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Experimentelle Beiträge zur Gefühlslehre

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{"created":"2022-01-31T14:18:01.745994+00:00","id":"lit4495","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Brahn, Max","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 18: 127-187","fulltext":[{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\nYon\nMax Brahu.\nMit Tafel VII u. VIII.\nI. Theil. Die Richtungen des Gef\u00fchls.\nI. Die Entstehung des Problems der Gef\u00fchlsrichtungen.\nEs hat sich in neuester Zeit gezeigt, dass eines der haupts\u00e4chlichsten Hindernisse f\u00fcr die gedeihliche Entwicklung der Psychologie des Gef\u00fchls die stets als selbstverst\u00e4ndlich angenommene Meinung war, nur Lust und Unlust seien die Richtungen, in denen sich unsere Gef\u00fchle bewegen. In ihrem Studium sah man daher das Studium des Gef\u00fchls beschlossen. Es scheint einer der folgenreichsten Schritte auf dem Gesammtgebiet der Gef\u00fchlsuntersuchungen zu sein, dass Wundt an die Stelle der einfachen Gef\u00fchlsrichtungen Lust-Unlust eine Dreiheit von Gef\u00fchlsrichtungen gesetzt hat. Er nennt dieselben Lust-Unlust, Erregung-Beruhigung, Spannung-L\u00f6sung.\nEs schien eine monographische Behandlung dieses Themas um so mehr angebracht, als diese Dreitheilung noch nicht gen\u00fcgend beachtet worden ist, da ihr die psychologisch-experimentelle Durcharbeitung noch fehlte. Wir werden nach einer kurzen Geschichte des jungen Pioblems die psychologischen Untersuchungsmethoden behandeln, welche uns zur Kl\u00e4rung der Frage verwendbar erschienen. Es wird sich dabei zeigen, dass die psychologische Beobachtung in den physiologischen Begleiterscheinungen der Gef\u00fchlsrichtungen eine feste St\u00fctze findet. Es wird daher, um alle Missverst\u00e4ndnisse auszuschlies-sen, eine allgemeinere Betrachtung dar\u00fcber anzustellen sein, welche Bedeutung f\u00fcr den Psychologen die Ausdrucksbewegungen haben, und in wie fern sie die Theorie und die psychologischen Ergebnisse zu st\u00fctzen verm\u00f6gen. Dann werden als directe Einf\u00fchrung in dieses","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nMax Brahn.\nspecielle Gebiet der psychophysischen Untersuchung die fr\u00fcheren Arbeiten einer Kritik zu unterziehen sein. Da die Ergebnisse solcher Arbeiten von den zu benutzenden Apparaten abh\u00e4ngen, wird eine Kritik dieser nicht zu umgehen sein. So werden wir einen Ueber-blick bekommen, welche Ergebnisse fr\u00fcherer Arbeiten der Kritik standhalten. Dann wird nach Darlegung der Methoden und Ergebnisse unserer Arbeiten zu vergleichen sein, wie die Ergebnisse der fr\u00fcheren Arbeiten mit den unsrigen \u00fcbereinstimmen und worin Differenzen ihren Grund haben. Als Resultat wird sich die Best\u00e4tigung der Lehre von den drei Gef\u00fchlsrichtungen aus den entsprechenden Aenderungen des Pulses ergeben.\nDie Eigenart des Gef\u00fchls hat in der neueren Psychologie Kant erst zum Gemeingut der Forscher gemacht. Es war ihm so nat\u00fcrlich, den Inhalt des Gef\u00fchls v\u00f6llig in Lust-Unlust ersch\u00f6pft zu sehen, dass er das zweite Buch seiner Anthropologie einfach \u00fcberschreibt: \u00bbDas Gef\u00fchl der Lust und Unlust\u00ab, damit andeutend, dass er beides f\u00fcr identisch hielt. Diese seine Eintheilung reicht ihm dann freilich in der Affectenlehre nicht aus, er setzt Affecte sthenischer Natur, \u00bbaus St\u00e4rke\u00ab, und asthenischer Natur \u00bbaus Schw\u00e4che\u00ab daneben. \u00bbJene sind von der erregenden, dadurch aber auch oft ersch\u00f6pfenden, diese von einer die Lebenskraft abspannenden .... Beschaffenheit\u00ab. Er unterl\u00e4sst aber jede Er\u00f6rterung dar\u00fcber, was wohl die Begriffe Erregung und Abspannung f\u00fcr eine psychologische Bedeutung haben. So sehen wir schon am ersten Anfang der neueren Gef\u00fchlslehre, dass bei der Analyse der Affecte mit den Begriffen Lust-Unlust allein der Inhalt nicht zu decken war.\nSo zeigen sich \u00fcberall, wo man den Affect zu erkl\u00e4ren versuchte, Ans\u00e4tze dazu, ihn durch bestimmte Bewusstseinsinhalte zu erkl\u00e4ren, wie z. B. Aufregung, Beruhigung, Herabstimmung etc. Gef\u00fchle aber wollte man in diesen Zust\u00e4nden nicht sehen. Man suchte sie daher bald aus den Verh\u00e4ltnissen der Vorstellungen abzuleiten, bald rein physiologisch zu erkl\u00e4ren. So beschrieb man nur Bewegungen und Aenderungen im Verlaufe der Vorstellungen, verga\u00df aber dar\u00fcber die real verlaufenden affectiven Vorg\u00e4nge zu beschreiben. Eine jede solche Theorie f\u00fchrte am Ende zu einer Losl\u00f6sung von Affect und Gef\u00fchl von einander, wie man dies noch in neuen verdienstvollen Werken finden kann.","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n129\nBesonders aber bei pathologischer Erh\u00f6hung oder Herabsetzung einzelner Richtungen zeigte die Lust-Unlust-Theorie ihre M\u00e4ngel. Bei der Neurasthenie z. B. beschreibt Binswanger Zust\u00e4nde affectiver Art, als deren Characteristicum er innere Unruhe, \u00e4ngstliche Spannung und Furchtsamkeit angibt. Weiterhin sucht er z. B. hei der Analyse der Angstanf\u00e4lle nachzuweisen, dass die Erregungen und Hemmungen wohl von der Intensit\u00e4t der Affecte abh\u00e4ngen, setzt jedoch hinzu, dass gegen diese Auffassung Beobachtungen ins Feld gef\u00fchrt werden k\u00f6nnen, und dass die Pathologie der Angst in diesem Punkte einer Aufhellung recht bed\u00fcrftig sei1). Kein Wunder, dass er neuerdings sich der Wundt\u2019sehen Lehre von den Gef\u00fchlsrichtungen angeschlossen hat. Noch weniger kommt die eigentliche Psychiatrie mit den Kategorien Lust-Unlust aus. Die Namen stupor manicus, mania furiosa, melancholia activa etc. zeigen das deutlich.\nEbenso bedeutsam zeigt sich die Analyse des Willens und der Aufmerksamkeit. Dass Wundt schon fr\u00fcher hier mit den Gef\u00fchlen Lust-Unlust nicht auskam, zeigt z. B. folgender Satz, wo er von der Aufmerksamkeit sagt: \u00bbSie wird von einem eigent\u00fcmlichen Gef\u00fchl\nbegleitet, das in der unmittelbaren Seihstauffassung denjenigen Gef\u00fchlen verwandt erscheint, die wir hei jeder Art von Willensth\u00e4tig-keit in uns finden, und das daher als Th\u00e4tigkeitsgef\u00fchl bezeichnet werden mag\u00ab. \u00bbDas Gef\u00fchl des Erleidens bildet subjectiv das dem letzteren gegen\u00fcberstehende Contrastgef\u00fchl, entsprechend jener allgemeinen Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit des Gef\u00fchlslebens, dass es kein Gef\u00fchl gibt, dem nicht ein contrastirendes Gef\u00fchl gegen\u00fcberst\u00fcnde\u00ab2).\nDie neueren Autoren, welche auf eine genauere Willensanalyse sich einlie\u00dfen, konnten sich ebenfalls der Notwendigkeit nicht entziehen, daneben andere gef\u00fchlsartige Elemente anzunehmen. Ob nun Lipps von Strebungsgef\u00fchlen spricht, M\u00fcnsterberg von dem Gef\u00fchl innerer Th\u00e4tigkeit, welches er gern in blo\u00dfe Empfindungen aufgehen lie\u00dfe, oh Ziegler sagt: \u00bbdiese Ueberwindung von Hemmungen, diese L\u00f6sung der Spannung kommt uns als Innervations- und Spannungsgef\u00fchl zum Bewusstsein\u00ab, ob K\u00fclpe sagt: \u00bbes ist ein von innen heraus erfolgender Drang . . . Betont man bei diesem Zustande\ng! ;^ns^\u00e4nger, Ethologie und Therapie der Neurasthenie. S. 95. un \u00bb Grrundz\u00fcge der physiologischen Psychologie, II, S. 266.\nWundt, Philos. Studien. XVIII.","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nMax Brahn.\nmehr die den Gef\u00fchlen analoge subjective Beschaffenheit, so redet man von Strebungsgef\u00fchlen\u00ab \u2014 diese und viele andere, die wir nicht herz\u00e4hlen wollen, nehmen im Grunde ein besonderes Gef\u00fchl im Willen an1).\nTrotzdem wurde die Lehre von der Lust-Unlust-Richtung auch allen experimentellen Untersuchungen zu Grunde gelegt, welche sich mit den k\u00f6rperlichen Begleiterscheinungen der Affecte besch\u00e4ftigten; und dies drohte dahin zu f\u00fchren, dass die Psychologen nicht im Stande waren, die mannigfachen physiologischen Ergebnisse psychologisch zu deuten. Dies trat am deutlichsten bei den Versuchen von Mentz zu Tage2). Er wollte die Wirkungen von Tonintensit\u00e4ten und -qualit\u00e4ten auf Puls und Athmung untersuchen, kam aber dabei zu keinem Ergebniss, wenn er die dabei erregten Gef\u00fchle Lust-Unlust nicht in Anschlag brachte. Er untersuchte daher diese Gef\u00fchlswirkungen und fand deren constante physiologische Begleiterscheinungen. Doch auch damit war die Mannigfaltigkeit seiner physiologischen Ergebnisse noch nicht zu decken. Zun\u00e4chst fand er eine ganz verschiedene Wirkung der gleichen Tonintensit\u00e4ten auf Puls und Athmung, je nachdem diese Reize bei willk\u00fcrlicher oder unwillk\u00fcrlicher Aufmerksamkeit einwirkten. Au\u00dferdem aber machte er die Wahrnehmung, dass der gleiche Affect (z. B. Zorn, Verzweiflung, Trauer) ganz verschiedene k\u00f6rperliche Erscheinungen mit sich brachte, je nachdem er mehr sthenisch, excitatorisch oder asthenisch, depressiv war. Damit war nat\u00fcrlich ein Anlass gegeben, an der Hand fester Thatsachen Ueberlegungen dar\u00fcber anzustellen, ob den verschiedenen, aber constanten physiologischen Ver\u00e4nderungen nicht ebenso viele psychologische Vorg\u00e4nge entspr\u00e4chen.\nWundt nahm diese Ueberlegungen auf. Fern lagen sie ihm -von der psychologischen Seite \u2014 ja nicht. Wir haben schon oben eine Aeu\u00dferung von ihm citirt, wo er von einem Th\u00e4tigkeitsgef\u00fchl sprach, auch sonst hatte er in der Aufmerksamkeit Gef\u00fchle der Er-\n1)\tlieber die beiden ersten Autoren handelt treffend Pf\u00e4nder, Das Bewusstsein des Wollens, Zeitsehr. f. Psychologie, XVII, S. 321\u2014342. Ziegler, Das Gef\u00fchl, S. 308, wo sieh eine Willensanalyse findet, die ganz deutlich als H'aupt-moniente die Spannungs- und L\u00f6sungsgefiihle aufzeigt. K\u00fclpe, Grundriss der Psychologie, S. 274.\n2)\tMentz, Die Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Athmung. Philos. Studien, XI, S. 61\u2014124, 371\u2014393, 563\u2014602.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n131\nWartung, der Erf\u00fcllung, der Ueberraschung gefunden. Nun, da er sah, dass zugleich die physiologischen Begleiterscheinungen sicli an solche psychische Thatsachen in konstanter Weise ankn\u00fcpften, war es Zeit, den psychologischen mit dem physiologischen Standpunkt zu vergleichen und zu vereinigen. Wundt ging dabei sofort auf die elementaren Gef\u00fchle zur\u00fcck und unterschied die drei oben angegebenen Dimensionen, Lust - Unlust, Erregung - Beruhigung, Spannung-L\u00f6sung. Zugleich gab er auch, um die physiologischen Quellen seiner Angaben deutlich zu machen, in einem Schema die aus den seitherigen Untersuchungen der Gef\u00fchls- und Affecten-Symptome des Pulses wahrscheinlich werdenden Beziehungen physiologischer Natur an, indem er jeder Gef\u00fchlsart bestimmte Aenderungen des Pulsbildes zuordnete f).\nEine Nachpr\u00fcfung fanden diese Angaben nach ihrer psychologischen Seite sehr schnell durch 0. Vogt in seinen Aufs\u00e4tzen \u00bbzur Kenntniss des Wesens und der psychologischen Bedeutung des Hypnotismus\u00ab1 2). Vogt macht die Versuche im Zustande des eingeengten Bewusstseins, wodurch er die Energie und Constanz der Aufmerksamkeit sehr erh\u00f6ht, sowie die Analyse erleichtert3). Trotzdem glaubte Vogt zun\u00e4chst, Wundt theilweise entgegentreten zu m\u00fcssen, indem er in seiner ersten Abhandlung angab, nur zwei Paare von Qualit\u00e4ten, angenehm und unangenehm und hebend und erschlaffend, nachgewiesen zu haben. Bei einer genaueren Nachpr\u00fcfung zeigte sich aber, dass die Versuchspersonen Vogt\u2019s v\u00f6llig die drei Gef\u00fchlsrichtungen Wundt\u2019s best\u00e4tigten, wenn die dargebotenen Beize nur richtig gew\u00e4hlt wurden. Weiterhin st\u00fctzt Vogt die Lehre von den Gef\u00fchlsrichtungen auf eine charakteristische zeitliche Differenz im Auftreten von Lust-Unlust gegen\u00fcber den anderen Gef\u00fchlsrichtungen \u2014 wir weiden weiterhin sehen, dass, ganz wie Vogt psychologisch die Reihenfolge angibt, erst Erregung-Beruhigung, dann Lust-Unlust, schlie\u00dflich Spannung-L\u00f6sung auftreten, und so auch die physiologischen Begleiterscheinungen in derselben Reihenfolge sich zeigen. Auf die Differenzen, welche Vogt Wundt gegen\u00fcber aufrecht erh\u00e4lt, brauche\n1)\tWin dt, Grundriss der Psychologie, S. 99 ff. Philos. Studien, XV, S. 163.\n2)\tZeitschr. f. Hypnotismus, IV, S. 125\u2014137, 229\u2014244.\n3, Ueber den psychologischen Werth der Methode siehe bei Wundt, Bemerkungen zur Theorie der Gef\u00fchle. Philos. Studien, XV, S. 168 ff.\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nMax Bralin.\nich erstens darum nicht einzugehen, weil sie f\u00fcr unsere Untersuchung nicht allzu erheblich sind, und zweitens, weil Wundt selber sie gen\u00fcgend beantwortet hat1).\nEine weitere nennenswerthe Behandlung hat die Frage der Gef\u00fchlsrichtung bis jetzt nicht erfahren, wenn sie auch hie und da bald anerkennend, bald verwerfend ber\u00fchrt worden ist. Wir wenden uns daher zu der Betrachtung der Methoden, welche uns eine Entscheidung der Fragen erm\u00f6glichen.\nII. Die psychologischen Methoden der Untersuchung.\nDie Untersuchung \u00fcber die Richtungen der Gef\u00fchle ist ihrer Natur nach eine durchaus psychologische. Sie ist auch principiell in keiner Beziehung undurchf\u00fchrbarer wie jede Untersuchung \u00fcber die Empfindungen. Die Untersuchungsbedingungen sind nat\u00fcrlich mannigfach anders. Besonders ist darauf zu sehen, dass hierbei nicht wie bei den Empfindungsuntersuchungen der st\u00e4rkste Aufmerksamkeitsgrad gefordert wird, sondern dass im Gegentheil eine zu scharfe Spannung der Aufmerksamkeit den Versuchen hindernd in den Weg tritt. Man muss vielmehr darauf sehen, es stets mit Versuchspersonen von sehr ruhigem, gleichg\u00fcltigem Bewusstseinszustande zu tliun zu haben, welcher von jeder Art starker Gef\u00fchle frei ist. Dazu kann der bereits erw\u00e4hnte Zustand des eingeengten Bewusstseins wohl beitragen, besonders kann er die Freiheit von Gef\u00fchlen f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit fixiren. Doch kann man gew\u00f6hnlich durch gen\u00fcgende Uebung eine f\u00fcr unser Problem ausreichende Gleichm\u00e4\u00dfigkeit auch normal erreichen.\nMan wird nat\u00fcrlich versuchen, die f\u00fcr die Untersuchung der Gef\u00fchle sonst angewandten Methoden auch hier sinngem\u00e4\u00df anzuwenden. Die sogenannte Reihenmethode, welche sonst in der Gef\u00fchlsuntersuchung gute Dienste leisten kann, ist hier naturgem\u00e4\u00df auszuschlies-sen. Denn da sie ihrem Princip nach darauf ausgeht, in einer Reihe liegende Gef\u00fchle auf ihre relative Intensit\u00e4t zu untersuchen, ist sie hier ausgeschlossen, da es sich ja gerade darum handelt, Gef\u00fchle zu pr\u00fcfen, die in ganz verschiedenen Reihen liegen. Wir versuchen nun\n1) Philos. Studien, XV, S. 170.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gref\u00fchlslehre.\n133\ndiese Methode durch die einfache Reizmethode zu ersetzen. Wir lassen eine gro\u00dfe Zahl von Reizen auf das Bewusstsein einwirken, und stellen fest, ob die Versuchsperson ihren Gef\u00fchlseindruck mit den Worten Lust-Unlust zu decken vermag. Bei Geschmacksreizen geht es meistentheils an, soweit man einerseits allzu stark wirkende Reize vermeidet, die leicht Ekel erregen, anderseits solche Reize, die \u00e4tzend u. s. w. wirken. Bei einfachen Geruchsreizen wissen die Versuchspersonen ihre Eindr\u00fccke zun\u00e4chst sehr schlecht wiederzugeben. Au\u00dfer den Bezeichnungen angenehm, unangenehm bekommt man meist Ausdr\u00fccke zu h\u00f6ren, welche sich auf die Empfindung des Reizes oder aber auch sehr h\u00e4ufig auf k\u00f6rperliche Begleiterscheinungen, wie z. B. weit um die Brust werden, Empfindungen in der Nase, Druck im Kopfe beziehen. Uebt man aber die Reagenten l\u00e4ngere Zeit ein, m\u00f6glichst viel auf den subjectiven Zustand zu achten, so bekommt man sehr bald Ausdr\u00fccke zu h\u00f6ren, wie \u00bbich f\u00fchle mich leichter, matter, erregt, unruhig, activer, als ob ich mehr leisten k\u00f6nnte u. s. w.\u00ab. Bei T\u00f6nen ist es oft noch leichter, ganz andere Ausdr\u00fccke als nur angenehm, unangenehm zu h\u00f6ren zu bekommen. Besonders bei etwas tieferen und h\u00f6heren T\u00f6nen verschwindet gerade dieser Gegensatz der Lust-Unlust sein- vollst\u00e4ndig und wiederum sind es Ausdr\u00fccke, wie sich herabgestimmt f\u00fchlen, sich erhoben f\u00fchlen und \u00e4hnliche, welche angegeben werden. Bei Earbengef\u00fchlen versagt, wie Wundt mehrfach ausgef\u00fchrt hat, der Gegensatz Lust-Unlust noch vielmehr, um erregenden und beruhigenden Wirkungen Platz zu machen.\nWill man die Versuchspersonen zu Beginn auf die Ungenauigkeit ihrer Beobachtung aufmerksam machen, so gibt es kein besseres Mittel, als wenn man zwei Reize, denen sie eine gleiche Gef\u00fchlswirkung zugeschrieben haben, ihnen nun neben einander zur Vergleichung gibt und sie dann auf fordert anzugeben, ob denn in der That die beiden Gef\u00fchle gleich sind. Wenn man z. B. einen als angenehm bezeichneten Ton mit einem ebenfalls als angenehm bezeichnten Geruch vergleichen l\u00e4sst, so sagt die Versuchsperson schon nach kurzer Zeit aus, dass doch Unterschiede im Gef\u00fchl vorhanden sind, und kommt leicht dazu, die Gef\u00fchlsrichtungen Erregung und Beruhigung anzugeben. Diese Methode der Reizvergleichung kann zur Ein\u00fcbung der Reagenten gar nicht genug empfohlen werden.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nMax Brahn.\nEine weitere Methode ist diejenige, welche ich als Reizausgleichungsmethode bezeichnen m\u00f6chte. Ist n\u00e4mlich bei einem Reiz ein Zweifel dar\u00fcber vorhanden, welcher Richtung das von ihm erzeugte Gef\u00fchl angeh\u00f6rt, so sucht man die ihm m\u00f6glicher Weise entgegengesetzten Gef\u00fchle zu erzeugen und sieht zu, ob dadurch eine Schw\u00e4chung des einen der beiden Gef\u00fchle, resp. die v\u00f6llige Verdr\u00e4ngung des schw\u00e4cheren, entgegengesetzten m\u00f6glich ist. Man kann so bei richtiger Einstellung der Intensit\u00e4ten durch Mischung ein\u00f6s lust- und unlustbetonten Eindrucks einen v\u00f6llig gleichg\u00fcltigen hervorbringen (z. B. hei Benzoe und Campher, und bei Rosen\u00f6l und Campher). Hierbei heben sich die Empfindungen nicht etwa auf, sondern bleiben neben einander bestehen, so dass nicht von Em-pfindungscompensationen wie beim Geschmack geredet werden kann. Besonders belehrend wirkt dieser Versuch, wenn man z. B. einen Geruch angenehmer und erregender Art mit einem solchen angenehmer und beruhigender Art mischt, wobei dann nur ein verst\u00e4rktes angenehmes Gef\u00fchl \u00fcbrig bleibt. Auf diese Weise konnten wir oft feststellen, wie sich in der That nur unter Annahme der Gef\u00fchlsrichtungen Lust-Unlust und Erregung-Beruhigung diese Gef\u00fchlsausgleichungen erkl\u00e4ren lassen.\nJede der angef\u00fchrten Methoden reicht hin, um die beiden Richtungen Lust-Unlust und Erregung-Beruhigung festzustellen. Diese beiden reichen aber nicht hin, einen der h\u00e4ufigsten Gef\u00fchlsverl\u00e4ufe zu analysiren, den Willensact. Analysiren wir die einfachste Form, in welcher sich der Willensact dem Experiment darbietet, den einfachen Reactionsvorgang, so kehrt eigentlich bei allen Versuchspersonen der Ausdruck \u00bbSpannung und L\u00f6sung\u00ab wieder. Dieselbe Aussage ist ganz constant auch bei der Wahrnehmung von Metronomschl\u00e4gen, welche sich technisch der Beobachtung leichter darbieten. In beiden F\u00e4llen tritt auch die gleiche Schwierigkeit ein, dass bei sehr schnellem wie bei sehr langsamem Geschehen sich Erregung der Spannung beimischt. Es wird ein \u00bbunruhiges, unangenehmes Gef\u00fchl\u00ab angegeben, es kommt zu intensiven Unlustgef\u00fchlen, denen \u00bbein be\u00e4ngstigendes Erwartungsgef\u00fchl vorhergeht\u00ab, \u00bbbeim ersten Schlag ist eine Ersch\u00fctterung im Zwerchfell vorhanden, der zweite Schlag bringt eine gewisse Beruhigung, der dritte eine Ersch\u00fctterung, aber weniger stark, der vierte wirkt wie der zweite, der f\u00fcnfte Schlag","page":134},{"file":"p0134s0001table8.txt","language":"de","ocr_de":"Wundt, Philosophische Studien. Bd. XVIII.\nTaf. VIII.\n\nCurve VII. Erregend, Mentha, dabei etwas Lust.\n\nCurve VIII. Beruhigend, Chloroform.\nCurve IX. Beruhigung, Moschus.\nCurve X. Spannung.\njv > ,kjv .X.UJ,j XUJ\nCurve XI. Spannungsschwankungen.\nCurve XII. L\u00f6sung.\n\nCurve XIII. L\u00f6sung,\tSpannung und\n* Curve VII, IX, X, XI einfache, VIII, XII, XIII doppelte Gr\u00f6sse. | Moment der Reizeinwirkung.\nL\u00f6sung nebst Schwankungen.\nVerlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig.","page":0},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n135\nbringt wieder eine geringe Ersch\u00fctterung hervor, in der Hauptsache aber Spannung\u00ab. Es bedarf daher einer genauen Einstellung der Zeiten, um die Erregung fern zu halten. Dabei zeigt sich ein individuell verschiedenes Optimum der Spannung, d. h. es kann eine jede Person sehr genau die Zeit angeben, welche hindurch sie ein reines intensives Spannungsgef\u00fchl aufrecht erhalten kann. Darin liegt \u00fcberhaupt ein durchgreifender Unterschied des Spannungs- und des Erregungsgef\u00fchls, dass nur das letztere andauert, w\u00e4hrend es in der Natur des ersteren liegt periodisch zu sein, d. h. an- und abzuschwellen. Es ist ferner die Erregung ein ganz schnell und sofort in voller Intensit\u00e4t auftretendes Gef\u00fchl, die Spannung ein allm\u00e4hlich anwachsendes: bei sehr schneller Aufeinanderfolge von Metronomschl\u00e4gen kann sich daher das Gef\u00fchl der Spannung gar nicht zur H\u00f6he ausbilden, es kommt dann zu einem unangenehmen Erregungsgef\u00fchl. So zeigen sich sowohl in der vergleichenden Beobachtung, wie im Verlauf Unterschiede zwischen Spannungs- und Erregungsgef\u00fchl. Sie werden aber als v\u00f6llig beweisend erst dann anzusehen sein, wenn wir nach-weisen k\u00f6nnen, dass die den beiden Gef\u00fchlspaaren zugeordneten k\u00f6rperlichen Erscheinungen verschieden sind, so wie wir auch zu dem Nachweise, dass Spannung und L\u00f6sung wirklich besondere Gef\u00fchlsrichtungen darstellen, werden hinzuf\u00fcgen k\u00f6nnen, dass ihre physiologischen Begleiterscheinungen gegens\u00e4tzlicher Natur sind.\nIII. Die Ausdrncksbewegungen.\n1. Die Diagnostik der Gef\u00fchle.\nIm Verkehr des t\u00e4glichen Lehens sind wir gew\u00f6hnt, die Gef\u00fchle Anderer nicht nur nach deren Worten zu beurtheilen, sondern oft genug nach bestimmten Ver\u00e4nderungen ihres Ausdrucks. Aus einem bestimmten Ausdruck schlie\u00dfen wir auf eine bestimmte Emotion. Das k\u00f6nnen wir nat\u00fcrlich nur, weil wir erfahren haben, dass sich bei uns und anderen oft an ein bestimmtes Gef\u00fchl gerade dieser Ausdruck anschlie\u00dft. Es ist also im letzten Grunde stets die psychologische Beobachtung, welche vorausgehen muss, damit wir dieser oder jener Bewegung des K\u00f6rpers eine besondere Bedeutung beizulegen verm\u00f6gen. Werthvoll ist die Kenntniss dieser Bewegung uns","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nMax Brahn.\naber oft genug, wo uns jemand \u00fcber den psychologischen Zustand nichts aussagen will oder kann. Wissen wir einmal, wie dieser oder jener Affect mit dieser oder jener Bewegung verbunden ist, so haben wir damit eine feste Beziehung gefunden, welche uns einen wechselseitigen Schluss m\u00f6glich macht. M\u00f6glich freilich nur, nicht nach beiden Bichtungen hin durchaus sicher.\nWundt sagt in dieser Hinsicht v\u00f6llig zutreffend, \u00bbdass man niemals aus den physiologischen Symptomen auf das Vorhandensein bestimmter Gef\u00fchle schlie\u00dfen kann\u00ab '). Ganz mit Unrecht widerspricht dem Lehmann und h\u00e4lt diese Aeu\u00dferung f\u00fcr \u00fcbereilt1 2); er nimmt an, Wundt habe sich nur auf Mentz\u2019 Sphygmogramme gest\u00fctzt und sei dieses Material vor Augen zu solchem Besultat gekommen. Ganz abgesehen von der Bichtigkeit der Angabe, dass man aus dem Sphygmogramm keine Schl\u00fcsse ziehen k\u00f6nne, enth\u00e4lt Lehmann\u2019s Behauptung einen principiellen Irrthum. Wundt st\u00fctzt sich Weder auf Mentz\u2019 noch eines Anderen Arbeiten, sondern auf eine ebenso allgemeine wie richtige Beobachtung. Nehmen wir als festgestellt an, welche Ver\u00e4nderungen physiologischer Art, mit einem Gef\u00fchl verbunden sind \u2014 ist denn je v\u00f6llig auszuschlie\u00dfen, dass alle die gleichen Ver\u00e4nderungen einmal aus rein physiologischen Ursachen vorhanden sind, ohne dass von einem zugleich bestehenden Gef\u00fchle geredet werden kann? Der Physiologe Duchenne brachte z. B. durch elektrische Beizungen der Muskeln den Ausdruck eines ganz bestimmten Affectes, etwa des Schmerzes, der Ironie u. s. w. hervor. Es w\u00e4re nicht schwer, zu gleicher Zeit die nach Lehmann beim Schmerz vorhandenen Ver\u00e4nderungen im Pulsvolumen durch Chemikalien zu erzeugen \u2014 aber von Schmerz im Bewusstsein w\u00e4re trotzdem nicht zu reden. Je mehr Symptome man als regelm\u00e4\u00dfige Begleiter eines bestimmten Gef\u00fchles festgestellt hat, um so wahrscheinlicher ist es nat\u00fcrlich, dass bei ihrer aller Vorhandensein auch das Gef\u00fchl vorhanden ist \u2014 aber von einer v\u00f6lligen Sicherheit darf nicht gesprochen werden. Die in Mienen und Bewegungen geheuchelte Theilnahme ist \u00fcbrigens ein t\u00e4glicher Beweis f\u00fcr Wundt\u2019s Meinung.\n1)\tWurult, Grundriss der Psychologie, S. 103.\n2)\tLehmann. Die k\u00f6rperlichen Aeu\u00dferungen geistiger Zust\u00e4nde. Kopenhagen 1898. S. 148.","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n137\nMan braucht darum den diagnostischen Werth der Ausdrucksmethoden durchaus nicht gering zu sch\u00e4tzen oder f\u00fcr problematisch zu halten. Im Zusammenhang mit der psychologischen Methode kann sie Unersetzliches leisten. Ist z. B. eine bestimmte Beizeinwirkung gegeben, die wir als mit einem bestimmten Glef\u00fclil und einer bestimmten Zahl k\u00f6rperlicher Ver\u00e4nderungen verbunden wissen, so k\u00f6nnen wir aus dem Gegebensein von Beiz und von physiologischer Aende-rung auch auf das Vorhandensein des Gef\u00fchls schlie\u00dfen. Bleibt die physiologische Ver\u00e4nderung aus, so werden wir auch auf das Nichtvorhandensein des Gef\u00fchls zu schlie\u00dfen haben. Es w\u00fcrde also z. B. die von Lehmann aufgeworfene Frage nach dem Vorhandensein einer wirklichen oder simulirten Analgesie sich aus den physiologischen Begleiterscheinungen mit Sicherheit beantworten lassenJ).\nF\u00fcr die wissenschaftliche Erkenntniss insbesondere kann die Diagnostik des Pulses von gr\u00f6\u00dftem Werth sein und Sicherheit gew\u00e4hren und zu neuen Forschungen leiten, wo die Schwierigkeit und Dunkelheit der rein psychologischen Methode sonst hindernd in den Weg ti\u00e4te. Wo es sich z. B. wie hier um die Begr\u00fcndung der Lehre von den Gef\u00fchlsrichtungen handelt, sind die Versuchspersonen oft noch bei weitem nicht im Stande, \u00fcber die psychologische Verschiedenheit genau Bechenschaft zu geben, wo uns das Pulsbild eine ganz constante Aenderung zeigt. Und wo wir unentschieden sind, ob ein Gef\u00fchl ein Spannungs- oder Erregungsgef\u00fchl oder eine Mischung beider oder aber ein specifisches Willensgef\u00fchl ist, da wird uns sp\u00e4terhin das Pulsbild Auskunft zu geben haben, wenn die Beobachtung noch versagt. Ob uns das exacte Studium der Ausdrucksbewegungen nicht auch zu einer genaueren Bestimmung der Gef\u00fchlsintensit\u00e4ten bef\u00e4higen wird, ist eine Frage, welche einer Untersuchung m hohem Grade werth und bed\u00fcrftig ist, hier aber nicht behandelt werden kann.\n2. D as Gemeingef\u00fchl.\naneben haben aber die Ausdrucksbewegungen einen direct psychologischen Werth \u2014 sie kommen hier nicht eigentlich in ihrer specifi-schen Eigenschaft als Ausdrucksformen in Betracht, sie sind hier als ewegungsreize aufzufassen, die ebenso gut rein reflectorischer oder\nb Vgl. Lehmann, Die k\u00f6rperl. Aeu\u00dferungen u. s. w. Beginn der Vorrede.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nMax Erahn.\nphysiologischer Art sein k\u00f6nnten. Eine jede Bewegung im K\u00f6rper kommt ja als gef\u00fchlsbetonte Empfindung in Betracht, mag auch die Empfindung oft sehr gegen das Gef\u00fchl zur\u00fccktreten. Die Ausdrucksbewegung kommt als ein solcher Gef\u00fchlsreiz um so mehr in Betracht, als sie bei einem bestimmten Gef\u00fchl constant ist, also auch eine constante Gef\u00fchlsbetonung f\u00fcr das Bewusstsein bedeutet. Man m\u00fcsste nat\u00fcrlich die im K\u00f6rper vor sich gehenden Ver\u00e4nderungen ebenso wie die Bedeutung jeder einzelnen Aenderung f\u00fcr unser Bewusstsein kennen, um diesen ganzen constanten Gef\u00fchlsantheil zu verstehen. Davon sind wir noch sehr weit entfernt. Wenn man aber das Ziel im Auge beh\u00e4lt, wird man nicht zufrieden sein, Ver\u00e4nderungen zu finden, welche zwar gen\u00fcgende Symptome f\u00fcr die Gef\u00fchle sind, aber nichts \u00fcber die eigentlichen Ver\u00e4nderungen in ihrer objectiven Katur aussagen. Man wird z. B. bei den Pulsver\u00e4nderungen versuchen, sie so darzustellen, dass sie genau anzeigen, was objectiv vorgeht, also etwa die Verengerung der Arterie, die gr\u00f6\u00dfere Blutmasse, welche durchgepresst wird, die St\u00e4rke des Herzdruckes u. s. w. W\u00e4hlt man Ver\u00e4nderungen, die zwar mehr in die Augen fallen, aber weder nach der Lage unseres physiologischen Wissens noch nach dem Ausdruck, den die Methode von dem k\u00f6rperlichen Vorgang gibt, eine Bestimmung des objectiven Vorganges erm\u00f6glichen, so begibt man sich des Vortheiles, auch f\u00fcr die Erkl\u00e4rung des psychologischen Thatbestandes etwas zu leisten. Heute freilich wissen wir noch gar nichts dar\u00fcber, wie wir die einzelnen feineren Ver\u00e4nderungen in Puls, Athmung, Muskeltonus u. s. w. wahrnehmen, und welche Gef\u00fchle diesen feinen Ver\u00e4nderungen entsprechen.\n3. Die Organgef\u00fchlstheorie.\nWissen wir auch nichts \u00fcber die Einzelheiten dieses von den Organempfindungen im weitesten Sinne ausgehenden constanten Ge-f\u00fchlsantheiles, so haben wir doch die Einsicht gewonnen, dass derselbe stets und zwar bei verschiedenen Gef\u00fchlen in verschiedener Weise vorhanden ist, Es ist daher gar nicht so sehr verwunderlich, dass man auf den Gedanken gekommen ist, es machten diese constanten, f\u00fcr jedes Gef\u00fchl specifischen Organempfindungen das Gef\u00fchl selbst aus >). Die Grundlage dieser Theorie bildet die Ansicht, welche\n1) Lange, Ueber Gem\u00fcthsbewegungen. Leipzig 1887. James, The physical","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Oef\u00fchlslehro.\n139\nam klarsten Ribot in den Worten ausdr\u00fcckt: \u00bbLes sensations internes iront rien de repr\u00e9sentatif, ce facteur, d\u2019une importance capitale, les intellectualistes l\u2019ont oubli\u00e9\u00ab1). Es g\u00e4be also eine besondere Gruppe von Empfindungen bezw. von Reizen, die nur Gef\u00fchle sind, es sind die Organempfindungen. Wir kommen zu einem neuen physiologischen Herbartianismus zur\u00fcck, den man h\u00e4tte f\u00fcr \u00fcberwunden halten sollen. Die Beweise daf\u00fcr werden aus vagen Thatsachendeutungen der Entwicklungsgeschichte, ja der Embryologie geholt2): \u00bbL\u2019enfant ne peut avoir au d\u00e9but qu\u2019une vie purement affective. Durant la p\u00e9riode intra-ut\u00e9rine il ne voit, ni n\u2019entend, ni ne touche; m\u00eame apr\u00e8s la naissance il lui faut plusieurs semaines pour apprendre localiser ses sensations. Sa vie psychique rudimentaire qu\u2019elle soit, ne peut \u00e9videmment consister qu\u2019en un vague \u00e9tat de plaisir et de peine, analogues aux n\u00f4tres.\u00ab Diese Behauptungen bed\u00fcrfen um so weniger einer experimentellen Widerlegung, als bei ihnen von Selbstbeobachtung nicht die Rede sein kann.\nDoch wir haben es hier nur mit der experimentellen Kritik dieser Frage zu thun. Bevor das Experiment \u00fcberhaupt darauf ausgeht, die Frage im Einzelnen zu pr\u00fcfen, muss einfach so gefragt werden: \u00bbKann das Gef\u00fchl die Summe der Organempfindungen sein, so muss es sp\u00e4ter eintreten als diese. Ist das der Fall?\u00ab Die Antwort ist mit der gr\u00f6\u00dften Sicherheit eine verneinende. Es haben mehrere Experimentatoren festgestellt, dass die Puls\u00e4nderungen sp\u00e4ter auftreten als das Gef\u00fchl selbst, und gerade diese geh\u00f6ren sicher zu den schnellsten Aenderungen im Organismus3). Auch wir werden weiterhin zeigen k\u00f6nnen, dass stets eine Reihe von Pulsen vergeht, ehe das Gef\u00fchl in ihnen zum Ausdruck kommt. Ebenso machen sich die Ver\u00e4nderungen in der Innervation der willk\u00fcrlichen Muskeln nach dem Gef\u00fchl bemerkbar. Man muss daher schon aus diesem Grunde die Lange\u2019sehe Theorie als v\u00f6llig den Thatsachen widersprechend zur\u00fcckweisen.\nEin gewisses Interesse hat die Theorie dennoch dadurch erhalten,\nbasis of emotion. Psych. Kcv., I, p. 516\u2014529. Itibot, La psychologie des sentiments. Paris 1896.\n1) Ribot, a. a. O., S. 8.\t2) Ribot, a. a. 0., S. 8.\n3) Binet et Courtier, L\u2019ann\u00e9e psychologique, II, S. 144\u2014145. Lehmann, Die Hauptgesetze, S. 126. Die k\u00f6rperlichen Aeu\u00dferungen u. s. w. S. 151.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nMax Erahn.\ndass sie durch ihre Uebertreibungen zu einer intensiveren Besch\u00e4ftigung mit den organischen Ver\u00e4nderungen dr\u00e4ngte, sei es auch nur, um die Theorie selbst zu widerlegen. Zugleich hat sie auf die Einzelheiten dieser Untersuchungen Einfluss gehabt, da sie bestimmte Complexe von Organempfindungen als die Ursache der Gef\u00fchle angab. W\u00e4hrend noch Darwin und Wundt zufrieden waren, die Ausdrucksbewegungen unter einige psychophysische Beziehungsgesetze zu subsumiren, wurde hier der Versuch gemacht, eine bestechend einfache physiologische Gef\u00fchlstheorie aufzustellen. Lange und James haben \u2014 mit geringen Abweichungen von einander \u2014 die Ver\u00e4nderungen in der Innervation der Vasomotoren als Ursache des Gef\u00fchles angesehen. Die Aenderungen in der Innervation der willk\u00fcrlichen und unwillk\u00fcrlichen Muskeln, in der Contraction des Herzens, der H\u00f6he und dem Typus der Athmung seien davon abh\u00e4ngige secund\u00e4re Erscheinungen. Daneben weist die Beobachtung des t\u00e4glichen Lebens sehr auf die Bedeutung der Muskelbewegungen f\u00fcr den Affect hin ; so sind aus mannigfachen Ursachen die Aenderungen im Blutkreislauf und in der Muskelinnervation die Gebiete der ersten genauen Forschung geworden.\nEs ist aber vorl\u00e4ufig durchaus eine unbewiesene Behauptung, dass jede Ver\u00e4nderung direct oder indirect von den vasomotorischen Ver\u00e4nderungen abh\u00e4ngt. Es liegt daher gar kein Grund vor, etwa mit Sergi anzunehmen, es sei die Medulla oblongata, als Centralorgan der vasomotorischen Aenderungen, der \u00bbSitz der Gef\u00fchle\u00ab. Denn der Nachweis, dass mit jeder vasomotorischen Aenderung zugleich die betreffende, dem Affect eigent\u00fcmliche muskul\u00e4re Bewegung gegeben sei, ist kaum versucht, geschweige denn gef\u00fchrt worden.\nWir sind daher gezwungen, uns vorl\u00e4ufig damit zu begn\u00fcgen, die verschiedenen k\u00f6rperlichen Ausdrucksformen jede f\u00fcr sich zu untersuchen. Hier bieten sich von selbst die verschiedenen Arten von Bewegungen im K\u00f6rper zur methodischen Untersuchung dar. Zun\u00e4chst begegnen wir der Scheidung der quergestreiften (willk\u00fcrlichen) und der glatten (unwillk\u00fcrlichen) Muskeln. Die Bewegungen der animalischen Muskeln k\u00f6nnen willk\u00fcrliche oder aber reflectorische sein. Diejenigen der glatten organischen Muskeln wollen wir als organische bezeichnen. Auf diese Dreitheilung h\u00e4tte sich also eine vollkommene Untersuchung der Ausdrucksbewegung zu st\u00fctzen.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n141\nEbenso der Einfachheit der physiologischen Untersuchung wie der psychologischen Bedingungen wegen wird man zun\u00e4chst die Beeinflussung der organischen Bewegungen untersuchen. Hier bietet sich am bequemsten die Untersuchung der arteriellen Ver\u00e4nderungen dar, da bei den f\u00fcr unsere Betrachtung wichtigen Arterien die glatte Muskelschicht der Tunica media sehr stark und f\u00fcr die Contraction ma\u00dfgebend ist1). Au\u00dferdem haben wir den Vortheil, eine rein organische, v\u00f6llig jeder Willensbeeinflussung entzogene Bewegung vor uns zu haben2). Es k\u00e4men sonst f\u00fcr die Untersuchung dieser Bewegungsart noch Pupille und Harnblase in Betracht; beide Beobachtungen haben aber gro\u00dfe Schwierigkeit und haben in den wenigen F\u00e4llen, wo sie bis jetzt gemacht worden sind, keine zufriedenstellenden Resultate ergeben.\nZur Untersuchung der reflectorischen Erscheinung der willk\u00fcrlichen Muskulatur fehlen uns bis jetzt gen\u00fcgende Methoden. Wir werden weiterhin die einzige uns bekannt gewordene Arbeit dar\u00fcber zu besprechen haben. Man muss zugeben, dass gerade hier sehr wichtige Probleme liegen, die erst durch das Zusammenarbeiten der verschiedensten Methoden zu l\u00f6sen sein werden.\nTechnisch besser bestellt ist es um die psychologisch schwierigere Erforschung der willk\u00fcrlichen Bewegungen der quergestreiften Muskulatur. In dem St\u00f6rring\u2019schen Apparat sowohl wie im Mosso-schen Ergographen haben wir brauchbare Apparate f\u00fcr die Untersuchung der willk\u00fcrlichen Bewegung3). Freilich ist hier von physiologischer Seite noch sehr viel zu thun, da die bisherigen Versuche \u00fcber die Bewegung des Muskels sich fast stets auf den k\u00fcnstlich gereizten Muskel bezogen, also f\u00fcr die psychologische Betrachtung fast ohne Bedeutung sind. Die Versuche, welche in j\u00fcngster Zeit \u00fcber die Innervation der Streck- und Beugemuskeln gemacht worden sind, haben uns keine L\u00f6sung, sondern erst eine Einsicht in die Schwierigkeit des Problems gebracht.\n1)\tHierher d\u00fcrfen wir f\u00fcr unsere Betrachtung auch die Herzbewegung rechnen. Sind auch die Muskeln quergestreift, so sind sie doch ganz dem Willen entzogen.\n2)\tDie wenigen F\u00e4lle, in denen von einer willk\u00fcrlichen Beeinflussung berichtet wird, k\u00f6nnen hier au\u00dfer Betracht bleiben.\n3)\tSt\u00f6rring, Zur Lehre vom Einfluss der Gef\u00fchle. Philos. Studien, XII\nS AQQ\t\u2019\t\u2019","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nMax Brahn.\nWir haben gelernt, dass wir stets nur in eingeschr\u00e4nkter Weise von einer reinen Beuge- oder Streckth\u00e4tigkeit reden k\u00f6nnen, da stets beide Formen zugleich vorhanden sind1). Dar\u00fcber wollen wir in einer folgenden Arbeit genaueres berichten. Wir k\u00f6nnen uns endlich nur in den gr\u00f6bsten Umrissen und auch da meistens nur unter Zuh\u00fclfe-nahme von Hypothesen \u00fcber die zu Grunde liegenden centralen Vorg\u00e4nge eine Vorstellung machen. Auch in psychologischer Hinsicht hat ja gerade das Studium der willk\u00fcrlichen Bewegung sehr gro\u00dfe Schwierigkeiten. Es ist sehr schwer, die peripheren Kraft- und Bewegungsempfindungen, noch schwerer, diese von den centralen Sinnesempfindungen zu scheiden. Aus dem, was wir aber aus den umfangreichen Studien \u00fcber die Muskelerm\u00fcdung in ihrer Abh\u00e4ngigkeit von centralen Bedingungen wissen, wird es uns bei Arbeiten, welche bis zur Erm\u00fcdung durchgef\u00fchrt werden, vielleicht m\u00f6glich werden, den Einfluss von Gef\u00fchlen auf diese einzelnen Componenten festzustellen. Sonst bliebe den so gewonnenen Ergebnissen \u00fcber den Einfluss des Gef\u00fchls auf die Willk\u00fcrbewegung immer der diagnostische Werth v\u00f6llig erhalten. Zugleich haben wir immerhin einige Vorstellung von dem Sitz und Wesen der willk\u00fcrlichen Extremit\u00e4tenbewegung und k\u00f6nnten, wenn wir den Einfluss der Gef\u00fchle auf diese Bewegung kennen, hoffen, dadurch Licht \u00fcber die centralen Bedingungen der Gef\u00fchle \u00fcberhaupt zu erhalten; vielleicht gelingt es auch, dar\u00fcber Gewissheit zu bekommen, wenn wir diese centralen Vorg\u00e4nge mit den die Circulation bedingenden Zusammenhalten.\nIV. Experimentelles \u00fcber den vasomotorischen Ansdruck der Gef\u00fchlsrichtungen.\n1. Kritik der Apparate, a. Lehmann\u2019s Kritik des Sphygmographen.\nI)a es sich hei unseren Experimenten \u00fcber den Einfluss der Gef\u00fchlsrichtungen auf die Pulsbewegung nur darum handeln kann, am lebenden Menschen und an diesem ohne Blo\u00dflegung der Arterie Versuche anzustellen, stehen uns nur zwei Apparate zur Verf\u00fcgung: der\n1) H. E. Hering u. C. S. Sherrington, Ueber Hemmungen der Contraction willk\u00fcrlicher Muskeln. Pfl\u00fcger\u2019s Archiv 1'. Physiologie, LXIIT, S. 222 ff.","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n143\nSphygmograpli und der Plethysmograph. Wir haben uns nur des Sphygmographen bedient und haben das im Folgenden zu rechtfertigen. Es ist dabei hervorzuheben, dass eine abschlie\u00dfende Untersuchung die Ergebnisse beider Apparate wird zu benutzen haben und dass es sich nur um die Frage des vorzuziehenden, nicht um die des einzig brauchbaren Apparates handelt. Darin stimmen wir also v\u00f6llig mit Lehmann \u00fcberein, dass man durch Zusammenstellung mit den Plethysmogrammen aus den Sphygmogrammen Schl\u00fcsse \u00fcber die Verh\u00e4ltnisse des Herzens und der Gef\u00e4\u00dfe ziehen k\u00f6nne.\nWorin wir aber Lehmann entschieden widersprechen, das ist seine Behauptung, es sei das Sphygmogramm, welches nur die Geschwindigkeit des Herzschlages zeige, eine der am wenigsten ausdrucksvollen Curven1). Diesen Vorwurf k\u00f6nnen wir im Folgenden durch die Thatsachen widerlegen, wenn man hier unter ausdrucksvollen Curven nicht solche versteht, die m\u00f6glichst gro\u00dfe, leicht ins Auge fallende Ver\u00e4nderungen zeigen.\nGegen den Sphygmographen seihst bringt Lehmann nur einen einzigen Vorwurf zu Tage2). Es soll die Curve zum Theil durch die Volumenver\u00e4nderung des Armes verunstaltet werden. \u00bbWenn n\u00e4mlich der Knopf der Pelotte mittels einer Feder mit bestimmter Spannung gegen die Arterie angedr\u00fcckt wird, so wird eine Verminderung des Armvolumens zur Folge haben, dass die Feder sich ein wenig gerade zieht, weil der Gegendruck der Arterie sich vermindert. Deswegen sinkt erstens das Niveau der Curve, und da die Feder in ihrem schlafferen Zustande mit geringerem Druck als vorher auf die Arterie wirkt, muss ferner auch die H\u00f6he der Pulse sich vermindern . . . umgekehrt, wenn das Volumen zunimmt\u00ab3). Lehmann beruft sich hierbei auf die Angabe von Frey\u2019s, dass der Sphygmo-graph plethysmographische Wirkungen zeige, die mit den Ver\u00e4nderungen des arteriellen Blutdrucks wenig oder gar nichts zu schaffen haben4). Es hei\u00dft hei von Frey: \u00bbDie F\u00fcllung der Venen und\n1) Lehmann, Die k\u00f6rperlichen Aeu\u00dferungen u. s. w., S. 188, wobei zu be-\nmerken ist, dass ein Sphygmogramm, wie L. wohl wei\u00df, mehr als nur die Ge-\nschwindigkeit des Herzens zeigt. 2) A. a. O., S. 10.\t3) A. a. 0., S. 9.\n4) Lehmann, a. a. 0., S. 10 Anm. v. Frey, Die Untersuchung des Pulses, er in 1892. S. 37, 208, 210. Wir st\u00fctzen uns in allen die Physiologie des Pulses ietre enden Fragen auf dieses ebenso exacte wie kritische Werk.","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nMax Brahn.\nLymphgef\u00e4\u00dfe wechselt selten so rasch, dass dadurch St\u00f6rungen des Einzelpulses entstehen k\u00f6nnen: innerhalb einer Ourvenreihe k\u00f6nnen aber sehr bedeutende Verlagerungen des Schreibhebels auf diesem Wege zu Stande kommen. Dies wird am besten durch ein Beispiel erl\u00e4utert\u00ab. Es folgt ein Versuch, bei welchem eine um die Mitte des Oberarmes gelegte Schlinge so stark zugeschn\u00fcrt wird, dass der n\u00e4chste Pulsschlag fast ausf\u00e4llt. Dabei zeigt sich ein Aufsteigen der Ourvenreihe und Verringerung der Pulsgr\u00f6\u00dfe. Ganz Aehnliches zeigt sich beim Valsalva\u2019schen Versuch1).\nNach diesen Angaben von Erey\u2019s ist Lehmann\u2019s Einwurf in seiner Allgemeinheit ebenso unberechtigt, wie sein Misstrauen in die Ergebnisse der sphygmographischen Ourven \u00fcberhaupt. Die Beispiele von Erey\u2019s sind Eingriffe so intensiver Art, die Umschn\u00fcrung sowohl wie der Valsalva\u2019sche Versuch, dass aus den ziemlich betr\u00e4chtlichen Ver\u00e4nderungen, welche sie hervorbringen, sich auf die normalen Verh\u00e4ltnisse nur im geringsten Umfange schlie\u00dfen l\u00e4sst. Schon in der Frey\u2019schen Curve (S. 37) ist die Ver\u00e4nderung der Pulsgr\u00f6\u00dfe eine so geringe, dass sie f\u00fcr die normalen Verh\u00e4ltnisse kaum in Betracht kommt. Besonders k\u00f6nnen wir sie vernachl\u00e4ssigen, wenn wir nur kurze Pulscurven aufnehmen, nicht so gro\u00dfe Reihen wie Lehmann. Es sind aber die Ver\u00e4nderungen auch ihrem Object nach f\u00fcr uns nicht von Bedeutung, da sie auf die Pulsgr\u00f6\u00dfe gehen. Ueber diese aber kann uns der Sphygmograph an sich keine sichere Auskunft geben. Er verfolgt nur den zeitlichen Verlauf des Druckes oder die Form des Pulses. Das Aufsteigen der Ourvenreihe aber, das zweite Symptom der Aenderung im Hautturgor, kommt bei unseren kurzen Ourven kaum in Betracht.\nb. Kritik des Plethysmographen.\nDie sphygmographische Curve h\u00e4ngt allein vom An- und Abschwellen der Arterie, d. h. von dem ver\u00e4nderten Blutdruck ab. Sie geh\u00f6rt zu den Druckpulsen. Die plethysmographische Curve dagegen h\u00e4ngt von der Ausdehnung ab, welche in einem gewissen Augenblick alle Querschnitte haben, welche die Pulswelle, centrifugal und centripetal, durchl\u00e4uft. Sie geh\u00f6rt daher zu den Volumpulsen. Sie kann\n1) v. Frey, a. a. O.. S. 210.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n145\nuns deswegen in der Hauptsache nur Auskunft dar\u00fcber geben, welchen Umfang die gesammte Blutbewegung bat, nur \u00fcber die Gr\u00f6\u00dfe des Pulses erfahren wir etwas. In der Hauptsache ist die Curve abh\u00e4ngig von der F\u00fcllung der Arterien und Arteriolen, nur nebens\u00e4chlich kommt die F\u00fcllung der Capillaren, die Stauung der Venen, die Aenderung des Lymplistromes, der Muskeltonus, die periodische Selbstregulirung der Gef\u00e4\u00dfe u. s. w. in Betracht. Es erscheint daher v\u00f6llig ungerechtfertigt, den Ausdruck volumetrische Curve mit dem Ausdruck Curve des Capillarkreislaufes oder gar des normaler Weise \u00fcberhaupt nicht existirenden Capillarpulses gleichzusetzen, wie es franz\u00f6sische Forscher thun1). Es geh\u00f6rt ja gerade zu den princi-piellen Fehlern des Plethysmographen, dass sich seine Curve \u00fcberhaupt nicht als der Ausdruck der Ver\u00e4nderungen eines einheitlichen Organ-complexes ansehen l\u00e4sst.\nDa die sphygmographische Curve ganz andere Factoren enth\u00e4lt als die plethysmographische, da diese Factoren auch in ganz anderer Weise zur Geltung kommen, so ist schon a priori schwer anzunehmen, dass \u00bbauch ihrer Form nach die durch den Plethysmographen beschriebene Volumpulscurve in allem Wesentlichen mit der durch den Sphygmographen gefundenenDruckpulscurve \u00fcbereinstimmen sollte\u00ab2). Es sind in der That eine ganze Reihe von Unterschieden sowohl in der Form der beiden Curven, wie in ihrem zeitlichen Verlauf beobachtet worden3). Es ist nicht richtig, diese ganzen Unterschiede mit Lehmann auf technische M\u00e4ngel der Apparate zu w\u00e4lzen. Dass die gro\u00dfe Wassermasse des Rohres leicht in Sonderschwingungen ger\u00e4th, soll darum nicht geleugnet werden. Es ist dies vielmehr nur einer der vielen technischen Fehler und Schwierigkeiten des Apparates, die von Binet ausf\u00fchrlich behandelt worden sind4), von denen einige auch noch weiterhin erw\u00e4hnt werden m\u00fcssen. Die Verschiedenheiten der beiden Pulsformen aber haben ihren Grund in zwei unver\u00e4nderlichen physiologischen Zust\u00e4nden: sie h\u00e4ngen, ihrer Gr\u00f6\u00dfe nach, von derEnt-\n1)\tBinet-Courtier, L\u2019ann\u00e9e psycho!, II, S. 577 und sonst oft. Es ist das nur io Fortsetzung des Irrthums, den Fran\u00e7ois Frank mit seinem Sphygmo-grap ie volum\u00e9trique f\u00fcr die Registrirung des Pulses am Nagelglied erregt hat Vgl. v. Frey, a. a. 0., S. 60.\n2)\tLehmann, Die Hauptgesetze. S. 78 Anm.\n3)\tLandois, Physiologie des Menschen. 7. Aufl. S. 193.\n4)\tA. a. 0., II, S. 88 ff., wo die technischen Ma\u00dfregeln sich finden.\nWundt, Philos. Studien. XVIli.\tjq","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nMax Brahn.\nfernung des zur Registrirung benutzten Gliedes vom Rumpfe ab. Je n\u00e4her am Rumpf die Aufnahme geschieht, um so gr\u00f6\u00dfer die Differenz von Druck- und Volumpuls. \u00bbJe l\u00e4nger ferner das Extremit\u00e4tenst\u00fcck ist, von dem das Plethysmogramm stammt, und je mehr sich demgem\u00e4\u00df der Charakter der Pulse von den Druckpulsen entfernt, desto weniger ausgepr\u00e4gte Formen hat man zu gew\u00e4rtigen, weil das lange Verweilen der Pulswelle innerhalb des Apparates ein Verschmelzen der einzelnen Bewegungsantriebe beg\u00fcnstigt\u00ab. Je proximaler und je l\u00e4nger also das untersuchte St\u00fcck des K\u00f6rpers ist, um so verschiedener m\u00fcssen die Pulsbilder ausfallen.\nDen Einfluss der schweren tr\u00e4gen Wassermasse des Apparates hat man zu vermeiden gesucht, indem man das Wasser fortlie\u00df und nur die Schwankungen im Luftvolum zu \u00fcbertragen suchte. Dann arbeitet man aber mit sehr kleinen Kr\u00e4ften, kleinen Ausschl\u00e4gen und relativ gro\u00dfen Reibungen. Ferner ist es bis jetzt durchaus nicht gelungen, die Schwierigkeiten zu \u00fcberwinden, welche in dem Dichten der Gummimanschette f\u00fcr die einzelnen Personen mit verschiedenen Armweiten liegt. Es ist schlie\u00dflich bei den mit dem Wasserplethysmographen gemachten Versuchen, bei denen die gro\u00dfe Wassermasse eine starke Bewegungsenergie erzeugt, auch dem besten Mechaniker nicht m\u00f6glich, die Gelenk\u00fcbertragungen am Tambour so herzustellen, dass sie nicht schlottern. Diese gro\u00dfe Bewegungsenergie verursacht auch eine so starke Schleuderung des Hebels, dass derselbe nicht der zur Ruhe kommenden Bewegung nachgibt, sondern noch ein St\u00fcck weiter getrieben wird. Das ganz zu vermeiden ist selbst Lehmann\u2019s neuer Construction nicht gelungen, da er selber zugeben muss, dass bei sonst fehlerlosen Curven doch die secund\u00e4ren Wellen wahrscheinlich zu stark markirt sind. Ich muss hier bemerken, dass es mir leider nicht mehr m\u00f6glich war, Lehmann\u2019s Apparat auf seine sonstigen mir sehr einleuchtenden technischen Verbesserungen durchzupr\u00fcfen. Unsere oben gemachten Einw\u00fcrfe aber richten sich gegen das Princip des Apparates \u00fcberhaupt. Dabei darf zum Schluss nicht unerw\u00e4hnt bleiben, dass Lehmann selbst offen angibt, es verwische sein Apparat Mos so\u2019s Wasserplethysmographen gegen\u00fcber die Feinheiten der Curve. Er f\u00fchrt diesen Uebelstand auf den geringeren Wasserdruck und den Gummisack zur\u00fcck.\nDer Vorzug des Sphyginograplien tritt aber noch deutlicher hervor,","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n147\nsobald man an die Ausdeutung der Curve geht. \u00bbIm allgemeinen macht das Verst\u00e4ndniss der Volumpulse gr\u00f6\u00dfere Schwierigkeiten, als das der Druckpulse, weil die Entstehung der ersteren verwickelter ist\u00ab % Selbst \u00fcber die Ursachen der Aenderungen der Pulsgr\u00f6\u00dfe gibt der Plethysmograph keine Auskunft. Man kann aus der Schwankung des Volums nicht direct auf die Schwankung des Schlagvolums schlie\u00dfen, da hier zugleich die St\u00e4rke des Stromes des Venenblutes von Einfluss ist. Und so enden die hypothetischen Annahmen Lehmann\u2019s \u00fcber die physiologische Bedeutung der plethysmographischen Ver\u00e4nderungen sowohl hinsichtlich der Volumenver\u00e4nderung wie der Pulsh\u00f6hen und Pulsformen v\u00f6llig ohne bestimmtes Ergebniss. Und schlie\u00dflich ruft Lehmann wie erleichtert aus: \u00bbBetrachten wir nun den Druckpuls, so erhalten wir hier jedenfalls einen positiven Anhaltspunkt\u00ab1 2). Hier aber versagt die Zahl seiner Curven.\nSo wenig es also die Meinung sein kann, die plethysmographische Curve zu verwerfen, so sehr ist es doch unsere Ueberzeugung, dass zun\u00e4chst einmal die ausdrucksvollere und reichere sphygmographische Curve f\u00fcr unser Problem zu benutzen war. Sie ist ausdrucksvoller, wenn man darauf sieht, in den Curven einen sicheren bestimmten Ausdruck der k\u00f6rperlichen Aenderungen zu bekommen. Sie ist reicher, weil sie nicht nur \u00fcber eine Aenderung, diejenige der Pulsgr\u00f6\u00dfe, Auskunft gibt, und weil sie zugleich bei der Discussion einen freieren Einblick in die centralen physiologischen Aenderungen gestatten wird. Bevor wir \u00fcber die von uns angestellten Versuche sprechen, ist es n\u00f6tliig, die fr\u00fcheren Arbeiten mit R\u00fccksicht auf unser Problem durchzugehen, um aus ihnen Vortheil zu ziehen und sie mit unseren Versuchen zu vergleichen.\n2. Die wichtigeren bisherigen Arbeiten.\nWir haben hier an den Arbeiten nur dasjenige hervorzuheben, was uns dar\u00fcber belehren kann, in wie weit die vasomotorische Aus-druckscurve eine Unterst\u00fctzung der Lehre von den Gef\u00fchlsrichtungen sein kann oder muss. Wir haben aber anderseits in unserem\n1)\tv. Frey, a. a. O., S. 61.\n2)\tA, a. 0., S. 209.\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nMax Brahn.\nspeciellen Theil auseinander zu setzen, in wie weit unsere Curven mit denen anderer Forscher \u00fcbereinstimmen oder warum sie differiren. F\u00fcr diesen allgemeinen historischen Theil hleiht uns also nur zu zeigen \u00fcbrig, in wie weit aus dem vorhandenen Curvenmaterial die verschiedenen Forscher hei gen\u00fcgender psychologischer Beobachtung das Vorhandensein der Gef\u00fchlsrichtungen h\u00e4tten herauslesen k\u00f6nnen. Wir thun also nichts anderes, als das von Anderen gewonnene Material sinngem\u00e4\u00df durch die neugewonnene Erkenntniss von den verschiedenen Gef\u00fchlsrichtungen erg\u00e4nzen. Schon F\u00e9r\u00e9 macht einige Bemerkungen interessanter Art1). Er gibt an, dass alle Gef\u00fchle der Depression eine Volumenverkleinerung der Extremit\u00e4ten hervorrufen, w\u00e4hrend alle Gef\u00fchle der Excitation oder der Lust, welche beide er v\u00f6llig gleichsetzt, eine Volumenvergr\u00f6\u00dferung zur Folge haben. Ja, an einem Orte wird er durch seine Curven dazu gef\u00fchrt zu sagen, dass eine Person auf der H\u00f6he der Spannung nur Erscheinungen der Depression zeigen k\u00f6nne, weil n\u00e4mlich jede Erregung bei ihr noth-wendig eine Entladung herbeif\u00fchre. Doch bleiben diese Beobachtungen hei ihm ganz isolirt.\nDass Mentz in seiner Arbeit \u00fcber \u00bbdie Wirkung akustischer Sinnesreize auf Puls und Atmung\u00ab auch auf die Wirkung der Gef\u00fchle auf den Puls eingeht, ist bereits oben erw\u00e4hnt. Aus seiner Arbeit haben wir hier nur hervorzuheben, dass er fand, es sei die Pulsverl\u00e4ngerung das Symptom der Lustgef\u00fchle, die Pulsverk\u00fcrzung das Symptom der Unlustgef\u00fchle. Dabei sah er aber als erster, dass diese Symptome nicht unter allen Umst\u00e4nden eintreten, sondern noch von zwei verschiedenen Bedingungen modificirt werden k\u00f6nnen. Die eine Bedingung, durch welche diese Symptome modificirt werden, ist der hinzutretende Umstand, ob der Affect stark, sthenisch oder schwach, asthenisch ist. Der andere Umstand ist das Verhalten der Aufmerksamkeit im Momente des Gef\u00fchls. Willk\u00fcrliche Aufmerksamkeit habe Pulsverk\u00fcrzung, unwillk\u00fcrliche Pulsverl\u00e4ngerung zur Folge. Die psychophysische Aufl\u00f6sung der Gef\u00fchlscurve tritt uns hier zugleich das erste Mal als eine psychologisch sehr complicate Aufgabe entgegen. Mentz macht uns die Deutung noch besonders schwer, weil er nur die L\u00e4ngen-, nicht auch die Form- und Druck-\n1) F\u00e9r\u00e9, Sensation et mouvement. Paris 1887. S. 104\u2014115.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur G-ef\u00fchlslehre.\n149\nVer\u00e4nderungen der Pulse angibt. Aber f\u00fcr unser Problem ist der Weg damit deutlich gewiesen. Wir brauchen nur der Bedeutung von sthenisch und asthenisch und von willk\u00fcrlicher und unwillk\u00fcrlicher Aufmerksamkeit ohne Vorurtheile nachzugehen und die Aufgabe recht elementar zu fassen, um drei Richtungen des Gef\u00fchls zu finden. Wir werden sehen, dass im \u00fcbrigen die sorgf\u00e4ltige Arbeit ganz wohl mit der unsrigen \u00fcbereinstimmt, insoweit sie sich der nicht beachteten Pulsh\u00f6hen und Pulsformen wegen mit ihr \u00fcberhaupt ver-gleichen l\u00e4sst.\nIhrer Anlage nach unbrauchbar, aber ihren Ergebnissen nach f\u00fcr uns erw\u00e4hnenswerth ist eine Arbeit von G. Dumas, Recherches experimentales sur la joie et la tristesse1). Dumas\u2019Untersuchungen sind an Geisteskranken gemacht, welche extreme Zust\u00e4nde von Freude oder Trauer oder den Uebergang der beiden Zust\u00e4nde in einander zeigen. Es finden sich als Grundelemente der Freude: Hyper\u00e4mie des Gehirns und der Gewebe, Beschleunigung der Herzth\u00e4tigkeit, gr\u00f6\u00dfere Th\u00e4tigkeit der ideomotorischen Oentren, Athembeschleunigung. Daneben unterscheidet er zwei Formen der Freude, eine mit Druckerniedrigung im Gef\u00e4\u00dfsystem, eine mit Druckerh\u00f6hung. Die Trauer dagegen soll drei Formen zeigen, Trauer mit Druckerniedrigung, Trauer mit Druckerh\u00f6hung und active Trauer, auch Trauer mit Erregung, moralisches Leiden genannt. Sonst zeigt Trauer genau der Freude entgegengesetzte Symptome. Die Versuche, in gr\u00f6bster Weise an unge\u00fcbten oder sogar unzurechnungsf\u00e4higen Personen angestellt, f\u00fchrten auf Grund der physiologischen Ergebnisse dazu, verschiedene Formen von Freude und Trauer anzunehmen, welche der Untersuchende psychologisch nicht vermuthet hatte. Es ist offenbar, dass sie mit den sthenischen und asthenischen Gef\u00fchlen \u00fcbereinstimmen, welche auch Mentz aus seinen Curven herauslas. Es wird sich nachher zeigen, dass in der That die beiden Gef\u00fchlsformen Druckerh\u00f6hung und Druckerniedrigung zu Symptomen haben.\nEine Reihe umfangreicher Arbeiten franz\u00f6sischer Forscher d\u00fcrfte f\u00fcr unser Problem ganz au\u00dfer Betracht bleiben, da bei der Ungenauigkeit der psychologischen Angaben und der technisch ganz mangelhaften Ausf\u00fchrung der Versuche ein Gewinn davon nicht zu\n1) Revue philos., 1896, S. 577\u2014601, 24\u201445, 113\u2014138.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nMax Brahn.\nhoffen ist. Aber wir haben die Arbeiten f\u00fcr die vorliegende Untersuchung kritisch stark verwerthet, au\u00dferdem ist auch aus den beigegebenen Curven manches \u2014 wenn auch meist im negativen Sinne \u2014 f\u00fcr unser Problem zu lernen. Ehe wir auf die Yerwerthung der Arbeiten seihst eingehen, welche sich die Untersuchung des Einflusses der Gef\u00fchle auf den Capillarkreislauf zur Aufgabe machen, m\u00fcssen wir ihre Technik kritisiren, da diese uns viele der von Lehmanns und unseren grundverschiedenen Angaben erkl\u00e4ren kann1).\nBinet - Courtier bedienen sich des Plethysmographen, daneben des Sphygmographen und Pneumatographen. Erg\u00e4nzend tritt eine mit Mosso\u2019s Sphygmomanometer gemachte Untersuchung dazu2). Der Hauptwerth wird aber stets auf die plethysmographische Curve gelegt, so dass die Aufschreibung der sphygmographischen Curve an manchen Stellen vergessen wird (z. B. H, 149). Wir m\u00fcssen daher die oben gegen den Plethysmographen ausgesprochenen Bedenken auf die Resultate dieser Arbeiten ausdehnen, zumal die Curven, besonders der ersten Arbeit, sehr undeutlich und verschwommen sind.\nIn der Anordnung der Versuche sind Fehler, welche jede Sicherheit und Genauigkeit der Resultate ausschlie\u00dfen. Bei der so gro\u00dfen Reizbarkeit des vasomotorischen Systems ist es selbstverst\u00e4ndlich, dass nur bei v\u00f6lligem Fernhalten jedes anderen Reizes auf die Wirkung des Gef\u00fchls geschlossen werden kann. Es waren jedoch bei den vorliegenden Versuchen stets oder h\u00e4ufig eine ganze Reihe von Personen gegenw\u00e4rtig, es wird von der Gegenwart mehrerer Personen, ja von einer Gallerie von Personen gesprochen, es wird hei einem Versuch als ausnahmsweise g\u00fcnstige Bedingung hervorgehoben, dass Niemand au\u00dfer dem Experimentirenden im Zimmer gewesen sei. Sogar auf die Steigerung der Anspannung der Versuchsperson durch die Anwesenheit anderer wird hingewiesen.\nEs ist weiterhin als ein Fehler anzusehen, dass den Versuchspersonen aufgegeben wird, im Verlauf des Versuchs gewisse Aussagen\n1)\tBinet-Courtier, La circulation capillaire dans ses rapports avec la respiration et les ph\u00e9nom\u00e8nes psychiques. L\u2019ann\u00e9e psychol., II, S. 87\u2014168, bes. 139 fi'. Influence de la vie \u00e9motionelle sur le c\u0153ur, la respiration et la circulation capillaire. L\u2019ann\u00e9e psychol., Ill, S. 65\u2014127.\n2)\tBinet et Vaschide, Influence du travail intellectuel, des \u00e9motions, du travail physique sur la pression du sang. L\u2019ann\u00e9e psychol., Ill, S. 127\u2014184.","page":150},{"file":"p0150s0001table7.txt","language":"de","ocr_de":"Wundt, Philosophische Studien. Bd. XVIII.\nTaf. VIL\nMVKlkU JvjvjvjvJv^ JvUv.\n<\t' sW\\K\nCurve I. Untermerklicher Reiz, Druck von 1 gr/mm.\tCurve IX. Untermerklicher Reiz, Druck von 0,5 gr/mm.\n* I\nCurve III. Sehr angenehmer Ton, Lustwirkung.\nCurve IV. Unlust, Asa foetida.\nVerlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig.","page":0},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n151\nzu machen, etwa anzugehen, wann ein Gef\u00fchl beginnt, wann es aufh\u00f6rt u. s. w. Will man so feine organische Ver\u00e4nderungen beobachten, so kann das eindeutig nur geschehen, wenn eine v\u00f6llige Ruhe, resp. nur die stets gleichm\u00e4\u00dfig verlaufenden organischen Functionen vorhanden sind. Ist es schon sehr schwer, diesen Bedingungen \u00fcberhaupt gerecht zu werden, so ist es v\u00f6llig unm\u00f6glich, auf genaue Resultate zu rechnen, wenn eine so starke St\u00f6rung willk\u00fcrlich herbeigef\u00fchrt wird. Es ist diese Vernachl\u00e4ssigung um so auffallender, als in ihrer letzten Arbeit gerade die Verfasser seihst die Beobachtung machen, dass eine Druckerh\u00f6hung Wirkung des Aussprechens eines Wortes sei (III., S. 156). Es wird \u00fcberhaupt zu wenig auf den Einfluss unwillk\u00fcrlicher Bewegungen geachtet, die, wie nachgewiesen ist, einen Einfluss auf die organischen Bewegungen haben.\nWichtigere Bedenken m\u00fcssen gegen die psychologische Seite der Versuche erhoben werden. Die Pariser Psychologenschule hat ja im Ganzen die Neigung, in ihren Arbeiten m\u00f6glichst wenig die elementaren Processe, m\u00f6glichst viel die realen complicirten des t\u00e4glichen Lehens zu betrachten. Es braucht nur an ihre Stellung zur experimentellen Individualpsychologie erinnert zu werden. Dann aber braucht man sich nicht der experimentellen Psychologie zu bedienen, die ja eben gerade ein Mittel zu einer ebenso genauen wie elementaren Analyse gibt. Zu einer solchen Analyse ist man besonders Arbeiten gegen\u00fcber verpflichtet, welche diese Art verwerfen, sich aber den Anstrich geben, wissenschaftliche Arbeiten zu sein, wenn sie compli-cirte Wirkungen ganz complicirter Ursachen eindeutig auslegen. Daher werden wir auch nicht erstaunt sein, zu finden, dass unsere auf elementare Eindr\u00fccke sich st\u00fctzenden Untersuchungen in ihren Ergebnissen nicht mit denen dieser Forscher \u00fcbereinstimmen. Nur einige Beispiele sollen zugleich die Art der psychologischen Angaben und die Brauchbarkeit der Hypothese der Gef\u00fchlsrichtungen darthun.\nWelches Gef\u00fchl, fragen die Verfasser, bringt ein pl\u00f6tzlicher Sinnesreiz hervor? Er soll, antworten sie, \u00bbim allgemeinen sein-angenehm sein\u00bb. Daneben aber wird an anderen Stellen gesagt, dass er eine gewisse Erregung hervorrufe, ohne dass die beiden Angaben irgend wie zu einander in Beziehung gesetzt werden. Die Deutung der Curven dieser Art kann dann nat\u00fcrlich auch keine eindeutige sein, da wir Lust und Erregung scheiden m\u00fcssen. Weiterhin soll","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nMax Brahn.\nder Zustand der Furcht untersucht werden, wobei es schon an sich schwer sein d\u00fcrfte, \u00fcber einen complicirten Gef\u00fchlsverlauf eine eindeutige, einfache Antwort zu erhalten, besonders so lange er selbst noch psychologisch unbekannt ist. Noch schwieriger aber muss die L\u00f6sung der Aufgabe hei der Art der Affecterzeugung sein. Es wird n\u00e4mlich \u00bbFeuer\u00ab gerufen, w\u00e4hrend die Versuchsperson am Apparat sitzt. Es wird versichert, die Person habe fest geglaubt, es sei Feuer im Institut, sie habe auch noch lange nicht aufgeh\u00f6rt zu zweifeln, oh nicht doch Feuer sei, habe aber bei alledem ruhig und unbeweglich dagesessen und sich die Gefahr vorgestellt. Wer kann hier erstens an eine wirkliche Unbeweglichkeit einer Person in solcher Lage glauben? Wer kann es zweitens unternehmen zu ana-lysiren, was in einer Person in solcher Lage vorgeht, ob sie wirklich Angst hat, oh diese nicht zum wenigsten mit dem Zweifel ahwechselt, ob nicht das Gef\u00fchl der Komik eines solchen Versuches \u00fcberwiegt? Wer kann es aber schlie\u00dflich unternehmen, aus einer solchen Curve etwas herauszulesen? Ein anderer Versuch soll uns \u00fcber die Einwirkung unterrichten, die es auf unser Gef\u00fchl hat, wenn man uns Larven ekelhafter Thiere auf die Hand setzt, wobei Angst und Ekel sich mischen, man einen Schreckensschrei ausst\u00f6\u00dft und stark die Hand sch\u00fcttelt. Verschiedene Affecte, st\u00e4rkste Bewegungen wirken zusammen, und aus einer solchen Curve soll dann etwas abgelesen werden. In diesem Tone ist ein gro\u00dfer Theil der Arbeit geschrieben. Diese Beispiele werden gen\u00fcgen, um den Werth zu erl\u00e4utern.\nAber, und hier kommen wir auf den directen Zusammenhang mit unserem Problem, es zeigt sich, dass eine eingehende experimentelle, besonders eine physiologische Affectuntersuchung zu einer genauen Analyse zwingt. Ueberall sto\u00dfen die Verfasser auf Thatbest\u00e4nde, die sich mit den bisherigen Begriffen nicht decken wollen. Die Bezeichnungen Lust und Unlust reichen f\u00fcr die Charakterisirung des psychischen, besonders aber f\u00fcr diejenige des physischen Zustandes nicht aus. Wie schon die pl\u00f6tzliche Wirkung eines Sinnesreizes nicht allein als sehr angenehm erkl\u00e4rt wurde, sondern sich auch ein als Excitation bezeichntes Element darin zeigte, so wird an anderer Stelle die Furcht nicht als depressive Emotion bezeichnet, da die Excitation in ihr herrsche.\nDie Curven ergeben nicht so sehr einen Unterschied zwischen","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n153\n\u00bbangenehmer und unangenehmer Erregung\u00ab wie zwischen Erregung und Ruhe. Wie weit freilich der Begriff der Erregung gefasst wird, und wie wenig er mit dem von uns Erregung genannten Gef\u00fchl identisch ist, geht daraus hervor, dass alle Gef\u00fchle als solche Erregungen des Nervensystems bezeichnet werden. Die Erregung soll stets eine Verengerung der Gef\u00e4\u00dfe und Beschleunigung des Herzens verursachen. Dieses Resultat nun widerspricht durchaus und principal allem, was sonst bekannt ist. So sollen selbst Lustgef\u00fchle eine Verkleinerung, dann erst eine Vergr\u00f6\u00dferung des Pulses erzeugen. Freilich sei diese Erscheinung nicht so constant wie die Verkleinerung bei Unlust. Doch solle das daran liegen, dass es sehr schwer sei, im Laboratorium starke Lustgef\u00fchle zu erzeugen. Auch diese Angabe widerspricht den Ergebnissen s\u00e4mmtlicher bisheriger Forscher und beruht auf v\u00f6llig unbrauchbaren Versuchen (S. 87 ff.). Lehmann f\u00fchrt diese Abweichung auf unbestimmte Gem\u00fcthshewegungen und Spannungen zur\u00fcck, aber es sind au\u00dfer diesen St\u00f6rungen sicher noch eine Reihe weiterer vorhanden. Von den Einfl\u00fcssen der Aufmerksamkeit ist nie die Rede, so dass einerseits die Ueberdeckung einzelner Erscheinungen durch Ph\u00e4nomene der Aufmerksamkeit unerw\u00e4hnt bleibt, anderseits f\u00fcr das Problem von Spannung und L\u00f6sung nichts gewonnen wird. Die Resultate lassen sich kurz zusammenfassen: Jedes Gef\u00fchl ist ein Reiz f\u00fcr das Nervensystem und bringt als blo\u00dfe Erregung Gef\u00e4\u00dfverengerung und Beschleunigung von Puls und Ath-mung hervor. Die Qualit\u00e4t des Gef\u00fchls hat keinen gro\u00dfen Einfluss, wenngleich die Beobachtung an einer einzelnen Person gezeigt hat, dass Gef\u00fchlsqualit\u00e4t und Pulsform zusammenh\u00e4ngt \u2014 auf deren Bedeutung hingewiesen zu haben, scheint uns das einzige Verdienst der Arbeit. Im Ganzen aber soll die Intensit\u00e4t des Gef\u00fchls die Hauptrolle spielen.\nDamit kommen wir zu der Behandlung der f\u00fcr uns werthvollsten Arbeit, derjenigen Lehmann\u2019s, welche hier nur in ihren speciellen Beziehungen zu unserem Problem zu behandeln ist1). Lehmann hat die Absicht, in umfangreichster Weise qualitative Bestimmungen\n1) Lehmann, Die k\u00f6rperlichen Aeu\u00dferungen psychischer Zust\u00e4nde. I. Theil. et ysmographische Untersuchung. Uebers. von Bendixen. Leipzig 1899. Mit leser . beit Lehmann\u2019s k\u00f6nnen wir seine vorige in den Darlegungen \u00fcber die Pulsver\u00e4nderung bei Gef\u00fchlen als aufgegeben ansehen.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nMax Brahn.\nder Ver\u00e4nderung von Athmung und Blutkreislauf durch Gef\u00fchle zu machen. Da er sehr genau in der Anordnung der Versuche ist, uns die psychologischen Vorg\u00e4nge stets klar bezeichnet, ein ungeheures Material von Curven vorhanden ist, k\u00f6nnen wir viel von ihm lernen. Kurz vorausschicken wollen wir einen Hinweis auf die vorhin gegebene Rechtfertigung des Spliygmographen. An dieser Bevorzugung kann auch Lehmann\u2019s Gewichts-Sphygmograph nichts \u00e4ndern. Dass dieser einen constanten, dem Blutdruck gleichen Druck angebe, ist n\u00e4mlich weder im Princip v\u00f6llig richtig noch in der praktischen Verwerthung von Bedeutung. Denn in der That gibt die Curve nicht den Blutdruck, sondern nur die Aenderungen des Druckes richtig wieder, da ein uns unbekannter Theil desselben von der Elasticit\u00e4t der W\u00e4nde u. s. w. compensirt wird. Die Coordinaten\u00e4nderungen sind wohl directe Functionen der Druck\u00e4nderungen, aber es sind die Grundzahlen der Ordinaten nicht berechenbar. Und technisch setzt schon die kleinste Verschiebung des Apparates eine so gro\u00dfe Aende-rung im Druck und Tr\u00e4gheitsmoment, dass schon bei einer Aenderung um Theile eines Millimeters die Druckconstanz verschwindet1). Es kommt ja auch bei unseren Untersuchungen hier auf absolute Zahlen weder hinsichtlich des Druckes noch der Schlagzahl u. s. w. an, sondern stets nur auf Beziehungen. Die constante Aenderung ist es, welche f\u00fcr uns sowohl als Symptom wie als Beizwirkung auf das Innere sowohl der empfindlichen Gef\u00e4\u00dfw\u00e4nde2), wie der umgebenden sensiblen Theile wichtig ist.\nDass es in der That auf diese bestimmte und einheitliche Aenderung ankommt, hat Lehmann schon durch seine Berechnungsart zum Ausdruck gebracht: \u00bbim Plethysmogramm sieht man die Pulse in nat\u00fcrliche Gruppen eingetheilt, wo die zur einzelnen Gruppe geh\u00f6renden Pulse so ziemlich dieselbe L\u00e4nge besitzen. Hierdurch wird die Messung offenbar im hohen Grade ei leichtert, indem man gew\u00f6hnlich nur die Totall\u00e4nge jeder einzelnen Gruppe zu messen und durch Division mit der Anzahl der Pulsschl\u00e4ge deren Durchschnittsl\u00e4nge zu berechnen braucht. Diese wird dann der L\u00e4nge jedes einzelnen Pulses der Gruppe genau entsprechen\u00ab. Soweit kann man\n1)\tDas f\u00fchlt wohl auch Lehmann, a. a. O., S. 12. Eine scharfe Kritik des Grewichts-Sphygmographen auch bei v. Frey, a. a. 0., S. 22 u. 243.\n2)\tHermann, Lehrbuch der Physiologie, S. 102.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n155\neinverstanden sein, wenn man nur das Bedenken liinzuf\u00fcgt, dass kleinere Ver\u00e4nderungen ganz weniger Pulse wie solche periodischer Art immerhin leicht k\u00f6nnen \u00fcbersehen werden. Warum aber die Methode, jeden Puls einzeln zu messen, erfahrungsgem\u00e4\u00df weniger zuverl\u00e4ssig sein soll, ist schwer zu sagen. Die Gruppenbildung ist ja aus den erhaltenen Zahlen mindestens so leicht zu entnehmen, wie aus dem Augenschein, der ja doch erst durch Zahlen verificirt werden muss, und die Sicherheit der Resultate kann dabei nur gewinnen.\nDamit k\u00f6nnen wir auf die Thatsachen eingehen, die Lehmann f\u00fcr das Problem der Gef\u00fchlsrichtungen beibringt. Mit Absicht zwar bringt er nichts dazu bei, denn er h\u00e4lt weiterhin an der einen Dimension Lust-Unlust fest. Aber aus der Verkn\u00fcpfung seiner psychologischen Angaben und seiner Ourven k\u00f6nnen wir vieles herauslesen. Als fundamental finden wir bei Lehmann den Begriff der Spannung, die wir bereits als Gef\u00fchl angesprochen haben. Wie allgemein wichtig Lehmann die Analyse der Spannung erscheint, kann man schon daraus ersehen, dass die Irrth\u00fcmer fr\u00fcherer Arbeiten in der Hauptsache aus der Nichtber\u00fccksichtigung der Spannung erkl\u00e4rt werden. Es sei diese so unheilvoll, weil sie \u00bbjederzeit eintreten kann, ohne dass die Versuchsperson im allgemeinen im Stande ist, ihre Existenz mittelst Selbstbeobachtung zu conxtatiren \u00ab. Das ist aber nat\u00fcrlich, denn \u00bbder Zustand tritt unwillk\u00fcrlich ein und hinterl\u00e4sst eigentlich keine Spuren im Bewusstsein: er ist nur die Bedingung eines k\u00fcnftigen Bewusstseinszustandes\u00ab. Dann sollte man auch nicht erwarten, \u00fcber ihn etwas zu erfahren, und doch erfahren wir mancherlei. Er ist bald eine Stimmung, die auch als gespannte Erwartung bezeichnet wird, dann aber kann er wieder nicht zu den Affecten oder Stimmungen gerechnet werden. An der gleichen Stelle wird die Spannung viel mehr als ein sehr entschiedener Zustand der Aufmerksamkeit bezeichnet, wo sie freilich wiederum eine sehr merkw\u00fcrdige Rolle hat. \u00bbSie ist in sofern activ, als die Aufmerksamkeit durch innere Ursachen, n\u00e4mlich das Wissen oder Vermuthen, dass bald etwas geschehen werde, ihre Richtung erh\u00e4lt. Anderseits ist sie aber unwillk\u00fcrlich, weil die Concentration der Aufmerksamkeit durch die gegebenen Umst\u00e4nde herbeigef\u00fchrt wird, oft ohne dass das Individuum sich dieser .Concentration bewusst ist\u00ab. Damit sind Beziehungen der","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nMax Brahn.\nSpannung zur Aufmerksamkeit angebahnt, welche durch die weiteren Ausf\u00fchrungen vollends unklar werden. \u00bbWenn jemand also in Spannung ist, seine Aufmerksamkeit irgend etwas Bestimmtem oder Unbestimmtem, dessen Eintreten erwartet wird, zugekehrt hat, so kann ein \u00e4u\u00dferer Reiz nicht einmal vor\u00fcbergehend die Aufmerksamkeit fesseln, ohne diese zu zerstreuen, oder mit anderen Worten: die bestehende Spannung muss sich vermindern.\u00ab Ganz ebenso hei\u00dft es weiterhin: \u00bbDer Reiz fesselt die Aufmerksamkeit und vermindert mithin vor\u00fcbergehend die Spannung\u00ab. Und die Erkl\u00e4rung dieser wechselseitigen Beziehungen soll wohl in folgenden S\u00e4tzen enthalten sein: \u00bbBesitzt das Wahrgenommene nun zuf\u00e4lliger Weise einiges Interesse, so wird auf die erste passive Ver\u00e4nderung der Aufmerksamkeit leicht eine active folgen k\u00f6nnen. W\u00e4hrend dies alles geschieht, wird die Spannung sich entweder vollst\u00e4ndig verlieren, indem das Erwartete einen Augenblick lang vergessen wird, oder auch bleibt die Spannung d\u00e4mmernd im Bewusstsein zur\u00fcck. Die M\u00f6glichkeit hiervon ist in dem Umstande gegeben, dass die Aufmerksamkeit sich theilen oder zerstreuen l\u00e4sst.\u00ab Dann bliebe f\u00fcr die Spannung eben nur die Definition einer eigenartigen Aufmerksamkeitsform, was freilich mit der eingangs gegebenen Definition nicht stimmen will. Es ist aber nach dem letzten Satz auch gar nicht zu erkl\u00e4ren, was zu einer so scharfen Trennung von Aufmerksamkeit und Spannung berechtigt1). Ein so ganz unbewusster Zustand der Aufmerksamkeit birgt zu viel Gefahren in sich: Lehmann ist ihnen auch nicht entgangen. Er geht soweit, die Intensit\u00e4tsunterschiede dieses nicht beobachtbaren Zustandes aus den physischen Quantit\u00e4tsunterschieden ablesen zu wollen. Und ist dieser nicht zu beobachtende Zustand so nahe mit der Aufmerksamkeit verwandt, so m\u00fcssen sich die Schwierigkeiten f\u00fcr die Auffassung dieser h\u00e4ufen. Von Bedeutung wird das im allgemeinen Theile, wo von der Richtung der Aufmerksamkeit auf ein Gef\u00fchl gesprochen wird: \u00bbDiese Richtung ist eine unnat\u00fcrliche, deshalb wird man sich der Aufmerksamkeit oder vielmehr der sie begleitenden organischen Empfindungen bewusst und somit schwindet der andere Bewusstseinszustand, das Gef\u00fchl.\u00ab Statt unnat\u00fcrlich w\u00e4re wohl besser ungew\u00f6hnlich zu setzen, und dass ein Gef\u00fchl verschwinden muss, wenn\n1) Man vergleiche auch die Versuche Vogt\u2019s \u00fcber den engen Zusammenhang von Spannung und Aufmerksamkeit. Zeitschr. f. Hypn., IV, S. 243,","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchl sich re.\n157\nman auf dasselbe achtet, stimmt weder mit der Erfahrung \u00fcberein noch auch mit den Ergebnissen der Lehmann\u2019schen und meiner Arbeit. Die Aufmerksamkeit tritt wie ein jedes Gef\u00fchl auf und verbindet sich genau ebenso mit jedem Gef\u00fchl, \u2014 wie weit sie dasselbe verdr\u00e4ngt, h\u00e4ngt nur von den relativen St\u00e4rkegraden ah. Es geht eben der Grundfehler durch Lehmann\u2019s ganze Affectenlehre, dass die Analyse nicht zu Ende gef\u00fchrt wird, dass Affecte, Stimmungen, Spannung, Aufmerksamkeit ein selbst\u00e4ndiges Dasein f\u00fchren, ohne dass die Theile, die Affectzust\u00e4nde und ihr organisches Ineinandergreifen, stets gew\u00fcrdigt werden. Aus den Curven freilich, und deswegen mussten wir hier so ausf\u00fchrlich werden, las Lehmann in seiner Objectivit\u00e4t heraus, dass in den Affecten und schon in sehr einfachen Formen der Gef\u00fchle mehr als nur Lust-Unlust vorhanden sei. Er hat aber, ganz wie Mentz in der willk\u00fcrlichen und unwillk\u00fcrlichen Aufmerksamkeit, so hier in der Spannung einen physiologischen oder Empfindungszustand gesehen, den er vom Gef\u00fchl losl\u00f6ste.\nDie merkw\u00fcrdige Auffassung der Spannung wirkt nun sehr stark auf die Art ein, wie er ihren Einfluss auf die Gef\u00fchle auffasst. Das zeigt sich z. B. in einem Argument gegen die Lange\u2019sehe Theorie, das uns zeigt, wie sehr die mangelnde Einf\u00fchrung der Gef\u00fchlsrichtungen die ganze Untersuchung st\u00f6rt. W\u00e4hrend starker Spannung, f\u00fchrt er auf Grund seiner Curven aus, f\u00fchren sogar intensive Ursachen der Unlust fast keine k\u00f6rperlichen Ver\u00e4nderungen herbei. Dann d\u00fcrfte aber nach Lange auch kein Gef\u00fchl entstehen. Die Consequenz hiervon ist, \u00bbdass Ammoniak, Chinin und \u00e4hnliche unangenehme Sachen keine Unlust erregen k\u00f6nnten, nur weil man in Spannung sitzend ihr Kommen erwartet h\u00e4tte. Die Consequenz wird wohl niemand im Ernst unterschreiben\u00ab \u2014 freilich nicht, aber noch weniger die Beweisf\u00fchrung. Beweisend w\u00e4re hier nur eine Variation der S. 83 ff. angef\u00fchrten Versuche gewesen, bei denen die Versuchsperson auf gef ordert war: \u00bbBereite Dich nun auf etwas wenig Ansprechendes vor\u00ab \u2014 dann h\u00e4tte in der That der unangenehme Reiz folgen m\u00fcssen, und er h\u00e4tte gewirkt, psychisch wie physisch, obgleich doch auch hier eine Spannung vorhanden war. Es ist eben die Wirkung von der Art der Apperception des Reizes abh\u00e4ngig, diese aber davon, ob das Bewusstsein sowohl durch reproducirte verwandte","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nMax Brahn.\nElemente der Empfindung wie solche des Gef\u00fchls vorbereitet ist. Was nun die Einzelergebnisse Lehmann\u2019s \u00fcber die Wirkungen der Spannung auf den Puls angeht, so k\u00f6nnen wir sie erst im speciellen Theil besprechen, da wir sie dort stets mit unseren Resultaten werden vergleichen m\u00fcssen.\nWas die anderen Gef\u00fchlsrichtungen angeht, so sind Reize, welche erfahrungsgem\u00e4\u00df Erregung-Beruhigung hervorbringen, bei Lehmann mehrfach angegeben, wenn man auch nicht wei\u00df, wie weit sie mit Lust-Unlust verbunden sind. Auch sonst kommen Curven vor, welche ihre Deutung am besten in der Annahme in ihnen enthaltener Erregungswirkungen finden. Lehmann gibt sie nat\u00fcrlich als Lust-Unlust-Curven aus und stellt daher als Regel f\u00fcr die Wirkung von Lust-Unlust folgendes auf. \u00bbEinfache lustbetonte Empfindungen und andere, nur wenig zusammengesetzte Lustzust\u00e4nde \u00e4u\u00dfern sich durch Pulserh\u00f6hung und Pulsverl\u00e4ngerung, w\u00e4hrend das Volumen gew\u00f6hnlich nur gleich im Anfang der Reizung ein geringes Sinken zeigt, worauf es rasch bis \u00fcber das urspr\u00fcngliche Niveau steigt. Selten oder nie sieht man jedoch alle drei Ver\u00e4nderungen in derselben Curve hervortreten. Eindet sich Erh\u00f6hung und Verl\u00e4ngerung des Pulses, so wird wohl kaum ein Steigen des Volumens erscheinen. Bei Pulserh\u00f6hung und Volumsteigung wird man keine Pulsverl\u00e4ngerung finden.\u00ab Sieht man aber n\u00e4her zu, wann nur eine Pulserh\u00f6hung ohne Zunahme der Pulsl\u00e4nge zu Stande kommt, so sieht man, dass die Reize mehr erregender als angenehmer Natur sein k\u00f6nnen und d\u00fcrften. So z. B. bei Safran (Taf. XLIIID), bei Rosen\u00f6l (Taf. XLIVD), Menthol (Taf. XLV D), Safran (Taf. XLV A), besonders Taf. XL VH E bei einer spontan auftretenden Erinnerung.\nNoch an einem Punkte h\u00e4tte Lehmann leichter Rath gefunden, wenn er auf die Gef\u00fchlsrichtungen geachtet h\u00e4tte. Er will n\u00e4mlich der Lange\u2019sehen Theorie gegen\u00fcber den Nachweis f\u00fchren, dass die organischen Ver\u00e4nderungen erst nach dem Gef\u00fchl eintreten. Lehmann sucht diesen Beweis auch f\u00fcr das Erschrecken zu f\u00fchren, was ihm aber bei seinem Apparat schlecht gelingt. Besser schon gelingt es ihm, auf Taf. XXXI B et C, wo die Senkung ein bis zwei Pulsschl\u00e4ge nach der Unlust eintritt. Nur in dem Sphygmogramm der Curve XXXI C tritt die Ver\u00e4nderung deutlich drei Pulsschl\u00e4ge sp\u00e4ter ein. H\u00e4tte er auf die Spannungsgef\u00fchle geachtet, so h\u00e4tte er","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur G-ef\u00fchlslehre.\n159\nhier den Beweis f\u00fcr ein sp\u00e4tes Eintreten der organischen Aenderungen sehr leicht f\u00fchren k\u00f6nnen. Zum Schluss m\u00fcssen wir trotz aller Kritik bemerken, dass die Arbeit Lehmann\u2019s uns vom allergr\u00f6\u00dften Werthe erscheint.\n3. Die Methoden dieser Arbeit.\na. Allgemeine Begr\u00fcndung.\nWenn einige Tacte einer Composition uns Untersuchungsobjecte sind, so k\u00f6nnen sie dies in mehrerer Hinsicht sein. Man kann untersuchen, welchen Einfluss sie in ihrer Gfesammtheit auf periphere und centrale Theile unseres Organismus aus\u00fcben. Man kann ihre Wirkung auf unseren geistigen Zustand, auf Consonanz und Harmonie feststellen, man kann auch jede Note jedes Tactes auf die psychische und physische Wirkung, auf den k\u00f6rperlichen und geistigen Zustand untersuchen. In der Akustik, in der Optik u. s. w. sind diese Arten des Untersuchens geschieden, jede hat ihr Hecht und ihren Werth \u2014 aber wissenschaftlich als Grundlage gilt nat\u00fcrlich stets und einstimmig diese letzte elementare, psychophysische Untersuchungsmethode. Erst wenn sie erledigt ist, hofft man auf eine ernstliche Erledigung der anderen Fragen. Nicht so in der Gef\u00fchlslehre. Da steht es heute noch so, dass je nach Laune und Beanlagung des einzelnen Forschers bald die rein physiologische Untersuchung im Vordergrund steht, bald die concreten Affecte, d. h. die praktischpsychologische Untersuchung herrschen, w\u00e4hrend die zun\u00e4chst noth-wendige psychologisch wie physiologisch elementare Analyse noch nicht einmal in den gr\u00f6bsten Umrissen vorgenommen ist. Gangbar sind nat\u00fcrlich alle Wege, aber die n\u00e4chsten sind die beiden ersten nicht.\nSo haben die aufs Physiologische gerichteten Experimentatoren es f\u00fcr n\u00f6thig erachtet, erst \u00fcber alle physiologischen Streitfragen und Feinheiten dieses Gebietes Untersuchungen anzustellen, ehe sie auf ihr eigentliches Gebiet, die Gef\u00fchlsver\u00e4nderung der Blutbewegung eingingen. Es scheint aber im Ganzen ausreichend, sich mit der Technik und den Ergebnissen des von den Physiologen \u00fcber diesen Punkt Erarbeiteten gut vertraut zu machen, w\u00e4hrend es weit \u00fcber den Rahmen einer solchen Arbeit ginge, die so complicirten physiologischen Fragen jedes Mal von Neuem als offene und durch Vorversuche zu","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nMax Brahn.\nl\u00f6sende anzusehen. Es hat daher auch Lehmann als erster von jeder derartigen Vorarbeit abgesehen, er hat sich vielmehr die Aufgabe gestellt, die, sagen wir es f\u00fcr seine und unsere Arbeit offen, gr\u00f6bsten Symptome eindeutig und bestimmt festzulegen. Nur dass ich es versucht habe, mehr der psychologischen Beobachtung und der elementarsten Analyse das erste Wort zu lassen.\nVon physiologischer Seite wird uns der Vorwurf zu gro\u00dfer Zur\u00fcckhaltung in der Ausdeutung der Curven wohl auch am wenigsten treffen. Man vergleiche nur einmal, wie vorsichtig sich Tigerstedt in seinem Lehrbuch des Kreislaufs und von Frey in seiner Diagnostik des Pulses \u00fcber die Ursachen der Puls Ver\u00e4nderung aussprechen, welch umfangreiche, an zahlreichen Orten vorgenommene Untersuchungen sie f\u00fcr n\u00f6thig halten \u2014 und vergleiche damit \u2014 von anderen gar zu k\u00fchnen Hypothesen abgesehen \u2014 die sehr vorsichtigen Speculationen am Ende des Buches von Lehmann1).\nFreilich wird eine sehr genaue und ins Einzelne gehende Kenntniss der einzelnen Factoren, welche die Blutbewegung beeinflussen, absolut unerl\u00e4sslich sein. Denn ohne die Gewissheit, dass nicht etwa zuf\u00e4llige intercurrirende physiologische Ursachen f\u00fcr die beobachteten Ver\u00e4nderungen vorhanden sind, w\u00e4re die ganze Arbeit v\u00f6llig nutzlos. Eine genaue Technik, das Fernhalten jeder St\u00f6rung und jedes fremden Reizes, sowie ein sorgf\u00e4ltiges nachheriges Befragen der Versuchsperson sind nat\u00fcrlich unerl\u00e4sslich. Nur ganz wenige Worte noch aus dem Buche von Frey\u2019s sollen unsere Zur\u00fcckhaltung rechtfertigen, der \u00fcber die Erkl\u00e4rung der Curve schreibt: \u00bbEs ist dies eine Aufgabe, welche \u00fcberhaupt nicht in K\u00fcrze und von einem einzelnen Beobachter gel\u00f6st werden wird. . . Das Verst\u00e4ndnis der Pulscurve ist noch nicht soweit gediehen, dass man aus ihr die Vorg\u00e4nge im K\u00f6rper ablesen kann\u00ab2).\nAuf der anderen Seite hat man, besonders in einigen franz\u00f6sischen\n1)\tloh will nur an die von Sergi ausgehende, bei Ribot nur etwas modi-ficirte Anschauung erinnern, es sei die Medulla oblongata der Sitz der Gef\u00fchle, da die Gef\u00fchle von den Pulsver\u00e4ndcrungen abhingen, welche von der Medulla oblongata dirigirt w\u00fcrden. Weder ist letzteres physiologisch genau, noch haben die Gef\u00fchle darin einen Vorzug, da auch Empfindungen, ja untermerkliche Reize, schwache Pulsver\u00e4nderungen verursachen \u2014 also k\u00f6nnte man ebepso gut von dem Sitz der Empfindung sprechen.\n2)\tA. a. 0., S. 95.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur G-ef\u00fclilslehre.\n161\nArbeiten versucht, die Puls\u00e4nderungen bereits zu einer physiologischen Charakteristik aller im Leben sich darbietenden Affecte zu benutzen. Auch Lehmann ist dem nicht ganz entgangen, wenn er auch nicht besonderen Werth auf diesen Theil seiner Versuche zu legen scheint. Dumas hat sogar den Versuch gemacht, Irrsinnsformen nach dem Pulszustande zu charakterisiren, ja sogar die Prognose auf solcher Basis zu verfeinern, da er den Uebergang aus der manischen in die melancholische Phase des circularen Irrseins aus dem Zustande des Pulses 24 Stunden vor dem Eintritt meinte feststellen zu k\u00f6nnen1). Vorausgesetzt selbst, es w\u00e4re m\u00f6glich, f\u00fcr einen Affect die begleitenden Aenderungen eindeutig als constant festzustellen, so ginge das doch \u00fcber den Werth einer Spielerei erst unter Bedingungen hinaus, die heute noch nicht erf\u00fcllt sind.\nEs m\u00fcsste zun\u00e4chst die psychologische Analyse der Einzelaffecte auf einer ganz anderen Stufe stehen. So lange man unter einem Wort (z. B. Trauer oder Freude) so verschiedene Inhalte begreift wie jetzt, kann man auf constante Aenderungen durchaus nicht rechnen. So fand, wie wir sahen, Dumas mehrere Formen von Trauer und Freude, f\u00fcr welche er eine brauchbare psychologische Deutung nicht geben konnte. Erst nach einer elementaren psychologischen Analyse kann hier etwas erwartet werden.\nDiese wird um so n\u00f6thiger sein, als bei dem schnellen Wechsel und der damit verbundenen starken Aufeinanderwirkung der Gef\u00fchle in vielen Affecten eine sehr gr\u00fcndliche Kenntniss der elementaren Ver\u00e4nderungen und ihrer Aufeinanderwirkungen allein ein Verst\u00e4ndnis der so verwickelten Curve erm\u00f6glichen kann. Denn nur in dieser Aufeinanderfolge bestimmter einfacher Gef\u00fchle kann das Wesen des Affectes im Gegensatz zum starken Gef\u00fchl, der Leidenschaft, u. s. w. gesehen werden2). Wenn Stumpf einen Schrecken, weil derselbe eine Secunde dauert, zu den so definirten Affecten nicht glaubt z\u00e4hlen zu k\u00f6nnen, so kann man ihm entgegnen, dass gerade der Schrecken, selbst der k\u00fcrzeste, das beste Beispiel f\u00fcr Wundt\u2019s Affectenlehre bieten kann. Enth\u00e4lt er doch z. B. bei einem Schuss ein starkes Erregungsgef\u00fchl, die starke Aenderung bezw. das Stocken des Vor-\n1)\tA. a. 0.\n2)\tDies und das Folgende bis zu b gegen Stumpf, Zeitsclir. f. Psychologie, XXI, S. 51 ff. '\nWin Jt, Philos. Studien. XVIII.\t11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nMax Brahn.\nStellungsverlaufes, die daran sich kn\u00fcpfende Aenderung des Gef\u00fchls und ein beruhigendes oder l\u00f6sendes Endgef\u00fchl. Und wenn Stumpf an gleicher Stelle sagt, es m\u00fcsse dann anderseits ein Zahnschmerz zu den Affecten gez\u00e4hlt werden, so ist das schon darum nicht richtig, weil der Gegensatz eines Anfangs- und Endgef\u00fchls auch nicht spurweise vorhanden ist. Es handelt sich vielmehr um ein einheitliches starkes Gef\u00fchl, wie es gerade den Organgef\u00fchlen allen in so hohem Grade eigenth\u00fcmlicli ist. So wenig ist man \u00fcber die Elemente und die Abgrenzung der Affecte einig \u2014 wie sollte es da m\u00f6glich sein, eindeutige Resultate zu erhalten. Hier gerade ist ein Punkt, wo man hoffen darf, Licht auf den wahren Verlauf der Affecte zu werfen.\nb. Darstellung.\nNach den absichtlich ausf\u00fchrlicher gehaltenen allgemeinen und methodischen Ausf\u00fchrungen k\u00f6nnen wir uns nun sehr kurz fassen. Gehen ja die Probleme der Arbeit aus dem Ausschluss der anderen von selbst nothwendig hervor. In dem ersten Theile der Arbeit ist ausgef\u00fchrt worden, dass eine Dreidimensionalit\u00e4t der Gef\u00fchle aus der psychologischen Analyse sehr wahrscheinlich geworden sei. Wir haben nun in diesem Theile die 3 gegens\u00e4tzlichen Paare m\u00f6glichst eindeutig und ohne nebenhergehende St\u00f6rungen hervorzubringen und die darauf folgende Pulsver\u00e4nderung festzustellen. Es wird sich in der That eine f\u00fcr jede Dimension verschiedene, f\u00fcr jedes Paar in sich gegens\u00e4tzliche Puls\u00e4nderung zeigen \u2014 ein doppelter Beweis schon an sich f\u00fcr die Richtigkeit der psychologischen Annahme. Dieselbe wird weiterhin gest\u00fctzt durch das Ergebniss, dass sehr oft der Intensit\u00e4t des Gef\u00fchls die St\u00e4rke der Aenderung proportional ist. Das aber weist wiederum darauf hin, dass diese Aenderung constant und wesentlich dem Gef\u00fchl zugeordnet ist. Freilich wird sich dabei zeigen, dass fast nur Spannung und L\u00f6sung ganz rein darzustellen sind, w\u00e4hrend die beiden andern Paare sehr oft mit einander verbunden Vorkommen. Au\u00dferdem enthalten diese Gef\u00fchlsformen oft Spannung in sich, was sowohl die Curven schwieriger, als es schon von Beginn an n\u00f6thig macht, auf die Verbindung der Gef\u00fchle einzugehen. Nat\u00fcrlich werden wir besonders diejenigen Gef\u00fchlsrichtungen ausf\u00fchrlich zu behandeln haben, \u00fcber deren organische Wirkungen man bisher im Unklaren ist. W\u00e4hrend \u00fcber die Symptome der Unlust und im","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gefiililslehre.\n163\nGanzen auch der Lust Einigkeit herrscht, sind diejenigen der Erregung-Beruhigung noch nicht so eindeutig festgestellt, die der Spannung und L\u00f6sung aber bis jetzt in specifischer Weise \u00fcberhaupt noch nicht untersucht. Hinzuf\u00fcgen m\u00fcssen wir einige kurze Betrachtungen \u00fcber die Wirkung untermerklicher und kaum gef\u00fchlsbetonter Beize \u2014 m\u00fcssen wir sie doch additiv oder subtractiv in unsere Berechnung einbeziehen.\nDie Anordnung der Versuche war folgende: In einem sehr ruhigen, m\u00e4\u00dfig hellen Zimmer sa\u00df der Beagent auf einem weichen Stuhle. An der A. radialis seines rechten Armes wurde der Marey\u2019sche Sphygmograph befestigt, der schon zu den Versuchen Mentz\u2019 gedient hatte. Zur Begistrirung diente Luft\u00fcbertragung mit sehr dickwandigen Schl\u00e4uchen, das Kymographion ging vollst\u00e4ndig ohne Ger\u00e4usch mit au\u00dferordentlich gleichm\u00e4\u00dfigem Gange. Es wurde stets von hohen Eederspannungen ausgegangen, die am besten f\u00fcr eine v\u00f6llige Ber\u00fchrung von Pelotte und Gewebe Gew\u00e4hr leisten. Es wurde dann die Spannung allm\u00e4hlich vermindert, so lange bis eine Deformation der Curve eintrat, und zwar bei starkem Druck: Die dann etwas verst\u00e4rkte Spannung ergab uns das Optimum. So wurden unsere Curven kleiner, als sie der Apparat zu geben im Stande ist, gaben auch nicht alle Zacken kleinster Elevationen \u2014 wir gewannen daf\u00fcr aber die Sicherheit nicht durch Zur\u00fcckbleiben oder Vorauseilen (Schleudern) entstellter Curven. Der Apparat wurde der Versuchsperson so angelegt, dass er m\u00f6glichst starke Ausschl\u00e4ge gab, dann legte sie den Arm bei halbgebeugtem Ellenbogen auf ein Kissen, schloss die Augen und sa\u00df m\u00f6glichst unbeweglich da. Dann wurde zun\u00e4chst eine Curve bei v\u00f6lliger Buhe der Versuchsperson aufgenommen. Ergab dieselbe, was nicht allzu h\u00e4ufig war, starke Verschiedenheiten der einzelnen Pulse schon beim ersten Anblick, so wurde der Versuch ausgesetzt. Sonst wurde diese Curve als die 'Norm des Tages angesehen und ihr schloss sich die zweite, die \u00bbGef\u00fchlscurve\u00ab an, die in F\u00e4llen untermerklicher oder wenig gef\u00fchlsbetonter Beize als Beizcurve bezeichnet wird. Die Gef\u00fchlscurve folgte der Buhecurve meistens ohne Unterbrechung, oft wurde nach 15\u201420 Secunden noch eine Gef\u00fchlscurve gleicher oder verschiedener Art angeschlossen. Dann wurde die Pelotte abgenommen und die Versuchsperson \u00fcber St\u00f6rungen, \u00fcber die Gef\u00fchlswirkungen des Beizes, \u00fcber dessen Merklichkeit oder Unmerklich-\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nMax Bralm.\nkeit, sowie sonst Bemerkenswertkes befragt. Die Reize waren stets vorher schon oft gegeben, auf ihre Gef\u00fchlswirkung durch viele Fragen untersucht und wurden nur dann verwandt, wenn ihre Gef\u00fchlswirkung eine ebenso eindeutig bestimmte wie constante war. Gab die Versuchsperson eine innere oder \u00e4u\u00dfere St\u00f6rung an, war mir irgend ein \u00e4u\u00dferer Reiz bekannt, der durch einen Zufall zu Stande kam, wie durch eine Bewegung von mir, irgend ein Ger\u00e4usch im Zimmer, so wurden die Curven sofort ausgeschieden. Auf diese Weise schrumpften sie der Zahl nach sehr stark zusammen, daf\u00fcr glaube ich aber sagen zu d\u00fcrfen, dass sie den Vorzug v\u00f6lliger Ausschlie\u00dfung von St\u00f6rungen innerer oder \u00e4u\u00dferer Art haben. Von einigen wenigen Personen sind Curven \u00fcberhaupt nicht zu erhalten, wegen zu scharfer Anlagerung der Arterie an den Radius. Im allgemeinen wurde schon nach meinen ersten Versuchen das Signal \u00bbjetzt\u00ab oder ein entsprechendes Zeichen von mir vermieden. Es trat dabei sonst eine Aenderung in der Spannung der Versuchsperson ein. Denn eine solche Spannung ist in einem sehr geringen Grade nat\u00fcrlich fast stets vorhanden, doch ist sie bei ge\u00fcbten Versuchspersonen sehr gering und gleichm\u00e4\u00dfig. Der einzige Ausweg, den es hierf\u00fcr g\u00e4be, den Reiz ganz unerwartet eintreten zu lassen, hat den noch gr\u00f6\u00dferen Nachteil an sich, eine Ueberraschung zu erzeugen, die viel st\u00e4rker und viel weniger gleichm\u00e4\u00dfig ist, als die vorher erw\u00e4hnte schwache und constante, ihren Symptomen nach wohlbekannte Spannung. Nur bei den Versuchen mit untermerklichen Reizen war sowohl Spannung wie Ueberraschung naturgem\u00e4\u00df sehr leicht fern zu halten. Bei Geh\u00f6rsreizen war ja eine besondere Technik \u00fcberhaupt nicht nothwendig \u2014 es wurden Stimmgabelkl\u00e4nge von etwa 256 bis 2048 Schwingungen, sehr wenige Accorde, einzelne tiefe T\u00f6ne auf dem Appun\u2019schen Tonmesser angegeben. Bei Geruchsreizen wurde der concentrirte Geruch in einer Flasche, deren oberer Rand mit dem Geruchsstoff bestrichen war, je nach den Ergebnissen der vorherigen Aussagen eine k\u00fcrzere oder l\u00e4ngere Zeit bei der Ein-athmung an der Nase vorbeigef\u00fchrt. Bei der Anwendung von Fl\u00fcssigkeiten (besonders Salzs\u00e4ure, Quassiin, seltener Himbeer- und Zuckerwasser) musste die Versuchsperson mit etwas ge\u00f6ffnetem Munde dasitzen, und die Fl\u00fcssigkeit wurde ihr in Mundtemperatur aus einer Pipette eingetr\u00e4ufelt, von den angenehmen Fl\u00fcssigkeiten meist etwas mehr, von den unangenehmen etwas weniger. Die Fl\u00fcssigkeit wurde","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Grefiililslelire.\n165\nverschluckt, St\u00f6rungen ergab das, wie ich mit Lehmann \u00fcbereinstimmend fand, nicht. Es wurde von jeder Versuchsperson nur h\u00f6chstens eine Trommell\u00e4nge (ca. 400 mm) ohne lange Pause aufgenommen, der momentane Zustand wurde protokollirt und zwar am Anfang wie am Ende.\nW\u00e4hrend Mentz sich v\u00f6llig darauf beschr\u00e4nkt, Ma\u00dfzahlen der L\u00e4nge zu gehen, haben Binet-Courtier einzelne Curven dargestellt. Leider sind die Curven oft so klein und grobz\u00fcgig in der Reproduction, dass es h\u00e4ufig nicht einmal m\u00f6glich ist, die auf den Originalcurven sicher ausgepr\u00e4gteren Ver\u00e4nderungen in der Copie wieder zu finden. In einer besonders angenehmen Lage befand sich Lehmann, da es ihm m\u00f6glich war, ein riesiges Curvenmaterial in guter Ausf\u00fchrung und deutlicher Vergr\u00f6\u00dferung zu reproduciren. Das verbot sich mir schon \u00e4u\u00dferlich \u25a0\u2014 schien mir aber auch nicht absolut nothwendig. Ich musste mich darauf beschr\u00e4nken, aus der Zahl von etwa 1500 Einzelversuchen einige Musterbeispiele zu geben. Daneben habe ich auf einer Tabelle eine Reihe typischer Werthe f\u00fcr Pulsl\u00e4ngen und -h\u00f6hen bei den verschiedenen Gef\u00fchlsrichtungen zusammengestellt. Ich habe dabei haupts\u00e4chlich diejenigen Gef\u00fchlsrichtungen in Curven erl\u00e4utert, deren physiologische Begleiterscheinungen am wenigsten bekannt sind, w\u00e4hrend ich z. B. der Unlust nur eine Curve zugeordnet habe, da \u00fcber ihre Symptome kein Streit herrscht. Die Curven sind als typische v\u00f6llig unver\u00e4nderte Beispiele zu betrachten. Ein Theil von ihnen ist photographisch auf das doppelte vergr\u00f6\u00dfert, die \u00fcbrigen sind in einfacher Gr\u00f6\u00dfe durch Zink\u00e4tzung reproducirt, Die Ausmessung geschah unter Zuh\u00fclfenahme der Lupe mit einem genauen Halbmillimeterstab, sodass der Zwischenraum noch bequem in Viertelmillimetern abzulesen war, sowohl L\u00e4nge wie H\u00f6he wurden gemessen, die Grund Ver\u00e4nderungen der Form k\u00f6nnen nur beschrieben werden, da eine Messung kaum ausf\u00fchrbar erscheint. Sie treten auf den Curven \u00fcbrigens sehr deutlich hervor.\nAn einer gro\u00dfen Zahl von Personen wurden die Versuche schon deshalb durchgef\u00fchrt, um individuelle Einfl\u00fcsse auszuschalten. Wie schon bei der psychologischen Untersuchung sich die pers\u00f6nlichen Differenzen geringer gezeigt haben, als man gemeiniglich anzunehmen geneigt ist, so in noch h\u00f6herem Ma\u00dfe bei dieser Untersuchung. Es gibt Personen, die sehr schwer \u00fcberhaupt auf einfache Sinnesreize reagiren \u2014 wenn aber \u00fcberhaupt eine Reaction eintritt, ist sie der-","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nMax Bralm.\njenigen aller \u00fcbrigen qualitativ gleich. Ich vermag diesen Mangel an Reaction aber nicht mit Lehmann auf eine geheimnissvolle unbewusste Spannung zur\u00fcckzuf\u00fchren, sondern auf das \u00fcberaus phlegmatische Temperament des Reagenten, bei dem oft kaum bitterer Geschmack, wie starke L\u00f6sungen von Quassiin eine Gef\u00fchlswirkung hatten. Er gab stets die Auskunft, es w\u00e4re ihm das alles ganz gleich \u2014 in Spannung war er also durchaus nicht. Von den Herren, die sich mit gro\u00dfer Geduld an meinen Versuchen durch mehrere Semester betheiligten, m\u00f6chte ich als die am meisten Betheiligten nur die Herren Dr. Alechsieff, Hagen, Dr. Lindau, Privat-docent Dr. Richter, Dr. Savescu, Prof. Squires, Prof. Szekely nennen. Ihnen allen, wie den zahlreichen in geringerem Ma\u00dfe betheiligten Mitarbeitern sage ich vielen Dank. Derselbe geb\u00fchrt auch Herrn Prof. Dr. Meumann, der mich vielfach mit Anregung und Belehrung unterst\u00fctzt hat. Welchen Antheil Herr Geheimrath Wundt an jeder Zeile der Arbeit hat, sieht der kundige Leser von selbst. Hier gilt mein Dank also nur den nicht sichtbaren, rein experimentellen Belehrungen, die nicht weniger zahlreich sind, als die allgemeinen Anregungen.\n4. Die Wirkung untermerklicher Reize auf den Puls.\nL\u00e4sst man einen Sinnesreiz auf den K\u00f6rper einwirken, so kann die Wirkung eine dreifache sein: erstens ein rein physiologischer Vorgang, zweitens eine Empfindung ohne sehr merklichen Gef\u00fchlston, drittens eine gef\u00fchlsbetonte Empfindung. Diesem dritten Vorgang liegen nat\u00fcrlich die beiden ersten stets zu Grunde; er ist ohne sie nicht denkbar. Man muss sie daher kennen, um den dritten verstehen zu lernen. Kur soviel kann man an der durch Gef\u00fchle erzeugten Gesammt\u00e4nderung des Pulses als wirklich reine Gef\u00fchlswirkung an-sehen, als \u00fcbrig bleibt, wenn wir Physiologisches und Empfindung abziehen. F\u00fcr die Wirkung nicht zum Bewusstsein kommender Reize war der untermerkliche Reiz der n\u00e4chstliegende, zumal mir auch nicht ein einziger Grund gegen seine Anwendung zu sprechen schien. Um auch die St\u00e4rke der untermerklichen Reize noch abstufen zu k\u00f6nnen, haben wir nur Hautreize angewandt. Es wurden die Frey\u2019sehen Reizhaare auf vorher bestimmte Punkte aufgesetzt, die sich f\u00fcr die","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n167\nbetreffenden Reizst\u00e4rken als unempfindlich gezeigt hatten. Auf die Arbeiten von F\u00e9r\u00e9 und Mentz in ihren grunds\u00e4tzlich \u00fcbereinstimmenden Resultaten \u00fcber die Wirkung intensiv verschiedener Empfindungen glaubte ich mich gen\u00fcgend verlassen zu k\u00f6nnen, um nicht auch dar\u00fcber experimentiren zu m\u00fcssen.\nUeber die Wirkung untermerklicher Reize auf den Puls und sonstige organische Vorg\u00e4nge finden sich in der Literatur nur ganz wenige Angaben. F\u00e9r\u00e9 fasst seine Erfahrungen bei Reizung nicht empfindlicher Organe und bei der Einwirkung von Farben auf Farbenblinde in die Worte zusammen, die Schwelle der Reaction liege unterhalb der Schwelle der Empfindung1), nimmt also an, dass, wie er es ausdr\u00fcckt, jede latente Perception einen dynamischen Effect zur Folge hat. Bei Mentz wird die Frage nur nebenbei ber\u00fchrt, er sagt, von zuf\u00e4lligen Beobachtungen geleitet, \u00bbalso ein wirkliches Durchdringen des Reizes zum Bewusstsein scheint n\u00f6tliig zu sein, um die Puls- und Athemverl\u00e4ngerung zu erzielen\u00ab2), \u2014 doch scheint die Behauptung in dieser Allgemeinheit zu weitgehend. In umfassenderer und planm\u00e4\u00dfiger Weise zugleich hat nur Lehmann diese Frage bis jetzt behandelt, denn die verschiedene Fassung des ideomotorischen Grundgesetzes bei Spencer und der gro\u00dfen Mehrzahl amerikanischer Psychologen ist in der Hauptsache eine speculative Grundanschauung.\nLehmann hat \u2014 von der Hypnose abgesehen \u2014\u2022 nur eine einzige Methode f\u00fcr die L\u00f6sung dieser Frage verwendet3). Eine durch eine Rechenaufgabe v\u00f6llig in Anspruch genommene Person wurde am rechten Arm mit Aether bespritzt, und es wurde nun festgestellt, ob der objectiv eine sehr starke Temperatur-Erniedrigung hervorbringende Reiz, der aber nicht zum Bewusstsein kam, eine organische Reaction zur Folge habe. Aus dem Fortbleiben dieser Reaction schlie\u00dft nun Lehmann, \u00bbeine \u00e4u\u00dfere Einwirkung m\u00fcsse zum Bewusstsein durchdringen, um organische Reactionen zu erzeugen\u00ab. Es ist, wie Lehmann selbst angibt, \u00bbein einziger Fall, in welchem es der Versuchsperson vollst\u00e4ndig gelang, dem Empfinden des \u00e4u\u00dferen Reizes zu entgehen, w\u00e4hrend sie sich in eine Arbeit vertieft hatte\u00ab.\n1)\tSensation et mouvement, S. 51, 55.\n2)\tA. a. O., S. 83.\n3)\tS. 154\u2014158, Taf. LUI B C, D.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nMax Brahn.\nEin Beweis ist daher in strenger Weise nicht gef\u00fchrt. Die Methode w\u00e4re aber auch hei h\u00e4ufigerer Anwendung nicht geeignet, das Problem zu l\u00f6sen. Sie kann doch immer nur zu dem Beweise f\u00fchren, dass die Ver\u00e4nderungen bei der gespannten Aufmerksamkeit so starke sind, dass ein Beiz, der nicht zum Bewusstsein kommt, nicht im Stande ist, die ihm eigenth\u00fcmlichen, vielleicht sehr kleinen und gegens\u00e4tzlichen Ver\u00e4nderungen geltend zu machen. Wir haben es au\u00dferdem hei einer so intensiven Aufmerksamkeit mit einem psychologisch wie physiologisch so besonderen Zustand zu thun, dass aus seinen Wirkungen so allgemeine Folgerungen sich nicht ziehen lassen.\nZur eindeutigen Entscheidung der Frage scheint mir zun\u00e4chst die Herstellung eines m\u00f6glichst gleichm\u00e4\u00dfig ruhigen, durch nichts in Anspruch genommenen Bewusstseinszustandes Bedingung. Es ist selbstverst\u00e4ndlich, dass eine gro\u00dfe Zahl \u00e4u\u00dferer und innerer constanter Beize stets vorhanden ist, und dass man nur die Wirkung des neu hinzutretenden Beizes auf den durch die anderen Beize geschaffenen Zustand untersucht. Man kann dies aber leicht thun, so oft der Beagent subjectiv vollst\u00e4ndige Gleichm\u00e4\u00dfigkeit angibt und die oft ganz auffallend gleichm\u00e4\u00dfige Curve diese Aussage noch best\u00e4tigt. Nat\u00fcrlich wird man selbst bei der m\u00f6glichsten Buhe nicht ohne weiteres jede den Beiz begleitende Aenderung als Beizwirkung auffassen : nur der stete und constante Zusammenhang wird hier Gewissheit geben. Der Versuch wurde unter den vorhin angegebenen Cautelen so angestellt, dass der ruhig dasitzenden Versuchsperson, die annahm, es werde eine Buliecurve aufgenommen, auf eine durch einen Punkt markirte Hautstelle ein Frey\u2019sches Beizhaar von der St\u00e4rke 0,5\u20144,0 g/mm aufgesetzt wurde. Druckpunkte wurden vermieden, Beize von 1,0\u201428,0 g/mm wurden f\u00fcr einige Versuchsreihen \u00fcber die Einwirkung von Empfindungsintensit\u00e4ten verwandt. Bei der Annahme der Versuchspersonen, es handele sich um Buliecurven, war die Spannung ausgeschlossen, da Vexirversuche streng vermieden wurden. Bei Beginn der Versuche war ich geneigt anzunehmen, dass unterschwellige Beize keine Wirkung auf Herz und Athmung haben. Bei weiteren Versuchen \u00fcber verschiedene Intensit\u00e4ten der Empfindung zeigte sich aber die unter der obigen Annahme sehr verwunderliche Erscheinung, dass oft unbemerkte Beize eine organische Wirkung haben. Ich nahm die Versuche von neuem auf und fand, dass die","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fclilslelire.\n169\nReize etwa von 0,5\u20141,5 g/mm in der That sehr selten eine Wirkung zeigen, dass aber die weiteren oft unmerklichen Reize von 1,5 bis 3,0 bis 4,5 g/mm oft, die h\u00f6heren von ihnen stets eine organische Aenderung herbeif\u00fchren. Die Ver\u00e4nderung ist, wenn auch nicht sonderlich stark, so doch ganz deutlich wahrnehmbar, und zwar in folgender Weise (dazu Curve No. I, II):\nNach etwa zwei, manchmal drei unver\u00e4nderten Pulsen zeigt sich eine Verl\u00e4ngerung des Pulses, die hei einer L\u00e4nge des einzelnen Pulshildes von 3\u20144 mm etwa */2 mm, hei einer L\u00e4nge von 6 \u20147 mm etwa 1\u2014iy2 mm betr\u00e4gt. Im allgemeinen wird nur der kleinste Werth dieser Verl\u00e4ngerung erreicht, nur hei Reizen, die sehr nahe an der Schwelle liegen, kommen die gr\u00f6\u00dferen Verl\u00e4ngerungen zur Beobachtung. Die Dauer dieser Verl\u00e4ngerung betr\u00e4gt drei bis vier Pulse, worauf der Puls wieder auf die Norm zur\u00fcckgeht. Mehrfach war zu beobachten, dass die Verl\u00e4ngerung nur ein bis zwei Pulse dauerte, dass aber dann nach zwei bis drei oder drei bis vier Pulsen noch einmal ein verl\u00e4ngerter Puls sich zeigte. In ganz wenigen F\u00e4llen zeigte sich ferner eine Unregelm\u00e4\u00dfigkeit insofern, als sich eine geringe Erh\u00f6hung des Pulses (selten \u00fcber y2 mm bei 3\u20143 y2 mm) zeigte: in einem solchen Falle blieb dann die Verl\u00e4ngerung des Pulses aus. Nebenbei sei hier bemerkt, dass auch die ruhige Athmung durch untermerkliche Reize beeinflusst werden kann. Die Aenderung besteht theils in einer Verl\u00e4ngerung der Athmung, theils in einer Aenderung der Athemform, derart, dass auf dem graphischen Bilde an der Stelle, welche den Uebergang von Exspiration zur Inspiration bezeichnet, an Stelle einer scharfen Kante eine sanfte Wellenlinie tritt.\nWir k\u00f6nnen also behaupten, dass ein subcorticaler Zusammenhang zwischen der Sinnesreizung und der Innervation der Blutbewegung besteht. Es ist dabei ganz nat\u00fcrlich, dass hei dem so schwachen Reiz die kleinste St\u00f6rung, sei sie physischer oder psychischer Art, die Pulswirkung aufheben kann. Die Lehmann\u2019sehen Versuche \u00fcber die Aufmerksamkeit geben uns eine Aufkl\u00e4rung hier\u00fcber, da die geringste Aufnierksamkeitsspannuiig mit der ihr eigent\u00fcmlichen Pulsverk\u00fcrzung die Verl\u00e4ngerung compensirt. Ferner kann doch der geringste Organreiz, die kleinste Bewegung das ganze Bild verschieben. Trotzdem bleibt es bestehen, dass schon ganz untermerk-","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nMax Brahn.\nliehe Reize eine ihrer St\u00e4rke entsprechende organische Ver\u00e4nderung erzeugen. Die Schwelle der Bewegung liegt nicht, wie F\u00e9r\u00e9 sagt, stets, wohl aher bei einer gewissen Reizst\u00e4rke unter der Schwelle des Bewusstseins; so erkl\u00e4rt sich auch, dass die Summation untermerklicher Reizungen, deren jede ohne organische Wirkung ist, doch insgesammt eine Wirkung haben kann, wie Merzbacher neulich feststellte I),\nUnser Resultat steht aher auch in directer Beziehung und in gutem Einvernehmen mit den von F\u00e9r\u00e9 und Mentz constatirten Aenderungen hei verschiedenen St\u00e4rkegraden. Die Empfindung erzeugt nach ihren Versuchen eine mit der Intensit\u00e4t zunehmende Pulsverl\u00e4ngerung. Wir k\u00f6nnen das Resultat f\u00fcr Tastreize best\u00e4tigen und sehen darin nur eine von der obigen intensiv verschiedene Wirkung: die Empfindungswirkung ist qualitativ der Wirkung untermerklicher Reize v\u00f6llig gleich \u2014 sie bilden eine stetige Reihe. Wo wir also qualitativ davon verschiedene Aenderungen wahrnehmen, da d\u00fcrfen wir sie, unter Ausschluss k\u00f6rperlicher Ursachen, auf Gef\u00fchle beziehen.\n5. Spannung und L\u00f6sung.\nAus zwei Gr\u00fcnden stellen wir die Betrachtung der Spannungsund L\u00f6sungsgef\u00fchle voran. Sie sind zun\u00e4chst am reinsten und am wenigsten durch starke Empfindungen gest\u00f6rt darzustellen. Sie m\u00fcssen ferner ihrer Wirkung nach bekannt sein, ehe man die meist mit ihnen zugleich auftretenden anderen Gef\u00fchle nach ihrer Wirkung beurtheilen kann. Dabei ist ein Vorgang von uns bevorzugt worden, das reine Spannungsgef\u00fchl, das von complicirten Vorg\u00e4ngen am besten in der willk\u00fcrlichen Aufmerksamkeit oder activen Apperception zu beobachten ist. Dabei scheint uns, was besonders f\u00fcr die folgende Vergleichung anderer Arbeiten mit der unseren wichtig ist, die scharfe Trennung von willk\u00fcrlicher und unwillk\u00fcrlicher Aufmerksamkeit, von activer und passiver Apperception weder nach dem Inhalt noch nach dem Wort gl\u00fccklich. Es sind vielmehr die Ausdr\u00fccke vorbereitete und unvorbereitete Aufmerksamkeit, welche wir vorziehen w\u00fcrden. Ist doch in beiden F\u00e4llen der charakteristische Complex der gleiche, das\n1) Ueber die Beziehungen der Sinnesorgane zu den Reflexbewegungen des Frosches. Pf\u00fciger\u2019s Archiv, LXXX, S. 222 ff.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n171\nSpannungsgef\u00fchl, welches sich nur hei sehr starken Graden der Spannung leicht mit dem Gef\u00fchl der Erregung, bei besonders starken und langdauernden mit dem der Unlust verbindet. Nur dass bei der unvorbereiteten Aufmerksamkeit der ganze Complex statt durch ein geringes, dem erwarteten Gegenst\u00e4nde angepasstes Spannungsgef\u00fchl, durch ein pl\u00f6tzlich auftretendes Erregungsgef\u00fchl eingeleitet wird, welchem die gleiche Spannung folgt: eine Nachwirkung der Erregung mag sich damit leicht verbinden. Ein Gel einheitlicheres Bild gibt daher die vorbereitete Spannung oder, wenn man die Totalit\u00e4t des Vorganges bezeichnen will, die Aufmerksamkeit. Es war daher unser Bestreben, dem Mischph\u00e4nomen der unwillk\u00fcrlichen Spannung (Erregungsspannung) gegen\u00fcber das eindeutige der willk\u00fcrlichen Spannung (reinen Spannung) in den Vordergrund zu stellen.\nDie bisher gebrauchten Methoden konnten dabei nicht ganz gen\u00fcgen. Mentz wurde auf diese Untersuchung nur nebenbei geleitet, als er die Einwirkung der Aufmerksamkeit auf die Wirkungen akustischer Reize ber\u00fccksichtigen musste. Uns kommt es aber gerade darauf an, die Wirkung einer reinen, nennen wir es im Gegensatz zu der von Mentz untersuchten erf\u00fcllten, einer leeren Spannung darzustellen. Wir setzen daher nur in K\u00fcrze die Resultate Mentz\u2019 her, die \u00fcbrigens im wesentlichen erstaunlich zutreffen, obgleich sie aus den Lust und Unlust betonten Zust\u00e4nden vergleichend erschlossen sind. \u00bbBei willk\u00fcrlicher Aufmerksamkeit tritt eine Verk\u00fcrzung ein, die bei l\u00e4ngerer Dauer der ersteren fort und fort zunimmt. Die Lust an der Th\u00e4tig-keit wird in ihrer pulsverl\u00e4ngernden Wirkung also schon von Anfang an durch die pulsverk\u00fcrzende Wirkung der willk\u00fcrlichen Aufmerksamkeit \u00fcbertroffen.\u00ab\nAusf\u00fchrlichere Versuche hat nur Lehmann gemacht, dessen Methoden hier zu besprechen sind. Hier r\u00e4cht sich nun die von uns ausf\u00fchrlich besprochene Unklarheit \u00fcber das Wesen der Spannung. Die Methoden sind das Punktez\u00e4hlen (S. 64 ff.), Ausf\u00fchren von Rechenaufgaben, auf eine kurze Melodie achten und sinnlose Silben lesen und wiederholen. Wo aber Lehmann versucht, eine Art von reiner Spannung herzustellen, da geht er ganz unmethodisch vor. Aus einer Reihe anormaler Versuche zieht Lehmann den Schluss, \u00bbdass die Versuchsperson nur ausnahmsweise im normalen Gleichgewicht des Gem\u00fcthes war, w\u00e4hrend ein anderer Gemiithszustand durchweg vor-","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nMax Bralin.\nherrschte. Dass dieser andere Zustand Spannung oder Erwartung war, ist dagegen durchaus nicht dargethan; dies ist vorl\u00e4ufig nur eine Annahme. Ihre Richtigkeit l\u00e4sst sich indess mit Sicherheit so feststellen, dass man erst die Versuchsperson in normales Gleichgewicht des G-em\u00fcthes bringt, darauf durch angemessene Mittel eine Spannung erzeugt, deren sie sich unvermeidlich bewusst werden muss; sind die k\u00f6rperlichen Aeu\u00dferungen dieses Zustandes mit den fr\u00fcher beobachteten identisch, so kann wohl kaum noch Zweifel herrschen\u00ab (S. 83). Die angemessenen Mittel, eine Spannung zu erzeugen, sind folgende: Lehmann sagt der Versuchsperson, sie solle sich nun auf etwas wenig Ansprechendes vorbereiten, und z\u00fcndet dann hinter dem R\u00fccken der Versuchsperson ein Z\u00fcndholz an. In einem anderen Versuch sagt er, die Person solle Acht geben, und bringt ein Z\u00fcndholz hinter ihrem R\u00fccken in ein Glas Wasser, um Zischen zu erzeugen. Die Versuchsperson gibt dann folgende Auskunft: \u00bbBange war mir nicht, denn ich war gleich dar\u00fcber im reinen, dass das Ganze ein Experiment war; man ist ja aber nicht sicher, was Ihnen einfallen kann, sodass ich nat\u00fcrlich etwas darauf gespannt war, was nun geschehen w\u00fcrde.\u00ab Weder in dem ersten noch in dem zweiten Falle sehe ich einen Zustand der reinen Spannung ohne unangenehme oder erregende Bestandtlieile. Ebenso sehe ich mehr Erregung als Spannung da, wo Lehmann sieht, dass eine minder ge\u00fcbte Person seinen Apparat bedienen soll. Alle diese Anordnungen, die ersten des Punktz\u00e4hlens eingeschlossen, haben den gemeinsamen Nachtheil, dass sie eine Reihe aufeinander folgender psychischer Vorg\u00e4nge einschlie\u00dfen, die kaum eindeutig festzustellen, sicher nicht stets wieder von neuem in gleicher Weise herzustellen sind \u2014 damit aber verlieren sie einen guten Theil von den Vorz\u00fcgen des Experimentes.\nAls wir unsere Versuche begannen, benutzten wir den einfachen Zuruf jetzt als Signal f\u00fcr die Spannung. Da aber so weder eine Gleichm\u00e4\u00dfigkeit herzustellen, noch eine Variation der Spannungszeiten zu erm\u00f6glichen, noch die Wirkung der L\u00f6sung zu finden war, gingen wir bald zu der folgenden Versuchsanordnung \u00fcber: Experimentator A. und Versuchsperson B. befanden sich in zwei verschiedenen, durch elektrische Leitungen untereinander verbundenen Zimmern. Im Zimmer B. befand sich au\u00dfer dem Reagenten nur das ger\u00e4uschlose Kymographion, daneben ein Stativ, an dem ein einfacher Elektro-","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n173\nmagnet befestigt war, der eine kleine Markirfeder anzog. Er wurde vom Zimmer A. magnetisirt, wo er mit einem einfachen Schallhammer in Verbindung stand. Um ganz verschiedene aber in sich genaue und gleichm\u00e4\u00dfige Intervalle herzustellen und so die Spannungs- und L\u00f6sungszeiten zu bestimmen, wurde von A. aus der die Bewegung des Schallhammers regulirende Taster nach dem Takte eines M\u00e4ltzel\u2019schen Metronoms niedergedr\u00fcckt. Die St\u00e4rke des Stromes war so regulirt, dass das signalisirende Ger\u00e4usch \u2014 das Anziehen der leichten Feder des Elektromagneten \u2014 m\u00f6glichst leise, kurzdauernd und gleichm\u00e4\u00dfig wurde. Damit sollte sowohl eine geringe Empfindungs- wie ganz besonders eine geringe Erregungswirkung hervorgebracht werden. Vor Beginn des Versuches wurden die Apparate, Schreibfeder u. s. w. genau eingestellt, der Beginn des Versuches wurde stets durch ein vorheriges dreimaliges Anziehen der Feder angezeigt. So glaubten wir mit den meisten Cautelen einen m\u00f6glichst eindeutigen, d. h. nur von Adaptationsempfindungen und Spannungsgef\u00fchlen erf\u00fcllten, stets in gleicher Weise reproducirbaren Zustand wiederhergestellt zu haben.\nWir wollen zun\u00e4chst in den Hauptz\u00fcgen die Symptome eines solchen vollausgebildeten Spannungszustandes von etwa 15 Secunden verfolgen (dazu die Curven X, XI, XII und XIII). Nehmen wir einen Puls auf, der sehr gleichm\u00e4\u00dfig ist, so sehen wir fast nie gleichzeitig mit dem Signal eine Pulsver\u00e4nderung eintreten: die n\u00e4chsten 3\u20147, in den weitaus meisten F\u00e4llen 3\u20145 Pulsschl\u00e4ge ver-rathen in keiner Beziehung, dass sich etwas ge\u00e4ndert hat. Dann zeigt sich ganz ausnahmslos eine Ver\u00e4nderung, die auf L\u00e4nge und Form des Pulses geht: der Puls wird k\u00fcrzer und die B\u00fccksto\u00dfelevation zeigt eine starke Aenderung und zwar gehen die beiden Aenderungen an den gleichen Pulsen vor sich, sie entstehen und vergehen zugleich. Die B\u00fccksto\u00dfelevation zeigt eine dopjmlte Aenderung, sie wird st\u00e4rker und deutlicher und tritt tiefer herab, sodass sich das Pulsbild ganz nach dem des doppelschl\u00e4gigen Pulses hin verschiebt. Eine constante Aenderung in der H\u00f6he des Pulses war nicht nachzuweisen, obgleich manchmal Aenderungen vorhanden waren : doch waren sie gering und schwankten ganz irregul\u00e4r nach beiden Seiten hin. Im Anschluss daran Avollen wir die Hauptz\u00fcge der L\u00f6sungsver\u00e4nderung darstellen, wie sie sich bei dem zweiten, die Spannung l\u00f6senden, Metronom-bezw. Magnetschlag zeigten. Auch hier bleiben die ersten Pulsschl\u00e4ge","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nMax Bralm.\nin jeder Hinsicht von der eingetretenen Aenderung unber\u00fchrt \u2014 erst nach dem Intervall von ziemlich constant 4\u20145 (in wenigen Minuten 7) Pulsschl\u00e4gen, tritt die Ver\u00e4nderung ein \u2014 und zwar auch hier in L\u00e4nge und Form des Pulses. Die nach den 4\u20145 unver\u00e4nderten auf tretenden 3\u20145 Pulsschl\u00e4ge sind bei weitem l\u00e4nger nicht nur als die w\u00e4hrend des Spannungsgef\u00fchls sich zeigenden, sondern auch als die des normalen Zustandes. Die n\u00e4chsten kehren dann wieder zur Horm zur\u00fcck. Die R\u00fccksto\u00dfelevation geht von der Neigung zum pulsus dicrotus wieder v\u00f6llig ab, sie kehrt zu der jeweilig normalen Form zur\u00fcck oder aber in h\u00e4ufigeren F\u00e4llen steigt die dikrotische Erhebung sogar etwas h\u00f6her, als sie in der Norm stand, und wird dabei weniger ausgepr\u00e4gt, d. h. der katakrote Schenkel bekommt einen weniger steilen Wendepunkt. Diese Ver\u00e4nderung der Dikrotie tritt besonders in denjenigen Pulsen hervor, wo der Normalpuls eine tiefstehende R\u00fccksto\u00dfelevation zeigt.\nVerfolgen wir nun die Einzelheiten der Curven, so sehen wir, dass die eben behandelten Hauptz\u00fcge sich mit gr\u00f6\u00dfter Constanz zeigen, dass aber kleine qualitative und quantitative Abweichungen unter verschiedenen Bedingungen Vorkommen. Sehr deutlich treten solche hervor, wenn die Zeit der Spannung und der L\u00f6sung gering ist, d. h. unter 5 Secunden etwa herabgeht. Man erh\u00e4lt dann von der Versuchsperson die Aussage, es trete zwar eine Spannung ein, dieselbe werde aber \u00bbzu fr\u00fch unterbrochen\u00ab, meistens wird um Verl\u00e4ngerung der Spannungszeit gebeten, da sich leicht Unlustgef\u00fchle beimischen. Physiologisch erhalten wir ein ganz ausgesprochenes Bild. Nach dem dritten bis vierten Pulsschlage, vom Beginn des Spannungssignales an gerechnet, tritt die Verk\u00fcrzung des Pulses ein, welche durch 3\u20144 Pulsschl\u00e4ge, d. h. bis zum Schluss der Spannung, und die ersten 2\u20143 Schl\u00e4ge nach dem L\u00f6sungssignale anh\u00e4lt. Dann tritt die f\u00fcr die L\u00f6sung charakteristische Pulsverl\u00e4ngerung ein, die also hier schneller ihre Symptome zeigt, als bei l\u00e4ngerer Spannung. Man wird wohl annehmen k\u00f6nnen, dass die der Spannungsverk\u00fcrzung entsprechende centrale Erregung noch nicht so gro\u00df ist, wie in dem vorigen Falle, sodass die L\u00f6sungsverl\u00e4ngerung keinen antagonistischen Widerstand zu \u00fcberwinden hat. Doch liegen auch andere Erkl\u00e4rungen nahe.\nAuch bei langer Spannung ist der Verlauf der Curve nicht so einfach, wie es nach den obigen Angaben wohl scheinen k\u00f6nnte. Es","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Eyperimentelle Beitr\u00e4ge zur Gref\u00fchlslehre.\n175\nist uns stets m\u00f6glich, zu beliebiger Zeit eine starke Spannung willk\u00fcrlich zu erzeugen, es ist uns nicht m\u00f6glich, dieselbe festzuhalten \u2014 Schwankungen der Aufmerksamkeit sind ja h\u00e4ufig beobachtet und ihre Dauer gemessen worden. Eben dieselben Schwankungen geben die Versuchspersonen f\u00fcr die Spannungen an, deren Verlauf folgender ist: Nach dem Signal tritt sofort eine Spannung ein, die ihren H\u00f6hepunkt schnell erreicht. Man kann diese Zeit f\u00fcr die M\u00f6glichkeit der starken Aufmerksamkeit bestimmen, wenn man die Versuchsperson angeben l\u00e4sst, welches Tempo ihr am angenehmsten ist \u2014 es ist dasjenige, bei welchem der zweite Metronomschlag mit dem Zeitpunkt des Maximums der Spannung zusammen f\u00e4llt. Nach beiden Seiten hin zeigen sich leicht Unlustgef\u00fchle. Im \u00fcbrigen ist gerade die L\u00e4nge des Zwischenraums, der liier am angenehmsten ist, individuell verschiedener, als es sonst die Verh\u00e4ltnisse der einfachen Gef\u00fchle sind. Es tritt aber dieses zeitliche Concentrations-Maximum hier recht deutlich in den Angaben hervor. Ueberschreitet man dasselbe, so folgt sofort ein Schw\u00e4cherwerden, ein Nachlassen, ja bei sehr langen Spannungszeiten ein Aufh\u00f6ren der Spannung. Aber nie wird dasselbe als L\u00f6sung bezeichnet. Es fehle ihr, lautet oft die Aussage, \u00bbder Ruck\u00ab, \u00bbder Sto\u00df\u00ab, den man bei der L\u00f6sung erhalten \u2014 wir d\u00fcrfen es wohl das active Moment nennen. Es handelt sich eben hier um ein passives Schw\u00e4cherwerden der Spannung, nicht um ihre active Gegens\u00e4tzlichkeit. Wir werden zuselien m\u00fcssen, ob in der That die Puls curve unsere psychologische Feststellung best\u00e4tigt.\nWenn wir nun die Zahl der sehr verk\u00fcrzten Pulsschl\u00e4ge beim ersten Einsetzen der Spannung betrachten, so finden wir dieselbe etwa 4\u20145, selten mehr. Die n\u00e4chsten Pulsschl\u00e4ge setzen sich dagegen nicht scharf ab, sie werden allm\u00e4hlich etwas l\u00e4nger, um dann wieder nach 2\u20144 Pulsschl\u00e4gen der Verk\u00fcrzung zu weichen, die bei sehr langer Spannung etwas nachl\u00e4sst, aber doch deutlich und stark bleibt. Die Zeit der Schwankungen ist also etwa 3\u20145 Secunden, sie entspricht genau derjenigen, welche schon oft als Schwankungszeit der Aufmerksamkeit gefunden wurde (Pace und Marbe, v. Voss). Wir sehen also die psychologisch beobachteten Schwankungen physiologisch v\u00f6llig identificirt. Wir sind damit auch zum mindesten dazu berechtigt, die den Zustand der Spannung bezeichnenden Gef\u00fchle als mit den specifischen Elementen der Aufmerksamkeit identisch zu","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nMax Brahn.\nbezeichnen. Nur dass bei der Spannung kaum merklich andere objective Inhalte gegeben sind als die psychischen Parallelvorg\u00e4nge der hegleitenden organischen Ver\u00e4nderungen, w\u00e4hrend bei der Aufmerksamkeit in viel h\u00f6herem Grade bestimmte Empfindungs- oder Gef\u00fchlsinhalte gegeben sind, zu denen in starker Intensit\u00e4t die Organempfindungen des speciellen Sinnesorganes treten. Um klarer zu machen, wie wir uns etwa die Spannung von der Aufmerksamkeit geschieden denken, folge hier ein kleiner Excurs, welcher aber den experimentellen Tlieil nie beeinflusst hat, sondern nur ein Ausdruck der dabei gemachten Beobachtungen sein soll. Wir verm\u00f6gen die Zust\u00e4nde aus den oben dargelegten Gr\u00fcnden nicht nach den f\u00fcr sie ma\u00dfgebenden rein subjectiven Elementen zu unterscheiden, den Spannungsgef\u00fchlen n\u00e4mlich. Erregungsgef\u00fchle sind f\u00fcr das Vorbereitungsstadium der unwillk\u00fcrlichen Aufmerksamkeit wesentlich, f\u00fcr den Zustand selbst aber nicht wesentlich. Lust-Unlustgef\u00fchle k\u00f6nnen bei allen diesen Zust\u00e4nden vorhanden sein, sind aber f\u00fcr keinen wesentlich. Nur Art oder St\u00e4rke oder Verbindungsart der Empfindungen k\u00f6nnen die Zust\u00e4nde scheiden. Die Psychiatrie kennt einen Spannungszustand beim Epileptiker, bei dem nie jemand auf den Gedanken kam, von einem Aufmerksamkeitszustand zu reden. Wir k\u00f6nnen sagen, die Organempfindungen, Organgef\u00fchle und Spannungsgef\u00fchle seien es allein, welche den Zustand bilden. Einen Uebergang von diesem zu der Aufmerksamkeit bildet der Zustand, den man richtig als gespannte Aufmerksamkeit bezeichnet. Es geht hier die Spannung auf einen anderen Process als das vom K\u00f6rper ausgehende Organgef\u00fchl, eine andere Empfindung oder Vorstellung wird erwartet \u2014 aber die Anspannung des betreffenden Sinnesapparates ist so stark, dass er seine Erregung auf viele andere organische Vorg\u00e4nge ausstrahlt, sodass das Wort Spannung zu Hecht besteht. Ebenso hat der Ausdruck Spannung da seine Berechtigung, wo etwas Unbestimmtes erwartet wird, sodass alle Sinnesorgane in m\u00e4\u00dfiger Spannung sich befinden \u2014 es ist das der unserer Untersuchung n\u00e4chste Fall. Man kann dabei nach den Aussagen aller gutge\u00fcbten Beagenten beobachten, wie die Ohren sich dem Schall \u00f6ffnen, die Augenmuskeln angespannt werden und die Augenbewegung mit der Spannung st\u00e4rker oder schw\u00e4cher wird, dieses alles auch bei geschlossenen Augen, wie die Nasenfl\u00fcgel sich erweitern, wie wir","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslelire,\n177\nin der Inspiration stecken bleiben, um am leichtesten einen Geruch aufzunehmen, wie sogar die Handmuskeln sich anspannen. Es ist von Bedeutung, dass alle diese Erscheinungen bei der Aufmerksamkeit geringer sind oder wenigstens im Bewusstsein eine geringere Rolle spielen, da dieses von einer reproducirten Vorstellung oder Empfindung eingenommen ist.\nSetzen wir unsere Ergebnisse \u00fcber Spannung und L\u00f6sung mit denen anderer Autoren auseinander, so kommen Vogt, Mentz und in erster Reihe Lehmann in Betracht. Mentz\u2019 Angaben, allgemeiner Art wie sie sind, stimmen mit den unseligen in der Betonung der Pulsverk\u00fcrzung bei Spannung \u00fcberein \u2014 die Ver\u00e4nderung der Dikrotie gibt Mentz nicht an. Vogt ist f\u00fcr unsere Ergebnisse insofern ergiebig, als er in seiner letzten Arbeit Spannung und L\u00f6sung als active Gegens\u00e4tzlichkeiten der sogenannten spastischen Reihe zusammen-fasst. Er hat fernerhin, wie auch wir den Versuchen entnommen haben, die spastische Reihe mit dem Auftreten und Vergehen der Aufmerksamkeit in nahe Beziehung gesetzt. Er hat aber ganz besonders auf das charakteristisch zeitlich so verschiedene Auftreten der Gef\u00fchlsdimensionen hingewiesen, welches unsere Pulsuntersuchung v\u00f6llig best\u00e4tigt1).\nSchwieriger muss nach unseren Auseinandersetzungen \u00fcber Lehmann\u2019s Auffassung der Spannung und der damit verwandten Zust\u00e4nde die Discussion mit Lehmann sein. Zun\u00e4chst vermochten wir die von ihm als charakteristisch bezeichnete Verminderung der Pulsh\u00f6he nur in ganz seltenen F\u00e4llen zu finden. Wir k\u00f6nnen nur soviel zugeben, dass uns eine Erh\u00f6hung des Pulses bei Spannung nicht ein einziges Mal vorgekommen ist. Wir hatten eine solche Aenderung der H\u00f6he des Pulses nach der psychologischen Beobachtung sogar erwartet, da uns zwischen Spannung und Erregung Beziehungen zu herrschen schienen, \u2014 die Pulscurven haben diese Erwartung aber nie best\u00e4tigt. Es zeigt sich die Verminderung der Pulsh\u00f6he bei Lehmann aber auch nicht in allen F\u00e4llen, denen wir Spannungsgef\u00fchle als wesentlich zuschreiben. Gerade bei der Concentration der Aufmerksamkeit, der reinsten Art von Spannungsgef\u00fchlen, die bei Lehmann untersucht werden, fehlt dieses Symptom.\n1: Zeitsehr. f. Hypn., IV, S. 215 ft'., 229 ff,, besonders S. 243.\nWundt Pliilos. Studien. XVIII.","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nMax Brahn.\nEs zeigt sich auch bei der unwillk\u00fcrlichen Aufmerksamkeit nicht und bleibt also ganz dem Gebiete der Spannung Vorbehalten. Da wir oben gezeigt haben, dass in vielen der angezogenen F\u00e4lle von Spannung bei Lehmann die Unlust eine wesentliche Rolle spielt, k\u00f6nnen wir nach unseren Resultaten nicht umhin, die geringe Pulsh\u00f6he in den F\u00e4llen, wo sie sich hei Lehmann zeigt, der Unlust zuzuschreiben.\nEin weiteres Symptom, die obenerw\u00e4hnte Aenderung in der Dikrotie des Pulses, war aus den Lelimann\u2019schen Plethysmographencurven ihrer Schwerf\u00e4lligkeit wegen nicht herauszulesen.\nEs bleibt noch die Verk\u00fcrzung des Pulses zu verhandeln, das bestimmteste Symptom der Spannung. F\u00fcr die Concentration der Aufmerksamkeit unterscheidet Lehmann drei Phasen \u2014 wenige geschwinde Pulse, 4\u20148 langsame Pulse, dann wieder geschwinde Pulse. \u2014 \u00bbFasst man diese drei ersten Phasen zusammen, so ist die Pulsl\u00e4nge stets verk\u00fcrzt.\u00ab Und dabei muss man darauf achten, dass 4\u20148 langsame Pulse hier bedeutet, sie seien langsamer als die vorhergehenden und \u00fcberschreiten nur manchmal die Norm. Es zeigen nun die Curven gro\u00dfe Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten, die wohl auch den nie so gleichm\u00e4\u00dfigen psychischen Vorg\u00e4ngen entsprechen. Einiges Allgemeine aber geht gerade aus diesen Curven hervor, welches sich, einmal erkannt, meinen Ergebnissen gut anschlie\u00dft. Da wird zun\u00e4chst fast nie die Aenderung der Blutbewegung sofort nach dem Reize constant (Taf. XV C. und D., Taf. XVI A. und C.), sondern es dauert das immer 2, 4, 3, 2, 4 Pulse, ganz entsprechend der Verz\u00f6gerung, die wir festgestellt haben. Ebenso k\u00f6nnen wir Schwankungen zwischen Vergr\u00f6\u00dferung und Verkleinerung der Pulsl\u00e4nge leicht feststellen. Von absoluter Regelm\u00e4\u00dfigkeit sind diese ja nat\u00fcrlich nie, bei Lehmann um so weniger, als schon die verschiedene Schwierigkeit der gestellten Aufgaben Verschiedenheiten zur Folge hat. Man sehe nur Schwankungen wie in Taf. X D.\nZahl der Pulse 11\t3\t7\t7\t3\nL\u00e4nge \u00bb\t\u00bb\t4,3\t4\t4,3\t3,9\t4.5,\ngenau ebenso in Curve XVII D., X C. und manchen anderen. Wir werden nicht fehl gehen, wenn wir diese Schwankungen mit den von uns heim Spannungsgef\u00fchl festgestellten identificiren. Die Angaben Lehmann\u2019s \u00fcber unwillk\u00fcrliche Aufmerksamkeit wage ich nicht zum","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n179\nVergleich heranzuziehen, weil ihr psychologischer Thatbestancl mir ebensowenig analysirbar ist wie der des Spannungszustandes. Ueber die L\u00f6sung findet sich in keiner Arbeit Wesentliches.\nWir finden also als Zeichen der Spannungsgef\u00fchle: Normalen Blutdruck, schnellen Puls, Verst\u00e4rkung der Dikrotie. Nehmen wir hinzu, dass Lehmann an dieser Stelle eine Steigung des Volumens constatirt hat, so finden wir uns in bester Ueberein-stimmung mit einer der wenigen Regeln, welche von Frey aufstellt: \u00bbTritt hei normalem oder erh\u00f6htem Blutdruck Hyper\u00e4mie der Haut ein, so zeigen die starkschlagenden Arterien, besonders bei hoher Frequenz, dikroten Puls\u00ab (S. 231). Dass die L\u00f6sung in jeder Beziehung das einheitliche Gegentheil der Spannung ist, haben wir vorhin gezeigt. Damit haben wir uns den Weg zu der Symptomatik der anderen Gef\u00fchlsdimensionen gebahnt.\n6. Lust und Unlust.\nLust und Unlust sind naturgem\u00e4\u00df am sorgf\u00e4ltigsten auf ihre organischen Wirkungen untersucht worden. Da sich bei fast allen sorgf\u00e4ltigen Experimenten die gleichen constanten Wirkungen dieser Gef\u00fchle gezeigt haben, und da unsere Resultate mit den bisherigen gut \u00fcbereinstimmen, so k\u00f6nnen wir uns hier um so mehr kurz fassen, als wir bei der Besprechung von Erregung und Beruhigung noch einmal des L\u00e4ngeren darauf zur\u00fcckkommen m\u00fcssen. Kurz k\u00f6nnen wir sagen: h\u00f6herer und l\u00e4ngerer Puls ist das Symptom der Lust, niedrigerer und k\u00fcrzerer das Symptom der Unlust,\nNur in wenigen F\u00e4llen, wo die Versuchsperson das Lustgef\u00fchl als \u00bbsehr gering\u00ab bezeichnete, fehlte die Verl\u00e4ngerung des Pulses. Sonst ist sie ganz constant und betr\u00e4gt 1\u20142,;2Tmn bei einer Pulsl\u00e4nge von 7\u20149^2 mm. Ebenso ist die Pulserh\u00f6hung ganz constant, betr\u00e4gt aber bei reinen Lustreizen selten mehr als 1\u2014l1/2mm bei einer Pulsh\u00f6he von 7\u20148 mm. Bei der Unlust waren die quantitativen Verh\u00e4ltnisse kaum verschieden. Die Ver\u00e4nderung tritt schneller ein als bei der Spannung, schon bei dem zweiten Pulsschlag nach dem Reiz ist sie zu sehen, nach dem dritten hat sie ihre H\u00f6he bereits erreicht. Die Dauer der Ver\u00e4nderung schwankt auf meinen Curven zwischen 2 und 8 Pulsen \u2014 sie schien im Ganzen ein nicht unwesentliches Symptom der Intensit\u00e4t des Gef\u00fchls zu sein. Ich konnte\n12\"=","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nMax Bralni.\nim Ganzen nicht feststellen, class Unlustsymptome leichter unci kr\u00e4ftiger zu erhalten sind, wie oft behauptet wurde. Wenn man freilich, wie es wohl gethan wurde, Unlustreize allzu kr\u00e4ftiger Art cinwirken l\u00e4sst \u2014 was schon wegen der leicht hinzutretenden Erregungsgef\u00fchle nicht richtig ist \u2014 dann sind auch die Symptome kr\u00e4ftiger. Im Ganzen aber treten die Lustsymptome ebenso leicht und kr\u00e4ftig auf, wie diejenigen der Unlust. (Curve Nr. Ill u. IY.)\nBetrachten wir die Eactoren, welche die Lust-Unlust-Curve bestimmen, so sind es neben dem Gef\u00fchl die Empfindungs- und die Spannungs- resp. Aufmerksamkeitswirkung. Bei der Lustcurve nun wirken diese beiden Factoren wie auch bei der Unlustcurve theils verl\u00e4ngernd, theils verk\u00fcrzend. Nur dass die Wirkung der Spannung in den meisten F\u00e4llen intensiver ist als die Wirkung der Empfindung. Dieser Unterschied ist jedoch nicht so gro\u00df, dass sich nicht die beiden Factoren in hohem Grade compensirten, so dass in der Hauptsache die reine Lust-Unlust wirksam bleibt. Und der Annahme, dass die Spannung eine zu \u00fcberwiegende Bolle spiele, widerspricht noch eine andere Thatsache: es fehlen die zur Spannung geh\u00f6rigen dikrotischen Ver\u00e4nderungen bei Lust-Unlust. Es scheint das zu beweisen, dass man geneigt ist, die Bolle der Aufmerksamkeitswirkung bei der Wirkung von Gef\u00fchlen auf ge\u00fcbte Beobachter zu \u00fcbersch\u00e4tzen. H\u00e4tte Lehmann die von Mentz gen\u00fcgend gew\u00fcrdigte Wirkung der Empfindungsintensit\u00e4t bei der Deutung der Lustwirkungen vor Augen gehabt, so w\u00e4re ihm die Deutung seiner sonst ausdrucksvollen Lustcurven leichter geworden.\n7. Erregung und Beruhigung.\nBei einer gro\u00dfen Zahl von Ger\u00fcchen geben schon wenig ge\u00fcbte Personen leicht die Gef\u00fchlswirkung nicht als Lust und Unlust an, sondern mit den Ausdr\u00fccken \u00bberregend, anregend, macht lebhaft, macht mehr energisch, beruhigend, weichlich, abspannend, erschlaffend, langweilig, abstumpfend, beklommen, bedr\u00fcckt\u00ab. Sehr h\u00e4ufig lautet die Auskunft: \u00bbnicht angenehm, auch nicht unangenehm, im Ganzen bin ich etwas schlaffer geworden\u00ab, \u00bb das Bitter war ein ruhiges, unangenehmes Gef\u00fchl, das Metronom machte zugleich unruhig\u00ab, der Geschmack von Zucker (4 : 100) \u00bbangenehm, aber anders als der Geruch von Veilchenextract, welcher ein milderes Gef\u00fchl erzeugt, auch anders","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlsichre.\n181\nals das Metronom (von 140 Schl\u00e4gen in der Minute), welches aufregend wirkt, Geschmack und Takt sind mit einander verwandter als Takt und Violageruch\u00ab, \u00bbich habe den Eindruck, als ob der Geruch selbst nicht unangenehm sei (von Castoreum), nur dass eine gewisse Weichlichkeit ihm anhaftet, die unangenehm schlaff macht\u00ab, \u00bbunangenehm und anregend (Kampher), das Anregende l\u00e4sst den Geruch bei l\u00e4ngerer Dauer angenehm erscheinen\u00ab, \u00bbich f\u00fchle mich wie leichter, die Brust ausgedehnt, in den Muskeln bin ich mehr frei, mehr energisch\u00ab, \u00bbnicht so wie Veilchen, erleichtert nicht, ich brauche Luft, es wirkt nicht st\u00e4rker\u00ab, \u00bbes wirkt nicht erregend, sondern abstumpfend, dumpf im Kopf, etwas schweres in der Brust, so recht im Gegensatz zur Erleichterung vorhin, beklommen und bedr\u00fcckt (Moschus)\u00ab. Diese ganze Beihe dem Worte nach verschiedener Angaben scheinen doch ein ganz einheitliches psychologisches Geschehen zu begreifen, das wir nur wissenschaftlich noch nicht mit einem bestimmten Terminus belegt haben. Auch Lust und Unlust sind ja nicht die einzigen Worte, welche f\u00fcr die Gesammtheit der betreffenden Gef\u00fchle in der Sprache vorhanden sind \u2014 nur der wissenschaftliche Ausdruck ist gel\u00e4ufiger; wenn wir sie zur Untersuchung unter dem Namen Erregungs-Beruhigungsgef\u00fchle zusammenfassen, so haben wir das Beeilt dazu dadurch zu erweisen, dass wir allen die gleichen physiologischen Symptome als zugeordnet aufzeigen. Die Pulssymptome k\u00f6nnen aber auch dazu dienen, einen anderen Einwurf zu widerlegen: es bezeichne die Erregung keinen directen Gegensatz zur Beruhigung, diese sei nur das Aufh\u00f6ren der ersteren. Ist dem so. dann haben wir zu erwarten, dass, wie dem Nachlassen der Erregung ein allm\u00e4hliches Nachlassen der Pulssymptome entspricht, so auch nur die B\u00fcckkehr zur Norm der Beruhigung entspreche. K\u00f6nnen wir aber der Beruhigung ganz eigenth\u00fcmliche und denen der Erregung gerade entgegengesetzte Puls\u00e4nderungen zuweisen, dann k\u00f6nnen wir sie als gegens\u00e4tzliches Gef\u00fchl zur Erregung wohl betrachten.\nEine Schwierigkeit stellt sich hier sehr bald heim Experimentiren ein, ob man nun Ger\u00fcche, T\u00f6ne oder etwa Ueberraschung erregende Ger\u00e4usche verwendet: es ist die gro\u00dfe Seltenheit, mit welcher reine Erregung und Beruhigung von den Beobachtern angegeben werden. Unter zweihundert Curven wurden mir nur f\u00fcnf als solche reiner Erregung bezeichnet, eine mit Mentha, eine mit Kampher, drei durch hohe","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nMax Brahn.\nT\u00f6ne erzeugte. Etwas h\u00e4ufiger sind die Angaben \u00fcber reine Beruhigung bei Ger\u00fcchen. Sonst treten diese Gef\u00fchlsrichtungen mit Lust-Unlust zugleich auf und ihre Wirkungen m\u00fcssen als Differenzerscheinungen festgestellt werden.\nZun\u00e4chst f\u00e4llt bei der Ausmessung, ja blo\u00dfen Betrachtung der Curven sofort die stets gleiche L\u00e4nge der Pulse auf (siehe die Curven V\u2014VIII). Nur in ganz wenigen F\u00e4llen war eine Verk\u00fcrzung des Pulses angedeutet und zwar bei einer Reihe von Curven, die angenehm-erregenden Gef\u00fchlen entsprachen, ohne eine Pulsverl\u00e4ngerung zu zeigen. Doch darf man in diesen wenigen F\u00e4llen an Erscheinungen der Aufmerksamkeit denken. Damit erscheint uns diese Gef\u00fchlsrichtung als die einzige ohne charakteristische L\u00e4ngenver\u00e4nderungen des Pulses. So l\u00f6sten sich auch die Bedenken psychologischer Beobachtung, ob nicht Spannung und Erregung derselben Dimension angeh\u00f6ren. Auch Form Ver\u00e4nderungen waren hier nie zu finden, es bleibt uns also als constantes Merkmal: Erregung verbindet sich mit h\u00f6herem, Beruhigung mit niedrigerem Puls. Die Vergr\u00f6\u00dferung der H\u00f6he bei Erregung hat sehr verschiedene Werthe, doch ist die psychologische Beobachtung sehr schwer, ob den verschiedenen H\u00f6hen verschiedene Intensit\u00e4ten des Gef\u00fchls entsprechen. Besonders betr\u00e4chtlich ist die Erh\u00f6hung bei den Curven, die als angenehm erregend bezeichnet werden, sie betr\u00e4gt hier 2\u201421/2 mm bei 8\u20149 mm Pulsh\u00f6he. Man ist hier wohl berechtigt, von einer Summation zu reden. Sonst betr\u00e4gt die Erh\u00f6hung, und zwar f\u00fcr erregende Ger\u00fcche, schrille T\u00f6ne, geringes Zusammenfahren bei pl\u00f6tzlichen Ger\u00e4uschen ganz gleichm\u00e4\u00dfig etwa 0,75\u20141,5 mm bei 8\u20149 mm Pulsh\u00f6he. Die Dauer dieser Ver\u00e4nderung ist au\u00dferordentlich verschieden, sie umfasst 2\u20143, aber auch 10\u201412 Pulse und zeigt in dieser Zeit einzelne bald sehr hohe, bald sehr niedrige Pulse. Ganz besonders charakteristisch f\u00fcr das Erregungsgef\u00fchl ist der sofortige Eintritt der Ver\u00e4nderung. Sie kommt sp\u00e4testens beim dritten Puls.\nWie erw\u00e4hnt wurde, sind diese Beobachtungen zum gro\u00dfen Theil Mischungen der Lust-Unlust mit denen der Erregungs-Beruhigungsreihe entnommen. Wo uns nun genaue subjective Beobachtungen vorliegen, k\u00f6nnen diese Mischph\u00e4nomene als Proben f\u00fcr die Richtigkeit der einzelnen Angaben gelten. Das sehr oft angegebene Gef\u00fchl angenehm-erregend zeigt die st\u00e4rkste Erh\u00f6hung des Pulses, die sich","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gefulilslelire.\n183\nstets mit einer m\u00e4\u00dfigen Verl\u00e4ngerung desselben verbindet (Curve V, VI). Wir k\u00f6nnen darin eine gute Best\u00e4tigung unserer Angaben sehen. Zeitlich zeigt sich die Aenderung gleichm\u00e4\u00dfig bei H\u00f6he und L\u00e4nge unmittelbar nach dem Beize, in wenigen F\u00e4llen nach 2 bis 3 Pulsen. Die Dauer der Ver\u00e4nderungen ist ziemlich gro\u00df. Geringer Anzahl sind die Aufzeichnungen \u00fcber unangenehm-erregende Gef\u00fchle, welche nur einige Male beim Anstreichen von Stimmgabeln sehr hoher Schwingungszahlen, beim Geruch von Asa foetida, bei altem Pfefferminz\u00f6l zur Beobachtung kam. Eine Verk\u00fcrzung der L\u00e4nge war kaum zu beobachten. Die H\u00f6he des Pulses blieb zun\u00e4chst stets v\u00f6llig unver\u00e4ndert, nach einigen Pulsen tritt aber eine Schwankung der H\u00f6he derart ein, dass sie bald steigt, bald auf die Norm zur\u00fcckgeht. Es d\u00fcrfte sich also wohl um einen Wechsel der beiden Gef\u00fchlsrichtungen handeln.\nL\u00e4sst man die Erregung ruhig abklingen, so vergeht auch die Pulserh\u00f6hung allm\u00e4hlich, um wieder der R\u00fcckkehr zur Norm Platz zu machen. Ganz anders sind die Erscheinungen des Beruhigungsgef\u00fchles, das, wie wir oben sahen, in der Form der Beruhigung u. s. w. bei Ger\u00fcchen h\u00e4ufig ist. Aus einigen reinen Curven kann man das Symptom der blo\u00dfen Pulserniedrigung deutlich ersehen. Bei dem so sehr h\u00e4ufigen Gef\u00fchl angenehm-beruhigend f\u00e4llt die Erh\u00f6hung des Pulses oft v\u00f6llig fort, ja es tritt in einzelnen F\u00e4llen, trotz des Lustgef\u00fchls, eine Verminderung der Pulsh\u00f6he ein. Diese verh\u00e4lt sich zeitlich ganz ebenso wie die der Erregung. Beim unangenehmberuhigenden Gef\u00fchl, das selten ist, tritt die Pulsverk\u00fcrzung deutlich auf, die H\u00f6he zeigt eine sehr gro\u00dfe Abnahme. Auch bei der Beobachtung dieser Gef\u00fchlsrichtungen haben wir einen so starken Einfluss der Spannungsvorg\u00e4nge, wie ihn Lehmann annimmt, nie beobachten k\u00f6nnen. Dass bei Lehmann eine gro\u00dfe Beihe Curven als Erregungscurven zu deuten sind, haben wir oben dargethan, wie es auch von Wundt schon hervorgehoben worden ist.\nSchlusss\u00e4tze.\n1) Die psychologische Beobachtung zeigt, dass die Wundt\u2019sche Ein-theilung der Gef\u00fchle in drei Gef\u00fchlsrichtungen, der Lust-Unlust, Erregung-Beruhigung, Spannung-L\u00f6sung, v\u00f6llig berechtigt ist.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nMax Brahn.\n2)\tSchon untermerkliche Heize k\u00f6nnen eine Puls\u00e4nderung erzeugen und zwar eine kleine Verl\u00e4ngerung des Pulses.\n3)\tEs lie\u00dfen sich unter dem Einfluss der verschiedenartigsten Heize stets nur drei Formen paarweiser Pulsver\u00e4nderungen feststellen. Sie entsprechen genau den drei Gef\u00fchlsformen, so dass man annehmen kann, es seien damit auch wirklich die bestehenden Gef\u00fchlsrichtungen ersch\u00f6pft.\n4)\tDer Lust entspricht Verl\u00e4ngerung und Erh\u00f6hung, der Unlust Verk\u00fcrzung und Erniedrigung des Pulses.\nDer Erregung entspricht Erh\u00f6hung, der Beruhigung Erniedrigung des Pulses.\nDer Spannung entspricht Verk\u00fcrzung, der L\u00f6sung Verl\u00e4ngerung des Pulses; beiden au\u00dferdem gegens\u00e4tzliche Ver\u00e4nderungen in der Dikrotie.\n5)\tDie drei Gef\u00fchlsrichtungen unterscheiden sich in ihren Pulswirkungen so, dass zuerst die Wirkungen von Erregung-Beruhigung, dann diejenigen von Lust-Unlust, zuletzt die von Spannung-L\u00f6sung auftreten.\n6)\tIn vielen F\u00e4llen entspricht die St\u00e4rke der Puls\u00e4nderungen der Intensit\u00e4t des begleitenden Gef\u00fchls.\n7)\tDie Erscheinungen des Spannungsgef\u00fchls zeigen ein periodisches St\u00e4rker- und Schw\u00e4cherwerden, welches den Schwankungen der Aufmerksamkeit entspricht.\nCurveninessungen.\nDie Lust-Unlust-Curven sind in geringer Zahl aufgenommen, da sie in der Mischung mit der Erregungs-Beruhigungs-Reihe wiederkehren. Der Hauptwerth ist auf die Erregungs- und Spannungs-Curven gelegt. Der zwischen den Zahlen befindliche Strich zeigt den Moment des Reizeintrittes an; bei T\u00f6nen den Moment, da die Stimmgabel angestrichen wurde, bei Ger\u00fcchen den Moment, da die Flasche an die Hase gebracht, bei Geschm\u00e4cken den, wo die Fl\u00fcssigkeit eingetr\u00e4ufelt wurde; bei den Spannungs- und L\u00f6sungsversuchen wird der Moment des beginnenden Schlages notirt, der abwechselnd zur Spannung und L\u00f6sung aufforderte.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre.\n185\nUntermerkliche Heize.\nPulsl\u00e4ngen.\nTaslreize von g/mm 0,5\t3, 3, 3, 3, 3, 3\t31/2, 3, 3, 3, 31/2, 4, 31/\u00bb, 31/2, 31/2, 31/\u00bb, 3, 2\n0,5\t3, 3, 3, 31/2\t3, 3, 3, 3, 31/2, 3, 37\u00bb, 31/2, 3, 3, 3, 3\n0,5\t31/\u00bb, 3t/\u00bb, 3, 31/2, 3\t3, 31/2, 4, 4, 4, 4, 4, 3V\u00bb, 3\u00bb/4, 37\u00bb\n1,0\t3, 3, 3, 37\u00bb, 3, 3\t3, 31/2, 4, 4, 4, 4, 3i/2, 3i/2, 31/2\n1,0\t4, 4, 4, 41/2, 4\t47\u00bb, 41/2, 43/4, 43/4, 5, 5, 41/2, 41/2\n0,5\t2, 2, 2, 2, 2\t2i/\u00e4, 2, 21/2, 21/2, 3, 3, 3, 21/2, 2, 2, 2\n2.5\t4, 4, 4, 4\t4, 41/2, 41/2, 5, 41/2, 47\u00bb, 4, 4, 4, 4\n3.0\t4, 4, 4, 4\t4, 41/2, 4, 5, 5, 4, 41/2, 4t/2, 4, 41/4\n3,0\t4, 4, 4, 4\t4, 4, 41/2, 41/2, 5, 5, 4, 41/2, 4, 41/4, 4, 4, 4\n0,5\t8, 8, 8, 81/2\t8, 8, 8i/2> 81/2, 8, 8, 8, 8, 87\u00bb, 8\nPulsh\u00f6hen stets unver\u00e4ndert.\nI. Lust.\nPulsl\u00e4ngen.\na)\t{01. rosae, wenig angenehm) ......\nb)\t(Lavendel, verd\u00fcnnt)\nc)\t(Lavendel,angenehm\nd)\t(Ton).............\ne)\t(Geschmack, H'imb. .\nReiz\n6, 6, 6, 67\u00bb 7. 7, 7, 7, 7\u00bb/, 12,12,12V\u00bb, 13,12 121/2\u00bb 12.12 \u00abV* 6i/2, 7, 7 7, 7, 7, 7\n6V\u00bb, 7, 7, 7, 63/4j 7, 7, 67\u00bb, 6V\u00bb, 6 7V\u00bb, 7, 77\u00bb, 8, 8, 77\u00bb, 7, 8, 77s 12, 13, 15, 137\u00bb, 14, 147\u00bb, 13, 14, 137\u00bb, 13, 14, 15, 13, 141/,, 15, 13 7, 7, 7i/2, 8, 8, 71/,, 8i/2, 8, 7i/2, 77\u00bb, 7. 67\u00bb 7, 7, 77\u00bb, 7i/4,71/4,71/2, 8, 8.8,8,8,77\u00bb, 71/2\nad a) ad b) ad c) ad d)\nad e)\nPulsh\u00f6hen.\n6, 6, 6, 6 7, 7, 7, 7 12,1172,12,13,12\n6,\t6V\u00bb, 6i/2. 7\n7,\t67\u00bb. 7, 7, 7\n67\u00bb, 67\u00bb, 7, 67\u00bb, 6V\u00bb, 63/4, 6, 6V\u00bb, 6%, 6, 6\n7,\t7, 7, 8, 71/0, 7, 8, 8, 71/\u00bb, 8\n14,151/2,14,13,13,15,147\u00bb, 15,15,16,17,16 6ik, 7, 672, 71/\u00bb, 71/\u00bb, 67\u00bb, 6, 6. 67\u00bb, 61/2, 6, 61/2\n8,\t71/0, 77\u00bb, 8, 7, 8, 7, 67\u00bb, 7, 7\nII. Unlust.\nPulsl\u00e4ngen.\nReiz\na)\t(Asa foetida' .... 11, 11, IO1/2, 11\nb)\t(Disharmonie ... 5, 5, 5, 51/2, 6, 5\nc)\t(Tier\u00f6l)............ 7, 7, 7, 77\u00bb, 7\n11,10,107\u00bb, 10. 97\u00bb, 97\u00bb, 10, 10, 97\u00bb. 10, 101/2\n5, 5, 5, 4, 4. 47\u00bb, 41/2, 5, 41/2, 5 67\u00bb. 7, 57\u00bb, 6. 6, 6, 5, 5, 5i/2, 5\u2018/\u00bb, 6, 5\nad a) . ad b) . ad c) .\nPulsh\u00f6hen.\n10, 10, 10, 10 6. 57\u00bb, 51/2, 5, 5 67\u00bb, 7, 67\u00bb, 7, 7\n10, 10, 10, 9, 91/2, 10, 9, 91/2, 9. 10, 10 51/2, 5, 5, 41/2, 5, 5, 5, 47\u00bb, 4, 5 6Vs, 7, \u00f6l/\u00bb, 6, 51/2, 6, 6, \u00f6l/\u00bb, 5, 6, 5","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nMax Brahn.\nI. Erregung.\na) reine Erregung. Pulsh\u00f6licn (in mm .\nReiz\n(Mentha)............... 1272,13,13, 1372,\n14, 14, 13, 13\n(hoher Ton)............ 10, 9, 9\n(Lavendel).............9, 10, 972, 10, 10\n.........11, 117s\u201d 11, 11\n17, 16, 15, 16, 17, 16, 15, 16y2, 16\u2018/a 107s, 10, lOi/2, 11, 1172, 11, 12, 11 10,11,1072,1072, 11,11, 1072,11, 11 (Mentha)............11, liy2, 11, 11 liy2, 127\u00bb 12, lli/2, 11, 13, 13, 13\nPulsl\u00e4ngen.\n2. B. bei Mentha. . . 20,20,20,20,18,1\n20, 21, 20,19 120, 19, 20, 21, 20, 17, 19\n!9, 9, 91/2, 9i/2 a) 11,111/2,111/2,11 (b) 9, 9,10, 10, 9, 10\n(\t9, 9, 9, 9, 9, 9\nTon.................1\nl II72, 12, 13, 12 Anis, wenig angenehm) 6, 6, 6, 61/2, 6, 6\nb) Erregung angenehmer Art.\nPulsh\u00f6hen.\nReiz\n972,10,1072,1072,1072,1072 II1/2,121/\u00e4, 12,12, II1/2, 13, 13, 12, 12, 13 III/2, 10, IOI/2, H, UI/2, HI/2, 111/2, H, 12, 11\n91/2, 97-, 972, 10, 10, IO1/2, 101/2, 91/2, 9\u2018/2, 9\n14,15i/2,14,13,13,15, u% 15 116,17,16 61/2, 7, 7, 71/2, 7, 6, 7, 872, 7, 8% 8% 8, 8, 9, 8\nPulsl\u00e4ngen.\n97s, 9, 91/2, 91/2 (b)\t97a, 10, 10, 10\n(a) 10,10,972,10,91/2 9, 9, 9, 9i/2 13, 12, 12, 127a 12, 12\n6, 6, 6, 6, 6, 6\n9,\t9, IO1/2, IO1/2, 9i/2, 10, IO1/2, 10, 10 10,10,10, IO1/2,10, IO1/2, 11,12, 11, II1/2\n10,\t10, 11, 11, 10, 91/2, IO1/2\n9, 91/0, 9,10, 10, 10,10, 10,11, 10, 10, 10 12, 12, 13, 15, 131/2, 14, I41/0, 13, 14, 131/2, 14, 14, 13. 12 61/3, 7, 7, 7, 61/2, 7. 7, 6, 6, 6, 7, 61/2\ne Erregung unangenehmer Art.\nPulsh\u00f6hen.\nReiz\n(altes Oleum menthae) .\n(idem).................\n(Schreck,stark erregend; (Asa foetida)..........\n7. 7, 7, 7, 7 10, 10, 10 7, 7, 7, 7, 7 7, 7, 71/2, 71/2\nPulsl\u00e4ngen.\n7,\t71/2, 7, 7, 7, 8, 8, 7, 7, 7\u00bb/\u00bb\n10, 10, 10, 10, 11, 10, 11, 11, 10\n71/2, 8, 7, 7, 7, 71/2, 7, 71/2\n8,\t8, 81/4, 81/2, 71/2, 73/4, 8, 9, 8, 71/2, 7\n7. 7. 61/2, 61/2, 7, 61/2 12, 12, 13, 12, 12 7, 7, 7. 7, 7 71/2, 71/2, 8, 8, 8\n67,. 6i/o, 6, 6, 6, 6V2, 7, 7, 6. 6. 61/2 12, 12, 11, 11, 117a, 12, 13, IL/2\n7,\t6, 67a, 67a, 7, 8% 7, 7, 7\n8,\t77a, 7, 7, 772, 672, 7, 1%","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur G-ef\u00fchlslehre.\n187\nII. Beruhigung.\na rem. Pulsh\u00f6hen.\nReiz\n(Moschus) . . 10. IO1/2,10,11,10,10,10i/L (Tiefer Ton). \u00f6y2, \u00f6, 5, 6, G, \u00f6i/2 Valeriana) .\t81/2, 9, 9, 9, 9, 9, 9\n81/2, 8,10,81/2,8, 91/2, 9, 9, 9, 9, 9,8% 8, 9 4Vs, 5, 5, 5, 5, 41/,, \u00f6, 5, 5 8V2, 81/2, 8, 8, 8, 8, 8, 81/2, 81/2, 9, 9, 9\nb; Beruhigung angenehmer Art.\nPulsh\u00f6hen.\nT\u00f6ne . Anis .\n8, 8, 8, 71/2, 8, 71/2,\t8\n7,\t7,\t7,\t7\n7,\t7,\t7,\t7,\t7\n7,\t7,\t7,\t7,\t7\n8, 71/2. 71/2, 8, 8, 8, 8, 71/2, 8, 81/.,, 8, 8 7, 7, 8, 7, 71/2, 71/2, 71/2 7, 7, 7, 7, 7, 7, 7, 7, 7i/2, 7, 7 7V2, 71/2, 7, 7, 7, 7, 71/,, 71/5, 71/2, 7, 8, 7, 7\nIII. Spannung und L\u00f6sung.\nL\u00e4nge.\nReiz\n^anmmg................m 101/2,101/2,10,10,10, h 110,10,10,9,8.9,9, loi/\u00bb h\nLosung (aus Spannung)\t8, 8, 8, 8, 8, 8, 8, 8, 8 18,8,9,9,10,10,11,10,10,9,9,9\nNorm ai\t_ ^ Spannung\tL\u00f6sung\tSpannung\n0,0,0!/,, 51/2,5, 51/2 \u00d6, 5, 5, o, 41/2, 41/2, 41/.,. 41/.,. 41/0. 5 5 5i/2) 5, 5; 43;/4j 41/.^\n4- 4, 4, 4, 4, 5\u2019\n41/?- 43/4, 5, 5,\nSpannung\tL\u00f6sung\n5, 5, 5, 5, 41/2, 41/2,\t41/2, 41/2, 41/2, 0, 5,\n4i/\u00e4, 4, 4, 4. 41/2,\t5, 51/9, 51/0, <>, 6,\n41/.,, 41/.,, 4\t6, 6, 51/2\nNormal\n6, \u00f6, 43/4, f>, 5, 5. 5, 41/., 5, 41/.,\nL\u00f6sung\n4V& 41/2, 41/2, \u00f6, 51/2, 51/-,,\n41/,, 41/2\nNormal\n9,\t9, 9, 91/2\nNormal\n10,\tlOi/o, 10, 10\nSpannung\n5, 5, 41/2, 4, 4, 4, 4, 5,\n41/2, 41/2, 4, 41/2, 4, 4\nSpannung\tj L\u00f6sung\n9Va, 91/2- 8, 8, 8, 8, 81/2, 81/3, 8 18, 8, 8, 9, 9, 10. 10, 11, 10, 10, 9. 9, 9\nL\u00f6sung\n9, 81/2, 9, 10, 11, 11, 11, 11, 11, IO1/2, IO1/2\nSpiannung\tL\u00f6sung\tSpannung\n101/2,101/2,10,\t9, 91/2, 11, 11,\t11, IO1/2, 9, 9, 91/2,\n9, 9. 9, 9\t11, 11, 11\t8% 8i/2, 8, 8, 8, 9,\n\t\t81/2, 9, 9, 91/,, 10,\n\t\t9, 9, 9, 81/.,, 9\nNormal\n5,5. 41/2,5, 5, 51/2\nSpannung\n5, 5, \u00f6, 5, 5, 4, 4, 41/0, 4, 4, 41/2, 4i/2, 4\u2018/s> 43/4, 41/0, 43/4, 43/4, 43/4, 41/2. 5, 5, 5, 41/2, 41/0, 4\nL\u00f6sung\n4Va 4i/2,5i/2, 6, 6, 6, 6,\n5, 5, 5, 5, 5, 5, 41/2, 41/2","page":187}],"identifier":"lit4495","issued":"1903","language":"de","pages":"127-187","startpages":"127","title":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Gef\u00fchlslehre","type":"Journal Article","volume":"18"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:18:01.745999+00:00"}

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