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{"created":"2022-01-31T14:20:44.859665+00:00","id":"lit4542","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Fischer, Otto","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 3: 128-156","fulltext":[{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\nVon\nOtto Fischer.\nHierzu Taf. II.\nDie Erfindung des Stroboskops ist an die Namen Stampfer und Plateau gekn\u00fcpft. Durch Zufall hatten Stampfer1) in Wien und Plateau2) in Br\u00fcssel zu gleicher Zeit den Gedanken, mittelst einer geeigneten Vorrichtung die Vorstellung von Bewegungen gemalter / Thiere, Maschinentheile u. s. w. k\u00fcnstlich hervorzurufen. Stampfer gab seinem Apparat den Namen \u00bbstroboskopische Scheibe\u00ab, Plateau nannte den seinigen \u00bbPhaenakistoskop, Phantasmaskop oder Phantaskop\u00ab. Diese beiden Apparate stimmen im Wesentlichen vollst\u00e4ndig \u00fcberein. Beide bestehen aus einer Scheibe, welche nahe an der Peripherie mit n kleinen, radial verlaufenden Fensterchen versehen ist. Auf einem nicht zu breiten, concentrischen Kreisring der Scheibe, der sich dicht an diese Ausschnitte nach dem Centrum hin anschlie\u00dft, befinden sich dann in gleichen Abst\u00e4nden verschiedene Phasen eines bewegten Gegenstandes aufgezeichnet, deren Anzahl bei diesen Apparaten gew\u00f6hnlich auch gleich n ist. Dreht man die\n1)\tStampfer, Die stroboskopischen Scheiben oder optischen Zauberscheiben, deren Theorie und wissenschaftliche Anwendung. Jahrbuch des k. k. polytechnischen Instituts zu Wien Bd. 18. Juli 1833. \u2014 Die erste stroboskopische Scheibe hat Stampfer jedoch schon im December 1832 verfertigt.\n2)\tDie erste Idee zu Plateau\u2019s Ph\u00e4nakistoskop findet sich vor in der Correspondance math\u00e9matique et physique de l\u2019observatoire de Bruxelles. T. VII. p. 365. Januar 1833. Plateau sandte schon im November 1832 ein Exemplar seines Apparates an Earaday.","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\t129\nmit der bemalten Seite einem Spiegel zugewandte Scheibe und blickt dabei auf der R\u00fcckseite durch die Fenster, so sieht man im Spiegel n Gegenst\u00e4nde, welche in einer Bewegung begriffen sind, die genau den aufgezeichneten Phasen entspricht.\nDiesem Apparat gab sp\u00e4ter Horner1) eine zweckm\u00e4\u00dfigere Gestalt, welche vor allem den Spiegel entbehrlich macht und au\u00dferdem sich durch gr\u00f6\u00dfere Sch\u00e4rfe der sich bewegenden Figuren vor jenen Scheiben von Stampferund Plateau auszeichnet, \u2014 weshalb, werden wir sp\u00e4ter erkennen. In der Form, die der Apparat von Horner erhalten hat, ist er noch heute als Kinderspielzeug sehr verbreitet. Er besteht aus einem hohlen Cylinder mit Fenstern in gleichen Abst\u00e4nden, der auf den Rand einer in horizontaler Lage drehbaren Kreisscheibe aufgesetzt und befestigt ist. Die Figuren, welche die Phasen der Bewegung eines Gegenstandes darstellen, zeichnete Horner auf die Innenfl\u00e4che des Cylinders in die Zwischenr\u00e4ume benachbarter Fenster ein; heutzutage zeichnet man sie auf einen Papierstreifen auf und * legt dann den letzteren an die Innenfl\u00e4che des Cylinders unterhalb der Oeflhungen an. Horner gab seinem Apparat den Namen D\u00e4-daleum, da er, wie er sagt, \u00e4hnlich dem Kunstwerk, welches jener ber\u00fchmte K\u00fcnstler des Alterthums erfunden haben soll, Gestalten von Menschen und Thieren schafft, die sich bewegen; jetzt ist er unter den Namen Wundertrommel, Zo\u00ebtrop, Wheel of life bekannt.\nDie im Voraufgeh enden beschriebenen Apparate schienen mir nun f\u00fcr den Zweck einer genaueren Untersuchung der auftretenden Erscheinungen aus dem Grunde nicht sehr geeignet, weil bei ihnen allen w\u00e4hrend der Rotation die Geschwindigkeit der Oeffnungen einerseits und der Figuren andrerseits genau gleich ist, und zwar bewegen sich die Oeffnungen, durch die man beobachtet, und die Figuren bei den Apparaten von Stampfer und Plateau in derselben Richtung, beim D\u00e4daleum in entgegengesetzter Richtung ; dies ist auf die Erscheinung selbst nicht ohne Einfluss. Um nun einen Apparat zu haben, bei dem man das Verh\u00e4ltniss der Geschwindigkeiten sowie die Richtung der Bewegung von Spalten und Figuren beliebig variiren kann, benutzteich zwei Scheiben; die eine trug nahe der Peripherie die aufgezeichneten\n1) Poggendorff\u2019s Annalen, Bd. 32, pag. 650. Wundt, Philos. Studien. III.\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nOtto Fischer.\nBewegungsphasen eines Gegenstandes, die andere allein die Oeff-nungen. Die erstere, die wir kurz als Bildscheibe einf\u00fchren wollen, wurde mittelst eines Uhrwerks in ann\u00e4hernd gleichm\u00e4\u00dfige Rotation in verticaler Ebene versetzt, w\u00e4hrend die andere, die wir Spalt-s che ibe nennen wollen, parallel mit der Bildscheibe vor derselben in einiger Entfernung so angebracht wurde, dass der Beobachter sie um eine horizontale Axe, welche die Verl\u00e4ngerung der Rotationsaxe der Bildscheibe bildete, an einem Griff mit der Hand beliebig drehen konnte. Die Spaltscheibe war auf der R\u00fcckseite mit wei\u00dfem, auf der vorderen (dem Beobachter zugekehrten) Seite mit schwarzem Papier beklebt. Bei den Versuchen, die ich anstellte, war es vollst\u00e4ndig gen\u00fcgend, die vordere Scheibe mit der Hand zu drehen, indem man aus dem Ger\u00e4usch des Uhrwerks, welches die Bildscheibe in Bewegung setzte, genau den Verlauf einer Umdrehung merkte und danach die Rotation der Spaltscheibe einrichten konnte.\nDie vordere Scheibe trug nun 12 schmale Spalten, die sich gleichweit von einander entfernt in radialer Richtung zwischen zwei con-centrischen Kreisen mit dem Drehpunkt der Scheibe als Mittelpunkt und den Radien von 165 mm und 260 mm hinzogen. Um m\u00f6glichst einfache Verh\u00e4ltnisse zu haben, mit denen allein sich eine derartige Untersuchung wird rein durchf\u00fchren lassen, hatte ich auf der Bildscheibe in einem ganz entsprechenden Kreisring n Phasen eines auf-und abschwingenden Punktes resp. schwarzen Kreises angebracht. Die Phasen waren einmal so gezeichnet, dass, wenn man sich den Kreisring auf der Bildscheibe an einer Stelle in radialer Richtung aufgeschnitten und dann in ein Rechteck deformirt denkt, dieselben auf dem St\u00fcck einer Sinuslinie liegend erscheinen w\u00fcrden, etwa so, wie es Figur 1 (Taf. II) andeutet. Ein anderes Mal waren die Phasen so aufgezeichnet, dass sie nach dem beschriebenen Deformationsprocess auf einer gebrochenen Linie liegen w\u00fcrden, so, wie es Figur 2 versinnlicht. Damit ich in bequemer Weise die Zahl n variiren konnte, hatte ich auf der einen Seite der Bildscheihe, die wir Seite S nennen wollen, in den obigen Kreisring eine solche geschlungene Linie, welche bei der Deformation in das St\u00fcck einer Sinuslinie (y = sin x ; x = 0 bis 2 it) \u00fcbergeht, auf der anderen Seite der Scheibe, die Seite G hei\u00dfen m\u00f6ge, eine solche, welche bei der Deformation in eine gebrochene Linie \u00fcbergeht, stark aufgezeichnet. Man brauchte dann","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\n131\nnur \u00fcber die betreffende, so bemalte Seite der Bildscheibe eine zweite Scheibe aus undurchsichtigem wei\u00dfen Papier mit n Spalten, die ganz in der Weise wie die Spalten der Spaltscheibe ausgeschnitten waren, aufzulegen, um dann genau n Phasen eines auf- und abschwingenden Punktes hervortreten zu lassen (vgl. Figur 3).\nZun\u00e4chst lie\u00df ich auf solche Art gerade 12 Phasen auf Seite S der Bildscheibe erscheinen und setzte diese letztere durch das Uhrwerk, die Spaltscheibe aber mit der Hand in nicht zu langsame Bewegung. Drehte ich die Spaltscheibe in derselben Richtung und mit derselben Geschwindigkeit wie die Bildscheibe, so sah ich, in gleichen Winkelabst\u00e4nden von der Gr\u00f6\u00dfe ^, 12 oder weniger Punkte auf- und abschwingen ; dieselben schienen nicht ganz scharf umgrenzt und, sobald sich das Auge nicht direct vor der Spaltscheibe befand, etwas breiter, als sie in der That waren. Drehte ich dagegen die Spaltscheibe in der zur Rotation der Bildscheibe entgegengesetzten Richtung, aber ebenfalls mit derselben Geschwindigkeit wie letztere, so erschienen nicht 12, sondern nahezu die doppelte Anzahl von Punkten in Bewegung, und zwar waren sie diesmal viel sch\u00e4rfer begrenzt, gleichg\u00fcltig, ob sich das Auge ganz nahe an der Spaltscheibe oder in einiger Entfernung befand. Im ersten Falle haben wir die stroboskopische Scheibe oder das Phaenakistoskop, im letzten Falle das D\u00e4-daleum. \u2014 Der Unterschied zwischen beiden Versuchen ist nun der, dass im ersten Falle jedes Phasenbild nur dann eine relativ kurze Zeit auf das Auge wirkt, wenn man das Auge direct am Spalt hat, und dass es um so l\u00e4nger vor dem Auge bleibt, je weiter dasselbe vom Spalt entfernt ist ; k\u00f6nnte man aus dem Unendlichen die beiden in gleicher Bewegung begriffenen Scheiben betrachten, so w\u00fcrde man offenbar nur 12 dunkle Ringe sehen, vorausgesetzt, dass die einzelnen Bilder alle verschiedene Abst\u00e4nde vom Centrum besitzen und die Spalten gerade vertical vor die Bilder gebracht sind; denn es w\u00fcrde dann jedes Bild immer in Sicht bleiben, genau so, als wenn wir die Bildscheibe allein w\u00e4hrend der Rotation betrachteten. Anders verh\u00e4lt es sich mit der Erscheinung im zweiten Falle, wo beide Scheiben sich zwar mit derselben Geschwindigkeit, aber in verschiedener Richtung bewegen. Hier sieht man die Erscheinung viel besser, wenn man das Auge etwas entfernt von der vorderen Scheibe h\u00e4lt. Befindet sich das\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nOtto Fischer.\nAuge vor derselben, so dass man immer nur durch einen einzigen Spalt auf einmal sehen kann, so erkennt man auch nur 12 Punkte. Sobald man aber das Auge etwas entfernt, so dass durch mehr als einen Spalt die hintere Scheibe sichtbar wird, sieht man sofort eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl von Punkten in Bewegung; die sich scheinbar bewegenden Punkte r\u00fccken desto n\u00e4her an einander, je weiter man sich von der vorderen Scheibe entfernt, bis schlie\u00dflich bei unendlicher\nEntfernung des Auges die Punkte gerade um ^ von einander abstehen w\u00fcrden. Der Grund daf\u00fcr ist leicht einzusehen. Er liegt darin, dass hei entgegengesetzter Richtung, aber gleicher Geschwindigkeit der Rotation beider Scheiben nach Drehung von ^ immer wieder ein Spalt gerade vor ein Phasenbild zu liegen kommt ; allgemein hei n Phasenbildern w\u00fcrde dieses nach Drehung um ~ stattfinden.\nAus dem Gesagten ist ersichtlich, dass das D\u00e4daleum insofern der stroboskopischen Scheibe von Stampfer vorzuziehen ist, als es gestattet, dass man sich weiter vom Apparat entfernt, und dass somit mehrere Personen zu gleicher Zeit bequem die Erscheinungen beobachten k\u00f6nnen. Neben diesen mehr \u00e4u\u00dferlichen Vorzug stellt sich ein werthvollerer, der sich auf die Deutlichkeit der Bilder bezieht. Bei gleicher Richtung der Bewegung von Spalten und Figuren ist der Phaseneindruck ein viel l\u00e4ngerer als bei entgegengesetzter Richtung. Da man nun im letzten Falle den gemalten Gegenstand viel deutlicher erkennt, so ist also eine Hauptbedingung f\u00fcr das Eintreten der Erscheinung die kurze Dauer des Lichteindrucks.\nWir wollen im Folgenden nun immer die Scheiben in verschiedener Richtung, aber zun\u00e4chst noch mit derselben Geschwindigkeit gedreht denken.\t,\nDie Erscheinung, wie sie beschrieben wurde, dass man an m verschiedenen, gleichweit von einander entfernten Stellen einen Punkt sich auf- und abbewegen sieht, trifft nur zu, so lange die gemeinsame Geschwindigkeit der beiden Scheiben eine gewisse Grenze nicht \u00fcbersteigt. W\u00e4chst die Geschwindigkeit \u00fcber diese Grenze, so sieht man auf einmal zwei dicht unter einander gelegene Punkte gemeinsam dieselbe Bewegung ausf\u00fchren; vergr\u00f6\u00dfert man","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\n133\ndie Geschwindigkeit noch mehr, so gesellt sich zu diesen beiden Punkten noch ein dritter, ein vierter u. s. f. Alle diese Punkte sieht man direct unter einander', gleichsam eine Kette bildend, die sich auf- und abw\u00e4rts bewegt. Tr\u00e4gt man die Phasen abwechselnd mit zwei verschiedenen Farben auf1) und gibt den Scheiben eine solche Geschwindigkeit, dass man zwei Punkte unter einander sieht, so tauschen diese beiden, welche verschieden gef\u00e4rbt sind, bei der Auf-und Abbewegung fortw\u00e4hrend ihre Farben aus, und zwar w\u00e4hrend einer Umdrehung gerade so oft, als man Phasen aufgezeichnet hat. Gibt man den Phasen allgemein abwechselnd k verschiedene Farben, wobei k nat\u00fcrlich Theiler der Anzahl n der Bilder sein muss, und l\u00e4sst die Scheiben so schnell rotiren, dass man k Punkte unter einander sieht, so permutiren sich die Farben bei der Bewegung cyklisch.\nZeichnet man endlich von vornherein immer zwei Phasen auf denselben Radius der Scheibe dicht unter einander auf und gibt dann den Scheiben die Geschwindigkeit, die man n\u00f6thig hatte, um bei einer aufgezeichneten Phasenreihe zwei Punkte unter einander zu sehen, so erblickt man bei der scheinbaren Bewegung 3 Punkte auf demselben Radius u. s. w. Hat man insbesondere im letzten Falle die\nbeiden Phasenreihe\u00fc, die auf zwei um ~ verschobenen Sinuslinien2)\nliegen, mit verschiedener Farbe aufgetragen, etwa s\u00e4mmtliche Phasenbilder der einen Sinuslinie blau , s\u00e4mmtliche der anderen roth, so wird bei der Bewegung von den 3 unter einander liegenden Punkten der vorangehende immer eine und dieselbe Farbe besitzen, ob die rothe oder die blaue, das h\u00e4ngt von der Richtung der Rotation ab ; der mittelste wird dagegen in einer Mischfarbe (mein Roth und Blau gaben ein r\u00f6thliches Violett) zu sehen sein, w\u00e4hrend der letzte von blauer Farbe ist, wenn der erste roth war, und umgekehrt. An den Stellen, wo die Bewegung sich umkehrt, sieht man einen Moment nur 2 Punkte, was man \u00fcbrigens auch beobachten konnte, wenn bei einer\n1)\tWozu ich nat\u00fcrlich nicht mehr die fr\u00fchere Bildseheibe benutzen konnte, sondern auf derselben eine neue Scheibe aus wei\u00dfem Papier befestigte, welche die verschieden gef\u00e4rbten Phasen trug.\n2)\tUnter Sinuslinie soll der K\u00fcrze der Darstellung halber auch eine solche Curve verstanden sein, die in der fr\u00fcher beschriebenen Weise aus einer mathematischen Sinuslinie entsteht, wenn man die beiden aufgezeichneten Tangenten der letzteren in zwei concentrische Kreise verwandelt.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nOtto Fischer.\naufgezeichneten Phasenreihe die Scheiben so schnell gedreht wurden, dass sich 3 Punkte unter einander einstellten.\nDie beschriebenen Erscheinungen setzen es au\u00dfer Zweifel, dass wir es hier, wie bei allen stroboskopisch en Ph\u00e4nomenenmiteinerWirkungvonNachbildernzuthun haben. Betrachten wir z. B. die Entstehung der Erscheinungen, welche eine solche doppelte Phasenreihe, wie sie eben angef\u00fchrt wurde, hervorbringt. Die aufgezeichneten Phasen werden sich auf dem Kreisring etwa so gruppiren, wie es Figur 4 darstellt. Dabei ist der Uebersichtlichkeit halber wieder der Ring in ein Rechteck defor-mirt worden. Nimmt man an, dass die Rotation mit solcher Geschwindigkeit vor sich geht, dass immer noch ein sehr deutliches Nachbild der vorhergehenden Phasenfigur vorhanden ist, wenn das folgende Bild in das Gesichtsfeld tritt, so wird man w\u00e4hrend einer ganzen Umdrehung die in Pigur 5 verzeichneten 12 Gesichtseindr\u00fccke haben; damit ist aber das fr\u00fcher Gesagte best\u00e4tigt. Nat\u00fcrlich erh\u00e4lt man die Erscheinung nur dann in dieser Reinheit, wenn die Punkte ganz genau construirt sind. Verwendet man complement\u00e4re Farben, so wird der mittelste Punkt im Allgemeinen grau erscheinen.\nSelbst in dem Falle, dass man immer nur einen Punkt in verti-caler Richtung sich bewegen sieht, kann man Nachbilder direct bei langsamer Drehung des noch zu beschreibenden, f\u00fcr den Zweck genauer Messungen construirten D\u00e4daleums wahmehmen.\n!\u00bb\nL\u00e4sst man an dem Apparat mit den zwei Scheiben die letzteren allm\u00e4hlich langsamer rotiren, so kommt man schlie\u00dflich zu einer Geschwindigkeit, bei der nicht mehr der Eindruck eines sich auf- und abbewegenden materiellen Punktes gewonnen wird. Andrerseits, wenn man die Scheiben anfangs ganz langsam bewegt, wobei man deutlich die einzelnen aufgezeichneten Phasen erkennt, ohne den Eindruck der Bewegung ein und desselben Punktes zu haben, und dann die Geschwindigkeit der Rotation allm\u00e4hlich vergr\u00f6\u00dfert, so gelangt man schlie\u00dflich zu einer Geschwindigkeitsgr\u00f6\u00dfe, bei der die Erscheinung der Bewegung eines Punktes sich pl\u00f6tzlich ganz zwingend aufdr\u00e4ngt. Aus dem Einfl\u00fcsse der Uebung und der sich geltend machenden Tr\u00e4gheit des Bewusstseins gegen\u00fcber dem Wechsel der Erscheinungen kann man a priori schlie\u00dfen, dass die letztere Geschwindigkeitsgrenze","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\n135\neinen Werth hat; der gr\u00f6\u00dfer ist als im ersten Falle, wo man von schneller Drehung der Scheiben ausging.\nF\u00fcr genauere Messungen in dieser Hinsicht erwies sich die Anwendung der beiden Scheiben nicht g\u00fcnstig, da eine nothwendige Bedingung f\u00fcr solche Messungen die ist, dass beide Scheiben mit derselben Geschwindigkeit, oder doch mit einem bekannten constanten Geschwindigkeitsverh\u00e4ltniss rotiren. Dies l\u00e4sst sich jedoch nur mit H\u00fclfe eines sehr genauen und complicirten Mechanismus realisiren. Deshalb ging ich bei den Messungen auf das D\u00e4daleum zur\u00fcck, wo in der That die Bilder einerseits und die Spalten andrerseits sich mit genau entgegengesetzt gleicher Geschwindigkeit bewegen. Die Au\u00dfenseite des D\u00e4daleumcylinders verband ich durch einen Schnurlauf mit einer Axe meines Uhrwerks, die einen betr\u00e4chtlich kleineren Radius besa\u00df als der Cylinder am D\u00e4daleum; dadurch wird erreicht, dass die Geschwindigkeiten dieser beiden durch den Schnurlauf verbundenen Kreiscylinder sehr verschieden sind, und zwar die des D\u00e4daleums um so viel mal kleiner als die der Walze, wie der Radius der Walze am Uhrwerk kleiner ist als der Radius des D\u00e4daleumcylinders. Man ist somit in der Lage, langsame Rotationen des D\u00e4daleums an den schnellen, bequem messbaren Umdrehungen des Uhrwerks zu messen.>)\nDas Yerh\u00e4ltniss der Geschwindigkeiten beider Walzen wurde auf folgende Weise ganz genau ermittelt. Zwei gegen\u00fcberstehende Fenster des D\u00e4daleums deckte ich mit schwarzen Papierstreifen zu, in denen je ein verticaler Einschnitt angebracht war, durch welchen man zwar nicht blicken, aber doch den Schein eines dahinter stehenden sehr hellen Lichtes wahmehmen konnte. Au\u00dferhalb des D\u00e4daleums stellte ich mittelst eines Stativs einen ebenfalls mit einem sehr feinen Einschnitt versehenen schwarzen Papierstreifen vertical auf und hinter diesen ein Licht. Dann brachte ich das D\u00e4daleum in eine solche Lage, dass man gerade durch diese 3 verticalen Einschnitte einen Lichtschimmer wahmahm ; derselbe war in der That nur in einem kurzen Moment zu sehen. Am Uhrwerk markirte ich in dieser Stellung durch ein Loth die Lage der Bildscheibe, welche direct an jener den Schnurlauf tragenden Walze befestigt war und jetzt nur den Zweck hatte, eine gleich-\n1) Hierzu benutzte ich eine Uhr, welche Zeitgr\u00f6\u00dfen bis auf 0,2\" genau abzulesen gestattete.","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nOtto Fischer.\nm\u00e4\u00dfigere Drehung der beiden Walzen herzustellen. Nun drehte ich den Cylinder des D\u00e4daleums gerade 10 mal herum, bis wieder der Lichtschimmer durch die 3 Papiereinschnitte sichtbar wurde, z\u00e4hlte dabei die Umdrehungen der Bildscheibe des Uhrwerks und ma\u00df schlie\u00dflich den Winkel, den jetzt ein in der Axe der Bildscheibe befestigtes Loth mit der urspr\u00fcnglichen, von der Anfangsstellung her markirten Lage dieses Lothes bildete.\nAuf diesem Wege ermittelte ich mit, f\u00fcr meine Messungen bei weitem hinreichender Genauigkeit als Verh\u00e4ltniss der Geschwindigkeiten beider Walzen die Zahl 22,860. Wenn also die Bildscheibe am Uhrwerk einmal herumgedreht worden ist, hat das D\u00e4daleuin erst 1 : 22,860 seiner ganzen Umdrehung vollendet; braucht die kleinere Walze r Secunden zu ihrer uAkdrehung, so dreht sich der D\u00e4daleum-cylinder erst in 22,860 . r SecuMen einmal herum. Das von mir urspr\u00fcnglich benutzte D\u00e4daleum bfesa\u00df 13 Spalten; daher werden in\ndiesem Falle die einzelnen Phasenbilder in einer Zeit von 22,860 . r\n1 O\nSecunden dem Auge dargeboten. Man braucht somit nur die Zeit t zu messen, in der sich an der gesuchten Grenze der Bewegungserscheinung die Scheibe des Uhrwerks gerade einmal herumdreht, um durch Multiplication mit 22,860 : 13 = 1,758 die Zeit zu erhalten, in der zwei aufeinanderfolgende Phasenbilder am Auge vor\u00fcber streichen. Auf die Ermittelung dieser Zeit kann es doch offenbar bei derartigen Versuchen nur ankommen. Die Zahl 1,758 ist die aus den Dimensionen des Apparates resultirende Constante des Versuchs.\nIndem ich nun die betreffenden Zeitgrenzen mit diesem Apparat ermitteln wollte, erwies sich derselbe bei wiederholten Versuchen nicht geeignet, die geringen Unterschiede zwischen den beiden Zeitgrenzen anzugeben. Das mochte eines Theils an den geringen Dimensionen, anderen Theils an der ungenauen Construction desselben liegen. Aus diesem Grunde baute ich ein D\u00e4daleum von viel bedeutenderen Dimensionen als das bisher benutzte auf. Der Durchmesser des Cylinders betrug 760 mm; auf dem Cylinder befanden sich 72 Spalten von 150 mm L\u00e4nge und 3 mm Breite, die in genau gleichen Abst\u00e4nden von 33 mm ausgeschnitten waren. Um in bequemer Weise die Anzahl der Fenster verringern zu k\u00f6nnen, hatte ich an jedem eine","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\n137\nEinrichtung angebracht, welche es gestattete, ohne M\u00fche dasselbe zu verdecken. Dieses neue D\u00e4daleum befestigte ich concentrisch auf dem alten und lie\u00df den Schnurlauf in der beschriebenen Weise von der Walze des Uhrwerks um das alte D\u00e4daleum herumgehen. Das Yerh\u00e4ltniss der Geschwindigkeiten der Umdrehung des neuen D\u00e4daleumcylinders einerseits und der Walze des Uhrwerks andrerseits blieb demnach immer noch dasselbe, n\u00e4mlich 22,860. Je nachdem aber 72, 36, 24, 18, 12 etc. Spalten am neuen D\u00e4daleum heim Versuch benutzt wurden, betrug die Const ante des Versuchs jetzt wi e man nach den fr\u00fch er en Ueberlegungen ohne weite res berechnet, bez\u00fcglich 0,3175, 0,6350, 0,9525, 1,270, 1,905 etc.\nUm die eine Zeitgrenze zu messen, versetzte ich die Scheibe des Uhrwerks in schnelle Rotation. Die Geschwindigkeit dieser Rotation nahm nur allm\u00e4hlich ah, so dass ich bequem den Zeitpunkt erwarten konnte, hei dem die Erscheinung der Bewegung eines materiellen Punktes verschwand. Die Zeit v, welche in diesem Moment die Scheibe des Uhrwerks gebrauchte, ergab dann, mit der betreffenden Constanten des Versuchs multiplicirt, die Zeitgr\u00f6\u00dfe, in welcher, unter den durch die Dimensionen des Apparates bestimmten Verh\u00e4ltnissen, zwei auf einander folgende Phasenbilder dem Auge dargehoten werden m\u00fcssen, damit wir sie gerade noch als Bewegungsphasen ein und desselben Gegenstandes deuten. Wie schon erw\u00e4hnt wurde, ist a priori zu schlie\u00dfen, dass diese Zeitgrenze t gr\u00f6\u00dfer ist als die Zeitgrenze t', welche sich herausstellt, wenn man mit langsamer Rotation beginnend die Uhrwerkscheibe allm\u00e4hlich schneller dreht. Aus diesem Grunde wollen wir \u00a3 die obere Zeitgrenze und t' die untere Zeitgrenze f\u00fcr diese Erscheinung nennen.\nEs sei gleich von vornherein bemerkt, dass ich alle im Folgenden angef\u00fchrten Beobachtungen nur mit einem Auge anstellte, da sich hei der Benutzung beider Augen die Verh\u00e4ltnisse in Folge der doppelten Netzhautbilder und der getheilten Aufmerksamkeit wesentlich compli-ciren. Sollte diese Arbeit sp\u00e4ter wieder aufgegriffen werden, so w\u00fcrden haupts\u00e4chlich diese Verh\u00e4ltnisse einer eingehenderen Untersuchung unterworfen werden m\u00fcssen.\nZur bequemeren Darstellung der Versuche soll ferner schon jetzt angef\u00fchrt werden, dass 5 verschiedene aufgezeichnete Phasenreihen","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nOtto Fischer.\neines sich auf- und abbewegenden Punktes, oder vielmehr dunkelblauen Kreises vom Durchmesser 9 mm benutzt wurden. Die auf Streifen von entsprechender Dimension gezeichneten Phasen waren in der schon fr\u00fcher angegebenen Weise auf Sinuscurven vertheilt. Der eine Streifen, den wir Aj, nennen wollen, enthielt 72 Phasenbilder auf eine Periode der Sinuscurve vertheilt, der zweite Streifen, S2, 72 Bilder auf 6 Perioden, der dritte, S3, 36 Bilder auf 3 Perioden, der vierte, \u00c4j, 24 Bilder auf 2 Perioden und der f\u00fcnfte, S5, 12 Bilder auf 1 Periode der Sinuscurve vertheilt.\nEine Messung mit H\u00fclfe des Streifens S{ f\u00fchrte zu keinem Resultat, weil dabei die Phasen zu wenig in ihrer Lage von einander verschieden waren, was bedingt, dass die Zeitgrenzen zu gro\u00df sind, als dass sie mit einiger Genauigkeit durch diesen Apparat ermittelt werden k\u00f6nnten. Wurde dagegen Streifen S2 benutzt und beim Versuch durch eine im Innern des Cylinders angebrachte Blendung nur ein auf- und abschwingender Punkt sichtbar gemacht, so ergaben sich f\u00fcr 10 Messungen der oberen Zeitgrenze die Werthe:\n0,197 Sec.\n0,210 \u00bb\n0,203 \u00bb\n0,216 \u00bb\n0,210 \u00bb\n0,203 \u00bb\n0,210 \u00bb\n0,222 \u00bb\n0,210 \u00bb\n0,210 \u00bb\nDas arithmetische Mittel davon ist 0,210 Secunden.\nAls untere Zeitgrenze stellte sich bei 10 Messungen heraus:\n0,178 Sec. 0,191 \u00bb 0,197 \u00bb 0,191 \u00bb 0,191 \u00bb 0,197 \u00bb 0,197 \u00bb 0,191 \u00bb 0,178 \u00bb 0,184 \u00bb\nwovon das arithmetische Mittel\u2019 0,189 Secunden.\nWurde die Oeffnung der Blendung so erweitert, dass 2 neben einander auf- und abschwingende Punkte zu sehen waren, so stellten sich folgende Zeitgrenzen heraus :","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\n139\nOb. Ztgr. (in Secunden) *)\n0,184\n0,191\n0,184\n0,171\n0,197\n0,191\n0,191\n0,184\n0,184\n0,184\narithm. Mittel : 0,186\"\nUnt. Ztgr. (in Secunden) 0,184 0,171\n0,171\n0,178\n0,171\n0,171\n0,178\n0,171\n0,178\n0,171\narithm. Mittel: 0.175\"\nWurden 12 neben einander schwingende Punkte sichtbar gemacht, so ergaben sich die Zahlen :\nOb. Ztgr.\nUnt. Ztgr.\n0,140\n0,140\n0,140\n0,133\n0,127\n0,127\n0,133\n0,133\n0,127\n0,127\nar. Mittel: 0,133\"\n0,102\n0,108\n0,108\n0,108\n0,108\n0,114\n0,108\n0,108\n0,108\n0,114\nar. Mittel 0,109\"\nWurde endlich die Blendung ganz entfernt, so war eine Messung\nnicht mehr m\u00f6glich, indem man bei den durch den Apparat messbaren\nGeschwindigkeiten der Rotation theils die Erscheinung vieler neben einander auf- und abschwingender Punkte hatte, theils nur den ein-\ngelegten Streifen durch die Fenster hindurch sich mit all seinen Phasenbildern herumdrehen sah. Es lag dabei ganz in der Willk\u00fcr\ndes Beobachters, sich die eine oder die andere Erscheinung zu ver-\nschaffen. Wenn man z. B. erst durch Abblenden mit der Hand eine\ngeringere Anzahl Punkte sichtbar machte und dem Apparat eine solche Umdrehungsgeschwindigkeit ertheilte, dass man diese Punkte in Bewegung sah, so konnte man stets auch nach Entfernung der vorgehaltenen Hand alle sichtbaren Punkte sich auf- und abbewegen sehen.\nAus den oben angef\u00fchrten Zahlen ist ersichtlich, dass die Bilder in um so k\u00fcrzeren Zeitintervallen vor\n1) Da alle bei den folgenden Messungen auftretenden Zahlen Secundenan-zahlen bedeuten, so soll bei ihnen die Benennung fortgelassen werden.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nOtto Fischer.\ndemAtige erscheinen m\u00fcssen, wenn man gerade die Erscheinung der Bewegung von Punkten haben will, j e mehr Punkte oder allgemein Bilder neben einander zu gleicher Zeit sichtbar sind.\nIst nur ein Punkt zu sehen, so hat man gar keine Wahl, wie man die einzelnen am Auge vor\u00fcberstreifenden Bilder einanderzuordnen soll. Wenn dagegen immer mehrere Bilder nebeneinander zu gleicher Zeit sichtbar werden, so ist bei geringer Geschwindigkeit der Rotation kein so gro\u00dfer Zwang vorhanden, gerade die Phasenbilder auf einander, oder vielmehr auf ein und denselben bewegten Punkt zu beziehen, welche successiv auf derselben Verticalen erscheinen; man hat die Wahl, die Phasenbilder auf verschiedene Weise einander zuzuordnen, da eine Bewegung, welche eine andere Zuordnung als die durch die Verticalen voraussetzt, ebenso gut m\u00f6glich ist. Erst bei gr\u00f6\u00dferer Geschwindigkeit macht sich ein Zwang geltend, bei der H\u00e4ufung der Eindr\u00fccke die Zuordnung in der einfachsten Weise zu treffen; die einfachste Art der Zuordnung war aber bei den benutzten Bilderstreifen gerade die beim Aufzeichnen der Bilder beabsichtigte. Durch dieses Wahlmoment werden nat\u00fcrlich die Zeitgrenzen verkleinert, und zwar um so mehr, je mehr Phasenbilder zu gleicher Zeit neben einander zu sehen sind. Ein bestimmtes Gesetz aus den angegebenen Zahlen ableiten zu wollen \u2014 selbst, wenn noch mehr verschiedene F\u00e4lle untersucht worden w\u00e4ren \u2014 schien mir nicht angebracht, weil das, was \u00fcber den Versuch ohne Blendung gesagt wurde, auch in gewissem Ma\u00dfe von den Versuchen gilt, bei denen nur eine geringe Anzahl neben einander schwingender Punkte sichtbar waren. Auch hierbei wird der Beobachter zum Theil willk\u00fcrlich in die Erscheinung ein greifen k\u00f6nnen.\nEine weitere Versuchsreihe hatte den Zweck, festzustellen, welchen Einfluss die Dauer der erhaltenen optischen Eindr\u00fccke auf die stroboskopischen Erscheinungen hat. Die bei allen Versuchen angewandten Bilder, die wir immer der K\u00fcrze halber als Punkte be-zeichneten, waren, wie schon erw\u00e4hnt wurde, dunkelblaue Kreise vom Durchmesser 9 mm. Die Breite der Spalten betrug 3 mm und der Durchmesser des D\u00e4daleumcylinders 760 mm. Das Auge war von der Spaltenreihe 250 mm bis 300 mm entfernt. Da die Entfernungen des Auges vom Spalt einerseits und vom Phasenbild andrerseits sich","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\t141\nnahezu wie 1 : 4 verhielten, so sah man durch den Spalt hindurch auf dem Bildstreifen ein vertical stehendes, rechteckiges St\u00fcck von 12 mm Breite. Bei der Drehung des Apparates war deshalb jedes Phasenbild in unverk\u00fcrzter Gr\u00f6\u00dfe so lange Zeit sichtbar, als ein Punkt\ndes D\u00e4daleumcylinders braucht, um einen Weg von----------- \u2014 mm zu\nbeschreiben. Die Entfernung der Spalten von einander betrug, auf der Peripherie gemessen, 33 mm; deshalb war hei den angef\u00fchrten Versuchen das Phasenbild in jedem Falle w\u00e4hrend der Zeitdauer von\n~2~935~ *~n * resp. pp f ganz in Sicht. Es wird jedoch auch noch\nein Phasenbild, von dem ein geringer Theil unsichtbar ist, in Folge von Association reproducirter Vorstellung des fehlenden Theiles genau denselben Eindruck machen wie ein vollst\u00e4ndig sichtbares Bild ; deshalb k\u00f6nnen wir in erster Ann\u00e4herung als die Zeit, in der das Phasenbild auf das Auge wirkt, ^ t resp. ~ t( annehmen.\nEs l\u00e4sst sich nun mit H\u00fclfe der Einrichtung des Apparates, um beliebige Spalten ausschalten zu k\u00f6nnen, leicht die Dauer des Eindrucks variiren. Benutzt man n\u00e4mlich nur 36 Spalten, so werden dieselben eine Entfernung von 66 mm von einander haben; demnach wird, in Folge der fr\u00fcheren Betrachtungen, jedes Phasenbild dem\n,\tl\tJ\nAuge nur eine Zeit von ^ t resp. -- t' Sec. dargeboten werden, wro\nt und t' die ein f\u00fcr allemal festgesetzte Bedeutung haben. Da wir sahen, dass die Erscheinung viel besser gelingt, wenn wir an dem zuerst benutzten Apparat den beiden Scheiben die entgegengesetzte Richtung der Rotation ertheilten, als wenn wir sie in gleicher Richtung rotiren lie\u00dfen, was ja eben einen Unterschied der Dauer des optischen Eindrucks bedingt, so k\u00f6nnen wir schon im voraus erkennen, dass die Zeitgrenzen, die sich hei den Versuchen mit 36 Spalten heraussteilen, gr\u00f6\u00dfer werden als die der ersten Versuchsreihe. Somit wird bei den folgenden Messungen sich die Dauer des Phaseneindrucks nicht genau als die H\u00e4lfte der Dauer bei der ersten Messungsreihe herausstellen, sondern gr\u00f6\u00dfer als die H\u00e4lfte. Andrerseits werden die sich hierbei ergehenden Zeitgrenzen t und t' Werthe haben m\u00fcssen, die zwar gr\u00f6\u00dfer als die der fr\u00fcheren Versuchsreihe, aber kleiner als das Doppelte der letzten sind ; denn, w\u00e4ren sie gerade","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nOtto Fischer.\ndoppelt so gro\u00df, so w\u00fcrden ja die Phaseneindr\u00fccke dieselbe Zeit dauern wie bei der ersten Versuchsreihe. Aus diesem letzteren Grunde m\u00fcssten sich dann aber nothwendig dieselben Werthe t, t! wie fr\u00fcher heraussteilen, was einen Widerspruch ergibt.\nBei den folgenden Versuchen ist durch eine Blendung immer erreicht worden, dass nur ein bewegter Punkt sichtbar war. Bezeichnet man die beiden Zeitgrenzen f\u00fcr den fr\u00fcher beschriebenen Versuch mit 72 Spalten und 72 Bildern (Streifen Si), bei dem auch nur ein Punkt sichtbar gemacht war, mit t0 und t0' [t0 = 0,210\", t0' \u2014 0,189\"), so wei\u00df man jetzt, dass ein Versuch mit 36 Spalten und 36 Bildern (Streifen S3) Zeitgrenzen ergeben wird, die zwischen t0 und 210, resp. t0' und 210' liegen Die Zeitgrenzen eines Versuches mit 24 Spalten und 24 Bildern (Streifen Si) werden, wie man durch ganz analoge Betrachtungen findet, zwischen t0 und 310, resp. t0' und 3t0' und die Zeitgrenzen beim Versuch mit 12 Spalten und 12 Bildern (Streifen Si) zwischen t0 und 4t0, resp. t0' und 4t(' gelegen sein.\nDer Versirch mit Streifen S3 und 36 Spalten ergab:\nOb. Ztgr.\n0,318\t\t0,267\n0,305\t\t0,241\n0,279\t\t0,254\n0,305\t\t0,267\n0,292\tar. Mittel:\t0,254\n0,292\t0,302\"\t0,279\n0,279\t\t0,292\n0,305\t\t0,279\n0,318\t\t0,279\n0,318\t\t0,254\nder Versuch mit Streifen <S'4\t\tund 24 Spalten:\nOb.\tZtgr.\tUn\n0,362\t\t0,324\n0,243\t\t0,305\n0,362\t\t0,305\n0,381\t\t0,324\n0,362\tar. Mittel:\t0,305\n0,381\t0,360\"\t0,324\n0,324\t\t0,343\n0,362\t\t0,324\n0,343\t\t0,324\n0,381\t\t0,343\nUnt. Ztgr.\nar. Mittel: 0,267\"\nZtgr.\nar. Mittel : 0,322\"\nund endlich der Versuch mit Streifen Sb und 12 Spalten :","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\n143\nOb. Ztgr.\n0,419\nUnt. Ztgr. 0,381 0,343 0,305 0,419 0,381 0,419\n0,381 0,381 0,381 0,381 -\neiner Dauer des\nar. Mittel: 0,377\"\nPhaseneindrucks von\n0,457 0,457 0,381\n0,457 ar. Mittel:\n0,457\t0,431\"\n0,381 0,419 0,419 0,457\nW\u00e4hrend somit hei\n0.021\" resp. 0,019\" die Zeitgrenzen 0.210\" resp. 0,189\" betragen, ergeben sich f\u00fcr die Phaseneindr\u00fccke von der Dauer:\n0,015\" resp. 0,013\" die Zeitgrenzen 0,302\" resp. 0,267\"\n0,013\" resp. 0,011\" \u00bb\t\u00bb\t0,360\"\tresp.\t0,322\"\n0,011\" resp. 0,009\" \u00bb\t\u00bb\t0,431\"\tresp.\t0,377\".\nAus diesen Zahlen ergibt sich das, nat\u00fcrlich nur approximativ g\u00fcltige, Gesetz, dass bei zwei Versuchen, die nur in der Dauer' des Eindrucks jeder einzelnen Phase auf das Auge von einander abweichen, die Zeitgrenzen sich umgekehrt verhalten wie die Zeiten, w\u00e4hrend welcher die Phasenbilder auf das Auge wirken k\u00f6nnen.\nWie fr\u00fcher (pag. 132 u. 33) erw\u00e4hnt wurde, stellelx Sich bei gro\u00dfer Geschwindigkeit der Umdrehung des Stroboskops zwei oder mehrere Punkte unter einander ein. Wiederholte Messungen der Zeitgrenzen, bei denen sich zwei Punkte untereinander einstellten, ergaben, unter Benutzung des Streifens und aller 72 Spalten, folgende Werthe: Ob. Ztgr.\tUnt. Ztgr.\n0,108 '\t0,089\n0,114\t0,095\n0,114\t0,089\n0,114\t0,095\n0,121\tar. Mittel:\t0,095\n0,114\t0,116\" 0,102\n0,114\t0,095\n0,114\t0,095\n0,121\t0,095\n0,121 .\t0,089 .\nar. Mittel: 0,094\"","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nOtto Fischer.\nDiese beiden Messungsreihen geben die Zeitgrenzen an, bei denen die unter den gegebenen Bedingungen (Dauer des Phaseneindrucks 0,012\" resp. 0,009\" u. s. w.) erhaltenen Nachbilder noch stark genug sind, um neben den directen Phaseneindr\u00fccken objectivirt werden zu k\u00f6nnen ; sie haben also ein allgemeineres psychologisches Interesse. Wollte man sich \u00fcberhaupt einmal damit besch\u00e4ftigen, zu untersuchen, in welcher Zeit unter allen m\u00f6glichen Bedingungen ein Nachbild noch so stark ist, um neben einem directen optischen Eindruck nicht zu verschwinden, so w\u00fcrde sich hierzu voraussichtlich das Stroboskop sehr gut eignen. \u2014\nNach Messungen von Plateau1) und Emsmann2) betr\u00e4gt die Dauer eines Nachbildes, welches durch einen Lichteindruck von mittlerer Helligkeit erzeugt wird, 0,3\" bis 0,35\". Da ich die Bildreihe immer durch eine innerhalb des D\u00e4daleumcylinders befindliche sehr helle Gasflamme erleuchtete, so arbeitete ich mit einer Helligkeit, die eine mittlere Gr\u00f6\u00dfe durchaus \u00fcberstieg. Bedenkt man nun, dass die Dauer der Nachwirkung in geradem Yerh\u00e4ltniss mit der Intensit\u00e4t des Gesichtseindrucks zunimmt3), so erkennt man, dass die bei allen angef\u00fchrten Versuchen gefundenen Zeitgrenzen durchweg die Maximaldauer der Nachbilder nicht \u00fcberstiegen.\nHieraus kann man schlie\u00dfen, dass nur dann eine bezweckte BewegungsVorstellung erzeugt wird, wenn immer schon eine neue Phasenfigur ihr Bild auf die Netzhaut wirft, so lange das Nachbild der vorhergehenden noch nicht ganz verschwunden ist. Es ist dabei aber nicht n\u00f6thig, dass das Nachbild noch eine so bedeutende St\u00e4rke besitzt, dass wir es neben den directen Eindr\u00fccken objectiviren, sondern es w\u00fcrde dies im Gegentheil die Vorstellung st\u00f6ren, da wir dann immer mehrere Objecte unter einander bei der Bewegung sehen m\u00fcssten. Bei einer m\u00f6glichst vollkommenen stroboskopischen Bewegungsvorstellung wirkt also vielmehr gerade der Umstand mit, dass wir die\n1)\tJ. Plateau, Dissertation sur quelques propri\u00e9t\u00e9s des impressions produites\npar la lumi\u00e8re etc. Li\u00e8ge 1829.\n2)\tEmsmann, Ueber die Dauer des Lichteindrucks. Pogg. Ann. Bd. 9L pag. 611.\n3)\tVgl. Rue te, Lehrbuch der Ophthalmologie, Bd. I, pag. 162.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\n145\nletzten Stadien des Nachbildes, die in die Phase des neuen Eindrucks her\u00fcberreichen, im allgemeinen vernachl\u00e4ssigen.\nDer obige Satz wird allgemein f\u00fcr die Entstehung der Bewegungsvorstellungen hei ruhendem Auge gelten. Von einem sich bewegenden K\u00f6rper der Au\u00dfenwelt sehen wir nicht alle Phasen der Bewegung, weil das Auge unter einer gewissen Grenze der Lagever\u00e4nderung der \u00e4u\u00dferen Dinge unempf\u00e4nglich f\u00fcr dieselben ist. Wir nehmen nun erst dann die Bewegung eines K\u00f6rpers der Au\u00dfenwelt unmittelbar wahr, wenn die Geschwindigkeit eine gewisse Grenze \u00fcberstiegen hat, n\u00e4mlich erst von dem Moment an, in dem zwei f\u00fcr unser Auge bemerkbare aufeinanderfolgende Phasen der Bewegung in k\u00fcrzerer Zeit Bilder auf die Netzhaut werfen, als das Nachbild der ersten Phase dauert. \u2014\nEs ist ferner von Interesse, zu untersuchen, wie weit die beiden noch im gen\u00fcgenden Zeitintervall erschienenen Bilder zweier aufeinanderfolgender Phasen auf der Netzhaut h\u00f6chstens von einander entfernt sein d\u00fcrfen, um doch noch den Eindruck zu erwecken, als w\u00e4ren sie Bilder zweier Bewegungsphasen ein und desselben Gegenstandes. Um zun\u00e4chst einmal einen Ueberblick \u00fcber die Resultate, die sich bei diesbez\u00fcglichen Messungen einstellen, zu gewinnen, benutzte ich das kleinere 13 fenstrige D\u00e4daleum. Den schon fr\u00fcher verwendeten Bilderstreifen mit 13 Phasen eines auf- und abschwingenden Punktes ver\u00e4nderte ich so, dass nur die verticalen Abst\u00e4nde der einzelnen Phasen von einander in entsprechenderWeise vergr\u00f6\u00dfert wurden. Um dies zu erm\u00f6glichen, zeichnete ich die Bilder auf einen in den D\u00e4da-leumcylinder passenden Papiercylinder von betr\u00e4chtlicher H\u00f6he auf, nachdem aus demselben genau in der Weise wie am D\u00e4daleumcylin-der 13 Fenster ausgeschnitten waren. Eine erste derartige Einlage, \u25a0\u00aei, hatte dieselbe H\u00f6he, eine zweite Einlage, _Z?2, nahezu die dreifache H\u00f6he als der D\u00e4daleumcylinder. W\u00e4hrend ein Messversuch mit Einlage E\u00ef schon sehr schwankende Resultate ergab, erwies sich ein solcher mit Einlage _Z?2 als unm\u00f6glich. Es zeigte sich im letzten Falle wieder, dass man nach Willk\u00fcr die Erscheinung ab\u00e4ndern konnte ; die Uebung und die Richtung der Aufmerksamkeit \u00fcben einen zu st\u00f6renden Einfluss aus, so dass man nicht im Stande ist, eine correcte Messung hierbei auszuf\u00fchren. Man hat sich daher darauf zu beschr\u00e4nken, die Zeitgrenzen f\u00fcr geringere Phasenabst\u00e4nde zu untersuchen.\n\u2019 Wundt, Philos. Studien. III.\tin","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nOtto Fischer.\nAn meinem gro\u00dfen Messapparate lassen sich auch in bequemer Weise die Phasenahst\u00e4nde innerhalb gewisser Grenzen vergr\u00f6\u00dfern. Benutzt man n\u00e4mlich den Streifen S2 (mit 72 Bildern), aber nur 36 Spalten, so wird zur Hervorrufung der Bewegungserscheinung immer nur die H\u00e4lfte der Bilder in Frage kommen, jedes einzelne wirksame Bild vom n\u00e4chsten also um einen Phasenabstand weiter entfernt sein, als heim Versuch mit 72 Spalten. Verwendet man nur 24 Spalten, so wird nur der dritte Theil der Phasenbilder auf die Erscheinung wirken u. s. f. Wenn man auf diese Art eine Vergr\u00f6\u00dferung der Phasenabst\u00e4nde hervorruft, so nimmt man allerdings dabei in Kauf, dass von der einmaligen Auf- und Abbewegung des Punktes bei 36 Spalten nur 6, bei 24 Spalten nur 4, hei 12 Spalten nur 2 Phasen vorhanden sind. Wollte man aber in der fr\u00fcheren Weise 12 Phasen haben, so w\u00fcrde die Forderung gr\u00f6\u00dferer Phasenabst\u00e4nde bedingen, dass man viel h\u00f6here Bilderstreifen benutzt, so dass man wieder mit den Spalten des Apparats in Conflict kommen w\u00fcrde.\nEine Messung mit Streifen >S2 und 36 Spalten ergab die Zeitgrenzen :\nOh. Ztgr.\nUnt. Ztgr. 0,254\n0,292\n0,305\n0,292\n0,292\n0,267\n0,267\n0,267\n0,279 ar. Mittel : 0,330\t0,302\"\n0,279 ar. Mittel: 0,279\t0,271\"\n0,305\n0,305\n0,305\n0,318\n0,267\n0,267\n0,279\n0,279\neine Messungsreihe mit 24 Spalten und Streifen S'2 '\u25a0\nOb. Ztgr.\nUnt. Ztgr.\n0,305\n0,286\n0,286\n0,286\n0,305\n0,248\n0,267\n0,248\n0,305 ar. Mittel: 0,286\t0,293\"\n0,286 ar. Mittel: 0,267\t0,272\"\n0,305\n0,286\n0,286\n0,305\n0,267\n0,286\n0,286\n0,267","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\t147\nw\u00e4hrend eine Messung mit 12 Spalten und Streifen S2 sich als illusorisch herausstellte. \u2014 Wollte man umgekehrt die Phasenabst\u00e4nde allm\u00e4hlich verkleinern, so k\u00f6nnte man dies durch weiteres Entfernen des Auges vom Apparat erreichen, nur w\u00fcrde sich dann auch der Einfluss der verminderten Deutlichkeit und Helligkeit der Bilder geltend machen.\nDie ersten beiden Zeitgrenzen (vor. S.) stimmen nahezu \u00fcberein mit denen, welche bei den Versuchen mit 36 Spalten und Streifen S3 (pag. 142) auftraten, w\u00e4hrend man doch vermuthen sollte, dass die zuletzt gefundenen Zeitgrenzen kleinere Werthe besitzen als jene, wie sich in der That im zweiten Falle beim Vergleich der Zeitgrenzen des Versuches mit 24 Spalten und Streifen S-2 einerseits und der des Versuches mit 24 Spalten und Streifen V4 andererseits herausstellt. Aus dieser Uebereinstimmung wage ich keinen Schluss zu ziehen; vielmehr glaube ich, dass dieselbe eine Folge der Uebung ist, unter den vorliegenden Verh\u00e4ltnissen die betreffende Erscheinung der Bewegung des Punktes zu sehen, so dass die fehlenden Phasenbilder unwillk\u00fcrlich reproducirt und den directen Eindr\u00fccken associirt Wurden. Beim Versuch mit 24 Spalten und Streifen S'2 macht sich eine solche Association reproducirter Vorstellungen nicht so geltend, weil zu viel Phasen gegen\u00fcber dem Versuch mit Streifen Si fehlen.\nEs geht daraus hervor, dass man h\u00f6chstens durch sehr sorgf\u00e4ltige, alle m\u00f6glichen Nebenumst\u00e4nde ber\u00fccksichtigende Versuche in der Lage sein wird, die Maximalabst\u00e4nde der Phasenbilder auf der Netzhaut, bei denen gerade noch die Erscheinung sich einstellt, zu messen. Es ist daher anzurathen, erst sp\u00e4ter, nachdem man l\u00e4ngere Zeit keine Versuche angestellt hat, diese Messungen wieder aufzugreifen. Erw\u00e4hnen will ich nur noch, dass auch sehr viel Einfluss auf diese Maximalentfernung der Abstand der vorausgehenden Phasenbilder hat. Je geringer der letzte, desto kleiner wird die Maximalentfernung der Phasenbilder auf der Netzhaut sein. Wenn ich z. B. von einem auf- und abw\u00e4rtsschwingenden Punkte nur die \u00e4u\u00dfersten Phasen auf die Bildscheibe des Scheibenapparats aufgezeichnet hatte, so nahm Ich, sofern die Radiendifferenz beider Phasenbilder eine gewisse Gr\u00f6\u00dfe, die ziemlich variabel war, nicht \u00fcberstieg, immer noch eine stetige Bewegung ein und desselben Punktes wahr. Zeichnete ich dagegen in gleichen Abst\u00e4nden in den Raum zwischen die oberste und\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nOtto Fischer.\nunterste Phase eine Anzahl Zwischenphasen ein, dagegen nicht in den folgenden Kaum zwischen die unterste und oberste Phase (vgl. Fig. \u00df) so sah ich nicht mehr einen einzigen Punkt auf- und absteigen, sondern es schienen fortw\u00e4hrend neue Punkte in einer gewissen H\u00f6he aufzutauchen und herunterzufallen. Derartige Versuche habe ich eine gro\u00dfe Anzahl angestellt, um die oben angef\u00fchrte Bemerkung zu verificiren.\nEs lag nun nahe, zu untersuchen, ob die Nachbilder, welche die stroboskopischen Erscheinungen vermitteln, unter Umst\u00e4nden com-plement\u00e4r ausfallen k\u00f6nnen. So zahlreiche Versuche aber auch in dieser Hinsicht mit verschiedenfarbigen Punkten von mir angestellt worden sind, so habe ich doch in keinem einzigen Falle ein comple-ment\u00e4r gef\u00e4rbtes Nachbild beobachten k\u00f6nnen. Der Lichteindruck ist bei allen diesen Erscheinungen so kurz, dass nur ein gleichfarbiges Nachbild entstehen kann.l) \u2014\nBei den beschriebenen Versuchen hatte ich immer die schwarze Seite der Spaltscheibe dem Auge zugekehrt. Jetzt drehte ich die Spaltscheibe um, brachte sie also so vor die Bildscheibe, dass das Auge stets die wei\u00dfe Seite erblickte, und versuchte alle die beschriebenen Experimente am Scheibenapparat unter dieser Modification zu wiederholen. Das Resultat war jedoch geradezu null; ich sah nur zuweilen einmal einen ganz schwachen Punkt durch die wei\u00dfe Scheibe hindurch aufleuchten, sonst aber absolut nichts. Die Netzhaut wird n\u00e4mlich dabei zu sehr durch die helle Seite der Spaltscheibe, von der fortw\u00e4hrend Lichtstrahlen in\u2019s Auge fallen, afficirt, so dass sie f\u00fcr so kurz dauernde Lichteindr\u00fccke, wie sie hier auftreten, ganz unempf\u00e4nglich geworden ist. Jetzt erkl\u00e4rte es sich mir auch, warum beim D\u00e4daleum die Au\u00dfenseite immer mit einem schwarzen Lack \u00fcberzogen ist, und warum man ferner mit einer Bildscheibe nicht durch einen ruhenden Spalt die Erscheinungen bekommen kann. Der Grund f\u00fcr letzteres liegt eben darin, dass in jedem Zeitintervall zwischen zwei auftretenden Phasenbildern das Auge durch die zwischen beiden Phasenbildern liegende wei\u00dfe Farbe zu sehr gereizt wird. Dies brachte mich auf den Gedanken, dass man unter Umst\u00e4nden doch dieselbe\n1) Vgl. Wundt, Grundz\u00fcge der physiolog. Psychologie, 2. Auflage, Bd. L pag. 435.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\n149\nErscheinung bei ruhendem Spalt haben m\u00fcsste, n\u00e4mlich, wenn die Zwischenr\u00e4ume zwischen zwei Phasenbildern dunkel erscheinen. Ich nahm daher geradezu eine schwarze Scheibe, versah dieselbe mit L\u00f6chern, welche genau die Phasen eines auf- und abschwingenden Punktes darzustellen geeignet waren, und legte sie auf eine wei\u00dfe Papierscheihe auf, so dass ich jetzt im Besitze einer schwarzen Bildscheibe mit wei\u00dfen Punkten war. Beobachtete ich dann die letztere w\u00e4hrend der Rotation durch einen dicht davor angebrachten ruhenden Spalt, so sah ich, wie ich vermuthet hatte, einen sich auf- und \u00e4bbe-wegenden wei\u00dfen Punkt; dass derselbe etwas lichtschwach war, r\u00fchrte offenbar daher, dass man den ruhenden Spalt ziemlich nahe an die Bildscheihe bringen musste, damit man nicht einen viel breiteren Raum von letzterer sah, als der Durchmesser eines solchen wei\u00dfen Punktes betrug (sonst w\u00fcrde nat\u00fcrlich der Punkt verzerrt erscheinen m\u00fcssen) ; dadurch wurde aber der Bildscheihe nicht so viel Licht zugef\u00fchrt , als zunl klaren Erkennen n\u00f6thig ist. Man k\u00f6nnte letzteres gewiss erreichen, indem man die L\u00f6cher transparent durch eine dahinter stehende helle Flamme erleuchtet.\nDas Resultat der angef\u00fchrten Untersuchungen l\u00e4sst sich mit folgenden Worten resumiren :\n\u00bbUm die Bewegung eines Gegenstandes k\u00fcnstlich nachzuahmen, ist nothwendig und hinreichend, dass man in kurzer Aufeinanderfolge von verschiedenen, nahezu in gleichen, nicht zu gro\u00dfen Abst\u00e4nden liegenden Phasen der Bewegung desselben kurze Lichteindr\u00fccke bekommt, und dass das Auge in der Zwischenzeit durch keine anderen Lichtreize afficirt wird.\u00ab\nSind diese Bedingungen erf\u00fcllt, dann verschmelzen die verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasenbilder auf der Netzhaut zu der Vorstellung der Bewegung ein und desselben Gegenstandes.\nWir hatten bisher angenommen, dass beide Scheiben mit derselben Geschwindigkeit bewegt werden. Wenn man nun die erste Scheibe pl\u00f6tzlich etwas schneller oder langsamer bewegt, was man bei der beschriebenen Einrichtung ja vollst\u00e4ndig in der Hand hat, so bewegt sich der Punkt nicht mehr geradlinig auf und ab, sondern in einer Sinuslinie vorw\u00e4rts oder r\u00fcckw\u00e4rts, je nachdem die vordere","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nOtto Fischer.\nScheibe etwas schneller oder langsamer als die Bildscheibe, aber immer in entgegengesetzter Richtung, bewegt wird. Es wird nicht n\u00f6thig sein, auf diese Erscheinungen n\u00e4her einzugehen, da man sie sich in jedem Falle vorher ganz genau theoretisch construiren kann. Erw\u00e4hnen will ich nur noch, dass man beim D\u00e4daleum ein solches Vor- und R\u00fcckw\u00e4rts schreiten dadurch bewirkt, dass man die Anzahl der Bilder etwas gr\u00f6\u00dfer oder kleiner nimmt als die Anzahl der Spalten. Hierbei ist jedoch vorausgesetzt, dass die Anzahl der Bilder nicht gerade ein Vielfaches der Zahl n der Spalten ist ; denn hat man allgemein k. n Figuren, wo k eine ganze Zahl ist, so ist der Unterschied der Erscheinungen, welche verschiedenen Werthen von k entsprechen, nur der, dass man immer h. m Punkte sich auf- und abbewegen sieht, wenn bei k = 1 scheinbar m Punkte die Bewegung ausf\u00fchrten,\nHat man auf der Bildscheibe m Phasenbilder, w\u00e4hrend die Anzahl der Spalten der Spaltscheibe n ist, so kann man dieselben Erscheinungen hervorrufen, die man bei gleicher Anzahl von Bildern und Spalten bekam, wenn man die Geschwindigkeiten beider Scheiben so einrichtet, dass sie im Verh\u00e4ltniss n : m stehen.\nDie zahlreichen Erscheinungen, welche man einerseits durch Ver\u00e4nderung der Geschwindigkeiten beider Scheiben, andererseits durch Ver\u00e4nderung der Anzahl der Bilder oder der Spalten hervorrufen kann, lassen sich alle mit mathematischer Genauigkeit vorausbestimmen; sie geh\u00f6ren mehr einem Capitel der Kinematik an, als dass sie in einer psychologischen Analyse der stroboskopischen Erscheinungen ihren Platz finden m\u00fcssen ; daher werden wir hier auch nicht weiter auf dieselben eingehen.\nWh- wollen endlich noch kurz die Aenderung der Erscheinungen anf\u00fchren, wenn wir statt der Seite S unserer eingangs beschriebenen Bildscheibe (pag. 3) die Seite G zur Sichtbarmachung der Phasen des schwingenden Punktes verwendeten. Solange man nur eine geringe Anzahl Phasen sichtbar macht, etwa 12, ist keine Modification der Erscheinung mit Seite S zu merken; sobald man aber die Phasenanzahl vermehrt, etwa auf 24, 36 u. s. w., wobei man die vordere Scheibe zur Erzeugung einer geradlinigen Bewegung entweder genau so schnell, oder etwa nur halb, ein Drittel u. s. w. so schnell als die Bildscheibe dreht, so sieht man nicht mehr ein so stetiges Auf- und Absteigen, wie bei Benutzung der Seite S, sondern der Punkt scheint","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\t151\nin den beiden \u00e4u\u00dfersten Phasen immer gewaltsam zur\u00fcckgesto\u00dfen zu werden. Es ist das dieselbe Erscheinung als die, welche sich einstellt, wenn man w\u00e4hrend der Eisenbahnfahrt das scheinbare Auf- und Absteigen der Telegraphendr\u00e4hte beobachtet ; sobald eine Telegraphenstange vorbeiflieht, scheint der bewegte Draht immer gewaltsam in seiner Bewegung gest\u00f6rt zu werden. Es r\u00fchrt dies jedenfalls daher, dass wir gew\u00f6hnt sind, in der Natur immer nur stetige Bewegungen zu beobachten, und eine derartige Unstetigkeit in der Bewegung, wie sie bei den angef\u00fchrten Erscheinungen auftritt, f\u00fcr uns etwas Ungewohntes, sogar Unlustgef\u00fchl Erregendes an sich hat.\nDie stroboskopischen Erscheinungen sind von mir deshalb einer Untersuchung unterworfen worden, weil ich in der ganzen Literatur \u00fcber diesen Gegenstand fast immer nur Andeutungen \u00fcber die Anwendbarkeit des Stroboskops, selten aber \u00fcber die psychologische Bedeutung desselben vorfand. Der Einzige, der haupts\u00e4chlich auf letztere eingegangen ist, scheint Stricker gewesen zu sein. Diebetreffende Arbeit von Stricker1) muss um so mehr an dieser Stelle Ber\u00fccksichtigung finden, als der Verfasser derselben gerade in den stroboskopischen Erscheinungen einen Hauptbeleg findet f\u00fcr seine neue Theorie der Bewegungsvorstellungen ; letztere h\u00e4lt er selbst f\u00fcr eins der wichtigsten Probleme der Philosophie. Der betreffende Abschnitt der Stricker\u2019sehen Arbeit ist \u00fcberschrieben: \u00bbDas Stroboskop, ein Apparat, um die Association von Muskelgef\u00fchlen mit Sinneswahrnehmungen zu erweisen\u00ab.2)\nStricker wendet sich haupts\u00e4chlich gegen die nahe liegende Annahme, dass die verschiedenen Phasenbilder auf der Netzhaut die Bewegungsvorstellung ausl\u00f6sen, und glaubt einen Hauptbeweis f\u00fcr seine Behauptung darin zu finden , dass man die Scheinbewegung der gemalten Figuren (er arbeitete nur mit complicirten Phasenbildern, wie die von springenden M\u00e4nnchen, nach Kugeln schnappenden Hunden u. s. w.) nicht auch bekommt, wenn man direct den bewegten Streifen im D\u00e4daleum anblickt, oder wenn man den Streifen an die Au\u00dfenseite aufklebt3) und direct oder etwa durch eine Papierrolle\n1)\tStudien \u00fcber die Bewegungsvorstellungen, Wien 1882.\n2)\t1. c. pag. 28.\n3)\t1. c. pag. 30.","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nOtto Fischer.\nbeobachtet. Weshalb dies nicht sein kann, wenn die Figuren auf einen wei\u00dfen Streifen gemalt sind, wie es bei den von Stricker benutzten Phasenbildern der Fall war, haben wir oben gesehen; wir haben zu gleicher Zeit kennen gelernt, unter welchen Umst\u00e4nden man auch durch einen ruhenden Spalt die Erscheinung beobachten kann. Eine Papierrolle w\u00fcrde schon deshalb untauglich sein, weil man dann eben jede Figur so lange im Gesichtsfeld beh\u00e4lt, dass sie auf Kosten der Deutlichkeit verbreitert erscheinen muss.\nStricker behauptet nun, dass die Bewegungsvorstellung am Stroboskop nur dadurch hervorgerufen wird, dass uns die verschiedenen vor dem Auge vor\u00fcberziehenden Phasen zwingen, unsere Augen ganz in der Weise zu bewegen, wie es ein fixirendes Verfolgen des auf-und abspringenden M\u00e4nnchens erfordern w\u00fcrde, und dass uns nur die Muskelgef\u00fchle, die dabei ausgel\u00f6st werden, zu der Bewegungsvorstellung veranlassen. Er behauptet in Folge dessen sogar, dass die T\u00e4uschung nicht eintritt, wenn die Augen sich nicht den gezeichneten Phasen entsprechend bewegen.1) Dieser Punkt der Stricker\u2019sehen Theorie erschien mir am meisten anfechtbar. Ich construirte daher eine Spaltscheibe, die kleiner war als die Bildscheibe meines Apparats, so dass man in bestimmter Entfernung durch die n Spalten hindurch gerade den ganzen bemalten Kreisring der Bildscheibe auf einmal \u00fcbersehen konnte, d. h. also zum Theil im indirecten Sehen. Auf der Bildscheibe selbst brachte ich die Phasen eines auf- und abschwingenden Punktes so an, dass sie auf dem St\u00fcck einer Sinuslinie lagen, welche nicht wie fr\u00fcher einen Wellenberg und ein Wellenthal, um mich so auszudr\u00fccken, umfasste, sondern deren je 2. Betrachtete ich dann die beiden rotirenden Scheiben, etwa den Drehpunkt der vorderen fixirend, so sah ich zu gleicher Zeit 2n Punkte sich auf- und abbewegen, und zwar so, dass zwei diametral gegen\u00fcberliegende sich immer zu gleicher Zeit vom Centrum\u2018entfernten. Es bewegten sich somit, da n = 12 war, 24 Punkte in 24 verschiedenen Richtungen, die unter gleichen Winkelabst\u00e4nden vom Centrum ausliefen resp. in demselben zusammentrafen. Dies widerspricht aber offenbar der Hypothese von Stricker; denn w\u00e4re dieselbe zutreffend, so m\u00fcssten sich die Augen zu gleicher Zeit in 24 verschiedenen Richtungen bewegen k\u00f6nnen.\n1) 1. c. pag. 33.\n!","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\n153\nWir sahen, welche wichtige Rolle zur Hervorrufung der stroboskopischen Erscheinungen die einzelnen Fenster spielten. Wenn nun Stricker zum Schluss seiner sich auf das Stroboskop beziehenden Auseinandersetzungen sagt:1) \u00bbWarum die Augenbewegung gerade durch die Fenster angeregt wird, will ich hier nicht er\u00f6rtern; das ist eine Angelegenheit, die gar nicht hierher geh\u00f6rt u. s. w.\u00ab, so zeigt dies, dass Stricker das wahre Wesen der stroboskopischen Erscheinungen verkennt und dass er den angefangenen Versuch einer Erkl\u00e4rung dieser Erscheinungen am Ende wieder aufgibt.\nAuf die vielfachen physikalischen Anwendungen, welche die stroboskopischen Scheiben erfahren haben, n\u00e4her einzugehen, ist hier nicht der Ort ; es w\u00fcrde das zu weit von meinem eigentlichen Thema abschweifen. Ich will nur kurz erw\u00e4hnen, dass Plateau und Doppler2) unabh\u00e4ngig von einander die Anwendung derselben f\u00fcr die Analyse der Oscillation rasch vibrirender K\u00f6rper gezeigt haben, und T\u00f6pler3) dieselben zuerst zur Untersuchung der singenden Flammen verwandte. Poppe4 5) benutzte das stroboskopische Princip zur Darstellung der Interferenzfiguren und stehenden Gebilde feiner regelm\u00e4\u00dfiger Wellensysteme tropfbarer Fl\u00fcssigkeiten, und Magnus8) zur Analyse des ausflie\u00dfenden Wasserstrahls. M \u00fc 11 er6 *) in Freiburg endlich verwandte die stroboskopische Scheibe dazu, durch geeignete Zeichnungen Wasserwellen, stehende und fortschreitende Seilwellen, fortschreitende Schallwellen, stehende Luftwellen in offenen und gedeckten Pfeifen u. s. f. darzustellen. \u2014 Bisher hat man sich nur mit der Darstellung periodischer Bewegungen besch\u00e4ftigt; ich halte es jedoch nicht f\u00fcr unm\u00f6glich, sich auch aperiodische Bewegungen mit H\u00fclfe der stroboskopischen Scheiben zu verschaffen. Zu diesem Zwecke k\u00f6nnten wir beispielsweise unsere Bildscheibe mit der aufge-\n1)\t1. c. pag. 33.\n2)\tAbhandlungen der b\u00f6hmischen Gesellschaft der Wissenschaften, V. Folge, Bd. 3.\n3)\tT\u00f6pler, Das Princip der stroboskopischen Scheiben als vortheilhaftes H\u00fclfsmittel zur optischen Analyse t\u00f6nender K\u00f6rper. Pogg. Ann. Bd. 128, pag. 108.\n4)\tPoppe, Das verbesserte Interferenzoskop. Pogg. Ann. Bd. 88. pag. 223.\n5)\tMagnus, Hydraulische Untersuchungen. Pogg. Ann. Bd. 106, pag. 18.\n6)\tJ. M\u00fcller, Anwendung der stroboskopischen Scheibe zur Versinnlichung\nder Grundgesetze der Wellenlehre. Freiburg, 1846. Pogg. Ann. Bd. 67, pag. 271.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nOtto Fischer.\nzeichneten Sinuscurve verwenden. Wir machten fr\u00fcher durch Auflegen einer wei\u00dfen Spaltscheibe die Phasen eines sich bewegenden Punktes sichtbar; man k\u00f6nnte ja nun auch die wei\u00dfe Spaltscheibe in eine Rotation versetzen, welche unabh\u00e4ngig von der der Bildscheibe ist, dann w\u00fcrden immer neue Phasenbilder zum Vorschein kommen. Denkt man sich die vordere, schwarze Spaltscheibe in einer bestimmten Richtung mit der Geschwindigkeit v bewegt, die wei\u00dfe Spaltscheibe, welche sich dicht vor der Bildscheibe befindet, und welche den Zweck hat, die Phasen sichtbar zu machen, dagegen in eine Rotation der Geschwindigkeit \u2014v versetzt, so wird man eine aperiodische Bewegung sehen, wenn man au\u00dferdem der Bildscheibe eine eigne Rotation ertheilt, deren Geschwindigkeit w mit v incommensurabel ist. Auf diese Weise lie\u00dfen sich vielleicht auch genauere Messungen betreffs der Vergr\u00f6\u00dferung der Phasendifferenz anstellen.\nIch schlie\u00dfe diese Untersuchungen mit der kurzen Erw\u00e4hnung einer Erscheinung, die mich selbst schon seit l\u00e4ngerer Zeit besch\u00e4ftigte und welche, wie ich jetzt glaube nach weisen zu k\u00f6nnen, im Grunde dieselbe Erscheinung ist, die wir am Stroboskop wahrnehmen.\nGeht man an zwei hintereinander stehenden Staketenz\u00e4unen vor\u00fcber, so sieht man an dem vorderen Zaun oder zwischen beiden im Allgemeinen aufrechtstehende Scnatten, ungef\u00e4hr von der Gr\u00f6\u00dfe und Form dreier nebeneinander gelegter Staketenst\u00e4be, mit einer gewissen Geschwindigkeit hingleiten, welche die, mit der sich die beiden Z\u00e4une scheinbar an einander verschieben, weit \u00fcbertrifft. Sehr h\u00e4ufig kommt es vor, dass diese Schatten sich w\u00e4hrend der Bewegung schief und schiefer stellen und zugleich breiter werden, bis sie sich endlich horizontal legen und gleichsam an einer Stelle des Zauns sich in den Erdboden hineinschieben. Nach einer solchen Stelle kommen auch von der anderen Seite in entgegengesetzter Richtung eben solche Schatten hingelaufen, um desgleichen im Erdboden scheinbar zu verschwinden. Die beschriebene Erscheinung ist so oft in der Natur zu beobachten und gewiss schon von den meisten Menschen beobachtet worden, dass ich mich wohl nicht weiter hei der Beschreibung aufzu-h\u00e4lten brauche, sondern gleich zur Erkl\u00e4rung \u00fcbergehen kann.\nDasPrincip, nach welchem derartige Erscheinungen entstehen, l\u00e4sst sich am besten an einem m\u00f6glichst einfachen Fall darlegen. Wir","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\n155\nwollen annehmen, die Staketenst\u00e4be stehen alle genau parallel, also etwa vertical, und die Breite jedes einzelnen Stabes beider Z\u00e4une sei durchweg dieselbe und zwar ebenso gro\u00df als die Breite des Zwischenraums zwischen zwei aufeinander folgenden St\u00e4ben. Die Entfernung des vorderen Zauns vom eignen Standort m\u00f6ge sich zu der Entfernung beider Staketenz\u00e4une von einander wie 4 : 1 verhalten.\nVersehen wir die aufeinander folgenden Staketenst\u00e4be des vorderen wie des hinteren Zauns von einer bestimmten Stelle ab mit fortlaufenden Nummern, so werden sich in einem bestimmten Moment etwa die Eindr\u00fccke der St\u00e4be 1, 5, 9 etc. des vorderen Zauns mit denen je zweier St\u00e4be, bez. 1, 2; 6, 7; 11, 12 etc. des hinteren Zauns zu einem neuen Eindruck verbinden, den wir gew\u00f6hnlich als einen \u00fcber den vorderen Zaun ausgebreiteten oder zwischen beiden Z\u00e4unen schwebenden Schatten deuten.1) Solche Schatten stellen sich auch ein, nur in viel complicirterer Form, wenn man zwei Drahtgitter \u00fcbereinander-h\u00e4lt. Sie beruhen darauf, dass die beiden Staketenz\u00e4une, resp. die beiden Drahtgitter verschiedene Entfernung vom Auge besitzen, und man deshalb nicht im Stande ist, beide zu gleicher Zeit deutlich zu sehen. Fixirt man einen Punkt des vorderen Zauns, so sieht man die Punkte des hinteren in Zerstreuungskreisen und umgekehrt. Fixirt man einen Punkt zwischen beiden Z\u00e4unen, so sieht man die St\u00e4be beider Z\u00e4une undeutlich und verbreitert. Die Anzahl und Gr\u00f6\u00dfe dieser Schatten ist sowohl Function des Abstandes der beiden Staketenz\u00e4une von einander als auch Function des Abstandes des Beobachters vom vorderen Zaun. Bewegt sich der Beobachter nun fort2), so werden sich die beiden Z\u00e4une gegen einander verschieben, so dass momentan die beiden Schatten verschwinden; die Combination der beiden Z\u00e4une befindet sich etwa dann in einem solchen Stadium, wq wir keine merklichen Schatten erkennen. Im n\u00e4chsten Moment werden sich wieder neue Schatten und zwar an den Stellen der St\u00e4be 2, 6, 10 etc. des vorderen Zauns bilden; dabei sind jetzt die hinteren\n1} Dabei ist stillschweigend die f\u00fcr die Erkl\u00e4rung dieser Erscheinungen unwesentliche Voraussetzung gemacht, dass die vorderen Basiskanten der St\u00e4be beider Z\u00e4une bez. nicht in gerader Linie, sondern auf zwei concentrischen Kreisen liegen, m deren gemeinsamen Mittelpunkt der Beobachter sich befindet.\n2) resp. dreht er sich bei unserer Voraussetzung etwas um seine eigene Axe, so dass er im Mittelpunkt der beiden concentrischen Kreise bleibt.","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156 Otto Fischer. Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen.\nSt\u00e4be 2, 3; 7, 8; 12, 13 etc. wirksam, wovon man sich durch Aufzeichnen der beiden Z\u00e4une leicht \u00fcberzeugen kann. Wir deuten nun diese neuen Schatten beziehungsweise als neue Phasen der Bewegung der fr\u00fcher aufgetretenen Schatten, so dass wir jetzt verstehen, wie bei weiterem Fortschreiten die Vorstellung der sich bewegenden Schatten entsteht. Dies geschieht ganz auf dieselbe Weise wie bei den Bewegungserscheinungen, die man mit H\u00fclfe der stroboskopischen Scheiben hervorruft.\nDie Annahme, die wir \u00fcber die gegenseitige Stellung der einzelnen St\u00e4be beider Z\u00e4une zu einander machten, trelfen nun in Wirklichkeit gew\u00f6hnlich nicht zu ; so werden in den meisten F\u00e4llen die St\u00e4be beider Z\u00e4une nicht genau parallel stehen, was zur Folge hat, dass die Schatten sich schief stellen u. s. w. Auf diese Einzelheiten soll hier nicht weiter eingegangen werden; es lag nur in meiner Absicht, das Princip anzuf\u00fchren, nach welchem alle diese Erscheinungen erkl\u00e4rt werden m\u00fcssen.","page":156},{"file":"p0691table2.txt","language":"de","ocr_de":"TaM.\nWundt, Philosophische Studiere .HI, Band.\no bedeuteti roter Punkt, cd blauer Punkt/.\nroter Punkt, cd blauer Punkt, \u00a9 violetter Punkt.","page":0}],"identifier":"lit4542","issued":"1886","language":"de","pages":"128-156","startpages":"128","title":"Psychologische Analyse der stroboskopischen Erscheinungen","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:20:44.859671+00:00"}