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{"created":"2022-01-31T14:17:07.519117+00:00","id":"lit4500","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Geiger, Moritz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 18: 347-436","fulltext":[{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\nYon\nMoritz Geiger.\nMit 13 Figuren im Text.\nDie von mir angestellten Versuche besch\u00e4ftigen sich mit dem zuerst von Wundt experimentell behandelten Problem der Complicationsversuche :\nGegeben ist eine continuirliche .Reihe von Gesichtsvorstellungen. Mit welchem Glied dieser Reihe wird ein disparater Sinnesreiz, etwa ein Schallreiz, als gleichzeitig aufgefasst? Entspricht der objectiven Gleichzeitigkeit auch die subjective, d. h. wird der Schall als gleichzeitig mit derjenigen Gesichtsvorstellung aufgefasst, mit der er that-s\u00e4chlich gleichzeitig war? Wundt hatte gefunden, indem er als continuirliche Reihe von Gesichtsvorstellungen die Drehung eines Zeigers vor einer Scala benutzte, dass objective und subjective Gleichzeitigkeit nicht zusammenfallen, dass nur gelegentlich einmal der Schall auch mit derjenigen Gesichtsvorstellung als gleichzeitig aufgefasst wurde, die objectiv mit ihm zusammentraf. Wundt hatte untersucht, welche Bedingungen f\u00fcr die Gr\u00f6\u00dfe des gemachten Fehlers ma\u00dfgebend sind. Er hatte sich dabei des sogenannten Complicationspendels bedient1): Vor einem Halbkreis, der mit einer Scaleneintheilung versehen ist, vollf\u00fchrt ein Zeiger Pendelschwingungen. Der Zeiger l\u00f6st hei seinem Vorbeigang an einem Punkte der Scala, der beliebig ver\u00e4ndert werden kann, einen Schallreiz aus, und der Beobachter gibt an, mit welcher Stellung des Zeigers der Schall gleichzeitig ge-\nl) Wilhelm Wundt, Grundz\u00fcge der physiologischen Psychologie. 4. Aufl.' II. S. 404.\nWundt, Philos. Studien. XVIII.\n23","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348\nMoritz Geiger.\nh\u00f6rt wurde. Der Vergleich der vom Beobachter angegebenen Stellung des Zeigers mit der tliats\u00e4chlich den Schall ausl\u00f6senden gibt Aufschluss \u00fcber die Gr\u00f6\u00dfe des Fehlers.\nNach Wundt hatten von Tschisch1) und Pflaum2) unter Benutzung desselben Apparates die Resultate Wundt\u2019s theils in den Grundlinien best\u00e4tigt, theils durch Variation der Versuchsbedingungen die Resultate erweitert und erg\u00e4nzt.\nAuf der anderen Seite hatten amerikanische Beobachter, An g eil und Pierce3), das Complicationspendel mit seiner ungleichf\u00f6rmigen Geschwindigkeit durch einen Apparat mit gleichf\u00f6rmiger Geschwindigkeit ersetzt und waren dabei zu Ergebnissen gelangt, die in wesentlichen Punkten von den Resultaten aller Leipziger Beobachter (Wundt, v. Tschisch und Pflaum) abwichen.\nAuf Vorschlag von Herrn Prof. Wundt stellte ich vom October 1900 bis August 1902 im psychologischen Institut der Universit\u00e4t Leipzig mit der von ihm construirten Complicationsuhr eine erneute Nachpr\u00fcfung der Resultate an. Da die Complicationsuhr ein Apparat mit gleichf\u00f6rmiger Geschwindigkeit des Zeigers ist, so war es m\u00f6glich, vor allem die abweichenden Resultate der Amerikaner auf ihre Richtigkeit zu pr\u00fcfen. Es war dies das eine Problem, das ich meinen Untersuchungen stellte: Wie sind die abweichenden Resultate der verschiedenen Beobachter zu erkl\u00e4ren?\nDas zweite Problem war theoretischer Natur: Wundt hatte zugleich mit der ersten Ver\u00f6ffentlichung seiner Resultate eine psychologische Deutung gegeben, die er in den sp\u00e4teren Auflagen seines Werkes n\u00e4her ausf\u00fchrte. Dieser Deutung waren andere gegen\u00fcbergestellt worden, die theils die Wundt\u2019schen Ausf\u00fchrungen erg\u00e4nzen wollten, theils in directeur Widerspruch zu ihnen standen; so hatte Tschisch eine Deutung der Ph\u00e4nomene versucht, Lipps4), auf den\nij Philos. Studien II. S. 603. \u2014 Voldemar v. Tschisch, Ueber die Zeitverh\u00e4ltnisse der Apperception einfacher und zusammengesetzter Vorstellungen.\n2)\tPhilos. Studien XV. S. 139. \u2014 Ohr. D. Pflaum, Neue Untersuchungen \u00fcber die Zeitverh\u00e4ltnisse der Apperception einfacher Sinneseindr\u00fccke am Complicationspendel.\n3)\tAmerican Journal of Psychology IV. S. 520. \u2014 James R. Angell and Arthur H. Pierce, Experimental Research upon the Phenomena of Attention.\n4)\tTheodor Lipps, Grundthatsachen des Seelenlebens (1883;. S. 658.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n349\nWundt\u2019sehen Versuchen fu\u00dfend, die theoretische Seite eingehend er\u00f6rtert, James1) gegen Wundt polemisirt. Angell und Pierce mussten auf Grund ihrer entgegengesetzten Resultate nat\u00fcrlich auch zu anderen theoretischen Grundlagen gelangen als Wundt, und in neuester Zeit hat Ebbinghaus2) eine Deutung versucht, die von denen aller fr\u00fcheren Autoren abweicht. Es handelte sich mir darum, \u2014 wenn die Resultate einwandsfrei festgestellt waren \u2014 die verschiedenen Theorien \u00fcber die Complicationsversuche einer Kritik zu unterziehen, die, so weit es m\u00f6glich war, die Entscheidung durch Versuchsab\u00e4nderungen herbeif\u00fchren sollte.\n1. Die Nachpr\u00fcfung der fr\u00fcheren Ergebnisse.\na. Apparat und Versuchsanordnung.\nDer Apparat, der mir zu meinen Untersuchungen diente, ist die Wundt\u2019sche Complicationsuhr, von E. Zimmermann in Leipzig nach Wundt\u2019s Angaben angefertigt.\nDer Apparat wird getragen von einem kleinen Tischchen, das 2 Durchbohrungen (d) als Durchlass f\u00fcr die Gewichtsketten hat. Auf dem Tischchen liegt ein Zwischenbrett (ziv) auf, um je nach Bedarf den Apparat tiefer oder h\u00f6her stellen zu k\u00f6nnen.\nDer Apparat selbst ist eine Gewichtsuhr, die durch Umstellung der Windfl\u00fcgel [w\\ und durch Ver\u00e4nderung der Gewichte, die an der Kette ik) aufgeh\u00e4ngt sind, auf verschiedene Geschwindigkeiten eingestellt wird. Die Umlaufszeiten des Zeigers (*) k\u00f6nnen hierdurch zwischen 12 Secunden und 0,9 Secunden variirt werden. Das Aufziehen der Uhr geschieht durch Aufwinden der Kette auf das im Geh\u00e4use befindliche Zahnrad mittelst Umdrehung des Halters (At). Ein federndes Metallband umschlie\u00dft den Fu\u00df (f) des Windfl\u00fcgels und h\u00e4lt dadurch den Apparat in Ruhe. Durch Abdr\u00fccken des Bandes durch den Schieber S wird der Apparat in Gang gesetzt, durch die beim Andr\u00fccken entstehende Reibung angehalten. Das Zifferblatt {bl) besteht aus undurchsichtigem wei\u00dfem Milchglas. Auf seinen beiden Seiten ist in Schwarz die Scala (sk) angebracht. Die Scaleneinthei-\n*) James, The Principles of Psychology (1890). I. S. 211.\n-) Ebbinghaus, Grundziige der Psychologie (1902). I. S. 591.","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\nMoritz Geiger.\nlung ist eine lOOtheilige, die durch Ziffern von zehn zu zehn Theil-strichen und durch Verl\u00e4ngerung jedes f\u00fcnften Theilstriches eine leichte Ablesung gestattet. Der innere Radius der Scala betr\u00e4gt rund 251/2 cm.\nFig. 1. (Die Fig. zeigt die dem Beobachter abgekehrte Seite des Apparates.)\nDig. 2 zeigt einen Schnitt durch die Hauptaxe des Apparates, parallel den Seitenw\u00e4nden in Fig. 1. Das gro\u00dfe Zahnrad (if), das durch die G-ewichtskette in Gang gesetzt ist, dreht das fest mit ihm verbundene Rohr 0. Auf diesem Rohr sitzt der Kl\u00f6ppel (kl,) auf (Fig. 1 und 2), der im Vorbeigehen die Glocke (gl,) anschl\u00e4gt (Fig. 1). Der Kl\u00f6ppel besteht aus einer Metallstange, die ziemlich schwer ist, damit der Gang des Apparates durch das Anschl\u00e4gen des Kl\u00f6ppels gegen die Glocke keine St\u00f6rung erf\u00e4hrt \u2014 dieser Zweck wird vollst\u00e4ndig erreicht \u2014, und einer an einem Draht befestigten kleinen Metallkugel. Am anderen Ende tr\u00e4gt das Rohr ein zweites Rad fr} (Fig. 1 und 2)","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n351\nmit einem kleinen Zahn st. In dem Itohr liegt, eng anschlie\u00dfend, eine Metallaxe (M), die als Tr\u00e4ger f\u00fcr den Doppelzeiger % und z-, dient hinter dem Zifferblatt bl, >.2 vor dem Zifferblatt). Sie kann \u00e4hnlich wie die Axe des schnelleren Zeigers am Hipp\u2019schen Chrono-skop gegen die umh\u00fcllende Rohraxe leicht verdreht werden, wird aber f\u00fcr gew\u00f6hnlich durch eine Verzahnung in beliebiger Stellung zur Rohraxe festgehalten. An dieser mittleren Axe befindet sich n\u00e4mlich bei K ein Kronrad mit 100 Z\u00e4hnen, das durch Federdruck auf den Zahn st an dem Rohre festgedr\u00fcckt wird. Da die Bewegungsrichtung des Zeigers im Sinne der Ziffern geht, so w\u00fcrde hei der Stellung in Fig. 1 der Kl\u00f6ppel etwa bei Zeigerstellung 35 gegen die Glocke schlagen.\nDamit der Schall bei einer beliebigen anderen Zeigerstellung eintreten kann, ist es nothwendig, den Winkel zwischen Kl\u00f6ppel und Zeiger zu \u00e4ndern. Dies geschieht, indem durch Zur\u00fcckziehen des Halters h, die Zeigeraxe ein wenig nach hinten gezogen und dadurch das Kronrad vom Zahn entfernt wird, so dass jetzt die Zeigeraxe gegen die umh\u00fcllende Kl\u00f6ppelaxe drehbar ist. Die Fig. 2 zeigt die Zeigeraxe in dieser Stellung, so dass hier der Zahn st nicht in das Kronrad eingreift. Durch Kreisdrehung der Zeigeraxe in beliebiger Gr\u00f6\u00dfe und durch Wiedereinstellung des Stiftes in eine andere Vertiefung des Kronrads ist der Winkel des Zeigers gegen den Kl\u00f6ppel ge\u00e4ndert, und es erfolgt der Anschlag des Kl\u00f6ppels an die Glocke hei einer anderen Zeigerstellung. Bei der gleichm\u00e4\u00dfigen Eintheilung von Scala und Zahnrad in 100 Theile kann die Einstellung mit einer Genauigkeit bis auf einen Scalentheil erfolgen.\nUm gleichzeitig elektrische Hautreize und Schallreize bieten zu\nFig. 2.","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nMoritz Geiger.\nk\u00f6nnen, ist eine Einrichtung getroffen, die aus Eig. 3 zu ersehen ist. Die linke Seitenwand von Eig. 1 ist hier nach Wegnahme der Scala von der entgegengesetzten Seite wie in Fig. 1 in schiefer Projection zu sehen. An der Wand sind die Glocke glt und eine Sckumann\u2019sche Wippe w befestigt, welch letztere in Fig. 1 durch die Glocke verdeckt ist. Der Kl\u00f6ppel KZi ist senkrecht zur Wand gerichtet. Um ein Ausschalten der Glocke gl1 zu erm\u00f6glichen, ist sie um den an der Seitenwand befindlichen Knopf (Kn) drehbar, so dass sie durch eine Drehung aus dem Bereich des Kl\u00f6ppels kommt. Die Glocke geht dann nach hinten, sodass der Kl\u00f6ppel, der vorher die vordere Seite der Glocke streifte, jetzt ohne Anschlag vor der Glocke vorbeigeht. In dem n\u00e4mlichen Momente, in dem nun die eine Seite der Kugel an der Kl\u00f6ppelspitze gegen die Glocke schl\u00e4gt, streift die andere Seite an den Contacthebel der Scliumann\u2019schen Wipp#. Die vorbeigehende Kl\u00f6ppelspitze dr\u00fcckt den Contacthebel der Wippe nieder, wie es\nFig. 3 in starker relativer Vergr\u00f6\u00dferung der Wippe zeigt. Die Wippe springt, wenn der Kl\u00f6ppel vorbeigegangen ist, durch Zug der Feder Fj wieder in die H\u00f6he. Im Buhezustande liegt der hintere Theil der Wippe auf einem Stift st2 auf und kann dadurch den prim\u00e4ren Stromkreis eines Inductoriums schlie\u00dfen, der durch Wippe und Stift hindurchgeht. In Fig. 1 sind die beiden Klemmschrauben [scki\\ ) sichtbar, durch die der Strom in den Apparat eingef\u00fchrt wird. Dr\u00fcckt der Kl\u00f6ppel die Wippe nieder, so wird f\u00fcr den Moment des Vorbeiganges der Strom unterbrochen und dadurch ein Hautreiz auf den mit den Elektroden des Inductoriums verbundenen K\u00f6rpertheil ausge\u00fcbt.\nDie dargestellte Anordnung der Glocke hat den Vortheil, dass der Kl\u00f6ppel unmittelbar an die Glocke schl\u00e4gt, sodass f\u00fcr die Ueber-","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n353\ntragung der Bewegung keinerlei Zeit beansprucht wird. Ich benutzte daher fast ausschlie\u00dflich diese Glocke. Mit elektrischen Hautreizen habe ich nicht gearbeitet.\nSowohl f\u00fcr elektrische Hautreize, als f\u00fcr Schallreize war noch eine zweite Vorrichtung vorhanden, die Fig. 4 zeigt. Sie ist an das Werk durch das Bad r (Fig. 2) der Zeigeraxe angeschlossen, das eine excentrische Scheibe bildet. Der Excenter dieser Scheibe dr\u00fcckt in der in Fig. 4 dargestellten Stellung das eine Ende eines Hebels mit dem Drehpunkt d so zur\u00fcck, dass dessen anderes Ende mit dem Kl\u00f6ppel kl2, der in der Buhelage nicht ganz an der Glocke gl2 anliegt, von der Glocke zur\u00fcckgezogen und nach dem Abgleiten des Excenters vom Hebelende, durch die Feder F2, gegen die Glocke geschnellt wird. Die Drehungsrichtung des Bades gibt der Pfeil an. Gleichzeitig tr\u00e4gt das obere Ende des Hebels eine isolirende Platte pl, auf der zwei federnde Metallpl\u00e4ttchen aufsitzen (sie liegen in Fig. 4 hintereinander, sodass nur das vordere zu sehen ist). Die Glockenstange tr\u00e4gt zugleich zwei Metallschrauben (s), gegen die heim Anschl\u00e4gen des Hebels die Metallpl\u00e4ttchen ebenfalls vorschnellen. Durch dieses Anschl\u00e4gen werden zwei Str\u00f6me geschlossen und sofort wieder unterbrochen, die, bei den Schrauben sehr-, (Fig. 1) eingef\u00fchrt, rechts und links den Seiten entlang laufen und durch die Dr\u00e4hte d>\\ von oben in die Metallpl\u00e4ttchen, durch dr2 in die Schrauben eingeleitet werden. Dadurch k\u00f6nnen wieder zwei elektrische Hautreize gleichzeitig mit dem Schall gegeben werden. F\u00fcr Schallreize hat diese Vorrichtung den Nachtheil, dass sie wegen der Fallzeit des Kl\u00f6ppels einen constanten Fehler einf\u00fchrt, der allerdings f\u00fcr langsame Botation relativ gering ist. Im Momente, wo der Excenter den Hebel losl\u00e4sst, ert\u00f6nt die Glocke noch nicht, sondern der Kl\u00f6ppel muss erst den Weg von seiner Stellung, wie sie Fig. 4 zeigt, bis zur Glocke zur\u00fccklegen. Zur dauernden Ausschaltung der Glocke dient der kleine Excenter e. In der Stellung in Fig. 4 l\u00e4sst er die Vorrichtung in Th\u00e4tigkeit, wird er dagegen nach unten gedr\u00fcckt, so h\u00e4lt er den Hebel dauernd von der","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\nMoritz Greiger.\nGlocke entfernt. Die Glocke 2 gibt stets einen gleichm\u00e4\u00dfigen Klang, w\u00e4hrend die Glocke 1 ohne sorgf\u00e4ltige Einstellung geringe Unterschiede der Schallst\u00e4rke zeigt. Um jede etwaige St\u00f6rung zu vermeiden, benutzte ich daher die Glocke 2 stets bei solchen Versuchen, bei denen innerhalb desselben Versuches die Glocke aus- und eingeschaltet wurde.\nIndem man bei schr3 die Lichtleitung einschaltete, war es m\u00f6glich, oben und unten an vier Stellen den Apparat von r\u00fcckw\u00e4rts zu beleuchten. (Bei Fig. 1 sind oben die Birnen abgeschraubt.) Eigentlich war diese Einrichtung zu Demonstrationszwecken bestimmt, leistete jedoch auch bei manchen Versuchsanordnungen gute Dienste.\nUm dem Beobachter den Anblick des Apparates verdecken zu k\u00f6nnen \u2014 etwa ehe der Zeiger die richtige Geschwindigkeit hat \u2014 dient eine Holzplatte, die je nach Bedarf an B\u00e4ndern, die auf Bollen laufen (in Eig. 1 ist eine der Bollen ro rechts zu sehen), herabgelassen und zur Verdeckung des Apparates heraufgezogen werden kann. Ich pflegte diese Vorrichtung nicht zu ben\u00fctzen; ich machte die Erfahrung, dass es g\u00fcnstiger ist, das Eintreten einer zu fr\u00fchen Complication, ehe der Apjjarat die richtige Geschwindigkeit erlangt hat, durch Ausschalten der Glocke zu verhindern, da das pl\u00f6tzliche Zeigen des Apparates die Versuchsperson in Verwirrung setzte, und so mindestens eine Umdrehung f\u00fcr den Versuch verloren ging.\nDie Versuchsanordnung ist nun folgende: Der Apparat wird so aufgestellt, dass das Centrum der Scheibe in Augenh\u00f6he des Beobachters liegt. Der Beobachter nimmt etwa iy2 Meter vom Apparate entfernt Platz. Das Werk wird in Gang gesetzt, ohne dass der Beobachter den Apparat ansieht. Erst wenn der Zeiger die volle Geschwindigkeit erlangt hat, was hei gro\u00dfer Umdrehungszeit sofort, bei einer Secunde Umdrehungszeit erst nach 6\u20147 Umdrehungen ein-tritt, wird die Glocke eingeschaltet, und der Beobachter durch ein Signal darauf aufmerksam gemacht, dass der Versuch beginnt. Sobald der Beobachter \u00fcber die Stellung des Zeigers hei Eintritt des Schalles nicht mehr im Zweifel ist, ruft er \u00bbHalt!\u00ab und gibt die Zeigerstellung an. Es wurde keinerlei Vorschrift gegeben, nach wieviel Umdrehungen die Angaben des Beobachters erfolgen sollten. Vielmehr sollte er erst die Angabe machen, wenn er \u00fcber die betreffende Stellung des Zeigers sicher zu sein glaubte; es schwankten","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n355\ndaher auch die ben\u00f6tliigten Umdrehungen zwischen 2 und 45. War die Angabe des Beobachters erfolgt, so wurde vom Versuchsleiter der wirkliche Ort des Schalles festgestellt, indem er durch den Halter ]/.2 Kl\u00f6ppel und Zeiger ohne gegenseitige Verdrehung langsam f\u00fchrte, bis der Kl\u00f6ppel an die Glocke anschlug. Zu einer Versuchsreihe geh\u00f6rten meist 10 Versuche, die so eingerichtet waren, dass die Stellungen des Zeigers \u00fcber die ganze Scala vertheilt waren. Gew\u00f6hnlich wurden in einer Versuchsstunde zwei oder drei Versuchsreihen genau derselben Art ausgef\u00fchrt, damit etwaige Zuf\u00e4lligkeiten der Beobachtungen als solche hervortreten konnten. Mehr als 60 Versuche wurden mit demselben Beobachter nicht hintereinander ausgef\u00fchrt, da sich dann bereits die Erm\u00fcdung geltend zu machen begann, und die Concentration der Aufmerksamkeit nachlie\u00df. Nat\u00fcrlich sah ich darauf, dass bei allen wesentlichen Versuchsanordnungen ich selbst als Versuchsperson betheiligt war, um die Beobachtungsbedingungen controlliren zu k\u00f6nnen.\nMeinen zahlreichen Mitarbeitern sage ich an dieser Stelle meinen Dank. Es sind das f\u00fcr die erste Versuchsh\u00e4lfte die Herren Trida-palli, Dr. Linke, Peters, Kurtz, Katzenellenbogen, K\u00f6hler undKupelwieser, f\u00fcr die zweite Versuchsh\u00e4lfte dieHerren Dr.Lipps, Vogel, Bell, Szab\u00f6 und Kurtz. Ferner nahmen an den Versuchen, die einzelne Probleme betrafen, Theil: die Hen-en Dr. D\u00fcrr, Wisser und Gusti. Au\u00dferdem m\u00f6chte ich Herrn Dr. Wirth meinen Dank aussprechen f\u00fcr die Unterst\u00fctzung in der Anordnung der Versuche, sowie Herrn Dr. Lipps f\u00fcr die Nachpr\u00fcfung der mathematischen Seite der Arbeit.\nb. Die Resultate der fr\u00fcheren Beobachter.\nWundt hatte bei seinen Versuchen, wie schon erw\u00e4hnt, gefunden, dass der Schall in der Regel einem anderen Gliede der Reihe der Gesichtsvorstellungen zugeordnet zu werden pflegte, als demjenigen, mit dem er gleichzeitig war. War der Schall mit einem zu fr\u00fchen Theilstrich verbunden worden, so bezeichnete Wundt dies Ergebniss als eine negative Zeitverschiebung, wurde der Schall mit einem zu sp\u00e4ten Theilstrich gleichzeitig aufgefasst, so war dies eine positive Zeitverschiebung. Es hatte sich herausgestellt, dass die negative","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356\nMoritz Geiger.\nZeitverschiebung bei weitem die h\u00e4ufigere war; ja, von Tschisch hatte, wenn der eingeschobene Reiz ein einfacher Sinnesreiz war, \u00fcberhaupt nur negative Zeitverschiebungen constatirt. Es pflegte also, ungenau ausgedr\u00fcckt, der Schall meist zu fr\u00fch geh\u00f6rt zu werden.\nWundt, v. Tschisch und Pflaum hatten gefunden, dass f\u00fcr Gr\u00f6\u00dfe und Richtung der Zeitverschiebung vor allem zwei Eactoren in Betracht kamen:\n1)\tdie Geschwindigkeit und\n2)\tdie Beschleunigung des Zeigers.\nSie hatten gefunden, dass bei wachsender Geschwindigkeit der Aufeinanderfolge der Gesichtseindr\u00fccke, bei wachsender Geschwindigkeit des Zeigers also, die Gr\u00f6\u00dfe der negativen Zeitverschiebung abnahm, so dass sogar bei Wundt und Pflaum die negative Zeitverschiebung in positive \u00fcberging. Au\u00dferdem war von Einfluss, ob bei der wechselnden Geschwindigkeit des Zeigers beim Pendelapparat die Beschleunigung des Zeigers positiv oder negativ war. Bei positiver Beschleunigung der Zeigerbewegung war die negative Zeitverschiebung weit gr\u00f6\u00dfer als bei negativer Beschleunigung. Die Resultate der Leipziger Beobachter sind also: Gew\u00f6hnlich negative Zeitverschiebung, Vergr\u00f6\u00dferung der Geschwindigkeit und Verz\u00f6gerung des Zeigers rufen eine positive, Verminderung der Geschwindigkeit und Beschleunigung des Zeigers eine negative Tendenz der Zeitverschiebung hervor. Ich bezeichne mit positiver bezw. negativer Tendenz das Gr\u00f6\u00dfer- resp. Kleinerwerden der Zeitverschiebung, wenn man sie als unbenannte Zahlen auffasst, also von \u2014 6, \u2014 4, 0 + 2, + 4 a Zeitverschiebung w\u00e4re eine Reihe mit positiver Tendenz der Zeitverschiebung, von + 4, +2 a nach \u2014 6 a eine Reihe mit negativer Tendenz der Zeitverschiebung.\nDem gegen\u00fcber waren die Resultate von Angell und Pierce ganz anderer Art. Das Moment der Beschleunigung fiel bei ihnen von Anfang an weg, da sie mit gleichf\u00f6rmiger Geschwindigkeit arbeiteten. Zun\u00e4chst konnten sie keinen Einfluss der Geschwindigkeit constatiren. Die so auffallend gro\u00dfen Aenderungen der Zeitverschiebung bei wechselnder Geschwindigkeit, wie sie die Leipziger Beobachter gefunden hatten, fielen bei ihren Beobachtungen vollkommen weg.\nDagegen spielte ein Factor die Hauptrolle, der sich in den Er-","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversucke.\n357\ngebnissen der Leipziger \u00fcberhaupt nicht gezeigt hatte: der Factor der Uebung. Und zwar wirkte dieser Factor im positiven Sinne. Die anf\u00e4nglich meist negativen Resultate erfuhren durch Uebung eine Aenderung im positiven Sinne, so dass endlich fast nur noch positive Fehler vorkamen.\nEinige allgemeine Eigenth\u00fcmlichkeiten freilich waren bei den Amerikanern wie bei den Leipzigern von gleicher Art. So z. B. dass zuf\u00e4llige Einstellungen der Aufmerksamkeit eine gro\u00dfe Rolle spielten, und ferner, dass die Angabe der Zeigerstellung nicht nach einmaligem Glockenschlag erfolgte, sondern, dass eine Reihe von Wiederholungen noting waren, damit die Urtheile mit dem Bewusstsein der Sicherheit gef\u00e4llt Averden konnten. Der Hauptgegensatz blieb also: bei den Leipziger Beobachtern Einfluss der Geschwindigkeit, kein Einfluss der Uebung \u2014 bei Angell und Pierce kein Einfluss der Geschwindigkeit, starker Einfluss der Uebung.\nc. Die Versuche mit der Complicationsuhr.\nUm diese merkw\u00fcrdigen Gegens\u00e4tze der Resultate nachzupr\u00fcfen und ihre Quelle aufzufinden, war es nothwendig, sich von individuellen Bedingungen m\u00f6glichst frei zu machen. Hach den Angaben aller fr\u00fcheren Beobachter spielten diese individuellen Bedingungen eine gro\u00dfe Rolle. Ich zog daher eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl von Beobachtern, als es bisher geschehen war, heran. Wundt und v. Tschisch hatten allein beobachtet, bei Pflaum hatten drei Beobachter gearbeitet, die Amerikaner geben die Zahl ihrer Mitarbeiter nicht an; da jedoch die Zahl ihrer Versuche nur einige Hundert betr\u00e4gt, so d\u00fcrften wohl nur sehr wenige Personen bei ihnen mitth\u00e4tig gewesen sein.\nDie Zahl meiner Versuchspersonen betrug in diesem Theile meiner Versuche, mich selbst eingerechnet, acht. Um im Stande sein zu k\u00f6nnen, den Einfluss von Uebung und Geschwindigkeit getrennt zu beobachten, versuchte ich zuerst mit der H\u00e4lfte der Versuchspersonen, mit der Umdrehungszeit Aron 8 Secunden beginnend, zu immer gr\u00f6\u00dferen Geschwindigkeiten \u00fcberzugehen, mit der anderen H\u00e4lfte dagegen, von der Umdrehungszeit von 0,9 Secunden an, die GescliAvindigkeit sich allm\u00e4hlich verringern zu lassen. Dabei stellte es sich heraus, dass es fast allen Versuchspersonen unm\u00f6glich war,","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nMoritz Geiger.\nwenn sie mit der schnellen Geschwindigkeit begannen, irgendwelche Angaben zu machen, die sie als sicher bezeichnen konnten. Ich verzichtete daher darauf, mit raschen Geschwindigkeiten zu beginnen, verfuhr vielmehr bei 7 Versuchspersonen so, dass ich mit der Umdrehungszeit von 8 Secunden begann, dann allm\u00e4hlich fortschreitend jede Versuchsstunde zu schnelleren Geschwindigkeiten \u00fcberging, bis endlich die Grenze meines Apparates mit einer Umdrehungszeit von 0,9 Secunden erreicht wurde. Dann ging ich von 0,9 Secunden wieder r\u00fcckw\u00e4rts, so dass fast jede Geschwindigkeit, die ich benutzte, im Verlauf der ganzen Experimentenreihe zweimal an die Reihe kam. Hierbei stellte sich heraus, dass hei dieser Art des Verfahrens die Versuchspersonen alle im st\u00e4nde waren, auch bei schnellsten Geschwindigkeiten sichere Angaben zu machen. Hier haben wir offenbar einen ersten Erfolg der Ein\u00fcbung vor uns. Die Ein\u00fcbung erm\u00f6glicht es, bei Geschwindigkeiten, deren Auffassung anf\u00e4nglich Schwierigkeiten bereitete, jetzt, nachdem Versuche mit langsameren Geschwindigkeiten vorausgegangen sind, ohne weiteres Angaben zu machen, die subjectiv mit dem Bewusstsein der Sicherheit verbunden waren, und objectiv in Bezug auf die Fehlergr\u00f6\u00dfe eine relative Con-stanz zeigten. Freilich muss bemerkt werden, dass bei den schnellen Geschwindigkeiten relativ h\u00e4ufiger abnorme Fehler vorkamen, und dass hierin die verschiedenen Beobachter sich ganz verschieden verhielten. Mit der achten Versuchsperson nahm ich die verschiedenen Geschwindigkeiten in bunter Reihe vor, um etwaige besondere Ergebnisse, die durch das allm\u00e4hliche An- und Absteigen der Geschwindigkeiten bei den anderen Versuchspersonen hervorgerufen wurden, constatiren zu k\u00f6nnen.\nDie Resultate dieser Versuchsreihen zeigen die folgenden Tabellen, zu deren Veranschaulichung die charakteristischen Resultate f\u00fcr Versuchsperson I, HI, IV und V in den Curven der Figg. 5\u20148 graphisch dargestellt sind. Jede der angegebenen Zahlen ist der Mittelwerth von etwa 25 Einzelversuchen. An erster Stelle stehen die Umdrehungszeiten des Zeigers, wie sie in den Versuchen aufeinander-folgten, abnehmend von 8\u20140,9 Secunden und dann wieder ansteigend. Daneben befindet sich die Centimetergeschwindigkeit der Zeigerspitze f\u00fcr die betreffende Umdrehungszeit, dann folgt die Gr\u00f6\u00dfe der Zeitverschiebung in a. Sowohl die Umdrehungszeiten, als die anderen","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complieationsversuche.\n359\nZahlen sind Ann\u00e4herungen; die Umdrehungszeiten sind auf halbe Secunden abgerundet (nur 0,9 macht eine Ausnahme), der Zeitfehler auf <r.\nTabelle der Zeitverschiebungen.\nUmdreliungs-zeit des Zeigers\tcm-Grescliwin-digkeit der Zeigerspitze\tI\t1 11\tF\u00fcr IV\t7 ersuclisperson V | VI\t\tVII\tVIII\n8 See.\t18\t\u2014 87\t\u2014 15\t\u2014 58\t\u2014\t+ 16\t- 81\t\u2014\n6\t24\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014 49\t\u2014\t\u2014 123\t\u2014 56\n5,5 \u00bb\t26\t\u2014 42\t\u2014 53\t\u2014 65\t\u2014 50\t-47\t\u2014\t\u2014\n5\t\u00bb\t28,5\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t- 60\n4\t\u00bb\t36\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014 78\n3,5 \u00bb\t41\t- 5\t+ 27\t\u2014 31\t\u2014 28\t+ 11\t\u2014 47\t\u2014\n3\t\u00bb\t48\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014 128\n2,5 \u00bb\t57\t+ 8\t\u2014 3\t\u2014 16\t+ 1\t+ 1\t\u2014 66\t\u2014 109\n2\t71,5\t+ 18\t+ 5\t\u2014 2\t\u2014 2\t\u2014 25\t- 28\t\u2014 113\n1,5 \u00bb\t95,5\t+ 23\t+ 27\t+ 8\t\u2014 4\t-13\t\u2014 22\t\u2014 85\n1\t143.\t+ 13\t+ 25\t+ 7\t+ 16\t\u2014 4\t\u2014 19\t\u2014\t4\n0,9 \u00bb\t159\t\u2014 7\t+ 17\t+ 9\t+ 6\t+ 4\t0\t+ 17\n0.9 \u00bb\t159\t+ 5\t+ 11\t+ 11\t\u2014 3\t+ 13\t- 8\t+ 8\n1 \u00bb\t143\t+ 18\t+ 12\t+ 18\t\u2014 2\t+ 19\t\u2014\t9\t+ 14\n1,5 \u00bb\t95,5\t+ 8\t+ 11\t+ 13\t\u2014 4\t+ 27\t\u2014 17\t\u2014 21\n2\t71,5\t+ 18\t\u2014 8\t+ 18\t\u2014 10\t4- 31\t\u2014 21\t\u2014 33\n2,5 \u00bb\t57\t+ 8\t+ 7\t+ 3\t\u2014 25\t+ 15\t\u2014\t\u2014 42\n3\t48\t+ 15\t\u2014 8\t+ 10\t\u2014 15\t+ 8\t\u2014 29\t\u2014\n3,5 \u00bb\t41\t+ 21\t\u2014\t+ 40 1\t\u2014 28\t+ 24\t\u2014\t\u2014","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\tMoritz Geiger.\nVersuchsperson III (Kg. 6).\nUm- drehungs- zeit\tZeit- Verschie- bung\tUm- drehungs- zeit\tZeit- verschie- bung\tUm- drehungs- zeit\tZeit- verschie- bung\tUmdre- hungs- zeit\tZeit- verschie- bung\n5,5 Sec.\t\u2014 106\t3,5 Sec.\t\u2014 57\t2 Sec.\t\u2014 40\t0,9 Sec.\t\u2014 6\n5\t\u00bb\t\u2014 67\t3\t\u00bb\t\u2014 45\t1,5 \u00bb\t\u2014 29\t\u2014\t\u2014\n4\t\u00bb\t\u2014 39\t2,5 \u00bb\t\u2014 70\t1\t\u2014 6\t\u201d\t\u2014\nFig. 6. (III.)","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversucke.\n361\n'tO\nti.\u00ff\nFig. 7. {IV.i\n16\nFig. 8. (V.\nDie Berechnung der Zahlen der Tabellen ist eine sehr einfache. Es wurde aus den Fehlern jeder Versuchsreihe in Theilstrichinter-vallen der Mittelwerth genommen. Da hundert Theilstriche vorhanden sind, so entspricht dem Fehler eines Theilstriches ein Hundertstel der Umdrehungszeit. Bezeichnet man also die Anzahl der Versuche einer Reihe mit n, die Summe der Fehler in Theilstrichen mit Sn, die Umdrehungszeit in Secunden mit z, so ist der Fehler in a\nSn . \\ . 1000 _ ~ n . 100\t'\nBei Versuchsperson III, bei der der Controlle halber die Aufeinanderfolge der Umdrehungszeiten von denen der anderen abwich","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nMoritz Geiger.\n(siehe oben), gebe icli die Zahlen daher gesondert, ebenso habe ich hei der graphischen Darstellung ohne R\u00fccksicht auf die Aufeinanderfolge der Versuche alle Versuche dieser Versuchsperson zu einer Curve zusammengezogen.\nBei den Curven sind die Abscissen Umdrehungszeiten in Secunden, die Ordinaten die Zeitverschiebung in a, oberhalb der Abscissen-Axe die positiven Fehler, unterhalb die negativen Fehler. Die ausgezogenen Curven stellen die Zeitverschiebung dar, wie sie sich bei der ersten Versuchsh\u00e4lfte ergab, als ich von 8 Secunden Umdrehungs-zeit beginnend die Umdrehungszeit abnehmen lie\u00df (im Text bezeichne ich die ausgezogene Curve mit Curve 1); die punktirte Curve stellt die Zeitverschiebung f\u00fcr die zweite Versuchsh\u00e4lfte, bei von Reihe zu Reihe abnehmenden Geschwindigkeiten, dar (im Text weiterhin als Curve 2 bezeichnet).\nDie Betrachtung der Curven zeigt, dass bei meinen Versuchen sowohl negative, als positive Zeitverschiebungen vorkamen. Die Curven lassen freilich nicht erkennen, dass, wie es thats\u00e4chlich der Fall war, bei allen Versuchspersonen positive Fehler vorkamen (wenn auch hei manchen nur vereinzelt), da die Ordinaten Mittelwerthe sind aus etwa 25 Versuchen.\nCurven, die ganz im Negativen verlaufen, sind die von VII und III. Beide weisen je einen Mittelwerth auf, bei dem der Fehler verschwindet. Bei den \u00fcbrigen Versuchspersonen kommen sowohl positive als auch negative Mittelwerthe vor, und zwar so, dass bei V und VIII die negativen Werthe, bei I die positiven iiherwiegen, w\u00e4hrend bei den drei anderen II, IV und VI positive und negative Wertlie ziemlich gleichm\u00e4\u00dfig Vorkommen. Was die Gr\u00f6\u00dfe der Zeitverschiebung anbelangt, so ist sie auffallend klein. Bei den angef\u00fchrten Versuchsreihen finden sich nur 5 Mittelwerthe, hei denen die Zeitverschiebung gr\u00f6\u00dfer als 100 a, also i/10 Secunde ist, und zwar sind das lauter negative Zeitverschiebungen (drei hei VTII, je eine bei III und VII). Ueber rund l/8 Secunde (\u2014 128 a hei VIII) steigt \u00fcberhaupt keine Zeitverschiebung. Noch geringer sind die positiven Zeitverschiebungen. Hier ist das Maximum nur + 52,5 a (bei I).\nDiese Zahlen stehen in ziemlichem Gegensatz zu den Ergebnissen, die die fr\u00fcheren Leipziger Beobachter aufzuweisen hatten. Hier geh\u00f6rten Zeitverschiebungen von einer ganzen Secunde durchaus nicht","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicatioiisversuche.\n363\nzu den Seltenheiten. Leider ist auch hier wieder ein Vergleich mit den Resultaten der amerikanischen Beobachter unm\u00f6glich, da sie keine Zahlen angeben.\nWas die Hauptfrage angeht: Einfluss der Geschwindigkeit oder Einfluss der Ein\u00fcbung, so zeigen die Resultate beide Einfl\u00fcsse. Die Ein\u00fcbung, so hatten die Amerikaner gefunden, wirkt nach positiver Richtung, nach derselben Richtung aber auch nach den Ergebnissen der Leipziger die Zunahme der Geschwindigkeit. In der That: bei der Betrachtung der Curven in ihren gro\u00dfen Z\u00fcgen sieht man sofort die Tendenz der Curven von ihrem Beginn zum Positiven hin. Und zwar hei allen Personen in gleicher Weise. Aber aus diesem ersten Theil der Curve l\u00e4sst sich a priori wenig erkennen; denn hier kann man f\u00fcr die Zunahme der positiven Tendenz ebensowohl die Ein\u00fcbung als die Zunahme der Geschwindigkeit verantwortlich machen. Dagegen ist hier Curve 2 entscheidend. Denn wirkte hier die Ein\u00fcbung allein, so m\u00fcsste die positive Tendenz weiterhin zunehmen. Wirkte der Einfluss der Geschwindigkeit allein, so m\u00fcsste die Curve 2 eine negative Tendenz zeigen, die der vorherigen positiven etwa gleichk\u00e4me. Curve 2 m\u00fcsste eine ann\u00e4hernde Wiederholung von Curve 1 sein. Beides ist nicht der Fall.\nBei I, IV und VI freilich bleibt die Curve auch bei der Abnahme der Geschwindigkeit in einer ganz geringen positiven Tendenz, die sich jedoch mit der vorhergehenden an Gr\u00f6\u00dfe nicht vergleichen l\u00e4sst, w\u00e4hrend bei II, V, VII und VIH die positive Tendenz in eine negative umschl\u00e4gt.\nAuch das andere Extrem ist jedoch keineswegs der Fall. Die Curve 2 wird keineswegs eine Wiederholung der Curve 1, vielmehr ist jetzt die negative Tendenz weit geringer als vorher die positive war. Wir haben daher allen Grund, zu der Vermuthung zu kommen, dass beide Factoren, Ein\u00fcbung und Geschwindigkeit, eine Rolle spielen, und die Resultate best\u00e4tigen diese Vermuthung vollkommen. Ich ziehe haupts\u00e4chlich III, V, VII und VHI heran, da deren Curven aus Gr\u00fcnden, die sp\u00e4ter zu besprechen sind, diese Verh\u00e4ltnisse am klarsten wiederspiegeln.\nWir k\u00f6nnen annehmen, dass der Factor der Geschwindigkeit stets in gleicher Weise wirkt, so dass stets hei Zunahme der Geschwindigkeit eine gleich gro\u00dfe positive Tendenz auftritt, als bei der Abnahme\nWundt, Thilos. Studien. XVIII.\t24","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nMoritz Geiger.\neine negative. Nach den psychologischen Erfahrungen verh\u00e4lt sich der Factor der Ein\u00fcbung ganz anders. Seine Wirkung ist anfangs am st\u00e4rksten und wird dann immer schw\u00e4cher.\nBei Curve 1 wirken Geschwindigkeit und Ein\u00fcbung nach derselben Richtung. Wir finden daher vom negativen Maximum der Curve ein starkes und dann immer schw\u00e4cher werdendes Ansteigen der Curve. Bei Curve 2 wirken Ein\u00fcbung und Geschwindigkeit gegeneinander. Da die Ein\u00fcbung jetzt kaum mehr Fortschritte macht, so k\u00f6nnen wir annehmen, dass die Abnahme der Geschwindigkeit meist im st\u00e4nde sein wird, ihre negative Tendenz zum Siege zu bringen. Das ist denn auch in der That bei den meisten Personen der Fall: Curve 2 hat eine nach unten gerichtete Tendenz. Nat\u00fcrlich muss diese Tendenz geringer sein, als die nach oben gerichtete der Curve 1. Denn w\u00e4hrend hier die Ein\u00fcbung verst\u00e4rkend wirkte, wirkt sie jetzt \u2014 wofern sie \u00fcberhaupt noch wirksam ist \u2014 schw\u00e4chend.\nDen Einfluss der Aenderung der Geschwindigkeit zeigt wohl am besten Curve 3, wo, wie schon erw\u00e4hnt, ohne R\u00fccksicht auf die Aufeinanderfolge der Versuche, die Curve zusammengestellt ist. Auch hier das Ansteigen der Curve bei zunehmender Geschwindigkeit.\nDass die Hebung eine gro\u00dfe Rolle bei den Versuchen spielte, zeigten die Einzelversuche deutlich. Bei Geschwindigkeiten, die im Anfang Fehler von 4\u20145 Theilstrichen hervorriefen, war von einem Fehler sp\u00e4ter \u00fcberhaupt nicht mehr die Rede.\nDeutlich zeigen den Einfluss von Uebung und Geschwindigkeit Versuchsreihen, die ich in anderem Zusammenh\u00e4nge sp\u00e4terhin anstellte. Sie umfassen nur zwei Geschwindigkeiten: die Umdrehungszeiten 1 und 2,5 Secunden. Sie beginnen, nachdem schon eine ziemliche Uebung eingetreten ist. Der verst\u00e4rkte Strich zwischen den Zahlen bedeutet die Unterbrechung der Versuche durch die Pfingstferien. Jede Zahl ist Mittelwerth aus etwa 20 Versuchen. Die Zahlen folgen aufeinander, entsprechend der zeitlichen Aufeinanderfolge der Reihen. Es betrug die Zeitverschiebung in a","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"365\nNeue Compli'cationsversuche.\nf\u00fcr die Umdrehungszeit 2,5 Sec.\n\tF\u00fcr Versuchsperson\t\t\tF\u00fcr Versuchsperson\t\nReihe\tV\tIX\tReihe\tV\tIX\n1\t\u2014 11\t\u2014 5\t5\t\u2014 23\t+ 6 ,\n2\t\u2014 13\t+ 13\t6\t\u2014 35\t\u2014 4\n3\t\u2014 15\t\u2014 1\t7\t\u2014 58\t+ 1\n4\t\u2014 27\t+ 18\t8\t\u2014 56\t\u2014 5\nf\u00fcr Umdrehungszeit 1 Sec.\nReihe\tVersucl V\tLsperson IX\tReihe\tVersucl V\tisperson IX\n1\t\u2014 6\t-8\t6\t\u2014 27\t\u2014 9\n2\t+ 6\t+ 2\t7\t\t\u2014 1\n3\t\u2014 11\t+ 6\t8\t\t\u2014 1\n4\t\u2014 10\t+ 3\t\t\t\n5\t\u2014 24\t0\t\t\t\nEinmal geht aus diesen letzten Resultaten hervor, dass der Einfluss der Geschwindigkeit auch hei eingetretener Uebung noch etwas vorhanden ist. Die Versuche zeigen, wie die kurze Pfingstpause von 14 Tagen im st\u00e4nde war, die eingetretene Uebung wieder herabzumindern. Es zeigt sich das deutlich an der Zunahme der negativen Tendenz der Fehler. Und auch hier zeigte sich, dass nach einiger Zeit die Uebung keine Fortschritte mehr machte. F\u00fcr die noch vorkommenden Schwankungen kann die Uebung nicht mehr verantwortlich gemacht werden.\nBisher sind Uebung und Geschwindigkeit nur in ihrem allgemeinen Einfluss auf die Zeitverschiebung untersucht worden, und wir konnten constatiren, dass wachsende Uebung und zunehmende Geschwindigkeit beide eine positive Tendenz der Zeitverschiebung hervorrufen, abnehmende Geschwindigkeit dagegen die negative Tendenz verst\u00e4rkt.\n24*","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nMoritz Geiger.\nIm Einzelnen freilich stimmen die Curven nicht immer mit dieser Annahme \u00fcberein. Betrachten wir zuerst die Zu- und Abnahme der Geschwindigkeit. Es ist von vornherein klar, dass die Abnahme der Geschwindigkeit nicht bis ins Endlose weiter den negativen Fehler vergr\u00f6\u00dfern kann. Es kann wohl von Bedeutung sein f\u00fcr die Fehlergr\u00f6\u00dfe, oh der Zeiger in einer Secunde sich einmal umdreht oder in zwei Secunden. Dagegen d\u00fcrfen wir nicht vermuthen, dass der Fehler der zehn Secunden Umdrehungszeit kleiner ist als hei 40 Secunden Umdrehungszeit. Es muss eine Umdrehungszeit gehen \u2014 das leuchtet ein ohne den Versuch \u2014 hei der die Abnahme der Geschwindigkeit nicht mehr eine Vergr\u00f6\u00dferung, sondern eine Verkleinerung des Fehlers hervorrufen muss. Der Versuch hat das best\u00e4tigt. Und er hat weiter gezeigt, dass dieser Punkt des gr\u00f6\u00dften negativen Fehlers nicht unabh\u00e4ngig ist von der Ein\u00fcbung. Auch das ist nicht verwunderlich: es ist klar, dass die Combination der Zeigerstellung mit einem bestimmten Punkte der Scala im Momente des Schalls, wenn der Zeiger sehr langsam geht, f\u00fcr den Ge\u00fcbten ohne nennenswerthen Fehler vor sich geht, w\u00e4hrend hier f\u00fcr den Unge\u00fcbten die M\u00f6glichkeit vorliegt, noch ziemliche Fehler zu machen. In der That zeigen die Curven 1 und 2 nach dieser Sichtung hei allen Versuchspersonen charakteristische Verschiedenheiten. F\u00fcr Curve 1 liegt das Maximum der negativen Fehler hei einer sehr langsamen Geschwindigkeit und zwar\nf\u00fcr die Versuchsperson I\tII III IV V VI VII VIII\nbei der Umdrehungszeit von 8 5,5 5,5 5,5 5,5 5 5 6\t3 Secunden.\nDabei ist zu beachten, dass diese Werthe nur ann\u00e4hernde G\u00fcltigkeit haben, da, wie die Tabellen zeigen, relativ wenig Versuche mit hohen Umdrehungszeiten gemacht wurden. Bei den sieben ersten Versuchspersonen liegt das Maximum der negativen Zeit Verschiebung hei hohen Umdrehungszeiten, also langsamen Geschwindigkeiten; nur Versuchsperson VIII macht eine Ausnahme, die jedoch, wie wir sp\u00e4ter sehen werden, von Eigenth\u00fcmlichkeiten der Beobachtung, gerade hei der betreffenden Umdrehungszeit, abli\u00e4ngt, also eigentlich nicht hierher geh\u00f6rt.\nBetrachten wir dagegen Curve 2. Hier finden wir den gr\u00f6\u00dften","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Neue ComplicationsversucH\u00e9.\n367\nnegativen Fehler bezw. die gr\u00f6\u00dfte Tendenz zum negativen Fehler an ganz anderen Stellen. Und zwar:\nbei Versuchsperson:\ni ii in iv v vi vn vm\nbei der Umdrehungszeit von: 2,5 2,5 2 2,5 2,5 2,5\t3\t3 Secunden.\nFast \u00fcbereinstimmend linden wir also bei Curve 2 die gr\u00f6\u00dfte negative Tendenz bei der Umdrehungszeit von 2,5 Secunden. F\u00fcr III, f\u00fcr den nur eine Curve vorhanden ist, ergibt sich dennoch der Werth 2, da die Curve an dieser Stelle deutlich ein zweites geringeres Maximum zeigt, wie es heim Zusammenwerfen zweier Curven, wie etwa die von VII, sich ergeben m\u00fcsste. Es wird wohl auffallend erscheinen, dass die Curven nicht wieder bis zur Ausgangs-Umdrehungszeit von 8 Secunden zur\u00fccklaufen, sondern weit fr\u00fcher abbrechen. Das hat nicht seinen Grund darin, dass f\u00fcr Curve 2 die Versuche nicht ausgef\u00fchrt worden sind, sondern in der Eigenth\u00fcmlich-keit der Kesultate. Es ergab sich n\u00e4mlich, dass die Fehler von einer bestimmten Geschwindigkeit ab (hei zunehmender Umdrehungszeit) constant wurden, und zwar constant in Theilstrichintervallen und nicht in a. Es hat das einen \u00e4u\u00dferlichen Grund. Bei der Scala, die ich benutzte, war es dem Beobachter nicht m\u00f6glich, genauer als auf einen halben The\u00fcstrich die Zeigerstellung anzugeben. Wenn nun nach eingetretener Uebung die Geschwindigkeit stark abnahm, die Umdrehungszeit also etwa 4 Secunden war, so konnte ein Ueber-gang von 4 auf 5 Secunden nur sehr wenig ausmachen. Nehmen wir der Einfachheit halber einmal an: bei Umdrehungszeit 4 Secunden h\u00e4tte der positive Fehler einen halben Theilstricli, also + 20 a Imtragen. Bei 5 Secunden sollte vielleicht die Tendenz zu einer Zeitverschiebung von nur 15 a vorhanden sein, das w\u00e4re hier 0,3 Theilstriche. Nat\u00fcrlich werden 3/'io Theilstriche nicht appercipirt. Vielmehr wird statt dessen ein halber Theilstricli Zeitverschiebung angegeben. Ein halber Theilstrich w\u00fcrde aber 25 o Zeitverschiebung bedeuten. Hieraus geht hervor, dass innerhalb ziemlich weiter Grenzen bei eingetretener Uebung und hoher Umdrehungszeit der Fehler in Tlieilstrichen constant werden muss, und das angef\u00fchrte Beispiel zeigt, dass hier eine Umrechnung in a nur T\u00e4uschungen hervorrufen d\u00fcrfte. Ich habe daher bei Curve 2 die hohen Umdrehungszeiten","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nMoritz Geiger.\nwegg\u00ealassen, gebe aber hier f\u00fcr die einzelnen Versuchspersonen die Gr\u00f6\u00dfe des constanten Fehlers in Theilstrichen an und zugleich, bei welcher Umdrehungszeit dieser constante Fehler einzutreten beginnt. Nat\u00fcrlich kommen auch oberhalb dieser Grenze bei einzelnen Versuchen noch andere als diese constanten Fehler vor, doch treten sie gegen\u00fcber den constanten Fehlern zur\u00fcck.\nTabelle\nder constanten Fehler nach eingetretener Uebung bei abnehmender Geschwindigkeit.\nBei Versuchsperson I II in IV V VI VII VIII Gr\u00f6\u00dfe des const. Fehlers\nin Theilstrichintervallen bis +0,5 0 \u20140,5 +0,5 \u20140,5 +0,5 \u20140,5 \u20141 Er beginnt bei einer\nUmdrehungszeit von:\t3,5 3,5\t4\t4\t3,5\t4\t4\t4 See.\nEs m\u00fcsste, wenn man die Umdrehungszeiten immer steigert, allm\u00e4hlich bei allen der constante Fehler 0 werden, doch lie\u00df mein Apparat nur bestimmte Umdrehungszeiten zu.\nNicht so einheitlich ist das Maximum der positiven Tendenz. Bei Curve 1 sollte man es \u00fcberall bei der Umdrehungszeit 0,9 erwarten, da einmal diese Versuchsreihe die gr\u00f6\u00dfte Geschwindigkeit zeigt, andererseits hier, da diese Beihe zeitlich die letzte der Curve 1 ist, die Ein\u00fcbung am meisten fortgeschritten\tsein\tm\u00fcsste. In\tWahrheit\nfinden wir das Maximum der positiven Tendenz der Curve 1\nbei Versuchsperson I II IV\tV\tVI VII\tVIII\nbei einer Umdrehungszeit\tvon:\t1,5 1,5 0,9\t0,9\t8\t0,9\t0,9\tSecunden.\nW\u00e4hrend also bei\tIV,\tV, VII und\tVIII\tthats\u00e4chlich bei 0,9 die\npositive Tendenz am gr\u00f6\u00dften ist, bei I und II sie nicht allzuweit von 0,9 entfernt liegt, weist VI eine scheinbare Ausnahme auf, da gerade hier bei langsamer Geschwindigkeit das Maximum des positiven Fehlers zu finden ist. Das findet eine ungezwungene Erkl\u00e4rung in dem oben Gesagten. Wir m\u00fcssen annehmen, dass auch bei uneinge\u00fcbten Beobachtern nicht bei jeder beliebigen Langsamkeit sich eine hohe negative Tendenz herausstellt, sondern dass auch bei ihnen sehr hohe Umdrehungszeiten keine negativen Fehler mehr hervor-rufen. Es ist begreiflich, dass hier starke individuelle Differenzen","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n369\nstattfinden k\u00f6nnen, dass Geschwindigkeiten, die bei dem einen noch gro\u00dfe negative Fehler hervorrufen, hei dem andern keine solche Tendenz mehr zur Folge haben. VI scheint sich in letzterem Falle zu befinden: 8 Secunden Umdrehungszeit scheint f\u00fcr VI schon eine zu langsame Bewegung des Zeigers zur Folge zu haben, als dass noch ein negativer Fehler eintreten k\u00f6nnte. Hierf\u00fcr spricht auch, dass hei einer Umdrehungszeit, die nicht allzuweit entfernt liegt, hei 5,5 Secunden, das Maximum der negativen Tendenz zu finden ist, dass also zwischen 5,5 und 8 f\u00fcr VI die Grenze der Negativit\u00e4t der Fehler liegt.\nDa hei Curve 2 Ein\u00fcbung und Geschwindigkeits\u00e4nderung gegen einander wirken, so k\u00f6nnen wir nicht mit irgendwelcher Sicherheit einen bestimmten Punkt der Curve als den wahrscheinlichsten an-\u25a0\u00ab\u00abgeben. an dem ein Maximum der positiven Tendenz zu erwarten ist. Nur soviel k\u00f6nnen wir sagen, dass dieses Maximum wahrscheinlich bei gro\u00dfer Geschwindigkeit eintritt, da wir annehmen d\u00fcrfen, dass bei Curve 2 die Ein\u00fcbung so weit vorger\u00fcckt ist, dass ihre noch eintretenden Fortschritte nicht im st\u00e4nde sind, dem Einfluss der Ab\u00e4nderung der Geschwindigkeit gleichzukommen. In der That finden wir das Maximum der positiven Tendenz der Curve 2 bei\nVersuchsperson\nI II IV V VI\tVH VIH\nbei einer Umdrehungszeit von 112\t12\t0,9\t1,5\tSecunden.\nBei III ist das positive Maximum der Curve bei der Umdrehungszeit von einer Secunde. Die anderen Eigenth\u00fcmlichkeiten der einzelnen Curven werden sp\u00e4terhin besprochen werden.\nBisher hatten wir eine Reihe von Einfl\u00fcssen kennen gelernt, die die Ein\u00fcbung auf die Zeitverschiebung hat. Es waren das folgende Momente :\n1)\tBei gleichbleibenden Geschwindigkeiten ruft die Ein\u00fcbung eine Tendenz der Zeitverschiebung nach der positiven Seite hervor.\n2)\tDie Ein\u00fcbung r\u00fcckt das Maximum der negativen Tendenz von geringen zu gr\u00f6\u00dferen Geschwindigkeiten.\nDazu kommen noch eine Anzahl von Einfl\u00fcssen, die sich nicht","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\tMoritz Geiger.\ndirect aus den Curven ergeben, die aber nichtsdestoweniger theilweise sehr charakteristisch sind.\nErstens werden die Fehlerschwankungen bei eingetretener Uebung weit geringer. Im allgemeinen r\u00fcckt die Fehlerzone enger zusammen, selbst wenn der Mittelwerth derselbe bleibt. Ich greife als Beispiel zwei Reihen der Versuchsperson V heraus, die beide einen mittleren Fehler von \u2014 0,5 Theilstrichen bei der Umdrehungszeit von 2 Secun-den zeigen. Die erste jedoch ist vor, die zweite nach eingetretener Uebung aufgenommen. Die erste Reihe umfasst 31 Versuche, die zweite 17 Versuche. Die mittlere Abweichung des Fehlers eines Versuchs vom mittleren Fehler der ganzen Reihe betr\u00e4gt bei der ersten Reihe 2,2 Theilstrichintervalle, bei der zweiten Reihe nur 1,1 Theilstrichintervall, also gerade die H\u00e4lfte. Diese Zahl beweist deutlich die Abnahme der Fehlerschwankungen.\nZudem hat auf die durch die Ein\u00fcbung hervorgerufene relativ gr\u00f6\u00dfere Constanz der Urtheile schon Pflaum1) aufmerksam gemacht,\nDagegen macht der Einfluss der Ein\u00fcbung sich in einem anderen Punkt, in dem man es h\u00e4tte erwarten sollen, nicht in gleicher Weise bemerkbar. Dieser Punkt ist die Zahl der Umdrehungen, die noting waren, bis ein Urtheil mit dem Bewusstsein einer gewissen Sicherheit erfolgen konnte. Die verschiedenen Personen verhielten sich hier individuell sehr verschieden. Bei den Einen gen\u00fcgte von Anfang an eine geringe Zahl von Umdrehungen (3 oder 4), damit das Urtheil erfolgen konnte. Bei diesen pflegte im allgemeinen keine oder nur eine geringe Aenderung der Zahl der ben\u00f6thigten Umdrehungen einzutreten. Andere dagegen gaben anfangs erst nach 20\u201430 Umdrehungen ihr Urtheil ab \u2014 das Maximum betrug 45 Umdrehungen \u2014 und bei diesen setzte die Ein\u00fcbung die Zahl der Umdrehungen stark herunter. Zum Theil h\u00e4ngt das mit der Art und Weise der Beobachtung zusammen, von der sp\u00e4ter die Rede sein soll. Um einen Ueberblick \u00fcber diese Verh\u00e4ltnisse zu verschaffen, gebe ich gleichsam einen Querschnitt, in dem ich eine Umdrehungszeit herausgreife, und die Zahl der ben\u00f6thigten Umdrehungen f\u00fcr diese Zeit in der Curve 1 und 2 einander gegen\u00fcberstelle. Ich w\u00e4hle hierzu die Zeit 3,5 (nur bei VIII ist an Stelle dieser nicht benutzten Umdrehungszeit die\n\u2018) a. a. 0. S. 141.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n371\nZeit von 3 Secunden getreten), als f\u00fcr Curve 1 ziemlich am Anfang, f\u00fcr Curve 2 ziemlich am Ende gelegen. Bei III ist die erste und die dritte Wiederkehr dieser Umdrehungszeit benutzt.\nEs wurden durchschnittlich bei der Umdrehungszeit von 3,5 Secunden ben\u00f6thigt zur F\u00e4llung des Urtheils bei\nYersuehsperson\nI\tII\tIII\tIV\tV\tVI\tVII\tVIII\nin Curve 1\t4.4\t3,5\t12,1\t9,52\t2,4\t3,88\t10,76\t4,83\nin Curve 2\t2,63\t4,53\t7,5\t6,4\t3,2\t3,1\t6,15\t7,7\tUmdrehungen.\nIn dieser Tabelle zeigen I, III, IV, VI und VII eine Abnahme, II, V und VIII eine Zunahme der ben\u00f6thigten Umdrehungen im zweiten Theil der Versuche, und zwar sind bei III, IV und VII beide Zahlen relativ hoch. Letzteres stimmt vollst\u00e4ndig zu den Thatsachen, w\u00e4hrend die Uebersicht \u00fcber die Abnahme und Zunahme einiger Correcturen bedarf. VII und noch mehr III zeigen auch bei Ber\u00fccksichtigung aller Resultate eine starke Abnahme der Umdrehungszahlen, IV und I eine geringe Abnahme, sowie II eine geringe Zunahme. Bei V dagegen bleiben sich die Umdrehungszahlen im allgemeinen gleich, w\u00e4hrend bei VIII ein starkes Schwanken in den Umdrehungszahlen vorhanden ist, das sich zuf\u00e4llig in der Tabelle in einer Zunahme \u00e4u\u00dfert. Ein generalisirendes Urtheil \u00fcber den Einfluss der Ein\u00fcbung auf die Zahl der Umdrehungen, die n\u00f6thig sind, um ein relativ sicheres Urtheil zu f\u00e4llen, l\u00e4sst sich daher nicht geben. Dagegen findet sich, dass wenigstens im allgemeinen mit wachsender Geschwindigkeit auch die Zahl der ben\u00f6thigten Umdrehungen w\u00e4chst.\nVon Einfluss war ferner die Ein\u00fcbung auf die Sicherheit, mit der die Urtheile gef\u00e4llt wurden. Anfangs kam es \u00f6fters vor, dass einzelne Versuchspersonen erkl\u00e4rten, \u00fcberhaupt kein sicheres Urtheil abgeben zu k\u00f6nnen, mit welcher Zeigerstellung der Schall gleichzeitig sei; oder sie erkl\u00e4rten, nur im st\u00e4nde zu sein, ungef\u00e4hr die Gegend der Zeigerstellung angeben zu k\u00f6nnen, oder sie gaben auch an, dass sie, ohne zu einer bestimmten Entscheidung zu kommen, zwischen zwei Theilstrichen hin- und herschwankten, die nicht einmal benachbart zu sein brauchten. Sp\u00e4terhin dagegen wurden die Urtheile fast immer mit dem Bewusstsein voller Sicherheit abgegeben.\nWie schon die fr\u00fcheren Beobachter bemerkt hatten, war \u00fcber-","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nMoritz Geiger.\nhaupt die Sicherheit des Urtheils yollkommen unabh\u00e4ngig von seiner Richtigkeit oder Falschheit. Oft sagten mir die Versuchspersonen, dass sie nicht ganz sicher im Urtheil seien. In anderen F\u00e4llen dagegen waren sie besonders davon \u00fcberzeugt, dass ihr Urtheil vollkommen richtig sei. Im Resultat zeigte sich, dass die Zeitverschiebung in den beiden F\u00e4llen sich in nichts unterschied, dass es vielmehr zuT f\u00e4llige Momente der Concentration der Aufmerksamkeit waren, die das Bewusstsein der Sicherheit hervorriefen.\nBiese Nachpr\u00fcfung der ' Resultate hat klar ergeben, dass meine Versuche weder mit denen der fr\u00fcheren Leipziger Beobachter, noch mit denen von Angell und Pierce vollkommen \u00fcbereinstimmten. W\u00e4hrend jene gefunden hatten, dass nur die Geschwindigkeit, diese, dass nur die Ein\u00fcbung auf die Gr\u00f6\u00dfe der Zeitverschiebung von Einfluss sei, ergaben meine Versuche, dass sowohl Geschwindigkeit des Zeigers als auch Ein\u00fcbung ihre Rolle bei den Angaben der Personen spielten.\nWie ist dieser Gegensatz gegen die fr\u00fcheren Resultate zu erkl\u00e4ren, von denen besonders die Leipziger Beobachtungen durch eine solche Menge von Resultaten \u2014 Tscliiscli hatte allein 5000 Versuche angestellt -\u2014 sichergestellt sind, dass ein Zweifel an ihrer Richtigkeit unm\u00f6glich entstehen kann? Betrachten wir zuerst das, was meine Versuche von denen von Wundt, Ts chi sch und Pflaum trennt, w\u00e4hrend es sie mit den Resultaten der Amerikaner zusammenf\u00fchrt: das Fehlen des Einflusses der Ein\u00fcbung bei den Leipziger Beobachtern. Das wesentliche Moment hierf\u00fcr ist wohl das, dass die Amerikaner, wie auch ich, mit Apparaten von gleichf\u00f6rmiger Geschwindigkeit arbeiteten, w\u00e4hrend beim Wundt\u2019sehen Pendelapparat, der in Leipzig benutzt wurde, die Geschwindigkeit stetig wechselte. Beim Pendelapparat ist eine Ein\u00fcbung ausgeschlossen, da zur Ein\u00fcbung die stetige Wiederholung des Gleichen geh\u00f6rt; das Einzige aber , was sich beim Pendelapparat wenigstens innerhalb einer Versuchsgruppe gleichbleibt, ist die Aufeinanderfolge der Schallreize und die Aufeinanderfolge des in der gleichen Zeit erfolgenden Hin- und Herganges des Pendels. Dagegen ist die Geschwindigkeit des Zeigers stetig wechselnd. Es kann also keine Anpassung an sie erfolgen. Dabei sind aber in jedem neuen Versuche die an sich gleich bleibenden Perioden von Schall- und Pendelschwingung gegen einander ver-","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsvei-suche.\n373\nschoben ; es kann sich keinerlei bestimmte Beziehung zwischen beiden herausbilden, der Schall, der jetzt bei y3 der Pendelschwingung erfolgte , ert\u00f6nt vielleicht das n\u00e4chste Mal am Ende, so dass auch dieser Umstand es nicht zu einer Ein\u00fcbung kommen l\u00e4sst. Mit beiden Momenten ist es hei den gleichf\u00f6rmigen Apparaten anders bestellt: die Geschwindigkeit des Zeigers ist gleichf\u00f6rmig; es kann eine Gew\u00f6hnung an diese bestimmte Geschwindigkeit eintreten. Und ferner: da die Umdrehung eine kreisf\u00f6rmige ist, die nicht die Richtung \u00e4ndert, so sind keine zwei markirten Perioden vorhanden, wie Schallaufeinanderfolge und Pendelschwingung, die sich von Versuch zu Versuch in ihrer zeitlichen Stellung gegen einander \u00e4ndern, sondern es ist nur die Periode der Aufeinanderfolge der Schalleindr\u00fccke vorhanden, die in die Kreisbewegung erst eine Periode hineinbringen. Hier sind also ganz andere Bedingungen gegeben, als beim Pendelapparat. Sp\u00e4ter wird von der Ein\u00fcbung ausf\u00fchrlich die Bede sein. Das hier Gesagte zeigt zur Gen\u00fcge, warum bei den Beobachtungen am Pendelapparat vom Einfluss der Uebung keine Bede sein konnte, der sich bei den Beobachtungen an der Complicationsulir so deutlich zeigt.\nEs konnte fraglich sein, ob die Ein\u00fcbung auch bei der Complica-tionsuhr nicht ausblieb, wenn man nicht ganze Reihen von Versuchen mit derselben Geschwindigkeit anstellte, sondern von Versuch zu Versuch die Geschwindigkeit des Zeigers wechseln lie\u00df. Ich stellte diese Versuche mit verschiedenen Personen an, mit solchen sowohl, die erst wenige Versuchsstunden gearbeitet hatten, als auch mit solchen, die schon l\u00e4nger beobachtet hatten. Bei den Ersteren, den Unge\u00fcbten, ergab sich, dass, wenn von Versuch zu Versuch die Geschwindigkeit ge\u00e4ndert wurde, bei einem raschen Uebergang von langsamen zu schnellen Geschwindigkeiten sie erkl\u00e4rten, ein directes Missbehagen zu versp\u00fcren, und nicht im st\u00e4nde zu sein, genaue Angaben zu machen. Es ergab sich daher die Nothwendigkeit, in stetigen Abstufungen vorzugehen. Ich that dies, indem ich, bei 5 Secunden beginnend, die Umdrehungszeit von Versuch zu Versuch um y2 Se-cunde verminderte bis zu einer Secunde, dann die Umdrehungszeit 0,9 nahm und ebenso von 0,9 bis 5 Secunden r\u00fcckw\u00e4rts ging. Ich machte etwa 350 Versuche auf diese Weise. Sie unterschieden sich in ihrem Ergehniss in keiner Weise von meinen sonstigen Versuchen. Die Ein\u00fcbung ging auch hier ruhig ihren Gang. Es scheint demnach, dass","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nMoritz Geiger.\ndie Ein\u00fcbung eine allgemeine ist, auf die Art und Weise des Beobachter \u00fcberhaupt, dass sie also nicht von Geschwindigkeit zu Geschwindigkeit wieder vollkommen neu zu geschehen braucht. Die entsprechenden Versuche mit Einge\u00fcbten zeigten demgem\u00e4\u00df der Hauptsache nach keine Aenderung gegen ihre sonstigen Versuche. Nur eine Thatsache war auffallend, dass gew\u00f6hnlich beim allm\u00e4hlichen Uebergang von langsamen Geschwindigkeiten zu schnellen an einer Stelle, etwa hei der Umdrehungszeit von 1,5, \u00f6fters starke negative Resultate vorkamen. Diese h\u00f6rten bei h\u00f6herer Geschwindigkeit auf und kehrten auch beim umgekehrten Uebergang von 0,9 zu 5 Secunden nicht wieder. Eine \u00e4hnliche Beobachtung machte ich auch sp\u00e4terhin, als ich nur mit Umdrehungszeiten von 2,5 und 1 Se-cunde arbeitete. Folgte auf eine Reihe von 2,5 direct eine solche von 1 Secunde, so war oft der erste Versuch stark negativ, die folgenden nicht mehr. Dagegen trat, wenn eine Reihe von 2,5 Secunden Umdrehungszeit auf eine von 1 Secunde folgte, keinerlei Besonderheit auf.\nWaren es objective Bedingungen, Verschiedenheiten des Apparates, auf denen in letzter Linie der Gegensatz meiner Resultate gegen\u00fcber den Leipziger Beobachtern beruhte, so sind es in erster Linie Bedingungen subjectiver Natur, die den Gegensatz zu den Resultaten der Amerikaner hervorrufen, die keinen Einfluss der Geschwindigkeit constatiren konnten. Der Unterschied liegt vor allen Dingen, wie ich glaube, begr\u00fcndet in der Art und Weise des Beobachtens. Wie schon oben bemerkt, stellte ich meinen Versuchspersonen die Art und Weise ihres Beobachtens vollkommen frei. Gegen Ende des ersten Theils meiner Beobachtungen bat ich meine Versuchspersonen, mir anzugeben, in welcher Weise sie zu ihren Resultaten gelangten. Von II, V und VI erhielt ich ausf\u00fchrliche schriftliche Darlegungen, \u00fcber meine eigene (VIII) Beobachtungsweise wusste ich genau Bescheid, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen Beobachter nur einige m\u00fcndliche Aussagen machten.\nEs stellte sich heraus, dass nicht alle Versuchspersonen auf gleiche Weise beobachteten. Es zeigten sich deutlich zwei Typen von Beobachtern, die freilich nicht ganz streng zu scheiden waren.\nBei dem einen Typus ging das Beobachten folgenderma\u00dfen vor sich: der Beobachter hatte von vornherein nicht die Absicht, den","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversucke.\n375\nOrt des Schalls m\u00f6glichst rasch festzustellen, sondern m\u00f6glichst ruhig sich den dargebotenen Eindr\u00fccken zu \u00fcberlassen. Der Beobachter folgte dem Zeiger mit den Augen, und er gab sich dem Eindruck ohne weitere Ueberlegung hin. Er suchte nicht den Schall, der bei den Umdrehungen auftrat, irgendwie mit einer bestimmten Stellung zu combiniren, sondern wartete, bis sich im Laufe mehrerer Umdrehungen, ohne sein Zuthun, erst eine bestimmte Gegend der ' Scala, dann ein bestimmter Theilstrich als der Ort des Schalles heraushob. War mehrmals nach einander der Schall mit einem bestimmten Theilstrich zusammengetroffen, so erfolgte die Angabe. Ich will diesen Typus den der \u00bbnaiven Beobachtung\u00ab nennen.\nGanz anders gingen die Beobachter des zweiten Typus vor: bei ihnen schien die Problemstellung zu sein : Suche m\u00f6glichst genau den richtigen Ort des Schalles zu ermitteln. Sie warteten daher nicht ab, bis sich im Verlauf mehrerer Umdrehungen eine Gegend der Scala oder ein Theilstrich heraushob, sondern, sobald der Schall ert\u00f6nte, suchten sie festzustellen, bei welchem Theilstrich etwa der Schall wohl gewesen sein mochte. Den betreffenden Theilstrich behielten sie dann im Auge, fixirten ihn bei der folgenden Umdrehung, suchten festzustellen, ob der Zeiger vor dem Eintritt des Schalls den Theilstrich passirte, corrigirten, wenn es nicht der Fall war, suchten etwa, wenn ein Theilstrich mit dem Schall zusammengetroffen schien, ob der vorhergehende oder folgende nicht noch besser zu passen schien, kurz, benutzten alle m\u00f6glichen H\u00fclfs-mittel, um den Ort des Schalles m\u00f6glichst genau und m\u00f6glichst schnell anzugeben. Ich will diese Art der Beobachtung im Folgenden stets die reflectirende nennen. Beide Ausdr\u00fccke sollen nur eine kurze Bezeichnung f\u00fcr die beiden hier n\u00e4her beschriebenen Arten der Beobachtung sein, ohne dass damit behauptet sein soll, dass bei der ersten die Reflexion \u00fcberhaupt mangele oder bei der zweiten eine an sich weniger nat\u00fcrliche Auffassungsweise vorliege. Man k\u00f6nnte die erste auch die Zeiger-, die zweite die Scalenbeobachtung nennen.\nAusgesprochen zu den naiv Beobachtenden geh\u00f6rten III, VII und VIII; zu den reflectirend Beobachtenden I, II und VI. So schreibt Versuchsperson II: \u00bbBei der ersten Umdrehung ward ungef\u00e4hr die Gegend bestimmt, in der der Zeiger eingestellt ist. Bei","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\nMoritz Geiger.\nden folgenden Umdrehungen der Punkt der Einstellung, und zwar so, dass der Blick, nachdem der Punkt bestimmt ist, einen Moment lang aufh\u00f6rt, die Stelle zu fixiren resp. dem Zeiger zu folgen. Dieser Moment wird dazu benutzt, das dem Punkt entsprechende Zahlzeichen klar bewusst zu machen. Bei den weiter folgenden Umdrehungen wird das gef\u00e4llte Urtheil controllirt .... Bei Ein\u00fcbung oder auch nur hei sehr langsamer Umdrehung entf\u00e4llt der erste Theilact (ungef\u00e4hre Bestimmung der Gegend), niemals aber der zweite und dritte.\u00ab\nVersuchsperson VI schreibt in Bezug auf diesen Punkt: \u00bbDas erste Glockenzeichen ist mir stets das Wichtigste. Wenn es mir gelingt, dieses gut aufzufassen, das hei\u00dft den Zeiger in dem betreffenden Moment einigerma\u00dfen zu localisiren, so besitze ich hei Abgabe des Urtheils ein besonderes Sicherheitsgef\u00fchl. . . . Ich brauche dann in der Hegel noch zwei Umdrehungen zur Controlle. Gelingt mir die Localisation des Zeigers beim ersten Klingelschlag schlecht, so bleibt das Endurtheil subjectiv unsicher, weil sich eine kleine Missstimmung einschleicht. Dieser Pall tritt gl\u00fccklicherweise nur bei einem kleinen Theil der Versuche ein.\u00ab\nMan erkennt an diesen beiden Auseinandersetzungen deutlich die \u00bbreflectirende\u00ab Beobachtung: Wichtigkeit des ersten Glockenzeichens, geringe Zahl der Umdrehungen, bewusstes Controlliren und Feststellen der betreffenden Stelle. Dass bei den naiv Beobachtenden weit mehr Umdrehungen bis zur Angabe des Resultates ben\u00f6thigt werden, best\u00e4tigt auch die Heranziehung der oben angef\u00fchrten Tabelle. Die reflectirend Beobachtenden (I, II, VI) zeigten die Umdrehungszahlen: 2,63; 3,1; 3,5; 3,88; 4,4; 4,13; die naiv Beobachtenden (III, VII, VIII) dagegen die weit h\u00f6heren Zahlen: 4,83; 6,13; 7,5; 7,7; 10,76; 12,1.\nIch selbst geh\u00f6rte w\u00e4hrend der hier in Betracht kommenden Untersuchung zu den naiv Beobachtenden. Von den oben citirten Angaben von II und VI trifft daher auf meine Beobachtungsweise kaum eine zu. Die ersten Umdrehungen hatten keinerlei Bedeutung f\u00fcr mich; ja manchmal war ich nach dem ersten Glockenschlag, wenn die Geschwindigkeit eine gro\u00dfe war, mir nicht bewusst, ob der Schall mit der oberen oder der unteren H\u00e4lfte der Scala zu com-biniren war. Zuweilen verband sich der Schall nach einiger Zeit","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complications versuche.\n377\nmit einem bestimmten Theilstricli und l\u00f6ste sich dann wieder von ihm. Manchmal verband sich der Schall sehr rasch mit einem Theil-strich, so dass ich nach dreimaliger Umdrehung schon das Resultat angeben konnte, manchmal brauchte ich 40 Umdrehungen, bis mir die Localisation gelang. Dabei hatte ich im Gegensatz zu VI bei schneller Angabe stets das Gef\u00fchl der Unsicherheit, da dann mit der Angabe das Bewusstsein verkn\u00fcpft zu sein pflegte, dass zuf\u00e4llige Einstellungen der Aufmerksamkeit f\u00fcr die Combination verantwortlich zu machen seien. Wenn nach einigen Umdrehungen dann ein bestimmter Theilstricli als zum Schall geh\u00f6rig sich herausstellte, so war ich mir niemals bewusst, selbst etwas dazu gethan zu haben, damit ein Theilstricli vor den andern ausgezeichnet werde, sondern ohne meinen Willen zog ein bestimmter Theilstricli mehr und mehr die Aufmerksamkeit auf sich.\nMan erkennt deutlich den gro\u00dfen Unterschied gegen die obigen Angaben; \u00e4hnlich, wie bei mir, war der Beobachtungsmodus auch bei den \u00fcbrigen naiv Beobachtenden. Bei den sp\u00e4teren Versuchsreihen, die in den oben angef\u00fchrten Curven nicht mehr zum Ausdruck kommen, beobachtete ich dagegen meist reflectirend. Der Grund ist wohl weniger in der eigentlichen Ein\u00fcbung durch Wiederholung zu suchen, als darin, dass ich mich w\u00e4hrend einiger Versuchsreihen zu einem bestimmten Zweck bem\u00fcht hatte, reflectirend zu beobachten, und dies mir jetzt das nat\u00fcrlichere geworden war. Im allgemeinen fand sich, dass die naiv Beobachtenden wohl im st\u00e4nde waren auch reflectirend zu beobachten, w\u00e4hrend das Umgekehrte fast nicht gelang. Dem naiv und dem reflectirend Combinirenden sind eigentlich nur zwei Momente gemeinsam: einmal geht bei Beiden der Feststellung des Theilstriches die Feststellung der Gegend des Theilstriches voraus, nat\u00fcrlich nur bei rascher Geschwindigkeit, und ferner tritt bei Beiden unter Umst\u00e4nden eine Correctur der Resultate ein. Beide Momente selbst aber, sowohl der Uebergang von der Feststellung der Gegend zur Feststellung des Theilstriches selbst, wie auch die Correctur des Resultats geschieht auf sehr verschiedene Weise. Bei den naiv Beobachtenden wird der Bezirk, in dem der Schall zu liegen scheint, ohne jede bestimmte Absicht, ganz von selbst, immer enger, ganz von selbst hebt sich ein einzelner Theilstricli als der richtige aus den \u00fcbrigen heraus. Dabei treten einige eigenartige","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nMoritz Geiger.\nErscheinungen auf: Es kommt dann bei den naiv Beobachtenden zuweilen vor, dass der Process gleichsam in der Mitte auf h\u00f6rt, dass nur die Gegend erkannt wird, in der der Schall liegt, ohne dass ein bestimmter Theilstrich sich heraushebt. Es erfolgt dann nach sehr vielen Umdrehungen etwa die Angabe: \u00bbIch kann nur sagen: der Schall ert\u00f6nt zwischen 75 und 85.\u00ab Ich erhielt eine Reihe von Angaben dieser Art von VII, auch einige von III und VIII. Merkw\u00fcrdig ist folgendes Ergebniss, von dem ich einige Beispiele bei VII und zwei hei III erhielt. Es kommt vor, dass der naiv Combinirende den Schall an zwei verschiedenen Stellen h\u00f6rt \u2014 nat\u00fcrlich nicht w\u00e4hrend derselben Umdrehung, vielmehr so, dass zuerst der Schall etwa bei 45 zu ert\u00f6nen schien, bei der folgenden Umdrehung hei 42, dann wieder bei 45 u. s. w., so dass endlich die Angabe erfolgte: 42 oder 45; aber nicht dazwischen. Jedesmal ist dann hei diesen Resultaten 3\u20147 Theilstriche Unterschied zwischen den beiden Angaben ; sie erkl\u00e4ren sich leicht aus den zuf\u00e4lligen Einstellungen der Aufmerksamkeit, die nat\u00fcrlich hei den naiv Combi-nirenden eine gro\u00dfe Rolle spielen m\u00fcssen. Hieraus erkl\u00e4rt sich ebenso, dass hei den naiv Combinirenden weit h\u00e4ufiger abnorme Fehler \u2014 bis zu 10 Theilstrichen \u2014 Vorkommen.\nGanz anders gehen die refiectirend Beobachtenden vor, wenn sie \u00fcbergehen wollen von der Gegend, in der der Theilstrich sich befindet, zu einer genaueren Feststellung des richtigen Theilstriches. W\u00e4hrend bei den naiv Beobachtenden aus einer nur ungef\u00e4hren Lage der mit dem Schall zusammentreffenden Zeigerstellung sich von selbst ein Theilstrich heraushebt, sucht der refiectirend Beobachtende sich die Gegend, auch ihrer Zahlenbenennung nach, immer deutlicher und deutlicher zu machen, zieht die Grenzen, innerhalb der der richtige Theilstrich liegen kann, immer enger, bis er zum richtigen Theilstrich gelangt. So schreibt VI: \u00bbVor dem ersten Glockenschlag pflege ich den Zeiger im indirecten Sehen zu verfolgen, indem ich das Centrum des Zifferblattes ins Auge fasse. Die Zeigerstellung im Augenblick des Signals localisire ich zwischen zwei F\u00fcnferstriche der Scala und zwar im indirecten Sehen. Bei der weiteren Umdrehung des Zeigers folgt das Auge ihm so, dass es seinen peripheren Theil fixirt. Ich brauche dann in der Regel noch zwei Umdrehungen zur Controlle, wobei ich das erste Mal pr\u00fcfe, ob der","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n379\nZeiger n\u00e4her beim zweiten F\u00fcnfertlieilstrich, das zweite Mal, ob er n\u00e4her beim ersten Fiinfertheilstrich des gesch\u00e4tzten Intervalls sich befindet, wenn der Glockenschlag erfolgt. Je nachdem nun das Ur-theil zu Gunsten des zweiten oder des ersten Theilstriches ausf\u00e4llt, erfolgt die endg\u00fcltige Sch\u00e4tzung der Zeigerstellung. Es handelt sich also bei der zweit- und drittmaligen Umdrehung um eine kleine Rechnung, indem Zeit- und Weg-Intervall in Proportion gesetzt werden. \u00ab\nMan sieht hier deutlich, wie bewusst und reflectirend bei VI die ganze Beobachtung vor sich geht. Von einem einfach sich dem Eindruck Ueberlassen ist keine Rede mehr; es ist eine Rechnung, ein Hin- und Her\u00fcberlegen, das zu der naiven Beobachtung den directen Gegensatz bildet.\nAnders ist die Art und Weise der Beobachtung bei V. Ich hatte ihn oben keinem der ausgesprochenen Beobachtungstypen zugerechnet, was sich sowohl ergibt, wenn man die Art seiner Fehler \u2022\u2014 wie die Art der Fehler beeinflusst wird durch den Beobachtungstypus, davon soll sp\u00e4ter die Rede sein \u2014 als auch wenn man seine eigenen Angaben betrachtet. Er beschreibt die Art und Weise seiner Beobachtungen folgenderma\u00dfen: \u00bb Dreifache Art der Beobachtungen: 1. Sch\u00e4tzen. Hach momentanem Eindruck ohne Ueberlegung \u2014 bei langsamer Rotation des Zeigers.\u00ab Das ist offenbar eine kurze Beschreibung dessen, was wir als naiven Beobachtungsmodus bezeichnet haben. Und weiter: \u00bb2. Vergleichen: Ebenfalls momentaner Eindruck, doch wird, nachdem bei der ersten Umdrehung die Gegend, in die das Glockenzeichen f\u00e4llt, festgehalten ist, aus derselben Theilstrich auf Theilstrich hervorgehoben, und bei jedem der Vergleich angestellt, ob das Glockenzeichen f\u00e4llt, bevor oder nachdem der Zeiger den Theilstrich passirt hat. In Anwendung kommt dabei die innere Beobachtung der Ueberraschung, wenn das Glockenzeichen eher, Spannung, wenn es sp\u00e4ter f\u00e4llt. Bei mittleren Geschwindigkeiten. 3. Reflexion; bei mittlerer und gro\u00dfer Geschwindigkeit. Erstens ein Sch\u00e4tzen, zweitens ein Vergleichen zwischen gr\u00f6\u00dferen Abst\u00e4nden (5 zu 5, 10 zu 10, zuweilen gar 20 zu 20), drittens Urtheil dar\u00fcber, ob dem einen oder dem andern Theilstrich n\u00e4her und um wieviel.\u00ab Die zweite Methode, das Vergleichen, wie V es nennt, ist, wie man sieht, eine Mischung aus naiver und reflectirender Beobachtung. Die Fest-\nWundt, Philos. Studien. XVIII.\tOK","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\nMoritz Geiger.\nStellung der Gegend geschieht naiv, aber dann wird ganz reflectirend Theilstricli nach Theilstrich vorgenommen und untersucht. Und zwar ist hier die Methode anders, als bei VI. Das Intervall des Schalls wird nicht enger und enger gezogen, sondern sofort zerlegt. In dem dritten Modus, den V Reflexion nennt, haben wir vollkommen die reflectirende Beobachtung.\nDas sind die Beobachtungsmethoden zur Feststellung der Stelle des Schalls, soweit sie mir angegeben waren. IV scheint \u00e4hnlich wie V eine Mittelstellung einzunehmen zwischen den beiden Typen.\nIst eine bestimmte Zeigerstellung als gleichzeitig mit dem Schall aufgefasst, so wird diese Combination so lange der Controlle unterworfen, bis das Bewusstsein der Sicherheit eintritt. Auch diese Controlle kann auf ganz verschiedene Weise ausgef\u00fchrt werden. Bei den naiv Beobachtenden geschieht sie einfach dadurch, dass beobachtet wird, ob sich bei den folgenden Umdrehungen der Schall wiederum mit der betreffenden Zeigerstellung verbindet. Ist das nicht der Fall, so wird mit der Angabe gewartet, bis mehrmals hintereinander der Schall mit einer bestimmten Zeigerstellung zusammentrifft. Bei den reflectirend Beobachtenden geht auch diese Controlle durch Reflexion vor sich. Vor allem, indem man die Combination des Schalls mit andern, als der richtig scheinenden Zeigerstellung versucht, oder indem man die in Betracht kommende Stelle fixirt und beobachtet, oh der Durchgang des Zeigers an dieser Stelle einen zeitlichen Zwischenraum erkennen l\u00e4sst. II schreibt hier\u00fcber: \u00bbBei den folgenden Umdrehungen wird das gef\u00e4llte Urtheil control-lirt, und zwar, indem die bestimmte Stelle fixirt wird, wie in den fr\u00fcheren Umdrehungen; oder f\u00fcr den Fall, dass der Blick bisher dem Zeiger folgte, indem er dem Zeiger vorauseilt und ihn an der durch das Urtheil bestimmten Stelle erwartet.\u00ab\nIch selbst, der ich die Feststellung des Theilstriches durch naive Beobachtung vornahm, benutzte trotzdem wenigstens zur Controlle eine Zeit lang die Methode, soweit zur\u00fcckzugehen, bis ein zeitlicher Unterschied zwischen der betreffenden Zeigerstellung und dem Schall bemerkbar wurde. Nat\u00fcrlich kamen hier ganz andere Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten in Betracht, wie vor allem die Gr\u00f6\u00dfe der Schwelle f\u00fcr den zeitlichen Zwischenraum, so dass aus dem Rahmen des Ganzen fallende, negative Fehler eintraten. Es zeigt sich das deutlich hei der","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuclie.\n381\nCurve von VIH. Etwa von Umdrehungszeit 4 Secunden bis 1,5 Se-cunden erstreckt sich diese Art der Beobachtung, in die ich, ohne es zu wollen, gerieth. Als ich es bemerkte, wandte ich mich wieder ganz der naiven Beobachtung zu und sofort sank die Zeitverschiebung von \u2014 85 a bis \u2014 4 a. Hieraus erkl\u00e4rt sich auch die oben als auff\u00e4llig erw\u00e4hnte Thatsache, dass das negative Maximum dieser Curve bei 3 Secunden liegt.\nEs muss jetzt von dem Einfluss die Rede sein, den die verschiedenen Beobachtungsmodi auf die Gr\u00f6\u00dfe und Art der Fehler haben. Es erscheint nicht von vornherein ausgemacht, dass der Beobachtungsmodus \u00fcberhaupt von Einfluss auf die Fehlergr\u00f6\u00dfe ist. Es erscheint gleichg\u00fcltig, wie ich dazu komme, den Ort des Schalles festzustellen. Die Erfahrung lehrt das Gegentheil: Wir hatten I, H, YT als dem reflectirenden, III, VII, VIII als dem naiven Typus zugeh\u00f6rig anerkannt, w\u00e4hrend IV und V keinem von beiden zugerechnet waren. Ein Blick auf die Tabelle zeigt uns deutliche Unterschiede bei den beiden Typen: wir sehen bei III, YII und YHI (bei III ist das oben Gesagte zu beobachten) alle Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten, von denen wir oben redeten, deutlich ausgepr\u00e4gt:\nCurve 2 ist positiver als Curve 1.\nInnerhalb der Curven ist ziemlich regelm\u00e4\u00dfig ein Aufsteigen der Curven bis zu ihrem Maximum von links nach rechts ohne viel Schwankungen.\nAnders bei den reflectirend Beobachtenden:\nBei I zwar entspricht Curve 1 ziemlich den Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten, Curve 2 dagegen zeigt ein fortw\u00e4hrendes Auf und Ab.\nBei H weder in Curve 1 noch in Curve 2 irgend welche Regelm\u00e4\u00dfigkeit, ebenso bei VI. Die Curven von Y geh\u00f6rten mehr zu den regelm\u00e4\u00dfigen, die Curven von IY mehr zu den unregelm\u00e4\u00dfigen.\nFreilich, wenn man von diesen Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten absieht und nur den ungef\u00e4hren Gang der Curve ins Auge fasst, so gelten, wie oben gezeigt wurde, auch hier noch die angef\u00fchrten Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten. Deutlich zeigt sich vor allem auch hier der Einfluss der Uebung in dem raschen, \u00fcberall vorhandenen Sinken von Curve 1, obwohl auch hier bei den Reflectirenden einige Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten Vorkommen. Dass jedoch auch bei diesen der Einfluss der Geschwindigkeit nicht verschwunden ist, ergibt sich auch vor allem\n25*","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\nMoritz Geiger.\ndaraus, dass \u00fcberall, wie oben constatirt, bei Curve 2 das Minimum etwa bei 2,5 Secunden Umdrehungszeit liegt. Freilich ist dieser Einfluss sehr gering gegen\u00fcber dem der Uebung.\nDer Einfluss der Uebung also zeigt sich bei beiden Beobachtungsweisen, der der Geschwindigkeit dagegen bei den reflectirend Beobachtenden sehr wenig.\nAuch die Art des Fehlers wird durch den Beobachtungsmodus ver\u00e4ndert, nicht nur seine Gr\u00f6\u00dfe. Bei den naiv Beobachtenden III, VII und VIII liegen beide Curven im Negativen, bei I, II und VI der gr\u00f6\u00dfere Theil im Positiven. Auch hier schlie\u00dft sich V n\u00e4her an die naiv Beobachtenden, IV n\u00e4her an die reflectirend Beobachtenden an.\nOffenbar spielen bei den Reflectirenden augenblickliche subjective Dispositionen eine weit gr\u00f6\u00dfere Rolle, so dass der Einfluss der Geschwindigkeit nur in allgemeinsten Z\u00fcgen zur Geltung kommt.\nWir k\u00f6nnen wohl verallgemeinernd sagen: Bei der naiven Beobachtung zeigt sich gemeinsam mit der reflectirenden der Einfluss der Uebung. Dagegen gibt die naive Beobachtung fast durchweg negative Resultate, und sie ist dem Einfluss der Aendeiung dei Geschwindigkeiten, nicht aber zuf\u00e4lligen Tagesdispositionen \u2014 sp\u00e4ter wird hiervon noch die Rede sein \u2014 stark unterworfen. Die reflec-tirende Beobachtung ergibt nur anfangs bei allen Versuchspersonen negative Resultate, sp\u00e4terhin werden die negativen Resultate selten. Der Einfluss der Geschwindigkeit auf die Gr\u00f6\u00dfe des Fehlers ist gering, gro\u00df dagegen der Einfluss der Disponirtheit des Beobachters.\nDa wir sahen, von wie gro\u00dfem Einfluss bei meinen Versuchen der Beobachtungsmodus auf die Art und Gr\u00f6\u00dfe der Fehler war, so liegt die Frage nahe, wie es mit dem Beobachtungsmodus bei den fr\u00fcheren Beobachtern bestellt war.\nWas die Leipziger Beobachter betrifft, so fand ich in ihren in Betracht kommenden Arbeiten keine Angaben \u00fcber den Beobachtungsmodus. Aus den Resultaten \u2014 \u00fcberwiegend negative Zeitverschiebung und regelm\u00e4\u00dfiger Einfluss der Geschwindigkeit \u2014 scheint man auf den naiven Beobachtungsmodus schlie\u00dfen zu d\u00fcrfen. Gl\u00fccklicherweise war ich in der Lage, zwei der fr\u00fcheren Beobachter befragen und einige Versuche mit ihnen anstellen zu k\u00f6nnen. Und zwar stellte sich unter Herzuziehung dieser fr\u00fcheren Beobachter heraus, dass","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuclie.\n383\nmeine Vermuthung keineswegs richtig war: zwar hatte Wundt seine Beobachtungen alle mit dem naiven Modus angestellt, dagegen wandte Wirth (siehe die Arbeit von Pflaum!) die reflectirende Beobachtung an. Dennoch finden wir in den Resultaten am Complicationspendel keinerlei Unterschiede zwischen beiden, w\u00e4hrend, wie gezeigt, bei meinen Versuchen der Beobachtungsmodus von gr\u00f6\u00dfter Wichtigkeit war.\nVersuche mit dem Pendelapparat gaben mir die Ueberzeugung, dass auch hier die L\u00f6sung des R\u00e4thsels wohl im Apparat zu suchen ist. Beim Pendelapparat kann die fixirende Beobachtung der Scala und das ruhige Abwarten des Herankommens des Zeigers, wie es dem reflectirenden Modus charakteristisch ist, wegen der Unstetigkeit der Zeigerbewegungen nicht so ungest\u00f6rt zu st\u00e4nde kommen. Daneben kommt vielleicht noch in Betracht, dass die Theilstriche heim Pendelapparat sich nicht so deutlich vom Hintergr\u00fcnde abheben, daher es stets einiger Aufmerksamkeit bedurfte, um einen bestimmten Tlieilstrich zu appercipiren ; demnach sich auch hierdurch reflectirende und naive Beohachtungsweise einander n\u00e4herten. Daher war f\u00fcr den Pendelapparat der Beobachtungsmodus gleichg\u00fcltig. Dass er es bei meinen Versuchen nicht war, haben wir gesehen. Von den Gr\u00fcnden soll im theoretischen Theil die Rede sein.\nF\u00fcr die amerikanischen Beobachter dagegen war, da sie mit einem \u00e4hnlichen Apparate wie ich arbeiteten, der Beobachtungsmodus nicht gleichg\u00fcltig. In der That gehen Angell und Pierce auch an, wie sie beobachteten. Sie sagen (a. a. O. S. 533): \u00bbWir gebrauchten folgende Methode: Wir folgten dem Zeiger hei seiner ersten Umdrehung, bis der Schall geh\u00f6rt wurde. Hierauf versuchten wir, die Bewegung der Augen momentan anzuhalten. Der Punkt der Scala, den wir so erhielten, wurde als Grundlage f\u00fcr die n\u00e4chste Umdrehung genommen, wenn etwa Correcturen anzubringen waren ... So schien unsere nat\u00fcrliche Methode, auf der Scheibe einen angen\u00e4herten Punkt auszuw\u00e4hlen und dann darauf zu achten, wann er durch den sich drehenden Zeiger bedeckt wurde. Unmittelbar, wenn das geschehen war, wandte sich die Aufmerksamkeit dem Schall zu, um zu bestimmen, ob er eingetreten war oder nicht. Dieser Vorgang wurde so lange wiederholt \u2014 unter Anbringung der nothwendigen Correcturen \u2014 bis ein Punkt der Scala erreicht war, bei dem der Zwischen-","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nMoritz Geiger.\nraum zwischen dem Schall und dem Augenblick, in dem der Zeiger den Theilstrich dem Beschauer verdeckte, zu verschwinden schien.\u00ab\nObwohl ich glaube \u2014 sp\u00e4terhin wird die Begr\u00fcndung folgen \u2014 dass diese Schilderung des vorliegenden Thatbestandes nicht ganz richtig ist, so geht doch so viel zur Gen\u00fcge daraus hervor, dass der Beobachtungsmodus ein durchaus reflectirender war. Kein Wunder daher, wenn sich bei ihren Arbeiten alle Resultate zeigten, so wie wir sie bei dem reflectirenden Typus gefunden hatten : wenig negative Fehler, gro\u00dfer Einfluss der Uebung, geringer Einfluss der Geschwindigkeit.\nDie Amerikaner geben an, \u00fcberhaupt keinen Einfluss der Geschwindigkeit constatirt zu haben, Das ist wohl m\u00f6glich; denn auch wir haben bei I, II und VI nur einen geringeren Einfluss der Geschwindigkeit constatiren k\u00f6nnen, der auch erst bei einer gro\u00dfen Anzahl von Versuchen zu Tage trat. Da die Amerikaner weit weniger Versuche anstellten, so ist es begreiflich, dass sie den Einfluss der Geschwindigkeit nicht bemerken konnten. Immerhin w\u00e4re es w\u00fcn-schenswerth gewesen, wenn sie f\u00fcr dieses negative Resultat, das allen fr\u00fcheren Beobachtungen so sehr widersprach, Zahlenwerthe angegeben h\u00e4tten.\nAuch der zweite Widerspruch, der Wegfall des Einflusses der Geschwindigkeit, l\u00f6st sich also ebenfalls auf eine einfache Weise. Er ist darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dass es bei Uhrenapparaten eine doppelte Weise des Beobachtens gibt, und die Amerikaner gerade diejenige angewandt hatten, die sie zu einem von den fr\u00fcheren Beobachtungen abweichenden Resultat f\u00fchren musste.\nd. Einfluss der Aufmerksamkeitseinstellungen auf die Zeitverschiebungen.\nBisher war nur die Rede davon, welchen Einfluss Geschwindigkeit und Uebung auf die Resultate haben. Daneben existiren eine Reihe anderer Momente, von denen eines und das andere bisher schon gestreift wurde, die das Resultat beeinflussen.\nEs sind das vor allem:\n1)\tzuf\u00e4llige individuelle Dispositionen;\n2)\tdie ausgezeichneten Theilstriche ;","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n385\n3) die Stelle auf der Scala, an der der Zeiger den Schall ausl\u00f6ste.\nWas die individuellen Dispositionen betrifft, so waren es einmal ausgesprochene individuelle Differenzen. Yom Beobachtungsmodus wurde schon oben ausf\u00fchrlich gesprochen. Da ich den einzelnen Beobachtern die Art und Weise ihres Beobachtens \u00fcberlie\u00df, so liegt darin, zu welchem Beobachtungstypus der Einzelne geh\u00f6rt, schon eine individuelle Differenz. Aber innerhalb desselben Typus gab es noch manche Variation. Wir hatten oben schon erw\u00e4hnt, dass f\u00fcr VI offenbar die Umdrehungszeit von 8 Secunden die Grenze der noch negative Fehler erzeugenden Geschwindigkeiten schon \u00fcberschreitet. Ebenso hatte ich an III das Beispiel, dass die Umdrehungszeit von 1 und 0,9 Secunden die Grenze der noch bequem auffassbaren Geschwindigkeiten zu \u00fcberschreiten anfing, wie sich daraus ergab, dass ganz unvermittelt pl\u00f6tzlich sehr gro\u00dfe negative oder positive Fehler auftauchten, wie auch daraus, dass III selbst erkl\u00e4rte, dass ihm die Angabe bei diesen Geschwindigkeiten. Schwierigkeiten bereite. Ferner zeigten sich die individuellen Differenzen nat\u00fcrlich auch darin, dass die Curven mehr oder weniger negativ ausfielen, in ihrem schnelleren oder langsameren Abfall und dergl.\nNeben den individuellen Unterschieden waren auch in demselben Individuum an verschiedenen Tagen ganz verschiedene Bedingungen gegeben. Wir haben schon erw\u00e4hnt, dass hei den reflectirend Beobachtenden diese wechselnden Dispositionen eine sehr gro\u00dfe Bolle spielten, bei den naiv Beobachtenden fast gar keine. Doch konnte diese Disposition auch auf den Beobachtungsmodus selbst von Einfluss sein. Das war vor allem bei V der Fall, der ja an sich zu keinem bestimmten Typus geh\u00f6rte. Vielmehr zeigte es sich, dass es ihm an manchen Tagen unm\u00f6glich war, reflectirend, an anderen wieder naiv zu beobachten, w\u00e4hrend er manchmal sowohl naiv, als reflectirend beobachten konnte. Bei der sp\u00e4teren H\u00e4lfte meiner Versuche beobachtete V nur noch naiv. Die zuf\u00e4lligen Dispositionen wirkten bei den reflectirend Beobachtenden in sehr verschiedener Weise. Doch konnte ich bemerken, dass Erm\u00fcdung und Erregung gew\u00f6hnlich die Wirkung hatten, dass die abnormen Fehler Zunahmen, und au\u00dferdem die Urtheile unsicherer wurden. Daneben auch die Wirkung, dass die Kesultate negativer ausfielen als sonst. Ich hatte hierf\u00fcr drei","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nMoritz Geiger.\ncharakteristische Beispiele: Als mir die abnormen negativen Fehler hei IY einmal auffielen, erfuhr ich auf Befragen, dass er die Nacht vorher durchgereist war und nicht geschlafen hatte; ebenso hei II, dass ein Brief ihn in au\u00dferordentliche Erregung versetzt hatte; hei V, dass er Abends einen Vortrag zu halten hatte, der ihn in Lampenfieber versetze. Immerhin sind diese zuf\u00e4lligen Dispositionen zu schwer fassbar, als dass sich wirklich werthvolle Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten daraus ableiten lie\u00dfen.\nWeiterhin sind von Einfluss auf das Resultat die ausgezeichneten Theilstriche. Bei der Beschreibung des Apparates ist erw\u00e4hnt worden, dass die Theilstriche 10, 20 u. s. w. stark verl\u00e4ngert und mit Ziffern versehen waren, w\u00e4hrend die Theilstriche 5, 15 u. s. w. nur wenig verl\u00e4ngert waren. Es ergab sich, dass alle Beobachter, besonders zu Anfang, eine starke Tendenz hatten, den Schall auf solche, durch Verl\u00e4ngerung ausgezeichnete Theilstriche zu verlegen. Freilich waren auch hier starke individuelle Differenzen vorhanden. W\u00e4hrend z. B. VI dieser Tendenz kaum unterworfen war, verlegte I im Anfang bei 70% aller Versuche den Schall auf einen ausgezeichneten Theil-strich. Sp\u00e4terhin nahm diese Tendenz bedeutend ab.\nAm st\u00e4rksten waren I und II der Tendenz unterworfen, am wenigsten VI und VIII.\nMan k\u00f6nnte glauben, die Tendenz, den Schall auf ausgezeichnete Theilstriche zu verlegen, m\u00fcsste von Einfluss auf das Endergebniss, demnach auf die Gestalt der Curve sein. Dass das nicht der Fall ist, wenn nur der Schall m\u00f6glichst gleichm\u00e4\u00dfig \u00fcber die ganze Scala vertheilt wird, zeigt die n\u00e4here Ueberlegung. Es sei die durchschnittliche negative Zeitverschiebung der Reihe in Theilstrichintervallen a. Wenn also \u00a3 die wirkliche Stelle des Schalles ist, so erfolgt bei x die Angabe z \u2014 a, ist & +1 die Stelle des Schalls, die Angabe % \u2014 a + 1, bei x + 2 die Angabe z \u2014 a + 2 u. s. w.\nNun kommt noch die Wirkung der ausgezeichneten Theilstriche hinzu; diese sollen bewirken, dass bei einem Theilstrich vor und nach dem F\u00fcnferstrich nicht der zu erwartende Theilstrich, sondern der F\u00fcnferstrich angegeben wird.\nIst der Schall also in dem Intervall x bis x + 4, so sollten erfolgen die Angaben x \u2014 a, x \u2014 a-\\- 1, x \u2014 a 2, x \u2014 a -\\- 3. Statt dessen erfolgen durch die Wirkung der ausgezeichneten Theilstriche","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n387\ndie Angaben % \u2014 a, z \u2014 a, z \u2014 a + 2, & \u2014 a + 3, z \u2014 \u00ab + 5- Die Summe der hier gemachten Fehler ist also a a + \\ + a + a + a \u2014 1, also 5 a. Der Durchschnittsfehler demnach war a, genau so, wie wenn der Einfluss der ausgezeichneten Theilstriche nicht dagewesen w\u00e4re. Wir haben hier ein ganz beliebiges Intervall auf der Scheibe von 5 Theilstriclien herausgegriffen. Wenn also nur der Schall gleichm\u00e4\u00dfig bei den Versuchen \u00fcber die Scheibe vertheilt ist, so m\u00fcssen die Resultate, die auf die ausgezeichneten Theilstriche fallen, denselben Durchschnittsfehler zeigen wie die andern Resultate. Das ergibt sich denn auch in der That mit gro\u00dfer Ann\u00e4herung. Ich greife zum Beweise eine Reihe heraus: Es ist eine Reihe von 29 Versuchen, die Umdrehungszeit betr\u00e4gt 2 Secunden, sie geh\u00f6rt den Versuchen der Person I an. Von den 29 Versuchen war bei 17 die Angabe auf einen ausgezeichneten Theilstrich gefallen, bei 12 nicht. F\u00fcr die 17 Resultate der F\u00fcnferstriche betr\u00e4gt die Summe der Fehler in Theilstrichen fl- 15,5; der durchschnittliche Fehler also + 15,5 : 17 = -f- 0,9. Die Summe der Fehler der andern Resultate betr\u00e4gt + 12; der Durchschnittsfehler ist demnach -f- 1 in Theil-strichintervallen, stimmt also fast ganz mit dem Durchschnittsfehler der Resultate, die auf die ausgezeichneten Theilstriche gefallen waren, -j- 0,9, \u00fcberein.\nEs bleibt nur noch ein Moment \u00fcbrig, das die Resultate wesentlich beeinflusste, das durch seine Eigenart merkw\u00fcrdig war: Es hat sich schon ziemlich bald bei meinen Versuchen herausgestellt, dass es f\u00fcr die Gr\u00f6\u00dfe der Zeitverschiebung keineswegs gleichg\u00fcltig war, ob der Schall mit einer Stellung des Zeigers zusammenfiel, die oben, unten oder an der Seite der Scala sich befand. Es gelang mir anfangs nicht, genau festzustellen, wie diese Stellung des Zeigers auf der Scala beim Ausl\u00f6sen des Schalls die Resultate beeinflusste. Einmal waren anfangs, wie schon oben bemerkt, die Fehler \u00fcberhaupt unregelm\u00e4\u00dfiger. Sp\u00e4terhin, als die Fehler constanter wurden, auch die Uebung nicht mehr von Stunde zu Stunde Aenderungen in den Fehlern hervorbrachte, war das Moment hinderlich, das wir soeben besprochen haben: der Einfluss der ausgezeichneten Theilstriche. Wir hatten constatirt, dass dieser Einfluss sich in den Ourven nicht bemerkbar machte, denn hier kam es auf Durclischnittswerthe der ganzen Scala an. Dagegen, um den","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nMoritz Geiger.\nEinfluss der Stellung des Zeigers auf das Resultat zu untersuchen, war es nothwendig, die Resultate einzeln zu vergleichen, und hier wurde die Gr\u00f6\u00dfe des Fehlers durch den Einfluss der ausgezeichneten Theilstriche in hohem Ma\u00dfe bestimmt. Es musste also versucht werden, den Einfluss der ausgezeichneten Theilstriche zu eliminiren, um den Einfluss der Stellung des Zeigers auf der Scala in ihrem Yerh\u00e4ltniss zur Gr\u00f6\u00dfe des Fehlers zu untersuchen. Ich werde im Folgenden von der Abweichung der Zeitverschiebung vom mittleren Fehler der ganzen Reihe, die dadurch hervorgerufen ist, dass der Zeiger sich im Moment des Schalls an irgend einer bestimmten Stelle der Scala befand, als dem Stellen fehler reden.\nUm die Wirkung der ausgezeichneten Theilstriche zu beseitigen, traf ich folgende Einrichtung: Auf die Milchglasscheibe wurde ein Ring aus starker wei\u00dfer Pappe aufgesetzt, der die Theilstriche und Ziffern ganz bedeckte. Festgehalten wurde dieser Ring durch einen Ueberzug aus fester schwarzer Pappe, der die ganze Vorderseite des Apparates eng anschlie\u00dfend bedeckte, und der durch an der Seite angebrachte B\u00e4nder seinerseits an dem hinteren Tlieil des Apparates festgemacht war, so dass dieser Ueberzug den Pappering fest wider die Glasscheibe presste. Auf diesem wei\u00dfen Pappering war eine neue Scala angebracht durch Aufkleben schwarzer Papierstreifen, die sich von der fr\u00fcheren Scala dadurch unterschied, dass keinerlei verl\u00e4ngerte oder sonstwie ausgezeichnete Striche vorhanden waren. Au\u00dferdem war die Eintheilung nur in f\u00fcnfzig (statt in hundert) Theilen, um die Uebersicht bewahren zu k\u00f6nnen. Oben, unten, rechts und links waren kaum sichtbare, jedenfalls w\u00e4hrend des Versuches nicht die Aufmerksamkeit auf sich lenkende Bleistiftpunkte an den Theilstrichen angebracht, die den Theilstrichen 1, 13, 26 und 38 entsprachen. Die Beobachter machten ihre Angaben, indem sie mit einem Stab auf denjenigen Theilstrich deuteten, an welchem der Zeiger zu sein schien, als der Schall ert\u00f6nte. Durch die Bleistiftpunkte war dann eine ziffernm\u00e4\u00dfige Feststellung des betreffenden Theilstrichs m\u00f6glich.\nHierbei stellte sich denn heraus, dass der Stellenfehler in der That vorhanden war. Ich stellte meine Versuche an 5 Versuchspersonen an, von denen von den fr\u00fcheren nur V und VTTT betheiligt waren, w\u00e4hrend drei, die ich mit IX, X und XI bezeichne, neu","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n389\nhinzukamen. Ich arbeitete nur mit zwei verschiedenen Geschwindigkeiten, da ich annehmen durfte, dass, was f\u00fcr zwei verschiedene Geschwindigkeiten galt, sich verallgemeinern lie\u00df. Ich w\u00e4hlte dazu als schnelle Geschwindigkeit die Umdrehungszeit des Zeigers von einer Secunde, und ferner diejenige Geschwindigkeit, hei der sich mir nach eingetretener Uebung das Maximum des negativen Fehlers ergehen hatte: die Umdrehungszeit von 2,5 Secunden. Ich machte rund 1500 Versuche zur Untersuchung des Stellenfehlers, 150 etwa mit jeder Person und jeder Geschwindigkeit. Ich machte etwa 20 Versuche mit einer Geschwindigkeit zu Beginn der Versuchsstunde, und nahm dann die andere Geschwindigkeit vor, sodass ich als Vergleichseinheiten Iteihen von rund 20 Versuchen erhielt.\nAls allgemeinstes Resultat ergab sich: Der durchschnittliche Fehler zeigte auf der rechten Seite der Scala, also, wenn der Schall mit dem herabgehenden Zeiger verkn\u00fcpft war, eine Abweichung von dem Gesammtfehler nach der positiven Richtung, auf der linken Seite der Scala, wenn der Schall vom aufw\u00e4rts gebenden Zeiger ausgel\u00f6st wurde, einen negativen Stellenfehler. Dieses Resultat ergab sich bei allen Versuchspersonen mit erstaunlicher Regelm\u00e4\u00dfigkeit, ganz unabh\u00e4ngig vom Beobachtungsmodus oder sonstigen individuellen Bedingungen. Unter den 79 Versuchsreihen war der Durchschnittsfehler der Versuche nur bei dreien derart, dass der aufw\u00e4rts gehende Zeiger einen etwas positiveren Stellenfehler ausl\u00f6ste, als der abw\u00e4rts gehende. Das entspricht einer Abweichung von der Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit um weniger als 4\u00b0/0; das ist bei derartigen Versuchen, bei denen geringe Schwankungen der Aufmerksamkeit eine gro\u00dfe Rolle spielen, eine sehr geringe Abweichung.\nIch lasse f\u00fcr die einzelnen Personen und die einzelnen Geschwindigkeiten die Fehlergr\u00f6\u00dfe folgen. In Colonne 1 (s) ist die Umdrehungszeit des Zeigers in Secunden angegeben, in Colonne 2 (d) der durchschnittliche Fehler in a, der von der betreffenden Person bei den 150 Versuchen gemacht wurde; in Colonne 3 (I) der Durchschnittsfehler in er, der rund 75 Versuche, wenn das Abw\u00e4rtsgehen des Zeigers mit dem Schall zusammentraf, in Colonne 4 (II) dasselbe f\u00fcr den aufw\u00e4rtsgehenden Zeiger.","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\nMoritz Geiger.\nZeitverschiebung in a.\ns\tVersuchsperson V d I I 1\t\tH\ts\tVersuch d\tsperson X I\tII\n2,5\t\u2014 30\t\u2014 22\t\u2014 38\t2,5\t\u2014 13\t0\t\u2014 25\n1\t\u2014 12\t\u2014 5\t\u2014 19\t1\t\u2014 7\t+ 2\t\u2014 15\ns\tVersuchsp d\terson VIII I\tII\tVersuchsperson XI s | d j\tI\t\t\tII\n2,5\t+ 23\t+ 48\t\u2014 2\t2,5\t+ 8\t+ 12\t+ 3\n1\t+ 21\t+ 41\t+ 2\t1\t+ 5\t+ 11\t\u2014 2\ns\tVersuchs] d\tperson IX I\tII\t\t\t\t\n2,5\t+ 3\t+ 16\t-10\t\t\t\t\n1\t\u2014 1\t+ 11\t-13\t\t\t\t\nDiese Zahlen zeigen in Bezug auf den Einfluss der Geschwindigkeit, in Hinsicht auf die Fehlergr\u00f6\u00dfe, keinen Einfluss. Denn nur hei Y und X ist der Fehler hei der Umdrehungszeit 2,5 negativer als bei 1 Secunde. V ist thats\u00e4chlich auch die einzige der 5 Personen, die ausschlie\u00dflich naiv beobachtet. Es zeigt sich dagegen deutlich, wie bei allen Personen der Stellenfehler des aufw\u00e4rtsgehenden Zeigers negativer ist als der des abw\u00e4rtsgehenden, derart, dass meist der Stellenfehler des aufw\u00e4rtsgehenden Zeigers auch absolut negativ, der des abw\u00e4rtsgehenden auch absolut positiv ist. Ferner zeigt sich, dass die Geschwindigkeit des Zeigers f\u00fcr die Gr\u00f6\u00dfe des Stellenfehlers relativ gleichg\u00fcltig ist. Sie war h\u00f6chstens, und auch nicht einmal durchgehends, f\u00fcr die gr\u00f6\u00dfere Geschwindigkeit ein wenig geringer. Es betr\u00e4gt, wie sich aus den angef\u00fchrten Zahlen ergibt, der Stellenfehler f\u00fcr jede der beiden H\u00e4lften\nbei Versuchsperson VIII\tIX\tX\tXI\tV\nund der Umdrehungszeit\t2,5 See.\t24\t13\t12\t4\t8\n1\t20\t12\t8\t7\t7\nin a abgerundet.","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n391\nWeiterhin ist von Interesse, wie sich der Stellenfehler innerhalb der beiden H\u00e4lften gestaltet, ob die negative Abweichung auf den ganzen aufsteigenden Halbkreis, die positive auf den absteigenden gleichm\u00e4\u00dfig vertheilt ist. Das ist keineswegs der Fall. Aus den angegebenen Zahlen, welche f\u00fcr Beobachter Y und VHI in Fig. 9 und 10 graphisch dargestellt sind, kann man erkennen, wie f\u00fcr die einzelnen Personen und Geschwindigkeiten sich die Stellenfehler im Einzelnen ergehen haben. Ich habe stets alle Werthe der Zeigerstellungen zwischen 50 bis 5,5 bis 10, 10 bis 15 u. s. w. zusammengenommen, und f\u00fcr jedes Intervall das Mittel berechnet. Nach den so gefundenen Werthen sind dann die Curven construirt. Der Ueber-sicht halber habe ich als Abscissenachse die Scala selbst gegeben; die Entfernung der Curvenpunkte von dem zugeh\u00f6rigen Scalenpunkte gibt die Gr\u00f6\u00dfe des Stellenfehlers in Theilstrichintervallen der f\u00fcnf-zigtheiligen Scala, d. h. die Abweichung vom mittleren Fehler an, wobei die positive Abweichung au\u00dfen, die negative innen abgetragen ist. Ich habe der Bequemlichkeit der Ausrechnung halber angenommen, dass f\u00fcr jedes Intervall von 5 zu 5 gleichviele Resultate vorhanden seien, was in der Wirklichkeit ann\u00e4herungsweise stimmt. Die ausgezogene Curve gibt den Stellenfehler f\u00fcr die Umdrehungszeit 2,5 Se-cunden, die punktirte f\u00fcr die Umdrehungszeit 1 Secunde. Da ich Theilstriche und nicht o zu Grunde gelegt habe, so sind nat\u00fcrlich die Werthe f\u00fcr die verschiedenen Umdrehungszeiten nicht gleich-werthig, und es d\u00fcrfen daher auch nicht die beiden Curven in Bezug auf ihre Gr\u00f6\u00dfe miteinander verglichen werden. In Theilstrichintervallen ergibt sich als mittlerer Fehler der ganzen Curve\nf\u00fcr Versuchsperson\nV VHI IX X XI\nf\u00fcr die Umdrehungszeit 2,5 Sec.\t\u2014 0,54\t+ 0,42\t0,06\t- 0,26\t+ 0,13\n1\t,\t\u2014 0,62\t+1,19\t\u20140,04\t\u2014 0,22\t+ 0,15\nF\u00fcr die einzelnen Personen betr\u00e4gt die mittlere Abweichung vom mittleren Fehler in Theilstrichintervallen (der Stellenfehler also):","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392\tMoritz Geigor.\nF\u00fcr Versuchsperson Y (Fig. 9).\nF\u00fcr das Intervall auf der Scala\tF\u00fcr die Umdreliungszeit 2.5 Sec. |\t1 Sec.\t\tF\u00fcr das Intervall auf der Scala\tF\u00fcr die Umdrehungszeit 2,5 Sec. j 1 See.\t\n50\u20145\t\u2014 0,18\t\u20140,38\t\t25\u201430\t\u2014 0,26\t\u2014 0,78\n5\u201410\t\u2014 0,16\t+ 0,12\t30-35\t-0,26\t\u2014 0,78\n10\u201415\t+ 0,54\t+ 1,12\t35\u201440\t\u2014 0,06\t+ 0,42\n15\u201420\t+ 0,44\t+ 0,62\t40\u201445\t+ 0,14\t+ 0,02\n20-25\t+ 0,14\t+ 0,32\t45-50\t\u2014 0,36\t\u2014 0,68\nVersuchsperson VIII (Fig. 10).\nF\u00fcr das Intervall auf der Scala\tF\u00fcr die Um 2,5 Sec.\tdrehungszeit 1 Sec.\tFur das Intervall auf der Scala\tF\u00fcr die Um 2,5 Sec.\tIreliungszeit 1 Sec.\n50- 5\t+ 0,28\t+ 1,11\t25-30\t\u2014 0,22\t\u2014 0,19\n5\u201410\t+ 0,78\t+ 1,71\t30\u201435\t\u2014 0,72\t\u2014 1,09\n10-15\t+ 0,48\t+ 0,71\t35-40\t\u2014 0,82\t\u2014 1,79\n15\u201420\t+ 0,38\t+ 0,81\t40\u201445\t\u2014 0,42\t\u2014 0,89\n20-25\t+ 0,68\t+ 0,61\t45\u201450\t\u2014 0,42\t\u2014 0,99\nVersuchsperson IX.\nF\u00fcr das Intervall auf der Scala\tF\u00fcr die Um 2,5 Sec.\tdrehungszeit 1 Sec.\tF\u00fcr das Intervall auf der Scala\tF\u00fcr die Um 2,5 Sec.\tdrehungszeit 1 Sec.\n50- 5\t+ 0,44\t+ 0,34\t25\u201430\t\u2014 0,16\t\u2014 0,96\n5-10\t+ 0,34\t+ 0,94\t30-35\t\u2014 0,46\t\u2014 1,06\n10\u201415\t+ 0,24\t+ 0,84\t35-40\t\u2014 0,46\t\u2014 0,46\n15\u201420\t+ 0,14\t+ 0,54\t40\u201445\t\u2014 0,06\t\u2014 0,16\n20\u201425\t+ 0,14\t+ 0,24\t. 45-50\t-0,16\t\u2014 0,36","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n393\nVersuchsperson X.\nF\u00fcr das Intervall auf der Scala\tF\u00fcr die Umdrehungszeit 2,5 Sec.\t1 Sec.\t\tF\u00fcr das Intervall auf der Scala\tF\u00fcr die Umc 2,5 Sec.\t[rehungszeit 1 Sec.\n50\u2014 5\t+ 0,26\t\u2014 0,47\t25\u201430\t\u2014 0,14\t+ 0,33\n5\u201410\t\u2014 0,04\t\u2014 0,07\t30\u201435\t\u2014 0,24\t+ 0,13\n10-15\t+ 0,16\t\u2014 0.33\t35\u201440\t\u2014 0,34\t\u2014 0,97\n15\u201420\t+ 0,66\t4\" 1,33\t40-45\t\u2014 0,14\t\u2014 0,87\n20\u201425\t+ 0,16\t+ 0,63\t45\u201450\t\u2014 0,34\t\u2014 0,37\nVersuchsperson XI.\nF\u00fcr das\tF\u00fcr die Umdrehungszeit\t\tF\u00fcr das\tF\u00fcr die Umdrehungszeit\t\nIntervall auf\t\t\tIntervall auf\t\t\nder Scala\t2,5 Sec.\t1 Sec.\tder Scala\t2,5 Sec.\t1 Sec.\n50\u2014 5\t+ 0,06\t\u2014 0,35\t25-30\t+ 0,03\t\u2014 0,65\n5\u201410\t+ 0,02\t\u2014 0,15\t30-35\t\u2014 0,15\t\u2014 0,25\n10-15\t+ 0,08\t+ 0,45\t35\u201440\t\u2014 0,31\t\u2014 0,35\n15\u201420\t+ 0,16\t+ 0,05\t40\u201445\t\u2014 0,07\t\u2014 0,15\n20\u201425\t+ 0,03\t+1,05\t45\u201450\t+ 0,13\t-0,25\nAuch hier l\u00e4sst sich deutlich erkennen, wie rechts im ganzen die positiven, links die negativen Abweichungen zu finden sind. Im einzelnen freilich bieten die Curven ein sehr verschiedenes Bild.\nBei VIH und IX entsprechen die Curven im ganzen am meisten der Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit, so dass auf der rechten Seite nur positive, auf der linken nur negative Abweichungen vom mittleren Fehler sind. Das Maximum der negativen Abweichungen liegt:\nf\u00fcr Versuchsperson\nV\tVIII\tIX\tx\tXI\nzwischen den Theilstrichen :\nf\u00fcr die Umdrehungszeit:\t2,5\tSec.\t45-50\t35\u201440\t30\u201440\t35\u201440\t35\u201440\n1\t\u00bb\t30\u201440\t35\u201440\t30\u201435\t35\u201440\t35\u201440","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nMoritz Geiger.\nEs liegt also mit einer Ausnahme das Maximum des negativen Fehlers zwischen 30 und 40.\nSo\nDas Maximum der positiven Abweichungen liegt:\n\t\tf\u00fcr Versuchsperson\t\t\t\n\tV\tvm\tIX\tX\tXI\n\t\tIn dem Intervall:\t\t\t\n2,5 Sec.\t10\u201415\t5\u201410\t50\u2014 5\t15\u201420\t15-20\n1 \u00bb\t10\u201415\t5\u201410\t5\u201410\t15\u201420\t20\u201425\nF\u00fcr das Maximum des positiven Fehlers ergibt sich demnach keine besonders bevorzugte Stelle. Vielmehr scheinen individuelle Verschiedenheiten im Spiel zu sein, die beim Einen das positive Maximum mehr auf den Anfang, beim Andern mehr auf das Ende des Abw\u00e4rtsganges des Zeigers r\u00fccken.\nDie genauere Pr\u00fcfung der Einzelresultate zeigt denn auch, woher auf der rechten Seite diese Verschiedenheiten kommen: W\u00e4hrend im Gew\u00f6hnlichen nur geringe Schwankungen um den mittleren Fehler stattfinden, so dass, wenn der mittlere Fehler negativ ist, auch die meisten Werthe negativ sind u. s. w., zeigt sich hei Versuchsperson X und XI hei Untersuchung der Resultate im einzelnen, dass, zwischen 50 und 10 etwa, pl\u00f6tzlich eine Reihe negativer Fehler auftauchen, die dann vom","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n395\nTheilstrich 15 ab wieder verschwinden. Diese negativen Fehler kommen untermischt mit positiven vor, und zwar st\u00e4rker hei 1 Se-cunde Umdrehungszeit als hei 2,5 Secunden; sie beeinflussen nat\u00fcrlich das Schlussresultat, so dass wir bei V, X und XI zwischen 50 und 10 eine Einbiegung der Curve nach der negativen Seite hin finden. Bei den anderen Versuchspersonen ist diese Erscheinung zwar bemerkbar, doch ist sie einestheils schw\u00e4cher, anderntheils kommt sie in den Curven dadurch nicht zum Ausdruck, dass gerade zwischen Theilstrich 50 und 10 die gr\u00f6\u00dften positiven Fehler liegen, so dass die Wirkung der negativen Abweichungen ausgeglichen wird. Dadurch ist in den Curven von VIII und IX diese Erscheinung \u00fcberhaupt nicht bemerkbar. Bei allen Personen ist sie jedoch schw\u00e4cher bei geringer als bei gro\u00dfer Geschwindigkeit des Zeigers. Ebenso ergibt sich zwischen 40 und 50 eine starke positive Tendenz bei V, die aber wohl mehr eine individuelle Abnormit\u00e4t der stets gegen Ende des Aufw\u00e4rtsgehens des Zeigers abnehmenden Negativit\u00e4t des Stellenfehlers ist, als eine Erscheinung von allgemeiner Bedeutung.\n2. Die psychologische Erkl\u00e4rung der Complicationsversuche.\na. Die negative Zeitverschiebung im Zusammenhang mit der Wiederholung der Umdrehungen.\nWie schon eingangs erw\u00e4hnt, haben die Complicationsversuche die allerverschiedensten Deutungen erfahren. Es erkl\u00e4rt sich diese Thatsache daraus, dass die Resultate der Complicationsversuche dem gesunden Menschenverstand zu widersprechen scheinen : einmal sollte man erwarten, dass der Schall stets mit einem sp\u00e4teren Theilstrich verbunden wird, als mit dem, mit welchem er thats\u00e4chlich gleichzeitig war, und ferner, dass eine Zunahme der Geschwindigkeit den Fehler nicht verkleinern, sondern vergr\u00f6\u00dfern sollte. Die Schwierigkeiten der Erkl\u00e4rung wurden noch vermehrt einmal dadurch, dass nur wenige Erkl\u00e4rer auch thats\u00e4chlich die Experimente selbst angestellt hatten, die meisten sich also auf ihre psychologische Phantasie verlassen mussten, wenn sie behaupteten, was die Beobachter in ihrer Selbstbeobachtung gefunden h\u00e4tten, sei falsch; und ferner dadurch, dass die Beobachter selbst in ihren Ergebnissen nicht \u00fcbereinstimmten, wovon oben ausf\u00fchrlich die Rede war. Naturgem\u00e4\u00df mussten die verwund t, Philos. Studien. XVIII.\t26","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nMoritz Geiger.\nscliiedenen Beobachter, sich auf entgegengesetzte Resultate st\u00fctzend, diese verschiedenen Resultate verschieden erkl\u00e4ren. Es wurde oben zu zeigen versucht, dass Apparat und Beobachtungsmodus die Schuld an den entgegengesetzten Ergebnissen tragen. Dadurch ist es m\u00f6glich, auch zu einer Entscheidung \u00fcber die psychologischen Grundlagen der Erscheinungen zu kommen.\nZun\u00e4chst muss untersucht werden, wrie die negativen Resultate \u00fcberhaupt zu st\u00e4nde kommen k\u00f6nnen. Es war oben erw\u00e4hnt worden, dass bei allen Beobachtern selten schon das erste Mal eine Angabe des Ortes des Schalls mit Sicherheit erfolgte, sondern erst nach einer Reihe von Umdrehungen.\nEs fragte sich, ob diese Thatsache von irgend welcher Bedeutung f\u00fcr das Resultat war. F\u00fcr die Sicherheit des Urtheils war sie zweifellos von Einfluss. Ob aber auch auf die Fehlergr\u00f6\u00dfe, das war fraglich.\nIch stellte zu diesem Zweck eine Reihe von Versuchen der folgenden Art an: Ich lie\u00df den Beobachter, sobald er nur \u00fcberhaupt einen Eindruck von der Gegend oder dem genauen Ort des Schalls hatte, denselben angeben und notirte die Angabe. Bei jeder folgenden Umdrehung gah der Beobachter wiederum an, wo ihm der Schall jetzt gerade zu sein schien, so dass ich ein Bild von der Ver\u00e4nderung des Urtheils w\u00e4hrend eines Versuchs hatte, bis das Urtlieil mit Sicherheit erfolgte. Ich benutzte dazu vorzugsweise unge\u00fcbte und reflectirende Beobachter; unge\u00fcbte, um sicher zu sein, dass ich auch negative Urtheile erhielt, reflectirende, um m\u00f6glichst nach der ersten Umdrehung schon Angaben zu erhalten. Dabei ergab sich, dass nach der ersten Umdrehung meist ein ann\u00e4hernd richtiges, negatives oder positives Urtlieil abgegeben wurde. Mit jeder folgenden Umdrehung jedoch wurde der Schall zur\u00fcckverlegt, so dass das End-urtheil ein ausgesprochen negatives war. Auch w\u00e4hrend der sonstigen Versuche hatten mir die Beobachter oft ungefragterkl\u00e4rt: Bei jeder Umdrehung scheint der Schall r\u00fcckw\u00e4rts zu r\u00fccken.\nBei eingetretener Uebung war dies Zur\u00fcckr\u00fccken des Schalles so gut wie nicht mehr vorhanden, auch beim naiv Beobachtenden kaum mehr. Ich stellte mit dem Pendelapparate dieselben Versuche an; doch gelang es hier nicht, schon nach dem ersten Klingelzeichen Angaben von irgendwelcher Bestimmtheit zu machen. Aus diesen Versuchen geht zweifellos hervor, dass in jedem Resultat zwei Factoren","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Coinplieationsversuohe.\n397\nstecken: einmal das urspr\u00fcngliche Resultat der ersten Umdrehung, das negativ oder positiv sein kann, und weiterhin die Corrector der folgenden Umdrehungen, die stets negativirend auf das Resultat wirkt, und die mit der Ein\u00fcbung allm\u00e4hlich verschwindet. Wir ersehen daher: Es kann nicht gen\u00fcgen, einen einzigen psychologischen Factor f\u00fcr die Resultate verantwortlich zu machen; es m\u00fcssen zum mindesten zwei Factoren sein: ein sofort wirkender, und ein erst durch die Wiederholung zur Geltung kommender.\nUntersuchen wir zuerst den zweiten: Bei den reflectirend Beobachtenden wissen wir von ihm:\n1)\tdass er den Schall scheinbar zur\u00fcckgehen l\u00e4sst, also auf das Resultat negativirend wirkt,\n2)\tdass er mit der Ein\u00fcbung abnimmt.\nFerner wissen wir, dass er bei den naiv Beobachtenden wie bei dem Pendelapparat von dem anderen Factor nicht zu isoliren ist; wir d\u00fcrfen daher annehmen, dass er auch hier niemals v\u00f6llig verschwindet, weil ja sonst die Angaben schon nach der ersten Umdrehung erfolgen k\u00f6nnten.\nHalten wir diese Thatsache mit den Ergebnissen zusammen, die wir \u00fcber die Negativit\u00e4t der Zeitverschiebung festgestellt haben, so ersehen wir daraus, dass dieser noch nicht n\u00e4her bestimmte Factor wohl in erster Linie f\u00fcr die Negativit\u00e4t der Fehler verantwortlich zu machen ist. Denn\n1)\tfinden wir bei den reflectirend Beobachtenden nur anfangs negative Fehler, sp\u00e4ter verschwinden sie; und wir haben festgestellt, dass der betreffende Factor mit der Ein\u00fcbung verschwindet ;\n2)\tbleiben bei den naiv Beobachtenden, wie bei den Versuchen am Pendelapparat, die Resultate auch sp\u00e4terhin negativ; und wir hatten Grund zur Vermuthung, dass der Factor bei diesen Versuchen nicht verschwindet, wenn auch vielleicht abnimmt.\nWelches ist dieser Factor? Wundt hat l\u00e4ngst die Antwort darauf gegeben \u2014 in anderen Worten mit anderer Terminologie auch Lipps.\nWundt erinnert vor allem daran, dass die Zuordnung der Eindr\u00fccke zu einander nicht von Anfang an eine feste ist, sondern dass innerhalb bestimmter, gar nicht sehr enger Grenzen der Schallreiz\n26*","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nMoritz Geiger.\nmit einem beliebigen einer ganzen Reihe von Gesichtseindr\u00fccken als gleichzeitig aufgefasst werden kann.\nZuf\u00e4llige willk\u00fcrliche wie unwillk\u00fcrliche Einstellungen der Aufmerksamkeit spielen dabei eine gro\u00dfe Rolle. Wundt fand, dass, wenn man die ganze Scala mit Ausnahme eines einzigen Theilstriches, vor welchem man nun den Zeiger Vorbeigehen sieht, verdeckt, man geneigt ist, den Glockenschlag gerade mit dieser wirklich gesehenen Stellung zu combiniren, und dass dabei leicht ein Zeitintervall von mehr als ij4 Secunde vernachl\u00e4ssigt werden kann.\nIch wiederholte den Versuch, indem ich nur einen Theilstrich sehen lie\u00df und den Apparat so einstellte, dass der Schall mit einer der gesehenen Zeigerstellung benachbarten zusammentraf. Der Beobachter musste dann angeben, ob Schall und Durchgang des Zeigers an dem gesehenen Theilstrich zusammentraf, oder welcher von den .beiden Eindr\u00fccken der fr\u00fchere war. Das Resultat, das ich hierbei fand, war dem Wundt\u2019sehen \u00e4hnlich, wenn auch die vernachl\u00e4ssigten Zeitr\u00e4ume bedeutend geringer waren. Ich stellte die Versuche auf doppelte Art an: Einmal, indem ich den Zeiger so oft Vorbeigehen lie\u00df, bis mir der Beobachter ein sicheres Urtheil abgab, das zweite Mal, indem der Beobachtung nur einmal Schall und Vorbeigang des Zeigers dargeboten w\u00fcrden. Die Ergebnisse waren nicht wesentlich verschieden, Es zeigte sich, dass bei Versuchsperson IX bei \u00f6fterer Darbietung von Schall und Zeiger innerhalb eines Zeitraumes von 175 u-Fehler vorkamen, derart, dass T\u00e4uschungen obwalteten, ob die beiden Eindr\u00fccke gleichzeitig oder welcher fr\u00fcher war. Bei einmaliger Darbietung war der Zeitraum nur 110 ff. F\u00fcr X waren die entsprechenden Zahlen 175 ff und 185 ff. F\u00fcr XI 160 o und 150 ff. Die Zahl der auf diese Weise angestellten Versuche betrug 500.\nHier werden die T\u00e4uschungen nur bewirkt durch irgendwelche zuf\u00e4llige Einstellungen der Aufmerksamkeit. Es ist klar, dass der Zeitraum, innerhalb dessen die Zuordnung der Eindr\u00fccke eine variable sein kann, weit gr\u00f6\u00dfer wird, wenn irgend welche Momente vorhanden sind, die in bestimmter Richtung die Aufmerksamkeit beeinflussen, so dass einer von den beiden Eindr\u00fccken f\u00fcr die Aufmerksamkeit besonders beg\u00fcnstigt wird. Ein solcher Factor, der die Zuordnung der Eindr\u00fccke zu einander in bestimmter Weise regelt, wird bei den Complicationsversuchen durch die wiederholte Wiederkehr beider Ein-","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n399\ndr\u00fccke hervorgerufen: Es ist dieser Factor das verschiedenartige Spannungswachsthum der Aufmerksamkeit v;.\nUm diese Thatsache richtig zu verstehen, ist es nothwendig, auf die psychologischen Grundlagen des Ph\u00e4nomens einzugehen.\nb. Die Theorien von Tschisch, James, Angell und Pierce und Ebbinghaus.\nWas kann das \u00fcberhaupt psychologisch f\u00fcr eine Bedeutung haben: es findet eine negative Zeitverschiebung statt? von Tschisch gibt darauf in seiner Arbeit eine Antwort, indem er sagt1 2): \u00bbTheoretisch sind zwei Erkl\u00e4rungen hierf\u00fcr (f\u00fcr die negative Zeitverschiebung) m\u00f6glich: entweder erleiden die Gesichtsvorstellungen eine Verz\u00f6gerung, d. h. sie werden sp\u00e4ter wahrgenommen, als sie auftreten, oder werden momentane Vorstellungen fr\u00fcher appercipirt, als sie gegeben werden. \u00ab\nvon Tschisch glaubt sich f\u00fcr das Letztere entscheiden zu m\u00fcssen.\nDie Voraussetzung, von der er ausgeht, ist die, dass das \u00bbzu fr\u00fch\u00ab des Schalls resp. das \u00bbzu sp\u00e4t\u00ab der Gesichtseindr\u00fccke ein absolutes ist: der Schall treffe in Wahrheit mit Theilstrich 50 zusammen, er wird aufgefasst als gleichzeitig mit Theilstrich 49 ; Theilstrich 49 war aber absolut zeitlich fr\u00fcher vom Zeiger bestrichen worden, ehe der Schall eintrat. Demnach kann nur eine zeitliche Verschiebung der Gesichtseindr\u00fccke nach sp\u00e4ter eintreten, d. h. sie werden sp\u00e4ter wahrgenommen, als sie auftreten, oder der Schall erf\u00e4hrt eine Verschiebung nach fr\u00fcher, d. h. er wird appercipirt, ehe er da ist \u2014 so lautet die Alternative von Tschisch\u2019s. Meiner Ansicht nach ist diese theoretische Alternative nicht richtig.\nBei dieser Alternative ist, tvie mir scheint, ein Moment vergessen, das gerade hier von gr\u00f6\u00dfter Wichtigkeit ist: dass Schall- und Gesichtseindr\u00fccke zu ihrer Apperception Zeit brauchen, und dass demnach das Fr\u00fcher oder Sp\u00e4ter der Apperception nur eine relative Bedeutung hat. Demnach bleibt noch eine dritte M\u00f6glichkeit offen: Schall- und Gesichtseindr\u00fccke sind zwar gleichzeitig gegeben, aber\n1)\tSiehe Wundt a. a. O. EL. S. 399.\n2)\ta. a. O. S. 621.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nMoritz Geiger.\ndie Gesichtseindr\u00fccke werden langsamer appercipirt als die Schalleindr\u00fccke. In Folge dessen wird der Schall als gleichzeitig mit einem objectiv fr\u00fcheren Gesichtseindruck aufgefasst. Dass diese zeitliche Verschiebung in der Apperception stattfindet, kann doppelte Gr\u00fcnde haben: Einmal den, dass aus irgend welchen Gr\u00fcnden die Apperception des Schalls beschleunigt, oder dann den, dass die Apperception der Gesichtsvorstellungen verz\u00f6gert wird. In beiden F\u00e4llen wird aber der Schall nicht fr\u00fcher wahrgenommen, als er gegeben ist, und auch die Gesichtsvorstellungen nicht sp\u00e4ter wahrgenommen, als sie auftreten. Sondern der Schall wird nur relativ rascher appercipirt als die Gesichtsvorstellungen. Dass hier von relativer Zeitgr\u00f6\u00dfe die Rede ist, nicht aber von absoluter, hat von Tschisch \u00fcbersehen.\nEs ist wohlanzunehmen, dass James die Erkl\u00e4rung von Tschisch\u2019s f\u00fcr die von Wundt h\u00e4lt; denn nur f\u00fcr erstere trifft es zu, dass die negative Zeitverschiebung eine Hallucination darstelle, da von Tschisch sich ja daf\u00fcr entschied, dass der Schall fr\u00fcher appercipirt werde, als er gegeben ist. Dass James die grundverschiedenen Erkl\u00e4rungen Wundt\u2019s und von Tschisch\u2019s verwechselt, gelitauch daraus hervor, dass er (S. 415) sagt: \u00bbSo wenigstens verstehe ich die Erkl\u00e4rungen, welche Wundt und von Tschisch geben.\u00ab Dass die Erkl\u00e4rung, der Schall werde appercipirt, bevor er gegeben ist, unm\u00f6glich ist, hat James dargethan1), und ich wiederhole deshalb seine Gr\u00fcnde nicht. Seine Einw\u00e4nde treffen aber die hier aufgestellte Alternative keineswegs, die den Grund, dass gleichzeitig gegebene Eindr\u00fccke nicht gleichzeitig appercipirt werden, in die Apperceptions-zeit verlegt. Von den Erkl\u00e4ren! haben nur Wundt und Lipps auf diesen Umstand R\u00fccksicht genommen, dass es sich bei der Gleichzeitigkeit gar nicht darum handelt, in welcher Reihenfolge die Eindr\u00fccke wahrgenommen werden, sondern in welcher Reihenfolge sie appercipirt werden. Es wurde von allen Andern die objective Gleichzeitigkeit, die Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung, mit dem subjectiven Bewusstsein der Gleichzeitigkeit f\u00fcr identisch erachtet, und damit gerade der gangbare Weg zur L\u00f6sung der Schwierigkeit \u00fcbersehen.\nWenn man so irrth\u00fcmlicherweise die Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung mit der Gleichzeitigkeit der Apperception verwechselt, so\n*) a. a. 0. S. 416.","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuehe.\n401\nmuss die Erkl\u00e4rung der negativen Zeitverschiebung auf eine andere Weise gesucht werden. Das kann dann einmal geschehen, indem man die Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung bestreitet, indem man physikalische oder physiologische Hindernisse eintreten l\u00e4sst. Oder es geschieht, indem man psychologische Hemmnisse einf\u00fchrt, die die Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung unm\u00f6glich machen. Oder drittens, man gibt Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung und der Apperception zu, man sucht vielmehr, die Negativit\u00e4t des Urtheils in einer nachtr\u00e4glichen Corrector auf Grand logischer Ueberlegungen oder unbewusster Fac-toren. Alle drei M\u00f6glichkeiten sind versucht worden, und es soll jetzt darauf eingegangen werden, worin im einzelnen ihre Unrichtigkeit besteht.\nF\u00fcr die negative Zeitverschiebung machen Hindernisse \u00e4u\u00dferer Art, die amerikanischen Beobachter Angell und Pierce wenigstens zum Theil verantwortlich. Sie berufen sich darauf, dass der photochemische Process der Netzhaut l\u00e4nger dauere, als der mechanische des Ohres, dass nach Ladd das Geh\u00f6r einen Vorsprung von 0,49 Secunden hat, also mehr als meine gr\u00f6\u00dften negativen Zeitverschiebungen betrugen. Demnach m\u00fcsste man stets negative Resultate erhalten, wenn nicht andere Factoren hinzuk\u00e4men, die st\u00e4rker sind, und die positive Urtheile bewirken. Sie fahren dann fort1):\n3 Es ist a priori Grund zu der Vermuthung vorhanden, dass die Erfahrung uns lehrt, unsere Urtheile zu corrigiren, um diese Verschiedenheit zwischen unseren Sinnen auszugleichen; so dass wir, trotz AVundt\u2019s entgegenstehender Resultate, erwarten d\u00fcrfen, dass die negativen Urtheile durch die Uebung verschwinden. Selbstverst\u00e4ndlich tritt dieser Uebergang von negativen zu positiven Urtheilen ein, ohne dass der Beobachter \u00fcber die Natur seiner Fehler unterrichtet wird, ja sogar, ohne dass er \u00fcberhaupt wei\u00df, ob er Fehler macht. Es scheint das ein Ergebniss feinerer Kr\u00e4fte der Unterscheidungsf\u00e4higkeit und der Aufmerksamkeit zu sein, die nur durch die Uebung entstehen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass, wenn ein Beobachter Uebung erlangt hat, dann die Rolle, welche ... die Verz\u00f6gerung des photochemischen Processes spielt, allm\u00e4hlich zur Unbedeutendheit herabsinkt. \u00ab\nr a. a. O. S. 538.","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nMoritz Geiger.\nAlso die Hebung soll eine Correctur an diesem photocliemischen Process anbringen; wenn sie das kann, so ist es wunderbar, dass sie es nicht schon l\u00e4ngst gethan hat. Denn diese Verschiedenheit unserer Sinne besteht doch nicht seit heute erst, sondern von jeher. Wieso kommt es dann, dass auf einmal die Uebung von wenigen Versuchen im st\u00e4nde ist, eine Verschiedenheit unserer Sinne auszugleichen, wenn sie es all die Jahre \u00fcber nicht gekonnt hat? Und wir m\u00fcssen annehmen, dass sie es bei den Leipziger Beobachtern nicht tliut; denn die entgegenstehenden Tausende von Resultaten Wundt\u2019s und von Tschisch\u2019s, bei denen die negativen Resultate bleiben, d\u00fcrfen doch nicht einfach vernachl\u00e4ssigt werden.\nWir werden unten auf diese Erkl\u00e4rung zur\u00fcckkommen und noch eingehendere Einw\u00e4nde gegen sie Vorbringen. Hier will ich nur noch bemerken, dass sie auch den anderen Theil meiner und der Leipziger Ergebnisse nicht zu erkl\u00e4ren vermag: den Einfluss der Geschwindigkeit auf die Gr\u00f6\u00dfe der Zeitverschiebung. Die Verz\u00f6gerung des photochemischen Processes muss bei einer Umdrehungszeit von 10 Secunden gerade so gro\u00df sein, wie bei der von einer Secunde; au\u00dferdem beim naiv Beobachtenden gerade so wie beim reflectirend Beobachtenden.\nDer zweite Ausweg, psychologische Hindernisse in der gleichzeitigen Wahrnehmung anzunehmen, um die negative Zeitverschiebung zu erkl\u00e4ren, ist von Angell und Pierce sowohl, als von James versucht worden. Sie schlagen dabei verschiedene Wege ein: Angell und P ierce, die diese Erkl\u00e4rung neben der vorigen annehmen, gingen dabei von einer Thatsache der Selbstbeobachtung aus, die ich entschieden bestreiten muss: dass n\u00e4mlich niemals Schall und Gesichtseindruck gleichzeitig appercipirt werden, sondern nur unmittelbar nacheinander, und zwar so, dass bald der Schall und bald der Gesichtseindruck der fr\u00fchere ist. Alle meine Versuchspersonen best\u00e4tigten mir, dass f\u00fcr sie Schall und Gesichtseindruck nicht nacheinander, sondern gleichzeitig appercipirt sind, dass von einem Nacheinander keine Rede sein kann. Am allerwenigsten bei den naiv Beobachtenden, die doch die meisten negativen Resultate zeigen.\nEs ist ja die Ansicht der Amerikaner auch psychologisch unm\u00f6glich. Denn wann entsteht denn das Bewusstsein der Gleichzeitigkeit? Doch wohl nur dann, wenn ich die beiden Vorstellungen, die als","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuclie.\n403\ngleichzeitig aufgefasst werden, gleichzeitig appercipire. Mir scheint unter anderen Umst\u00e4nden das Bewusstsein der Gleichzeitigkeit unm\u00f6glich. Es scheint dieser Anschauung von Angell und Pierce eine unrichtige Anschauung \u00fcber die Enge des Bewusstseins zu Grunde zu liegen, als oh Empfindungen verschiedener Sinne nur nacheinander, nicht gleichzeitig appercipirt werden k\u00f6nnen. Durch dieses Auseinanderschieben des Gleichzeitigen in der Apperception gewinnen sie die M\u00f6glichkeit der Erkl\u00e4rung der negativen Zeitverschiebung: da eine gleichzeitige Auffassung von Schall- und Gesichtseindruck \u2014 das ist ihre Anschauung \u2014 nicht m\u00f6glich ist, so merke ich mir einen zu fr\u00fchen Theilstricli und h\u00f6re dann erst auf den kommenden Schall. Kehre ich dann nicht wieder zum Gesichtseindruck zur\u00fcck, so ist die negative Zeitverschiebung da. Auch Wundt hat schon darauf hingewiesen, dass ein derartiges Hin- und Hergehen nicht stattfindet, und damit f\u00e4llt auch die ganze Erkl\u00e4rung.\nIn gewisser Weise verwandt ist die Erkl\u00e4rung von James. Auch er zerlegt den Act der Wahrnehmung in mehrere Glieder, aber ohne dass er das Bewusstsein der Gleichzeitigkeit auf eine Aufeinanderfolge gr\u00fcndet. Die mit dem Bewusstsein der Gleichzeitigkeit aufgefassten Eindr\u00fccke sind gleichzeitig wahrgenommen und appercipirt, Wie kommt es aber, dass die objectiv gleichzeitigen Eindr\u00fccke nicht auch gleichzeitig wahrgenommen werden? James macht hierf\u00fcr verantwortlich, dass ein momentaner Eindruck mit einem Punkt einer con-tinuirliehen Reihe verbunden werden soll. Dazu ist es nothwendig, dass man die Wahrnehmung der continuirliclien Reihe unterbricht und einen einzelnen Theilstrich wahrnimmt. Diesen appercipirt man dann gleichzeitig mit dem Schalle. Folgen die Schalleindr\u00fccke schnell aufeinander, so versp\u00e4tet man sich etwas mit dieser Unterbrechung der Bewegungsauffassung zu Gunsten des Schalles; folgen sie zu langsam, so unterbricht man die Wahrnehmung der continuirliclien Reihe zu fr\u00fch, etwTa nach Art der vorzeitigen Reaction.\nAuch diese Erkl\u00e4rung scheitert an den Thatsachen, vor allem an der Thatsache, dass keinerlei derartige Unterbrechung stattfindet, sondern dass man sehr bequem gleichzeitig die Bewegung und den Schall appercipirt. Ist die Bewegung erst einmal so schnell, dass man, um die Theilstriche zu bemerken, die Bewegung unterbrechen muss, so ist kein sicheres Urtheil mehr m\u00f6glich. Es ist freilich richtig, dass","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\nMoritz Geiger.\ndie Auffassung der Bewegung oft unterbrochen wird; aber erst, wenn das Bewusstsein der Gleichzeitigkeit schon vorhanden ist. Man unterbricht dann die Bewegung nur, um hinterher den Theilstrich auch ziffernm\u00e4\u00dfig festzustellen, mit dem der Schall verbunden war. F\u00fcr diejenigen, die sp\u00e4terhin \u00fcberhaupt dem Zeiger nicht mehr im einzelnen mit den Augen folgen, sondern eine bestimmte Stelle fixiren, kann diese Erkl\u00e4rung von vornherein nicht zutreffen.\nDen dritten Ausweg zur Erkl\u00e4rung der negativen Fehler, die bewusste oder unbewusste Correctur des Urtheils, haben Ebbinghaus und Angell und Pierce mit einer dritten Erkl\u00e4rung eingeschlagen.\nDie Erkl\u00e4rung beider basirt auf demselben Princip, nur dass sie es auf verschiedene Weise anwenden. Dieses Princip ist die Einwirkung fr\u00fcherer Erfahrungen. Ebbinghaus betont, \u00e4hnlich wie James, dass Auffassung von Bewegung eines Zeigers nichts zu thun hat mit Auffassung von einzelnen Zeigerstellungen. \u00bbStellungen des Zeigers sind dem Beobachter gar nicht gegeben\u00ab, sagt Ebbinghaus (S. 593), \u00bber muss also versuchen, sie geistig zu combiniren. Durch geeignete Verwertliung seiner Beobachtungen kommt er dabei nach einigen Umdrehungen einigerma\u00dfen ins Beine. Aber da er sich der Schwierigkeit der Sache und damit der Unsicherheit der Angaben wohl bewusst ist, f\u00e4hrt er fort, zu beobachten, zu \u00fcberlegen und seine ersten Aussagen zu verbessern ... Ist nun die Zeigerbewegung schnell, so kommt er mit seinen Ueberlegungen leicht ins Gedr\u00e4nge, wird von dem Zeiger \u00fcberholt und bezeichnet eine zu sp\u00e4te Stellung als die richtige. Ist die Bewegung langsam, so hat er reichlich Zeit und wird nun leicht, um der ihm aus dem t\u00e4glichen Leben bekannten Gefahr des Ueberholtwerdens zu entgehen und sich als guten Beobachter zu zeigen, auf eine zu fr\u00fche Stelle verfallen. \u00ab\nGegen diese Anschauung gilt vor allem, dass weder ich, noch irgend eine meiner Versuchspersonen einen derartig complicirten Gedankengang mit Ueberlegungen und Zuh\u00fclfenahme fr\u00fcherer Erfahrungen bei sich constatiren konnte, sondern dass sich einfach ein bestimmter Theilstrich mit dem Schall verband. Au\u00dferdem wird durch die Ebbinghaus\u2019sche Erkl\u00e4rung das Zur\u00fcckr\u00fccken des Schalles innerhalb des Versuches nicht erkl\u00e4rt.","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n405\nWeniger intellectualistisch ist die Erkl\u00e4rung von Angell und Pierce. Sie lehnt sich an psychologische und physiologische Daten an:\n\u00bbWir haben sehr oft die Erfahrung gemacht, dass, wenn sich Objecte bewegen und wir ihnen mit den Augen folgen, und wir dann versuchen, pl\u00f6tzlich die Augen anzuhalten, dass wir dann ein wenig \u00fcber den gew\u00fcnschten Punkt mit dem Auge hinausschie\u00dfen. Wir sind gewohnt, diesen Umstand zu corrigiren, sodass wir allm\u00e4hlich vollkommen unbewusst diese Correctin\u2019 vornehmen.\u00ab\nDas erkl\u00e4rt noch nicht, warum diese Oorrectur im gegebenen Fall zu gro\u00df ausf\u00e4llt, so dass wir sogar noch hinter dem Richtigen Zur\u00fcckbleiben. Vielmehr kommt nach Angell und Pierce diese That-sache daher, dass wir f\u00fcr gew\u00f6hnlich keine Uebung in der Auffassung schnellerer Bewegungsformen haben in der Art, wie sie uns hier entgegentreten. Im Anfang der Versuche tritt daher Folgendes ein: Die Augenmuskeln, die gespannt waren, dem Zeiger zu folgen, werden zu rasch entspannt, und damit ist eine krampfhafte und daher zu starke Zusammenziehung der entgegenwirkenden Muskeln verbunden. Wenn das Auge auch nicht dem Zeiger folgt, so sind dennoch immer geringe Bewegungen der Augen vorhanden. Durch die Uebung wird diese \u00fcberm\u00e4\u00dfige Correction beseitigt, genau wie die Wirkung der Verz\u00f6gerung des photochemischen Processes.\nGegen diese Erkl\u00e4rung ist einzuwenden:\nErstens kann sie ebensowenig wie die andern die Wirkung des Beobachtungsmodus und der Geschwindigkeit erkl\u00e4ren. Es m\u00fcsste vielmehr nach dieser Erkl\u00e4rung der Einfluss der Geschwindigkeit ein umgekehrter sein, als er wirklich ist, da doch sicherlich bei langsamen Geschwindigkeiten das \u00fcber das Ziel Schie\u00dfen der Uebercor-rection weniger zu erwarten ist. Aber davon abgesehen: ist etwa die Bewegung eines fliegenden Balls, die Angell und Pierce selbst als Beispiel einer bekannten Geschwindigkeit anf\u00fchren, langsamer, als die eines Zeigers, der sich in 4 Secunden einmal im Kreis dreht\nDann setzt diese Erkl\u00e4rung voraus, dass wir thats\u00e4chlich pl\u00f6tzlich die Augen anhalten m\u00fcssen, um den Theilstrich mit dem Schall gleichzeitig aufzufassen. Das ist nicht der Fall. Weiter: zugegeben, dass stets eine minimale Augenbewegung stattfindet, so ist diese doch nicht im st\u00e4nde, einen Fehler hervorzurufen, der vielleicht 6 Theil-","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nMoritz Geiger.\nstriche betr\u00e4gt. Man muss bedenken: dieser negative Fehler ist nur der Unterschied dessen, was das Auge weiter zur\u00fcckgeht, als es vorher zu weit vorgeschossen ist. Und das soll dann, wenn ich scharf auf den betreffenden Theilstrich sehe, immer noch einen Fehler von V10 Secunde ausmachen.\nEndlich ist es noch nothwendig, auf die Rolle einzugehen, die die Uebung in dieser Erkl\u00e4rung spielt. Die Uebung soll diese \u00fcberm\u00e4\u00dfige Correction beseitigen, genau so, wie sie vorher die physiolo-logische Verschiedenheit der zeitlichen Auffassung von Schall und Licht ausglich.\nWie thut das die Uebung? Dar\u00fcber wird nur gesagt: es entstehen durch sie feinere Kr\u00e4fte der Unterscheidungsf\u00e4higkeit und der Aufmerksamkeit. Aber damit ist nichts erkl\u00e4rt. Welches diese Kr\u00e4fte sind, wie sie wirken, dar\u00fcber erhalten wir keine Auskunft. Es ist hier die Uebung als eine Art seelischer Kraft angenommen, die je nach Bedarf Correcturen anbringt, Correcturen entfernt, ohne dass man \u00fcber das Wie n\u00e4here Auskunft erh\u00e4lt. Da ich in dieser Arbeit verschiedentlich die Uebung als psychischen Factor angewandt habe und noch anzuwenden gedenke, so will ich von vorne herein den Vorwurf abwehren, als ob hier ebenfalls die Uebung als Deus ex machina, der je nach Bedarf bald jenes, bald dieses kann, angewandt sei.\n\u00bbUebung\u00ab hat eine doppelte Bedeutung: einmal eine rein con-statirende und dann eine erkl\u00e4rende.\nIn ersterem Sinn hat sie nur die Bedeutung einer empirischen Zuordnung. In diesem Sinne war das Wort stets im ersten Theil der Arbeit gebraucht worden: \u00bbDurch Ein\u00fcbung\u00ab geschieht etwas, hei\u00dft dann weiter nichts, als: bei \u00f6fterer Wiederholung finden wir, dass dies oder jenes eintrifft. So z. B., wenn wir feststellten, durch die Ein\u00fcbung wird die Zeitverschiebung im positiven Sinne beeinflusst, so soll nur festgestellt werden, dass die \u00f6ftere Wiederholung des Versuchs empirisch nachweisbar, die Zeitverschiebung positiver werden l\u00e4sst. Vom \u00bbwie\u00ab ist hier keine Rede.\nAnders ist es, wenn die Uebung etwas erkl\u00e4ren soll. Es ist eine Thatsache und keine Erkl\u00e4rung, die wir soeben angef\u00fchrt haben. Angell und Pierce dagegen wollen erkl\u00e4ren, wie durch die Uebung","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicatioiisversuclie.\n407\nnegative Fehler verschwinden k\u00f6nnen und sagen nur, dass durch die Uebung feinere Kr\u00e4fte ausgel\u00f6st werden. Welche sind das?\nDa es f\u00fcr das Folgende nothwendig ist, so will ich mit ein paar Worten die Hauptbedeutung der Uebung f\u00fcr die Erkl\u00e4rung auseinandersetzen, die nat\u00fcrlich das Problem der Uebung nur streifen k\u00f6nnen: die Uebung hat zwei im innersten Kern mit einander verwandte Functionen, die aber im einzelnen oft einander entgegenwirken; die eine betrifft das Appercipirt-Werden, die andere das Appercipirt-Sein der Vorstellungen. Einmal erleichtert die Uebung die Apperception einer Vorstellung. Das hat zur Folge, dass bei der Ein\u00fcbung von successiven Vorstellungscomplexen die sp\u00e4teren immer leichter und automatischer appercipirt werden, wodurch ihr Klarheitsgrad eines-theils vermindert wird, anderntheils der Zusammenhang des Vor-stellungscomplexes gefestigt wird (z. B. Hersagen eines Gedichtes). Zum andern erh\u00f6ht die Uebung den Klarheitsgrad einer Vorstellung, indem sie dieselbe psychisch isolirt und ihr Erkennen erleichtert (z. B. Herausfinden eines Insects durch den Ge\u00fcbten, das der Unge\u00fcbte \u00fcbersieht).\nWir m\u00fcssen demnach bei jeder Erscheinung, die durch die Uebung hervorgerufen ist, uns umsehen, wie sie sich in die allgemeinsten Functionen der Uebung einordnet; wir m\u00fcssen fragen: wo sind Associationen, deren Eintritt gegen fr\u00fcher erleichtert ist, oder wo ist die Wiedererkennung einer Vorstellung erleichtert ?\nWenden wir das auf die beiden Erkl\u00e4rungen von Angell und Pierce an. Wie sollen wir dazu kommen, ohne etwas von unserem Fehler zu wissen, dennoch sp\u00e4terhin auf einmal den photochemischen Process der Netzhaut auszugleichen? Welche Erleichterung in der Apperception kann sich hier durch die Uebung ausbilden? Es kann doch wohl nicht der Vorgang \u00e4hnlich sein, wie beim Sch\u00fctzen, der das erste Mal schlecht und sp\u00e4ter immer besser schie\u00dft! Das w\u00e4re etwa, wie wenn der Sch\u00fctze mit verbundenen Augen schie\u00dft und dennoch allm\u00e4hlich lernt, das Ziel zu treffen. Wenn Angell und Pierce feinere Kr\u00e4fte der Unterscheidungsf\u00e4higkeit und der Aufmerksamkeit durch die Uebung ausgel\u00f6st werden l\u00e4sst, so ist eigentlich nur der Effect noch einmal als Ursache gesetzt: der Grund f\u00fcr die Aufhebung der Benachtheiligung des photochemischen Processes durch die Uebung ist die Uebung.","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\nMoritz Geiger.\nEs kann \u00fcbrigens trotzdem sehr wohl m\u00f6glich sein, dass in der That die Wahrnehmung des Schalls und der Zeigerstellung, die ihn objectiv ausgel\u00f6st hat, zeitlich differiren. Einmal braucht der Schall messbare Zeit, bis er an mein Ohr gelangt, das Licht nicht. Die 1V2 Meter, die der Beobachter etwa vom Apparat entfernt sa\u00df, hatten eine Verz\u00f6gerung des Schalls um 1,5 : 333 Sec. = 4,5 a zur Folge.\nEs mag ferner sein, dass auf der anderen Seite der Schall physiologisch bevorzugt ist. Es m\u00f6gen auch Fehler von Tausendstel von Secunden im Apparat vorhanden sein. Das alles kann nur Anlass geben, vorsichtig zu sein in der Verwerthung der Zahlen und ihnen keinen absoluten, sondern nur relativen Werth beizumessen. Denn all diese Momente sind stets gleichm\u00e4\u00dfig wirkende und sie k\u00f6nnen niemals dazu dienen, den Einfluss der Geschwindigkeit, der XJebung und des Beobachtungsmodus auf das Resultat zu erkl\u00e4ren. Hier haben wir doch psychologische Einfl\u00fcsse vor uns; da l\u00e4sst sich mit all den angef\u00fchrten Momenten nichts anfangen. Dennoch k\u00f6nnte ein Zweifel entstehen, ob nicht die Negativit\u00e4t, die durch diese psychologischen Momente hervorgerufen wird, eine scheinbare ist. Ob nicht thats\u00e4chlicli der Schall auf dem Wege vom Apparat zur Wahrnehmung schon seinen Vorsprung gewinnt, so dass diese psychologischen Momente nur eigentlich ein Mehr oder Minder positiver Zeitverschiebung darstellen, weil wir ja nicht Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung, sondern Gleichzeitigkeit des objectiven Entstehens der Eindr\u00fccke am Apparat constatiren k\u00f6nnen. Dass dem nicht so ist, dar\u00fcber geben die Versuche Aufschluss, die ich oben erw\u00e4hnte, bei denen au\u00dfer einem einzigen Theilstrich die ganze Scala verdeckt ist. Hier sind Beobachtungsmodus und Geschwindigkeit gleichg\u00fcltig. Hier ist auch, bei den Versuchen, bei denen ich nur einen einzigen Glockenschlag bot, kein Einfluss der mehrmaligen Umdrehungen vorhanden. Und da sich hier gezeigt hatte, dass trotz der Oonstanz aller physikalischen und physiologischen Momente negative und positive Fehler vorkamen, so k\u00f6nnen wir die Behauptung aufstellen, dass \u00fcber die Negativit\u00e4t oder Positivit\u00e4t erst im Psychologischen entschieden wird, d. h. dass die verschieden lange Dauer der Apperception ausschlaggebend ist. Zudem widerspricht es allen unseren Erfahrungen, dass die Discrepanz zwischen unseren Sinnen bis % Secunden betragen","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuclie.\t409\nk\u00f6nnte, wie es aus den Versuchen am Pendelapparat doch geschlossen werden m\u00fcsste.\nc. Das Spannungswachsthum der Aufmerksamkeit.\nWie kommt diese relative Verz\u00f6gerung der Gesichtseindr\u00fccke gegen\u00fcber dem Schall auf dem Wege zur Apperception zu st\u00e4nde? Schon oben wurde darauf hingewiesen, dass die Wiederholung der Umdrehungen der Hauptfactor ist, und zwar dadurch, dass sie die Apperception der Eindr\u00fccke abh\u00e4ngig macht vom Spannungswachsthum der Aufmerksamkeit. Innerhalb weiter Grenzen hatten die Versuche gezeigt, dass die Gleichzeitigkeit der Eindr\u00fccke keine ausschlaggebende Bedeutung f\u00fcr die Gleichzeitigkeit der Apperception hat. Es handelt sich vielmehr darum, welche Bedingungen der Aufmerksamkeit f\u00fcr die Eindr\u00fccke vorhanden sind.\nWir betrachten zun\u00e4chst den naiven Beobachtungsmodus. Wir k\u00f6nnen einstweilen annehmen, dass hei der ersten Umdrehung hier keinerlei Bevorzugung irgend eines der beiden Eindr\u00fccke stattfindet, d. h. freilich nicht, dass hei der ersten Umdrehung auch die gleichzeitigen Eindr\u00fccke als gleichzeitige aufgefasst werden. Denn hier kommt die Bemerkung von James und Ebbinghaus zu ihrem Rechte, deren Anwendung zur Erkl\u00e4rung der negativen Zeitverschiebung ich oben ahweisen musste: dass n\u00e4mlich die Auffassung eines einzelnen Theilstriches und die einer Bewegung zwei verschiedene Dinge sind. Psychologisch ist die Bewegung etwas Einheitliches und der einzelne Theilstrich f\u00fcr sich etwas anderes Einheitliches. Der einzelne Theilstrich als Glied der Bewegung wird nicht gesondert appercipirt. Damit er das wird, muss irgend ein Moment hinzukommen, das ihn vor seinen \u00fcbrigen gleichartigen Genossen auszeichnet. Etwa so, wie der einzelne Soldat f\u00fcr meine Auffassung in einem vorbeiziehenden Regiment verschwindet, nicht als Einzelner bemerkt wird1). Erst wenn er etwas an sich tr\u00e4gt, das ihn vor anderen auszeichnet, wird er von mir als Individuum aufgefasst, d. h. psychologisch wird er erst jetzt ein selbst\u00e4ndiges apperceptives Gebilde.\n\u00bb) Theodor Lipps, Die Quantit\u00e4t in psychischen Gesammtvorg\u00e4ngen. Sitzgsber. d. bayr. Akad. d. Wiss. Philos.-philol. 01. 1899.","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410\nMoritz Geiger.\nDas Auszeichnende, das ihn psychologisch verselbst\u00e4ndigt, kann doppelter Art sein: einmal objectiv, dass er irgend etwas, z. B. eine Auszeichnung, an sich tr\u00e4gt, die meine. Aufmerksamkeit auf sich zieht, oder es kann rein subjectiv sein, z. B. dass ich den betreffenden Soldaten kenne. Ebenso k\u00f6nnen zur Heraushebung des einzelnen Theilstriches aus der Menge gleichartiger subjective wie objective Momente mitwirken. Ein solches objectives Moment haben wir oben kennen gelernt. Es ist die Verl\u00e4ngerung der Theilstriche 5, 10 u. s. w. Hier ist im Theilstrich selbst etwas, das seine gesonderte Auffassung beg\u00fcnstigt. Bei der ersten Umdrehung des Zeigers reicht freilich dieser Vortheil des ausgezeichneten Theilstriches nicht aus. Ich will ja keinen besonderen Theilstrich gesondert appercipiren, sondern den, mit dem der Schall gleichzeitig ist. Bei der ersten Umdrehung ist jedoch der Schall gar nicht mit einem einzelnen Theilstrich, sondern mit einer ganzen Phase der Bewegung gleichzeitig. Dadurch wird diese Bewegungsphase als mit dem Schall gleichzeitig erkannt, d. h. der Schall wird nur mit einer bestimmten Gegend der Scala com-binirt. Bei der zweiten Umdrehung ist jedoch subjectiv diese bestimmte Gegend ausgezeichnet, das bedeutet psychologisch, ihre einzelnen Theile werden mehr verselbst\u00e4ndigt, die Vorstellung der Bewegung des Zeigers in dieser Gegend bleibt l\u00e4nger im Blickpunkt des Bewusstseins, die anderen Gegenden der Zeigerbewegung treten mehr in den Hintergrund; dadurch wird nur ein Theil dieser herausgehobenen Gegend als mit dem Schall gleichzeitig erkannt. Dieser Process schreitet fort, bis nur noch einige wenige Theilstriche \u00fcbrigbleiben, die vollkommen deutlich gesondert appercipirt werden, und die als gleichzeitig mit dem Schall \u00fcberhaupt noch in Betracht kommen. Damit der Vortheil der vorhergehenden Umdrehungen nicht einfach verloren geht, wird bei jeder kommenden Umdrehung die Gegend, in die der Schall bei der vorhergehenden verlegt wurde, besonders beachtet und mit besonderer Aufmerksamkeit erwartet. Dadurch entsteht ein neuer Factor: die Spannung der Aufmerksamkeit. Die Aufmerksamkeit ist gerichtet auf den kommenden Schall; sie ist aber in gleicher \"Weise gerichtet auf die Reihe von Theil-strichen, die in die Gegend der Gleichzeitigkeit mit dem Schall fallen.\nWir nehmen an, es handelt sich um eine langsame Geschwindig-","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n411\nkeit: die Aufmerksamkeit ist dann vollkommen auf den Schall gerichtet, d. h. es sind alle Bedingungen zur m\u00f6glichst raschen Apperception gegeben. Es tritt ein starkes Erwartungsgef\u00fchl auf, wie es alle Beobachter constatiren konnten.\nAuf den Vorbeigang des Zeigers an den Theilstrichen ist nat\u00fcrlich meine Aufmerksamkeit ebenfalls gerichtet; aber auf keinen bestimmten einzelnen1). Ich appercipire alle Theilstriche, sobald sie der Zeiger bestrichen hat, nacheinander m\u00f6glichst rasch. Kommt dann der Schall, so kann er in einem Minimum von Zeit apper-cipirt werden, so dass Theilstriche, die thats\u00e4chlich fr\u00fcher als er wahrgenommen sind, erst gleichzeitig mit ihm appercipirt werden, so dass er sie gleichsam \u00fcberholt auf dem Wege zur Apperception. Es ist klar, dass die Raschheit der Apperception des Schalls abh\u00e4ngig ist von dem Grad der Einstellung der Aufmerksamkeit auf seine Apperception. Bei zu langsamen Geschwindigkeiten \u2014 hei eingetretener Uebung, rechts von 2,5 in den ersten Curven, ist \u00fcberhaupt keine merkliche Anpassung der Aufmerksamkeit vorhanden. Die Schalleindr\u00fccke liegen zeitlich zu weit auseinander, als dass sie als zusammengeh\u00f6rig aufgefasst w\u00fcrden. Bei mittleren Geschwindigkeiten wird die Aufmerksamkeitseinstellung auf den Schall fr\u00fcher vollendet sein, als der Schall auf tritt. Wenn er also jetzt wirklich auftritt, so wird seine Apperception \u00fcberm\u00e4\u00dfig beschleunigt werden. Das zeigt sich in einer negativen Zeitverschiebung. Wird die Geschwindigkeit noch gr\u00f6\u00dfer, so kommt ein Punkt, in dem die Apperception des Schalles gerade so lange dauert, wie die Apperception der Theilstriche. Die Zeitverschiehung ist dann 0. Wird die Geschwindigkeit noch mehr gesteigert, so kann sich die Erwartung nicht ausbilden; die Schalleindr\u00fccke folgen zu rasch auf einander, als dass es m\u00f6glich w\u00e4re, dass die Aufmerksamkeit den H\u00f6hepunkt ihrer Einstellung bei Eintritt des Schalles erreicht hat.\nDiese Auffassung des Thatbestandes erkl\u00e4rt einmal das Zur\u00fcckr\u00fccken des Schalls bei jeder neuen Umdrehung. Denn die Aufmerksamkeitseinstellung bildet sich erst allm\u00e4hlich aus. Sie erkl\u00e4rt ferner den Einfluss der Geschwindigkeit, und \u2014 darauf m\u00f6chte ich jetzt emgehen \u2014 den Einfluss des Beobachtungsmodus: der hier ge-\n*) VgL Lipps, G-rundtliatsachen des Seelenlebens, S. 663.\nWun dt, Philos. Studien. XY1II.\t07","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nMoritz Geiger.\nschilderte Vorgang gilt nur f\u00fcr den naiv Beobachtenden. Beim re-flectirend Beobachtenden wird schon bei der ersten Umdrehung versucht, die Bewegung in ihre Glieder aufzul\u00f6sen, d. h. die einzelnen Theilstriche zu verselbst\u00e4ndigen. Das gelingt auch bei langsamer Geschwindigkeit ohne weiteres. Bei gr\u00f6\u00dferer Geschwindigkeit nach einiger Uebung. Es werden also schon das erste Mal nur 2 oder 3 Theilstriche in Betracht kommen, mit denen der Schall gleichzeitig sein kann. Das zweite Mal wird die Verbindung des Schalls mit einem von diesen noch mehr befestigt \u2014 Erleichterung der Apperception und dadurch Befestigen der Complication durch die Uebung \u2014 und ehe sich \u00fcberhaupt noch eine Erwartung ausbilden kann, f\u00fcr einen bestimmten Zeitraum von Schall zu Schall, ist die Complication zwischen Schall und Theilstrich schon befestigt. Daher kommt einmal der geringe Einfluss der Geschwindigkeit bei den reflectirend Beobachtenden, und ferner der \"Wegfall desjenigen Factors, der die Negativit\u00e4t der Zeitverschiebung hervorruft. Freilich ist auch bei den reflectirend Beobachtenden dieser Factor erst nach eingetretener Uebung unwirksam. Denn anfangs gelingt es nicht sofort, den Schall einem bestimmten Theilstrich zuzuordnen. Und wenn es gelingt, ist die Complication nicht fest genug, dass sie der Einfluss der Erwartung nicht zu Gunsten einer neuen zerst\u00f6ren k\u00f6nnte. Aehnlich ist der Einfluss der Uebung bei naiv Beobachtenden. Hier vermindert die Uebung die Zahl der Umdrehungen, die zum Urtheil nothwendig sind. Es wirken hier beide angef\u00fchrten Functionen der Uebung zusammen: Einmal wird die psychische Isolirung der Theilstriche aus dem Ganzen der Bewegung beg\u00fcnstigt, die Theilstriche werden daher leichter appercipirt, und dadurch ist ein Umstand gegeben, der hemmend auf die Ausbildung der Negativit\u00e4t wirkt. Und ferner ist jetzt jede gebildete Complication fester, so dass die Erwartung die einmal gekn\u00fcpfte Complication nicht mehr l\u00f6sen kann. Immerhin ist die Wirkung der Erwartung noch vorhanden, eben weil bei den naiv Beobachtenden nicht gleich nach der ersten Umdrehung eine Complication herzustellen gesucht wird.\nEs wurde oben erw\u00e4hnt, dass nicht nur die subjective Thatsache des mit dem Schall gleichzeitig Appercipirtwerdens zur Verselbst\u00e4ndigung der Theilstriche beitr\u00e4gt, sondern dass die verl\u00e4ngerten Theilstriche selbst ein solches Moment in sich tragen. Es ist daher","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n413\nnat\u00fcrlich, dass diese verl\u00e4ngerten Theilstriche in besonderem Ma\u00dfe die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, rascher verselbst\u00e4ndigt werden, d. h. die meiste Aussicht haben, als mit dem Schall gleichzeitig aufgefasst zu werden.\nAngell und Pierce weisen gegen die Wundt\u2019sehe Auffassung darauf hin, dass die meisten Beobachter kein rhythmisches Gef\u00fchl gehabt h\u00e4tten. Wenn unter rhythmischem Gef\u00fchl etwas ganz Besonderes verstanden werden soll, so mag das zutreffen. Dass man aber, wenn Glockenschl\u00e4ge in Abst\u00e4nden von 2 Secunden aufeinander-folgen, von dem Tempo dieser Aufeinanderfolge ein Bewusstsein hat, und au\u00dferdem eine derartige Aufeinanderfolge psychisch wirksam sein kann, das ist doch wohl zweifellos und das Einzige, was hier in Frage kommt; die Muskelzusammenziehungen m\u00f6gen nun dem Beobachter zum Bewusstsein gekommen sein oder nicht. Au\u00dferdem erweisen sp\u00e4ter anzuf\u00fchrende Versuche klar, dass die Erwartung des Schalls stets vorhanden ist. Damit ist beil\u00e4ufig auch der weitere Einwand von An g eil und Pierce im Gegentheil in eine Best\u00e4tigung verwandelt, dass bei ihrem Apparat die Schalleindr\u00fccke weit seltener auf einanderfolgten als bei Wundt, und dass darnach bei der Richtigkeit unserer Behauptung eine Tendenz zu negativen Fehlem hervorgebracht werden m\u00fcsste, wie sie bei ihnen fehlte. Die beste Unterst\u00fctzung der Apperception ist eben auch wiederum nur bei einer nicht zu langen Zwischenzeit zu erwarten.\nDas Spannungswachsthum der Aufmerksamkeit, so sahen wir, \u00e4ndert sich mit der Geschwindigkeit. Mit der Geschwindigkeit wessen? Der Zeigerbewegung oder der Aufeinanderfolge der Schalleindr\u00fccke, oder beider? Die bisher beschriebenen Versuche gestatten dar\u00fcber kein Urtheil. Denn wenn ich die Geschwindigkeit des Zeigers vergr\u00f6\u00dferte, d. h. die Umdrehungszeit verringerte, so folgten auch die Schalleindr\u00fccke schneller aufeinander, so dass ich nur beide Geschwindigkeiten zugleich variiren konnte.\nUm zu untersuchen, ob es von Einfluss sei, wenn ich- die Geschwindigkeit der Zeigerbewegungen gleich bleiben, die Schalleindr\u00fccke aber seltener sich folgen lie\u00df, traf ich folgende Einrichtung: Ich schaltete bei jeder zweiten Umdrehung den Schall aus, so dass die Schalleindr\u00fccke jetzt nur halb so oft einander folgten. Ich benutzte dabei die zweite Glocke (siehe oben die Beschreibung des Ap-\n27*","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414\nMoritz Geiger.\nparates), so dass die Zahlen, die ich gehe, alle bedeutend zu gro\u00df, ja vielleicht in Wirklichkeit theilweise negativ sind. Ich machte auf diese Weise 600 Versuche mit den Umdrehungszeiten 2,5 und 1 Se-cunde, und den Versuchspersonen V, VIII, IX und XI, und zwar so, dass ich auf eine Reihe auf gew\u00f6hnliche Art eine Reihe mit ausfallendem zweiten Glockenzeichen folgen lie\u00df. Die Resultate waren folgende (die Zeitverschiebung ist in a angegeben):\nZeitverschiebung bei Umdrehungszeit 2,5 Sec.\nVersuchsperson\tWenn der Schall bei jeder Umdrehung ert\u00f6nt\tWenn der Sehall nur jede zweite Umdrehung ert\u00f6nt\nV\t+ 26\t+ 30\nVHI\t+ 37\t+ \u00d63\nIX\t+ 18\t+ 33\nXI\t+ 10\t+ 10\nZeitverschiebung bei Umdrehungszeit 1 Sec.\nV ersuchsperson\tWenn der Schall bei jeder Umdrehung ert\u00f6nt\tWenn der Schall nur jede zweite Umdrehung ert\u00f6nt\nV\t+ 20\t+ 33\nVIII\t+ 60\t+ 32\nIX\t+ 18\t+ 21\nXI\t+ 20\t+ 33\nDie Mehrzahl der Resultate (mit Ausnahme vor allem von VIII hei einer Secunde) zeigen eine geringe positive Verschiebung, wenn der Schall nur jedes zweite Mal eintritt. Die Erwartung, dass eine Verlangsamung der Aufeinanderfolge der Schalleindr\u00fccke um die H\u00e4lfte eine Vergr\u00f6\u00dferung des positiven Fehlers zur Folge hat, konnte nat\u00fcrlich von vorneherein nicht bestehen, da die Proportionalit\u00e4t keine so einfache ist. Dass bei der Auslassung jedes zweiten Schalles die positive Zeitverschiebung etwas gr\u00f6\u00dfer wird, erkl\u00e4rt sich in voller","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n415\nUebereinstimmung mit dem oben Gesagten daraus, dass die Apperception des Schalles wegen des zu langsamen Rhythmus jetzt nicht mehr so beg\u00fcnstigt ist. Dies zeigt sich auch daraus, dass vor allem die Verdoppelung der an sich schon l\u00e4ngeren Zeit diese Benach-theiligung des Schalles besonders deutlich zeigt, w\u00e4hrend die Verl\u00e4ngerung von 1,5 f\u00fcr Vm und IX sogar zu g\u00fcnstigeren Zwischenzeiten aufsteigt. Allm\u00e4hlich aber gew\u00f6hnt man sich auch an den neuen Rhythmus, so dass umgekehrt, wenn ich pl\u00f6tzlich jetzt den Schall bei jeder Umdrehung ert\u00f6nen lie\u00df, der Beobachter in Verwirrung gerieth und in seiner Beobachtung gest\u00f6rt wurde. Dabei hat die Beobachtung gelehrt, dass, wenn der zweite Glockenschlag ausf\u00e4llt, man ihn stets dennoch erwartet hat, was sich durch eine starke Entt\u00e4uschung beim Ausfall des Glockenschlages verr\u00e4th. Das zeigt zun\u00e4chst deutlich, wie die psychologische Beg\u00fcnstigung des Schalles auch dann noch vorhanden und erst recht wirksam ist, auch wenn man sich ihrer nicht in Folge der Ein\u00fcbung deutlich bewusst wird.\nDamit stimmen dann auch die Durchgangsbeobachtungen der Astronomen \u00fcber das in Frage stehende Problem an k\u00fcnstlichen Sternen v\u00f6llig \u00fcberein. Wie bekannt, ist ja die Complicationsmethode aus der Aug- und Ohrmethode der Astronomen beim Durchgang eines Sterns erwachsen1). Der Beobachter z\u00e4hlte die Secunden einer Secundenuhr weiter, w\u00e4hrend er den Durchgang des Sterns durch das Fadenkreuz beobachtete. Die L\u00e4ngsf\u00e4den des Fadenkreuzes, die der Stern beim vollen Secundenschlag passirte, wurden bemerkt, und aus ihrer Lage der Durchgang des Sterns durch die Mitte des Fadenkreuzes berechnet (siehe Fig. 230 Physiologische Psychologie II. Bd.). Dabei stellten sich, wie Nachpr\u00fcfungen am k\u00fcnstlichen Apparat ergaben, stets verfr\u00fchte Auffassungen des Sterndurchgangs ein. Wenn auch hier die Bedingungen nur \u00e4hnlich, nicht gleich mit den Complicationsversuchen sind, so ersieht man doch sofort, dass die Erkl\u00e4rung genau dieselbe ist: Die Schalleindr\u00fccke sind Gegenstand h\u00f6chster Erwartung und werden daher rascher appercipirt. Man hat nun zun\u00e4chst festgestellt, dass, wenn die Bewegung des k\u00fcnstlichen Sterns beschleunigt wurde, die negative Zeitverschiebung\n*) Wundt, Grundz\u00fcge der physiologischen Psychologie, H4, S. 401.","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nMoritz Geiger.\nabnahm, und hiermit ist klar festgestellt, dass die schnellere Aufeinanderfolge der Gesichtseindr\u00fccke das Resultat im positiven Sinne beeinflusst, wie es aus unseren Resultaten etwa durch Vergleich von XI in der ersten Columne von Tab. 1 (S. 414) mit der zweiten von Tab. 2 besonders deutlich wird, wo ungef\u00e4hr das n\u00e4mliche Schallintervall von ca. 2 Secunden das erste Mal mit der halben Geschwindigkeit der Gesichtseindr\u00fccke vom zweiten Male combinirt ist, was einen dreimal so geringen positiven Fehler zeigt. Die Schalleindr\u00fccke wurden hiebei also sicherlich ebenso erwartet als vorher. Dagegen war es jetzt nothwendig, in derselben Zeit mehr Gesichtseindr\u00fccke zu appercipiren, d. h. der einzelne wurde schneller appercipirt und der Unterschied gegen\u00fcber der Apperception des Schalls wurde dadurch geringer. Wenn ferner die Secundenschl\u00e4ge mit halben Secundenschl\u00e4gen vertauscht werden, so war damit der gewohnte Rhythmus der Aufmerksamkeit auf den Schall allzu sehr beschleunigt, so dass der Schall gegen\u00fcber den Gesichtseindr\u00fccken keine so starke Beschleunigung der Apperception erhielt. Das hat sich darin gezeigt, dass die pers\u00f6nliche Differenz der Astronomen in diesem Fall geringer wurde. Wir d\u00fcrfen somit aus all diesen Ergebnissen ohne weiteres folgern, dass sowohl die Vergr\u00f6\u00dferung der Geschwindigkeit in der Aufeinanderfolge der Schall- als auch der Gesichtseindr\u00fccke eine positivirende Wirkung auf die Zeitverschiebung aus\u00fcbt.\nAuch einige andere, oben erw\u00e4hnte Eigenth\u00fcmlichkeiten finden jetzt eine naturgem\u00e4\u00dfe Erkl\u00e4rung: die Zunahme der negativen Fehler bei Erregung, Erm\u00fcdung und beim pl\u00f6tzlichen Uebergang von langsamer zu schneller Geschwindigkeit. Es ist klar, dass Erregung dazu geneigt macht, das Spannungswachsthum der Aufmerksamkeit zu beschleunigen, d. h. negative Zeitverschiebungen hervorzurufen. Beim pl\u00f6tzlichen Uehergang zu schnelleren Geschwindigkeiten dagegen war eine Combination nach den ersten Umdrehungen wegen des noch Gew\u00f6hntseins an das fr\u00fchere Tempo der Aufeinanderfolge der Eindr\u00fccke unm\u00f6glich. Daher konnten die auf die negative Zeitverschiebung wirkenden Factoren, ehe die Complication eintrat, vollkommen ihre Wirkung thun.\nBisher wurde nur der eine Factor in Betracht gezogen, von dem wir zu Eingang dieses Theils der Untersuchung festgestellt haben, dass er negative Resultate hervorruft : die Wiederholung der Um-","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complieationsversuche.\n417\ndrehungen. Wir hatten jedoch oben constatirt, dass, wenn auch in geringerem Grade, oft schon hei der ersten Umdrehung eine negative Zeitverschiebung zu bemerken ist. Freilich gelang es mir hier nicht, irgend welche Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten ihres Auftretens festzustellen. Au\u00dferdem fanden wir ja auch, dass bei den Versuchen, hei denen nur ein Theilstrich zu sehen war, ebenso oft positive wie negative Irrth\u00fcmer unterliefen; dass der Schall mit dem Vorbeigang des Zeigers am Theilstrich ebenso oft f\u00fcr gleichzeitig gehalten wurde, wenn er that-s\u00e4chlich sp\u00e4ter, als wenn er fr\u00fcher war. Das zeigt nur, dass an und f\u00fcr sich keinerlei Grund vorhanden ist, Schall- oder Gesichtseindr\u00fccke zu bevorzugen, und dass nur die Wiederholung der Umdrehungen den Schall einen deutlichen Vorsprung gewinnen l\u00e4sst. Negative Resultate bei der ersten Umdrehung m\u00fcssen also durch zuf\u00e4llige Aufmerksamkeitseinstellungen hervorgerufen sein. Demnach sollte man erwarten, dass \u00fcberall da, wo die sp\u00e4teren Umdrehungen keinen Einfluss haben, wir negative und positive Urtheile in gleicher Zahl erhalten m\u00fcssten. Dem scheint zu widersprechen, dass bei den reflectirend Beobachtenden sp\u00e4terhin fast ausschlie\u00dflich positive Urtheile gef\u00e4llt werden. Wir sahen, dass der Eintritt von positiven oder negativen Urtheilen damit zusammenh\u00e4ngt, oh man den Schall oder die Gesichtseindr\u00fccke durch die Aufmerksamkeit bevorzugt. Hier beruht diese Bevorzugung der Gesichtseindr\u00fccke und damit das Ueberwiegen der positiven Urtheile zum Theil auf individueller Verschiedenheit, die keine principielle Bedeutung hat. Sp\u00e4terhin kommt noch dazu, dass, wenn das auf die Versuche gerichtete Interesse nachgelassen hat \u2014 und es ist psychologisch begreiflich, dass, nachdem der Beobachter einmal das erste Tausend Versuche hinter sich hat, er dem einzelnen nicht mehr so viel Aufmerksamkeit widmet, wie im Anfang \u2014 dass sp\u00e4terhin es das Nat\u00fcrlichere ist, dass der Beobachter seine Aufmerksamkeit vorzugsweise den Gesichtseindr\u00fccken zuwendet, die immer da sind, gegen\u00fcber den Schalleindr\u00fccken, die nur periodisch wiederkehren ; zumal da diejenigen, die \u00fcberhaupt zur Bevorzugung des Schalls neigen, von Anfang an naiv beobachten werden. Uebrigens gilt diese Bevorzugung der Gesichtseindr\u00fccke nicht durchweg. Ein Blick auf die Tabelle der constanten Fehler hei geringer Geschwindigkeit und eingetretener Uebung zeigt, dass","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418\nMoritz Geiger.\nauch beim reflectirend Beobachtenden noch constante negative Fehler, also individuelle Bevorzugungen des Schalls Vorkommen.\nd. Erkl\u00e4rung des Stellenfehlers.\nOben war gezeigt worden, dass die Fehlergr\u00f6\u00dfe nicht unabh\u00e4ngig ist von der Stellung des Zeigers bei Ausl\u00f6sung des Schalles. Wir hatten gefunden, dass der Stellenfehler negativ ist hei aufw\u00e4rtsgehendem Zeiger, positiv bei abw\u00e4rtsgehendeni; und zwar lag das beiderseitige Extrem mehr am Ende der ersten H\u00e4lfte als genau in der Mitte der gesammten Auf- bezw. Abw\u00e4rtsbewegung (Stelle 30 bis 40). In mehreren F\u00e4llen, z. B. bei YIH (Fig. 10), ist indessen die Vertheilung eine hinreichend gleichm\u00e4\u00dfige, so dass im Folgenden jener Asymmetrie vor einer noch eingehenderen Untersuchung dieser Unterfrage keine tiefergehende Bedeutung beigelegt werden soll.\nDieser Stellenfehler ist von den fr\u00fcheren Beobachtern nicht constat\u00e2t worden. Die Amerikaner, die nur mit einem Kreissector arbeiteten, und relativ wenige Versuche machten, hatten wohl keine Gelegenheit dazu. Anders ist es hei den Beobachtungen am Pendelapparat. Auch hier haben wir ja ein Auf- und Abw\u00e4rtsgehen des Zeigers vor uns. In der That finden wir, dass die Stellen gleicher Geschwindigkeit des aufw\u00e4rtsgehenden Zeigers weit gr\u00f6\u00dfere negative Zeitverschiebungen zeigten, als die des abw\u00e4rtsgehenden. Von Tschisch hat selbst darauf aufmerksam gemacht; nur schrieb er diese Erscheinung einem andern Umstande zu, n\u00e4mlich dem, dass bei aufw\u00e4rtsgehendem Zeiger die Bewegung beschleunigt, bei abw\u00e4rtsgehendem verlangsamt war. Es war dies auch die n\u00e4chstliegende Erkl\u00e4rung. Bei dem Uhrenapparat war sie nicht m\u00f6glich, da hier eine ganz gleichf\u00f6rmige Geschwindigkeit des Apparates vorhanden war. Es liegt nahe, sowohl hier als auch wenigstens theilweise beim Pendelapparat die Richtung der Zeigerbewegung f\u00fcr die Verschiedenheit der Resultate an den entsprechenden Stellen verantwortlich zu machen.\nZun\u00e4chst w\u00e4re es nicht unm\u00f6glich, dass der Stellenfehler gar keine psychologische Begr\u00fcndung hat, sondern auf einem Fehler des Apparates, etwa einem Gangunterschied des Apparates auf den beiden Seiten oder dergl. beruht. Es war daher nothwendig, die Versuchs-","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuclie.\n419\nanordnung so zu w\u00e4hlen, dass eine derartige M\u00f6glichkeit ausgeschlossen war.\nIch benutzte dazu ein astronomisches Fernrohr, das ich in solcher Entfernung vom Apparat auf stellte, dass das Gesichtsfeld des Beschauers gerade durch die Scala ausgef\u00fcllt war. Die Benennung der Theilstriche erfolgte unter Zuh\u00fclfenahme des Fadenkreuzes im Fernrohr. Durch das Fernrohr wurde eine Umkehrung des Bildes bewirkt, so dass der Weg des Zeigers jetzt von 50 nach 25 aufw\u00e4rts und von 25 nach 50 abw\u00e4rts ging. Hatte der Stellenfehler seinen Grund im Apparat, so musste der positive Stellenfehler zwischen 50 und 25 bleiben, also jetzt beim Aufw\u00e4rtsgehen des Zeigers erfolgen, der negative demnach beim Abw\u00e4rtsgehen des Zeigers sich einstellen. War dagegen der Fehler unabh\u00e4ngig vom Apparat, und lag nur an der Auffassung der Zeigerrichtung, so musste nach wie vor beim Aufw\u00e4rtsgehen des Zeigers der Stellenfehler negativ, beim Abw\u00e4rtsgehen positiv sein. Das Resultat ergab, dass die letztere Annahme die richtige war, dass also psychologische Momente das Dasein des Stellenfehlers verschuldeten.\nBei der Beobachtung durch das Fernrohr waren einige Ab\u00e4nderungen ohne weiteres mitgegeben: einmal war die Beobachtung im Fernrohr monocular, ferner war das Bild der Scala scheinbar verkleinert, und endlich wurde durch das Vorhandensein des Fadenkreuzes die ganze Auffassung der Scala ver\u00e4ndert, wovon unten die Rede sein wird.\nEs war nothwendig, die erste dieser Bedingungen gesondert zu untersuchen, um zu sehen, wie sich der Stellenfehler bei monocularem Sehen gestaltete. Denn der Gedanke lag nahe, dass der Stellenfehler seinen Grund im binocularen Sehen habe und bei monocularer Beobachtung verschw\u00e4nde. Ich machte daher mit den Versuchspersonen IX, X und XI rund 250 Versuche, je eine Versuchsreihe mit den Umdrehungszeiten 2,5 und 1 Secunde unter Verdeckung abwechselnd des rechten und des linken Auges durch eine Blende. Dabei ergab sich die Zeitverschiebung in a","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nMoritz Geiger.\nF\u00fcr das rechte Auge. Umdrehungszeit 2,5 Sec.\nVersuchsperson\tAls Mittelwerth fur die ganze Scala\tF\u00fcr die H\u00e4lfte des abw\u00e4rts gehenden Zeigers\tF\u00fcr die H\u00e4lfte des aufw\u00e4rts gehenden Zeigers\nIX\t-3\t+ 4\t\u2014 9\nX\t\u2014 3\t+ 3\t\u2014 8\nXI\t+ 5\t+ 16\t\u2014 6\nUmdrehungszeit 1 Sec.\nVersuchsperson\tAls Mittelwerth f\u00fcr die ganze Scala\tF\u00fcr die H\u00e4lfte des abw\u00e4rts gehenden Zeigers\tF\u00fcr die H\u00e4lfte des aufw\u00e4rts gehenden Zeigers\nIX\t+ 3\t+ 9\t\u2014 4 _\nX\t\u2014 10\t+ 9\t\u2014 28\nXI\t+ 7\t+ 14\t0\nF\u00fcr das linke Auge. Umdrehungszeit 2,5 Sec.\nVersuchsperson\tAls Mittelwerth f\u00fcr die ganze Scala\tF\u00fcr die H\u00e4lfte des abw\u00e4rts gehenden Zeigers\tF\u00fcr die H\u00e4lfte des aufw\u00e4rts gehenden Zeigers\nIX\t\u2014 6\t\u2014 4\t\u201415\nX\t\u2014 6\t\u2014 2\t\u2014 10\nXI\t+-6\t+ 19\t\u2014 7\nUmdrehungszeit 1 Sec.\nVersuchsperson\tAls Mittelwerth f\u00fcr die ganze Scala\tF\u00fcr die H\u00e4lfte des abw\u00e4rts gehenden Zeigers\tF\u00fcr die H\u00e4lfte des aufw\u00e4rts gehenden Zeigers\nIX\t\u2014 9\t\u2014 1\t\u2014 17\nX\t\u2014 20\t\u2014 17\t\u2014 23\nXI\t+ 2\t+ 12\t\u2014 8","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n421\nAus diesen Zahlen geht zur Gen\u00fcge hervor, dass bei monocularer Beobachtung der Stellenfehler keineswegs verschwindet. Vielmehr zeigt deutlich \u00fcberall die H\u00e4lfte des aufw\u00e4rtsgehenden Zeigers negativen, die des abw\u00e4rtsgehenden positiven Stellenfehler. Dabei sind meist die Zahlen f\u00fcr das linke Auge negativer, ein Umstand, dem wohl keine Bedeutung beizumessen ist. Der eingehende Vergleich mit den auf Seite 390 angef\u00fchrten Zahlen f\u00fcr den Stellenfehler heim binocularen Sehen zeigt, dass durch das monoculare Sehen in Bezug auf den Stellenfehler nichts ge\u00e4ndert wird. Deshalb braucht bei den Fernrohrversuchen nicht in Betracht gezogen zu werden, dass monocular beobachtet wird. Die Versuche mit dem Fernrohr waren ungef\u00e4hr 700 an der Zahl. Sie wurden ausgef\u00fchrt mit den Versuchspersonen VIH, IX, X und XI bei den Umdrehungszeiten 2,5 und 1 Secunde. Als Resultat ergab sich:\nZeitverschiebung in a. Umdrehungszeit 2,5 Sec.\nV ersuchsperson\tAls Mittelwerth f\u00fcr die ganze Scala\tF\u00fcr die H\u00e4lfte des aufw\u00e4rts gehenden Zeigers\tF\u00fcr die H\u00e4lfte des abw\u00e4rts gehenden Zeigers\nVHI\t+ 35\t+ 55\t+ 14\nIX\t\u2014 8\t\u2014 7\t\u2014 11\nX\t\u2014 10\t\u2014 10\t\u2014 9\nXI\t+ 1\t+ 2\t\u2014 1\nUmdrehungszeit 1 Sec.\nY ersuchsperson\tAls Mittelwerth f\u00fcr die ganze Scala\tF\u00fcr die H\u00e4lfte des aufw\u00e4rts gehenden Zeigers\tF\u00fcr die H\u00e4lfte des abw\u00e4rts gehenden Zeigers\nVIII\t+ 31\t+ 43\t+ 18\nIX\t\u2014 3\t0\t\u2014 6\nX\t\u2014 16\t\u2014 5\t\u2014 26\nXI\t4\t+ 4\t+ 5","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nMoritz Geiger.\nBei diesen Versuchen ist Folgendes zu beachten: Obwohl ich ein nicht merklich vergr\u00f6\u00dferndes oder verkleinerndes Fernrohr benutzte, so erschien dadurch, dass man die Scala direct ans Ende des Fernrohrs verlegte, w\u00e4hrend das Xetzhautbild in seiner Gr\u00f6\u00dfe ungeandert blieb, Scala und Zeiger bedeutend verkleinert, d. h. die Geschwindigkeit der Zeigerspitze schien verlangsamt; um festzustellen, wieviel etwa die Geschwindigkeits\u00e4nderung gegen -fr\u00fcher betrug, war es noth-wendig, die scheinbare L\u00e4nge des Zeigers jetzt mit der scheinbaren L\u00e4nge von fr\u00fcher zu vergleichen. Ich lie\u00df mir daher die scheinbare L\u00e4nge von den Versuchspersonen aufzeichnen. Es stellte sich dabei heraus, dass die scheinbare L\u00e4nge des Zeigers etwa ein F\u00fcnftel von fr\u00fcher betrug. Demnach betrug auch die scheinbare Centimeter-geschwindigkeit des Zeigers nur ein F\u00fcnftel der scheinbaren fr\u00fcheren. Ich verzichte wegen der Unm\u00f6glichkeit, hier exact zu sein, auf genauere Angaben. Auf jeden Fall stand zu erwarten, nach dem, was wir oben \u00fcber den Einfluss der Verlangsamung der Aufeinanderfolge der Gesichtseindr\u00fccke gefunden hatten, dass die Zeitverschiebung gegen fr\u00fcher etwas negativer ausfallen werde, was auch mit Ausnahme von VIII, bei dem inzwischen die Ein\u00fcbung Fortschritte gemacht hatte, in der That, wenn auch nur wenig der Fall war. Wie schon oben bemerkt, blieb in Bezug auf den Stellenfehler hier das Resultat dem Sinne nach dasselbe; freilich mit zwei Ausnahmen: f\u00fcr XI bei der Umdrehungszeit 1 Secunde, und f\u00fcr X hei der Umdrehungszeit 2,5 Secunden ist die H\u00e4lfte des abw\u00e4rtsgehenden Zeigers ein wenig negativer als die des aufw\u00e4rtsgehenden. Das ist \u00fcberhaupt eine Erscheinung, die auch die anderen angef\u00fchrten Zahlen \u2014 die Versuche im einzelnen zeigen es noch deutlicher \u2014 darthun, dass gegen die ersten Versuche die beiden Stellenfehler im allgemeinen einander n\u00e4her ger\u00fcckt sind. Zum deutlichen Vergleich gebe ich zahlenm\u00e4\u00dfig an, um wieviel bei den urspr\u00fcnglichen Versuchen und bei denen im Fernrohr die Unterschiede der Zeitverschiebungen zwischen rechts und links betragen.","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n423\nDer Unterschied des Stellenfehlers beider H\u00e4lften betr\u00e4gt in a\nVersuchs-\tUmdrehungszeit 2,5 Sec.\t\tUmdrehungszeit 1 See.\t\n\tbei den Versuchen\tbei den Fern-\tbei den Versuchen\tbei den Fern-\nperson\tmit blo\u00dfem Auge\trohrversuchen\tmit blo\u00dfem Auge\trohrversuchen\nVIII\t50\t41\t39\t25\nIX\t24\t4\t24\t6\nX\t25\t\u2014 1\t16 ,\t19\nXI\t8\t3\t13\t\u2014 1\nDas Minuszeichen bedeutet, dass der Stellenfehler rechts negativer als links.\nMit Ausnahme von X, Umdrehungszeit 1 Secunde, ist die Abnahme eine betr\u00e4chtliche, so dass wir den Umschlag bei XI, Umdrehungszeit 1, und X, Umdrehungszeit 2,5, bei denen die H\u00e4lfte des abw\u00e4rtsgehenden Zeigers den negativeren Werth zeigt, nur als Symptom f\u00fcr die Abnahme des Unterschiedes der Stellenfehler \u00fcberhaupt ansehen k\u00f6nnen.\nEs ist also festgestellt, dass die Ursache des Stellenfehlers weder im Apparat noch im binocularen Sehen zu suchen ist. Auch die Annahme, dass irgendwie sonst die rechte oder die linke Seite bevorzugt sei, war nicht m\u00f6glich, wie mir etwa 150 Versuche ergeben, bei denen die Versuchsperson die Scala im Spiegel beobachtete, so dass also jetzt rechts der Zeiger aufw\u00e4rts, links abw\u00e4rts ging. Die H\u00e4lfte des aufw\u00e4rtsgehenden Zeigers zeigte nach wie vor den negativen, die des abw\u00e4rtsgehenden den positiven Stellenfehler.\nDa der Stellenfehler, wie wir sahen, abh\u00e4ngig ist von der Gangrichtung des Zeigers, so wird wohl auch die Auffassung der Bewegungsrichtung des Zeigers verantwortlich zu machen sein f\u00fcr den Stellenfehler.\nEs ist nur die Frage, wie man sich nun diesen Einfluss der Bewegungsrichtung des Zeigers auf die Zeitverschiebung im einzelnen zu veranschaulichen habe. Er ist nach der oben dargelegten psychologischen Erkl\u00e4rung der Zeitverschiebungen \u00fcberhaupt nur in der Weise denkbar, dass bei der verschiedenen Bewegungsrichtung die innere Verarbeitung der percipirten in Betracht kommenden Theil-","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424\nMoritz Geiger.\nstriche bald relativ rascher, bald langsamer vorw\u00e4rts schreitet, und zwar muss das erstere der Abw\u00e4rtsbewegung, das letztere der Aufw\u00e4rtsbewegung entsprechen. Diese leichtere oder schwerere Auffassung der Bewegung wird dabei zun\u00e4chst peripher bedingt sein durch die leichtere oder schwerere Bewegung der Augen.\nEs ist zu erwarten, dass die neben einer Augenbewegung hergehende Apperception bei verschiedener Schwierigkeit der rein peripheren Th\u00e4tigkeit fr\u00fcher oder sp\u00e4ter die f\u00fcr den Act der Zusammenfassung mit dem Schall nothwendige Vollendung erreicht und somit mehr oder weniger weit hinter dem peripheren Eixationspunkt zur\u00fcckbleibt. Wenn nun die Augenbewegung leichter abw\u00e4rts erfolgt als aufw\u00e4rts, so war hiermit ein Grund f\u00fcr die relativ verfr\u00fchte Vollendung der Apperception der Theilstriche auf der rechten Seite gegen\u00fcber der Apperception der Theilstriche auf der linken Seite gegeben. Es galt daher, entweder die Augenbewegungen ganz auszuschalten, um zu sehen, ob dann auch der Stellenfehler wegfiel, oder sie einfach innerhalb des sonst m\u00f6glichst normalen Versuches irgendwie in ihrer verschiedenen Schwierigkeit controlliren zu k\u00f6nnen. Hingegen ist keineswegs nothwendig, dass die thats\u00e4chliche Bewegung des pheri-pheren Eixationspunktes hinter dem Zeiger zur\u00fcckbleibe. Die deutlichste Perception ist eben gerade von der Apperception zu unterscheiden und je nach der Schwierigkeit der ersteren wird die letztere zeitlich mehr oder weniger von der Perception getrennt sein k\u00f6nnen. Mit anderen Worten, es kommt wohl auf eine gr\u00f6\u00dfere oder geringere Geschwindigkeit der Apperception, dagegen nur auf die verschiedene Leichtigkeit der Augenbewegungen an.\nZun\u00e4chst wurde versucht, die Augenbewegung auszuschalten, indem ich etwa 150 Versuche mit den Versuchspersonen VHI, X und XII anstellte, und zwar in folgender Weise: die Beobachter \u2014 es waren lauter Beobachter, die in Fixationsversuchen Uebung hatten \u2014 fixirten genau die Mitte des Apparates, so dass sich Zeiger und Scala nur in indirectem Sehen abbildeten. Das Besultat ergab keineswegs ein Wegfallen des Stellenfehlers, nur gr\u00f6\u00dfere Schwankungen der Zeitverschiebung. Doch kann diesen Versuchen keine Beweiskraft zugesprochen werden, da auch die blo\u00dfe Wanderung der Aufmerksamkeit bei ruhender Fixation in ihrer Geschwindigkeit die bei","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversucke.\n425\nihrer normalen Verbindung mit Blickbewegungen gewohnten Unterschiede je nach den verschiedenen Richtungen beibeh\u00e4lt.\nEs kam also doch vor allem der Nachweis in Betracht, dass beim Abw\u00e4rtsgehen des Zeigers gegen\u00fcber dem Aufw\u00e4rtsgehen die entsprechenden Augenbewegungen erleichtert waren. Ich benutzte dabei folgende Methode (siehe Figur 11): ich ersetzte die wei\u00dfe Pappescala durch einen Ring aus schwarzem Carton [Sk), in dem 20 Theil-striche (T) in Gestalt von etwa 1/-\u00bb Centimeter breiten Ausschnitten angebracht waren. Nach innen schloss sich an den Ring eine schwarze Pappscheibe (Sch), die \u00fcber dem Zeiger befestigt war und sich mit ihm drehte. Der Zeiger war hier durch einen schmalen Ausschnitt [x) der Scheibe ersetzt. Der Apparat wurde im Dunkeln aufgestellt und durch die 4 elektrischen Lampen von\nr\u00fcckw\u00e4rts erleuchtet, so dass f\u00fcr den Beschauer von vorne nur die Ausschnitte im Ring als Theilstriche, und der Ausschnitt in der Scheibe als Zeiger erleuchtet zu sehen war. Zuerst wurde nun die Scheibe in sehr langsame Umdrehung versetzt. Dabei ergab sich ein an allen Stellen gleichm\u00e4\u00dfiges Nachbild des Zeigers. Hierauf wurde eine gr\u00f6\u00dfere Geschwindigkeit eingestellt. Dabei ergab sich, dass das Nachbild des Zeigerausschnittes ein sehr wechselndes war. F\u00e4cherf\u00f6rmig dehnte es sich bald zur vierfachen Breite des Zeigers aus, bald schrumpfte es zusammen, sodass \u00fcberhaupt nur ein geringes Nachbild zu sehen war. Mit sieben Beobachtern wurden die Versuche angestellt; zwei erkl\u00e4rten, keine bestimmte Regelm\u00e4\u00dfigkeit in der Zusammenziehung und Ausbreitung des Nachbildes angeben zu k\u00f6nnen. Die 5 anderen gaben an, dass beim Abw\u00e4rtsgehen sich das Nachbild zusammenzog, am kleinsten war kurz nach Beginn des Aufw\u00e4rtsgehens, sich dann immer mehr ausbreitete, bis es sein Maximum zu Beginn des Abw\u00e4rtsgehens hatte. Das ganze Ph\u00e4nomen war freilich \u00f6fters von Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten in der Zusammenziehung und Ausbreitung begleitet. In der Hauptsache aber erschien die Region der allm\u00e4hlichen Ausbreitung des Nachbildes mit der Aufw\u00e4rtsbewegung","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426\nMoritz Geiger.\ndes Zeigers, die Region der allm\u00e4hlichen Zusammenziehung aber mit der Abw\u00e4rtsbewegung zusammenzufallen. Die Ausbreitung und Zu-sammenziebung des Nachbildes r\u00fchrt zweifellos daher, dass die Augen bald unvollst\u00e4ndiger, bald correcter dem Zeiger zu folgen verm\u00f6gen, da eine exacte Verfolgung des Zeigers mit der Fixation gar keine Ausbreitung der gereizten Fl\u00e4che erzeugt.\nDabei scheint zugleich aus der speciellen Lage der Ausbreitung hervorzugehen, dass die genaue Einhaltung des gleichen \u00bbSchrittes\u00ab mit dem Zeiger w\u00e4hrend der Abw\u00e4rtsbewegung noch bis in den Beginn der Aufw\u00e4rtsbewegung her\u00fcberreicht und dass erst allm\u00e4hlich hinaufw\u00e4rts jene St\u00f6rung der Parallelbewegung eintritt, die dann auch erst etwas nach Beginn der Abw\u00e4rtsbewegung wieder v\u00f6llig ausgeglichen ist. Man k\u00f6nnte versucht sein, hieraus einen Widerspruch mit der thats\u00e4chlichen speciellen Lage des Maximums der negativen Stellenfehler der Aufw\u00e4rtsbewegung zu sehen, welche mehr in der ersten H\u00e4lfte dieses Theiles der Bewegung lag, und \u00e4hnliches k\u00f6nnte rmitatis mutandis f\u00fcr die Abw\u00e4rtsbewegung angef\u00fchrt werden. Indessen darf man nicht die oben hervorgehobene Beziehung von Augenbewegung und negativem Stellenfehler \u00fcberhaupt vergessen, welche den letzteren nur mit der Schwierigkeit der Bewegung \u00fcberhaupt verband, nicht mit der mangelnden Ausf\u00fchrung derselben, wie sie allein den Grund f\u00fcr die Ausbreitung des Bildes abgibt. Eine an sich schwierige Bewegung wird erst bei weiteren Complicationen zu einer ungenauen Einhaltung der Fixation f\u00fchren, und diese Complication scheint bei der Aufw\u00e4rtsbewegung erst in der gleichzeitigen Aenderung der Hauptrichtung gegeben, wie sie im oberen Quadranten erfolgt. W\u00fcrde nun das Auge dieser compli-cirten Aufgabe thats\u00e4chlich mit aller Feinheit nachkommen, so w\u00fcrde allerdings ganz allgemein eine weitere Verlegung der negativen Stellenfehler nach oben zu erwarten sein. Es w\u00e4re aber dann auch keine Ausbreitung des Bildes an dieser Stelle zu sehen. Indessen folgen die thats\u00e4chlich ausgef\u00fchrten Bewegungen keineswegs immer der in den objectiven Richtungen gegebenen Aufforderung. Gerade wo die Schwierigkeit zu gro\u00df wird, k\u00fcrzen sie ebenso wie die gleichlaufende Apperception ihren Weg ab, ruhen fixirend aus u. s. w., kurz sie lassen das bewegte Object sozusagen mehr indirect beobachtend f\u00fcr sich weiter laufen, dass sich gerade hieraus die Ausbreitungen der","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\n427\nobjectiv anders bewegten Reize an diesen Stellen ergeben. Hat aber einmal die ungenau abk\u00fcrzende Bewegung begonnen, so wird sie erst wieder relativ einfache Bedingungen der Verfolgung des Objects ab-warten, bis sie wieder exact nachfolgt. Es besteht somit in dieser Versuchsanordnung keine ganz einfache Beziehung zwischen dem beobachtbaren Kriterium und dem gesuchten Eactor. Man kann vielmehr nur aus der Erleichterung, die sich das Auge, von einem bestimmten Punkt der Schwierigkeit an, selbst verschafft, auf die hinreichende Abm\u00fchung bis zu diesem Punkt, und weiterhin aus der allm\u00e4hlichen genauen Wiederaufnahme der Parallelbewegung mit dem Object auf die inzwischen begonnene Erleichterung der Bewegung schlie\u00dfen. Die besonders in den oberen Partien vorhandene Selbsterleichterung der Aufgabe ist aber nun gerade ein Aufgeben des Hauptmomentes des \u00bbnaiven\u00ab Beobachtungsmodus, d. h. eben der f\u00fcr ihn charakteristischen Verfolgung des Zeigers. Man verh\u00e4lt sich hier viel \u00bbabwartender\u00ab, in einer mehr indirect fixirenden Betrachtung des Zeigers. Dieser Factor wirkt aber nach dem Bisherigen gerade der negativen Tendenz entgegen. Andererseits ist in der unteren Region, sowohl f\u00fcr die hier besonders exact verlaufende Abw\u00e4rtsbewegung als auch noch f\u00fcr den Beginn der Aufw\u00e4rtsbewegung, welche sozusagen mit dem vollen Schw\u00fcnge einsetzen kann und deshalb trotz der deutlichen Erschwerung noch scharf am Objecte bleibt, eben wegen der guten Verfolgung des Zeigers die \u00bbnaive Beobachtung\u00ab besonders beg\u00fcnstigt, welche einerseits der in der leichten Abw\u00e4rtsbewegung liegenden positiven Tendenz entgegenwirkt, andererseits die negative Tendenz steigert, welche durch das Nachhinken der Apperception bei noch immer guter Einhaltung des peripheren Fixationspunktes bereits entstanden ist.\nDie Thatsache, dass die Augenbewegung abw\u00e4rts leichter vor sich geht als aufw\u00e4rts, ist \u00fcbrigens auch sonst aus einer Reihe von Erscheinungen bekannt, auf deren ausf\u00fchrliche Besprechung und Erkl\u00e4rung in Wundt\u2019s physiologischer Psychologie (H4, S. 140) ich hiermit verweise. Die kleinen Abweichungen von den einfachsten Folgerungen, die aus der hier vorausgesetzten Beziehung sich ergeben, brauchen indessen schon deshalb nicht alle in Besonderheiten dieser Beziehung ihren Grund zu finden, weil auch noch andere Factoren mitbetheiligt sein d\u00fcrften.\nWundt, Philos. Studien. XVIII.\n28","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\nMoritz Geiger.\nNeben dem Einfluss der Augenbewegungen k\u00f6nnen auch noch associative Eaetoren die schnellere Apperception der Theilstriche auf der rechten gegen\u00fcber denen der linken Seite beg\u00fcnstigen. Wie jedes Erlebniss nicht so aufgefasst wird, wie es wirklich ist, sondern wie es unter der Nachwirkung fr\u00fcherer Erlebnisse erscheint, so' wird auch die Auffassung dieser Auf- und Abw\u00e4rtsbewegung des Zeigers gewisserma\u00dfen durch alle Aufw\u00e4rts- und Abw\u00e4rtsbewegungen beeinflusst werden, die wir jemals erlebt haben, also nicht nur durch die verschiedene Schwierigkeit der Augenbewegungen und der mit ihr zusammenh\u00e4ngenden Apperceptionsbewegung, die wir jetzt thats\u00e4ch-lich erleben. Jede objective Bewegung gegen die Schwere erscheint uns hiernach als m\u00fchsam und Schwierigkeiten \u00fcberwindend, und hierdurch wird r\u00fcckl\u00e4ufig auch wiederum unsere eigene auf die Auffassung dieses objectiven Vorganges gerichtete Th\u00e4tigkeit in allen ihren Einzelelementen nach dieser Richtung bedr\u00fcckt, bezw. in der entgegengesetzten erleichtert und in ihrem Erfolg beschleunigt. Die Richtung der Wirksamkeit dieses \u00e4sthetischen Factors der Raumanschauung \u00fcberhaupt \u00df stimmt also mit dem vorigen vollkommen \u00fcberein und ist wegen des innigen Zusammenhanges der Associationen auch experimentell nicht davon zu trennen.\nDurch die Eernrohrbeobachtung kam endlich noch ein weiteres Moment zur besonderen Geltung, welches ebenfalls ein eigenes System von Stellenfehlem zu erzeugen im st\u00e4nde ist, welches das bisher abgeleitete in verschiedener Richtung zu modificiren geeignet ist und das auch bei der freien Beobachtung, nur nicht so deutlich, mitgewirkt zu haben scheint. Es wurde schon fr\u00fcher ganz allgemein erkannt, dass jeder ausgezeichnete Punkt der Scala eine Verlegung des Schalles nach demselben beg\u00fcnstigt, wenn der Zeiger bei seinem Ert\u00f6nen \u00fcberhaupt in der N\u00e4he war. Nun besitzt aber die Scala, selbst wenn sie an sich gar keine weitere Auszeichnung enth\u00e4lt, eben in ihren nach der r\u00e4umlichen Lage wichtigsten Drientirungspunkten eine durch die Raumauffassung selbst unmittelbar mitgegebene Poin-tirung. So pflegen wir alle, nach allen vier Richtungen symmetrischen Gebilde horizontalsymmetrisch aufzufassen* 2), wohl in An-\n\u00fc Ygl. Th. Lipps, Raum\u00e4sthetik mul geometrisch-optische T\u00e4uschungen. 1897.\n2) Ygl. auch Wundt, Physiol. Psychologie, lit S. 238.","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuclie.\n429\nlehnung an die Gliederung des menschlichen K\u00f6rpers. Es ist -mold auch. kein. Zufall, dass die: Eintheilung der Scala oben beginnt und nicht an der Seite. Diese Gliederung wirkt zun\u00e4chst einmal steigernd f\u00fcr die Auffassung der Zeigerbewegung als eines Auf- und Niedergehens und das entsprechende Mitlaufen der Augenbewegung, welches die Abgrenzung einer negativen und positiven Seite des Stellenfehlers bedingt. Indessen wird das dadurch bedingte Hervertreten des oberen und unteren Halbirungspunktes (und zum Theil wohl auch der seitlichen Extreme) - ohne weitere R\u00fccksicht auf die Schwierigkeit oder Leichtigkeit, der dazwischen liegenden Zeigerbewegungen die Verlegung des Schalles nach ihnen beg\u00fcnstigen. Machte sich nun dieses Fehler-System thats\u00e4chlich schon f\u00fcr die freie Beobachtung geltend, so zeigte es sich besonders bei der Fernrohrbeobachtung; Bei letzterer wird eben die; Auszeichnung der Umkehrpunkte f\u00fcr die Bewegung noch durch die Quadranteneintheilung des Fadenkreuzes unterst\u00fctzt. Damit stimmen die Beobachtungen vollkommen \u00fcberein, die ich w\u00e4hrend aller Versuche oft zu constatiren Gelegenheit hatte: war der Ort des Schalls in der N\u00e4he dieser Umkehrpunkte, so blieb man in der Auffassung des Ortes des Schalls auf der Seite des Umkehrpunktes, auf die man den Schall zuerst verlegt hatte. War etwa der Schall bei 23 und man hatte ihn zuerst bei 27 geh\u00f6rt, so pflegte man in der Regel bei den folgenden Umdrehungen nicht \u00fcber 25 zur\u00fcckzur\u00fccken und gab allenfalls noch 25 an. 25 und 50 waren Wendepunkte f\u00fcr die Auffassung und die Bewegung. Der ganze Rhythmus von Auffassung und Bewegung w\u00e4re ge\u00e4ndert worden, wenn man in der Verlegung des Schalls auf die andere Seite des Wendepunkts gegangen w\u00e4re. Das geschah demgem\u00e4\u00df, nur dann, wenn die Discrepanz zwischen dem wirklichen Ort des Schalls und! dem seiner ersten Auffassung gar zu gro\u00df war. Es ist begreiflich, dass dfer Anziehungskraft dieser durch die Aenderung der Richtung von Augenbewegung und Auffassung ausgezeichneten Wendepunkte eine Verlangsamung in der Auffassung derjenigen Theilstriche entsprach, die unmittelbar dieser Schwenkung folgten. D\u00e4raus erkl\u00e4rt es sich, dass unmittelbar hinter Tkeilsfrich 50 eine Tendenz zum negativen Stellenfehler auftrat, die nat\u00fcrlich individuell sehr verschieden sein konnte. Unmittelbar hinter Theilstrich 25 fand nat\u00fcrlich dasselbe statt. Aber hier ging die Tendenz des Stellenfehlers","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430\nMoritz Geiger.\nschon vorher nach der negativen Seite, so dass diese Tendenz nur eine kleine Verst\u00e4rkung erfuhr, die sich in der allgemeinen negativen Tendenz vielleicht darin bemerkbar machte, dass, wie wir oben sahen, fast stets das Maximum der negativen Tendenz in der ersten H\u00e4lfte des Aufw\u00e4rtsgehens des Zeigers zu finden war. Die entsprechende \u00bbAnziehungskraft\u00ab des oberen Umkehrpunktes wird indessen gerade umgekehrt wie die Schwierigkeit der-Bewegung wirken m\u00fcssen und der negativen Tendenz heim Aufsteigen eine positive wegen des Zustrehens der Apperception nach diesem oberen Umkehrpunkte entgegensetzen. Aus dieser Concurrenz der Motive erkl\u00e4rt sich wohl auch in der Hauptsache das weniger einfache Resultat, das die obere Region gegen\u00fcber der unteren hinsichtlich des Stellenfehlers darbietet.\nIch lasse hier die zugeh\u00f6rigen Tabellen folgen. Es betr\u00e4gt in Theilstrichintervallen die mittlere Abweichung jedes Intervalls vom mittleren Fehler der ganzen Scala:\nUmdrehungszeit 2,5 Sec.\nIntervall der Scala\tYersucl vm | ix\t\tsperson X\t|\tXI i\t\n50- 5\t+ 0,14\t|\t\u2014 0,13 !\t\t\u2014 0,08\t+0,1\n5\u201410\t+ 0,47\t+ 0,1\t+ 0,08\t+ 0,18\n10-15\t+ 0,75\t+ 0,2\t\u2014 0,54\t+ 0,14\n15\u201420\t+ 0,2\t+ 0,05\t+ 0,25\t\u2014 0,13\n20\u201425\t+ 0,31\t+ 0,04\t+ 0,14\t\u2014 0,14\n25\u201430\t-o,i\t-0,2\t+ 0,17\t\u2014 0,11\n30-35\t\u2014 0,39\t-0,2\t\u2014 0,12\t\u2014 0,32\n35\u201440\t-0,52\t\u2014 0,01\t+ 0,31\t+ 0,18\n40-45\t\u2014 0,31\t+ 0,13\t-0,13\t+ 0,17\n45\u201450\t\u2014 0,55\t0\t\u2014 0,12\t\u2014 0,06","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\t431\nUmdrehungszeit 1 Sec.\nIntervall der Scala\tVHI\tVersuchsperson IX\t|\tX\t\tXI\n50- 5\t+ 0,46\t0\t+ 0,18\t\u2014 0,36\n5\u201410\t+ 0,78\t+ 0,07\t\u2014 0,93\t\u2014 0,21\n10\u201415\t+1,25\t+ 0,38\t+ 0,65\t+ 0,19\n15-20\t+ 0,73\t+ 0,13\t+ 1,71\t+ 0,66\n20\u201425\t\u2014 0,19\t\u2014 0,25\t+ 0,93\t\u2014 0,31\n25-30\t\u2014 0,46\t-0,03\t+ 0,42\t\u2014 0,11\n30-35\t-1,14\t\u2014 0,55\t\u2014 1,82\t\u2014 0,62\n35\u201440\t\u2014 0,75\t\u2014 0,07\t\u2014 0,44\t+ 0,83\n40\u201445\t\u2014 0,68\t+ 0,13\t\u2014 0,26\t+ 0,28\n45\u201450\t\u2014 0,05\t+ 0,19\t\u2014 0,39\t\u2014 0,49\nHier ist nur VIH so gut wie frei von der negativen Tendenz zwischen 50 und 10. Dagegen zeigen hei IX beide Tabellen an der betreffenden Stelle eine leichte Tendenz zum Negativen, bei X ist bei Umdrebungszeit 1 Secunde die Einbuchtung der Curve abnorm; ebenso zeigt sie sich deutlich bei XT. Da nur die obere H\u00e4lfte der Scala f\u00fcr diese Erscheinung in Betracht kam, so suchte ich sie zu isoliren, indem ich einmal nur die untere H\u00e4lfte der Scala sichtbar sein lie\u00df, das andere Mal nur die obere. Ich verdeckte die nicht sichtbar sein sollende H\u00e4lfte mit einer Pappscheibe. Es war dann zu erwarten, dass bei Sichtbarsein der unteren H\u00e4lfte deutlich rechts positiver, links negativer Stellenfehler eintrete. Wenn nur die obere H\u00e4lfte sichtbar war, so musste dagegen die Erscheinung der negativen Tendenz bei Beginn des Abw\u00e4rtsgehens, da sie. jetzt einen relativ gr\u00f6\u00dferen Theil der Scala umfasste, ihren Einfluss derart \u00fcben, dass die zuerst behandelte regul\u00e4re Erscheinung des Stellenfehlers im Endresultat verschwinden konnte. Das war auch in der That der Fall. Ich machte rund 400 Versuche mit den Versuchspersonen IX, X und XI bei der Umdrehungszeit 1 Secunde.","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"43S\nMoritz (feiger.\nWar durch das Fernrohr <die untere H\u00e4lfte sichtbar, so ergab sich als Zeitverschiebung in a:\nVersuchsperson\tMittelwerth der ganzen sichtbaren Scala\tF\u00fcr den Theil des abw\u00e4rts gehenden Zeigers\tF\u00fcr den Theil des aufw\u00e4rts gehenden Zeigers !\nIX\t\u2014 5\t+ 4\t\u2014 13\nX\t+ 5\t+ 8\t+ 1\nXI\t\u2014 11\t+ 1\t\u2014 20 |\nWar nur die obere H\u00e4lfte durch das Fernrohr sichtbar:\nVersuchsperson\tMittelwerth der ganzen sichtbaren Scala\tF\u00fcr den Theil des abw\u00e4rts gehenden Zeigers\tF\u00fcr den Theil des aufw\u00e4rts gehenden Zeigers\nIX\t+ 2\t+ 1\t+ 3\nX\t\u2014 15\t\u2014 11\t\u2014 19\nXI\t+ 3\t0\t+ 6\nWie aus den Zahlen deutlich wird, ist, wenn die untere H\u00e4lfte sichtbar wird, die Tendenz des Stellenfehlers vor dem tiefsten Punkte positiv, nachher negativ. Wenn hingegen die obere H\u00e4lfte sichtbar ist, wird das Resultat keineswegs ein so einheitlich zu deutendes. Der Unterschied wird deutlicher, wenn man den Stellenfehler im einzelnen beachtet und curvenm\u00e4\u00dfig darstellt. Ich gebe zun\u00e4chst wieder die Zahlen, wobei ich wiederum die mittlere Abweichung des betreffenden Intervalls vom durchschnittlichen Fehler der ganzen Curve gebe. Die ausgezogene Curve ist die Stellenfehlercurve f\u00fcr Versuchsperson IX, die gestrichelte f\u00fcr X, die punktirte f\u00fcr XI.\nDiese Abweichung betrug bei Sichtbarsein der unteren H\u00e4lfte in Theilstrichintervallen (Fig. 12):","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"Nene Complieationsversuche.\n433\nF\u00fcr das Intervall\tVersuchsperson\t\t\nder Scala\tIX\tX\tXI\n121/2\u201415\t+ 0,39\t+ 0,25\t!\t+ 0,15\t'\n15-20\t+ 0,64\t+ 0,38\t+ 0,34\n20\u201425\t\u2014 0,34\t+ 1}1\t0\n25-30\t\u2014 0,66\t\u2014 0,83\t+ 0,06\n30\u201435\t\u2014 0,19\t\u20141;03\t\u2014 0,33\n35-371/2\t+ 0,56\t+ 0,5\t\u2014 0,25\nAus diesen Zahlen geht deutlich hervor, dass beim Sichtbarsein nur der unteren H\u00e4lfte der Scala im wesentlichen nichts ge\u00e4ndert wird daran, dass der Stellenfehler beim Aufw\u00e4rtsgehen negativ, beim Abw\u00e4rtsgehen positiv ist. Die Intervalle 12y2\u201415 und 35\u201437 y2 fallen aus diesem Rahmen heraus, da an der Grenze der Sichtbarkeit die Tendenz besteht, den Schall genau auf den Punkt des Auftretens bezw. des Verschwindens des Zeigers zu verlegen, wodurch der Stellenfehler bei 12y2\u2014:15 im negativen Sinn, bei 35\u201437 y2 in positivem beeinflusst wird. Diese Tendenz ist leicht erkl\u00e4rlich aus der Thatsache, dass der Auftauch- und Verschwindepunkt des Zeigers der Aufmerksamkeit einen besonderen Halt bietet, und dadurch das n\u00e4mliche Fehlerprincip nochmals von einer besonderen Seite her in Betracht kommt. Hierdurch wirken zwischen 12y2 und 15, wie zwischen 35 und 37 y2 Tendenz des Stellenfehlers und Richtung der Aufmerksamkeit gegeneinander. Freilich h\u00e4lt zuweilen dieser Tendenz die bewusste Gegen-tendenz die Wage, sich m\u00f6glichst nicht durch derartige ausgezeichnete Punkte beeinflussen zu lassen. Im ganzen bleibt daher das Bild, das\n","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\tMoritz Geiger.\nwir vom Stellenfehler hei Beobachtung der ganzen Scala gewonnen haben, wenig ver\u00e4ndert.\nAnders ist es, wenn nur die obere H\u00e4lfte der Scala sich zeigt. Der Uebersichtlichkeit halber sind hier kleinere Intervalle in der N\u00e4he des h\u00f6chsten Punktes der Scala genommen. Die mittlere Abweichung vom durchschnittlichen Fehler aller Versuche betrug in Theilstrichintervallen als Einheit (Fig. 13):\nF\u00fcr das Intervall\tbei Versuchsperson\t\t\nder Scala\tIX\tX\tXI\n37V2\u201440\t+ 0,43\t+ 0,12\t+ 0,04\n40\u201445\t0\t-0,98\t+ 0,14\n45-48\t+ 0,07\t\u2014 1,07\t+ 0,48\n48\u201450\t\u2014 0,23\t+ 0,22\t+ 0,41\n50-3\t-0,4\t\u2014 0,03\t\u2014 0,17\n3-5\t\u2014 0,06\t+ 0,13\t\u2014 0,12\n5\u201410\t+ 0,09\t+ 0,76\t-0,4\n10\u2014121/2\t+ 0,08\t+ 1,06\t\u2014 0,05\nKg. 13.\nHier gilt zun\u00e4chst wiederum, dass die Zahlen f\u00fcr die Grenzintervalle 38\u201440 und 10\u201412 bedeutungslos sind, da hier in Folge der verschiedenen zusammenkommenden Tendenzen die Zahlen nicht eindeutig sind. Von diesen Intervallen abgesehen, zeigen die Curven der drei Personen ganz verschiedene Bilder: bei IX hei auf steigendem Zeiger zuerst der Stellenfehler positiv, dann negativ; das negative","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Complicationsversuche.\t435\njvrqvnmim bei Beginn des Abw\u00e4rtsgehens, dann eine R\u00fcckkehr ins Positive.\nBei X zuerst negativ, dann positiv, wieder ein leichter R\u00fcckgang ins Negative, dann immer st\u00e4rker positiv.\nBei XI vom Positiven ein allm\u00e4hlicher Abstieg ins Negative.\nAuf jeden Fall ist so viel aus diesen Zahlen ersichtlich, dass von der Curve, wie wir sie bei Beobachtung der ganzen Scala und der unteren H\u00e4lfte allein gefunden hatten, hei der im wesentlichen rechts positiver, links negativer Stellenfehler war, hier als Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit nicht mehr die Rede ist, wenn auch hei X sie noch vorhanden ist. Aber auch bei X zeigt sich, wie bei den \u00fcbrigen, zwischen 50 und 3 eine Ausbuchtung ins Negative, wenn sie auch nicht ausreicht, das Endresultat in seinem Charakter zu ver\u00e4ndern.\nF\u00fcr die Herabsetzung dieses Systems von Stellenfehlern hei der freien Beobachtung kam au\u00dfer dem Fehlen des Fadenkreuzes wohl auch noch die geringere Markirung der Umkehrpunkte \u00fcberhaupt in Betracht, wie es sich aus der H\u00fclfe ergibt, die die Kopfbewegung der Augenbewegung gew\u00e4hrt. Hierdurch wurde der Umkehr der Bewegung alle Pl\u00f6tzlichkeit genommen, da die Unterst\u00fctzung der Augen durch die Kopfhaltung in weit h\u00f6herem Ma\u00dfe auch die seitliche Richtung der Zeigerhewegung zur Geltung kommen lie\u00df. Im Resultate macht sich daher hei den meisten Beobachtern die Umkehrtendenz des Stellenfehlers nicht bemerkbar. Anders dagegen hei der Beobachtung durch das Fernrohr. Hier war eine H\u00fclfe durch die Bewegung des Kopfes nicht m\u00f6glich; vielmehr war die ganze Wendung von oben nach unten dem Auge \u00fcberlassen. Die Unterst\u00fctzung der Augenbewegung durch die Kopfbewegung geschieht aber vor allem in seitlicher Richtung, so dass, wenn die Augenbewegung fast allein wirkt, die ganze Bewegung noch mehr als eine verticale aufgefasst wird. Hierdurch musste in weit h\u00f6herem Ma\u00dfe die Umkehr der Bewegung den Stellenfehler beeinflussen, wie es auch that-s\u00e4chlich der Fall ist. Die Unterscheidung eines negativen und positiven Stellenfehlers auf Grund der Schwierigkeit der Auf- und Abw\u00e4rtsbewegung musste hingegen beim Fernrohr gegen\u00fcber der freien Beobachtung zur\u00fccktreten. Dies ergab sich einmal schon aus der allgemeinen Erschwerung der Beobachtung, dann aber aus der geringen Differenzirung der Bewegungen bei der Kleinheit des Bildes.","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\nMoritz Geiger. Neue Complicationsversuclie.\nEs war durch den hiedurch gew\u00e4hrten Ueberblick \u00fcberhaupt viel mehr die Scalenbeobachtung, also der \u00bbreflcctirend\u00ab fixirende Modus nahe gelegt, f\u00fcr welchen die Bedingung f\u00fcr das auf der \u00bb Schwierigkeit \u00ab der Bewegungen beruhende System nicht so sehr in den Vordergrund tritt.\ne. Zusammenfassung.\nF\u00fcr die Richtung und Art der Zeitverschiebung haben wir also folgende empirische Factoren als ma\u00dfgebend erkannt:\n1)\tDie Zahl der vorangegangenen Versuche.\n\u25a0 2) Die Geschwindigkeit der Aufeinanderfolge der disparaten Eindr\u00fccke sowohl, wie der continuirlichen.\n3)\tDen Beobachtungsmodus (naiv oder reflectirend).\n4)\tIndividuelle Verschiedenheiten.\n5)\tZuf\u00e4llige Tagesdispositionen.\n6)\tDie Einwirkung ausgezeichneter Scalenpunkte.\n7)\tDie r\u00e4umliche Lage der Scalenstelle, an der der Schall erfolgt (Stellenfehler).\nSie sind auf folgende psychologische Factoren zur\u00fcckgef\u00fchrt worden :\n1)\tDie Functionen der Ein\u00fcbung.\n2)\tDie Anpassung der Aufmerksamkeit an die Aufeinanderfolge der Eindr\u00fccke.\n3)\tZuf\u00e4llige Einstellungen der Aufmerksamkeit.\n4)\tDie Ablenkung der Aufmerksamkeitseinstellung durch aus einem Ganzen herausgehobene Vorstellungen.\n5)\tDie leichtere Ab- als Aufw\u00e4rtsbewegung der Augen.\n6)\tDie Wirksamkeit associativer Factoren auf die Auffassung von Bewegungen.\n7)\tDie Auszeichnung des oberen und unteren Extremes als Umkehrpunkt der Bewegung in die entgegengesetzte Richtung zur ver-ticalen Symmetrieaxe.","page":436}],"identifier":"lit4500","issued":"1903","language":"de","pages":"347-436","startpages":"347","title":"Neue Complicationsversuche","type":"Journal Article","volume":"18"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:17:07.519123+00:00"}