nFerner, Schwellen verschiedener, namentlich benachbarter Zeitintervalle (und auch solche bei den verschiedenen Zwischeneindr\u00fccken bei den Versuchen mit ausgef\u00fcllter Zwischenzeit \u2014 siehe unten), obgleich sie zwar in Wirklichkeit verschieden sein m\u00f6gen und bei einer continuirlichen Ver\u00e4nderung der Vergleichsdistanz auch als solche zum Ausdruck kommen w\u00fcrden, deren Unterschied aber kleiner ist als eine einzige Minimal\u00e4nderung, werden, wenn sie innerhalb einer solchen fallen, aus dem obigen Grunde \u00e4u\u00dferlich den gleichen Werth aufweisen: und zwar denjenigen, den diese Minimal\u00e4nderung\u2014innerhalb deren diese Schwellen liegen \u2014 durch Hinzutreten zu der (bei den betreffenden Zwischenzeiten) schon erreichten Unterschiedsgr\u00f6\u00dfe bildet. Die Verschiedenheit solcher Schwellen wird \u00e4u\u00dferlich nur dadurch zum Ausdruck kommen, dass oft auch der durch die vorhergehende Minimal\u00e4nderung gebildete Unterschied wird wahrgenommen werden, und zwar bei der kleineren Schwelle \u00f6fter als bei der gr\u00f6\u00dferen; dadurch wird das den \u00e4u\u00dferen Schwellenwerth darstellende arithmetische Mittel, je nachdem mehr oder weniger solcher Urtheile in dasselbe eingehen, verschieden, das hei\u00dft im ersteren Falle kleiner, im zweiten gr\u00f6\u00dfer ausfallen. Dies ist jedoch sicherlich oft verschiedenen Nebenbedingungen und auch dem Zufall anheimgegeben. Aus diesen Umst\u00e4nden lassen sich theilweise (vergl. unten \u00bbdie Schwankungen der Ged\u00e4chtnisscurven\u00ab) die kleineren Curven-schwankungen erkl\u00e4ren.\nDie Schwellen des unteren Verlaufes (d. i. bei der Verkleinerung der Vergleichsdistanz) liegen fast immer, bei allen Beobachtern, tiefer als die des oberen (einige Ausnahmen davon werden sp\u00e4ter \u2014 Abschnitt IV \u00bbUebersch\u00e4tzung der Vergleichsdistanz\u00ab \u2014 besprochen werden). F\u00fcr diese Erscheinung k\u00f6nnen wir keine gen\u00fcgende Erkl\u00e4rung geben. Es scheint, dass im allgemeinen die Wahrnehmung von Unterschieden bei der Verkleinerung (\u00fcberhaupt zwischen kleineren Strecken) eine bessere ist als bei der Vergr\u00f6\u00dferung, wie auch \u25a0aus anderen Untersuchungen, auch auf anderen Gebieten zu ent-\n24*","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\nZ, Radoslawow-Hadji-Denkow.\nnehmen ist1). Es ist aber m\u00f6glich, dass auch das Verh\u00e4ltniss der Minimal\u00e4nderung zur Normaldistanz das seinige dazu beitr\u00e4gt: Ist doch, da jene hei der Ver\u00e4nderung des Vergleichseindruckes nach beiden Eichtungen hin von derselben Gr\u00f6\u00dfe war, der Unterschied zwischen der Normaldistanz und der durch eine Minimal\u00e4nderung verkleinerten Vergleichsdistanz relativ gr\u00f6\u00dfer und folglich wahrnehmbarer, als der zwischen der Normaldistanz und der um denselben Werth vergr\u00f6\u00dferten Vergleichsdistanz.\nDie Verschiedenheit der angewandten Methoden scheint gleichfalls gewisse Differenzen zwischen den Ourven der einzelnen Beobachter zu bedingen; aber, da die gegebenen Werthe auf eine gemeinsame Ma\u00dfeinheit nicht reducirt werden k\u00f6nnen, so l\u00e4sst sich dar\u00fcber aus unseren Versuchen \u2014 obwohl es aus methodologischen Gr\u00fcnden interessant w\u00e4re, auch darauf vergleichend Bezug zu nehmen \u2014 nichts sicheres schlie\u00dfen.\ne) Die Schwankungen der Ged\u00e4chtnisscurven. Die Ge-d\u00e4chtnissverl\u00e4ufe weisen, bei allgemeiner Einhaltung des gesetzm\u00e4\u00dfigen Ver\u00e4nderungsganges ihrer Schwellenwerthe, gewisse Schwankungen auf, welche wir nun n\u00e4her besprechen wollen. Wie sind diese Schwankungen zu erkl\u00e4ren? Um dies beantworten zu k\u00f6nnen, m\u00fcssen wir zun\u00e4chst feststellen, oh ihr Verlauf eine Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit zeigt, oder oh er den Charakter der Zuf\u00e4lligkeit an sich tr\u00e4gt. Letzteres bedeutet, dass er von solchen Bewusstseinszust\u00e4nden bedingt wird, die an sich keinen den betreffenden Schwankungen entsprechenden Verlauf haben, sondern, vom Zeitintervall unabh\u00e4ngig, zu jeder Zeit auf-treten k\u00f6nnen. In diesem Fall m\u00fcssen die Schwankungen der Curven unregelm\u00e4\u00dfig sein, und zwar in Ansehung jedes einzelnen Beobachters, wie aller untereinander. Eine Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit werden wir jedoch annehmen m\u00fcssen, wenn die Schwankungen eine Eegelm\u00e4\u00dfigkeit im einzelnen Verlauf, sowie bei allen Beobachtern \u2014 freilich mit ge-\nll Julius Merkel, Die Methode der mittleren Fehler experimentell begr\u00fcndet durch Versuche auf dem Gebiete des Kaumma\u00dfes, Philos. Studien Bd. IX 1893, S. 409, erhielt bei Einstellungsversuchen immer einen negativen Fehler; jedoch war dieser, entgegen unseren Versuchsergebnissen, wenn die Einstellung von einer gr\u00f6\u00dferen Distanz ausging, gr\u00f6\u00dfer, als wenn dies von einer kleineren geschah. \u2014 Auch bei Zeitstrecken sollen die Schwellen bei der Verkleinerung kleiner sein.","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4ehtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 355\nwissen Modificationen, doch unverkennbar \u2014 eine Aehnlichkeit in den Verlaufspliasen zeigen. Die Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit m\u00fcsste dann entweder in dem Ged\u00e4chtnissvorgang selbst, oder in anderen, heterogenen, denselben begleitenden Nebenprocessen begr\u00fcndet sein. Nach ihren \u00e4u\u00dferen Unterschieden wollen wir nun zun\u00e4chst die Schwankungen des Schwellenverlaufes in die kleineren und in die gr\u00f6\u00dferen ein-theilen.\net) Die kleineren Schwankungen. Unter den Bewusstseinszust\u00e4nden, welchen eine Wirksamkeit hei diesen Erscheinungen zugeschrieben werden k\u00f6nnte, kommt vor allem die Aufmerksamkeit in Betracht, deren Verlauf nach den bisherigen Untersuchungen1) Schwankungen von einer gewissen Periodicit\u00e4t aufweist. Die anderen das Ged\u00e4ehtniss, wie die Aufmerksamkeit selbst beeinflussenden Nebenvorg\u00e4nge \u2014 wie Erm\u00fcdung, relative Uebung und dgl. \u2014 m\u00fcssen wir, da sie zum Theil noch wenig untersucht sind, zu den zuf\u00e4lligen, d. h. unregelm\u00e4\u00dfig zur Wirkung kommenden Einfl\u00fcssen rechnen und sie als gleichm\u00e4\u00dfig vertheilt betrachten; auch sind sie leichter zu controlliren und zu eliminiren gewesen.\nVor allem m\u00fcssen wir nun betonen, dass es sich hier nur um die Aufmerksamkeit bei dem Merken und Beurtheilen (Reproduciren) der Versuchseindr\u00fccke, nicht aber w\u00e4hrend der Zwischenzeit handeln kann, da eine Richtung derselben auf das Erinnerungsbild des Normaleindruckes w\u00e4hrend der Zwischenzeit \u2014 sei es bei offenen (Fixation eines anderen Objectes) oder geschlossenen Augen \u2014 schon aus dem Grunde schwer, ja sogar unm\u00f6glich war, weil die Vorstellung der Distanz nach auf geh\u00f6rter sinnlicher Wahrnehmung selten und nur undeutlich vorhanden war (vergl. Abschnitt V). \u2014 Es ist nun aber die Frage, ob die Wirkungen der Aufmerksamkeit durch ihren periodisch schwankenden Verlauf die Schwankungen der Ged\u00e4cht-nisscurve in einem fest bestimmten Sinne, d. i. im Sinne ihres in den Versuchsergebnissen thats\u00e4chlich gegebenen Verlaufes, verursachen, oder aber ob sie nur insofern den Verlauf der Schwelle modificirend beeinflussen, als sie zuf\u00e4llig bei diesem oder jenem Zeitintervall \u00f6fter zur Wirkung gekommen sind.\n1) Vergl. Wundt, Physiologische Psychologie4 Bd. II S. 295 ff.","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkovv.\nSind die Intermissionen der Aufmerksamkeit an bestimmte Zeitintervalle gebunden, und fallen diese mit den von uns verwendeten Zwischenzeiten \u2014 um welche es sich ja hier handelt \u2014 zusammen, so k\u00f6nnten wir annehmen, dass die Schwankungen der Ged\u00e4chtniss-curven von solchen bestimmten, festen Phasen der Schwankungen der Aufmerksamkeit bedingt sind. Jene Voraussetzung ist aber \u2014 wenigstens nach den bisherigen Untersuchungen \u2014 nicht anzunehmen. Die Dauer der Perioden der Aufmerksamkeitsschwankungen ist individuell verschieden und h\u00e4ngt vielfach von anderen Umst\u00e4nden ab, so dass sie, wie der Wechsel ihrer Phasen auch hei demselben Individuum, kein regelm\u00e4\u00dfiger ist. Ferner entsprechen die f\u00fcr die Dauer der Schwankungsperioden der Aufmerksamkeit gefundenen Zahlen \u2014 abgesehen davon, dass sie nicht hei allen Beobachtern dieselben sind, sowie von der, wie es scheint, wahrscheinlichen Unregelm\u00e4\u00dfigkeit der Perioden selbst \u2014 den in unseren Curven zu Tage tretenden Schwankungen in Bezug auf die Zeit keineswegs, und bei den kleineren um so weniger, als sie bei den verschiedenen Versuchspersonen durchaus nicht zusammenfallen1). Sollte \u00fcberhaupt diese Abh\u00e4ngigkeit der Ged\u00e4chtniss- von den Aufmerksamkeitsschwankungen verst\u00e4ndlich sein, so m\u00fcsste man entweder annehmen, dass Apperception und Reproduction des Eindruckes in eine und dieselbe Phase der Aufmerksamkeitsschwankungen fallen, die Dauer der letzteren aber derjenigen der betreffenden Zwischenzeit vollkommen entspricht, zum mindesten nicht kleiner ist als diese; oder wir k\u00f6nnten uns denken, dass die Auffassung des Eindruckes, etwa in Folge einer Aufforderung von Seiten des Experimentators oder sonstiger subjectiver Ursachen, immer im Stadium des Steigens der Aufmerksamkeit geschieht \u2014 was keineswegs der Fall zu sein braucht \u2014 und dass dann, je nachdem die Reproduction desselben in die Phase des Sinkens oder des Steigens f\u00e4llt, das Urtheil sich in einem geringeren oder h\u00f6heren Grade der Wahrheit n\u00e4hern wird. Ist dann die Dauer der betreffenden Zwischen-\n1) Auch bei den zwei Curven (obere und untere) der zweiten Serie bei Tyszko (vergl. unten Fig. 6), wo doch die Versuche f\u00fcr beide Schwellen immer parallel gingen, d. h. so, dass an einem und demselben Versuchstage jedesmal die gleiche Anzahl Einzelbestimmungen f\u00fcr beide Schwellen gemacht wurde, ist dies nur bis zu einem gewissen G-rade der Fall.","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 357\nzeit nicht gr\u00f6\u00dfer als diejenige des Stadiums des Steigens der Aufmerksamkeit, so wird auch die Reproduction in dieses fallen und von ihm beg\u00fcnstigt werden; ist das Umgekehrte der Fall, so erfolgt diese in der Phase des Sinkens, und das Urtheil wird dem ohjectiven That-bestand weniger entsprechen. Ist uns dann die Dauer der Aufmerksamkeitsschwankungen, wenigstens f\u00fcr das betreffende Individuum, im voraus bekannt, und weisen diese eine regelm\u00e4\u00dfige Periodicit\u00e4t auf, so w\u00e4ren wir im Stande, die Schwankungen der beiden Bewusstseinsfunctionen bez\u00fcglich ihrer Dauer mit einander messend zu vergleichen und in causalen Zusammenhang zu bringen. Nun karfn es aber Vorkommen, dass die Reproduction des Eindruckes in derjenigen Phase stattfindet, welche der hei der Auffassung (Merken) desselben herrschenden entgegengesetzt ist; oder aber es kann Vorkommen, dass in der Zwischenzeit ein zweimaliger Phasenwechsel stattfindet \u2014 was namentlich hei den gro\u00dfen Zwischenzeiten m\u00f6glich ist \u2014 so dass, wenn das Merken des Eindruckes in das Stadium des Steigens der Aufmerksamkeit f\u00e4llt, letztere bis zur Reproduction ein Stadium des Sinkens durchgemacht hat und sich hei dieser wieder in einem solchen des Steigens befindet; das hei\u00dft also, dass Merken und Reproduction sich zwar in gleichen, aber nicht denselben Phasen der Aufmerksamkeitsschwankungen abspielen. Denn wir haben es hier nicht mit der Auffassung eines continuirlichen Reizes, wie es bei den Versuchen \u00fcber die Schwankungen der Aufmerksamkeit der Fall ist, zu thun und sind in Folge dessen nicht im Stande, den in der Zwischenzeit eventuell erfolgenden Phasenwechsel zu controliren ; so dass, auch wenn jene in den bisherigen Untersuchungen gefundenen Werthe f\u00fcr die Dauer der Aufmerksamkeitsschwankungen eine Allgemeing\u00fcltigkeit h\u00e4tten, was nicht der Fall zu sein scheint, oder wenn wir diese Dauer hei jeder unserer Versuchspersonen durch besondere Versuche im voraus eindeutig feststellen k\u00f6nnten; und wenn ferner jene Schwankungen in der Dauer ihrer Perioden keine so gro\u00dfen Differenzen zeigten, sondern gleichm\u00e4\u00dfig sich folgten \u2014 uns kein Mittel an die Hand gegeben w\u00e4re, die Abweichungen vom gesetzm\u00e4\u00dfigen Verlauf der Ged\u00e4chtnissschwelle mit den Schwankungen der Aufmerksamkeit in eine feste und genaue Beziehung zu bringen, um so weniger als im gegebenen Verlauf eine auf Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit hinweisende Regelm\u00e4\u00dfigkeit der Abweichungen schon deshalb nicht zu erwarten ist,","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nweil, wie bekannt, nicht Schwellenbestimmungen f\u00fcr alle Zwischenzeiten zwischen 1 Secunde und 60 Secunden vorhegen. \u2014 Ebenso wie beide Acte \u2014 die Auffassung der Normaldistanz (Merken) und diejenige der Vergleichsdistanz (Eeproduction) \u2014 oder nur der eine von ihnen im Stadium des Steigens der Aufmerksamkeit fallen k\u00f6nnen, ist es aber m\u00f6glich, dass beide Acte in demjenigen des Sinkens derselben stattfinden; dort \u2014 und zwar im ersten Falle mehr als im zweiten \u2014 wird die Sicherheit des Urtheiles erh\u00f6ht und dadurch der Schwellenwerth kleiner, hier dagegen wird sie beeintr\u00e4chtigt werden, was ein Steigen der Schwelle zur Folge haben wird.\nWenn wir nun dennoch die kleinen Schwankungen der Ged\u00e4cht-nisscurven mit denjenigen der Aufmerksamkeit in Zusammenhang bringen, so geschieht es in dem Sinne, dass die durch die Aufmerksamkeit, bei ihrem schwankenden Verlauf, beg\u00fcnstigten Urtheile bei der einen Schwelle zuf\u00e4llig eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl erreichten, als bei der anderen. Wir m\u00fcssen darnach annehmen, dass bei einer gr\u00f6\u00dferen Anzahl von Versuchen diese kleinen Schwankungen sich ausgleiclien w\u00fcrden.\n\u00df) Die gr\u00f6\u00dferen Schwankungen. Ganz anders verh\u00e4lt es sich bez\u00fcglich des letzteren Punktes mit den gr\u00f6\u00dferen Schwankungen des Verlaufes. Diese sind diejenige bei 10\" (bei mir liegt sie bei 7,5\", und im unteren Verlauf bei Eber h\u00e4lt sie von 10\" bis 12,5\" an) und namentlich die gr\u00f6\u00dfere bei 30\" (in einigen Ourven \u00bb\u2014 untere Franz \u2014 bei 20\" oder \u2014 untere Eber \u2014 bei 25\") Zwischenzeit.\nDiese Schwankungen m\u00fcssen, da sie, wie aus den Versuchen mit Sicherheit hervorgeht, -\u00fcberall, bei allen Beobachtern und Ourven, anzutreffen sind, als keine zuf\u00e4lligen, sondern auf Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit beruhende angesehen werden. Namentlich ist die gr\u00f6\u00dfere von ihnen eine durchgreifende: sie kommt n\u00e4mlich nicht nur in allen Ged\u00e4chtnisscurven des oberen wie des unteren Verlaufes und auch bei den zwei Serien von Tyszko vor, sondern ist auch aus den Ergebnissen anderer, nach anderen Methoden angestellter Untersuchungen \u2014- so bei Wolfe1) und bei Levy2) \u2014 zu ersehen.\n1) a. a. O. S. 555 ff.\n2) a. a. 0. S. 245.","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 359\nH\u00f6chst interessant ist es, dass sie auch in dem Verlauf der Merk-und Reproductionszeiten (vergl. Tafel II) unzweideutig zu Tage tritt, wobei es beachtenswert ist, dass diese letzteren Verl\u00e4ufe, was diese Schwankung anbelangt, sich eng an die zugeh\u00f6rigen Schwellehverl\u00e4ufe anschmiegen: w\u00e4hrend n\u00e4mlich bei Tyszko die gro\u00dfe Schwankung in beiden Curven (der oberen und der unteren) der Merk- wie der Reproductionszeiten, gerade wie hei denjenigen des Schwellen verlauf es, hei 30\" liegt, erscheint sie bei Franz, dem Verh\u00e4ltnis der Ged\u00e4chtnisscurven folgend, bei der unteren Curve der Merkzeiten fr\u00fcher als bei der oberen.\nDiese Schwankungen k\u00f6nnen daher jedenfalls nicht aus der zuf\u00e4lligen Wirkung der Aufmerksamkeit (wie die kleineren) oder aus sonstigen Nebenbedingungen erkl\u00e4rt werden. Wie sie aber zu deuten sind, ist aus unseren Versuchen nicht zu ermitteln. Fine periodische Erm\u00fcdung oder etwa eine ver\u00e4nderte Athmungsfrequenz w\u00e4ren h\u00f6chst unsichere Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde. Man k\u00f6nnte hier eher an einen festen und eindeutigen Zusammenhang mit den Aufmerk-samkeitsschwankungen denken, aber einen solchen k\u00f6nnen wir aus den oben auseinandergesetzten Gr\u00fcnden nicht sicher nachweisen.\nDoch k\u00f6nnen vir ja auch \u2014 und sicherlich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit \u2014 annehmen, dass es sich hier um eine bestimmte Eigenschaft der Ged\u00e4chtnissf unction selbst handelt, welche durch diese gr\u00f6\u00dferen Schwankungen des Verlaufes zum Ausdruck gebracht wird. Das Wesen dieser Eigenth\u00fcmlichkeit zu ermitteln, haben wir keinen Anhaltspunkt. Es ist jedoch nicht undenkbar, dass eine periodische Versch\u00e4rfung und Erlahmung der Ged\u00e4chtnissfunctionen stattfinden kann (vergl. Abschnitt V, 1 ).\ny) Die gro\u00dfe Abweichung bei einer Secunde Zwischenzeit. Was die gro\u00dfe Abweichung bei einer Secunde Zwischenzeit anbelangt, so f\u00e4llt sie, wie ich glaube, nicht unter diese Betrachtungen. Sie kommt bei allen Versuchen dieser Art \u2014 so auch bei Wolfe1) und Levy2) \u2014 vor. Bei uns erscheint sie ebenfalls bei allen Versuchspersonen \u2014 (bei Franz, bei Tyszko und bei mir) \u2014 und Curven. Mit Eber wurde .eine Schwellenbestimmung f\u00fcr diese Zwischenzeit nicht vorgenommen. \u2014 Die Erkl\u00e4rung dieser Abwei-\n1) a. a. O. S. 553.\t2) a. a. 0. S. 244.","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nchung ist sicherlich nicht direct mit den Schwankungen der Aufmerksamkeit in Beziehung zu bringen. Dass sie nicht auf Zuf\u00e4lligkeit beruht, geht aus den in Tabelle VI angef\u00fchrten Versuchen hervor.\nTabelle VT.\nTyszko.\nNormaldistanz 40 mm. Minimal\u00e4nderung 0,25 mm.\nVersuchszahl je 5 f\u00fcr jede Bestimmung.\n\tZwischenzeit\t1\"\t2,5\"\t1\"\t2,5\"\n0. S.\tA. M. in mm\t0,50\t0,25\t0,60\t0,30\n\tMax.\t0,75\t0,25\t0,75\t0,50\n\tMin.\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\n\tM. V. in mm\t0,20\t0,00\t0,28\t0,08\nu. S.\tA. M. in mm\t0,40\t0,30\t0,50\t0,30\n\tMax.\t0,50\t0,50\t0,75\t0,50\n\tMin.\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\n\tM. V. in mm\t0,12\t0,08\t0,10\t0,08\nIch habe n\u00e4mlich mit Tyszko an einem und demselben Versuchstage Schwellenbestimmungen bei 1 Secunde und bei 2,5 Secunden nacheinander und zwar in zwei Folgen aus je 5 Versuchen (zusammen also je 10 Versuchen) f\u00fcr jede Schwelle beider Verl\u00e4ufe und Zwischenzeiten gemacht und gefunden, dass das Verh\u00e4ltniss zwischen beiden im allgemeinen ein constantes blieb.\nDiese Abweichung, welche in entgegengesetzter Richtung zu derjenigen hei 30\" und den anderen \u00e4hnlichen stattfindet, kann, wie bemerkt, nicht aus den Schwankungen der Aufmerksamkeit, in welchem Sinne immer es sei, abgeleitet werden. Es handelt sich hier vielmehr sicherlich um andere Nebenumst\u00e4nde, welche von starken namentlich Unlustgef\u00fchlen begleitet werden und vor allem in einer deutlich zu beobachtenden Unruhe sich \u00e4u\u00dferlich kundgeben. Wegen der schnellen Aufeinanderfolge von Normal- und Vergleichsdistanz und der Vorg\u00e4nge des Merkens und Beurtheilens war es n\u00e4mlich den Versuchspersonen gewisserma\u00dfen nicht m\u00f6glich zu sich zu kommen,","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 361\nwodurch das Bewusstsein in eine Erregung versetzt wurde, welche durch die an diese Vorg\u00e4nge gekn\u00fcpften Gef\u00fchle der Erwartung und Erf\u00fcllung noch gesteigert wurde. Es ist leicht begreiflich, dass durch diesen peinlichen Wechsel der Bewusstseinszust\u00e4nde die Perception wie die Reproduction alterirt und die Urtheile unsicher und schwankend werden m\u00fcssen, welch\u2019 letzteres auch in dem verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig gr\u00f6\u00dferen Werth der betreffenden mittleren Variation (wenigstens hei Tyszko, wo letztere \u00fcberhaupt dem Schwellenverlauf genauer folgt) zum Ausdruck kommt. Tyszko gab auch wiederholt an, dass, w\u00e4hrend ihm die Versuche bei 1\" au\u00dferordentlich peinlich seien, die Zwischenzeit von 2,5\" ihm am bequemsten erscheine. Das Merken scheint jedoch unter diesen Umst\u00e4nden weniger zu leiden, als die Reproduction: dies gibt sich in den betreffenden Merkzeiten zu erkennen, welche jene merkw\u00fcrdige Schwankung nicht aufweisen, sondern, dem allgemeinen Verlauf entsprechend, bei Franz wie bei Tyszko kleiner sind, als bei der benachbarten Zwischenzeit von 2,5\" vergl. die betreffenden Tabellen und Curven \u2014 Tafel II). Auch die Merkzeiten bei den vorhin mitgetheilten Versuchen zeigen dasselbe Verh\u00e4ltniss. Die mittlere Variation der Merkzeiten entspricht ebenfalls ihrem Ver\u00e4nderungsgang, indem auch sie bei dem kleineren Zeitintervall kleiner ist, als bei dem gr\u00f6\u00dferen. Dies zeigt, dass das Merken des Eindruckes durch jene Einfl\u00fcsse der Aufregung und Unruhe nicht so sehr gest\u00f6rt worden ist, und dass der exorbitante Schwellenwerth hei 1 Secunde nicht etwa einer ungen\u00fcgenden Auffassung des Eindruckes zuzuschreiben ist. Wurde doch die Dauer der Merk- wie der Reproductionszeit, wie wir sp\u00e4ter sehen werden, nicht beschr\u00e4nkt, sondern dem Beobachter freigestellt, so dass er sie nach Belieben verl\u00e4ngern konnte, wenn er glaubte den Eindruck sich nicht gen\u00fcgend eingepr\u00e4gt zu haben. Auch von einer verminderten Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe hei dieser Zwischenzeit kann nicht die Rede sein ; sie lie\u00dfe sich auch auf keine Weise begreifen. Dass die mittlere Variation hier gr\u00f6\u00dfer ist, als bei dem benachbarten Zeitintervall, spricht unter den hier obwaltenden Umst\u00e4nden gewiss nicht daf\u00fcr: kann doch diese Thatsache unter Umst\u00e4nden auch die Bedeutung haben, dass der Schwellenwerth oft sehr klein, also die Unterscheidungsf\u00e4higkeit an sich nicht vermindert gewesen ist.\nWir m\u00fcssen demnach aus allen diesen Umst\u00e4nden schlie\u00dfen,","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\ndass es sich hier um die Wirkung heterogener, gewisserma\u00dfen \u00e4u\u00dferer Nebenumst\u00e4nde halidelt, deren Entstehen auf Rechnung der zu kurz bemessenen Zwischenzeit zu setzen ist. Unter diesen Nebenbedingungen ist aber weniger direct an einen Mangel der Aufmerksamkeit, als vielmehr an die oben angef\u00fchrte Aufregung zu denken, als deren Folge neben anderen auch eine \u00f6ftere Verwechselung zwischen Normal- und Vergleichsdistanz stattgefunden haben mag.\nEine Best\u00e4tigung dieser Erkl\u00e4rung bietet auch der Umstand, dass bei mir die in Rede stehende Abweichung bedeutend geringer ist, als bei den anderen zwei Beobachtern. Da ich Experimentator und Reagent zugleich war, so lie\u00df das Bewusstsein, die Versuche zu jeder Zeit unterbrechen zu k\u00f6nnen, jene st\u00f6renden Nebenzust\u00e4nde nicht in so hohem Grade entstehen, als bei den anderen Versuchspersonen, welche unter einem von ihnen nicht zu brechenden \u00e4u\u00dferen Zwange standen und das Bewusstsein der strikten Abh\u00e4ngigkeit von den Versuchsbedingungen hatten. Bei Wolfe kommt diese Schwankung in den Versuchen, bei welchen er selbst Beobachter war, ebenfalls nicht vor. Er sucht dies dadurch zu erkl\u00e4ren, dass er, da er selbst den Tonapparat in Bewegung setzte und somit den Zeitpunkt, wo der Ton erklingen wird, kannte, die Aufmerksamkeit auf denselben sch\u00e4rfen konnte, was die Urtheile in g\u00fcnstigem Sinne beeinflussen musste '). Ohne diese M\u00f6glichkeit f\u00fcr diesen Fall zu bestreiten, glaube ich doch, dass das Fehlen der Abweichung bei Wolfe\u2019s eigenen Versuchen, namentlich aber ihr Vorkommen bei seinen anderen Beobachtern, welches er ebenfalls der Aufmerksamkeit zuschreibt, sich leichter durch unsere Annahme deuten l\u00e4sst.\nf) Die mittlere Variation. Die mittlere Variation ist im allgemeinen ziemlich gering, aber ihre Schwankungen sind im Vergleich mit denjenigen der G ed\u00e4chtnisscurven bedeutend. Sie sind haupts\u00e4chlich bedingt durch die Schwankungen der Aufmerksamkeit, durch die relative Uebung, die am Anfang des Versuchstages weniger zur Wirkung kommt als sp\u00e4ter ; ferner durch Disposition, Erm\u00fcdung und sonstige auch bei der Ged\u00e4chtnissschwelle wirksame Einfl\u00fcsse. Je mehr oder weniger sie bei den Einzelbestimmungen der einen oder der anderen Schwelle zur Geltung kommen, um so schwan-\n1) a. a. O. S. 553.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 363\nkender wird im Vergleich zum mittleren Wertlx die Pr\u00e4cision der f\u00fcr die betreffende Schwelle abgegebenen Einzelurtheile sein. Die gr\u00f6\u00dfere Pr\u00e4cision ist aber sicherlich ein Ausdruck des besseren und treueren Ged\u00e4chtnisses. Im allgemeinen ist denn auch die mittlere Variation im Verh\u00e4ltniss zum arithmetischen Mittel, entsprechend meinen sonstigen Beobachtungen bez\u00fcglich der Sicherheit und Entschiedenheit der Aussagen dieser Beobachter, bei Franz am kleinsten, gr\u00f6\u00dfer bei Eber und am gr\u00f6\u00dften bei Tyszko, und zwar im durchschnittlichen Verh\u00e4ltniss aus den Werthen bei allen Zwischenzeiten:\n\u00bb o. S.\tu. S.\na. M.\tm. Y.\ta. M.\tm. Y.\nbei\tFranz\t2,06\t:\t0,29,\t1,41\t:\t0,31\n\u00bb\tEber\t1,18\t:\t0,29;\t1,08\t:\t0,27\n\u00bb\tTyszko 0,69\t:\t0,23;\t0,61\t:\t0,20.\nWas die Zwischenzeit anbelangt, so muss zweifellos angenommen werden, dass auch sie einen Einfluss auf die Werthe der mittleren Variation aus\u00fcbt, indem die Pr\u00e4cision der Urtheile mit ihrer Zunahme geringer werden wird. Es ist auch ein gewisses Steigen dieser Werthe mit wachsender Zwischenzeit deutlich zu bemerken; wobei jedoch ihre Relation zum arithmetischen Mittel im allgemeinen immer kleinere Quotienten zeigt. Es k\u00f6nnte nun die Frage aufgeworfen werden, ob denn die mittlere Variation nicht als ein Ma\u00df f\u00fcr das Ver\u00e4nderungsverh\u00e4ltniss der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe mit der Zeit dienen k\u00f6nnte. Man k\u00f6nnte n\u00e4mlich denken, \u2014 da es sich ja weniger um die Bestimmung der absoluten Gr\u00f6\u00dfe der Schwellenwerthe, als um die Feststellung des Verh\u00e4ltnisses, in welchem sie sich ver\u00e4ndern, handelt, \u2014 von der mittleren Variation eine der Methode der mittleren Fehler analoge Anwendung machen zu k\u00f6nnen, indem man sich vorstellt, dass mit den Ver\u00e4nderungen der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe auch die mittlere Variation insofern sich ver\u00e4ndern m\u00fcsste, als mit der Abnahme der ersteren die Sicherheit der Beurtheilung des Vergleichseindruckes sinken und die Gr\u00f6\u00dfenwerthe der f\u00fcr eine bestimmte Schwelle abgegebenen Einzelurtheile schwankender werden m\u00fcssten, was f\u00fcr diese Schwelle eine gr\u00f6\u00dfere mittlere Variation ergeben w\u00fcrde. Tr\u00e4fe dies zu, so k\u00f6nnten die Ver\u00e4nderungen der mittleren Variation zum Ausdruck derjenigen der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe dienen, und wir m\u00fcssten annehmen, dass dieser letzteren die Sicherheit der Sch\u00e4tzung","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nproportional, die mittlere Variation aber reciprok sei. Dann m\u00fcssten aber die Ver\u00e4nderungen der letzteren denjenigen des Schwellenwertlies parallel gehen, d. h. die mittlere Variation m\u00fcsste mit der Zunahme der Zeit in einem \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnis wachsen, wie der Schwellenwerth selbst, so dass die graphische Darstellung ihrer Ver\u00e4nderungen ein der G-ed\u00e4chtnisscurve \u00e4hnliches Bild ergeben m\u00fcsste. Aus unseren Versuchen geht jedoch ein solches Verh\u00e4ltnis keineswegs mit unbedingter Sicherheit hervor. Am meisten n\u00e4hert sich ihm die mittlere Variation des oberen Verlaufes bei Tyszko, wie in Fig. 3, wo ich ihren Ver\u00e4nderungsgang dargestellt habe, zu sehen ist1).\nmrtv,\t2\\rSZk0\nO'SO\n0 rz'5\" 5\" 75\u00b0 10\u201c WH\u201c\nEs ist m\u00f6glich und wahrscheinlich, dass bei einer gro\u00dfen Versuchszahl, wo die fehlende Constanz der st\u00f6renden Nebenbedingungen durch die gleichm\u00e4\u00dfige Vertheilung ihrer Einfl\u00fcsse ersetzt wird, dieses Verh\u00e4ltniss \u00fcberall und deutlicher zu Tage tritt. So ist es sicherlich der Uebung zuzuschreiben, dass bei Franz und Eber im Gegensatz zu Tyszko die mittlere Variation bei den kleinsten Zwischenzeiten gr\u00f6\u00dfer ist, als es dieses Verh\u00e4ltniss erforderte, denn bei dem letzteren Beobachter wurden die Untersuchungen bekanntlich mit den gr\u00f6\u00dften, bei jenen aber mit den kleinsten Zwischenzeiten begonnen.\n1) Bei Tyszko ist die mittlere Variation bei 2,5\" gleich 0, weil der Schwellenwerth unter der Gr\u00f6\u00dfe der ersten Minimal\u00e4nderung bleibt, so dass ein Abweichen nach unten nicht m\u00f6glich ist, aber auch ein solches nach oben infolge der gro\u00dfen Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe dieses Beobachters bei diesem Zeitintervall nicht stattfindet.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 365\nB. Die Ver\u00e4nderungen der Gfed\u00e4chtnisssch\u00e4rfe bei ausgef\u00fcllter Zwischenzeit.\nEs war von vornherein zu vermuthen, dass Bedingungen, die in der Zwischenzeit auf das Bewusstsein einwirken, nicht ohne Einfluss auf die Sch\u00e4rfe des Ged\u00e4chtnisses bleiben werden. Bei den oben mitgetheilten Versuchen wurde die zwischen der Wahrnehmung des Normal- und des Vergleichseindruckes verflie\u00dfende Zeit, wie bekannt, mit geschlossenen Augen verbracht. Nun kann man nicht sagen, dass dabei jene das Bewusstsein beeinflussenden Bedingungen fehlten, denn, da es sich als unm\u00f6glich erwies, die Versuchspersonen ihre Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Vorstellung \u2014 etwa auf diejenige der Normaldistanz \u2014 w\u00e4hrend der ganzen Zwischenzeit concentriren zu lassen, ihnen vielmehr freigelassen werden musste, dem Eluss ihrer Vorstellungen freies Spiel zu gew\u00e4hren, so versteht es sich von selbst, dass dabei das Bewusstsein durch mannigfache Erinnerungsbilder besch\u00e4ftigt, die Aufmerksamkeit verschiedentlich abgelenkt werden wird. Obwohl wir nun annehmen m\u00fcssen, dass jene (im allgemeinen wahrscheinlich als dieselben immer wiederkehrendenj Vorstellungen und Erinnerungsbilder trotz ihrer Mannigfaltigkeit, oder gerade wegen derselben die Constanz der Bedingungen nicht beeintr\u00e4chtigen, so stehen sie doch nicht in der Macht und Contr\u00f4le des Experimentators : er kann sie weder beobachten noch nach Belieben variiren. Ich glaube daher diese bei geschlossenen Augen verstreichenden Zwischenzeiten im Gegensatz zu den eindeutig ausgef\u00fcllten als reine oder leere bezeichnen zu k\u00f6nnen.\nEs handelt sich demnach hier darum, das Verhalten der Ge-d\u00e4chtnissschwelle bei in der Zwischenzeit eindeutig abgelenkter Aufmerksamkeit zu untersuchen. Ich habe zu diesem Zwecke die im Folgenden beschriebenen Versuche angestellt, bei welchen das Bewusstsein in der Zwischenzeit durch eine bestimmte Besch\u00e4ftigung nach einer bestimmten Bielitung hin in Anspruch genommen wurde. Dies geschah durch Application von heterogenen Sinneseindr\u00fccken \u2014 ich nenne sie Zwischeneindr\u00fccke \u2014 und zwar von Geh\u00f6rseindr\u00fccken (Metronomschl\u00e4gen und Klingeln) und Gesichtseindr\u00fccken (gleichm\u00e4\u00dfigen farblosen und farbigen Fl\u00e4chen) und durch Lect\u00fcre. Dabei wurden die Zwischeneindr\u00fccke mehrfach variirt.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nAus den gewonnenen Ergebnissen geht nun wider Erwarten ganz unzweideutig hervor, dass die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe durch die eindeutige Ablenkung der Aufmerksamkeit vom Normaleindruck in der Zwischenzeit nicht vermindert, sondern im Gegentheil erh\u00f6ht wird. Es ist, als oh durch die bestimmte Besch\u00e4ftigung des Bewusstseins die Zeit verk\u00fcrzt werde.\nWie die Perceptionsf\u00e4higkeit durch das best\u00e4ndige Einwirken eines Reizes geschw\u00e4cht wird, so scheint auch das Ged\u00e4chtniss durch fortw\u00e4hrende Reproduction einer und derselben Vorstellung (hier des Normaleindruckes in der Zwischenzeit) f\u00fcr dieselbe abgestumpft zu werden. Letzteres wird nun in unserem Fall eintreten, wenn wir bei geschlossenen Augen in der Zwischenzeit die Aufmerksamkeit unabl\u00e4ssig auf die Normaldistanz richten, oder wenn das Bewusstsein in Folge mangelnder anderweitiger fester Besch\u00e4ftigung \u00f6fter zu ihr abschweift1), was ja bei dem wechselvollen Spiel der Erinnerungsbilder leicht geschehen kann. Wird es dagegen durch eine solche unverwandt festgehalten (wie in unseren Versuchen durch die Zwischeneindr\u00fccke), so bleibt gewisserma\u00dfen der urspr\u00fcngliche Eindruck frisch, und seine Reproduction kann durch die associative Wirkung des Vergleichseindruckes leichter und sicherer von statten gehen, so dass \u2014 in unserem Falle \u2014 kleinere Distanzunterschiede wahrgenommen werden k\u00f6nnen.\nDiese Erscheinung l\u00e4sst sich auch durch anderweitige Erfahrungen belegen2 *).\nFolgende Versuche, welche ich mit mir selbst gemacht habe, zeigen dasselbe Verhalten des Ged\u00e4chtnisses bei den in Rede stehenden \u00e4hnlichen Bedingungen. Ich hatte mir vorgenommen, durch l\u00e4ngere Zeit, so oft es mir einfiel, an eine bestimmte Person in einer bestimmten Kleidung, Lage und Umgebung zu \u00bbdenken\u00ab. Schon am ersten Tag begann das Bild zu verschwimmen und wurde immer\n1)\tWundt, Physiologische Psychologie4, Bd. II, S. 274.\n2)\tIch will hier nebenbei anf\u00fchren, dass auch bei den \"Versuchen, welche ich mit mir selbst machte (A, 1 dieses Abschnittes), Aehnliches zu beobachten war. Ich habe n\u00e4mlich bemerkt, dass, wenn ich in den Zwischenzeiten \u2014\nnamentlich in den l\u00e4ngeren \u2014 unwillk\u00fcrlich in einen besonders fesselnden Gedankengang gerieth, mir die Reproduction des Eindruckes besser und leichter\ngelang und die Urtheile richtiger ausfielen.","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis\u00bb f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 367\nundeutlicher, bis ich schlie\u00dflich blo\u00df noch die Oontouren der Figur im Stande war mir zu vergegenw\u00e4rtigen, und es mir nach und nach nur nach immer gr\u00f6\u00dferer M\u00fche gelingen wollte, auch das Erinnerungsbild der Gesichtsz\u00fcge hervorzurufen; ja mit der Zeit entschwand die ganze Figur aus dem Ged\u00e4chtnisse, und das Bild derselben wollte sich gar nicht einstellen, so dass ich es mir nur durch willk\u00fcrliche Anwendung associativer Mittelglieder \u2014 bestehend in verschiedenen Nehenumst\u00e4nden \u2014 wieder ins Bewusstsein zur\u00fcckrufen konnte. (Wollte ich n\u00e4mlich das Bild der Person in einer anderen Lage oder Umgebung mir vorstellen \u2014 was oft auch ohne mein Hinzuthun sich mir aufdr\u00e4ngte \u2014 so geschah die Reproduction allsogleich und das Erinnerungsbild war immer ganz deutlich und frisch.) Machte ich dann den Versuch so, dass ich, nachdem ich mir dieselbe Person in einer anderen Lage vergegenw\u00e4rtigte, oder sie etwa von neuem gesehen hatte, oder aber die Vorstellung einer anderen Person zum Versuchsobject nahm, mir zur Aufgabe stellte, der Reproduction ihres Bildes m\u00f6glichst zu entweichen, so geschah es, dass ich auch nach sehr langer Zeit im Stande war, das Erinnerungsbild, wenn ich es wollte, ganz deutlich (wenigstens viel deutlicher als im ersteren Fall) mir vorzustellen. Besser l\u00e4sst sich dieser Versuch mit Objecten anstellen, welche in ihrer Form weniger ver\u00e4nderlich sind und uns nur in einer oder wenigen Lagen, Umgebungen u. s. w. bekannt sind. Ich pr\u00e4gte mir beispielsweise ein Bild ein, welches auf Cabinetformat ein Geb\u00e4ude darstellte (z. B. das mir vornehmlich von einer Seite gel\u00e4ufige Bild des Dogenpalastes in Venedig, der \u00e4gyptischen Pyramiden mit der Sphinx oder \u00e4hnliches). Das Erinnerungsbild wurde bei fortw\u00e4hrender willk\u00fcrlicher Reproduction immer blasser und undeutlicher und schlie\u00dflich, nach l\u00e4ngerer Zeit, konnte ich mir die meist verwaschenen Umrisse des Versuchsobjectes nur schwer vergegenw\u00e4rtigen, und dies nachdem mir vorerst der Carton zwar in seiner wirklichen Gr\u00f6\u00dfe, aber als eine gleichm\u00e4\u00dfige, leere Fl\u00e4che in der gr\u00e4ulichbraunen F\u00e4rbung der Photographie vorgeschwebt hatte, aus der ich gewisserma\u00dfen das Bild heraussch\u00e4len musste1). Wiederholte ich\n1) Wobei es keineswegs auf einmal, sondern, von einem Punkte ausgehend, nur nach und nach hervortrat. Ferner ist zu bemerken, dass verwickeltere und detaillirtere Zeichnungen leichter und nach l\u00e4ngerer Zeit noch deutlich zu repro-duciren waren als einfachere.\nWundt, Philos. Studien. XV.\n25","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nnun den Versuch (es ist besser, man w\u00e4hlt dazu ein anderes Bild), ohne in der Zwischenzeit an das Object zu denken, so gelang mir auch nach sehr langer Zeit die Reproduction desselben (als Signal, welches mich daran erinnern sollte, diente irgend eine bestimmte einmalige Handlung des Tages oder der Woche) au\u00dferordentlich leicht, und das Erinnerungsbild trat immer klar im Bewusstsein auf. \u2014 Diese sehr erm\u00fcdenden Experimente lassen sich \u00fcbrigens auch hei k\u00fcrzeren Zwischenzeiten mit Erfolg anstellen; ich habe sie oft gemacht und dieselben Resultate erhalten.\nAehnliches hat auch Fechner an sich selbst beobachtet1).\nUm die n\u00e4mliche Erscheinung handelt es sich hei der folgenden gew\u00f6hnlich zu beobachtenden Thatsache. Wenn wir uns durch l\u00e4ngere Zeit best\u00e4ndig mit einem wissenschaftlichen Gegenst\u00e4nde \u2014 etwa mit der Lect\u00fcre eines wissenschaftlichen Buches oder mit Nachdenken \u00fcber ein gewisses Problem \u2014 besch\u00e4ftigen, so bemerken wir, dass das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr die betreffende Materie, gewisserma\u00dfen \u00fcberlastet, immer schw\u00e4cher wird, und dass wir nach und nach immer weniger vom Aufgenommenen behalten k\u00f6nnen und es immer leichter vergessen. Wir k\u00f6nnen uns oft nicht nur die Einzelheiten, sondern\n1) Fechner, Elemente der Psychophysik, 2. Auf!., I. Bd., S. 471 sagt: \u00bbIch bin nicht im Stande, selbst das gel\u00e4ufigste Erinnerungsbild auch nur kurze Zeit stetig festzuhalten, sondern muss es, um es l\u00e4nger zu betrachten, gewisserma\u00dfen immer von Neuem wiedererzeugen; es \u00e4ndert sich nicht sowohl von selbst, als es verschwindet immer wieder von selbst. Will ich es aber mit gleichgerichteter Intention oft hintereinander wiedererzeugen, so gelingt es bald nicht mehr, indem die Aufmerksamkeit oder Productionsth\u00e4tigkeit sich schnell abstumpft. Dies ist aber keine Abstumpfung der Erinnerungsth\u00e4tigkeit \u00fcberhaupt; denn ich bin \u2014 und dies scheint mir der Beachtung werth \u2014 nicht gehindert, statt dessen sofort ein anderes gel\u00e4ufiges Erinnerungsbild, so deutlich, als es mir \u00fcberhaupt m\u00f6glich ist, vorzustellen und, wenn auch f\u00fcr dieses die Aufmerksamkeit oder Productionsth\u00e4tigkeit sich ersch\u00f6pft hat, zum ersten Bilde zur\u00fcckzukehren, wo ich es wieder mit der anf\u00e4nglichen Deutlichkeit produciren kann. Dies gilt selbst von ganz verwandten Bildern; wie ich z. B. oft den Versuch mit zwei auf derselben Photographie befindlichen Portraitfiguren oder nebeneinander h\u00e4ngenden Portraits in meinem Wohnzimmer angestellt habe, deren keines ich oft hintereinander in Erinnerung reproduciren kann, wohl aber beide in mehrfachem Wechsel. Setze ich jedoch diesen Wechsel etwas rasch oft hintereinander fort, so finde ich mich endlich f\u00fcr beide abgestumpft, kann aber zu einem dritten Bilde mit Erfolg \u00fcbergehen.\u00ab \u2014 Die oben beschriebenen Versuche habe ich gemacht, bevor ich diese Stelle bei Fechner kannte, so dass ich von ihr nicht beeinflusst worden bin.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 369\nauch wichtigere Sachen nur schwer in die Erinnerung zur\u00fcckrufen. Sie werden sozusagen vom Ged\u00e4chtniss \u00fcbersehen und \u00fcbersprungen. Wenn wir jedoch diese Besch\u00e4ftigung f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit aussetzen und dann wieder zu ihr zur\u00fcckkehren, so bemerken wir, dass schon nach einmaligem Durchnehmen des Gegenstandes \u2014 etwa einmaligem Durchlesen \u2014 wir leicht auch die Details im Ged\u00e4chtniss behalten k\u00f6nnen. Wir bemerken eben dann, wie viel wir \u00fcbersehen haben, und das meiste erscheint uns wie neu.\nSchlie\u00dflich geh\u00f6rt ja auch die Thatsache hierher, dass das Neue und Eigenartige (und zwar nicht nur das seiner Gattung oder Bich-tung, sondern auch das seiner Art und Individualit\u00e4t nach Neue und Eigenartige) sich uns leichter und dauernder einpr\u00e4gt, als das Alte und Gew\u00f6hnliche. (Vergleiche Abschnitt V.)\nWas die physiologischen Substrate dieser Erscheinung anhelangt, so sind wir nat\u00fcrlich nur auf Vermuthungen angewiesen. Offenbar h\u00e4ngt sie mit den Ver\u00e4nderungen zusammen, welche bei der Perception der Eindr\u00fccke in den Sinnescentren vor sich gehen. Wenn wir, vom Principe der centralen Localisation der Vorstellungen ausgehend, den Gesichtspunkt festhalten, dass die [Reproduction einer Vorstellung nothwendig an diejenigen Centralorgane gebunden ist, welche hei ihrer Bildung in Action waren, so k\u00f6nnen wir uns die dabei stattfindenden physischen Begleitprocesse so darstellen, dass die psychophysische Energie, welche durch die Wahrnehmung des urspr\u00fcnglichen Eindruckes im Gehirn in Form von Molecularumlage-rungen hervorgebracht wird, als Disposition so lange latent bleibt, bis ein gleicher oder \u00e4hnlicher Eindruck, oder Erinnerungsvorstellungen, die mit dem urspr\u00fcnglichen Eindruck in associativer Verbindung stehen, sie ausl\u00f6sen, und dieser reproducirt wird; dagegen disparate Reize, deren Perception central anderw\u00e4rts localisirt ist, sowie associate nicht verwandte Erinnerungsbilder sie (die psychophysische Energie) unber\u00fchrt lassen. Letzteres wird der Fall sein, wenn in der Zwischenzeit (durch den Zwischeneindruck) die Aufmerksamkeit vom Normaleindruck abgelenkt wird; ersteres wird dem Fall entsprechen, wo dies nicht stattfindet, sondern die Aufmerksamkeit an dem zu reproducirenden Eindruck haftet oder ihn \u00f6fter streift. Dort wird die psychophysische Energie, welche das Correlat des urspr\u00fcnglichen Eindruckes ist, weniger, hier mehr verbraucht werden (vergl. Abschnitt V).\n25*","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\n1. Versuche bei Application von Geh\u00f6rseindr\u00fccken in der\nZwischenzeit.\nDie Versuche wurden mit den Herren Jasper und Hansch-mann ausgef\u00fchrt. Als Geh\u00f6rsreize dienten Metronomschl\u00e4ge, und es wurden Schwellenbestimmungen vorgenommen bei leerer Zwischenzeit, bei 20, 50, 100, 150 und 200 Metronomschl\u00e4gen in der Minute und eine solche bei den unregelm\u00e4\u00dfigen Schl\u00e4gen zweier Metronome und deren Klingeln, wobei das eine Metronom 144, das andere 208 Tactschl\u00e4ge in der Minute gab, w\u00e4hrend die eine der Klingeln jeden dritten, die andere jeden vierten Schlag begleitete. Die \u2014 constante\n\u2014\tZwischenzeit betrug 15 Secunden; die Normaldistanz war 30 mm lang, w\u00e4hrend die Minimal\u00e4nderung bei Jasper1) 0,25 mm, bei Hanschmann 0,5 mm gro\u00df genommen wurde. In der Zwischenzeit sollten die Augen geschlossen sein und die Versuchsperson wurde immer wieder aufgefordert, die Aufmerksamkeit auf die Zwischeneindr\u00fccke zu richten. Die Schwellenbestimmungen wurden der Reihe nach von der kleinsten (20) zur gr\u00f6\u00dften (200) Schlagzahl der Zwischeneindr\u00fccke, und zum Schluss diejenige bei zwei Metronomen und zwei Klingeln vorgenommen, und zwar in zwei Folgen \u2014 die erste aus je 20, die zweite aus je 10Einzelbestimmungen f\u00fcr jede Schwelle bestehend. Die Einzelbestimmungen hei leerer Zwischenzeit wurden zwischen den Versuchsreihen der einzelnen Zwischeneindr\u00fccke ausgef\u00fchrt (dies geschah nur hei der ersten Folge, weshalb dort die Versuchszahl bei dieser Schwelle gr\u00f6\u00dfer \u2014 40 \u2014 ist), was dazu dienen sollte, die st\u00f6renden Nebeneinfl\u00fcsse, besonders den der Uebung, f\u00fcr diese Schwelle m\u00f6glichst auszugleichen. Dies bei Jasper, w\u00e4hrend bei Hanschmann\n\u2014\tTabelle VIII \u2014 die Zahl der Versuche, die nur zur Contr\u00f4le veranstaltet wurden, eine geringere ist; die Schwellenbestimmungen wurden hier in einer Serie, aber in derselben Reihenfolge und zwar wiederum so vorgenommen, dass die Einzelbestimmungen bei leerer Zwischenzeit zwischen den Versuchsreihen der Zwischeneindr\u00fccke gemacht wurden.\nIch lasse hier die Ergebnisse der zwei Versuchsfolgen bei Jasper getrennt folgen \u2014 Tabelle VII \u2014 und ber\u00fccksichtige haupts\u00e4chlich\n1) Die Versuche mit Jasper wurden, wie schon erw\u00e4hnt, mit einer Minimal\u00e4nderung von 0,5 mm begonnen, aber, nachdem es sich herausstellte, dass letztere f\u00fcr das scharfe Augenma\u00df dieses Beobachters zu gro\u00df war, mit dem kleineren Minimalunterschied von neuem angefangen; die ersteren sind nicht mitgerechnet worden.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 371\ndie erste, denn sie wurde bei w\u00f6chentlich dreimaligem Experimen-tiren ausgef\u00fchrt, so dass die Versuchsperson in gleichm\u00e4\u00dfiger Uebung blieb; hei der zweiten dagegen wurde nur einmal w\u00f6chentlich gearbeitet. Es sollte dadurch der Einfluss der Uebung untersucht werden (vergl. Abschnitt IV \u00bbUebung\u00ab).\nTabelle VII\nJasper.\nNormaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,25 mm. Constante Zwischenzeit 15\".\n\t\t\tgeschl. Augen (kein Zw.-E.)\tMetronomschl\u00e4ge\t\t\t\t\t2 Metronome und 2 Glocken\n\t\t\t\t20\t50\t100\t150\t200\t\n\t\tA. M. in mm\t0,375\t0,275\t0,287\t0,337\t0,312\t0,325\t0,375\n\t\tMax.\t1,00\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,75\t0,75\n\to. S.\tMin.\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\n\t\tM. Y. in mm\t0,150\t0,045\t0,063\t0,113\t0,093\t0,115\t0,137\nI.\t\tVersuchszahl\t40\t20\t20\t20\t20\t20\t20\nSerie\t\tA. M. in mm\t0,356\t0,277\t0,325\t0,337\t0,325\t0,312\t0,362\n\t\tMax.\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\n\tu. S.\tMin.\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,20\n\t\tM. V. in mm\t0,122\t0,045\t0,105\t0,113\t0,105\t0,093\t0,123\n\t\tYersuchszahl\t40\t20\t20\t20\t20\t20\t20\n\t\tA. M. in mm\t0,550\t0,450\t0,450\t0,475\t0,550\t0,500\t0,600\n\t\tMax.\t0,75\t0,50\t0,50\t0,75\t0,75\t0,75\t0,75\n\to. S.\tMin.\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,50\n\t\tM. V. in mm\t0,120\t0,080\t0,080\t0,090\t0,160\t0,100\t0,120\nII.\t\tYersuchszahl\t10\t10\t10\t10\t10\t10\t10\nSerie\t\tA. M. in mm\t0,425\t0,375\t0,400\t0,550\t0,500\t0,500\t0,550\n\t\tMax.\t0,50\t0,50\t0,50\t0,75\t0,75\t0,75\t0,75\n\tu. S.\tMin.\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\n\t\tM. V. in mm\t0,105\t0,125\t0,120\t0,120\t0,100\t0,100\t0,160\n\t\tVersuchszahl\t10\t10\t10\t10\t10\t10\t10","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nZ. Radoslawow-Hadji-Deiikow.\nDie Ergebnisse dieser Serie sind daher in dieser Beziehung nicht gleichwerthig und f\u00fcr die Erkenntniss des Thathestandes nicht ohne weiteres verwerthhar, denn das Ged\u00e4chtniss ist bei den ersten Schwellen noch von der vorhergehenden Uebung beeinflusst, daher die relativ kleineren Werthe bei denselben; ferner wurden die Versuche f\u00fcr die letzte Schwelle \u2014 bei unregelm\u00e4\u00dfigen Geh\u00f6rseindr\u00fccken \u2014 aus \u00e4u\u00dferen Gr\u00fcnden erst drei Wochen nach der vorletzten (mit 200 Metronomschl\u00e4gen) gemacht; daraus erkl\u00e4rt sich wohl der sicherlich zu gro\u00dfe Werth derselben. Ich will daher, wie bemerkt, obwohl auch diese Versuche der zweiten Serie mit der oben angedeuteten Correc-tur, denselben Thatbestand zum Ausdruck bringen, nur diejenigen der ersten hier in R\u00fccksicht ziehen.\nTabelle VITE.\nHanschmann.\nNormaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,5 mm. Constante Zwischenzeit 15\".\n\t\tgeschl. Augen (kein Zw.-E.)\tMetronomschl\u00e4ge\t\t\t\t\t2 Metronome und 2 Glocken\n\t\t\t20\t50\t100\t150\t200\t\n\tA. M. in mm\t1,30\t0,90\t1,20\t1,30\t1,00\t1,10\t1,20\n\tMax.\t1,50\t1,50\t2,00\t2,00\t1,50\t2,00\t1,50\n0. S.\tMin.\t1,00\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t1,00\n\tM. V. in mm\t0,24\t0,32\t0,45\t0,45\t0,40\t0,52\t0,25\n\tVersuchszahl\t10\t5\t5\t5\t5\t5\t5\n\tA. M. in mm\t1,05\t0,70\t0,80\t0,80\t0,70\t0,80\t1,20\n\tMax.\t1,50\t1,00\t1,50\t1,00\t1,00\t1,00\t1,50\nu. S.\tMin.\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t1,00\n\tM. V. in mm\t0,32\t0,24\t0,36\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\n\tVersuchszahl\t10\t5\t5\t5\t5\t5\t5\nAus den in den obigen Tabellen mitgetheilten Resultaten geht nun sicher hervor, dass die Ged\u00e4chtnissschwelle durch die Application von Geh\u00f6rseindr\u00fccken, also durch Ablenkung der Aufmerksamkeit in der Zwischenzeit jedenfalls nicht zunimmt. Dieses","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 373\nfindet seine Erkl\u00e4rung in dem oben Ausgef\u00fchrten, wenn die demselben zu Grunde liegende Vermuthung richtig ist.\nOb den anderen Schwankungen der Ourven eine Bedeutung beizumessen ist, kann nicht mit Sicherheit behauptet werden, denn der Spielraum, innerhalb dessen sich die Schwelle bewegt, ist \u2014 bei Jasper, der ja wegen der gr\u00f6\u00dferen Anzahl Versuche vornehmlich in Betracht kommt \u2014 ein sehr geringer \u2014 er betr\u00e4gt 0,1 mm, d. i. ein Dreihundertstel der Normaldistanz \u2014 so dass jene von einander wenig differirenden Schwankungen als eine Folge der uns schon bekannten Nebenbedingungen angesehen werden k\u00f6nnten. Anderseits aber sprechen f\u00fcr die Annahme einer Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit der Schwankungen mehrere Umst\u00e4nde. Zun\u00e4chst ist die mehr oder weniger genaue Uebereinstimmung des Verlaufes bei beiden Beobachtern und in beiden Serien bei Jasper in Betracht zu ziehen. Ferner sind die geringen Unterschiede der Schwellenwerthe bei Jasper eigentlich in Anbetracht des scharfen Augenma\u00dfes dieses Beobachters leicht erkl\u00e4rlich; bei Hanschmann, der kein gutes Augenma\u00df hat, sind sie bedeutend gr\u00f6\u00dfer \u2014 wozu auch die gr\u00f6\u00dferen Minimalunterschiede, die bei ihm angewandt worden sind, beigetragen haben m\u00f6gen. Dazu kommt die Erw\u00e4gung, dass die Versuche, welche zur Bestimmung einer Schwelle dienten, wie \u00fcberhaupt auch hier, an mehreren Tagen und in mehreren Folgen gemacht wurden, so dass die aus den St\u00f6rungen der schon bekannten Nebenumst\u00e4nde allenfalls resultirenden Fehler als auf alle Schwellen gleichm\u00e4\u00dfig vertheilt, demnach als constant angesehen werden k\u00f6nnen. Ein nicht unwichtiger Grund, eine Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit im Verlauf jener Schwankungen zu erblicken, ist auch dessen allgemeine Uebereinstimmung mit den Ver\u00e4nderungen der zugeh\u00f6rigen Merkzeiten (vergl. Abschnitt IV \u00bbMerkzeiten\u00ab und Curventafel I und II). Aber dieser Verlauf selbst, wie er der ver\u00e4nderten Zahl der Metronomschl\u00e4ge folgt, scheint schon seinem \u00e4u\u00dferen Ansehen nach nicht ganz zuf\u00e4llig zu sein.\nWollen wir nun eine Deutung desselben versuchen, so m\u00fcssen wir uns zun\u00e4chst an unsere oben ausgesprochene Meinung halten. Wenn wir die Curven betrachten, so sehen wir, dass die Schwelle bei 20 Metronomschl\u00e4gen am tiefsten hegt; bei 50 wird sie gr\u00f6\u00dfer, erreicht dann bei 100 ihren h\u00f6chsten Werth, sinkt bei 150 und 200 wieder herab, um bei den unregelm\u00e4\u00dfigen Schl\u00e4gen der zwei Metro-","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nnome und ihrer Glocken noch einmal in die H\u00f6he zu steigen. Ist unsere Ansicht von der Wirkung der in der Zwischenzeit vom Normaleindruck abgelenkten Aufmerksamkeit richtig, so k\u00f6nnen wir uns diesen Verlauf folgenderma\u00dfen erkl\u00e4ren. Wir m\u00fcssen darnach an-nelimen, dass, je gr\u00f6\u00dfer die Ablenkung ist, um so frischer der Normaleindruck, d. h. um so st\u00e4rker und functionsf\u00e4higer die sein psychophysisches Substrat bildenden Vorg\u00e4nge (Dispositionen) im Gehirn sein werden, und folglich auch die Reproduction leichter von statten gehen wird, was aber um so kleinere Distanzunterschiede und Schwellen-werthe bedingt. So erkl\u00e4rt sich die tiefere Lage der Schwelle bei den kleinen Zahlen der Metronomschl\u00e4ge (bei 50 und namentlich bei 20) dadurch, dass hier die Aufmerksamkeit in der Zwischenzeit von den erwarteten (langsam sich folgenden) Zwischeneindr\u00fccken mehr gefesselt und von der Vorstellung des Normaleindruckes abgelenkt wird, als bei den schnelleren Taktfolgen.\nDies f\u00fchrt uns aber zu der Annahme, dass hier emotionale Bewusstseinszust\u00e4nde wirksam sind, welche, an die in ihrer Aufeinanderfolge verschiedenen Zwischeneindr\u00fccke in verschiedenen Qualit\u00e4ten oder Intensit\u00e4tsgraden gebunden, die Aufmerksamkeit in verschiedenem Sinne beeinflussen, d. h. in einem verschiedenen Grade an die Zwischeneindr\u00fccke fesseln und vom Normaleindruck ablenken >). Diesen Zust\u00e4nden kann somit nur ein mittelbarer Einfluss auf den Schwellenverlauf heigelegt werden.\nDurch folgenden Umstand l\u00e4sst sich diese Annahme \u2014 die Mitwirkung der Gef\u00fchle bei den hier besprochenen Schwankungen der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe \u2014 n\u00e4her begr\u00fcnden. Die Versuchspersonen -\u2014 besonders Jasper \u2014 begleiteten diejenigen Taktfolgen, aus welchen sie einen Rhythmus heraush\u00f6ren konnten, mit unwillk\u00fcrlichen rhythmischen Bewegungen des Fu\u00dfes oder der Finger. Bei 20 (und meistentheils auch hei 50) Metronomschl\u00e4gen in der Minute geschah dies jedoch nicht. Auch wurde meine Frage, ob hei diesen Schlagzahlen die Wahrnehmung eines Rhythmus vorhanden w\u00e4re, von den Versuchspersonen immer verneinend beantwortet. Bei den anderen Zahlen der Metronomschl\u00e4ge, vor allen bei 100, wo sie regelm\u00e4\u00dfig die Takte begleiteten, waren jene rhythmischen Bewegungen gew\u00f6hn-\n1) Vergl. Wundt, Physiol. Psych.* Bd. I, S. 588 f. Bd. Il, S. 502 u. 506.","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4ehtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 375\nlieh zu beobachten, folglich auch die Wahrnehmung eines Rhythmus vorhanden. Die Erkl\u00e4rung der Curvenschwankungen nach dem von uns angenommenen Principe liegt nun an der Hand dieses begleitenden Umstandes nahe.\nDas erwartungsvolle *) spannende Bestreben, mehrere Taktschl\u00e4ge zu einem Ganzen zusammenzufassen und so aus der fortlaufenden Taktreihe rhythmische Glieder zu bilden \u2014 was, wie in unserem Fall, auch bei gleichm\u00e4\u00dfiger objectiver Intensit\u00e4t der Schl\u00e4ge durch subjective Betonung einzelner derselben geschehen kann \u2014 ein Bestreben, welches, wie bekannt, ein unwiderstehliches ist, so lange die Aufmerksamkeit nicht willk\u00fcrlich von den Taktschl\u00e4gen abgelenkt wird (was ja wegen der wiederholten Ermahnung von Seiten des Experimentators, auf den Zwischeneindruck zu achten, nicht anzunehmen ist) wird nicht bei allen Schlagzahlen gleich befriedigt: Bei 20 (und zum Theil auch bei 50) Metronomschl\u00e4gen in der Minute kann wegen der zu langsamen Aufeinanderfolge der Eindr\u00fccke \u2014 gem\u00e4\u00df der Abh\u00e4ngigkeit von dem Umfange des Bewusstseins \u2014 ein Rhythmus nicht wahrgenommen werden. Das vergebliche Streben nun, zwei langsam sich folgende Eindr\u00fccke zu einer Vorstellung zu verbinden, erh\u00f6ht die spannende Erwartung auf den langsam nachfolgenden Taktschlag. Dies fesselt aber die Aufmerksamkeit an den erwarteten Eindruck 1 2) und \u00fcberhaupt an die Zwischeneindr\u00fccke3) und lenkt sie von dem Normaleindruck bedeutend mehr ab, als bei den schnelleren Taktfolgen, was nach unserer Annahme ein Sinken der Schwelle zur Folge haben muss. Bei 100 Metronomschl\u00e4gen dr\u00e4ngte sich der Rhythmus dem mehr passiven Bewusstsein so zu sagen von selbst auf; die spannenden Gef\u00fchle schwanden; die Versuchspersonen f\u00fchlten sich erleichtert; die Aufmerksamkeit wurde vom Banne der Zwischeneindr\u00fccke gewisserma\u00dfen befreit und konnte leicht zu anderen Vorstellungen hinschweifen. Daher das Taktiren mit Fu\u00df und Fingern: k\u00f6nnen wir doch im gew\u00f6hnlichen Leben die Beobachtung, machen,\n1)\tYergl. Wundt, a. a. O. Bd. Il, S. 84.\n2)\tVergl. Wundt, a. a. O. Bd. II, S. 280.\n3)\tEs geschah bei diesen kleinen Schlagzahlen, namentlich bei 20, oft, dass die Versuchspersonen, welche ja in der Zwischenzeit die Augen geschlossen halten sollten, unwillk\u00fcrlich auf blickten und dieselben nach derjenigen Richtung wendeten, von welcher die Schallreize ausgingen.","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\ndass wir, wenn wir uns einem leichten Gedankenspiel \u00fcberlassen, gerne jene rhythmischen Bewegungen machen, dagegen heim ernsten, folgestrengen Nachdenken steif und unbeweglich dasitzen oder stehen bleiben. Dass bei den schnelleren Taktfolgen die Schwelle wieder sinkt, ist wohl daraus zu erkl\u00e4ren, dass dabei, wie bekannt, die Bildung eines subjectiven Rhythmus wieder schwieriger wird. Warum der Schwellenwerth bei den unregelm\u00e4\u00dfigen Schl\u00e4gen der zwei Metronome und Glocken wieder gr\u00f6\u00dfer wird, ist nicht leicht zu sagen. Ein Rhythmus konnte da aus dem Gewirre niemals herausgeh\u00f6rt werden. Aber vielleicht gerade dadurch, dass die Versuchspersonen die Zwischeneindr\u00fccke als ein gleichm\u00e4\u00dfiges Get\u00f6se h\u00f6rten und, gewisserma\u00dfen resignirt, es aufgaben, dasselbe zu gliedern, konnte die Aufmerksamkeit von ihm nicht angezogen werden. Es ist jedoch beachtenswert!^ \u2014 aber mit der hier angef\u00fchrten Thatsache nicht in Einklang zu bringen \u2014 dass die Merkzeiten (Jasper) bei dieser Schwelle einen dem zugeh\u00f6rigen Schwellenwerth entgegengesetzten Verlauf nehmen (vergl. die betreffenden Curven bei Jasper, Tafel I und II).\n2. Versuche bei Application von Gesichtseindr\u00fccken in der Zwischenzeit.\nAls Versuchspersonen fungirten bei diesen Versuchen die Herren Seyfert und Moebius. Der Zwischeneindruck bestand in einer gleichm\u00e4\u00dfigen, unter dem Normaleindruck und in gleicher Entfernung wie diesem angebrachten, etwa 25 cm hohen und 35 cm langen Fl\u00e4che, in deren Mitte (also ungef\u00e4hr 25 cm unterhalb der Distanz) der Beobachter in der Zwischenzeit blicken musste. Die Normaldistanz betrug 30 mm, die Minimal\u00e4nderung bei Seyfert 0,5mm, bei Moebius 0,25 mm. Die Dauer der \u2014 constanten \u2014 Zwischenzeit war 10 Secunden. Es wurden folgende Schwellenbestimmungen gemacht: bei leerer Zwischenzeit und \u2014 in unregelm\u00e4\u00dfiger Folge \u2014 bei drei farblosen und vier farbigen Zwischeneindr\u00fccken. Die Qualit\u00e4ten der ersteren waren wei\u00df, mittelgrau und schwarz, die der letzteren blau (berliner), grelles roth, helles gr\u00fcn und helles gelb. Die Versuche wurden in mehreren Serien gemacht: zuerst zwei aus je 10, dann wieder zwei aus je 5 (zusammen je 30) Einzelbestimmungen f\u00fcr jede Schwelle des oberen wie des unteren Verlaufes, wobei, wie es auch bei Jasper geschah,","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das^Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 377\nnach jeder dieser Versuchsreihen mit ausgef\u00fcllter, mehrere Versuche mit leerer Zwischenzeit folgten. Desgleichen geschah auch mit den Zwischeneindr\u00fccken wei\u00df und schwarz, indem auch die sie betreffenden Versuche \u00f6fter wiederholt wurden als die anderen, und zwar um die Versuchszahl bei farblosem und farbigem Zwischeneindruck auszugleichen und den Unterschied des Verhaltens der Ged\u00e4chtniss-schwelle beim ersteren im Gegensatz zum letzteren genauer festzustellen. In der folgenden Tabelle IX sind die Wer the aus allen f\u00fcr eine bestimmte Schwelle gemachten Versuchen aller Serien berechnet.\nTabelle IX.\nSeyfert.\nNormaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,5 mm. Constante Zwischenzeit 10\".\n\t\tgeschl. Augen\tgrau\twei\u00df\tschwarz\tgr\u00fcn\tgelb\troth\tblau\n\tA. M. in mm\t0,83\t0,70\t0,74\t0,75\t0,77\t0,80\t0,82\t0,90\n\tMax.\t1,50\t1,00\t1,50\t1,50\t1,50\t1,50\t1,50\t2,00\n0. S.\tMin.\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\n\tM. V. in mm\t0,33\t0,24\t0,26\t0,22\t0,27\t0,30\t0,27\t0,29\n\tVersuchszahl\t50\t30\t50\t40\t30\t30\t30\t30\n\tA. M. in mm\t0,84\t0,82\t0,80\t0,82\t0,90\t0,92\t0,92\t1,00\n\tMax.\t1,50\t1,50\t1,50\t1,50\t1,50\t1,50\t1,50\t1,50\nu. S.\tMin.\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\n\tM. V. in mm\t0,30\t0,27\t0,26\t0,31\t0,24\t0,27\t0,29\t0,24\n\tVersuchszahl\t50\t30\t50\t40\t30\t30\t30\t30\nDie Versuche mit Moebius, deren Resultate in Tabelle X enthalten sind, wurden in zwei Folgen vorgenommen.\nAuch hier sehen wir, dass die Schwelle bei ausgef\u00fcllter Zwischenzeit kleiner, als hei geschlossenen Augen ist. Dies k\u00f6nnen wir uns nach demselben Schema erkl\u00e4ren, wie dieselbe Erscheinung bei den Versuchen mit Geh\u00f6rsreizen in der Zwischenzeit. Hier wie dort scheint die Ablenkung der Aufmerksamkeit vom Normaleindruck in","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nder Zwischenzeit, d. h. ihre feste und eindeutige Besch\u00e4ftigung mit einem bestimmten Zwischeneindruck die Reproduction des ersteren zu erleichtern. Dies gilt in diesem Palle allerdings zun\u00e4chst f\u00fcr das Verh\u00e4ltniss zwischen der Schwelle hei leerer Zwischenzeit einerseits und den Schwellen hei farblosen Zwischeneindr\u00fccken, wie hei dem gr\u00fcnen und gelben anderseits. Denn bei roth und blau steigt die Schwelle zu einem h\u00f6heren Werth als bei geschlossenen Augen.\nTabelle X.\nMoebius.\nNormaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,25 mm. Constante Zwischenzeit 10\".\n\t\tgeschl. Augen\tgrau\twei\u00df\tschwarz\tgr\u00fcn\tgelb\troth\tblau\n\tA. M. in mm\t0,37\t0,29\t0,25\t0,25\t0,29\t0,33\t0,41\t0,46\n\tMax.\t0,50\t0,50\t0,25\t0,25\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\n0. S.\tMin.\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\n\tM. V. in mm\t0,12\t0,07\t0,00\t0,00\t0,07\t0,11\t0,11\t0,07\n\tVersuchszahl\t6\t6\t6\t6\t6\t6\t6\t6\n\tA. M. in mm\t0,41\t0,33\t0,37\t0,25\t0,29\t0,37\t0,41\t0,41\n\tMax.\t0,50\t0,50\t0,50\t0,25\t0,50\t0,50\t0,75\t0,50\nu.S.\tMin.\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\t0,25\n\tM. V. in mm\t0,11\t0,11\t0,12\t0,00\t0,07\t0,12\t0,17\t0,11\n\tVersuchszahl\t6\t6\t6\t6\t6\t6\t6\t6\nWas das letztere, sowie die anderen Schwankungen der Curven betrifft, so gelten hier dieselben Gr\u00fcnde und Bedenken f\u00fcr, beziehungsweise gegen die Annahme einer Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit wie bei Jasper. Nur sind die Zahlenunterschiede hier (bei Seyfert und Moebius) ausgesprochener (was bei Seyfert allerdings zum Theil den gr\u00f6\u00dferen Minimal\u00e4nderungen zuzuschreiben ist). Dagegen ist kaum anzuneh-men, dass bei der gro\u00dfen Anzahl der Versuche in den verschiedenen Serien, sowie der mannigfaltig ver\u00e4nderten Reihenfolge der letzteren \u2014 es wurden oft an einem Versuchstage Bestimmungen bei leerer Zwischenzeit und bei mehreren Zwischeneindr\u00fccken gemacht \u2014 die","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 379\nrelativ bedeutenden Unterschiede der Schwellenwerthe, namentlich zwischen farblosen und farbigen Zwischeneindr\u00fccken (ganz besonders blau und roth) auf Zuf\u00e4lligkeit beruht. Dazu kommt der im allgemeinen diesem Verh\u00e4ltnisse entsprechende Verlauf der betreffenden Merkzeiten (Tafel II).\nBei den farbigen Zwischeneindr\u00fccken ist die Schwelle im allgemeinen gr\u00f6\u00dfer, als bei den farblosen. Wenn wir das arithmetische Mittel aus den Einzelbestimmungen aller drei Nuancen der letzteren zusammen berechnen und es mit demjenigen aus allen Einzelbestimmungen der vier farbigen Zwischeneindr\u00fccke vergleichen, so bekommen wir folgendes Verh\u00e4ltnis:\nfarblos farbig o. S.\t0,74 : 0,83\nu. S.\t0,81 : 0,93\nAu\u00dfer diesem allgemeinen Unterschied des Verlaufes bei farblosem und farbigem Zwischeneindruck weisen bei n\u00e4herer Betrachtung die Schwankungen der Curve innerhalb der farblosen, wie der farbigen Strecke derselben ein bestimmtes Verh\u00e4ltnis auf (ich halte mich hier haupts\u00e4chlich an die Versuche mit Seyfert, welche wegen ihrer gr\u00f6\u00dferen Anzahl mehr in Betracht kommen). Dort (obere Schwelle) ist der Schwellenwerth bei grau (bei der unteren Schwelle \u2014 was der einzige Unterschied zwischen den zwei Curven ist \u2014 bei wei\u00df) am kleinsten und wird bei wei\u00df und schwarz immer gr\u00f6\u00dfer; innerhalb des farbigen Verlaufes steigt er von gr\u00fcn durch gelb zum roth und schlie\u00dflich zum blau an (vergl. oben Abschnitt H, S. 330 ff.).\nBei der Erkl\u00e4rung dieses Thatbestandes k\u00f6nnten wir wiederum in erster Instanz an die Ablenkung der Aufmerksamkeit in der Zwischenzeit denken, wobei auch den Gef\u00fchlen eine \u2014 freilich mittelbare \u2014 Rolle zukommen mag, und zwar in dem Sinne, dass sie auf die Aufmerksamkeit, * je nach ihrer qualitativen oder intensiven Verschiedenheit, in einem h\u00f6heren oder geringeren Grade fesselnd oder zerstreuend einwirken1). Es waren denn auch thats\u00e4chlich bei\n1) Goethe sagt \u00fcber die \u00bbsinnlich-sittliche\u00ab Wirkung der einzelnen Farben (Farbenlehre, s\u00e4mmtliche Werke, Cotta\u2019scher Verlag 1840, S. 250 f.), dass sie spe-cifisch wirken und entschieden specifische Zust\u00e4nde hervorbringen (\u00a7 761); dass sie besondere Gem\u00fcthsstimmungen geben (\u00a7 762), man identifient sich mit der Farbe; sie stimmt Auge und Geist unisono (\u00a7 763).","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nden verschiedenen farbigen und farblosen Zwischeneindr\u00fccken ausgesprochene Gef\u00fchle verschiedener Qualit\u00e4t und Intensit\u00e4t vorhanden. Eine solche Erkl\u00e4rung der Curvenschwankungen w\u00e4re aber dennoch eine gezwungene und durchaus nicht \u00fcber alle Zweifel erhabene; denn es fehlt uns jede Handhabe (wie die rhythmischen Bewegungen bei den im vorigen Paragraphen besprochenen Versuchen), um das Gef\u00fchl oder einen sonstigen Bewusstseinszustand zu erkennen, welcher eine ab- oder hinlenkende Wirkung in Bezug auf die Aufmerksamkeit in einem dem Verlauf der Schwankungen entsprechenden Sinne aus\u00fcbt. Es ist m\u00f6glich, dass die ruhigeren farblosen Zwischeneindr\u00fccke \u2014 und unter ihnen besonders das graue \u2014 die Aufmerksamkeit in h\u00f6herem Ma\u00dfe an sich fesseln und vom Normaleindruck ahlenken, als die mehr erregenden farbigen, und unter diesen wiederum die blassen gr\u00fcn und gelb mehr als die grellen roth und blau. Auch k\u00f6nnten wir uns denken, dass die unlustvolleren farblosen Zwischeneindr\u00fccke diese hemmende Wirkung auf Aufmerksamkeit und Association st\u00e4rker aus\u00fcben, als die lustvolleren farbigen. Aber wir k\u00f6nnen in dieser Beziehung keine bestimmte Aussage machen und kein Gef\u00fchl nennen, dem diese Wirkung zuzuschreiben w\u00e4re. Die Beobachtungen hei den Versuchen sprechen auch vielfach gegen eine solche Erkl\u00e4rung: so zeigt die Schwelle bei Zwischeneindr\u00fccken, wo nach der Aussage der Versuchspersonen ein gleiches oder \u00e4hnliches Gef\u00fchl vorhanden war \u2014 wie das Lustgef\u00fchl bei roth und (in einem m\u00e4\u00dfigeren Grade) bei grau \u2014\u2022 nicht das gleiche Verhalten, w\u00e4hrend umgekehrt dies der Fall ist, wo, wie bei roth und blau, die Gef\u00fchle verschieden waren. Es scheint somit, dass der Qualit\u00e4t des Gef\u00fchles eigentlich keine bestimmte Rolle zukommt, in dem Sinne, dass, wenn etwa ein positives Gef\u00fchl die Ver\u00e4nderung der Schwelle in einer bestimmten Richtung zur Folge hat, ein negatives eine Wirkung nach der entgegengesetzten Seite aus\u00fcbte. Wollten wir dennoch emotionalen Zust\u00e4nden bei der Erkl\u00e4rung der Curvenschwankungen eine Mitwirkung zusprechen, so k\u00f6nnten wir annehmen, dass das an die Zwischeneindr\u00fccke gebundene Gef\u00fchl hei den verschiedenen derselben in einer verschiedenen Intensit\u00e4t zur Wirksamkeit kommt, und in Folge dessen die Aufmerksamkeit in einem verschiedenen Ma\u00dfe vom Normaleindruck ablenkt; es ist ja aus anderweitigen Beobachtungen bekannt, dass dasselbe Gef\u00fchl, je nach seinem","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 381\nSt\u00e4rkegrade, verschieden auf die Aufmerksamkeit einwirkt, und umgekehrt verschiedene Gef\u00fchle bei gleicher Intensit\u00e4t einen gleichen Einfluss auf dieselbe aus\u00fcben.\nDie ganze Sache bedarf jedenfalls noch einer n\u00e4heren Untersuchung.\nZur Erkl\u00e4rung dieser Schwankungen der Ged\u00e4chtnisscurve bei den hier behandelten Versuchen kann \u00fcbrigens noch ein anderer, \u00e4u\u00dferlicher Umstand mit Sicherheit herangezogen werden. In Folge des best\u00e4ndigen Fixirens der farbigen Fl\u00e4chen \u2014 besonders der grellen rothen und blauen \u2014 wurde die Auffassung der Vergleichsdistanz, die ja nach dem Zwischeneindruck dem Auge dargeboten wurde, vielfach irregef\u00fchrt. Abgesehen von den st\u00f6renden Nachbildern, an die sich die Beobachter bald gew\u00f6hnten und die sie daher vernachl\u00e4ssigen konnten, verschwammen nach ihrer Aussage die Distanzpunkte und schienen sich zu bewegen. Dies verwirrte nat\u00fcrlich das Urtheil und die Folge war, dass die objectiven Unterschiede zwischen Normal- und Vergleichsdistanz gr\u00f6\u00dfer werden mussten, um erkannt zu werden. Dies wird auch dadurch best\u00e4tigt, dass, wie zu beobachten war und auch aus den Protocollb\u00fcchem hervorgeht, bei diesen Zwischeneindr\u00fccken au\u00dferordentlich viele falsche Urtheile vorkamen (besonders beiSeyfert). Ich zweifle nicht, dass die Ursache der hier in Rede stehenden Curvenschwankungen mindestens theilweise in diesem Umstande zu suchen ist.\n3. Versuche mit Lesen in der Zwischenzeit.\nDiese Versuche unterscheiden sich im Princip von den vorhergehenden insofern, als hier eine h\u00f6here intellectuelle Besch\u00e4ftigung des Bewusstseins in der Zwischenzeit stattfand, w\u00e4hrend dieses dort nur durch die Wahrnehmung einfacher sinnlicher Eindr\u00fccke in Anspruch genommen war.\nDie in den nachfolgenden Tabellen XI und XII angegebenen Ergebnisse dieser Versuche best\u00e4tigen die uns aus den vorangehenden bekannte Thatsache, dass die feste Ablenkung der Aufmerksamkeit vom Normaleindruck in der Zwischenzeit durch eine bestimmte Besch\u00e4ftigung des Bewusstseins die Sch\u00e4rfe des Ged\u00e4chtnisses nicht nur nicht vermindert, sondern sogar erh\u00f6ht.","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nTabelle XL\nMeumann.\nNormaldistanz 25 mm. Minimal\u00e4nderung 0,5 mm. Constante Zwischenzeit 20\".\n\t\tgeschl. Augen\tLesen\no. S.\tA. M. in mm\t0,91\t0,79\n\tMax.\t1,50\t1,50\n\tMin.\t0,50\t0,50\n\tM. Y. in mm\t0,28\t0,34\n\tVersuchszahl\t12\t12\nu. S.\tA. M. in mm\t0,71\t0,66\n\tMax.\t1,50\t1,00\n\tMin.\t0,50\t0,50\n\tM. V. in mm\t0,28\t0,22\n\tYersuchszahl\t12\t12\nTabelle XII.\nWeinmann.\nNormaldistanz 50 mm. Minimal\u00e4nderung 0,5 mm. Constante Zwischenzeit 25\".\n\t\tgeschl. Augen\tLesen\no. S.\tA. M. in mm\t1,52\t1,19\n\tMax.\t2,50\t2,50\n\tMin.\t1,00\t0,50\n\tM. Y. in mm\t0,50\t0,44\n\tVersuchszahl\t20\t20\nu. S.\tA. M. in mm\t1,38\t1,14\n\tMax.\t2,50\t2,50\n\tMin.\t0,50\t0,50\n\tM. V. in mm\t0,39\t0,57\n\tVersuchszahl\t20\t20","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 383\nDie Versuche wurden mit den Herren Dr. Meumann und Dr. Weinmann ausgef\u00fchrt. Bei der Wahl der Lecture -war die Forderung ma\u00dfgebend, dass das Interesse der Beobachter ganz besonders in Anspruch genommen werde. Bei Meumann war die Normaldistanz 25 mm, hei Weinmann 50 mm gro\u00df. Die Minimal\u00e4nderungen betrugen beide Mal 0,5 mm. Die Versuchszahl ist dort 12 f\u00fcr jede Schwelle des oberen und unteren Verlaufes (aus zwei Versuchsfolgen zu je 6 Einzelbestimmungen f\u00fcr die Schwelle); bei Weinmann (wiederum aus zwei Serien, die erste aus je 12, die zweite aus je 8 Versuchen bestehend) 20 f\u00fcr die Schwelle.\nIch muss bemerken, dass die Ergebnisse bei dem letzteren Beobachter nicht vollkommen sicher sind, weil seine Urtheile sehr schwankend und unbestimmt waren: es konnte eine nach der einen oder der anderen Richtung eindeutige Aussage nicht immer erzielt werden, so dass die Schwellenwerthe nur im allgemeinen nach diesen unbestimmten Aussagen berechnet worden sind. Diese Unsicherheit der Urtheile kommt denn auch deutlich in der verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig sehr gro\u00dfen mittleren Variation zum Ausdruck. Ich habe diese Versuche dennoch angef\u00fchrt, weil sie das bekannte Verh\u00e4ltniss zwischen den zwei Schwellen wiedergeben.\nDabei findet durch die doppelt so gro\u00dfe Normaldistanz (als bei Meumann) eine Verschiebung dieses Verh\u00e4ltnisses nicht statt, was ja auch zu erwarten war.\nIV. Weitere Versuche und Beobachtungen.\nIm Vorhergehenden haben wir dasjenige mitgetheilt, was als Antwort auf die Fragen experimentell ermittelt werden konnte, welche den Anlass zu vorliegender Arbeit gegeben haben. Die Versuche gaben jedoch Gelegenheit zu mancherlei sonstigen Beobachtungen und deckten verschiedene Thatsachen und Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten auf, welche, wie es ja in der Natur der Sache liegt, zum Theil nicht vorausgesehen worden waren.\nDiese sollen nun, insoweit sie nicht schon im bisherigen des besseren Verst\u00e4ndnisses wegen vorgreifend in Erw\u00e4gung gezogen werden mussten, in diesem Abschnitte des n\u00e4heren besprochen werden. Auch sollen einige mir wichtig erscheinende Beobachtungen Erw\u00e4h-\nWundt, Philos. Studien. XV.\t26","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nnung finden, f\u00fcr welche ich zwar keine speciellen Experimente angestellt habe und daher keine regelrechten Nachweise liefern kann, die sich mir jedoch w\u00e4hrend der langen, durch drei Semester fortgesetzten Untersuchungen als unabweislich aufgedr\u00e4ngt haben. Die Thatsachen, welche ihnen zu Grunde hegen, kommen unter bestimmten Bedingungen regelm\u00e4\u00dfig zu Tage, und lassen daher schlie\u00dfen, dass sie gesetzm\u00e4\u00dfig im Bewusstsein begr\u00fcndet sind.\n1. Das Augenma\u00df.\nDie Ergebnisse unserer Untersuchungen lassen sich auch, was speciell das Augenma\u00df f\u00fcr sich anbelangt, verwerthen. Es geht aus ihnen hervor, dass die Unterscheidungsf\u00e4higkeit des Auges f\u00fcr Distanzunterschiede einen auffallend hohen Grad erreichen kann: die von uns erhaltenen Unterschiedswerthe \u00fcbertreffen an Feinheit zum Theil alle aus den bisherigen Untersuchungen bekannten. Dazu kommen noch bei unseren Versuchen als erschwerende Factoren die Umst\u00e4nde, dass die Sch\u00e4tzung aus einer Entfernung von 75 cm und nicht simultan, sondern nach Verlauf einer Zwischenzeit geschah. So unterschied Jasper hei einer Normaldistanz von 30 mm und einer Zwischenzeit von 15 Secunden eine Differenz von 0,275 mm hei der Vergr\u00f6\u00dferung und 0,277 mm bei der Verkleinerung der Vergleichsdistanz, also T^\u00a5, respective der Normaldistanz, Tyszko bei einer Normaldistanz von 40 mm und einer Zwischenzeit von 2,5 Secunden 0,25 mm (mittlere Variation = 0), also T|\u00a5 der Normaldistanz bei der Vergr\u00f6\u00dferung, und 0,30 mm oderT|\u00a5 der Normaldistanz bei der Verkleinerung.\nDiese ungew\u00f6hnliche Unterschiedsempfindlichkeit ist sicherlich vor allem derUebung zuzuschreiben. (Bei Tyszko wurden bekanntlich die Versuche mit den gr\u00f6\u00dften Zwischenzeiten begonnen, so dass die Schwellenbestimmung bei 2,5 Secunden erst vorgenommen wurde, nachdem mit ihm mehr als 1900 Einzelversuche gemacht worden waren1]. Dazu kommt noch der Umstand, dass es sich hier um die Sch\u00e4tzung von horizontalen Strecken handelt, f\u00fcr welche die Unterschiedsempfindlichkeit gr\u00f6\u00dfer ist, als f\u00fcr verticale2). Auch scheint\n1)\tDass die Werthe der zweiten Versuchsfolge bei Jasper, welche mit gr\u00f6\u00dferen Unterbrechungen durchgef\u00fchrt wurde (S. 371 f.), gr\u00f6\u00dfer sind, ist zum Theil diesem Umstande zuzurechnen (vergl. unten unter \u00bbUebung\u00ab).\n2)\tVergl. Helmholtz, Physiologische Optik, 2. Aufl., S. 684.","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 385\ndie Methode der Minimal\u00e4nderungen (wenn diese sehr klein genommen werden) sich zu solchen Untersuchungen besser zu eignen, als die anderen (etwa die der mittleren Fehler hei Selbsteinstellung). \u2014 Es ist zweifellos, wie wir ja schon des \u00f6fteren bemerkt haben, dass hei Anwendung kleinerer minimaler Unterschiede auch die Schwellenwerthe kleiner ausgefallen w\u00e4ren, so dass wir f\u00fcr die oben angef\u00fchrten Zwischenzeiten noch kleinere erkennbare Unterschiede erhalten h\u00e4tten. Dass diese hei den anderen Versuchspersonen \u2014 Franz, Eber, Seyfert, Hanschmann \u2014 gr\u00f6\u00dfer erscheinen, ist neben der geringeren Ged\u00e4chtniss- und Augenma\u00df sch\u00e4rfe dieser Beobachter auch diesem Umstande zuzuschreiben.\nIch habe mit M\u00f6bius, der ein au\u00dferordentlich scharfes Augenma\u00df hat, und zwar nachdem er eine gro\u00dfe Uebung (durch viele vorhergehende Versuche) erlangt hatte, einige Versuche \u2014 je 10 Einzelbestimmungen f\u00fcr jede Schwelle \u2014 mit noch kleineren Minimal\u00e4nderungen, und zwar von 0,125 mm bei einer Normaldistanz von 30 mm, einer Zwischenzeit von 2,5 Secunden und der gew\u00f6hnlichen Sehentfernung von 75 cm angestellt und folgende Besultate erhalten. Bei .der Vergr\u00f6\u00dferung der Vergleichsdistanz betrug der wahrgenommene Unterschied 0,1625 mm (mittlere Variation 0,0525 mm), bei der Verkleinerung 0,15 mm (mittlere Variation 0,04 mm), also T beziehungsweise\tder Normaldistanz. Alle m\u00f6glichen Vexir- und Control-\nversuche, welche ich mit diesem, wie mit den anderen Beobachtern angestellt habe, lassen einen Zweifel an der Zuverl\u00e4ssigkeit und Sicherheit der Urtheile als ausgeschlossen erscheinen.\nNoch ein Moment, welches, wie ich glaube, bisher nicht gen\u00fcgend hervorgehoben worden ist, tritt in Betreff des Augenma\u00dfes in unseren Versuchen zu Tage: n\u00e4mlich die gro\u00dfe individuelle Verschiedenheit desselben. So haben wir (au\u00dfer den oben angef\u00fchrten Daten, welche auch nach Abzug der Einfl\u00fcsse der ungleichen Bedingungen individuelle Verschiedenheiten zeigen) bei gleichen Bedingungen (das ist bei gleicher Zwischenzeit, Normaldistanz und Minimal\u00e4nderung und bei geschlossenen Augen) als Unterschiede bei Franz 1,42 mm (obere Schwelle) und 1,34 mm (untere Schwelle), bei Eber aber nur 0,65 mm (o. S.) und 0,75 mm (u. S.), wobei in beiden F\u00e4llen die Normaldistanz 30 mm, die Minimal\u00e4nderung 0,5 mm und die Zwischenzeit 2,5 Secunden betrug. Unter denselben Bedingungen, aber bei einer\n26*","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nZwischenzeit von 10 Secunden unterschieden bei der Vergr\u00f6\u00dferung Franz 1,78 mm, Eber 1,10 mm, Seyfert 0,83 mm, bei der Verkleinerung 1,12 mm, beziehungsweise 1,00 und 0,84 mm. Bei einer Zwischenzeit von 15 Secunden wurden von Hanschmann Unterschiede von 1,30 mm (o. S.) und 1,05 mm (u. S.), dagegen von Franz 2,00 mm (o. S.) und 1,28 mm (u. S.), von Eher 1,30 mm (o. S.) und 1,35 mm (u. S.) erkannt. Allerdings kommt hei den letzteren F\u00e4llen schon die gr\u00f6\u00dfere Zwischenzeit in Betracht, welche die Beurtheilung der Unterschiede hei den verschiedenen Beobachtern in einem verschiedenen Ma\u00dfe erschwert und zu den obigen individuellen Differenzen des Schwellenwerthes bei einer und derselben Zwischenzeit beitr\u00e4gt. Obzwar wir somit eine individuelle Verschiedenheit der Ge-d\u00e4chtnisssch\u00e4rfe bei einer und derselben Zwischenzeit annehmen und ihr einen Einfluss bei jenen Differenzen des Schwellenwerthes beilegen m\u00fcssen, so ist sie doch f\u00fcr die letzteren \u2014 namentlich bei den kleineren Zeitintervallen \u2014 nicht als allein ma\u00dfgebend zu betrachten. Vielmehr m\u00fcssen wir diese individuellen Verschiedenheiten des Schwellenwerthes hei einer und derselben Zwischenzeit haupts\u00e4chlich dem individuell verschiedenen Augenma\u00df zuschreiben.\n2. Das ideale und das absolute Ged\u00e4chtniss.\nWir haben oben (S. 350) unterschieden zwischen einem idealen und einem absoluten Ged\u00e4chtnisse, wobei wir unter dem ersteren die F\u00e4higkeit verstanden, f\u00fcr die Augenma\u00dfsch\u00e4rfe des betreffenden Individuums ehenmerkliche Distanzunterschiede nach beliebig langer Zeit, unter dem letzteren aber das Verm\u00f6gen, relative Differenzen, welche eine gewisse Gr\u00f6\u00dfe \u00fcberschreiten, f\u00fcr immer, oder doch nach sehr langer Zeit als solche zu erkennen. Letztere k\u00f6nnen wir \u00bbge-d\u00e4chtniss\u00fcbermerkliche\u00ab Unterschiede nennen. Wie die Wirkungen des Ged\u00e4chtnisses auf die Ged\u00e4chtnisscurven, von diesen beiden Gesichtspunkten aus betrachtet, zum Ausdruck- kommen, haben wir oben (S. 351) besprochen, indem wir haupts\u00e4chlich feststellten, dass der Spielraum, in welchem sich diese bewegen k\u00f6nnen, durch diese beiden Erscheinungsweisen des Ged\u00e4chtnisses begrenzt wird, und zwar einerseits \u2014 nach unten \u2014 durch das ideale Ged\u00e4chtniss, welches niemals erreicht wird, und anderseits \u2014 nach oben \u2014 durch das absolute, dessen Grenzen allerdings individuell verschieden sind und von der","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 387\nUebung abh\u00e4ngen, so dass das -wirkliche, relative Ged\u00e4chtniss, wenn wir uns so ausdr\u00fccken d\u00fcrfen, nicht so gut ist, wie das ideale und nicht schlechter sein, kann, als das absolute.\nIch will im Folgenden diese Verh\u00e4ltnisse n\u00e4her auseinander setzen und einige Beobachtungen und Versuche mittheilen, welche ich in dieser Beziehung angestellt habe.\na) Das ideale Ged\u00e4chtniss. Dass ein ideales Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Gesichtsdistanzen nicht anzunehmen ist, geht vor allem aus dem Verlauf der Ged\u00e4chtnissschwelle mit der Zeit hervor: n\u00e4mlich aus dem Umstande, dass die Schwellenwerthe bei den verschiedenen Zwischenzeiten verschieden sind; denn wenn ein ideales Ged\u00e4chtniss best\u00fcnde, oder w\u00e4hrend der Versuche zur Ausbildung gekommen w\u00e4re; so m\u00fcssten alle Ged\u00e4chtnissschwellen dieselbe Gr\u00f6\u00dfe erreichen, diese m\u00fcsste der f\u00fcr das betreffende Augenma\u00df ebenmerklichen Ver\u00e4nderung gleich sein,' und die Ged\u00e4chtnisscurven m\u00fcssten die Form einer geraden, der Abscisse parallelen Linie besitzen, oder h\u00f6chstens, in Folge von Beobachtungsfehlern und Associationsst\u00f6rungen (verursacht durch Unaufmerksamkeit, Unachtsamkeit, Erm\u00fcdung und sonstige st\u00f6rende Nebenumst\u00e4nde, die beim Merken und bei der Reproduction wirksam sein k\u00f6nnen), geringe Schwankungen, jedoch immer unter Einhaltung des geradlinigen Verlaufes aufweisen. Dies ist nun, wie aus den Versuchsergebnissen hervorgeht, nicht der Fall. Ich habe trotzdem, um jeder M\u00f6glichkeit der Ausbildung eines idealen Ged\u00e4chtnisses vorzubeugen, das oben (S. 326 f.) angegebene Verfahren beobachtet, zu jedem Versuchstage eine andere, von der am vorhergegangenen minimal verschiedene Normaldistanz zu gebrauchen. Diese von der Vorsicht gebotene Ma\u00dfregel erweist sich aber als nicht unbedingt nothwendig. Dies kann man aus folgendem Umstande ersehen. Da n\u00e4mlich die Normaldistanz an einem und demselben Versuchstage nicht ge\u00e4ndert wurde, so m\u00fcsste, falls ein ideales Ged\u00e4chtniss \u00fcberhaupt zur Ausbildung gelangen k\u00f6nnte, dies auch in den Versuchen dieses selbigen Versuchstages \u2014 die oft die Zahl 20 und mehr erreichten \u2014 sich kundgeben, indem der Schwellenwerth, wenigstens bei den letzten derselben, die Gr\u00f6\u00dfe des ebenmerklichen Unterschiedes (etwa den der ersten Minimal\u00e4nderung) nicht \u00fcbersteigt, oder doch in seiner Gr\u00f6\u00dfe constant bleibt. Dies w\u00e4re um so mehr zu erwarten, als die Uebung \u00fcberhaupt, wie auch die Ein\u00fcbung auf die","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nZ. Radoslawovv-Hadji-Denkow.\nNormaldistanz jedes einzelnen Versuchstages, die am Anfang desselben allenfalls noch fehlt, sehr schnell vor sich geht und bald ihr Maximum erreicht (vergl. unten \u00bbHebung\u00ab). Aber ein solches Verhalten des Schwellenwerthes w\u00e4hrend eines Versuchstages ist selbst bei den kleinsten Zwischenzeiten (ausgenommen beim oberen Verlauf bei Tyszko und zwar bei 2,5\", wo aber der Schwellenwerth in Folge der gro\u00dfen Ge d \u00e4 clitn i s s s ch\u00e4r f e dieses Beobachters bei diesem Zeitintervall \u00fcberhaupt die Gr\u00f6\u00dfe der ersten Minimal\u00e4nderung betr\u00e4gt) und nach einer langen vorangegangenen Uebung aus den Protocoll-b\u00fcchern nicht zu ersehen. Die Schwelle zeigt vielmehr ein von den verschiedenen Nebenumst\u00e4nden bedingtes, in der mittleren Variation deutlich ausgedr\u00fccktes Schwanken auch innerhalb eines einzigen Versuchstages, selbst nach Abzug der ersten von der noch fehlenden relativen Uebung beeinflussten Urtheile.\nDer wei\u00dfe Schirmcarton, welchen ich w\u00e4hrend der Zwischenzeit vor das Sehfeld hielt, war mit vielen Punkten (die so gro\u00df waren, wie diejenigen, welche die Distanz bildeten) bedeckt, und zwar so, dass dieselben in verschiedene Abst\u00e4nde von einander zu stehen kamen. Es sollte damit der Einfluss der vorhergehenden (Normal-wie Vergleichs-(Distanzen dadurch unwirksam gemacht werden, dass die Beobachter w\u00e4hrend der Einstellung der Normaldistanz auf diese Punkte sahen. Aber auch diese Ma\u00dfregel zeigte sich aus Gr\u00fcnden, welche wir sp\u00e4ter anf\u00fchren werden (\u00a7 4 dieses Abschnittes), als unwirksam und \u00fcberfl\u00fcssig.\nDie sichersten Beobachtungen in Bezug auf das ideale Ged\u00e4cht-niss liefern uns jedoch die oben S. 343 f. beschriebenen Versuche mit mehreren Tagen Zwischenzeit, welche ich mit Jasper, Seyfert, Tyszko, Meumann und Weinmann angestellt habe. Den Ergebnissen dieser\tVersuche\tl\u00e4sst\tsich\tentnehmen, dass von den\nSch\u00e4tzungen, welche die Gleichheit und die ihr benachbarten minimalen Ver\u00e4nderungen der Vergleichsdistanz \u2014 die uns ja hier zun\u00e4chst interessiren \u2014 betrafen, die allermeisten falsch waren, so dass wir die richtigen Urtheile als zuf\u00e4llig ansehen k\u00f6nnen, und zwar waren\nbei Tyszko von\t10\tUrtheilen\t7\tfalsch\n\u00bb\tSeyfert\t\u00bb\t12\t\u00bb\t9\t\u00bb\n\u00bb\tJasper\t\u00bb\t12\n10","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4ehtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 389\nbei Meumann von 5 Urtheilen 4 falsch \u00bb Weinmann \u00bb 4\t\u00bb\t4\t>>\nAber auch die den ersten minimalen Unterschieden auf beiden Seiten folgenden wurden zum gr\u00f6\u00dften Theil falsch gesch\u00e4tzt, und die richtigen Aussagen begannen \u2014 und zwar zunehmend \u2014 sich zu mehren, erst nachdem die Unterschiede gr\u00f6\u00dfer und gr\u00f6\u00dfer wurden.\nb) Das absolute Ged\u00e4ehtniss. Ich habe oben bemerkt, dass die Ged\u00e4chtnissschwelle das ideale Ged\u00e4ehtniss nicht erreicht und die durch das absolute gegebene Grenze nicht \u00fcberschreitet. Sie kann sich nur in dem dadurch gegebenen Spielraum bewegen. Das absolute Ged\u00e4ehtniss habe ich aber definirt als die F\u00e4higkeit, ge-d\u00e4chtniss\u00fcbermerkliche (\u00fcbergro\u00dfe) Unterschiede1) f\u00fcr immer oder f\u00fcr sehr lange Zeit (\u00fcbergro\u00dfe Zeiten) zu behalten. \u2014 Es ist sicher, dass sich in Folge unserer Besch\u00e4ftigungen mit r\u00e4umlichen Gegenst\u00e4nden im t\u00e4glichen Leben ein bis zu einem gewissen Grade sicheres Ged\u00e4ehtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Gr\u00f6\u00dfen ausbildet, wodurch wir bef\u00e4higt werden, erhebliche Gr\u00f6\u00dfenunterschiede auch nach sehr langer Zeit, ja \u2014 da wir in Folge des best\u00e4ndigen Umganges mit solchen Objecten immer in Uebung bleiben \u2014 zu jeder Zeit mit ziemlicher Sicherheit als solche zu erkennen. So k\u00f6nnen wir einen r\u00e4umlichen Gegenstand, z. B. einen Tisch, von einem doppelt so gro\u00dfen immer als den kleineren unterscheiden. Aber nicht allein f\u00fcr derartige Gr\u00f6\u00dfenunterschiede concreter Gegenst\u00e4nde, f\u00fcr deren Reproduction ja vielfach auch anderweitige Associationen ma\u00dfgebend sind, sondern auch f\u00fcr gr\u00f6\u00dfere Differenzen einfacher, beziehungsloser, ich m\u00f6chte sagen, abstracter Distanzen (z. B. Punktdistanzen) ist ein solches Ge-d\u00e4chtniss anzunehmen. Dieses haben wir nun das absolute Ged\u00e4chtnis genannt. Je gr\u00f6\u00dfer die Unterschiede sein m\u00fcssen, damit sie nach einer \u00fcbergro\u00dfen (bis unendlich langen) Zeit behalten werden k\u00f6nnen, um so unsicherer ist es, und umgekehrt. Diejenige Unterschiedsgr\u00f6\u00dfe, welche nach einer solchen Zeit zwischen der Eben- und der Unerkennbarkeit steht, nennen wir die Grenze des absoluten Ged\u00e4chtnisses und zugleich die \u00bbobere\u00ab Grenze (vergl. unten) der Ge-d\u00e4chtnisssch\u00e4rfe. Das hei\u00dft: die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe reicht bei einer\n1) loh verstehe hierunter nat\u00fcrlich \u00fcberall nur relative Unterschiede (vergl. unten).","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\nZ. Radoslawow-Hadji-Deiikovv.\n\u00fcbergro\u00dfen (bis unendlich gro\u00dfen) Zeit f\u00fcr diesen Grenzunter-schied nicht mehr aus; damit er und kleinere erkannt werden k\u00f6nnen, muss die Zwischenzeit kleiner und kleiner werden.\nIch will dies n\u00e4her klarlegen. Bei einem constanten Zeitintervall wird die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe mit dem Distanzunterschied zunehmen, bis wir zu einem solchen gelangen, wo die Erkennbarkeit eine absolut sichere wird; ist nun dieses constante Zeitintervall eine \u00fcbergro\u00dfe Zeit, so wird dies bei einem ged\u00e4chtniss\u00fcbermerklichen, das ist in das absolute Ged\u00e4chtniss fallenden Unterschied geschehen; werden dann die Differenzen kleiner, so wird die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe abnehmen, bis der f\u00fcr das betreffende Augenma\u00df ebenmerkliche Distanzunterschied erreicht wird, der bei diesem \u00fcbergro\u00dfen Zeitintervall gar nicht mehr erkannt wird. Das ist : die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe wird gleich 0, sie erreicht das ideale Ged\u00e4chtniss nicht. Wenn das constante Zeitintervall die kleinste Zwischenzeit ist, so werden alle (\u00fcber den ebenmerklichen stehenden) Unterschiede wahrgenommen werden. Ist aber der Unterschied constant, so wird er um so eher erkannt werden, je kleiner die Zwischenzeit ist (wird diese ver\u00e4ndert, so wird auch seine absolute Erkennbarkeit sich ver\u00e4ndern \u2014 eine Untersuchung, die nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle gef\u00fchrt werden kann); wir gelangen dann zu einer (kleineren) Zeit, bei der er absolut erkennbar sein wird; ist dieser constante Unterschied der ebenmerkliche, so wird dies bei der ersten kleinsten Zeit (so will ich das Zeitintervall, welches zur Erkennbarkeit dieses Unterschiedes n\u00f6thig ist, nennen) der Fall sein ; nimmt diese dann zu, so erreichen wir eine Zeit, welche f\u00fcr diesen (ebenmerklichen) Unterschied zu gro\u00df ist, so dass er absolut unerkennbar wird. Uebersteigt aber der constante Unterschied eine gewisse Gr\u00f6\u00dfe, so wird er nach allen Zwischenzeiten mit Sicherheit wahrgenommen werden: er f\u00e4llt in das absolute Ged\u00e4chtniss, wird ged\u00e4chtniss\u00fcbermerklich. Das Ged\u00e4chtniss wird also immer bei einem bestimmten gro\u00dfen Unterschied zu einem \u00bbabsoluten\u00ab. Setzen wir nun die absolute Erkennbarkeit als Vorbedingung voraus und ver\u00e4ndern die Zwischenzeit, so wird, da die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe dem Einfl\u00fcsse der Zeit unterworfen ist, auch der absolut erkennbare Unterschied sich ver\u00e4ndern, so dass f\u00fcr einen jeden ein anderes Zeitintervall erforderlich sein wird; dies aber nur f\u00fcr die Unterschiede, die kleiner sind als der Grenzunterschied, denen","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtuiss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 391\nalso Zeiten entsprechen werden, die \u25a0 kleiner sind als die erste \u00fcbergro\u00dfe; denn der Grenzunterschied, sowie die ged\u00e4chtniss\u00fcbermerk-lichen nehmen an dieser Verschiebung nicht theil, sondern bleiben vom Einfl\u00fcsse der Zeit unber\u00fchrt.\nWenn wir nun die Variabilit\u00e4t beider Gr\u00f6\u00dfen, der Zeit sowohl als auch des Unterschiedes, vom unendlich kleinen bis zum unendlich gro\u00dfen voraussetzen, so k\u00f6nnen wir unsere Behauptung, dass die Ged\u00e4chtnissschwelle sich zwischen dem idealen und dem absoluten Ged\u00e4chtnisse bewegt, schematisch folgenderma\u00dfen veranschaulichen (vergl. die folgende Figur 4).\nUnterschiede\n8\nmittlere Zeiten\nid. 0. ideales Ged\u00e4chtniss ; Q. ab. 0. Grenze des absoluten Ged\u00e4chtnisses ; uk. U. unendlich kleiner Unterschied; um.U. untermerkliche Unterschiede; em.U. ebenmerklicher Unterschied; m.U. mittlere Unterschiede; Cr. U. Grenzunterschied; g\u00fc.TJ. Ged\u00e4chtniss\u00fcbermerkliche Unterschiede; uk. t. unendlich kleine Zeit;\nId. t. kleinste Zeiten; l.k.t. erste kleinste Zeit; l.\u00fc.t. erste \u00fcbergrosse Zeit;\nV.d.g.s. Verlauf der Ged\u00e4chtnissschwelle.\nDas ideale Ged\u00e4chtniss k\u00f6nnen wir durch eine gerade, unendlich lange, der Abscisse parallel laufende Linie darstellen, welche um den f\u00fcr das betreffende Augenma\u00df ebenmerklichen Unterschied h\u00f6her als jene liegt: das bedeutet, dass alle Distanzunterschiede, welche gr\u00f6\u00dfer sind als der ehenmerkliche und dieser selbst nach jeder Zeit, auch nach einer unendlich langen1), erkannt werden; die Grenze des absoluten Ged\u00e4chtnisses wird ebenfalls durch eine unendlich lange, der\n1) Dieser Airsdruck, sowie der einer \u00bbunendlich kleinen\u00ab Zeit, oder eines \u00bbunendlich kleinen\u00ab Unterschiedes sind nat\u00fcrlich in einem beschr\u00e4nkteren Sinne zu verstehen (siehe \u00fcbrigens dar\u00fcber weiter unten).","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392\nZ. Radoslawovv-Hadji-Denkow.\nAbscissenlinie parallele Gerade versinnbildlicht werden k\u00f6nnen, welche jedoch um die Gr\u00f6\u00dfe des Grenzunterschiedes h\u00f6her steht als jene: das will andeuten, dass nach einer \u00fcbergro\u00dfen (bis unendlich gro\u00dfen) Zeit alle Unterschiede erkannt werden, die gr\u00f6\u00dfer sind als der Grenzunterschied. Die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe erreicht also das ideale Ge-d\u00e4chtniss nicht (das Ged\u00e4chtniss ist nicht so gut wie das ideale), das hei\u00dft: nicht nach allen Zeitintervallen (und folglich auch nicht nach dem unendlich gro\u00dfen \u2014 oder blo\u00df \u00fcbergro\u00dfen) kann der ebenmerkliche Unterschied wahrgenommen werden, sondern nur nach dem kleinsten; und sie kann das absolute Ged\u00e4chtniss nicht \u00fcberschreiten (das Ged\u00e4chtniss kann nicht schlechter sein als das absolute), das ist : nicht alle Unterschiede k\u00f6nnen nach einer \u00fcbergro\u00dfen (bis unendlich langen) Zeit erkannt werden, sondern nur die ged\u00e4chtniss\u00fcbermerk-lichen. F\u00fcr die Erkennbarkeit von Unterschieden, welche kleiner sind als diese, ist ein kleineres Zeitintervall n\u00f6thig. \u2014 Der dadurch gebildete Spielraum umfasst somit alle Unterschiede zwischen dem ebenmerklichen und dem Grenzunterschied (ich will sie der K\u00fcrze halber mittlere Unterschiede nennen) und alle Zwischenzeiten, von der kleinsten (zur Erkennung des ebenmerklichen Unterschiedes erforderlichen) bis zur ersten \u00fcbergro\u00dfen (sie sollen mittlere Zeiten hei\u00dfen), bei der alle ged\u00e4chtniss\u00fcbermerklichen Differenzen wahrgenommen werden. Und in diesem Spielr\u00e4ume allein kann sich die Ged\u00e4chtnissschwelle, welche der Ausdruck der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe bei einem bestimmten Zeitintervall ist, bewegen, denn sie stellt die empirisch gegebene Abh\u00e4ngigkeit dieser mittleren Distanz- und Zeitunterschiede von einander dar, welche allein . dem Experiment zu unterwerfen sind. Die experimentelle Variabilit\u00e4t h\u00e4lt ja in beiden Reihen nicht gleich an: bei der Ver\u00e4nderung des Unterschiedes h\u00f6rt sie n\u00e4mlich nach unten bei dem ebenmerklichen auf, der, verkleinert, nicht mehr wahrgenommen werden kann, auch wenn die Zwischenzeit kleiner genommen wird als die kleinste (das ist die zur Erkenn-nung des ebenmerklichen Unterschiedes selbst n\u00f6thige) und unendlich klein wird; nach oben bei dem Grenzunterschied, da die ged\u00e4chtniss\u00fcbermerklichen Differenzen nach jeder Zwischenzeit, auch nach jeder \u00fcbergro\u00dfen und unendlich langen, mit gleicher Sicherheit erkannt werden, so dass ihre Erkennbarkeit dem Einfl\u00fcsse der Zeit nicht unterworfen erscheint. Die Wirkung der letzteren h\u00f6rt somit nach","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 393\nunten beim ebenmerklichen, nach oben beim Grenzunterschied auf, aus welchem Grunde nun eine Abh\u00e4ngigkeit der untermerklichen (und des unendlich kleinen), wie der ged\u00e4chtniss\u00fcbermerklichen Unterschiede von der Zeit erfahrungsm\u00e4\u00dfig nicht nachgewiesen werden kann.\nDer Verlauf der Ged\u00e4chtnissschwelle, das ist die Ver\u00e4nderung der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe mit der Zeit, geht somit vom idealen in das absolute Ged\u00e4chtniss \u00fcber, und das Verh\u00e4ltniss, in welchem diese mittleren Unterschiede zu der f\u00fcr ihre Erkennbarkeit n\u00f6thigen Zeit stehen, hat den Gegenstand unserer in Abschnitt IIIA beschriebenen Untersuchungen gebildet und kommt in der dort aufgestellten Formel zum Ausdruck, nach welcher die Unterschiede in einer geometrischen Progression abnehmen m\u00fcssen, wenn die Zeiten in einer arithmetischen kleiner werden.\nEs handelt sich nun die Grenze des absoluten Ged\u00e4chtnisses zu bestimmen. Dies ist, abgesehen von seiner sonstigen Wichtigkeit, f\u00fcr unsere Versuche und zur Erg\u00e4nzung der Ergebnisse von besonderem Werthe. Da das Steigen des Schwellenwerthes, nach dem oben Ausgef\u00fchrten, die durch das absolute Ged\u00e4chtniss gegebene Grenze nicht \u00fcberschreiten kann, so wird das asymptotische Ende der Curven im weiteren Verlauf mit dieser zusammenfallen. Unsere Versuche erstreckten sich bekanntlich nur bis zu einer Zwischenzeit von 60 Se-cunden. Nun kann uns die Bestimmung der Grenze des absoluten Ged\u00e4chtnisses, wenigstens approximativ, einen Aufschluss geben, wie hoch noch die Schwelle bei noch l\u00e4ngeren, ja bei beliebig langen Zwischenzeiten (bei dem betreffenden Beobachter) steigen kann, so dass diese Bestimmung die durch unsere Versuche nicht erreichte Weiterf\u00fchrung der Ourven ersetzen kann. Ich habe mit den oben angef\u00fchrten Versuchen mit mehreren Tagen Zwischenzeit dies ermitteln wollen und bestimmte (auf S. 344f. angegebene) Werthe gefunden; diese Werthe m\u00fcssen nun mit jenen aus der Bestimmung des absoluten Ged\u00e4chtnisses hervorgegangenen bei den betreffenden Versuchspersonen ebenfalls zusammenfallen. So k\u00f6nnen wir diese Grenze zugleich die obere Grenze der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe nennen, w\u00e4hrend das ideale Ged\u00e4chtniss die untere bilden w\u00fcrde.\nWir k\u00f6nnen uns, bei der nothwendig anzunehmenden Existenz eines absoluten Ged\u00e4chtnisses, nach den bisherigen Betrachtungen vorstellen, dass Distanzen,, deren L\u00e4ngen derma\u00dfen von einander","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nZ. Radoslawow-Hadj i-Deiikow.\ndifferiren, dass der yon ihnen gebildete Unterschied in dasselbe f\u00e4llt, sich bei der Reproduction gegenseitig nicht st\u00f6ren werden, das hei\u00dft, dass das Erinnerungsbild oder die sinnliche Wahrnehmung der einen auf die Wiedererkennung oder Unterscheidung der anderen keinen beeintr\u00e4chtigenden Einfluss aus\u00fcben wird. Je \u00e4hnlicher dagegen die Vorstellungen sind, also je geringer der Unterschied zwischen den Distanzen ist, um so gr\u00f6\u00dfer wird die St\u00f6rung sein, um so eher wird eine Verwirrung und T\u00e4uschung des Ged\u00e4chtnisses f\u00fcr dieselben ein-treten. Letzteres aber wird nach unseren obigen Ausf\u00fchrungen nur hei Unterschieden der Fall sein, welche den von uns sogenannten mittleren entsprechen. So wird beispielsweise, wenn wir uns eine 5 cm lange Strecke merken und dann w\u00e4hrend einer l\u00e4ngeren Zeit auf eine mehrere Decimeter gro\u00dfe blicken \u2014 oder umgekehrt \u2014 der Vergleich zwischen der gemerkten und einer yon ihr wenig verschiedenen Distanz dadurch gar nicht alterirt werden \u2014 was wir ja im gew\u00f6hnlichen Lehen oft beobachten k\u00f6nnen \u2014; wohl aber wird dies der Fall sein, wenn wir inzwischen auf eine nur wenig verschiedene Distanz die Augen heften.\nGehen wir nun von diesem Gesichtspunkte aus, so k\u00f6nnen wir die Grenze des absoluten Ged\u00e4chtnisses finden, das hei\u00dft denjenigen Distanzunterschied ermitteln, hei welchem eine gegenseitige Beeinflussung des Ged\u00e4chtnisses f\u00fcr die betreffenden Distanzen gerade nicht mehr stattfindet. Dieser Unterschied wird dann mit der Grenze des absoluten Ged\u00e4chtnisses coincidiren. Distanzen, deren Differenz eine (relativ) kleinere Gr\u00f6\u00dfe auf weist, als er betr\u00e4gt, werden sich gegenseitig bei der Reproduction st\u00f6ren; hei solchen, die (relativ) um ein Gr\u00f6\u00dferes von einander verschieden sind, wird dies nicht der Fall sein.\nUnser gew\u00f6hnliches Verfahren heihehaltend, k\u00f6nnen wir nun dieses Princip experimentell anwenden und jenen gesuchten Grenzunterschied dadurch bestimmen, dass wir das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr die Normaldistanz w\u00e4hrend einer gewissen Zeit nach dem Merken und vor der Reproduction derselben \u2014 also nach unserem Verfahren w\u00e4hrend der Zwischenzeit \u2014 durch verschieden gro\u00dfe st\u00f6rende Distanzen \u2014 sie m\u00f6gen Zwischendistanzen genannt werden \u2014 beeinflussen, bis wir eine solche finden, welche gegen\u00fcber der gemerkten (normalen) um so viel gr\u00f6\u00dfer, respective kleiner ist, dass sie eine","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 395\nSt\u00f6rung der Beurtheilung der Vergleichsdistanz, welche ein Anwachsen oder Schwanken des Schwellenwerthes zur Folge haben w\u00fcrde, nicht mehr bewirkt.\nWenn wir nun bei constanter Zwischenzeit und Normaldistanz dem Auge solche st\u00f6rende Zwischendistanzen darbieten, welche von der objectiven Gleichheit mit der Normaldistanz aus stufenweise nach der positiven und der negativen Richtung hin variiren, das hei\u00dft immer gr\u00f6\u00dfer, beziehungsweise kleiner genommen werden, und hei einer jeden die Schwellenwerthe des oberen und des unteren Verlaufes nach dem bisher beobachteten Verfahren (das hei\u00dft so, dass der Vergleich zwischen der Vergleichsdistanz und dem Erinnerungsbild der vor der Zwischenzeit gemerkten Normaldistanz stattfindet) bestimmen, so wird sich f\u00fcr die Dauer der St\u00f6rung und den Zeitpunkt ihres Aufh\u00f6rens folgendes Bild der beiden Verl\u00e4ufe ergeben. Zun\u00e4chst werden, so lange der Unterschied zwischen der Normal- und der Zwischendistanz kleiner ist als der Grenzunterschied, und daher eine St\u00f6rung der Beurtheilung der Vergleichsdistanz stattfindet, die Schwellen aus ihrem urspr\u00fcnglichen (normalen) Stand (bei nicht ausgef\u00fcllter Zwischenzeit) heraustreten und bei dem Punkte wieder zu ihm zur\u00fcckkehren, wo jener Unterschied den Grenzunterschied erreicht und die St\u00f6rung verschwindet; sie werden dann weiterhin, wenn die Unterschiede zwischen Normal- und Zwischendistanz gr\u00f6\u00dfer (ged\u00e4chtniss-\u00fcbermerklich) werden, da eine St\u00f6rung dabei nicht platzgreift, dieselbe (die normale) Lage behalten. Dieses Verhalten der beiden Curven wird bei der Vergr\u00f6\u00dferung, ebensowohl wie bei der Verkleinerung der Zwischendistanz eintreten, und die so erhaltenen zwei Grenzunterschiede (einerseits zwischen der Normaldistanz und der vergr\u00f6\u00dferten Zwischendistanz und anderseits zwischen jener und der verkleinerten Zwischendistanz) werden die Grenze des absoluten Ged\u00e4chtnisses f\u00fcr die angewandte Normaldistanz darstellen und zwar \u2014 der oberen und der unteren Schwelle entsprechend \u2014 f\u00fcr Unterschiede, die sie mit gr\u00f6\u00dferen beziehungsweise mit kleineren Distanzen bildet. Wenn nun eine Distanz \u2014 etwa die Vergleichsdistanz \u2014 so gro\u00df (und gr\u00f6\u00dfer), respective so klein (und kleiner) ist, wie die Zwischendistanz bei diesen Grenzunterschieden, so wird sie von der normalen nach jeder Zeit unterschieden werden. Diejenigen Differenzen zwischen der (vergr\u00f6\u00dferten, beziehungsweise verkleinerten)","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nVergleichsdistanz und der Normaldistanz (und darum handelt es sich uns), welche diesen Grenzunterschieden gleichen oder sie an Gr\u00f6\u00dfe \u00fcbertreffen, fallen in das absolute Ged\u00e4chtniss und werden ge-d\u00e4chtniss\u00fcbermerklich, das hei\u00dft zu jeder Zeit erkennbar sein.\nAber die St\u00f6rung wird in zwiefacher Weise wirksam sein. Zun\u00e4chst wird sie sich darin kundgeben, dass das Erinnerungsbild der Normaldistanz durch die sinnliche Wahrnehmung der (sp\u00e4ter einwirkenden) Zwischendistanz verwischt wird. Die Folge davon wird sein, dass der Unterschied zwischen Normal- und Vergleichsdistanz, welche allein ja beurtheilt werden soll, gr\u00f6\u00dfer als unter den gew\u00f6hnlichen Bedingungen werden muss, damit er wahrgenommen wird, damit sich der Beobachter gewisserma\u00dfen, seiner T\u00e4uschung sich bewusst werdend, auf ihn besinnt. Zum zweiten wird ferner oft der Fall Vorkommen, dass eine Verwechslung der Normal- mit der Zwischendistanz eintreten wird, in Folge deren die letztere an die Stelle der ersteren treten und daher die Vergleichsdistanz nicht mit der vor der Zwischenzeit gemerkten normalen, sondern mit der w\u00e4hrend der Zwischenzeit und unmittelbar vor dem Vergleich noch einwirkenden Zwischendistanz vom Beobachter in Beziehung gebracht und verglichen wird, so dass dabei die Wirkung der Zwischenzeit schwindet und der Vergleich (ich verstehe den zwischen Vergleichs-und Zwischendistanz) ein unmittelbarer wird. In diesen F\u00e4llen wird sich in Folge dessen der Schwellenwerth nicht nach dem wahrgenommenen Unterschied zwischen der Vergleichsdistanz und der normalen, sondern zwischen jener und der Zwischendistanz bemessen und, da der Einfluss einer Zwischenzeit dabei ausf\u00e4llt und der Vergleich ein unmittelbarer ist, die Gr\u00f6\u00dfe der ebenmerklichen Differenz zwischen den beiden letztgenannten Distanzen aufweisen.\nDiese beiden Wirkungsweisen der St\u00f6rung werden aber bei der Vergr\u00f6\u00dferung und bei der Verkleinerung der Zwischendistanz, bei der oberen und bei der unteren Schwelle verschieden zur Geltung kommen und den Verlauf derselben verschieden gestalten. Ist n\u00e4mlich die Zwischendistanz der normalen gleich (bei 0 \u2014 in der Mitte \u2014 der folgenden Tabellen und Curven), so wird nur der zweite st\u00f6rende Umstand (Verwechslung von Normal- und Zwischendistanz) wirksam sein, und beide Schwellen werden den f\u00fcr das betreffende Augenma\u00df ebenmerklichen Unterschied auf weisen. Wird die Zwischen-","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 397\ndistanz gr\u00f6\u00dfer, so wird die Schwelle, da beide st\u00f6rende Factoren sie emportreiben, steigen, und da ferner in vielen Einzelbestimmungen f\u00fcr das definitive Urtbeil haupts\u00e4chlich die Verwechslung ma\u00dfgebend sein wird, so wird der Schwellenwerth im weiteren Verlauf mit der Zunahme der Zwischendistanz wachsen, weil doch die Vergleichsdistanz die immer gr\u00f6\u00dfer werdende Zwischendistanz an Gr\u00f6\u00dfe \u00fcbertreffen muss, damit das Urtheil \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab, welches ja erzielt werden soll, erfolgt1).\nDie untere Schwelle wird aber nur durch den ersten st\u00f6renden Umstand (Verwischung des Erinnerungsbildes der Normaldistanz) zum Steigen gebracht werden. Dagegen wird das zweite Moment (Verwechslung) der Unterscheidungsf\u00e4higkeit zu gute kommen, das hei\u00dft, es wird den Schwellenwerth verkleinern: denn es wird jeder Unterschied zwischen der verkleinerten Vergleichsdistanz und der gr\u00f6\u00dferen und immer gr\u00f6\u00dfer werdenden Zwischendistanz in Anbetracht des fehlenden Einflusses einer Zwischenzeit wahrgenommen werden. Der Verlauf der unteren Schwelle bei der Vergr\u00f6\u00dferung der Zwischendistanz wird dann folgendes Bild zeigen. Die Schwelle wird, da die Wirkungen beider Momente sich gleichsam paralysiren, im allgemeinen unver\u00e4ndert bleiben ; oder sie wird, falls jenes nicht im vollsten Ma\u00dfe der Fall ist, neben einer durch den Verwischungsfactor bewirkten Tendenz in die H\u00f6he zu steigen (was auch in den Versuchen \u2014 siehe unten \u2014 namentlich hei M\u00f6bius deutlich zu bemerken ist), da\n1) Dabei werden viele \u00bbfalsche\u00ab Urtheile Vorkommen, aus dem Grunde n\u00e4mlich, weil, wenn die Zwischendistanz erheblich zugenommen hat, die ersten (vergr\u00f6\u00dferten) Vergleichsdistanzen noch immer kleiner sein werden als sie und daher im Falle die Zwischendistanz durch Verwechslung an Stelle der normalen tritt) als \u00bbkleiner\u00ab werden beurtheilt werden (solche falsche Urtheile kommen in den betreffenden Protocollen massenhaft vor, ein Beweis, dass die Verwechslung thats\u00e4chlich oft stattgefunden hat). Das angestrebte Urtheil \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab, dem mehrere Gleichheitsurtheile vorangehen werden, wird, wie oben bemerkt, in solchen Pallen der Verwechslung abgegeben werden k\u00f6nnen, nachdem die Vergleichsdistanz merklich gr\u00f6\u00dfer geworden ist als die Zwischendistanz. Dass der durchschnittliche Schwellenwerth der Tabellen kleiner ist als der Unterschied von der Normal- und der betreffenden Zwischendistanz, ist ja eben daraus zu erkl\u00e4ren, dass die Verwechslung nicht bei allen Einzelbestimmungen ausschlaggebend gewesen ist, sondern dass oft auch kleinere Werthe und zum Theil richtige (im Sinne der normalen Bedingungen) definitive Urtheile erzielt worden sind (daher die gro\u00dfe mittlere Variation).","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nZ. Radoslavvow-Hadji-Detikow.\ndie Verwechslung \u00f6fter stattzufinden scheint, unter das f\u00fcr die angewandte constante Zwischenzeit normale Niveau sinken und zum Theil einen der oberen Schwelle (im Spiegelbild) entgegengesetzten Verlauf nehmen.\nDasselbe Bild werden die beiden Verl\u00e4ufe hei der Verkleinerung der Zwischendistanz darbieten; nur werden sie ihre Pl\u00e4tze vertauschen, so dass bei dem Punkte 0 eine Kreuzung der Curven stattfindet. Es wird dabei eine Umkehrung der oben beschriebenen Verh\u00e4ltnisse eintreten.\nWie weit dies in Wirklichkeit zutrifft, l\u00e4sst sich aus den in Tabellen XIII und XIV enthaltenen Versuchen und den dieselben graphisch darstellenden Curven in Figur 5 ersehen.\nDie Untersuchungen wurden an den Herren Seyfert und M\u00f6bius vorgenommen. Die Zwischendistanzen waren auf wei\u00dfen Cartons angebracht, welche genau die Gr\u00f6\u00dfe und die Form des Papierausschnittes besa\u00dfen, der das Sehfeld auf der Glasscheibe des Versuchsapparates begrenzte (vergl. S. 325 und Figur 2, S. 324), und welche, auf einem St\u00e4nder befestigt, genau an die Stelle des Papieraus-schnittes gebracht werden konnten, so dass die in der Mitte des Cartons befindliche Zwischendistanz an denselben Ort wie die Normal- beziehungsweise Vergleichsdistanz zu stehen kam1). Dies hatte zur Folge, dass das Sehfeld seiner Form und das Versuchsobject seinem Orte nach gegen\u00fcber dem Beobachter immer gleich blieben. Beabsichtigt wurde durch diese beiden Ma\u00dfnahmen die Elimination st\u00f6render Nebenbedingungen, welche die ver\u00e4nderte Form des Sehfeldes, sowie die Augenbewegungen begleiten, die eintreten w\u00fcrden, wenn der Ort der Zwischendistanz von dem der Normal- und Vergleichsdistanz ein verschiedener w\u00e4re. Nachdem der Beobachter das Zeichen gegeben hatte, dass er die Normaldistanz gemerkt habe, wurde sogleich der Carton mit der Zwischendistanz vor das Sehfeld, dicht an den Apparat gesetzt; nach verstrichener Zwischenzeit, w\u00e4h-\n1) Die Zwischendistanzen an dem Apparat selbst durch Ver\u00e4nderung der Normaldistanz (also mit denselben Punkten) herzustellen, was gewisse Vortheile geboten h\u00e4tte, war nicht thunlich: au\u00dfer den dabei zu erwartenden unberechenbaren Beziehungen, w\u00fcrden die dazu n\u00f6thigen verschiedenen Einstellungen, welche \u00fcbrigens viel l\u00e4ngere Zeiten erfordert h\u00e4tten, als das von uns eingeschlagene Verfahren, den ganzen Vorgang au\u00dferordentlich complicirt haben.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Normaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,5 mm. Constante Zwischenzeit 10\".\nUntersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 399\ngeschl. Augen\t0,80\to\t0,50\t0,30\t10\t0,85\t1,50\t0,50\t0,35\tO\n+\t0,80\to\t0,50\t0,21\to\t0,80\t1,50\t0,50\t0,30\t10\n+3,5\t0,80\t1,50\t0,50\tTji CS o'\t10\t0,90\t1,50\t0,50\t0,24\t10\nCO +\t0,85\t1,50\t0,50\t0,28\t10\t0,80\to\t0,50\t0,24\t10\n+2,5\t0,75\t1,00\t0,50\t0,25\t10\t0,90\t1,00\t0,50\tCO o'\to T\u2014t\nCS +\t1,30\t2,00\t1,00\t0,20\tO\t0,70\tO\t0,50\t0,24\tO\n+1,5\t1,30\t2,00\t0,50\t0,34\t10\t0,80\t\u00ae \\d\t0,50\t0,30\tO\n+\t1,20\t1,50\t1,00\t0,24\t10\t0,85\t1,00\t0,50\tcs^ o'\tO\n+0,5\t1,00\t1,50\t0,50\t0,20\to\t0,80\t1,00\t0,50\t0,24\tO\nO +\t0,75\t1,00\t0,50\t0,25\tO\t0,80\t1,00\t0,50\t0,24\to\n\u20140,5\t0,60\t1,00\t0,50\t0,16 1\to\t1,00\t1,50\t0,50\to,io ! i\t\u00ae\n1 1\t0,60\t1,00\t0,50\t0,16\to tH\t1,20\t2,00\t0,50\t0,34\to\n-1,5\t0,60\t1,00\t0,50\t0,16\to\t1,10\t1,50\t1,00\t0,24\to\nCS 1\t0,75\t1,50\t0,50\t0,30\t10\t1,10\tO T\u20141\t0,50\t0,36\to\ncs~ 1\t0,80\t1,50\t0,50\t0,36\to\t0,90\t1,50\t0,50\t0,24\to\nco 1\t0,70\to \u00bbo T\u20141\t0,50\t0,32\t10\t0,90\tO tH\t0,50\t0,32\to\n-3,5\t0,80\to\t0,50\t0,30\to\t08*0\t1,00\t0,50\t0,24\to\n1\t0,90\t1,00\t0,50\t0,16\t10\t0,80\t1,00\t0,50\t0,24\t10\nZwischendistanz 30 mm\tA. M. in mm\tMax.\tMin.\tM. Y. in mm\tVersuchszahl\tA. M. in mm\tMax.\tMin.\tM. V. in mm\tYersuchszahl\n\tm 6\t\t\t\t\tu. S.\t\t\t\t\nWundt, Philos. Studien. XV.\n27","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nrend welcher der Beobachter unverwandt auf die Zwischendistanz zu blicken hatte, wurde der Carton weggenommen und die inzwischen eingestellte Vergleichsdistanz gezeigt. Dabei wurde dem Beobachter\nTabelle XIV.\nMoebius.\nNormaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,5 mm. Constante Zwischenzeit 3\".\n\tZwischendistanz 30 mm\t\u2014 2\t-1,5\t\u2014 1\t\u20140,5\t+ 0\t-+-0,5\t+ 1\t+1,5\t+ 2\tgeschl. Augen\no. S.\tA. M. in mm\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,80\t0,90\t0,70\t0,60\t0,60\n\tMax.\t0,50\t1,00\t0,50\t0,50\t0,50\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\n\tMin.\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\n\tM. V. in mm\t0,00\t0,00\t0,00\t0,00\t0,00\t0,24\t0,16\t0,24\t0,16\t0,16\n\tVersuchszahl\t5\t5\t5\t5\t5\t5\t5\t5\t5\t10\nu. S.\tA. M. in mm\t0,50\t0,60\t0,80\t0,80\t0,60\t0,50\t0,50\t0,50\t0,60\t| 0,55\n\tMax.\t0,50\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t0,50\t0,50\t0,50\t1,00\t1,00\n\tMin.\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\tI 0,50\n\tM. V. in mm\t0,00\t0,16\t0,24\t0,24\t0,16\t0,00\t0,00\t0,00\t0,16\tI 0,09\n\tVersuchszahl\t5\t5\t5\t5\t5\t5\t5\t5\t5\t10\nimmer wieder eingesch\u00e4rft, die Beurtheilung der Vergleichsdistanz nicht im Vergleich mit der Zwischen-, sondern mit der gemerkten Xormaldistanz zu bewerkstelligen.\nDie Versuchsergebnisse lassen das oben beschriebene Verhalten der beiden Verl\u00e4ufe ziemlich deutlich erkennen; vor allem aber trifft der Umstand zu, dass, nachdem der Unterschied zwischen Normal-und Zwischendistanz eine gewisse Gr\u00f6\u00dfe erreicht hat, die Schwellen zu ihrer f\u00fcr die betreffende Person und Zwischenzeit normalen H\u00f6he zur\u00fcckkehren, dass also eine St\u00f6rung bei dieser und noch gr\u00f6\u00dferen Differenzen nicht mehr ' stattfindet. Diese Unterschiede fallen somit in das absolute Ged\u00e4chtniss und k\u00f6nnen nach jeder Zwischenzeit erkannt werden. Sie betragen bei der\nVergr\u00f6\u00dferung der Zwischendistanz Verkleinerung der Zwischendistanz\nhei Seyfert\t2,5 mm\t2 mm (bis 2,5 mm)\nhei Moebius\t2 mm\t1,5 mm (bis 2 mm)","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 401\na\nSeyfert\n- * -3S -3 -23 -2 -tS-1 -OS 0+0$ +1 +1S +2 +2S+2+3S +\u00ef UJT.Z.\nb\tc\nmm\tMoebius\tMoebius\n-2 -IS -1 -05 O *0'S *1 *15 *2im.Z.\n-2-1S -1 -05 O *05\t*15 *2 U.X.Z.\nFig. 5.\nU. N. Z. Unterschied der (30 mm gro\u00dfen) Normaldistanz und der Zwischendistanz.\n*\nWie aus diesen Zahlen zu sehen ist, sind diese Unterschiede \u2014 welche selbstredend nur ungef\u00e4hre Gr\u00f6\u00dfen sein k\u00f6nnen (vergl. unten) und auch hier als solche erscheinen, um so mehr, als die Zwischendistanz nicht continuirlich ver\u00e4ndert wurde \u2014 hei der Verkleinerung der Zwischendistanz kleiner als bei der Vergr\u00f6\u00dferung derselben (vergl. die Curven in Figur 5), namentlich bei M\u00f6bius, wo der Grenzunterschied (Figur 5h und auch hei den sp\u00e4teren Versuchen, c der Figur, siehe unten) hier 2 mm, dort aber 1,5 mm betr\u00e4gt; auch hei Seyfert (Figur 5a) beginnen die zwei Curven bei der Verkleinerung der Zwischendistanz schon bei 2 mm sich einander (dem normalen Niveau) zu n\u00e4hern, w\u00e4hrend sie hei der Vergr\u00f6\u00dferung derselben erst bei einer Zwischendistanz von 32,5 mm, also bei einem Unterschied von 2,5 mm, ihre urspr\u00fcngliche Lage wieder einnehmen. Da der Grenzunterschied ein relativer ist (vergl. unten), so muss er ja bei kleineren Distanzen (hier Normal- und verkleinerter Zwischendistanz) kleiner sein als hei gr\u00f6\u00dferen (Normal- und vergr\u00f6\u00dferter Zwischendistanz). Der Grenz- und der erste ged\u00e4chtniss\u00fcbermerkliche\n27*","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nUnterschied hei der unteren Schwelle, welche ja immer kleiner ist als die obere, muss daher ebenfalls kleiner sein (vergl. oben S. 353 f. und weiter unten). Die Schwellen verlaufen (siehe die Curve hei Seyfert), nachdem der Grenzunterschied \u00fcberschritten worden ist, nicht geradlinig, sondern weisen noch vielfach Schwankungen auf; dies zeigt, dass, in so weit diese Schwankungen nicht aus anderen Nebenbedingungen resultiren, die St\u00f6rung in abgeschw\u00e4chtem Ma\u00dfe hin und wieder noch zur Wirkung kommt. \u2014 Die untere Schwelle, welche auch hier, wie bei allen anderen Versuchen, viel unregelm\u00e4\u00dfiger verl\u00e4uft als die obere, hat, dem \u00fcberall zu Tage tretenden Thatbe-stand entsprechend, kleinere Werthe als diese1).\nWenn die (constante) Zwischenzeit gr\u00f6\u00dfer genommen wird, m\u00fcssen die Schwellenwerthe \u2014 gem\u00e4\u00df dem in Abschnitt EU, A 1 aufgestellten Gesetze f\u00fcr die Ver\u00e4nderung der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe mit der Zeit, und weil hei einer l\u00e4ngeren Zwischendistanz die durch die Zwischendistanz verursachte St\u00f6rung (und zwar kommt hier nur die Verwischung in Betracht) gr\u00f6\u00dfer sein wird \u2014 gr\u00f6\u00dfer ausfallen; die Grenzunterschiede aber werden bei derselben Person und demselben Grad der Uehung dieselben bleiben.\nAus den in Tabelle XV und Figur 5 c dargestellten Versuchen, welche ich mit M\u00f6bius bei gleicher Normaldistanz, aber einer erheblich gr\u00f6\u00dferen (20\") Zwischenzeit als bei den fr\u00fcheren (in Tabelle XIV, Figur 5 b enthaltenen, wo diese nur 3 Secunden betrug) angestellt habe, geht auch letzteres wirklich hervor: die Grenzunterschiede weisen dieselbe Gr\u00f6\u00dfe wie bei diesen auf, und zwar 2 mm bei der Vergr\u00f6\u00dferung und 1,5 mm bei der Verkleinerung der Zwischendistanz. Was den ersteren Umstand, die Schwellenwerthe anbelangt, so sind sie gegen Erwarten durch die gr\u00f6\u00dfere Zwischenzeit nicht gewachsen; dies ist sicher durch die bedeutende Augenma\u00df- und Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe dieses Beobachters zu erkl\u00e4ren, f\u00fcr welche der Zeitunterschied von 17 Secunden eben keinen Einfluss auf die Unterscheidungsf\u00e4higkeit auszu\u00fcben scheint.\n1) Bei den sonstigen Versuchen mit Seyfert und Moebius ist das Umgekehrte der Fall (vergl. unten \u00a7 5); es ist dazu hier zur Vorerinnerung festzustellen, dass die Beobachter in der Zwischenzeit, die Zwischendistanz anblickend, die Augen in gleicher H\u00f6he hielten, wie bei der Betrachtung der Vergleichsdistanz.","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 403\nTabelle XV.\nMoebius.\nNormaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,5 mm. Constante Zwischenzeit 20\".\n\tZwischen-distanz 30 mm\t\u2014 2\t-1,5\t\u2014 1\to' 1\t+ 0\t+0,5\t+ 1\t+1,5\t+ 2\tgeschl. Augen\n\tA. M. in mm\t0,50\t0,50\t0,58\t0,50\t0,50\t0,66\t0,83\t0,83\t0,58\t0,66\n\tMax.\t0,50\t0,50\t1,00\t0,50\t0,50\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\n0. S.\tMin.\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\n\tM. Y. in mm\t0,00\t0,00\t0,14\t0,00\t0,00\t0,22\t0,22\t0,22\t0,14\t0,22\n\tVersuchszahl\t6\t6\t6\t6\t6\t6\t6\t6\t6\t6\n\tA. M. in mm\t0,58\t0,50\t0,83\t0,66\t0,50\t0,50\t0,66\t0,50\t0,66\t0,58\n\tMax.\t1,00\t0,50\t1,00\t1,00\t0,50\t0,50\t1,00\t0,50\t1,00\t1,00\nu. S.\tMin.\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\n\tM. Y. in mm\tcT\t0,00\t0,22\t0,22\t0,00\t0,00\t0,22\t0,00\t0,22\t0,14\n\tyersuchszahl\t6\t6\t6\t6\t6\t6\t6\t6\t6\t6\nDie in diesen Experimenten gefundenen Grenzunterschiede stimmen nun, wie wir oben S. 393 vermutheten, mit den aus den Versuchen mit mehreren Tagen Zwischenzeit (oben S. 343 f.) sich ergebenden Werthen ziemlich \u00fcberein. Bei Seyfert (mit M\u00f6bius wurden solche Versuche nicht gemacht) werden nach einer Zwischenzeit von gew\u00f6hnlich zwei bis drei Tagen bei der Vergr\u00f6\u00dferung der Vergleichsdistanz die Unterschiede bis 1,5 mm theils richtig, theils falsch (\u00fcber die Beurtheilung der Gleichheit und der kleinsten Differenzen siehe die Angaben oben S. 388 f.), von 2 bis 3 mm aber durchwegs richtig beurtheilt; bei der Verkleinerung tritt dasselbe ein (kleinere Werthe, die hier zu erwarten w\u00e4ren, kommen wegen der geringen Versuchszahl nur vereinzelt vor); nach einem Zeitintervall von drei Wochen (Weihnachtsferien) wurde bei der Vergr\u00f6\u00dferung der Vergleichsdistanz noch die Differenz von 3 mm erkannt.\nBei den anderen Beobachtern (die Angaben f\u00fcr Tyszko bei einer Normaldistanz von 40 mm befinden sich auf S. 344) ergaben diese Versuche folgende Werthe:","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nbei einer Nor- Vergr\u00f6\u00dferung der maldistanz von V ergleichsdistanz\nVerkleinerung der Vergleiehsdistanz\nJasper\t30 mm\t1,5 bis 2 mm\nWeinmann\t50 mm\t4 mm\n1,5 bis 2 mm 3 mm (sehr schwankend)\nMeumann 25 mm 1 mm (unsicher) 1 mm (unsicher)\nJasper hezeichnete nach 3 Wochen einen Unterschied von + 2 mm als unbestimmt, aber jedenfalls nicht kleiner, und (nach anderen 3 Wochen) einen solchen von + 3 mm richtig als gr\u00f6\u00dfer.\nDas \u00bbideale\u00ab Ged\u00e4chtniss w\u00fcrde, wenn es \u00fcberhaupt m\u00f6glich w\u00e4re, nat\u00fcrlich keine von dem hier sogenannten \u00bbabsoluten\u00ab specifisch verschiedene Art des Ged\u00e4chtnisses sein; vielmehr w\u00e4re es als eine feinere Ausbildung des letzteren anzusehen, so dass zwischen beiden Abstufungen der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe angenommen werden k\u00f6nnen, die freilich, je nach der individuellen Anlage, dem Augenma\u00df und sonstigen Umst\u00e4nden f\u00fcr die verschiedenen Individuen verschiedene sein werden, daher die Grenze des absoluten Ged\u00e4chtnisses nicht bei allen und nicht bei demselben Individuum zu jeder Zeit die gleiche sein kann; letzteres haupts\u00e4chlich wegen der Uebung. Die oben angef\u00fchrten Grenzunterschiede sind auch in der That bei den zwei Beobachtern verschieden. Je gr\u00f6\u00dfer die Ged\u00e4chtniss- und Augenma\u00dfsch\u00e4rfe ist, um so kleiner werden die in das Gebiet des absoluten Ged\u00e4chtnisses fallenden Unterschiede sein. So ist es bei M\u00f6bius, der ein au\u00dferordentlich scharfes Augenma\u00df und ein sehr gutes Ged\u00e4chtniss hat1).\nWas die Uebung anbelangt, so ist es zweifellos, dass durch sie eine gr\u00f6\u00dfere Ann\u00e4herung an das ideale Ged\u00e4chtniss m\u00f6glich ist, wie ja \u00fcberhaupt der Einfluss derselben, der bei unseren Versuchen zu Tage getreten ist, au\u00dfer in der Ausbildung eines feineren Augenma\u00dfes, haupts\u00e4chlich in diesem Sinne sich zu erkennen gibt. Wenn wir im Vorstehenden von einer beliebig langen, \u00fcbergro\u00dfen oder unendlich langen Zeit sprachen, so meinen wir selbstverst\u00e4ndlich Zeiten, f\u00fcr welche derselbe Grad der Uebung besteht, so dass die Grenzunterschiede mit diesem sich ver\u00e4ndern werden, indem diejenigen Differenzen, die f\u00fcr \u00bbimmer\u00ab erkannt werden, um so geringer sein\n1) Herr Moebius, eine sehr receptive Pers\u00f6nlichkeit, hat auch ein auffallend gutes und sicheres Ged\u00e4chtniss f\u00fcr Tonh\u00f6hen.","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 405\nk\u00f6nnen, je gr\u00f6\u00dfer die Uebung ist, und umgekehrt, dass sie immer gr\u00f6\u00dfer werden m\u00fcssen, je mehr diese abnimmt (vergl. den folgenden Paragraphen); bei einem constanten Uebungsgrad werden daher die G-renzunterschiede dieselben sein; die Zwischenzeit wird also keinen Einfluss auf die Grenze des absoluten Ged\u00e4chtnisses aus\u00fcben, so lange sie ihrer Gr\u00f6\u00dfe nach in die Zeit f\u00e4llt, w\u00e4hrend welcher die Uebung andauert.\nDie Grenzunterschiede werden aber selbstredend dem Web ersehen Gesetze gem\u00e4\u00df und innerhalb seiner Grenzen keine absoluten, sondern relative Gr\u00f6\u00dfen sein; dieses besonders festzustellen, war mir jedoch nicht m\u00f6glich, da die Versuche mit einer und derselben Versuchs^ person gemacht werden m\u00fcssten, und mir eine solche f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit nicht zur Verf\u00fcgung stand (vergl. \u00fcbrigens oben S. 345 f.).\nAuch auf den anderen Sinnesgebieten, z. B. beim Geh\u00f6rssinn ist ein absolutes Ged\u00e4chtniss vorhanden. Gro\u00dfe Tonh\u00f6henunterschiede, auch wenn die T\u00f6ne von derselben Klangquelle kommen, so dass ein Einfluss der Klangfarbe auf die Keproduction nicht stattfinden kann, k\u00f6nnen nach langer Zeit erkannt werden; ebenfalls Tonintensit\u00e4ten. Bei Wolfe\u2019s Versuchen (vergl. S. 319) kommt das absolute Ged\u00e4chtniss naturgem\u00e4\u00df nicht zum Ausdruck, da sie nicht nach der Methode der Minimal\u00e4nderungen gemacht wurden. Es wurde n\u00e4mlich bei ihnen, ebenso wie bei unseren nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle ausgef\u00fchrten Versuchen nicht der Unterschied vergr\u00f6\u00dfert, bis er erkannt wurde (in welchem Falle er in einen ged\u00e4cht-niss\u00fcbermerklichen \u00fcbergegangen w\u00e4re), sondern die Untersuchungen gingen dahin, den Einfluss der Zeit auf die Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe f\u00fcr einen bestimmten, constanten Unterschied zu ermitteln, so dass wir von einer oberen Grenze der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe in dem schon bekannten Sinne nicht sprechen k\u00f6nnen. In den Versuchen nach der Methode der Minimal\u00e4nderungen gelangt der Verlauf zu einem ge-d\u00e4chtniss\u00fcbermerklichen Unterschied, welcher f\u00fcr immer erkannt wird, nach der anderen Methode wird dagegen ein Zeitintervall erreicht, von wo ab ein constanter Unterschied f\u00fcr immer nicht mehr erkannt wird; dort wird der Verlauf durch den \u00fcbergro\u00dfen Unterschied, hier durch die \u00fcbergro\u00dfe Zwischenzeit limitirt.","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\n3. Die Uebung.\nNeben einer \u00e4u\u00dferen, allgemeinen Anpassung an die Versuchsbedingungen, welche in dem schon kurze Zeit nach Beginn der Versuche sich einstellenden gleichm\u00e4\u00dfigen Reagiren bei den Experimenten zu Tage tritt, findet auch eine wirkliche Uebung in den an den Versuchen betheiligten Functionen, selbst statt. In dieser Beziehung m\u00fcssen wir annehmen, dass die Uebung haupts\u00e4chlich in doppelter Hinsicht zur Geltung kommt: erstens, indem sie eine Erh\u00f6hung der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe, und zweitens, insofern sie die Ausbildung eines feineren Augenma\u00dfes bewirkt.\nWelches Ma\u00df jedoch dem Einfl\u00fcsse einer jeden dieser zwei Wirkungsweisen der Uebung auf den Verlauf der Ged\u00e4chtnissschwelle zukommt, d. h., welche Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten und Eigenth\u00fcmlichkeiten der Curven dem Gang der Ged\u00e4chtnis\u00fcbung, welche demjenigen der Augenma\u00df\u00fcbung zuzuschreiben sind, ist aus den Versuchs.ergebnissen schwer zu entscheiden, wie wir ebenfalls nicht im Stande sind, diese zwei Vorg\u00e4nge in ihrem getrennten Verlauf zu verfolgen. Im allgemeinen m\u00f6chte ich jedoch annehmen, dass die Uebung des Ged\u00e4chtnisses schneller vor sich geht, sich fr\u00fcher einstellt, aber auch leichter wieder verloren geht als die des Augenma\u00dfes, und dass sie w\u00e4hrend der ganzen \u00fcbrigen Versuchszeit (im Falle das Experimentiren nicht f\u00fcr l\u00e4ngere Zeiten unterbrochen wird) mehr oder weniger constant bleibt; wogegen die letztere sp\u00e4ter eintritt und w\u00e4hrend der \u00fcbrigen Zeit \u2014 obgleich in geringem Ma\u00dfe \u2014 fortschreitend w\u00e4chst. Weiter scheint die durch die Uebung des Ged\u00e4chtnisses bewirkte gr\u00f6\u00dfere Sch\u00e4rfe desselben in h\u00f6herem Grade den Gegenwirkungen der anderen, st\u00f6renden Nebenbedingungen \u2014 namentlich der Erm\u00fcdung \u2014 ausgesetzt zu sein, als diejenige des Augenma\u00dfes, welche ihrerseits mehr durch den Einfluss der Aufmerksamkeit alterirt erscheint.\nSchon am Schl\u00fcsse des ersten Versuchstages sinkt die Schwelle im Verh\u00e4ltniss zum Anfang bedeutend; am zweiten, sp\u00e4testens am dritten wird sie mehr oder weniger constant. Da ich, wie fr\u00fcher bemerkt, mit allen Versuchspersonen vor Anfang der eigentlichen Untersuchungen mehrere Vorversuche machte, um einen gewissen Grad der Uebung zu erreichen, so kommen die nacktheiligen Wirkungen einer noch fehlenden Uebung nicht so sehr in Betracht; ganz","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes.- 407\neliminiren lassen sie sich jedoch nicht, weil diese, wie ich oben angef\u00fchrt habe, w\u00e4hrend der ganzen Versuchszeit fortzuschreiten scheint.\nWenn wir den Unterschied zwischen Ged\u00e4chtniss- und Augen-ma\u00df\u00fcbung hei Seite lassen, so k\u00f6nnen in Betreff der Uebung \u00fcberhaupt folgende Daten angef\u00fchrt werden. Die Wirkung der Uebung auf den Verlauf der Curven habe ich oben, Abschnitt III A 2 er\u00f6rtert. Am deutlichsten kommt sie bei Tyszko und Franz zum Ausdruck; hei diesem liegen n\u00e4mlich die Schwellen der kleinsten Zwischenzeiten sehr hoch, scheinbar au\u00dferhalb des normalen Verlaufes, desgleichen diejenigen der gr\u00f6\u00dften Zeitintervalle bei Tyszko, eine Erscheinung, die sich eben dadurch erkl\u00e4rt, dass die Untersuchungen dort mit den kleinsten, hier aber mit den gr\u00f6\u00dften Zwischenzeiten begannen. Am deutlichsten sieht man den Einfluss der Uebung auf den Verlauf der Ged\u00e4chtnissschwelle aus den in Tabelle XVI angef\u00fchrten Zahlen und den dieselben veranschaulichenden Curven in Fig. 6. Dieselben stellen die Schwellenwerthe der beiden Versuchsserien hei Tyszko getrennt dar.\nMan sieht daraus, dass in der ersten (aus 15 Einzelbestimmungen f\u00fcr jede Schwelle bestehenden) Serie, welche mit der gr\u00f6\u00dften Zwischenzeit begonnen wurde, die Schwellenwerthe f\u00fcr dieses und die n\u00e4chstfolgenden Zeitintervalle bedeutend gr\u00f6\u00dfer sind, als hei der zweiten, sp\u00e4ter ausgef\u00fchrten (aus je 5 Einzelhestimmungen f\u00fcr die Schwelle bestehenden), welche mit den kleinsten Zwischenzeiten angefangen wurde. Erst hei den kleinsten Intervallen, nachdem die Uebung schon sehr fortgeschritten war, und die bei diesen Zwischenzeiten obwaltende gr\u00f6\u00dfere Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe der Schwelle engere Grenzen zog, kommen die Verl\u00e4ufe beider Serien zur theilweisen gegenseitigen Deckung (in der Figur 6 sind die Curven der ersten Serie am rechten Ende mit I, die der zweiten mit II bezeichnet1).\n1) Sehr lehrreich ist der Vergleich der Zahlen und Curven der zweiten Serie bei Tyszko, die wir hier angef\u00fchrt haben, mit den folgenden mit Moebius gemachten Versuchen (vergl. ihre graphische Darstellung auf Tafel II). \"W\u00e4hrend hier die Schwelle bei einer constanten Zwischenzeit und zwar bei einem noch unge\u00fcbten Beobachter fast \u00fcberall dieselben Werthe aufweist und geradlinig verl\u00e4uft, zeigen dort die Curven nach einer Uebung, die auf nahezu 2000 Einzelversuchen beruhte, noch immer das bekannte Bild des Verlaufes der Ged\u00e4chtnissschwelle bei ver\u00e4nderter Zwischenzeit, \u2014 ein guter Beweis f\u00fcr die thats\u00e4chliche Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit dieses Verlaufes und die Richtigkeit der Versuche (vergl. oben \u00bbideales Ged\u00e4chtniss\u00ab).","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\n\u00ef>\nM\n\u00ae\nc3\nH\n\t\t\t\tkO\tkO\t\to\t\nO CO\t\u00ab\tiO\t\t\tcq o'\tkO\tq o'\tkO\n\t\t\t\tkO\t\u00bbo\t\tkO\t\nO \u00e0O\tcq\t15\t\t\to*'\t\u00eeo\tkO o'\tkO\n\t\t\t\t15\t\u00bbo\t\tkO\t\nO\t\tkO\to^\t\tcq o'\t\u00abo\tkO cT\tkO\n\t\t\t\tU0 T\u20141\to\t\tkO\t\nO CO\tcq cT\t\u00bbC\tcq o\"\t\tq o~\tkO\tcq o'\tu0\n\t\t\t\tkO\to\t\to\t\nO <M\tcT\t*o\tt\u2014 cT\t\tcq cT\tkO\tq o~\tkO\n\t\t\to\t\u00ceO\t\u00bbo\t\to\t\nO IM\t\u00bb cT\tkO\t\u00abq o'\t\tkq cT\tkO\tq o\u2019'\tkO\n\t\t\to\tkO\to\t\tkO\t\n\u00eeb\t\t*o\ttq\t\tcq\tkO\tq\tkO\n\to\t\to\t\to\t\t\t\n\t\t\t\tkO T\u20141\tkO\t\tkO\t\ne^T\tcq cT\t\u00eeo\tcq cT\t\tkq o*'\tiO\tq cT\tkO\n\t\t\tCO\tkO\to\t\to\t\nO\t\t\t>o\t\tkO\tkO\tq\tkO\n\tO\t\to\t\to\t\to\t\n\t\tO\tGO\tkO\to\t\tko\t\n\tkq\t\t-q\t\t\u00abq\tkO\t\u00bbq\tko\nt-\tO\t\t\t\to\t\t\t\n\t\t\t<M\tlO\tkO\t\tkO\t\n\u00eeb\tCO\t\tq\t\t\u00ab\tkO\tcq\tkO\n\tO\t\tO\t\to\t\t\t\n\t\t\tO\tkO\tkO\t\tO\t\nIb\t<M\t\tCO\t\t(M\tkO\tCO\tko\n<M\tO\t\to\t\to\t\to\t\n\t\t\to\tiio\to\t\to\t\n\t\t\tm\t\tkO\tkO\t\tkO\ntH\tcT\tT\u20141\tG>\tTH\to'\t\tcT\t\n\ts\t3\ta\t3\ta\t3\tB\t3\n\u00a7 O rd\ta\tc\u00f4\ta\t\ta\tCB\ta\tc\u00f4 N\n\t.3\tGO rd O\t.3\tCO rd O\t#d\tCO \u2022S\t.3\t4\n\u00fc 02 'S N\ta\td s\ta\td CO H\ta\td CQ\ta\tg u\n\t\u00abi\t\u00a3\t\ta\t\u25c4\t\u00ee>\t<\t>\n\tcd\t\tcd\t\tcd\t\tcd\t\n\t\t6\t\td\t\t6\t\td\n\t\t\to\t\t\t\t03\t\n\t\tM\t*C o\t\t\ta\t\u2022\u00df 03\t\n\t\t\tm\t\t\t\tCO\t","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 409\n/\u2014\nrts\" s\" w to' as\u2019 15'\nDie in Tabelle XVII verzeichneten Versuche mit M\u00f6bius (sie waren die ersten von allen mit diesem Beobachter ausgef\u00fchrten) wurden speciell zur Untersuchung des Uebungsverlaufes vorgenommen.\nTabelle XVII.\nMoebius.\nNormaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,5 mm. Constante Zwischenzeit 10\".\n\tDifferenz der Tage\t1\t1\t1\t2\t3\t4\t5\t6\t7.\t1<\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tTag\t1.\t2.\t3.\t4.\t6.\t9.\t13.\t18.\t24.\t31.\t47.\n0. S.\tA. M. in mm\t1,00\t0,55\t0,55\t0,55\t0,60\t0,60\t0,65\t0,60\t0,70\t0,65\t0,70\n\tMax.\t1,50\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\n\tMin.\t;\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\n\tM. Y. in mm\t0,30\t0,09\t0,09\t0,09\t0,16\t0,16\t0,11\t0,16\t0,24\t0,11\t0,24\n\tVersuchszahl\t10\t10\t10\t10\t10\t10\t10\t10\t10\t10\t10\nu. S.\tA. M. in mm\t1,10\t0,75\t0,70\t0,70\t0,65\t0,60\t0,70\t0,70\t0,75\t0,75\t0,75\n\tMax.\t2,50\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\t1,00\n\tMin.\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\t0,50\n\tM. Y. in mm\t0,41\t0,15\t0,24\t0,24\t0,11\t0,16\t0,24\t0,24\t0,25\t0,25\t0,25\n\tVersuchszahl\t10\t10\t10\t10\t10\t10\t10\t10\t10\t10\t10\nIch machte bei einer constanten Zwischenzeit (10 Secunden) und Normaldistanz (30 mm) mehrere Schwellenbestimmungen (f\u00fcr beide","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkovv.\nVerl\u00e4ufe) und zwar die ersten 4 Tage t\u00e4glich, dann nach immer gr\u00f6\u00dferen Pausen; diese betrugen 2, 3, 4, 5, 6, 7 und schlie\u00dflich 16 Tage. Die Schwellenbestimmungen, deren jede aus 10 an einem und demselben Tage gemachten Einzelbestimmungen bestand, wurden immer zu derselben Tageszeit vorgenommen. Vorversuche wurden nicht gemacht. Die Schwellen sinken schon am zweiten Tag und die Uebung erreicht bald (hei der oberen Schwelle schon am zweiten Tage1) ihr Maximum. Nachdem die Pausen gr\u00f6\u00dfer werden, steigen die Schwellenwerthe m\u00e4\u00dfig, um dann f\u00fcr immer, selbst nach einem Zwischenr\u00e4ume von 16 Tagen constant zu bleiben (vergl. die Curve M\u00f6bius auf Tafel II).\nLetzteres scheint nicht hei allen Beobachtern angenommen werden zu k\u00f6nnen. Es ist vielmehr sicher zu erwarten, dass nach sehr gro\u00dfen Pausen die Schwelle wieder steigen wird (M\u00f6bius scheint wegen seiner F\u00e4higkeit der schnellen Auffassung nicht die geeignetste Versuchsperson f\u00fcr diese Untersuchung gewesen zu sein). So zeigen, wie wir schon fr\u00fcher Gelegenheit hatten zu erw\u00e4hnen (siehe S. 372), die Schwellen der zweiten Folge hei Jasper, welche in gr\u00f6\u00dferen Pausen ausgef\u00fchrt wurde, gr\u00f6\u00dfere Wer the als die der ersten (vergl. Tabelle VII).\nZwischen den oben mitgetheilten Curven der ersten Folge hei Tyszko (namentlich der oberen) und den hier besprochenen bei M\u00f6bius besteht, was den Gang der Uebung betrifft, insofern ein Unterschied, als diese dort bedeutend sp\u00e4ter \u2014 offenbar erst nach der drittgr\u00f6\u00dften Zwischenzeit (also nachdem schon sehr lange gearbeitet worden war) \u2014 ihr Maximum erreicht. In Anbetracht des Umstandes, dass M\u00f6bius ein au\u00dferordentlich scharfes Augenma\u00df hat, welches eine weitere Ausbildung durch Uebung fast nicht mehr zul\u00e4sst (\u00a7 1 dieses Abschnittes) und daher als mehr oder weniger constant angesehen werden kann, was bei Tyszko in diesem Ma\u00dfe nicht der Fall ist, muss das schnellere Sinken der Schwellen bei dem ersteren Beobachter der rasch eintretenden Uebung des Ged\u00e4chtnisses zugeschrieben werden, so dass die mit ihm ausgef\u00fchrten Ver-\n1) Dass dies bei der unteren Schwelle erst am neunten Tage und zwar nach einer Pause von drei Tagen geschieht, beruht sicherlich auf Zufall; dasselbe gilt auch von den anderen, kleineren Schwankungen der Curven.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 411\nsuche eigentlich nur den Gang der Ged\u00e4chtniss\u00fcbung, nicht aber auch denjenigen der Uebung des Augenma\u00dfes darstellen; dagegen wird hei Tyszko ein rasches Sinken der Schwellenwerthe auf den bei einem maximalen Uebungsgrad zu erwartenden Stand, auch wenn, wie anzunehmen ist, die Ged\u00e4chtniss\u00fcbung schon fr\u00fcher eingetreten ist, durch das noch unge\u00fcbte Augenma\u00df verhindert. Dies hat mich zu der Annahme veranlasst, dass die Uebung des Ged\u00e4chtnisses leichter von statten geht, als diejenige des Augenma\u00dfes.\n4. Associative Beziehungen und St\u00f6rungen bei der Reproduction.\nWie oft zu beobachten war, fanden hei unseren Versuchen associative Beziehungen verschiedener Art statt, welche nicht selten die Reproduction in hohem Grade st\u00f6rten. Sie waren z. Th. \u00e4hnlich den in \u00a7 2h dieses Abschnittes beschriebenen, nur dass sie nicht, wie dort, willk\u00fcrlich hervorgerufen wurden, sondern von selbst sich einstellten. So kam es vor \u2014 namentlich hei Seyfert ist dies oft der Fall gewesen \u2014 dass die Beobachter sich bei der Beurtheilung der Vergleichsdistanz nicht auf die gemerkte normale, sondern auf die vorhergehende Vergleichsdistanz bezogen und das Urtheil im Vergleich mit dieser f\u00e4llten, so dass es consequent \u00bbgleich\u00ab lautete. Diese Beziehung war manchmal so fest, dass sie fast gar nicht gel\u00f6st werden konnte. Die verschiedensten Vexirversuche beirrten oft den Beobachter gar nicht in seiner Elusion: so blieb ich beispielsweise zwei Mal bei derselben Vergleichsdistanz stehen, das Urtheil war, da ja dabei ein Unterschied zwischen der gesehenen und der vorhergehenden nicht vorhanden war, \u00bbgleich\u00ab; oder ich ver\u00e4nderte den Vergleichseindruck pl\u00f6tzlich um mehrere Minimalunterschiede: sobald die Differenz von dem vorhergehenden noch immer nicht merklich war, erhielt ich wiederum die Aussage \u00bbgleich\u00ab. Erst nachdem der Unterschied zwischen Vor mal- und Vergleichsdistanz enorm angewachsen war, konnte sich in solchen F\u00e4llen der Beobachter auf ihn besinnen; ich bewirkte dies zuweilen dadurch, dass ich, nachdem die Vergleichsdistanz schon bedeutend ver\u00e4ndert war, statt der n\u00e4chstfolgenden die gleiche zeigte, oder ich ver\u00e4nderte sie unvermittelt nach der entgegengesetzten Richtung; in solchen F\u00e4llen erkannten die Beobachter all-sogleich mit Verwunderung ihren Irrthum.","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nGanz besonders fest waren die Versuchsobjecte mit dem Sehfelde und \u00fcberhaupt mit der ganzen Umgebung verbunden. Wurde diese Verbindung irgendwie gest\u00f6rt, so wurde dadurch der Reproductions-vorgang oft sehr erschwert; ja dieser schien mit den gew\u00f6hnlichen, bei jedem Versuch sich wiederholenden kleinen Ereignissen (Handgriffen des Experimentators, Signalen, Fragen, Antworten u. s.w.) zusammenzuh\u00e4ngen.\nAus den folgenden Versuchen mit Tyszko und M\u00f6bius \u2014 Tabellen XVIH und XTX \u2014 kann der Einfluss des ver\u00e4nderten Sehfeldes auf den Schwellenverlauf ersehen werden. Ich ver\u00e4nderte das Sehfeld bei der Reproduction (beim Merken blieb dasselbe in seiner gew\u00f6hnlichen Form) so, dass ich \u00fcber den rechteckigen Papierausschnitt (siehe Fig. 2) solche von verschiedener und zwar runder, drei-\nTabelle XVHI.\nTyszko.\nNormaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,25 mm. Constante Zwischenzeit 5\".\n\tSehfeld bei der Reproduction\tgleich\tver- \u00e4ndert\n0. S.\tA. M. in mm\t0,37\t0,50\n\tMax.\t0,50\t0,75\n\tMin.\t0,25\t0,25\n\tM. Y. in mm\t0,12\t0,15\n\tVersuchszahl\t10\t10\nu. S.\tA. M. in mm\t0,30\t0,45\n\tMax.\t0,50\t0,75\n\tMin.\t0,25\t0,25\n\tM. Y. in mm\t0,08\t0,12\n\tVersuchszahl\t10\t10\neckiger, l\u00e4nglicher Form legte, die jedoch so gro\u00df waren, dass kein Contrast entstehen konnte. Zugleich machte ich auch eine Schwellenbestimmung bei den gew\u00f6hnlichen Bedingungen. Die zwei Werthe zeigen einen gro\u00dfen Unterschied: die Schwelle nimmt bei ver\u00e4ndertem","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 413\nTabelle XIX.\nMoebius.\nNormaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,25 mm. Constante Zwischenzeit 3\".\n\tSehfeld bei der Reproduction\tgleich\tver- \u00e4ndert\n\tA. M. in mm\t0,25\t0,35\n\tMax.\t0,25\t0,50\n0. S.\tMin.\t0,25\t0,25\n\tM. V. in mm\t0,00\t0,12\n\tVersuchszahl\t5\t5\n\tA. M. in mm\t0,25\t0,40\n\tMax.\t0,25\t0,50\nu. S.\tMin.\t0,25\t0,25\n\tM. Y. in mm\t0,00\t0,12\n\tVersuchszahl\t5\t6\nSehfelde ganz bedeutend zu, wobei allerdings auch eine unwillk\u00fcrliche Ablenkung der Aufmerksamkeit durch den neuartigen Eindruck die Beurtheilung der Yergleichsdistanz erschwert und den Schwellenwerth erh\u00f6ht haben mag.\nHierher geh\u00f6rt auch folgender Umstand. Auf dem wei\u00dfen Schirmcarton, mit welchem die Distanz w\u00e4hrend der Zwischenzeit verdeckt wurde, hatte ich mehrere Punkte in unregelm\u00e4\u00dfigem Nebeneinander und in verschiedener Entfernung von einander angebracht, Ich lie\u00df anfangs, um das Bild der vorhergegangenen Distanzen auszul\u00f6schen, die Beobachter w\u00e4hrend der Einstellung der Normaldistanz auf diese Punkte blicken. Diese Ma\u00dfregel erwies sich aber als unwirksam. Die Versuchspersonen bezogen sich beim darauffolgenden Merken des Normaleindruckes gar nicht auf diese Punkte. Sie empfanden sie, mit dem Carton fest zu einem Glanzen verbunden, als ein fremdes, \u00e4u\u00dferes Object.","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\n5. Die Uebersch\u00e4tzung der Yergleichsdistanz.\nDiese auffallende Erscheinung ist w\u00e4hrend der ganzen Versuchszeit und mehr oder weniger bei allen Beobachtern zu Tage getreten. Sicher feststellen l\u00e4sst sie sich allerdings nur an der Beurtheilung der objectiv gleichen Normal- und Vergleichsdistanz, indem sie sich in den f\u00fcr diese f\u00e4lschlich als \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab abgegebenen Aussagen kundgibt, w\u00e4hrend sie in den Urtheilen, welche die anderen Vergleichsdistanzen betreffen, obwohl es nothwendig anzunehmen ist, dass sie auch da vorkommt, naturgem\u00e4\u00df nicht sicher und eindeutig zum Ausdruck gelangen kann, weil, da die Vergleichsdistanz von der normalen schon wirklich verschieden ist, man kein Mittel hat, zu ersehen, in wie fern das Urtheil von der subjectiven T\u00e4uschung oder von der wirklich stattgehabten Ver\u00e4nderung bedingt wird.\nDa diese Uebersch\u00e4tzung nun \u00fcberall, bei allen Vergleichsdistanzen wirksam sein muss, m\u00fcssen wir nothwendig annehmen, dass die in unseren Untersuchungen gefundenen Zahlenwerthe den That-bestand nicht vollkommen genau darstellen. Denn da die Uebersch\u00e4tzung bei der Vergr\u00f6\u00dferung der Vergleichsdistanz, durch das Hinzutreten ihres Gr\u00f6\u00dfenwerthes zu derselben, dem Distanzunterschiede zu gute kommt (das hei\u00dft ihn vergr\u00f6\u00dfert), ihn dagegen bei der Verkleinerung derselben beeintr\u00e4chtigt, so muss naturgem\u00e4\u00df die obere Schwelle kleiner, die untere gr\u00f6\u00dfer erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind. Ich muss allerdings hier bemerken, dass die durch diese Thatsache bewirkten Verschiebungen nicht gro\u00df sein k\u00f6nnen \u2014 was ja unter anderem auch aus dem Umstande hervorgeht, dass die unteren Schwellen dennoch fast immer kleiner sind als die oberen\n\u2014\tund dass sie auch, wenn sie von ma\u00dfgebender Bedeutung w\u00e4ren, nur den genauen Ausdruck der absoluten Gr\u00f6\u00dfe des Schwellenwerthes bis zu einem gewissen Grade verdunkeln, nicht aber \u2014 da sie \u00fcberall gleichm\u00e4\u00dfig Vorkommen \u2014 das Verh\u00e4ltniss der einzelnen Zwischenzeitschwellen zu einander \u2014 worauf es uns ja haupts\u00e4chlich ankommt\n\u2014\talteriren k\u00f6nnen.\nAls Beleg f\u00fcr diese Erscheinung der Uebersch\u00e4tzung der Vergleichsdistanz sind folgende aus den Versuchen sich ergebende That-sachen und Beobachtungen anzuf\u00fchren. Zun\u00e4chst haben alle Versuchspersonen angegeben, dass ihnen die Vergleichsdistanz beim","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 415\nAufschlagen der Augen zuerst gr\u00f6\u00dfer erschiene und dann wieder kleiner w\u00fcrde. Ferner waren von den bei der objectiven Gleichheit abgegebenen falschen Urtheilen diejenigen, welche \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab lauteten, bei weitem mehr an Zahl, als die, welche die Yergleichsdistanz mit der Aussage \u00bbkleiner\u00ab belegten. Ganz besonders tritt dies beiSey-fert und M\u00f6bius hervor. Auch bei den Versuchen, welche ich mit mir selbst gemacht habe, erscheint in einer anf\u00e4nglichen Versuchsfolge, wo die Experimente unter gewissen unten anzugebenden Bedingungen stattfanden, die Gleichheit meistentheils gr\u00f6\u00dfer gesch\u00e4tzt. Dasselbe bemerkten auch Binet und Henri1), welche Kindern 10 verticale, um 1 mm von einander verschiedene Linien in der Gr\u00f6\u00dfe von 1 \u2014 10 mm auf einmal zeigten und sie unter ihnen die vorher gemerkte Normallinie von 4 mm herausfinden lie\u00dfen. Die Kinder bezeichneten in 3/4 aller F\u00e4lle die 3 mm gro\u00dfe Linie als die normale, \u00fcbersch\u00e4tzten also jene um 3/4 ihrer wirklichen Gr\u00f6\u00dfe, das ist um 1 mm.\nWie ist nun diese Erscheinung zu erkl\u00e4ren? Binet2) und Henri meinen, dass sie auf einem dem Ged\u00e4chtnisse innewohnenden Fehler beruhe. Dies kann man jedoch nicht ohne weiteres als eine Erkl\u00e4rung annehmen. Man k\u00f6nnte vielleicht denken, dass mit der Zeit eine Gr\u00f6\u00dfenver\u00e4nderung des Erinnerungsbildes stattfindet, und zwar in unserem Falle eine Verkleinerung desselben. Aber eine derartige Annahme ist entschieden unbegr\u00fcndet. Denn erstens widersprechen sich die betreffenden Beobachtungen in den verschiedenen Arbeiten, indem in einem Falle eine Verkleinerung, im anderen aber eine Vergr\u00f6\u00dferung des Erinnerungsbildes vorzuliegen scheint. So m\u00fcsste man in den sp\u00e4ter zu besprechenden Erscheinungen bei To-karsky und bei Baldwin, Warren und Shaw eine Vergr\u00f6\u00dferung des Erinnerungsbildes annehmen, was auch die letztgenannten Autoren thun3); dabei stellt sich aber dieser Annahme eine gegenteilige Be-\n1)\tA. Binet et V. Henri, Le D\u00e9velopement de la m\u00e9moire visuelle chez les enfants, in Revue g\u00e9n\u00e9rale des Sciences, 15 Mars 1894. No. 5, p. 162 ff. Ich f\u00fchre die obigen Zahlen nach einem Cit\u00e2t in Binet\u2019s Psychologie exp\u00e9rimentale (S. 77) an, weil sie hier einfacher sind; in der Urschrift (S. 163 f.) werden merkw\u00fcrdigerweise andere angegeben (Tableau I, S. 166).\n2)\tBinet, Psychologie exp\u00e9rimentale S. 77 f.; Revue g\u00e9n\u00e9rale S. 163 u. 169.\n3)\tBaldwin and Shaw, Memory for Square Size. Warren and Shaw, Further experiments on memory for Square Size. The psychological Review,\nWun dt, Philos. Studien. XY.\t28","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nobachtung in dieser selben Arbeit entgegen (im ersten Theil, welcher von Baldwin und Shaw stammt)'). Alle diese und auch sonstige Widerspr\u00fcche zeigen, glaube ich, zur Gen\u00fcge, dass wir die Ursache der in Rede stehenden Erscheinung jedenfalls nicht in einer dem Ged\u00e4chtniss selbst zukommenden Eigenschaft zu suchen haben, denn sie lassen sich, wie wir unten darthun werden, nicht eindeutig in einem bestimmten Sinne aufheben. \u2014 Zweitens ist aber die obige Annahme aus folgender Erw\u00e4gung zur\u00fcckzuweisen. Wenn wirklich eine Gr\u00f6\u00dfenver\u00e4nderung des Erinnerungsbildes mit der Zeit eintr\u00e4te, so m\u00fcsste, wenn es gr\u00f6\u00dfer w\u00fcrde, das Vergleichsobject untersch\u00e4tzt, wenn es dagegen kleiner w\u00fcrde, dieses \u00fcbersch\u00e4tzt werden. Dies w\u00fcrde aber zur Folge haben, dass im ersteren Falle die Zahlenwerthe der unteren Schwelle constant blieben, so dass die betreffende Curve einer geraden, horizontalen Linie gliche; denn, w\u00fcrde das Erinnerungsbild mit der Zeit immer gr\u00f6\u00dfer, so m\u00fcsste bei der Verkleinerung des Vergleichsobjectes die f\u00fcr das betreffende Augenma\u00df ebenmerkliche Unterschiedsgr\u00f6\u00dfe immer, d. h. nach jedem Zeitintervall wahrgenommen werden. Wenn z. B. bei einer Zwischenzeit von 5\" der Eindruck bei der zweiten minimalen Verkleinerung von dem vergr\u00f6\u00dferten Erinnerungsbilde unterschieden wird, so wird dies bei einer l\u00e4ngeren Zwischenzeit, wo die Vergr\u00f6\u00dferung desselben erheblicher sein wird, um so eher der Fall sein, und wir w\u00fcrden als Schwellenwerth etwa die Gr\u00f6\u00dfe einer Minimal\u00e4nderung erhalten (w\u00e4hrend er dort die zweier betrug); bei einer noch l\u00e4ngeren Zwischenzeit w\u00fcrde schon die Gleichheit unterschieden und als kleiner bezeichnet werden, und der Schwellenwerth w\u00fcrde gleich 0 sein und f\u00fcr noch gr\u00f6\u00dfere\nYol. 2, 1895, S. 238 bez. 241. Hier bei\u00dft es: These results unite to show that besides the growth of inaccuracy, or indistinctness of memory-image there is another factor at work, by which the memory-image tends to grow larger as the time interval increases. Binet und Henri nehmen dagegen eine Tendenz des Ged\u00e4chtnisses an, die Erinnerungsobjecte zu verkleinern (a. a. O. S. 169), was ihren oben angef\u00fchrten Versuchen entsprechen soll.\n1) Und zwar in den Versuchen, welche nach der Methode der Reproduction gemacht wurden (Psychological Review, S. 240), wo n\u00e4mlich das Erinnerungsbild verkleinert erscheint. Auch bei Binet und Henri ergaben Versuche nach ebenderselben Methode (a. a. 0. S. 166 f.) dieselben Resultate. Die n\u00e4here Er\u00f6rterung dieser Versuche und ihrer Widerspr\u00fcche, sowie der ihnen von diesen Verfassern gegebenen Erkl\u00e4rung bringen wir unten.","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 417\nIntervalle constant bleiben, so dass er bei allen weiteren Zwischenzeiten die Gr\u00f6\u00dfe 0 aufweisen w\u00fcrde. Aber auch der obere Verlauf w\u00fcrde in diesem Falle constant bleiben, denn wenn das Erinnerungsbild mit der Zeit immer gr\u00f6\u00dfer und gr\u00f6\u00dfer wird, so werden die ersten Minimal\u00e4nderungen, je gr\u00f6\u00dfer die Zwischenzeiten werden, in Folge des dadurch immer gr\u00f6\u00dfer scheinenden Unterschiedes, um so eher \u2014 und zwar immer als kleiner \u2014 unterschieden und beurtheilt werden. Auch hier w\u00fcrde dann der Schwellenwerth hei allen Zeitintervallen gleich sein und die Gr\u00f6\u00dfe des ohjectiven Unterschiedes 0 betragen; und in beiden F\u00e4llen \u2014 bei der oberen, wie hei der unteren Schwelle \u2014 werden die Urtheile \u00bbkleiner\u00ab lauten.\nEbenso w\u00fcrden sich die beiden Verl\u00e4ufe verhalten, wenn umgekehrt das Erinnerungsbild mit der Zeit kleiner w\u00fcrde; nur w\u00fcrden dann alle Urtheile \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab hei\u00dfen. Der Schwellenwerth w\u00fcrde aber auch in diesem Falle f\u00fcr beide Schwellen \u2014 bei der Vergr\u00f6\u00dferung und bei der Verkleinerung des Vergleichsobjectes \u2014 gleich 0 sein.\nDies alles wird aber durch die Ergebnisse unserer Versuche widerlegt.\nDas Hinzutreten einer ver\u00e4nderten Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe, welche den Verlauf dennoch in dem in unseren Curven veranschaulichten Sinne bewirken k\u00f6nnte, ist nach der obigen Annahme deshalb ausgeschlossen, weil eben nach ihr diese Ver\u00e4nderung der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe gerade in der Gr\u00f6\u00dfenver\u00e4nderung des Erinnerungsbildes best\u00e4nde. Aber auch wenn eine andere, der Gr\u00f6\u00dfenver\u00e4nderung des Erinnerungsbildes parallelgehende Modification des Ged\u00e4chtnisses durch die Zeit angenommen wird (was Warren und Shaw mit der Annahme einer \u00bbinaccuracy\u00ab und \u00bbindistinctness\u00ab des Erinnerungsbildes neben seinem Wachsen auch thun, vergleiche das Cit\u00e2t oben S. 415 f.j, so k\u00e4me sie dennoch wenig in Betracht, denn der zum Vergleich dargebotene Eindruck wird ja \u2014 nach derselben Annahme \u2014 immer mit dem ver\u00e4nderten Erinnerungsbilde verglichen, so dass die oben auseinandergesetzten Verh\u00e4ltnisse auch dann eintreten m\u00fcssten. So w\u00e4re, bei dieser Annahme, die eigentliche Aufgabe bei Ged\u00e4cht-nissversuchen dieser Art, die Gr\u00f6\u00dfe der Ver\u00e4nderung des Erinnerungsbildes bei den verschiedenen Zeitintervallen zu bestimmen.\nGanz anders wird sich die Sache verhalten, wenn wir anstatt der Ver\u00e4nderung des Erinnerungsbildes, das w\u00e4re also der Hormaldistanz,\n28*","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\neine ver\u00e4nderte Auffassung der Yergleichsdistanz annehmen. Denn w\u00e4hrend im ersteren Fall die richtig aufgefasste Yergleichsdistanz mit dem ver\u00e4nderten Erinnerungsbilde der Normaldistanz verglichen wird, findet umgekehrt nach unserer Annahme ein Vergleich zwischen dem in seiner Gr\u00f6\u00dfe unver\u00e4nderten Erinnerungshilde der Normaldistanz mit der ver\u00e4ndert aufgefassten Vergleichsdistanz statt. Da aber der Schwellenwerth sich nach dem Unterschiede bemisst, welcher zwischen dieser und dem Normaleindruck jeweils erreicht wird, und da die Wahrnehmung dieses Unterschiedes durch die ver\u00e4nderte Auffassung der Vergleichsdistanz alterirt wird, was hei der entgegengesetzten Annahme nicht der Fall ist, weil sie dort im Gegentheil erleichtert wird, so ist es klar, dass nur die ver\u00e4nderte Auffassung, und zwar in unserem Falle die Uebersch\u00e4tzung der Vergleichsdistanz bei der Erkl\u00e4rung der fraglichen Erscheinungen in Betracht kommen kann. Die Ursachen derselben k\u00f6nnen aber, wie aus dem Obigen hervorgeht, ' nicht in dem Ged\u00e4chtnissvorgange selbst liegen. Ich glaube vielmehr, dass sie \u00e4u\u00dferer Natur sind, und zwar scheinen hier haupts\u00e4chlich dieselben Bedingungen vorzuliegen, wie bei den sogenannten geometrisch-optischen T\u00e4uschungen: n\u00e4mlich die Spannungsempfindungen, welche die Bewegungen der Augen begleiten, und ich bin \u00fcberzeugt, dass alle hierher geh\u00f6rigen Beobachtungen anderer Arbeiten, die dieser Annahme zu widerstreiten scheinen, wenn die betreffenden Versuchsanordnungen genau bekannt w\u00e4ren, sich auf diese oder auf sonst eine Weise werden erkl\u00e4ren lassen, welche die Erscheinung jedenfalls nur auf die Wirkung eines \u00e4u\u00dferen Factors zur\u00fcckf\u00fchrt.\nBeim Schlie\u00dfen werden die Augen nach unten und innen gekehrt, dagegen nehmen sie beim Aufblicken eine Bichtung nach oben und au\u00dfen an: sie gehen dabei in eine divergentere Stellung \u00fcber. Die erstere Bewegung ist in Folge des Umstandes, dass unsere gew\u00f6hnliche Besch\u00e4ftigung meistens die unteren Partien des Sehfeldes umfasst, leichter als die letztere, so dass die Anstrengungsempfindungen, welche an diese gebunden sind, intensiver sein m\u00fcssen als bei jener. Es ist daher, glaube ich, als wahrscheinlich anzunehmen, dass die Beobachter, welche in der Zwischenzeit die Augen geschlossen hielten, beim Aufblicken in Folge der gr\u00f6\u00dferen Intensit\u00e4t der Spannungs-","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 419\nempfindungen, welche die dabei erfolgenden Bewegungen begleiten, die Vergleichsdistanz f\u00fcr gr\u00f6\u00dfer halten, als sie in Wirklichkeit ist1).\nIn dieser Annahme werde ich durch folgende Thatsachen best\u00e4rkt. Bei Seyfert (Tabelle IX) und Moebius (Tabelle X) sind die Zahlenwerthe der unteren Schwellen durchaus gr\u00f6\u00dfer als die der oberen (vergl. auch die betreffenden Curven auf Tafel I). Bei den mit diesen Beobachtern gemachten Versuchen waren aber die Anordnungen so getroffen, dass sie in der Zwischenzeit den Blick auf die Mitte einer unterhalb des Normaleindruckes befindlichen Fl\u00e4che \u2014 das ist ungef\u00e4hr 250 bis 300 mm weit von diesem \u2014 zu heften hatten. Trifft nun unsere Vermuthung zu, so l\u00e4sst sich die obige von der Regel (S. 3531) abweichende Erscheinung hei Seyfert und Moebius \u2014 n\u00e4mlich die h\u00f6here Lage der unteren Curven \u2014leicht erkl\u00e4ren. Denn da die Augen in der Zwischenzeit best\u00e4ndig nach unten und auf dieselbe Stelle gerichtet waren und in Folge dessen durch die das Aufblicken begleitende Anstrengung der Vergleichseindruck gr\u00f6\u00dfer erscheinen, dadurch aber, nach dem oben (S. 414) Gesagten, der Unterschied hei der Verkleinerung der Vergleichsdistanz nach Ma\u00dfgabe des Uebersch\u00e4tzungseinflusses gr\u00f6\u00dfer werden muss, um wahrgenommen zu werden; da ferner die Augen, wenn sie geschlossen sind, weniger tief nach unten gerichtet werden, und in Folge dessen die Verschiebung gr\u00f6\u00dfer sein wird, so ist es leicht m\u00f6glich, dass die Zahlen der unteren Schwellen gr\u00f6\u00dfer ausfallen, als die der oberen, um so mehr als beide Schwellen wegen der gr\u00f6\u00dferen Unterschiedsempfindlichkeit bei der hier angewandten kleineren Zwischenzeit (10 Secunden) ohnehin nahe an einander liegen.\nAuf dieselbe Weise ist die Thatsache zu erkl\u00e4ren, dass hei den oben erw\u00e4hnten Versuchen mit mir selbst die Vergleichsdistanz \u00bbgleich\u00ab, in den meisten F\u00e4llen \u00fcbersch\u00e4tzt wurde. Es wurden n\u00e4mlich die Cartons, welche die verschiedenen Vergleichsdistanzen trugen, so auf den Tisch gelegt, dass sie entfernter von mir zu liegen kamen als die Uhr, auf welche ich in der Zwischenzeit sah und welche sich dicht unter meinen Augen befand; und zwar war die Entfernung zwischen der Uhr und den Cartons ungef\u00e4hr 15 cm, so dass ich nach Ablauf\n1) Die Dauer der Zwischenzeit kommt dabei selbstverst\u00e4ndlich nicht in Betracht.","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nZ. Radoslawow-Hadji Denkow.\nder Zwischenzeit die Augen nach oben wenden musste, um die Vergleichsdistanz zu sehen. Da die Entfernung der Augen von dem Tische, auf welchem die Objecte lagen, nur etwa 18\u201420 cm betrug, so war der Winkel der Augendrehung ziemlich gro\u00df (etwa 45\u00b0) und somit diese und die an sie gekn\u00fcpfte Anstrengung der Augenmuskeln eine bedeutende gewesen, so dass sich die Uebersch\u00e4tzung wiederum nach dem obigen Schema leicht erkl\u00e4ren l\u00e4sst.\nDadurch allein l\u00e4sst sich auch der Umstand begreifen, dass bei Tyszko und Eher die untere Schwelle hei den kleinsten Zwischenzeiten dauernd h\u00f6her als die obere zu liegen kommt (vergl. die betreffenden Ourven). Da n\u00e4mlich hier die Unterscheidungsf\u00e4higkeit wegen der gr\u00f6\u00dferen Gfed\u00e4chtnisssch\u00e4rfe gr\u00f6\u00dfer und das Augenma\u00df >) dieser Beobachter ein sehr scharfes ist (siehe oben S. 348 u. 384 ff.) und daher die wahrgenommenen Distanzunterschiede kleiner sind, so m\u00fcssen sich die Werthe der beiden Schwellen in Folge des dadurch bedingten geringeren Spielraumes, der ihnen gew\u00e4hrt wird, auf beiden Seiten der Unterschiedsgr\u00f6\u00dfe 0 n\u00e4hern und also n\u00e4her an einander r\u00fccken, als bei den gr\u00f6\u00dferen Zwischenzeiten (was \u00fcbrigens auch aus den anderen Diagrammen zu sehen ist). Die Folge davon ist, dass die beiden Verl\u00e4ufe oft sich decken und vielfach kreuzen werden. Wird nun die Vergleichsdistanz \u00fcbersch\u00e4tzt, so werden nach unseren obigen Ausf\u00fchrungen f\u00fcr die Wahrnehmung der Ver\u00e4nderungen der Vergleichsdistanz bei der Verkleinerung \u2014 untere Schwelle \u2014 gr\u00f6\u00dfere Distanzunterschiede erforderlich sein als bei der Vergr\u00f6\u00dferung \u2014 obere Schwelle \u2014 ; dadurch werden aber die Schwellenwerthe der er-steren gr\u00f6\u00dfer werden als die der letzteren.\nEs fragt sich nun, ob diese Uebersch\u00e4tzung der Vergleichsdistanz eine regelm\u00e4\u00dfige, wie bei den geometrisch-optischen T\u00e4uschungen, oder nur eine vor\u00fcbergehende ist. Selbstverst\u00e4ndlich m\u00fcssen wir das letztere annehmen. Denn es handelt sich hier nicht um die inad\u00e4quate Auffassung eines Gesichtsobjectes oder eines Theiles desselben\n1) Man vergleiche, was das Augenma\u00df anbelangt, besonders die Curven bei Jasper mit denjenigen bei Hans chm ann. Bei diesem Beobachter, der kein sehr scharfes Augenma\u00df hat, liegen die zwei Curven (obere und untere) sehr weit auseinander, w\u00e4hrend sie bei Jasper fast zusammenfallen und die untere oft \u00fcber die obere hin\u00fcberspringt. Auch bei Franz liegen aus demselben Grunde die beiden Curven auseinander.","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 421\nin einer festen Lage zu dem ruhenden Auge, wo in Folge dessen die Bedingungen \u2014 d. i. die Spannungen der Augenmuskeln \u2014 dauernde sind, sondern um die ver\u00e4nderte Auffassung eines Objectes bei Bedingungen, welche vor\u00fcbergehend sind, weil sie an die vor\u00fcbergehende Bewegung des Auges gebunden sind. Alle Versuchspersonen gaben daher, wie oben bemerkt, an, dass ihnen die Vergleichsdistanz nur im Anfang gr\u00f6\u00dfer erscheine, dann aber kleiner w\u00fcrde. Die vorhin besprochenen Verschiebungen im Verh\u00e4ltniss der beiden Curven zu einander sind daher so zu verstehen, dass f\u00fcr die ihnen zu Grunde liegenden Urtheile dieser erste Eindruck ma\u00dfgebend gewesen ist.\nDie oben erw\u00e4hnte UeberSch\u00e4tzung der Vergleichslinie hei Binet und Henri beruht wahrscheinlich auf den gleichen Bedingungen. Es ist allerdings nicht genau angegeben, in welcher Lage die Normallinie sich gegen\u00fcber den Vergleichslinien befand; aber in den Versuchen, welche diese Forscher nach derselben Methode ohne Zwischenzeit gemacht haben und hei denen sie \u00e4hnliche Resultate bez\u00fcglich der Sch\u00e4tzung der Vergleichslinien erhielten1), lag das Modell unterhalb der Vergleichslinienreihe2), was sicher der alleinige Grund der Uebersch\u00e4tzung war. Es ist daher wahrscheinlich, dass auch bei den betreffenden Ged\u00e4chtnissversuchen die Lage des Normal- und der Vergleichsobjecte zu einander dieselbe oder doch eine diesem Sinne entsprechende gewesen ist, so dass wir auch in diesem Falle auf dieselbe Ursache der Uebersch\u00e4tzung schlie\u00dfen k\u00f6nnen3). Uebrigens kann zur Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung, bei den hier citirten Versuchen, auch die unten anzuf\u00fchrende Annahme bez\u00fcglich der Uebersch\u00e4tzung von Distanzen in Folge der Betrachtung bei gespannter Aufmerksamkeit dienen.\nIch will hier einige Versuche mittheilen, welche ich speciell angestellt habe, um zu untersuchen, oh unsere Vermuthung, die ver\u00e4nderte Auffassung der Distanz sei eine Folge der Spannungsempfindungen, welche die vor\u00fcbergehende Bewegung der Augen begleiten,\n1)\ta. a. O. S. 163; Tableau II, S. 166.\n2)\ta. a. 0. S. 163.\n3)\tIn der die oben angef\u00fchrte Stelle in Binet\u2019s Psychologie exp\u00e9rimentale (S. 77) begleitenden Zeichnung, welche sich auf diese selben Versuche, bei denen ja Binet selbst Mitarbeiter war, bezieht, ist die Normallinie auch wirklich unterhalb der Vergleichslinie zu sehen.","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nrichtig ist. Bei den mit Moebius haupts\u00e4chlich zu einem anderen Zwecke (siehe oben S. 409 f.) gemachten Versuchen habe ich die Bedingung aufgestellt, dass in der Zwischenzeit die Augen, bei m\u00f6glichst unbewegtem Kopfe, auf eine tief \u2014 etwa 500 mm \u2014 unterhalb des Versuchsobjectes befindliche Stelle zu richten seien. Wie der Verlauf der betreffenden Curven zeigt (Curventafel II. Moebius, Uebung), liegt die untere Schwelle fast durchwegs h\u00f6her als die obere.\nSpeciell dieser Untersuchung waren folgende mit Seyfert und Tyszko ausgef\u00fchrte Versuche gewidmet. Ihre Zahl ist allerdings nicht ausreichend, um die in Frage stehende Ansicht als zweifellos erscheinen zu lassen, und es m\u00fcssten, um diese interessante Erscheinung, welche eigentlich mehr in ein anderes Gebiet geh\u00f6rt, genauer zu untersuchen, ihrer viel zahlreichere gewonnen werden, um so mehr als, wie bemerkt, f\u00fcr die Uebersch\u00e4tzung nur der erste Eindruck heim Aufschlagen der Augen ma\u00dfgebend ist, so dass, wenn sie auch \u00e4u\u00dferlich zum Ausdruck gelangen soll, mehrere von ihm beeinflusste Urtheile Vorkommen m\u00fcssen, um auf das arithmetische Mittel einwirken zu k\u00f6nnen.\nIch machte bei constanter Zwischenzeit drei Schwellenbestimmungen so, dass ich den Beobachter hei der ersten auf einen in der Mitte eines Cartons angebrachten Punkt unverwandt sehen lie\u00df, welcher in der Zwischenzeit vor dem Normaleindruck, in gleicher H\u00f6he und Entfernung wie dieser, gehalten wurde; bei der anderen war der Punkt 300 mm h\u00f6her, hei der dritten ebenso viel tiefer als die Normaldistanz \u2014 selbstredend ebenfalls in gleicher Entfernung vom Beobachter \u2014 angebracht. Diesem wurde aufgegeben, bei der Sch\u00e4tzung der Vergleichsdistanz wom\u00f6glich den ersten Eindruck zu ber\u00fccksichtigen.\nWenn unsere Ansicht von der Ursache der Uebersch\u00e4tzung der Vergleichsdistanz richtig ist, so m\u00fcssten in einem idealen Falle, wo auch kein Unterschied zwischen der Sch\u00e4tzung hei der Vergr\u00f6\u00dferung und derjenigen bei der Verkleinerung der Vergleichsdistanz (welcher bei allen unseren Versuchen zu Tage tritt, S. 353) stattfindet, und auch die sonstigen st\u00f6renden Umst\u00e4nde nicht wirkten, die Werthe der oberen und unteren Schwelle beim Fixiren des mittleren Punktes (m. P. in den Tabellen) einander gleich sein; beim Fixiren des unteren Punktes (u. P.) m\u00fcsste, weil nach unserer Annahme eine Uebersch\u00e4tzung der Vergleichsdistanz und die an sie gekn\u00fcpfte, oben","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 423\n(S. 414) auseinandergesetzte Verschiebung der Schwellen eintreten m\u00fcsste, die obere Schwelle tiefer als die untere, und heim Fixiren des oberen Punktes (o. P.), wo eine Untersch\u00e4tzung der Vergleichsdistanz Platz greifen und in Folge dessen die Verschiebung der Schwellen im entgegengesetzten Sinne erfolgen m\u00fcsste, die untere tiefer als die obere zu liegen kommen, und zwar immer in gleichen Abst\u00e4nden von dem Schwellenwerth beim mittleren Punkt, so dass sich die beiden Verl\u00e4ufe bei diesem kreuzten; oder die beiden Schwellen m\u00fcssten, namentlich wenn andere Bedingungen mitwirken, wenigstens die Tendenz zu einem solchen Verhalten zeigen.\nTabelle XX.\nSeyfert.\nNormaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,5 mm. Constante Zwischenzeit 10\". Abstand der Fixirpunkte von der Mitte 300 mm.\n\tFixirpunkt in der Zwischenzeit\tu. P.\tm. P.\to. P.\n\tA. M. in mm\t0,75\t0,90\t1,05\n\tMax.\t1,00\t1,50\t1,50\n0. S.\tMin.\t0,50\t0,50\t0,50\n\tM. V. in mm\t0,25\t0,32\t0,18\n\tVersuchszahl\t10\t10\t10\n\tA. M. in mm\t1,00\t0,80\t0,80\n\tMax.\t1,50\t1,50\t1,00\nu. S.\tMin.\t0,50\t0,50\t0,50\n\tM. V. in mm\t0,20\t0,30\t0,24\n\tVersuchszahl\t10\t10\t10\nDie Zahlen der Tabelle XX deuten in der That f\u00fcr Seyfert das erstere Verh\u00e4ltniss der beiden Schwellen zu einander bei der Untersch\u00e4tzung und Uebersch\u00e4tzung der Vergleichsdistanz ganz sicher an. Bei der letzteren \u2014 also beim Fixiren des unteren Punktes \u2014 was f\u00fcr unsere Versuche haupts\u00e4chlich von Belang ist, liegt die untere Schwelle h\u00f6her als die obere. Dass das Verh\u00e4ltniss dem","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424\nZ. Radoslawow Hadji-Denkow.\nidealen nicht entspricht, ist ja ohne weiteres aus der Mitwirkung st\u00f6render Nebenumst\u00e4nde und der geringen Zahl der Versuche erkl\u00e4rlich.\nTabelle XXI.\nTyazko.\nNormaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,25 mm. Constante Zwischenzeit 10\". Abstand der i'ixirpunkte von der Mitte 300 mm.\n\tFixirpunkt in der Zwischenzeit\tu. P.\tm. P.\to. P.\n\tA. M. in mm\t0,50\t0,54\t0,62 '\n\tMax.\t0,75\t1,00\t1,00\n0. S.\tMin.\t0,25\t0,25\t0,25\n\tM. V. in mm\t0,17\t0,22\t0,25\n\tVersuchszahl\t6\t6\t6\n\tA. M. in mm\t0,42\t0,37\t0,29\n\tMax.\t0,75\t0,50\t0,50\nu. S.\tMin.\t0,25\t0,25\t0,25\n\tM. V. in mm\t0,17\t0,12\t0,07\n\tVersuchszahl\t6\t6\t6\nBei Tyszko \u2014 Tabelle XXI \u2014 tritt das zweite der oben angedeuteten Verhalten ein. Die Schwellen kreuzen sich zwar nicht, aber sie nehmen einen dementsprechenden Verlauf, welcher ganz sicher die Wirkungen der Ueber- beziehungsweise Untersch\u00e4tzung der Vergleichsdistanz zeigt. Wenn wir diese Zahlen graphisch darstellen, wird dieses Verh\u00e4ltniss deutlich zum Ausdruck kommen. Die Abweichung vom Verlauf bei Seyfert und vom idealen Verlauf, d. i. das Fehlen der Kreuzung der Schwellen trotz der sonst gleichen Bedingungen, ist haupts\u00e4chlich dem Umstande zuzuschreiben, dass hier kleinere Minimal\u00e4nderungen angewandt worden sind.\nIn Tabelle XXTT ist ein Verlauf dargestellt, welcher sich aus den mit Seyfert unter den gleichen Bedingungen, jedoch bei einer nur 150 mm gro\u00dfen Entfernung des oberen und unteren Fixirpunktes gemachten Versuchen ergehen hat. Da in diesem Falle die Dreh-","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 425 Tabelle XXII.\nSeyfert.\nNormaldistanz 30 mm. Minimal\u00e4nderung 0,5 mm. Constante Zwischenzeit 10\". Abstand der Fixirpunkte von der Mitte 150 mm.\n\tFixirpunkt in der Zwischenzeit\tu. P.\tm. P.\to. P.\n\tA. M. in mm\t0,87\t0,90\t1,06\n\tMax.\t1,00\t1,50\t1,50\no. S.\tMin.\t0,50\t0,50\t0,50\n\tM. V. in mm\t0,19\t0,32\t0,24\n\tV ersuchszahl\t8\t10\t8\n\tA. M. in mm\t1,00\t0,80\t1,00\n\tMax.\t1,50\t1,50\t1,50\nu. s.\tMin.\t0,50\t0,50\t0,50\n\tM. V. in mm\t0,12\t0,30\t0,25\n\tVersuchszahl\t8\t10\t8\nwinkel bei der Augenbewegung um die H\u00e4lfte kleiner sind als bei den ersten Versuchen mit diesem Beobachter (Tabelle XX), wo die besagte Entfernung der Fixirpunkte doppelt so gro\u00df war, und infolgedessen die Ueber- beziehungsweise Untersch\u00e4tzung der Vergleichsdistanz geringer sein m\u00fcsste, so war zu erwarten, dass die beiden Schwellen, bei sonst gleichem Verhalten wie im ersteren Falle, einen kleineren Abstand vom mittleren Werth aufweisen w\u00fcrden. Letzteres ist jedoch aus den Versuchsergebnissen nicht zu ersehen, wahrscheinlich wegen der geringen Versuchszahl1).\nIm Folgenden sollen nun noch einige Beobachtungen angef\u00fchrt werden, welche zun\u00e4chst unserer Erkl\u00e4rung der in Bede stehenden\n1) Ich habe diese Frage nicht weiter verfolgen wollen, da sie nicht hierher geh\u00f6rt. Bei einer sehr gro\u00dfen Anzahl von Versuchen wird sich, glaube ich, sicher ein Unterschied in der Gr\u00f6\u00dfe der Ueber- und Untersch\u00e4tzung, \u00e4hnlich wie bei den constanten geometrisch-optischen T\u00e4uschungen, bei verschieden gro\u00dfer Augendrehung herausstellen. Auch die Schnelligkeit der Bewegung wird zweifellos dabei ver\u00e4ndernd einwirken.","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nErscheinungen zu widersprechen scheinen. Sie lassen sich aber entweder gleichfalls durch die \u2014 sei es constante oder vor\u00fcbergehende\n\u2014\tinad\u00e4quate Auffassung der Versuehsobjecte infolge der Spannungsempfindungen in den Augenmuskeln oder auf sonst irgend eine Weise erkl\u00e4ren, welche unserer Ansicht nicht widerspricht und jedenfalls die Erscheinungen als Folgen einer suhjectiven T\u00e4uschung hei der Auffassung der Objecte, nicht eines dem Ged\u00e4chtniss inh\u00e4rirenden Fehlers \u2014 etwa einer Gr\u00f6\u00dfenver\u00e4nderung des Erinnerungsbildes \u2014 erscheinen l\u00e4sst.\nBei den auf S. 343 f. und sonst des \u00f6fteren angef\u00fchrten Versuchen mit Zwischenzeiten von mehreren Tagen wurden bekanntlich die objective Gleichheit und die ihr benachbarten kleinen Distanzunterschiede in den meisten F\u00e4llen falsch gesch\u00e4tzt. Von diesen falschen Sch\u00e4tzungen lauteten aber die allermeisten \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab1). Da nun das Urtheil zu Anfang des Versuchstages \u2014 also vor Beginn der Arbeit\n\u2014\tabgegeben wurde, so dass die Versuchspersonen die Augen direct auf den Eindruck richteten, ohne sie vorher geschlossen oder auf eine tiefer liegende Stelle gewendet zu haben, so fragt es sich, woher jene TJehersch\u00e4tzung kommt. Wollen wir nicht annehmen, dass beim Niedersitzen dennoch eine vorherige Wendung der Augen in diesem Sinne (nach unten) stattgefunden hat, was sehr wahrscheinlich ist, so k\u00f6nnen wir obige Thatsache auf folgende Ursache, welcher wir \u00fcberhaupt bei allen diesen Erscheinungen eine Wirksamkeit zusprechen k\u00f6nnen, zur\u00fcckf\u00fchren. Ich habe oben angef\u00fchrt, dass hei. der Auffassung der Eindr\u00fccke Augenbewegungen zur Durchmessung der Strecke und auch Bewegungen der Augenlider eintreten, welche in einem mehrmaligen Oeffnen und Schlie\u00dfen derselben bestehen und, wie ich glaube, bei der Auffassung des Eindruckes eine wichtige Bolle spielen (vergleiche Abschnitt V). An diese Bewegungen wie an jene der Augen seihst sind Spannungsempfindungen der betreffenden Muskeln gekn\u00fcpft, die um so intensiver werden, je gr\u00f6\u00dfer die Aufmerksamkeit bei der Betrachtung des Versuchsobjectes ist. Dies kann dann der Grund der Uebersch\u00e4tzung der mit gespannter Aufmerksamkeit betrachteten Distanzen sein, und es ist m\u00f6glich, dass\n1) W\u00e4re eine Vergr\u00f6\u00dferung des Erinnerungsbildes in der Zwischenzeit eingetreten, so m\u00fcssten sie \u00bbkleiner\u00ab hei\u00dfen.","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 427\ndie obige Erscheinung auf diesen Umstand zur\u00fcckzuf\u00fchren ist: ist doch das Interesse und folglich auch die Aufmerksamkeit bei der Auffassung der Yergleichsdistanz gr\u00f6\u00dfer als hei dem Normaleindruck, \u00fcber dessen Beschaffenheit ja kein Urtheil verlangt wird1).\nAber es ist m\u00f6glich, dass auch rein dioptrische und netzhautphysiologische Bedingungen \u2014 Zerstreuungskreise, Irradiation \u2014 hei dieser Erscheinung mit im Spiele sind. Die Irradiation kann bekanntlich auch bei guter Accommodation und auch f\u00fcr schwarze Gesichtsobjecte auf wei\u00dfem Grunde eintreten, wenn diese sehr klein sind2), wie in unserem Palle die Distanzpunkte3).\nTokarskij4) hat (bei allerdings nicht n\u00e4her angegebenen Versuchsanordnungen) mehrere Beobachter das Bild eines 25 mm langen wei\u00dfen Cylinders von 2,5 mm Durchmesser, welcher durch zwei Minuten vor einer schwarzen Tafel gehalten wurde, sich merken lassen und sie, nachdem der Cylinder weggenommen war, aufgefordert, seine L\u00e4nge nach der Erinnerung durch zwei Kreidepunkte auf der Tafel zu bezeichnen. Von 26 F\u00e4llen war die reproducirte Distanz in 4 F\u00e4llen gleich der gemerkten, in 2 kleiner und in 20 (also fast in f aller F\u00e4lle) gr\u00f6\u00dfer als diese. Das bedeutet, dass die auf der Tafel gezeichnete Strecke \u2014 welche wir unserer Vergleichsdistanz vergleichen k\u00f6nnen \u2014 in den allermeisten F\u00e4llen, entgegen unseren Beobachtungen, untersch\u00e4tzt wurde. Aber diese gezeichneten Distanzen sind eben unserer Vergleichsdistanz nicht vergleichbar, denn diese liegt fertig zum Vergleich da, w\u00e4hrend jene aus dem Vergleich mit dem Erinnerungsbilde erst hervorgebracht werden m\u00fcssen. Deshalb ist es aber auch nicht m\u00f6glich, dass wir uns diese Erscheinung durch\n1)\tWof\u00fcr auch der Umstand spricht, dass die Reproductionszeiten im allgemeinen gr\u00f6\u00dfer sind als die Merkzeiten (vergl. unten die betreffenden Paragraphen).\n2)\tVergl. Helmholtz, Physiologische Optik, 2. Auf!., S. 394 f. und 399 f.\n3)\tDie Versuchspersonen hatten die Gepflogenheit, w\u00e4hrend sie beim Merken ruhigeren Blickes das Versuchsobject ansahen, bei der Beurtheilung der Vergleichsdistanz und namentlich unmittelbar vor Abgabe des Urtheils die Augenlider zusammenzuziehen, wodurch die Punkte kleiner, die Distanz infolgedessen gr\u00f6\u00dfer erscheinen musste.\n4)\tIn einer kurzen Notiz \u00bbUeber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr Linien\u00ab (russisch) in den Aufzeichnungen des psychologischen Laboratoriums der Universit\u00e4t Moskau. 5. Heft, S. 325.","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\ndie Spannungsempfindungen bei der aufmerksamen Auffassung (vergl. oben) erkl\u00e4ren k\u00f6nnen, denn in diesem Falle w\u00fcrden die gezeichneten Distanzen wahrscheinlich \u00fcbersch\u00e4tzt und folglich kleiner ahgebildet worden sein. Die Spannungsempfindungen bei den Augenbewegungen k\u00e4men nur dann in Betracht, wenn die gr\u00f6\u00dfer ausgefallenen 20 Distanzen unterhalb der Stelle gezeichnet wurden, wo der Cylinder sich befand, so dass sie untersch\u00e4tzt und infolgedessen gr\u00f6\u00dfer gezeichnet werden m\u00fcssten, was allerdings m\u00f6glich, aber aus der Beschreibung der Versuche nicht zu errathen ist. Die Sache ist jedoch auf andere Weise zu erkl\u00e4ren. Eine Punktdistanz erscheint immer kleiner als eine gleich gro\u00dfe ausgezogene Linie; die durch zwei Punkte bezeich-neten Distanzen w\u00fcrden daher kleiner erscheinen als der gemerkte Cylinder (der wie ein 25 cm langer und 2 cm breiter Strich aussah), wenn sie ihm objectiv gleich w\u00e4ren; folglich wurden sie gr\u00f6\u00dfer gemacht, um ihm gleich zu erscheinen. Dazu kommt noch der Umstand, dass der strichartige, wei\u00dfe Cylinder infolge der Irradiation auf dem schwarzen Grunde gr\u00f6\u00dfer aussehen und daher auch gr\u00f6\u00dfer nachgebildet werden musste.\nWeitere, unserer Ansicht scheinbar widersprechende Beobachtungen haben Baldwin und Shaw gemacht1). Diese Forscher haben mit vielen Versuchspersonen zugleich G-ed\u00e4chtnissversuche nach drei Methoden angestellt. Die Versuchsobjecte waren auf der schwarzen Tafel gezeichnete wei\u00dfe Quadrate. Nach der ersten Methode (selection from a variety) sollte aus einer Beihe verschieden gro\u00dfer Quadrate das vorher gemerkte herausgefunden werden. Bei der Anwendung der zweiten (identification) wurde das Normalquadrat mit einem gr\u00f6\u00dferen Vergleichsquadrat verglichen. In beiden F\u00e4llen befanden sich (wenigstens scheint dies aus der Beschreibung der Versuche hervorzugehen) der Normal- wie der Vergleichseindruck auf derselben Stelle. Die Autoren bemerken nun, dass bei diesen Versuchen eine Tendenz des Erinnerungsbildes zum Wachsen vorhanden gewesen sei, ohne jedoch n\u00e4her auf die Erscheinung einzugehen. Wenn man jedoch die betreffenden Verh\u00e4ltnisse und Zahlen n\u00e4her ins Auge fasst, so wird man sehen, dass bei den Versuchen nach der zweiten Methode diese Annahme nichts weniger als evident erscheint, ja dass\n1) Yergl. die Anmerkung oben S. 415.","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 429\nman gewisserma\u00dfen auf ihr Gegentheil schlie\u00dfen k\u00f6nnte. Da n\u00e4mlich das Vergleichsquadrat gr\u00f6\u00dfer war und die richtigen F\u00e4lle einen gr\u00f6\u00dferen Procentsatz ausmachen, so bedeutet dies, dass dieses gr\u00f6\u00dfere Quadrat in den meisten F\u00e4llen richtig als gr\u00f6\u00dfer bezeichnet wurde. W\u00e4re aber das Erinnerungsbild in der Zwischenzeit gr\u00f6\u00dfer geworden, so w\u00fcrde es dem Vergleichsquadrat (welches ja gr\u00f6\u00dfer war als das normale) an Gr\u00f6\u00dfe n\u00e4her kommen und dasselbe sogar \u00fcbertreffen, so dass wir mehr falsche als richtige F\u00e4lle zu erwarten h\u00e4tten, und zwar w\u00fcrden im ersteren Falle \u2014 wo das Erinnerungsbild dem Vergleichsquadrat \u00e4hnlicher und infolgedessen der Vergleich mit ihm schwieriger geworden w\u00e4re \u2014 mehr Gleichheits- und zweifelhafte F\u00e4lle Vorkommen; im zweiten \u2014 wo es gr\u00f6\u00dfer als das Vergleichsquadrat geworden w\u00e4re \u2014 w\u00fcrde die Mehrzahl der Urtheile \u00bbkleiner\u00ab lauten. Die falschen Urtheile sind aber in der Mehrzahl. Die richtige Sch\u00e4tzung des Vergleichsquadrates als gr\u00f6\u00dfer spricht jedoch nicht gegen unsere Annahmen. Die Versuchspersonen schrieben in der mehrere (20 und 40) Minuten w\u00e4hrenden Zwischenzeit, wobei sie die Augen nach unten gerichtet hatten; au\u00dferdem wurde das Vergleichsobject mit mehr Aufmerksamkeit und Interesse betrachtet als das normale, so dass nach unseren obigen Ausf\u00fchrungen schon hierdurch eine Uebersch\u00e4tzung desselben m\u00f6glich war. Doch bedurfte es einer solchen wahrscheinlich \u00fcberhaupt nicht, sondern das Vergleichsquadrat wurde einfach als gr\u00f6\u00dfer gesch\u00e4tzt, weil es gr\u00f6\u00dfer war.\nDie Verfasser scheinen nun den Umstand, dass die falschen (\u00bbkleiner\u00ab-) Urtheile mit dem Zeitintervall zunehmen, dahin deuten zu wollen, dass das Erinnerungsbild mit der Zeit wachse; dies ist aber durchaus nicht zul\u00e4ssig; denn die falschen Urtheile k\u00f6nnen ihren Grund in der Verwischung des Erinnerungsbildes (worin nach unserer Ansicht allein die Wirkung der Zeit besteht) haben, so dass hei einer gro\u00dfen Versuchszahl die \u00bbrichtigen\u00ab und \u00bbfalschen\u00ab Urtheile sich die Wage halten m\u00fcssen; dass sie hier nur \u00bbkleiner\u00ab hei\u00dfen, ist ja selbstverst\u00e4ndlich, da das einzige Vergleichsquadrat gr\u00f6\u00dfer war, so dass viele der \u00bbgr\u00f6\u00dfer\u00ab-Urtheile, obwohl sie hei der Verwischung des Erinnerungsbildes sicherlich auf subjectiver T\u00e4uschung beruhten und als falsch und zuf\u00e4llig zu betrachten sind, doch nicht zu den falschen, sondern zu den richtigen F\u00e4llen gez\u00e4hlt wurden. Wir k\u00f6nnten h\u00f6chstens dann mit einem gewissen Rechte auf eine Ver-","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\ngr\u00f6\u00dferung des Erinnerungsbildes schlie\u00dfen, wenn bei objectiver Gleichheit von Normal- und Vergleichsobject die falschen \u00bbkleiner\u00ab-Urtheile die \u00fcberwiegende Mehrzahl w\u00e4ren. Aber auch dann w\u00fcrde zun\u00e4chst nach andern Gr\u00fcnden f\u00fcr die Untersch\u00e4tzung des Vergleichseindruckes zu suchen sein.\nIn den Versuchen nach der anderen Methode (Auswahl) kann ich einen Grund f\u00fcr die Annahme der Verfasser nicht finden. Es l\u00e4sst sich aus ihnen weder eine Uebersch\u00e4tzung noch eine Untersch\u00e4tzung der Vergleichsobjecte, und somit auch keine Gr\u00f6\u00dfenver\u00e4nderung des Erinnerungsbildes erschlie\u00dfen, denn die falschen Urtheile k\u00f6nnen gr\u00f6\u00dfere und kleinere Quadrate der Serie betroffen haben.\nNach der dritten Methode (Reproduction) sollte ein vorher gemerktes Quadrat nach einer gewissen Zwischenzeit auf einem Bogen Papier nach der Erinnerung abgebildet werden. In den meisten F\u00e4llen war das so reproducirte Quadrat kleiner, was mit unserer Ansicht von der Ursache der inad\u00e4quaten Sch\u00e4tzung der Versuchsobjecte nicht vereinbar scheint, denn da die Augen, beim Zeichnen nach unten gewendet, das reproducirte Bild kleiner gesehen haben w\u00fcrden, wenn es dem (h\u00f6her stehenden) Original gleich w\u00e4re, so m\u00fcsste es gr\u00f6\u00dfer gemacht werden, um ihm gleich zu erscheinen. Baldwin und Shaw, zu deren Annahme von einer Vergr\u00f6\u00dferung des Erinnerungsbildes dieses Resultat ebenfalls nicht passt, wollen es aus dem Contrast (zwischen dem gezeichneten Quadrat und den R\u00e4ndern des Papieres) und aus der durch das lange vorhergehende Schreiben verursachten Erm\u00fcdung in den H\u00e4nden erkl\u00e4ren. Letzteres mag dahingestellt bleiben, obwohl es durchaus nicht ausgemacht ist, dass die Erm\u00fcdung eine solche Wirkung hat; wir schreiben beispielsweise, wenn wir erm\u00fcdet sind, gew\u00f6hnlich gr\u00f6\u00dfere Buchstaben.\nDie Erscheinung ist vielmehr anders zu erkl\u00e4ren. Bei der Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzung von r\u00e4umlichen Objecten sind wir zum gr\u00f6\u00dften Tlieil auf die Erfahrung angewiesen. Der Gesichtswinkel allein, die blo\u00dfe scheinbare Gr\u00f6\u00dfe der Objecte kann uns an sich niemals die Vorstellung der wirklichen Gr\u00f6\u00dfe eines Objectes vermitteln; auch wenn die Vorstellung der Entfernung vom Subjecte hinzutritt, bleibt die Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzung eine sehr unsichere; ist doch die Tiefensch\u00e4tzung selbst immer eine unvollkommene, namentlich wenn, bei weiten Entfernungen, ihre wichtigsten H\u00fclfsmittel, die Convergenz und die","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 431\nAccommodation, fehlen, wie hei den hier in Rede stehenden Versuchen Baldwin\u2019s, die mit 225 Personen zugleich, also in einem gro\u00dfen Saale ausgef\u00fchrt wurden. Wenn es uns nun m\u00f6glich ist, in der Ferne wahrgenommene Objecte, welche uns in ihrer wirklichen Gr\u00f6\u00dfe gel\u00e4ufig sind, wenigstens ann\u00e4hernd richtig wiederzugeben, oder mit H\u00fclfe der Tiefenvorstellung auch unbekannte in ihrer Gr\u00f6\u00dfe variable dadurch richtig zu sch\u00e4tzen, dass wir auf sie einen aus der Erfahrung genommenen Ma\u00dfstab \u2014 Objecte von feststehender und uns genau bekannter Gr\u00f6\u00dfe \u2014 anwenden und sie damit messend vergleichen; so l\u00e4sst uns die Erfahrung ganz im Stich, wenn es sich bei fehlender oder unsicherer Tiefenvorstellung um die Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzung von Objecten handelt, die in ihrer Ausdehnung variabel und uns unbekannt sind und keine festen Gr\u00f6\u00dfenbeziehungen zu bekannten Gegenst\u00e4nden darbieten, wie dies ganz besonders bei den geometrischen Figuren der Fall ist. In solchen F\u00e4llen sind wir geneigt, dieselben nach ihrer scheinbaren Gr\u00f6\u00dfe zu sch\u00e4tzen und nachzubilden1). Es ist nun begreiflich, dass die Versuchspersonen das Originalquadrat, da sie doch entfernt von ihm gesessen haben, seiner scheinbaren Gr\u00f6\u00dfe folgend kleiner nachbilden; es ist ferner anzunehmen, dass die einzelnen Reproductionen mit zunehmender Entfernung der Versuchspersonen vom Original immer kleiner ausfallen mussten. Dazu kommt noch ein wichtiger Umstand in Betracht, der allein schon ausreicht, die hier besprochene Erscheinung zu erkl\u00e4ren. Das normale Quadrat war mit wei\u00dfen Kreidestrichen auf der schwarzen Tafel gezeichnet, die an sich schon st\u00e4rker waren als die Blei- oder Tintenstriche, mit welchen die auf dem Papier reproducirten Quadrate begrenzt waren und wegen der Irradiation auf dem schwarzen Hintergr\u00fcnde, namentlich bei zunehmender Entfernung, noch st\u00e4rker erscheinen mussten (was in Anbetracht der wahrscheinlichen Kurzsichtigkeit und mangelhaften Accommodation bei vielen der Versuchspersonen noch schwerer ins Gewicht f\u00e4llt). Das Quadrat auf der schwarzen Tafel musste daher kleiner erscheinen als ein gleich gro\u00dfes, das mit feinen Linien begrenzt w\u00e4re, und die auf dem Papier mit solchen Linien\n1) Diese Erw\u00e4gungen gelten nat\u00fcrlich f\u00fcr unsere Versuche nicht, weil es sich da nicht um die Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzung und Nachbildung eines Objectes, sondern um die Vergleichung zweier Objecte handelt, die gegeben sind und sich \u2014 was wohl zu beachten ist \u2014 am selben Ort befinden.\nWundt, Philos. Studien. XV.\n29","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nreproducirten Nachbildungen desselben mussten, wenn sie dem Original objectiv gleich waren, gr\u00f6\u00dfer erscheinen, folglich kleiner gemacht werden, um ihm gleich auszusehen.\nIch habe, um dies nachzupr\u00fcfen, in einem gro\u00dfen Auditorium der Leipziger Universit\u00e4t und sonst mit mehreren Herren \u00e4hnliche Versuche gemacht, wobei die Versuchspersonen, in drei Gruppen ge-theilt, in die vorderste, die mittlere und die hinterste Sitzreihe placirt waren. Die Versuche wurden theils mit einer Zwischenzeit, theils hei unmittelbarem Vergleich ausgef\u00fchrt. Die Resultate ergaben durchweg einen negativen Fehler; nur erscheint er hei der vordersten Reihe um ein Weniges kleiner als hei den anderen zwei; dieses Ergehniss erhielt ich bei beiderlei Versuchen.\nEs handelt sich somit hier um einen durch die Umst\u00e4nde erkl\u00e4rbaren Fehler der Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzung, der den von uns angenommenen Erkl\u00e4rungsgrund der in dieser Abtheilung besprochenen Erscheinungen gar nicht auf hebt. Ein sogenannter Ged\u00e4chtnissfehler, der in einer Gr\u00f6\u00dfenver\u00e4nderung des Erinnerungsbildes bestehen soll, scheint mir ausgeschlossen zu sein1).\n6. Die Merkzeiten.\nDie Zeiten, welche zwischen dem Vorzeigen des Normaleindruckes und dem vom Beobachter gegebenen Zeichen, dass er sich denselben gemerkt habe, verflie\u00dfen und unmittelbar der Zwischenzeit voran-\n1) Binet und Henri a. a. O. S. 166 ff. machten mit Kindern \u00e4hnliche Versuche wie die hier besprochenen von Baldwin und Shaw (Reproduction), und zwar waren die Versuchsobjecte Linien, welche nach einer Zwischenzeit und dann ohne Zwischenzeit nachgebildet werden sollten. Die Beproductionen erschienen meistentheils kleiner als das Original (gerade so wie bei den vorhin erw\u00e4hnten Versuchen), was sich nach dem oben Gesagten erkl\u00e4rt (die differente Fehlergr\u00f6\u00dfe bei den verschiedenen Altern ist wohl aus den verschiedenen Bedingungen der Aufmerksamkeit zu erkl\u00e4ren). Dass der negative Fehler bei der Reproduction nach einer Zwischenzeit gr\u00f6\u00dfer ist als bei der unmittelbaren Vergleichung, lie\u00dfe sich allerdings m\u00f6glicherweise so erkl\u00e4ren, dass die Zeit eine Verkl eine rung des Erinnerungsbildes bewirke, was in der That die Verfasser annehmen. Die Versuche reichen jedoch zu dieser Annahme gewiss nicht aus. Ueber die Experimente von Warren und Shaw (Warren und Shaw, Further experiments on Square-Size, Psychological Review, vol. 2, 1895, S. 239 ff.), welche wiederum eine Vergr\u00f6\u00dferung des Erinnerungsbildes beweisen sollen, kann ich mich nicht aussprechen, da mir die Versuchsanordnungen unklar sind.","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 433\ngehen, nenne ich Merkzeiten. Einer Merkzeit geht voran, wenn die Versuche sich unmittelbar folgen, zun\u00e4chst die Einstellungszeit (der Normaldistanz, die der Vergleichsdistanz f\u00e4llt in die Zwischenzeit vergl. oben S. 325 f.), dann die Reproductionszeit und schlie\u00dflich die Zwischenzeit; vor dieser liegt wiederum eine Merkzeit und so fort.\nDie Merkzeiten erscheinen, wie wir im Folgenden n\u00e4her ausf\u00fchren wollen, ebenfalls als ein Ausdruck f\u00fcr die Ver\u00e4nderungen der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe. Wie wir fr\u00fcher bemerkt haben, wurde es den Versuchspersonen freigelassen, die Normaldistanz so lange zu betrachten, bis sie glaubten, dieselbe gen\u00fcgend sich gemerkt zu haben; wie sehr dies angezeigt war, zeigen die Ergebnisse der folgenden wenigen Versuche, welche ich mit Tyszko ausgef\u00fchrt habe. Bekanntlich war diesem Beobachter, seiner Aussage nach, die Zwischenzeit von 2,5\" am bequemsten, und die Reproduction nach diesem Zeitintervall schien ihm am leichtesten. Dies zeigte sich denn auch darin, dass die Ged\u00e4chtnissschwelle bei dieser Zwischenzeit den kleinsten Werth w\u00e4hrend ihres ganzen Verlaufes erreichte, n\u00e4mlich 0,25 mm, bei einer mittleren Variation gleich 0 (obere Schwelle) und 0,30 mm, bei einer mittleren Variation von 0,08 mm bei dem unteren Verlauf. Ich machte nun mit dieser Zwischenzeit (von 2,5\") je 5 Versuche f\u00fcr die obere und f\u00fcr die untere Schwelle in der Weise, dass ich die Merkzeit dem Beobachter nicht frei lie\u00df, sondern dieselbe constant nahm und ihn auf forderte, den ausgesetzten Normaleindruck w\u00e4hrend der ganzen 5\" dauernden Merkzeit zu \u00bbmerken\u00ab. Die Resultate sind folgende (Tabelle XX1H).\nTabelle XXIII.\nTyszko.\nNormaldistanz 40 mm. Minimal\u00e4nderung 0,25 mm. Constante Zwischenzeit 2,5\".\nConstante Merkzeit 5\". Versuchszahl 5.\n\to. S.\tu. S.\nA. M. in mm\t0,45\t0,60\nMax.\t0,75\t0,75\nMin.\t0,25\t0,50\nM. V. in mm\t0,14\t0,12\n29*","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nAus diesen Zahlen geht zweifellos hervor, dass die constante Merkzeit auf den Gang der Schwelle st\u00f6rend einwirkt. Diese St\u00f6rung wird erst recht klar, wenn wir in R\u00fccksicht ziehen, dass diesen 5 Versuchen 20 f\u00fcr jeden Verlauf bei dem gew\u00f6hnlichen Verfahren mit willk\u00fcrlicher Merkzeit f\u00fcr dieselbe Zwischenzeit gegen\u00fcberstehen (zu denen wir \u00fcberdies noch die auf S. 360, Tabelle VT angef\u00fchrten, ebenfalls unter den gew\u00f6hnlichen Bedingungen vorgenommenen rechnen m\u00fcssen), welche trotz ihrer bedeutend gr\u00f6\u00dferen Anzahl den erheblich kleineren Schwellenwerth fast durchweg in allen Einzelbestimmungen auf weisen, das hei\u00dft mit einer sehr gro\u00dfen Constanz in der Sicherheit der Beurtheilung (die mittlere Variation ist 0 mm f\u00fcr die obere und 0,08 mm f\u00fcr die untere Schwelle). Hier, bei constanter Merkzeit, ist aber neben dem viel gr\u00f6\u00dferen Schwellenwerth auch die Pr\u00e4cision der Aussagen eine bedeutend geringere (die mittlere Variation betr\u00e4gt 0,14 mm, beziehungsweise 0,12 mm). Dies alles ist leicht erkl\u00e4rlich, wenn wir bedenken, dass der Zwang, die Aufmerksamkeit w\u00e4hrend einer in ihrer Dauer dem Beobachter unbekannten Zeit best\u00e4ndig anspannen zu m\u00fcssen, und das Bewusstsein, diesen Zwang nach eigener Willk\u00fcr nicht aufheben zu k\u00f6nnen, Bewusstseinszust\u00e4nde hervorrufen muss, welche die Aufmerksamkeit und folglich das Merken und die Reproduction des Eindruckes nachtheilig beeinflussen werden.\nSchon bald nach Anfang der Untersuchungen fiel es mir auf, dass \u2014 was ich nicht vorausgesehen hatte \u2014 die Zeit, welche die Versuchspersonen brauchten, um den Eindruck sich zu merken, nicht immer gleich war und schon bei einer und derselben Zwischenzeit in ihrer Dauer zum Theil sehr schwankte. Nachdem die Zwischenzeit ver\u00e4ndert (gr\u00f6\u00dfer) wurde, bemerkte ich, dass auch die Merkzeiten im allgemeinen, und zwar der Zwischenzeit entsprechend, merklich sich ver\u00e4nderten, indem auch sie durchschnittlich gr\u00f6\u00dfer wurden. W\u00e4hrend ich nun geneigt war, mir das erstere \u2014 n\u00e4mlich die Schwankungen der Merkzeiten bei einer und derselben Zwischenzeit \u2014 durch die Schwankungen der Aufmerksamkeit zu erkl\u00e4ren, musste ich die Ver\u00e4nderungen derselben bei ver\u00e4nderter Zwischenzeit noth-wendig dem Einfl\u00fcsse der letzteren zuschreiben. Ich nahm mir daher vor, diese Erscheinung einer n\u00e4heren Erforschung zu unterwerfen, und notirte die Dauer der Merkzeiten. Die Resultate dieser Unter-","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 435\nsuchungen ergaben die interessante Thatsacke, dass die durchschnittliche Dauer der Merkzeiten sich mit der Ver\u00e4nderung der Zwischenzeit ebenfalls ver\u00e4ndert und zwar, was das Wichtigste ist, in demselben Verh\u00e4ltnisse wie die Ged\u00e4chtnissschwelle, so dass die beiderseitigen Ver\u00e4nderungen einander parallel laufen und die sie darstellenden Curven im allgemeinen denselben Verlauf zeigen.\nDas Verfahren bei diesen Untersuchungen war im wesentlichen das folgende. Die Merkzeiten wurden bei allen Beobachtern aufgenommen au\u00dfer bei Eber, bei welchem es nicht geschehen konnte, weil die mit ihm in Angriff genommenen Versuche schon ziemlich vorgeschritten waren, als sich mir diese Erscheinung aufgedr\u00e4ngt hatte. Auch bei mir selbst konnten die Aufzeichnungen nicht gut vorgenommen werden; haupts\u00e4chlich war zu bef\u00fcrchten, dass ich durch die Kenntniss des erwarteten Resultates im Gebrauch der Merkzeit beeinflusst werden k\u00f6nnte, und dass ferner durch den Umstand, dass ich w\u00e4hrend derselben die Aufmerksamkeit unwillk\u00fcrlich auf ihre Dauer richtete, diese doch in ihrer gesetzm\u00e4\u00dfigen Gr\u00f6\u00dfe alterirt werden k\u00f6nnte, abgesehen davon, dass dies auch das Merken des Versuchsobjectes selbst und die Urtheile beeintr\u00e4chtigt haben w\u00fcrde; auch w\u00e4re das ganze Verfahren zu complicirt geworden. Die Versuchspersonen wurden, um nicht irgendwie beeinflusst zu werden, von der Aufzeichnung der von ihnen gebrauchten Merkzeiten vollst\u00e4ndig in Unkenntniss gelassen. Die Dauer der Merkzeiten wurde auf der Secundenuhr abgelesen und bis zu Viertelsecunden verzeichnet. Es wurden nur diejenigen Merkzeiten ber\u00fccksichtigt, welche unmittelbar einem vorhergehenden Einzelversuche folgten (also bei ununterbrochener Folge der Versuche). Wenn daher zwischen den Einzelversuchsreihen eine l\u00e4ngere Zeit verstrich und sie nicht, wie gew\u00f6hnlich, unmittelbar auf einander folgten, so wurden die ersten Merkzeiten nicht in Rechnung gezogen. Da ferner mit den Einzelversuchsreihen der oberen Schwelle und denjenigen der unteren unregelm\u00e4\u00dfig abgewechselt wurde, und die Aufzeichnung der Merkzeiten f\u00fcr beide Schwellen getrennt geschah, so musste nat\u00fcrlich, wenn die Einzelversuchsreihen unmittelbar auf einander folgten, die erste Merkzeit einer jeden derselben derjenigen der beiden Schwellen zugerechnet werden, welcher die vorangegangene Einzelversuchsreihe angeh\u00f6rte. Auch die Merkzeiten der ersten Versuche eines jeden","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\nZ. Radoslawow-Hadji-Dcnkow.\nVersuchstages wurden, da sie von der noch fehlenden relativen Uehung und n\u00f6thigen Sammlung beeinflusst sein konnten, nicht in R\u00fccksicht genommen.\nDie Zahlen der folgenden Tabellen stellen das arithmetische Mittel aus allen f\u00fcr eine bestimmte Zwischenzeit gesammelten Aufzeichnungen (getrennt f\u00fcr jede der beiden Schwellen) dar.\nIn Tabelle XXIV sind die Merkzeiten aus den Aufzeichnungen w\u00e4hrend aller drei Serien der mit Franz gemachten Versuche zusammengestellt. Bei Tyszko (Tabelle XXV) kommen ebenfalls die Eesultate beider Versuchsfolgen zusammen zur Darstellung.\nHier steht die Curve bei den gr\u00f6\u00dften Zwischenzeiten wegen des Umstandes, dass die Versuche der gr\u00f6\u00dferen Versuchsfolge mit diesen Zeitintervallen begannen, h\u00f6her, als zu erwarten w\u00e4re; wie \u00fcberhaupt hier, bei den Merkzeiten, die Abweichungen vom als normal angenommenen Verlauf, wie die Unebenheiten und namentlich die gr\u00f6\u00dferen Schwankungen zum gr\u00f6\u00dften Theil denselben Bedingungen zuzuschreiben sind, wie bei der Ged\u00e4clitnissschwelle. Es ist daher auch in dieser Beziehung sicher zu erwarten, dass hei einer gr\u00f6\u00dferen Anzahl von Aufzeichnungen die kleineren Schwankungen, sowie die Unterschiede zwischen den beiden Verl\u00e4ufen sich vollst\u00e4ndig aus-gleichen w\u00fcrden.\nAus den angef\u00fchrten Resultaten geht nun, wie oben angedeutet, ganz sicher hervor, dass die Dauer der Merkzeit nicht nur sich mit der Zwischenzeit ver\u00e4ndert, sondern dass dies in einem dem Verlauf der Ged\u00e4clitnissschwelle entsprechenden, wahrscheinlich logarithmischen Verh\u00e4ltnisse geschieht (vergleiche Tafel II). Wir k\u00f6nnen daher wohl diese Abh\u00e4ngigkeit der Merkzeiten von den Zwischenzeiten durch dieselbe Formel ausdr\u00fccken, welche wir f\u00fcr die durch die Zeit bedingten Ver\u00e4nderungen der Ged\u00e4clitnissschwelle selbst auf gestellt haben (S. 341).\nIch habe nach dieser Formel\nmit zwei aus dem gegebenen Merkzeitenverlauf der oberen Schwelle hei Franz berechneten Constanten k = 0,732 und c = 1,622 einen idealen Verlauf berechnet und stelle die Zahlen desselben mit denjenigen des gegebenen Verlaufs in Tabelle XXVI zusammen.","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen fiber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 437\n\t\to\tHO\tt-\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\n\u00a9\to\t\u00a9^\tcs_\t\u00a9^\tHO^\t\u00a9^\t\t\n\t\tco\tco\to\t\t\t\t\n\t\t\to\tCO\tCD\tHO\t\u00a9\t\n\t\to\to\t00\tr-t\tcs\t\u00a9,\t\u00a9\n\u00a9\t\tco\tco\to\t\t\u00a9\tco\t\u00a9\n\tCO\to\to\tt\u2014\tHO\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\n\tt-\t\u00a9\tHO\tHO\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\tl'-\n\tCO\t\u00a9\tcs\to\tco\t\u00a9\tcs\t\u00a9\n\t\t\to\tT-H\tu-\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\n\u00a9\too_\tcs\t\u00a9_\tHO\tHO\t\u00a9^\t\u00a9^\t\nCO\tcs\t\tcs\to\tcs\t\t\t\n\t\t\t\tl-\tco\tHO\t\u00a9\t\u00a9\n\u00a9\trH\tIO\tcs^\t\t\u00a9\tl\u2014\tcs_\t\ncs\tCO\t\tcs\to\tcs\tco\t\t\n\tCO\t\to\tao\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\n\u00a9\tcs\to\to\tCD_\tcs^\t\t\t\ncs\tco\tHO\tcs\to\tco\t\tcs\t\u00a9\n\t\t\t\u00a9\tco\tHO\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\n\u00a9\t\to\t\u00a9_\t\t\t\t\t\n\tCO\t\tcs\to\tco\trf\tcs\t\u00a9\n\t\t\t\tcs\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\n\t\t\t\tco\t\u00a9\tcs\t\u00a9\trr<\ncs\tCO\t\tcs*'\tcT\tco\"\trjT\tcs\u201d\t\u00a9\u25a0\n\t\t\tHO\tco\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\tco\n\u00a9\t00\t\u00a9_\tcs\tH0^\t\u00a9^\t\u00a9^\t\u00a9^\t\n\u25a0'-1\tcs\t\tcs\to\tco\t\t\t\u00a9\n\t\tHO\tHO\t\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\tt\u20141\n\u00a9\tGO\t\tcs\trf\t\u00a9\t\u00a9\t\t\n\tcs\tco\tcs\"\to\tcs\t\tcs\t\u00a9\n\t\to\t\u00a9\tr\u2014\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\too\n\t\t\t\tco\tco\tt-\tt-\tcs\n\u00a9\t<rf\tco\"\tcs\u201d'\tcT\tcs~\tcs~\t**\tcT\n\t\t\tHO\tcs\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\n\u00a9\tcs\t\tu-\tco\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t\ncs\"\tcs\tcs\t\t\u00a9\tcs\tco\tcs\t\u00a9\n\t\t\to\tco\t\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\n\t\t\t\t\t\t\u00a9\tu~\tTt<\n\t\tcs\tcT\t\u00a9~\t\tcs\u201d\tcT\tcT\n\tg\t\t\tg TJ\t\u25a0 fl\t\t\tfl \u00a9 r\u00f6\n\t\t\t\t\tp\u00f6\t\t\t\n\tfl\t\t\tfl\tfl\t\t\tfl\n<\u00a3> 3 <0\tS3\t\t\t\u00df\tg\t\t\tfl\n\tO ui\tg\tfl\t0) ui\t<D Ul\ti\ti\t\u00a9 Ul\nO oa\t.S\ta\ta\t.B\tin\ta\ta\tin\ns N3\tg\t\t\t>\ta\t\t\tt>\n\t\t\t\ta\t\t\t\ta\n\t\tm\t\t\t\tui\t\t\n\t\t\t6\t\t\t\tfl\t","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow,\n>\nM\nM\na>\np\u00f6\nc3\nEH\n\tlO\tO\tO\tco\t05\tLO\t\u00a9\t\n\u00a9 CO\tlo\"\tes\"\tLO^ csT\t\u00a9^. CS*'\tT\u20141 LO~\t\tes\"\t\u00a9^\n\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\tlo\tO\tr\u2014t\t\t\t\t\nO\t\tCS\tO\tco\tt-\tO\t\u00a9\t\nlO\t\t05\tCS\tT\u20141\t\tCS\tCS\tCS\n\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tTt\u00bb\tO\tO\t\tO\tLO\tLO\t\u2022\u00a9\nO\t\tO\tLO\t\tO\tCS\tt-\tCS\n\tCO\tt-\t\t\t\u2022'Cf\u2019\tt-\tth\tT\u2014t\n\t\u00a9\tO\tO\tLO\tco\t\t\t\u00a9\nO\tt~-\tO\tO\tO\tLO\tt-\t\tco\nCO\tCS\tlO\t*\u25a0*\t\tCS\tLO\t\u00a9\t*\"*\n\t05\tO\tO\t05\tO\tLO\t\u00a9\tco\n\tCO\t\tLO\t05\t\tJ\u2014\tLO\t\nCS\tCOr'\tCD\tCS*'\tcT\tcrf\tt-\"\tr-l\t\n\tO\tO\tLO\t\tlO\t\t\u00a9\t\n\t\tLO\t\tO\t00\tr\u2014\t\tCS\nes\tco*\tco*\trH\tr\u20141\tCS*\tCO*'\tT\u2014t\t\n\t\tlO\tLO\t05\tLO\tLO\tLO\t\niO\t\t\tt-\tr-<\t05\tt-\tCS\t\u00a9\n\tCS\tt-\tO\t\tCS\tl>\t\t\n\tO\tlO\tO\tO\tLO\tLO\t\u00a9\tco\n\tl\u2014\tt-\tO\tO\t\tCS\t\u00a9\t\n\tCS\tCO\t\t\tco\tco\t\t\n_\tCS\tLO\tO\tO\tr\u2014\tO\t\u00a9\t\nO\tT\u20141\tCS\tO\t05\t\tLO\t\u00a9\t\u00a9\n1\u20141\tCS\tLO\t*\"*\tO\tCS\tLO\t\t\u00a9\n\tO\tO\tO\tLO\tO\t\u00a9\t\u00a9\tLO\nto\tLO\tLO\tLO\tCO\t00\tLO\t\u00a9\t00\nt-\tCS\tco\tO\tO\tCS\tLO\t\t\u00a9\n\tO\tO\tO\t\tO\tLO\tLO\t\u00a9\n5\"\t05\tO\tLO\tLO\t00\tCS\tt-\tLO\n\t1\tCO\tO\tO\tT\u20141\tco\t\u00a9\t\u00a9\n\tCS\tO\tLO\tt-\tt-\tLO\t\u00a9\t\u00a9\n\u00eeo\t00\tO\tCS\tr-\tt-\tCS\tLO\tLO\nCS\t\t\tO\tO\t\t\t\u00a9\t\u00a9\n\tCS\tO\tO\tCO\tO\tO\tLO\tCS\n\tO\tLO\tLO\t\u25a0\u2019Tf\t\tO\tCS\t\n\t\tCS\tO\tO\tT\u20141\tco\t\u00a9\t\u00a9\n\tfl \u00a9 rfl\t\t\tfl\tfl \u00a9 nfl\t\t\tfl\n\t\t\t\t'S\t\t\t\ts\nrfl\tfl\t\t\t\tfl\t\t\tfl\n\tfl\t\t\t{3\tfl\t\t\tfl\n\t\t\t\t\u00a9\t\t\t\t\n\u00a7\t\u00a9 m\ti\tfl\t\u00a9 m\t\u00a9 m\tX\tri\t\u00a9 zn\nO m\t.B\ts\ta\t\u2022S\tin\ta\ts\t.3\ns ISJ\ta\t\t\t>\t\t\t\t>\u25a0\n\t\t\t\ts\t<\t\t\tN\n\t\tz\u00e0\t\t\t\tm\t\t\n\t\t\t5\t\t\t\ti\t","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss fur r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 439\nWie aus dieser Tabelle zu entnehmen ist, liegen die beiderseitigen Zahlen-werthe \u2014 au\u00dfer bei der gro\u00dfen Schwankung bei 25 bis 30 Secunden \u2014 ziemlich nahe an einander, ja sie decken sich an vielen Punkten vollst\u00e4ndig. Am besten ersieht man dieses Verh\u00e4ltniss aus Tafel IT, Fig. 2, wo die mit punktirt unterbrochenen Linien (\u2014 \u2022 \u2014 \u2022 \u2014 \u2022 \u2014) gezeichnete Curve den idealen Verlauf darstellt.\nEs fragt sich, welchen Umst\u00e4nden diese gesetzm\u00e4\u00dfigen Ver\u00e4nderungen der Merkzeitendauer zuzuschreiben sind. Da ist es nun im Vorhinein leicht begreiflich, dass, je gr\u00f6\u00dfer die Wirkungen jener Bedingungen sind, welche das Vergessen des Normaleindruckes verursachen, um so gr\u00f6\u00dfer die Zeit sein muss, welche zu seiner erneuten Einpr\u00e4gung im Bewusstsein n\u00f6thig ist. Wir k\u00f6nnen annehmen, dass alle den Ver\u00e4nderungen der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe zu Grunde liegenden Bedingungen auch auf die Dauer der Merkzeit von Einfluss sein werden. Da wir aber in dem aus den oben mit-getheilten Versuchen sich ergebenden Merkzeitenverlauf dasselbe Ver\u00e4nderungs-verh\u00e4ltniss vor uns haben, wie bei der Ge-d\u00e4chtnissschwelle, so m\u00fcssen wir schlies-sen, dass es auf das gesetzm\u00e4\u00dfige Wirken desselben Factors zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, wie die Ver\u00e4nderungen der letzteren1): und dieser Factor ist die Zeit.\n1) Die anderen Einfl\u00fcsse werden wir sp\u00e4ter kennen lernen; sie kommen hier wenig in Betracht.","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\tZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nEs kann sich hier also haupts\u00e4chlich nur um den Einfluss der Zeit handeln, die zwischen dem einen \u00bbMerken\u00ab und dem ihm vorangehenden liegt. Diese Zeit besteht, wie oben angef\u00fchrt, aus drei Zeiten: der Einstellungszeit, der Eeproductionszeit und der Zwischenzeit. Wir m\u00fcssen jedoch den hier in Frage stehenden Einfluss ausschlie\u00dflich der Zwischenzeit zusprechen.\nWir haben n\u00e4mlich folgendes Verh\u00e4ltniss:\n(Merkzeit)\nZwischenzeit \u2014 variabel Eeproductionszeit \u2014 variabel Einstellungszeit \u2014 constant (Merkzeit).\nDie Zwischenzeit nimmt bekanntlich in einem arithmetischen Verh\u00e4ltniss (von 1\" bis 60\") zu. Die Einstellungszeit m\u00fcssen wir als constant betrachten, da sie mit den gleichen Manipulationen ausgef\u00fcllt wird, welche mehr oder weniger immer dieselbe Zeitdauer in Anspruch nehmen. Die Eeproductionszeit dagegen ver\u00e4ndert sich in einem nicht so leicht in Eechnung zu bringenden Verh\u00e4ltniss: sie nimmt mit der Ver\u00e4nderung der Zwischenzeit einen demjenigen der Ged\u00e4clitnissschwelle und der Merkzeiten \u00e4hnlichen, augenscheinlich logarithmischen Verlauf (vergl. unter 7). Nun k\u00f6nnte man denken, dass es eigentlich die Wirkung dieses Verlaufes der Eeproductions-zeiten sei, welche den ihm \u00e4hnlichen der Merkzeiten bedinge. Dieses d\u00fcrfen wir aber sicherlich nicht annehmen, denn der Umfang der Ver\u00e4nderungen der Eeproductionszeiten ist gegen\u00fcber demjenigen der Zwischenzeiten zu unbedeutend, als dass wir irgend welche Berechtigung h\u00e4tten, den Einfluss der letzteren au\u00dfer Acht lassend den in Eede stehenden Verlauf der Merkzeiten mit demjenigen der Eeproductionszeiten in Zusammenhang zu bringen. Diese ver\u00e4ndern sich n\u00e4mlich von 2,64 bis 6,03 Secunden, w\u00e4hrend die Zwischenzeiten von 1 bis 60 Secunden steigen, so dass, wenn wir die Werthe der Eeproductionszeiten zu denjenigen der betreffenden Zwischenzeiten addiren, sich die arithmetische Progression der letzteren kaum merklich ver\u00e4ndern wird.\nWie die Zwischenzeit, so werden auch die anderen, das Vergessen steigernden Bedingungen eine Ver\u00e4nderung der Merkzeit zur Folge haben.","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 441\nTabelle XXVII.\nJasper.\nBei constanter Zwischenzeit von 15\".\n\t\tgeschl. Augen\tMetronomschl\u00e4ge\t\t\t\t\t2 Metronome und 2 Glocken\n\t\t\t20\t50\t100\t150\t200\t\n0. S.\tA. M. in Secunden j 2,17\t\t1,49\t1,20\t1,61\t1,47\t1,53\t1,29\n\tMax.\t4.25\t2,00\t2,50\t3,00\t2,25\t3,75\t3,25\n\tMin.\t1,00\t0,75\t0,25\t1,00\t0,50\t0,75\t0,50\n\tM. V. in Secunden\t0,71\t0 32\t0,45\t0,47\t0,48\t0,81\t0,41\nu. S.\tA. M. in Secunden\t1,65\t1,45\t1,05\t1,46\t1,37\t1,53\t1,15\n\tMax.\t2,75\t2,50\t1,50\t2,75\t2,00\t3,00\t2,00\n\tMin.\t0,75\t0,50\t0,50\t0,75\t0,25\t0,75\t0,50\n\tM. V. in Secunden\t0,25\t0,31\t0,24\t0,48\t0,21\t0,48\t0,46\nSo sehen wir, wie die Tabellen XXVII und XXVHI und die betreffenden Curven auf Tafel II Fig. 5 und 6 zeigen, auch bei den Versuchen mit ausgef\u00fcllter Zwischenzeit, dass die Merkzeiten in ihrem\nTabelle XXVHI.\nSeyfert.\nBei constanter Zwischenzeit von 10\".\n\t\tgeschl. Augen\tgrau\twei\u00df\tschwarz\tgr\u00fcn\tgelb\troth\tblau\no. S.\tA. M. in Secunden\t3,66\t1,86\t1,66\t1,28\t1,52\t1,24\t2,29\t2,30\n\tMax.\t7,00\t2,50\t3,75\t2,00\t4,00\t3,00\t6,00\t4,75\n\tMin.\t1,50\t0,50\t1,25\t0,50\t0,25\t0,25\t1,00\t0,75\n\tM. Y. in Secunden\t1,11\t0,49\t0,61\t0,42\t0,82\t0,53\t1,23\t1,10\nu. S.\tA. M. in Secunden\t3,15\t1,59\t1,70\t1,55.\t1,44\t1,49\t2,00\t1,97\n\tMax.\t4,75\t3,25\t3,00\t3,00\t3,25\t3,75\t5,75\t4,00\n\tMin.\t1,75\t0,75\t0,50\t0,75\t0,50\t0,75\t1,00\t0,50\n\tM. Y. in Secunden\t0,69\t0,39\t0,58\t0,51\t0,93\t0,53\t0,95\t0,82","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nVerlauf der Ged\u00e4chtnissschwelle folgen. Bei n\u00e4herer Betrachtung werden wir dieses Verh\u00e4ltnis bei Jasper sowohl, als auch bei Sey-fert entdecken. Nur bei einem Punkte heim ersteren Beobachter entspricht, wie wir schon fr\u00fcher Gelegenheit hatten zu bemerken, der Merkzeitenverlauf demjenigen der Ged\u00e4chtnissschwelle nicht, n\u00e4mlich bei dem letzten Zwischeneindruck (2 Metronome und 2 Klingeln), was wir nicht zu erkl\u00e4ren verm\u00f6gen1). Bei Weinmann sind die Merkzeiten bei beiden Bestimmungen (Lesen und leere Zeit) fast gleich.\nEs ist interessant, dass beide Verl\u00e4ufe der Merkzeiten, entgegen denjenigen der Ged\u00e4chtnissschwelle, sich fast decken, ein Beweis, dass die verschiedene Lage der beiden Ged\u00e4chtnisscurven \u00e4u\u00dferen Umst\u00e4nden zuzuschreiben ist.\nBez\u00fcglich der Berechnung der Merkzeiten durch das arithmetische Mittel aus den Aufzeichnungen bei allen Einzelversuchen k\u00f6nnte das Bedenken erhoben werden, dass diese Aufzeichnungen nicht gleich-werthig seien, da bei einer Einzelversuchsreihe verschiedene Vergleichsdistanzen hei den einzelnen Versuchen dem Merken vorangehen. Da ferner hei zunehmender Zwischenzeit immer gr\u00f6\u00dfere Unterschiede zwischen Normal- und Vergleichsdistanz zur Anwendung kommen, so k\u00f6nnte, falls die vorhergehende Vergleichsdistanz einen Einfluss auf das Merken aus\u00fcbte, der Verlauf der Merkzeiten vielleicht diesem Umstande zugeschrieben werden. Diese Erw\u00e4gungen bieten jedoch zu einem Einwurf gegen unsere Ansicht von der Ursache der Ver\u00e4nderungen der Merkzeit mit der Zwischenzeit keinen zureichenden Grund, denn erstens wurden bei allen Zeitintervallen im Ganzen und Gro\u00dfen dieselben objectiven Unterschiede erreicht. Wenn hei den gr\u00f6\u00dferen Zwischenzeiten gr\u00f6\u00dfere Differenzen zur Anwendung kamen, so fielen sie in das absolute Ged\u00e4chtniss, konnten also das Merken nicht st\u00f6ren. Gegen diesen Einwand spricht auch der Umstand, dass der Merkzeitenverlauf die gro\u00dfe Abweichung hei 1 \" Zwischenzeit, wo doch sehr gro\u00dfe Unterschiede erreicht worden sind, nicht aufweist.\nWenn w\u00e4hrend der Merkzeit die Aufmerksamkeit unerwartet \u2014 etwa durch ein pl\u00f6tzliches Ger\u00e4usch \u2014 abgelenkt wurde, so wuchs jene erheblich; ohne Wissen der Versuchsperson machte ich dieses Experiment oft, das Resultat war immer dasselbe. Es war ferner zu\n1) Yergl. oben S. 376.","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes- 443\nbeobachten, dass die nach einer unerwartet falschen Aussage folgende Merkzeit unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig gro\u00df war, dabei war oft die ihr vorangehende sehr kurz. Dies ist leicht zu erkl\u00e4ren: die falsche Aussage weist darauf hin, dass der Normaleindruck im Ged\u00e4chtniss nicht deutlich vorhanden war, entweder weil er daraus in Folge st\u00f6render Umst\u00e4nde entschwand, oder aber weil er vorher nicht gen\u00fcgend gemerkt wurde, wof\u00fcr in diesem Fall die K\u00fcrze der vorangegangenen Merkzeit spricht. Die Folge davon wird sein, dass die Versuchsperson beim n\u00e4chstfolgenden Versuch eine gr\u00f6\u00dfere Zeit zum Merken des Normaleindruckes brauchen wird. Diese und \u00e4hnliche F\u00e4lle bewirken es, dass die mittlere Variation der Merkzeiten im Verh\u00e4ltnis zu derjenigen der Schwellenwerthe so gro\u00df ist; im \u00fcbrigen verh\u00e4lt sie sich zum arithmetischen Mittel \u00e4hnlich wie bei der Ged\u00e4chtniss-schwelle und nimmt mit der Zwischenzeit bedeutend zu.\n7. Die Beproductionszeiten.\nBei den Beproductionszeiten fallen die bez\u00fcglich des Einflusses der Zwischenzeit auf den Verlauf der Merkzeiten angef\u00fchrten Bedenken hinweg, denn die Beproductionszeit (vergl. oben S. 440) folgt unmittelbar nach der Zwischenzeit, so dass ihre Ver\u00e4nderungen unbedingt mit denjenigen der letzteren in Zusammenhang gebracht werden m\u00fcssen.\nDie Beproductionszeiten nehmen nun, wie aus den in Tabelle XXTX enthaltenen, nach derselben Art wie die Merkzeiten vorgenommenen und berechneten Aufzeichnungen bei Tyszko (bei den anderen Versuchspersonen wurden sie nicht auf genommen) zeigen, einen Verlauf, der demjenigen der Ged\u00e4chtnissschwelle und der Merkzeiten sehr \u00e4hnlich ist (Fig. 4, Taf. II), wobei er auch die dem letzteren eigenth\u00fcmlichen gr\u00f6\u00dferen Schwankungen aufweist. Dieser dem durch die Formel auf S. 436 ausgedr\u00fcckten logarithmischen Verh\u00e4ltnisse im allgemeinen entsprechende Verlauf der Beproductionszeiten ist auf dieselbe Art zu erkl\u00e4ren, wie der der Merkzeiten: n\u00e4mlich durch das dem Einfl\u00fcsse der Zwischenzeit zuzuschreibende Vergessen des Normaleindruckes; je gr\u00f6\u00dfer dieses ist, um so gr\u00f6\u00dfer wird auch die Zeit sein, in der man sich auf das vor der Zwischenzeit gemerkte Object besinnt; deshalb verlaufen die Beproductionszeiten nicht der","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"Tabelle XXIX.\n444\nZ. Radoslawow-Hadji-Deukow,\n60\"\t5,47\t7,75\t3,25\tGO CS^ T\u2014(\t6,03\t8,25\t3,75\t1,28\n50\"\t5,42\tCS oo'\t2,75\t1,34\t4,81\t7,00\t3,50\t0,98\n1\t5,55\t10,50\t2,25\t*0\t5,37\t8,00\t3,50\t1,65\n30\"\t4,00\t7,00\t1,75\tT\u20141\t4,00\t6,50\t2,25\t1,07\n25\"\t5,66\t10,00\t2,25\t1,64\t6,01\t9,75\t2,50\t1,68\n20\"\t5,19\t8,75\t3,00\t1,73\t5,31\t7,00\t3,50\tt\"* T\u20144\n15\"\t4,90\t9,00\t2,00\t1,96\t4,90\t8,25\t2,75\t1,18 :\n12,5\"\t4,25\t8,50\tO CS\t2,33\t4,14\t6,75\t3,00\t1,38\nO \u25bcH\t4,08\t7,50\t1,75\t2,03\t4,06\t9,75\t2,00\t1,67\n7,5\"\t4,85\t8,00\t2,00\t2,06\t00 \u00a9\t8,25\t1,25\t1,88\n5\"\t2,75\t4,75\t1,50\t0,75\t4,50\t7,75\t1,25\t2,13\n2,5\"\t3,50\t6,50\t2,00\tt'- \u00a9_\t4,10\t7,25\t\u00a9 \u00a9_ cs~\t1,79 i\n-\t2,64\t5,75\t1,75\t1,27\t3,25\t6,00\t\u00a9 \u00a9^\t1,53\nZwischenzeit\tA. M. in Secunden\tMax.\tMin.\tM. V. in Secunden\tA. M. in Secunden\tMax.\tMin.\tM. Y. in Secunden\n\to. S.\t\t\t\tm\t\t\t","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 445\nZwischenzeit, sondern dem durch die Ged\u00e4chtnissschwelle ausgedr\u00fcckten Vergessen parallel.\nTabelle XXX.\nMoebius.\n\tZwischenzeit\t5\"\t15\"\t30\"\t45\"\t60\"\no. S.\tA. M. in Secunden\t2,00\t2,25\t1,87\t2,50\t2,83\n\tMax.\t2,75\t2,50\t2,25\t3,25\t3,50\n\tMin.\t1,50\t2,00\t1,25\t1,75\t2,25\n\tM. V. in Secunden\t0,33\t0,17\t0,19\t0,33\t0,56\nu. S.\tA. M. in Secunden\t1,83\t2,62\t2,00\t2,66\t2,50\n\tMax.\t2,00\t3,25\t3,00\t3,50\t3,00\n\tMin.\t1,50\t2,00\t1,00\t2,00\t2,00\n\tM. Y. in Secunden\t0,22\t0,43\t0,50\t0,55\t0,53\nIch habe zur (Kontrolle einige wenige Aufzeichnungen mit M\u00f6bius (bei nur 5 Zwischenzeiten) gemacht \u2014 Tabelle XXX \u2014- und im allgemeinen diesen Verlauf best\u00e4tigt gefunden.\nDie Reproductionszeiten sind viel schwankender als die Merkzeiten \u2014 ihre mittlere Variation n\u00e4hert sich oft dem arithmetischen Mittel \u2014 und zeigen gr\u00f6\u00dfere Werthe als diese, was sicher dahin zu deuten ist, dass die Vergleichsdistanz mit gr\u00f6\u00dferem Interesse aufgefasst wurde, als die normale. Besonders interessant ist es, dass die Reproductionszeiten bei den kleinsten Zeitintervallen nicht so tief sinken, wie die Merkzeiten.\nV. Zur Theorie des Ged\u00e4chtnisses.\n1. Zur Wiederholung.\nUnsere Untersuchungen haben das Ergebniss geliefert, dass die Ver\u00e4nderungen der Ged\u00e4chtnisssch\u00e4rfe mit der Zeit nicht dieser selbst, sondern ann\u00e4hernd ihrem Logarithmus proportional geschehen, so dass der Verlauf der Ged\u00e4chtnissschwelle die Form einer logarith-","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nZ. Radoslawow-Hadji-Denkow.\nmischen Linie annimnit. Dabei bewegt er sich, durch verschiedene Nebenbedingungen \u2014 haupts\u00e4chlich die Uebung und das Augenma\u00df\n\u2014\tvielfach modificirt, zwischen dem idealen und dem absoluten Ged\u00e4chtnisse und geht vom ersteren in das letztere \u00fcber, das hei\u00dft: die Schwelle n\u00e4hert sich bei den kleinsten Zeitintervallen dem eben-nierklichen Unterschied, erreicht aber mit Zunahme der Zeit eine gewisse, \u00fcbergro\u00dfe Differenz, welche, sowie alle gr\u00f6\u00dferen, nach jeder Zeit erkannt werden (dies gilt f\u00fcr die Versuche nach der Methode der Minimal\u00e4nderungen). Dieser Verlauf zeigt neben kleineren, durch die Schwankungen der Aufmerksamkeit zu erkl\u00e4renden Unebenheiten auch einige gr\u00f6\u00dfere Abweichungen \u2014 so namentlich bei 30 Secunden\n\u2014\twelche aus unseren Versuchen nicht erkl\u00e4rbar sind, jedoch eine Eigenth\u00fcmlichkeit irgend einer der bei dem Ged\u00e4chtnissvorgang th\u00e4-tigen Bewusstseinsfunctionen selbst zu bilden scheinen. Diesen Schwankungen fehlt eine gewisse Periodicit\u00e4t nicht (neben der schon erw\u00e4hnten ist eine solche bei 10 und vielleicht auch bei 50 Secunden zu bemerken). Das Ged\u00e4chtniss scheint nach diesen Zeitintervallen nicht oder verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig wenig abgenommen zu haben; die Reproduction ist leichter und sicherer, als ob die Vorstellung des voider Zwischenzeit wahrgenommenen Normaleindruckes, gewisserma\u00dfen intermittirend, nach diesen Zeitintervallen zu erneuter Frische gelangt. Dies w\u00fcrde einem periodischen Auf- und Niedertauchen des Erinnerungsbildes im klaren Bewusstsein entsprechen und ein oscil-lirendes Abklingen des Vorstellungsprocesses andeuten. Es ist denkbar, dass diese Perioden zeitlich mit den genannten Intervallen coin-cidiren; die Reproduction wird dann, wenn sie mit dem St\u00e4rkerwerden des Erinnerungsbildes zusammenf\u00e4llt, leichter und sicherer sein, der Schwellenwerth kleiner ausfallen.\nBei qualitativer Ver\u00e4nderung der Zeit scheint sich die Sch\u00e4rfe des Ged\u00e4chtnisses ebenfalls zu ver\u00e4ndern, und zwar tritt uns aus unseren Versuchen das merkw\u00fcrdige Ph\u00e4nomen entgegen, dass, wenn die Aufmerksamkeit in der Zwischenzeit eindeutig von der Vorstellung des gemerkten Eindruckes abgelenkt wird, das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr diesen nicht abnimmt, dass vielmehr seine Reproduction augenscheinlich erleichtert wird. Diese Erscheinung suchten wir durch centrale Vorg\u00e4nge bei der Perception des Eindruckes (Erm\u00fcdung durch das unausgesetzte Einwirken desselben Reizes) zu erkl\u00e4ren.","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 447\n2. Das Merken.\nDas Merken geschieht entweder perceptiv oder apperceptiv; wir k\u00f6nnen annehmen, dass hei unseren Versuchen das letztere das vorherrschende war, obwohl oft auch eine blo\u00df sinnliche Auffassung stattgefunden haben mag. Die Wirkung der Aufmerksamkeit auf das Merken haben wir oben erw\u00e4hnt.\nDurch die in Abschnitt III B besprochene Thatsache, dass die feste und eindeutige Ablenkung der Aufmerksamkeit vom Normaleindruck in der Zwischenzeit die Reproduction leichter von statten gehen l\u00e4sst, k\u00f6nnen wir zu der Ansicht gef\u00fchrt werden, dass das Merken vielleicht ein intermittirender Process ist. Dieser Ansicht kann die oben ausgesprochene Vermuthung zu Grunde gelegt werden, wonach die psychophysische Energie durch die fortw\u00e4hrende, wiederholte Reproduction des Eindruckes gewisserma\u00dfen verbraucht und dadurch das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr diesen abgestumpft wird. Es kann daher angenommen werden, dass bei der Auffassung \u00f6fter sich wiederholende Phasen eintreten, welche, wenn wir uns so ausdr\u00fccken k\u00f6nnen, in einem Oscilliren zwischen Merken und Vergessen bestehen. In Folge dessen wird die psychophysische Energie durch die wiederholte sinnliche Wahrnehmung erneuert, w\u00e4hrend dagegen die gr\u00f6\u00dfere Anzahl der Pausen ihren Verbrauch vermindern, was ein Wachsen ihres Quantums zur Folge haben wird. Dadurch l\u00e4sst sich das bessere Ged\u00e4chtniss f\u00fcr Objecte begreifen, welche wir uns \u00f6fter gemerkt haben ; darauf beruht auch das Lernen durch wiederholte Einpr\u00e4gung des Gegenstandes und der alte, der t\u00e4glichen Lebenserfahrung entnommene Satz der P\u00e4dagogik, dass man etwas mehrmals vergessen muss, ehe man es sicher und fest im Ged\u00e4chtniss behalten kann. Je \u00f6fter daher die Phasen von Merken und Vergessen sich wiederholen, je l\u00e4nger also das Merken dauert, um so besser wird das Ged\u00e4chtniss sein, und umgekehrt, je schw\u00e4cher die Erinnerung an ein Object \u2014 in Folge langer Zwischenzeiten oder sonstiger Ursachen \u2014 ist, um so l\u00e4ngere Zeit wird das Wiedermerken in Anspruch nehmen. Dies erkl\u00e4rt auch die verschiedene Dauer der Merkzeiten und ihren dem der Ged\u00e4chtnissschwelle analogen Verlauf. Die hier angenommene Art des Merkvorganges scheint durch die \u00e4u\u00dferen Erscheinungen, welche ihn begleiten, eine Best\u00e4tigung zu finden : diese haben\nWundt, Philos. Studien. XV.\t30","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nZ. Radoskwow-Hadji-Denkow.\nn\u00e4mlich einen \u00e4hnlichen, periodischen Verlauf. Vor allem kommen hier die intermittirenden Spannungsempfindungen bei der aufmerksamen Betrachtung des zu merkenden Eindruckes in R\u00fccksicht. Ich habe ferner wiederholt bemerkt, dass hei der Auffassung des Eindruckes Augenhewegungen stattfinden, welche, die Distanz durchmessend, sich best\u00e4ndig wiederholten; besonders wichtig scheint milder Umstand, dass dabei die Augenlider mehrmals ge\u00f6ffnet und wieder geschlossen zu werden pflegten. Eine wie gro\u00dfe Rolle alle diese Bewegungen hei dem Merken spielen und wie unvermeidlich sie f\u00fcr die bessere Auffassung des Eindruckes sind, zeigt der Umstand, dass bei der starren Fixation \u2014 etwa der Mitte der Distanz \u2014 die Schwelle, wie ich anfangs erw\u00e4hnte, bedeutend zunahm.\n3. Die Reproduction.\nSoll eine Vorstellung reproducirt werden, so muss sie einmal ins Bewusstsein getreten sein. Dies geschieht aber im letzten Grunde durch die sinnliche Wahrnehmung. Angeborene Ideen sind unerkl\u00e4rbar. Der alte, von Locke wieder zu Ehren gebrachte Satz, dass nichts im Verst\u00e4nde sein kann, was nicht vorher in den Sinnen war, hat unbedingte Geltung; der leibnizische Intellectualismus kann daran nichts \u00e4ndern1); deshalb k\u00f6nnen alle geistigen Inhalte unseres Bewusstseins, ihren sinnlichen Ursprung verrathend, nur sinnlich vorgestellt werden. Selbst die abstractesten Producte des Verstandes, das \u00bbblo\u00df Denkbare\u00ab muss in Sinnlichkeit gekleidet werden, wenn es Vorstellung werden soll; und die wunderlichsten und unm\u00f6glichsten Gebilde der eigenen Phantasie sind uns in ihren letzten Elementen immer durch die Erfahrung gegeben.\nWie aber die Production der Vorstellungen an die Perception der Eindr\u00fccke, so ist ihre Reproduction an die Association, d. h. an ihre Wiedererweckung durch andere gebunden; frei aufsteigende Vorstellungen kann es nicht gehen, weil es keine angeborenen geben kann. Die im Gehirn vorhandenen latenten physiologischen Substrate gehabter Vorstellungen m\u00fcssen durch irgend welche Ursachen von neuem zur Wirkung kommen, sollen diese wieder bewusst werden.\n1) Leibniz, Nouveaux essais, Liv. II, Cap. 1.","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 449\nAnders w\u00e4re die Reproduction unbegreiflich. Es w\u00e4re zu gewagt, dieser einfachen Erkl\u00e4rungsweise gegen\u00fcber, frei im Bewusstsein auf-tretende Erinnerungsvorstellungen aus dem Grunde anzunehmen, weil wir oft nicht im Stande sind, die associativen Mittelglieder zwischen einer gegenw\u00e4rtigen Erinnerungsvorstellung und einem fr\u00fcheren Bewusstseinszustand ausfindig zu machen. Dies wird uns in den wenigsten F\u00e4llen gelingen; es ist auch nicht anders m\u00f6glich hei der durch die Uebung gegebenen Schnelligkeit und Gel\u00e4ufigkeit, mit welcher wir die Vorstellungen associiren, und welche das Verweilen bei jeder einzelnen derselben unn\u00f6thig, ja oft unm\u00f6glich macht und es bewirkt, dass oft Vorstellungen vom Bewusstsein nur gestreift werden und daher so dunkel bleiben, dass es den Anschein hat, als ob sie gewisserma\u00dfen \u00fcbersprungen worden w\u00e4ren; ferner bei der damit zusammenh\u00e4ngenden, von der Oekonomie des Bewusstseinslebens bedingten Thatsache, dass nicht selten Vorstellungen so zu sagen zusammengezogen und ausgeschaltet werden, das hei\u00dft so, dass sie, obwohl zur vollst\u00e4ndigen Associationsreihe nothwendig geh\u00f6rend, gar nicht deutlich bewusst werden, sondern darin nur secund\u00e4r durch ein drittes Mittelglied, das sie als gemeinsames Merkmal verbindet und oft gar nicht in den logischen Nexus des Vorstellungsverlaufes geh\u00f6rt, vertreten werden. In Folge dessen und in Anbetracht der dadurch gesteigerten Unachtsamkeit, mit welcher das Bewusstsein an den Gliedern einer Associationsreihe vor\u00fcbergeht und der unendlich mannigfaltigen associativen Verbindungen, welche jede Vorstellung hat, ist es uns oft nicht m\u00f6glich, eine Associationsreihe in derselben Folge ihrer Glieder zur\u00fcckzugehen, so zu sagen den Weg wieder zu finden, welchen wir einmal gegangen sind.\nSoll nun eine Vorstellung, die neu ins Bewusstsein tritt \u2014 in unserem Fall die Vergleichsdistanz \u2014 mit einer fr\u00fcheren verglichen werden, so muss diese ebenfalls im Bewusstsein vorhanden sein. Es hat sich bei den Beobachtungen bei unseren Untersuchungen herausgestellt, dass die Vorstellung des urspr\u00fcnglichen Eindruckes w\u00e4hrend der Zwischenzeit niemals oder nur selten, und dann sehr undeutlich, im Bewusstsein gegenw\u00e4rtig war; aus den \u2014 oft spontanen \u2014 Aussagen der Beobachter, wie aus meinen eigenen Beobachtungen bei den Versuchen an mir selbst, ist zu entnehmen, dass allsogleich nach Auf h\u00f6ren des \u00e4u\u00dferen Eindruckes die Vorstellung verschwindet. Dies\n30*","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\n1. Radoslitwow-Hiulji-Denkow.\nist auch begreiflich. Je einfacher die Objecte in ihrer Beschaffenheit sind und in Folge dessen weniger associative Ankn\u00fcpfungspunkte bieten, um so schwieriger ist ihre Reproduction ; wir k\u00f6nnen sie auch im gegebenen Falle nicht immer mit Sicherheit in der besonderen Abstufung ihrer Qualit\u00e4t wiedererkennen und unterscheiden. Unser Ged\u00e4chtniss ist im Stande, nur allgemeine, in ihrer Beschaffenheit besonders charakterisirte Arten oder gro\u00dfe Unterschiede f\u00fcr l\u00e4ngere Zeiten festzuhalten. Ein menschliches Antlitz, die Formen eines Geb\u00e4udes verm\u00f6gen wir auch nach einmaligem Sehen mit ziemlicher Sicherheit wieder zu erkennen; aber bei einer einfachen Punktdistanz, m\u00f6gen wir uns noch so oft mit ihr besch\u00e4ftigt haben, werden wir immer zweifelhaft sein; sollen wir sie nachbilden, so vergleichen wir sie im Geiste entweder mit einem bekannten Objecte, oder wir theilen sie in kleinere Theile, welche uns als associative Ankn\u00fcpfungspunkte dienen. Oft vermochten daher die Beobachter auch bei der gr\u00f6\u00dften Bem\u00fchung die Vergegenw\u00e4rtigung dieser, wie ich sie genannt habe, abstracten Distanzen nicht zu bewerkstelligen und sie mussten durch andere Mittel aus dem dunkeln Bewusstsein gewisserma\u00dfen herausgeholt werden1).\nWie wird nun das Erinnerungsbild bei der Reproduction ins Bewusstsein zur\u00fcckgerufen? Wie ist es m\u00f6glich, dass die Versuchspersonen den gegenw\u00e4rtigen Vergleichseindruck mit einem nicht gegenw\u00e4rtigen in Beziehung setzen, vergleichen k\u00f6nnen? Es ist offenbar, dass die Wiedererweckung des verwandten urspr\u00fcnglichen Eindruckes durch gleichartige Processe geschieht, welche die demselben zu Grunde liegenden gewisserma\u00dfen wieder in Fluss bringen. In unseren Versuchen sind es haupts\u00e4chlich zwei Momente, welche die Reproduction bewirken: das \u00e4hnliche Bild der Vergleichsdistanz und, wie ich sicher glaube, die Augenbewegungen, welche die Auffassung des Vergleichseindruckes begleiten, und welche mit denjenigen hei dem Merken des normalen stattgehabten, die sie nun reproduciren, verglichen werden. Es scheint mir, dass dieser Umstand nicht nur die Reproduction erleichtert, sondern dieselbe erst m\u00f6glich macht.\n1) Yergl. auch Fechner, Elemente der Psychophysik, II. Aufl., S. 471 ff. \u2014 Schon E. H. W e b e r, Annot. anat. prol. VIII, Schluss, sagt, dass eine gegenw\u00e4rtige Vorstellung 'mit einer abwesenden viel leichter zu vergleichen sei, als zwei abwesende Vorstellungen miteinander.","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen fiber das Ged\u00e4chtniss f\u00fcr r\u00e4umliche Distanzen des Gesichtssinnes. 451\nWas ist es aber, das uns oft die Sicherheit bei der vergleichenden Beurtheilung zweier Vorstellungen gibt und uns geradezu herausfordert, sie mit einer festen Entschiedenheit als gleich oder verschieden zu bezeichnen? Wir k\u00f6nnen uns Qualit\u00e4ten des Geschmacks- und Geruchssinnes bekanntlich nicht vergegenw\u00e4rtigen; ebenso will uns oft etwas, etwa ein Name nicht \u00bbeinfallen\u00ab; er schwebt uns auf der Zunge, wir suchen im Ged\u00e4chtniss nach ihm, denken an diesen oder jenen, h\u00f6ren diesen oder jenen, wissen, dass es nicht der gesuchte ist, und trotzdem k\u00f6nnen wir ihn nicht sagen, wir haben seine Vorstellung nicht \u2014 dasselbe meint wohl Plato mit seinem Beispiel im Theaetet (Cap. XXXVII) vom Suchen einer bestimmten Taube unter vielen anderen \u2014; wenn er uns dann einf\u00e4llt, oder wir ihn h\u00f6ren, so wissen wir allsogleich mit Bestimmtheit, dass es dieser und kein anderer ist. Wie ist es nun m\u00f6glich, dass wir einen Gegenstand von anderen unterscheiden k\u00f6nnen und doch nicht vorzustellen verm\u00f6gen1), dass wir so zu sagen ein negatives Ged\u00e4chtniss f\u00fcr ihn haben? Sollen wir ihn von anderen Objecten unterscheiden k\u00f6nnen, so muss er doch im Bewusstsein gegenw\u00e4rtig oder irgend wie vertreten sein. Woher dann die Sicherheit beim Wiedererkennen, die in solchen F\u00e4llen, mit dem vorhergehenden Zustand contrastirend, besonders entschieden zu sein pflegt?\nEs scheint uns, dass, wenn eine Wahrnehmung dem Erinnerungsbilde eines Objectes als gleich bezeichnet wird, dazu nicht die objective Gleichheit der intellectuellen Processe allein gen\u00fcgt \u2014 denn wie oft t\u00e4uschen wir uns und halten gleiche Objecte f\u00fcr verschieden und verschiedene f\u00fcr gleich \u2014 es ist vielmehr sicherlich ein subjec-tiveres Moment hier im Spiele, und wir werden nicht fehl gehen, wenn wir annehmen, dass die Sicherheit bei der Behauptung einer Gleicheit in einer Congruenz der gleichen Gef\u00fchle gleicher Vorstellungen (und oft auch ungleicher, worauf eben eventuell die T\u00e4uschung beruhen w\u00fcrde) ihren Grund hat, und welche jenes Gef\u00fchl ergibt, welches Wundt das Gef\u00fchl der Uebereinstimmung genannt hat. Eine Discrepanz der Gef\u00fchle (welche auch bei gleichen Vorstellungen Vorkommen kann) wird jenes Gef\u00fchl nicht entstehen lassen, was die\n1) Wie sich Plato ausdr\u00fcckt: zo ziuo\u00e7 tyovza inuszrifirjv zovzo avzo ctyvo\u00fcv Theaetet Cap. XXXVII D (ed. Hermann-Wohlrab S. 357).","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452 Z. Radoslawow-Hadji-Denkow. Untersuchungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss etc.\nBeurtheilung unsicher macht und bei gleichen Vorstellungen oft eine T\u00e4uschung zur Folge hat.\nMeine Versuchspersonen hatten die Gepflogenheit, manche ihrer Aussagen mit den Worten \u00bbsicher\u00ab, \u00bbentschieden\u00ab, \u00bbganz entschieden\u00ab zu begleiten. Auf meine Frage, woher sie das w\u00fcssten und warum sie nicht alle Urtheile mit diesen Pr\u00e4dicaten belegten, antworteten sie, l\u00e4chelnd und die Achseln zuckend, mit einer Geste, welche besagen sollte, dass sie es zwar nicht w\u00fcssten, aber doch f\u00fchlten, dass es so und nicht anders ist.\nDieses Gef\u00fchl hat, je nach dem Verwandtschaftsgrade der Partialgef\u00fchle, aus denen es resultirt, verschiedene qualitative Abstufungen, die den verschiedenen Graden des Zweifels und der Sicherheit entsprechen, welche die Reproduction begleiten.","page":452},{"file":"z0001table1.txt","language":"de","ocr_de":"Wundtj Ph\u00fc\u00f6sopJ\u00e4sch e Stud.ien.XVBand.\nTaf. f.\nDifferenz.\nFranz\nFia. 1.\nr 25\u2019 5' T5' 10' r/5\u2019J5\u2018\nDifferenz, mm. noL 160-\u00cf50. 110. 130-1'20 110. i'OO. 090_ 0'80. 070. 060_ 0\u201950_\nEber .\nFicj.D.\n010.\no'.y>......................\n1\u2018Z5\u2018 5' 75' 10\u201c 125\u2019 15'\n.\t______________.\t_________,_______ 7s eit.\n25\"\t30\"\tW\t50\u201c\t00\u201c\nDifferenz.\nTvszko\nr 25\u201d 5\u2019 75\" 10\" 12.715'\nR - H.-D\n1\u201925\u20195\u201c IS\u2019 10\u201912.715\u201c\nDifferenz.\nmm-\n015.\n010.\n035.\n0 30.\n0 25. _\nJasper.\nFirfJ.\ng.a. 20\t50\t100\t150\t200 2 M.2 Gl.\nMetronomschl\u00e4ge\n/Zwischen ein druck )\nDifferenz.\nmm.\nl'HO.\n130.\n120-\n110.\n\u00cf00.\n090-\n0\u201880_\n010.\nHanschmann.\n0\u201960.\ng.a.\nm 150\t200 2 M.2 GL\nMetronomschl\u00e4ge\n( /.wischeneindruck)\nDifferenz.\tM Q e b j U S \u25a0\n050. 015. 010. 0'35. 030. 025 -0'20. 015.\nbig. <3.\n\n^\t.\u2018x\t^\t\u00ce3\n\u00a7\tSl toi \u00abs ^\nVerlag v. Wilhelm Engelmann in Leipzig.\nLifhimst\u00c6MunTceXeapzig-","page":0},{"file":"z0002table2.txt","language":"de","ocr_de":"Wundt,Philosophische StudienJfVBand.\nTaf. H.\nDifferenz\nMoebius\n(\u00dcbung)\n010.\n1 2 :i\nlyszko\nSecunden\n5 \"tO.\n5 00i\nFranz\nV\u00d6O.\n.? .90\"\nj-7 o:\n5 50.\n3 20.\n2 90. 2 80.\n270.\n1 60.\n180.\nV 25\u2019 5\u2018 73\u2019 10\u2019 125'15\u2018\nV25\" 5\u2019 T5\u2018 IO\" 125\u2019 15\n.f'/O .\n320 .\ncf. Cf \u2022 qvati weiss schwarz gr\u00fcn\tgelb roth blou\nMetronomschl\u00e4g e\n( Zwischeneindruck. )\n1\u201925\u2018 5\u2019 75\u2019 10\u2019 125\u2019 15'\nLlfh. Atist.vE. 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