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{"created":"2022-01-31T12:25:46.989659+00:00","id":"lit4551","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Wolfe, Harry Krike","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 3: 534-571","fulltext":[{"file":"p0534.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\nVon\nH. K. Wolfe.\nMit Tafel V.\nWenn Plato im Theaetet (197 C) das Ged\u00e4chtniss mit einem Taubenschlage verglich, in welchem verschiedenartige V\u00f6gel aufhe-wahrt werden, die uns zwar geh\u00f6ren, dennoch aber, um brauchbar zu sein, gesucht und nochmals gefangen werden m\u00fcssen, so hat er nur der gew\u00f6hnlichen Ansicht von der Natur des Ged\u00e4chtnisses Ausdruck gegeben. Bis zum heutigen Tage wird von den meisten Menschen dasselbe einfach als eine Schatzkammer f\u00fcr alle Vorstellungen angesehen. Als Theorie zur Erkl\u00e4rung der Erscheinungen hat diese Ansicht aber kaum jemals gedient. Im Theaetet (191 Dff.) wird das Wesen des Ged\u00e4chtnisses au\u00dferdem noch durch das Wirken eines Siegels auf Wachs veranschaulicht. Ob Plato sich diesen Vorgang als Erkl\u00e4rung oder als blo\u00dfes Bild dachte, mag dahingestellt sein. Ohne Zweifel wird man sich einer Erkl\u00e4rung auf diesem Wege eher n\u00e4hern als durch die erste Annahme.\nIn der That hat sich jene Erkl\u00e4rung f\u00e4hig erwiesen, einen langen Entwickelungsgang zu durchlaufen. Einen gro\u00dfen Schritt that man hier, als anstatt der Seele das Gehirn als Ged\u00e4chtnisstr\u00e4ger angenommenwurde, eine Annahme, welche namentlich auch von Descartes gemacht wurde. Seitdem ist man mehrfach bem\u00fcht gewesen, das Ged\u00e4chtniss in verschiedenen Theilen des Nervensystems zu loca-lisiren. Unter den jetzigen Psychologen findet man in dieser Beziehung ziemlich \u00fcbereinstimmend die Annahme, dass bei den Be-","page":534},{"file":"p0535.txt","language":"de","ocr_de":"535\nUntersuchungen \u00fcber das Tongediichtniss.\noductionsprocessen dieselben centralen Elemente th\u00e4tig seien wie bei den urspr\u00fcnglichen Vorstellungen. Geht man aber n\u00e4her auf die Frage ein, so h\u00f6rt die Uebereinstimmung auf. Wir k\u00f6nnen in dieser Beziehung zwei Hauptansichten unterscheiden. Die eine nimmt an, die Vorstellungen lie\u00dfen Spuren zur\u00fcck. Diese rein mechanische Theorie st\u00fctzt sich zun\u00e4chst auf die allgemeine Tendenz der Materie, die in ihr von au\u00dfen her verursachten Ver\u00e4nderungen beizubehalten. Da man aber in der unorganischen Weit kein Bewusstsein und keine Reproduction beobachtet hat, glaubt man das Ged\u00e4chtniss im eigentlichen Sinne als Function der organisirten Materie ansehen zu d\u00fcrfen.1 2) Der Spurentheorie gegen\u00fcber steht eine psychophysische Erkl\u00e4rung der Thatsachen, die, wenngleich sie noch n\u00e4her pr\u00e4cisirt werden k\u00f6nnte, doch den Vortheil besitzt, dass sie unser ganzes Wissen \u00fcber die Erscheinungen ausdr\u00fcckt, ohne physiologische oder teleologische Hypothesen aufzustellen. Nach dieser, haupts\u00e4chlich durch Wundt vertretenen Theorie 2) bleiben nach den Vorstellungen nicht Spuren, sondern Dispositionen in der Nervensubstanz zur\u00fcck. \u00bbDie Ver\u00e4nderungen , die sich dadurch (durch die Uebung) in den Organen vollziehen, haben wir uns aber offenbar als mehr oder weniger bleibende Molecuiaramlagerungen zu denken, welche von den Bewegungsvorg\u00e4ngen, die durch sie erleichtert werden, an sich ebenso verschieden sind, wie die Lagerung der Chlor- und Stickstoffatome in dem Chlorstickstoff verschieden ist von der explosiven Zersetzung, welche durch sie erleichtert wird\u00ab.3) Diese Ansicht schl\u00e4gt also einen mittleren Weg ein, zwischen den Annahmen einerseits von fortexistirenden unbewussten Vorstellungen, welche als wissenschaftliche Bearbeitung der Idee einer Schatzkammer angesehen werden kann, und andrerseits von zur\u00fcckgelassenen Spuren, welche einer entwickelten Wachs-und Siegeltheorie \u00e4hnlich ist. Die Dispositionen k\u00f6nnen eben so gut psychischer\n1)\tHering, \u00bbUeber das Ged\u00e4chtniss als eine allgemeine Function der Materie\u00ab 1876. Der Einwand Johannnes Huber\u2019s (\u00bbDas Ged\u00e4chtniss\u00ab 1878 S. 28) \u00bbWeder die organische noch die unorganische Materie reproducirt fr\u00fchere Eindr\u00fccke . sondern sie h\u00e4lt sie nur fest,\u00ab hat Geltung blo\u00df in Beziehung auf die unorganische Materie. Bis jetzt liegt kein zwingender Beweis vor, dass die Keproductionen der lebenden Wesen nicht allein von der Organisation der Materie abh\u00e4ngig sind.\n2)\tEine eingehende Auseinandersetzung beider Theorien findet man bei Wundt, Grundz\u00fcge der physiologischen Psychologie. 2. Aufl. II. S. 203 f. und 306f.\n3)\tPhysiol. Psych. II, S. 204.","page":535},{"file":"p0536.txt","language":"de","ocr_de":"536\nH. K. Wolfe.\nals physischer Natur sein, und in der That ist es h\u00f6chst wahrscheinlich, dass sie beides zugleich sind.\nWenn die Theorie hei dieser Frage noch nicht zum Ziel gelangt ist, so besitzen wir dagegen eine au\u00dferordentlich reiche Sammlung von Beobachtungen \u00fcber die Eigenschaften des Ged\u00e4chtnisses. Die Leichtigkeit des Verfahrens und die anziehende Kraft zahlreicher Erscheinungen bringen es mit sich, dass fast Jedermann eine Anzahl Erz\u00e4hlungen und au\u00dfergew\u00f6hnlicher F\u00e4lle \u00fcber das Ged\u00e4chtniss gesammelt hat, welche freilich zur Mythenbildung eben so geeignet sind wie zur Entwickelung einer Theorie des Ged\u00e4chtnisses. Die Bearbeitung dieses Materials w\u00fcrde ohne Zweifel vieles wichtige ergeben ; in seiner jetzigen Gestalt kann es als Best\u00e4tigung oder Widerlegung jeder Theorie dienen.\nVielleicht kann man hierin zugleich den Grund der Thatsache erblicken, dass sogar \u00fcber die Bedeutung des Wortes Ged\u00e4chtniss vielfach noch Uneinigkeit besteht. Mit diesem Wort bezeichnen wir allgemein \u00bbdie Bedingungen der Erneuerung der Vorstellungen\u00ab. Die Reproduction und die Erinnerung k\u00f6nnen wir hiernach als active Aeu\u00dferungsformen des Ged\u00e4chtnisses betrachten. Eine Aufbewahrung der Vorstellungen ohne jede Reproduction oder Erinnerung kennen wir aber nicht. Diese beiden Acte sind in der letzten Instanz offenbar nicht wesentlich verschieden. Man spricht von einer Repro duction, wenn man, von den Vorstellungen im Bewusstsein ausgehend, durch Association zu einer neuen einmal da gewesenen Vorstellung gelangt. Die Wiedererkennung einer Vorstellung als eine fr\u00fcher erlebte nennt man dagegen Erinnerung. Beim Lernen einer fremden Sprache nehmen wir zuerst die W\u00f6rter wahr, und dann erinnern wir uns an ihre Bedeutung. Sp\u00e4ter werden wir uns der Bedeutung sofort bewusst : die Association wird mechanisch.\nDa das Ged\u00e4chtniss die Voraussetzung des Bewusstseins ist, so d\u00fcrfen wir annehmen, dass es sich gleichzeitig mit demselben entwickelt. Demnach k\u00f6nnen wir erwarten, die Erscheinungen des Ged\u00e4chtnisses nicht viel complicirter als die der Empfindungen zu finden. Wenn dem aber so ist, so wird man gerade dieses Gebiet als eine Provinz der experimentellen Psychologie ansehen d\u00fcrfen. Obgleich Wundt und Andere die Grenzgebiete dieser Provinz schon in Untersuchungen \u00fcber Association, Zeitsinn u. s. w. betraten, so bleibt doch","page":536},{"file":"p0537.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\n537\nHerrn Dr. Ebbinghaus1) das Verdienst, zuerst speciell die Erscheinungen des Ged\u00e4chtnisses zum Gegenstand experimenteller Untersuchungen genommen zu haben. Dieser Forscher suchte die Aufgabe dadurch zu l\u00f6sen, dass er Reihen sinnloser Silben auswendig lernte und nach einer gegebenen Zeit dieselben wieder lernte. Ein Ma\u00df der angewandten Arbeit gibt dann die Anzahl der Wiederholungen (bei constanter Geschwindigkeit), die zur selbst\u00e4ndigen Reproduction erforderlich sind. Dadurch wird in erster Linie der Einfluss der Reihenl\u00e4nge und der Zeit auf das Ged\u00e4chtniss dargethan.\nSo verdienstlich diese Untersuchungen aber auch sind, so hat Ebbinghaus doch nicht den einfachsten Weg eingeschlagen. Er suchte seine Reproductionen so einfach als m\u00f6glich zu machen. Deshalb w\u00e4hlte er sinnlose Silben, wodurch die h\u00f6heren Associationen ausgeschlossen wurden. Allein, wie er selbst zugibt, bleibt noch ein sehr complicirter Ged\u00e4chtnisstr\u00e4Tger zur\u00fcck, n\u00e4mlich die Verbindungen des Sprachmuskelsinnes, des Geh\u00f6rs- und des Gesichtssinnes. Suchen wir den n\u00e4chsten und deshalb einfachsten Weg, so ist vor allem zu fragen, welche von den beiden Arten der Reproduction die einfachste sei: die ohne \u00e4u\u00dferen Reiz, d. h. Reproduction im gew\u00f6hnlichen Sinne, oder die mittelst \u00e4u\u00dferen Reizes, d. h. der Erinnerung beim Wiederauftreten des n\u00e4mlichen Eindrucks. Jeder wei\u00df, dass fr\u00fcher erlebte Vorstellungen viel leichter wiedererkannt als reproducirt werden. Die meisten von uns verstehen mehr W\u00f6rter, als wir ben\u00fctzen k\u00f6nnen. Nach dem Lesen eines Buches sind wir nicht im Stande sehr viel zu reproduciren, heim zweiten Lesen aber erinnern wir uns fast an alle Einzelheiten.2) Man unterscheidet leicht 10 Mal so viele Farbent\u00f6ne als man in der Phantasie sehen kann, und im Tongebiet findet sich derselbe Unterschied.\nDas Verfahren hei der Methode der Wiedererkennung wird nun das folgende sein: Ein \u00e4u\u00dferer Reiz wirkt auf die Sinne ein; nach\n1)\tUeber das Ged\u00e4chtniss; Untersuchungen zur experimentellen Psychologie, von Herrn. Ebbinghaus, Privatdocenten der Philosophie an der Universit\u00e4t Berlin, 1885.\n2)\tEbbinghaus fand (S. 64), dass nach einmaligem Lesen blo\u00df 8 Silben reproducirt werden k\u00f6nnten. Dieses Resultat stimmt mit den Versuchen von D ietz e (Philos. Stud. II, S. 390) \u00fcber den Umfang des Bewusstseins genau \u00fcberein.","page":537},{"file":"p0538.txt","language":"de","ocr_de":"538\nH. K. Wolfe.\neiner gegebenen Zeit wirkt entweder derselbe oder ein etwas verschiedener Reiz nochmals ein. Die Frage, oh der letztere identisch sei mit dem ersten oder nicht, ist jedenfalls ebenso scharf begrenzt als die einer m\u00f6glichen oder unm\u00f6glichen Reproduction und im allgemeinen leichter als diese zu beantworten.\nDa sich die Tonempfindungen f\u00fcr diese Methode am meisten zu eignen scheinen, so hat mir Herr Prof. Wun dt die Untersuchung des Ged\u00e4chtnisses f\u00fcr einfache Tonempfindungen nach derselben vorgeschlagen. Die Versuche, deren Ergebnisse ich jetzt zu beschreiben habe, wurden w\u00e4hrend des Jahres 1885 im hiesigen psychologischen Laboratorium ausgef\u00fchrt. Dessen Director, Prof. Dr. Wundt, f\u00fchle ich mich f\u00fcr mannigfachen Rath und F\u00f6rderung tief verpflichtet und spreche demselben, sowie den s\u00e4mmtlichen theilnehmenden Herren hiermit meinen verbindlichsten Dank aus.\nI. Versuche der ersten Periode.\nBei der vorliegenden Untersuchung scheint die Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle am anwendbarsten zu sein. Da diese Methode Resultate liefert, deren Werthe in hohem Grade von der Anzahl der Versuche abh\u00e4ngig sind, und da Versuche \u00fcber das Ged\u00e4chtniss noth-wendig sehr viele Zeit erfordern, habe ich mich blo\u00df auf die Untersuchung eines Theils der hier in Frage kommenden Einfl\u00fcsse beschr\u00e4nkt. Aus dem allgemeinen Problem des Ged\u00e4chtnisses haben wir dasjenige des Tonged\u00e4chtnisses ausgesondert. Dieses letztere ist aber auch schon ein sehr umfangreiches Gebiet. Folgende Einfl\u00fcsse wird man a priori voraussetzen d\u00fcrfen : Zun\u00e4chst ist unser Ged\u00e4chtniss irgendwie von der seit der Einwirkung des Reizes verflossenen Zeit abh\u00e4ngig. Sodann ist es wahrscheinlich auch einigerma\u00dfen von der Dauer und Intensit\u00e4t des Tones und endlich von einigen anderen nachher zu erw\u00e4hnenden Bedingungen bestimmt. Zur Hauptaufgabe habe ich mir die Ermittelung des Zeiteinflusses gestellt und werde die anderen Momente nur beil\u00e4ufig ber\u00fccksichtigen.\nDer von mir ben\u00fctzte Apparat besteht aus einer Serie von \u00bbTonmessern\u00ab aus der Werkstatt des Herrn Appunn in Hanau. Die T\u00f6ne werden durch das Schwingen metallener Zungen erzeugt. Zur Zeit befinden sich im Besitz des Instituts f\u00fcnf Octaven und zwar die zwi","page":538},{"file":"p0539.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tongediichtniss.\n539\nsehen 32 und 1024 Schwingungen in der Secunde. Die beinahe 300 Zungen sind so vertheilt, dass in den beiden tieferen Octaven zwischen je zwei ein Unterschied von genau 2 Schwingungen in der Secunde besteht, w\u00e4hrend bei den drei \u00fcbrigen Octaven dieser Unterschied 4 Schwingungen betr\u00e4gt. Die Zungen sind den Octaven nach in luftdichten, mit expansiven Decken versehenen K\u00e4sten befestigt, die mittelst eines Blasebalgs mit Luft erf\u00fcllt werden. Wird das einer Zunge entsprechende Ventil gezogen, so versetzt die ausstr\u00f6mende Luft augenblicklich die erstere in Schwingungen. Beim Schlie\u00dfen des Ventils h\u00f6rt der Ton momentan auf. Obgleich die auf diese Weise erzeugten T\u00f6ne nicht so rein sind wie die von Stimmgabeln auf Resonanzk\u00e4sten , so sind sie doch in anderen Beziehungen den letzteren vorzuziehen. Insbesondere ist eine constante Intensit\u00e4t leichter zu erreichen. Ebenso d\u00fcrfen das An- und Abklingen ohne st\u00f6rende Nebenger\u00e4usche oder Ver\u00e4nderung der Tonfarbe als Vortheile dieses Instrumentes gelten.\nAn den ersten Versuchen betheiligten sich die Herren Thor aus Christiania, Papai aus Buda-Pest und Dr. v. Bechterew aus St. Petersburg. Das Instrument bediente ich. Die genannten Beobachter waren nach ihrer Angabe unmusikalisch, was mit R\u00fccksicht auf die Allgemeing\u00fcltigkeit der Resultate und die Einfl\u00fcsse der Uebung als vortheilhaft angesehen werden d\u00fcrfte. Doch sind Versuche an musikalisch Ge\u00fcbten der Vergleichung halber w\u00fcnschenswerth, und solche wurden auch sp\u00e4ter angestellt. Die Intensit\u00e4t der T\u00f6ne wurde m\u00f6glichst constant erhalten. Die Dauer der einzelnen T\u00f6ne, welche ebenfalls constant blieb, betrug eine Secunde. Zur Messung der Zeit diente ein Metronom, welches Secunden schlug; f\u00fcr Zeiten l\u00e4nger als 30 Secun-den benutzte ich ein Chronometer mit Springsecunden, welches F\u00fcnftheile einer Secunde angibt. Die ziemlich lauten Tactschl\u00e4ge des Metronoms k\u00f6nnten vielleicht als st\u00f6rendes Element betrachtet werden, doch zeigte es sich, dass dies nicht der Fall war; wenigstens trat immer nach einigen Stunden Gew\u00f6hnung an das Ger\u00e4usch ein. Vielleicht dienen im Gegentheil die Tactschl\u00e4ge als leichte, anstrengungslose Fixationspunkte der Aufmerksamkeit, welche das Abschweifen derselben verhindern. Au\u00dferdem machten es die rhythmischen Tacte des Metronoms besonders leicht, die Dauer der T\u00f6ne genau zu contro-","page":539},{"file":"p0540.txt","language":"de","ocr_de":"540\nH. K. Wolfe.\nliren, indem die n\u00f6thigen Bewegungen des Herausziehens und Hineinschiebens der Ventile sich nach diesem Rhythmus gliederten.\nDie Versuche wurden in folgender Weise durchgef\u00fchrt: Ein Ton wurde angegeben, und nach der voraus bestimmten Zeit wurde dann entweder derselbe Ton wiederholt oder ein anderer, etwas h\u00f6herer oder tieferer angegeben. Die Zuh\u00f6rer schrieben nun ihre Urtheile zun\u00e4chst nach den zwei Rubriken: gleich (==) und verschieden (e) nieder. Waren die T\u00f6ne ungleich, so konnte der zweite h\u00f6her (o) oder tiefer (\u00ab) als der erste liegen, oder die Tonh\u00f6he konnte zweifelhaft bleiben (z). Der Tonunterschied betrug 4, 8 oder 12 Schwingungen in der Secunde und blieb w\u00e4hrend einer Versuchsgruppe constant. Im Anfang wurden blo\u00df f\u00fcnf verschiedene Tonh\u00f6hen ben\u00fctzt, die ich mit Buchstaben bezeichne, n\u00e4mlich (7= 496 Schwingungen in der Secunde, E = 408, G = 320, I = 232, L = 144.\nDer erste oder Normalton wurde nach Belieben um 4 Schwingungen h\u00f6her oder tiefer genommen, damit das Geh\u00f6r sich nicht zu sehr an bestimmte T\u00f6ne gew\u00f6hnen sollte. F\u00fcnf einzelne Versuche mit constantem Zeitintervall bilden eine Reihe, welche von C bis L, oder umgekehrt, mit 10 Secunden zwischen den einzelnen Versuchen durchlaufen wurde. Die Urtheile wurden dann neben dem wirklichen Verh\u00e4ltniss notirt. Zehn oder mehr Reihen mit verschiedenen Zeitintervallen nenne ich eine Gruppe. Wir begannen entweder mit dem l\u00e4ngsten Zeitintervalle oder mit dem k\u00fcrzesten.\nDie folgende Tabelle gibt die Summen der Ergebnisse der f\u00fcnf Tongebiete C\u2014L f\u00fcr 10 Zeitintervalle bei einem eventuellen Unterschied der zu vergleichenden T\u00f6ne von 4 Schwingungen. Die beiden ersten horizontalen Reihen bei jedem Beobachter enthalten die richtigen (r) und falschen (/) F\u00e4lle, wenn die objectiven T\u00f6ne verschieden waren; war der zweite Ton dem ersten gleich, so sind die richtigen und falschen F\u00e4lle in der dritten und vierten Reihe angegeben. Es folgen in f\u00fcnfter Reihe die zweifelhaften F\u00e4lle, welche haupts\u00e4chlich den ungleichen T\u00f6nen zufallen; zuletzt die Summe derjenigen Sch\u00e4tzungen, bei welchen ein Unterschied der T\u00f6ne, nicht aber die Richtung des Unterschieds bemerkt wurde (c).","page":540},{"file":"p0541.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\n541\nTabelle L\u00bb)\n\t\t\tB.\t.20 Versuche.\t\t\t\t\t\t\nZeit\t1\t2\t3\t4\t5\t10\t15\t20\t25\t30\n/ r\t26\t29\t25\t21\t18\t17\t19\t6\t10\t12\n\u00b0. u. f r\t31\t25\t31\t32\t30\t39\t32\t40\t45\t37\n\t54\t55\t50\t52\t49\t49\t46\t39\t32\t36\n\"{/\t2\t0\t5\t2\t2\t3\t4\t9\t8\t12\n\t1\t5\t4\t5\t5 '\t3\t6\t11\t13\t7\nV\t6\t6\t5\t8\t16\t9\t13\t15\t12\t16\n\t\t\tP.\t90 Versuche.\t\t\t\t\t\t\n\t21\t22\t14\t21\t23\t19\t22\t16\t13\t26\n0. u.\t26\t26\t33\t27\t24\t28\t25\t32\t35\t22\n\t39\t39\t39\t36\t34\t27\t28\t16\t25\t18\n-\\f\t3\t3\t2\t5\t6\t13\t14\t24\t17\t23\n\t1\t0\t0\t0\t0\t0\t1\t2\t0\t1\nV\t0\t0\t2\t1\t3\t. 3\t0\t0\t0\t0\n\t\t\tT.\t75 Versuche.\t\t\t\t\t\t\n\t22\t27\t18\t20\t21\t14\t15\t12\t24\t26\n\u00b0. u. _ Jr\t16\t10\t20\t17\t18\t22\t20\t25\t16\t14\n\t33\t35\t32\t32\t31\t25\t25\t22\t16\t10\n\t2 0\t0 0\t2 1\t3 0\t3 1\t9 2\t7 3\t12 2\t19 0\t24 1\nV\t2\t3\t2\t3\t1\t3\t5\t2\t0\t0\nBetrachten wir die Ergebnisse der Tabelle, so ist vor allem zn bemerken, dass die Beobachter die Gleichheitsfalle richtiger beurteilen als die Ungleichheitsf\u00e4lle. Deshalb sind die beiderlei F\u00e4lle von einander gesondert angegeben. Die o und u dagegen sind zusammengerechnet, weil sie ungef\u00e4hr gleiche Schwierigkeit boten. Ziehen wir diese letzteren F\u00e4lle in Betracht, so bemerken wir zun\u00e4chst sehr gro\u00dfe individuelle Verschiedenheiten. B. hat blo\u00df bei 2 Secunden\n1) Die in Secunden angegebene Zeit wird vom Abklingen des ersten Tones bis zum Anklingen des zweiten gemessen.","page":541},{"file":"p0542.txt","language":"de","ocr_de":"542\nH. K. Wolfe.\nmehr richtige als falsche Urtheile geliefert; P. blo\u00df einmal bei 30 Se-cunden, w\u00e4hrend T. fast immer mehr richtig als falsch sch\u00e4tzte. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass die Beobachter noch nicht im Stande waren, o und u hei 4 Schwingungen Unterschied mit einiger Sicherheit zu unterscheiden. Deshalb hat auch die Zeit zwischen den zu vergleichenden T\u00f6nen nur einen geringen Einfluss ausgeiibt. Die Gleichheitsf\u00e4lle zeigen ganz andere Resultate. Einen Unterschied zweier T\u00f6ne bemerken alle Beobachter viel leichter als die relative H\u00f6he derselben.\nDer Zeiteinfluss kommt bei beiderlei F\u00e4llen deutlich zur Geltung. Die f\u00fcr die Gleicheitsf\u00e4lle jetzt absolute Sicherheit hei 2 Secunden ist bei 30 Secunden ganz geschwunden. Bis 5 Secunden ist der Zeiteinfluss noch nicht sehr deutlich zu erkennen; hei 10 und 15 Secunden, die \u00fcbrigens ungef\u00e4hr gleich sind, findet aber eine betr\u00e4chtliche Zunahme der falschen F\u00e4lle statt.\nOhne Zweifel beeintr\u00e4chtigen die gro\u00dfe Anzahl z und \u00bb die Resultate von B. Bei den anderen Beobachtern sind diese Symbole nur selten n\u00f6thig geworden. Nach den ersten Wochen pflegen die meisten fast immer ein bestimmtes Urtheil (=, o, u) abzugeben.\nTabelle II enth\u00e4lt die Ergebnisse der Versuche, die gleichzeitig mit den vorhergehenden und unter denselben Bedingungen gemacht wurden, aber mit einem objectiven Unterschied von 8 Schwingungen statt 4 und au\u00dferdem mit einigen l\u00e4ngeren Zeitintervallen.\nTabelle II.\n\nB. 120 Versuche.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t60 Versuche.\t\t\nZeit\t1\t2\t3\t4\t5\t10\t15\t20\t25\t30\t40\t50\t60\nj r\t32\t31\t27\t38\t26\t28\t24\t25\t12\t23\t8\t9\t7\n0. U. < /.\t29\t29\t36\t18\t25\t27\t25\t27\t35\t25\t16\t17\t21\nIr\t55\t55\t55\t54\t53\t49\t46\t44\t36\t36\t11\t17\t16\n~~ \\f\t1\t0\t1\t1\t1\t5\t5\t3\t8\t9\t8\t7\t6\nz\t1\t2\t0\t3\t4\t3\t9\t7\t10\t12\t11\t6\t6\nV\t2\t3\t1\t6\t11\t8\t11\t14\t19\t15\t6\t4\t4","page":542},{"file":"p0543.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tongcd\u00e4chtniss.\n543\n\t\t\t\tP. 75 Versuche.\t\t\t\t\t\t\t60 Versuche.\t\t\nZeit\t1\t2\t3\t4\t5\t10\t15\t20\t25\t30\t40\t50\t60\nJ r\t26\t25\t23\t25\t28\t23\t23\t25\t22\t18\t17\t11\t16\n\t13\t14\t16\t15\t12\t17\t16\t14\t18\t21\t15\t21\t16\nJr\t32\t34\t35\t32\t35\t26\t25\t23\t16\t18\t15\t12\t14\n~\\f\t3\t1\t0\t3\t0\t8\t9\t11\t17\t16\t12\t16\t14\nZ\t0\t1\t0\t0\t0\t1\t2\t1\t2\t2\t1\t0\t0\nV\t1\t0\t1\t0\t0\t0\t0\t1\t0\t0\t0\t0\t0\nT. 90 Versuche.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t30 Versuche.\t\t\n\t35\t32\t34\t40\t36\t26\t28\t30\t28\t29\t10\t5\t9\no.u.\t13\t16\t13\t8\t12\t22\t19\t18\t19\t16\t6\t11\t7\n/ r\t39\t41\t41\t41\t38\t35\t32\t25\t26\t21\t7\t4\t7\n~\\f\t3\t1\t1\t1\t2\t6\t10\t17\t16\t21\t7\t10\t7\nZ\t0\t0\t0\t0\t2\t1\t1\t0\t1\t2\t0\t0\t0\nV\t0\t0\t1\t1\t0\t0\t0\t0\t0\t1\t0\t0\t0\nB. ist noch nicht im Stande o und u zu unterscheiden. In der That hat derselbe nicht wesentlich genauer bei 8 Schwingungen als bei 4 gesch\u00e4tzt; auch bei Gleichheit kommen beinahe ebenso viele falsche F\u00e4lle vor ; blo\u00df bei kurzen Zeiten sind die zweifelhaften F\u00e4lle nicht so zahlreich. P. und T. dagegen zeigen gr\u00f6\u00dfere Sicherheit, doch werden o und u auch bei den kleineren Intervallen oft verwechselt. Die Verdoppelung des Tonunterschiedes hat die Sicherheit der Urtheile bis zu 10 Secunden ziemlich vergr\u00f6\u00dfert. Der Punkt aber, wo die r und f gleich werden, ist kaum mehr als 5 Secunden ferner ger\u00fcckt. Die Vergleichung zweier verschiedener T\u00f6ne scheint also weniger durch deren Zwischenzeit beeinflusst zu sein, als die Wiedererkennung desselben Tons.\nDie Versuche bei den l\u00e4ngeren Zeiten von 40, 50, 60 Secunden wurden nach der ersten Woche gleichzeitig mit den \u00fcbrigen angestellt. Die kleinere Anzahl derselben beruht darauf, dass sie an einigen Tagen ausgelassen wurden. Sie sind also unter gleichen Graden der Hebung mit den anderen durchgef\u00fchrt und d\u00fcrfen mit denselben verglichen werden. Bei 40 Secunden haben P. und T. in den ungleichen F\u00e4llen einige Sicherheit behalten, vielleicht auch bei 60, obgleich die Anzahl der Versuche zu gering ist, um dies zu beweisen.","page":543},{"file":"p0544.txt","language":"de","ocr_de":"544\nH. K. Wolfe.\nWenn bei 50 Secunden die falschen die richtigen F\u00e4lle sehr \u00fcberwiegen, so l\u00e4sst sich daraus nicht etwa schlie\u00dfen, dass die g\u00fcnstigeren Zahlen bei 60 Secunden blo\u00df vom Zufall herr\u00fchren. Denn es ist ja nicht unm\u00f6glich, dass unser Ged\u00e4chtniss f\u00fcr Sinneseindr\u00fccke innerhalb gewisser Grenzen periodischer Natur sei.\nDie Versuche der folgenden Tabelle wurden mehrere Wochen sp\u00e4ter angestellt, also nachdem die Zuh\u00f6rer einige Uebung erlangt hatten. Der Tonunterschied betrug 12 Schwingungen in der Secunde. Die Methode blieb unver\u00e4ndert. Einige kleine Intervalle wurden ausgelassen und daf\u00fcr mehrere l\u00e4ngere gebraucht. Bei 12 Schwingungen hat B. leider keine Versuche mitgemacht. Die von mir [W.) herr\u00fchrenden Versuche wurden unter st\u00f6renden Umst\u00e4nden gemacht, au\u00dferdem aber auch mit einem h\u00f6heren Grade der Uebung, da mir als bisherigem Experimentator das richtige Verh\u00e4ltniss der T\u00f6ne mehr bekannt war.\nTabelle III. /\u2022\" j /,.-.\nI\t/ f-\tJF'- \u2022' \u2022 \u2022\t'\u2022\nP. 60 Versuche.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nZeit\t2\t5\t10\t15\t20\t25\t30\t40\t50\t60\t75\t90\t105\t120\nr\t22\t20\t18\t18\t19\t15\t20\t15\t14\t15\t15\t10\t11\t13\n/\t8\t10\t12\t12\t11\t15\t10\t15\t16\t15\t15\t20\t19\t17\nr\t27\t28\t24\t22\t21\t22\t18\t18\t17\t15\t16\t16\t19\t14\n/\t3\t2\t6\t8\t9\t8\t12\t12\t13\t15\t14\t14\t11\t16\nT. 60 Versuche.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nr\t24\t24\t27\t23\t26\t21\t22\t20\t19\t19\t17\t17\t17\t19\nf\t6\t6\t3\t7\t4\t9\t8\t9\t11\t11\t13\t13\t13\t10\nr\t29\t30\t30\t26\t28\t25\t22\t19\t19\t17\t19\t16\t13\t16\n/\t1\t0\t0\t4\t2\t5\t8\t11\t11\t13\t11\t14\t17\t14\nU. 60 Versuche.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nr\t26\t27\t26\t23\t27\t22\t27\t20\t24\t17\t18\t15\t16\t16\n/\t4\t3\t4\t7\t3\t8\t3\t10\t6\t13\t12\t15\t14\t14\nr\t30\t30\t30\t29\t27\t28\t28\t27\t25\t20\t25\t23\t22\t20\nf\t0\t0\t0\t1\t3\t2\t2\t3\t5\t10\t4\t7\t8\t10","page":544},{"file":"p0545.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\n545\nBei diesen Versuchen kamen blo\u00df drei F\u00e4lle z oder v vor, die zugelassen worden sind. Betrachten wir zuerst die o und u, so scheint P. schon bei 40 Secunden die Sicherheit verloren zu haben, w\u00e4hrend T. noch bei 120 Secunden einen ziemlich hohen Grad derselben besitzt, und W. blo\u00df bei 90 Secunden eine Gleichheit der richtigen und falschen F\u00e4lle liefert. Ein Einfluss der Zeit nach 50 ist bei T. kaum zu bemerken, obgleich P. und W. immer ungenauer zu sch\u00e4tzen scheinen. Dass o und u bei 12 Schwingungen, auch nach mehrw\u00f6chentlicher Ein\u00fcbung, bei den kleinen Intervallen verwechselt werden konnten, d\u00fcrfte als unerwartet gelten. Man wusste zwar schon lange, dass es leichter sei, einen Unterschied zweier T\u00f6ne zu bemerken, als deren relative H\u00f6he zu bestimmen. Wir sehen aber, dass dies etwas Eigenartiges in sich schlie\u00dft. Schon bei 4 Schwingungen unterscheidet man ohne Uebung = und \u00bb sehr genau, w\u00e4hrend man sich noch bei 12 Schwingungen nach betr\u00e4chtlicher Uebung \u00fcber das H\u00f6henverh\u00e4ltniss t\u00e4uscht. Eigenartig ist dies, weil beim Gesichtssinne kaum eine Spur solcher Verschiedenheit zu bemerken ist. Sobald man einen Unterschied zweier Farben beobachtet, ist man im Stande zu erkl\u00e4ren, worin dieser besteht. Bei den Muskel-, Geruchs-, und Geschmacksempfindungen ist eine positive Differenz ohne Richtung desselben selten zu constatiren. Blo\u00df bei den Tastempfindungen finden wir diese Erscheinungen, doch schwerlich so klar ausgepr\u00e4gt, wie bei den T\u00f6nen. So hat man beobachtet, dass eine auf unserem K\u00f6rper sich bewegende Spitze uns die Empfindung der Bewegung eher gibt, als die Richtung derselben. Dagegen bemerkt man die Richtung zweier Cirkelspitzen auf der Haut, ehe man dieselben als zwei empfindet. Der Temperatursinn zeigt, au\u00dfer den extremsten F\u00e4llen, welche zu den Schmerzempfindungen geh\u00f6ren, \u00e4hnliche Vorg\u00e4nge wie der Gesichtssinn. Dass durch die Uebung diese Eigen-th\u00fcmlichkeit fast v\u00f6llig aufgehoben wird, werde ich sp\u00e4ter zeigen. Die Gleichheitsf\u00e4lle zeigen bei den k\u00fcrzeren Zeiten weniger falsche Ur-theile; bei den l\u00e4ngeren Intervallen finden sich gr\u00f6\u00dfere individuelle V erschiedenheiten.\nWundt, Philos. Studien. III.\n36","page":545},{"file":"p0546.txt","language":"de","ocr_de":"546\nH. K. Wolfe.\nTabelle IV.\nSchw.\nSclrvY.\nSchw.\nSchw.\nSchw.\nSchw.\nSchw.","page":546},{"file":"p0547.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\n547\nTabelle IV wird vorgef\u00fchrt, um den Einfluss des objectiven Unterschiedes und der Zeit zwischen den T\u00f6nen zu veranschaulichen. Die Zahlen bezeichnen das Yerh\u00e4ltniss der richtigen F\u00e4lle vermehrt um die H\u00e4lfte der zweifelhaften zu der gesammten Anzahl der F\u00e4lle in Procenten, also\nr +/ + s\nDie mit v bezeichneten F\u00e4lle k\u00f6nnen nicht mit Sicherheit rubricirt werden. Dieselben kommen aber nur bei B. vor. Rechnet man sie s\u00e4mmtlich zu den zweifelhaften, so ergeben sich unter = die nicht eingeklammerten Zahlen. Rechnet man sie zu den falschen, so erh\u00e4lt man die eingeklammerten Zahlen. Bei P. und T. ist blo\u00df das letzte Drittel der fr\u00fcheren Versuche bei 4 und 8 Schwingungen benutzt. Dazu aber kam eine gleiche oder gr\u00f6\u00dfere Anzahl neuerer Versuche, die gleichzeitig mit denen von 12 Schwingungen gemacht wurden.\nBei jedem Tonunterschied werden die Ergebnisse der ungleichen T\u00f6ne zuerst angef\u00fchrt, dann die der gleichen T\u00f6ne. Ein Einfluss der Zeit ist in Bezug auf die Verwechselung von o und u haupts\u00e4chlich bei den Gleichheitsf\u00e4llen zu beobachten.\nDer arithmetische Zuwachs des objectiven Unterschieds scheint ungef\u00e4hr einen geometrischen Zuwachs der Zwischenzeit zu erfordern, damit eine gleiche Unsicherheit entsteht. Die meisten Beobachter sind von der Zeit und dem Tonunterschied in gleicher Weise beeinflusst worden. Bei kleinen Zeiten ist der Tonunterschied der Hauptfactor, bei l\u00e4ngeren aber scheinen beide ungef\u00e4hr gleich wirksam zu sein.\nDie Versuche, auf welchen die vorhergehenden Tabellen und Betrachtungen fu\u00dfen, wurden im August geschlossen. Ich gehe jetzt zu der Besprechung einer zahlreicheren Gruppe von Versuchen \u00fcber, die in den gro\u00dfen Ferien und im Wintersemester 1885/86 angestellt wurden.\nII. Versuche der zweiten Periode.\nDie jetzt zu beschreibenden Versuche wurden im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie die oben betrachteten ausgef\u00fchrt. Doch wurde zum Theil noch eine dritte Octave benutzt, und die Ton\u2014\n36*","page":547},{"file":"p0548.txt","language":"de","ocr_de":"548\nIL K. Wolfe.\ngebiete der beiden anderen wurden vermehrt. Im Ganzen wurden so 11 verschiedene Tongebiete mit folgenden Normalt\u00f6nen untersucht: A == 1004; B = 770; C = 496; D = 452; E == 408; F = 364\u2022 G = 320; H = 276; I = 232; K = 188; L = 144. In jedem Gebiet wurden etwa 10 T\u00f6ne benutzt. In den einzelnen aber blieb der erste, der Normalton, w\u00e4hrend einer Gruppe constant. Der Bequemlichkeit wegen wurden zun\u00e4chst die Versuche \u00fcber die sechs T\u00f6ne C\u2014H durch alle Zeitintervalle hindurch gemacht, nachher die andern. Durch die Anwendung zahlreicher Normalt\u00f6ne hoffte ich irgend einen Einfluss der absoluten Unterscheidung zu vermeiden. W\u00e4re aber ein solcher Einfluss in geringem Grade eingetreten, so m\u00fcssten vor allem die Versuche bei kurzen und langen Zeiten denselben aufzeigen, da die Gruppen wechselweise mit 1 Secunde oder 60 Secunden begannen. Ein constanter Einfluss ist jedoch nicht zu bemerken.\nMittelst einer einfachen Einrichtung konnte ich den Apparat bedienen und gleichzeitig zuh\u00f6ren, ohne dabei zu wissen, welcher Vergleichston dem ersten oder Normalton folgte. Nat\u00fcrlich wurde damit der zweite Ton dem Zufall \u00fcberlassen. Die Verbindung des Experimentators und Beobachters wirkt ohne Zweifel st\u00e4rkend auf die Aufmerksamkeit ; denn erstens ist man immer aufmerksamer im activen als im passiven Zustande, und au\u00dferdem wird die ganze Kraft der Aufmerksamkeit in dem Moment angespannt, wo der Ton angegeben wird.\nAm zahlreichsten sind die Versuche von mir {TV.), sodann liegen von Herrn Lehmann (L.) eine betr\u00e4chtliche Anzahl Versuche vor. Von den Herren F a r n y [F. ) und Anders (A.) sind weniger Versuche vorhanden. Dem Grade der Uebung nach sind die Versuche von TV. bei 4 Schwingungen in f\u00fcnf Classen getheilt, diejenigen bei 8 Schwingungen in drei Classen. Dementsprechend sind die Versuche von L. in drei resp. zwei Classen angef\u00fchrt. L. und A. sind musikalisch, l\u00fc und TV. unmusikalisch. Blo\u00df TV. hatte fr\u00fcher solche oder \u00e4hnliche Versuche schon gemacht.\nIch lasse zun\u00e4chst in Tabelle V die Versuche bei 4 Schwingungen folgen. Es kamen keine unbestimmten Urtheile vor. Die Eesultate sind in drei dem objectiven Verh\u00e4ltniss entsprechenden Keihen angef\u00fchrt. Die Zahlen sind auf das Hundert berechnet.","page":548},{"file":"p0549.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\t549\nTabelle V.\nw.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nZeit\t\t1\t2\t3\t4\t5\t7\t10\t15\t20\t25\t30\t40\t50\t60\n176\t\t\t94\t87\t80\t76\t86\t78\t73\t75\t74\t67\t75\t57\t65\t47\nVer-\t0\t89\t78\t87\t82\t61\t69\t57\t65\t62\t58\t55\t58\t32\t47\nsuche\tu\t78\t70\t72\t79\t64\t74\t64\t72\t62\t61\t63\t67\t72\t55\n154\t\u2014\t92\t96\t91\t88\t78\t80\t86\t80\t68\t69\t67\t67\t79\t68\nVer-\t0\t85\t83\t82\t77\t84\t80\t68\t62\t67\t68\t67\t74\t64\t48\nsuche\tu\t81\t78\t75\t88\t72\t88\t66\t68\t61\t67\t66\t67\t65\t59\n187\t\u2014-\t98\t96\t90\t92\t94\t83\t83\t86\t87\t85\t79\t83\t77\t59\nVer-\t0\t95\t98\t86\t89\t79\t84\t86\t91\t72\t75\t83\t74\t75\t57\nsuche\tu\t96\t96\t94\t83\t90\t82\t84\t86\t78\t61\t73\t67\t72\t56\n187\t\u2014\t94\t99\t100\t94\t93\t90\t90\t89\t86\t86\t79\t77\t79\t67\nVer-\t0\t94\t98\t93\t96\t94\t95\t91\t94\t89\t91\t88\t77\t71\t70\nsuche\tu\t97\t100\t96\t90\t90\t88\t91\t85\t88\t82\t80\t80\t75\t69\n110\t=\t98\t100\t96\t97\t98\t95\t96\t94\t94\t88\t88\t83\t71\t80\nVer-\t0\t100\t100\t96\t93\t97\t96\t93\t93\t88\t83\t88\t94\t70\t60\nsuche\tu\t97\t100\t93\t93\t100\t87\t82\t95\t83\t82\t93\t84\t71\t60\n\t\t\t\t\t\t\tL\t\u2014\t\t\t\t\t\t\t\n110\t\t\t98\t98\t96\t97\t100\t94\t89\t77\t75\t81\t72\t66\t59\t68\nVer-\t0\t89\t90\t90\t80\t93\t86\t81\t85\t76\t87\t70\t54\t60\t67\nsuche\tu\t80\t92\t85\t88\t80\t75\t67\t58\t67\t64\t54\t68\t48\t25\n121\t\u2014\t98\t100\t98\t99\t96\t100\t95\t88\t90\t85\t82\t83\t70\t66\nVer-\t0\t94\t96\t95\t100\t84\t97\t90\t91\t87\t91\t86\t78\t68\t50\nsuche\tu\t95\t92\t96\t94\t87\t94\t88\t82\t79\t83\t78\t61\t69\t54\n66\t=\t100\t100\t98\t97\t100\t100\t90\t89\t85\t89\t79\t63\t85\t87\nVer-\t0\t100\t100\t87\t100\t95\t93\t94\t93\t100\t75\t72\t67\t53\t50\nsuche\tu\t100\t100\t100\t100\t85\t86\t90\t86\t78\t92\t86\t50\t58\t65\nF.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n165\t=\t92\t91\t87\t86\t84\t88\t79\t73\t79\t71\t67\t60\t64\t63\nVer-\t0\t84\t80\t77\t81\t69\t74\t81\t68\t68\t61\t67\t76\t64\t63\nsuche\tu\t69\t76\t70\t63\t69\t60\t67\t69\t52\t63\t47\t50\t53\t57\n\t\t\t\t\t\t\tA\tX\t\t\t\t\t\t\t\n88\t\t\t78\t86\t86\t80\t81\t81\t68\t71\t73\t67\t65\t59\t64\t50\nVer-\t0\t67\t60\t65\t67\t60\t55\t43\t57\t50\t55\t50\t25\t38\t24\nsuche\tu\t60\t68\t60\t50\t55\t63\t65\t65\t81\t54\t46\t43\t52\t48","page":549},{"file":"p0550.txt","language":"de","ocr_de":"550\nH. K. Wolfe.\nDie Anzahl der Versuche ist f\u00fcr jedes Zeitintervall angegeben. In dem vierten Uehungsstadium hat W. 165 Versuche hei je 75 und 90 Sec. gemacht, ohne eine bedeutende Abnahme der Sicherheit zu zeigen. Bei 75 Sec. war die Procentzahl richtiger F\u00e4lle die folgende, = 69 ; o 68 ; u 70 ; hei 90 Sec. = 64 ; o 52 ; u 63. A. fand die Obert\u00f6ne st\u00f6rend, und obgleich musikalisch und mit T\u00f6nen theoretisch und praktisch viel besch\u00e4ftigt, war er nicht im Stande mit gro\u00dfer Sicherheit zu urtheilen. Die Beinheit eines Intervalls konnte A. sehr genau bestimmen, zu diesem Zwecke aber sang er die T\u00f6ne nach. F., obgleich unmusikalisch, scheint eine sehr bedeutende Empfindlichkeit f\u00fcr Tonqualit\u00e4ten zu besitzen, welche au\u00dferordentlich wenig durch die Zwischenzeit beeinflusst wurde. L., der am meisten mit kleinen Tondifferenzen bekannt ist (L. spielt die Violine), zeigt auch im Anfang die gr\u00f6\u00dfte Sicherheit. Augenscheinlich aber war seine fr\u00fchere Erfahrung bei den l\u00e4ngeren Zeiten weniger ma\u00dfgebend. Daf\u00fcr ist die Uebung bei denselben deutlich erkennbar. Der Gang der Uebung, der am klarsten hei TV. wegen der gr\u00f6\u00dferen Anzahl der Versuche hervortritt , ergibt sich zum Theil aus der obigen Tabelle, wird aber sp\u00e4ter in Tabelle XI anschaulicher dargestellt werden.\nOhne vorl\u00e4ufig auf die einzelnen Ergebnisse der mitgetheilten Tabelle einzugehen, gehe ich zun\u00e4chst zu weiteren Versuchen \u00fcber. Bei 8 Schwingungen liegen solche blo\u00df von L. und W. vor. Einige Zeitintervalle waren ausgelassen. Die Versuche sind nicht so zahlreich als hei 4 Schw., und obgleich sie sich \u00fcber den gleichen Zeitraum erstreckten, sind sie in weniger Abtheilungen angegeben.\n?\tTabelle VI.\nt\t\tt\t\t\t\tW.\t\t\t\t\t\t\nZeit\t\t2\t5\t10\t15\t20\t25\t30\t40\t50\t60\t75\n187 Versuche\t\t\t98\t93\t90\t88\t82\t84\t84\t77\t70\t75\t\n\t0 u\t82 93\t85 77\t71 80\t83 83\t81 84\t77 73\t73 80\t79 81\t73 64\t67 76\t\n110 Versuche\t=\t90\t89\t87\t87\t89\t85\t83\t67\t72\t83\t\n\to\t100\t100\t97\t94\t91\t95\t90\t82\t74\t77\t\n\tu\t90\t90\t89\t94\t88\t86\t78\t77\t78\t84\t","page":550},{"file":"p0551.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\n551\nw.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nZeit\t\t2\t5\t10\t15\t20\t25\t30\t40\t50\t60\t75\n99 V ersuche\t\t\t100\t98\t100\t94\t94\t96\t95\t92\t86\t78\t61\n\t0\t100\t100\t100\t94\t100\t100\t92\t100\t100\t86\t53\n\tu\t100\t100\t96\t94\t100\t91\t94\t90\t86\t84\t75\nL.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n88 Versuche\t\t\t93\t100\t97\t94\t87\t85\t83\t75\t73\t71\t53\n\t0\t96\t97\t94\t100\t92\t84\t91\t79\t78\t61\t80\n\tu\t95\t95\t82\t80\t88\t77\t83\t95\t62\t78\t63\n\t=\t100\t100\t100\t100\t91\t72\t83\t82\t68\t64\t74\nVersuche\t0\t100\t100\t100\t96\t100\t82\t96\t87\t75\t55\t40\n\tu\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t82\t93\t83\t74\t60\nDie Wirkung des objectiven Tonunterschieds erkennt man aus der Vergleichung dieser mit der vorigen Tabelle. Vielleicht ist dieselbe bei ge\u00fcbten Beobachtern nicht so gro\u00df, als man h\u00e4tte erwarten k\u00f6nnen. Mir scheint es kaum zweifelhaft, dass bei 8 Schw. die Aufmerksamkeit nicht so sehr angestrengt wird. Die richtigen F\u00e4lle sind bei 8 Schw. am meisten in den mittleren Zeitgebieten vermehrt worden. Die Vergleichung lehrt weiter, dass die Versuche bei 4 Schw. viel mehr geeignet sind den Verlauf des Vergessens zu zeigen, als die mit gr\u00f6\u00dferen Tondifferenzen. Um den Zeiteinfluss n\u00e4her zu bestimmen, wollen wir daher von den Versuchen bei 4 Schw. ausgehen.\na) Der Einfluss der Zeit.\nDie Treue des Ged\u00e4chtnisses nimmt bekanntlich mit der Zeit ab. Wie schnell aber dies geschieht, ist bisher wenig untersucht worden. Die t\u00e4gliche Erfahrung l\u00e4sst uns vermuthen, dass das Vergessen zuerst schnell und dann immer langsamer erfolgt, also vielleicht nach einem dem logarithmischen nicht un\u00e4hnlichen Gesetze. Auch die Versuche von Ebbinghaus*) f\u00fcr verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig lange Zeitperioden (20 Min. bis 31 Tage) best\u00e4tigen dies. Da derselbe aber die Versuche f\u00fcr blo\u00df\n1) Ebbinghaus, a. a. O. S. 85ff.","page":551},{"file":"p0552.txt","language":"de","ocr_de":"552\nH. K. Wolfe.\nsieben Perioden und eine Versuchsperson angibt, und die Resultate zweier der Perioden ziemlich gro\u00dfe Abweichung vom Gesetz zeigen so wird man nicht sehr geneigt sein, die Beweiskraft seiner Ergebnisse anzuerkennen. Auch meine Versuche sind nicht geeignet, dieses Problem ohne weiteres zu l\u00f6sen. Wie schon erw\u00e4hnt, \u00fcbte die unerwartete Gr\u00f6\u00dfe der subjectiven und individuellen Bedingungen einen st\u00f6renden Einfluss aus. Es kommt dazu die ungeheuere Wirkung der Uebung. Trotzdem zeigen die Tabellen, dass die Zwischenzeit ann\u00e4hernd einen geometrischen Zuwachs erfahren muss, um gleiche Abnahmen des Behaltenen zu verursachen.\nEs ist schon hervorgehoben worden, dass unmusikalische, unge\u00fcbte Beobachter nicht im Stande sind bei 4 Schw. Unterschied o und u richtig zu beurtheilen. Wenn es sich aber blo\u00df um gleiche oder ungleiche T\u00f6ne handelt, sch\u00e4tzen auch diese sehr genau. Die Wirkung der Zeit auf das Ged\u00e4chtniss wird demnach bei unge\u00fcbten Personen am klarsten in den Gleichheitsf\u00e4llen zu erkennen sein. Ich stelle daher in Tabelle VII die Procente der richtigen Palle bei 4 Schw. von den f\u00fcnf Beobachtern zusammen, wenn die objectiven T\u00f6ne einander gleich waren. Nur bei L. und W. sind, weil bei ihnen weniger Verwechslungen vor kamen, die gesammten Versuche bei 4 Schw. benutzt worden.\nTabelle VII.\nZeit\t1\t2\t3\t4\t5\t7\t10\t15\t20\t25\t30\t40\t50\t60\nW. 841 Versuche\t93\t92\t89\t88\t86\t84\t82\t82\t78\t75\t76\t74\t71\t61\nL. 297 Versuche\t95\t97\t95\t95\t93\t93\t88\t83\t82\t83\t75\t68\t64\t62\nF. ca. 80 Versuche\t92\t91\t87\t87\t84\t88\t79\t73\t79\t71\t67\t60\t64\t63\nA. ca. 40 Versuche\t78\t86\t86\t80\t81\t81\t68\t71\t73\t67\t65\t59\t64\t50\nB. 56 Versuche\t96\t99\t90\t94\t88\t\u2014\t89\t84\t74\t68\t69\t\t\t\nP. 57 Versuche\t93\t95\t93\t86\t84\t\u2014\t65\t67\t50\t60\t52\t\t\t\nT. 50 Versuche\t94\t100\t93\t93\t90\t\u2014\t75\t77\t59\t48\t35\t\t\t","page":552},{"file":"p0553.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tongcd\u00e4chtuiss.\n553\nDie Ergebnisse dieser Tabelle wollen wir graphisch darstellen. Nehmen wir die Abscissen den Zeitintervallen und die Ordinaten den richtigen F\u00e4llen proportional, so erhalten wir durch Verbindung der Endpunkte der Ordinaten die auf Tafel V gezeichneten Figuren.\nMau sieht, dass im Allgemeinen bei einem Zeitintervall von zwei Secunden zwischen den zu vergleichenden T\u00f6nen die Resultate genauer sind als bei kleineren Intervallen. Da man bekanntlich geneigt ist, kleine Zeiten zu \u00fcbersch\u00e4tzen, so ist es m\u00f6glich, dass man die Aufmerksamkeit nicht gerade in dem Augenblick anspannt, wo der Vergleichston ert\u00f6nt. Dass TU, der durch seine eigene Bewegung die T\u00f6ne hervorbringt, diese Erscheinung nicht zeigt, macht jene Erkl\u00e4rung wahrscheinlich. Vielleicht kommen dazu zwei andere Umst\u00e4nde. Es fragt sich n\u00e4mlich, ob eine Secunde Zeit genug bietet, um die vollst\u00e4ndigste Auffassung eines Tones zu gewinnen; und weiter, ob nicht ein st\u00f6render Zustand des Geh\u00f6rorgans vom ersten Ton her zur\u00fcckbleibt. In dem ersten Falle wird der Normalton nicht v\u00f6llig aufgefasst; im zweiten Falle wird der Vergleichston falsch geh\u00f6rt.\nVon 2 Secunden an ist der Einfluss der Zeit sehr bedeutend bis zu 10\u201420 Sec. Eine eigenth\u00fcmliche Erscheinung, welche an einer bestimmten Stelle in dieser Periode ohne Ausnahme und meistentheils \u00e4u\u00dferst klar zu Tage tritt, wird nachher genauer besprochen werden. Hier gen\u00fcgt es, darauf aufmerksam zu machen, dass dieselbe darin besteht, dass w\u00e4hrend eines kurzen Zeitintervalls der Gang des Ver-gessens verlangsamt oder selbst total aufgehoben zu sein scheint. Die Uebereinstimmung ist freilich nicht derart, dass dieses seltsame Ph\u00e4nomen bei jedem Beobachter genau zu demselben Zeitpunkt eintritt. Vielmehr ist dasselbe ohne Zweifel individuellen Verschiedenheiten unterworfen. Die Curven zeigen, dass der H\u00f6hepunkt f\u00fcr B. etwa zwischen 10 und 15 Sec. liegt, f\u00fcr T., P. und TU. ungef\u00e4hr bei 15, f\u00fcr A. zwischen 15 und 20, f\u00fcr F. bei 20, und f\u00fcr L. zwischen 20 und 25 Sec.\nNach diesem Zeitpunkt nimmt das Vergessen nochmals schneller zu. Mit wachsender Zeit aber finden immer kleinere Aenderungen statt. Ob noch weitere Stellen vor\u00fcbergehender Verlangsamung Vorkommen, ist nicht leicht zu entscheiden. B. und TU zeigen vielleicht Spuren eines zweiten Punktes bei 30 Sec., F. und A. bei 50. Die kleineren Abweichungen von einem regelm\u00e4\u00dfigen Gange der Curven","page":553},{"file":"p0554.txt","language":"de","ocr_de":"554\n1!. K. Wolfe.\nverschwinden mit einer gr\u00f6\u00dferen Anzahl der \"V ersuche. Oh sie alle verschwinden w\u00fcrden, wei\u00df ich nat\u00fcrlich nicht zu sagen. Ueber 4000 Versuche hei L. und 12000 bei TV. zeigen noch eine ziemlich deutliche Abweichung. Mir ist kaum zweifelhaft, dass mit constantem Tonunterschied diese Eigent\u00fcmlichkeit durch die Uebung aufgehoben w\u00fcrde, und zwar deshalb, weil die wachsende Sicherheit immer weniger von den constanten Ursachen der Abweichung abh\u00e4ngig wird.\nBetrachten wir die Curven im Zusammenhang mit den Tabellen und suchen wir einen genaueren Ausdruck des V erh\u00e4ltnisses der Zeit zur Ged\u00e4chtnissabnahme zu gewinnen , so werden wir denselben mit einiger Zuverl\u00e4ssigkeit blo\u00df bei L. und besonders bei TV. erwarten k\u00f6nnen, da die Anzahl der Versuche blo\u00df bei diesen Beobachtern hinreichend gro\u00df ist. In keinem Fall aber werden wir, wegen der variabelen subjectiven Bedingungen, mehr als eine Approximation an einen gesetzm\u00e4\u00dfigen Gang vermuthen d\u00fcrfen. (Nicht ohne alles Interesse ist es dennoch, dass die Versuche bei L. und TV. sich in einer einfachen mathematischen Formel ausdr\u00fccken lassen. Wenn rund/ die richtigen und falschen F\u00e4lle bezeichnen, und k und c zwei Constante sind, so hat n\u00e4mlich ann\u00e4hernd die folgende Formel G\u00fcltigkeit :\nSetzen wir f\u00fcr L. k = 12, c = \u2014 5.2 und f\u00fcr TV. k \u2014 4.43, c 0, so erhalten wir die folgenden Werthe f\u00fcr die verschiedenen Zeitintervalle, die ich neben den beobachteten Werthen in Tabelle VIII angebe. Um eine genauere Vergleichung zu erm\u00f6glichen, sind s\u00e4mmt-liche Werthe auf 1000 als Einheit berechnet.\n1) Ebbinghaus Beobachter :\nstellt die folgende Formel auf f\u00fcr l\u00e4ngere Zeiten und einen\ndas Behaltene k\ndas Vergessene\t(log tf \u2019\nworin die (Relation auf der linken Seite dieselbe Bedeutung wie\n/\nhat.","page":554},{"file":"p0555.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\n555\nTabelle VIII.\nZeit\t\t1\t2\t3\t4\t5\t7\t10\t15\t20\t25\t30\t40\t50\t60\n\tVersuch\t946\t966\t946\t953\t926\t928\t879\t832\t818\t832\t751\t680\t643\t616\nL.\tBerechnung\t\t971\t952\t937\t923\t900\t872\t833\t802\t774\t745\t695\t650\t608\n\tVersuch\t927\t424\t888\t878\t858\t841\t816\t824\t778\t752\t757\t741\t709\t612\nW.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tBerechnung\t\t935\t901\t879\t863\t839\t815\t789\t772\t759\t749\t734\t720\t712\nDas Yerh\u00e4ltniss der richtigen zu den falschen F\u00e4llen wird folgendes sein :\nr\tk\nf\tlog\u00ab +C>\nd. h. die Quotienten der richtigen und falschen F\u00e4lle sind den Logarithmen der Zeitintervalle umgekehrt proportional.\nAuf der linken Seite der Tafel Y ist der nach der Formel berechnete Gang durch die unterbrochenen Linien veranschaulicht. Abgesehen von den schon erw\u00e4hnten Abweichungen ist die Uebereinstim-mung ziemlich genau. Die gro\u00dfe Zunahme der falschen F\u00e4lle TY.\u2019s bei 60 Sec. ist nicht zu erkl\u00e4ren. Versuche mit noch l\u00e4ngeren Zeiten zeigen weniger Unsicherheit ; wir d\u00fcrfen also den Unterschied zwischen 50 und 60 Sec. bei W. als zu gro\u00df ansehen. Eine Wiederholung der Versuche w\u00fcrde vielleicht Curven zwischen diesen beiden ergeben. Die allgemeinen Formen der sieben Curven sind einander \u00e4hnlich.\nb) Die gr\u00f6\u00dferen Abweichungen vom Gesetz.\nIch bin mir zwar bewusst, dass die vorliegenden Versuche nicht Material genug bieten, um ein universales Gesetz der Periodicit\u00e4t unseres Reproductionsverm\u00f6gens aufzustellen. Wenn es \u00fcberhaupt ein solches Gesetz gibt, so ist dasselbe jedenfalls zugleich von individuellen Bedingungen abh\u00e4ngig, \u00e4hnlich wie dies ja auch mit anderen bekannten periodischen Lebensvorg\u00e4ngen 1), Schlaf, Athmungs-und\n1) Wundt, Phys. Psych. II, S. 359.","page":555},{"file":"p0556.txt","language":"de","ocr_de":"556\nH. K. Wolfe.\nHerzbewegungeil der Fall ist. Zun\u00e4chst ist hier an die Versuch Estels1) und Mehners2) \u00fcber den Zeitsinn zu erinnern, welch \u00e4hnliche periodische Erscheinungen zeigten.\nGehen w.ir n\u00e4her auf das Verfahren beim Vergleichen zweier durch einen Zeitraum getrennten T\u00f6ne ein, so ist klar, dass ohne ein Erin nerungsbild des ersten Tons eine Vergleichung \u00fcberhaupt unm\u00f6glich ist. Dieses Erinnerungsbild ist gewisserma\u00dfen der Ma\u00dfstab, an welchem der zweite oder Vergleichston gemessen wird. Bliebe das Bild in unserer Erinnerung unver\u00e4ndert, so w\u00fcrde, wenn unsere Apperception dem Reize genau entspricht, der kleinste Unterschied immer bemerkt werden. Bekanntlich ist aber die Apperception weder unendlich scharf, noch wahrscheinlich vollkommen constant.\nFerner sind aber auch unsere Erinnerungsbilder viel schw\u00e4cher als die urspr\u00fcnglichen Empfindungen ; und nach bekannten Beobachtungen scheinen uns starke T\u00f6ne h\u00f6her und schwache tiefer zu liegen, als sie wirklich sind. Demnach werden wir erwarten d\u00fcrfen, dass = \u00f6fter o als u gesch\u00e4tzt und dass o \u00f6fter als u richtig beurtheilt, und endlich dass u h\u00e4ufiger f\u00fcr o als o f\u00fcr u gehalten wird. Alles dies wird durch die Versuche best\u00e4tigt. (Tabelle IX.)\nHierdurch ist nun aber die bei allen Versuchspersonen mindestens einmal auftretende Schwankung der Apperceptionssch\u00e4rfe nicht erkl\u00e4rt. Diese Zu- und Abnahme ist zu gro\u00df, zu constant und zu regelm\u00e4\u00dfig, um als blo\u00dfer Zufall zu gelten. Zwei Erkl\u00e4rungen sind hier m\u00f6glich. Entweder ist die Apperception zuweilen gro\u00dfen und regelm\u00e4\u00dfigen Schwankungen unterworfen, oder das Erinnerungsverm\u00f6gen f\u00fcr kurz vorher empfundene T\u00f6ne ist ein wechselndes.\nF\u00fcr das Auge hat man bekanntlich bei Nachbildern Schwankungen der Intensit\u00e4t beobachtet. Eine \u00e4hnliche Erscheinung ist neuerdings durch Urban ts ch itsch bei Geh\u00f6rsempfindungen constat\u00e2t worden. Die ma\u00dfgebenden Resultate seiner Untersuchung sind die folgenden3) : 1) \u00bbDie Perceptionsf\u00e4higkeit des Nv. acusticus ist f\u00fcr Schallquellen von sehr geringer Intensit\u00e4t eine ungleichm\u00e4\u00dfige un<* kann bei fortdauernder Einwirkung derselben vor\u00fcbergehend selbst\n1)\tPhil. Stud. Bd. II, Hft. 1.\n2)\tPhil. Stud. Bd. II, Hft. 4.\n3)\tCentralblatt f\u00fcr med. Wiss. 1885, S. 626 ff.","page":556},{"file":"p0557.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\n557\nganz verloren gehen\u00ab. 2) \u00bbDie Respirationsbewegungen und die Pulsation \u00fcben auf diese Geh\u00f6rsph\u00e4nomene nicht den mindesten Einfluss aus\u00ab. TJ. sieht den Grund dieser Erscheinung in der Erm\u00fcdung des Nv. acusticus, die er als eine periodische Function der Zeit voraussetzt. Durch diese Erm\u00fcdungsversuche ist U. dann zu der Beobachtung akustischer Nachempfindungen1) gef\u00fchrt worden, die \u00bbden positiven optischen Nachbildern vollkommen entsprechen\u00ab. Diese sind also weder blo\u00dfe subjective Illusionen, noch psychische Erinnerungsbilder, sondern haben ihren Ursprung wahrscheinlich im Sinnesorgane selbst. Jedenfalls sind dieselben ebenso objectiv wie die Nachbilder des Auges und bieten mancherlei \u00e4hnliche Erscheinungen dar. Sie d\u00fcrfen nicht mit dem unmittelbaren Fortdauern oder Nachklingen der T\u00f6ne verwechselt werden. Denn sie erscheinen erst eine kurze Zeit nach Aufh\u00f6ren des Reizes, dauern wenige Secunden, verschwinden dann allm\u00e4hlich und gelangen hierauf wieder zum Bewusstsein. \u00bbDie erste Nachempfindung tritt gew\u00f6hnlich innerhalb der ersten 15 Secunden nach dem Aufh\u00f6ren des erregenden Tones hervor, worauf nach weiteren 10\u201420 Secunden ein zweites Nachbild zu erscheinenpflegt.\u00ab Durchschnittlich erscheinen 2\u20143 Nachempfindungen, jedoch in der Anzahl sowie in der Zeit derselben sind die pers\u00f6nlichen Unterschiede ziemlich bedeutend. Ob jeder im Stande ist, solche Nachbilder in sich wahrzunehmen, soll nicht gesagt sein. Es gen\u00fcgt hervorzuheben, dass wie beim Auge die Leichtigkeit des Verfahrens durch die Uebung im hohen Grade gesteigert wird. Uns interessirt hier in erster Linie blo\u00df die Thatsache, dass eine periodische Tendenz zur Erneuerung einer Tonempfindung eine Zeit lang nach dem Aufh\u00f6ren des Reizes fortexistirt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Tendenz unseres Sinnesorgans auch st\u00e4rkend auf die Erinnerung ein wirken muss. Wenn daher der H\u00f6hepunkt dieser Tendenz und der zweite oder Vergleichston ann\u00e4hernd zusammenfallen, so werden wir mit gr\u00f6\u00dferer Sicherheit ur-theilen k\u00f6nnen, als wenn die entgegengesetzte Phase mit dem Vergleichston zusammentrifft.\nSo wahrscheinlich die soeben entwickelte Hypothese aber auch Scheinen mag, so stimmen doch die Erscheinungen nicht v\u00f6llig mit\nU Pfl\u00fcgers Areh. 1881, Bd. 21. S. 596ff.","page":557},{"file":"p0558.txt","language":"de","ocr_de":"558\nH. K. Wolfe.\nderselben \u00fcberein. Die Nachbilder der T\u00f6ne sind nach Urb ants chits ch bei erkranktem Geh\u00f6rorgan am leichtesten nachzuweisen. Sie sind qualitativ nicht immer dem Erregungston gleich. (Vielleicht ist dieser letzte Umstand gerade durch die Krankheit zu erkl\u00e4ren.) Ferner sind bei ihnen die Componenten eines Klanges besonders leicht zu unterscheiden. Trotz dieser Einw\u00e4nde darf man die Nachempfindungen als eine m\u00f6gliche Erkl\u00e4rung des schwankenden Zeiteinflusses auf das Tonged\u00e4chtniss nicht unber\u00fccksichtigt lassen. Es braucht kaum gesagt zu werden, dass wir uns niemals solcher Nachempfindungen bewusst waren, obgleich auch das subjective Gef\u00fchl der Sicherheit gro\u00dfe Schwankungen zeigte. Doch ergab sich die Erscheinung einer periodischen Ver\u00e4nderung unserer Erinnerungsbilder erst aus der Untersuchung selbst.\nSchon von jeher hat man die Treue des Ged\u00e4chtnisses der Klarheit der Vorstellungen oder der Aufmerksamkeit, mit welcher die urspr\u00fcnglichen Eindr\u00fccke appercipirt wurden, proportional gesetzt. Zwar ist nicht anzunehmen , dass die Aufmerksamkeit beim Normalton immer die n\u00e4mliche ist, doch werden bei einer gro\u00dfen Anzahl von Versuchen die Schwankungen sich compensiren. In keinem Falle (sehr kleine Intervalle ausgenommen) \u00fcbt die Zeit zwischen den beiden T\u00f6nen einen Einfluss auf die Apperception des ersten Tones aus. Suchen wir nun diesen ersten Ton im Ged\u00e4chtniss zu behalten, so ist wahrscheinlich der Grad der Aufmerksamkeit ein Ma\u00df der Deutlichkeit des Erinnerungsbildes. Denn die Aufmerksamkeit kann in diesem Falle nur in einer wiederholten Reproduction der Vorstellung oder in einem continuirlichen Versuch den Ton wieder zu empfinden bestehen1). In diesem Fall ist ein Bild des ersten Tones schon im Bewusstsein in dem Augenblicke, wo der zweite Ton in dasselbe ein-tritt. Es ist aber bekanntlich nicht n\u00f6thig ein bleibendes Bild im Bewusstsein zu behalten, um eine Vergleichung zu vollziehen. Selbst \u25a0wenn keine bewusste Spur des ersten Tones zur\u00fcckbleibt, ist ein Ur-theil oft m\u00f6glich, indem der zweite Ton sofort ein Bild .des ersten hervorruft. Damit ist nun nicht gesagt, dass die Aufmerksamkeit nicht auch hier th\u00e4tig gewesen w\u00e4re. Aber die willk\u00fcrliche Aufmerk'\n1) Vgl. Wundt, Phys. Psych. II, S.205ff., sowie auch G. E. M\u00fcller, \u00bbZur Theorie der sinnlichen Aufmerksamkeit\u00ab.","page":558},{"file":"p0559.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tongediichtniss.\n559\nsamkeit ist passiv geworden, oder durch andere Gegenst\u00e4nde abgezogen. Jedoch d\u00fcrfen wir bei diesen Versuchen annehmen, dass man, wenigstens in den meisten F\u00e4llen, einen gewissen Grad /willk\u00fcrlicher Aufmerksamkeit anwendet, um die Erinnerungsbilder zu bewahren. Die Anstrengung, mit welcher wir die Erinnerung unterst\u00fctzen, wird daher ein Hauptfactor des Vergleichungsprocesses sein, und es werden demgem\u00e4\u00df auch die beobachteten zeitlichen Schwankungen wohl auf Schwankungen in der Spannung der Aufmerksamkeit zur\u00fcckzuf\u00fchren sein.\nDass wir nicht im Stande sind, einen Gegenstand Stunden lang gleichm\u00e4\u00dfig zu betrachten, ist bekannt, und es ist daher begreiflich, dass uns \u00bbvielleicht keine einzige Reproduction das fr\u00fcher Erlebte ohne jede Ver\u00e4nderung\u00abliefert (Wundt, Phys. Psych. II S.320). \u00bbIch bin, sagt Fechner, nicht im Stande, selbst das gel\u00e4ufigste Erinnerungsbild auch nur kurze Zeit stetig festzuhalten, sondern muss es, um es l\u00e4nger zu betrachten, immer von Neuem wiedererzeugen.\u00ab (Fechner, Psychophysik II S. 471.) \u00bbBeim Versuche, Erinnerungsbilder festzuhalten, entschwinden sie periodisch, oder wie ich mich lieber ausdr\u00fccken m\u00f6chte, werden periodisch zu einem blo\u00dfen Gedankendinge.\u00ab (Fechner, Psychophysik II S.479, von A. W. Volkmann redend.) Fechner spricht hier zwar von Gesichtsvorstellungen. Meine Versuche und Beobachtungen scheinen nun aber einen \u00e4hnlichen Fall beim Geh\u00f6rssinn zu constatiren.\nNat\u00fcrlich wird man nicht behaupten, diese periodischen Ver\u00e4nderungen der Klarheit erfolgten immer nach dem n\u00e4mlichen zeitlichen Gesetze. H\u00f6chstens wird man eine Tendenz zum Anwachsen und Sinken der Deutlichkeit der Erinnerungsbilder annehmen d\u00fcrfen, wobei diese Phasen durchschnittlich hei derselben Person und hei der gleichen Anstrengung der Aufmerksamkeit ann\u00e4hernd constant sind. Ist nun unsere Voraussetzung stichhaltig, dass die Klarheit der Erinnerung von der Aufmerksamkeit abh\u00e4ngig ist, so werden wir zu der Annahme gezwungen, die Aufmerksamkeit selbst sei von einem periodischen Gesetze beherrscht.\nMan k\u00f6nnte versucht sein, die Erscheinung durch Erm\u00fcdung erkl\u00e4ren zu wollen. Es k\u00f6nnte sich aber nat\u00fcrlich in diesem Falle nicht etwa um eine Erm\u00fcdung des Sinnesorgans handeln, da das Bewusst-","page":559},{"file":"p0560.txt","language":"de","ocr_de":"560\nH. K. Wolfe.\nsein jedenfalls nur schwach auf dieses Organ einwirken wird. Man m\u00fcsste also die Ursache vielmehr in der Erm\u00fcdung des Apperceptions-organs sehen. Eine Erholung dieses Organs w\u00e4hrend seiner Anstrengung scheint uns aber eben so unm\u00f6glich, wie die Erholung eines Sinnesnerven w\u00e4hrend der Einwirkung eines \u00e4u\u00dferen Reizes. Auch in Verbindung mit dem periodischen Gang der Muskelerm\u00fcdung wird man die Erscheinung schwerlich bringen k\u00f6nnen. Eher k\u00f6nnte man sich vielleicht den\u2022Thatbestand in der Weise denken, dass nach einer Zeit der Concentration der Aufmerksamkeit die St\u00e4rke der Association und die Erm\u00fcdung des Centralorgans Zusammenwirken, um ein Sinken der Aufmerksamkeit hervorzubringen, worauf dann die letztere sich wieder hebt. Fechner hat schon bemerkt, dass er nicht im Stande ist, dasselbe Erinnerungsbild oftmals successiv zu erzeugen; nachdem aber ein anderes Bild vorgestellt wird, kann er das erste leicht hervorbringen.\nOhne zu gro\u00dfes Gewicht auf die oben gegebenen Erkl\u00e4rungsversuche zu legen, m\u00f6chte ich die Thatsache betonen, dass unsere Aufmerksamkeit jedenfalls eine schwankende Function ist. Dazu kommt ferner als wahrscheinliche Bedingung, dass die Perioden derselben um so k\u00fcrzer werden, je einfacher der Gegenstand, und je angestrengter die Aufmerksamkeit selbst ist. Es ist schon erw\u00e4hnt worden, dass bei 8 Schwingungen die Aufmerksamkeit weniger angestrengt wurde. Hier sind denn auch die Perioden l\u00e4nger, und bei 12 Schw. noch l\u00e4nger als bei 8 Schw.\nc) Die Abh\u00e4ngigkeit von der Tonh\u00f6he.\nBis jetzt haben wir auf die Tonh\u00f6he keine R\u00fccksicht genommen, sondern die Ergebnisse blo\u00df in Bezug auf den Einfluss der Zeit betrachtet. Es wird sich jedoch lohnen , auch die Resultate mit Bezug auf die einzelnen Tongebiete in Betracht zu ziehen. Der absolute objective Unterschied der beiden zu vergleichenden T\u00f6ne blieb constant, 4, 8 oder 12 Schwingungen in der Secunde. Der relative Unterschied der beiden T\u00f6ne im Gebiet L ist aber ungef\u00e4hr 7mal so gro\u00df als im Gebiet A. Die Empfindlichkeit scheint nun weder constant mit demselben absoluten Unterschiede zu bleiben, noch gleichm\u00e4\u00dfig mit dem relativen Unterschiede zu steigen. Au\u00dferdem sind die Schwankungen viel gr\u00f6\u00dfer, als man erwartet.","page":560},{"file":"p0561.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\n561\nTabelle IX gibt eine \u00fcbersichtliche Darstellung der gesammten Versuche bei 4, Tabelle X dergleichen bei 8 Schwingungen. Die Zahlen sind auf 1000 als Einheit berechnet. Auf jedes Tongebiet kommen drei horizontale und drei verticale Columnen. Die ersteren enthalten das Verh\u00e4ltniss der objectiven T\u00f6ne. Die letzteren zeigen, wie die T\u00f6ne gesch\u00e4tzt wurden. W. hat also z. B. im Gebiet A 1000 gleiche T\u00f6ne 677mal richtig gesch\u00e4tzt; 140mal hielt er den zweiten Ton f\u00fcr h\u00f6her (o) und 183mal f\u00fcr tiefer [u) u. s. w. Die Anzahl der Versuche bei jedem Tongebiet ist f\u00fcr jeden der Beobachter in der obersten Horizontalreihe angegeben.\n(Siehe Tabelle IX u. X S. 562 u. 563.)\nInnerhalb der drei Octaven findet eine ziemlich gro\u00dfe Zunahme der Unterschiedsempfindlichkeit statt. Das Verh\u00e4ltniss der richtigen zu den falschen F\u00e4llen w\u00e4chst mit dem relativen Unterschied nicht unbedeutend. Die gr\u00f6\u00dften Abweichungen von einem constanten Verlauf sind in den Gebieten D, E und F zu finden und scheinen haupts\u00e4chlich von den ungleichen T\u00f6nen herzustammen, d. h. man sch\u00e4tzt ungleiche T\u00f6ne \u00f6fter gleich. Dieses Resultat darf als unerwartet gelten, da man gerade diesem mittleren Tongebiete die gr\u00f6\u00dfte Empfindlichkeit zuertheilt hat. So fand Prey er1), dass \u00bbdie kleinste \u00fcberhaupt erkennbare Differenz von y3 Schwingung nur in der Gegend des a1 und c11 (512) sicher erkannt wird.\u00ab Als m\u00f6gliche Ursache nennt derselbe die Uebereinstimmung dieses Gebietes mit der H\u00f6he der menschlichen Stimme. Unsere Tabellenzeigen, dass von C bis F die Empfindlichkeit f\u00fcr diese T\u00f6ne ann\u00e4hernd constant ist ; dieselbe aber ist viel geringer als f\u00fcr tiefere T\u00f6ne. Diese Constanz ist vielleicht dadurch erkl\u00e4rlich, dass wir an diese H\u00f6he mehr gew\u00f6hnt sind. Da aber die von mir angewandte Methode zur Aufstellung von Gesetzen \u00fcber diese Frage nicht geeignet ist, so gen\u00fcge es darauf aufmerksam zu machen, dass das Tonged\u00e4chtniss nicht allzu langsam mit der Tonh\u00f6he abnimmt. In dieser Beziehung stimmen die sieben Beobachter \u00fcberein. Die Zeit zwischen den beiden zu vergleichenden T\u00f6nen \u00fcbt keinen gro\u00dfen Einfluss aus. Der Unterschied von 4 Schwingungen im Gebiet L scheint uns auch unmittelbar gr\u00f6\u00dfer zu sein als im Gebiet A.\n1) Ueber die Grenzen der Tonwahrnehmungen S. 33.\nWnndt, Philos. Studien. III.\n37","page":561},{"file":"p0562.txt","language":"de","ocr_de":"562\nH. K. Wolfe.\nTabelle IX.\n\t\tw. 1006 Vers.\t\t\tL. 378 Vers.\t\t\tF. 210 Vers.\t\t\tA. 112 Vers.\t\t\tB. 220 Vers.\t\t\tP. 177 Vers.\t\t\tT. 145.Vers.\t\t\n\t\t=\t0\tU\t=\t0\tU\t=\t0\tU\t=\t0\tU\t=\t0\tU\t=\t0\tU\t=\t0\tU\n\t\t677\t140\t183\t794\t101\t95\t800\t188\t12\t678\t254\t68\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nA\t0\t243\t693\t64\t372\t606\t22\t509\t491\t0\t273\t591\t136\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tU\t223\t35\t742\t319\t22\t659\t484\t339\t177\t387\t258\t355\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t796\t112\t92\t923\t16\t61\t842\t147\t11\t717\t196\t86\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nB\t0\t183\t759\t58\t319\t649\t32\t281\t684\t35\t576\t242\t182\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tU\t235\t64\t701\t418\t0\t582\t621\t138\t241\t364\t121\t515\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t=\t803\t85\t112\t892\t81\t27\t835\t153\t12\t775\t143\t82\t948\t30\t21\t727\t234\t39\t923\t61\t16\nC\t0\t226\t717\t57\t143\t847\t10\t113\t887\t0\t348\t609\t43\t657\t313\t30\t389\t481\t130\t429\t524\t47\n\tU\t184\t33\t783\t305\t21\t674\t603\t206\t191\t440\t280\t280\t644\t288\t68\t542\t375\t83\t526\t316\t158\n\t_\t828\t119\t53\t881\t32\t87\t874\t107\t19\t731\t154\t115\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nD\t0\t338\t625\t37\t318\t673\t9\t317\t633\t50\t227\t546\t227\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tU\t289\t68\t643\t198\t11\t791\t362\t149\t489\t368\t106\t526\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t825\t107\t68\t856\t105\t39\t677\t232\t91\t689\t133\t178\t909\t23\t68\t754\t156\t100\t720\t140\t140\nE\t\t166\t804\t30\t189\t790\t21\t160\t760\t80\t242\t455\t303\t511\t378\t111\t609\t283\t108\t359\t333\t308\n\tU\t272\t56\t672\t255\t0\t745\t147\t197\t656\t235\t147\t618\t610\t203\t187\t537\t222\t241\t415\t219\t366\n\t=\t806\t101\t93\t897\t65\t38\t824\t88\t88\t814\t47\t139\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nF\t0\t194\t737\t69\t175\t814\t11\t210\t613\t177\t343\t343\t314\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tU\t143\t139\t718\t312\t21\t667\t245\t88\t667\t382\t88\t530\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t792\t121\t87\t867\t83\t50\t618\t191\t191\t553\t192\t255\t954\t37\t9\t762\t158\t80\t740\t123\t137\nG\t\t126\t794\t80\t84\t897\t19\t186\t661\t153\t194\t645\t161\t261\t457\t282\t293\t512\t195\t61\t848\t91\n\tU\t113\t53\t834\t145\t11\t844\t119\t60\t821\t147\t177\t676\t440\t300\t260\t319\t362\t319\t306\t444\t250\n\t\t\t887\t63\t50\t849\t119\t32\t739\t152\t109\t580\t160\t260\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nH\t0\t113\t858\t29\t41\t959\t0\t73\t709\t218\t200\t500\t300\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tU\t126\t33\t841\t138\t21\t841\t127\t48\t825\t187\t187\t626\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t945\t24\t31\t878\t105\t17\t727\t61\t212\t756\t67\t177\t889\t50\t511\t798\t71\t131\t662\t15\t323\nI\t\t132\t860\t8\t56\t934\t10\t113\t755\t132\t234\t633\t133\t264\t245\t491\t294\t294\t416\t54\t487\t450\n\tU\t131\t15\t854\t70\t60\t870\t86\t104\t810\t81\t189\t730\t404\t85\t61\t292\t104\t604\t75\t50\t\n\t_\t933\t17\t50\t845\t111\t44\t753\t72\t175\t736\t57\t207\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nK\t0\t58\t919\t23\t43\t957\t0\t18\t926\t56\t87\t652\t261\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tU\t67\t34\t899\t95\t19\t886\t51\t51\t898\t250\t56\t694\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t915\t47\t38\t935\t36\t29\t826\t35\t139\t825\t17\t158\t865\t45\t90\t663\t116\t221\t778\t56\t166 26^\nL\t\t11\t953\t36\t10\t980\t10\t50\t833\t117\t74\t519\t407\t127\t509\t364\t85\t553\t362\t26\t/U\t765\n\tU\t27\t11\t962\t75\t0\t925\t62\t0\t938\t71\t71\t858\t196\t108\t696\t119\t214\t667\t88\t\t\n\t\t837\t85\t78\t874\t78\t48\t774\t131\t95\t714\t131\t156\t913\t37\t50\t740\t14C\t114\t763\t79\t158 233\n\t0\t162\t793\t45\t157\t830\t13\t184\t723\t93\t26:\t508\t220\t377\t374\t249\t335\t424\t241\t196\t\t481\ng\tU\t165\t49\t786\t209\t17\t774\t261\t124\t615\t281\t135\t584\t468\t200\t332\t372\t255\t373\t286\tZoo\t","page":562},{"file":"p0563.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\n563\nTabelle X.\n\t\tw. 369 Vers.\t\t\tL. 160 Vers.\t\t\tB. 220 Vers.\t\t\tP. 185 Vers.\t\t\tT. 190 Vers.\t\t\n\t\t=\t0\tu\t=\t0\tu\t=\t0\tu\t=\t0\tu\t=\t0\tu\n\t\t\t684\t90\t226\t868\t40\t92\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nA\t0\t151\t802\t47\t147\t805\t48\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tu\t143\t71\t786\t232\t47\t721\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t=\t783\t83\t134\t896\t26\t78\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nB\t0\t229\t752\t19\t326\t653\t21\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tu\t121\t47\t832\t146\t30\t824\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t792\t96\t112\t901\t37\t62\t943\t48\t9\t729\t224\t47\t828\t149\t23\nC\t0\t206\t774\t20\t104\t896\t0\t333\t637\t30\t204\t685\t111\t197\t803\t0\n\tu\t90\t11\t899\t64\t0\t936\t566\t377\t57\t404\t319\t277\t262\t357\t381\n\t\u2014\t842\t106\t52\t814\t86\t100\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nD\t0\t194\t776\t30\t125\t786\t89\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tu\t389\t63\t548\t57\t57\t886\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t892\t54\t54\t880\t80\t40\t850\t60\t90\t819\t72\t109\t791\t77\t132\nE\t0\t95\t885\t20\t77\t923\t0\t254\t571\t176\t229\t604\t167\t154\t558\t288\n\tu\t141\t47\t812\t109\t65\t826\t360\t320\t320\t460\t240\t300\t129\t315\t556\n\t=\t849\t95\t56\t838\t132\t30\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nF\t0\t88\t877\t35\t40\t940\t20\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tu\t115\t177\t708\t146\t49\t805\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t835\t53\t112\t844\t78\t78\t950\t30\t20\t729\t165\t106\t747\t165\t88\nG\t0\t34\t875\t91\t74\t852\t74\t231\t538\t231\t104\t709\t187\t143\t796\t61\n\tu\t53\t22\t925\t140\t0\t860\t117\t471\t412\t176\t471\t353\t74\t593\t333\n\t\u2014\t916\t36\t48\t778\t139\t83\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nH\t0\t118\t836\t46\t0\t906\t94\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tu\t97\t22\t881\t56\t0\t944\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t969\t13\t18\t732\t170\t98\t870\t20\t110\t663\t81\t256\t758\t11\t231\nI\t0\t100\t873\t27\t58\t942\t0\t135\t255\t610\t87\t609\t304\t21\t709\t270\n\tu\t33\t11\t956\t0\t108\t892\t96\t212\t692\t131\t131\t736\t53\t123\t824\n\t\u2014\t933\t12\t55\t789\t155\t56\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nK\t0\t0\t980\t20\t60\t880\t60\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tu\t29\t67\t904\t77\t25\t898\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t933\t28\t39\t903\t69\t28\t908\t46\t46\t777\t47\t176\t781\t136\t83\nL\t0\t12\t964\t24\t81\t919\t0\t115\t590\t295\t89\t756\t155\t84\t832\t84\n\tu\t19\t9\t972\t59\t20\t921\t218\t146\t636\t173\t116\t711\t56\t166\t778\nrCD\t\t855\t61\t84\t842\t90\t68\t901\t45\t54\t778\t76\t146\t781\t107\t112\n-M\t0\t113\t854\t33\t99\t863\t38\t216\t522\t262\t131\t683\t186\t116\t738\t146\n%\tu\t107\t51\t842\t101\t37\t862\t272\t303\t425\t265\t253\t482\t127\t299\t577\n37*","page":563},{"file":"p0564.txt","language":"de","ocr_de":"564\nH. K. Wolfe.\nWenn der Unterschied der T\u00f6ne sehr klein ist, so bemerkt man denselben viel leichter als deren H\u00f6henverh\u00e4ltniss. Unge\u00fcbte unmusikalische Zuh\u00f6rer scheinen keinen Ma\u00dfstab des Verh\u00e4ltnisses zweier noch sehr gut unterscheidbarer T\u00f6ne zu besitzen. Musikalische Beobachter dagegen glauben ein ganz bestimmtes Urtheil abgeben zu k\u00f6nnen und sind oft sehr erstaunt zu erfahren, dass dasselbe nicht selten falsch ist. Klavierspieler sch\u00e4tzen meistens hei diesen Versuchen nicht viel genauer als ganz unmusikalische Personen. Selbst L., der die Violine spielt, hat im Anfang o und u h\u00e4ufig verwechselt. Der gro\u00dfe Einfluss der Uebung wird sp\u00e4ter ber\u00fccksichtigt werden. Ehe ich auf die eigenth\u00fcmlichen Schwankungen aufmerksam mache, ist ein Umstand noch in Betracht zu ziehen, welcher unserer Erwartung widerspricht und auch mit den Beobachtungen Anderer nicht in Einklang steht. Einen Unterschied der T\u00f6ne glauben wir nicht blo\u00df dann zu bemerken, wenn ein solcher vorhanden ist, sondern h\u00e4ufig auch, wenn die T\u00f6ne gleich sind. Bei den kleineren Zeitintervallen kommt dieser Fall freilich seltener vor.\nIch m\u00f6chte nicht behaupten, dass eine gr\u00f6\u00dfere Sorgfalt richtig zu urtheilen hierbei auf unser Gad\u00e4chtniss eingewirkt hat. Eher ist vielleicht die Erkl\u00e4rung darin zu suchen, dass erstens der zweite Ton unter ver\u00e4nderten Bedingungen einwirkt, und dass zweitens das Erinnerungsbild durch physische Vorg\u00e4nge ver\u00e4ndert wird.\nEs er\u00fcbrigt noch die Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten der vorhergehenden Tabellen zu erw\u00e4hnen. So interessant diese auch sind, ebenso unerkl\u00e4rlich scheinen sie zu sein. L., der o und u am seltensten verwechselte , hat doch im Gebiete I u 4-mal so oft o gesch\u00e4tzt als W. und 3-mal so oft als er seihst in irgend einem anderen Gebiete. W. hat im Gebiete F 9-mal so oft denselben Fehler gemacht, als in I. In G hat W. 4-mal so oft u f\u00fcr o gesch\u00e4tzt als L. Einigen Gebieten scheinen die Gleichheitsurtheile \u00fcherwigend zuzufallen, so z. B. den h\u00f6heren Gegenden und D und F. Im Allgemeinen sind diese Eigent\u00fcmlichkeiten durch pers\u00f6nliche Neigungen beherrscht. Einige T\u00f6ne scheinen besonders schwer f\u00fcr den Einen und leichter f\u00fcr den Andern zu sein. Noch nach mehreren Monaten t\u00e4glicher Ein\u00fcbung vermag ich u bei C, D und E nicht leicht zu bemerken, und bin oft geneigt bei F u als o zu sch\u00e4tzen. Derselbe Beobachter sch\u00e4tzt au\u00dferdem zu verschiedenen Zeiten sehr ungleichm\u00e4\u00dfig. Ohne einen ver\u00e4nderten Zu-","page":564},{"file":"p0565.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\n565\nstand meiner Gesundheit zu bemerken, habe ich zweimal so viele Fehler an einem Tage, als an dem vorhergehenden oder nachfolgenden gemacht. Auch zu verschiedenen Tageszeiten, ja innerhalb derselben Stunde habe ich diese Ver\u00e4nderung in der Genauigkeit des Sch\u00e4tzens und in der Treue des Ged\u00e4chtnisses beobachtet.\nDie unge\u00fcbten und unmusikalischen Beobachter zeigen ebenfalls einige Eigenth\u00fcmlichkeiten. Bei den h\u00f6heren T\u00f6nen sch\u00e4tzen alle ohne Ausnahme o besser als u ; = \u00f6fter o als u ; u \u00f6fter f\u00fcr o. als o f\u00fcr u; und bei den tieferen T\u00f6nen gerade umgekehrt. Relativ hohe T\u00f6ne werden also zu hoch, relativ tiefe T\u00f6ne zu tief gesch\u00e4tzt. Diese weniger ausgepr\u00e4gte Tendenz ist blo\u00df in den ersten Versuchen bei L. und W. zu bemerken. Sp\u00e4ter schien eine Art unbewusster Tendenz zur Vermeidung dieses Fehlers einzutreten, indem die Versuche die umgekehrten Resultate zeigten. Durch die Uebung werden solche Eigenth\u00fcmlichkeiten meistentheils aufgehoben, und man beurtheilt die drei F\u00e4lle =, o, u bei jedem Gebiete gleich gut. Es bleiben dann nur noch geringe Schwankungen, die ihren Ursprung m\u00f6glicher Weise im Sinnesorgan haben.\nVergleichen wir die Ergebnisse der beiden Tabellen, so wird nicht viel hinzuzuf\u00fcgen sein. Die Abweichungen scheinen mir unerkl\u00e4rlich. Bei 8 Schwingungen wird = \u00f6fter u als o gesch\u00e4tzt und die ungleichen T\u00f6ne werden \u00f6fter verwechselt als bei 4 Schwingungen. Da die Versuche in allen F\u00e4llen parallel durchgef\u00fchrt wurden, so ist dieses Resultat beachtenswerth.\nEs liegen freilich bei 8 Schwingungen nicht so viele Versuche vor als bei 4 Schwingungen. Uebrigens war der objective Unterschied den Zuh\u00f6rern immer bekannt. Es w\u00e4re wohl zur Aufkl\u00e4rung dieser Verh\u00e4ltnisse w\u00fcnschenswerth, Versuche mit wechselndem unbekanntem Unterschied anzustellen.\nd) Uebung und Erm\u00fcdung.\nBei unsem Versuchen zeigt sich die Uebung in zwei Formen : als Uebung des Tonsch\u00e4tzens und als solche des Ged\u00e4chtnisses. Wir sind geneigt die Empfindlichkeit f\u00fcr T\u00f6ne auf urspr\u00fcngliche Anlagen zur\u00fcckzuf\u00fchren. Ein musikalisches Ohr, sagt man, muss angeboren sein.","page":565},{"file":"p0566.txt","language":"de","ocr_de":"566\nH. K. Wolfe.\nF\u00fcr das Gebiet der Musik ist vielleicht der Sinn dieses Satzes nicht ganz unrichtig. Die musikalischen Anlagen sind aber in keinem Fall mit der Empfindlichkeit f\u00fcr T\u00f6ne zu verwechseln. Sch\u00e4rfe des Sehens und Empf\u00e4nglichkeit f\u00fcr malerische und plastische Sch\u00f6nheit sind ja auch nicht identisch. Die Musik kennt keine so kleinen Unterschiede wie sie bei derartiger Untersuchung angewandt werden. Wie sehr das Auffassen des Verh\u00e4ltnisses der T\u00f6ne, d. h. der Tonintervalle, von der Uebung abh\u00e4ngt, hat Wundt schon gezeigt.1) Vielleicht in noch h\u00f6herem Grade sind Unterschiedsempfindlichkeit und Tonged\u00e4chtniss davon bedingt.\nDen Gang der Uebung sieht man in Tabelle XI, welche die falschen F\u00e4lle dreier Gruppen, bei 4 Schwingungen Unterschied, zu mehreren Uebungsstadien zusammenfasst. Die Gruppen sind ohne besondere Auswahl, aber mit ungef\u00e4hr 20 Stunden Uebung zwischen je dreien derselben beliebig herausgegriffen. Den Zeitintervallen nach sind die Versuche in vier Theile geordnet. Die Anzahl der Versuche, durch n bezeichnet, ist f\u00fcr = und ou separat angef\u00fchrt. Zweifelhafte F\u00e4lle sind zu den falschen gerechnet worden.\nIj. (} \u25a0 ;\tTabelle XI.\n\tB.\t\tP.\t\tT.\t\tW.\t\tL.\t\tF.\t\tA.\t\n\t\t\t\t\t1,\t2, 3,\t4, 5 Secunden\t\t\t\t\t\t\t\nn=-\t\t\t0 u\t=\tOU\t\u2014\t0 u\t=\tOU\t=\tOU\t\u2014\tOU\t=\tOU\n\t35\t40\t35\t40\t35\t40\t55\t110\t55\t110\t55\t110\t55\t110\ni\t5\t30\t12\t26\t8\t24\t10\t55\t2\t17\t14\t45\th\t42\n2\t4\t26\t2\t21\t1\t18\t6\t32\t3\t10\t7\t28\t8\t33\n3\t0\t19\t4\t21\t0\t19\t8\t22\t0\t9\t5\t22\t\t\n4\t\t\t2\t16\t1\t15\t4\t20\t2\t5\t\t\t\t\n5\t\t\t\t\t\t\t6\t13\t\t\t\t\t\t\n6\t\t\t\t\t\t\t5\t10\t\t\t\t\t\t\n7\t\t\t\t\t\t\t3\t8\t\t\t\t\t\t\n8\t\t\t\t\t\t\t2\t5\t\t\t\t\t\t\n9\t\t\t\t\t\t\t2\t2\t\t\t\t\t\t\n1) Phys. Psych. I, S. 399.","page":566},{"file":"p0567.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\n567\n\tB.\t\tP.\t\tT.\t\tw.\t\tL.\t\tF.\t\tA.\t\n\t\t\t\t\t\t7, 10,\t15 Secunden\t\t\t\t\t\t\t\nn==\t21\tOU 24\t21\tOU 24\t21\tOU 24\t33\tOU 66\t33\tOU 66\t33\tOU 66\t33\tOU 66\ni\t8\t15\t11\t16\t12\t19\t11\t27\t9\t19\t11\t22\t7\t26\n2\t4\t15\t6\t15\t4\t14\t8\t23\t3\t10\t6\t16\t9\t18\n3\t3\t15\t5\t12\t3\t16\t10\t21\t0\t6\t5\t16\t\t\n4\t\t\t4\t11\t3\t12\t5\t20\t5\t10\t\t\t\t\n5\t\t\t\t\t\t\t7\t12\t\t\t\t\t\t\n6\t\t\t\t\t\t\t6\t6\t\t\t\t\t\t\n7\t\t\t\t\t\t\t4\t3\t\t\t\t\t\t\n8\t\t\t\t\t\t\t0\t5\t\t\t\t\t\t\n9\t\t\t\t\t\t\t3\t5\t\t\t\t\t\t\n20, 25, 30 Secunden\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n1\t12\t21\t13\t14\t14\t15\t10\t35\t12\t26\t16\t30\t16\t34\n2\t9\t21\t10\t14\t12\t10\t10\t30\t6\t16\t8\t18\t11\t23\n3\t3\t17\t9\t18\t10\t10\t9\t26\t7\t13\t7\t18\t\t\n4\t\t\t7\t12\t9\t10\t8\t22\t7\t12\t\t\t\t\n5\t\t\t\t\t\t\t5\t18\t\t\t\t\t\t\n6\t\t\t\t\t\t\t6\t14\t\t\t\t\t\t\n7\t\t\t\t\t\t\t3\t9\t\t\t\t\t\t\n8\t\t\t\t\t\t\t3\t10\t\t\t\t\t\t\n9\t\t\t\t\t\t\t3\t8\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t40, 50,\t\t60 Secunden\t\t\t\t\t\t\t\n1\t\t\t\t\t\t\t\t\t15\t32\t17\t34\t18\t40\n2\t\t\t\t\t\t\t12\t34\t9\t28\t11\t25\t12\t31\n3\t\t\t\t\t\t\t15\t20\t8\t28\t12\t24\t\t\n4\t\t\t\t\t\t\t9\t26\t9\t24\t\t\t\t\n5\t\t\t\t\t\t\t8\t21\t\t\t\t\t\t\n6\t\t\t\t\t\t\t7\t18\t\t\t\t\t\t\n7\t\t\t\t\t\t\t9\t16\t\t\t\t\t\t\n8\t\t\t\t\t\t\t5\t15\t\t\t\t\t\t\n9\t\t\t\t\t\t\t8\t16\t\t\t\t\t\t\nOhne Uebung hat L. allein mit einiger Sicherheit gesch\u00e4tzt, auch er hat diese nach 20 Secunden meistentheils verloren. In dem zweiten Stadium hat sich die Anzahl der Fehler bei kleinen Zeitintervallen bedeutend vermindert. Mit zunehmender Zwischenzeit wirkt die Uebung immer langsamer ein. Das dritte und die folgenden Stadien zeigen eine Zunahme der Sicherheit, welche aber immer langsamer","page":567},{"file":"p0568.txt","language":"de","ocr_de":"568\nH. K. Wolfe.\nvor sich geht. Eine Grenze wird f\u00fcr die k\u00fcrzeren Zeiten wahrscheinlich erst hei absoluter Sicherheit erreicht werden. Bei den l\u00e4ngeren Zeiten schien W. die Grenze schon erreicht zu haben. Allein einige Versuche, noch sp\u00e4ter ausgef\u00fchrt, bewiesen, dass dies doch nicht der Fall war. Eher m\u00f6chte ich behaupten, eine solche Grenze werde (wenigstens f\u00fcr Unterschiede gr\u00f6\u00dfer als 4 Schwingungen) erst dann erreicht, nachdem ein zureichendes absolutes Tonged\u00e4chtniss erworben worden ist. Vermindern wir den Unterschied der T\u00f6ne, so wird nat\u00fcrlich eine Grenze der Unterschiedsempfindlichkeit sowohl als auch des Ged\u00e4chtnisses erreicht. Die Versuche an Unge\u00fcbten sowie die an Ge\u00fcbten mit langen Zwischenzeiten zeigen, dass nach dem Intervalle des sch\u00e4rfsten Auffassens das Ged\u00e4chtniss zuerst sehr schnell und dann immer langsamer ahnimmt; aber auch, dass auf das Sch\u00e4tzen bei langen Zeiten der Einfluss der Uehung sp\u00e4ter eintritt als hei kleineren Intervallen. Die individuellen Unterschiede sind im Anfang sehr gro\u00df, am gr\u00f6\u00dften aber bei kurzen Zeiten. Nach der Uebung werden dieselben immer kleiner und scheinen am gr\u00f6\u00dften hei den l\u00e4ngeren Zeiten zu sein.\nDas Verwechseln von o und u ist in dieser Tabelle nicht angegeben. Es sei deshalb bemerkt, dass unge\u00fcbte unmusikalische Beobachter blo\u00df bei den tieferen T\u00f6nen im Stande sind o und u zu unterscheiden, und auch dann mit geringer Sicherheit. Wie schon erw\u00e4hnt, sind f\u00fcr sie die hohen T\u00f6ne o, die tiefen T\u00f6ne u. Wenn man nach jedem Versuche das richtige Verh\u00e4ltniss angibt, so wirkt die Uebung \u00e4u\u00dferst schnell ein, bis die meisten F\u00e4lle richtig beurtheilt werden. Einige Umkehrungen kommen jedoch sp\u00e4terhin vor. Ich habe selbst das Stadium der absoluten Sicherheit in dieser Beziehung auch bei den mittleren Zeiten nicht sehr \u00fcberschritten. Doch werden jetzt innerhalb der 300 T\u00f6ne solche Verwechselungen bei Intervallen bis zu 20 Secunden nicht mehr Vorkommen. Wenn erst nach mehreren Versuchen den Beobachtern mitgetheilt wird, wie die T\u00f6ne sich objectiv verhielten, so wirkt die Uebung bei Unmusikalischen in dieser Beziehung sehr langsam.\nSelbst musikalische Personen, die einen Unterschied von einem Bruchtheil einer Schwingung sicher bemerken, sind ohne besondere Uebung nicht im Stande o und u bei einem Unterschied von mehreren","page":568},{"file":"p0569.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss.\n569\nSchwingung011 sicher zu unterscheiden.1) Diese Thatsache zeigt, wie wenig die Uebung f\u00fcr die Unterscheidung kleiner Tonh\u00f6henunterschiede mit der sonstigen musikalischen Uebung zusammenh\u00e4ngt. Ein Beispiel des umgekehrten Verh\u00e4ltnisses gibt die folgende Thatsache. Ich selbst bin au\u00dferordentlich unmusikalisch und habe eher stumpfes als feines Geh\u00f6r Nach einigen Monaten Uebung konnte ich aber bei den kleinen Zeiten o und u, bei 4 und 8 Schwingungen, ziemlich genau unterscheiden, war dagegen bei 30\u201440 Schwingungen bei weitem nicht so sicher.\nOb die F\u00e4higkeit, das Verh\u00e4ltniss zweier T\u00f6ne richtig zu beur-theilen, durch die Uebung zu der gleichen Sch\u00e4rfe gebracht werden kann, mit welcher wir Tondilferenzen wahrnehmen, ist eine interessante, aber meines Wissens bis jetzt noch unentschiedene Frage. Bekanntlich ist das Gegentheil von den Meisten behauptet worden. Allein die Versuche , welche im Zusammenhang mit der allgemeinen Erfahrung diese Meinung unterst\u00fctzen, sind vorzugsweise mittelst der Untersuchung der Unterschiedsempfindlichkeit durchgef\u00fchrt worden. Auf das Verh\u00e4ltniss der T\u00f6ne hat man dabei die Aufmerksamkeit weniger gelenkt. Noch wichtiger aber ist der Umstand, dass die Uebung nicht lange genug fortgesetzt wurde. Meine Versuche geben zwar \u00fcber diese Frage keinen bestimmten Aufschluss. Doch sei im Vorbeigehen erw\u00e4hnt, dass gegen Ende dieser Untersuchung bei den kurzen Zeiten die Unterschiede nicht immer empfunden, o und u aber niemals verwechselt worden sind. Diesen Resultaten entsprach mein subjectives Gef\u00fchl ; in keinem Falle war ich auch im Mindesten unsicher zwischen o und w, sondern immer nur \u00fcber die Frage, ob die T\u00f6ne gleich oder ungleich seien. Der Zweifel lag also zwischen = und o, oder = und u.\nIn den letzten Wochen wurden einige Versuche bei noch l\u00e4ngeren Zeitintervallen an W. angestellt, welche im Zusammenhang mit den vorhergehenden die Wirkung der Uebung auf das Ged\u00e4chtniss \u00fcoch deutlicher zeigen. Auf jedes Intervall kamen blo\u00df 66 Versuche. Die Zeiten und Procente richtiger F\u00e4lle sind folgende :\nZeit =\t2\t15\t30\t50\t75\t90\t105\t120\t150\t180\nr = 100\t88\t77\t71\t68\t73\t62\t59\t58\t59\n1) Vgl. Preyer, a. a. O. S. 37.","page":569},{"file":"p0570.txt","language":"de","ocr_de":"570\nH. K. Wolfe.\nWegen der kleinen Anzahl der Versuche wird man diese Resultat, nur vergleichsweise betrachten d\u00fcrfen. W. sch\u00e4tzt darnach bei 4 Schwingungen nach einigen Monaten Uebung genauer bei 3 Minuten Zwischenzeit als im Anfang hei 15 Secunden.\nEin constanter Einfluss der Erm\u00fcdung w\u00e4hrend der zwei Stunden , die wir an einem Tage zu arbeiten pflegten, war kaum zu con-statiren. H\u00f6chstens an Unge\u00fcbten war dieser Einfluss bei l\u00e4ngeren Zeitintervallen zu bemerken. Nicht selten f\u00fchlen sich die Zuh\u00f6rer in der zweiten Stunde erm\u00fcdet, auch sch\u00e4tzen sie oft nicht ganz so gut Der Unterschied ist aber hei den meisten Beobachtern durchschnittlich sehr klein und entspricht dem Gef\u00fchle gar nicht. Diese That-sache ist dadurch erkl\u00e4rlich, dass w\u00e4hrend dieser kurzen Zeit eine vor\u00fcbergehende Fertigkeit entwickelt wird, welche die Erm\u00fcdung zum Theil compensirt. Bei den kleineren Intervallen ist diese tempor\u00e4re Ein\u00fcbung von gr\u00f6\u00dferem Einfl\u00fcsse als die Erm\u00fcdung. So sch\u00e4tzt man z. B. hei kurzen Zeiten genauer in der zweiten Stunde, hei l\u00e4ngeren dagegen in der ersten Stunde. An eine Erm\u00fcdung des Geh\u00f6rnerven w\u00e4hrend dieser Zeit ist kaum zu denken, da die einzelnen T\u00f6ne blo\u00df eine Secunde dauern, und das Ohr wie das Auge haupts\u00e4chlich nur durch dieselbe Empfindung rasch erm\u00fcdet wird. Mit wechselnder Qualit\u00e4t der Empfindung tritt die Erm\u00fcdung nur langsam ein.\nUm die Erm\u00fcdung weiter zu untersuchen, machte ich im October vorigen Jahres mehrere Gruppen unmittelbar nach einander. Die zw\u00f6lf so gewonnenen Gruppen nahmen 11 Stunden in Anspruch, von 8 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends mit 10 Minuten Pause um Mittag. Jede Gruppe enthielt 121 Versuche mit den bisher gebrauchten Zeitintervallen bis zu 30 Secunden. Die falschen F\u00e4lle der successiven Gruppen sind folgende :\n20, 29, 23, 20, 32, 18, 28, 29, 16, 20, 27, 23.\nAuf die erste H\u00e4lfte kommen also 142 falsche F\u00e4lle, auf die zweite 143. Die k\u00f6rperliche Erm\u00fcdung war peinlich ; die Empfindlichkeit f\u00fcr T\u00f6ne jedoch vielfach vergr\u00f6\u00dfert. Im Anfang musste ich die Aufmerksamkeit sehr anstrengen ; gegen Ende konnte ich dieselbe nicht erzwingen, das Sch\u00e4tzen aber schien fast mechanisch zu sein. Tabelle XII gibt die Anzahl der falschen F\u00e4lle, nach dem Tonverh\u00e4ltnisse, den Zeitinter-vallen und der Stellung der Gruppen geordnet.","page":570},{"file":"p0571.txt","language":"de","ocr_de":"Unsersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4ehtniss.\n571\nTabelle XII.\n\tZeit\t1\u201410\t15-30\n\tGruppen 1\u20146\t35\t28\n\tGruppen 7\u201412\t27\t28\nOU\tGruppen 1\u20146\t48\t31\n\tGruppen 7\u201412\t39\t49\nIn den ersten 6 Gruppen kamen bis zu 10 Secunden 83 falsche Urtheile vor; in den zweiten 6 Gruppen 66. Von 15 bis 30 Secunden wurden in der eisten H\u00e4lfte 59 falsch gesch\u00e4tzt, in der zweiten 77. Bis zu 10 Secunden ist die Abnahme der falschen F\u00e4lle in den zweiten 6 Gruppen bei = und ou ungef\u00e4hr dieselbe. Von 15 bis 30 Secunden f\u00e4llt die Zunahme g\u00e4nzlich auf die ungleichen T\u00f6ne.","page":571},{"file":"p0691table5.txt","language":"de","ocr_de":"Philosophische -Sludion. //I. Pond.\ni\nI\nTa fel Y\n)","page":0}],"identifier":"lit4551","issued":"1886","language":"de","pages":"534-571","startpages":"534","title":"Untersuchungen \u00fcber das Tonged\u00e4chtniss","type":"Journal Article","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:25:46.989665+00:00"}