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{"created":"2022-01-31T14:25:10.455804+00:00","id":"lit4521","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Weyer, Eduard M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 14: 616-639","fulltext":[{"file":"p0616.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sinneseindr\u00fccke.\nVon\nEduard Moffat Weyer.\nMit Figur 1 u. 2 im Text.\nEinleitung.\nDie vorliegende Untersuchung verfolgte den Zweck, die Angaben Exner\u2019s1) \u00fcber den gleichen Gegenstand nachzupr\u00fcfen und einige Unklarheiten und L\u00fccken seiner Arbeit auszuf\u00fcllen. Dabei konnten in gewissem Grade die Vorarbeiten Hamlin\u2019s2) und Drew\u2019s3) benutzt werden. Das Ziel meiner Bem\u00fchung war ein anderes als das von Exner, indem ich darauf ausging, die Erscheinung der Zeitverschiebung disparater Sinneseindr\u00fccke, welche dieselben unter verschiedenen Zust\u00e4nden der Apperception erleiden, zu ergr\u00fcnden, wie dies Wundt4) und v. Tchisch5) in anderer Weise mittelst der sogenannten Complicationsmethode gethan haben. Ich war mit dieser Untersuchung vom Sommersemester 1897 ab im hiesigen Institut besch\u00e4ftigt. Die Versuchsanordnung verdanke ich in wesentlichen Punkten Herrn Geh. Hath Professor Dr. Wundt, der mit gro\u00dfem Wohlwollen und Interesse den Fortgang der Arbeit verfolgte, wof\u00fcr ich ihm auch an dieser Stelle meinen tiefgef\u00fchlten Dank aussprechen\n1)\tS. Exner, Untersuchungen der einfachsten psychischen Processe. III. Abtheil. Pfl\u00fcger\u2019s Arch. Bd. XI. 1875, S. 403 ff.\n2)\tMiss A. Gr. Hamlin, Least observable Interval between Stimuli addressed to disparate Senses and Organs of the same Sense. Amer. Journal of Psychol. Vol. YI. 1895. S. 565.\n3)\tF. Drew, Attention. Amer. Journ. of Psych. Yol. VII. 1896. S. 533.\n4)\tWundt, Grundz\u00fcge der Physiol. Psychol. 4. Aufl. II. Bd. S. 393ff.\n5)\tW. v. Tchisch, Philos. Studien. Bd. II. 1885. S. 603.","page":616},{"file":"p0617.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sinneseindr\u00fccke.\t617\nm\u00f6chte. Als Versuchspersonen dienten: Mr. G. E. Wilkinson, Herr Robert M\u00fcller, Herr Dr. Gustav St\u00f6rring, Herr Hans Lindau, Herr Hermann Jacobson, Mr. Friedrich Bolton und Herr Adolph Tyszko. Insbesondere bin ich auch Herrn Prof. Dr. Ernst Meumann, Herrn Robert M\u00fcller und Herrn E. Mosch f\u00fcr ihre Theilnahme zum Dank verpflichtet.\nMeine Versuche zerfallen in zwei Hauptgruppen, von denen die erste die Ermittelung der Zeitschwellen f\u00fcr die einzelnen Sinne behandelt. Diese Schwellen werden wesentlich von den physiologischen Verh\u00e4ltnissen der Sinnesorgane bedingt, sie sind nicht aus der psychologischen Natur der Empfindungen zu erkl\u00e4ren. Dagegen werden in der zweiten Gruppe die Schwellenverh\u00e4ltnisse heim Zusammenwirken von Reizen, die disparaten Sinnesgehieten angeh\u00f6ren, untersucht. Ueher die relative Wichtigkeit der physiologischen Eac-toren in diesem Fall waren bisher die Meinungen der Forscher ge-tlieilt, und gew\u00f6hnlich wurde dabei zu wenig auf den Einfluss der Aufmerksamkeit R\u00fccksicht genommen, welche die zeitliche Unterscheidung der Reize entweder erschweren oder erleichtern kann. Wiewohl die Betrachtung beider Classen von verschiedenen Standpunkten ausgeht, so ist es doch von Wichtigkeit, von der einen Classe zu der andern \u00fcberzugehen. Daher auch die Meisten, welche Versuche betreffs disparater Sinnesgebiete angestellt haben, zugleich auch \u00fcber die einzelnen Sinne experimentirten. Unter diesen Forschem muss ein historischer Ueberblick des Problems mit Exner beginnen, dessen Versuche aus dem Jahre 1875 nicht nur die ersten sind, sondern auch die umfassendste Darstellung beider Zweige des Gegenstandes darbieten.\nSeit jener Zeit ist wenig dar\u00fcber erschienen, was beide Seiten der Aufgabe zugleich ber\u00fccksichtigte. Erst in der neuesten Zeit ist durch die Arbeiten von Hamlin und Drew die gleiche Frage wieder angeregt worden.\nI. Historisch-kritische Bemerkungen.\nAusgehend von der pers\u00f6nlichen Gleichung der Astronomen, suchte Exner die kleinste Zeit zu bestimmen, die zwischen zwei Sinneseindr\u00fccken verstreichen muss, damit diese als gesondert wahr-","page":617},{"file":"p0618.txt","language":"de","ocr_de":"618\nEduard Moffat Weyer.\ngenommen werden; er bezeichnet dieselbe als \u00bbkleinste Differenz\u00ab. Die Verschiedenheiten dieser Zeitschwellen formulirt er folgenderma\u00dfen: \u00bbDie Sinneseindr\u00fccke k\u00f6nnen nacheinander dieselben Sinneselemente treffen, sie k\u00f6nnen verschiedene Elemente desselben Sinnesorganes treffen, sie k\u00f6nnen analoge Elemente eines paarigen Sinnesorganes, und endlich Elemente verschiedener Sinnesorgane treffen\u00ab1).\nZur Ermittelung der Zeitschwellen f\u00fcr die Gesichtsempfindung, die er f\u00fcr Netzhautcentrum und Netzhautpei-ipherie verschieden fand, benutzte er theils einen elektrischen Funken, theils zwei Lichtpunkte, von der Flamme eines Gasrundbrenners ausgehend, die durch zwei benachbarte L\u00fccken einer stenop\u00e4ischen Brille ins Auge fiel, mit welcher Anordnung eine verschieden schnell rotirende Scheibe mit Ausschnitt zum Behuf intermittirender Netzhautreizung verbunden wurde. Als H\u00fclfsmittel bei der Untersuchung des Geh\u00f6rssinnes dienten ein Savart\u2019sches Bad und die von \u00fcberspringenden Funken erzeugten Ger\u00e4usche. Beide Untersuchungsarten lieferten gleiche Er-gebnisse, nur waren die der letzteren Art genauer. Auch wurde das Urtheil nicht ge\u00e4ndert, wenn statt des gew\u00f6hnlich gebrauchten Bleistreifens als Feder f\u00fcr das Bad, worauf die Z\u00e4hne desselben sto\u00dfen, ein Streifen von Messing, Kartenblatt oder Holz verwendet wurde. Exner schreibt: \u00bbDie Grenze, bei welcher ich die beiden Funken bisweilen noch als zwei erkenne, bisweilen auch nicht mehr, hegt bei 0,00198 Secunden Differenz. Bei 0,00205 Secunden Differenz ist der Doppelschlag schon vollkommen deutlich als solcher zu erkennen\u00ab2). Bei gleichzeitiger Beizung des Gesichts- und Geh\u00f6rssinnes waren die Beize f\u00fcr den ersteren \u00fcberspringende Funken, f\u00fcr den letzteren ein Glockensignal. F\u00fcr den Tastsinn war der Beiz ein zu dem Zeige-und Mittelfinger geleiteter Inductionsstrom, der nach der von Exner beschriebenen Wirkung h\u00f6chst wahrscheinlich st\u00e4rker als der von mir benutzte war. Zur genauen Herstellung und Messung der Intervalle diente eine von dem Helmholtz\u2019schen Botations-Appa-rate3) getragene Scheibe, die \u00e4hnlich wie bei dem von Wundt angegebenen Zeitsinn-Apparate4) eine unabh\u00e4ngige Verschiebung zweier\n1) a. a. O. S. 405.\t2) a. a. O. S. 417.\n3)\tEine Beschreibung dieses Apparates findet man in Sitzungsber. d. Wiener\nAcad. Math.-naturw. 01. 2. Bd. LVHI. S. 601.\n4)\tWundt, Grundz\u00fcge der Physiol. Psychol. 4. Aufl. Bd. II. S. 421 ff.","page":618},{"file":"p0619.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sinneseindr\u00fccke.\n619\nZeiger gestattete, die beim Passiren von Quecksilberkuppen einen In-ductionsstrom schlossen, dessen Oeffnungsfunken beobachtet wurde. Die Reize wurden bei Exner paarweise in Reihen erzeugt. In der Bestimmung der \u00bbkleinsten Differenz\u00ab befolgte er keine festen Regeln, sondern untersuchte abwechselnd verschiedene Intervalle und ermittelte so dasjenige, bei dem die Urtlieile constant wurden. Bei der Bestimmung dieser Grenze verfuhr er jedoch nach keinem festen Princip. So bemerkt er in Bezug auf die Zeitschwelle zweier Geh\u00f6rsreize: \u00bbEs zeigte sich, dass ich zehnmal hintereinander richtig bestimmte, welches Ohr zuerst geh\u00f6rt habe, wenn die eine Empfindung der andern um 0,064 Secunden voraus war; ich irrte mich aber schon sehr oft, wenn der eine Eindruck nur um 0,059 Secunden fr\u00fcher erfolgte als der andere\u00ab1). Die \u00bbkleinste Differenz\u00ab wird daher von ihm als 0,064 Secunden angegeben. An anderer Stelle ist gesagt, dass, \u00bbwenn der Eunken\u00ab, d. h. der Gesichtsreiz, \u00bbin Wirklichkeit 0,015 Secunden sp\u00e4ter kam als der Glockenschlag, schon mit einer solchen Sicherheit ,Funken nach* geurtheilt wurde, dass auf f\u00fcnf Urtheile kein falsches mehr kam\u00ab2). Als Schwellenwerth wurde liier gleichfalls 0,015 Secunden genommen. Die Angaben lassen leider dar\u00fcber im Zweifel, ob ein Urtheil nach jedem Eindruck, oder erst nach mehreren Wiederholungen desselben gef\u00e4llt wurde. In letzterem Falle w\u00fcrde die Wahrscheinlichkeit von Fehlern allerdings vermindert und die Schwelle betr\u00e4chtlich erniedrigt werden. Was ferner die Exner\u2019sehe Arbeit vermissen l\u00e4sst, ist eine zweckm\u00e4\u00dfige Erregung der Aufmerksamkeit der Versuchspersonen. Er beurtheilt den Einfluss, den diese auf die Zeitschwellen aus\u00fcbt, richtig, ist aber mit der Auffindung der individuellen Verschiedenheiten zufrieden, ohne nach dem Grunde derselben zu fragen. Von den sieben Beobachtern, bei denen stets der Gesichtsreiz dem Geh\u00f6rsreiz voranging, erlangte er Schwellenwerthe von 0,063 Secunden bis zu 0,180 Secunden. Bei genauerer Pr\u00fcfung h\u00e4tte ihm aber nicht entgehen k\u00f6nnen, dass das, was er als individuelle Verschiedenheiten hinnimmt, durch die Unterschiede der Apperception bedingt wird. ' Wie schon l\u00e4ngst beobachtet und auch neuerdings wieder von Hamlin bemerkt worden ist, vermag ein starker oder zuweilen auch ein ungew\u00f6hnlich schwacher Reiz die\nlj a. a. O. S. 420.\t2) a. a. O. S. 424.\nWundt, Philos. Studien. XIV.\n41","page":619},{"file":"p0620.txt","language":"de","ocr_de":"620\nEduard Mofl'at Weyer.\nAufmerksamkeit so sehr auf sich zu lenken, dass die Auffassung eines andern Reizes darunter leidet.\nSchlie\u00dflich, vom Standpunkt der Selbstbeobachtung aus, unterschied Exner bei seinen Experimenten drei Arten der Aufmerksamkeit, von denen die zweite f\u00fcr die Untersuchung disparater Sinne vorhanden war. Er schreibt: \u00bbWir stellen [die Aufmerksamkeit] auf\neinen bestimmten der beiden Reize ein...........Dann tritt im Ge-\nd\u00e4chtnissbilde der andere Reiz .... mit dem ersten in Beziehung auf, entweder als vorausgegangen oder als nachfolgend .... Der Eindruck, auf den man nicht eingestellt hat, ist im Ged\u00e4chtnissbilde viel schw\u00e4cher als der eingestellte, er steht gewisserma\u00dfen tr\u00fcb, zeitlich schlecht fixirt da. Gew\u00f6hnlich ist man geneigt, den suhjectiv st\u00e4rkeren, eingestellten Reiz f\u00fcr den ersten zu halten, sowie man auch geneigt ist, einen objectiv bedeutend st\u00e4rkeren Reiz f\u00fcr den ersten zu halten. Doch kann sich auch das ganze Verh\u00e4ltniss umkehren; so war es bei den Versuchen zwischen Gef\u00fchl und Gesicht\u00ab1).\nDie von Miss Hamlin2) benutzte Einrichtung bestand aus einem Pendel3) von eigenth\u00fcmlicher Art, wodurch nur einzelne Paare von Eindr\u00fccken erzeugt wurden, die in ein vom Instrumente entferntes Zimmer fortgeleitet werden konnten: eine r\u00e4umliche Sonderung, die bei Exner nicht erf\u00fcllt war. Die Adjustirung des Pendels zu \u00e4ndern, um von einem zum anderen bestimmten Intervalle \u00fcberzugehen, war aber nicht ohne Schwierigkeit m\u00f6glich, und, da das gr\u00f6\u00dfte messbare Intervall nur 44 a lang war, wurden meist hundertmal die Eindr\u00fccke mit demselben zwischenliegenden Zeitraum erzeugt. Die zeitliche Reihenfolge der Eindr\u00fccke wurde regellos und oft gewechselt, aber so, dass die Gesammtzahl von jeder Art am Ende gleich war. Die Urtheile wurden dann mittelst der sogenannten Methode der richtigen und falschen E\u00e4lle berechnet. Reizmittel f\u00fcr das Auge war immer das Aufleuchten einer Gei\u00df 1er\u2019sehen R\u00f6hre, f\u00fcr das Ohr der Schall eines Telephons oder das Knistern eines Inductionsfunkens, und f\u00fcr den Tastsinn ein m\u00e4\u00dfiger Inductions-schlag auf die Spitzen des Mittel- und Zeigefingers. Die Versuche,\n1)\ta. a. O. S. 430.\n2)\tMiss A. J. Hamlin, Amer. Joum. of Psychol. Vol. VI. S. 565.\n3)\tEine Beschreibung derselben steht in Amer. Journ. of Psychol. Vol. VI. S. 581.","page":620},{"file":"p0621.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sinneseindr\u00fccke.\t621\nwelche sich nur auf disparate Sinnesgebiete oder bei demselben Sinne auf verschiedene Elemente beziehen, wurden ohne bestimmte Beeinflussung der Aufmerksamkeit ausgef\u00fchrt. Uebrigens wurde dabei eine Einstellung der Aufmerksamkeit beobachtet, die Exner ebenfalls bemerkt hatte, jedoch nur bei ungleichzeitiger Beizung beider Ohren1).\nDazu stellte Miss Hamlin eine geringere Anzahl Versuche mit unwillk\u00fcrlicher und willk\u00fcrlicher Einstellung der Aufmerksamkeit an, um die Unterschiede beider Beihen zu berechnen. Die Besultate der letzteren Art sind einigerma\u00dfen mit den von mir beim unwissentlichen Verfahren erhaltenen vergleichbar.\nDiese Untersuchung von Miss Hamlin setzte Drew2) in ausgedehnteren Versuchen fort. Er bediente sich im wesentlichen desselben Apparates und probirte unter gleichg\u00fcltiger und zerstreuter Aufmerksamkeit die Beize mit verschiedenen Intensit\u00e4ten, welche bei bestimmten Intervallen von einander getrennt waren. In dieser Arbeit kamen auch einige Versuche, die den meinigen \u00e4hnlich waren, vor, wo die Aufmerksamkeit auf einen der Beize gelenkt war; jedoch werden keine Schwellen f\u00fcr diesen Fall bestimmt. Denn Drew untersuchte haupts\u00e4chlich nur die Verh\u00e4ltnisse von Werthen, die unter verschiedenen Zust\u00e4nden der Aufmerksamkeit beobachtet wurden, und legte kein besonderes Gewicht auf die genauen numerischen Besultate.\nIn einer kurzen Arbeit3), die sich gegen Bi diet4) wendet,\n1)\t\u00bbWir stellen die Aufmerksamkeit ein auf den ersten Sinnesreiz, der uns treffen soll, nat\u00fcrlich ohne zu wissen, welcher es ist; aber nicht auf diesen allein, sondern \u2014 ich kann mich nicht anders ausdr\u00fccken \u2014 auf den Zustand des Sen-soriums im Momente dieses ersten Sinnesreizes. Durch die Einstellung hierauf wird dieser Moment im G-ed\u00e4chtniss fixirt, und es l\u00e4sst sich im Ged\u00e4chtnissbilde erkennen, welcher der beiden Sinnesreize der eingestellte war: dieser war dann der erste. Der zweite Reiz fehlt in diesem Ged\u00e4chtnissbilde, sobald es der strengen Einstellung angeh\u00f6rt. Die Grenze des Erkennbaren wird erreicht, wenn cs nicht mehr m\u00f6glich ist, den ersten Sinnesreiz allein zu fixiren. Das Wogen der Aufmerksamkeit ist hier ungemein deutlich. Bei derselben Zeitdifferenz gelingt es bisweilen, den ersten Reiz zu isoliren, bisweilen gelingt es nicht, trotz intensivster Anstrengung der Aufmerksamkeit.\u00ab Exner, Pfl\u00fcg. Archiv. Bd. XI. S. 429.\n2)\tDrew, Attention, experimental and critical. Amer. Journ. of Psychol. Vol. VIL S. 533.\n3)\tBloch, Journal de l\u2019anatomie et de la physiologie. 1884.\n4)\tRichet, De la Sensibilit\u00e9. 1877.\n41*","page":621},{"file":"p0622.txt","language":"de","ocr_de":"622\nEduard Moffat Weyer.\nwelcher meinte, dass die Empfindungen im Gehirn und nicht in den peripherischen Organen beharren, ermittelte endlich Bloch die Zeitschwelle mehrerer successiver Gesichtsreize und untersuchte zugleich die relative Geschwindigkeit der Geh\u00f6rs- und Tasteindr\u00fccke.\nIn einer weiteren Arbeit ') bestimmte er sodann die gr\u00f6\u00dften Intervalle, bei denen disparate Beize, welche er paarweise auf verschiedene Sinne einwirken lie\u00df, gleichzeitig aufgefasst wurden. Emden Geh\u00f6rssinn wurde ein momentaner Schall, f\u00fcr den Gesichtssinn ein Streifen wei\u00dfes Papier, f\u00fcr den Tastsinn eine schwache Ber\u00fchrung der Fingerspitze ben\u00fctzt. Ueher den Apparat, das Verfahren und die Berechnungsmethode bleibt man jedoch wegen der ungenauen Beschreibung in Ungewissheit. Es ist auffallend, dass Bloch nichts \u00fcber die Wirkung der Aufmerksamkeit verlauten l\u00e4sst, obgleich er kaum seine Untersuchung durchgef\u00fchrt haben kann, ohne den bestimmenden Einfluss derselben zu bemerken. Er erkl\u00e4rt alle seine Be-sultate auf der Basis physiologischer Factoren, namentlich mit H\u00fclfe der Zeit, welche, wie er annimmt, verflie\u00dfe, w\u00e4hrend die Empfindungen in der Peripherie beharren, und des Zeitma\u00dfes, welches w\u00e4hrend der Leitung derselben nach dem Sensorium verbraucht werde.\nWerfen wir nun einen Blick auf die Untersuchungen, welche Weiteres zur apperceptiven Seite des Problems beitragen, so ist die Aufgabe derselben von der meinigen verschieden, da sie sich auf die gleichzeitige Auffassung von Vorstellungen beziehen, w\u00e4hrend ich den zeitlichen Abstand zu bestimmen suchte, bei dem die Vorstellungen immer noch ungleichzeitig bleiben.\nSie behandeln n\u00e4mlich die Frage: Wenn in einer Beihe von aufeinanderfolgenden Gesichtseindr\u00fccken ein momentaner Eindruck anderer Ordnung gleichzeitig mit einem Glied derselben eingeschoben wird, mit welchem Glied der ablaufenden Vorstellungsreihe wird dann die hinzutretende Vorstellung in der Apperception verbunden? Diese Bedingungen waren in den \u00e4lteren astronomischen Durchgangsbeobachtungen, als dieselben mittelst der sogenannten Augen-und Ohr-Methode ausgef\u00fchrt wurden, realisirt. Der Methode nach wird ein Passageapparat benutzt, dessen Gesichtsfeld gew\u00f6hnlich von\n1) Bloch, La vitesse comparative des Sensations. Revue Scientifique. Bd. XXXIX. 1SS7. S. 585 ff.","page":622},{"file":"p0623.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sinneseindr\u00fccke.\n625\nalso einen Theilstrich des Zifferblattes, und auf den hinzutretenden andersartigen Eindruck gerichtet wird. Weil aber die Aufmerksamkeit haupts\u00e4chlich dieser hinzutretenden Vorstellung zugekehrt ist, so erkl\u00e4rt sich hieraus die vorwaltende Neigung zu negativen Verschiebungen. Au\u00dferdem wird der Spannungswechsel der Aufmerksamkeit durch die Geschwindigkeit der Succession der Eindr\u00fccke bestimmt Ist dieselbe in dem Augenblick vollendet, wo der n\u00e4chste Eindruck der Reihe wirklich entsteht, so wird die Zeitverschiebung null sein. Sobald aber die Anpassung wegen Zunahme oder Abnahme der Geschwindigkeit noch nicht oder fr\u00fcher vollendet ist, so kommen im ersten Falle positive und im letzteren negative Verschiebungen vor. Sodann wird die Sache auch noch von Seiten der Gesichtseindrucksreihe complicirt. Die Zeitpunkte der Apperception sind Wendepunkte in der Spannung, welche wir der Reihe nach in Beziehung zu der ablaufenden Reihe der Gesichtsvorstellungen zeitlich localisiren. Die Gesichtsvorstellungen sind aber ihrerseits demselben Gesetz unterworfen, daher eine langsame Succession derselben die negative, eine raschere die positive Verschiebung beg\u00fcnstigt.\nvon Tchisch bemerkt in seiner Interpretation der negativen Verschiebungen, es sei leicht zu erkl\u00e4ren, \u00bbdass momentane Reize vor ihrem Entstehen appercipirt werden\u00ab. An einer anderen Stelle sagt er: \u00bbDurch dieses Wiederholen wird die Apperception nicht nur vorbereitet, sondern dieselbe reproducirt unmittelbar den Eindruck\u00ab. Ich fasse dies so auf, dass der Process, welcher zur klaren Apperception f\u00fchrt, anfangen kann, bevor der betreffende Reiz in Wirklichkeit gegeben ist. Immerhin sind diese S\u00e4tze m\u00f6glicher Weise irreleitend, und in der That ist die gegebene Interpretation offenbar von James missverstanden worden, wenn er sagt: \u00bbDie Wundt\u2019sclie Erkl\u00e4rung der Versuche \u2014 wenn ich sie verstehe \u2014 fordert zu glauben, dass ein Beobachter .... fortw\u00e4hrend und ohne Ausnahme eine Hallucination des Klingelschlages, bevor derselbe geschieht, bekomme, und nicht den wirklichen Klingelschlag darnach h\u00f6re. Ich zweifle, ob dies m\u00f6glich ist, und ich kann mich nicht auf ein Analogon dazu in dem Rest unserer Erfahrung besinnen\u00ab. James\u2019 eigene Erkl\u00e4rung1) der Thatsaclien geht von der Voraussetzung aus, dass die\n1) W. James, Principles of Psychology. Vol. I. S. 410ff,","page":623},{"file":"p0624.txt","language":"de","ocr_de":"624\nEduard Moffat Weyer.\nWundt hat darauf hingewiesen, dass die Zeitverschiebungen im Gegens\u00e4tze zu dem, was zun\u00e4chst erwartet werden k\u00f6nnte, im ganzen h\u00e4ufiger negativ sind. Wenn das Intervall zwischen zwei Gesichtszeichen >/36 Secunde war, und die Geh\u00f6rseindr\u00fccke in Intervallen von einer Secunde auf einander folgten, beliefen sich die Verschiebungen durchschnittlich auf Null. Wurden aber die Intervalle zwischen den Gesichtszeichen vergr\u00f6\u00dfert, so nahm die Verschiebung nach und nach in der negativen Richtung zu. Eine Verkleinerung derselben anderseits veranlasste positive Verschiebungen, aber hier wurde sehr bald eine Grenze erreicht. In zweiter Linie kommt eine Beobachtung \u00fcber die Wirkung zu- und abnehmender Geschwindigkeit in Betracht. Der Apparat gestattet solche Beobachtungen, da der Zeiger sich genau mit dem Pendel bewegt, so dass die mittleren Strecken seines Laufes schneller, die an den Enden dagegen langsamer durchmessen werden. Es zeigte sich, dass bei zunehmender Geschwindigkeit die negative Verschiebung w\u00e4chst, hei abnehmender kleiner wird und endlich positiv werden kann. Die von v. Tchisch gemachten Beobachtungen stimmten, abgesehen von den numerischen Verh\u00e4ltnissen, mit den obigen \u00fcberein, nur dass bei abnehmender Geschwindigkeit die Verschiebung immer noch positiv blieb, so lange blo\u00df ein eingeschobener Reiz benutzt wurde; ebenso wenn er noch einen zweiten Reiz zu dem ersten hinzuf\u00fcgte, wo aber die negative Verschiebung abnahm. Erst heim Hinzuf\u00fcgen weiterer Reize wurde die Verschiebung positiv. Zugleich stellte sich heraus, dass die Verbindung disparater Reize gr\u00f6\u00dfere Aenderungen hervorruft, als wenn die Reize gleichartige sind.\nDie von diesen Beobachtern gegebene Erkl\u00e4rung der Erscheinung ruht auf einem einheitlichen Princip und setzt die Wundt\u2019sehe Apperceptionslehre voraus. Nach ihr muss irgend eine Vorstellung einen gewissen Grad der Deutlichkeit erlangen, ehe sie in der fortlaufenden Reihe anderer Vorstellungen zeitlich scharf localisirt werden kann. Dieses Deutlichwerden der Vorstellung ist eng an das Spannungswachsthum der Aufmerksamkeit gebunden. Hiervon ist nun nach Wundt das Zusammenfallen der Eindr\u00fccke verschiedener Reihen g\u00e4nzlich abh\u00e4ngig. Es ist bei der Ausf\u00fchrung dieser Versuche nothwendig, dass bei der Verbindung der Eindr\u00fccke die Aufmerksamkeit des Beobachters gleichzeitig auf den Gesichtseindruck,","page":624},{"file":"p0625.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sitmescindriicke.\t625\nalso einen Tlieilstricli des Zifferblattes, und auf den liinzutretenden andersartigen Eindruck gerichtet wird. Weil aber die Aufmerksamkeit haupts\u00e4chlich dieser hinzutretenden Vorstellung zugekehrt ist, so erkl\u00e4rt sich hieraus die vorwaltende Neigung zu negativen Verschiebungen. Au\u00dferdem wird der Spannungswechsel der Aufmerksamkeit durch die Geschwindigkeit der Succession der Eindr\u00fccke bestimmt. Ist dieselbe in dem Augenblick vollendet, wo der n\u00e4chste Eindruck der Reihe wirklich entsteht, so wird die Zeitverschiebung null sein. Sobald aber die Anpassung wegen Zunahme oder Abnahme der Geschwindigkeit noch nicht oder fr\u00fcher vollendet ist, so kommen im ersten Falle positive und im letzteren negative Verschiebungen vor. Sodann wird die Sache auch noch von Seiten der Gesichtseindrucksreihe complicirt. Die Zeitpunkte der Apperception sind Wendepunkte in der Spannung, welche wir der Reihe nach in Beziehung zu der ablaufenden Reihe der Gesichtsvorstellungen zeitlich loca\u00fcsiren. Die Gesichtsvorstellungen sind aber ihrerseits demselben Gesetz unterworfen, daher eine langsame Succession derselben die negative, eine raschere die positive Verschiebung beg\u00fcnstigt.\nvon Tchisch bemerkt in seiner Interpretation der negativen Verschiebungen, es sei leicht zu erkl\u00e4ren, \u00bbdass momentane Reize vor ihrem Entstehen appercipirt werden\u00ab. An einer anderen Stelle sagt er: \u00bbDurch dieses Wiederholen wird die Apperception nicht nur vorbereitet, sondern dieselbe reproducirt unmittelbar den Eindruck\u00ab. Ich fasse dies so auf, dass der Process, welcher zur klaren Apperception f\u00fchrt, anfangen kann, bevor der betreffende Reiz in Wirklichkeit gegeben ist. Immerhin sind diese S\u00e4tze m\u00f6glicher Weise irreleitend, und in der That ist die gegebene Interpretation offenbar von James missverstanden worden, wenn er sagt: \u00bbDie Wundt\u2019sclie Erkl\u00e4rung der Versuche \u2014 wenn ich sie verstehe \u2014 fordert zu glauben, dass ein Beobachter .... fortw\u00e4hrend und ohne Ausnahme eine Hallucination des Klingelschlages, bevor derselbe geschieht, bekomme, und nicht den wirklichen Klingelschlag darnach h\u00f6re. Ich zweifle, ob dies m\u00f6glich ist, und ich kann mich nicht auf ein Analogon dazu in dem Rest unserer Erfahrung besinnen\u00ab. James\u2019 eigene Erkl\u00e4rung1) der Thatsachen geht von der Voraussetzung aus, dass die\n1) W. James, Principles of Psychology. Vol. I. S. 410ff,","page":625},{"file":"p0626.txt","language":"de","ocr_de":"626\nEduard Moffat Weyer.\nGesichtseindr\u00fccke eine Bewegungsempfindung, und der eingeschobene Reiz eine Empfindung der Stellung hervorrufen. Seiner Meinung nach ist daher die Wahrnehmung, die man gewinnt, davon abh\u00e4ngig, dass es der eingeschobenen Empfindung gelingt, die Bewegungsempfindung zu unterbrechen und f\u00fcr einen Augenblick ihre Stelle einzunehmen. Die eingeschobene Empfindung scheint aber in Wirklichkeit nie in einem zwischen den Gesichtseindrticken liegenden Intervalle zu entstehen, sondern die Erfahrung zeigt im Gegensatz zu dieser Voraussetzung, dass die complicirende Vorstellung stets mit einer der disparaten Vorstellungen zu einer simultanen Gesammtvorstellung verbunden wird. Die von An ge 11 und Pierce1) aufgestellte Theorie weicht ebensowohl von der Wundt\u2019schen wie von James\u2019schen ab, kann aber hier \u00fcbergangen werden, weil sie sich, ebenso wie die Theorie von James, zu den Ergebnissen der vorliegenden Versuche in keinerlei Beziehungen bringen l\u00e4sst.\nZum Schluss noch eine Bemerkung \u00fcber die Resultate der Versuche von v. Tchisch. Derselbe fand, dass auf die Gr\u00f6\u00dfe der Zeitverschiebung \u00bbdie Qualit\u00e4t des Reizes ohne Einfluss bleibt; sowohl bei einem Geh\u00f6rsreize, als bei einem tactilen, auch bei einem elektrischen Hautreize erweist sich dieselbe ann\u00e4hernd gleich\u00ab. Dem gegen\u00fcber habe ich gefunden, dass unter gleichen Umst\u00e4nden verschiedenartige Eindr\u00fccke durch verschiedene Intervalle von einem disparaten Eindruck gesondert werden m\u00fcssen, wenn sie gesondert von demselben appercipirt werden sollen.\nH. Beschreibung der benutzten Apparate und Versuchsmethoden.\nMeine Versuchsanordnung bestand aus zwei wesentlichen r\u00e4umlich getrennten Theilen; der eine diente zur Erzeugung der Reize, die in ein Dunkelzimmer fortgeleitet wurden und dort in geeigneter Weise auf die Versuchsperson wirkten. Der Apparat war derselbe, den Wundt schon in seiner \u00bbMechanik der Nerven\u00ab beschrieben und zu den dort dargestellten Versuchen benutzt hat, eine Modification des von Eick und Helmholtz angegebenen Pendelmyographions.\n1) Angell and Pierce, Amer. Journ. of Psych. Bd. IV. 1892. S. 525.","page":626},{"file":"p0627.txt","language":"de","ocr_de":"627\nDie Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sinneseindriioke.\nIch musste aber zu meinen Versuchen eine Scala (vergl. Fig. II) anbringen, die eine genaue Abstufung und Messung des Intervalles zwischen den einzelnen Reizen gestattete.","page":627},{"file":"p0628.txt","language":"de","ocr_de":"628\nEduard Moffat Weyer.\nDer Apparat bestand demnach aus einem massiven Holzgestell, das, mit Fu\u00df schrauben c versehen, eine genaue verticale Orientirung erm\u00f6glichte (Fig. 1). In einem oben angebrachten metallenen Achsenlager L ruht auf zwei dreikantigen Stahlschneiden p und p' ein eisernes Pendel in der Form eines spitzwinkligen, gleichschenkligen Dreiecks. An dem untern Ende des Pendels \u2014 der Basis des Dreiecks \u2014 be\u00fcndet sich vorn und hinten ein messingener Bah men r, auf welchem je eine Glasplatte G aufgeschraubt ist. Ich benutzte den vorderen dieser Eahmen, um eine unten genauer beschriebene Stahlspitze f anzubringen, welche durch die Schraube e erh\u00f6ht und erniedrigt werden kann. ' Die ganze L\u00e4nge des Pendels betr\u00e4gt 57 cm. Am unteren Ende symmetrisch zur Mitte der Basis und nahe derselben, etwa 1 cm von einander entfernt, sind zwei Daumen [d] angebracht, die zur Festhaltung des Pendels in der Ablenkungsstellung dienen, wie die Figur rechts darstellt, und zwar mittelst zweier seitlicher Halter II, die unter diese Daumen eingreifen1). Jeder der Halter besteht aus einem zwischen Spitzen drehbaren Hebel, der auf einer Feder t ruht und einen Ansatz tr\u00e4gt. Beide Hebel k\u00f6nnen nach innen und nach au\u00dfen gerichtet werden, wodurch zwei Amplituden erzielt werden k\u00f6nnen. Das Holzgestell des Apparates tr\u00e4gt unten eine horizontale Holzplatte k, welche die oben erw\u00e4hnte Scala S tr\u00e4gt, die dem Wege der Pendelspitze f parallel gekr\u00fcmmt ist. Dieselbe ist in Fig. 2 in der Vorderansicht dargestellt. Sie besteht aus einem stark vernickelten, schwach gebogenen, 4 */2 mm dicken, etwa 23 mm breiten und etwa 20 cm langen Messingst\u00fcck; die Theilung umfasst je 55 Scalen-theile, die symmetrisch zum Nullpunkt, dem Mittelpunkte der Scala nach beiden Seiten hin aufgetragen sind. An dem Messingst\u00fcck 8 und \u00fcber der Theilung desselben sind zwei ziemlich complicirte Vorrichtungen angebracht, welche auf der B\u00fcckseite einer Platte \u00e4hnlich sehen. Dieselben dienen als Tr\u00e4ger der Platinspitzen \u00df und \u00df', die mit der Innenseite sich gegen\u00fcber stehen. Sie k\u00f6nnen n\u00e4her zu einander und weiter von einander geschoben werden, und treffen die Platten zusammen, so stehen die Platinspitzen mit einem kleinen Abstand hinter einander und auf einem und demselben Scalentheil. Dies geschieht dadurch, dass sich die Spitzen nicht gerade, sondern schr\u00e4g\n1) Blo\u00df der rechte Halter ist des Raumes wegen in der Zeichnung der Vorderansicht dargestellt.","page":628},{"file":"p0629.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sinneseindr\u00fceke.\t629\ngegen\u00fcber stehen. Der linke dieser Tr\u00e4ger ist in Fig. 2 D in der Seitenansicht dargestellt, wobei man am besten sehen kann, wie die Platinspitzen durch das Hartgummist\u00fcck h (vergl. auch die Ansicht von oben B) sowohl gegen den eigenen Tr\u00e4ger, wie gegen einander isolirt sind. Ferner sieht man an der Form des Tr\u00e4gers, wie sie die Seitenansicht D zeigt, dass der Tr\u00e4ger so construirt ist, dass\n,-\u00df' \u00df\ner das Messingst\u00fcck 8 umfasst und glatt auf demselben entlang bewegt werden kann. Die Verschiebung wird mittelst der Triebschraube T, welche in eine an der unteren Seite des Messingst\u00fcckes angebrachte gez\u00e4hnte Leiste \u00ab eingreift, bewerkstelligt, wie es in C (Ansicht von unten) zu sehen ist. Es w\u00fcrde von Vortheil gewesen sein an den schr\u00e4g abgeschliffenen Theil des Tr\u00e4gers, welcher oberhalb der Theilung l\u00e4uft, einen Nonius anzubringen, oder eine Mikrometerschraube in Zusammenhang mit der Triebschraube zu benutzen, wenn die zu erzielende gr\u00f6\u00dfere Genauigkeit der Ablesung nicht dadurch illusorisch w\u00fcrde, dass nach mehrmaligen Wiederholungen der Reize die Platinspitzen \u00df und \u00df\u2019 durch Verbrennung stumpfer werden, weil beide beim einmaligen Schwingen des Pendels mit der am Pendel angebrachten Federspitze f in Ber\u00fchrung kommen, wodurch jedesmal zwei momentane Stromschl\u00fcsse bewirkt werden. Den an die Ad-justirung des Apparates gebundenen wahrscheinlichen Fehler glaube ich mit R\u00fccksicht auf die Messungen der chronographisclien Controll-versuche, deren Ergebnisse nachher angegeben sind (siehe Tabelle II), durch \u00b1 0,046 a nicht zu klein gesch\u00e4tzt zu haben1). Infolge der\n1} Die Weise, in welcher ich zu dieser Schlussfolgerung gelangt bin, ist folgende: Aus jeder Gruppe von drei oder mehr Messungen, die ohne Aenderung der Lage der Spitzen gemacht wurden, zog ich das Mittel, und aus allen Messungen zusammen nahm ich dann wiederum ein Mittel. Auf diese Weise berechnete ich","page":629},{"file":"p0630.txt","language":"de","ocr_de":"630\nEduard Moffat Weyer.\nKleinheit dieses Fehlers glaubte ich den Apparat hei Ben\u00fctzung der gr\u00f6\u00dften Geschwindigkeit des Pendels verwenden zu k\u00f6nnen, um nicht nur die entsprechenden Zeitmengen f\u00fcr ganze Scalentheile, sondern auch in einigen F\u00e4llen die f\u00fcr die halben und viertel zu bestimmen.\nDie ganze Schwingungsdauer des Pendels war 1,3459 Secunden. Ein Scalentheil ist 1,128 mm gro\u00df, welchen Baum das Pendel bei maximaler Geschwindigkeit (am Nullpunkt) bei der gr\u00f6\u00dferen Amplitude von 38\u00b0 47' 2,64\" in 1,21 a, bei der kleineren von 16\u00b0 42' 4\" in 2,82 a durchlief. Die absoluten Zeitgr\u00f6\u00dfen (t), welche zum Pas-siren des Baumes zwischen dem Nullstrich und jedem successiven Theilstrich der Scala nothwendig sind, berechnete ich mit Ben\u00fctzung der Legendre\u2019schen Tafeln* 1) nach der von Wundt2) angegebenen Formel:\nworin T die Zeit einer Viertelschwingung, A die Amplitude der Pendelschwingungen bedeutet und\n. a sm y sin cp = \u2014\u00c4 sin \u2014\nZt\nist. a bezeichnet den Theil des Schwingungsbogens von dem Mittelpunkt aus, dessen entsprechender Zeitwerth zu bestimmen ist. Die auf diese Weise erhaltenen Wertlie sind f\u00fcr beide Ablenkungen aus der folgenden Tabelle zu ersehen:\nden wahrscheinlichen Fehler des Mittels einer Gruppenmessung, welcher jedoch zu gro\u00df gefunden werden musste, da die Variationen, welche dem Chronographen zuzuschreiben sind, nicht g\u00e4nzlich ausgeschlossen waren. Directe Berechnung des wahrscheinlichen Fehlers f\u00fcr das einzelne Versuchsresultat ergab einen gr\u00f6\u00dferen Werth von \u00b1 0,14 a. Auch dieser Fehler ist aus dem des Chronographen und aus dem der Adjustirung zusammengesetzt.\n1)\tLegendre, Trait\u00e9 des Fonctions elliptiques. 1826. Tafel IX. Tome II..\n2)\tW. Wundt, Mechanik der Nerven und Nervencentren. Erste Abth. 1871. S. 10.","page":630},{"file":"p0631.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sinneseindr\u00fccke. Tabelle I1).\n631\nAmplitude 38\u00b0 47' 2,64\"\nI Scalen-[ theil\ta\t\t\tt\tScalen- theil\ta\t\t\tt\ni\t\t3'\t18\"\t1,21\t26\ti\u00b0\t25'\t45\"\t31,60\n2\t\t6'\t36\"\t2,42\t27\ti\u00b0\t29'\t2\"\t32,82\n3\t\t9'\t54\"\t3,63\t28\ti\u00b0\t32'\t20\"\t34,05\n4\t\t13'\t2\"\t4,84\t29\ti\u00b0\t35'\t38\"\t35,28\n5\t\t16'\t29\"\t6,05\t30\ti\u00b0\t38'\t57\"\t36,51\n(i\t\t19'\t47\"\t7,26\t31\ti\u00b0\t42'\t14\"\t37,74\n7\t\t23'\t5\"\t8,48\t32\t1\u00b0 45'\t\t32\"\t38,97\n8\t\t26'\t23\"\t9,69\t33\t1\u00b0\t48'\t50\"\t40,20\n9\t\t29'\t41\"\t10,90\t34\t1\u00b0\t52'\t8\"\t41,43\n10\t\t32'\t59\"\t12,12\t35\t1\u00b0\t55'\t26\"\t42,66\n11\t\t36'\t17\"\t13,33\t36\t1\u00b0\t58\u00b0 44\"\t\t43,90\n12\t\t39'\t34\"\t14,54\t37\t2\u00b0\t2'\t2\"\t45,14\n13\t\t42'\t52\"\t15,78\t38\t2\u00b0\t5'\t19\"\t46,38\n14\t\t46'\t10\"\t16,98\t39\t2\u00b0\t8'\t37\"\t47,62\n15\t\t49'\t28\"\t18,18\t40\t2\u00b0\t11'\t55\"\t48,86\n16\t\t52'\t46\"\t19,40\t41\t2\u00b0\t15'\t13\"\t50,11\n17\t\t56'\t4\"\t20,62\t42\t2\u00b0\t18'\t29\"\t51,35\n18\t\t59'\t22\"\t21,83\t43\t2\u00b0\t21'\t49\"\t52,60\n19\ti\u00b0\t2'\t40\"\t23,05\t44\t2\u00b0\t25'\t7\"\t53,85\n20\ti\u00b0\t5'\t58\"\t24,27\t45\t2\u00b0\t28'\t25\"\t55,10\n21\ti\u00b0\t9'\t15\"\t25,49\t46\t2\u00b0\t31'\t43\"\t56,35\n22\ti\u00b0\t12'\t33\"\t26,71\t47\t2\u00b0\t35'\t0\"\t57,61\n23\ti\u00b0\t15'\t51\"\t27,93\t48\t2\u00b0\t38'\t18\"\t58,87\n24\ti\u00b0\t19'\t9\"\t29,15\t49\t2\u00b0 41'\t\t36\"\t60,13\n25\ti\u00b0\t22'\t27\"\t30,37\t50\t2\u00b0 44'\t\t54\"\t61,39\nAmpi. 16\u00b0 42' 4\"\nScalen- theil\ta\tt 7,05 14,10\n2V*\t8' 15\"\t\n5\t16' 29\"\t\nU/s\t24' 44\"\t21,17\n10\t32' 59\"\t28,27\n12Vs\t41' 14\"\t35,40\n15\t49' 28\"\t42,55\nni/o\t57' 43\"\t49,77\n20\t1\u00b0 5' 58\"\t57,06\n221/2\t1\u00b0 14' 12\"\t64,42\n25\t1\u00b0 22' 27\"\t71,81\n271/2\t1\u00b0 30' 42\"\t79,30\n30\t1\u00b0 38' 57\"\t86,95\n321/,\t1\u00b0 47' 11\"\t94,66\n35\t1\u00b0 55' 26\"\t102,54\n371/a\t2\u00b0 3' 41\"\t110,56\n40\t2\u00b0 11' 55\"\t118,74\n42 Vi\t2\u00b0 20' 10\"\t127,15\n45\t2\u00b0 28' 25\u201d\t135,78\n471/2\t2\u00b0 36 39\"\t144,67\n50\t2\u00b0 44' 54\"\t153,86\n1) Um noch l\u00e4ngere Intervalle, als die, welche die Tabelle enth\u00e4lt, abzumessen, stellte ich eine der Spitzen auf den 50. Scalentheil (vom Mittelpunkt ausgehend), und die andere die erforderliche Distanz davon entfernt. Der Werth z. B. fiir 70 Scalentheile wird dann die Summe der Werthe f\u00fcr 50 und 20, welche aus der Tabelle zu finden sind.","page":631},{"file":"p0632.txt","language":"de","ocr_de":"632\nEduard Moffat Weyer.\nAu\u00dferdem ermittelte ich die Zeitgr\u00f6\u00dfen f\u00fcr die Distanzen zwischen dem Nullpunkt und gewissen Theilstrichen f\u00fcr die Amplitude 38\u00b0 47' 2\" mittelst der graphischen Methode am Chronographen (Tab. Ia)1). Um den in jeder Messung eintretenden Zeitfehler m\u00f6glichst constant zu erhalten, welcher dadurch verursacht wurde, dass die Anker der Schreibhebel von den Elektromagneten des benutzten Chronographen ungleichm\u00e4\u00dfig abrissen, leitete ich den Strom so, dass die beiden, zu den Schreibspitzen geh\u00f6renden Magnete von denselben Elementen magnetisirt und stets in derselben Ordnung gebraucht wurden, so dass der Fehler immer ein positiver war. Der Fehler kann sehr genau hei den Messungen der kleineren Zeitstrecken, wo wenig Irrthum in der obigen Berechnung m\u00f6glich war, bestimmt werden.\nTabelle Ia.\nScalen- theile\tZeit mittelst des Chrono- graphen\tDiff.\tZeit mittelst der Formel\tScalen- theile\tZeit mittelst des Chrono- graphen\tDiff.\tZeit mittelst der Formel\n2\t2,87\t0,45\t2,42\t15\t18,65\t0,47\t18,18\n\t3,07\t0,65\t\t\t18,85\t0,67\t\n\t3,28\t0,86\t\t\t18,85\t0,67\t\n\t3,07\t0,65\t\t\t19,06\t0,88\t\n\t3,07\t0,65\t\t\t18,85\t0,67\t\n\t3,07\t0,65\t\t\t19,06\t0,88\t\n\t3,07\t0,65\t\t\t18,89\t0,71\t\n3\t4,30\t0,67\t3,63\t25\t31,35\t0,98\t30,37\n\t4,30\t0,67\t\t\t30,74\t0,37\t\n\t4,10\t0,47\t\t\t31,15\t0,78\t\n\t4,30\t0,67\t\t\t31,15\t0,78\t\n\t\t\t\t\t30,94\t0,57\t\n\t4,25\t0,62\t\t\t31,35\t0,98\t\n4\t5,12\t0,28\t4,84\t\t31,15\t0,78\t\n\t5,33\t0,49\t\t\t31,12\t0,75\t\n\t5,53\t0,69\t\t\t\t\t\n\t5,53\t0,69\t\t\t\t\t\n\t5,38\t0,54\t\t\t\t\t\n1) Vergl. Wundt, Physiol. Psychol. 4. Aufl. Bd. II. S. 338.","page":632},{"file":"p0633.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sinneseindr\u00fccke.\t633\nZur Erzeugung der Reize benutzte ich Inductionsstr\u00f6me, welche durch geeignete Vorrichtungen in die entsprechenden specifischen Reize umgesetzt wurden. Als Stromquelle des prim\u00e4ren Stroms diente ein Accumulatorelement A (vergl. Eig. 1). Der Strom floss vom positiven Pol zum oberen Ende y des Pendels, durch dieses hindurch zum Pedercontact f\\ dann floss er durch diese Spitzen zu einem Rheochord R und zur prim\u00e4ren Rolle eines Rumkorff\u2019sehen Induc-toriums I, von da zur\u00fcck zum negativen Pol. Der inducirte Strom wurde in das Dunkelzimmer, wo der Beobachter sa\u00df, geleitet. Zur Erzeugung gleichartiger Sinnesreize gebrauchte ich die rasch aufeinander folgenden Funken eines Funkenziehers als Gesichts- oder Geh\u00f6rsreize. Bei dem Gesichtsreize befand sich der Funkenzieher in einem kleinen, ganz mit Watte umwundenen Kasten K, in dessen vordere Seite zwei starke Glasplatten hinter einander eingesetzt und mit Filz umgehen waren, so dass der Beobachter die Funken sehen, aber ihr Knistern nicht h\u00f6ren konnte. Mit R\u00fccksicht auf die Beleuchtung sind meine Gesichtsversuche in zweierlei Weise angestellt, da sie theils in absoluter Dunkelheit und w\u00e4hrend des Zustandes der Dunkeladaptation der Netzhaut, theils im Gegens\u00e4tze hierzu bei hellem Tageslichte ausgef\u00fchrt wurden.\nIch bem\u00fchte mich in beiden F\u00e4llen, die Umst\u00e4nde zu wiederholen, unter welchen man im gew\u00f6hnlichen Leben die Gegenst\u00e4nde um sich her betrachtet. Die Funkenbilder wurden daher auf den Netzhautcentren beider Augen entworfen, nachdem die Aufmerksamkeit durch ein Schallsignal ungef\u00e4hr zwei Secunden vorher zur Fixation angeregt worden war. Die Accommodation war dieselbe, die man beim Lesen braucht. Im Dunkeln benutzte ich ein St\u00fcck selbstleuchtendes Papier, um den Augen eine genaue Fixation zu erm\u00f6glichen. Bei Tageslicht wurde dieselbe Anordnung mit m\u00f6glichst geringen Aenderungen der Nebenbedingungen wiederholt. Da das Dunkelzimmer aber schwarze W\u00e4nde besa\u00df, so w\u00e4hlte ich in diesem Fall ein anderes, durch ein gro\u00dfes Fenster erleuchtetes, ebenfalls von dem Ger\u00e4uch des Pendels entferntes, stille gelegenes Zimmer. Nat\u00fcrlich hatten die Funken in der Dunkelheit einen schwarzen Hintergrund, und nichts konnte bei Tageslicht zu diesem Zweck besser dienen als das ganz schwarze Innere des Kastens, wenn man keine directen Lichtstrahlen vom Fenster her eindringen lie\u00df. Die Ver-","page":633},{"file":"p0634.txt","language":"de","ocr_de":"634\nEduard Moffat Weyer.\nsuchsperson sa\u00df mit dem Gesichte nach der Wand gekehrt, so dass das Licht durch das Fenster von der Seite hereinfiel.\nBei der Untersuchung der Geh\u00f6rseindr\u00fccke wurde das Dunkelzimmer, welches zugleich durch doppelte W\u00e4nde, Th\u00fcren etc. die Einrichtung eines Stillezimmers hat, erleuchtet. Der Funkenzieher war im Freien aufgestellt und der dadurch entstandene Funken konnte, weil ein Kartenblatt vor demselben stand, nicht gesehen werden. Es wurden beide Ohren w\u00e4hrend der Versuche frei gelassen, aber das eine war dem Reize n\u00e4her und die Aufmerksamkeit wurde auf die Empfindung dieses Ohres gelenkt.\nF\u00fcr die Versuche mit disparaten Sinnesreizen waren folgende Ab\u00e4nderungen der Versuchsanordnung noth wendig. Bei der Abh\u00e4ngigkeit der Reizst\u00e4rke vom Widerstand des secund\u00e4ren Stromkreises legte ich Werth darauf, dasselbe Inductorium zur Erzeugung der r\u00e4umlich gesonderten Gesichts- und Geh\u00f6rsreize zu benutzen. Der Stromkreis des prim\u00e4ren Stromes war derselbe wie vorher. Der secund\u00e4re Strom dagegen floss vom Inductorium zum oberen Ende des Pendels [v) und von da zu einer Metallspitze g ') an der Basis des Pendels, die ich so hinter der Spitze des prim\u00e4ren Stromkreises angebracht hatte, dass sie durch einen Quecksilbercontact a den secund\u00e4ren Stromkreis schloss, sodass der Strom ins Dunkelzimmer geleitet den Reiz erzeugte und zum Inductorium zur\u00fcckfloss. Der prim\u00e4re Strom wurde zum zweiten Male geschlossen, wenn dieselbe Metallspitze g eine zweite Quecksilberstrecke a ber\u00fchrte, von der aus der secund\u00e4re Strom zu einem zweiten Funkenzieher geleitet wurde. Die Figur 1 stellt die Art und Weise der Stromleitung f\u00fcr diesen Fall dar.\t1\nArbeitete ich mit disparaten Eindr\u00fccken, deren einer f\u00fcr den Tastsinn bestimmt war, so wurde ein zweites, schw\u00e4cheres Inductorium im prim\u00e4ren Stromkreis so eingeschaltet, dass der Strom von der zweiten Spitze \u00df' im Dunkelzimmer zu diesem Inductorium und von dort zur\u00fcck zum negativen Pol des Accumulators floss. Dabei diente dann der Strom der secund\u00e4ren Spirale dieses Inductoriums als Tastreiz.\n1) Diese Spitze (g) ist nur in der Seitenansicht, Fig. 1, oberhalb des Gestells {*'\u25a0 des Quecksilbercontactes des Apparates sichtbar.","page":634},{"file":"p0635.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sinneseindr\u00fccke,\t635\nEin Commutator C gestattete einen der momentanen Str\u00f6me auszuschalten. Indem beim Hingang (bei der ersten Schwingung des Pendels) beide momentanen Str\u00f6me erzeugt wurden und beim R\u00fcckgang nur der eine derselben, konnte letzterer als Signal f\u00fcr den bei der folgenden Pendelschwingung auszuf\u00fchrenden Versuch dienen. Ferner konnte ich dadurch die Reihenfolge der Reize nach Belieben wechseln, ohne die augenblickliche Bewegungsrichtung des Pendels \u00e4ndern zu m\u00fcssen. Wenn ich Gesichtsreize untersuchte, benutzte ich als Signal immer andersartige Reize. So diente hei zwei Gesichtsreizen stets ein Klingelzeiehen als Signal.\nBei den Versuchen wurden zwei Verfahren, ein wissentliches und ein unwissentliches angewandt. Das erste bestand darin, dass yon einem bestimmten Gleichzeitigkeits-Urtheil durch unmerkliche Stufen zu bestimmten Ungleichzeitigkeits-Urtheilen fortgeschritten wurde. Hier lag im Anfang zwischen den hervorgebrachten Reizen ein so kurzes Intervall, dass der Beobachter es nicht wahrnahm, oder dass, wie es zuweilen geschah, eine vollst\u00e4ndige Umkehrung der scheinbaren Folge der Reize eintrat. Von da aus verl\u00e4ngerte ich bei jeder Wiederholung die Zwischenzeit durch regelm\u00e4\u00dfige Vergr\u00f6\u00dferung des Abstandes zwischen den Spitzen der Scala je nach den Bed\u00fcrfnissen des betreffenden Falls, in der Regel aber mit Zunahme von f\u00fcnf Scalentheilen, was, wenn das Pendel die Ablenkung 19\u00b0 23' 31\" zeigte, ungef\u00e4hr 6,05 a und mit der Ablenkung 8\u00b0 21' 2\" etwa 14,10 a entsprach. Nachdem der Punkt, wo die Reize deutlich ungleichzeitig wahrgenommen wurden, erreicht und etwas \u00fcberschritten war, verk\u00fcrzte ich den Zeitraum durch dieselben Stufen, bis wieder das urspr\u00fcngliche Stadium erreicht wurde. Nach jedem Eindruck theilte mir die Versuchsperson ihr Urtheil durch Glockenzeichen mit. In den Versuchen mit verschiedenartigen Reizen wurde die Reactions-person angewiesen, nicht blo\u00df ein Urtheil der Ungleichzeitigkeit abzugehen, sondern auch mitzutheilen, welcher Reiz voranzukommen schien. Bei den ersten Kennzeichen von Erm\u00fcdung wurden hinreichend lange Pausen, ebenso kleine Pausen am Ende jeder Versuchsreihe eingeschoben. Auch in F\u00e4llen besonderer Schwierigkeit wurde ein Signal f\u00fcr Wiederholungen angewandt. Zuweilen lag die Schwelle so nahe an dem Intervalle Null, wo die Reize wirklich gleichzeitig erfolgten, dass dieser Punkt in negativer Richtung \u00fcber-\nWundt, Philos. Studien. XIV.\t42","page":635},{"file":"p0636.txt","language":"de","ocr_de":"636\nEduard Moffat Weyer,\nubjoa 'pmg--sjoi[9r) 9({BA.i9^tij gAi^isoj\nUBJOA -pUTJJ-^SBJj 0|^ba,t9^uj aAi^BSgj^;","page":636},{"file":"p0637.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sinneseindr\u00fccke.\t637\nschritten wurde und das Intervall der Reize in umgekehrter Reihenfolge eine gewisse Gr\u00f6\u00dfe erreichen musste, damit der Nullpunkt im Urtheil eintreten konnte. Die Tabelle II zeigt eine solche mit Tast-und Geh\u00f6rseindr\u00fccken ausgef\u00fchrte Versuchsreihe. Die durch schwarze Umrandung hezeichneten Schwellen f\u00fcr das Vorhergehen des Geh\u00f6rseindruckes vor dem Tasteindrucke lagen gr\u00f6\u00dftentheils auf der positiven Seite, zuweilen auch auf Null oder auf einem negativen Intervall, wobei also thats\u00e4chlich der Tasteindruck voranging. W\u00e4hrend des betreffenden Versuches wurde die Aufmerksamkeit stets dem Geh\u00f6rsreize zugewandt.\nIch theile dieses Protocoll als Beispiel solcher Versuche mit, in denen zahlreiche Versuchsfelder vorkamen. Das H in diesen Reihen bedeutet, dass der Geh\u00f6rseindruck fr\u00fcher empfunden wurde ; T bezeichnet dasselbe f\u00fcr den Tasteindruck, g die Gleichzeitigkeit. Die Pfeile \u00fcber den Reihen bedeuten die Richtung von den negativen Intervallen weg oder zu denselben hin. Beide wurden nach einer gemeinsamen Methode zur Bestimmung der Zeitschwelle behandelt. Man sieht, dass die mit I bezeichnete Reihe vollkommen regelm\u00e4\u00dfig ist. Die Schwelle wird hier f\u00fcr das Urtheil, dass der Geh\u00f6rseindruck vorangehe, hei dem k\u00fcrzesten Intervalle angenommen. In der Reihe IV tritt das Urtheil der Verscliiedenzeitigkeit einmal auf, um wieder durch ein Urtheil der Gleichzeitigkeit verdr\u00e4ngt zu werden. Die Schwelle wird hier erst an der Stelle angenommen, wo das Vorausgehen des Geh\u00f6rseindruckes dauernd und sicher wahrgenommen wurde.\nHinsichtlich des Auftretens von Versuchsfehlern und Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten des Urtheilsverlaufes wurden folgende Voraussetzungen gemacht:\n1.\tEin oder zwei alleinstehende Versuchsfehler beeinflussen die Lage der Schwelle nicht, wenn sie unterhalb oder oberhalb derselben gesondert liegen.\n2.\tMehrere auf einander folgende Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten derselben Art in der Reihe werden als Versuchsfehler betrachtet und bei der Berechnung der Schwelle nicht ber\u00fccksichtigt, wenn sie mindestens durch sechs constante Urtheile von der Schwelle getrennt sind.\nReihen vom Charakter der vierten und elften sind ziemlich h\u00e4ufig und durch ein beziehungsweise zwei Sternchen bezeichnet, wenn","page":637},{"file":"p0638.txt","language":"de","ocr_de":"638\nEduard Moffat Weyer.\nein beziehungsweise zwei Fehler unmittelbar hinter einander Vorkommen. Die Zahlen \u00fcber den Reihen bedeuten, dass die Versuchsfehler um jene Zahl von Intervallen von der Schwelle getrennt sind. Die Striche \u00fcber denselben bedeuten, dass der Fehler oberhalb der Schwelle, im entgegengesetzten Fall, dass er unterhalb der Schwelle liege. Manche Reihen sind so ungeordnet, dass wegen anscheinend zweimaligen Auftretens der Schwelle ein bestimmter Werth nicht ableitbar ist. Es wurde dann der wahrscheinlichere gew\u00e4hlt und in runden Klammern ( ) in den Tabellen angef\u00fchrt. Andere Reihen zeigen einen Fehler im Verlaufe der Aufmerksamkeit, die vor\u00fcbergehend dem Reize, welcher eigentlich nicht h\u00e4tte fixirt werden sollen, zugewandt wurde. Auch hier entstehen anscheinend zwei Schwellen, von denen diejenige, die dem normalen Aufmerksamkeitsverlaufe entspricht, in eckigen Klammern [ ] in die Tabellen aufgenommen wurde. Reihen dieser letzten Art kommen in den Versuchsbeispielen der Tabelle II nicht vor. Sie erscheinen selten, gew\u00f6hnlich bei Reiz-combinationen, wo die Schwellenwerthe bei verschiedenem Einstellen der Aufmerksamkeit wenig von einander ah weichen. Beim Berechnen der mittleren Schwellenwerthe wurden die in runden sowie in eckigen Klammern eingeschlossenen Schwellen nicht benutzt.\nBei dem hier gew\u00e4hlten Verfahren, die Zeitschwelle dui\u2019ch aufsteigende oder absteigende Vergr\u00f6\u00dferung bezw. Verminderung des Reizintervalles zu bestimmen, war es jedoch in gewissen F\u00e4llen unm\u00f6glich, eine gesammte mittlere Schwelle abzuleiten, indem die bei der verschiedenen Richtung der Reihen gewonnenen einzelnen Schwellen zu weit auseinander lagen, um daraus durch Ziehen des Mittelwerthes eine mittlere Schwelle berechnen zu d\u00fcrfen. Ueber-haupt lieferten die Versuchsreihen, welche durch Uebergang von einer gleichzeitigen zur abgesonderten Wahrnehmung beider Reize erhalten wurden, bei verschiedenen Individuen \u00fcbereinstimmendere Schwellen als die umgekehrten.\nDas beschriebene Verfahren war den Versuchspersonen v\u00f6llig bekannt. Jedesmal konnten sie durch Signal den Anfang einer Reihe und deren Richtung erkennen. F\u00fcr disparate Sinnesgebiete benutzte ich auch das bereits von Hamlin angewandte Verfahren, nur dass ich die L\u00e4nge der Intervalle wiederholt \u00e4nderte.","page":638},{"file":"p0639.txt","language":"de","ocr_de":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater\tSinneseindr\u00fccke,\t639\nDie folgenden Capitel behandeln nun die Versuche in folgender Ordnung:\nI.\tZeitschwellen des\tGesichtssinnes.\nII.\tZeitschwellen des\tGeh\u00f6rssinnes.\nIII.\tA. Zeitschwellen\tzwischen Eindr\u00fccken\tdisparater Sinnes-\ngebiete, im Eall die Aufmerksamkeit auf den zuerst kommenden Eindruck gelenkt ist. (Wissentliches Verfahren.)\nIII.\tB. Dieselben, w\u00e4hrend die Aufmerksamkeit auf den zweiten\nEindruck gerichtet ist. (Wissentliches Verfahren.)\nIV.\tDieselben Zeitschwellen wie in Oapitel III A bei unwissentlichem Verfahren.\n(Schluss folgt.)","page":639}],"identifier":"lit4521","issued":"1898","language":"de","pages":"616-639","startpages":"616","title":"Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Sinneseindr\u00fccke","type":"Journal Article","volume":"14"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:25:10.455809+00:00"}