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{"created":"2022-01-31T14:24:09.494000+00:00","id":"lit4518","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Kiesow, Friedrich","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 14: 567-588","fulltext":[{"file":"p0567.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle.\nYon\nF. Kiesow.\nMit 3 Figuren im Text.\nIn meiner Abhandlung \u00bbUeber die Wirkung des Cocains und der Gymnemas\u00e4ure auf die Schleimhaut der Zunge und des Mundraums\u00ab \u2019) habe ich auf eine Stelle der Wangenschleimhaut hingewiesen, welche sich mir hei mechanischer Beizung durch Nadelstiche als v\u00f6llig schmerzfrei erwies. Durch M. von Frey ist dieser Befund best\u00e4tigt worden1 2). Derselbe konnte aber weiter zeigen, dass die betreffende Stelle auch bei tetanischer Beizung mit der Drahtelektrode durch den faradischen Strom schmerzfrei ist. Seine eigenen Worte hier\u00fcber lauten: \u00bbMan kann hier den Strom so verst\u00e4rken, dass die Muskeln der Wange in heftigsten Tetanus gerathen und die Erregung bis in den Oberkiefer ausstrahlt, ohne dass eine Spur von Schmerzhaftigkeit an der Applicationsstelle der Elektrode auftritt\u00ab3). In der der That ist der von Frey\u2019sehe Versuch sehr geeignet, die Unempfindlichkeit dieser Stelle f\u00fcr elektrische Schmerzreize in auff\u00e4lligster Weise hervortreten zu lassen.\n1)\tPhilos. Studien, Bd. IX. S. 510 ff.\n2)\tM. von Frey, Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Schmerzsinnes. Berichte d. math.-phys. Classe d. k\u00f6nigl. s\u00e4chs. Gesellsch. d. Wiss. zu Leipzig. Sitzung vom 2. Juli 1894. S. 196. 2. Mitth. S. 180. \u2014 (In der Folge sind die hier ver\u00f6ffentlichten Arbeiten von Frey\u2019s einfach als \u00bbBer. etc.\u00ab citirt.)\n3)\tM. von Frey, Ber. etc. Sitz. v. 3. Dec. 1894. S. 293.","page":567},{"file":"p0568.txt","language":"de","ocr_de":"568\nF. Kiesovv.\nYon mehreren Seiten aufgefordert, diese Stelle n\u00e4her zu beschreiben und sie einer eingehenderen Pr\u00fcfung zu unterwerfen, habe ich theils zu Turin, theils w\u00e4hrend eines Ferienaufenthaltes im physiologischen Institute zu Z\u00fcrich eine Reihe von Versuchen ausgef\u00fchrt, mit denen ich dem mir ausgesprochenen Wunsche, soweit in meinen Kr\u00e4ften steht, entgegengekommen zu sein hoffe. Den gr\u00f6\u00dften Theil dieser Versuche habe ich an mir selber ausgef\u00fchrt. F\u00fcr die Freundlichkeit, mit der mir auch andere Personen ihre H\u00fclfe liehen, vers\u00e4ume ich nicht, ihnen schon an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Die Kamen derselben sind in jedem einzelnen Falle angegeben.\nZum Offenhalten des Mundes leistete mir ein modificirter Dwyer-scher Mund\u00f6ffner gute Dienste. Man erreicht aber meistens den gleichen Zweck, wenn man ein passend zugeschnittenes Korkst\u00fcck oder einige Lagen von Radirgummi zusammengebunden zwischen die Zahnreihe der nicht gerade dem Versuch unterworfenen Mundseite schiebt. Wo eine Abweichung von dieser Anordnung n\u00f6thig wurde, ist diese unten angegeben. Selbstbeobachtungen wurden vor einem Spiegel angestellt. Ich selbst benutzte vielfach einen Ooncavspiegel.\nSucht man diese Stelle, so findet man sie bei elektrischer Reizung mit dem Inductionsstrom leicht, wenn man bei ge\u00f6ffnetem Munde vom Mundwinkel aus mit der Elektrode1) in gerader Richtung etwa bis zum Anfang oder zur Mitte des unteren zweiten Molarzahns fortgeht. Sie zieht sich von hier, wie schon in der oben citirten Arbeit angegeben2), in einem schm\u00e4leren Streifen in der Richtung zum Mundwinkel hin ein St\u00fcck fort.\nNach meinen eigenen Beobachtungen gewann ich die Vorstellung, dass diese Schleimhautstelle zum Theil mit derjenigen zusammenf\u00e4llt, die auf der Au\u00dfenseite der Wange von der oberfl\u00e4chlichen Schicht der Gesichtsmuskeln unbedeckt bleibt und hier, wie die Figur 1 zeigt, von den Muskeln Zygomaticus major, Triangularis und Risorius Santorini umschlossen wird. Zu dem gleichen Ergehniss gelangten bei einer Nachpr\u00fcfung an sich selbst die Herren Stabsarzt Dr. med. Ostini und Dr. med. Volpino. Meine eigene Anschauung wurde\n1)\tDie Beschreibung der verwandten Elektrode siehe unten, S. 576.\n2)\tS. 512.","page":568},{"file":"p0569.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle,\n569\ndurch eine Einsicht in die Sammlung der Pr\u00e4parate auf der anatomischen Anstalt zu Turin best\u00e4rkt. An der frischen Leiche habe ich bisher leider keinen Vergleich anstellen k\u00f6nnen. Wir w\u00fcrden\nFig. 1. Oberfl\u00e4chliche Muskulatur des Gesichts. (Nach Gegenbaur)1)\nuns hier demnach im sensiblen Gebiete des dritten Astes des Trigeminus befinden, sofern der demselben entstammende N. buccinatorius sensible Fasern f\u00fchrt und, den M. buccinator durchbohrend solche zur Wangenschleimhaut entsendet.\n1) C. Gegenbaur, Lehrb. d. Anat. d. Menschen 7. Aufl. Bd. 1. S. 373.","page":569},{"file":"p0570.txt","language":"de","ocr_de":"570\nF. Kiesow.\nDie nachstehend beschriebenen Versuche erstrecken sich auf mechanische, elektrische und thermische Beizung der Wangenschleimhaut.\n1. Mechanische Reizung. Um auf mechanischem Wege schmerzhafte Eindr\u00fccke zu erzeugen, verwandte ich wie bei meinen fr\u00fcheren Versuchen Nadelstiche, um Tastempfindungen1) hervorzurufen die von Ere y\u2019sehen Reizhaare2).\nDer Nachweis der Schmerzlosigkeit gelingt an der in Bede stehenden Schleimhautstelle bei Anwendung jeder Art von gut zugespitzten Nadeln. Die Stiche werden hier in Folge der beim Einstich auftretenden Deformation der Haut als Tasteindruck empfunden. Da aber die Intensit\u00e4t der Tastempfindung mit der Ausbreitung der Deformation zunimmt und der Umfang dieser wieder von der St\u00e4rke der verwandten Nadel abh\u00e4ngig ist, so wird die Versuchsanordnung verbessert, wenn man sehr feine Nadeln w\u00e4hlt, z. B. N\u00e4hnadeln feinster Sorte, und diese au\u00dferdem auf einem geeigneten Schleifstein nachsch\u00e4rft. Man erzielt dann Eindr\u00fccke, die m\u00f6glichst, obwohl niemals ganz punktf\u00f6rmig sind. Bei Anwendung dieser Vorsichtsma\u00dfregeln empfinde ich vielfach nur den Moment des Einstichs und zwar als einen augenblicklich vor\u00fcbergehenden leisen Tasteindruck, f\u00fcr den die Bezeichnung Ber\u00fchrungsempfindung ein passender Ausdruck sein m\u00f6chte3). Bei sehr langsamem Eindrehen einer so zugerichteten Nadel in die Schleimhaut gelingt es mir aber an manchen Punkten dieses Hautgebietes zuweilen auch, die Tastempfindung ganz zu vermeiden. Abgesehen davon, dass man bei der Beizung eine Stelle treffen kann, die nicht durch einen Tastpunkt charakterisirt ist, d\u00fcrfte diese Erscheinung auch darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren sein, dass\n1)\tIch acceptire den unl\u00e4ngst durch von Frey vorgeschlagenen Ausdruck Tastpunkte f\u00fcr die bisher als Druckpunkte bezeichneten Sinnespunkte und habe denselben in diesem Sinne \u00fcberall in dieser Arbeit verwerthet. M. von Frey, Ber. etc. 4. Mittheil. S. 464.\n2)\tDie n\u00e4here Beschreibung der beim Gebrauche von Beizhaaren anzuwendenden Yersuchstechnik siehe bei M. von Frey, \u00bbUntersuch, \u00fcber die Sinnesfunctionen der menschl. Haut. 1. Abhandl. Druckempfindung und Schmerz. Ab-handl. d. math.-phys. Classe der k\u00f6nigl. s\u00e4chs;. Gesellsch. d. Wiss. zu Leipzig. Bd. XXIII. III. 1896. S. 208ff. (In der Folge ist diese Arbeit kurz als \u00bbAbhdl. etc.\u00ab citirt.)\n3)\tM. von Frey, Abhdl. etc. S. 216. \u2022\u2014 F. Kiesow, Arch. ital. de Biologie, Tome XXYI. S. 436 und Philos. Studien, Bd. IX. S. 512.","page":570},{"file":"p0571.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle.\n571\ndie Deformation in diesem Falle so geringgradig bleibt, dass auch indirect kein Tastpunkt mitbetroffen wird. Es d\u00fcrfte hier somit neben einer geringeren Dichte der Tastpunkte auch die geringere Widerstandsf\u00e4higkeit der Schleimhaut in Betracht kommen. Auf der \u00e4u\u00dferen Hautoberfl\u00e4che ist dies nicht m\u00f6glich. In Folge der gr\u00f6\u00dferen Dichte der Sinnespunkte und des gr\u00f6\u00dferen Widerstandes, den die K\u00f6rperhaut dem Einstich entgegensetzt, werden hier bei Nadelstichen \u00fcberall Tastempfindungen ausgel\u00f6st. Man findet hier wohl Punkte, auf denen der Einstich schmerzlos erfolgt, aber man findet keinen Schmerzpunkt, auf dem auch bei noch so langsamem Eindrehen der Nadel nicht Organe des Tastsinnes gleichzeitig indirect miterregt w\u00fcrden.\nAu\u00dferhalb dieses Gebietes treten Schmerzempfindungen von wechselnder St\u00e4rke auf. Ich gewann jedoch die Vorstellung, dass auch die Schmerzpunkte auf der ganzen Wangenschleimhaut nicht sehr dicht bei einander hegen. Am hinteren Theile meiner Wangenschleimhaut beobachtete ich bis etwa zum Bande des M. pterygoideus internus hin ferner beiderseits Empfindungen, die ich eher schmerzbetont1) als geradezu schmerzhaft nennen m\u00f6chte.\nDie zur Untersuchung der Tastempfindlichkeit dieser Stelle benutzten Beizhaare waren nach Spannungseinheiten2) geaicht. Die Schwierigkeiten, welche hei einer genaueren Pr\u00fcfung der Tastempfindlichkeit einer Hautstelle schon im allgemeinen zu \u00fcberwinden sind, werden hier besonders noch dadurch vermehrt, dass man die Tastpunkte auf der Schleimhaut nicht durch F\u00e4rbemittel fixiren kann. Weiter sind hier Erm\u00fcdungserscheinungen in Bechnung zu ziehen, die durch die ungewohnte Haltung des Kopfes und das best\u00e4ndige Offenhalten des Mundes noch verst\u00e4rkt werden. Es ist ferner in Erw\u00e4gung zu ziehen, dass die innere Wangenhaut in Folge des ge\u00f6ffneten Mundes, zumal wenn man dieselbe durch den Daumen von au\u00dfen nach innen hineindr\u00fcckt, leicht eine der nat\u00fcrlichen Lage nicht entsprechende Spannung erhalten kann. Da, wie von Frey nachgewiesen3), Spannung einer Hautstelle die Schwellenwerthe der Tastpunkte emportreibt, so suchten wir bei diesen Versuchen den Mund\n1)\tNicht im Sinne von G-ef\u00fchlsbetonung verstanden.\n2)\tM. von Frey, Abhdl. etc. S. 228.\n3)\tM. von Frey, Ber. etc. Sitz. v. 3. Dec. 1894. S. 286; Abhdl. etc. S. 213.\nWundt, Philos. Studien. XIV.\t38","page":571},{"file":"p0572.txt","language":"de","ocr_de":"572\nF. Kiesow.\nnur so viel als eben noting war zu \u00f6ffnen und zogen den betreffenden Mundwinkel mit dem Zeigefinger ein wenig nach au\u00dfen, ohne die oben erw\u00e4hnten H\u00fclfsmittel zu benutzen. Dies ist auch schon deswegen geboten, weil die in den Mundwinkel geschobene St\u00fctze theils durch das Eindr\u00fccken der Z\u00e4hne in dieselbe, theils durch die Ber\u00fchrung derselben mit der Haut zu so starken Tastempfindungen Anlass gibt, dass minimale Wer the, um die es sich hier ja handelt, schwer oder gar nicht zur Apperception gelangen. Dem Einwande, dass bei diesen Versuchen die Geschwindigkeit, mit der der Beiz den Hautpunkt trifft, nicht in Zahlen ausdr\u00fcckbar sei und somit ein sehr wichtiger Factor f\u00fcr die Bestimmung der Tastempfindung unbeachtet bleibe, steht entgegen, dass es sich hier \u00fcberall um so gro\u00dfe Beizgeschwindigkeiten handelt, dass man dieselben Momentanreizen \u00e4quivalent setzen kann1).\nAls Ma\u00df f\u00fcr die Empfindlichkeit benutze ich die schw\u00e4chsten Beize, welche auf der betreffenden K\u00f6rperstelle \u00fcberhaupt noch wirksam sind. Das Vergleichsobject sind also die jeweiligen Tastpunkte niedrigster Schwelle.\nDie f\u00fcr die nachstehenden Bestimmungen benutzten Beizhaare hatten folgende Oonstanten:\nQuerschnitt\tMittlerer Eadius\tKraft\tSpannungswertli\t\n0,0016 mm2\t0,022 mm\t1,1 mg\t0,05 g/mm\t\n0,0027 \u00bb\t0,029 *\t1,8 \u00bb\t0,06\t\u00bb\n0,0046 *\t0,038 \u00bb\t19,0 \u00bb\t0,5\t\u00bb\n0,0039 \u00bb\t0,035 \u00bb\t27,0 \u00bb\t0,75\t\u00bb\n0,0066 \u00bb\t0,046 \u00bb\t46,0 \u00bb\t1,0\t\u00bb\n0,0035 \u00bb\t0,034 \u00bb\t50,0 \u00bb\t1,5\t\u00bb\n0,0135 \u00bb\t0,065 \u00bb\t130,0 \u00bb\t\u20182,0\t\u00bb\nAuf der in Bede stehenden Stelle der Wangenschleimhaut musste ich bei mir selbst bis zu Werthen von 1,5\u20142 Gramm pro Millimeter Badius auf steigen, bis ich den Beiz empfand. Da ich aber, als ich diese Versuche anstellte, meine Wangenschleimhaut an dieser Stelle durch vielfache andere Versuche so stark gesch\u00e4digt hatte, dass ich die erhaltenen Besultate in diesem Falle nicht mehr als Normalwerthe\n1) M. von Frey, Abhdl. etc. S. 199.","page":572},{"file":"p0573.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle.\n573\nansehen konnte, so habe ich an andern Personen Yergleichsversuche angestellt, deren Ergebnisse ich als einwurfsfrei betrachten konnte. Ich erhielt so\nan Herrn Prof, von Frey links\tden \"Werth\tvon 0,5 g/mm\n\u00bb Herrn Dr. med. \u00df. Hob er beiderseits\t\u00bb \u00bb\t\u00bb 0,75 \u00bb\n\u00bb Fr\u00e4ul. stud. med. Witkiewitsch beiderseits \u00bb\t\u00bb\t\t\u00bb 0,75 *\n\u00bb Herrn cand. med. F. Brupbacher links\t\u00bb \u00bb\t\u00bb\t0,5\t\u00bb\n\u00bb Herrn stud. med. H. Andrae rechts\t\u00bb \u00bb\t\u00bb 0,75\t\u00bb\nlinks\t\u00bb \u00bb\t\u00bb1,0 \u00bb\nVergleicht man diese Werthe mit denen, die man auf der \u00fcbrigen Wangenschleimhaut, sowie auf den Tastfl\u00e4chen der K\u00f6rperhaut und\t\t\nden diesen nahegelegenen Stellen erh\u00e4lt, so ergibt sich,\t\tdass die Tast-\nempfindlichkeit unserer Stelle gegen die steht. Ich erhielt z. B. an mir selbst\tjener Fl\u00e4chen\tnicht zur\u00fcck\nauf der \u00fcbrigen Wangenschleimhaut\tSchwellenwerthe von 0,75 g/mm\t\n\u00bb der Fingerbeere des linken Zeigefingers\t\u00bb\t\u00bb 0,75\t\u00bb\n\u00bb der Fingerbeere des linken Mittelfingers\t\u00bb\t\u00bb 1,0 \u00bb\n\u00bb der Fingerbeere des linken Ringfingers\t\u00bb\t\u00bb 0,5\t\u00bb\n\u00bb der Fingerbeere des linken Daumens\t\u00bb\t\u00bb 1,0\n\u00bb den behaarten Stellen d.Yorders. des linken Unterarms \u00bb\t\t\u00bb 0,5-0,75 \u00bb\nEbenso fand von Frey1) auf einem 9,74 cm2 gro\u00dfen Hautgebiet seiner linken Wade, sowie auf einem 16 cm2 gro\u00dfen seines linken Handgelenks Punkte, deren Schwellenwerth einer Reizgr\u00f6\u00dfe von 0,5 g/mm entsprach.\nDie Verschiedenheit der Werthe auf den einzelnen Fingerbeeren d\u00fcrfte mit der verschiedenen Dicke der Epidermis Zusammenh\u00e4ngen. Aus dem gleichen Grunde d\u00fcrften hier individuelle Verschiedenheiten zu erwarten sein. So nimmt z. B. von Frey den Werth von 0,5 g/mm f\u00fcr die Fingerheeren in Anspruch1).\nDiesen Ausf\u00fchrungen sei noch hinzugef\u00fcgt, dass man auf der Zungenspitze und dem Lippenroth viel niedrigere Schwellenwerthe, mit andern Worten eine, wie auch zu erwarten stand, weit gr\u00f6\u00dfere Empfindlichkeit findet. Bei allen hierauf untersuchten Personen wurde\n1) M. von Frey, Abhdl. etc. S. 235.\n38*","page":573},{"file":"p0574.txt","language":"de","ocr_de":"574\nF. Kiesow.\nauf der \u00e4u\u00dfersten Zungenspitze der Werth von 0,05 g/mm noch deutlich empfunden, hei mir seihst scheint derselbe noch \u00fcberschwellig zu sein. Verglichen mit der niedrigsten der oben angegebenen Reizgr\u00f6\u00dfen besitzt die Zungenspitze demnach Punkte von zehnfacher Empfindlichkeit. Auf der Mitte des unteren Lippensaums erkannte ich seihst auf einigen Punkten noch den Werth von 0,06 g/mm. Die Empfindlichkeit derselben ist somit 8 mal so gro\u00df wie diejenige der bisher auf der Hautoberfl\u00e4che gefundenen Sinnespunkte von niedrigster Schwelle. Die gro\u00dfe Bedeutung dieser Theile als Tastorgane mag diese Thatsache erkl\u00e4ren.\n2. Elektrische Reizung. F\u00fcr diese benutzte ich einen Du Bois-Reymond\u2019schen Schlittenapparat, dessen secund\u00e4re Spirale 10162 Windungen besitzt und dessen prim\u00e4re Spule mit Eisendr\u00e4hten ausgef\u00fcllt war. Als Stromquelle diente ein mittelgro\u00dfes Danielelement.\nDa man aus einer Angabe der Rollenahst\u00e4nde \u00fcber die einzelnen Stromst\u00e4rken noch nichts wissen kann, so habe ich mir das erw\u00e4hnte Inductorium zuvor nach der Methode von A. Fick1) geaicht. Es wurde die secund\u00e4re Spirale mit einem empfindlichen Spiegelgalvanometer verbunden und die durch einzelne Inductionsschl\u00e4ge entstehenden Ablenkungen bei jedem Centimeter Rollenabstand abgelesen. Man erh\u00e4lt so f\u00fcr die verschiedenen Rollenabst\u00e4nde Zahlen, welche den Stromst\u00e4rken proportional sind. Zur gr\u00f6\u00dferen Uebersichtlichkeit setzte ich den gr\u00f6\u00dften Werth (Rollenahstand 0) gleich 1000 Einheiten und rechnete die \u00fcbrigen Zahlen dementsprechend um. F\u00fcr Bruchtheile von Centimetern wurden die zugeh\u00f6rigen Werthe interpolirt. Die in Intensit\u00e4tseinheiten gemessenen Schwellen sind umgekehrt proportional den Empfindlichkeiten. Setzt man die Empfindlichkeit der Hautstelle mit niedrigster Schwelle gleich 1, so gewinnt man ein Bild \u00fcber das Verh\u00e4ltniss der Empfindlichkeit der einzelnen dem Versuch unterzogenen Hautfl\u00e4chen.\nAus den nach der erw\u00e4hnten Fick\u2019schen Methode erhaltenen Werthen stelle ich die folgenden \u00fcbersichtlich zusammen:\n1) A. B. Meyer, Die Muskelzuckung in ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der St\u00e4rke elektrischer Nervenreizung. A. Fick\u2019s Untersuch, a. d. physiol. Laboratorium der Z\u00fcricher Hochschule. 1869. Heft 1. S. 38.","page":574},{"file":"p0575.txt","language":"de","ocr_de":"\t\tZur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle.\t\t\t\t575\nRollenabstand\t\tIntensit\u00e4t\tRollenabstand.\t\t\tIntensit\u00e4t\n\t23 cm\t4,0\t11 cm\t\t\t150,0\n\t22 \u00bb\t5,1\t10\t\u00bb\t\t210,0\n\t21 \u00bb\t6,0\t9\t\u00bb\t\t285,0\n\t20 \u00bb\t8,0\t8\t\u00bb\t\t370,0\n\t19 \u00bb\t10,0\t7\t\u00bb\t\t460,0\n\t18 \u00bb\t14,0\t6\t\u00bb\t\t555,0\n\t17 \u00bb\t18,0\t5\t\u00bb\t\t650,0\n\t16 \u00bb\t23,0\t4\t\u00bb\t\t750,0\n\t15 \u00bb\t32,0\t3\t\u00bb\t\t840,0\n\t14 \u00bb\t48,0\t2\t\u00bb\t\t910,0\n\t13 \u00bb\t68,0\t1\t\u00bb\t\t960,0\n\t12 \u00bb\t100,0\t0\t\u00bb\t\t1000.\nAus\tdiesen Werthen habe\t\tich die\tin\tFig.\t2 in verkleinertem\nMa\u00dfstab\twiedergegebene Curve\t\tconstruirt.\t\tIn\tderselben sind die\nBollenabst\u00e4nde als Abscissen und die Stromst\u00e4rken als Ordinaten eingetragen.\nFig. 2.\nBei allen Versuchen mit elektrischer Beizung leitete ich in die prim\u00e4re Bolle des Inductoriums einen constant auf 0,5 Amp\u00e8re erhaltenen Strom. Die Beizung war theils eine unipolare, theils eine","page":575},{"file":"p0576.txt","language":"de","ocr_de":"576\nF. Kiesovv.\nbipolare. Im ersten Falle bestand die Elektrode aus einem St\u00fcckchen Kupferdraht von ca. 5 cm L\u00e4nge und 0,5 mm Querschnitt, an dessen freiem Ende in der Gebl\u00e4seflamme ein kleines Kn\u00f6pfchen von 1 mm Querschnitt angeschmolzen war. Diese Elektrode machte ich zur Kathode der Offnungsschl\u00e4ge, w\u00e4hrend der andere Pol zu einer breiten Kupfermanschette gef\u00fchrt ward, die ich um den entbl\u00f6\u00dften linken Unterarm legte. Die Manschette war au\u00dferdem mit Putzleder umwunden, das vor dem Versuche angefeuchtet ward. F\u00fcr die bipolare Reizung benutzte ich eine Elektrode mit zwei Platinaspitzen, die 1 mm auseinander standen.\nIn Bezug auf die Schmerzlosigkeit unserer Wangenstelle bei elektrischer Reizung kann ich, so weit ich hier\u00fcber an mir selbst und einer gro\u00dfen Zahl anderer Personen Nachpr\u00fcfungen anstellte, nur best\u00e4tigen, was von Frey bereits gezeigt hat. Ich f\u00fcge noch hinzu, dass ich unter den angegebenen Bedingungen bei unipolarer wie bei bipolarer Reizung bis zum Rollenabstand 0 fortschreiten kann, der Strom im ersteren Falle bis zum Opticus ausstrahlt und starke Lichtblitze auftreten, ohne dass ich die leiseste Schmerzempfindung an der gereizten Stelle versp\u00fcre.\nAuf der \u00fcbrigen Wangenschleimhaut treten die ersten Schmerzempfindungen bei unipolarer Reizung bei 10\u20149,5 cm Rollenabstand auf, d. h. bei einer Stromintensit\u00e4t von 210\u2014247,5 Einheiten. Auf der Schwelle ist die Schmerzempfindung vielfach dadurch charakteri-sirt, dass sie \u00e4hnlich wie die Ber\u00fchrungsempfindung fast sofort nach dem Auftreten wieder verschwindet. Da aber der Strom hier \u00fcberall ein so leichtes und weites Ausbreitungsgebiet findet, dass bei Schwellenbestimmungen die Empfindung der Schmerzpunkte leicht von der anderer Mundtheile, besonders von der der Z\u00e4hne und dem an Lippen und Wangen auftretenden Schwirren der Tastpunkte \u00fcbert\u00f6nt wird und sich au\u00dferdem die Wange in st\u00f6render Weise contrahirt, so d\u00fcrfte in diesem Falle auf der Schleimhaut die bipolare Reizung der unipolaren vorzuziehen sein. Ich habe die nachstehend mitgetheilten Bestimmungen jedoch nach beiden Methoden ausgef\u00fchrt und stelle die so erhaltenen Werthe in der folgenden Tabelle \u00fcbersichtlich zusammen. Es sei noch bemerkt, dass dieselben aus je 5 Einzelversuchen nach der Methode der minimalen Aenderungen bei aufsteigender Reihe an 5 verschiedenen Punkten gefunden wurden, sie somit","page":576},{"file":"p0577.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle.\n577\nzugleich diejenigen der gr\u00f6\u00dften Empfindlichkeit sein d\u00fcrften. In der Tabelle sind die h\u00f6chsten und niedrigsten Rollenahst\u00e4nde, sowie die aus den Einzelversuchen gewonnenen Mittelwerthe verzeichnet. Die Angaben der Stromintensit\u00e4t beziehen sich \u00fcberall auf die letzteren.\n\tUnipolare Reizung\t\t\t\tBipolare Reizung\t\t\t\nUntersuchte Stellen\tGr\u00f6\u00dfter Rollenabst.\tKleinster j Rollenabst.\tMittlerer Rollenabst.\tIntensit\u00e4t in willk.Einheit.\tGr\u00f6\u00dfter ! Rollenabst.\tKleinster Rollenabst.\tMittlerer Rollenabst.\tIntensit\u00e4t in willk.Einheit.\nZungenspitze\tcm 15,5\tcm 15,2\tcm 15,3\t29,3\tcm 14,0\tcm 13,5\tcm 13,8\t52\nOberes Lippenroth\t15,4\t15,0\t15,0\t32,0\t13,5\t13,2\t13,4\t60\nUnteres Lippenroth\t14,5\t14,0\tId,2\t44,8\t13,0\t12,5\t12,8\t74,4\nSchleimhaut der Oberlippe\t13,5\t13,2\t13,4\t60,0\t12,5\t12,0\t12,3\t90,4\nSchleimhaut der Unterlippe\t12,2\t12,0\t12,0\t100,0\t11,3\t11,0\t11,1\t145,0\nVorderer Theil der rechten W angenschleimhaut\t10,0\t9,5\t9,6\t240,0\t8,4\t7,8\t8,1\t361,5\nVorderer Theil der linken Wangenschleimhaut *)\t10,0\t9,5\t9,8\t225,0\t8,5\t8,0\t8,2\t353,0\nMitte des linken Handr\u00fcckens\t11,2\t10,5\t10,9\t156,0\t10,6\t10,0\t10,4\t186,0\nRand der linken Kniescheibe\t13,8\t13,0\t13,3\t62,0\t12,6\t12,0\t12,3\t90,4\nDiese Angaben m\u00f6gen gen\u00fcgen, um ein ungef\u00e4hres Verh\u00e4ltniss der Schmerzempfindlichkeit der \u00fcbrigen Wangenschleimhaut zu der anderer Mund- und K\u00f6rpertheile erkennen zu lassen. Vergleicht man die in der Tabelle verzeichneten Stromeinheiten unter einander, so ergibt sich sowohl aus der unipolaren wie aus der bipolaren Reizung f\u00fcr die Wangenschleimhaut \u00fcberhaupt eine Herabsetzung der Schmerzempfindlichkeit. Setzen wir auch hier die Werthe der Zungenspitze gleich 1, so w\u00fcrde-die linke vordere Wangenschleimhaut bei unipolarer Reizung eine \u00fcber 7 mal, hei bipolarer eine fast 7mal geringere Schmerzempfindlichkeit besitzen als die erstere, w\u00e4hrend sich f\u00fcr die Schleim-\n1) Eine einmalige Nachpr\u00fcfung der Schmerzschwelle auf dem vorderen The\u00fc der linken Wangenschleimhaut ergab bei Herrn Prof, von Frey bei bipolarer Reizung einen Werth von 8 cm Rollenabstand = 370 willk\u00fcrlichen Einheiten.","page":577},{"file":"p0578.txt","language":"de","ocr_de":"578\nF. Kiesow.\nhaut der Oberlippe das Verh\u00e4ltnis von 1:2 resp. 1 : 1,7, f\u00fcr das obere Lippenroth ein solches von 1 : 1,1 resp. 1:1,2, f\u00fcr den linken Handr\u00fccken dasjenige von 1: 5,3 resp. 1 : 3,6 und f\u00fcr den Rand der linken Kniescheibe ein solches von 1: 2,1 resp. 1:1,7 ergeben w\u00fcrde. Aus zahlreichen anderen Versuchen gewann ich den Eindruck, dass von inneren Organen abgesehen die Wangenschleimhaut wie die hinteren Theile des Mundraums mit Einschluss der hinteren Zungenh\u00e4lfte von allen K\u00f6rpertheilen vielleicht die geringste Schmerzempfind-lichkeit besitzen. Ich gewann ferner den Eindruck, dass auch die Schmerzpunkte auf der inneren Wange nicht sehr dicht bei einander liegen. Sie scheinen sich aber nach den Mundwinkeln zu zu h\u00e4ufen.\nDie Tastempfindlichkeit unserer Wangenstelle habe ich elektrisch nach der oben angegebenen Methode unipolar gemessen und ebenso die derjenigen K\u00f6rpertheile, mit der ich sie verglichen habe. Die auftretende Empfindung ist das bekannte Schwirren, mit dem die Organe des Tastsinnes den Vibrationen des Wagner\u2019schen Hammers folgen. Die an mir selbst angestellten Versuche, bei denen Herr Dr. H\u00f6ber mir vielfach assistirt hat, sind ebenfalls aus je 5 Einzelversuchen gewonnen worden, und zwar habe ich auch hier der aufsteigenden Reihe der minimalen Aenderungen den Vorzug gegeben. Es sind dann aber alle Versuchsergebnisse durch Controllversuclie verificirt worden. Diese Resultate enth\u00e4lt die nachstehende Tabelle. Es ist auch hier das Mittel aus den Rollenabst\u00e4nden der Einzelversuche gezogen und der zugeh\u00f6rige Intensit\u00e4tswerth aus dem ersteren berechnet worden. Es sei noch bemerkt, dass die Bestimmungen auf dem Lippenroth und der Zungenspitze einige Schwierigkeiten boten, sofern das Aufsetzen der Elektrode, wenn nicht Eigenschwingungen ausgeschaltet wurden, auf diesen sehr empfindlichen Organen selbst schon als schwach schwirrend empfunden wurde.","page":578},{"file":"p0579.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle.\n579\nUntersuchte Stellen\tGr\u00f6\u00dfter Rollen- abstand\tKleinster Rollen- abstand\tMittlerer Rollen- abstand\tIntensit\u00e4t in willk\u00fcrl. Einheiten\nZungenspitze\tcm 23,0\tcm 22,3\tcm 22,5\t4,6\nVordere Zungenh\u00e4lfte, ca. 3 cm von der Spitze\t16,2\t15,8\t16,1\t22,5\nRechter Zungenrand, ca. 2 i/a cm von der Spitze\t14,0\t13,4\t13,7\t54,0\nLinker Zungenrand, ca. 2V2 cm von der Spitze\t14,0\t13,5\t13,9\t50,0\nMitte des oberen Lippenroths\t22,0\t21,8\t22,0\t5,1\nMitte des unteren Lippenroths\t22,2\t22,0\t22,1\t5,0\nSchmerzfreie Wangenstelle rechts\t12,0\t11,5\t11,8\t110,0\nSchmerzfreie Wangenstelle links\t12,0\t11,6\t11,8\t110,0\nVordere Wangenschleimhaut rechts\t12,0\t11,6\t11,8\t110,0\nVordere Wangenschleimhaut links\t12,5\t11,8\t12,2\t93,5\nBeere des rechten Zeigefingers\t13,0\t12,5\t12,7\t77,6\nBeere des rechten Mittelfingers\t13,0\t12,8\t13,0\t68,0\nBeere des rechten Ringfingers\t13,0\t12,8\t12,9\t71,2\nBeere des rechten kleinen Fingers\t13,0\t12,7\t12,9\t71,2\nBeere des rechten Daumens\t12,5\t12,0\t12,1\t96,8\nMitte des rechten Daumenballens\t12,0\t11,8\t12,1\t96,8\nProc. styloid, ulnae rechts\t11,0\t10,5\t10,7\t168,0\nBeere des linken Zeigefingers\t13,0\t12,5\t12,8\t73,4\nBeere des linken Mittelfingers\t13,3\t12,7\t13,1\t66,0\nBeere des linken Ringfingers\t13,3\t12,6\t13,0\t68,0\nBeere des linken kleinen Fingers\t13,0\t12,5\t12,8\t73,4\nBeere des linken Daumens\t12,5\t12,2\t12,i\t87,2\nMitte des linken Daumenballens\t12,2\t11,6\t11,9\t105,0\nProc. styloid, ulnae links\t11,2\t10,5\t10,9\t156,0\nRand der linken Kniescheibe\t12,5\t12,0\t12,1\t96,8","page":579},{"file":"p0580.txt","language":"de","ocr_de":"580\nF. Kiesovv.\nAn Fr\u00e4ulein AVitkiewitsch erhielt ich unter sonst gleichen Bedingungen bei einmaliger Pr\u00fcfung die folgenden Schwellenwerthe:\nUntersuchte Stellen\tBollen- abstand\tIntensit\u00e4t in willk\u00fcrl. Einheiten\nZungenspitze\tcm 22,5\t4,6\nVordere Zungenh\u00e4lfte, ca. 3 cm von der Spitze\t16,0\t23,0\nMitte des oberen Lippenroths\t21,1\t5,9\nMitte des unteren Lippenroths\t22,0\t5,1\nSchmerzfreie Wangenstelle rechts\t12,5\t84,0\nSchmerzfreie Wangenstelle links\t12,5\t84,0\nBeere des rechten Zeigefingers\t13,3\t62,0\nBeere des rechten Mittelfingers\t13,5\t58,0\nBeere des rechten Bingfingers\t13,7\t54,0\nBeere des rechten kleinen Fingers\t13,3\t62,0\nBeere des rechten Daumens\t13,6\t66,0\nMitte des rechten Daumenballens\t13,5\t58,0\nProc. styloid, ulnae rechts\t12,1\t96,8\nBeere des linken Zeigefingers\t13,2\t64,0\nBeere des linken Mittelfingers\t13,5\t58,0\nBeere des linken Bingfingers\t13,3\t62,0\nBeere des linken kleinen Fingers\t14,0\t48,0\nBeere des linken Daumens\t13,5\t58,0\nMitte des linken Daumenballens\t13,4\t60,0\nProc. styloid, ulnae links\t12,1\t96,8\nEbenso konnte ich an Herrn Dr. H\u00f6her bei einmaliger Pr\u00fcfung unter gleichen Bedingungen die folgenden Schwellenwerthe bestimmen :","page":580},{"file":"p0581.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle.\t581\nUntersuchte Stellen\tRollen- abstand\tIntensit\u00e4t in willk\u00fcrl. Einheiten\nVordere Zungenh\u00e4lfte, ca. 3 cm von der Spitze\tcm 16,0\t23,0\nSchmerzfreie Wangenstelle rechts\t12,0\t100,0\nSchmerzfreie Wangenstelle links\t12,0\t100,0\nVord. Wangenschleimh. nahe am Mundwinkel rechts\t13,0\t68,0\nVord. Wangenschleimh. nahe am Mundwinkel links\t13,0\t68,0\nDie Tabellen lassen gewisse individuelle Unterschiede erkennen, im Ganzen aber sind diese doch so gering, dass sie v.on keiner gro\u00dfen Bedeutung sein d\u00fcrften. Zieht man ferner in Betracht, dass hier auch physiologische Verschiedenheiten vorliegen m\u00fcssen (Verschiedenheiten in der Dicke der Epidermis, ungleicher Widerstand der Gewebe u. s. w.), so muss man sich geradezu wundern, dass sie nicht gr\u00f6\u00dfer sind.\nVergleicht man in den an Fr\u00e4ulein Witkiewitsch und mir seihst gewonnenen Tabellen die einzelnen Intensit\u00e4tswerthe unter einander, so ergibt sich, dass die Tastempfindlichkeit unserer Wangenstelle, trotzdem der Strom in die Schleimhaut leichter eindringt als in die \u00e4u\u00dfere K\u00f6rperhaut, gegen die der haupts\u00e4chlichsten Tastfl\u00e4chen des K\u00f6rpers, der Pingerbeeren und des Daumenballen durchweg um ein Geringes (zum Theil freilich nur um sehr Weniges) zur\u00fccksteht, dass sie aber vor der vorderen Wangenschleimhaut mit Ausnahme der Gegend um den Mundwinkel (s. Dr. H\u00f6ber\u2019s Tabelle) kaum abweicht und vor Stellen wie der Ulnarfortsatz und der Band der Kniescheibe noch einen Vorsprung besitzt. Die hervorgehobenen Abweichungen von den Ergebnissen der mechanischen Beizart sind vielleicht in der Eigenart der elektrischen Beizung selbst begr\u00fcndet. In der That ist durch von Frey1) wahrscheinlich gemacht, dass der elektrische Beiz eigentlich ein unphysiologischer ist, sofern durch denselben nicht das Endorgan selbst, sondern vielmehr der zuf\u00fchrende Kerv getroffen wird. Wie dem auch sein m\u00f6ge, so haben die Ver-\n1) M. von Frey, Ber. etc. 2. Mittbe\u00fc. S. 292.","page":581},{"file":"p0582.txt","language":"de","ocr_de":"582\nF. Kiesow.\nsuche wiederum das interessante Resultat geliefert, dass an unserer Stelle die Tastempfindlichkeit gut entwickelt ist, obwohl die Schmerzempfindlichkeit fehlt.\nDas Verh\u00e4ltniss der Empfindlichkeit der untersuchten Hautstellen zu der der Zungenspitze, die wiederum gleich 1 gesetzt ist, habe ich hier der besseren Uehersicht wegen f\u00fcr Fr\u00e4ulein Witkiewitsch und mich selbst in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt.\nUntersuchte Stellen\tFr\u00e4ul. Witkiewitsch\tF. Kiesow\nZungenspitze\t1\t1\nVordere Zungenh\u00e4lfte, ca. 3 cm von der Spitze\t5\t4,9\nRechter Zungenrand, ca. 2l/% cm von der Spitze\t\u2014\t11,7\nLinker Zungenrand, ca. 2 lj2 cm von der Spitze\t\u2014\t10,9\nMitte des oberen Lippenroths\t1,3\t1,1\nMitte des unteren Lippenroths\t1,1\t1,1\nSchmerzfreie Stelle rechts\t18,3\t23,0\nSchmerzfreie Stelle links\t18,3\t23,0\nVordere Wangenschleimhaut rechts\t\u2014\t23,0\nVordere Wangenschleimhaut links\t\u2014\t20,3\nBeere des rechten Zeigefingers\t13,5\t16,9\nBeere des rechten Mittelfingers\t12,5\t14,8\nBeere des rechten Ringfingers\t11,7\t15,4\nBeere des rechten kleinen Fingers\t13,5\t15,4\nBeere des rechten Daumens\t14,3\t21,0\nMitte des rechten Daumenballens\t12,5\t21,0\nProc. styloideus ulnae rechts\t21,0\t36,5\nBeere des linken Zeigefingers\t13,9\t16,0\nBeere des linken Mittelfingers\t12,5\t14,3\nBeere des linken Ringfingers\t13,5\t14,8\nBeere des linken kleinen Fingers\t10,4\t16,0\nBeere des linken Daumens\t12,5\t19,0\nMitte des linken Daumenballens\t13,0\t22,0\nProc. styloideus ulnae links\t21,0\t33,9\nRand der linken Kniescheibe\t\u2014\t21,0","page":582},{"file":"p0583.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle.\n583\nVon theoretischem Interesse d\u00fcrfte ferner noch die Mittheilung sein, dass, wie ich mich mehrfach \u00fcberzeugen konnte, an manchen behaarten K\u00f6rperstellen die Schmerzschwelle vor der Druckschwelle auftritt. So liegt am Rande meiner linken Kniescheibe die Schmerzschwelle bei unipolarer Reizung bei 13,3 cm mittlerem Rollenahstand (= 62 Intensit\u00e4t], w\u00e4hrend die Druckschwelle hier erst hei 12,1 cm mittlerem Rollenabstand (= 96,8 Intensit\u00e4t) erscheint. Auf diese Erscheinung ist schon durch von Frey1) aufmerksam gemacht worden. Ob dies f\u00fcr alle behaarten K\u00f6rperfl\u00e4chen zutrifft, konnte ich bisher noch nicht mit Sicherheit feststellen.\nSchlie\u00dflich bemerke ich noch, dass die Tastpunkte auf den Fingerheeren sowohl bei mechanischer wie bei elektrischer Reizung die gr\u00f6\u00dfte Dichte und Intensit\u00e4t auf der Mitte dieser Organe und nach der Radialseite zu zeigten.\n3. Thermische Reizung. In rein thermischer Beziehung unterscheidet sich unsere Stelle nach meinen Beobachtungen nicht merklich von der \u00fcbrigen eigentlichen Wangenschleimhaut, wenn man nicht die Gegend um die Mundwinkel ausnehmen will, die, wie gleich bemerkt werden mag, nach beiden Richtungen hin eine etwas gr\u00f6\u00dfere Empfindlichkeit zu haben scheint. Da au\u00dferdem beide Wangen auch unter sich keine merklichen Unterschiede aufwiesen, so sind die nachfolgenden Angaben als auf die Schleimh\u00e4ute beider Wangen bez\u00fcglich dargestellt.\nDa ich hei eigentlichen Warmreizen mit den Goldscheider\u2019schen Temperaturcylindern zu keinem sicheren Ergebniss kommen konnte, so verwerthete ich f\u00fcr die punktf\u00f6rmige Reizung dieser Hautfl\u00e4chen den mir schon fr\u00fcher f\u00fcr einen andern Zweck von Herrn Professor von Frey ertheilten Rath, eine Platinaschlinge durch den constanten Strom zu erw\u00e4rmen. Nach diesem Princip lie\u00df ich mir den in Fig. 3 schematisch in nat\u00fcrlicher Gr\u00f6\u00dfe wiedergegebenen Reizapparat anfertigen. Derselbe besteht aus zwei ziemlich starken\no o\nFig. 3.\n1) M. von Frey, Ber. etc. 2. Mittheil. S. 290f.","page":583},{"file":"p0584.txt","language":"de","ocr_de":"584\nF. Kiesow.\nKupferst\u00e4ben, an deren Enden a und b die Platinaschlinge c an-gel\u00f6thet ist. Durch einen Druck auf den Knopf d kann ein Kurzschluss zwischen beiden St\u00e4ben hergestellt werden, so dass die Schlinge wieder erkaltet. Das Ganze ist in eine isolirende H\u00fclle so eingeschlossen, dass nur die \u00e4u\u00dferste Spitze der Schlinge aus derselben hervorsieht1).\nErw\u00e4rme ich die Platinaschlinge durch Verringerung eines in den Stromkreis eingeschalteten Widerstandes allm\u00e4hlich so weit, dass dieselbe auf der Zungenspitze und dem Lippenroth als brennend und auf der \u00e4u\u00dferen Haut als hei\u00df empfunden wird, so empfinde ich mit Ausnahme der Gegend um die Mundwinkel auf der Wangenschleimhaut nur das mechanische Aufsetzen des Apparates. Hieraus d\u00fcrfte zu folgern sein, dass die Wangenschleimhaut f\u00fcr eigentliche Warmreize unempfindlich ist. Ich habe aber dennoch diesen Schluss nicht zu ziehen gewagt. Denn da mir aus fr\u00fcheren Beobachtungen bekannt war, dass man auf Hautstellen, auf denen bei punktf\u00f6rmiger Beizung keine Temperaturempfindungen auftreten, dennoch solche hervorgerufen werden, sobald man fl\u00e4chenhaft reizt2), so blieb noch die M\u00f6glichkeit, dass dies auch hier der Fall sein k\u00f6nnte. Ich ver\u00e4nderte deswegen die Bedingungen dahin, dass ich verschiedene kreisrunde massive Messingcylinder verwandte, die an dem Reizende rechtwinklig umgebogen und au\u00dferdem glatt abgeschliffen waren. Diese wurden mit Wolle und Guttapercha umwickelt und in Wasser gelegt, dessen Temperatur an einem Thermometer best\u00e4ndig abgelesen werden konnte. Da sich schlie\u00dflich ein Cylinder von im Ganzen 10 cm L\u00e4nge und 6 mm Durchmesser am brauchbarsten erwies, so sind die endg\u00fcltigen Versuche, auf die sich demnach auch die folgenden Angaben beziehen, mit einem solchen ausgef\u00fchrt worden. Aus den Versuchsreihen, die ich hier\u00fcber an den Herren Dr. Ostini, Dr. med. Treves, stud. med. Polledro, meiner Erau und mir selbst angestellt habe,\n1)\tDie von mir verwandte Platinaschlinge hat hei einer L\u00e4nge von 14 mm und einem Gewicht von 0,01 g einen Widerstand von 0,07 leg. Ohm (bei 20\u00b0 C. gemessen). Da es mir bisher nicht gelungen ist, die durch die Schlinge ausgel\u00f6sten Temperaturgrade genau zu bestimmen, so ist der Apparat f\u00fcr exacte Messungen noch nicht verwerthbar.\n2)\tP. Kiesow, Untersuch, \u00fcber Temperaturempfindungen. Philos. Studien, Bd. XI. S. 139. Best\u00e4tigt durch M. von Prey, Ber. etc. 3. Mittheil. S. 182.","page":584},{"file":"p0585.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle.\n585\nwar oft schwer zu ersehen, ob die Wangenschleimhaut an manchen Stellen, besonders an ihrem hinteren Theile \u00fcberhaupt warmempfindlich ist. Mit Sicherheit aber ging aus denselben hervor, dass diese K\u00f6rperstelle als Ganzes genommen in der Warmempfindlichkeit stark herabgesetzt ist. Hierdurch w\u00fcrde Goldscheider\u2019s Angabe \u00fcber diesen Hauttheil best\u00e4tigt werden1). Ich best\u00e4tige ferner Goldscheider s weitere Beobachtungen2), dass der ganze Mundraum nur eine schwache Warmempfindlichkeit besitzt, sowie dass dieselbe am unteren Zahnfleisch fehlt, obwohl die Kaltempfindlichkeit hier \u00fcberall mehr oder weniger deutlich ausgepr\u00e4gt ist. Unentschieden m\u00f6chte ich noch die Frage lassen, ob, wie Goldscheider meint3), auch der Gaumen \u00fcberhaupt nicht warmempfindlich ist. Ich meine am \u00e4u\u00dfern Bande und am vordersten Theile meines harten Gaumens bei hohen Temperaturen eine schwache Warmempfindung zu versp\u00fcren. Es ist hier aber im Einzelnen oft schwer zu sagen, was man empfindet; man merkt wohl, dass die auftretende Empfindung von der Tastempfindung verschieden ist, kann sie aber doch nicht als warm bezeichnen. Da ich in einer noch nicht abgeschlossenen Arbeit auf Temperaturempfindungen zur\u00fcckkomme und unter Anwendung verbesserter H\u00fclfs-mittel genauere Angaben zu erzielen hoffe, so unterlasse ich hier die Aufz\u00e4hlung der unter den angegebenen Bedingungen gefundenen Schwellenwerthe. Ich m\u00f6chte daher auch die wenigen im Folgenden noch mitgetheilten mehr als ungef\u00e4hre Anhaltspunkte aufgefasst wissen.\nAuf der Wangenschleimhaut wurde bis zu Temperaturen von ca. 45\u00b0 C. kaum eine Warmempfindung angegeben. Es muss daher vorl\u00e4ufig ebenfalls noch als fraglich hingestellt werden, ob eine sp\u00e4ter auftretende eigenth\u00fcmliche Empfindung von Hitze ausschlie\u00dflich von der gereizten Stelle stammt. Als sicher m\u00f6chte ich es dagegen bezeichnen, dass bei diesen Versuchen die paradoxe K\u00e4lteempfindung4) auftritt.\n1)\tA. Goldscheider, Gesammelte Abhandlungen. 1898. Bd, 1. S. 171.\n2)\tEbenda.\t3) Ebenda.\n4) M. von Erey, Ber. etc. 2. Mittheil. S. 172. Auch durch Alfr. Lehmann wurde schon beobachtet, dass hohe W\u00e4rmereize (bis 60\u00b0 C.) K\u00e4lteempfindungen ausl\u00f6sen k\u00f6nnen. (Die Hauptgesetze des menschlichen Gef\u00fchlslebens.\n1892. S. 35.)","page":585},{"file":"p0586.txt","language":"de","ocr_de":"586\nF. Kiesovv.\nHat das Wasser, in das der Cylinder gelegt ward, eine Temperatur von 50\u00b0 C. erreicht, so empfinde ich das Auf setzen desselben an der ganzen Wangenschleimhaut noch nicht schmerzhaft, obwohl das Eintauchen der H\u00e4nde in dasselbe bereits schmerzhaft ist \u2018J. Die ersten Schmerzempfindungen treten hier bei ca. 53\u201454\u00b0 C. auf und zwar in der Gegend um die Mundwinkel. An der \u00fcbrigen Wangenschleimhaut lagen die Werthe h\u00f6her. Da die Methode zu sehr genauen Bestimmungen nicht ausreicht und man deswegen ziemlich variirende Angaben erh\u00e4lt, so k\u00f6nnen dieselben unter einander nicht gut verglichen werden. Sicher ist, dass die Schmerzempfindung bei hohen W\u00e4rmereizen auch auf der bei mechanischer und elektrischer Beizung als schmerzfrei erkannten Stelle der Wangenschleimhaut auf-tritt. Da mich diese Thatsache \u00fcberraschte und in hohem Grade interessirte, so habe ich diese Stelle mit punktf\u00f6rmigen W\u00e4rmereizen mittelst conisch zugespitzter Cylinder und der Platinaschlinge nachgepr\u00fcft und die erhaltenen Werthe mit denen anderer Schleimhautstellen der Wange zu vergleichen gesucht. Ich erhielt so, wie zu erwarten stand, \u00fcberall h\u00f6here Werthe, im Ganzen aber erwies sich wiederum f\u00fcr den Versuch als sehr st\u00f6rend, dass man die Sinnespunkte hier nicht fixiren kann. Als sicheres Besultat ergab der Versuch, dass auch bei punktf\u00f6rmiger Beizung auf unserer Wangenstelle der Schmerz hervortrat., Angesichts der leichten Ausbreitung der W\u00e4rme in benachbartes Gewebe hat sich mir aber fast die Ueber-zeugung aufgedr\u00e4ngt, dass der W\u00e4rmeschmerz hier nicht von der eigentlichen Schleimhaut, sondern von benachbarten (seitlichen oder tiefergelegenen) Organen (man k\u00f6nnte an die die Blutgef\u00e4\u00dfe begleitenden Nerven, an die Nervi nervorum oder auch an die Haut der \u00e4u\u00dferen Wange denken) ausgel\u00f6st wird. Sende ich durch die Platinaschlinge einen Strom von 1,3 Amp\u00e8re, so konnte ich deutlich beobachten, wie der Schmerz an unserer Stelle betr\u00e4chtlich sp\u00e4ter eintrat, als an andern Stellen der inneren Wange. Die Empfindung setzt hier mit einer eigenth\u00fcmlichen Hitze ein, die sich in der Tiefe ganz allm\u00e4hlich bis zur Schmerzhaftigkeit steigert. Ich nehme hierbei an, dass der W\u00e4rmeschmerz nicht durch die noch unbekannten, die\n1) A. Lehmann fand die Schmerzschwelle beim Eintauchen der H\u00e4nde bei 49\u00b0 C. Eben citirtes \"Werk, S. 37.","page":586},{"file":"p0587.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle.\n587\nW\u00e4rmeempfindung vermittelnden nerv\u00f6sen Organe ausgel\u00f6st wird. F\u00fcr diese Annahme scheint mir der Umstand zu sprechen, dass an Stellen von minimaler Warmempfindlichkeit, wie an manchen andern Stellen des Mundraums und der (wie Goldscheider erkannte1) und ich best\u00e4tigen kann) f\u00fcr W\u00e4rme fast unempfindlichen Kniescheibe, sowie an Stellen, die wie das untere Zahnfleisch der Warmempfindung ganz entbehren, hei hohen Temperaturen doch der gleiche Schmerz auftritt.\nUngleich bestimmter als die Warmempfindung wird auf der ganzen Wangenschleimhaut die Kaltempfindung erkannt. Bei fl\u00e4chenhafter Reizung empfinde ich den Uehergang nach kalt bereits hei 34\u201433\u00b0 C. (Mundtemperatur ca. 37\u00b0 C.). Die Empfindung ist anfangs mehr k\u00fchl und geht dann allm\u00e4hlich in kalt \u00fcber. Ebenso deutlich tritt die Kaltempfindung hier fast \u00fcberall hei punktf\u00f6rmiger Reizung auf. Best\u00e4tigen kann ich auch hier im allgemeinen Gold-scheider\u2019s Angaben \u00fcber die Kaltempfindlichkeit des Mundraums2).\nAuch der K\u00e4lteschmerz tritt auf unserer Wangenstelle, wie auf der ganzen innern Wange auf. Wie auf der Oberhaut des K\u00f6rpers3) entsteht derselbe auch hier \u00fcberall erst nach ziemlich langer Zeit. Er bleibt ferner schwach und tr\u00e4gt einen durchaus diffusen, dumpfen Charakter. Ich erzeugte denselben, indem ich Eisst\u00fcckchen mit der Pincette erfasste und der Schleimhaut anlegte. K\u00e4ltemischungen gehen keine befriedigenden Resultate, indem die in diese gelegten Cylinder auch bei Anwendung von gro\u00dfer K\u00e4lte sich doch im Mundraume schnell erw\u00e4rmten. Da mir genauere H\u00fclfsmittel nicht zur Verf\u00fcgung standen, so blieben die chronometrischen Versuche, welche ich anstellte, um zu erfahren, oh dieser Schmerz an der in Rede stehenden Stelle sp\u00e4ter erscheint als an andern Schleimhautstellen, bisher ohne befriedigendes Ergebniss. Ich gewann aber auch hier die Vorstellung, dass der entstehende Schmerz auf Ausbreitung beruht.\nDas Interesse an unserer Wangenstelle d\u00fcrfte noch dadurch erh\u00f6ht werden, dass dieselbe zu der Frage nach dem Wesen des\n1) Citirtes Werk, S. 171.\t2) Citirtes Werk, S. 171.\n3) Vergl. die Ausf\u00fchrungen bei E. H. Weber in Tastsinn und G-emeingef\u00fchl. Wagner\u2019s Handb. d. Physiol. Bd. III. Abth. 2. S. 572. Separatausgabe S. 121. Wundt, Philos. Studien. XIV.\t39","page":587},{"file":"p0588.txt","language":"de","ocr_de":"588\nF. Kiesow. Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle.\nSchmerzes einen Beitrag liefert. Wenn nachgewiesen werden konnte, dass auf dieser Stelle bei maximal gesteigerter mechanischer und elektrischer Reizung kein Schmerz auftritt, obwohl die Tastempfindlichkeit derselben gut entwickelt ist, so scheint mir damit experimentell ein Beweis erbracht zu sein f\u00fcr die Thatsache, dass der Schmerz nicht, wie noch manche wollen, der Gef\u00fchlsseite unseres Seelenlebens zugeschrieben werden kann, sondern als ein besonderes Empfindungselement aufgefasst werden muss.","page":588}],"identifier":"lit4518","issued":"1898","language":"de","pages":"567-588","startpages":"567","title":"Zur Psychophysiologie der Mundh\u00f6hle","type":"Journal Article","volume":"14"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:24:09.494006+00:00"}