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{"created":"2022-01-31T14:16:56.801752+00:00","id":"lit4489","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Titchener, Edward B.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 20: 382-406","fulltext":[{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"Ein Versuch die Methode der paarweisen Vergleichung auf die verschiedenen GefUhlsrichtungen anzuwenden.\nVon\nE. B. Titchener.\nCornell University, N. Y. Mit 16 Figuren.\nBekanntlich hat Wundt in neuerer Zeit eine Gef\u00fchlslehre vertreten, welche an die Stelle der herk\u00f6mmlichen Lust-Unlustgef\u00fchle eine Dreiheit von Gef\u00fchlsrichtungen (Lust-Unlust, Erregung-Depression, Spannung-L\u00f6sung) gesetzt hat. Es kann nun dar\u00fcber kein Zweifel obwalten, dass die Einf\u00fchrung der neuen Theorie, mag sich dieselbe im Laufe der Zeit als die allein richtige herausstellen, mag sie dereinst einer anderen, noch complicirteren Platz machen m\u00fcssen, oder mag sie schlie\u00dflich einer revidirten Lust-Unlustlehre erliegen, als ein f\u00fcr die moderne Psychologie h\u00f6chst bedeutungsvolles Ereigniss angesehen werden muss. Denn was man auch sonst von ihrer that-s\u00e4chlichen Richtigkeit denken m\u00f6ge, so kann man doch nicht umhin einzur\u00e4umen, dass sie schon als wirksames G\u00e4hrungsmittel im psychologischen System gewirkt hat und voraussichtlich noch wirken wird, sie hat die Gef\u00fchlstheoretiker aus ihrem dogmatischen Schlummer erweckt und zur Selhstvertheidigung herausgefordert. Zur Zeit freilich k\u00f6nnte es wohl scheinen, als oh die neue Theorie so ziemlich Alles f\u00fcr sich hat und ohne besondere M\u00fche den Sieg davon tragen wird. Denn erstens ist das Ungen\u00fcgende der hergebrachten Lust-Unlusttheorie bereits mehrfach in der psychologischen Litteratur hervorgehohen worden, und trotz aller Meinungsverschiedenheiten der Forscher scheint die neue Lehre in der That angemessen die","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der paar weisen Vergleichung bei verschied. Gref\u00fchlsrichtungen. 383\nBed\u00fcrfnisse der \u00bbzuf\u00e4lligen inneren Wahrnehmung\u00ab *) zu befriedigen; zweitens gew\u00e4hrt sie der Pathologie eine willkommene Erg\u00e4nzung der psychologischen Gef\u00fchlsdaten; drittens steht sie in gutem Einklang mit den Ergebnissen gewisser hypnotischer Y ersuche, und verspricht sogar als Vermittlerin zwischen der Hypnotismuspsychologie und der experimentellen Psychologie einzutreten1 2); endlich viertens liefert sie eine ungezwungene Deutung der mannigfachen Beobachtungen \u00fcber die physischen Begleiterscheinungen der Gef\u00fchle. Darf man nun billigerweise von einer Gef\u00fchlstheorie noch mehr verlangen?\nIndem ich die oben genannten Vortheile des Wundt\u2019sehen Standpunktes bereitwilligst anerkenne, will es mir doch scheinen, dass ihm vorl\u00e4ufig eine St\u00fctze fehlt, die er als psychologischer Standpunkt am allerwenigsten entbehren kann. Ich meine damit die St\u00fctze des psychologischen Experimentes, der planm\u00e4\u00dfig geregelten Introspection. Dass die innere Wahrnehmung f\u00fcr sich allein niemals zur wirklichen Beobachtung zu werden vermag, kann heutzutage als selbstverst\u00e4ndlich gelten. Aber auch den Ergebnissen der Bewusstseinsanalyse im Zustande der Hypnose oder der Geisteskrankheit darf eigentlich f\u00fcr die normale Psychologie nur insofern eine Bedeutung zugeschrieben werden, als sie eine schon auf gestellte Hypothese best\u00e4tigen, hezw. zu einer Revision der gangbaren Hypothesen anregen. In diesem Sinne leisten sie dem Psychologen eine \u00fcberaus wichtige H\u00fclfe. Es hie\u00dfe aber geradezu eine Verkennung der Aufgabe der Psychologie, wollte man solche unter den verschiedensten Bedingungen gewonnenen Resultate ohne weiteres der Psychologie einverleiben und als mit den Aussagen des experimentell controlirten normalen Bewusstseins ebenb\u00fcrtig behandeln. Was endlich die Ausdrucksmethode betrifft, so hat Wundt selbst ausdr\u00fccklich darauf aufmerksam gemacht, dass \u00bbman niemals aus den physiologischen Symptomen auf das Vorhandensein bestimmter Gef\u00fchle schlie\u00dfen kann . . . Die Ausdrucksmethode kann immer nur Ergebnisse liefern, die die physiologischen Begleiterscheinungen der Gef\u00fchle, nicht aber deren psychologische Natur aufzukl\u00e4ren im st\u00e4nde ist\u00ab3).\n1)\tWundt, Logik H. 2, 1895, S. 170.\n2)\tWundt, Bemerkungen zur Theorie der Gef\u00fchle, Philos. Studien, XV. 1900, S. 168 ff.\n3)\tGrundriss der Psychologie, 1896, 103f. Vgl. Logik, a. a. O. S. 223, 227:","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nE. B. Titchener.\nEs liegt demnach, wie-ich glaube, gerade im Sinne der Wundt-schen Auseinandersetzungen, wenn ich den Versuch gemacht habe, die drei von ihm unterschiedenen Gef\u00fchlsrichtungen mittelst der Eindrucksmethode zu untersuchen. \u00bbEs ist unzul\u00e4ssig\u00ab, sagt er, \u00bbdie Ausdrucks- der Eindrucksmethode in Bezug auf ihren psychologischen Werth gleichzuordnen. Zur willk\u00fcrlichen Erzeugung und Variirung psychischer Vorg\u00e4nge l\u00e4sst sich der Natur der Sache nach nur die Eindrucksmethode verwenden\u00ab *). Und wieder: \u00bbDie Eindrucksmethode ist die einzige, hei der eine f\u00fcr die psychologische Analyse zureichende Variirung der Umst\u00e4nde stattfinden kann\u00ab* 1 2). In der That schien es mir bei vorheriger Ueberlegung des Problems, dass man von vorn herein gegen eine solche Erweiterung der Methode auf die Gegens\u00e4tze Erregung-Depression und Spannung-L\u00f6sung blo\u00df den einen Einwurf erheben konnte, dass, da \u00bbbei den Gef\u00fchlen der mehrdimensionalen Empfindungssysteme jeder Empfindungspunkt gleichzeitig mehreren Gef\u00fchlsdimensionen angeh\u00f6rt\u00ab3), eine subjective Isolirung der zu beobachtenden Gef\u00fchlsreaction unm\u00f6glich w\u00e4re4).\n\u00bbDie Ausdrucksmethode kann an und f\u00fcr sich gar nichts zur eigentlichen Aufgabe der psychologischen Analyse beitragen.\u00ab Freilich hat sie einen \u00bbindirecten psychologischen Werth\u00ab ; \u00bbindem sie auf diese sinnlichen Begleiterscheinungen aller Gef\u00fchle und Affecte aufmerksam macht, f\u00f6rdert sie zugleich die Zerlegung des Gesammtzustandes in seine Bestandtheile\u00ab. Philos. Studien, XV. 151: \u00bbIch meine nat\u00fcrlich nicht, dass diese physiologische Symptomatik irgendwie die von der experimentellen Variation der Bedingungen begleitete subjective Beobachtung ersetzen k\u00f6nne. . . . Aber je regelm\u00e4\u00dfigere Begleiter psychischer Vorg\u00e4nge gewisse physische Erscheinungen sind, um so leichter kann es doch geschehen, dass sie uns zuerst auf psychische Regungen aufmerksam machen, die dann auch bei geeigneter Anwendung der Eindrucksmethode in der Selbstbeobachtung nachzuweisen sind; so auch S. 165. V\u00f6lkerpsychologie, I. 1, 1900, S. 39: \u00bbEin bei der Verbindung mit aufmerksamer Selbstbeobachtung durch seine wegweisende Bedeutung werthvolles H\u00fclfsmittel besteht au\u00dferdem in der Untersuchung der physischen Begleiterscheinungen der Gef\u00fchle.\u00ab Siehe nunmehr auch M. Br ahn, Philos. Studien, XVIII. 1901, S. 136.\n1)\tGrundriss, S. 103 f.\n2)\tLogik, a. a. O. S. 216 ff. 223. Vgl. Vorlesungen \u00fcber Menschen- u. Thierseele, 1897, S. 241.\n3)\tGrundriss, S. 96; vgl. S. 92, 93 \u00a3, 97; Vorlesungen 237 f.\n4)\tSeitdem das Obige geschrieben, habe ich folgenden Einwurf bei Br ahn gefunden (a. a. 0. S. 132). \u00bbDie sog. Reihenmethode, welche sonst in der Gef\u00fchlsuntersuchung gute Dienste leisten kann, ist hier naturgem\u00e4\u00df auszuschlie\u00dfen. Denn\n,: da sie ihrem Princip nach darauf ausgeht, in einer Reihe liegende Gef\u00fchle auf ihre relative Intensit\u00e4t zu untersuchen, ist sie hier ausgeschlossen, da es sich ja","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der paarweisen Vergleichung bei verschied. Gef\u00fchlsrichtungen. 385\nDagegen lie\u00df sich aber verschiedenes antworten. Erstens n\u00e4mlich ist es nicht zu leugnen, dass sich die Eindrucksmethode auf den Gegensatz Lust-Unlust bereits mit Erfolg hat anwenden lassen ; dabei muss aber die verlangte Abstraction von den \u00fcbrigen Gef\u00fchlsdimensionen stattgefunden haben* 1). Zweitens ist, wie Wundt hervorhebt, \u00bbdie erforderliche Variirung der zur Hervorbringung verschiedener Gef\u00fchlsformen geeigneten experimentellen Einwirkungen in diesem Falle um so einfacher, weil diese Formen geradezu eine Art Affinit\u00e4t zu bestimmten Sinnesgebieten und zu bestimmten Arten der Reizwirkung zu besitzen scheinen\u00ab2). Drittens darf man nicht vergessen, dass zur Herstellung des \u00bbeingeengten Bewusstseins\u00ab die Hypnoti-sirung \u00fcberfl\u00fcssig ist, da man ja in der Uebung ein Mittel besitzt, das Bewusstseinsfeld beliebig einzuengen und die Aufmerksamkeit auf jeden beliebigen Theilinhalt mit gr\u00f6\u00dfter Concentration zu richten.\nSodann galt es die Eindrucksmethode zum vorliegenden Zwecke zu pr\u00e4cisiren. Aus den drei Hauptformen der Methode \u2014 der reihenweisen Vergleichung3), der absoluten Sch\u00e4tzung der Reihenglieder4), und der paarweisen Vergleichung5 6) \u2014 zog ich aus naheliegenden Gr\u00fcnden die letzte vor. Es sollte also der Versuchsperson eine Reihe von Reizen paarweise und zwar so vorgelegt werden, dass nach dem Cohn\u2019schen Schema jedes Glied der Reihe mit jedem anderen verglichen w\u00fcrde. Auch die Wahl der Reize bereitete keine erheblichen Schwierigkeiten. Es war n\u00e4mlich durchaus n\u00f6thig, zun\u00e4chst nur mit solchen Reizreihen zu operiren, deren Glieder in ziemlich ausgepr\u00e4gter Weise nach der Wundt\u2019sehen Ansicht zu zwei Gef\u00fchlsdimensionen geh\u00f6ren, n\u00e4mlich einerseits zur allgemein angenommenen Dimension Lust-Unlust, anderseits zu einer der hypothetischen\ngerade darum handelt, Gef\u00fchle zu pr\u00fcfen, die in ganz verschiedenen Reihen liegen\u00ab. Wenn ich ihn richtig verstehe, besagt dieser Einwand, dass einer gegebenen Reizreihe Gef\u00fchle von nur einer einzigen Gef\u00fchlsdimension entsprechen m\u00fcssen, was aber erst zu beweisen und sicherlich nicht die Wundt\u2019sehe Meinung w\u00e4re.\n1)\tLogik, a. a. O. S. 218.\n2)\tPhilos. Studien, XV, S. 166 ff. ; V\u00f6lkerpsych. 1,1, S. 40 ff. ; Grundriss, S. 98 f. ; Vorlesungen, S. 237 f.\n3)\tL. Witmer, Philos. Studien, IX, S. 122.\n4)\tD. R. Major, Amer. Journ. of Psych., VU, 1895, S. 57; J. Cohn, Philos.\nStud., XV, 1900, S. 279.\n6) L. Witmer, a. a. O. S. 128; J. Cohn, Philos. Studien, X, 1894, S. 562. Wundt, Philos. Studien. XX.\t25","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nE. B. Titchener.\nDimensionen Erregung-Depression bezw. Spannung-L\u00f6sung. Denn nur auf diesem Wege konnte man es zu einer Vergleichung der \u00bbUrtheils-curven\u00ab der verschiedenen Gef\u00fchlsrichtungen bringen, was unerl\u00e4sslich ist, sollen die Resultate der Untersuchung in theoretischer Hinsicht verwerthbar sein. Steht es z. B. einmal fest, dass f\u00fcr eine gegebene Reizart die Erregungscurve einen ebenso constanten Verlauf wie die Lustcurve aufzeigt, dass aber die Vertheilung der Gef\u00fchls-urtheile in den zwei Dimensionen eine ganz oder erheblich andersartige ist, so hat man in der That einen guten Grund zu glauben, dass man es hier mit zwei gleichwertigen Gef\u00fchlsclassen zu thun hat. Fallen dagegen die Erregungsurtheile auch bei geh\u00f6riger Uebung inconstant und unregelm\u00e4\u00dfig aus, oder f\u00e4llt die Erregungscurve mit der Lustcurve zusammen, so hat man insofern einen psychologischen Grund sich der Erregungsdimension gegen\u00fcber vorl\u00e4ufig skeptisch zu verhalten. Diese Erw\u00e4gungen bestimmten mich, als Reize Harmoniumkl\u00e4nge von verschiedener H\u00f6he und Metronomschl\u00e4ge von verschiedenen Geschwindigkeiten zu benutzen. Von den Geh\u00f6rsreizen bemerkt Wundt: \u00bbEin (zu den Farben) analoger Gef\u00fchlsgegensatz scheint mir bei den hohen und tiefen T\u00f6nen obzuwalten. Aber vielleicht mischt sich hier dem erregenden Gef\u00fchl der hohen T\u00f6ne noch ein Lust-, dem herabstimmenden der tiefen ein Unlustfactor bei, wobei ich es dahingestellt lassen m\u00f6chte, ob diese Mischung der Gef\u00fchle urspr\u00fcnglich, oder ob sie erst durch die bei den musikalischen Eindr\u00fccken \u00fcberaus mannigfaltigen associativen Beziehungen entstanden ist\u00abx). In formaler Hinsicht w\u00e4re es vielleicht sch\u00f6ner gewesen, wenn wir mit Stimmgabel- oder Flaschent\u00f6nen gearbeitet h\u00e4tten. Indess solche Reize w\u00e4ren sicherlich den Versuchspersonen als etwas Fremdartiges vorgekommen, und h\u00e4tten wahrscheinlich die Aufmerksamkeit unter Sch\u00e4digung der Gef\u00fchlsbeurtheilung auf sich hingelenkt; auch w\u00e4ren sie der Einfachheit des Inhaltes wegen weniger angemessen als Gef\u00fchlsreize zu dienen1 2). Im selben Sinne sagt Wundt: \u00bbWeniger ungemischt (als bei den Farben) sind wohl die analogen Wirkungen der Tonqualit\u00e4ten, wo zwar hohe T\u00f6ne den erregenden, tiefe den deprimirenden Charakter zeigen, au\u00dferdem\n1)\tPhilos. Studien, XV, S. 167.\n2)\tMajor, Amer. Journ. of Psych., VII, S. 71.","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der paarweisen Vergleichung bei verschied. Gef\u00fchlsrichtungen. 387\njedoch theils Associationseinfl\u00fcsse, theils die sonstigen Eigent\u00fcmlichkeiten der Klangfarbe Nebenwirkungen aus\u00fcben\u00ab *). Aehnlich schreibt Wundt einer Folge einfacher Taktschl\u00e4ge einen vorwiegenden Spannungs-L\u00f6sungscharakter zu, wobei jedoch unter verschiedenen Umst\u00e4nden sich ein Lust-Unlustmoment in der Gef\u00fchlsreaction merklich macht2).\nVersuchsbedingungen und vorl\u00e4ufige Versuche.\nNach dem soeben Gesagten gestalteten sich die Versuchsbedingungen sehr einfach. 1) Am Harmonium arbeiteten wir mit den Kl\u00e4ngen C\u2014c (64\u2014128 vs.), c1 \u2014c'2 (256\u2014512 vs.), und c3\u2014cl (1024\u2014 2048 vs.) : im Ganzen mit 24 einzelnen Kl\u00e4ngen. Es galt nur daf\u00fcr Sorge zu tragen, dass die Zungen immer kr\u00e4ftig ansprachen, dass die Reize immer eine ann\u00e4hernd gleiche Intensit\u00e4t besa\u00dfen, und dass der Blasebalg ger\u00e4uschlos functionirte. Diese Bedingungen wurden theils durch sorgf\u00e4ltige Einrichtung des Instrumentes, theils aber durch vorherige Uebung seitens des Experimentators befriedigend erf\u00fcllt. In den \u00e4u\u00dferst seltenen F\u00e4llen, wo eine St\u00f6rung eintrat, wurde der betreffende Versuch wiederholt. Die Zeitverh\u00e4ltnisse der Versuchsreihe wurden mittelst eines ger\u00e4uschlosen Metronoms regulirt. 2) Am Metronom w\u00e4hlten wir die Schlaggeschwindigkeiten 44, 50, 60, 76, 92, 108, 120, 132, 144, 152, 160, 176, 192 und 208 in der Minute: im Ganzen 14 Geschwindigkeiten. Zwei Metronome wurden in Bezug auf Geschwindigkeit und Intensit\u00e4t der Schl\u00e4ge aufs sorgf\u00e4ltigste mit einander verglichen, und die absoluten Geschwindigkeiten der Schl\u00e4ge mittelst einer F\u00fcnftelsecundenuhr bestimmt und \u00f6fters controlirt. Uebrigens kam es nat\u00fcrlich nicht so sehr auf die absoluten Zeiten als auf die Constanz der relativen Geschwindigkeiten an. Die so gepr\u00fcften Metronome wurden dann in zwei sog. \u00bbger\u00e4uschlose Kisten\u00ab eingesetzt, wovon zwei dickw\u00e4ndige, durch H\u00e4hne verschlie\u00dfbare Gummischl\u00e4uche zu einem metallenen F-St\u00fcck geleitet wurden. Hiervon ging wieder ein Schlauch durch die Wand des Versuchszimmers in das Dunkelzimmer hinein, wo er in einem diotischen\n1)\tV\u00f6lkerpsych. a. a. 0. S. 41.\n2)\tPhilos. Studien, XV, S. 167 f.; V\u00f6lkerpsych., S. 41 f.; Grundriss, S. 99\nVorlesungen, S. 238.\n25*","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nE. \u00df. Titchener.\nphonographischen Geh\u00f6rsschlauch endete. Die Versuchsperson sa\u00df demnach im Dunkelzimmer und h\u00f6rte bald die eine, bald die andere Folge von Metronomschl\u00e4gen, je nachdem der eine oder der andere Hahn vom Experimentator ge\u00f6ffnet wurde. Die Zeitverh\u00e4ltnisse der Versuchsreihe wurden wie vorher regulirt.\nNachdem diese Versuchseinrichtungen getroffen, versicherte ich mich durch vorl\u00e4ufige Versuche erstens, dass es Einem nicht all zu schwer fiel auf die Harmoniumkl\u00e4nge mit Lust-Unlust und Erregung-Depression, auf die Taktschl\u00e4ge aber mit Lust-Unlust und Spannung-L\u00f6sung zu reagiren, und zweitens, dass die so gewonnenen Curven f\u00fcr mich wenigstens eine ziemliche Oonstanz aufzeigten. Zugleich fand ich, dass es f\u00fcr die innere Wahrnehmung eine erhebliche Erleichterung bedeutete, wenn man die Versuchsfrage ganz eindeutig stellte, d. h. wenn man in einer ersten Reihe die Frage: \u00bbWelcher der beiden Eindr\u00fccke ist der angenehmere?\u00ab, in einer zweiten die Frage: \u00bbWelcher ist der unangenehmere?\u00ab, in einer dritten die Frage: \u00bbWelcher ist der erregendere?\u00ab, in einer vierten die Frage: \u00bbWelcher ist der deprimirendere?\u00ab u. s. w. zu beantworten versuchte, statt die gepaarten Gef\u00fchlsgegens\u00e4tze zu einer einzigen Frage der Form : \u00bbWelcher ist der angenehmere bezw. der weniger unangenehme?\u00ab zu combiniren. Jene Fragestellung wurde daher bei den eigentlichen Versuchsreihen eingehalten. Uebrigens konnte man ja von vorn herein nicht wissen, wie wahrscheinlich es auch erscheinen mochte, dass die Urtheilscurve f\u00fcr Lust eine der Unlustcurve gerade gegenteilige Richtung nehmen w\u00fcrde, und \u00e4hnlich f\u00fcr Erregung-Depression und Spannung-L\u00f6sung. Auch deshalb erachtete ich es f\u00fcr w\u00fcnschenswert die Curven abgesondert zu gewinnen.\nDie nunmehr zu beschreibenden Versuche wurden unter meiner directen Aufsicht von drei meiner Sch\u00fcler im Sommersemester 1901 und im Wintersemester 1901\u20141902 ausgef\u00fchrt.1)\n1) Dass ich selber an den Versuchen nicht mehr als Versuchsperson theilnahm, findet wohl eine'gen\u00fcgende Rechtfertigung in folgenden Worten Ebbinghaus\u2019: \u00bbSchon bei schwierigeren naturwissenschaftlichen Untersuchungen wird bekanntlich \u2014 unbeschadet der gr\u00f6\u00dften Gewissenhaftigkeit \u2014 verwunderlich h\u00e4ufig eben das best\u00e4tigt gefunden, was man erwartet hat. Bei psychologischen Dingen ist die Gefahr so gro\u00df, dass man fast als Regel aufstellen kann, alle Experimente, die behufs Best\u00e4tigung einer eigenen Theorie an dem eigenen Selbst angestellt wurden, f\u00fcr verd\u00e4chtig zu halten\u00ab (Psychologie I, 1897, S. 88). Denn wenn ich","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der paarweisen Verglcichung bei verschied. Gef\u00fchlsrichtungen. 389\nErste Versuchsreihe. Harmoniumkl\u00e4nge.\nExperimentator war in dieser ersten Versuchsreihe Dr. E. Conant; Versuchsperson Erl. E. Gantt. Letztere war ganz unmusikalisch; sie hatte keine musikalische Bildung erhalten, auch schien die musikalische Anlage eine h\u00f6chst geringf\u00fcgige zu sein. Sonst hatte sie an meinen psychologischen Hebungen mit gutem Erfolg Theil genommen.\nIn diesen wie auch in den sp\u00e4teren Versuchen wurde besondere Sorge daf\u00fcr getragen, die Versuchsperson nur bei ruhigem, gleichg\u00fcltigem Bewusstseinszustande f\u00fcr vorliegenden Zweck in Anspruch zu nehmen. Die Versuche wurden ferner zur selben Tageszeit ausgef\u00fchrt ; und es wurden die. n\u00f6thigen Cautelen getroffen, um Erm\u00fcdung, Suggestion und dgl. m\u00f6glichst zu vermeiden. Die Versuchsperson sa\u00df etwa 2 Meter vom Instrume\u00fcte entfernt, den B\u00fccken ihm zugewandt. Die beiden zu vergleichenden Kl\u00e4nge wurden je f\u00fcr 2 Secunden mit einer 2 Secunden langen Zwischenzeit gegeben. Das zwischen Versuch und Versuch liegende Intervall betrug je nach der Schwierigkeit des Urtheils 4 bis 10 Secunden. Nach etwa 30 Versuchen wurde eine Pause eingeschoben und der Versuchsperson ein neuer Protokollbogen gereicht. Die in dieser ersten Versuchsreihe gestellten Eragen lauteten einfach und ohne weitere Erkl\u00e4rung : Which of the two impressions is the more pleasant, the more unpleasant, the more exciting, the more depressing ? Die Bedeutung der Fragestellung wird sich alsbald ergeben. Von der zu pr\u00fcfenden Theorie wusste die Versuchsperson nichts.\nEs wurden auf diese Weise 12 Urtheilscurven aufgenommen. Wenn ich die vier Gef\u00fchlsgegens\u00e4tze durch die Initialbuchstaben L, U} E, D und die Scalenrichtung der Versuchsreihen durch f und | bezeichne, so ist der Verlauf der Untersuchung folgenderweise zu charakterisiren: L f, E\\, D\\, D \\ , D f, E\\, L\\, E f, D\\, Df, Df, E\\. Die Versuchsperson gab an, dass die Gef\u00fchls-reaction im allgemeinen ohne merkliche Z\u00f6gerung, so zu sagen von selbst, erfolge; nur die Depressionsurtheile kamen ihr zuweilen schwieriger, unschl\u00fcssiger, unentschiedener als die andern vor.\nauch hier keine eigene Theorie vertheidige, bin ich doch noch immer \u00bbin dem Dogma der Lust-Unlust-Theorie befangen\u00ab, insofern wenigstens als ich zur Zeit keine Thatsache zu finden wei\u00df, die mich zwingt dieselbe endg\u00fcltig aufzugeben.","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\nE. B. Titchener.\nDie \u00bbCurven\u00ab theile ich nunmehr, um u. A. den Einfluss der fortschreitenden Uebung zu beleuchten, in extenso mit. Die exacte Verwerthung der Urtheilsdaten muss ich einer anderen Gelegenheit Vorbehalten. Hier sei nur bemerkt: 1) dass nach den allerersten Yersuchsstunden das Urtheil \u00bbZweifelhaft\u00ab \u00e4u\u00dferst selten vorkam, wo es dann als \u2018/2 zu jedem der beiden Versuchskl\u00e4nge gerechnet wurde; 2) dass sich dagegen das Urtheil \u00bbGleich\u00ab bis zum Ende der Untersuchung gelegentlich einstellte; und 3) dass die Versuchsperson in gewissen F\u00e4llen gar nicht auf die vorliegende Frage, sondern auf eine direct gegens\u00e4tzliche antwortete. In Curve (1) z. B. wurde bei den h\u00f6chsten T\u00f6nen auf die Frage: \u00bbWelcher der beiden ist der angenehmere?\u00ab mit der Behauptung geantwortet: \u00bbSie sind alle beide entschieden unangenehm\u00ab. Diese anomalen Antworten wurden vorl\u00e4ufig einfach als Minusf\u00e4lle behandelt, so dass die Curve einige negative Ordinaten aufzeigt.\nZur Erkl\u00e4rung der Fig. 1\u20146 sei hinzugef\u00fcgt, dass die Abscissen\nKg. 1.\nlust a)\nta 13 so 22 2a","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der paarweisen Vergleichung bei verschied. Gef\u00fchlsrichtungen. 391\ndie 24 in Scalenordnung gereihten Kl\u00e4nge, die Ordinaten die darauf bez\u00fcglichen Vorzugsurtheile darbieten; die zwei verticalen Linien zeichnen die drei Octaven aus.\nFig. 2.\n18\t20\t22 2k\nFig. 3.\n18\t20\t22 2k","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392\nE: B. Titchener.\nAus diesen Resultaten sind nun folgende Schl\u00fcsse zu ziehen.\n1) Bei fast g\u00e4nzlichem Mangel an musikalischen Associationen ist es bei einem m\u00e4\u00dfigen Uebungsgrad m\u00f6glich, auf Harmoniumkl\u00e4nge\nBig. 4.\nLust (7)\nr v\n/ Unlust (10)\n16 18\n20\t22 Vt\nBig- 5.\n). yx! \\ , \u2022o-cf\ty\nDepression, Id)\n10 12\n20\t22\t2-t","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der paarweisen Vergleichung bei verschied. Gef\u00fchlsrichtungen. 393\nsowohl mit L\u2014U-Urtheilen als mit E\u2014D-Urtheilen constant zu reagiren.\n2)\tDer Wundt\u2019sche Satz, dass die hohen T\u00f6ne erregend und vielleicht lustwirkend, die tiefen aber herabstimmend und vielleicht unlustwirkend sind, findet in diesem Falle keine Best\u00e4tigung. Vielmehr sind die tiefen Kl\u00e4nge erregend und lustwirkend, die hohen aber deprimirend und unangenehm. Ob diese Umkehrung der Wundt-schen Hegel der Klangfarbe des Instrumentes zuzuschreiben ist, und\nKg. 6.\n10 12\n1\u2018t\t161\t18\t20\nob dieselbe Versuchsperson z. B. bei Stimmgabel versuchen vielmehr im Sinne der Kegel geurtheilt h\u00e4tte, muss nat\u00fcrlich dahingestellt bleiben.\n3)\tDie L\u2014U- bezw. die E\u2014D-Curven zeigen eine ziemlich genau gegens\u00e4tzliche Kichtung auf. Es ist daher zu vermuthen, dass in denselben wirkliche Gref\u00fchlsgegens\u00e4tze zum Ausdruck gelangen.\n4)\tDie E\u2014D-Curven haben dagegen keine von den L\u2014 U-Curven verschiedene typische Form. Mit wachsender Uebung fallen die L\u2014E-und die U\u2014D-Curven mehr und mehr zusammen. Dieses Resultat konnte man von vornherein auf zweifache Weise deuten. Entweder","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nE. B. Titchener.\nn\u00e4mlich ist die E\u2014D-Reaction die prim\u00e4re und die L\u2014fJ-Reaction eine nur associativ bedingte, der eigentlichen Ton-G-ef\u00fchlsreaction mehr minder angen\u00e4herte; oder aber die L\u2014U-Reaction ist die prim\u00e4re, so dass \u00bberregend\u00ab als \u00bbangenehmerregend\u00ab, \u00bbdeprimirend\u00ab als \u00bbunangenehm deprimirend\u00ab zu deuten w\u00e4re. Die Frage ist wohl auf der Basis des vorliegenden Thatsachenmaterials nicht bestimmt zu entscheiden. Wir haben jedoch zwei nennenswerthe Indicien zu Gunsten der L\u2014H-Reaction: n\u00e4mlich a) den fast g\u00e4nzlichen Mangel an musikalischen Associationen und b) die Aussage der inneren Wahrnehmung, die relative Schwierigkeit der D-Reaction betreffend.\nZweite Versuchsreihe. Harmoniumkl\u00e4nge.\nExperimentator in dieser Versuchsreihe wurde Fri. B. Downes, Versuchsperson Fri. M. 0. Nerney und Herr R. H. Gault. Was die musikalische Bildung und Anlage anbetrifft, so war Frl. Nerney m\u00e4\u00dfig musikalisch, w\u00e4hrend Herr Gault beinahe so unmusikalisch wie die Versuchsperson der vorgehenden Versuchsreihe war. Letzterer wusste im allgemeinen, worum es sich bei den Versuchen handelte, Frl. Nerney dagegen nicht. Die Versuchsbedingungen, Cautelen u. s. w. wurden wie vorher getroffen.\nZun\u00e4chst wurde von beiden Versuchspersonen eine L-Curve, danach eine F-Curve, und zwar in aufsteigender Richtung genommen. Die Vertheilung der Urtheile wird aus beistehenden Fig. 7, 8 ohne weiteres klar. Die von N. gewonnenen Curven erinnern an die Curven 7\u201412, die von G. gewonnenen an die Curven 1\u20146 der vorhergehenden Versuchreihe. Eins ist aber dabei h\u00f6chst auffallend. W\u00e4hrend n\u00e4mlich die A-Curven einen \u00e4hnlichen Verlauf wie vorher zeigen, weisen nunmehr die A-Curve einen un\u00e4hnlichen bezw. entgegengesetzten Verlauf auf. Es kommt daher sehr darauf an, zu ermitteln, wie sich die neuen Versuchspersonen die Gef\u00fchlsreaction \u00bberregend\u00ab gedeutet haben. In der ersten Versuchsreihe war ja die Depression als der Gegensatz zur Erregung vom Experimentator vorgegeben; in der vorliegenden Reihe war nichts derartiges gesagt worden. Es stellte sich aber beim Nachfragen heraus, dass N. durchweg an die \u00bbErregung\u00ab als an den (nicht zur Depression, \u00bbdepression\u00ab, \u00bbmelancholy\u00ab, sondern) zur Beruhigung, \u00bbcalming, quieting, tranquillising,","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der paarweisen Vergleichung bei verschied. Gef\u00fchlsrichtungen.\t395\nFig. 7.\nVersuchsperson\nLust.\nErregung.\nVersuchsperson\nErregung.\n2","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nE. B. T\u00eftchener.\neffect\u00ab gegens\u00e4tzlichen Zustand gedacht, w\u00e4hrend Gf. \u2014 theilweise vielleicht in Folge seiner ungef\u00e4hren Kenntniss der Wundt\u2019schen Lehre \u2014 zwischen den Gegens\u00e4tzen Erregung-Melancholie und Erregung-Beruhigung geschwankt hatte. Leider konnte \u00fcber die Grenzen dieser Schwankung, bezw. das zeitweise Vorherrschen eines einzigen Gegensatzes, nichts n\u00e4heres mit Sicherheit bestimmt werden. Betreffs der Thatsache der Schwankung war aber die Aussage der nachtr\u00e4glichen inneren Wahrnehmung so bestimmt wie nur m\u00f6ghch; sobald der Experimentator anfing dar\u00fcber Fragen zu stellen, sagte G. 'ganz von selbst, dass die Curve wegen der inconstanten Gef\u00fchls-reaction wahrscheinlich zu verwerfen w\u00e4re, und verlangte, dass dieselbe nur als Uebungscurve betrachtet werden sollte.\nHierin h\u00e4tten wir sonach eine plausible Erkl\u00e4rung der Abweichung der A-Curven von dem vorher festgestellten Typus. Um diese Erkl\u00e4rung weiter zu pr\u00fcfen, gingen wir zu weiteren Versuchen \u00fcber. Es wurden von den Versuchspersonen eine U- und eine A-Curve, beide in aufsteigender Richtung, aufgenommen; zugleich wurde aber von denselben ausdr\u00fccklich verlangt, dass sie mit jener Art \u00bbErregung\u00ab reagiren, welche als Gegensatz zu Beruhigung gef\u00fchlt werde. Die Versuchsperson N., die ja auch fr\u00fcher in diesem Sinne geurtheilt hatte, gab jetzt zwei Curven, die mit einander und mit der A-Curve der Fig. 7 die gr\u00f6\u00dfte Aehnlichkeit besitzen (siehe Fig. 9, 10). Die Versuchsperson G., der die Pr\u00e4cisirung der Frage auch als etwas ganz nat\u00fcrliches und erleichterndes, nicht aber als Zwang vorkam, lieferte ihrerseits zwei mit einander \u00fcbereinstimmende Curven, die etwa den Gegensatz der A-Curve der Fig. 8 darstellen, und die \u00bbschwankende\u00ab A-Curve derselben Figur sehr deutlich als eine gemischte erscheinen lassen (s. Fig. 11, 12).\nHier musste die zweite Versuchsreihe abgebrochen werden. Ich glaube aber aus den Ergebnissen folgende Schl\u00fcsse ziehen zu d\u00fcrfen:\n1) F\u00fcr die zwei Versuchspersonen dieser Reihe sind die hohen T\u00f6ne, im Sinne der Wundt\u2019schen Regel, erregend; daf\u00fcr sind aber die tiefen bezw. die mittleren T\u00f6ne nicht, wie es Wundt ausdr\u00fcckt, \u00bbdeprimirend\u00ab, \u00bbherabstimmend\u00ab, sondern vielmehr \u00bbberuhigend, befreiend, erleichternd\u00ab. Auch wirken die hohen T\u00f6ne, wie vorher, durchaus unangenehm. F\u00fcr die eine Person wirken die tiefen, f\u00fcr die andere die mittleren T\u00f6ne am angenehmsten.","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der paarweisen Vergleichung bei verschied. Gref\u00fchlsrichtungen. 397\nFig. 9.\nVersuchsperson N.\nUnlust,\nH\u2014I\u2014*\u25a0\nFig. 10.\nVersuchsperson N.\nErregung.\n22\t2<h","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nE. B. Titchener.\nPig. 11.\nVersuchsperson G.\nUnlust\nPig. 12.\nVersuchsperson G.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der paarweisen Vergleichung bei verschied. Gefiihlsrichtungen. 399\n2)\tDie \u00dc-Curven des Erregung-Beruhigungstypus fallen mit den G-Curven zusammen, wie vorher die E-Curven des Erregung-Melancholietypus mit den G-Curven zusammenfielen. Die E-Curven des ersteren Typus sowie die G-Curven stellen einen zu den E-Curven entgegengesetzten Verlauf dar.\n3)\tIn einem Falle, wo die erstgenommene E-Curve eine schwankende Gef\u00fchlsreaction darstellt, zeigen die entsprechenden L\u2014G-Curven einen ganz sicheren und bestimmten Verlauf.\n4)\tVerbinden wir diese Thatsachen mit den Indicien der fr\u00fcheren Versuchsreihe, so sind wir zur vorl\u00e4ufigen Annahme berechtigt, dass die L\u2014G-Beaction die prim\u00e4re Gefiihlsreaction ist. Danach w\u00e4re die Erregung ein je nach Umst\u00e4nden angenehmer oder unangenehmer Gem\u00fcthszustand, als ersterer der unangenehmen Melancholie, als letzterer der angenehmen Beruhigung entgegengesetzt.\nDritte Versuchsreihe. Metronomschl\u00e4ge.\nExperimentator in dieser letzten Versuchsreihe wurde Herr B. Gault, Versuchsperson Fri. B. Downes und M. A. Martin. Letztere wusste nichts um den Zweck der Versuche. Die Versuche wurden so eingerichtet, dass jede Taktreihe 7 Secunden mit Zwischenpause von 5 Secunden dauerte : das Zeitintervall zwischen aufeinander folgenden Versuchen betrug 10\u201412 Secunden.\nZun\u00e4chst wurden Spannungs- und Lustcurven, in auf steigender Ordnung (langsam bis schnell), aufgenommen: s. Pig. 13, 14.\nMan ersieht sofort, dass die zwei Curvenpaare sehr \u00e4hnlich aus-fallen, und dass die G-Curve so ziemlich das Gegentheil der S'-Curvc ist. Sodann wurde im Sinne der vorigen Versuchsreihe zu S- und G-Curven \u00fchergegangen (Fig. 15, 16). Wieder fallen die beiden Curvenpaare sehr \u00e4hnlich aus; dazu stimmen die S-Curven aufs sch\u00f6nste mit den S-Curven der Fig. 13, 14 \u00fcberein. Au\u00dferdem sind die S- und G-Curven beinahe identisch. Man wird also nochmals dem Schl\u00fcsse kaum entgehen k\u00f6nnen, dass die G\u2014G-Beaction die prim\u00e4re Gef\u00fchlsreaction repr\u00e4sentirt, w\u00e4hrend das sog. Spannungsgef\u00fchl, \u00e4hnlich wie das Erregungsgef\u00fchl, nicht eine elementare Affection oder ein einfaches Gef\u00fchl, sondern ein complexes, aus Gef\u00fchls- und Organempfindungselementen zusammengesetztes Affectgebilde darhietet.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nE. B. Titchener.\nFig. 13.\nT\u00earsucTispersoTiM.\nZiest\n66 SO 60 76 92 108 120 132 IVt 152 160 176 192 208 in der M\u00d9l.\nFig. 14.\nlust.\n76 92 10S 120 132 M 152 180 176 192 208 in. der Min-.","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der paarweisen Vergleichung bei verschied. Gef\u00fchlsrichtungen. 401\nFig. 15.\nVersuchsperson M.\n76 \u00c0 m m th m 152\nWO 176 192 208 in der Mn.\nFig. 16.\nVersuchsperson D.\nhl SO 60 76 92\n120 132 m 152\n176 192 208 in der Mn.\nWandt, Philos. Studien. XX.\n26","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nE. B. Titchener.\nEinige kritische Bemerkungen: Farben, Ger\u00fcche.\n1) W\u00e4hrend Wundt zugibt, dass bei T\u00f6nen und Taktschl\u00e4gen eine Gef\u00fchlsmischung stattfindet bezw. stattfinden kann, hebt er aufs bestimmteste hervor, dass die Farbenreibe den Gef\u00fchlsgegensatz Erregung-Depression rein oder praktisch rein zum Ausdruck bringt. \u00bbIch w\u00fcsste wenigstens f\u00fcr meinen Theil . . . absolut nicht zu sagen, ob mir das reine spektrale Blau oder das Eoth . . . angenehmer sei\u00ab *). \u00bbBei den reinen Farbeneindr\u00fccken . . . handelt es sich . . . \u00fcberhaupt nur um Gef\u00fchle, die man in ihren allgemeinen Bichtungen als erregende und beruhigende oder deprimirende bezeichnen kann\u00ab1 2). \u00bbNamentlich Both und Blau bilden in dieser Beziehung scharf ausgepr\u00e4gte Gegens\u00e4tze, Both als erregender, Blau als beruhigender Eindruck. Mit beiden kann sich auch ein Lustgef\u00fchl oder bei starken Lichtreizen ein Unlustgef\u00fchl verbinden. H\u00e4lt sich aber der Eindruck innerhalb m\u00e4\u00dfiger Grenzen, und sind Glanz, Contrast und \u00e4hnliche den Gef\u00fchlston \u00e4ndernde Nebenbedingungen ausgeschlossen, so d\u00fcrften die subjectiven Zust\u00e4nde der Erregung und Depression in diesen F\u00e4llen rein zur Erscheinung kommen\u00ab3).\nNun sind \u00bbreine Farheneindr\u00fccke\u00ab im strengen Sinne des Wortes nat\u00fcrlich nicht herzustellen; es stehen uns vielmehr nur verschiedene S\u00e4ttigungsgrade der Farben zur Verf\u00fcgung. Auch kann man \u00bbCompli-cationen mit anderen Empfindungen\u00ab insofern nicht ausschlie\u00dfen, als die zum Versuch verwendeten Farben immer auf irgend einem Hintergr\u00fcnde liegen m\u00fcssen. Bei der gro\u00dfen Menge der im Handel zu bekommenden farbigen Papiere kann man jedoch ohne besondere M\u00fche eine Farbenreihe von mittlerer Helligkeit und von mittlerem S\u00e4ttigungsgrad herstellen: auch kann man einen Hintergrund von einem mittleren Grau w\u00e4hlen, oder aber die Wirkung von verschiedenen Hintergr\u00fcnden selbst zum Gegenstand der Untersuchung machen. Man hat aber auf diese Weise gefunden, sowohl bei der Major-schen Methode der Einzelurtheile (wo Contrast zwischen den Farben\n1)\tPhilos. Studien XV, S. 172 t.\n2)\tA. a. 0. S. 166 f.\n3)\tV\u00f6lkerpsych. S. 40 f.","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der paarweisen Vergleichung bei verschied. Gfef\u00fchlsrichtungen. _ 403\nausgeschlossen oder wenigstens verschwindend klein ist), wie hei der Cohn\u2019sehen der paarweisen Vergleichung, dass die L-G-Reaction leicht erfolgt und f\u00fcr eine und dieselbe Versuchsperson innerhalb enger Grenzen constant bleibt. Was die Associationsgefahr betrifft, so kann ich durchaus den Cohn\u2019sehen Aeu\u00dferungen bestimmen. \u00bbDadurch (durch eine gro\u00dfe Zahl der Versuche) gew\u00f6hnen sich selbst die an Associationen reichsten Versuchspersonen, nur den sinnlichen Eindruck wirken zu lassen\u00ab1). \u00bbWas die Associationen betrifft, so bemerkten verschiedene Herren, dass ihre H\u00e4ufigkeit allm\u00e4hlich ahnahm . . . Nirgends aber bemerkte ich die Associationen als einen constanten, dasUrtheil in regelm\u00e4\u00dfiger Weise beeinflussenden Factor2)\u00ab. In der That kommen Associationen nach den ersten Versuchsstunden, sobald die Versuchsperson sich die verlangte gleichm\u00e4\u00dfige Gem\u00fcths-lage angeeignet hat und die ihr gebotenen Eindr\u00fccke ohne Reflexion und discursive Selbstbeobachtung auf sich wirken l\u00e4sst, entweder gar nicht oder \u00e4u\u00dferst selten vor3).\nNicht nur aber ist die G-G-Reaction auf Farben rein und leicht zum Ausdruck zu bringen; ich kann auf Grund verschiedener in meinem Laboratorium ausgef\u00fchrter Uebungsversuche versichern, dass die H-D-Ourven gerade so mit den L- G-Curven zusammenfallen, wie dies in der ersten der oben beschriebenen Versuchsreihen f\u00fcr Harmoniumkl\u00e4nge der Fall ist. Es scheint unn\u00f6thig zu sein, noch andere Ourven mitzutheilen; die Thatsache aber muss von dem Gef\u00fchlstheoretiker mit in Rechnung gezogen werden. Dagegen w\u00e4re es wohl der M\u00fche werth, und hoffe ich dasselbe sp\u00e4ter ausf\u00fchren zu k\u00f6nnen, einige Ourven im Sinne des Gegensatzes E-B (statt E-D\\ zu nehmen, um zu sehen, ob dann die L-B- und die TJ-E-Urtheile zusammen-fallen.\n2) Nachdem diese Arbeit beendet war, erschien die Br ahn\u2019sehe Abhandlung \u00bbExperimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre\u00ab4). Brahn\n1)\tPhilos. Studien X, S. 565.\n2)\tA. a. O. S. 598; vgl. S. 596 f.\n3)\tHeber das Glefiihlsurtheil im allgemeinen und die Nothwendigkcit der Versuchsmechanisirung im Besonderen; vgl. Cohn, a. a. 0. S. 596 ff. Letztere Bedingung ist es, die den relativen Mangel an Daten der inneren Wahrnehmung bei unseren Versuchen erkl\u00e4rt und rechtfertigt.\n4)\tPhilos. Studien XVIII, S. 127.\n26*","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\nE. B. T\u00eftchener.\nverwirft die Reihenmethode der Gef\u00fchlsuntersuchung, und setzt an die Stelle davon die \u00bbeinfache Reizmethode\u00ab. Die Resultate dieser Methode sollen dann nachtr\u00e4glich durch \u00bbReizvergleichung\u00ab und \u00bbReizausgleichung\u00ab gepr\u00fcft werden1).\nF\u00fcr jemanden, der sich mit dem Mechanismus des Gef\u00fchlsurtheils einigerma\u00dfen vertraut gemacht hat, f\u00e4llt es nicht besonders schwer, eine Reihe Bedenken gegen die Reizmethode zu erheben. Indem ich hier auf solches Herumm\u00e4keln verzichte und bereitwillig zugebe, dass doch in erfahrenen H\u00e4nden die Methode sonst brauchbare Ergebnisse zu liefern vermag, muss ich um so mehr betonen, dass ich gar nicht ersehe, wie sie zur Unterscheidung der prim\u00e4ren Gef\u00fchls-reactionen von den complicirteren Affectreactionen dienen soll. Und eben darauf, auf das Unterscheiden der Gef\u00fchlselemente, der qualitativ einfachen Gef\u00fchle, kommt, es zur Zeit haupts\u00e4chlich an. Was dann die Ausgleichungsmethode betrifft, so ist zu sagen, 1) dass die Art, und Weise, wie der Verfasser mit Geruchsreizen operirt, demjenigen, der die Thatsachen der Geruchsmischung und der Geruchs-compensation kennt, geradezu unverst\u00e4ndlich erscheinen muss, und 2) dass sich der Verfasser, da er im Sinne einer so einfachen Gef\u00fchlsstatik redet, wie sie sonst in der modernen Psychologie keine Analogie findet, doch wenigstens verpflichtet hat, seine Ansichten \u00fcber die physiologischen und psychologischen Bedingungen der Gef\u00fchlsentstehung dem Leser mitzutheilen. Vorl\u00e4ufig ist sein erster Schlusssatz, wonach \u00bbdie psychologische Beobachtung zeigt, dass die Wundt\u2019sehe Eintheilung der Gef\u00fchle in drei Gef\u00fchlsrichtungen, der Lust-Unlust, Erregung-Beruhigung, Spannung-L\u00f6sung, v\u00f6llig berechtigt ist\u00ab, durch seine eigenen mitgetheilten psychologischen Beobachtungen nichts weniger als erwiesen.\nZusammenfassung.\nWenn ich nunmehr versuche, die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zusammenzufassen, so glaube ich den Thatsachen gem\u00e4\u00df die Meinung aussprechen zu k\u00f6nnen, dass sie eine Best\u00e4tigung der\n1) A. a. O. S. 132 ff.","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der paarweisen Vergleichung bei verschied. Gef\u00fchlsrichtungen. 405\nr\nLust-Unlusttheorie bedeuten. ' Beobachter von verschiedenen Uebungs-graden, von verschiedener intellectueller Anlage, haben es bei verschiedenen Reizarten und sowohl bei wissentlichem wie bei unwissentlichem Verfahren m\u00f6glich gefunden, mit Lust-Unlust constant zu reagiren. Wir haben keine eindeutige Gef\u00fchlscurve gewonnen, die nicht mit einer Lust-Unlustcurve identisch w\u00e4re4); wir haben Schwankung der Gef\u00fchlsreaction und Urtheilsverz\u00f6gerung nur au\u00dferhalb der L- U-Dimension angetroffen. Bei Erregung haben wir eine Verschiedenheit der Curven erhalten, die ganz deutlich auf eine Verschiedenheit der Gegens\u00e4tze Erregung-Beruhigung und Erregung-Depression und somit auf die Complicirtheit des mit Erregung benannten Gem\u00fcths-zustandes hinwiesen. Ich glaubein der That, dass die Wundt\u2019sehen Gegens\u00e4tze Erregung-Beruhigung und Spannung-L\u00f6sung nicht Gegens\u00e4tze der reinen Gef\u00fchle, sondern vielmehr Gegens\u00e4tze der einfachsten Gef\u00fchlsgebilde, etwa von derselben psychologischen Zusammengesetztheit, wie auf der intellectuellen Seite die Stumpf\u2019sehen Verschmelzungen, darstellen. Danach h\u00e4tten wir im concreten Erlebniss angenehme und unangenehme, angenehm-erregende und unangenehmerregende, angenehm-beruhigende und unangenehm-deprimirende, u. s. w. Gef\u00fchle; und die Wundt\u2019sehe Classification w\u00e4re ein kaum zu \u00fcbersch\u00e4tzender Beitrag zur Systematik der einfachen Gef\u00fchlsgebilde, nicht aber ein Wegweiser im Labyrinth der einfachen Gef\u00fchlselemente. Dass dieser Glaube eben Glaube ist, bin ich mir wohl bewusst. Es wird aber wohl von jeder Seite zugegeben werden m\u00fcssen, dass sich auf der Basis der gangbaren Gef\u00fchlslitteratur in Bezug auf die Zahl und die Natur der einfachen Gef\u00fchlsqualit\u00e4ten gar nichts mit apodiktischer Gewissheit sagen l\u00e4sst; man wird immer wieder auf Wahrscheinlichkeiten verwiesen. Uebrigens brauche ich kaum zu bemerken, dass eine Deutung der physischen Begleiterscheinungen der Gef\u00fchle eben so gut im Sinne meiner Auffassung wie der Wundt\u2019sehen Theorie m\u00f6glich ist und voraussichtlich m\u00f6glich sein wird.\nWas endlich den Einschluss der vorhegenden Untersuchung in dieser Festschrift betrifft, m\u00f6chte ich die Thatsache nicht unerw\u00e4hnt lassen, dass dieselbe gar nicht mit polemischer Intention unternommen\n1) Freilich ist nicht zu \u00fcbersehen, dass dies Resultat bei einer zweidimensionalen Darstellungsweise und der Begrenztheit der Versuche nicht beweisend ist.","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406 E. B. Titchener. Methode der paarweisen Vergleichung u. s. w.\nwurde. Aufrichtig gesagt, wurde ich durch die Constanz und Eindeutigkeit der Ergebnisse so ziemlich \u00fcberrascht. Ich betrachtete es von vorn herein als ganz wohl m\u00f6glich, dass wir f\u00fcr die verschiedenen Gef\u00fchlsrichtungen typisch verschiedene Urtheilsvertheilungen erhalten w\u00fcrden, und ich, der ich ja Wundt so viel zu verdanken habe, h\u00e4tte nicht ungern diese St\u00fctze der Wundt\u2019sehen Auffassung auf Kosten meiner bisherigen Ueberzeugung geliefert. Indess sind die Thatsachen anders ausgefallen, und so glaube ich, dass sie auch Wundt in wissenschaftlicher Hinsicht nicht unwillkommen sein werden.","page":406}],"identifier":"lit4489","issued":"1902","language":"de","pages":"382-406","startpages":"382","title":"Ein Versuch, die Methode der paarweisen Vergleichung auf die verschiedenen Gef\u00fchlsrichtungen anzuwenden","type":"Journal Article","volume":"20"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:16:56.801758+00:00"}