Open Access
{"created":"2022-01-31T14:22:10.289835+00:00","id":"lit4543","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Nedich, Ljubomir","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 3: 157-194","fulltext":[{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren\nenglischen Logik.\nVon\nLjubomir Nedich.\nIn vorliegender Abhandlung wurde der Versuch gemacht, die Lehre von der Quantification, so wie dieselbe von Hamilton ausgebildet worden, in ihren Hauptmomenten darzustellen. Die hohe Bedeutung, die seine Lehre in der Folge erlangte, sowie der Umstand, dass dieselbe in Deutschland wenig bekannt geworden, lie\u00df einen solchen Versuch als einen vielleicht nicht ganz ungerechtfertigten erscheinen. Dabei wurde der Schwerpunkt der Darstellung nach der theoretischen Seite der Doctrin verlegt, was wohl keiner besonderen Rechtfertigung bedarf. Bei derjenigen Auffassung \u00fcber die Aufgabe der Logik, die sich immer mehr Bahn bricht, und nach der sie eine Wissenschaft vom Denken, nicht aber eine Anleitung zu demselben ist, konnte den technischen Vortheilen, die die Lehre von der durchgehenden Quantification bietet, unm\u00f6glich die Bedeutung beigemessen werden, die ihr Urheber denselben gesichert wissen wollte. Sie wurden auch nur insofern ber\u00fchrt, als es der Zusammenhang und die Vollst\u00e4ndigkeit der Darstellung nothwendig erheischte.\nNeben der Darstellung der Lehre wurden Einw\u00e4nde, die ihr von verschiedenen Seiten, besonders aber von Hamilton\u2019s Gegner Mill zu theil geworden, ber\u00fccksichtigt und auf ihre Richtigkeit zu pr\u00fcfen versucht.\nSchlie\u00dflich suchte der Verfasser die Quantification des Pr\u00e4dicats vom Standpunkte unserer heutigen Wissenschaft zu beleuchten, was\ni","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nLjiibomir Nedich.\nin Anlehnung an die von Professor Wundt vertretenen Ansichten \u00fcber quantitative Determination im Allgemeinen geschah.\nI. Einleitende Bemerkungen.\nDie neuere englische Logik l\u00e4sst in ihrem Entwickelungsgange zwei, wenn auch nicht entgegengesetzte, so doch von einander wesentlich verschiedene Richtungen erkennen : einerseits die inductive, die in J. St. Mill ihren hervorragendsten Vertreter gefunden, andererseits aber die von der Lehre vom quantificirten Pr\u00e4dicat ausgegangenen, oder dieses doch zur Voraussetzung habenden Bestrebungen auf dem Gebiete der formalen Logik. W\u00e4hrend erstere einer Auffassung der Logik als streng formaler Disciplin sich entfremdet und auf die Ausbildung der Methoden wissenschaftlicher Untersuchung das Hauptgewicht legt, bewegen sich die letzteren, wie bereits angedeutet, alle auf dem formalen Gebiete. S\u00e4mmtliche Logiker dieser Richtung bekennen sich zur formalen Schule ; sie m\u00f6gen in einzelnen wesentlichen Punkten von einander abweichen, \u00fcber die Aufgabe ihrer Wissenschaft sind sie xllle einig. Sie ist ihnen formale, normative Disciplin, deren Aufgabe es ist, die \u00bbnothwendigen\u00ab Gesetze des Denkens zu untersuchen und Normen f\u00fcr den richtigen Ablauf desselben festzustellen.\nMan pflegt gew\u00f6hnlich die inductive Logik Mill\u2019s als das eigentlich specifisch englische System zu betrachten, und es l\u00e4sst sich auch nicht leugnen, dass von allen in der neueren Zeit in England aufgekommenen Systemen gerade dieses den Traditionen der englischen Philosophie am meisten entspricht. Seit Baco\u2019s Zeiten erblickte dieselbe in der Erweiterung des Wissens von der Natur und in der Ausdehnung der Macht des Menschen \u00fcber dieselbe ihre eigentliche Aufgabe ; und ebenso wie B a c o glaubte, den unfruchtbaren Scholasticismus seines Zeitalters durch eine Philosophie positiveren Charakters ersetzen zu m\u00fcssen, versuchte es der letzte nationale Philosoph Englands, an Stelle der bisherigen dialektischen Spitzfindigkeiten eine den praktischen Bed\u00fcrfnissen der Wissenschaften entgegenkommende inductive Logik zu setzen. Was Baco f\u00fcr die Philosophie \u00fcberhaupt, that Mill speciell f\u00fcr die Logik. Er befreite sie von dem leeren Formalismus, der sie seit Jahrhunderten beherrschte, und suchte eine den Anforderungen der modernen Wissenschaft gem\u00e4\u00dfere Behandlung derselben anzubahnen. Dabei ist er durch und durch Empirist; auf jeder Seite seines Buches","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik. 159\nliest man den englischen common sense. Insofern w\u00e4re es auch nicht unrichtig, sein System als ein in gewissem Sinne typisch-nationales zu bezeichnen. Es w\u00e4re jedoch verfehlt, wollte man dasselbe deshalb als das in der englischen Logik herrschende betrachten ; im Gegentheil, es lie\u00dfe sich vielleicht eher nachweisen, dass der Einfluss der induc-tivenLogik vielmehr in Abnahme begriffen sei1), wie denn \u00fcberhaupt die englische Philosophie in ihren j\u00fcngsten Erscheinungen vielfach sich von ihrem traditionalen Empirismus abgewandt hat.\nViel bedeutsamer als die inductive Richtung Mill\u2019 s, war f\u00fcr die Entwickelung der englischen Logik der Gegenwart jene andere Richtung, die einer formalen Auffassung der Wissenschaft huldigt und zum Ausgangspunkte das durchgehends quantificirte Pr\u00e4dicat hat. In den vierziger Jahren zuerst aufgebracht, sollte die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats nach den Worten ihres Urhebers, Hamilton, die alte Aristotelische Logik vervollst\u00e4ndigen und zu einer neuen Analytik der Denkformen verhelfen. Zwar ist diese neue Analytik, als deren Grundprincip das durchgehends und ausdr\u00fccklich quantificirte Pr\u00e4dicat bezeichnet wurde, nicht zu Stande gekommen, doch sind von diesem aus durch eine Reihe hervorragender M\u00e4nner andere, viel bedeutsamere Fortschritte angebahnt worden, die der logischen Wissenschaft neue, bis dahin ungeahnte Gebiete der Forschung erschlossen haben. Wenn man auch Je von s, der die\u2019Quantification des Pr\u00e4dicats \u00bbdie fruchtbarste Entdeckung nennt, die seit des Aristoteles Zeiten in der abstracten logischen Wissenschaft gemacht worden,\u00ab2) nicht unbedingt Recht geben mag, so l\u00e4sst es sich doch nicht leugnen, dass dieselbe f\u00fcr die Entwickelung, wenigstens der englischen Logik der Gegenwart, von epochemachender Bedeutung gewesen. Mag man also die inductive Logik J. St. Mill\u2019s als das englische System par excellence bezeichnen \u2014 Thatsache ist, dass es die von der Lehre vom quantificirten Pr\u00e4dicat, mittelbar und unmittelbar ausgegangenen Systeme sind, welche gegenw\u00e4rtig die logische Forschung in England beherrschen.\n1)\tCharakteristisch ist in dieser Hinsicht die Kritik der Mill\u2019sehen Logik von W. St. Jevons, J. St. Mill\u2019s philosophy tested, in der Contemporary Review, Heft f. Dec. 1877, und f. Jan. u. April 1878.\n2)\tSiehe W. St. Jevons, who discovered the quantification of the predicate, in der Contemp. Rev. Heft f. Mai 1873. p. 723.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nLjubomir Nedich.\nEs kann nicht meine Absicht sein, hier alle diese verschiedenen Richtungen und Systeme, die sich aus der Lehre vom quantificirten Pr\u00e4-dicat heraus entwickelt haben, zu er\u00f6rtern, da dieses den Umfang vorliegender Schrift bedeutend \u00fcberschreiten w\u00fcrde. Ich werde mich daher darauf beschr\u00e4nken, die urspr\u00fcngliche Lehre, die sie alle zur Voraussetzung haben, in ihren Grundz\u00fcgen darzustellen und kritisch zu beleuchten, sowie den Zusammenhang zwischen ihr und jenen nachzuweisen. Auch werden wir auf die immer noch unentschiedene Frage von der Priorit\u00e4t der Entdeckung und Begr\u00fcndung der Quantification des Pr\u00e4dicats etwas n\u00e4her einzugehen haben ; es erfordert das nicht blo\u00df die Vollst\u00e4ndigkeit der Darstellung, sondern es ist auch im Interesse der Einheitlichkeit derselben geboten, sich vor Allem hier\u00fcber Klarheit zu verschaffen.\nII. Zur Geschichte der Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats.\nUnter der Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats versteht man bekanntlich jene Ansicht, der zufolge nicht blo\u00df dem Subject eines Urtheils, sondern auch dem Pr\u00e4dicat desselben Quantit\u00e4t zukommt; dieses ist daher stets, ebenso gut wie das Subject, in Bezug auf Quantit\u00e4t ausdr\u00fccklich zu bestimmen oder zu quantificiren. Diese Ansicht ist nicht neu. Sie wird zwar gew\u00f6hnlich englischen Logikern unseres Jahrhunderts zugeschrieben, ist aber in Wahrheit viel \u00e4lteren Ursprungesi). Aristoteles selbst dachte an eine Quantification des Pr\u00e4dicats, verwarf sie jedoch als entweder falsch oder \u00fcberfl\u00fcssig. Seinem Beispiele folgten seine s\u00e4mmtlichen Commentatoren, die des Alterthums, wie die des Mittelalters1 2).\n1)\tTh. Spencer Baynes, in der Preisschrift \u00bbAn essay on the New Analytic of logical forms\u00ab, Edinb. 1850. Append, pp. 81\u2014137, und Hamilton in den \u00bbLectures on logic\u00ab 3rd ed. Edinb. 1874. II. vol. Append. VI. pp. 305\u2014323, sowie in den \u00bbDiscussions on philosophy etc.\u00ab geben Notizen zur Geschichte der Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats nebst Belegstellen aus den Werken \u00e4lterer Logiker, die eine solche Quantification theilweise gekannt. Einige Angaben finden sich auch bei Spalding, An introduction to logical science, Edinb. 1857. pp. 86\u201488 Anm.\n2)\tAristoteles sowohl als seine Ausleger hatten dabei stets das allgemein bejahende Urtheil im Auge ; dieses wird durch Quantification zu einem falschen, wenn das Pr\u00e4dicat weiteren Umfangs ist als das Subject, deckt sich aber die Sph\u00e4re des ersteren mit der des Pr\u00e4dicats, so ist eine Quantification \u00fcberfl\u00fcssig, da sie zur gr\u00f6\u00dferen Bestimmtheit ihres gegenseitigen Verh\u00e4ltnisses nicht beitr\u00e4gt. Vgl. Baynes, An essay etc. p. 93.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e9dicats in der neueren englischen Logik. ] 61\nDer Erste, der eine Quantification des Pr\u00e4dicats vertritt und dieselbe auch praktisch hei den verschiedenen logischen Operationen ver-werthet, ist Laurentius Valla (1407\u20141457).J) Weitere Vertreter sind AmbrosiusLeo aus Venedig (in der zweiten H\u00e4lfte des 15. und der ersten des 16. Jahrh.), Jodocus Isenach, Professor zu Wittenberg (15. Jahrh.), John Oldfield in England (in der ersten H\u00e4lfte des 18. Jahrh.), besonders aber Gottfried Ploucquet, Professor zu T\u00fcbingen (1716\u20141790), der die Quantification des Pr\u00e4dicats viel sch\u00e4rfer betont und sie auch consequenter durchf\u00fchrt als seine Vorg\u00e4nger1 2). Alle die Genannten betonten die Quantification des Pr\u00e4dicats in Urtheilen, das quantificirte Pr\u00e4dicat war ihnen aber blo\u00df technische Vorschrift, die hohe theoretische Bedeutung des von ihnen erkannten Princips ahnte keiner von ihnen, und so k\u00f6nnen sie blo\u00df als Vorl\u00e4ufer des eigentlichen wissenschaftlichen Begr\u00fcnders der Lehre von der Quantification gelten3).\nWie aher bereits erw\u00e4hnt, ist die Frage, wer als der wahre Begr\u00fcnder dieser Lehre zu betrachten ist, eine noch nicht endg\u00fcltig entschiedene. In den f\u00fcnfziger Jahren hatte sich um die Priorit\u00e4t der Entdeckung des quantificirten Pr\u00e4dicats eine lebhafte Polemik ent-\n1)\tBaynes, ebda. Allerdings nennt Spalding, An introduction p. 85 Anm., schon Occam, den Erneuerer des Nominalismus (14. Jahrh.), als den ersten Vertreter des quantificirten Pr\u00e4dicats.\n2)\tDiesen Letzteren bezeichnet Venn, Symbolic Logic, London 1877 p. 8. Anm., als den eigentlichen Begr\u00fcnder der Lehre vom quantificirten Pr\u00e4dicat ; dazu bestimmt ihn der Umstand, dass auch Ploucquet die Urtheile in Bezug auf Umfang in acht Formen eintheilt, eine Classification, die sich nur bei einer Quantification des Pr\u00e4dicats ergibt. Venn, der ein Gegner der Quantification des Pr\u00e4dicats ist, fasst dieselbe doch wohl etwas einseitig auf, wenn er in der neuen Eintheilung der Urtheile deren Kern sieht. Vgl. \u00fcbrigens unten.\n3)\tNicht unerw\u00e4hnt lassen wollen wir, dass auch bei Beneke Spuren einer Quantification des Pr\u00e4dicats sich nachweisen lassen. Vgl. Ueberweg\u2019s System der Logik 4. Aufl. Bonn 1874. p. 179 u. 349, besonders aber die englische Ueber-setzung desselben von Th. M. Lindsay, ersch. London 1871, Append B. on the doctrine of the quantification of the predicate p. 579 Anm. \u00bbBeneke erkl\u00e4rte die Substitution zum Princip alles Schlie\u00dfens, eine Ansicht, die die Quantification des Pr\u00e4dicats voraussetzt\u00ab, u. s. w. Das bez\u00fcgliche Werk Beneke\u2019s ist betitelt Syl-logismorum analyticorum origines et ordinem demonstravit Fr. Ed. Beneke Berol. JS39. Auch Spalding nennt Beneke und erw\u00e4hnt das fr\u00fcher, Berlin 1832 ersah. Lehrbuch der Logik, vgl. \u00bbAn introd.\u00ab p. 73 Anm.\nIV un dt, Philos. Studien. 1IF.\n11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nLjubomir Nedich.\n\u25a0wickelt1), die vor einigen Jahren wieder aufgenommen wurde2) ; noch immer wird aber bald Hamilton, bald Bentham als Entdecker des quantificirten Pr\u00e4dicats und Urheber der Lehre von der Quantification bezeichnet, w\u00e4hrend Andere Thomson, den Verfasser eines verbreiteten Handbuches \u00bbOn the necessary laws of thoughts\u00ab als solchen hinstellen. Letzterer gab indess seihst zu, dass \u00bbseine Anspr\u00fcche auf Autorschaft in der That gering seien \u00ab3), und da dem auch wirklich so ist, werden wir im Folgenden blo\u00df die Anspr\u00fcche der ersten Beiden einer kurzen Pr\u00fcfung zu unterziehen haben.\nBekanntlich lag zu Anfang unseres Jahrhunderts die logische Wissenschaft in England sehr im Argen, und es war Archbp. Wha-tely, der durch seine 1825 erschienenen \u00bbElements of Logic\u00ab das Studium derselben wieder belebte. Seinem Buche folgten in K\u00fcrze verschiedene Handb\u00fccher und Werke \u00fcber Logik, und eines von diesen war auch das Buch Bentham\u2019s, das wir hier etwas n\u00e4her zu betrachten haben. Obwohl theilweise aus den Aufzeichnungen seines Oheims Jeremy Bentham, des ber\u00fchmten Utilitariers, hervorgegangen, ist dasselbe eigentlich nichts anderes, als eine kritische Analyse der Logik Whately\u2019s; selbst in der Anordnung des Stoffes h\u00e4lt sich dasselbe streng an das Whately\u2019sche Buch, dessen einzelne Punkte hier kritisch untersucht werden, wobei es keineswegs an treffenden Bemerkungen fehlt. Das Buch von Bentham erschien 1827\n1)\tS. Athenaeum f\u00fcr 1850. Nr. 1208, in der ein Mr. Warlow zuerst Bentham als den Entdecker des quantificirten Pr\u00e4dicats bezeichnete und damit das Zeichen gab zu einer Polemik, die l\u00e4ngere Zeit in dem erw\u00e4hnten Blatte gef\u00fchrt wurde. Vgl. Athenaeum f. 1851. Nr. 1214, 1215, 1217. Bentham hat sich \u00fcbrigens, meines Wissens, derselben gegen\u00fcber passiv verhalten, w\u00e4hrend Hamilton seine Anspr\u00fcche bei dieser, wie auch bei jeder anderen Gelegenheit mit gro\u00dfem Eifer geltend zu machen suchte, so z. B. in der Polemik mit Prof. De Morgan.\n2)\tIn der Contemp. Rev. f\u00fcr 1873. Vgl. Th. Sp. Baynes, Mr. Herbert Spencer and the quantification of the predicate, Aprilheft) pp. 796\u201498 und die Replik von Jevons, who discovered the quantification of the predicate ebda. Heft f. Mai pp. 821\u201424.\n3)\tS. Athenaeum f. 1851. Nr. 1217. Diejenigen Autoren, die auch f\u00fcr Thomson eine gewisse Priorit\u00e4t beanspruchen, haben gew\u00f6hnlich die zweite Auflage seiner Schrift \u00bbOutline of the necessary laws of thoughts\u00ab, erschienen 1849, im Auge; hier ist jedoch die erste 1842 anonym erschienene Auflage derselben entscheidend, zumal jene drei Jahre nach der Ank\u00fcndigung des Programms der Neuen Analytik erschien und die M\u00f6glichkeit einer Anregung durch dieselbe nicht ausgeschlossen bleibt.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik. 163\nunter dem Titel \u00bbAn outline of a New System of Logic\u00ab und wurde sp\u00e4ter mit einigen anderen im Zusammenh\u00e4nge mit dem Whately\u2019-schen Werk von Hamilton recensirt, in einem Artikel, betitelt \u00bbLogic, the recent english treatises on that science\u00ab1). Vor diesem hatte Hamilton noch nichts \u00fcber Logik ver\u00f6ffentlicht. So h\u00e4tte also Bentham der Zeit nach das gr\u00f6\u00dfere Anrecht auf den Namen des Urhebers, und es kann sich nur noch fragen, ob ihn auch seine Leistung zu diesem berechtigt. Untersuchen wir seine Ansichten etwas n\u00e4her. Er bezeichnet sein Werk als ein \u00bbneues System\u00ab. Worin besteht das Neue seiner Ansichten und welches sind die Grundlagen dieses \u00bbneuen\u00ab Systems? Es ist nicht leicht anzugeben, worin dasselbe wesentlich abweichen sollte von \u00e4lteren Systemen. Das Bentham\u2019sehe Buch ist, wie bereits erw\u00e4hnt, eigentlich nur eine kritische Analyse der Logik Whate ly\u2019s, und bewegt sich, wie diese, durchaus auf formalem Gebiete, ohne sich dabei wesentlich von den herk\u00f6mmlichen Ansichten zu entfernen. Eine Umgestaltung der Logik, etwa aus dem Prin-cip des quantificirten Pr\u00e4dicats heraus, ist hier nicht versucht worden \u2014 das \u00bbneue\u00ab System ist in Wahrheit kein solches. Ja, man kann von Bentham nicht einmal sagen, dass er das Princip der Quantification selbst deutlich erfasst h\u00e4tte. Ganz abgesehen von dem technischen Ausdruck, dessen Autor Hamilton ist, hat er dasselbe nirgends klar ausgesprochen; es sind blo\u00df Andeutungen, die auf ein solches hin-weisen. So berufen sich die Meisten, die ihm eine Priorit\u00e4t vindiciren wollen, in der Pegel auf seine Eintheilung der Urtheile, die auf einer Quantification des Pr\u00e4dicats beruhen soll. Diese wollen wir daher etwas n\u00e4her in\u2019s Auge fassen.\nEin Urtheil ist nach B entham Ausdruck eines Verh\u00e4ltnisses der Identit\u00e4t oder Nicht-Identit\u00e4t zweier Begriffe (terms), von denen jeder mit seinem ganzen Umfange, oder auch nur mit einem Theile desselben, in das Urtheil eingehen kann. Bezeichnen wir mit x und y die beiden Begriffe, ihre Identit\u00e4t und Nicht-Identit\u00e4t mit = bezw. || , ihre Allgemeinheit mit t (in toto), ihre Partialit\u00e4t mit p (ex parte), so lassen sich diese Verh\u00e4ltnisse, die zugleich auch die Formen der Ur-\n1) Zuerst erschienen in der Edinburgh Review f\u00fcr 1833. Aprilheft pp. 194\u2014238 \u25a0 seidem abgedruckt in den verschiedenen Auflagen seiner \u00bbDiscussions on philosophy\u00ab 3rd ed. Edinb. 1866. Art. IV pp. 117- 179.\n11","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nLjubomir Nedich.\ntheile in Bezug auf Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t repr\u00e4sentiren, folgenderma\u00dfen darstellen :\n1.\t*\tin\ttoto\t=\ty\tex parte oder t x = p\ty\n2.\tx\t\u00bb\t\u00bb\t||\ty\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\tt x\tII\tp\ty\n3.\tx\t\u00bb\t\u00bb\t\u2014\ty in\ttoto\t\u00bb\tt\tx \u2014\tt y\n4.\tx\t\u00bb\t\u00bb\tIl\ty \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\tt\t%\tIl\tt\ty\n5.\tx\tex\tparte \u2014\ty\tex parte\t\u00bb\tp x = p\ty\n6.\t\u00e6\t\u00bb\t\u00bb\tIl\ty\t\u00bb\t\u00bb\t\u00bb\tp x\ty\tp\ty\n7.\tx\t\u00bb\t\u00bb\t=\ty in\ttoto\t\u00bb\tp\tx =\tt y\n8.\tx\t\u00bb\t\u00bb\tIl\ty \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\tp\tx\tII\tt\ty\nUnter diesen Gleichungen sind die zwei letzten identisch mit den beiden ersten \\x und y werden hier nicht als Subject und Pr\u00e4dicat genommen, sondern als Begriffe eines Urtheils schlechthin) und k\u00f6nnen deshalb wegfallen. Aus demselben Grunde kann auch von der zweiten Gleichung abgesehen werden, da die vierte dasselbe Verh\u00e4lt-niss ausdr\u00fcckt. So werden jene 8 Gleichungen auf folgende 5 zur\u00fcckgef\u00fchrt :\n1.\t* in toto\n2.\nx \u00bb\nt x\n3.\ny in toto oder t x = t y\nP V t\\\npF\np y\npy\ntx II\np X \u2014\npx II\n\u2014 y ex parte [in toto ]\n^[ex parte [\n4. x ex parte \u2014 y ex parte b. x \u00bb\t\u00bb Il y \u00bb\t\u00bb\n\u00bbLogiker\u00ab, bemerkt Bentham zu dieser Tafel der Urtheile. \u00bberw\u00e4hnen in der Regel die erste Form gar nicht, da sie ihnen unn\u00fctz scheint, und behaupten, das Pr\u00e4dicat w\u00e4re nie vertheilt, d. h. universal. Dieses ist kaum richtig . . . und es w\u00e4re vortheilhaft, vollkommene Identit\u00e4t auf eine logische Form zur\u00fcckzuf\u00fchren, ebenso partielle Identit\u00e4t, wie auch vollkommene oder partielle Nicht-Identit\u00e4t\u00ab1).\nSo commentirt Bentham seine Eintheilung der Urtheile. Es l\u00e4sst sich nicht leugnen, dass mit diesen Worten die Quantification des Pr\u00e4dicats, wenn auch nicht ausdr\u00fccklich hervorgehohen, so doch wenigstens theilweise angedeutet und bef\u00fcrwortet wird. Ebenso beruht seine Eintheilung auf einer im Stillen vorausgesetzten Quantification beider Begriffe des Urtheils. Daraus, dass solche in abstracto, als Be-\nll An outline of a new system of logic p. 133.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der (Quantification des Priidicats in der neueren englischen Logik. 165\ngriffe eines Urtheils schlechthin, und nicht als Subject und Pr\u00e4dicat betrachtet werden, ist es zu erkl\u00e4ren, dass von den anfangs aufgestellten 8 Formen 3 ausgemerzt werden, so dass schlie\u00dflich eine Einthei-lung \u00fcbrig bleibt, die sich von der \u00fcblichen in A, E, I, O nur sein-unbedeutend entferntl).\nViel entschiedener indess, als in der Lehre vom \u00fcrtheil im Allgemeinen, wird bei der Transformation desselben eine quantitative Bestimmung beider Begriffe betont. Es zeigt sich dies besonders in der Lehre von der Conversion; hier hei\u00dft es ausdr\u00fccklich: \u00bbbei der Umkehrung ist besonders darauf zu achten, die Zeichen des Umfanges der beiden Begriffe nicht zu verwechseln; um dies zu vermeiden, sollte man den Umfang derselben stets deutlich angeben.\u00ab2)\nAus dieser und \u00e4hnlichen Bemerkungen sieht man deutlich, dass Bentham die Quantification des Urtheils kennt; er sieht die Vortheile einer durchgehenden Quantification des Urtheils, vertritt dieselbe aber nicht aus theoretischen Gr\u00fcnden, sondern empfiehlt sie blo\u00df in technischem Interesse. Damit ist seine Stellung zu der uns hier besch\u00e4ftigenden Lehre angedeutet. Der Entdecker des quantifi-cirten Pr\u00e4dicats ist er nicht gewesen ; viele Logiker vor ihm haben dasselbe gekannt, und man kann nicht sagen, dass er die Lehre von der Quantification um ein Bedeutendes weitergebracht hat. Worin vielleicht das gr\u00f6\u00dfere Verdienst Bentham\u2019s liegt, ist, dass er der Erste gewesen, in England wenigstens, der Urtheile in Form von Gleichungen darzustellen versuchte ; und wenn auch die sp\u00e4terhin zu so hoher Bedeutung gelangte algebraisch - symbolische Behandlung der Logik gewiss nicht auf Einfl\u00fcsse des auch sonst der Vergessenheit anheimgefallenen Systems von Bentham zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, \u2014 eine Stelle in der Geschichte dieser Bestrebungen wird er sicherlich finden.\nDass Bentham und andere Logiker, die das quantificirte Pr\u00e4dicat gekannt, sich stets darauf beschr\u00e4nkten, dasselbe blo\u00df als n\u00fctz-\n1)\t\u00bbEr generalisirt\u00ab, sagt Th. Sp. B ayn es, \u00bbdie vier neuen Formen, die sich ihm durch Quantification des Pr\u00e4dicats ergeben, und nicht wissend, was er damit anfangen soll, verwirft er drei von ihnen und beh\u00e4lt, auch zweifelhaft, nur die vierte, die er h\u00e4tte ebenfalls verwerfen k\u00f6nnen, da sie ihm von keinem Nutzen ist.\u00ab S. Contemp. Rev. f. April i873. Mr. Herbert Spencer and the quantification of the predicate p. 797.\n2)\tAn outline p. 149.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nLjubomir Nedich.\nliehe Vorschrift zu empfehlen, alle theoretischen Er\u00f6rterungen hei Seite lassend, ist leicht zu verstehen, wenn man bedenkt, wie jene \u00e4ltere Logik ihre Aufgabe auffasste. Sie wollte nicht Wissenschaft von den Denkgesetzen, sondern eine Kunst des Denkens sein, und erblickte in der Feststellung von Vorschriften f\u00fcr das richtige Denken ihre eigentliche Aufgabe. Eine solche Auffassung derselben ist theoretisch-wissenschaftlichen Er\u00f6rterungen wenig g\u00fcnstig, und nichts ist nat\u00fcrlicher, als dass solche auch hier ausblieben. In der Logik musste vor Allem eine wissenschaftliche Betrachtungsweise ihrer Probleme sich Bahn brechen, ehe man in dem quantificirten Pr\u00e4dicat etwas Anderes erblickte als blo\u00df eine n\u00fctzliche Vorschrift, durch die einzelne logische Operationen vereinfacht und Irrth\u00fcmer vermieden werden. In England wares wohl zuerst Sir William Hamilton (1788\u2014 1856), der eine Auffassung der Logik als Wissenschaft von den Denkgesetzen anbahnte, und es ist vielleicht nicht Zufall, dass er auch der Erste wurde, der die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats wissenschaftlich ausbildete. Die ganze Lehre lag ja so zu sagen in der Luft, worauf schon die mehrfache selbst\u00e4ndige Entdeckung des quantificirten Pr\u00e4dicats von anderen Seiten, z. B. von Bentham hinweist. *) Sir William Hamilton war es, der zuerst die ganze Tragweite desselben begriff und es in die logische Wissenschaft einf\u00fchrte; und in diesem Sinne kann er, mit Baynes1 2), auch der wissenschaftliche Entdecker des quantificirten Pr\u00e4dicats genannt werden.\n1)\tHinsichtlich der Entstehungszeit seiner Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats bemerkt Hamilton, Discussions 2n(t ed. p. 620 : \u00bbIn Bezug auf das Prin-cip eines explicite quantificirten Pr\u00e4dicats gelangte ich gegen das Jahr 1833 zu der Ueberzeugung, dass die \u00fcbliche Lehre nach dieser Seite hin einer Correctur bedarf. In dem Artikel zur Logik, der 1833 erschien (in der Edinb. Rev.), beruht die dort vertretene Theorie der Induction auf einer durchgehenden Quantification des Pr\u00e4dicats in bejahenden Urtheilen. Vor 1840 kam ich zu der Ueberzeugung, dass es n\u00f6thig sei, das Princip auch auf verneinende Urtheile auszudehnen ; aus academi-schen Documenten ersehe ich, dass ich in diesem Jahre sp\u00e4testens die Lehre ohne Einschr\u00e4nkungen vertrat.\u00ab\n2)\tS. Athenaeum f. 1851. Nr. 1214.","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik. ] 67\nIII. Die Hamilton\u2019sche Lehre von der Quantification des\nPr\u00e4dicats.\nDie mit der Quantification des Pr\u00e4dicats zusammenh\u00e4ngenden Lehren werden vielfach auch unter dem Namen der \u00bbNeuen Analytik\u00ab zusammengefasst. Dies ist nur in gewissem Sinne richtig, und wenn Hamilton der als Begr\u00fcnder derselben bezeichnet wird, so gilt das auch nicht ohne einige Einschr\u00e4nkung. Die Neue Analytik der Denkformen, wie sie Hamilton vorschwebte, sollte ein Versuch sein, die alte Aristotelische Logik, die nach ihm l\u00fcckenhaft und unvollst\u00e4ndig geblieben, zu vervollst\u00e4ndigen und zu vereinfachen ; das Grundprincip aber, von dem diese Neue Analytik ausgehen sollte, war das quanti-ficirte Pr\u00e4dicat1). Der Versuch einer derartigen Reform der Aristotelischen Logik ist aber nie ausgef\u00fchrt worden, und so gibt es im eigentlichen Sinne keine Neue Analytik. Was man so nennt, ist eine Anzahl Neuerungen in der Lehre vom Urtlieil und vom Schluss, herbeigef\u00fchrt durch die Mitber\u00fccksichtigung der Quantit\u00e4t des Pr\u00e4dicats, denen aber die systematische Einheitlichkeit fehlt. Die Neue Analytik ist also nicht etwa ein neues System der Denkformen, als welches man sie wohl hat hinstellen wollen; es sind eben blo\u00df einige neue Ansichten, die man unter jenem Namen zusammenfasst. Wenn also Hamilton als der Begr\u00fcnder der Neuen Analytik genannt wird, so ist das gleichsagend mit der Urheberschaft dieser Ansichten, die man treffender mit dem Namen der Lehre von der Quantification bezeichnet.\nObwohl es aber eine Neue Analytik der Denkformen, wie sie Hamilton anbahnen wollte, nicht gibt, so ist es doch f\u00fcr das bessere Verst\u00e4ndniss der hier darzustellenden Lehre nicht unvortheilhaft, einen Blick zu werfen auf das Programm derselben, wie es Hamilton im Jahre 1846 ank\u00fcndigte2). Wir geben dasselbe im Folgenden im Auszuge wieder :\n\u00bbDiese Neue Analytik soll die alte vervollst\u00e4ndigen und verein-\n1) S. Baynes, An essay p. 1.\nst\u00e4ndiger) in den von Man sei und Veitch herausgegebenen \u00bbLectures on Metaphysics and Logic\u00ab, Edinb. 1874. Vol. IV. p. 251\u2014254.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nLjubomir Nedich.\nfachen. In der abstracten Logik, besonders in der Lehre vom Syllogismus, ist seit des Aristoteles Zeit kein Fortschritt gemacht worden. Seine Analytik enth\u00e4lt die Wahrheit, jedoch nur die halbe Wahrheit, und nicht immer richtig entwickelt, weil Aristoteles auf halbem Wege stehen blieb. Diese Unvollkommenheiten soll die Neue Analytik aufheben.\n\u00bbErstens, soll gezeigt werden, dass sich der Syllogismus bezieht auf zwei sich entsprechende Ganze, das der Comprehension und der Extension.\n\u00bbZweitens, dass explicite zu setzen ist, was implicite gedacht wird, woraus nothwendig folgt, dass wir in Betracht ziehen m\u00fcssen, nicht blo\u00df die Quantit\u00e4t des Subjects, sondern auch die des Pr\u00e4dicats, was die Logiker in der Regel zu thun unterlassen, obwohl dieselbe stets im Denken vorhanden ; geschieht aber dies, so ergibt sich, unter Anderem, Folgendes:\n\u00bb1. dass weder Subject noch Pr\u00e4dicat unbestimmt gedacht werden in Bezug auf ihre Quantit\u00e4t.\n\u00bb2. werden beide Begriffe eines Urtheils auf ihr wahres Verh\u00e4lt-niss zur\u00fcckgef\u00fchrt; das Urtheil wird dann zu einer Gleichung zwischen Subject und Pr\u00e4dicat.\n\u00bb3. werden die drei Formen der Umkehrung auf eine zur\u00fcckgef\u00fchrt, die der einfachen Umkehrung.\n\u00bb4. werden alle allgemeinen Gesetze des Syllogismus auf ein einziges zur\u00fcckgef\u00fchrt.\n\u00bb5. werden alle die verschiedenen Arten und Unterarten desselben aus diesem einfachen Grundgesetz abgeleitet\u00ab u. s. w.\nWeitere Punkte betreffen einige speciellere Fragen des Syllogismus und der syllogistischen Technik, denen er gro\u00dfe Wichtigkeit beilegt, die aber die heutige logische Wissenschaft uner\u00f6rtert bei Seite l\u00e4sst.\nSchlie\u00dflich sollte die Neue Analytik noch ein Schema symbolischer Notation bringen, \u00bbv\u00f6llig verschieden von allen bisherigen, aus dem sich alle verschiedenen Urtheils- und Schlussformen mit einer geradezu mechanischen Leichtigkeit ergeben.\u00ab\nDieses also sollte die Neue Analytik der logischen Wissenschaft werden. Ausgehend davon, dass auch das Pr\u00e4dicat stets als quantitativ bestimmt gedacht wird, und sich berufend auf das, wie es Hamilton bezeichnet, selbstverst\u00e4ndliche logische Grundpostulat, dass","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Uuantiticatiou des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik. 169\ncS gestattet sei, explicite zu setzen, was implicite gedacht wird, sollte durch stetes Festhalten der Quantit\u00e4t des Pr\u00e4dicats, neben der des Subjects, die Lehre vom \u00fcrtheile, besonders aber die vom Schluss von Grund aus umgestaltet werden. \u00bbDas Grundprincip der Neuen Analytik der logischen Formen ist die durchgehende (thoroughgoing) Quantification des Pr\u00e4dicats. vj Mit diesen Worten ist das Yerh\u00e4ltniss der Neuen Analytik zu der Lehre von der Quantification deutlich bezeichnet, und wir wollen, ehe wir uns der Darstellung dieser zuwenden, noch hinzuf\u00fcgen, dass diese innig zusammenh\u00e4ngt mit einer anderen Doctrin Hamilton\u2019s, die auch mit in das Programm der Neuen Analytik eingehen sollte, mit der von der zweifachen Natur des Syllogismus, auf die wir deshalb hier werden einzugehen haben. Schlie\u00dflich wollen wir noch bemerken, dass, obwohl Hamilton als der Begr\u00fcnder der Lehre von der Quantification zu betrachten ist, derselbe doch nirgends eine systematische Darstellung seiner auf dieselbe bez\u00fcglichen Ansichten geliefert hat. Dieselben finden sich nur zerstreut in seinen Schriften zur Logik und in den Discussions1 2) ; der erste Versuch aber, dieselben in systematischer Ordnung darzustellen, r\u00fchrt von Th. Spencer Baynes, einem Sch\u00fcler Hamilton\u2019s, her3). Die Hamilton\u2019sehen Ansichten zur Lehre von der Quantification sind hier mit seltener Klarheit und Sch\u00e4rfe entwickelt, und dabei hat der Essay von Baynes den gro\u00dfen Vorzug , von Hamilton selbst durchgesehen zu sein. Wir werden uns deshalb im Verlaufe unserer Darstellung neben den Ausf\u00fchrungen Hamilton\u2019s auch auf denselben zu beziehen haben. \u2014 Nach diesen Vorbemerkungen wollen wir uns nun der Lehre von der Quantification selbst zuwenden.\nDie Grundvoraussetzung oder das Postulat, von dem nicht nur die Lehre von der Quantification, sondern, nach Hamilton, auch alle Logik ausgeht, ist, \u00bbdass es gestattet sei, explicite zu setzen, was\n1)\tBaynes, An essay p. 1.\n2)\tVgl. Lectures etc. 3rd ed. Vol. IV. Append. VI. On the New Analytic of logical forms pp. 251\u2014323 und Discussions on philosophy etc. 3rd ed. Append. II. Logical pp. 646\u2014671.\n3)\tTh. Sp. Baynes, An essay on the New Analytic of logical forms, Edinb. 1850. Baynes\u2019 Schrift erhielt den f\u00fcr die beste Darstellung der Lehre Hamilton s ausgesetzten Preis, und mit Hecht bezeichnet J. St. Mill, An examination of Sir W. Hamilton\u2019s philosophy, London 1865 p. 422, dieselbe als \u00bbdie beste Darstellung der Lehre seines Meist rs\u00ab.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nLjubomir Nedich.\nimplicite gedacht wird\u00ab ij. Niemand wird leugnen, dass es \u00fcberall, wo es sich um eine wissenschaftliche Analyse des Gedachten handelt, erforderlich ist, vor Allem im Klaren zu sein dar\u00fcber, was in jedem Denkacte eigentlich enthalten ist ; wir m\u00fcssen also beispielsweise bei dem Urtheile \u00bbMenschen sind lebende Wesen\u00ab fragen, ob unter Menschen alle, oder nur einige Menschen, und ebenso, ob unter \u00bblebende Wesen\u00ab alle, oder nur einige lebende Wesen verstanden werden. Die Sprache, der es blo\u00df um gegenseitige Verst\u00e4ndigung zu thun ist, mag es damit unter Umst\u00e4nden auch weniger genau nehmen, f\u00fcr ihre Ztvecke mag es hinreichen, das Urtheil in der Form \u00bbMenschen sind lebende Wesen\u00ab zu fassen, die Wissenschaft aber muss jenes obersten Gebots stets eingedenk bleiben. In dem angef\u00fchrten Beispiel wird also stets bestimmt anzugehen sein, ob alle, oder nur einige Menschen und lebende Wesen gemeint sind. Die \u00e4ltere Logik, welche das Pr\u00e4-dicat nicht quantificirte, verstie\u00df gerade gegen dieses Postulat, als sie demselben Quantit\u00e4t im Denken absprach ; indem sie sich an den sprachlichen Ausdruck hielt, erkl\u00e4rte sie das Subject f\u00fcr quantitativ bestimmt gedacht, sprach aber eine solche quantitative Bestimmtheit dem Pr\u00e4dicate ab, weil dieselbe in der Regel sprachlich nicht, oder nur ausnahmsweise, zum Ausdruck gelangt. Unsere Aussagen betreffen stets Dinge, Gegenst\u00e4nde; diese sind es, um die es dem Sprechenden zu thun ist, und deren Eigenschaften er, wenn er urtheilt, hervorhebt. So ist ihm das Subject der -wichtigere, gewisserma\u00dfen der Haupthegriff des Urtheils ; diesem wendet er vorz\u00fcglich seine Aufmerksamkeit zu und sucht es nach allen Seiten m\u00f6glichst zu bestimmen. Das Pr\u00e4dicat hingegen ist ihm eigentlich nur dazu da, um von den verschiedenen das Subject zusammensetzenden Attributen einzelne besonders hervorzuheben. Wenn Jemand etwa sagt (um ein Mill\u2019sches Beispiel zu nehmen): der Himmel ist blau, so kommt es ihm dabei nur darauf an, hervorzuheben, dass der Himmel von dieser Farbe ist, an etwaige andere Objecte, die dieselbe Eigenschaft haben m\u00f6gen, oder gar an den Begriff blau denkt er dabei nicht. Das Subject ist ihm also der wichtigere und von ihm bevorzugte Begriff, und das Pr\u00e4dicat besteht f\u00fcr ihn nur als Attribut desselben. Anders aber stellt sich die Sache einer wissenschaftlichen Betrachtung des Urtheils\n1) Vgl. Lectures Vol. III. p. 114 u. p. 254, ebenso Baynes, An essay, p- 4 f-","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik. 171\ndar. Hier ist keiner von den beiden Begriffen vor dem anderen bevorzugt, beide sind gleichwerthig und haben dieselben Anspr\u00fcche auf Bestimmtheit. Die Wissenschaft, die sich nicht an den gew\u00f6hnlichen Sprachgebrauch halten darf, der blo\u00df das Subject quantifient, wird also zu fragen haben, ob nicht auch dem Pr\u00e4dicat eine quantitative Bestimmtheit im Denken zukommt.\nErgibt sich nun, wenn wir von dem Sprachgebrauch absehen und dem Postulat gem\u00e4\u00df Alles, was gedacht wird, auch wirklich setzen, f\u00fcr das Pr\u00e4dicat eine bestimmte Quantit\u00e4t im Denken ; denken wir dasselbe stets als in Bezug auf Quantit\u00e4t bestimmt? Um diese Frage entscheiden zu k\u00f6nnen, muss auf die Natur des Pr\u00e4dicats etwas n\u00e4her eingegangen werden. Pr\u00e4dicate sind Begriffe, die zu anderen in gewissem Verh\u00e4ltnisse stehen; ein jeder Begriff kann Pr\u00e4dicat eines anderen werden, und obwohl man bei Pr\u00e4diciren zun\u00e4chst nur an Substantiva und Adjectiva denkt, so lassen sich auch die \u00fcbrigen Kategorien durch Verschiebung leicht in solche umwandeln, und wir k\u00f6nnen so beide als zu derselben begrifflichen Kategorie geh\u00f6rend, also als vergleichbar betrachten \u2022). In welchem Verh\u00e4ltniss m\u00fcssen nun zwei Begriffe zu einander stehen, damit dieses ein pr\u00e4dicatives wird, mit anderen Worten, wie wird ein Begriff Pr\u00e4dicat eines anderen? Diese Frage bringt uns auf die Ansichten Hamilton\u2019s \u00fcber das Urtheil, die wir jetzt etwas n\u00e4her untersuchen wollen.\na. Das quantificirte Pr\u00e4dicat und die Lehre vom Urtheil.\nUnser ganzes Erkennen ist, einem besonders von der englischen ,, Psychologie mit gro\u00dfem Nachdruck betonten Satze zufolge, nichts Anderes als eine Th\u00e4tigkeit des Vergleichens. Einen Gegenstand erkennen , hei\u00dft, denselben von anderen unterscheiden, oder ihn als einen mit ihnen \u00fcbereinstimmenden wissen2). Nicht anders ist es mit den Begriffen. Begriffe sind Ideen, Erkenntnisse allgemeiner Attribute, die einer Vielheit von Objecten gemeinsam sind. Unserem Er-kenntnissverm\u00f6gen bietet sich eine Mannigfaltigkeit von Gegenst\u00e4nden dar, von denen uns einige auf eine in gewisser Hinsicht \u00e4hnliche\nP.Vgl. Wundt, Logik Bd. I., Stuttgart 1880. p. 107 ff. \u00bbDie kategoriale Verschiebung der Begriffe\u00ab.\n2) A. Bain, Mental and moral science, London 1879. p. 83. \u00bbAll unser Wissen Ust sich in Verschiedenheiten und Uebereinstimmungen (agreements) auf\u00ab.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nLjubomir Nedich.\nWeise afficiren. Indem wir diese von anderen unterscheiden vereinigen wir sie dabei nothwendig zu einer Classe, deren Merkmal eben die besondere Art und Weise ist, wie wir von den sie zusammen setzenden Objecten afficirt werden. Begriffe sind also Classen, rein ideelle Ganze, die der Geist bildet, um die sich ihm darbietende Mannigfaltigkeit von Objecten zu ordnen. Wenn wir nun von einem Gegenstand, bezw. von einem Begriff, denn in Urtheilen haben wir es nur mit solchen zu thun, etwas pr\u00e4diciren, so behaupten wir von ihm dass derselbe zu einer bestimmten Begriffsclasse geh\u00f6rt, bezw. zu derselben nicht geh\u00f6rt. Es ist einleuchtend, dass wir stets, wenn wir einen Gegenstand oder einen Begriff unter einen anderen bringen, dabei nothwendig wissen m\u00fcssen, welche Stelle er in der Sph\u00e4re desselben einnimmt. Wenn ich z. B. nicht wei\u00df, dass Eose unter den Begriff Blume kommt, und auch nicht wei\u00df, ob sie gleich einem Theile, oder dem Ganzen desselben, oder aber ihm \u00fcbergeordnet ist. so kenne ich den Begriff Eose \u00fcberhaupt nicht. Wir m\u00fcssen also, wenn wir von einem Gegenstand oder Begriff etwas pr\u00e4diciren, denselben nicht blo\u00df unter einen anderen Begriff bringen, sondern auch zugleich seine Sph\u00e4re bestimmen in dem Begriffe, dem wir ihn zugez\u00e4hlt haben. \u00bbJeder Begriff, der als Pr\u00e4dicat eines Urtheils fungirt, muss demnach bestimmte Quantit\u00e4t im Denken haben1)\u00ab. So stehen also Subject und Pr\u00e4dicat eines Urtheils nothwendig in einem Verh\u00e4ltnis der Quantit\u00e4t zu einander, ja ein Urtheil ist, wie wir noch sehen werden, eigentlich nichts anderes als Ausdruck eines Quantit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses zweier Begriffe. Hieraus folgt aber, dass wir beide als in Bezug auf Quantit\u00e4t bestimmt denken m\u00fcssen, denn sonst w\u00e4re ja dieses Verh\u00e4ltnis selbst kein bestimmtes. So wird daher Subject sowohl als Pr\u00e4dicat nothwendig quantitativ bestimmt gedacht, und m\u00fcssen auch beide, jenem allgemeinen Postulate gem\u00e4\u00df, quantifient werden 2).\nDieses ist in ihren Hauptz\u00fcgen die Ansicht Hamilton\u2019s von der Entstehung der Begriffe und von der Pr\u00e4dication. Man k\u00f6nnte seinen Ausf\u00fchrungen von unserem heutigen Standpunkte aus den\n1)\tS. Baynes, An essay p. 10.\n2)\tVgl. hierzu Ba.ynes, An essay p. 7 ff., ebenso Hamilton, Lectures Vol. III. p. 143 f. u. 229 f.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik. 173\nVorwurf machen, das Urtheil sei kein synthetischer, sondern ein analytischer Vorgang, da Urtheile Denkacte und als solche stets einheitlich sind, und es nur die wissenschaftliche Betrachtung ist, die sie zu ihren Zwecken in Elemente zerlegt '). Dieser Vorwurf \u00e4ndert indess an den Ausf\u00fchrungen Hamilton\u2019s, soweit sie das gegenseitige Ver-h\u00e4ltniss der das Urtheil zusammensetzenden und in demselben vereinigten Begriffe betrifft, nichts. Es ist v\u00f6llig gleichg\u00fcltig, oh dieselben synthetisch zu einem solchen vereinigt, oder aus demselben erst analytisch abstrahirt werden \u2014 ihr gegenseitiges Verh\u00e4ltniss bleibt dasselbe.\nEin Einwand, den J. St. Mill gegen die Hamilton\u2019sche Ansicht erhebt, ist auch leicht beseitigt. Mill fragt n\u00e4mlich1 2), oh wir, wenn wir eine Aussage thun, blo\u00df von Begriffen von Dingen aus-sagen, oder es nicht vielmehr diese Dinge seihst sind, die die Aussage, das Urtheil, betrifft. Begriffe sind, meint er, allerdings Erzeugnisse unseres Geistes, in Urtheilen kommt aber ein neues Element hinzu, der Glaube n\u00e4mlich an die objective Realit\u00e4t des durch das Urtheil Ausgesagten. \u00bbUnsere Urtheile dr\u00fccken nicht blo\u00df unsere Art, die Dinge zu erfassen, sondern auch zugleich die Ueberzeugung aus, dass dieselben auch wirklich so bestehen, wie wir sie auffassen\u00ab 3). Urtheile beziehen sich nach Mill nicht auf Begriffe, sondern auf Dinge ; wir urtheilen von den Dingen selbst, und nicht von ihren Begriffen. Wenn wir also eine Aussage thun, so betrifft dieselbe nicht das Ver-\n1)\tVgl. W un dt, Logik Bd. I. p. 346.\n2)\tAn examination of Sir W. Hamilton\u2019s philosophy, London 1865. p. 346.\n3)\tEbda. Die objective Realit\u00e4t des durch das Urtheil Ausgesagten wird \u00fcbrigens sehr oft als ein wesentliches Element desselben betont ; so definirt U eher weg, System der Logik 4. Aufl. Bonn 1874. p. 154, das Urtheil als \u00bbDas Bewusstsein \u00fcber\ndie objective G\u00fcltigkeit einer subjectiven Verbindung von Vorstellungen ----\nd. h. das Bewusstsein, ob zwischen den entsprechenden objectiven Elementen (gibt es solche f\u00fcr eine jede \u00bbsubjective Verbindung von Vorstellungen\u00ab?) die analoge t erbindung bestehe.\u00ab Gerade von diesem synthetischen Standpunkte aber ist der\naube an die objective Realit\u00e4t des durch das Urtheil Ausgesagten, diesem durchaus fremd ; ist das Urtheil eine subjective, also blo\u00df durch Apperception bestimmte, sonst aber willk\u00fcrliche Verbindung von Vorstellungen, warum sollte f\u00fcr dieselbe 16 ^tarlegung, ob ihr auch objective Thatsachen entsprechen, bestimmend sein? 16 8\u00aen^tiger ist dieser Ansicht eine Auffassung des Urtheils als analytischen Vorganges, jedoch bringt auch eine solche das Element der realen Existenz eines dem.\neu enthaltenen Denkact entsprechenden objectiven Vorganges nicht nothin endig mit sich.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nLjubomir Nedich.\nh\u00e4ltniss der im Urtheile enthaltenen Begriffe, sondern stets \u00bbeine Succession, Coexistenz, oder Aehnlichkeit zwischen Thatsachen, hezw. Dingen\u00ab.\nDass unsere Urtheile auf Dinge, und nicht auf Begriffe von Dingen gehen, wird wohl schwerlich Jemand Mill bestreiten wollen \u2014 es ist klar, dass es \u00fcberhaupt keine Urtheile g\u00e4be, w\u00e4ren nicht Dinge da, \u00fcber die man urtheilte. Nicht minder einleuchtend d\u00fcrfte ' es aber erscheinen, dass diese Dinge nicht nothwendig Dinge der Aussenwelt sein m\u00fcssen, die Mill hier vorzugsweise im Auge hat, da wir ja auch von Thatsachen der inneren Erfahrung urtheilen, und ebenso auch solche Kategorien, denen durchaus kein objectiv-reales Gegenhild entspricht, zum Subject unserer Urtheile machen k\u00f6nnen. Ebenso \u00fcbersieht Mill, dass uns in Urtheilen schlie\u00dflich doch nur Begriffe gegeben sind ; mit diesen nur haben wir es in Urtheilen zu thun, worauf sich dieselben aber beziehen, und ob den Urtheilen reale Thatsachen entsprechen, ist f\u00fcr die Betrachtung des Ur-theils als solchen zun\u00e4chst wenig von Belang. Auch wird man einer formalen Betrachtungsweise derselben, die alle \u00e4hnlichen Er\u00f6rterungen als der Logik fremd von sich weist, gewiss nicht alle Berechtigung absprechen k\u00f6nnen. Hier aber ist sie die einzig der Sache entsprechende.\nEhe wir nun in der Darstellung der Lehre von der Quantification weiter gehen, ist es erforderlich, einen Blick zu werfen auf eine andere Doctrin Hamilton\u2019s, die mit derselben innig zusammenh\u00e4ngt. Es ist dieses die bereits erw\u00e4hnte Lehre vom comprehensiven und extensiven Syllogismus. Ein Begriff kann nach Hamilt on nach zwei Seiten betrachtet werden, einmal nach der comprehensiven, wie ihn die gew\u00f6hnliche Logik betrachtet, sodann aber nach einer zweiten wichtigeren, der extensiven. \u00bbDa ein Begriff (concept, notion) ein Denkact ist, in dem eine Vielheit von Merkmalen im Bewusstsein zu einer Einheit verbunden wird, so ist der Begriff deshalb nothwendig Quantit\u00e4t, die aber in ihrem Betrag wechselt, entsprechend der gr\u00f6\u00dferen oder geringeren Anzahl von Merkmalen, die sie (zu einem Begriff) completirt, und der gr\u00f6\u00dferen oder geringeren Anzahl von Dingen, von denen der Begriff ausgesagt werden kann. Diese Quantit\u00e4t ist deshalb doppelter Art : intensiver und extensiver. Die innere oder intensive Quantit\u00e4t des Begriffs ist bestimmt durch die","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Priidicats in der neueren englischen Logik. 175\ngr\u00f6\u00dfere oder geringere Anzahl der in demselben enthaltenen Merkmale; die \u00e4u\u00dfere oder extensive Quantit\u00e4t desselben aber ist bestimmt durch die gr\u00f6\u00dfere oder geringere Anzahl der classificirten Begriffe oder der unter demselben enthaltenen Objecte (realities). Die innere Quantit\u00e4t oder die Comprehension eines Begriffs ist zusammengesetzt aus den verschiedenen Attributen, deren Summe eben der Begriff ist, d. h. aus den verschiedenen Merkmalen, die durch den Begriff zu einem gedanklichen Ganzen verbunden werden. Die \u00e4u\u00dfere Quantit\u00e4t, oder die Extension, desselben ist zusammengesetzt aus der Anzahl der Objecte, die durch den Begriff mittelbar gedacht werden\u00ab1).\nDem entsprechend zerfallen auch die Urtheile in comprehensive und extensive. Betrachtet man das Subject als das Ganze, welches das Pr\u00e4dicat in sich enth\u00e4lt als eines von den Merkmalen, die es zusammensetzen, so ist das Urtheil ein comprehensives ; wird aber das Pr\u00e4dicat als das Ganze genommen, das Subject in sich enthaltend, so haben wir ein extensives Urtheil. Ob nun das Urtheil ein comprehensives oder ein extensives ist, h\u00e4ngt im gegebenen Falle blo\u00df von unserer Betrachtungsweise ab, ob wir n\u00e4mlich Subject oder Pr\u00e4dicat zum Plauptbegriff nehmen. So ist das Urtheil \u00bbMenschen sind lebende Wesen\u00ab ein comprehensives, wenn wir damit das Attribut des Lebens vom Menschen aussagen; wird aber das Pr\u00e4dicat \u00bblebende Wesen\u00ab als Classe gedacht, den Begriff Mensch in sich enthaltend, so ist es ein extensives. So kann also ein jedes Urtheil beliebig nach der einen oder nach der anderen Seite betrachtet werden, und keine von ihnen ist f\u00fcr unsere Betrachtungsweise bindend. Nur wenn Urtheile zu Schl\u00fcssen vereinigt werden, k\u00f6nnen wir sagen, ob Subject oder Pr\u00e4dicat das Ganze darstellt, in welchem der andere Begriff enthalten ist2). Entsprechend dieser zweifachen Betrachtungsweise, nach der Begriffe in Urtheilen genommen werden k\u00f6nnen, gibt es auch zwei Arten des Schlie\u00dfern (reasoning), \u2014 comprehensive und extensive Schl\u00fcsse. Auf die Hamilton\u2019sclie Doctrinvom comprehensiven und extensiven Syllogismus brauchen wir hier nicht einzugehen; f\u00fcr uns gen\u00fcgte es, blo\u00df auf die zweifache Natur der Begriffe hinzuweisen. Obwohl streng genommen diese nur ein Bestandtheil jener ist, so hat\n1)\tHamilton, Lectures Vol. III. p. Ill f. f.\n2)\tEbda, p, 233.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nLjubomir Nedich.\nsie doch mit der uns hier besch\u00e4ftigenden Lehre Hamilton\u2019s vielfache Ber\u00fchrungspunkte, so dass wir ohne dieselbe nicht zu einem vollen Verst\u00e4ndniss dieser Lehre gelangen k\u00f6nnen.\nUnd hier m\u00fcssen wir wieder einen Einwand Mill\u2019s zur\u00fcckweisen , und zwar um so mehr, als die Argumente, deren er sich bedient, f\u00fcr ihn auch bei seiner Kritik der Lehre von d\"\u201d Quantification bestimmend sind. Wir pr\u00e4diciren nach Mill stets nur comprehensiv, obwohl wir unsere Urtheile in der Regel in extensiver Form aufstellen. Wenn ich z. B. sage, der Himmel ist blau, so meine ich damit \u2014 und das ist Alles, was ich damit meine \u2014 dass der Himmel von dieser Farbe ist. An die Giasse blau denke ich dabei durchaus nicht, ja ich brauche nicht einmal zu wissen, ob es noch andere blaue Dinge gibt. Ich denke nur an die Wahrnehmung blau und urtheile, dass der Himmel eben diese Empfindung blau in meiner Sinnlichkeit hervorruft. Ebenso, wenn wir sagen, Ochsen sind Wiederk\u00e4uer, haben wir mit dem Pr\u00e4dicat, extensiv genommen, nichts zu thun. Die Comprehension des Pr\u00e4dicats, das Attribut, oder die Reihe von Attributen, die es bezeichnet, ist Alles, was in meinem Geiste gegenw\u00e4rtig ist, und das Verh\u00e4ltniss dieses Attributs, oder dieser Attribute zum Subject ist der ganze Stoff des Urtheils1).\nWir haben bereits darauf hingewiesen2), dass es misslich ist, in Betrachtungen \u00fcber das Urtheil und das Verh\u00e4ltniss der in demselben enthaltenen Begriffe sich von dem sprachlichen Ausdruck bestimmen zu lassen; noch viel weniger statthaft ist es aber, Fragen wie die vorliegende durch einen Hinweis auf das, was im Bewusstsein des Aussagenden gegenw\u00e4rtig ist, entscheiden zu wollen, da es f\u00fcr eine wissenschaftliche Betrachtung des Urtheils v\u00f6llig irrelevant ist. Wir werden \u00fcbrigens Gelegenheit haben, auf diese Ausf\u00fchrungen Mill\u2019s zur\u00fcckzukommen, und so wollen wir uns nach diesen Andeutungen wieder der Hamilton\u2019sehen Lehre zuwenden.\nWir haben gesehen, dass beide Begriffe des Urtheils, Pr\u00e4dicat ebenso gut wie Subject, stets mit bestimmter Quantit\u00e4t gedacht werden ; beide sind im Denken quantificirt, und es ist nur die Sprache, die es aus Gr\u00fcnden, die bereits angedeutet wurden, unter--\nJ) J. St. Mill, An examination p. 423. f. 2) S. oben p. 170.","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik, 177\nl\u00e4sst, auch das Pr\u00e4dicat quantitativ zu bestimmen* 1). \u00bbWird aber der Umfang beider Begriffe bestimmt, quantificirt, so deckt sich stets der ganze Umfang des einen mit dem bestimmten Theil des anderen.\u00ab \u00bbEinige lebende Wesen\u00ab ist gleich \u00bballe Menschen\u00ab, und umgekehrt. Und so ist es von diesem Standpunkte aus durchaus gleichg\u00fcltig, welcher von den beiden Begriffen eines Urtheils als Subject, welcher aber als Pr\u00e4dicat genommen wird.\n\u00bbHieraus ergibt sich:\n\u00bb1. dass ein Urtheil eine Gleichung ist zwischen 'den beiden Begriffen, in Bezug auf ihre Extension. Und zwar nur in Bezug auf Extension, weil blo\u00df diese Quantit\u00e4t eine Erweiterung oder Verengerung desselben zul\u00e4sst, da die Comprehension eines Begriffes stets dieselbe bleibt, indem sie immer mit ihrem ganzen Umfange genommen wird.\n\u00bb2. Die Gesammtquantit\u00e4t des umzukehrenden Urtheils ist gleich der Gesammtquantit\u00e4t des umgekehrten. Dem entsprechend gibt es blo\u00df eine Art der Umkehrung von Urtheilen, die einfache Umkehrung\u00ab2).\nEs ist bereits hervorgehoben worden, dass die Lehre von der Quantification das Urtheil betrachtet als Ausdruck eines Quantit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses zweier Begriffe; ein Urtheil sagt aus, dass eine bestimmte begriffliche Quantit\u00e4t gleich ist einer anderen, die mit ihr in das Urtheil eingeht. Beide Begriffe werden dabei aber nothwendig extensiv genommen, da die Quantit\u00e4t der Comprehension blo\u00df die Totalit\u00e4t der verschiedenen einen Begriff zusammensetzenden Attribute repr\u00e4sentirt, und in Folge dessen constant, also nicht vergleichbar ist.\nJedes Urtheil l\u00e4sst sich demnach als eine logische Gleichung auffassen; das Verh\u00e4ltniss der dasselbe bildenden Begriffe ist das der Gleichheit. Von diesem Standpunkte betrachtet, enth\u00e4lt das Urtheil als solches, streng genommen, kein Subject und auch kein Pr\u00e4dicat,\nb t' ^ \u201d^n<^ 80 haben beide Begriffe eines Urtheils, Subject und auch Pr\u00e4dicat ihre lmmte Quantit\u00e4t im Denken, die freilich nur ausnahmsweise zu sprachlichem . c f kommt. Wenn wir z. B. sagen, Menschen sind lebende Wesen, so ,, n Wlr damit, dass alle Menschen nur einige lebende Wesen sind, und dieses \u00b0\thervorgehoben werden.\u00ab Hamilton, Lectures Vol. IV. p. 272 f.\ni) Hamilton, Lectures Vol. IV. p. 272 f.\nWandt, Philos. Stadien. III.\n12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nLjubomir Nedieh.\nsondern nur Begriffe schlechthin. Aber nicht blo\u00df in dem abstracten Urtheile von der Form A = A, oder A \u2014 vB, auch in Urtheilen mit concretem Inhalte ist der Unterschied von Subject und Pr\u00e4dicat nur ein scheinbarer ; die Urtheile z. B. \u00bbAlle Menschen sind einige lebende Wesen\u00ab und \u00bbeinige lebendejWesen sind alle Menschen\u00ab sind logisch gleichwerthig.\nJedes Urtheil ist also einfach umkehrbar. Die ganze alte Lehre von der Umkehrung der Urtheile mit ihren verwickelten Hegeln ist somit vom Standpunkte des quantificirten Pr\u00e4dicats aus falsch ') ; indem dieselbe das Pr\u00e4dicat nicht quantificirte, konnte sie das wahre Vei.iditniss der umzukehrenden Begriffe, so wie es sich im Urtheil darstellt, nicht verstehen. Wird aber das Urtheil durchgehends quantifient, so werden Subject und Pr\u00e4dicat desselben auf ihr richtiges Verh\u00e4ltniss zuriiekgef\u00fchrt und als begriffliche Quantit\u00e4ten zu einer logischen Gleichung verbunden, erkannt. Da es nun vom Standpunkte des quantificirten Pr\u00e4dicats aus eigentlich weder Subject, noch Pr\u00e4dicat gibt, indem jeder von den beiden Begriffen des Urtheils als das eine oder andere fungiren kann, so erkl\u00e4rt die Lehre von der Quantification, dass es nur eine Art der Umkehrung gibt, die der e infachen Umkehrung ; die \u00fcbrigen Arten derselben sind in Wahrheit \u00bbandere logische Processe, zuf\u00e4llig mit einer Vertauschung von Subject und Pr\u00e4dicat combinirt\u00ab. 1 2)\nAn und f\u00fcr sich betrifft zwar diese Reform der Lehre von der Conversion mehr die logische Technik, jedoch ist dieselbe in einem hochbedeutenden theoretischen Fortschritte begr\u00fcndet. Nicht die Vereinfachung der Regeln der Umkehrung an sich ist es, in der die Bedeutung derselben liegt, sondern in der grundlegenden Auffassung der Begriffe als Quantit\u00e4ten und der daraus sich ergebenden Betrachtung der Urtheile als logischer Gleichungen ist, wie wir sp\u00e4ter sehen werden, das wahre Verdienst der Lehre von jder Quantification zu suchen.\nBevor wir nun in der Darstellung derselben weiter gehen, m\u00fcssen hier einige Einw\u00e4nde, die gegen die Quantification des Pr\u00e4dicats \u00fcberhaupt erhoben wurden, ber\u00fccksichtigt werden. Vor Allem war\n1)\tLectures Vol. IV, p. 259.\n2)\tEbda . p. 266. Vgl. auch Baynes, An essay p. 31 f.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik. 179\nes J. St. Mill, der ihr jedes wissenschaftliche Verdienst absprach1). Das Pr\u00e4dicat ist als solches nach Mill nicht nothwendig im Denken quantifient. Dasselbe mag unter Umst\u00e4nden auch quantitativ gedacht werden, dass es aber stets so gedacht werden muss, ist unrichtig, und die Sprache quantifient dasselbe auch nur in den seltenen F\u00e4llen, wo es auch im Denken wirklich quantifient ist2). Dem Pr\u00e4dicat kommt also nach ihm nicht immer bestimmte Quantit\u00e4t zu ; \u00bbdieselbe mag implicite da sein, aber nicht im Geiste desjenigen, der die Aussage thut\u00ab3). Wenn wir sagen \u00bballe Menschen sind sterblich\u00ab, so behaupten wir damit blo\u00df das Attribut der Sterblichkeit von allen Menschen, ohne an die Classe sterblich zu denken und zu fragen, ob sie noch andere Wesen enth\u00e4lt oder nicht4). \u00bbIst aber\u00ab, f\u00e4hrt Mill, ankniip-fend an seine Kritik der Hamilton\u2019sehen Lehre von comprehensiven und intensiven Begriffen fort, \u00bbdas Pr\u00e4dicat im Denken nur com-prehensiv enthalten, und ist es ein Fehler vorauszusetzen, dass es gedacht wird als Aggregat von Objecten, so wird dasselbe noch viel\n1)\tVgl. Logic 10th ed. London 1879, Vol. I. p. 197 \u00a3, ebenso An examination of Sir W. Hamilton\u2019s philosophy, London 1865 chapt. XXII of Sir W. Ham. supposed improvements in formal logic pp. 422\u2014445.\n2)\tMill, Logic Vol. I. p. 197 Anm.\n3)\tEbda.\n4)\tVon diesem Standpunkte k\u00f6nnte man auch dem Subject bestimmte Quantit\u00e4t im Denken absprechen, und wirklich behauptet Mill, a. a. O. p. 437 Anm. \u00bbWir quantifleiren auch das Subject nicht in dem Sinne, in dem es die Lehre Sir W. Hamilton\u2019 s verlangt\u00ab. Selbst in Universalurtheilen denken wir das Subject, nach Mill, nicht als ein einiges Ganze, sondern in seinen einzelnen Theilen (not as an aggregate whole, but as its several parts) ; wir urtheilen nach ihm nicht \u00bbAlles A ist lia, sondern \u00bbAlle A!s sind B\u2019s\u00ab, was eine ganz andere Sache ist. Ebda. \u00bbAlles A\u00ab, f\u00fcgt er hinzu, ist verschieden von \u00bbjedes A\u00ab. \u2014 Ganz abgezehen davon, dass es, wie bereits bemerkt wurde, unzul\u00e4ssig ist, in logischen Fragen psychologische Gesichtspunkte geltend zu machen, ist es auch von Mill\u2019s psychologischem Standpunkte aus kaum haltbar, zu behaupten, wir denken nicht das Ganze, sondern seine einzelnen Theile, nicht Alles, sondern Jedes. Jedes k\u00f6nnen wir uns ebensowenig vorstellen wie Alles ; beides sind eben Begriffe und als solche im Bewusstsein mir als verdunkelte Vorstellungen gegenw\u00e4rtig. (Vgl. Wundt, Logik I, p. 37 ff., die Entstehung der Begriffe.) Psychologisch, in Bezug auf das Vorgestelltwerdenk\u00f6nnen, sind also die beiden Ausdr\u00fccke gleichwerthig. F\u00fcr die logische Betrach-^ung aber ist der Begriff \u00bbAlles\u00ab der urspr\u00fcnglichere und auch der pr\u00e4cisere; \u00bbJedes\u00ab ist erst ein secund\u00e4res logisches Product, abgeleitet aus jenem, und Mill bevorzugt den Ausdruck augenscheinlich, weil derselbe der seiner Lehre vom Syllogismus, der Bach ihm ein Schluss vom Einzelnen auf das Einzelne ist, entsprechendere ist.\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nLjubomir Nedich.\nweniger gedacht mit bestimmter Quantit\u00e4t, als einige oder alle\u00ab h \u00bbJemand, meint er dann weiter, der urtheilt, dass alle Ochsen Wiederk\u00e4uen, fragt gar nicht darnach, ob es noch andere wiederk\u00e4uende Wesen gibt. Einer mag wissen, dass es noch andere Thiere gibt, die Wiederkauen, ein Anderer meinen, dass es keine solchen gibt, ein Dritter aber dar\u00fcber \u00fcberhaupt nicht wissen, und doch werden sie Alle, falls sie im Klaren dar\u00fcber sind, was wiederk\u00e4uen hei\u00dft, dasselbe meinen, wenn sie urtheilen, dass alle Ochsen wiederk\u00e4uen. Der geistige Vorgang, den sie dabei durchmachen, ist, soweit er das Ur-theil betrifft, derselbe\u00ab1 2).\nWie seine Kritik der Comprehension und Extension der Begriffe, so ist auch hier die Mill\u2019sehe Kritik eine von naiv-empirischen Gesichtspunkten geleitete: ihm kommt es hei der Betrachtung des Ur-theils blo\u00df auf das subjective Bewusstsein und die Absicht des Aussagenden, nicht aber auf den objectiven Inhalt des Ausgesagten an. Gewiss denken wir, wenn wir urtheilen, nicht an die Classe; unsere Urtheile befassen sich in der Kegel mit Gegenst\u00e4nden, und es ist selbstverst\u00e4ndlich, dass Attribute als Pr\u00e4dicate derselben genommen werden. Jedoch ist den Ausf\u00fchrungen Mill\u2019s entgegenzuhalten, dass es f\u00fcr die wissenschaftlich-logische Betrachtung des Urtheils durchaus gleichg\u00fcltig ist, was zuf\u00e4llig im Bewusstsein desjenigen, der urtheilt, vorgeht; das Urtheil enth\u00e4lt f\u00fcr dieselbe zwei Begriffe, die zu einander in einem bestimmten Verh\u00e4ltnisse stehen, von dem die wissenschaftliche Analyse Rechenschaft zu gehen hat, und es ist dies nicht, wie Mill sagt, eine der Seiten, nach der man dasselbe betrachten kann3), sondern es ist die Seite, nach der es die Logik zu betrachten hat. So ist der Einwand, \u00bbdie Lehre von der Quantification sei psychologisch falsch\u00ab4), als logisch ungerechtfertigt zur\u00fcckzuweisen.\n1)\tAn examination p. 437.\n2)\tEbda.\n3)\tEbda. a. a. O. p. 425.\n4)\tEbda. a. a. O. p. 438. Von demselben psychologischen Standpunkte aus bek\u00e4mpft auch Trendelenburg, Log. Unters. Bd. II. 2. Aufl. Leipz. 1862 p. 304 eine Auffassung des Urtheils als logische Gleichung. \u00bbDas Urtheil, sagt er, ist psychologisch (!) keine Gleichung, und es geht auch nicht darauf aus, den Umfang zweier Begriffe zu vergleichen\u00ab. Eine solche psychologische Betrachtungsweise ist hier jedoch irrelevant. Die Psychologie hat ihre Gesetze, die Logik aber die ihrigen, und obwohl beide Gebiete sich ber\u00fchren, so d\u00fcrfen doch ihre Gesichtspunkte nicht","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Priidicats in der neueren englischen Logik. 181\nEin zweiter Vorwurf, den Mill der Lehre vom quantificirten Pr\u00e4dicat macht, besteht darin, dass, wie er meint, das durchgehends quantificirte Urtheil nun nicht mehr eine, sondern zwei Aussagen enth\u00e4lt, dass also durch Quantification des Pr\u00e4dicats an seinem Inhalt ge\u00e4ndert wird. \u00bbWenn wir, sagt derselbe, eine Behauptung aufstellen in der gezwungenen und unnat\u00fcrlichen Form \u00bbAlle Menschen sind alle vern\u00fcnftige Wesen\u00bb, ist Etwas einleuchtender und klarer, als dass, um das Ganze dieser Behauptung zu umfassen, zwei Urtheile erforderlich sind: n\u00e4mlich erstens, dass jeder Mensch das Attribut Vernunft besitzt, und zweitens, dass Nichts, was nicht Mensch ist, dieses Attribut besitzt, oder (was dasselbe ist) dass jedes vern\u00fcnftige Wesen die Attribute von Mensch hat. Wie ist es m\u00f6glich, blo\u00df ein Urtheil zu bilden aus einer Behauptung, die in zwei Theile zerf\u00e4llt, wovon der eine unbekannt, der andere bekannt, der eine nicht gedacht, der andere gedacht, der eine falsch, der andere .richtig sein kann\u00ab* 1). Mill sieht also in dem Urtheile, dessen Pr\u00e4dicat quantifient wird, nicht mehr ein, sondern eigentlich zwei Urtheile2 *), und auch andere Logiker wie Trende 1 enburg3) und De Morgan4) haben behauptet, dass im durchgehends quantificirten Urtheile zwei Aussagen zu einem Urtheile verbunden werden, bezw., dass zu dem un-quantificirten Urtheile durch Quantification ein neues hinzutritt. So wird dadurch, gerade entgegengesetzt dem Hamilton\u2019 sehen Postulat, explicite zu setzen, was implicite gedacht wird, wie Mill es ausdr\u00fcckt, \u00bbimplicite gesetzt, was explicite gedacht wird\u00ab 5).\nvermengt werden. Die Entscheidung der Frage aber, ob das Pr\u00e4dicat quantifient gedacht wird, oder nicht, ebenso wie die daran sich eng anschlie\u00dfende von der Auffassung des Urtheils als logischer Gleichung, steht dem Logiker, keineswegs aber auch dem Psychologen zu.\n1)\tAn examination p. 440.\n2)\tSo nennt er a. a. O. p. 441 das allgemein quantificirte Urtheil \u00bbeinen abgek\u00fcrzten Ausdruck zweier Urtheile\u00ab, und ebda, an einer anderen Stelle fragt er : \u00bbist das Urtheil, Alle gleichseitigen Dreiecke sind alle gleichwinkligen Dreiecke\u00ab nur ein Urtheil, was ist dann die Behauptung, dass alle gleichseitigen Dreiecke gleichwinklige sind? \u2014 Wohl ein halbes?\u00ab\n_3) \u00bbJene Urtheile sind eigentlich zwei, in einen Ausdruck zusammengeschwei\u00dft.\u00ab \u201cgische Unters. 2. Aufl. Leipz. Bd. II. p. 304 und ebda weiter. \u00bbMan nimmt bei er sogenannten Quantificirung des Pr\u00e4dicats aus dem Urtheil heraus, was der Ge-anke gar nicht hineinlegte.\u00ab\n4)\tVgl. Bain, Logic Vol. I. Deduction Lond. 1873. p. 88.\n5)\tAn examination p. 442.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nLjubomir Nedich.\nAuch diesen Einwand k\u00f6nnen wir nicht als einen stichhaltigen bezeichnen. Ist das quantificirte Urtheil wirklich so wesentlich verschieden von dem quantitativ nicht bestimmten, dass dieses durch blo\u00dfe Quantification in ein Doppelurtheil verwandelt wird? Und wenn dies in der That der Fall ist, gen\u00fcgt diese Thatsache, das quantificirte Pr\u00e4dicat aus der Logik zu verbannen? \u2014 Vor Allem ist in Bezug auf letztere Frage hervorzuheben, dass, sollte sich bei der Untersuchung auch heraussteilen, dass durch Quantification des Pr\u00e4dicats in der That Form und Inhalt des Urtheils ver\u00e4ndert werden, indem dasselbe mehr aussagt, als in seiner urspr\u00fcnglichen unquantificirten Form, doch damit nicht der Stab gebrochen ist \u00fcber die Quantification. Es k\u00f6nnte wohl sein, dass, wenn wir urtheilen, wir von der Quantit\u00e4t des Pr\u00e4dicats absehen und dass so durch eine Quantification desselben das urspr\u00fcngliche Urtheil modificirt wird, in einer Weise, in der es der Absicht, in welcher es gestellt wird, weniger entspricht. Wir wollen gerne zugeben, dass Jemand, der z. B. urtheilt \u00bbAlle Menschen sind vern\u00fcnftige Wesen\u00ab, damit nichts weiteres als die Vern\u00fcnftigkeit aller Menschen hervorheben will, und dass in Folge dessen die quantificirte Form desselben Urtheils \u00bbAlle Menschen sind alle vern\u00fcnftigen Wesen\u00ab, die neben der beabsichtigten noch eine andere Aussage in sich schlie\u00dft, eine seinen Zwecken weniger entsprechende ist. Das unquantificirte Urtheil hat ja im Allgemeinen den Character der Unbestimmtheit, der, wo auch das Denken unbestimmt ist, diesem entspricht. \u00bbAlle Menschen sind vern\u00fcnftige Wesen\u00ab kann hei\u00dfen \u00bbAlle Menschen sind alle vern\u00fcnftigen Wesen\u00ab und \u00bbAlle Menschen sind einige vern\u00fcnftige Wesen\u00ab. Der logische Nutzen der Quantification besteht darin, dass sie diese Unbestimmtheit des Denkens beseitigt. Hier entscheidet indessen nur eine Betrachtung dar\u00fcber, ob das Urtheil nach Interpretirung seines Inhalts nicht auch bei unquantificirter Form ein quantitativ bestimmt gedachtes Pr\u00e4dicat enth\u00e4lt. Abgesehen davon, dass ein Urtheil als Denkact nothwendig einheitlich ist und schon deshalb nicht mehr als eine Aussage enthalten kann, beruht die Mill\u2019 sehe Kritik auf einer verkehrten Interpretation des allgemein quantificirten Urtheils. Jene beiden Aussagen, in die er das Urtheil \u00bbAlle Menschen sind alle vern\u00fcnftigen Wesen\u00ab zerlegt, sind in Wahrheit nicht Bestandtheile dieses Urtheils; das quantificirte Urtheil enth\u00e4lt wie jedes andere stets nur eine","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik. 183\nAussage, und was Mill als eine zweite mit in demselben enthaltene Aussage betrachtet, ist nur eine Folgerung, ein unmittelbarer Schluss aus der ersten (und einzigen) der eben in Folge der Unmittelbarkeit, mit der er sich aus derselben ergibt, leicht zu der Annahme verleitet, er geh\u00f6rte nothwendig mit zum Urtheil. Dass jene angebliche zweite Aussage wirklich nur eine Folgerung ist aus dem eigentlichen Urtheil, erhellt schon daraus, dass man jenes Urtheil \u00bbAlle Menschen sind alle vern\u00fcnftigen Wesen\u00ab nicht nothwendig in die beiden Aussagen \u00bbAlle Menschen haben das Attribut Vernunft\u00ab und \u201eNichts, was nicht Mensch ist, hat das Attribut Vernunft\u00ab zerlegen muss, da man, wie es auch von Mill geschieht, dieser zweiten Aussage die andere substituiren kann \u00bbAlles Vern\u00fcnftige hat die Attribute von Mensch\u00ab. \u2014\nDas also, woraus Mill dem quantificirten Urtheil einen Vorwurf macht, es best\u00e4nde aus zwei Aussagen, trifft nicht nur dieses, sondern auch das unquantificirte Urtheil, oder vielmehr es trifft keines von beiden. Auch von dem unquantificirten Urtheil k\u00f6nnte man unter Umst\u00e4nden behaupten, es (enthielte zwei Aussagen, freilich wieder auf die Gefahr hin, einen unmittelbaren Schluss aus demselben als dessen nothwendigen Bestandtheil zu nehmen. Ebenso wie man das Urtheil \u00bbAlle Menschen sind alle vern\u00fcnftigen Wesen\u00ab in jene zwei \u00bbhalben\u00ab zerlegen konnte, lie\u00dfe sich ein Urtheil von der \u00fcblichen Form, ohne quantificirtes Pr\u00e4dicat, etwa \u00bbEinige Menschen sind gl\u00fccklich\u00ab als noch ein zweites \u00bbEinige Menschen sind nicht gl\u00fccklich\u00ab mit aussagend betrachten. Freilich haben wir es in beiden F\u00e4llen nur mit unmittelbaren Schl\u00fcssen zu thun. Es ist eben unm\u00f6glich, in einem Urtheile zwei, und w\u00e4ren es auch nur \u00bbhalbe\u00ab, zusammenzufassen, da ein solches Doppelurtheil der Natur des Urtheils widerspricht. So ist auch dieser Mi 11'sehe Einwand als ein unberechtigter zur\u00fcckzuweisen.\nIndem wir nun in der Darstellung der Lehre von der Quantification fortfahren, haben wir zun\u00e4chst die neue Eintheilung, die sich bei einer Mitber\u00fccksichtigung des Pr\u00e4dicats ergibt, zu ber\u00fchren. Bekanntlich werden die Urtheile von der alten Logik, die das Pr\u00e4dicat nicht quan-tificirte, in Bezug auf Qualit\u00e4ts- und Quantit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse in die vier herk\u00f6mmlichen Arten der bejahenden und verneinenden allgemeinen und particul\u00e4ren eingetheilt, die man mit den bekannten Symbolen","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nLjubomir Nedich.\nA, E, I, 0 bezeichnet. Diese Eintheilung ist jedoch eine einseitige, indem sie blo\u00df der Quantit\u00e4t des Subjects Rechnung tr\u00e4gt, die des Pr\u00e4dicats aber ^v\u00f6llig au\u00dfer Acht l\u00e4sst. Es ergeben sich an Stelle der vier Arten von Urtheilen in Bezug auf deren Quantit\u00e4t und Qualit\u00e4t, die man gewinnt, wenn blo\u00df die Quantit\u00e4t des Subjects ber\u00fccksichtigt wird, deren eine doppelte Anzahl, wenn auch die Quantit\u00e4t des Pr\u00e4dicats mit in Betracht gezogen wird *-).\nDiese acht Formen von Urtheilen sind nun :\nBejahende:\n(I)\t[AfA]\tC:\t\u2014\t:\tV Alle Dreiecke sind alles Gleichseitige.\n(II)\t[Afl\\\tG:\t\u2014,\tr Alle Dreiecke sind einige Figuren.\n(3)\t\\I f A]\tA,\t\u2014:\tC Einige Figur ist alles Dreieckige.\n(IV)\t[I f I]\t0,\tmm\u2014,\tB Einiges Dreieck ist einiges Gleichseitige.\nVerneinende :\n(V) [E n E] C:\tD Irgend ein Dreieck ist nicht irgend ein\n[A \u00c4]\tRechteck.\n(6) [E n O] C: H , B Irgend ein Dreieck ist nicht ein Gleich-(A I)\tseitiges.\n(VII) [O n E\\ B, |\t: C Einiges Gleichseitige ist nicht irgend\n[IA)\tein Dreieck.\n(8) [0 ii 0] C, ^1\t, B Einige Dreiecke sind nicht alles Gleich-\nseitige 2). Oder\nBejahende :\n(I.) toto-total = A F A \u2014 Alles \u2014 ist Alles \u20143).\n1)\tHamilton, Lectures. Vol. IV. p. 279.\n2)\t\u00bbIn der obigen Tafel bedeutet Comma (,) einige, Doppelpunkt (:) alle, irgend\nwelche; \u00bb die bejahende Copula, w\u00e4hrend ein senkrechter Strich durch dasselbe Zeichen\tdie Verneinung ausdr\u00fcckt; das verdickte Ende bezeichnet\ndas Subject, das d\u00fcnnere das Pr\u00e4dicat der Extension. In der Intension bezeichnet das d\u00fcnnere Ende das Subject, das verdickte aber das Pr\u00e4dicat. So z. B., C: m , A hei\u00dft Alles C ist einiges A, C: \u25a0[\t: B. Kein Cist irgend ein D.\u00ab S. Ha-\nmilton, Lectures Vol. IV. p. 280 Anm.\n3)\tDieses toto-totale Urtheil ist es, das Mill im Auge hatte, als er gegen die Quantification des Pr\u00e4dicats einwandte, es w\u00fcrde dadurch das urspr\u00fcngliche Urtheil, das nur eine Aussage enth\u00e4lt, in eines verwandelt, das zwei solche in sich schlie\u00dft ; so sagt er (An examination p. 349) : \u00bbAlles A ist einiges B\u00ab ist zul\u00e4ssig, weil es eine Quantification darstellt, die wirklich in \u00bbAlle A\u2019s sind B\u2019s\u00ab enthalten ist; \u00bbAlles A ist alles B\u00ab jedoch ist unstatthaft, da es keinem einfachen Urtheil entspricht, das dieses in unquantificirter Form aussagen k\u00f6nnte.\u00ab Vgl. \u00fcbrigens oben p. 17. \u2014 Wir","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Priidicats in der neueren englischen Logik. 185\n(II.) toto-partial = A FI \u2014 Alles \u2014 ist einiges \u2014 (A).\n(3.) parti-total \u2014 IFA \u2014 Einiges \u2014 ist alles \u2014-* 1).\n(IV.) parti-partial = IFI = Einiges \u2014 ist einiges \u2014 (I).\nVerneinende :\n(V.) toto-total \u2014 ANA \u2014 Irgend ein \u2014 ist nicht irgend ein (kein)\n' - [E).\n(6.) toto-partial \u2014 A NI = Irgend ein \u2014 ist nicht ein \u2014\n(VII.) parti-total = IN A = Einiges \u2014 ist nicht irgend ein \u2014\n(8.) parti-partial = INI \u2014 Einiges \u2014 ist nicht einiges \u2014 ( 0) 2).\nb. Das quantificirte Pr\u00e4dicat und die Lehre vom Syllogismus.\nEs er\u00fcbrigt noch, auf die Lehre vom Syllogismus, wie sich dieselbe hei einer Quantification des Pr\u00e4dicats gestaltet, einzugehen, um damit unsere Darstellung der Lehre von der Quantification abzuschlie\u00dfen. Obwohl gerade hier die eigentliche Bedeutung derselben liegen soll, k\u00f6nnen wir uns dabei kurz fassen. Jene subsumtionssyl-logistische Technik hat f\u00fcr die heutige logische Wissenschaft fast jegliche Bedeutung verloren, und wir k\u00f6nnen der Reform derselben unm\u00f6glich jene Tragweite beimessen, die ihr Urheber f\u00fcr dieselbe beanspruchte. \u2014 Die alte Lehre vom Syllogismus ist, nach Hamilton, fehlerhaft. \u00bbIndem dieselbe jenes logische Postulat, Alles, was implicite gedacht wird, auch explicite zu setzen, nicht beachtete, nahm sie an, dass erstens in bejahenden Urtheilen das Pr\u00e4dicat stets particular oder unbestimmt genommen wird, w\u00e4hrend es als bestimmt und\nwollen hier auch erw\u00e4hnen, dass dieses toto-totale Urtheil von Thomson mit U, von Spalding aber mit A'2 bezeichnetwird. S.Bain, LogicVol.I.Deduction2nded. London 1873 p. 89. Nach Bain ist eine universale Quantification des Pr\u00e4dicats von der Form \u00bbAlle X sind alle 1\u2019\u00ab nur in Ausnahmef\u00e4llen gestattet, wie in dem Urtheil \u201cNatriumchlorid ist Kochsalz\u00ab wo beide Begriffe synonym sind, oder wie in \u00bbQuecksilber ist ein fl\u00fcssiges Metall\u00ab, wo sie coextensiv sind. Hier l\u00e4uft aber jede solche Quantification auf einen logischen Pleonasmus hinaus.\n1)\tThomson hat daf\u00fcr Y, Spalding I2. S. Bain Logic Vol. I. a. a. O.\n2)\tMan hat der Hamilton\u2019sehen Doctrin von der Quantification auch den Vorwurf gemacht, dieselbe sei ein Abfall vom formalen Standpunkte (Trendelenburg, Log. Unters. 2. Aufl. Bd. II. Leipzig 1862, p. 307); man k\u00f6nne es einem Urtheil nicht ohne Weiteres ansehen, \u00bbob dasselbe ein toto-totales, oder ein toto-partiales\u00ab sei, ohne den Stoff desselben zu kennen. Daran leidet aber jede, auch unquantificirte Urtheilsform ; es ist eben die formale Betrachtung selbst, die von dem concreten Inhalt der Urtheile absieht und es so erm\u00f6glicht, dieselben in bestimmte Classen zu ordnen.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nLjubomir Nedich.\nuniversal gedacht wird, und zweitens, dass in verneinenden Urtheilen dasselbe Pr\u00e4dicat universell oder bestimmt genommen wird, ausgeschlossen aus dem Umfange des Subjects. Um die daraus entspringenden M\u00e4ngel zu berichtigen, waren viele verwickelte Regeln des Syllogismus n\u00f6thig. Quantificiren wir aber jenem Postulat gem\u00e4\u00df das Pr\u00e4dicat, wie es im Denken stets geschieht, so verschwinden jene Specialregeln des Syllogismus, die Figuren desselben werden abgeschafft und auf unwesentliche Modificationen zur\u00fcck gef\u00fchrt ; und w\u00e4hrend die modi desselben vermehrt werden, ist die Lehre vom Syllogismus selbst auf die Einfachheit eines einzigen kurzen Gesetzes (canon' gebracht1). Dieses eine allgemeine Gesetz lautet aber: \u00bbDas Verh\u00e4lt-niss, welches besteht zwischen Subject oder Pr\u00e4dicat und einem gemeinschaftlichen dritten Begriff, zu dem sie beide, mindestens aber einer von ihnen, in einem positiven Verh\u00e4ltnisse stehen, besteht zwischen diesen beiden Begriffen selbst\u00ab2).\nIV. Scblussbenierkungen.\nWir haben in Obigem versucht, die Lehre von der Quantification in ihren wesentlichsten Momenten zu entwickeln, wobei wir diejenigen, die ein mehr theoretisches Interesse bieten, in den Vordergrund unserer Darstellung brachten ; die technischen Fortschritte, die sich an die Quantification des Pr\u00e4dicats kn\u00fcpfen, wurden nur soweit ber\u00fchrt, als es die Vollst\u00e4ndigkeit der Darstellung nothwendig machte, da wir diesen, wie \u00fcberhaupt allen technischen Bestrebungen in der logischen Wissenschaft nur eine sehr untergeordnete Bedeutung beimessen k\u00f6nnen. Einzelne Einw\u00e4nde, die von verschiedenen Seiten gegen die Quantification des Pr\u00e4dicats erhoben worden, haben wir im Verlaufe der Darstellung selbst auf ihre Richtigkeit zu pr\u00fcfen versucht. Es er\u00fcbrigt nun noch, einen Blick zu werfen auf das Ganze der hier dargestellten Lehre, um zum Schl\u00fcsse einige Worte \u00fcber die Bedeutung derselben hinzuzuf\u00fcgen.\nWir haben bereits gesehen, dass sich die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats die Aufgabe stellte, die alte Aristotelische Logik durch eine \u00bbNeue Analytik\u00ab der Denkformen, wenn nicht zu ersetzen,\n1)\tVgl. Hamilton, Lectures. Vol. IV. p. 352.\n2)\tEbda. p. 290.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik. 187\nso doch in wesentlichen Punkten zu erg\u00e4nzen. Der Stagirite, wie Hamilton den Vater der formalen Logik mit Vorliehe nennt, kannte die Wahrheit, aber nur die halbe Wahrheit, er blieb auf halbem Wege stehen, und sein Versuch musste unvollst\u00e4ndig ausfallen. Er \u00fcbersah, dass auch das Pr\u00e4dicat im Denken bestimmte Quantit\u00e4t besitzt, und darum blieb seine Lehre vom Urtheil, besonders von der Umkehrung desselben so verworren, seine Eintheilung der Urtheile so unvollst\u00e4ndig ; indem er ebenso der zweifachen Natur des Syllogismus nicht Rechnung trug, musste auch seine Lehre vom Schl\u00fcsse mangelhaft ausfallen. Allen diesen M\u00e4ngeln sollte die Neue Analytik abhelfen. Sie quantificirte das Pr\u00e4dicat und wies das wahre Verh\u00e4ltniss der im Urtheil verbundenen Begriffe nach; sie f\u00fchrte die verwickelten Regeln der Umkehrung der Urtheile auf die eine der einfachen Umkehrung zur\u00fcck und erg\u00e4nzte die alte Lehre vom Syllogismus, indem sie denselben auch extensiv betrachtete, was eine wesentliche Vereinfachung der Gesetze desselben mit sich brachte. Die neue Analytik hat also, obwohl sie nicht zu systematischem Abschluss gekommen, doch die Aufgabe, die sie sich gestellt, bis zu einem gewissen Grade gel\u00f6st.\nWorin besteht nun der Dienst, den die Lehre 'von der Quantification der logischen Wissenschaft erwiesen'? Als Sir W. Hamilton behauptete, auch das Pr\u00e4dicat [sei im Denken quantitativ bestimmt, und als er f\u00fcr dasselbe die explicite Betonung dieser Quantit\u00e4t beanspruchte, die dem Subject von jeher zu Theil geworden, hatte er dabei vorzugsweise die technischen Vortheile einer solchen Bestimmung im Auge. Darauf weist seine ganze logische Richtung \u00fcberhaupt hin, und auch sein Postulat, dass Alles1, was implicite gedacht wird, explicite zu setzen ist, best\u00e4tigt die Annahme, dass er durch die ausdr\u00fcckliche Quantification des Pr\u00e4dicats die logische Kunst f\u00f6rdern wollte. Obwohl er die Logik als die Wissenschaft von den Denkgesetzen bezeichnete, war sie ihm doch mehr eine Kunst des Schlie\u00dfens, und dieser Kunst sollte die Quantification zu Gute kommen. Um zu einer wissenschaftlichen W\u00fcrdigung der Lehre Hamilton\u2019s zu gelangen , m\u00fcssen wir dieselbe unabh\u00e4ngig von ihren praktischen Anwendungen betrachten. Einige Vorbemerkungen jedoch \u00fcber Quantification der Begriffe \u00fcberhaupt und die mit denselben engverwandten logischen Begriffsoperationen m\u00fcssen hier vorangeschickt werden.","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nLjubomir Nedich.\nUnter logischen Begriffsoperationen verstehen wir bekanntlich \u00bbdiejenigen Ver\u00e4nderungen, die mit gegebenen Begriffen vorgenommen werden k\u00f6nnen, um aus ihnen neue Begriffe zu bilden\u00ab >). Neben der Summation und der Negation der Begriffe repr\u00e4sentirt die Determination derselben eine der fundamentalen Operationen dieser Art. Diese letztere ist es, mit der die Quantification der Begriffe nahe zusammenh\u00e4ngt, und um diese richtig zu verstehen, m\u00fcssen wir also jene allgemeine Begriffsoperation etwas n\u00e4her ins Auge fassen. Die Determination ist eine der algebraischen Multiplication analoge, logische Operation; wie in dieser jedes Element der einen Gr\u00f6\u00dfe innig verkn\u00fcpft ist mit jedem der anderen, die mit ihr in das multiplicative Verh\u00e4ltniss eingeht, so sind auch alle Elemente, in die wilden einen determinirten Hauptbegriff zerlegen k\u00f6nifen, auf\u2019s Innigste verkn\u00fcpft mit dem anderen ihn determinirenden Neben-begriff1 2). Dabei ist der determinirte Begriff, oder Determinand, stets ein einziger Begriff, w\u00e4hrend der ihn determinirende, der Deter-minator, nicht nothwendig aus nur einem Begriffe besteht, sondern sich auch aus mehreren zusammensetzen kann. In diesem letzteren Falle k\u00f6nnen entweder alle Determinatoren unmittelbar sich mit dem determinirten Hauptbegriff verkn\u00fcpfen, oder aber, es k\u00f6nnen einzelne Determinatoren zu einander in demselben Verh\u00e4ltniss des Nebenbegriffs zum Hauptbegriff stehen, wie sie in ihrer Gesammtheit zum eigentlichen Hauptbegriff stehen, und so Determinatoren zweiten Grades darstellen3).\nAls eine Specialform nun der Determination l\u00e4sst sich, wie bereits angedeutet, die Quantification der Begriffe betrachten, die man deshalb auch als quantitative Determination bezeichnen kann4). Sie\n1)\tS. Wundt, Logik Bd. I. Stuttgart 1880, p. 222.\n2)\tEs ist jedoch zu bemerken, dass die Analogie keine vollkommene ist, denn w\u00e4hrend die algebraische Multiplication eine commutative, ist die logische Determination eine incommutative Operation, d. h. in jener sind die einzelnen Factoren in keinem fixen Verh\u00e4ltniss zu einander, derart, dass einer als der Hauptfactor, die anderen aber als ihm untergeordnete zu betrachten w\u00e4ren, w\u00e4hrend bei der Determination es stets ein Begriff ist, der als Hauptbegriff fungirt, dem sich die anderen, ihn determinirenden, unterordnen.\n3)\tVgl. das N\u00e4here hier\u00fcber bei Wundt, Logik Bd.I. p. 223 ff., wovon dieses ein Auszug ist.\n4)\tS. Ebda. p. 229.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik. 1 89\nbezieht sich auf die Angabe des Umfanges, in dem ein Begriff gedacht wird. Diese sowohl wie jede andere Art der Determination aber bezieht sich, wenn es sich um Begriffe in comprehensiven Urtheilen (nach Hamilton\u2019s Terminologie) handelt, stets nur auf das Subject, d. h. sie beschr\u00e4nkt sich auf die Angabe des Umfanges, mit dem dieses in das Urtheil eingeht, l\u00e4sst aber das Pr\u00e4dicat in dieser Beziehung v\u00f6llig unbestimmt. Und es ist dies durchaus entsprechend jener von uns oben hervorgehobenen Thatsache, dass es das Subject ist, das als der bevorzugte, gewisserma\u00dfen als der Hauptbegriff des Urtheils fungirt, w\u00e4hrend das Pr\u00e4dicat in seiner attributiven Eigenschaft sich demselben unterordnet, und als der Nebenhegriff betrachtet werden kann, der blo\u00df dazu da ist, das Subject n\u00e4her zu bestimmen. Das Urtheil ist eben f\u00fcr denjenigen, der urtheilt, wie Mill mit Recht hervorheb t, eine Aussage vom Subject, und das Pr\u00e4dicat spielt dabei blo\u00df die Rolle eines D\u00e9termina tors desselben. Dass unter diesen Umst\u00e4nden die Quantification des Pr\u00e4dicats zu der gr\u00f6\u00dferen Bestimmtheit des Subjects nicht beitr\u00e4gt, ist klar nach dem, was bereits \u00fcber Determination im Allgemeinen gesagt worden ; in dem Urtheil \u00bbA ist B\u00ab ist das Subject A durch das unquantificirte Pr\u00e4dicat B ebenso deter-minirt, wie durch das quantificirte in dem Urtheile \u00bbA ist einiges _B\u00ab, da in beiden F\u00e4llen B als Attribut von A gedacht wird. Die Quantit\u00e4t des Pr\u00e4dicats kommt also hei dem comprehensiven Urtheile, in dem es blo\u00df als Attribut des Subjects fungirt, nicht in Betracht. Ja man kann das comprehensive Urtheil selbst als eine Art Determinationsvorgang auffassen, indem hier das Pr\u00e4dicat als ein aus der Sph\u00e4re der \u00fcbrigen Merkmale des Subjects herausgegriffenes Merkmal nur eben die von ihm bezeichnete Eigenschaft des Subjects darstellt. So sagt das Urtheil \u00bbSchafe sind wei\u00df\u00ab, wenn man in demselben das Pr\u00e4dicat attributiv nimmt, dasselbe aus, was durch das einfach deter-minirte Subject \u00bbwei\u00dfe Schafe\u00ab ausgedr\u00fcckt wird, indem wir hier wie dort an die durch das Adjectivum bezeichnete Eigenschaft von Schaf denken.\nWesentlich anders verh\u00e4lt sich die Sache in dem extensiven Urtheil, in dem (]as Pr\u00e4dicat nicht als blo\u00dfes Merkmal des Subjects betrachtet, sondern als Classe, dasselbe mit umfassend, gedacht wird. Hier sind Subject und Pr\u00e4dicat gleich selbst\u00e4ndige Begriffe und nur hier haben wir es, streng genommen, mit einem eigentlichen Subsum-","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nLjubomir Ne dich.\ntionsurtheil zu thun ; in dem comprehensiven Urtheil haben wir allerdings auch Subject und Pr\u00e4dicat, verbunden durch die Copula, jedoch ist dieselbe hier nur ein formeller Bestandtheil des Urtheils, das eigentlich nur eine Determination des Subjects darstellt. In dem extensiven Urtheile erst wird sie zu einem unerl\u00e4sslichen Bestandtheil desselben ; ihre Bedeutung besteht darin, dass sie die urspr\u00fcngliche verbale Form des Pr\u00e4dicats in die Kategorie der Gegenstandshegriffe \u00fcberf\u00fchrt und dadurch einen Vergleich zwischen Subject und Pr\u00e4dicat erm\u00f6glicht. In dem eigentlichen Subsumtionsurtheil werden die beiden durch dieselbe verbundenen Begriffe als Classen genommen, und in Bezug auf ihr Umfangsverh\u00e4ltniss, also auf Quantit\u00e4t, mit einander verglichen ; sie stehen in demselben in einem Verh\u00e4ltnisse der Ueber-und Unterordnung zu einander. \"Worin besteht nun dieses Verh\u00e4ltniss der Ueber- und Unterordnung, was heisst \u00bbA ist B untergeordnet\u00ab? Offenbar, dass B weiteren Umfangs ist als A, dass also A in die Sph\u00e4re von B f\u00e4llt, oder, mit anderen Worten, dass ein Theil von B sich deckt mit dem ganzen Umfange von A. Das von dem Subsumtionsurtheil ausgedr\u00fcckte Verh\u00e4ltniss ist also das der relativen Gr\u00f6\u00dfe zweier Begriffe zu einander, die eben deshalb nothwendig als quantitativ bestimmt gedacht werden m\u00fcssen. Die Quantification ist hier also nicht Etwas , das etwa zu dem einen, oder dem anderen Begriff hinzukommen k\u00f6nnte, sie ist in dem Urtheile als solchem eo ipso enthalten. Das Subsumtionsurtheil ist daher nothwendig \u00bbdurchgehends\u00ab quantificirt. Dass aber in der Regel nur das Subject de facto quanti-ficirt wird, ist, wie bereits vielfach hervorgehoben wurde, nur eine Folge davon, dass wir f\u00fcr gew\u00f6hnlich heim Urtheilen unser Hauptaugenmerk dem Subject zuwenden und der Copula einen mehrdeutigen Sinn beilegen, das Pr\u00e4dicat aber nur als Attribut desselben nehmen, nicht aber als Classe f\u00fcr sich betrachten, dass wir also, wie Mill sagt, comprehensiv pr\u00e4diciren.\nDas Subsumtionsurtheil stellt also das Quantit\u00e4tsverh\u00e4ltniss zweier Begriffe dar, und in Folge dessen ist in demselben Subject sowohl als Pr\u00e4dicat quantitativ bestimmt; indem es aber dieses \"Verh\u00e4ltniss als eines der Gleichheit zum Ausdrucke bringt, ist das Subsumtionsurtheil auch als logische Gleichung zu betrachten. Dadurch) dass hierbei eine Verlegung des urspr\u00fcnglich in der Copula gedachten Begriffsverh\u00e4ltnisses in das Pr\u00e4dicat stattfindet, wird dieselbe mit dem","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik. J 91\nJ\nmathematischen Gleichheitszeichen identisch, durch welches sie deshalb auch ersetzt werden kann, wie das bei der mathematischen Behandlung logischer Probleme geschieht1). In dieser Auffassung des Subsumtionsurtheils als einer Gleichung liegt nun, wie bereits hervorgehoben wurde, die wahre, bahnbrechende Bedeutung der Lehre von der Quantification. Nur bei einer solchen Auffassung der Begriffe als logischer Quantit\u00e4ten konnte sich die zu so hoher Bedeutung gelangte mathematische Behandlung der Logik entwickeln. Bekanntlich war es, abgesehen von einigen fr\u00fcheren Anl\u00e4ufen, George Boole, der zuerst eine solche versuchte. Einige Bemerkungen \u00fcber das Yerh\u00e4ltniss seines Systems zu der hier dargestellten Doctrin m\u00f6gen zum Schluss hinzugef\u00fcgt werden. Es ist zwar von einem Sch\u00fcler Boole\u2019s und Gegner der Quantification des Pr\u00e4dicats, Venn2), behauptet worden, die mathematische Logik Boole\u2019s stehein durchaus keinem inneren Zusammenh\u00e4nge mit der Hamilton\u2019sehen Doctrin, doch muss diese Behauptung entschieden zur\u00fcckgewiesen werden, da sie auf eine einseitige Auffassung der Lehre von der Quantification sich gr\u00fcndet. Venn fasst diese folgenderma\u00dfen zusammen: \u00bbW\u00e4hrend die \u00fcblichen Formen der Urtheile es unbestimmt lassen, ob wir von dem Ganzen des Pr\u00e4dicats, oder nur von einem Theil desselben bejahend sprechen , und entscheiden, dass wir vom Ganzen nur negativ aussagen k\u00f6nnen, werden vier M\u00f6glichkeiten nicht ber\u00fccksichtigt: dass wir dasPr\u00e4dicat denken m\u00f6gen als Ganzes, oder als Theil, und dass wir es denken m\u00fcssen als eines von diesen, bejahend, oder verneinend. Und da noch, was im Denken enthalten ist, auch w\u00f6rtlich auszudr\u00fccken ist, so erfordert ein wirklich ersch\u00f6pfendes Schema der Urtheile acht Formen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Hamilton und sein autorisirter Ausleger Baynes die Lehre in\nb Von diesem Gesichtspunkte d\u00fcrfte das Hamilton\u2019sehe Pr\u00e4dicatszeichen * f\u00fcr bej ahende und \u25a0) f\u00fcr verneinende S\u00fcbsumtionsurtheile kein entsprechendes sein, da es blo\u00df das absolute Gr\u00f6\u00dfersein des einen Begriffs gegen den anderen andeutet, nicht aber ihrer relativen Gleichheit, die das Urtheil darstellt, Ausdruck gibt. Hie Boole\u2019sehe Notation ist hier entschieden die zweckm\u00e4\u00dfigere. Boole braucht statt desselben das algebraische Gleichheitszeichen und f\u00fchrt zur Bezeichnung der Quantification des weiteren Begriffs das Symbol v als besonderes Quantificationszeichen ein.\n2) Symbolic logic, London 1877, pp. 173\u201475.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nLjubomir Nedich.\ndiesem Sinne verstanden\u00ab *). Der Kern der Lehre vom quantificirten Pr\u00e4dicat soll also nach Yenn darin liegen, dass es statt vier Arten von Urtheilen in Bezug auf Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t deren acht gibt. \u00bbK\u00f6nnte aber Menschenwitz, wenn [er nach einem Ausdrucke suchte, der unzweifelhafter diese ungl\u00fcckliche Lehre widerlegt, dazu einen\ngeeigneteren finden als X = \u2014\u25a0 Y\u00b0l Weit entfernt davon, das Pr\u00e4dicat zu quantificiren, indem angegeben wird, oh nur etwas, oder alles genommen wird, w\u00e4hlen wir eine Form, die den gew\u00f6hnlichen Logiker stutzig macht durch die ungewohnte Sprache, durch die sie erkl\u00e4rt, dass es ihr gar nicht heif\u00e4llt, zu bestimmen, ob nur einiges\noder alles, ja nicht einmal, ob keines zu nehmen ist--------. Es\nist schwer einzusehen, wie diese symbolische [Form in Einklang zu bringen ist mit der Hamilton\u2019schen Lehre, \u2014 es sei denn durch einen \u00fcbereilten Schluss aus der Thatsache, dass beide Systeme die Form der Gleichung adoptiren\u00ab.1 2)\nEs ist klar, dass Venn unm\u00f6glich der hier dargestellten Lehre gerecht werden konnte, wenn er als Ergebniss derselben blo\u00df die Bereicherung der Formen der Urtheile um vier Arten ansieht. Dass es bei einer Quantification des Pr\u00e4dicats deren acht gibt, ist ein Corrolar, keineswegs aber der Kern der Lehre von der Quantification. Gewiss war es nicht die neue Eintheilung derselben, an die Boole ankn\u00fcpfte; die Anzahl der Urtheilsformen ist ja f\u00fcr eine symbolische Darstellung und Behandlung logischer Operationen durchaus gleichg\u00fcltig. Wir wollen auch nicht mit Venn dar\u00fcber rechten, oh Urtheile so, wie sie durch den gew\u00f6hnlichen Sprachgebrauch gegeben werden, einer solchen Behandlungsweise entsprechender sind als in der exacten Form, die ihnen die Quantification auferlegt. Worauf es ankommt, ist, zu untersuchen, ob die Ham il ton\u2019sehe Lehre Punkte aufzuweisen hat, an die ein System wie das Boole\u2019sehe ankn\u00fcpfen konnte. Um dieses entscheiden zu k\u00f6nnen, d\u00fcrfen nicht blo\u00df einige unwesentliche Momente derselben herbeigezogen werden, wie das von Venn geschieht,\n1)\tEbda. p. 174.\n2)\tEbda.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Die I,ehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik. 193\nsondern es muss das Ganze der einen und der anderen Lehre in seinem wahren Kern erfasst werden ').\nAls den Kern der Lehre von der Quantification aber haben wir bezeichnet, dass durch ausdr\u00fcckliche Hervorhebung der Quantit\u00e4t beider im Urtheile enthaltenen Begriffe, die sich dadurch als Quantit\u00e4ten darstellen, das Urtheil selbst als Ausdruck eines Gleichheitsver-h\u00e4ltnisses zwischen den beiden Quantit\u00e4ten Subject und Pr\u00e4dicat, also als logische Gleichung aufzufassen ist. Worin besteht nun das Boole\u2019sehe System? Dasselbe wird oft, freilich mit Unrecht, als ein Versuch bezeichnet, die Logik auf Mathematik zur\u00fcckzuf\u00fchren, eine Auffassung, zu der man offenbar durch die an mathematische Zeichen erinnernde Symbolik desselben veranlasst worden. Was Boole in Wahrheit anstrebte, war, f\u00fcr die Logik eine \u00e4hnliche Behandlungsweise ihrer Probleme zu begr\u00fcnden, wie sie in der Mathematik seit undenklichen Zeiten \u00fcblich ist. Boole war von Haus aus Mathematiker, und da das logische Denken, wie vielfach angenommen wird, in der Mathematik seinen sch\u00e4rfsten Ausdruck findet, so glaubte er, dass ein Verfahren, das in dieser Wissenschaft so fruchtbringend gewesen, auch f\u00fcr die logischen Operationen als ein nutzbringendes sich erweisen d\u00fcrfte. Das Ziel, das er sich gesetzt hatte, war, nicht Logik zur Mathematik zu machen, sondern f\u00fcr dieselbe einen dem mathematischen \u00e4hnlichen Calcul zu begr\u00fcnden. Als das Kennzeichen eines wahren Calculs bezeichnet er aber \u00bbden Gebrauch von Symbolen, deren Gesetze der Combination bekannt undaligemein sind und deren Kesultate eine widerspruchslose Interpretation zulassen\u00ab 2). Ein solcher logischer Calcul setzt aber noth wendig voraus, dass man Begriffe als logische Quantit\u00e4ten, also als Gr\u00f6\u00dfen betrachtet, und ist \u00fcberhaupt\n. So k\u00f6nnte man, sich an Aeu\u00dferlichkeiten haltend, eine Beziehung der Hamilton sehen Doctrin zum System von Boole nachzuweisen glauben etwa durch einen Hinweis darauf, dass auch Hamilton, vielleicht eine \u00e4hnliche Weiterent-\"ickelung seiner Lehre ahnend, bestrebt war, eine symbolische Notation zu begr\u00fcnden, und doch w\u00fcrde das keine innere Verwandtschaft beider bekunden, da es nnulton auf eine blo\u00dfe Veranschaulichung der verschiedenen Begriffsverh\u00e4ltnisse ankam, Boole aber auf Symbolik seine ganze Lehre gr\u00fcndete.\nristisch^ ^ matllematical analysis of logic. Camhr. 1847. p. 4. Es ist characte-ris mc , dass sich das an das Boole\u2019sehe sich eng anschlie\u00dfende System von enn a s \u00bbsymbolische Logik\u00ab bezeichnet.\n77\u00abndt, Philos. Studien. III.\n13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194 Ljubomir Nedich. Die Lehre v. d. Quantification i. d. neueren englischen Logik.\nnur m\u00f6glich, wenn Urtheile als Gleichungen zwischen diesen begrifflichen Quantit\u00e4ten aufgefasst werden. Eine solche Auffassung der Urtheile ergibt sich aber nur bei einer durchgehenden Quantification derselben, und sie angebahnt und begr\u00fcndet zu haben, wird ein unverg\u00e4ngliches Verdienst Hamilton\u2019s und seiner Lehre bleiben.","page":194}],"identifier":"lit4543","issued":"1886","language":"de","pages":"157-194","startpages":"157","title":"Die Lehre von der Quantification des Pr\u00e4dicats in der neueren englischen Logik","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:22:10.289841+00:00"}