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{"created":"2022-01-31T12:34:17.468192+00:00","id":"lit4504","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Awramoff, Dobri","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 18: 515-562","fulltext":[{"file":"p0515.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\nDer Einfluss des Rhythmus auf die Quantit\u00e4t und Qualit\u00e4t geistiger und k\u00f6rperlicher Arbeit, mit besonderer Ber\u00fccksichtigung des rhythmischen Schreibens.\nVon\nDobri Awramoff.\n(Mit 6 Figuren im Text.)\nAus dem psychologischen Laboratorium der Universit\u00e4t Z\u00fcrich.\nEinleitung.\nDie nachstehenden Versuche verfolgen die Absicht, den Einfluss des Rhythmus auf eine Anzahl specieller k\u00f6rperlicher und geistiger Arbeitsweisen festzustellen, und auf Grund der Resultate der Experimente Aufschluss zu gewinnen \u00fcber das Wesen rhythmischer Arbeit. Indem dabei rhythmische Arbeit als eine besondere Art von Willensth\u00e4tigkeit angesehen wird, versucht der Verfasser zugleich einige Folgerungen zu machen \u00fcber die psychophysischen Grundlagen der Willensth\u00e4tigkeit \u00fcberhaupt. Als Arbeiten, die unter dem Einfluss des Rhythmus untersucht wurden, w\u00e4hlte ich:\n1.\tDie Muskelinnervationen heim Heben von Gewichten.\n2.\tDie Reactioiien heim Heben von Gewichten.\n3.\tDas Schreiben unter verschiedenen Bedingungen.\n1. Einfluss des Rhythmus auf die Quantit\u00e4t der Arbeit.\nZu den nachfolgenden Versuchen wurden zwei verschiedene Formen des Ergographen verwendet. Zuerst lie\u00dfen wir Hebungen an einem Ergographen mit Z\u00e4hlwerk ausf\u00fchren, der au\u00dferdem die Verbesserung gegen manche fr\u00fchere Constructionen aufwies, dass die Anlage der Hand und der Finger von Versuch zu Versuch durch besondere Anschl\u00e4ge controllirt werden konnte. Die Arbeit wird dabei an dem Z\u00e4hl-\nWundt, Philos. Studien. XVIII.\n34","page":515},{"file":"p0516.txt","language":"de","ocr_de":"516\nDobri Awramoff.\nwerk bis auf den Millimeter genau abgelesen, die Zeit wurde besonders gemessen mit der E\u00fcnftelsecundenuhr. Der Zweck der ersten Versuche war, die rhythmische Arbeit am Ergographen mit der unrhythmischen zu vergleichen. Die Versuche wurden an mehreren Versuchspersonen ausgef\u00fchrt, von denen nur zwei alle Versuche mitmachten. Die Versuchspersonen arbeiteten in der \u00fcblichen Weise. Bei den Beugebewegungen des Mittelfingers der gefesselten rechten Hand wurde ein Gewicht von 5 kg bis zur Erm\u00fcdung gehoben. Es ist falsch zu behaupten, dass bei diesen Versuchen eine \u00bbtotale\u00ab Erm\u00fcdung vorkomme, weil, wie die Versuche uns zeigten, sofort nach der Erm\u00fcdung mit 5 kg noch weiter mit 4 kg gearbeitet werden konnte1). Bei den ersten Versuchen arbeiteten die Versuchspersonen so, dass sie sich ganz selbst \u00fcberlassen wurden.\nAnfangs hofften wir, dass die Versuchspersonen hierbei ganz unregelm\u00e4\u00dfig arbeiten w\u00fcrden, die Versuche haben uns aber gezeigt, dass nach 2\u20145 Hebungen die Arbeit aus einer ungleichm\u00e4\u00dfigen in eine regelm\u00e4\u00dfige, taktm\u00e4\u00dfige umgewandelt wurde. Dabei war das Arbeitstempo bei verschiedenen Versuchspersonen verschieden, nur bei einer Versuchsperson langsamer als zwei Secunden auf die Hebung und Senkung.\nDer durch Senkungen und Hebungen hervorgerufene Rhythmus und zugleich das ihn begleitende (je nach dem Gewicht, der Zeit und der Versuchsperson) angenehme Gef\u00fchl wirkten sofort als Reiz zur Umgestaltung der anfangs unregelm\u00e4\u00dfigen Bewegungen in regelm\u00e4\u00dfige und rhythmische. Es ist vielmehr unm\u00f6glich, auf diese Weise Vergleiche zwischen unrhythmischer und rhythmischer Arbeit am Ergographen anzustellen. Es bleibt daher nur \u00fcbrig, verschiedene Arbeitstempi bei einzelnen Versuchspersonen unter einander zu vergleichen und daraus Schl\u00fcsse auf den Einfluss des Rhythmus zu ziehen. Zuerst wurden Versuche ohne vorgeschriebenes Tempo veranstaltet, wobei der Versuchsleiter seine Aufmerksamkeit darauf richtete, ann\u00e4hernd herauszufinden, welches specifische Tempo diese oder jene Versuchsperson annehme.\nNach diesen Versuchen wurden Versuchsreihen an einzelnen Versuchspersonen bei den verschiedenen vorgeschriebenen Zeiten\ni) Vgl. Glineff, Pr\u00fcfung der Methoden zur Messung geistiger Erm\u00fcdung. Z\u00fcrich 1898.","page":516},{"file":"p0517.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n517\nausgef\u00fchrt, die mittelst Metronomschl\u00e4gen angegeben wurden. Wir untersuchten die Arbeit bei 40, 60, 100, 120, 160, 140, 120, 100, 80 Metronomschl\u00e4gen, und zwar wurden bei den verschiedenen Tempi je 2 Versuchsreihen ausgef\u00fchrt: die erste mit 5 kg, die zweite mit 2 kg. Die folgende Tabelle gibt eine Anschauung von dem Gang dieser Versuche.\nTabelle I.\nDatum\tName\tGewicht in kg\tWeg in cm\tZeit in Sec.\tGe- sammt- leistung\tZahl der Hebungen\tMetron.\tSecun- den- Effect\n9./XI. 1900\tMessmer\t5\t104\t85\t520\t55\t\u2014\t6,1\n\tAwramoff\t5\t88\t77\t440\t50\t\u2014\t5,7\nll./XI. 1900\tMessmer\t5\t102\t75\t510\t60\t100\t6,8\n\tMessmer\t4\t23\t38\t92\t30\t100\t2,4\n\tAwramoff\t5\t128\t70\t640\t60\t100\t9,1\n\tAwramoff\t4\t50\t105\t200\t25\t100\t1,9\n10./XI. 1900\tMessmer\t5\t44\t99\t220\t50\t60\t2,2\n\tMessmer\t4\t32\t96\t128\t50\t60\t1,3\n\tAwramoff\t5\t76\t96\t380\t50\t60\t3,9\n\tAwramoff\t4\t47\t126\t188\t30\t60\t1,4 .\n9./XI. 1900\tMessmer\t5\t81\t203\t405\t50\t40\t1,9\n\tMessmer\t4\t61\t228\t256\t50\t40\t1,1\n\tAwramoff\t5\t71\t140\t355\t40\t40\t2,5\nBei allen diesen Versuchen wurde der zur\u00fcckgelegte Weg automatisch durch den oben beschriebenen Z\u00e4hlapparat aufgenommen, die verflossene Zeit dagegen durch die Viertelsecundenuhr gemessen. Das Gewicht multiplicirt mit dem Weg gab uns die Gesammtleistung in mg. Die Gesammtleistung durch die Zeit dividirt ist gleich dem Effect, der die Leistung in einer Secunde angibt. Also die Gesammtleistung in kgm (bezw. mmg) und der Effect auf eine Secunde berechnet sind die Ma\u00dfe, durch welche die geleistete Arbeit definirt wird.\n34*","page":517},{"file":"p0518.txt","language":"de","ocr_de":"518\nDobri Awramoff.\nWie schon bemerkt wurde, gestaltete sich sogleich nach 2\u20145 Hebungen hei jeder Versuchsperson die Arbeit am Ergographen rhythmisch, wurde regelm\u00e4\u00dfig und gleichartig. Hach einer bestimmten Zeit, die je nach Tempo, Gewicht und Person etwas verschieden ausfiel, wurde die Erm\u00fcdung sp\u00fcrbar, die Hebungen unregelm\u00e4\u00dfig ungleichartig und die weitere Arbeit bisweilen unterbrochen. Die einzelnen Hubh\u00f6hen wurden nicht gleich gro\u00df ausgef\u00fchrt. Wahrscheinlich verhinderte dies der Trieb nach tactm\u00e4\u00dfiger Arbeit. Die Leistungen, die hier erreicht wurden, sind in obiger Tabelle mit enthalten (vgl. Reihe 1 und 2). Der Secundeneffect bei der Versuchsperson M. ist 6,1, bei Versuchsperson A. 5,7.\nBei diesen ersten Versuchen wurde also das Tempo der einzelnen Hebungen von den Versuchspersonen gew\u00e4hlt. Man k\u00f6nnte vielleicht erwarten, dass hierbei die Leistungen gr\u00f6\u00dfer ausfallen; dies geschah aber nicht. Es scheint, dass die Aufmerksamkeit hei der freien Wahl des Tempos zu sehr getheilt wird. H\u00e4tten wir unsere Aufmerksamkeit ausschlie\u00dflich auf die auszuf\u00fchrende Arbeit gerichtet, so h\u00e4tten wir relativ gr\u00f6\u00dfere Leistungen bekommen.\nNunmehr gingen wir zu Versuchen mit Angabe des Tempos durch Metronomschl\u00e4ge \u00fcber. Die Arbeit wurde zuerst bei 40 Metronomschl\u00e4gen vorgenommen, das Gewicht betrug 5 kg, und sobald die Hebungen wegen der momentanen Erm\u00fcdung eingestellt werden, arbeitet die Versuchsperson weiter mit 4 kg. Hierbei war auch die Absicht vorhanden, zu pr\u00fcfen, ob von einer totalen Erm\u00fcdung gesprochen werden darf. Die Gesammtleistung bei der Versuchsperson .M. war 405, Effect 1,9, Gewicht 5 kg, Zeit 203\", 50 Hebungen. Bei 4 kg Gewicht dagegen der Effect 1,1. Ein Unterschied von 0,8 g auf die Secunde. Bei Versuchsperson A. Metron. 40, Hebungen 40, Gesammtleistung 355, Zeit 140\", Effect 2,5. Sodann wurden Versuche mit 5 und 4 kg hei 60 und 100 Metronomschl\u00e4gen in der Minute ausgef\u00fchrt (Tabelle I); da sich zeigte, dass die Versuchspersonen noch bei weit schnelleren Tempi mit Erfolg arbeiten konnten, gingen .wir zu Versuchen mit 120, 160, 140, 120 Metronomschl\u00e4gen \u00fcber. Die Reihenfolge wurde so gew\u00e4hlt, um einigerma\u00dfen die Wirkung der Uebung auszugleichen. Die Einfl\u00fcsse der Erm\u00fcdung wurden vermieden, indem die Versuchspersonen selten an einem Tage zwei Versuche ausf\u00fchrten, wenn dies aber geschah,","page":518},{"file":"p0519.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n519\nschoben wir eine Pause von mindestens 3/4 Stunde ein. Die Versuche mit k\u00fcrzeren Metronomzeiten enth\u00e4lt die Tabelle II.\nTabelle II.\nBei Versuchsperson A.\nrX .2 \u00a3 O\tWeg\tZeit\t1 S.-s S \u0153 3-\u00a3 CO 2 <U 03 ds\tEffect\tHebungen J\tMetron.\tGewicht\tWeg\tZeit\tGesammt- arbeit\tEffect\tHebungen\tMetron.\n5\t116\t61\t580\t9,5\t70\t120\t5\t112\t60\t560\t9,3\t60\t120\n4\t64\t41\t256\t6,2\t30\t120\t4\t41\t40\t164\t4,1\t40\t120\n5\t151\t54\t755\t13,9\t70\t160\t5\t105\t53\t525\t9,7\t70\t160\n4\t75\t30\t300\t10,0\t30\t160\t4\t52\t35\t200\t5,6\t50\t160\n5\t125\t50\t625\t12,5\t60\t140\t5\t121\t65\t605\t9,3\t75\t140\n4\t42\t30\t168\t5,6\t35\t140\t4\t76\t50\t304\t6,8\t50\t140\n5\t111\t60\t555\t9,2\t60\t120\t5\t117\t71\t585\t9,5\t70\t120\n4\t23\t28\t95\t3,2\t30\t120\t4\t68\t49\t272\t5,5\t50\t120\nBei Versuchsperson M.\nWir f\u00fcgen dieser Tabelle sogleich eine weitere hinzu, in der blo\u00df der Secundeneffect der Arbeit mit den Metronomzeiten zusammengestellt ist. Zum Vergleich sei angegeben, dass derselbe bei freigew\u00e4hltem Tempo und 5 kg f\u00fcr Versuchsperson M. 6,1 betr\u00e4gt, f\u00fcr Versuchsperson A. 5,7 (s. Tabelle I.)\nTabelle III.\nVersuchsperson M.\t\tVersuchsperson A.\t\nMetron.\tUebrige Leistungen\tMetron.\tUebrige Leistungen\n40\t1,9\t40\t2,5\n60\t2,2\t60\t3,9\n100\t6,8\t100\t9,1\n120\t9,3\t120\t9,5\n160\t9,7\t160\t13,9\n140\t9,5\t140\t12,5\n120\t9,5\t120\t9,5","page":519},{"file":"p0520.txt","language":"de","ocr_de":"520\nDobri Awramoff.\nAus diesen Tabellen l\u00e4sst sich sogleich das eine mit Sicherheit ersehen :\nDamit eine gro\u00dfe Leistung eintritt, muss unbedingt das vor geschriebene Tempo schneller sein als das selbstgew\u00e4hlte, das bei der normalen Leistung gebraucht wird. Daf\u00fcr sprechen die Ergebnisse sowohl bei Heben von 5 als bei Heben von 4 kg. Dass es ferner ein individuelles Tempo gibt, ist unzweifelhaft. Wir fanden hei zahlreichen Versuchspersonen, dass sie ein mittleres Tempo von recht verschiedener Dauer bevorzugen. \u00bbAbsolut\u00ab am gr\u00f6\u00dften ist die Leistung bei dem selbstgew\u00e4hlten Tempo, d. h. bei diesem Tempo arbeiten wir l\u00e4nger, die Erm\u00fcdung tritt sp\u00e4ter ein und das Unlustgef\u00fchl stellt sich erst gegen Ende der Hebungen oder gar nicht ein. Die Gesammtleistung ist aber bei dem vorgeschriebenen Tempo immer gr\u00f6\u00dfer, sobald dasselbe eine bestimmte Geschwindigkeit erreicht hat. Das individuelle Tempo numerisch zu bestimmen, ist dem Versuchsleiter nicht sicher gelungen. Wahrscheinlich aber liegt es f\u00fcr Versuchsperson M. zwischen 90 und 100, f\u00fcr Versuchsperson A. zwischen 70 und 90 Hebungen in der Minute. Die Ueberschreitung der Gesammtleistung bei selbstgew\u00e4hltem Tempo beginnt f\u00fcr M. bei Metronom 100, nach der Tabelle I f\u00fcr A. bei derselben Zahl, wahrscheinlich aber etwas fr\u00fcher.\nDie Versuche zeigen noch, dass die Leistung nicht nur im allgemeinen vergr\u00f6\u00dfert wird durch das vorgeschriebene Tempo, sondern dass diese Vergr\u00f6\u00dferung eine bestimmte Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit einh\u00e4lt. Je schneller das Tempo, desto gr\u00f6\u00dfer wird die Leistung, d. h. in k\u00fcrzerer Zeit wird mehr geleistet, im Gegensatz zum selbstgew\u00e4hlten Tempo, wo in l\u00e4ngerer Zeit weniger geleistet wird.\nDas Steigen der Leistungen ist je nach dem Tempo bei gleichschwerem Gewicht und bei verschiedenen Versuchspersonen sehr verschieden. Je schneller das Tempo, desto lebhafter wird das Unlustgef\u00fchl gesp\u00fcrt, und zwar bevor die momentane Erm\u00fcdung ') eingetreten ist. Wird das Tempo langsamer vorgeschrieben, als die Versuchsperson es selbst w\u00e4hlen w\u00fcrde, so tritt das Gef\u00fchl der Langweile ein, ein sehr complicirtes und im h\u00f6chsten Grade unangenehmes \u00bbGef\u00fchl\u00ab.\n*) Richtiger w\u00fcrde man von momentaner Arbeitsunf\u00e4higkeit sprechen und es dahingestellt sein lassen, wodurch dieselbe verursacht wird.","page":520},{"file":"p0521.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n521\nDie totale Erm\u00fcdung, von der bis jetzt gesprochen wurde, verliert nach den vorausgebenden Ueberlegungen die Bedeutung, die man ihr fr\u00fcher zugeschrieben hat (Mosso), und an ihrer Stelle hat man nur momentane Arbeitsunf\u00e4higkeit anzunehmen. Wenn wirkliche totale Erm\u00fcdung eingetreten w\u00e4re, h\u00e4tten wir keine weitere Leistung hervorbringen k\u00f6nnen, wir konnten aber, ebenso wie fr\u00fcher Gineff (vgl. die oben angef\u00fchrte Abhandlung), nach \u00bbtotaler Erm\u00fcdung\u00ab mit 5 kg sofort mit 4 kg weiter arbeiten. Hierbei tritt zwar oft ein noch st\u00e4rkeres Unlust-, ja ein schmerzhaftes Gef\u00fchl ein, aber das besagt nichts gegen die Richtigkeit unserer Annahme. Ja wir sind sogar der Ansicht, dass, wenn dies Gef\u00fchl nicht so schnell eintreten w\u00fcrde, wir noch mehr zu leisten im Stande w\u00e4ren. Eine sehr kleine Pause gen\u00fcgte, dies zu best\u00e4tigen. Die gr\u00f6\u00dfte Leistung wurde bei Versuchsperson A. bei 160 Metronomschl\u00e4gen, die geringste bei 40 erreicht. Bei Versuchsperson M. die gr\u00f6\u00dfte Leistung bei 160, die geringste bei 40. Die Leistung bei dem vorgeschriebenen Tempo also ist, wie die fr\u00fcheren Tabellen auch gezeigt haben, gr\u00f6\u00dfer als bei selbstgew\u00e4hltem. Ja die Leistung erweist sich wachsend mit zunehmender Zahl der Metronomschl\u00e4ge. Andererseits tritt bei Verringerung der Zahl der Taktschl\u00e4ge unter das selbstgew\u00e4hlte Tempo eine Verminderung der Leistung ein. Mosso hat bekanntlich nahezu das Umgekehrte angenommen. Die Arbeitsleistung steigt bei ihm mit der Verlangsamung des Tempos, weil bei Mosso der Muskel sich mit der Verlangsamung des Tempos immer mehr ausruht. Dieser Unterschied im Ergebniss ist in der Mosso\u2019schen Versuchstechnik begr\u00fcndet, indem er nach jeder Hebung eine Pause eintreten lie\u00df; das Verfahren ist also vollst\u00e4ndig verschieden von der von uns beschriebenen Technik. Wir lie\u00dfen keine Pausen zwischen den einzelnen Hebungen eintreten, sondern die Hebungen folgten sich continuirlich ohne Ruhepause nach der Streckung, oder die Bewegungen waren, wenn die Versuchspersonen ohne Tempo zu arbeiten hatten, m\u00f6glichst pausenfrei auszuf\u00fchren. Bei Mosso trat also nach jeder Hebung eine Erholung des Muskels ein, bei uns nicht. Bei ihm konnte in l\u00e4ngerer Zeit mehr, bei uns in k\u00fcrzerer Zeit mehr geleistet werden. Bei ihm trat die Erm\u00fcdung nach l\u00e4ngerer Zeit, bei weniger Leistung ein, bei uns nach k\u00fcrzerer Zeit bei gr\u00f6\u00dferer Leistung. Laut unseren obigen Ueberlegungen ist also der vorgeschriebene Takt un-","page":521},{"file":"p0522.txt","language":"de","ocr_de":"522\nDobri Awramoff.\nmittelbar nur geeignet, die Quantit\u00e4t der Arbeitsleistung zu erh\u00f6hen. Angenehmer wirkt aber das selbstgew\u00e4hlte, als das vorgeschriebene Tempo. Bei dem selbstgew\u00e4hlten Tempo wird die Erm\u00fcdung sp\u00e4ter und nicht so stark gesp\u00fcrt, als bei dem vorgeschriebenen, ferner wird mehr Arbeitskraft bei vorgeschriebenem Tempo angewandt, als bei dem selbstgew\u00e4hlten. Auffallend ist hierbei die Thatsache, dass wir der gleichm\u00e4\u00dfigen und gleichartigen Ausf\u00fchrung der Hebungen bei dem selbstgew\u00e4hlten Tempo mehr Aufmerksamkeit schenken, als bei dem vorgeschriebenen; dies ergibt nicht nur die Selbstbeobachtung der Versuchspersonen, sondern auch der Anblick der Curven. Die Qualit\u00e4t der Arbeit wird also durch das vorgeschriebene Tempo verschlechtert und zwar um so mehr, je schneller dasselbe ist.\nZusammenfassung der Resultate.\n1 Jede Versuchsperson hat ein bestimmtes Arbeitstempo, das bis zu einer gewissen Grenze ver\u00e4nderlich ist.\n2.\tBei selbstgew\u00e4hltem Tempo wird weniger geleistet, aber angenehmer gearbeitet, als bei irgend einem vorgeschriebenen.\n3.\tDas vorgeschriebene Tempo ist nur geeignet, die quantitative Arbeitsleistung bei gr\u00f6\u00dferem Energieaufwand zu erh\u00f6hen.\n4.\tJe schneller das vorgeschriebene Tempo wird, desto gr\u00f6\u00dfer wird die quantitative Leistung.\n5.\tE\u00fcr Hebung eines Gewichtes passt ein bestimmtes Tempo.\n6.\tBei ansteigendem Tempo wird das unangenehme Gef\u00fchl in ein schmerzhaftes verwandelt.\n7.\tDie Hubh\u00f6hen sind regelm\u00e4\u00dfiger bei selbstgew\u00e4hltem als bei vorgeschriebenem Tempo.","page":522},{"file":"p0523.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n523\n2. Einfluss des Rhythmus auf die Qualit\u00e4t der Arbeit.\nDie Versuche, die wir bis jetzt besprochen haben, verfolgten den Zweck, zu zeigen, wie sich die Arbeit am Ergographen ihrer Quantit\u00e4t nach unter dem Einfluss des Rhythmus gestaltet. Es wurde bewiesen, dass der vorgeschriebene Rhythmus eine bedeutende Rolle spielt, ja einen sch\u00e4digenden Einfluss aus\u00fcbt, so lange das betreffende Tempo nicht der Qualit\u00e4t der Arbeit, dem Charakter und dem Temperament der Versuchsperson entspricht. Der vorgeschriebene Takt ist nur geeignet, die Quantit\u00e4t der Arbeit zu erh\u00f6hen, dagegen sieht man schon aus den bisherigen Versuchen, dass die Qualit\u00e4t der Arbeit verschlechtert wird. Dieser Punkt war noch genauer festzustellen.\nEine zweite Reihe von Versuchen hatte zu ermitteln, wie sich die Arbeit am Ergographen unter dem Einfluss des Rhythmus gestaltet, wenn man ihr den Charakter einer qualitativ werthvollen Leistung gibt. Um dies zu pr\u00fcfen, wurde folgendes Verfahren eingeschlagen: Neben dem Ergographen wurde das Kymo-graphion aufgestellt. Die Geschwindigkeit der rotirenden Trommel rvar 40 Secunden auf die Umdrehung. Die Trommel wurde in horizontale Lage gebracht und mit beru\u00dftem Avei\u00dfem Glanzpapier \u00fcberzogen, auf dem eine 0,5 mm breite, wei\u00dfe Linie um die Trommel herum gezogen wurde. Die Darmsaite des Ergographen wurde jetzt nicht mehr \u00fcber die Rolle des Z\u00e4hlwerkes gelegt, sondern mit dem Schlitten des Registrirapparates verbunden, an welchem ein Schreibhebel angebracht Avurdc, der die Hebungen des Gewichtes auf der Trommel aufschreibt. Das GeAvicht sollte nun nur so hoch gehoben werden, bis der Schreibhebel jene horizontale Linie auf der Trommel erreichte. Bei diesen Versuchen werden die Fingermuskeln nicht einfach mit gr\u00f6\u00dfter Kraft contrahirt, sondern die Arbeit erh\u00e4lt zugleich eine gewisse Qualit\u00e4t, indem es durchaus nicht leicht ist, die Hebung jedesmal genau bis zu einem vorgeschriebenen Strich auszuf\u00fchren. Diese Leistung kann noch erschwert werden dadurch, dass man erstens das Gewicht vergr\u00f6\u00dfert, zweitens das Arbeitstempo ver\u00e4ndert, d. h. schneller oder langsamer macht, drittens den Abstand von der Spitze des Hebels bis zu der gezogenen Linie","page":523},{"file":"p0524.txt","language":"de","ocr_de":"524\nDobri Awramoff.\nvergr\u00f6\u00dfert, viertens die Anzahl der Striche vermehrt und dabei speciellere Vorschriften macht, z. B. dass der eine Strich hei der ersten Hebung ber\u00fchrt wird, ein zweiter hei der zweiten u. s. f., hierdurch wird dann zugleich eine Curve von bestimmter Form gefordert. Es ist um so schwieriger, von Hebung zu Hebung den Strich zu erreichen und auch nicht zu \u00fcberschreiten, je schneller das vorgeschriebene Arbeitstempo und je schwerer das gehobene Gewicht ist. (Wir nennen diese Versuche kurz: Versuche mit beschr\u00e4nkter Hebung).\nBei diesen Versuchen wurde nun in folgender Weise gearbeitet: Die Versuchsperson hob ein 5 kg schweres Gewicht mit dem Mittelfinger ohne Metronom bis zur momentanen Erm\u00fcdung. Die hierbei erhaltene Curve wurde als Normalcurve, die Leistung als Normalleistung angenommen, mit welcher die anderen verglichen werden sollten. Darauf wurden nach zwei Tagen Versuche mit 60 Metronomschl\u00e4gen ausgef\u00fchrt, wobei 5 kg bis zum Strich gehoben werden mussten, darauf bei 80, 100, 120, 140, 160, 140, 120, 100, 80, 60 Metronomschl\u00e4gen und ohne Metronom (eine auf- und absteigende Reihe, damit die gleichen Versuche in Bezug auf die Uebung, Gew\u00f6hnung und Anpassung verglichen werden konnten). Die Versuchspersonen durften die Trommel nicht aus den Augen verlieren, um den Strich zu sehen, zur Concentration der Aufmerksamkeit und zur Contr\u00f4le der Arbeit. Hier wurde auch bis zur vollen momentanen Arbeitsunf\u00e4higkeit gearbeitet; der Versuch wurde fortgesetzt, auch wenn der Strich nicht mehr erreicht wurde, damit die ganze Arbeitsleistung in allen F\u00e4llen verglichen werden konnte. Bei gr\u00f6\u00dferer Erm\u00fcdung ergab sich meist eine gewisse Abweichung der Hebungen von dem Metronomtempo, obgleich die Versuchspersonen selbst nach dem vorgeschriebenen Tempo zu arbeiten glaubten. Nur in einzelnen F\u00e4llen wurde die Abweichung von den Versuchspersonen selbst bemerkt. Beim Heben des Gewichtes bis zu einer durch den Arbeitsstrich vorgeschriebenen H\u00f6he wurden vier verschiedene Arbeitszeiten verwendet: einmal das von der Versuchsperson seihst gew\u00e4hlte Tempo, wobei sie die Aufgabe erhielt, den Strich correct zu treffen (qualitative und, im engeren Sinne, psychische Seite der Arbeit) und zugleich das denkbar schnellste Tempo einzuhalten, d. h. es sollte dasjenige Tempo ausfindig gemacht werden, welches noch gerade eine","page":524},{"file":"p0525.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n525\nqualitativ vollkommene Arbeit garantirte; endlich sollte die Arbeit bis zur momentanen Erm\u00fcdung fortgesetzt werden (quantitative und physische Seite der Arbeit). Alle Versuche wurden an Personen ausgef\u00fchrt, die schon die fr\u00fcheren Versuche mitgemacht hatten, also einge\u00fcbt waren. Nur zwei Versuchspersonen machten die Versuche bis zum Ende mit. Wiederholt wurden auch unge\u00fcbte Personen herangezogen, bei denen sich eine gr\u00f6\u00dfere Unregelm\u00e4\u00dfigkeit bei der Ausf\u00fchrung zeigte. Jede Versuchsperson macht bei dem selbstgew\u00e4hlten Tempo zuerst ein l\u00e4ngeres Stadium des Probirens durch, wobei das g\u00fcnstige Tempo erst gesucht wird und Hand und Auge auf die richtige Ausf\u00fchrung der Arbeit gerichtet sind. W\u00e4hrend dieser Zeit geht die Arbeit ganz unregelm\u00e4\u00dfig vor sich und ist sub-jectiv unangenehm, ohne dass der Rhythmus eingehalten und der Strich correct getroffen wird. Hierbei ist das Tempo, nach welchem gearbeitet wird, bedeutend langsamer. So bei unge\u00fcbten Versuchspersonen. Bei den ge\u00fcbten dagegen tritt sofort nach 2\u20143 unregelm\u00e4\u00dfigen Hebungen die regelm\u00e4\u00dfige und relativ gleichm\u00e4\u00dfige ein. Das unangenehme Gef\u00fchl bei dem Probirstadium verwandelt sich in ein angenehmes Gef\u00fchl. Die Zahl der Hebungen, die diesem Stadium entsprechen, ist individuell und je nach der Schwierigkeit der Arbeit sehr verschieden. Bei dem vorgeschriebenen Tempo wird dieses Stadium des Probirens auch beobachtet. Die Eeliler (die als Ueber-schreitungen oder zu kurze Bewegungen gemessen werden) sind in diesem Stadium bei selbstgew\u00e4hltem Tempo bedeutend geringer, als bei dem vorgeschriebenen, am geringsten bei den ge\u00fcbten Versuchspersonen. Hier sehen wir, dass, je schneller das Tempo wird, desto mehr Fehler Vorkommen und zwar proportional der Schnelligkeit des Tempos. Dies wird durch folgende Tabelle illustrirt.\nVersuchsperson M.\nMetronomschl\u00e4ge: 60, 80, 100, 120, 140, 160, 140, 120, 100, 80, 60.\nRichtige Hebungen:\t43,\t28,\t20,\t17,\t15,\t12,\t14,\t22,\t24,\t26,\t31.\nFehler:\t3,\t22,\t15,\t27,\t38,\t30,\t31,\t31,\t14,\t11.\nVersuchsperson A.\nMetronomschl\u00e4ge : 60, 80, 100, 120, 140, 160, 140, 120, 100, 80, 60.\nRichtige Hebungen:\t38,\t25,\t21,\t15,\t12,\t11,\t13,\t16,\t19,\t27,\t30.\nFehler:\t9,\t21,\t20,\t39,\t37,\t34,\t28,\t34,\t28,\t22,\t10.","page":525},{"file":"p0526.txt","language":"de","ocr_de":"526\nDobri Awramoff.\nAus diesen Zahlen erhellt, dass mit steigendem Tempo die Fehler sich vermehren bezw. die richtigen Hebungen seltener werden, bei abnehmendem Tempo umgekehrt, nur dass hier die Ein\u00fcbung und der Einfluss des Tempos des vorausgegangenen Rhythmus deutlich zu Tage tritt.\nHier ist noch die Art und Weise, wie die Versuchspersonen die beschr\u00e4nkte Hebung ausf\u00fchren, zu beschreiben. Dieselbe ist auffallend verschieden. Die eine Versuchsperson erreichte den Strich in einem Zug, bei den anderen macht der ansteigende Ast einer Hubcurve vor Erreichung des Arbeitsstriches stets eine kleine Einbiegung, die Versuchspersonen hemmen die Beugebewegung kurz vor Erreichung der Arbeitslinie und setzen noch eine kleine Contraction zu, mit der sie die Linie erreichen. Die letztere Arbeitsweise scheint das g\u00fcnstigere Resultat zu ergeben. Die Arbeitslinie wird weniger \u00fcberschritten. Das selbstgew\u00e4hlte Arbeitstempo zeigt nachstehenden Einfluss auf die Arbeitscurve: Qualitativ ist die Arbeit viel besser bei gew\u00e4hltem als bei irgend einem vorgeschriebenen Tempo, d. li. die Hebungen erreichten den Strich, abgesehen von 2\u20143 Anfangshebungen, correcter als bei dem vorgeschriebenen, bei welchem die Arbeitslinie h\u00e4ufig gar nicht getroffen wurde. Ueberschreitungen kommen seltener vor, doch ist das verschieden, je nach der Versuchsperson. Das Gef\u00fchl, das sich hierbei einstellte, war bedeutend angenehmer als bei dem vorgeschriebenen Takt. Die Versuchspersonen waren aufmerksamer als bei dem vorgeschriebenen Tempo. Was die quantitative Seite der Arbeit anbe-langt, so konnten wir auch jetzt constatiren, dass die Arbeitsleistung bei dem vorgeschriebenen Tempo gr\u00f6\u00dfer war, als bei dem gew\u00e4hlten und als diejenige der gew\u00f6hnlichen ergographischen Versuche. Das hei\u00dft also, wenn die Versuchsperson eine qualitativ werthvolle Arbeit zu leisten hat, so leistet sie auch quantitativ mehr als bei dem blo\u00dfen Wechsel von Hebung und Senkung! In diesem Punkte m\u00fcssen wir das vorl\u00e4ufige Resultat der Experimente von Frln. M. K. Smith berichtigen (vgl. Philos. Stud. XVI. S. 303).\nUm die Qualit\u00e4t und die Quantit\u00e4t der Arbeit zu zeigen, m\u00f6gen hier einige Zahlen angegeben werden. Bei den Hebungen bedeutet z. B. 28/47, dass 28 Hebungen die Linie ann\u00e4hernd erreichten, w\u00e4hrend bei den letzten 47 die Curve unter die Linie sank.","page":526},{"file":"p0527.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n527\nTabelle IV.\nDatum\tGewicht\tZeit\tWeg\tGesammt- arbeit\tHe- bungen\tFe] +\tder\tRichtige Hebung.\tEffect\t> Metron.- Schl\u00e4ge\tVersuchs- person\n27./XI. 1900\t5\t100\t75\t500\t28/47\t\t\u2014\t1\t27\t6,6\t\u2014\tM.\n30./XI.\t5\t137\t125\t685\t46/64\t2\t1\t43\t5,4\t60\tM.\n30.,/XI.\t5\t175\t90\t875\t45/86\t15\t13\t17\t9,7\t120\tM.\n27./XI.\t5\t98\t94\t490\t32/47\th\t15\t21\t5,2\t\tA.\n27./XI.\t5\t115\t105\t575\t47/80\t5\t4\t38\t3,4\t60\tA.\n27,/xi.\t5\t135\t35\t675\t54/82\t15\t24\t15\t7,9\t120\tA.\nUm zu zeigen, wo qualitativ und quantitativ am g\u00fcnstigsten gearbeitet wurde, m\u00f6gen folgende zwei Tabellen dienen, die erste f\u00fcr die Qualit\u00e4t, die zweite f\u00fcr die Quantit\u00e4t der Arbeit.\nTabelle Y.\nQualitative Seite der Arbeit\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nDatum\tGewicht\thc a> *\t+=> \u2019S tSJ\tjGesammt- arbeit i .....\tHe- bungen\tFe +\t! .\u00a7\u25a0* hier .S'\u00ae PnK\t\tEffect\tMetron.- Schl\u00e4ge\tVersuchs- person\n30./H. 1900\t5\t115\t180\t775\t50/83\t14\t8\t28\t4,3\t80\tM.\n30./II.\t5\t114\t100\t550\t46/70\t9\t12\t25\t5,0\t80\tA.\nQuantitative Seite der Arbeit\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n6./XH. 1900\t5\t169\t80\t845\t42/89\th\t16\t15\t10,5\t140\tM.\n6./H.\t5\t173\t80\t865\t50/105\t19\t19\t12\t10,2\t160\tM.\n6./H.\t5\t143\t75\t715\t47/87\t15\t21\t11\t9,5\t140\tA.\n6./H.\t5\t135\t85\t635\t54/82\t15\t24\t15\t7,9\t120\tA.\nIn F\u00e4llen, in welchen durch die beschr\u00e4nkte Hebung eine qualitativ schwierige Arbeit ausgef\u00fchrt wird, ist die Gesammtleistung jeder","page":527},{"file":"p0528.txt","language":"de","ocr_de":"528\nDobri Awramoff.\nVersuchsperson relativ viel gr\u00f6\u00dfer, als die G-esammtleistungen hei den gew\u00f6hnlichen Versuchen, bei welchen der Finger einfach vollst\u00e4ndig gebeugt wurde. Um dies zu zeigen, m\u00f6gen folgende Tabellen gegeben werden.\nTabelle Va.\nVersuchsperson Awramoff\tMetronom-schl\u00e4ge 100 ohne Strich\tMetronom-schl\u00e4ge 100 bis zum Strich\tMetronom-schl\u00e4ge 140 ohne Strich\t| Metronom-l schlage 140 ! bis zum Strich\nHebungen\t60\t70\t60\t87\nGesammtleistung\t640\t650\t625\t715\nEffect\t9,1\t7,0\t12,5\t9,5\nVersuchsperson Awramoff\tMetronom-schl\u00e4ge 60 ohne Strich\tMetronom-schl\u00e4ge 60 bis zum Strich\tMetronom-schl\u00e4ge 120 ohne Strich\tMetronom-schl\u00e4ge 120 bis zum Strich\nHebungen\t50\t80\t60\t70\nGesammtleistung\t380\t460\t580\t675\nEffect\t3,9\t4,2\t7,5\t7,9\nVersuchsperson Messmer\tMetronom-schl\u00e4ge 100 ohne Strich\tMetronom-schl\u00e4ge 100 bis zum Strich\tMetronom-schl\u00e4ge 140 ohne Strich\tMetronom-schl\u00e4ge 140 bis zum Strich\nHebungen\t60\t55\t75\t99\nGesammtleistung\t510\t625\t605\t875\nEffect\t6,8\t10,2\t9,3\t10,3\nVersuchsperson Messmer\tMetronom-schl\u00e4ge 160 ohne Strich\tMetronom-schl\u00e4ge 160 bis zum Strich\tMetronom-schl\u00e4ge 120 ohne Strich\tMetronom-schl\u00e4ge 120 bis zum Strich\nHebungen\t70\t105\t70\t101\nGesammtleistung\t525\t865\t585\t875\nEffect\t9,7\t10,2\t9,5\t10,2","page":528},{"file":"p0529.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n529\nWie hier deutlich zu Tage tritt ist die Gesammtlei stung hei qualitativ schwieriger Arbeit gr\u00f6\u00dfer. Bei Metronomschl\u00e4gen 100 (Versuchsperson A.) hei dem gew\u00f6hnlichen Versuche, d. h. ohne Beschr\u00e4nkung der Hebungen, haben wir eine Gesammtleistung von 640 mg, bei demselben Tempo mit Beschr\u00e4nkung, d. h. bei Hebungen bis zum Strich haben wir 650, bei 140 Metronomschl\u00e4gen ohne Strich 625, mit Strich 715, bei 60 Metronomschl\u00e4gen eine Gesammtleistung von 380 mg, mit Beschr\u00e4nkung 460; bei 120 Metronomschl\u00e4gen bel\u00e4uft sich die Gesammtleistung auf 580 ohne Strich, mit Strich dagegen auf 675 mg. Dasselbe gilt auch in Bezug auf die Hebung und den Effect, obgleich hier nicht so pr\u00e4gnant. Dieselben Resultate finden wir bei Versuchsperson M. Hier zeigen sich ganz andere Verh\u00e4ltnisse, als man a priori erwarten sollte; die Gesammtleistung ist ma\u00dfgebend, der Effect dagegen nicht so constant, er variirt bei einzelnen Versuchspersonen. Als Ursache dieser gro\u00dfen Leistung geben die Versuchspersonen, wie ich auch an mir selbst verfolgt habe, folgendes an: \u00bbUnsere ganze Aufmerksamkeit ist darauf gerichtet, dass der Strich genau erreicht werde, und die Hebungen gehen ganz automatisch vor sich, in Eolge dessen werden die Hebungen bezw. die Gesammtleistungen gr\u00f6\u00dfer, als bei den gew\u00f6hnlichen Versuchen, wo wir auf das Aufh\u00f6ren der Versuche achten.\u00ab\nNach dem Versuch aber wird die Erm\u00fcdung gef\u00fchlt und zwar st\u00e4rker als bei den gew\u00f6hnlichen Versuchen. Es scheint also mehr Energie verbraucht zu werden bei der qualitativ schwierigen Arbeit. Auch die Art der Ausf\u00fchrung der qualitativ schwierigen Arbeit ist interessant. Im Anfang der Versuche verm\u00f6gen wir kaum den Finger mit dem angegebenen Tempo zu contrahiren, wir kommen immer dem Tempo nach, also f\u00fchren wir gewisserma\u00dfen die Hebungen reagirend aus; nach einiger Zeit f\u00e4llt die Hebung mit dem Taktschlag zusammen, wir arbeiten coi'ncidirend, sp\u00e4ter aber geht die Bewegung dem Tempo voran, d. h. die Hebungen werden voreilend ausgef\u00fchrt. Bei den qualitativ bestimmten Versuchen ist ferner die subjective Erm\u00fcdung sehr stark, sie steigert sich bis zum schmerzhaften Gef\u00fchl. Die Muskeln der Hand zittern nach den Versuchen und die motorische Energie erschlafft. Weitere Hebungen sind dann nicht ausgeschlossen, aber nur mit gr\u00f6\u00dferen Anstrengungen und nicht andauernd ausf\u00fchrbar. Diese Thatsache ist nicht so scharf bei den gew\u00f6hnlichen Versuchen","page":529},{"file":"p0530.txt","language":"de","ocr_de":"530\nDobri Awramoff.\nausgepr\u00e4gt, bei der gew\u00f6hnlichen und ohne Tempo auszuf\u00fchrenden Arbeit; gar nicht bei denjenigen Versuchen, wo das Tempo von der Versuchsperson gew\u00e4hlt wird. Hier sehen wir recht eigentlich die sch\u00e4digende Rolle des Rhythmus bei der Arbeit.\nDie voreilenden Bewegungen sind ferner sehr g\u00fcnstig in Bezug auf die Qualit\u00e4t der Arbeit, besonders g\u00fcnstig erweist sich die voreilende Bewegung wie mir scheint dann, wenn die Arbeit vollst\u00e4ndig beherrscht wird und automatisch geworden ist.\nNach unserer Beobachtung ist ferner die Aufmerksamkeit der prim\u00e4re unterst\u00fctzende Factor speciell bei dieser Art von Arbeit und im allgemeinen bei ergographischen Versuchen. Dagegen spielen die Gef\u00fchle mehr die Rolle einer Begleiterscheinung, die sehr verschieden sein kann, Lust, Unlust, Spannung, Erregung, Vorbereitungsgef\u00fchl, je nach der Schwierigkeit der betreffenden Ausf\u00fchrung, oder je nach dem Tempo, nach dem sich die Arbeit zu richten hat (vorgeschrieben oder angegeben).\nBei diesen Versuchen scheint ferner f\u00fcr jedes Gewicht ein Tempo der Hebungen zu existiren, bei welchem ein Maximum der Arbeit erreicht wird.\nDie qualitative Arbeitsleistung bei den beschr\u00e4nkten Hebungen stellt sich heraus wie folgt: Die beste qualitative Arbeitsleistung bei der beschr\u00e4nkten Hebung tritt ein bei einem ganz bestimmten, individuell sehr verschiedenen Arbeitstempo, bei welchem jede Versuchsperson die ihrer Muskelkraft, ihrem Temperament, ihrem Charakter und ihrer von Hause aus gewohnten Arbeitsgeschwindigkeit genau entsprechende Succession der Hebungen inne h\u00e4lt. Trifft man dieses individuell passende Arbeitstempo, so wird die relativ beste Arbeitsqualit\u00e4t garantirt. Die Quantit\u00e4t der Arbeitsleistung aber vergr\u00f6\u00dfert sich mit der wachsenden Zahl der Metronomschl\u00e4ge. Also bei vorgeschriebenem Tempo wird mehr geleistet, aber schlechter ausgef\u00fchrt.\nDas selbstgew\u00e4hlte Tempo ist bei verschiedenen Individuen bedeutend schneller, als das Zweisecundentempo. So z. B. w\u00e4hlte A. durchschnittlich 80 Hebungen in der Minute. In demselben Tempo arbeitete auch M.\nDie bisherigen Versuche haben uns gezeigt, dass der qualitativ g\u00fcnstigste Erfolg erreicht wird, wenn das Tempo der Arbeit den Kr\u00e4ften des Arbeitenden und der Qualit\u00e4t der Arbeit entspricht und","page":530},{"file":"p0531.txt","language":"de","ocr_de":"531\nArbeit und Rhythmus.\nimmer erst dann, wenn die Arbeit qualitativ beherrscht wird. So lange das Stadium des Probirens andauert, wird, wenn der Arbeitende das Tempo selbst w\u00e4hlt, die Arbeit correcter ausgef\u00fchrt, als wenn es vorgeschrieben ist. Der Rhythmus wirkt sch\u00e4digend auf die Qualit\u00e4t der Arbeit, so lange der Arbeitende diese nicht v\u00f6llig beherrscht und die Bewegungen nicht automatisch geworden sind.\nIm Anschluss an diese zweite Versuchsreihe wurde eine dritte Reihe von Versuchen mit derselben Absicht ausgef\u00fchrt. Hier wurden zwei Striche am beru\u00dften Papier der Kymographiontrommel gezeichnet. Der Abstand zwischen beiden war 0,5 cm und der Schreibhebel musste 1,5 cm gehoben werden. Das Gewicht sollte bis zum h\u00f6chsten Strich gehoben, dann bis zum zweiten Strich gesenkt, hierauf wieder bis zum ersten und endlich in die Ausgangslage zur\u00fcckgef\u00fchrt werden. Jede Senkung und Hebung wird w\u00e4hrend eines Metronomschlages vollf\u00fchrt. Hier ist die Arbeit etwas erschwert, da immer erst nach vier Metronomschl\u00e4gen der Muskel in die Ruhelage zur\u00fcckkehrt, w\u00e4hrend bei den fr\u00fcheren Versuchen nach dem zweiten Schlag die Ruhestellung eintrat.\nBei einem weiteren Versuch bestand die Erschwerung der Arbeit darin, dass bei der Senkung \u00fcber dem zweiten Strich eine kleine Hebung eingeschaltet wurde, wie aus der nebenstehenden Eigur zu ersehen ist.\nHierbei wurden Senkung und Hebung je bei einem Metronomschlag ausgef\u00fchrt.\nEs ist nicht so leicht, die eingeschaltete Hebung einzuhalten und die Senkung trotzdem in einem Metronomschlag auszuf\u00fchren. Das schmerzhafte Gef\u00fchl und die Erm\u00fcdung traten viel lebhafter und schneller ein, als bei den fr\u00fcheren Versuchen.\nAuch diese Versuche wurden mit 5 kg Gewicht und bei 120, 140, 160, 60, 100 und 120 Metronomschl\u00e4gen ausgef\u00fchrt.\nDie Resultate, die wir bei dieser zweiten Versuchsreihe gewonnen haben, weichen von den fr\u00fcheren nicht wesentlich ab. Dies zeigt die folgende Tabelle.\nWundt, Philos. Studien. XVIII.\n35","page":531},{"file":"p0532.txt","language":"de","ocr_de":"532\nDobri Awramoff.\nTabelle VL\nVersuchsperson Messmer\t\t\t\t\u2022 Versuchsperson Awramoff\t\t\t\nDatum\tMe- tronom-j schlage\tHe- bungen \tr\ti j Richtige j He- j bungen\tDatum\tMe- tronom- schl\u00e4ge\tHe- bungen\tRichtige He- bungen\n19./XTE. 1900\t60\t39/44\t31\t15./XH. 1900\t60\t34/54\t31\n\t140\t50/68\t21\t19./XII. 1900\t120\t43/64\t23\n\t100\t38/48\t20\t\t100\t52/64\t21\nZusammenfassung der Resultate.\nDie Resultate die hierbei gewonnen wurden, lassen sich folgenderma\u00dfen zusammenfassen :\n1.\tJede Versuchsperson hat ein specifisches Tempo, bei dem qualitativ am g\u00fcnstigsten gearbeitet wird, dies Tempo ist nur bis zu einer gewisseif Grenze ver\u00e4nderlich.\n2.\tDas selbstgew\u00e4hlte Tempo ist rascher als das Zweisecunden-tempo.\n3.\tBei selbstgew\u00e4hltem Tempo ist die Arbeit im Stadium des Probirens regelm\u00e4\u00dfiger als bei vorgeschriebenem Tempo.\n4.\tBei selbstgew\u00e4hltem Tempo ist die Qualit\u00e4t der Arbeit viel besser, als bei dem vorgeschriebenen.\n5.\tDie quantitative Gesammtleistung ist geringer bei selbstgew\u00e4hltem, als bei vorgeschriebenem Tempo.\n6.\tDie quantitative Gesammtleistung ist bei der beschr\u00e4nkten Hebung gr\u00f6\u00dfer, als bei den gew\u00f6hnlichen (unbeschr\u00e4nkten) Hebungen.\n7.\tBei steigendem Tempo w\u00e4chst die Leistung, verschlechtert sich die Arbeit und umgekehrt.\n8.\tBei selbstgew\u00e4hltem Tempo wird mit angenehmem, dagegen bei vorgeschriebenem mit unangenehmem Gef\u00fchl gearbeitet.\n9.\tMit der Uebung und Gew\u00f6hnung gestalten sich die Curven gleichm\u00e4\u00dfiger.\n10.\tMit der Erm\u00fcdung nehmen die Ourven an H\u00f6he ab.\n11.\tDie Aufmerksamkeit ist der unterst\u00fctzende Factor bei den ergographischen Versuchen, das Gef\u00fchl hat den Charakter einer blo\u00dfen Begleiterscheinung.","page":532},{"file":"p0533.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n533\n12.\tDie positive Wirkung des Rhythmus auf das Bewusstsein zeigt sich haupts\u00e4chlich als Anregung und Antrieb.\n13.\tJedem Gewicht entspricht ein bestimmtes g\u00fcnstigstes Tempo.\n14.\tDas selbstgew\u00e4hlte Tempo bei beschr\u00e4nkten Hebungen deckt sich nicht mit demjenigen bei unbeschr\u00e4nkten Hebungen.\n3. Reactionsversuche.\nEine bis jetzt noch nicht ber\u00fchrte Seite der Beziehungen zwischen Arbeit und Rhythmus ist der Gegenstand der n\u00e4chsten Versuche. Es l\u00e4sst sich die interessante Frage aufwerfen: Wie gestaltet sich die Reactionszeit unter dem Einfluss des Rhythmus? Aus Gr\u00fcnden, die sp\u00e4ter erw\u00e4hnt werden, arbeiteten wir nur immer mit Schall-reactionen. Als Reactionssignal diente der kurze scharfe Knall, der beim kr\u00e4ftigen Niederschlagen eines Morsetasters entsteht.\nZur Beantwortung dieser Frage sollte die Reactionszeit graphisch gemessen werden und die ohne Rhythmus gewonnenen Reactions-zeiten mit den unter dem Einfluss des Rhythmus ausgef\u00fchrten verglichen werden.\nDie Technik der Versuche war die folgende. Es wurde wieder am Ergographen gearbeitet. Die Hand wurde wie bei den gew\u00f6hnlichen ergographischen Versuchen gefesselt. An dem Faden, an den die Gewichte angeh\u00e4ngt wurden, brachten wir noch eine Schnur an. die durch Rollen mit einem Hebel verbunden war, der die Fingerbewegung an der Kymographiontrommel registrirte. Hinter der Versuchsperson stand ein Morsetaster, auf welchem die Signalschl\u00e4ge gegeben wurden, auf welche die Versuchsperson zu reagiren hatte. In dem Moment des Stromschlusses, der durch den Schlag des Tasters herbeigef\u00fchrt wurde, registrirt einPfeil\u2019scher Zeitmarkirer den Schlag auf dem beru\u00dften Trommelpapier. Als Reaction auf die Perception des Schlages sollte die Versuchsperson das Gewicht heben. Der Schreibhebel des Ergographen zeichnete dann auf der Kymographiontrommel eine Curve, die Reactionscurve der Gewichtshebung. Die Raumstrecke nun, von dem registrirten Schlagmoment bis zum ersten Aufstieg der Curve gab uns die graphische Darstellung der Reactionszeit, die Curve selbst gab uns au\u00dfer der Reactionszeit auch einen Einblick in den Verlauf der Hebungen. Dieselbe Einrichtung","page":533},{"file":"p0534.txt","language":"de","ocr_de":"534\nDobri Awramoff-\nwurde auch benutzt bei den rhythmischen Reactionsversuchen, sie unterschied sich nur darin, dass wir hierbei den Zeitsinnapparat benutzten. In diesem Falle wurde der Schallhammer in die Leitung eingeschaltet, der hei jedem Stromschluss an den Contacten des Zeitsinnapparates nacheinanderfolgende Schl\u00e4ge hervorbrachte. Die Schnelligkeit dieser Schl\u00e4ge h\u00e4ngt nat\u00fcrlich von den Contactabst\u00e4n-den und von der Geschwindigkeit der Rotation des Zeigers am Zeitsinnapparate ab. Sobald der Apparat sich in Bewegung setzte, musste die Versuchsperson versuchen, auf jeden Schlag des Schallhammers mit einer Reactionsbewegung am Ergographen zu antworten. Auf diese Weise f\u00fchrten wir rhythmische Reactionen mit belastetem Finger aus. Die Zwischenzeit zwischen je 2 Reactionen betrug dabei meist ungef\u00e4hr 2 Secunden, doch bedingte die Versuchseinrichtung gelegentlich kleine Ver\u00e4nderungen dieses Tempos.\nDie Versuchspersonen die hier Theil genommen haben waren: Herr Messmer, Schweizer; Herr Awramoff, Bulgare; Frln. Gradinaroff, Bulgarin; Herr Dr. phil. Fassbender, Schweizer; Herr Dr. Hielscher, Deutscher; Frln. Popowa, Bulgarin, und Herr Prof. Meumann (Deutscher). Die Angabe der Nationalit\u00e4ten ist, wie wir sehen werden, nicht uninteressant.\nDie Versuche wurden in folgender Weise ausgef\u00fchrt: Es sollte von jeder Versuchsperson ein Gewicht von 3 kg ohne rhythmische Wiederholung, mit einer einzelnen Hebung nachdem der Schlag appercipirt war, gehoben werden. Der Schallhammer oder Taster stand hinter der Versuchsperson, damit sie nicht wissen konnte, wann der Schlag erfolgen sollte.\nJe 30 Reactionszeiten wurden von jeder Versuchsperson gemessen, deren arithmetisches Mittel die Entscheidung zu geben hatte. Da die meisten Versuche gute Resultate ergaben, glauben wir, dass diese Mittelzahlen einwandsfrei sind.\nBei diesen Versuchen sollen sowohl die L\u00e4nge der Reactionszeiten, als auch die horizontale L\u00e4nge und die H\u00f6he der Curven, und ihre Formen ber\u00fccksichtigt werden, denn wie wir sp\u00e4ter sehen werden, haben sich dieselben unter dem Einfluss der Geschwindigkeit des Tempos und der Gr\u00f6\u00dfe des Gewichts ver\u00e4ndert. Die Versuchsperson, deren Hand und Finger am Ergographen gefesselt ist, hebt z. B. 3 kg Gewicht, unmittelbar nachdem der Schlag appercipirt wor-","page":534},{"file":"p0535.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\t535\nden war. Der Schlag wird von dem Versuchsleiter durch den Taster gegeben.\nWir haben hier die h\u00f6chste Geschwindigkeit der Kymographion-trommel angewandt, n\u00e4mlich 1,7 Sec., die best\u00e4ndig dieselbe bis zum Schluss der Versuche blieb. Nachdem hei jeder Versuchsperson 30 Re-actionscurven mit ihren Reactionszeiten von den Versuchen mit 3 kg ohne Rhythmus gesammelt wurden, arbeitete sie mit 3 kg und mit rhythmischer Wiederholung der Reactionen. Hierauf wurden Versuche bei Hebungen von 5 kg ohne und dann mit rhythmischer Wiederholung angestellt, dann mit 7 kg ohne und sp\u00e4ter mit Tempo (die letzteren Experimente wurden nur an einer Versuchsperson ausgef\u00fchrt).\nDie Reactionszeiten.\nUm eine Entscheidung \u00fcber die hier zu Beginn dieser Versuche gestellte Frage zu geben, m\u00fcssen wir die gewonnenen Resultate einer genaueren Betrachtung unterziehen. Wir begannen mit Hebungen von 3 kg und lie\u00dfen in der Regel nur 10 Reactionen nach einander ausf\u00fchren. Eine ganze Versuchsreihe von 30 Versuchen nahm daher mehrere Tage in Anspruch. Eine solche Vertheilung der Reactionen ist bei belastetem Muskel geboten, wenn man st\u00f6rende Muskelschmerzen vermeiden will. Um eine Uebersicht \u00fcber die einzelnen Reactionszeiten zu erhalten, mag die folgende Tabelle eingeschoben werden. Der Einfachheit halber geben wir die direct abgelesenen Rohzahlen, also die Reactionszeiten in mm.\nTabelle VII.\nVersuchsperson Messmer, Gewicht 3 kg.\n\t18./I.\t\t22./I.\n1.\t57 mm\t1.\t77 mm\n\t\t2.\t79 \u00bb\n2.\t96 >\t3.\t62 >\n\t\t4.\t66 \u00bb\n3.\t58 >\t5.\t70 \u00bb\n\t\t6.\t61 \u00bb\n4.\t70\t7.\t109 >\nSumma = 281 mm\tSumma = 524 mm\nArithmet. Mittel 70,25.\tArithmet. Mittel 74,99.","page":535},{"file":"p0536.txt","language":"de","ocr_de":"536\nDobri Awramoff.\n25./I. Vormittag.\n1.\t84 mm\n2.\t61\t\u00bb\n3.\t63\t\u00bb\n4.\t95\t\u00bb\n5.\t75\t\u00bb\n6.\t93\t\u00bb\n7.\t62\t\u00bb\n8.\t90,5\n9.\t84\t\u2022.*\n10.\t69\t\u00bb \nSumma = 776,5 mm\tSumma = 542 mm\nArithmet. Mittel 77,65.\tArithmet. Mittel 60,29.\nDas Mittel aller Reactionen ist 70,778.\nVersuchsperson Awramoff, Gewicht 3 kg.\n\t18./I.\t21./I.\t\t22./I. Vormittag.\n1.\t83 mm\t1.\t40 mm\t1. 46,5 mm\n2.\t49,5 \u00bb\t2.\t47,5 \u00bb\t2. 92\n3.\t50\t*\t3.\t40\t3. 58,5 :\n4.\t42,5\t4.\t71,5 >\t4. 67,5\n5.\t45\t5.\t46 I\t4 = 264,5 mm\n6.\t38\t5 =\t245 mm\t\n6 =\t308 mm\t\t\t\n22./I.\tNachmittag.\t23./I.\tVormittag.\t23./I. Nachmittag.\n1.\t45,5 mm\t1.\t47 mm\t1. 44,5 mm\n2.\t46\t>\t2.\t40\t\u00ab\t2. 55 s\n3.\t48\t*\t3.\t53\t\u00bb\t3. 56\t\u00bb\n4.\t50\t\u00bb\t4.\t42,5\t3 = 220 mm\n5.\t52,5 >\t5.\t40\n6.\t45\t\u00bb\t6.\t40 x.\n6 =\t287 mm\t6 =\t262 mm\nDas Mittel aller Reactionen ist 52,88.\nVersuchsperson Dr. Fassbender, Gewicht 3 kg.\n4./I.\tVormittag\t15 Reactionszeiten =\t663\tmm\n4./I.\tNachmittag\t9 >\t=\t414\t\u00bb\n4/1.\t\u00bb\t6 \u00bb\t=\t223\t\u00bb\n30 Reactionszeiten belaufen sich auf 1299 mm, das arithmetische Mittel = 43,3 mm.\n25./I. Nachmittag..\n1.\t69 mm\n2.\t64\t\u00bb\n3.\t54,5 >\n4.\t57\t\u00bb\n5.\t63\t\u00bb\n6.\t67\n7.\t52,5 \u2022\n8.\t56\t\u00bb\n9.\t59\t\u00bb","page":536},{"file":"p0537.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n537\nVersuchsperson Frln. Gradinarowa.\n21./I. Vormittag 6 Reaotionszeiten = 300 mm\n21.\t/I.\tNachmittag\t4\t\u00bb\t=\t230,5\t\u00bb\n22.\t/I.\tVormittag\t2\t\u00bb\t=\t139\t\u00bb\n23.\t/I.\tVormittag\t6_\t\u00bb\t=\t362\t\u00bb\n18 Reactionszeiten\n23./1.\tVormittag\t5 Reactionszeiten = 292 mm\n23./I.\tNachmittag\t3\t\u00bb\t=\t184\t\u00bb\n2./I.I.\tVormittag\t_4_ \u00bb\t=\t198,5\t*\n12 Reactionszeiten\n30 Reactionszeiten auf 1709 mm, arithmetische Mittel \u2014 56,93 mm.\nHier k\u00f6nnen wir die individuellen Unterschiede bemerken, so z. B. das arithmetische Mittel von 30 Reactionszeiten bei einer Versuchsperson 70, bei der anderen 52, bei der dritten 43, bei der vierten 56 mm.\nDie einzelnen Reactionszeiten fallen, wie aus dem eben Gezeigten deutlich hervorgeht, sehr verschieden gro\u00df aus, denn viele Umst\u00e4nde kommen dabei in Betracht. Vor allem ist die Anpassung der Impulsst\u00e4rke an das Gewicht eine schwierige Versuchsbedingung, da diese Anpassung bald richtig getroffen wird, bald so zu sagen vergessen wird.\nHier wollen wir die Frage der sensoriellen und muskul\u00e4ren Reactionszeiten in R\u00fccksicht auf diesen Thatbestand in Betracht ziehen. Wir betrachten es als Thatsache, dass, wenn unsere Aufmerksamkeit auf die auszuf\u00fchrende Bewegung gerichtet ist, die Reactionszeiten k\u00fcrzer ausfallen, als wenn sie sich auf den Sinneseindruck lenkt. Bei unsern Versuchen waren die Versuchspersonen angewiesen, auf den Schall zu achten, allein es kam kein rein sensorieller Reactionstypus zu Stande, weil es nicht so leicht ist, das aufgeh\u00e4ngte Gewicht im Moment der Reactionsbewegung zu heben. Die Aufmerksamkeit richtete sich dadurch gegen die Absicht der Versuchspersonen oft wieder auf die Bewegung. Am meisten Bedeutung hat dieser Umstand f\u00fcr die Reactionscurven, die wesentlich dadurch ver\u00e4ndert werden. Auf diesen Umstand f\u00fchren wir haupts\u00e4chlich die gr\u00f6\u00dfere Unregelm\u00e4\u00dfigkeit der Reactionszeiten bei den unrhythmischen Reactionen zur\u00fcck.\nBei der rhythmischen Ausf\u00fchrung verh\u00e4lt es sich anders und es muss sich anders verhalten. Hier achten wir haupts\u00e4chlich, ja manch-","page":537},{"file":"p0538.txt","language":"de","ocr_de":"538\nDohri Awramoff.\nmal ausschlie\u00dflich auf die auszuf\u00fchrende Bewegung. Darin muss der Grund der K\u00fcrze der rhythmischen Reactionen gesucht werden. F\u00fcr besonders auffallend k\u00fcrzere Reactionen werden wir ferner das Gewicht, die Schnelligkeit des Tempos, die Beherrschung der Arbeit die physische Disposition und das Automatischwerden der Arbeit in Betracht zu ziehen haben, nicht weniger soll beachtet werden auch das individuelle Moment, das specifische jeder Person eigentli\u00fcmliclie Tempo. Die haupts\u00e4chlichste Wirkung des Rhythmus scheint darin zu bestehen, dass er den Reagenten zwingt, sich f\u00fcr die auszuf\u00fchrende Bewegung bereit zu halten, und diese gleichm\u00e4\u00dfige Bereitschaft der Aufmerksamkeit mag neben ihrer motorisch-muskul\u00e4ren Richtung bewirken, dass die Reactionen k\u00fcrzer werden. Der Zwang .wird deutlich dargethan bei der ersten Bewegung (Ausf\u00fchrung) der Reaction. Hier bekommen wir bei allen Versuchspersonen die k\u00fcrzeste Reactionszeit. Bei den unrhythmischen Versuchen dagegen ist die Aufmerksamkeit auf den Sinneseindruck gerichtet, besonders bei der ersten Ausf\u00fchrung, deshalb ist hierbei die erste Reaction l\u00e4nger; doch ist dieser Thatbestand nicht bei allen Versuchspersonen gleich deutlich zu beobachten. Bei den rhythmischen Reactionen ist ferner kein Willensact zu beobachten, die Bewegungen werden automatisch, reflexartig, in Folge dessen werden sie ebenfalls regelm\u00e4\u00dfiger, gleichartiger und k\u00fcrzer, als diejenigen bei den unrhythmischen Reactionen. Wir schlie\u00dfen nunmehr die Resultate mit Reactionen bei 5 kg Belastung an. In Tabelle VIII sind solche zusammengestellt, und zwar zun\u00e4chst bei Reactionen ohne Rhythmus.\nTabelle Vffl.\nVersuchsperson M.\n21./I.\t7 Reactionszeiten\t=\t371,5\tmm.\n23./I.\t8\t>\t=\t645,5\t\u00bb\n31./I. Vormittag 9 Reactionszeiten = 584,5 mm.\n31./I. Nachmittag 6\t\u00bb\t= 301\t\u00bb\n30 Reactionszeiten belaufen sich auf 1902 mm, das arithmetische Mittel davon = 63,416.\nVersuchsperson A.\n28./I. Vormittag.\t9\tReactionszeiten\t= 459\tmm.\n28./I.\t\u00bb\t10\t\u00bb\t=\t531\t\u00bb\n28./I. Nachmittag. 2\t. \u00bb\t= 112 \u00bb\n28./I.\t>\t2\t>\t= 467 \u00bb","page":538},{"file":"p0539.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n539\n30 Reactionszeiten belaufen sich auf 1596 mm ; das arithmetische Mittel davon = 53,2.\nDer Unterschied zwischen den Reactionszeiten beim Heben von 3 kg Gewicht und beim Heben von 5 kg Gewicht besteht darin, dass die Reactionszeiten bei 5 kg k\u00fcrzer als bei 3 kg aus-fallen. Ferner findet sich eine gr\u00f6\u00dfere Regelm\u00e4\u00dfigkeit in der Ausf\u00fchrung der einzelnen Reactionszeiten beim Heben von 5 kg, als beim Heben von 3 kg. Beim Heben von 7 kg Gewicht besteht wiederum eine gr\u00f6\u00dfere Gleichm\u00e4\u00dfigkeit und eine gr\u00f6\u00dfere Regelm\u00e4\u00dfigkeit der Hubh\u00f6hen, als beim Heben von 5 kg Gewicht. Die Reactionszeiten aber scheinen sich bei 7 kg wenig zu ver\u00e4ndern.\nVersuchsperson A., 7 kg.\n30 Reactionszeiten = 1578 mm, arithmetisches Mittel davon = 52,6.\nVersuchsperson A., 5 kg.\n30 Reactionszeiten = 1596 mm, arithmetisches Mittel davon = 53,2.\nAlso Differenz von 0,4 cm.\nNach dieser allgemeinen Uebersicht \u00fcber die ausgef\u00fchrten Reactionszeiten bei verschiedenen Gewichten ohne und mit Rhythmus bleibt uns noch ein Vergleich \u00fcbrig zwischen den mit und ohne Rhythmus ausgef\u00fchrten Reactionszeiten.\nZur gr\u00f6\u00dferen Anschaulichkeit stellen wir die Resultate beider Reihen nebeneinander, und zwar nur deren arithmetische Mittel (vgl. Tabelle IX).\nTabelle IX.\nVersuchsperson M.\n3 kg ohne Tempo 30 Reactionszeiten = 2123,5 Arithmetisches Mittel = 70,783\n3 kg mit Tempo 30 Reactionszeiten = 1234 Arithmetisches Mittel = 41,13\nVersuchsperson Dr. F.\n3 kg ohne Tempo 30 Reactionszeiten = 1299 Arithmetisches Mittel = 43,3\n3 kg mit Tempo 30 Reactionszeiten = 1077 Arithmetisches Mittel = 35,9\nVersuchsperson A.\n3 kg ohne Tempo\t!\t3 kg mit Tempo\n30 Reactionszeiten = 1586,5\t30 Reactionszeiten = 1295\nArithmetisches Mittel = 52,883\t! Arithmetisches Mittel = 43,16","page":539},{"file":"p0540.txt","language":"de","ocr_de":"540\nDobri Awramoff.\nAus diesen Zahlen geht hervor, dass mit Tempo ausgef\u00fchrte Reactionszeiten bedeutend k\u00fcrzer als die ohne Tempo ausgef\u00fchrten sind. Wir gehen hier auch die Tabelle \u00fcber die beim Heben von 5 kg ohne und mit Tempo ausgef\u00fchrten Reactionszeiten, bei einer Versuchsperson auch die Zahlen f\u00fcr 7 kg.\nVersuchsperson M.\n5 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Reactionszeiten = 63,416 mm\n5 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Reactionszeiten = 37,63 mm Versuchsperson A.\n5 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Reactionszeiten = 52,3 mm\n5 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Reactionszeiten = 44,083 mm\nVersuchsperson Fr ln. Gr.\n5 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Reactionszeiten = 65, mm\n5 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Reactionszeiten = 60,75 mm Versuchsperson A.\n7 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Reactionszeiten = 52,6 mm\n7 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Reactionszeiten = 43 mm\nEin Zweifel \u00fcber das Resultat ist ausgeschlossen. Man sieht \u00fcberall, dass der Rhythmus einen gro\u00dfen (nicht bei allen Versuchspersonen gleichen) Einfluss auf die Reactionszeiten aus\u00fcbt, und zwar stets im Sinne der Verk\u00fcrzung derselben.\nBeim Ausf\u00fchren der Reactionszeiten mit Rhythmus ist noch folgendes zu bemerken. Die Reactionszeiten gestalten sich von selbst regelm\u00e4\u00dfig, taktm\u00e4\u00dfig. Die Regelm\u00e4\u00dfigkeit wird noch verst\u00e4rkt, wenn die Hebungen beherrscht werden und automatisch geworden sind. Im Anfang brauchen wir sehr die Aufmerksamkeit, sp\u00e4ter nicht mehr. Bei der ersten Hebung spielt das Erwartungsgef\u00fchl eine sehr gro\u00dfe Rolle, denn wir sind ganz gespannt darauf, die Aufhebung sofort nach dem angegebenen Schlag anzuf\u00fchren. Dies mag der Grund sein, warum die erste Reactionszeit k\u00fcrzer, die erste Hebung schneller","page":540},{"file":"p0541.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n541\nausgef\u00fclirt wird, doch ist diese Erscheinung, wie schon bemerkt, nicht ganz constant. Die Versuchsperson Erln. Gr. zeigte etwas abnorme Verh\u00e4ltnisse, indem sie nicht nur die einzelnen Reactionszeiten ganz unregelm\u00e4\u00dfig, sondern auch bei den Taktversuchen mit 3 kg die Reactionszeiten l\u00e4nger ausf\u00fchrte, als diejenigen ohne Tempo. Dies wird von ihr so erkl\u00e4rt, dass sie bei den ersten (ohne Tempo) ausgef\u00fchrten Versuchen aufmerksamer gewesen ist, als bei den zweiten mit Tempo ausgef\u00fchrten.\nVersuchsperson Erln. Gr.\n3 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Reactionszeiten = 56,93 mm\n3 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Reactionszeiten = 59,413\nDerselbe Unterschied wurde an Versuchsperson Dr. H., der durch eine wissenschaftliche Arbeit ganz gefesselt war und sich in Folge dessen auf die Versuche nicht concentriren konnte, constatirt.\nHier erw\u00e4hnen wir noch der Vollst\u00e4ndigkeit wegen, dass die psychische Disposition eine gro\u00dfe Rolle bei diesen Versuchen spielt, geistige Frische und gespannte Aufmerksamkeit sind unerl\u00e4sslich, da die Versuche schwieriger sind als die gew\u00f6hnlichen Reactionen. Dass die Gewohnheit und die Anpassung gegen Ende der Versuche eine gro\u00dfe Rolle spielt, ist nicht zu leugnen. Diese ist bisweilen eine unterst\u00fctzende, indem sie einer schwachen Unaufmerksamkeit und Erm\u00fcdung aufhilft. Um ferner zu pr\u00fcfen, ob eine Ver\u00e4nderung zwischen beiden Versuchsreihen (den ohne und mit Tempo ausgef\u00fchrten Reactionszeiten) vorkommt, wenn man zuerst die Versuchsreihe mit Tempo und nachher ohne Tempo ausf\u00fchrt, ist eine besondere Versuchsreihe ausgef\u00fchrt worden, indem die Versuchsperson Dr. F. zuerst mit Tempo und nachher ohne Tempo arbeitete, ohne dass sie von dem Zweck der Versuche unterrichtet war. Hierbei fanden wir dieselben Resultate wie bei den \u00fcbrigen Versuchen. Das Tempo verk\u00fcrzte auch hier die Reactionszeit.\nVersuchsperson Dr. F.\n3 kg mit Tempo\n30 Curven, arithmetisches Mittel = 35,9 mm\n3 kg ohne Tempo\n30 Curven, arithmetisches Mittel = 43,3","page":541},{"file":"p0542.txt","language":"de","ocr_de":"542\nDobri Awramofl.\nZum Schluss der Besprechung der Reactionszeiten dieser Versuchsreihen ist noch zu erw\u00e4hnen, dass jede Versuchsperson eine bestimmte, dem Temp\u00e9rament und der Gewohnheit entsprechende Geschwindigkeit der Hebungen besitzt, was noch durch die Curven dargethan werden wird. Diese Geschwindigkeit ist von dem Gewicht und Tempo abh\u00e4ngig und nur bis zu einem gewissen Grade ver\u00e4nderlich. Daf\u00fcr werden uns auch die sp\u00e4teren Versuche Belege geben. Mit einem Worte, es muss einem Gewichte ein bestimmtes Tempo entsprechen, damit eine Regelm\u00e4\u00dfigkeit in den Reactionen erzielt wird.\nHiermit glauben wir die Frage, welchen Einfluss der Rhythmus auf die Reactionszeiten hat, erledigt zu haben. Besondere Aufmerksamkeit erfordern nun aber auch die L\u00e4nge, die H\u00f6he und die Form der Curven.\nDie Curven.\nMit der L\u00e4nge der Reactionszeiten unter dem Einfluss des Tempos stehen auch die H\u00f6he und die Form der Curven in einem engen\nZusammenhang.\nDie Strecke von dem Signalmoment an bis zu dem Punkt, wo die Curve, die heim Heben des Gewichtes auf dem beru\u00dften Papier der Kymographiontrommel aufgezeichnet wird, sich \u00fcber die Abscisse erhebt, ist die L\u00e4nge der Reactionszeit. Der Abstand von dem\nAufsteigepunkt der Curve bis zur Stelle ihrer R\u00fcckkehr zur Abscisse gibt die L\u00e4nge der Curve ; mit ihr wird Fig. 3. Versuchsperson Aw., 5 kg. Bei a Reactions- (|je J)auer <Jer Hubbe-signal, bei b Beginn der reagirenden Hebung, von\ne bis d eine geringe Beschleunigung (st\u00e4rkere Inner- wegung gemessen. Die vation), bei d Maximum der Hebung, von e bis g Be- Ol'dinaten der h\u00f6chsten ginn eines zweiten Maximums (Nachhebung).\tPunkte der Curve\nmessen die Hubh\u00f6hen und bedingen in ihrer Gesammtheit ihre Form.","page":542},{"file":"p0543.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n543\nAlle drei Momente, L\u00e4nge, H\u00f6he und Form der Curve, werden von dem Rhythmus ver\u00e4ndert und verdienen besondere Beachtung. Im allgemeinen bemerken wir, dass die L\u00e4nge und die H\u00f6he der Cur-ven ohne Rhythmus durch ihre Gr\u00f6\u00dfe von denjenigen mit Rhythmus, d. h. also von denen bei rhythmischer Folge der Reaetionssignale\n\n/\nBig. 4. Versuchsperson Aw. 7 kg. Bei a Reactionssignal, bei b Anfang, von o bis d Beschleunigung, bei d schw\u00e4chere Innervation, bei c Maximum der reagi-\nrenden Hebung.\nverschieden sind. Auch hier begegnen tins allerdings individuelle Unterschiede, die sehr zu beachten sind. Die folgenden Tabellen m\u00f6gen dies zeigen. In ihnen sind die horizontale L\u00e4nge, die H\u00f6he der Curven und die Reactionszeiten in Millimetern berechnet. Die Mittelzahlen sind aus je 30 Versuchen berechnet.\nTabelle X.\nAbscissenl\u00e4nge der Hubcurven,\nVersuchsperson M.\n3 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Curven = 118 mm 3 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Curven = 90 mm\nVersuchsperson A.\n3 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Curven = 170 mm 3 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Curven = 160 mm\n. Versuchsperson M.\n5 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Curven = 109 mm 5 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Curven = 99 mm\nVersuchsperson A.\n5 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Curven = 142 mm","page":543},{"file":"p0544.txt","language":"de","ocr_de":"544\nDobri Awramofl'.\n5 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Curven = 133 mm 7 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Curven = 148 mm 7 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel von 30 Curven = 146 mm\nDie L\u00e4ngen der einzelnen Curven sind bei den ersten Versuchsreihen sehr unregelm\u00e4\u00dfig, d. h. hei den Versuchen ohne Tempo, jedoch nicht hei allen Versuchspersonen in gleicherweise. Dagegen sind die einzelnen L\u00e4ngen der zweiten Versuchsreihen, d. h. bei den\nmit Tempo ausgef\u00fchrten, regelm\u00e4\u00dfiger. Der Rhythmus hat also einen gro\u00dfen Einfluss auf die L\u00e4nge der Curven, und zwar wirkt er durchweg in verk\u00fcrzendem Sinne. Die L\u00e4nge der Curven ist ferner von dem Gewicht und der Geschwindigkeit des Tempos abh\u00e4ngig, und zwar dauert die einzelne Hebung nicht so lange bei dem\nFig. 6. . Versuchsperson Me. 5 kg rhythmisch gehoben. Links die Zeitmarken der Reactionssignale. Die Hebungen nehmen immer mehr die Tendenz zu vorzeitigen Eeactionen an; 4 und 5 sind Reactionen auf das erwartete Signal; bei 6, 7 und 8 tritt eine zunehmende Correctur ein.\n\"V*\u2014-------!--------\u25ba\na\tTt\tc\nFig. 5. Versuchsperson Me. 5 kg. Bei a Reactionssignal, bei b Beginn der Hebung. Die Curve hat nur ein Maximum bei c.","page":544},{"file":"p0545.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n545\nschwereren Gewicht. Den gr\u00f6\u00dften Einfluss \u00fcbt aber der Rhythmus als solcher aus. W\u00e4hrend ferner die L\u00e4nge der Reactionszeit und die L\u00e4nge der Curven bez\u00fcglich des Einflusses des Gewichtes eine constante Ver\u00e4nderung zeigt, bemerken wir in Bezug auf das Tempo eine ziemlich gro\u00dfe Differenz. Vergleichen wir die folgenden Ergebnisse, in denen die Mittel der Hubzeiten angegeben sind.\nTabelle XI.\nVersuchsperson M.\n3 kg ohne Tempo\t3 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel = 118 mm\tArithmetisches Mittel = 90 mm\nDifferenz 28 mm.\n3 kg ohne Tempo\t5 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel = 118 mm\tArithmetisches Mittel = 109 mm\nDifferenz -|- 9 mm\n3 kg mit Tempo\t5 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel = 90 mm\tArithmetisches Mittel = 99 mm\nDifferenz \u2014 9 mm\nVersuchsperson A.\n3 kg mit Tempo\n170 mm\tArithmetisches Mittel = 160 mm\nDifferenz + 10 mm\n5 kg ohne Tempo\n170 mm\tArithmetisches Mittel = 142 mm\nDifferenz 4- 28 mm\n5 kg mit Tempo\n142 mm\tArithmetisches Mittel = 133 mm\nDifferenz -f- 9 mm\n7 kg ohne Tempo\n142 mm\tArithmetisches Mittel = 146 mm\nDifferenz \u2014 4 mm.\nAus diesen Zahlen ist zu ersehen, dass die Abnahme der Hubzeiten hei verschiedenen Versuchspersonen verschieden gro\u00df ausfallen, immerhin aber kann man behaupten, dass sie mehr verk\u00fcrzt werden durch den Rhythmus als durch das Gewicht.\n3 kg ohne Tempo Arithmetisches Mittel =\n3 kg ohne Tempo Arithmetisches Mittel =\n\u00f6 kg ohne Tempo Arithmetisches Mittel =\n5 kg ohne Tempo Arithmetisches Mittel =","page":545},{"file":"p0546.txt","language":"de","ocr_de":"546\nDobri Awramoff.\nEs ergibt sieh ferner, dass, wenn diese Differenzen in Bezug auf das Gewicht g\u00fcnstiger ausfallen als bez\u00fcglich des Tempos, das Gewicht dem Tempo entspricht und umgekehrt. Dies zeigt sich auch bei den Reactionszeiten und den H\u00f6hen der Curven. .\nTabelle XH.\nMittelzahlen aus Reactionszeiten.\nVersuchsperson A.\n3 kg ohne Tempo\t3 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel = 52 mm\tArithmetisches Mittel = 43 mm\nDifferenz + 9 mm\n3 kg ohne Tempo\t5 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel = 52 mm\tArithmetisches Mittel = 52 mm\nDifferenz \u00b1 0 mm\n5 kg ohne Tempo\t5 kg mit Tempo\nArithmetisches Mittel = 52 mm\tArithmetisches Mittel = 44 mm\nDifferenz + 8 mm\n5 kg ohne Tempo\t7 kg ohne Tempo\nArithmetisches Mittel = 52 mm\tArithmetisches Mittel = 52 mm\nDifferenz \u00b1 0 mm\nVersuchsperson M.\n3 kg mit Tempo\n70 mm\tArithmetisches Mittel - 41 mm\nDifferenz + 29 mm\n/ 5 kg ohne Tempo\n70 mm\tArithmetisches Mittel = 63 mm\nDifferenz + 7 mm\nBest\u00e4tigt wird dies noch weiter bei der Besprechung der zweiten Reihe von Reactionsversuchen. Dort werden wir sehen, dass die Differenzen der Hubzeiten mehr durch den Rhythmus bedingt sind, als durch das Gewicht. Wir werden ferner sehen, dass mit dem steigenden Tempo sowohl die Reactionszeiten als auch die L\u00e4ngen und H\u00f6hen der Curven k\u00fcrzer werden. Hier mag eine Tabelle \u00fcber die H\u00f6he der Curven am Platze sein.\n3 kg ohne Tempo Arithmetisches Mittel =\n3 kg ohne Tempo Arithmetisches Mittel =","page":546},{"file":"p0547.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\nTabelle XIII.\n547\nMaxima der Hubcurven. Versuchsperson A.\n3 kg ohne Tempo Arithmetisches Mittel = 53 mm\n5 kg ohne Tempo Arithmetisches Mittel = 41 mm\n3 kg mit Tempo Arithmetisches Mittel = 50 mm 5 kg mit Tempo Arithmetisches Mittel = 39 mm\nDie Resultate sind leicht zu ersehen. Am Schluss dieser Reihe m\u00f6chten wir hervorheben, dass, nachdem die Arbeit, die wir ausf\u00fchren, bei diesen Versuchen durch h\u00e4ufige Wiederholung automatisch geworden ist, die einzelnen Reactionszeiten gleichm\u00e4\u00dfiger werden, so lange das individuelle Tempo getroffen ist, sonst tritt eine untekt-m\u00e4\u00dfige und unregelm\u00e4\u00dfige Arbeit ein. Die Arbeit muss unterbrochen werden, weil das Unlustgef\u00fchl und die entstehende Verwirrung es erfordern. Die Aufmerksamkeit ist in diesem Falle unm\u00f6glich constant zu halten ; es stellen sich Schmerzen ein. Bis zu einem gewissen Grade wird durch das vorgeschriebene Tempo und zunehmende Gewicht das individuelle Tempo beschleunigt, aber nur wenn allm\u00e4hlich verfahren wird, sonst treten die oben angegebenen Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten ein.\nEs er\u00fcbrigt uns noch, einen Blick auf die Form der Curven zu werfen. Dort, wo die Unterschiede bei Reactionszeiten, bei den Langen und H\u00f6hen der Curven nicht so gro\u00df sind, begegnen uns hier auffallende pers\u00f6nliche Unterschiede, die mit der Geschwindigkeit des Rhythmus und der Gr\u00f6\u00dfe des Gewichts sich ergeben. Was zun\u00e4chst den Aufstieg der Curve anbetrifft, so ist er bei verschiedenen Versuchspersonen auffallend verschieden. Manche hoben sehr schnell und der Aufstieg n\u00e4herte sich der senkrechten Linie, andere dagegen hoben sehr langsam. Das langsame Ansteigen der Hub-curve findet sich besonders bei zwei Damen, darin mag ein Haupt-untei schied zwischen Damen und Herren gesucht werden (vgl. im \u00fcbiigen die Besprechung einzelner Curven). Der Aufstieg der Curve ist au\u00dfer der individuell bedingten Verschiedenheit ferner abh\u00e4ngig von Gewicht und Rhythmus. Beim Heben von 3 kg z. B. bildete der Aufstieg einen Winkel von etwa 70\u00b0. Beim Heben von 5 kg dagegen beginnt die Curve mit einem spitzeren Winkel. Wenn das\nWundt, Philos. Studien. XVIII.\n36","page":547},{"file":"p0548.txt","language":"de","ocr_de":"548\nDobri Awramoff.\nGewicht noch gr\u00f6\u00dfer wird, wird der Winkel immer kleiner; denn es ist nicht m\u00f6glich, 7 kg so schnell zu heben als 3 kg oder 5 kg. Die Belastung der Muskeln mit 7 kg verhindert es, ihre Contraction beliebig auszuf\u00fchren. Man sieht daraus, dass die Form der Hub-curve vorzugsweise durch das Gewicht beeinflusst wird, ihre L\u00e4nge dagegen durch den Rhythmus. Ferner wirkt das Gewicht sehr stark auf die Curvenform ein, w\u00e4hrend es bei den Reactionszeiten kaum sp\u00fcrbar war. Es m\u00f6ge nun eine Besprechung einzelner Ourven folgen.\nVersuchsperson A.\nDer Aufstieg der Curve bei dieser Versuchsperson erreicht seinen Culminationspunkt, beugt sich, eine Welle beschreibend, der Abscisse zu, erreicht ein zweites Maximum, das nicht so hoch als das erste ist, und f\u00e4llt von da an gleichm\u00e4\u00dfig abw\u00e4rts bis zur Abscisse. Der Abstieg der Curve gleicht in seiner Beugung dem Aufstieg; dies gilt f\u00fcr das Heben von 5 kg ohne Tempo. Beim Heben von 3 kg Gewicht ohne Tempo bleibt im Gro\u00dfen und Ganzen dieselbe Form der Curve, nur mit dem Unterschied, dass der Auf- und Abstieg senkrechter ausfallen. Beim Heben von 5 kg mit Tempo unterscheidet sich die Form der Curve von denjenigen beim Heben von 5 kg ohne Tempo nur darin, dass die Welle nicht so tief und die beiden Culmi-nationspunkte nicht so hoch sind, als beim Heben von 5 kg Gewicht ohne Tempo. Beides weist auf eine fl\u00fcchtigere Ausf\u00fchrung der Hebung hin. Beim Heben von 3 kg mit Tempo nur darin, dass der Auf- und Abstieg der Curve etwas senkrechter, als bei 3 kg ohne Tempo sich gestalten. Dar\u00fcber siehe die am Schl\u00fcsse dieser Reihe angegebenen Tabellen.\nVersuchsperson M.\nBei dieser Versuchsperson unterscheiden sich die Formen der Curven darin, dass manche concave Wellen ergeben, w\u00e4hrend andere fast halbkreisf\u00f6rmig verlaufen; ferner sind ihr Auf- und Abstieg senkrechter, als bei Versuchsperson A. und anderen Versuchspersonen.\nVersuchsperson Fri. G. und Fri. P.\nDer Aufstieg verl\u00e4uft bei beiden Damen sehr schief und hat die Form einer Parabelh\u00e4lfte. Die Curve ist im allgemeinen sehr niedrig, ohne irgend eine Welle. Der Abstieg ist senkrechter.","page":548},{"file":"p0549.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n549\nEine solche Curve ist bei keiner von unseren m\u00e4nnlichen Versuchspersonen vorgekommen. Der R\u00fcckschluss, den wir hieraus ziehen m\u00fcssen, lautet dahin: Die Handmuskeln heim weiblichen Geschlecht k\u00f6nnen bei den Versuchsreihen nur wenig leisten. Wie gro\u00df der Unterschied zwischen beiden Geschlechtern ist, zeigt noch dies, dass die Curven beim Heben von 7 kg beim weiblichen Geschlecht in Bezug auf L\u00e4nge und H\u00f6he nicht einmal halb so gro\u00df sind, als beim m\u00e4nnlichen Geschlecht. Die Form der weiblichen Hubcurve scheint folgende Deutung des Unterschiedes in der Ausf\u00fchrung einer Willenshandlung bei beiden Geschlechtern nahe zu legen. Die m\u00e4nnliche Versuchsperson ertheilt einen gro\u00dfen, schnell ansteigenden Anfangsimpuls, der weibliche Impuls ist im Vergleich dazu schw\u00e4cher und steigt langsam auf sein Maximum an. Der m\u00e4nnliche Anfangsimpuls ist meist nach einigen Versuchen zu gro\u00df f\u00fcr die Leistung, die Contraction ist \u00fcbermaximal, in Folge dessen l\u00e4sst er unmittelbar nach erreichtem Maximum der Hubh\u00f6he etwas nach, um nun erst die nothwendige maximale Hebung zu erreichen; dadurch entsteht die concave Welle der Curve. Der weibliche Impuls ist dagegen eben ausreichend, er sinkt, ohne eine Modification einzugehen, alsbald wieder vom Maximum ab. Beim Absinken tritt beim Manne ein ganz allm\u00e4hliches, bei der weiblichen Versuchsperson dagegen ein schnelles Nachlassen der Hebungsenergie ein. Die Damen lassen das Gewicht manchmal geradezu fallen, w\u00e4hrend die Herren gegenhalten, um das Fallen zu verhindern.\nZweite Reihe Reactionsversuche.\nNachdem wir die erste Reihe der Reactionsversuche vollendet und ihre Resultate besprochen und zusammengestellt haben, wollen wir zur Best\u00e4tigung der vorangegangenen eine zweite Reihe betrachten. Es sollte noch untersucht werden, wie sich die Reactions-zeit gestaltet, wenn die Geschwindigkeit des Rhythmus erh\u00f6ht wird. Die Technik der Einrichtung dieser Versuchsreihe bleibt dieselbe, nur wurde hier das Tempo doppelt so schnell gemacht als bei den ersten Versuchen. Anstatt mit einem Contact, haben wir die Versuchspersonen mit zwei Contacten auf dem Zeitsinnapparat arbeiten lassen. Hier waren also rhythmische Hebungen auszuf\u00fchren, die mit den ohne Tempo und mit einem Contact ausgef\u00fchr-\n36*","page":549},{"file":"p0550.txt","language":"de","ocr_de":"550\nDobri Awramoti'.\nten verglichen werden m\u00fcssen. Die Zwischenzeit zwischen je zwei Reactionen betrug dabei meist etwa 1 Secunde gegen 2 Secunden bei den fr\u00fcheren Versuchen. Auch hier sind Versuche mit 3 kg und 5 kg vorgenommen worden. Mit 7 kg wurde nicht gearbeitet. Die Versuchsreihen wurden an zwei Versuchspersonen ausgef\u00fchrt, welche schon die fr\u00fcheren Versuche mitgemacht hatten, also schon einge\u00fcbt waren: Herr Messmer und Herr Awramoff.\nDie Reactionszeiten wurden zu drei\u00dfig gesammelt und das arithmetische Mittel in Millimetern berechnet.\nReactionszeiten.\nDie einzelnen Reactionszeiten waren hier gleichm\u00e4\u00dfiger und regelm\u00e4\u00dfiger als bei den fr\u00fcheren Versuchsreihen. Doch begegnen uns wieder die individuellen Unterschiede. Auf einer Trommel konnten 7\u201410 Reactionszeiten auf genommen werden.\nDie erste Reactionszeit auf einer Trommel nennen wir normale Reactionszeit und die letzte Schlussreactionszeit. Man sollte erwarten, dass die erste Reactionszeit die l\u00e4ngste, die letzte \u2014 dagegen die k\u00fcrzeste sei, das ist aber in der That nicht so, eher sind die ersten Reactionen als die durchschnittlich k\u00fcrzeren zu bezeichnen. Ein Einfluss der Geschwindigkeit des Kymographions ist dabei ausgeschlossen, da wir nie die erste Umdrehung benutzten. Die Regelm\u00e4\u00dfigkeit des Kymographions ist bei der benutzten Rotationsgeschwindigkeit eine so gro\u00dfe, dass die mittlere Variation der einzelnen Drehungen 1\u20142 mm auf 10 Umdrehungen betr\u00e4gt. Die Ursache davon scheint vielmehr die anfangs sehr starke Spannung der Aufmerksamkeit zu sein. Die gespannte Absicht, so schnell als m\u00f6glich zu heben, wirkt sehr stark bei der Ausf\u00fchrung der Normaireaction, und deswegen ist sie immer k\u00fcrzer als die zweite, die dritte, die vierte u. s. w. Die sp\u00e4teren Reactionszeiten fielen aber nicht gleichm\u00e4\u00dfig k\u00fcrzer als die erste \u00bbNormalreactions-zeit\u00ab aus, sondern ganz ungleichartig und nicht immer und nicht bei allen Versuchspersonen gleich. Hierzu trug nicht wenig auch die Geschwindigkeit des Tempos und das Gewicht bei. Regelm\u00e4\u00dfiger sind die einzelnen Reactionszeiten dann, wenn das Tempo dem Gewicht entspricht.\nVon einer Versuchsperson wurden die einzelnen Reactionszeiten so ausgef\u00fchrt, dass die zweite Reactionszeit l\u00e4nger war als die erste,","page":550},{"file":"p0551.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n551\ndie dritte k\u00fcrzer als die zweite und die anderen immer k\u00fcrzer ausfielen. Au\u00dfer der Aufmerksamkeit spielte die Gewohnheit eine gro\u00dfe Rolle.\nSolange die Versuchsperson die Arbeit nicht beherrschte, solange die einzelnen Hebungen nicht automatisch geworden waren, wurde das Tempo nicht eingehalten und ging bisweilen ganz verloren, dann stellte sich ein unangenehmes Gef\u00fchl ein; es kommen dann Vorhebungen oder gro\u00dfe Versp\u00e4tungen vor.\nDas geschah \u00f6fters, wenn wir die Versuche mit 3 kg ausf\u00fchrten. Hier scheint, dass das Tempo einem 3 kg schweren Gewichte nicht entsprach. Die Thatsache findet also ihre Best\u00e4tigung, dass, wenn die Geschwindigkeit des Tempos dem Gewicht nicht entspricht, Vorhebungen Vorkommen, und zwar insbesondere hei gro\u00dfer Geschwindigkeit und kleinem Gewichte; dagegen kommen hei schwerem Gewicht und langsamer Geschwindigkeit Versp\u00e4tungen vor. Es gibt dabei h\u00e4ufig F\u00e4lle, wo die Versuchspersonen zugleich mit dem Schall heben, d. h. die Hebungen fallen mit dem \u00bbSchlagmoment\u00ab zusammen. Bei schnellerem Rhythmus k\u00f6nnen manche Versuchspersonen das mit dem Signal coincidirende Heben auf die Dauer nicht vermeiden.\nDie Vorhebungen und die gleichzeitige Ausf\u00fchrung der Arbeit mit dem Schlagmoment kommen hei den ersten Reihen von Reactions-versuchen nicht vor. Dagegen findet man eine gr\u00f6\u00dfere Regelm\u00e4\u00dfigkeit in dem qualitativen Bestandtheil der Ausf\u00fchrung (Regelm\u00e4\u00dfigkeit der Reactionszeiten und -curven) als bei den ersten Versuchsreihen und zwar hei den taktm\u00e4\u00dfigen Reactionszeiten mehr als bei den ohne Tempo ausgef\u00fchrten.\nWir lassen durch die folgenden Tabellen die Reactionszeiten veranschaulichen.\nTabelle XIV\nYersuchspei'son Messmer\t\t\t\nGewicht in kg\tohne Tempo\tmit 1 Contact\tmit 2 Contacten\n3\t70,783\t41,13\t25,06\n5\t63,416\t36,63\t23\nVersuchsperson Awramoff\t\t\t\n3\t52,683\t41,16\t25,83\n5\t52,3\t44,083\t24","page":551},{"file":"p0552.txt","language":"de","ocr_de":"552\nDobri Awramoff.\nHieraus ist ersichtlich, dass die Reactionszeiten durch die zunehmende Geschwindigkeit in der Aufeinanderfolge der Reactionen sich verk\u00fcrzen. Es ist ferner bemerkenswerth, dass mit dem zunehmenden Tempo die Differenzen zwischen einzelnen Versuchspersonen verschwinden, oder doch sehr klein werden im Ver-h\u00e4ltniss zu der Reactionszeit ohne Tempo. Das will sagen, dass die Unterschiede, die wir bei verschiedenen Versuchspersonen heim Reagiren ohne Tempo bemerken, durch verschiedene Umst\u00e4nde ungleich werden, wo dagegen mit einem passenden Tempo gearbeitet wird, werden st\u00f6rende Einfl\u00fcsse vermindert.\nIn Bezug auf das Gewicht l\u00e4sst sich sagen,, dass die Reactionszeit bei verschiedenen Versuchspersonen nicht gleichm\u00e4\u00dfig verk\u00fcrzt wird.\n'Wenn die Geschwindigkeit des Tempos erh\u00f6ht wird, f\u00e4llt die Reactionszeit immer k\u00fcrzer und k\u00fcrzer aus, vorausgesetzt, dass das Gewicht dasselbe bleibt. Auch hier ist deutlich zu sehen, dass die zwingende und zwar quantitativ starke Rolle des Rhythmus eine sehr gro\u00dfe ist.\nDie Curven.\nNachdem wir die Erage, welchen Einfluss der beschleunigte Rhythmus auf die Reactionszeiten hat, erledigt haben, wollen wir \u00fcber seinen Einfluss auf die L\u00e4ngen und H\u00f6hen der Curven sprechen.\nWas bei den Besprechungen der ersten Versuchsreihen gesagt wurde, kann auch hier gelten. Man bemerkt im allgemeinen, dass die L\u00e4ngen und H\u00f6hen der Curven unter dem Einfluss der zunehmenden Schnelligkeit der Aufeinanderfolge der Reactionen verk\u00fcrzt werden, jedoch nicht hei allen Versuchspersonen in gleichem Ma\u00dfe. Die auf S. 553 angegebene Tabelle XV wird uns das deutlich zeigen.\nAus den obigen Zahlen sieht man, dass sowohl die horizontale L\u00e4nge, als auch die H\u00f6he der Curven unter dem Einfluss des Rhythmus sich bedeutend verk\u00fcrzen und zwar proportional der wachsenden Geschwindigkeit des Reactionstempos. Auch sei bemerkt, dass eine Verk\u00fcrzung erfolgt bei zunehmendem Gewicht, obgleich nicht in dem Grade wie unter dem Einfluss des Tempos.\nDies ist sehr wohl begreiflich. Die Contraction des Fingers konnte hier nicht allzu stark ausgef\u00fchrt werden, da sonst die He-","page":552},{"file":"p0553.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n553\nbungen nicht auf das Signal gefolgt w\u00e4ren, in Folge dessen m\u00fcssen die Hebungen und Senkungen auch schneller ausgef\u00fchrt werden. Die gesammte Innervation stellt sich auf schnelles Heben ein. Dass ferner die Curven niedriger werden, zeigt wiederum den fl\u00fcchtigeren Charakter der Arbeit. Bez\u00fcglich der Form der Curven l\u00e4sst sich\nTabelle XV.\nVersuchsperson M.\t\t\t\nL\u00e4nge der Curven\t\t\t\nGewicht in kg\tohne Tempo\tmit 1 Contact\tmit 2 Contacten\n3\t170\t160\t96\n\u00f6\t142\t133\t100\nH\u00f6he der Curven\t\t\t\n3\t53\t50\t40\n5\t41\t39\t31\nVersuchsperson M.\t\t\t\nL\u00e4nge der Curven\t\t\t\n3\t118\t90\t78\n5\t109\t99\t97\nH\u00f6he der Curven\t\t\t\n3\t45\t39\t32\n5\t\u2022 32\t30\t25 .\nfolgendes feststellen. Zun\u00e4chst zeigt sich, dass die Formen der Curven bei schnellem Tempo ausgeglichen werden, d. h. sie nehmen bei allen Versuchspersonen eine und dieselbe Form an. Fenier ist beachtenswerth, dass, w\u00e4hrend die Reactionszeiten sich unter dem Einfluss des Gewichtes nicht regelm\u00e4\u00dfig ver\u00e4ndern, die Form der Curve sehr durch das Gewicht beeinflusst wird. Beim Heben von","page":553},{"file":"p0554.txt","language":"de","ocr_de":"554\nDobri Awramoff.\n3 kg z. B. ist der Aufstieg schr\u00e4ger, d. h. er erfolgt unter kleinerem Winkel, also langsamer als hei 5 kg ohne Tempo. Beim Heben von 3 kg mit Tempo schr\u00e4ger als beim Heben von 5 kg ohne Tempo. Dies ist wohl mit der st\u00e4rkeren Belastung des Muskels zu erkl\u00e4ren.\nAus allem ist deutlich zu sehen, dass die Form der Curven vorzugsweise von Tempo und Gewicht abh\u00e4ngig ist.\nEine dritte Versuchsreihe, die hier am Schl\u00fcsse dieser beiden Versuchsreihen mit demselben Zweck wie die vorangegangenen Re-actionsversuche vorgenommen war, blieb unerledigt. Es sollte das Tempo noch erh\u00f6ht werden, indem bei zwei Secunden Umlaufszeit auf dem Zeitsinnapparat mit drei Contacten gearbeitet wurde. Die einzelnen Reactionen h\u00e4tten hierbei nach einer Zwischenzeit von 2/3 Se-cunde aufeinander folgen m\u00fcssen. Das Tempo erwies sich aber als zu schnell; deswegen wurde die Ausf\u00fchrung aufgegeben.\nZusammenstellung der Resultate.\n1.\tJede Versuchsperson hat eine bestimmte ihr eigent\u00fcmliche Zeit, hei welcher die rhythmische Aufeinanderfolge der Reactionen am g\u00fcnstigsten wirkt.\n2.\tMit wachsender Geschwindigkeit des Rhythmus verk\u00fcrzt sich die Reactionszeit, die L\u00e4nge der Hubcurve und die H\u00f6he derselben und umgekehrt.\n3.\tBei sehr schnellem Tempo erhalten die Formen der Hubcurven bei allen Versuchspersonen fast eine und dieselbe Gestalt.\n4.\tDer Rhythmus hat einen ausgleichenden Einfluss auf die Regelm\u00e4\u00dfigkeit der Reactionszeiten, d. h. rhythmisch auf einander folgende Reactionen werden mit geringerer m. V. ausgef\u00fchrt.\n5.\tDie Regelm\u00e4\u00dfigkeit der Reactionen nimmt zu, die m. V. ab, wenn die Arbeit vollst\u00e4ndig beherrscht wird und wenn die Ausf\u00fchrungen automatisch geworden sind.\n6.\tJedem Gewicht entspricht ein bestimmtes Tempo, bei welchem die Hebungen am gleichm\u00e4\u00dfigsten, die Curven (Hubh\u00f6hen) am h\u00f6chsten werden.\n7.\tEs scheint, dass das Gewicht keinen wesentlichen Einfluss auf die Reactionszeiten, die L\u00e4ngen und H\u00f6hen der Curven aus\u00fcht, es ver\u00e4ndert aber sehr stark die Form der Curven, besonders die aufsteigende H\u00e4lfte derselben.","page":554},{"file":"p0555.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n555\n8.\tDie individuelle Geschwindigkeit der Reaction ist unter dem Einfluss des Rhythmus nur bis zu einem gewissen Grade ver\u00e4nderlich.\n9.\tDie Hubcurven beim weiblichen Geschlecht sind sehr viel niedriger und in der Form sehr verschieden von denjenigen des m\u00e4nnlichen Geschlechts.\n10.\tDie Bewegungen der Frauen hei diesen Versuchen gehen sehr viel langsamer von statten als diejenigen der M\u00e4nner.\n11.\tDurch die Uebung, Anregung und die absichtliche Willensanstrengung werden die Reactionszeiten verk\u00fcrzt.\n4. Versuche \u00fcber den Einfluss des Rhythmus auf das Schreiben.\nW\u00e4hrend wir mit den bisher beschriebenen Versuchen feststellten, welchen Einfluss Rhythmus und Tempo auf eine relativ einfache Bewegung aus\u00fcben, sollte durch die folgenden Experimente eine com-plicirtere \u00bbArbeit\u00ab, bei welcher die Qualit\u00e4t nicht mehr, wie in den ergographischen Hebungen, eine untergeordnete Rolle spielt, bei rhythmischer und unrhythmischer Ausf\u00fchrung untersucht werden. Wir w\u00e4hlten zu diesem Zwecke das Schreiben. Es leitete uns dabei zugleich eine p\u00e4dagogische Absicht. Die Schulpraxis verwendet seit Pestalozzi\u2019s energischem Eintreten f\u00fcr das Chorsprechen bei den j\u00fcngeren Kindern vielfach Takt und Rhythmus. Es wird im Chore taktm\u00e4\u00dfig gesprochen, gelesen und geschrieben, und doch hat Niemand bisher festgestellt, in welchem Ma\u00dfe das sechs- und siebenj\u00e4hrige Kind f\u00fcr den Rhythmus zug\u00e4nglich ist, welches Tempo speciell heim Schreiben diesem jugendlichen Alter angemessen ist, und von welcher Art der Einfluss des Taktes auf die Qualit\u00e4t (die Sch\u00f6nheit und Correctheit) und die Quantit\u00e4t der Schrift (die in der Zeiteinheit geschriebene Buchstabenzahl) ist. K\u00f6nnen wir also \u00fcberhaupt das taktm\u00e4\u00dfige Schreiben als p\u00e4dagogisch richtig bezeichnen, und unter welchen Bedingungen hat es einen g\u00fcnstigen Einfluss auf die Handschrift des Kindes? Die Versuche, die uns zugleich zu einer Analyse des Schreibaktes f\u00fchrten, wurden an Erwachsenen und Kindern und wiederum an m\u00e4nnlichen und weiblichen Versuchspersonen vergleichsweise ausgef\u00fchrt.\nDie Ergebnisse der Versuche f\u00fchrten uns weit \u00fcber das urspr\u00fcngliche Ziel hinaus. Es zeigte sich, dass man auf dem von uns einge-","page":555},{"file":"p0556.txt","language":"de","ocr_de":"556\nDobri Awramoff.\nschlagenen Wege zu einer Art wissenschaftlicher Graphologie gelangt; wenigstens konnten wir sehr bestimmt gewisse Typen der Schrift unterscheiden, die mit gro\u00dfer Constanz wiederkehren.\nDa die Untersuchungen sehr umfangreich waren, theilen wir hier nur das Princip des Verfahrens und die allgemeinen Ergebnisse mit. Die specielle Darstellung der von uns benutzten Apparate, sowie die theoretische Discussion der Ergebnisse wird an anderem Orte in aller Ausf\u00fchrlichkeit ver\u00f6ffentlicht werden.\nWir benutzten einen Apparat, mittelst dessen die Druck- und Zeitverh\u00e4ltnisse der Schrift unserer Versuchspersonen analysirt werden konnten. Zur Analyse des Druckes diente ein Marey\u2019scher Tambour, sowie ein pneumatischer Registrirapparat, mittelst dessen die Druck-curve auf der Kymographiontrommel aufgezeichnet wurde. Zur Darstellung der Zeitverh\u00e4ltnisse der Schrift verwendeten wir ein System von Contactlinien, welche die Aufl\u00f6sung der Schreibbewegungen in eine Anzahl Zeitmomente gestatteten, die wiederum auf das Kymographion mittelst eines elektromagnetischen Zeitmarkirers \u00fcbertragen wurden.\nAlle Versuchspersonen hatten theils die einfachen Grundcharaktere der Schrift auszuf\u00fchren, wie Grund- und Haarstriche, Bogen, Haken, Keilstrich und deren Zusammensetzungen, theils Buchstaben, Worte und Satztheile.\nDie psychischen Bedingungen des Schreibens variirten wir so, dass entweder auswendig geschrieben wurde, oder nach Vorschrift, oder nach Dict\u00e2t.\nAls Versuchspersonen dienten sechs Knaben zwischen 10 und 13 Jahren, f\u00fcnf M\u00e4dchen zwischen 3 und 13 Jahren, vier Damen zwischen 25 und 35 Jahren, vier Herren zwischen 24 und 30 Jahren. Die Discussion der einzelnen Schriftcurven, die sich zu einem besonderen Werke ausgestalten lie\u00dfe,- behalten wir uns f\u00fcr die sp\u00e4tere Ver\u00f6ffentlichung vor. Hier m\u00f6gen nur die wesentlichen Resultate zusammengestellt sein.\nAus allen ausgef\u00fchrten Versuchsreihen ist ersichtlich, dass 1) jede Ver\u00e4nderung der Schreibbedingungen eine Ver\u00e4nderung der Qualit\u00e4t, der Quantit\u00e4t und speciell des Druckes der Schrift zur Folge hat, und 2) dass eine l\u00e4ngere Ein\u00fcbung und Anpassung an die ver\u00e4nderten Umst\u00e4nde die vor der Ver\u00e4nderung der Schreibbedingungen bestehende Ausf\u00fchrung wiederherstellt. Daraus ist im allgemeinen","page":556},{"file":"p0557.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n557\nzu schlie\u00dfen, dass die Eigentli\u00fcmlichkeiten der Schrift weniger in den peripheren Organen als in den Centren der willk\u00fcrlichen Bewegungen begr\u00fcndet sind. Im einzelnen m\u00f6gen die verschiedenen Bedingungen, welche die Schrift in bestimmtem Sinne beeinflussen, folgenderma\u00dfen dargestellt werden.\n1.\tD er Einfluss des Tempos.\nDer Einfluss des vorgeschriebenen Tempos (rhythmisches Schreiben) \u00e4u\u00dfert sich nach verschiedenen Bichtungen:\n1.\tIn Bezug auf die Quantit\u00e4t und Qualit\u00e4t.\n2.\tIn Bezug auf den Druck, die Druckbreiten und Druckpausen.\n3.\tDer Bhythmus gleicht die Leistungen verschiedener Versuchspersonen aus.\n4.\tEr bef\u00f6rdert die Ausf\u00fchrung der Schrift in der Form von Gesammtinnervationen an Stelle der Ausf\u00fchrung in gesonderten Impulsen.\n5.\tEr erzeugt Unlustgef\u00fchle und beg\u00fcnstigt die Erm\u00fcdung.'\n6.\tDas sehr schnelle Tempo macht die Handschrift in jeder Beziehung, insbesondere hinsichtlich Druck und Zeit ganz unregelm\u00e4\u00dfig.\nWas den ersten Punkt anbetrifft, so haben wir nur folgendes zu sagen. Es ist die allgemeine Tendenz in dem Einfluss des Bhythmus auf das Schreiben, an Quantit\u00e4t zu ersetzen was an Qualit\u00e4t verloren geht. Mit sehr seltenen Ausnahmen unterliegt jede Versuchsperson diesem Gesetz. Dies zeigten uns die Versuche auf jedem Schritt. Die Schrift verliert unter dem Einfluss des Taktes an Correctheit sowohl wie an Sch\u00f6nheit der Ausf\u00fchrung. Die Buchstaben werden unproportionirt und in der Form entstellt. Man muss dabei aber den Einfluss eines vorgeschriebenen und eines selbstgew\u00e4hlten Tempos scharf von einander unterscheiden. Beide wirken verschiedenartig, beide werden auf verschiedene Weise erzeugt, das eine stellt die Schrift unter einen \u00e4u\u00dferlichen Zwang, das zweite pflegt den subjectiv vortheilhaftesten Bedingungen des Schreibens zu entsprechen oder wenigstens nahe zu kommen. Ein ausgepr\u00e4gtes und constantes individuelles Schreibtempo entwickelt sich erst mit dem Alter in Abh\u00e4ngigkeit von verschiedenen \u00e4u\u00dferen Umst\u00e4nden, wie der H\u00e4ufigkeit des Schreibens, dem Zwange zu viel raschem Schreiben, oder umgekehrt unter der Einwirkung reichlicher Mu\u00dfezeit.","page":557},{"file":"p0558.txt","language":"de","ocr_de":"558\nDobri Awramoff.\nWie viel dabei Temperament und Anlage ausmachen, l\u00e4sst sich bis jetzt nicht entscheiden. Ein individuelles Tempo ist also nur bei den Erwachsenen ausgebildet, bei den Kindern erst im Entstehen begriffen. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Kinder erst nach langer Uebung ihre Schreibbewegungen rhythmisch ausf\u00fchren, w\u00e4hrend sich bei den Erwachsenen sofort nach 2\u20143 Bewegungen ein taktm\u00e4\u00dfiges Schreiben einstellt, wenn einfache Schriftzeichen gleichf\u00f6rmig zu wiederholen sind.\n2.\tD er Druck der Schrift.\nDer Druck, mit dem eine Versuchsperson schreibt, h\u00e4ngt ab:\n1.\tVon der Stellung der Hand und des K\u00f6rpers.\n2.\tVon der Schnelligkeit der Ausf\u00fchrung der Schrift.\n3.\tVon der Uebung, der Anpassung an die Arbeit und der Erm\u00fcdung.\n4.\tVon der Aufmerksamkeit.\n5.\tVon dem Gef\u00fchlszustand; durch Unlustgef\u00fchle wird eine Verlangsamung der Schrift, eine Abflachung der Druckcurve bewirkt; durch Lustgef\u00fchle dagegen eine Beschleunigung des Schreibens und Erh\u00f6hung bezw. Zuspitzung der Curven. Die Ueberraschung und die Furcht \u00e4u\u00dfern sich in einem pl\u00f6tzlichen Ansteigen der Druck-curven, mit dann folgender Verlangsamung.\n6.\tVon der Sicherheit des Schreibens.\n7.\tVon der absichtlichen Willensanstrengung und Anregung.\n8.\tVon der qualitativen Ausf\u00fchrung.\n9.\tVon der psychischen Vorbereitung (der Druck ist verschieden, je nachdem ob die Versuchsperson abschreibt, auswendig oder nach dem Dict\u00e2t schreibt; beim Auswendigschreiben nimmt der Druck zu. wenn die in der Schrift wiedergegebenen Reproductionen weniger gel\u00e4ufig sind).\n10.\tVom Alter und Geschlecht.\n11.\tVon der Schwierigkeit der Schriftcharaktere, der Schreibrichtung und der Gedr\u00e4ngtheit der Schrift.\n3.\tSchreibinnervationen.\nDie Schrift Erwachsener unterscheidet sich von der des Kindes am meisten durch die Art der Innervation der einzelnen Bewegungen.","page":558},{"file":"p0559.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n559\nDer Erwachsene schreibt einen Buchstaben, ein Wort, unter Umst\u00e4nden einen Satztheil mit einer einzigen Innervation, die wir nach dem Vorgang von Professor Meumann eine \u00bbGesammtinnervation\u00ab nennen wollen. Eine solche Gesammtinnervation besteht darin, dass die einzelnen Theilinnervationen einem Hauptimpulse untergeordnet und mit diesem zu einem Ganzen verschmolzen erscheinen. In der Druckcurve kommt das so zum Ausdruck, dass z. B. in einem Worte an einer Stelle der Hauptdruck liegt, der alle andern Impulse an St\u00e4rke \u00fcbertrifft, unter den sich die andern in rhythmischer Abstufung ihrer St\u00e4rke unterordnen. Es verl\u00e4uft eine solche Druckcurve also so, dass eine Spitze oder eine Erhebung alle andern \u00fcberragt, die andern fallen ihr gegen\u00fcber gleichm\u00e4\u00dfig ah, oder steigen zu ihr an. Solche Gesammtinnervationen sind nur bei den Erwachsenen, wenn auch nicht hei allen gleich regelm\u00e4\u00dfig, zu finden. Sie treten um so deutlicher hervor, je mehr das den individuellen Schreibinnervationen entsprechende Tempo eingehalten wird. Bei den Kindern werden solche Druckcurven merkw\u00fcrdigerweise erst beim rhythmischen Schreiben gebildet, wenn auch nicht so regelm\u00e4\u00dfig und ausgepr\u00e4gt wie bei den Erwachsenen. Mit wachsendem Alter entwickelt sich sowohl das constante individuelle Tempo der Schreibschrift als auch das Hervortreten der Gesammtinnervationen. Die eigentlich kindliche Handschrift zeigt bei jedem Strich den gleichen Druck und die gleiche Zeit, nach jedem Strich das Absetzen der Innervation. Das Kind wendet also zu jedem Strich noch einen isolirten, besonderen Willensimpuls auf und die einzelnen Impulse sind von ann\u00e4hernd gleicher St\u00e4rke.\n4. Schreibtypen.\nIndividuelle Schreibtypen festzustellen ist uns nicht gelungen. Dagegen lassen sich sehr wohl drei allgemeine Schreibtypen von einander unterscheiden, n\u00e4mlich der m\u00e4nnliche, weibliche und kindliche Schreibtypus. Ihr Unterschied besteht darin, dass das m\u00e4nnliche Geschlecht hei vorgeschriebenem Tempo mit starkem Druck, das weibliche Geschlecht und Kinder mit schwachem Druck und kleinen Buchstaben schreiben. Au\u00dferdem zeichnet sich das kindliche Schreiben noch dadurch aus, dass es langsam und mit flachen Curven geschieht und einen noch nicht ausgebildeten Rhythmus besitzt. Bei vorgeschrie-","page":559},{"file":"p0560.txt","language":"de","ocr_de":"560\nDobri Awramoft'.\nbenem Tempo schreiben die Erwachsenen meistens voreilend, was bei Kindern nicht vorkommt. Die Damen schreiben, wie alle ausgef\u00fchrten Versuche erkennen lassen, ohne Rhythmus (bei selbstgew\u00e4hltem Tempo), mit gr\u00f6\u00dferem Druck und langsam. Die Herren dagegen schnell und mit schw\u00e4cherem Druck als die Kinder. Die Knaben ebenfalls langsam mit gr\u00f6\u00dferen Buchstaben und noch schw\u00e4cherem Druck als die Damen, untaktm\u00e4\u00dfig und mehr malend als schreibend. Die regelm\u00e4\u00dfigsten Curven sind bei den Herren, die unregelm\u00e4\u00dfigsten bei den Kindern zu finden.\n5.\tAllgemeine Bedingungen des Schreibens.\n1.\tAlle Bestandtheile der Schrift stehen in gesetzm\u00e4\u00dfigen Verh\u00e4ltnissen zu einander; weder Druck noch Tempo, noch Form, noch innere und \u00e4u\u00dfere Bedingungen k\u00f6nnen isolirt ver\u00e4ndert werden.\n2.\tJedem Schriftzeichen entspricht ein gewisses Tempo, bei welchem es am besten ausgef\u00fchrt wird.\n2. Das vorgeschriebene Tempo gleicht die Formen der Schreib-curven der Erwachsenen mit denjenigen der Kinder aus.\n4.\tDie Uebung erleichtert das Schreiben, indem sie die Schrift verkleinert, zugleich verbessert und den Druck vermindert.\n5.\tDie Erm\u00fcdung gestaltet die Schreibcurven gleichm\u00e4\u00dfiger, zugleich erniedrigt sie den Druck.\n6.\tEine ung\u00fcnstige psycho-physische Disposition der Versuchsperson verlangsamt das Schreiben, gestaltet die Druckcurven unregelm\u00e4\u00dfig, vergr\u00f6\u00dfert die Schrift und erh\u00f6ht den Druck.\n7.\tEine schwierigere Schriftleistung wird mit st\u00e4rkerem Druck ausgef\u00fchrt, gleichg\u00fcltig wodurch die Erschwerung herbeigef\u00fchrt wird.\n8.\tDie Schrift wird erschwert a) durch die Beschleunigung des Arbeitstempos; b) durch die absichtliche Willensanstrengung, \u00fcber das gewohnte Tempo hinauszugehen; c) durch die Aenderung der Schriftlage; d) durch die ungewohnte Art der psychischen Vorbereitung.\n9.\tDie Schreibgeschwindigkeit wird durch die Anregung und durch die Erschwerung der Arbeit ver\u00e4ndert.\n10.\tBeim rhythmischen Schreiben wird die Arbeit bei den Erwachsenen (durch die Anregung?) gegen das Ende hin beschleunigt.","page":560},{"file":"p0561.txt","language":"de","ocr_de":"Arbeit und Rhythmus.\n561\n11.\tDie Schreibzeiten einzelner Zeichen h\u00e4ngen von der L\u00e4nge des Schreibweges ab, sodann von der H\u00e4ufigkeit ihres Vorkommens und von der Entwickelung der Schrift, au\u00dferdem aber von der Schnelligkeit des vorgeschriebenen Tempos, endlich von der Uebung, Gew\u00f6hnung und Anregung.\n12.\tDie Druckbreiten der Curven (das Verweilen auf dem Maximum des Druckes) und die Pausen werden in hohem Grade durch die Aenderung der gestellten Aufgabe und durch das vorgeschriebene Tempo beeinflusst.\n6. M\u00e4nnliche, weibliche und Kinderhandschrift.\n1.\tFrauen schreiben im Durchschnitt gr\u00f6\u00dfer, langsamer und mit gr\u00f6\u00dferem Druck als die M\u00e4nner. Die Schreibbewegungen gehen bei den Frauen schwieriger und mit st\u00e4rkerer Willensanstrengung von statten, als bei den M\u00e4nnern.\n2.\tKinder schreiben gr\u00f6\u00dfer, langsamer, unregelm\u00e4\u00dfiger und unrhythmischer, mit geringerem Druck als Damen.\n3.\tAuf eine Beschleunigung des Schreibtempos antworten die M\u00e4nner vorzugsweise mit einer Steigerung der Willensanstrengung, die Frauen und Kinder dagegen mit einer Verkleinerung der Schriftz\u00fcge und Verkleinerung des Druckes.\n4.\tDie sinnlosen W\u00f6rter werden von Frauen mit gro\u00dfem Druck, unregelm\u00e4\u00dfigen Curven, langsam und mit gro\u00dfen Buchstaben geschrieben; von den M\u00e4nnern mit gro\u00dfem Druck, schnell und weitl\u00e4ufigen Buchstaben; von M\u00e4dchen mit gro\u00dfem Druck, gro\u00dfen Buchstaben und langsam, von Knaben dagegen mit gro\u00dfem Druck, schnell und mit gro\u00dfen Buchstaben.\n5.\tNach Dict\u00e2t schreiben die Frauen mit geringem Druck, kleinen Buchstaben und schnell ; die M\u00e4nner mit gro\u00dfem Druck, schnell und mit weitl\u00e4ufigen Buchstaben; M\u00e4dchen und Knaben mit geringem Druck, schnell und mit kleineren Buchstaben.\n6.\tAuswendig schreiben die Erwachsenen mit starkem Druck; Knaben langsam mit geringem Druck und kleineren Buchstaben; M\u00e4dchen mit gro\u00dfem Druck, langsam und gro\u00dfen Buchstaben.\n7.\tBeim Abschreiben schreiben alle Versuchspersonen mit gro\u00dfem Druck, langsam und gro\u00dfen Buchstaben.","page":561},{"file":"p0562.txt","language":"de","ocr_de":"562\tDobri Awramoff. Arbeit und Rhythmus.\n8.\tDie Haarstriche werden mit weniger Druck, unregelm\u00e4\u00dfiger und langsamer als die Grundstriche ausgef\u00fchrt.\n9.\tJe complicirter die Zeichen werden, desto gr\u00f6\u00dferen Druck wenden die Damen und Herren an, die Kinder hingegen f\u00fchren sie mit um so schw\u00e4cherem Druck aus.\n10.\tDie spitzen Zeichen werden mit starkem, die runden dagegen mit schwachem Druck ausgef\u00fchrt.\n11.\tEs gibt Frauen mit m\u00e4nnlicher und M\u00e4nner mit frauenhafter Schrift.\n12.\tErst mit dem schnellen Tempo werden bei Kindern Gesammt-innervationen gebildet.","page":562}],"identifier":"lit4504","issued":"1903","language":"de","pages":"515-562","startpages":"515","title":"Arbeit und Rhythmus: Der Einflu\u00df des Rhythmus auf die Quantit\u00e4t und Qualit\u00e4t geistiger und k\u00f6rperlicher Arbeit, mit besonderer Ber\u00fccksichtigung des rhythmischen Schreibens","type":"Journal Article","volume":"18"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:34:17.468198+00:00"}