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{"created":"2022-01-31T14:25:30.933901+00:00","id":"lit4555","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Cordes, G.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 17: 30-77","fulltext":[{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen Uber Associationen.\nVon\nG. Cordes.\nVon Ostern 1899 ab habe ich w\u00e4hrend 3 Semester im psychologischen Laboratorium der Universit\u00e4t Leipzig \u00bbVersuche \u00fcber mittelbare Associationen\u00ab angestellt. Die Aufgabe war einmal, festzustellen, ob psychische Verl\u00e4ufe, die als mittelbare Associationen zu bezeichnen w\u00e4ren, \u00fcberhaupt experimentell nachgewiesen werden k\u00f6nnen, und sodann \u2014 vorausgesetzt, dass jene Frage eine bejahende Antwort f\u00e4nde und ein gen\u00fcgend gro\u00dfes Material gesammelt w\u00fcrde \u2014 die Abh\u00e4ngigkeitsbeziehungen dieser mittelbaren Associationen festzustellen.\nIch kann meine Untersuchungen noch nicht als abgeschlossen betrachten. Da ich sie aber vorl\u00e4ufig unterbrechen muss, glaube ich doch von den bescheidenen Ergebnissen der bisherigen Untersuchungen Bericht thun zu d\u00fcrfen; um so mehr als ich meine, \u00fcber das Verfahren bei Associationsversuchen im allgemeinen einiges sagen zu k\u00f6nnen, was Anderen vergebliche Arbeit ersparen kann.\nIch werde also, auf Grund meiner Versuchsprotokolle, zun\u00e4chst diejenigen experimentell angeregten psychischen Verl\u00e4ufe, die ich den Angaben der Versuchspersonen und eignem psychologischen Verst\u00e4ndnis nach als einfache (directe, unmittelbare) Associationen bezeichne, nach ihrer psychologischen Eigenart zu charakterisiren versuchen, und werde dann \u00fcber diejenigen Versuche besonders berichten, in denen ich mittelbare Associationen glaube constatiren zu d\u00fcrfen, um endlich aus diesen Versuchen einige Folgerungen f\u00fcr die Theorie der mittelbaren Associationen zu ziehen.\nZuvor eine kurze Darlegung der Technik der Versuche. Die","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\t31\nVersuchsordnung war so einfach wie m\u00f6glich. Die Versuchsperson (im Folgenden Vp) sa\u00df in dem schon von Scripture1) benutzten schwarzen Kasten. In die Wand des Kastens war ein viereckiges Loch geschnitten, durch das ein kurzer vierkantiger Tubus gesteckt war, dessen vordere Oeffnung durch einen Vorhang verdeckt wurde. Davor stand in einer Entfernung von ungef\u00e4hr 50 cm vom Auge der Vp auf einem schwarz verh\u00e4ngten Tischchen, gegen einen schwarzen Pappst\u00e4nder gelehnt, die Karte mit dem Reizwort (bezw. -bild). (Bei mehreren Versuchsgruppen wurde ein langer Papierstreifen, auf den 6\u20148 Worte geschrieben waren, durch den Schlitz einer schwarzen Papptafel gezogen.) \u2014 Nach vorauf gegangenem \u00bbjetzt!\u00ab wurde der Vorhang gehoben, die Karte blieb circa 3\" sichtbar, worauf der Vorhang fiel. \u2014 Die der Vp gegebene Anweisung lautete einfach, sich die Karte anzusehen und hernach zu berichten, was sie nach dem Anblick der Karte erlebt habe, welche Vorstellungen oder Gef\u00fchle oder Empfindungen oder sonstige psychische Ph\u00e4nomene ihr gekommen w\u00e4ren. Und zwar sollte im allgemeinen nur \u00fcber die Erlebnisse vor dem Fallen des Vorhangs referirt, jedenfalls ausdr\u00fccklich bemerkt werden, wenn ein berichteter Vorgang \u00fcber den Zeitpunkt des Fallens des Vorhanges hinausgeragt habe oder \u00fcberhaupt erst sp\u00e4ter eingetreten sei. Es ist auf diese Begrenzung sp\u00e4ter nicht streng gehalten \u2014 zumal wenn bei kurzen Silben die Expositionszeit auf 2\" herunterging \u2014, da es gen\u00fcgte im allgemeinen daran gew\u00f6hnt zu haben, nur das erste oder die ersten der auf die Wahrnehmung folgenden Geschehnisse in Betracht zu ziehen. Ueberall wo es n\u00f6thig schien \u2014 und es schien in sehr vielen F\u00e4llen n\u00f6thig \u2014 wurde nach dem Referat des Associirten vom Experimentator auch nach der Apperception gefragt : wie das Reizwort aufgefasst sei, was besonders aufgefallen sei u. s. w. H\u00e4ufig konnte die Vp auf diese Frage nicht mehr Auskunft geben. F\u00fcr den Zweck, zwischen Associirtem und Wahrnehmung die Verbindung zu suchen, waren dann solche Versuche unbrauchbar. \u2014 Ueber einige Modificationen dieser Versuchsanordnung wird an seiner Stelle berichtet werden.\nDie Vers\u00fcchsanordnung wurde von den Vp\u2019en durchweg f\u00fcr gut befunden. Zwar st\u00f6rten bei einigen Vp\u2019en in den ersten Stunden\n1) Philos. Stud. VII, S. 53.","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nGr. Cordes.\ngelegentlich das Bewusstsein, im Experiment ;zu sein, oder sonstige Momente der ungewohnten Situation den ruhigen Ablauf des Geschehens. Im allgemeinen schien aber die Artung des psychischen Geschehens nicht allzusehr abzuweichen von den spontanen Nachwirkungen einer Wahrnehmung, die im Tageslehen sich stark auf dr\u00e4ngt. Peinlich vermieden wurde alles, was den Yp\u2019en die allerdings nie ganz ausrottbare Meinung verst\u00e4rken konnte, \u00bbassociiren zu sollen\u00ab. Zum Referat wurde unbeschr\u00e4nkt Zeit gelassen, die Antwort vom Experimentator mit stenographirt. Die Durchschnittszahl der in 45' gemachten Versuche war 30. In wenigen Arbeitsstunden stieg die Zahl auf das Doppelte; in anderen konnten bei reger Arbeit nur gegen 20 Versuche protokollirt werden.\nEhr den Experimentator war nicht die Absicht leitend, f\u00fcr gewisse Theorien experimentelle Verificirung zu finden, sondern einfach die, die psychischen Geschehensfolgen, die man Associationen nennt, kennen zu lernen; die planm\u00e4\u00dfige Anordnung der Beize verfolgte den Zweck, g\u00fcnstige Verh\u00e4ltnisse f\u00fcr das Zustandekommen von mittelbaren Associationen herzustellen. Dass thats\u00e4chlich solche Associationsverl\u00e4ufe, die man mittelbare Associationen nennen kann, Vorkommen, schien mir zu Beginn der Versuche gewiss, wurde mir in der ersten H\u00e4lfte des zweiten Semesters zweifelhaft und ist f\u00fcr mich jetzt in das Gebiet der beobachteten Thatsachen ger\u00fcckt.\nDen Herren, die als Vp\u2019en fungirten, Dr. St\u00f6rring, Dr. Eelix Krueger, D\u00fcrr, v. Voss, Scott, Zeitler, Heidenhain und K\u00f6hler schulde ich Dank. Ich experimentirte mit einem der Herren 3 Semester lang, mit einem andern 2, mit den \u00fcbrigen je 1. Au\u00dferdem hatten einige andere Herren innerhalb und au\u00dferhalb des Instituts die Freundlichkeit, sich zur Erg\u00e4nzung der Versuche f\u00fcr einzelne Stunden zur Verf\u00fcgung zu stellen. \u2014 Mit einem Ausl\u00e4nder, der der deutschen Sprache nicht v\u00f6llig m\u00e4chtig war, mussten die Versuche nach der 6. Stunde abgebrochen werden, da volle Verst\u00e4ndigung oft nicht m\u00f6glich war oder doch, in sehr vielen F\u00e4llen, so viel Zeit in Anspruch nahm, dass nach dem Referat der Association der erste Eindruck des Reizwortes vergessen war.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\t33\nI. Die einfache Association.\nIn den \u00e4lteren, publicirten Associationsversuchen machen sich zwei irrige Voraussetzungen geltend1).\nDie eine ist die, dass man unter Association allgemein nur die Verkn\u00fcpfung von zwei oder mehr \u00bbVorstellungen\u00ab verstand; den Begriff Vorstellung gebraucht als \u00fcbergeordneten Begriff zu Wahr-nehmungs-, Erinnerungs- und Phantasievorstellung. Zwar wollten die Experimentatoren mit diesen \u00bbVorstellungen\u00ab nicht operiren, als handle es sich um Dinge, Bilderchen oder sonst mehr oder weniger beharrende Objecte, sondern sie erkannten an, dass Vorstellungen complexe Verl\u00e4ufe sind; aber diejenigen Theile des an einen von au\u00dfen gegebenen Eindruck sich kn\u00fcpfenden psychischen Geschehens, die sich der Selbstbeobachtung der Vp zwar als f\u00fcr sich wahrnehmbare, von anderen Theilen dieses Geschehens unterscheidbare Theile gaben, ihrerseits aber nicht Vorstellungscharakter tragen, wurden nur \u00e4ls Begleiterscheinungen gelegentlich erw\u00e4hnt, wenn nicht ganz vernachl\u00e4ssigt oder gar als nicht zur Klarheit des Bewusstseins gelangende Vorstellungen verkannt.\nDer zweite Irrthum war der, dass man ohne weiteres als das An-fangsereigniss eines durch ein Reizwort angeregten Associationsverlaufs eben dies Reizwort nahm. Zwar wusste man nat\u00fcrlich, dass das erste Glied einer Association immer nur ein psychisches Ph\u00e4nomen sein kann; aber man nahm ohne Aveiteres an, dass bei Versuchs-Associationen das erste Ph\u00e4nomen eben stets eine Vorstellung sei, die durch das vom Experimentator vorgezeigte oder ausgesprochene Wort eindeutig bestimmt sei. Der auff\u00e4llige Fehler erkl\u00e4rt sich wohl historisch durch die ziemlich rohe Technik der Versuche, in denen man Associations-Zeiten zu messen glaubte. Dort konnte man gar nicht anders, als zum terminus a quo der verflie\u00dfenden Zeit das Erklingen oder Sichtbarwerden des \u00bbgegebenen\u00ab Wortes zu nehmen;\n1) Als Vorg\u00e4nger im Experiment mussten f\u00fcr mich besonders in Betracht kommen: E. W. Scripture, Ueber den associativen Verlauf der Vorstellungen. Philos. Stud. VH (1890). H. M\u00fcnsterberg, Beitr\u00e4ge zur experimentellen Psychologie. Hft. IV (1892). \"W. Gf. Smith, Zur Frage der mittelbaren Association. Inaug.-Diss. (1894). G. Aschaffenburg, Experimentelle Studien \u00fcber Association in Kraepelin\u2019s Psychol. Arb. I (1896) und II (1897). Th. Ziehen, Die Ideenassociation des Kindes. I. Abhandl. Berlin 1898. II. Abhandl. ibid. 1900. Wundt, Philos. Studien. XVII.\t3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nG. Cordes.\nund man dachte dann, wenn man die Beziehungen zwischen den Associationsgliedern suchte und danach die Associationen classificirte, nicht daran, dass mit dem vom Experimentator \u00bbgegebenen\u00ab Worte nicht ohne weiteres der Vp eine durch dies Wort eindeutig bestimmte Vorstellung \u00bbgegeben\u00ab zu sein brauchte. H\u00f6chstens, dass man in F\u00e4llen, wo die Vp sich offenbar verh\u00f6rt oder verlesen hatte, statt des \u00bbgegebenen\u00ab das appercipirte Wort einsetzte.\nA. Das erste Glied in Versuchs-Associationen.\nDas erste Glied in Versuchs-Associationen ist dasjenige psychische Ph\u00e4nomen, das unmittelbar durch den Beiz \u2014 also in unserer einfachsten Versuchsanordnung dadurch, dass man die Vp ein gedrucktes oder geschriebenes Wort sehen l\u00e4sst \u2014 angeregt wird. Um als erstes Glied einer beobachteten Association tauglich zu sein, muss dies Ph\u00e4nomen der nachfolgenden Erinnerung der Vp zug\u00e4ngig sein und ihr als ein unmittelbar nach Eintritt des Reizes gegebenes, von den zeitlich nachfolgenden Bewusstseinsvorg\u00e4ngen wohl unterscheidbares Ge-schehniss erscheinen.\na. Am h\u00e4ufigsten war dies erste Ph\u00e4nomen in meinen Versuchen die Vorstellung desjenigen Vorstellungsinhalts, als dessen Symbol das betreffende Wort bekannt ist. Die meisten F\u00e4lle entsprechen also thats\u00e4chlich der f\u00e4lschlich oft als allgemein g\u00fcltig gemachten Annahme, dass eine Vorstellung des Sinnes des Reizwortes erstes Glied der in Frage stehenden Verl\u00e4ufe sei. Erkl\u00e4rlicherweise, da die Vp ja dauernd unter dem Vorsatz steht, wahrzunehmen, was ihr auf ein voraufgegangenes Signal zur Wahrnehmung geboten wird, und gew\u00f6hnt ist, Worte nur als Symbole f\u00fcr einen in Frage stehenden Vorstellungsinhalt, als Durchgang zu dem eigentlich Gemeinten zu nehmen.\nDiese Vorstellung des Wortsinns kommt manchmal merklich sp\u00e4ter zu Stande als die Wahrnehmung des Schriftbildes und die Vorstellung des Wortes als eines Wortes (s. u. \u00df und 7). Man wird dann oft nicht umhin k\u00f6nnen, die Vorstellung des Wortsinns als associirt zu nehmen. In andern, seltenen F\u00e4llen war die Vorstellung des Wortsinns bereits da, ehe die Vp das Wort fertig gelesen hatte \u2014 eine Erscheinung, die f\u00fcr die Lehre von der Wortapperception interessant, f\u00fcr die uns besch\u00e4ftigenden Fragen aber ohne Bedeutung ist.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\t35\nIn den weitaus meisten F\u00e4llen war dagegen die Apperception des Schriftbildes und das Innewerden des Wortsinns ein Akt. Ein Akt, in dem bald die Auffassung des Wortsinns, bald die Auffassung des Wortes im Vordergr\u00fcnde stand, bald beides in innigster Verschlingung, in v\u00f6lligem In- und Miteinander zum Bewusstsein kam. \u2014 Nun ist schon hier die M\u00f6glichkeit gegeben, dass angesichts eines Wortes innerhalb des durch den Wortsinn gegebenen K\u00e4hmens thats\u00e4chlich sehr Verschiedenes vorgestellt wird. Ist das Keizwort ein Abstractum oder ein Verb, so wird sein Sinn h\u00e4ufig als ein undeutlicher Begriff aufgefasst. Die Vp ist hernach gew\u00f6hnlich der Meinung, zu einer Vorstellung sei es eigentlich erst in der Association gekommen. Bezeichnet das Reizwort ein concretes Object, so wird dieses doch selten isolirt vorgestellt, selten ohne einen mehr oder weniger differenzirten Hintergrund; oft wird es in subjectiv bedingter Specificirung aufgefasst, h\u00e4ufig als in Beziehung zu anderen Gegenst\u00e4nden, deren Vorstellung dabei ganz undeutlich bleiben kann. Oder das Wort wird gelesen, als oh es in einem bestimmten Buche st\u00e4nde, oder auf einem Plakate u. s. w.\nEs ist unberechtigt, in all solchen F\u00e4llen zu behaupten, die refe-rirende Vp k\u00f6nne nur in der Erinnerung nicht mehr Wahrnehmung und nachfolgende Association unterscheiden. Es handelt sich in solchen F\u00e4llen um Assimilationen, die, mag man sie theoretisch auch dem Begriff \u00bbAssociation\u00ab unterordnen, hier doch nicht als solche gelten k\u00f6nnen. Denn nur der auf das Zustandekommen der Wahrnehmung reflectirenden psychologischen Analyse gibt sich ein solcher mit Assimilationselementen durchsetzter Vorgang als ein complexer. Im Erleben und f\u00fcr die nachfolgende Erinnerung ist ein solcher \u2014 theoretisch in \u00bbreine\u00ab Wahmehmungs- und reproductive Assimilations-Elemente zerlegbarer \u2014 Vorgang eben so gut ein Ph\u00e4nomen, ein geschlossenes Erlebniss, wie eine durch eine Vielheit von Empfindungen bedingte einfachste Vorstellung ein in sich geschlossenes psychisches Ph\u00e4nomen ist. Es ist nicht so, dass bei diesen Versuchen etwa erst das Wortbild \u00bbrein\u00ab appercipirt w\u00e4re und daran sich dann reproductive Elemente angeschlossen h\u00e4tten, sondern so, dass im Apper-cipiren reproductive Elemente mitwirken zum Zustandekommen einer subjectiv mitbedingten Vorstellung. Tachistoskopische Versuche lehren, dass es zum Zustandekommen einer Wortvorstellung durchaus nicht\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nGr. Cordes.\nnothwendig ist, dass s\u00e4mmtliche Bestandtheile des Schriftbildes gesehen werden, dass vielmehr h\u00e4ufig mehr gesehen wird, als wirklich zu sehen war. Aehnlicherweise wird hei Associationsversuchen h\u00e4ufig beim Anblick eines Wortes unmittelbar eine Vorstellung ausgel\u00f6st, die durchaus subjectiv gef\u00e4rbt ist, d. h. Elemente enth\u00e4lt, die sich nicht aus dem vom Experimentator gegebenen Reiz erkl\u00e4ren lassen, sondern nur aus der Eigenart des G-esammtcomplexes der Vorstellungsdispositionen der Vp. Es ist allm\u00e4hlich zum Gemeinplatz geworden, dass nicht zwei Personen ein und dasselbe Bild gleich sehen; der Eindruck, den ein so hoch complicirtes Gebilde, wie es ein Wort ist, auf verschiedene Menschen macht, hat noch weit gr\u00f6\u00dferen Spielraum. \u2014\nIn anderen F\u00e4llen f\u00fchrte der Apperceptionsprocess \u00fcberhaupt nicht oder erst nach Eintritt eines anderen Ph\u00e4nomens zur Auffassung des Wortsinns. Selbstverst\u00e4ndlich war das erstere stets der Fall, wenn sinnlose Silben als Reize benutzt wurden. Aber auch sonst waren F\u00e4lle nicht selten, in denen nicht die Vorstellung des durch das Reizwort symbolisirten Vorstellungsinhalts das erste auf das Sichtbarwerden der Karte eintretende, zum Anfangsgliede etwaiger Association taugliche psychische Erlebniss war. Die F\u00e4lle der Art lassen sich in zwei Hauptgruppen sondern:\n\u00df. In der einen bleibt die Aufmerksamkeit am Schriftbilde haften. Die Wahrnehmung des Schriftbildes oder eines seiner Theile erf\u00fcllt f\u00fcr einen Augenblick das Bewusstsein so vollst\u00e4ndig, dass alles Weitere sich der Selbstbeobachtung der Vp als sp\u00e4teres Geschehniss gibt. Es f\u00e4llt etwa der charakteristische Ductus des Schriftwortes oder eines seiner Buchstaben auf, oder in der Wahrnehmung macht sich ein \u00e4sthetisches Lust- oder Unlustgef\u00fchl merklich und zieht die Aufmerksamkeit auf seinen \u00bbGegenstand\u00ab. Der weitere Verlauf war dann entweder eine, als solche merkliche, Wiederaufnahme der Wort-apperception oder aber eine rein durch das optische Bild des Schriftwortes bedingte Association, die dann die Vp so besch\u00e4ftigte, dass das Wort selbst entweder gar nicht in den Blickpunkt des Bewusstseins trat oder aber erst geraume Zeit nach Vollzug der Association.\n\u00df'. Verwandt sind diejenigen F\u00e4lle, in denen ein erster Eindruck des Gesammthildes des weder in seiner Totalit\u00e4t noch in einzelnen Theilen klar appercipirten Reizwortes eine Vorstellung herauff\u00fchrte,","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\n37\ndie von der Yp. nicht als Wortsinn angenommen wurde, vielmehr den Apperceptionsprocess durchbrach. Nicht handelt es sich in diesen F\u00e4llen um vollzogenes \u00bbVerlesen\u00ab; denn die Yp\u2019en referirten, dass sie noch in der Tendenz zu lesen gewesen waren, w\u00e4hrend die ganz spontane Zwischenvorstellung einfiel.\ny. In der anderen der beiden Hauptgruppen, in denen nicht der Wortsinn des Reizes sofort zum Bewusstsein kommt, f\u00fchrt der Lese-process die entsprechende Wortvorstellung herbei. Die n\u00e4here Bestimmung solcher Wortvorstellung als ersten Gliedes einer durch das Reizwort heraufgef\u00fchrten Association begegnete oft Schwierigkeiten. Im allgemeinen suchte ich die Yp\u2019en durch meine Fragen zu der alten Scheidung zu veranlassen: Wort als Lautvorstellung (ak.), Wort als Gesichtsvorstellung (opt. oder vis.) und in der Sprachmuskulatur innervirtes Wort (mot.). Es kamen thats\u00e4chlich auch Wortvorstellungen vor, die ganz ausgepr\u00e4gt einem dieser Typen angeh\u00f6rten; F\u00e4lle, in denen die Vp erkl\u00e4rte, neben dem Worte tier Karte oder sonst wo das gedruckte Reizwort in einer bestimmten Handschrift oder das geschriebene in Antiq\u00fcldruck gesehen zu haben; F\u00e4lle, in denen das Reizwort geh\u00f6rt wurde, mehrere Male in der Klangfarbe einer bestimmten Person \u2014 aber diese rein akustischen bezw. optischen Wortvorstellungen fanden sich nur als zweites Glied eines associati-ven Verlaufs. Dagegen kam als erstes Ph\u00e4nomen bei Anblick des Reizwortes dies Wort h\u00e4ufig als innervirtes zum Bewusstsein \u2014 oft wurde gewiss beim Lesen wirklich articulirt \u2014- oder aber als akustischmotorisches oder \u2014 wie zwei Yp\u2019en behaupteten \u2014 als akustiscL-motorisch-visuelles. In andern F\u00e4llen konnten die Yp\u2019en nur angeben, das Wort sei als Wort im Bewusstsein gewesen unter Ablehnung jeder n\u00e4heren Bestimmung. \u2014 Eine zweite Schwierigkeit, die sich bei Erhebung der F\u00e4lle dieser Gruppe geltend macht, ist die, dass die Yp im Referat sehr oft nicht mehr constatiren kann, ob die Wortvorstellung wirklich sofort bei Anblick des Reizwortes da war, oder ob sie sich erst der Wahrnehmung des Wortes associirte. Es scheint mir, dass zwischen diesen beiden Typen noch der dritte liegt, dass die Wortvorstellung in der Weise des ersten Typus sich glatt bildete, dann aber f\u00fcr kurze Zeit von minderer Klarheit und Deutlichkeit war, um dann noch einmal in intensiver Klarheit und Deutlichkeit in den Blickpunkt des Bewusstseins zu treten. Man wird daf\u00fcr","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nGr. Cordes.\nnicht die \u00fcblichen Schwankungen der Aufmerksamkeit verantwortlich machen, denn die Zeiten, um die es sich hier handelt, sind \u00e4u\u00dferst klein. Vielmehr scheint es mir auf Grund der Beobachtung vergleichbarer Schwankungen associirter Vorstellungen, dass reproductive Elemente, die bei der Apperception wach geworden und doch nicht stark genug sind, den Vorstellungsverlauf zu formen, f\u00fcr einen Moment die Klarheit und Deutlicheit des appercipirten Wortes tr\u00fcben. Da nun heim zweiten maximalen Deutlichwerden der Wortvorstellung andere Elemente der Wortvorstellung in den Vordergrund treten k\u00f6nnen als das erste Mal, so begreift sich leicht das Schwanken seihst bester Beobachter, oh das zu zweit auftauchende Wort asso-c\u00fcrt sei oder nicht. Ist der Typus mit Obigem richtig charakterisirt, so wird man ihn als Specialfall des ersten Typus zu fassen haben, also unserer Gruppe der ersten Ph\u00e4nomene zuzuz\u00e4hlen haben. F\u00e4lle dieser Gruppe sind in meinen Protokollen sehr h\u00e4ufig. Zwar waren sie selten, wenn das Reizwort ein concretes Object bezeichnete. (Dann wurde gew\u00f6hnlich in Gruppe \u00ab appercipirt.) H\u00e4ufig waren sie bei Verben und Abstractis als Reizwort; am h\u00e4ufigsten aber traten sie ein, wenn das Reizwort eine sinnlose Silbe war. Dass diese F\u00e4lle f\u00fcr die Beobachtung so sehr oft nicht durchsichtig waren, wurde hei den sinnvollen Reizworten oft als \u00e4u\u00dferst bedauerlich empfunden. In den Versuchen mit sinnlosen Silben gen\u00fcgte dagegen dem Experimentator f\u00fcr seinen Zweck gew\u00f6hnlich das negative Associations-ergehniss.\n8. Wieder eine andere Gruppe kam zur Beobachtung vorzugsweise bei sinnlosen Silben als Reizworten: unmittelbare Erg\u00e4nzung oder anderweitige dem Schriftbild nicht ganz entsprechende Auffassung, ohne dass die Vp zugestehen wollte, dass sie sich verlesen habe ; F\u00e4lle, in denen die Vp vielmehr mit Entschiedenheit behauptete, dass das gelesene Wort sich sofort gebildet, obwohl sie gewusst habe, dass nicht dieses Wort auf der Karte stehe. Auch hier ist in der Beobachtung zu h\u00e4ufig die Grenze zwischen Apperception und nachfolgender Association schwer zu ziehen. Aber in vielen F\u00e4llen war die Beobachtung, dass z. B. das sinnlose Wort sofort zu einem sinnvollen erg\u00e4nzt sei und dabei selbst vollkommen im Hintergr\u00fcnde des Bewusstseins gestanden habe, so weit ich sehe, unanfechtbar. Der Reiz kam in seiner Eigenart in solchen F\u00e4llen gar nicht zum Bewusstsein, sondern","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\n39\nwurde eben nur als Eeiz zur Bildung eines bekannten Wortes genommen. Zu einem Theile wenigstens wird man zur Erkl\u00e4rung dieser F\u00e4lle die Thatsache in Anspruch nehmen d\u00fcrfen, dass der auf h\u00e4ufig gesprochene Worte einge\u00fchte Articulationsmechanismus mit einer gewissen Selbst\u00e4ndigkeit, wenn auch nur in kaum merklicher Innervation, ein durch seine erste Silbe begonnenes Wort ablaufen l\u00e4sst, trotz der Intention der Yp nur zu lesen, was dort steht. H\u00e4ufig ist ja solche Erg\u00e4nzung in der Association; aber hier handelt es sich um F\u00e4lle, wo nicht die geschriebene Silbe zuerst zum Bewusstsein kommt, sondern das erg\u00e4nzte Wort. Von den unter \u00df' erw\u00e4hnten F\u00e4llen unterscheiden sich die uns hier besch\u00e4ftigenden dadurch, dass das erg\u00e4nzte Wort nicht den nach seinem momentanen Aufleuchten fortlaufenden Apperceptionsprocess durchbrach, sondern als die psychische Action, die der Reiz anregen sollte, genommen wurde. (Vermuthlich war der Eintritt der Wortvorstellung also von dem charakteristischen L\u00f6sungsgef\u00fchl begleitet, das sonst die Vollendung der Apperception zum Bewusstsein bringt; in meinen Protokollen finde ich allerdings eine diesbez\u00fcgliche Bemerkung nicht.) Vom \u00bbVerlesen\u00ab aber unterscheiden sich unsere F\u00e4lle dadurch, dass beim Verlesen die Vp erst nachtr\u00e4glich oder \u00fcberhaupt nicht inne wird, dass das Reizwort anders laute, w\u00e4hrend hier das Reizwort gen\u00fcgend deutlich appercipirt wird, um der Vp das Gef\u00fchl daf\u00fcr zu erwecken, dass sie etwas anderes gelesen habe, als was da stehe. Es mag leicht scheinen, als seien hier \u00fcberscharfe Scheidungen versucht. Aber sie sind nicht gemacht aus Freude an Distinctionen, sondern weil die Angaben vornehmlich von zwei Vp\u2019en entschieden dazu n\u00f6thigten. Die M\u00f6glichkeit, dass ich mit dem Gesagten die wirklichen Differenzen nicht ganz scharf fasste, gestehe ich selbstverst\u00e4ndlich zu.\nDamit h\u00e4tten wir schon eine ganze Reihe differenter Typen des durch das Reizwort unmittelbar angeregten Ph\u00e4nomens unter einfachsten Versuchsverh\u00e4ltnissen. Es ist selbstverst\u00e4ndlich, dass nicht alle Apperceptionen im Experiment sich rein in diesen Typen bewegen. Abgesehen von den vielen F\u00e4llen, wo die Vp hernach sich nicht mehr sicher erinnern konnte, wie das Reizwort aufgefasst sei, abgesehen auch von den vielen F\u00e4llen, wo sich die Grenze zwischen Assimilationserg\u00e4nzung und nachfolgender Association nicht mehr scharf ziehen lie\u00df, fanden sich oft F\u00e4lle, in denen nach dem Referat der Vp","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nG. Cordes.\noffenbar Oombinationen oder Uebergangsformen zwischen den verschiedenen Typen vorliegen.\nComplicirter wird nun noch der Auffassungsakt, schwieriger oft seine Beschreibung im nachfolgenden Referate, wenn statt des Reizwortes auf wei\u00dfer Karte ein solches auf farbiger Karte oder auf einer mit mehr oder weniger auff\u00e4lligen Zeichen versehenen Karte gegeben wird ; oder wenn zugleich mit dem optischen Reiz ein akustischer oder sonstiger Sinnesreiz erfolgt. In diesen F\u00e4llen \u2014 sie bilden ja in Versuchen, in denen mittelbare Associationen erzielt werden sollen, das Gros der Reize \u2014 wird man sich sehr oft mit negativen Feststellungen begn\u00fcgen m\u00fcssen, mit der Oonstatirung, dass der \u00bbNebenreiz\u00ab nicht zum Bewusstsein gekommen sei oder doch die Auffassung des Reizwortes nicht gest\u00f6rt habe u. s. w. \u2014 F\u00fcr die F\u00e4lle, in denen Reizwort und Nebenreiz klar zum Bewusstsein kam, ist zu bemerken, dass solches gew\u00f6hnlich successiv, manchmal auch altemirend geschah, in andern F\u00e4llen aber nach Angabe der Vp\u2019en simultan. In weitaus den meisten F\u00e4llen stand das zu appercipirende Reizwort durchaus im Vordergr\u00fcnde des Bewusstseins.\nBei solchen Karten nun, die das Reizwort in farbiger Schrift oder umrahmt von einer Zeichnung oder bei sonst auff\u00e4lligem Aussehen der Karte brachten, kam deutlich noch ein Typus erster Eindr\u00fccke eines optischen Reizes zur Beobachtung, dessen charakteristisches Moment auch bei andern Associationsverl\u00e4ufen mitwirkte:\ns. Ausl\u00f6sung eines Gef\u00fchls als ersten Ph\u00e4nomens. Der Anblick einer mit rother Tinte beschriebenen Karte erregte, ehe das Reizwort appercipirt war, ein Gef\u00fchl des \u00bbUnheimlichen\u00ab, des \u00bbhart Unangenehmen\u00ab, eine Karte, auf der das Reizwort in einem gleichschenkligen Dreieck, zu dessen Basis zwei Parallelen gezogen waren, stand, machte einen ausgepr\u00e4gt feierlichen Eindruck; eine Karte, auf der nur der Buchstabe m stand (w\u00e4hrend die voraufgegangenen Reize durch l\u00e4ngere W\u00f6rter gebildet waren), erweckte deutlich das Gef\u00fchl der Verlassenheit, Einsamkeit. In all diesen F\u00e4llen entsprach die Association dem Gef\u00fchl. Ist das nicht der Fall, macht nicht eine auff\u00e4llige Association auf die bei Anblick der Reizkarte eingetretene Gef\u00fchlslage aufmerksam, so wird der wahre Sachverhalt leicht der Beobachtung der Vp entgehen. Es wird dann das Gef\u00fchl, das thats\u00e4chlich f\u00fcr sich erster Bewusstseinsvorgang war, leicht, zumal bei sehr schnell","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\n41\nfolgender Association einer Vorstellung, irrth\u00fcmlich als Gef\u00fchlsbetonung eben dieser Vorstellung, als erst mit dieser Vorstellung ins Bewusstsein gekommen aufgefasst, oder aber es kann \u00fcber den Eintritt einer associirten lebhaften Vorstellung \u00fcberhaupt vergessen werden. Es ist mir wahrscheinlich, dass die F\u00e4lle dieser Gruppe h\u00e4ufiger waren als ihre scharfe Beobachtung.\nr. Theoretisch wird man endlich diesem Typus nahe verwandt die wenigen F\u00e4lle finden, in denen das Reizwort als Aufforderung oder Befehl aufgenommen wurde. Nur dass sich hier die Gef\u00fchle, die sich als motivationsf\u00e4hig erwiesen, nicht an den Anblick der Karte schlossen, sondern dass erst das gelesene Wort als Befehlswort zum Bewusstsein kam. Ich betone, dass es sich hier nicht um F\u00e4lle handelt, in denen nach der Apperception des Wortes der Gedanke kam, es bedeute das Wort eine Aufforderung, sondern um F\u00e4lle, in denen eher als jede Vorstellungsassociation eine Bewegung oder Innervation erfolgte, die die Vp dann gerade aufmerksam machte auf jene Gef\u00fchlsbestandtheile des Apperceptionsprocesses. \u2014\nEs wurde schon erw\u00e4hnt, dass sich nicht alle meine Versuche den aufgestellten Gruppen einordnen lassen, dass vielmehr Oomhinationen und Uebergangsformen sehr h\u00e4ufig sind (so z. B. Oomhinationen von a und s: gef\u00fchlsbetonte Vorstellungen und mit undeutlichen Vorstellungen durchsetzte Gef\u00fchlsverl\u00e4ufe als erste Ph\u00e4nomene), und dass in sehr vielen F\u00e4llen die Artung dieses ersten Ph\u00e4nomens nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte. Die vorstehende Gruppirung ist angestellt aus zwei Gr\u00fcnden. Einerseits um die Behauptung zu belegen, dass zur Feststellung des ersten Gliedes in Versuchs-Associationen durchaus nicht die Kenntniss des Reizwortes gen\u00fcgt, und um den Blick f\u00fcr die Beobachtung dieses ersten Ph\u00e4nomens zu sch\u00e4rfen; anderseits um eben \u00fcber die von mir beobachteten Typen zu referiren. Ich erwarte, dass bei Fortsetzung der Versuche noch andere Typen zur Erscheinung kommen werden, hezw. dass innerhalb der gegebenen Typen sich noch weitere Scheidungen werden vollziehen lassen. F\u00fcr unm\u00f6glich erachte ich es, dass man je mit einem solchen Typen-Schema alle wirklich vorkommenden ersten Ph\u00e4nomene in der Art wird umspannen k\u00f6nnen, dass eine einfache Bezifferung zur Kennzeichnung jedes m\u00f6glichen ersten Eindrucks des Reizes m\u00f6glich sein w\u00fcrde. Zur Begr\u00fcndung weise ich nur darauf hin, dass z. B. in","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nG. Cordes.\nGruppe a, also in den F\u00e4llen, wo eine Vorstellung des durch das Reizwort gekennzeichneten Vorstellungsinhalts zum ersten Associations-gliede wird, diese Vorstellung je nach den vorherrschenden subjectiv bedingten Vorstellungselementen, nach der Fixirung ihrer Theile durch die Aufmerksamkeit und nach der Gef\u00fchlsbetonung, in einer unersch\u00f6pflichen Menge von Variet\u00e4ten sich bewegen kann.\nAbweisen m\u00f6chte ich endlich die Folgerung, die man vielleicht aus der Thatsache, dass bei meinen Versuchen der Kreis der Reiz-auffassungs-M\u00f6glichkeiten ein unbeschr\u00e4nkt gro\u00dfer war und dass die Feststellung des thats\u00e4chlich eingetretenen Ph\u00e4nomens oft gro\u00dfen,, manchmal un\u00fcberwindbaren Schwierigkeiten begegnete, ziehen k\u00f6nnte, dass n\u00e4mlich die Verwendung optischer Reize unpraktisch sei. Es w\u00fcrden sonst f\u00fcr Versuche in gr\u00f6\u00dferem Umfange nur noch akustische Reizw\u00f6rter in Frage kommen. Ich habe mit diesen Reizen nicht oft genug gearbeitet, um \u00fcber ihre Brauchbarkeit gleich sicher urtheilen zu k\u00f6nnen, wie \u00fcber die von mir gew\u00f6hnlich benutzten optischen. Immerhin hin ich geneigt, die Versuchsbedingungen in der beschriebenen Anordnung f\u00fcr weit g\u00fcnstiger zu halten, als etwa die von Aschaffenburg und Ziehen, die als Reiz vom Experimentator zugerufene W\u00f6rter benutzten. Ich urtheile so auf Grund von ein paar hundert (au\u00dferhalb des Instituts gemachten) Versuchen mit akustischen Reizen, auf Grund der Selbstbeobachtung und in Ansehung der citirten Arbeiten. Die Vorz\u00fcge der von mir angewandten Versuchsanordnung sehe ich vornehmlich in Folgendem.\nDie Vp sitzt im Dunkeln ; die pl\u00f6tzlich aufleuchtende Karte zwingt die Aufmerksamkeit, die schon durch das Signal auf den zu erwartenden Eindruck so gespannt ist, dass der nachfolgenden Selbstbeobachtung das Bewusstsein gew\u00f6hnlich geradezu \u00bbleer\u00ab erschien, zu maximaler Spannung. So macht das Reizwort gew\u00f6hnlich einen Eindruck von gro\u00dfer Lebhaftigkeit. \u00bbEs prellt f\u00f6rmlich ins Bewusstsein\u00ab. Gewiss ist der Grad der Lebhaftigkeit dieses Eindrucks hei verschiedenen Vp\u2019en verschieden. Aber ich glaube, dass er bei weitaus der Mehrzahl st\u00e4rker sein wird, als der akustischer ReizwoAe. Damit sind aber g\u00fcnstigste Verh\u00e4ltnisse f\u00fcr Bildung einer klaren und deutlichen Vorstellung, wie sie ja g\u00fcnstigstes Ph\u00e4nomen hei der Untersuchung von Associationsverh\u00e4ltnissen ist, gegeben.\nZweitens glaube ich, dass sich an das gesehene einzelne Wort","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\t43\nleichter Vorstellungen spontan associiren, als an das geh\u00f6rte. Ein isolirtes Druckwort begegnet uns oft im gew\u00f6hnlichen Leben, etwa als Ueberschrift, Inschrift, auf Schildern und Etiketten u. s. w. Und wir sind gew\u00f6hnt dann zu associiren. Ein einzelnes Wort aus der Stille ert\u00f6nen zu h\u00f6ren, ist uns ungewohnt.\nFerner ist bei gedruckten W\u00f6rtern leichter die Constanz des Sinneseindrucks zu erzielen, als bei gesprochenen, bei denen Tonf\u00e4rbung und Schallst\u00e4rke leicht Schwankungen ausgesetzt sind. Zudem k\u00f6nnen nachtr\u00e4gliche, den Reiz betreffende Feststellungen \u2014 die h\u00e4ufig werthvoll sind \u2014 bei den Kartenworten jederzeit gemacht werden, w\u00e4hrend das gesprochene Wort sofort verweht.\nEndlich lassen sich \u2014 was f\u00fcr Versuche zur Erzielung von mittelbaren Associationen von Wichtigkeit ist \u2014 dem gedruckten Worte leichter unauff\u00e4llige Zeichen beif\u00fcgen, als dem gesprochenen.\nAus all diesen Gr\u00fcnden scheint mir die Methode, optische Reize zur Einleitung von Associationsverl\u00e4ufen zu benutzen, die relativ beste. Und thats\u00e4chlich lassen sich mit ihr bei Vorsicht und einiger Ausdauer beobachtbare Associationen in einem ziemlich hohen Procentsatz der Reize erzielen.\nB. Das zweite Glied in Versuchs-Associationen.\nSo wenig wie das auf die Reizung eintretende Ph\u00e4nomen (das ich im Folgenden A-Ph\u00e4nomen nennen werde) jedenfalls eine Vorstellung oder gar eine durch das Reizwort eindeutig bestimmte Vorstellung ist, ist das associirte Ph\u00e4nomen (B-Ph\u00e4nomen) stets eine durch ein Wort, das m\u00f6glichst schnell auszusprechen die Vp in den \u00e4lteren Versuchen angewiesen- wurde, eindeutig bestimmte Vorstellung \u2014 geschweige denn dieses Wort selbst.\na. Es gibt allerdings Associationen, wo thats\u00e4chlich Worte, nichts als Worte, associirt werden. So die sog. Klangassociationen. Wenn die Vp beim Anblick der Silbe \u00bb\u00e4h\u00ab rein spontan \u00bbb\u00e4h\u00ab sagt und mit vollster Bestimmtheit erkl\u00e4rt, sich weiter nichts dabei gedacht zu haben, so wird der Experimentator nichts anderes thun k\u00f6nnen, als eine Wort(Klang)association zu verzeichnen. Manche Vp\u2019en sind zu solchen Associationen besonders bereit. In den Versuchen kommt solche Veranlagung so lange unverh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig stark zur Geltung, als in der Vp die Meinung lebendig ist, es sei durchaus n\u00f6thig auf","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nG. Cordes.\nden Heiz irgend etwas zu sagen. Selbstverst\u00e4ndlich darf man der Vp solche Klangassociationen nicht verbieten oder sie ihr durch ironische Behandlung zu verleiden suchen. Aber durch planm\u00e4\u00dfige Anordnung, von Reizw\u00f6rtern aus Gebieten, die der Vp interessant sind, durch eingeschobene Bilder u. dgl. kann man jene unfruchtbare Neigung zur\u00fcckd\u00e4mmen. Unter meinen Versuchspersonen war nur eine, die ausgepr\u00e4gt zu Klang- und \u00e4hnlichen Wortassociationen neigte, aber der Procentsatz dieser Associationen nahm schnell stark ab1). Auf die Summe aller beobachteten Associationen gerechnet bildeten einfache Klangassociationen einen ganz geringen Bruchtheil.\nHandelt es sich bei den Klangassociationen um Reproduction von W\u00f6rtern, die durch den Gleichklang nahe gelegt und durch die Tendenz etwas zu sagen hervorgetrieben werden, so sind andere (ebenfalls reine) Wortassociationen da zu finden, wo im Sprachgebrauch mit, dem Reizworte h\u00e4ufig verbundene Worte sich auf dr\u00e4ngen, ohne dass ihr Vorstellungsinhalt f\u00fcr die Vp merklich im Bewusstsein w\u00e4re. Hierher geh\u00f6ren Worterg\u00e4nzungen, in denen das Erg\u00e4nzungsglied sich an das f\u00fcr sich appercipirte Reizwort (im Unterschied zu A3) anschlie\u00dft, und Erg\u00e4nzungen zu gel\u00e4ufigen Phrasen oder sonstigen oft geh\u00f6rten oder gesprochenen Wortverbindungen2). Die Zugeh\u00f6rigkeit einer Association zu dieser Gruppe ist festgestellt dann, wenn der Vp erst nachtr\u00e4glich die Bedeutung der Wortverbindung einf\u00e4llt3).\n1} In der ersten Versuchsstunde (\u2014|-) lieferte die Vp (IV) auf 26 Wortreize 17 Wortassociationen, darunter 18 mehr oder weniger sinnlose Reimw\u00f6rter ;\nin der zweiten Versuchsstunde (Df) auf\n15 Wortreize 10 Wortassociationen, darunter 6 Reimw\u00f6rter.\nVon da ab nahmen die Wortassociationen schnell ah, wenngleich sie immer noch h\u00e4ufiger blieben als bei den andern Vp\u2019en. \u2014 [Auch in den folgenden Protokollausz\u00fcgen bezeichnet die lat. Ziffer die Vp; bei der \u00fcblichen Datumbezeichnung ist das Jahr 1900 zu erg\u00e4nzen, wenn hinter dem wagerechten Strich ein Punkt steht, andernfalls 1899. Bemerkungen des Experimentators stehen in eckiger Klammer.]\n2)\tII\tlaut \u2014 Lautirung\nIV\tvery \u2014 much\nIII \u2014. ach \u2014 wie ist\u2019s m\u00f6glich dann \u2014\n3)\tDas folgende Beispiel einer Wortassociation, die bereits im Uebergange zur Association eines Vorstellungs-Complexes (Be) steht, ist auch deswegen interessant, weil in ihm alle psychischen Thatsachen, die sich zu einer Wortvorstellung compliciren k\u00f6nnen, hervortreten:","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\t45\n\u00df. H\u00e4ufiger sind die F\u00e4lle, in denen eine Vorstellung associirt \u2022wird. Im g\u00fcnstigsten Falle ist es eine bildartige, scharf umrissene Phantasie- oder Erinnerungsvorstellung. Diese Associationen waren viel h\u00e4ufiger als ich erwartete, wenngleich bei verschiedenen Vp\u2019en in sehr verschiedenem Procentsatz zur Gesammtsumme vertreten* * * 4). Ueber die Klarheit und Deutlichkeit der \u00bbBilder\u00ab waren die Vp\u2019en in auff\u00e4llig vielen F\u00e4llen immer wieder ganz erstaunt. Ich glaube, die Versuchsanordnung, nach der die Vp in der Pause und w\u00e4hrend des Referats nichts zu sehen hatte, so dass der Reiz fast immer sehr gern angenommen wurde, erkl\u00e4rt zum Theil die Lebhaftigkeit dieser optischen Vorstellungen. Sie erfolgten \u00fcbrigens nach Anblick von Zeichnungen und Bildern eben so gut, wie nach Wortreizen. Aus den bez\u00fcglich solcher Vorstellungen gemachten Angaben hebe ich folgende heraus, dabei bemerkend, dass ich nur solche Angaben citire, die mit voller Sicherheit gemacht wurden und die auch mir nicht den in solchen Dingen ja nicht ganz fern liegenden Verdacht der Selbstt\u00e4uschung erweckten.\nDie Vorstellungen (Bilder) kamen v\u00f6llig spontan; oft wurde erst sp\u00e4ter klar, in welcher Beziehung sie zur Wahrnehmung standen.\nIV 11 Analytik \u2014 transcendental. Ich hatte das Wort akustisch-motorisch;\nzugleich sah ich es in stenographischer Schrift in meinem Collegheft. Meine Finger malten es, wenn ich mich nicht unglaublich irre: sofort, mit. [Um die Bedeutung der W\u00f6rter\nhat Vp sich weiter nicht gek\u00fcmmert.]\n4) Bei derjenigen Vp (II), hei der sie am h\u00e4ufigsten waren, und die sich selbst als \u00bbausgepr\u00e4gt visuell veranlagt\u00ab bezeichnete, fanden sich in 13 Stunden unter 346 Associationen 263 \u00bbBilder\u00ab (= 76%), wobei allerdings die F\u00e4lle mitgez\u00e4hlt sind, in denen die optische Vorstellung sich erst an das zweite (bewusste) Associationsglied unmittelbar anschloss. \u2014 Als ein reiches Beispiel solcher Bilderassociation f\u00fchre ich einen Fall dieser Vp an:\nII 1\u00ae. das Meer \u2014 Apperception nahm lange Zeit in Anspruch, das Schriftbild war deutlicher als sonst gew\u00f6hnlich. Zugleich das Klangbild \u00bb das Meer \u00ab [Er. V.] das Meer vom Ostseestrande aus. Dann bekam das Bild f\u00f6rmlich einen Rahmen und es wurde zu einem \u00e4hnlichen [Er. V.] Gem\u00e4lde (von Ludwig v. Hoffmann). Nur Wasser und Sonne. Stilisirter Rahmen mit Beethovens Kopf. (Hei\u00dft es vielleicht \u00bbAdagio\u00ab?) Die Beleuchtung ver\u00e4nderte sich, w\u00e4hrend das Bild den Rahmen bekam und sich zusammendr\u00e4ngte. Dann Klangbild: [ak.W.] Elisabeth. (Erst jetzt \u2014 [w\u00e4hrend des Referirens] wird klar dass die Kaiserin Elisabeth das Gem\u00e4lde gekauft hat.)","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nGr. Cordes.\nOft wurden sie wie in natura gesehen, manchmal wie in Abbildungen. Manchmal farbig in ihrer nat\u00fcrlichen, bezw. in einer zu dem Phantasiebilde wohl passenden P\u00e4rbung; oft gr\u00f6\u00dfer als der Wirklichkeit entsprechen w\u00fcrde. Gew\u00f6hnlich waren sie pl\u00f6tzlich da, manchmal kamen sie von der Seite, bildeten sich allm\u00e4hlich oder wurden in das Reizwort bezw. das Reizbild hineingesehen. Nicht selten ging ein Bild in ein anderes \u00fcber; in andern F\u00e4llen trat ein anderes unvermittelt an die Stelle des ersten. Nicht selten kam die Bedeutung erst nachtr\u00e4glich zum Bewusstsein. \u2014 W\u00e4hrend in einzelnen F\u00e4llen die Wahrnehmung das Bewusstsein so ausf\u00fcllte, dass eine Association nur langsam, schwerf\u00e4llig oder, wie es schien, \u00fcberhaupt nicht erfolgte, war in andern F\u00e4llen eine associirte Vorstellung bei weitem lebhafter als die voraufgegangene Wahrnehmung; eine Vp meinte, vornehmlich bei Reizbildern, die zum zweiten Male gezeigt w\u00fcrden, werde das Bild oft kaum noch als etwas f\u00fcr sich wahrzunehmendes, sondern einfach als Reiz zur Associationsvorstellung genommen.\n\u00df'. Ziemlich h\u00e4ufig eignete der associirten Vorstellung sofort eine mehr oder weniger lebhafte Gef\u00fchlsbetonung; in andern F\u00e4llen schien es der Vp, als werde ein Gef\u00fchl erst durch diese Vorstellung erweckt, folge ihr nach; in seltenen F\u00e4llen wurde beobachtet, dass der associirten Vorstellung das ihr verkn\u00fcpfte Gef\u00fchl vorauf ging. Vielleicht waren F\u00e4lle dieser letzten Art h\u00e4ufiger als die Vp\u2019en angeben konnten. Folgt die associirte Vorstellung n\u00e4mlich sehr schnell dem A-Ph\u00e4-nomen, so wird ein solcher Verlauf nur dann richtig beobachtet werden, wenn das Gef\u00fchl dem A-Ph\u00e4nomen schlechterdings nicht zugeh\u00f6ren kann. Sonst wird man, falls nicht etwa die zeitliche Succession des Eintritts der Ph\u00e4nomene auff\u00e4llig war, stets geneigt sein, das Gef\u00fchl als durch das Reizwort angeregte Vermittlung der Association zu nehmen, eine Vermittlung, die meiner Erfahrung nach thats\u00e4chlich sehr h\u00e4ufig ist5).\n5) Ich stelle 6 Referate nebeneinander, in denen von Gef\u00fchlen als Bestand-theilen associativer Processe berichtet wird. In den beiden ersten F\u00e4llen war das Gef\u00fchl Bestandtheil des A-Ph\u00e4nomens \u2014 das eine Mal unmittelbar durch den Anblick der Karte ausgel\u00f6st, das andere Mal Gef\u00fchlsbetonung des appercipirten \"Wortsinns. In den beiden folgenden F\u00e4llen war es selbst B-Ph\u00e4nomen; und zwar f\u00fchrte es im dritten Falle noch zu einer weiteren (Wortbenennungs-) Association, w\u00e4hrend im vierten Fall sich eine Vorstellung als zweites B-Ph\u00e4nomen dem A-Ph. associirte. In den beiden letzten F\u00e4llen ist es Gef\u00fchlsbetonung einer als B-Ph\u00e4-","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\n47\np\". Hin die associirte Vorstellung cliarakterisircndes Wort kann entweder nach derselben zum Bewusstsein kommen, dann haben wir einfache dreigliedrige Association \u2014, oder aber die Vorstellung begleitend, mit ihr einen Complex bildend, \u2014 ein Specialfall unseres Typus, denn ob sich bei Association einer lebhaften Vorstellung auch ein Wort bildet, das sie oder einen ihrer Theile bezeichnet, erscheint von secund\u00e4rer Bedeutung. Ich betone, dass als Association auch hier nur rein spontane Vorg\u00e4nge angenommen wurden, dass also diejenigen F\u00e4lle, in denen die Vp sich auf die Bedeutung oder die Benennung einer spontan aufgestiegenen Vorstellung besann und so auf das Wort kam, nicht dieser Gruppe der B-Ph\u00e4nomene beigez\u00e4hlt wurden. \u2014 Die H\u00e4ufigkeit, in der eine associirte Vorstellung ihr Kennwort mit sich f\u00fchrte, war bei den verschiedenen Vp\u2019en sehr verschieden. Bei einer Vp kam es in der Mehrzahl der F\u00e4lle nicht; eine andere Vp betonte, dass es fast stets, wenn es komme, ganz im\nnomen associirten Vorstellung, und zwar kam es im f\u00fcnften Falle vor seiner Vorstellung zum Bewusstsein, im sechsten mit derselben gleichzeitig.\nm\n3 0 6 '\nIII\nII\nCausalit\u00e4t\nfreit blol\nich bin allein auf weiter Flur. (Die Association ist gef\u00fchlsm\u00e4\u00dfig bewirkt. Beim Anblick der Karte hatte ich das Gef\u00fchl der Verlassenheit, doch nicht gerade unangenehm. Die Association kam dann schnell. V\u00f6llig spontan.)\nbei der Apperception sehr energische Gef\u00fchlsstimmung. Wie bei einer Behauptung. Dann erst (V.) die erste Seite des Hume\u2019schen Tractat.\nlebhaft unangenehmes Gef\u00fchl, einem dummen Worte gegen\u00fcber zu stehen. Dann kam (W.) frozzeln [s\u00fcddeutscher Ausdruck f\u00fcr necken, \u00e4rgern.] sehr angenehmes Gef\u00fchl; f\u00fchlte mich zu Hause auf dem Gebiete. Dann Erinnerung an einen bestimmten psycho-pathologischen Fall.\n[Vp ist Psychiater. Die voraufgegangenen .Reizw\u00f6rter hatten ihn weniger interessirt.]\nI -|- Urtheil \u2014 sehr angenehmer Gef\u00fchlseindruck, dann der Gedanke an die mir richtig erscheinende Urtheilstheorie. (War dann noch l\u00e4nger sehr befriedigt, das Gef\u00fchl geh\u00f6rte zu der U.-Theorie. Die Epochen des Verlaufs waren sehr scharf scheidbar.)\n(W. ak) Abgrund. Zugleich (Er. V.) schlechte Kabinett-photographie eines schauerlich s\u00fc\u00dflichen Gem\u00e4ldes \u00bbDer Schutzengel\u00ab (zwei Kinder an einem Abgrunde), dabei lebhaftes Unlustgef\u00fchl in Beziehung auf das Bild.\nY Angst\nh\u00ae Abgrund","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nG. Cordes.\nBlickfelde des Bewusstseins bleibe, w\u00e4hrend die Vorstellung im Blickpunkte stehe.\ny. Nicht selten war Doppelassociation, indem dem appercipirten Beizwort sich eine Vorstellung und ein nicht zu dieser Vorstellung, wohl aber zum Reizwort in Beziehung stehendes Wort associirtee). Wohl in der Mehrzahl dieser F\u00e4lle meinte die Vp, Wort und Vorstellung seien gleichzeitig im Bewusstsein gewesen \u2014 das Wort scheint dann fast stets akustisches Gepr\u00e4ge zu tragen; manchmal kam das Wort vor der Vorstellung, h\u00e4ufiger nach derselben.\n8. Unter A '\u00c7 wurden die F\u00e4lle erw\u00e4hnt, in denen das Reizwort als Befehl auf gefasst wurde. Folgte darauf \u2014 wie es nicht stets6 7), aber h\u00e4ufiger geschah \u2014 vor jeder anderweitigen Vorstellungsassociation eine Bewegung8), die als Reaction auf den appercipirten Befehl gelten musste, so liegt es theoretisch vielleicht nahe, als erstes\n6)\tII Filz \u2014 V brauner Filz, wie er bei Schallk\u00e4sten verwandt wird. Dabei das Wort\nW Verfilzen (von Prof. Lamprecht in Bezug auf Wechselbeziehung \u00f6konomischer Verh\u00e4ltnisse oft gebraucht.)\n7)\tI Ap\t[Vp hatte zuvor zweimal aus dem Gebiete der Aphasie\nassociirt; dann folgte:]\nweiter \u2014 aufgefasst als Aufforderung, auf ein anderes Gebiet \u00fcberzugehen. Ich suchte vergeblich. [NB. Nat\u00fcrlich w\u00e4re auch eine bei solchem \u00bbSuchen\u00ab etwa gefundene Vorstellung nicht als Association protokollirt.]\n8)\tII\tmotorisch \u2014 heftige Bewegung des rechten Arms\nV\tich sehe den Apparat zur Messung willk\u00fcrlicher Bewegungen in Nr. 5, gelb, gleich darauf\nV\tGesichtsbild des Dynamometer. (Ich arbeite w\u00f6chentlich zweimal als Vp in Versuchen \u00fcber den Einfluss von Gef\u00fchlen auf willk\u00fcrliche Bewegungen an den genannten Apparaten. Dabei wird oft \u00bbmotorische Eidstellung\u00ab f\u00fcr den Zeitpunkt des Bewegungseintritts kom-mandirt.)\nI \u2014I\u2014 h\u00f6ren \u2014 ich habe mit ungeheurer Vehemenz auf den Ton ge-\n(zugleich Tonreiz) h\u00f6rt, ganz anders als sonst. Ich glaube, ich richtete cf. S. 68\tauch die Augen nach der Richtung, aus der der Ton kam.\nV\tGesichtsbild des Nervus acusticus.\nAu\u00dferdem finde ich in den Protokollen nocfi drei Associationen, in denen ein \u00bbWollen\u00ab sich associirt. Zweimal ist es die Tendenz zu einer willk\u00fcrlichen Bewegung. Das dritte Mal reagirt die Vp auf das Reizwort \u00bbFlei\u00df\u00ab mit dem l\u00f6blichen Entschluss, sich nun aber auch allen Ernstes an eine l\u00e4ngst beabsichtigte Arbeit zu machen.","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\n49\nGeschehniss die Bewegungs vor Stellung zu vermuthen. Thats\u00e4chlich wurde eine solche an dieser Stelle nie beobachtet. Zwar tauchte eine Bewegungsvorstellung in der durch das Beizwort angeregten Geschehensfolge auf, aber erst dann, wenn die erfolgte Bewegung die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte ; sie war also nicht der Beizwahrnehmung associirt. Nun wird man kaum die Bewegung selbst als einen psycho-physischen Vorgang, von dem nur die physische Seite beobachtbar w\u00e4re, als associirtes Ph\u00e4nomen nehmen k\u00f6nnen. Keine Association zum A-Ph\u00e4nomen wird also da zu constatiren sein, wo alles weitere Geschehen sich an die Bewegungsvorstellung anschloss; als gest\u00f6rte Associationen dagegen glaube ich diejenigen F\u00e4lle bezeichnen zu d\u00fcrfen, in denen nach der Bewegung und eventuell nach der Wahrnehmung, bezw. der Erinnerungsvorstellung dieser Bewegung noch vom appercipirten Beizwort Vorstellungen angeregt wurden; Vorstellungen, die allerdings stets mehr oder weniger mitbestimmt sein werden durch die inzwischen erfolgte Bewegung. Diese F\u00e4lle sind mir deswegen wichtig, weil sie klare Typen f\u00fcr all die m\u00f6glichen, der Selbstbeobachtung aber sich wohl gew\u00f6hnlich entziehenden Associationsvorg\u00e4nge sind, in denen thats\u00e4chlich eine durch das Beizwort veranlasste leise Innervation unbemerkt auf die Gestaltung des zum Bewusstsein kommenden B-Ph\u00e4nomens Einfluss gewinnt. \u2022\ny'. So w\u00fcrden hierher, als mit dem charakteristischen Merkmal dieses Typus complicirt, auch \u2022 viele der gewiss sehr h\u00e4ufigen F\u00e4lle geh\u00f6ren, in denen das appercipirte Beizwort leise articulirt wurde, ohne dass die Vp sich der Thatsache hernach erinnerte. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass f\u00fcr die Association die erfolgte Innervation in vielen F\u00e4llen von Bedeutung ist. So haben z. B. Klang-Associationen und sonst Worte, die der durch die Innervation herbeigef\u00fchrten Lage des Articulationsmechanismus besonders g\u00fcnstig liegen, g\u00fcnstigere Chancen zur Beproduction, als wenn jene Innervation nicht erfolgt w\u00e4re.\n6. Verwandt sind diejenigen F\u00e4lle, in denen die Apperception des Wortsinns in der Weise einer Suggestion eine m\u00f6glicherweise leise vorhandene Empfindung so verst\u00e4rkt, dass sie in anormaler Intensit\u00e4t zum Bewusstsein kommt9).\n9) Yon der Reizkarte \u00bbblenden\u00ab behaupteten drei Vp\u2019en geblendet zu sein, obwohl die Karte durchaus nicht heller beleuchtet war, als die \u00fcbrigen, bei den\nWundt, Pliilos. Studien. XVII.\t4","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50\nG-. Cordes.\nIn den einfachsten F\u00e4llen der bisher dargestellten Gruppen wurde das B-Ereigniss durch Einzelph\u00e4nomene gebildet, zu deren Benennung man ohne weiteres die sch\u00f6nen Termini Vorstellung, Gef\u00fchl, Empfindung benutzen konnte. Und wurde dann auch schon ein besonders h\u00e4ufiges Doppelph\u00e4nomen erw\u00e4hnt \u2014 Association einer Objectsvorstellung und eines nicht zu dieser Vorstellung geh\u00f6rigen Wortes\n- oder ein in h\u00f6herem Grade complexes Gebilde, wie es eine Vorstellung mit bestimmter Gef\u00fchlsbetonung ist, so handelte es sich dabei doch noch um psychische Gr\u00f6\u00dfen, die sowohl der Auffassung in der Selbstbeobachtung der Vp als auch der Benennung im Referat weiter keine Schwierigkeiten entgegensetzten. Das Gleiche gilt von den \u2014 zahlreichen andern F\u00e4llen, in denen mehrere, den aufgez\u00e4hlten Gruppen angeh\u00f6rige, Ph\u00e4nomene das B-Geschehniss darstellten.\n* E- diesen Associationen ist nun aber schlie\u00dflich noch die gro\u00dfe Menge derer gegen\u00fcber zu stellen, in denen das B-Ph\u00e4nomen ganz oder in bedeutsamen Theilen unklar und undeutlich blieb oder aber durch eine F\u00fclle verschiedenartiger Vorg\u00e4nge gebildet wurde, der gegen\u00fcber die Selbstbeobachtung der Vp versagte. Als Grenzf\u00e4lle kann man hier ansehen einerseits die Associationen, in denen eine klare Vorstellung sich auf differenzirtem, aber unklarem Hintergr\u00fcnde abhebt, anderseits die F\u00e4lle, \u00fcber die die Vp etwa referirt: Allgemeine Erregung, es schien allerlei kommen zu wollen, es trat aber nichts erkennbar hervor. Dazwischen lag eine gro\u00dfe Menge sehr verschiedener Formen. Nicht um ein Schema f\u00fcr die hierher geh\u00f6rigen F\u00e4lle aufzustellen, sondern nur um h\u00e4ufiger beobachtete Verl\u00e4ufe zu charakterisiren, hebe ich folgende hervor:\nZu unterst in der Entfaltung \u00fcberhaupt beobachtbaren Geschehens stehen die F\u00e4lle, in denen sich der Bewusstseinszustand von der Bewusstseinslage w\u00e4hrend des Zeitraums zwischen Signal und Reiz nur dadurch unterscheidet, dass es nicht der Zustand allgemeiner Erwartung, sondern der Erwartung auf etwas Bestimmtes ist, das aber nur\nsp\u00e4teren Versuchen sogar nicht einmal mehr von \u00bbblendender\u00ab Reine war. Im folgenden Falle hat die Suggestion offenbar geradezu die Selbstbeobachtung der Vp irre geleitet:\nV \u2014 blenden: V. mehrere blinde Leute, die ich heute Morgen sah. Ich habe erst \u00bbblinde\u00ab gelesen, dann las ich \u00bbblenden\u00ab. Ich habe mich verlesen, weil ich etwas geblendet war.","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\t51\nnach einzelnen unwesentlichen10) oder wesentlichen Merkmalen zum Bewusstsein kommt. Als solche wesentliche Merkmale sehe ich an die Anzeichen daf\u00fcr, dass die Gedankenrichtung der Vp auf ein bestimmtes Gebiet ihrer Erfahrung ging, derart dass sie meinte, wenn eine Vorstellung klar geworden w\u00e4re, w\u00fcrde es eine bestimmte, diesem Gebiete angeh\u00f6rige gewesen sein* 11); oder die Anzeichen daf\u00fcr, dass es sich nicht um eine sachliche Vorstellung, sondern um einen Namen handle \u2014 ein Fall, der ziemlich h\u00e4ufig war12). Die Thatsache, dass in solchen F\u00e4llen manchmal sp\u00e4ter w\u00e4hrend des Referats eine Vorstellung kam, von der die Vp behauptete, es sei diejenige, auf die vorhin der Associationsverlauf hingearbeitet habe, l\u00e4sst es begreiflich erscheinen, wenn die Vp in solchen F\u00e4llen von \u00bbnicht zum Bewusstsein gekommenen Vorstellungen\u00ab sprachen \u2014 ein Ausdruck, der das Erleben gut beschreibt, obwohl er theoretisch unhaltbar ist. Auf gleich niedriger Stufe der Entfaltung stehen die F\u00e4lle, in denen ein ganzer Vorstellungen-Complex oder eine Begriffssph\u00e4re indifferenzirt associirt wurde. \u00bbIch dachte an\u00ab \u2014 war der gew\u00f6hnlich n\u00e4chsthegende Ausdruck f\u00fcr solche Associationen, in denen nichts Einzelnes deutlich geworden war13).\n10)\tV 4 \u2014 ich bin sehr entt\u00e4uscht, ich dachte eine Vorstellung k\u00e4me.\nEs dr\u00e4ngte sich etwas stark an, es schien von links oben her, aber es kam nicht.\n[Bei der Vp kommen Gesichtsvorstellungen sehr oft von einer bestimmten Seite her.]\n11)\tIII I--. farel \u2014 es dr\u00e4ngte nach franz\u00f6sischen W\u00f6rtern. (Hernach, lange\nnach Fallen des Vorhangs fand ich \u00bbSorel\u00ab.)\n12)\tI FF. Schutz \u2014 (W. ak mot.) Schutz und Trutz. W\u00e4hrend dessen war aber\ndie Aufmerksamkeit auf etwas anderes, was noch kommen sollte, einen Hamen, glaube ich, gerichtet. Die erste Wortreproduction trat erst sp\u00e4t in den Blickpunkt des Bewusstseins. Sie war aber schon da, als das andere fixirt wurde. [Hernach wurde vermuthet, dass es sich um den Namen \u00bbSt\u00fcrtz\u00ab, den Vp in letzter Zeit h\u00e4ufiger gesehen und geschrieben, handle.]\n13)\tVI Medici \u2014 ich dachte an die ganze kunsthistorische Epoche, die\ndurch den Namen repr\u00e4sentirt ist.\nI -3-, endlos \u2014 machte feierlichen Eindruck. Begriff des Universum in Giordano Bruno\u2019s Sinne. Schwer beschreibbar.\nVI Donch\u00e9ry\u2014 (Mac Mahon.) Ich associirte aber den ganzen Complex von Zola\u2019s Debacle. Das Wort Mac Mahon kam\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52\nG. Cordes.\nH\u00f6her als die F\u00e4lle dieser beiden Gruppen stehen die F\u00e4lle, in denen aus der associirten Sph\u00e4re einzelne Vorstellungen her vor treten14) ; ihnen kommen schon von seiten des a- und \u00df-Typus diejenigen F\u00e4lle entgegen, in denen ein Wort15} als einem geschlossenen Vorstellungen-Kreise angeh\u00f6rig oder eine Sachvorstellung16) als ein Glied eines gr\u00f6\u00dferen Zusammenhangs associirt wird.\nEine nicht weiter zu disponirende F\u00fclle von Mannigfaltigkeiten aber bilden die F\u00e4lle, in denen eine Mehrheit nicht einer Sph\u00e4re auge-h\u00f6riger Vorstellungen zugleich associirt wird \u2014 vorausgesetzt, dass die Selbstbeobachtung der Vp\u2019en in den wenigen hierher geh\u00f6rigen F\u00e4llen, von denen ein ganz klares Referat gegeben wurde, scharf war17).\nsp\u00e4t und nur weil ich irgend etwas Bestimmtes haben wollte und dieser Name schon einmal da war.\n14)\tVII Erde \u2014 W. Mutter Erde, dabei aber ein ganzer Hexensabbath von\nVorstellungen moderner Dichtungen.\nIII Y\u00ce Dreyfus \u2014 einen Augenblick nichts \u2014 sah dann pl\u00f6tzlich den Eifel-(Portrait) thurm, ohne dass ich vorher an einen Franzosen gedacht hatte. Halte das Bild jetzt f\u00fcr Dreyfus. [Das Bild war schon fr\u00fcher, 14 Versuche zuvor gezeigt und von der Vp damals f\u00fcr einen Neffen der K\u00f6nigin von England erkl\u00e4rt, dessen Bild Vp kurz vorher gesehen.]\n15)\tI ~ f \u2014 W. falsch, im Sinne der Methode der richtigen und\nfalschen F\u00e4lle.\nVII -A schwierig\u2014 W. difficult und zwar ganz aus der Situation von gestern Abend. [Gespr\u00e4ch mit Engl\u00e4ndern.]\n16)\tI V\u00ae Sulla \u2014 Catilina, dabei Vorstellung der Karte von Italien und\ndunkler Gedanke an die Kriege, die sich da abgespielt haben.\nHI chut \u2014 Schutt. Ich meine die Stelle im Tod des Tiberius von\nGeibel------. [Gemeint sein kann nur : >\u2014 auf diesem\nBerg der Scherben etc.]\n17)\tI Stahl \u2014Eine Menge von Beproductionen, wohl gleichzeitig:\nV. Visuelles Bild eines sch\u00f6nen St\u00fcckes Stahl, blau, Reproduction des Tasteindrucks \u2014 erinnerte mich an die Stahlindustrie meiner Heimath; forsche Stimmung. Dabei (W.) Stahl als Name eines Mediciners und als der des Philosoph-Theologen. Die Vorstellungen waren, wie es scheint, simultan, traten nach einander in den Blickpunkt des Bewusstseins, bei jeder war aber klar, dass sie schon vorher dagewesen war. Sehr schnell. Sehr sch\u00f6nes Ph\u00e4nomen.","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\n53\nWas die H\u00e4ufigkeit der einen Complex enthaltenden Associationen anlangt, so waren sie sehr h\u00e4ufig nur hei einer Vp (die, nebenbei bemerkt, in der Reizapperception auff\u00e4llig stark assimilirte); eine andere erkl\u00e4rte nach der zweiten Stunde, sie k\u00f6nne fast immer nur einen Theil von dem angeben, was sie wirklich erlebt habe, betonte sp\u00e4ter aber h\u00e4ufiger, dass referirte Ph\u00e4nomene thats\u00e4chlich das Bewusstsein ausgef\u00fcllt h\u00e4tten. Bei einer Vp fehlten sie fast ganz; dieselbe war ausgepr\u00e4gt visuell veranlagt. Bei den \u00fcbrigen waren sie ziemlich h\u00e4ufig; von der ohjectiven Beschaffenheit der Reizw\u00f6rter schien ihre H\u00e4ufigkeit nicht abh\u00e4ngig.\nFraglich war mir lange Zeit, oh man \u00bbXJrtheilsassociationen\u00ab als eine besondere Kategorie annehmen d\u00fcrfe. Ich war nicht geneigt, einer Urtheilstheorie die Entscheidung dar\u00fcber anheim zu geben, sondern hoffte, dass eindeutige F\u00e4lle entscheiden w\u00fcrden. Ich habe solche nicht gefunden. Die Mehrzahl der F\u00e4lle, in denen ich erst Urtheilsassociationen glaubte erkennen zu d\u00fcrfen, hielt bei eingehenderer Pr\u00fcfung nicht stand. Es handelte sich dabei erstens um F\u00e4lle, in denen ein dem A-Ph\u00e4nomen angeh\u00f6render psychischer Theilvor-gang (\u00e4sthetisches Gef\u00fchl, Bekanntheitsqualit\u00e4t) die Aufmerksamkeit erregte und zu einem Urtheil \u00fcber den Reiz f\u00fchrte, das als apper-ceptiver Vorgang anzusprechen ist18). Zweitens waren es F\u00e4lle, in denen sich einem Reizbilde als B-Ph\u00e4nomen die Vorstellung oder der Name des entsprechenden Objects associirte und die Vp dann apperceptiver Weise die Identification vollzog19). Endlich geh\u00f6rt hierhin noch die gelegentlich beobachtete Association der Schlussvorstellung eines einge\u00fcbten apperceptiven Vorgangs, der selbst nicht\nTTT 11. zaf \u2014 W. Affe, Zebra, Rhinozeros. Schien vollkommen gleich-b\tzeitig. Ich wei\u00df nur bestimmt, dass sich hinterher die\nWorte langsam entwickelt haben, obwohl sie vorher zusammen da waren.\n18)\tHierher geh\u00f6ren die bei einer Yp (YI) h\u00e4ufigen, auch sonst nicht ganz seltenen Urtheile beim Anblick von Bildern und Portraits : \u00bbSch\u00f6n\u00ab, \u00bbh\u00e4sslich\u00ab ; \u00bbkenne ich\u00ab [letzteres ohne die Identification zu vollziehen oder vollziehen zu k\u00f6nnen]. Auch der Fall geh\u00f6rt wohl hierher, in dem die Vp angesichts einer der 2ur Demonstration von optischen T\u00e4uschungen \u00fcblichen Zeichnungen nur constatirte, dass die T\u00e4uschung wirklich vollzogen sei.\n19)\tSo constatirten die Yp\u2019en h\u00e4ufig beim Anblick von Portr\u00e4ts: \u00bbDas ist der und der\u00ab, ohne dass weitere Associationen sich unmittelbar anschlossen.","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nG. Cordes.\nreproducirt wurde20). In all diesen F\u00e4llen wird man von Urtheils-associationen zu sprechen nicht berechtigt sein. Nur in zwei anderen F\u00e4llen glaubte ich Urtheilsassociationen constatiren zu d\u00fcrfen21). Leider ist dies Material zu d\u00fcrftig, als dass die Vermuthung hier sicher gestellt werden k\u00f6nnte* *)\nDass mit alle dem nicht die F\u00fclle der m\u00f6glichen Associationen ersch\u00f6pft und disponirt werden soll, wurde schon wiederholt betont. Aber vielleicht ist eine solche Nebeneinanderstellung wichtigster verschiedenartigster Associationsformen dazu angethan, bedenklich zu machen gegen alle Eintheilungen der Associationen, die irgendwie zur\u00fcckgehen auf das Yerh\u00e4ltniss des \u00bbReactionsWortes\u00ab zum \u00bbReizwort\u00ab. Solche Eintheilung w\u00e4re m\u00f6glich nur innerhalb einer Gruppe,\nTT-----3~ sah \u00e4as sofort neben dem Reizworte geschrieben.\nKein Gleichheitszeichen dazwischen. Dass es \u00bbHebung\u00ab war, wusste ich.) [Yp ist Lehrer.]\n[auf die in Note 7 citirte Association zu \u00bbweiter\u00ab folgte :] schwierig \u2014 Aphasienlehre. Die Meinung war die, dass die Aph.-L. schwierig sei.\nI np [Der Vp. war als Reiz eine gr\u00fcne Gelatinekarte hingestellt und sie hatte darauf die Farbenuntersuchungen eines bestimmten Herrn associirt. Darauf folgte :]\n(rothe Gelatinekarte) \u2014 Complement\u00e4rfarbe. Dann der Gedanke, es sei beabsichtigt, dass ich auf das Yerh\u00e4ltniss dieser Farbe zur vorigen aufmerksam wurde.\n*) Somit ist mir die Ziehen\u2019sehe Zweithe\u00fcung aller Associationen in \u00bbspringende Ideenassociationen\u00ab und \u00bbUrtheilsassociationen\u00ab unannehmbar. Ur-theile, f\u00fcr die als Paradigma das Ziehen\u2019sche : \u00bbdie Rose ist roth\u00ab gelten k\u00f6nnte, wurden in meinen Versuchen \u00fcberhaupt nicht gef\u00e4llt. W\u00e4ren solche S\u00e4tze associirt, so h\u00e4tte es sich vermuthlich um Wortassociationen, Reproduction fr\u00fcher ausgesprochener oder geh\u00f6rter Urtheile, bezw. deren schematische Nachbildung gehandelt. Kindern m\u00f6gen solche Urtheile n\u00e4her liegen. Aber auch bei ihnen wird der Einfluss schulm\u00e4\u00dfiger Urtheilsschemata leicht bedeutsam werden.\nUnzul\u00e4ssig erscheint es jedenfalls aus der Sprachform, in der der Versuchsknabe der Anweisung: zu sagen was ihm zuerst einfalle, (1. c. I, S. 24) nachkommt, die Form der Association bestimmen zu wollen. Wenn in der ersten von Ziehen citirten \u00bbUrtheilsassociation\u00ab (S. 23) auf das Reizwort Sonne geantwortet wird \u00bbist gelb\u00ab, so war das B-Ph\u00e4nomen vermuthlich eine visuelle Vorstellung der Sonne,' in der das Gelb besonders auffiel. Dann ist es aber v\u00f6llig gleichg\u00fcltig, ob geantwortet wurde \u00bbgelb\u00ab oder \u00bbist gelb\u00ab. Die Wahl der letzteren Ausdracks-weise d\u00fcrfte vielleicht eher als auf die Eigenart der erfolgten Association auf die Anleitung der Jenenser Musterschule zur\u00fcckzuf\u00fchren sein: Immer in ganzen S\u00e4tzen antworten !\n20; VIII\nO\n21) IJA","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\t55\nin der sowohl die Reizapperception als auch die Association in allen F\u00e4llen psychologisch gleichf\u00f6rmig w\u00e4re. Ob sie innerhalb dieser Begrenzung Werth haben w\u00fcrde, wei\u00df ich nicht. \u2014 Zum zweiten aber sollten die obigen Darlegungen die \u00fcblichen Messungen von Associationszeiten verd\u00e4chtigen. Ich gestehe zu, dass die Messungen, unter den n\u00f6thigen Oautelen vorgenommen (cf. Ziehen 1. c. IIA), die Zeitdifferenz zwischen A-Ph\u00e4nomen und B-Ph\u00e4nomen treffen k\u00f6nnen bei reinen Wortassociationen und bei Association einer Vorstellung, die sofort mit ihrem Kennwort verkn\u00fcpft auftritt. Bei allen \u00fcbrigen Associationen ist exacte Zeitmessung meines Erachtens unm\u00f6glich. Wird z. B. in dem, in meinen Versuchen neben den eben genannten Associationsgruppen h\u00e4ufigst vertretenen, Typus s ein Vorstellungen-Complex associirt, so liegt dessen Benennung der Vp zun\u00e4chst gew\u00f6hnlich ganz fern und wird nur durch die Tendenz ein Wort auszusprechen nach l\u00e4ngerer oder k\u00fcrzerer Zeit hervorgetrieben werden ; eben so wenig trifft die Messung der zeitlichen Entfernung des \u2019\u00dfeactionswortes vom Reizwort die Associationsdauer dann, wenn aus dem zun\u00e4chst associirten Vorstellungen-Complex bezw. der associirten Begriffssph\u00e4re sich eine benannte Vorstellung nachtr\u00e4glich losl\u00f6st. Bei complicirteren Associationen aber erscheint jeder Zeit-Messungsversuch von vornherein aussichtslos.\nMan wird dem Gewicht dieser Thatsachen nicht damit ausweichen k\u00f6nnen, dass man wie Aschaffenburg (1. c. I, S. 219ff.) unter Anerkennung, \u00bbdass die sprachliche Association durchaus nicht mit der gleichzeitig auf anderem Gebiete auftauchenden ersten Association \u00fcbereinstimmen m\u00fcsse\u00ab, meint, dass man sich in Associationsversuchen darauf beschr\u00e4nken d\u00fcrfe, \u00bbdie Beziehung von Reiz und Reaction festzustellen, wie sie sich im Sprechen spiegele\u00ab. Thats\u00e4chlich kann von einer solchen \u00bbSpiegelung\u00ab nur dann die Rede sein, wenn eine einfache Vorstellung associirt wird, deren Kennwort das Reactionswort bildet. In den \u00fcbrigen F\u00e4llen \u2014 so schon wenn das Reactionswort nur einen Theil der associirten Vorstellung bezeichnet, oder wenn ein Vorstellungen-Complex associirt wird \u2014 ist sowohl die Bildung des Reactionswortes als auch der Zeitpunkt seines Eintritts mitbedingt von Factoren, die nicht dem durch den Reiz angeregten psychischen Verlaufe angeh\u00f6ren. Man denke nur an den unleugbaren Einfluss, den die zuf\u00e4llige Lage des Articulationsmechanismus im Moment","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nGr. Cordes.\nintendirter Articulation haben muss; an die pers\u00f6nlich verschiedene Veranlagung der Vp\u2019en, Bewusstseinsinhalte mehr oder weniger leicht auszusprechen u. s. w. Wenn Aschaffenburg betont: \u00bbDa unser Denken ein streng gesetzm\u00e4\u00dfiges ist, so werden wir bestimmte Beziehungen zwischen Reizwort und Reactionswort erwarten k\u00f6nnen\u00ab, so ist nat\u00fcrlich richtig, dass das Reactionswort nie eigentlich \u00bbzuf\u00e4llig\u00ab erfolgt, sondern in jedem einzelnen Falle \u00bbgesetzm\u00e4\u00dfig\u00ab. Aber es ist eben nicht nur \u00bbdie Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit des Denkens\u00ab, hezw. die psychologische Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit der Producte des Zusammentreffens eines appercipirten Reizes mit dem Bestand der psychischen Dispositionen der Vp, was ein bestimmtes Wort in einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen l\u00e4sst, sondern es wirkten zu diesem Resultate mehrere Factoren \u2014 psychische, physiopsychische, physische \u2014 in eigener Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit arbeitend, zusammen. Mag in einzelnen F\u00e4llen auch die Bedeutung des einen oder des anderen Factors auf Null reducirt sein, so geht es doch nicht an, allgemein das Verh\u00e4ltniss des Reactionswortes zum Reizwort als Spiegelung des gesetzm\u00e4\u00dfig erfolgenden, psychischen associativen Geschehens und ihre Zeitdifferenz als Associationsdauer anzunehmen.\nDamit sollen die Aschaffenburg\u2019sehen Untersuchungen nicht als werthlos hingestellt sein. F\u00fcr die Hauptfrage seiner Arbeit, zur Vergleichung der Eigenart und der Schnelligkeit associativen Geschehens im normalen Zustande und im Zustande der Ersch\u00f6pfung, brachten seine umfangreichen Untersuchungen fraglos werthvolle Beitr\u00e4ge. Der Widerspruch gilt nur der Meinung, die angewandten Methoden seien exact genug zur Eruirung der verschiedenen Associationsformen und deren absoluter Zeiten.\nVorsichtiger als Aschaffenburg hat neuerdings Ziehen das Verh\u00e4ltniss zwischen Reizwort und Reactionswort einerseits und dem ersten und zweiten Gliede associativer Vorg\u00e4nge anderseits zu bestimmen versucht. Er hat sich dabei im Experiment g\u00fcnstige Chancen f\u00fcr das Zustandekommen von einfachen Associationen, in denen Reizwort dem A-Ph\u00e4nomen und Reactionswort dem B-Ph\u00e4nomen m\u00f6glichst entspr\u00e4chen, dadurch geschaffen, dass er als Reizworte fast nur Worte, die concrete Vorstellungen bezeichnen, verwandte; zudem hatte er als Vp\u2019en Kinder, die seinen Beobachtungen zufolge viel st\u00e4rker als Erwachsene zu Individualassociationen neigen. Bei Auf-","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\n57\nn\u00e4hme der Associationen richtete er sein Augenmerk sowohl auf die Auffassung des Reizwortes wie auf die Vorstellung, deren Zeichen das Reactionswort sein sollte. Dennoch macht seine Arbeit immer wieder den Eindruck, dass eine gen\u00fcgend vorsichtige Aufnahme der wirklich erfolgten associativen Vorg\u00e4nge in sehr vielen F\u00e4llen nicht geschehen konnte. Denn er verlangt Reactionsworte und setzt im allgemeinen voraus; dass das Reactionswort diejenige Vorstellung bezeichnen werde, \u00bbwelche sich an die durch das zugerufene Wort geweckte Vorstellung zun\u00e4chst anschloss \u00ab (I, S. 10). So steht denn auch das Reactionswort bei Bestimmung der Associationsformen durchaus im Vordergr\u00fcnde und etwaige weitere Erkl\u00e4rungen der Versuchskinder k\u00f6nnen, wie es scheint, nur wenig limitiren (cf. die angef\u00fchrten Protokolle). Zweitens sollen die Reactionsworte m\u00f6glichst schnell ausgesprochen werden. Es muss das sch\u00e4digend wirken auf das nat\u00fcrliche Geschehen im Versuch und auf seine Beobachtung seitens der Vp. Unwillk\u00fcrlich wir\u2019d der Versuchsknabe Vorstellungsinhalte, mit denen sich leicht ein Wort verkn\u00fcpfte, als \u00bbzuerst eingefallene\u00ab annehmen, seihst wenn es sich um einen secund\u00e4ren Bestandteil des B-Ph\u00e4nomens handelte [f\u00fcr einen Theil der Versuche von Z. selbst zugestanden D, S. 35] ; und schon auf das associative Geschehen selbst wird, wenn ich recht sehe, die Tendenz, einen Bewusstseinsinhalt schnell auszusprechen, den Einfluss haben, dass das Aussprechbare st\u00e4rker hervortritt. Endlich ist doch noch darauf hinzuweisen, dass jede \u00bbgezwungene Situation\u00ab \u2014- und in einer solchen befindet sich ein Sch\u00fcler unter den Augen des Herrn Professors, den Lippenschl\u00fcssel am Munde, angewiesen m\u00f6glichst schnell zu reagiren, doch gewiss \u2014 in den meisten F\u00e4llen eine \u00bbEinengung\u00ab des Bewusstseins zur Folge haben d\u00fcrfte, die dem nat\u00fcrlichen Ablauf psychischen Geschehens ung\u00fcnstig ist und es also erschwert, von der normalen H\u00e4ufigkeit bestimmter Associationsformen das richtige Bild zu gewinnen.\nSo f\u00e4llt denn auch, \u00e4u\u00dferlich angesehen, bei den Versuchen Aschaff enburg\u2019s wie Ziehen\u2019s die gro\u00dfe Zahl von Associationen auf, die in kurzer Zeit geliefert und protokollirt wurden. Aschaffen-burg gewann in der Versuchsstunde (wenig mehr als 40 Minuten) an 200 Associationen. Ziehen gibt keine Durchschnittszahl. Aber das als Beispiel S. 12 ff. angef\u00fchrte Prqjnkoll, verglichen mit der","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nG. Cordes.\nBemerkung S. 11 unten, l\u00e4sst auf eine Geschwindigkeit der Aufnahme schlie\u00dfen, die meiner Erfahrung nach bei h\u00f6chstm\u00f6glicher Sicherung der Aufnahme nicht erreicht werden kann*).\nC. Das psychologische Verh\u00e4ltniss des B-Ph\u00e4nomens zum\nA-Ph\u00e4nomen.\nEine Associationstheorie kann sich nur auf breiterer Grundlage aufbauen. Ich habe hier nur zu constatiren, welche inneren psychischen Zusammenh\u00e4nge zwischen dem B- und dem A-Ph\u00e4nomen in meinen Versuchen sich als wahrscheinlich herausstellten.\nDas allgemeine Bild, das ich von psychischer Association auf Grund der Versuchsresultate gewonnen habe, ist dieses: Ein einzelnes Element des A-Ph\u00e4nomens (Empfindung, Gef\u00fchl) oder ein Complex von Elementen (etwa eine mehr oder weniger deutliche Theil-Vorstellung mit oder ohne Gef\u00fchlsbetonung) tritt im Apperceptionsact besonders hervor. (Etwa weil dieser Bestandtheil des A-Ph\u00e4nomens den psychischen Dispositionen der Vp besonders g\u00fcnstig lag, also \u00bbpassive Aufmerksamkeit\u00ab auf sich zog; oder weil sein Correlat in der Beizkarte infolge der zuf\u00e4lligen ersten Augenrichtung der Vp in den Blickpunkt des Auges fiel, oder weil er sonst den momentanen Spannungsverh\u00e4ltnissen eines der Sinnesgebiete so g\u00fcnstig lag, dass er zu unwillk\u00fcrlicher Innervation reizte ; oder weil er \u2014 das gilt von Gef\u00fchlen \u2014 an sich langsamer zu verlaufen pflegt.) W\u00e4hrend nun nach geschehener Apperception die \u00fcbrigen Bestandtlieile des A-Ph\u00e4-nomens schnell ablaufen, verharrt der betonte Bestandtheil l\u00e4nger; reproductive Elemente assimiliren sich ihm und in ihrem Zusammengehen kommt es zu einem mehr oder weniger klaren und deutlichen B-Ph\u00e4nomen, das nachfolgender Erinnerung zug\u00e4ngig ist. Wie also das A-Ph\u00e4nomen durch Zutritt reproductiver Elemente zu den durch den Beiz angeregten Empfindungselementen zu Stande kommt, so entsteht das B-Ph\u00e4nomen dadurch, dass sich einem perseverirenden Be-standtheile des A-Ph\u00e4nomens neue reproductive Elemente anschlie\u00dfen.\n*) Wie viel Stunden M\u00fcnsterberg gebraucht hat, um seine 50000 \u00bbAssociationen\u00ab zu sammeln, hat er nicht berichtet. Es liegt auch nichts daran. Denn dass die von ihm 1. c. S. 24 beschriebene Aufspeicherung von Wortpaaren \u2014 je eins vom Experimentator, das andere von der \"Vp gerufen \u2014 nicht Associationsversuche waren, bedarf wohl keines weiteren Beweises.","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\n59\nStatt eines Elementes oder Theilgebildes des A-Ph\u00e4nomens finden sich im B-Ph\u00e4nomen oft deren mehrere differente. In diesem Falle haben entweder von vornherein mehrere Theilvorg\u00e4nge des A-Ph\u00e4nomens perseverirt und somit f\u00fcr die Assimilation mehrere feste Punkte geboten, oder aber unter den an nur einen perseverirenden Vorgang assimilirten reproductiven Elementen sind auch Beproductionen eben abgelaufener Bestandtheile des A-Ph\u00e4nomens. In andern F\u00e4llen perseverirt vom A-Ph\u00e4nomen der Hauptcomplex und es ver\u00e4ndern \u2014 im allm\u00e4hlichen Geschehen bemerkbar \u2014 neue, an die Stelle secund\u00e4rer Bestandtheile des A-Ph\u00e4nomens tretende reproductive Elemente das Ph\u00e4nomen; ein Fall, der allerdings h\u00e4ufiger als bei Associationen zum A-Ph\u00e4nomen bei Association eines dritten Ph\u00e4nomens zum B-Ph\u00e4nomen beobachtet wurde*). \u2014 Associirt sich ein drittes zum B-Ph\u00e4nomen, so braucht der perseverirende Bestandtheil des B-Ph\u00e4-nomens selbstverst\u00e4ndlich nicht derselbe zu sein, der von A nach B hinein perseverirte, sondern kann jeder beliebige andere Bestandtheil des B-Ph\u00e4nomens sein; womit sich die oft sehr auff\u00e4llige Verschiedenheit unmittelbar auf einander folgender Ph\u00e4nomene erkl\u00e4rt, die charakteristisch ist f\u00fcr l\u00e4ngere Associationsreihen im Unterschiede vom \u00e4pperceptiven Denken, in dem der perseverirende Bestandtheil willk\u00fcrlich fixirt ist.\nDiese allgemeine Auffassung der psychischen Association gr\u00fcndet sich auf die oft beobachtete Thatsache, dass sich im B-Ph\u00e4nomen oft Bestandtheile des A-Ph\u00e4nomens wiederfinden, und dass diese Bestandtheile von der Vp selbst dann in vielen F\u00e4llen als \u00bbVermittlung\u00ab der Association empfunden wurden. Als solche wurden sie nicht nur dann beurtheilt, wenn sie schon im A-Ph\u00e4nomen besonders aufgefallen waren, sondern auch dann, wenn die Vp erst nach geschehener Association auf sie aufmerksam wurde. Auff\u00e4llig trat die Wirksamkeit dieser associirenden Bestandtheile des A-Ph\u00e4nomens hervor einerseits, wenn sie eine Association vermittelten, ehe der Apperceptionsact vollendet war, anderseits wenn ihr Correlat im Beiz so sehr im \u00e4u\u00dferen Blickfelde des Bewusstseins geblieben war, dass die Vp sich seiner nicht mehr erinnern konnte und, erst vom Experimentator darauf aufmerksam gemacht, der geschehenen Vermittlung gewiss wurde. \u2014\n*! Ygl. Beispiel in Note 4 oben.","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nG. Cordes.\nDer Umstand, dass in vielen F\u00e4llen nicht nachgewiesen werden konnte, welches der perseverirende Bestandtheil des A-Ph\u00e4nomens gewesen war, kann gegen diese Auffassung des \u00bbAssociationsmechanismus\u00ab nicht angef\u00fchrt werden. Denn es ist zu erwarten, dass \u00fcberall da, wo das perseverirende Element sofort eine Verschmelzung mit reproductiven Elementen eingeht, es als isolirte psychische Thatsache gar nicht zum Bewusstsein kam.\nWas nun endlich die Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit anlangt, nach der im einzelnen Falle gerade diese reproductiven Elemente zur Assimilation mit dem perseverirenden wach wurden, so findet die nahe liegende Vermuthung, dass es vorzugsweise Elemente seien, die mit dem perseverirenden schon h\u00e4ufig zusammen im Bewusstsein waren, in den Versuchen Best\u00e4tigung. Sie gen\u00fcgt aber nicht zur Erkl\u00e4rung der hei manchen Vp\u2019en h\u00e4ufigen, oft ziemlich \u00bbphantastischen\u00ab und doch scharf umrissenen Phantasievorstellungen. Weitergehende Vermuthungen aber aufzustellen geben meine Versuche nicht die Berechtigung.\nIn den Fu\u00dfnoten f\u00fchre ich Associationen an, in denen perseverirende Bestandtheile des A-Ph\u00e4nomens in ihrer associirenden Wirksamkeit besonders hervortreten. Ich unterscheide F\u00e4lle, in denen der in Frage stehende Bestandtheil des A-Ph\u00e4nomens associationbildend erscheint [a], von denen, in denen er nur die Association mitbestimmend erscheint, w\u00e4hrend ein andrer, nicht f\u00fcr sich bemerkter, associationbildend war [b]. Bei der Auswahl der F\u00e4lle bevorzugte ich solche, bei denen ein \u00bbNebenreiz\u00ab Correlat des perseverirenden Bestandtheils des A-Ph\u00e4nomens war, weil in diesen F\u00e4llen der Vp die Associationsvermittlung h\u00e4ufiger auffiel. (Zur Erl\u00e4uterung der Bezeichnungen der Nebenreize cf. S. 68). \u2014 Als associationvermittelnde Bestandtheile des A-Ph\u00e4nomens erschienen :\nEmpfindungen, und zwar optischen22) Charakters [a und b], aku-\n22) a. IH y! dame \u2014 W. Schlange. Das Wort kam ganz spontan, nicht im Gedanken an Schlangendame, auch nicht im Sinne eines Misogyn. Wei\u00df eigentlich nicht weshalb, [c. 10 Minuten sp\u00e4ter wurde eine \u00e4hnliche Wellenlinie als Schlangenlinie bezeichnet und dann mit Bestimmtheit diese Association auf den Anblick dieser Linie zur\u00fcckgef\u00fchrt.]\nIII \u2014- Stern \u2014 Niederl\u00e4nder (oder die Niederlande). Das kam daher, dass der erste Buchstabe einen Eindruck wie ein Y machte, und das versetzte mich in die Begion der","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"61\nExperimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\nstischen.23) Charakters [a und b], Innervationsempfindungen24) bezw. Totalempfindung der eigenen K\u00f6rperlage25), ferner, sehr h\u00e4ufig G-ef\u00fchle, und zwar an Empfindungen gekn\u00fcpft26), oder als Gef\u00fchls-\nNiederlande, dort fangen Namen so an. [Ein bestimmter fallt erst nach l\u00e4ngerem Suchen unsicher ein.]\nP) Il JL. Tell \u2014 Y Teil vom Schiffe auf den Felsen springend, ein Fu\u00df [auf blauer noch zur\u00fcck. (Als Kind sah ich \u00e4hnliches Bild, jetzt Karte] war es aber mehr wie in der Natur.) Ueber der Landschaft w\u00f6lbt sich tiefblauer Himmel. Das Blau der Karte ist erst nach dem Blau des Himmels aufgefallen.\nHI _S_ Ins \u2014 Innsbruck, aber nicht einfach als Worterg\u00e4nzung, [aufrothem Ich hatte den ganzen Complex von 1809. Die rothe Untergrund] Farbe erinnerte an Blut. Yor Innsbruck dachte ich an den Iselberg bei Innsbruck, der Name kam aber nicht. Andreas Hofer war akustisch da..\n[Im folgenden Fall beeinflusst der Nebenreiz (der Punkt rechts des Wortes ist roth) schon die Apperception. Vp ist Amerikaner.]\nY \u2014 led* \u2014 als lead (Blei) gelesen und zwar als Kugel, die eine \u2019 \"\tWunde geschossen hat. Daran erinnerte mich das\nRothe. Das Ganze war im Burenkriege.\n23)\tHierher geh\u00f6ren alle Klangassociationen. \u2014 Ein das optische Reizwort begleitender Ton bestimmte sehr oft die Association, z. B.\na. IY Ai Portr\u00e4t Wilhelm H \u2014 Sang an Aegir. Sofort unter Lustgef\u00fchl und (Ton)\tAffect komischer Ueberraschung.\nI J_ Vater\u2019scher K\u00f6rper \u2014 V Erinnerung an Halle, wo bei Verk\u00fcndigung '\t7 (mit Dreiklang)\teiner Preisarbeit Tusch geblasen wurde. (Ein-\ndruck des Komischen: bei einem anatomischen Gegenstand solche Musik.)\nP) H JL klein\t\u2014 Er. Y. eine sehr kleine Stimmgabel.\n7 (Ton)\n24)\tI \u2014. Paralogismen \u2014 Par\u00e4sthesie.\n5 (mit Druck) [NB. Die Beweiskraft dieser Association ist nicht ganz gesichert, da Yp nichts von Vermittlung gesagt hat. Ich glaube sie hierher setzen zu d\u00fcrfen, da reine Wortassociationen bei dieser Vp \u00e4u\u00dferst selten sind.]\n25)\tYII\u00fc. (Kleines Bild \u2014 ich sah das Bild einen Augenblick an und hatte\n5 eines Zeltlagers) dann pl\u00f6tzlich den Jahrmarkt in einer kleinen polnischen Stadt vor mir, wo mir die Trachten der Landleute auffielen. Ganz die Situation von damals, als ich auf dem Rade auf jenen Markt kam; den Kopf halb gesenkt, die Haltung ganz \u00e4hnlich wie jetzt, sah das Rad im indirecten Sehen.\n26)\tI -1- Anstalt \u2014 W. Kreditanstalt. Liegt mir eigentlich fern, die Buch-\n7\tstaben des Reizwortes machten aber einen unangeneh-","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nG. Cordes.\nbetonung eines Begriffs27). \u2014 F\u00fcr die wohl das Gros der Associationen bildenden F\u00e4lle, in denen Theil vor Stellungen des A-Ph\u00e4-nomens perseveriren, Beispiele anzuf\u00fchren d\u00fcrfte \u00fcberfl\u00fcssig sein.\nEndlich betone ich noch, dass es sich uns hier nur um die psychische Vermittlung der Association handelte. Dass daneben und mit jener complicirt auch physische Factoren, vornehmlich die momentane Lage und die durch Uebung erworbenen Dispositionen des Arti-culationsmechanismus, die Association sehr oft mitbestimmen \u2014 auch da, wo nicht Reactionsworte verlangt werden, \u2014 ist schon wiederholt erw\u00e4hnt28).\nII. Die mittelbare Association.\nBei Scripture's Versuchen \u00fcber \u00bbmittelbare Einwirkung einer Vorstellung auf eine andere\u00ab war der ihm durch Hamilton gegebene Leitgedanke dieser: Ist eine Vorstellung A zusammen mit einer ihr\nmen Eindruck, pedantisch.) [Thats\u00e4chlich ist die Schrift auff\u00e4llig, unsch\u00f6n.] [s. auch Fu\u00dfnote 5 erster Fall.] Ein sch\u00f6nes Beispiel f\u00fcr die Vermittlung des gleichen Gef\u00fchlstons verschiedener optischer Empfindungen:\nI\t-\u00ae- [auf die Vp hatte die roth ausgeschriebene Catilina-Karte einen gro\u00dfen\nEindruck gemacht. 16 Versuche sp\u00e4ter folgte in schwarzer Schrift auf dunkelgelber Karte:]\nvalem \u2014 W. Catilina und sofort die Vorstellung des vorhin gezeigten Blattes. Das macht die unheimliche Farbe, die Farbe sieht mir aus wie Blut \u2014 ach so, das war ja eben eine ganz andere Farbe!\n[Im folgenden Falle war der Nebenreiz eine etwas zu stark gerathene elektrische Reizung:]\nIII. pp. Sulla \u2014 W\u00fctherich (mit einer gewissen Inbrunst hervorgesto\u00dfen.)\n27)\tIII JJ habeo \u2014 Das Papstthum, nicht ein bestimmter Papst, optisch\nnicht ganz klar, so als ob man die Faust auf den Tisch stemmt. [Bild: Bismarck vor Thiers?] [\u00bbHat wohl das a b im Reizwort vermittelt?\u00ab \u2014 Vielleicht, sicher aber das stolze Besitzbewusstsein, das das Wort zu verk\u00f6rpern schien.] [s. auch Fu\u00dfn. 5 zweiter Fall.]\n28)\tZwei F\u00e4lle, in denen der Articulationsmechanismus der Vp geradezu durchging:\nII\tYp absolut\t\u2014 W. absoluter Imperativ; das Wort kam, obwohl ich\n\u00bbabsoluter Werth\u00ab meinte. [Die voraufgegangene gerade referirte Association war Kant\u2019s kateg. Imp. gewesen.]\nIII-\u2014. (kleinesbuntes \u2014 Jugend... von heute. (Ich meinte die Zeitschrift, Landschaftsbild) dann ging\u2019s in Worten so von selbst weiter.)","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\t63\nfremden Vorstellung u gegeben, ist zum zweiten mit der gleichen Vorstellung u eine Vorstellung M gegeben, die mit A unm\u00f6glich fr\u00fcher in Verbindung gewesen sein kann, und wird dann sp\u00e4ter zu dem f\u00fcr sich allein gegebenen A\u2014M associirt, ohne dass die Vorstellung u ins Bewusstsein trat, so liegt eine mittelbare Association vor, d. b. die \u00bbnicht bewusst gewordene Vorstellung\u00ab u hat die Verbindung zwischen A und M hergestellt.\nIn wesentlich gleichem Sinne sprechen auch die \u00fcbrigen Experimentatoren, die sich mit der Frage der mittelbaren Association besch\u00e4ftigt haben, von dieser Associationsform als einer Association durch unbewusste Zwischenvorstellungen. Leitet Ziehen (1. c. IIS. 47) seinen hierher geh\u00f6rigen Passus mit denWorten ein : \u00bb Als mittelbare Associationen bezeichnet man Associationen, bei welchen ein Mittelglied unbewusst oder latent geblieben, d. h. lediglich als materielle Erregung aufgetreten ist\u00ab, so soll dieser Erkl\u00e4rungszusatz \u2014 der wohl denen, die die Gr\u00fcndanschauungen seiner physiologischen Psychologie theilen, ohne weiteres plausibel erscheinen mag, aber doch nicht in die Bestimmung einer beobachtbaren Form psychischen Geschehens geh\u00f6rt \u2014, wie das Folgende zeigt, nicht die Fassung des Mittelgliedes als Vorstellung ahlehnen.\nIn dem oft gebrauchten Terminus \u00bbunbewusste Vorstellung\u00ab urgire ich hier nicht das \u00bbunbewusst\u00ab. Vorausgesetzt, dass eine wirkliche Vorstellung von der Vp unbemerkt, auch sofort nachfolgender Erinnerung nicht zug\u00e4ngig ist, ist die Frage nach der Berechtigung des Attributs \u00bbunbewusst\u00ab nur unter Zugrundelegung einer Bewusstseinstheorie zu entscheiden. Hier, wo es sich rein um die Empirie handelt, nehme ich das Wort \u00bbunbewusst\u00ab in dem Sinne von unbemerkt, bezw. sofort nachfolgender Erinnerung unbemerkhar, den es ja jedenfalls mit umschlie\u00dfen soll.\nAssociationen der Art glaubte Scripture in seinen Versuchen in gro\u00dfer Anzahl constatirt zu haben. Aber die Thatsache, dass experimentelle Nachpr\u00fcfung nach gleicher Methode seitens Anderer zu negativen Resultaten f\u00fchrte, l\u00e4sst vermuthen, dass Fehlerquellen das Ge-sammtergebniss in ausschlaggebender Weise beeinflussten. Grunds\u00e4tzlichen Bedenken unterliegt aber auch die psychologische Deutung der einzelnen Versuche, mit denen er seine Theorie der mittelbaren Association belegt. Scripture setzt voraus, dass in Versuchsassociationen","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nGr. Cordes.\nsowohl dem Reizwort wie dem Nebenreiz stets je eine Vorstellung entspreche, ja er identificirt geradezu Reizwort bezw. Nebenreiz mit den ihnen entsprechenden Vorstellungen; es macht sich ferner trotz seiner Kritik des Reproductionsbegriffs immer wieder die Anschauung geltend, dass Vorstellungen feste Gr\u00f6\u00dfen seien, die, in ihrer Sonderexistenz verharrend, mit einander verkn\u00fcpft werden k\u00f6nnten, und endlich dass eine solche Verkn\u00fcpfung zweier Vorstellungen schon damit gegeben sei, dass sie einmal fl\u00fcchtig zusammen im Bewusstsein gewesen w\u00e4ren \u2014 Voraussetzungen, die zum Theil eine irrige Auffassung psychischer Verh\u00e4ltnisse \u00fcberhaupt verrathen, zum Theil wenigstens in jedem Falle besonderer Feststellung bedurft h\u00e4tten.\nVersuche, die sp\u00e4ter Smith (1. c.) und Howe (Americ. Journal VI) nach Scripture\u2019schem Verfahren anstellten, f\u00fchrten denn auch, wie schon erw\u00e4hnt, nicht zu positiven Resultaten. In meinen eigenen Versuchen nach Scripture\u2019schem Muster kam keine einzige mittelbare Association zu Tage*).\nAndere Experimentatoren haben gelegentliche mittelbare Associationen constatirt in Versuchen, deren Anordnung nicht von vornherein auf diese Associationsform angelegt war. Zwar muss Ziehen (1. c. II S. 47 f.) betonen, dass \u00bbin sehr zahlreichen F\u00e4llen, wo eine mittelbare Association vorzuliegen scheint, eine einigerma\u00dfen sorgf\u00e4ltige Befragung sofort ergibt, dass entweder doch eine unmittelbare Contiguit\u00e4t vorliegt, oder der Knabe die Mittelvorstellung wohl gedacht und nur bei der sprachlichen Reaction \u00fcbersprungen hat\u00ab. Selbst in den 5 Associationen, die Ziehen als mittelbare citirt (Regen-Fluss. Ofen-Essen, Farbe-Wiese, klein-Thier, Zahn-Thier) \u00bbsind kritische Zweifel noch sehr berechtigt\u00ab. In der That w\u00fcrde ich nur hei \u00bbOfen-Essen\u00ab vielleicht eine mittelbare Association vermuthen, w\u00e4hrend bei den \u00fcbrigen die Annahme sehr nahe liegt, dass aus einer dem A-Ph\u00e4-\n*) Wenn M\u00fcnsterberg aus seinen Experimenten die Folgerung zieht: \u00bbMittelbare Association durch unbewusste Mittelglieder giebt es nicht!\u00ab so ist die Berechtigung solcher Behauptung nicht anzuerkennen. Scripture hatte behauptet, dass unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden mittelbare Associationen erzielt werden k\u00f6nnten. Die M\u00fcnsterberg\u2019schen Yerfahrungsweisen warenaber, soweit sie nicht einfach Wiederholung der Scripture\u2019schen waren, nicht geeignet, g\u00fcnstige Umst\u00e4nde weder f\u00fcr Associationen \u00fcberhaupt noch f\u00fcr mittelbare Associationen im besonderen zu schaffen.","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\t65\nnomen associirten Gesammtvorstellung ein Theil zur Bildung des verlangten Reactionsworts bevorzugt ist. (N. B. die Zeiten dieser Associationen bewegen sich zwischen fast 5 bis \u00fcber 6'!) So sagt denn auch Ziehen selbst: So unzweifelhafte mittelbare Associationen, wie man sie bei dem Erwachsenen nicht ganz selten beobachtet, habe ich bei dem Kinde \u00fcberhaupt vermisst. (Hinter das \u00bbnicht ganz selten\u00ab mache ich ein Fragezeichen.)\nErtragreicher f\u00fcr unsere Frage waren die Untersuchungen Aschaffenburg\u2019s (1. c. IS. 244 ff). Aschaffenburg rechnet zu den mittelbaren Associationen zun\u00e4chst diejenigen F\u00e4lle, in denen das Reactionswort nicht zu dem Reizwort, wohl aber zu einem ihm \u00e4hnlich klingenden Worte in Beziehung stand. Ein durch Klangassociation angeregtes Wort w\u00e4re also Mittelglied. Beispiele (in denen das einge-klammerte Wort das Verbindungsglied ist) : Pest- (Pech-) Vogel, Schritt-(Schlitten-) Fahrt, Schatten- (Schade-) Spott, Allmacht- (aima-) mater. Den nahe liegenden Verdacht, dass es sich in solchen F\u00e4llen um undeutliches Verstehen des zugerufenen Reizwortes handle, weist Aschaffenburg mit der Bemerkung ab, dass jedesmal von der Vp ausdr\u00fccklich angegeben werden musste, ob das Reizwort genau verstanden sei. Trotzdem m\u00f6chte ich glauben, dass diese F\u00e4lle nicht gen\u00fcgend scharf beobachtet wurden. Wird n\u00e4mlich das Wort Allmacht klar und deutlich vom Experimentator ausgesprochen, so ist die M\u00f6glichkeit unbedingt vorhanden, dass die Vp, schon ehe die Schlusslaute \u00bbcht\u00ab ert\u00f6nen, \u00bbmater\u00ab erg\u00e4nzt, wobei es noch gar nicht nothwendig ist, dass die Bedeutung von alma oder von alma mater wirklich schon im Bewusstsein war. Der Apperceptionsprocess des Wortes Allmacht kann ruhig weiter gegangen sein, das Reizwort also \u00bbgenau verstanden\u00ab sein. Und auch bei ganz kurzen Worten wie \u00bbPest\u00ab kann schon vor Erklingen des st das Wort Pech im Bewusstsein gebildet sein, ohne dass das nachfolgende Verst\u00e4ndniss des Reizwortes dadurch bedeutend gest\u00f6rt w\u00fcrde. \u2014 Ich str\u00e4ube mich gegen die Aschaffenburg\u2019sehe Deutung dieser F\u00e4lle nicht deswegen, weil sie mir gegen irgend eine Theorie verstie\u00dfen, sondern nur deswegen, weil ich in meinen Versuchen keinen einzigen derartigen Fall beobachtete, wohl aber nicht ganz selten F\u00e4lle, in denen die ersten Bestandtheile des Reizwortes vor Apperception des Ganzen f\u00fcr sich psychische Ph\u00e4nomene zu Wege\nWundt, Philo\u00ab. Stndien. XVII.\t5","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nGr. Cordes.\ntrachten2\u20191). Ich glaube um so mehr berechtigt zu sein, diese F\u00e4lle Aschaffenburg\u2019s zu beanstanden, als die Eile, mit der die Reaction zu erfolgen hatte, die Selbstbeobachtung der Vp \u00fcberaus erschweren musste.\nAnders stehe ich einer zweiten Gruppe von F\u00e4llen gegen\u00fcber, die Aschaffenburg zu den mittelbaren Associationen rechnet, F\u00e4llen, in denen das Reactionswort dasselbe ist wie in einer fr\u00fcheren Association, deren Reizwort dem jetzigen verwandt ist. \u00bbDer Verbindung Flachs-(Wachs-) weich war kurz vorher Wachs-weich voraufgegangen; Schaft-(Saft-) der Reben; Chor- (Kohl-) Mist; Kaffer- (Kaffee-) Bohne; Unsinn-(Sitte-) Unsitte fanden alle ihre Erkl\u00e4rung in fr\u00fcheren Associationen. Auf \u00bbOhr\u00ab reagirte eine Vp mit \u00bbsein\u00ab (auf der Hut sein). In einem \u00fcber 4 Monate vorher gemachten Versuche hatte sich mit dem Reizworte \u00bbOhr\u00ab nach r\u00e4umlichem Beisammensein \u00bbHut\u00ab verbunden.\u00ab Es ist zu bedauern, dass Aschaffenburg nicht mittheilt, ob die Mittelglieder \u00fcberhaupt nicht im Bewusstsein waren; auch bei Aufnahme dieser F\u00e4lle mag manchmal der gleiche Beobachtungsfehler mitgespielt haben, den anzunehmen in den an erster Stelle genannten F\u00e4llen nahe lag. Aber dass F\u00e4lle charakterisirter Art \u00fcberhaupt Vorkommen, ist unzweifelhaft. Auch in meinen Versuchen fanden sich neben F\u00e4llen, in denen sich die Gesammtvorstellung einer fr\u00fcheren Versuchs-Association associirte, auch solche, in denen nur ein Glied einer solchen Association deutlich zum Bewusstsein kam*). Zu der Erkl\u00e4rung aber, der Gang des associativen Processes sei in diesen F\u00e4llen: von dem A-Ph\u00e4nomen zu dem (nicht bemerkten) A-Ph\u00e4nomen der fr\u00fcheren Association und von da zum B-Ph\u00e4nomen, lag in all diesen F\u00e4llen ebenso wenig die N\u00f6thigung vor, wie in den sp\u00e4ter noch\n29) VIII scholk \u2014 \u00bbSchalk\u00ab war sofort da mit dem Bewusstsein, dass etwas anderes da stehe. War nicht \u00fcberrascht, scholk zu lesen.\nV , 2 Imperativ \u2014 Imperator war da, deutlich, bevor ich das Wort zu Ende gelesen.\n\u00bb Sidu \u2014 Lindau dunkel vorgestellt, w\u00e4hrend des Lesens, obwohl ich das S richtig erkannt hatte und nicht Lindau gelesen habe\nEine andere Vp wurde durch des Reizwortes \u00bbK\u00fcssnacht\u00ab erste H\u00e4lfte zu sofortiger lebhafter Association angeregt.\n*) Vgl. den letzten Fall in Note 33.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"67\nExperimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\nzu erw\u00e4hnenden letzten F\u00e4llen Aschaffenburg\u2019s (S. 75). \u2014 Was endlich Aschaffenburg\u2019s \u00bbparaphasische Associationen\u00ab anlangt, so kann man sie unm\u00f6glich zu den mittelbaren Associationen rechnen. Sie werden gerade bei Aschaffenburg\u2019s Versuchen um so h\u00e4ufiger rein auf das Konjto des Articulationsmechanismus zu setzen sein, als m\u00f6glichst schnelle Reaction verlangt wurde.\nWas nun meine eigenen Versuche, die auf Erzielung mittelbarer Associationen angelegt waren, anlangt, so bemerke ich im voraus, dass \u00fcberall grunds\u00e4tzlich nur v\u00f6llig freie Associationen gew\u00fcnscht wurden, dass also nirgends die Vp die Anweisung erhielt, nur Associationen aus einem bestimmten Gebiet, einer Reihe oder dgl. anzunehmen, und dass jeder Zwang, ein Wort als Reaction auf den Reiz auszusprechen, wegfiel. Da somit der Bereich m\u00f6glicher Associationen unendlich gro\u00df war, war es von vornherein wahrscheinlich, dass ich bedeutend weniger F\u00e4lle w\u00fcrde auf weisen k\u00f6nnen, die das Gepr\u00e4ge mittelbarer Associationen tr\u00fcgen, als Scripture oder Aschaffenburg.\nEs galt daher, die Bedingungen f\u00fcr das Zustandekommen mittelbarer Associationen m\u00f6glichst g\u00fcnstig zu gestalten. Ich suchte das \u2014 nachdem Versuche in der Weise Scripture\u2019s misslungen waren \u2014 in folgender Weise zu erreichen. Ich bildete Doppelreihen von Worten, deren erste H\u00e4lfte s\u00e4mmtlich einem Gebiete angeh\u00f6rten, w\u00e4hrend die zweite H\u00e4lfte aus jenem Gebiete fremden Worten oder sinnlosen Silben, Zahlen und dergl. bestand\u00bb\"). Jede Karte der Doppelreihe hatte die-\n30) Beispiele: Reihe 1. graue Karten:\n(Sedan, III. Armee, Mao Mahon, Donch\u00e9ry, Ulan \\Bane, Rono, Bild. 245, a. b. c.\nReihe 8. rothe Schrift auf intensiv blauer Karte :\nITell, K\u00fcssnacht. Riitli, Bogen lanil, bohren, 283, kon.\nReihe 16. auf wei\u00dfer Karte mit akustischem oder anderm Nebenreiz:\n.Fahrrad, Acetylen, radelnder Infanterist (Bild), Fahrrad-(Lampe (Bild), Con-j struction\nsehen, 50 St\u00fcck, olo, Kinder, \u00f6sterreichischer Offizier (Bild), lang.\nReihe 23 wie 16):\n{Nepos, C\u00e4sar. - auf ;*>, Marathon, Ordinarius, peloponnesiseh sagen, lana. 14. weiter, drei, (eine mathematische Zeichnung).'\nAndere erste H\u00e4lften der 30 benutzten Reihen waren der Akustik, Logik, der Eisenbahnfahrt, dem Wirthshaus, dem Burenkriege etc. entnommen oder betrafen besondere Interessengebiete der Vp.\n5*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nCr. Cordes.\nselbe Auszeichnung (Nebenreiz). Diese bestand entweder \u2014so in der H\u00e4lfte aller Versuche \u2014 in einer mehr oder weniger auff\u00e4lligen F\u00e4rbung der Karte oder darin, dass bei Sichtbarwerden der (wei\u00dfen) Karte ein Ton (des Tonmessers, \u2014 auch das Metronom wurde verwandt) h\u00f6rbar wurde, oder in gleichzeitiger Parf\u00fcmirung der Luft in der Versuchs-H\u00fctte oder gleichzeitiger Hautreizung am Oberarm der Vp durch einen schwachen elektrischen Strom. Endlich wurde versucht, physische Arbeitsleistung der Vp als Auszeichnung zu benutzen, indem die Vp auf ein den Karten dieser Doppelreihen vorausgeschicktes Commando die Daumen ihrer gefalteten H\u00e4nde drehte, eine starke Spirale zusammendr\u00fcckte, oder ein N\u00e4pfchen auf einem Stabe balancirend drehte u. s. w. Die Erwartung war, dass beim Anblicke der Worte der zweiten Reihenh\u00e4lfte, zu denen eine bestimmte Association nicht von vornherein besonders nahe zu liegen schien, die Auszeichnung manchmal den Vorstellungslauf in das Vorstellungsgebiet der ersten Reihenh\u00e4lfte hineinlenken werde, ohne dass diese Vermittlung der Vp zum Bewusstsein k\u00e4me. Ich habe mit 6 Vp\u2019en \u00fcber 350 Versuche dieser Art gemacht. (Nat\u00fcrlich setzt jeder solcher Versuch auf mittelbare Association voraus, dass die Karten der ersten Reihenh\u00e4lfte zuvor gezeigt sind. Ich that dies gew\u00f6hnlich in ununterbrochener Reihenfolge \u2014 die Associationen wurden auch dabei aufgenommen \u2014, w\u00e4hrend die Karten der zweiten Reihenh\u00e4lfte andern untermischt gegeben wurden.)\nDas Resultat war ein negatives. Ich habe in diesen Versuchen keine einzige mittelbare Association mit voller Sicherheit constatiren k\u00f6nnen. Zwar beeinflusste der Nebenreiz manchmal die Association in der zweiten wie in der ersten Reihenh\u00e4lfte (s. S. 60 ff.), that solches auch ohne dass die Vp sich dar\u00fcber Rechenschaft geben konnte: aber \u00fcberall da, wo die Auszeichnung den Vorstellungslauf in das Gebiet der ersten Reihenh\u00e4lfte lenkte, geschah es unter Wiedererkennungsgef\u00fchlen, so dass die Vp etwa referirte: Die Karte erinnerte an . . . oder: Ich dachte an das und das Wort, bei dem gleichfalls ein \u00e4hnlicher Ton (oder sonstiger Nebenreiz) erfolgte \u2014 oder doch wenigstens auf Befragen die Vermittlung sicher angab. In den meisten F\u00e4llen aber blieb der Nebenreiz offenbar wirkungslos. Dass er nicht auf das Gebiet der ersten Reihenh\u00e4lfte f\u00fchrte, war zwar dann nicht gerade verwunderlich, wenn die Vp schon bei Vorzeigen der ersten Reihen-","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\n69\nh\u00e4lfte nicht innerhalb des durch die Rcizworte markirten Vorstellungsgebiets associirt hatte, sondern in ihren Associationen Ausfl\u00fcge nach allen Himmelsrichtungen ihrer Vorstellungswelt gemacht hatte. In andern F\u00e4llen aber hatte die Vp sich in denkbar folgsamster Weise der Leitung der Reizworte hingegeben, sich 5 bis 10 Minuten lang unter immer erneuter Einwirkung des Nebenreizes ausschlie\u00dflich auf dem betreffenden Gebiete bewegt, und lie\u00df sich eine Viertelstunde sp\u00e4ter doch nicht durch den Nebenreiz wieder auf dies Gebiet locken. In solchen F\u00e4llen war ich manchmal auf\u2019s \u00e4u\u00dferste erstaunt, zu sehen, wie die Vp die scheinbar entlegensten Vorstellungen associirte, w\u00e4hrend die gew\u00fcnschte meiner Ansicht nach so \u00fcberaus nahe lag.\nEs war also in solchen F\u00e4llen der Nebenreiz offenbar zu schwach, eine psychische Wirkung hervorzubringen, bezw. seine h\u00e4ufige Wiederholung in der ersten Reihenh\u00e4lfte hatte die Empfindlichkeit abgestumpft. Starke Nebenreize aber pr\u00e4gten sich bei der mehrfachen Wiederholung leicht dem Ged\u00e4chtniss so ein, dass ihre gelegentliche Vermittlung in der zweiten Reihenh\u00e4lfte zu einer bewussten wurde. Mittlere F\u00e4lle fehlten.\nSo ging ich von der Doppelreihen-Methode ab, versah nur je ein Wortpaar mit gleichem, starkem Nebenreiz und nahm, um der Gefahr, dass der Nebenreiz bei seinem zweiten Auftreten sofort wiedererkannt w\u00fcrde, zu begegnen, die Zeitdifferenz zwischen seinem ersten und zweiten Auftreten m\u00f6glichst gro\u00df. \u2014 Sp\u00e4ter legte die Erfahrung, dass zu einem Worte, das zum ersten Male mit. zum zweiten Male ohne Auszeichnung vorgezeigt wurde, beim zweiten Male oft die Auszeichnung associirt oder schon in der Apperception assimilirt wurde, den Gedanken nahe, dann, wenn die gleiche Auszeichnung zweier Karten die Worte nicht in Verbindung gebracht hatte, noch zu versuchen, ob eins der Reizworte ohne Nebenreiz einen Bestandtheil des an das andere Wort gekn\u00fcpften Associationsverlaufs reproduciren w\u00fcrde. \u2014 Andere kleine Modifikationen dieses Verfahrens ergeben sich leicht von selbst. Neben Worten wurden als Hauptreiz h\u00e4ufig Bilder verwandt.\nBei diesen Verfahrungsweisen habe ich einige programmgem\u00e4\u00dfe F\u00e4lle gewonnen31). Allerdings: ihre Zahl ist im Verh\u00e4ltniss zu der\n31) z.B. vn -1?.\n5\n[Die beiden Reizworte waren von einem stark ausgezogenen gleichschenkligen Dreieck umrahmt, zu dessen Basis eine","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nG. Cordes.\nhohen Gesammtzahl der Versuche sehr klein. Auf diese F\u00e4lle allein gest\u00fctzt w\u00fcrde ich nicht wagen, das Vorkommen von mittelbaren Associationen zu behaupten. Denn die M\u00f6glichkeit ist vorhanden, dass in solchen F\u00e4llen der Zufall, d. h. Associationsvermittlung durch un-controllirbare Factoren, eine Rolle spielte oder aber dass die Selbstbeobachtung der Vp doch nicht scharf genug war. Da nun aber das Vorkommen mittelbarer Associationen anderweitig sicher gestellt wurde, bin ich nicht geneigt, die Vorsicht so weit zu treiben, die wenigen hierher geh\u00f6rigen F\u00e4lle, die der sch\u00e4rfsten uns m\u00f6glichen Kritik stand hielten, nachtr\u00e4glich wieder in Zweifel zu ziehen.\nVon den genannten wesentlich verschieden ist endlich die Methode, nach der ich w\u00e4hrend des letzten Semesters einen Theil der Versuche machte. Ich stellte Reihen zusammen, in denen fortlaufend je einer sinnlosen Silbe ein sinnloses Wort folgte, und las diese 5 bis 8 doppel-gliedrigen Reihen den Vp\u2019en so lange vor, bis sie sie ann\u00e4hernd auswendig konnten. (In l\u00e4ngeren Vorversuchen waren die dazu n\u00f6thigen Durchschnittszeiten festgestellt. Nach Ablauf der Durchschnittszeit wurden die Vp\u2019en aufgefordert, ohne Besinnen aufzuschreiben, was von der Reihe ihnen noch im Ged\u00e4chtniss w\u00e4re; die Niederschrift, in der auch vermerkt wurde, wenn ein sinnvolles Wort associativ mit der voraufgehenden Silbe verkn\u00fcpft war, wurde aufbewahrt; Reihen mit gro\u00dfen L\u00fccken wurden in der n\u00e4chsten Stunde repetirt.) Nach Verlauf einiger Tage, in andern F\u00e4llen nach l\u00e4ngerer Zeit, wurden die sinnlosen Silben als\nParallele gezogen war. Die zweite Karte erfolgte ungef\u00e4hr eine halbe Stunde sp\u00e4ter als die erste, 21 Associationen, die zum Theil die Vp sehr interessirt hatten, lagen dazwischen.]\nendlos \u2014 (Br. V. 0 Seminar bei Prof. Heinze, in dem metaphysische Fragen besprochen wurden, deutlich, gewiss\u2014Heinze. Wei\u00df nicht wie ich darauf komme. Deutlich nur der Name. \u2014 (Etwas sp\u00e4ter:] Jetzt f\u00e4llt\u2019s mir ein: das Reizwort hatte ein Dreieck um sich, ebenso die Karte \u00bbendlos\u00ab, bei der ich im Anfang der Stunde an Heinze dachte. Zu \u00bbgewiss\u00ab fand ich keinen inneren Zusammenhang mit Prof. Heinze.\nV y- [8 Tage fr\u00fcher hatte die Vp angesichts des von auff\u00e4lligen rothen Kreuzen umgebenen Wortes T\u00e4ni \u2014 Taine als Person associirt. Es folgte jetzt in gleicher Umrahmung:] B\u00e4r \u2014 Taine. (Eine Klangassociation war es nicht, wei\u00df nicht, wie ich auf ihn komme.)","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\t71\nBeizworte, unter die \u00fcbrigen Versuchs-Karten gemischt, vorgezeigt, w0hei die Erwartung war, dass das zugeh\u00f6rige sinnvolle Wort, ohne seihst klar und deutlich zu werden, die Association mit bestimmen werde. Die Versuche sind im Institut mit drei Herren gemacht. \u2014 Au\u00dferhalb des Instituts machte ich mit zwei andern Herren Versuche, die von den Institutsversuchen darin ahwichen, dass ich die zur Einleitung des Versuchs gebotene sinnlose Silbe nicht lesen lie\u00df, sondern vorsprach, und dass die Vp\u2019en darauf schnell ein ihnen einfallendes Wort niederschrieben. Nach Niederschrift von 6 Reactionsworten gingen wir diese Worte durch, um, so weit es m\u00f6glich war, die auf das Reizwort erfolgten B-Ph\u00e4nomene nachtr\u00e4glich festzustellen \u2014 ein Verfahren, das zur Erreichung des besonderen Zweckes jedenfalls statthaft ist, ohne dass es auf den Titel exacter Associationsversuche Anspruch machen k\u00f6nnte.\nDie Versuche innerhalb wie au\u00dferhalb des Instituts ergaben, dass neben den F\u00e4llen, wo auf das Reizwort einfach das zugeh\u00f6rige sinnvolle Wort (oder ein anderes der gelernten Reihe) \u00bbassociirt\u00ab wurde, neben den andern F\u00e4llen, in denen das Reizwort nur wiedererkannt wurde, ohne zu einer Association zu f\u00fchren, auch solche vorkamen, in denen das zugeh\u00f6rige Wort, ohne selbst f\u00fcr sich zum Bewusstsein zu kommen, den Gang des assodativen Verlaufs bestimmt hatte *2). \u2014\n32 a) z. B. im Institut :\nVII -4- [Vp hatte die Reihe gelernt: bars Uhr glit Pfau etc.]\n7 ])ars \u2014 burs, die Bursch, k\u00fcrzlich einen Aufsatz gelesen dar\u00fcber, dass die Bursch urspr\u00fcnglich die Wohnung eines Burschen ist. Zugleich, oder ganz unmittelbar darauf das Bild eines Auerochsen und die Erinnerung daran, wie ich als Find abschreiben musste, dass man den Auerochsen auch Ur nenne. \u2014 Vermittlung zu bars wei\u00df ich nicht. Vielleicht habe ich aus burs das ur herausgenommen? [Als Vp dann an die Reihe bars U,hr.. erinnert wurde, war er aufs \u00e4u\u00dferste \u00fcberrascht, da der Gedanke an die gelernten Silben ihm vollkommen fern gelegen habe, stimmte aber bei, dass dies die Vermittlung gewesen sei.] b) Au\u00dferhalb des Instituts wurden in den letzten Versuchen jeder der beiden Vp\u2019en unter 120 Reizworten 52 (insgesammt also 104) sinnlose Silben gegeben aus 8, durchschnittlich 7-doppelgliedrigen Reihen, die 10\u201412 Wochen vorher gelernt und damals jede 2 bis 3 mal repetirt waren. Auf 19 von diesen 104 Reizwor-ten erfolgte das \u00bbrichtige\u00ab Reihenwort, l\u00f6mal wurde ein falsches bezw. der Vermerk, dass das Reizwort wiedererkannt sei, notirt. In 2 F\u00e4llen wahrscheinlich, in 2 andern sicher lag eine ganz programmgem\u00e4\u00dfe Association vor. \u2014 Die beiden","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nG. Cordes.\nAllerdings fand ich solcher F\u00e4lle nicht so viele und verschiedenartige, wie ich gew\u00fcnscht hatte. Meine Zeit war beschr\u00e4nkt, und die letztgenannte Methode nimmt zu ihrer Durchf\u00fchrung viel Zeit in Anspruch, da die Versuche sehr vorsichtig vorbereitet werden m\u00fcssen und im Versuch jede gr\u00f6\u00dfere H\u00e4ufung von sinnlosen Silben als Reizworte die Vp leicht erm\u00fcdet \u2014 oder verdrie\u00dflich macht. Aber die Methode ist von den benutzten entschieden die beste. In ihr wird mit einigen Modificationen die Arbeit fortzusetzen sein.\nEinstweilen meine ich doch, aus den mit diesen Methoden erzielten programmgem\u00e4\u00dfen F\u00e4llen und einigen bei den \u00fcbrigen Versuchen \u00bbzuf\u00e4llig\u00ab erfolgten gleichartigen die allgemeine psychologische Cha-rakterisirung der \u00bbmittelbaren Association\u00ab geben zu k\u00f6nnen.\nZu den mittelbaren Associationen rechne ich nicht diejenigen dreigliedrigen Associationen, in denen das mittlere Glied nur fl\u00fcchtig, undeutlich und unklar, aber doch f\u00fcr sich bewusst wird. Sie erscheinen ja im Erleben den eigentlich mittelbaren \u00e4hnlich, aber grunds\u00e4tzlich sind sie unbedingt zu den dreigliedrigen directen Associationen zu z\u00e4hlen. Auch in einfachen Associationen kann das erste Glied wie das zweite Glied so fl\u00fcchtig und \u00bbdunkel bewusst\u00ab geschehen, dass die Vp sich seiner unmittelbar hinterher nur mit M\u00fche noch erinnert; niemand wird daran denken, solchen F\u00e4llen den eigentlichen Associationscharakter abzusprechen. Es ist aber nur eine Fortsetzung der Associationsreihe, wenn sich an das dunkel bewusste zweite Glied ein klar und deutlich werdendes drittes Glied anschlie\u00dft.\nAls mittelbare Association bezeichne ich nur als zweigliedrig bewusst gewordene Associationen, Associationen, in denen sich dem A-Ph\u00f6nomen sofort ein B-Ph\u00e4nomen anschlie\u00dft, das dem Erlebenden deshalb auff\u00e4llig ist, weil es nicht mit dem A-Ph\u00e4nomen in einem Zusammenh\u00e4nge steht, wie er sonst bei Associationen beobachtet zu werden pflegt. Stehen nun \u2014 theoretisch betrachtet \u2014 das erste und das zweite Glied zu einem dritten Ph\u00e4nomen in einem Zusammenh\u00e4nge, der die Associationsreihe: vom A-Ph\u00e4nomen\nletzteren F\u00e4lle waren diese: \u00bbkrelda\u00ab (in der Reihe gelernt mit Tamule) \u2014 (aufgeschrieben:) Indien; (erl\u00e4utert:) ich suchte in Kalkutta, erst sp\u00e4ter daran gedacht, dass die Silbe gelernt sei. \u00bbkrescht\u00ab (gelernt mit Augustana) \u2014 (aufgeschrieben:) Theologie; (erl.:) ich schrieb Theologie nur, weil das Wort zuerst kam, ich meinte eigentlich Symbolik als Disciplin.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\n73\nzu diesem dritten und von dort zum B-Ph\u00e4nomen als sehr nat\u00fcrlich und nahe liegend heurtheilen l\u00e4sst, so dr\u00e4ngt sich die Vermuthung allerdings geradezu auf, es sei thats\u00e4chlich jenes dritte Ph\u00e4nomen als Mittelglied dagewesen \u2014 nur unbewusst. Aber es ist unbedingt anzuerkennen, dass diese Vermuthung eine theoretische Construction ist, die nie empirisch wird belegt werden k\u00f6nnen \u2014 denn unbewusste psychische Ph\u00e4nomene sind eben unerfahrbar \u2014 und dass der Begriff eines unbewussten Ph\u00e4nomens Schwierigkeiten begegnet, die es begreiflich machen, wenn man mit k\u00fchnem Wagniss einfach \u00bbmaterielle Erregung\u00ab f\u00fcr ihn einsetzt, oder aber ihn durch \u00bbdunkel bewusstes Ph\u00e4nomen\u00ab ersetzt, \u2014 damit, wie eben gesagt, das Charakteristische der mittelbaren Association aufl\u00f6send.\nNach meinen Beobachtungen ist die mittelbare Association zu verstehen als ein Specialfall der directen zweigliedrigen Associationen, in denen das B-Ph\u00e4nomen ein Vorstellungen-Complex (Begriffssph\u00e4re} ist (Bz). Unter den Associationen dieser Gruppe finden sich solche, in denen aus dem Vorstellungen-Complex eine einzelne Vorstellung besonders deutlich hervortritt, im Vordergr\u00fcnde des Bewusstseins steht. Gew\u00f6hnlich steht nun diese Vorstellung in einem leicht erkennbaren Zusammenh\u00e4nge mit dem A-Ph\u00e4nomen oder es wird doch wenigstens nachtr\u00e4glich bei einigem Nachdenken klar, was Gemeinsames A-Ph\u00e4-nomen und die im B-Complex hervortretende Vorstellung hatten.\nIn andern F\u00e4llen aber ist zwischen dem A-Ph\u00e4nomen und der im B-Complex hervortretenden Vorstellung schlechterdings keine andere Beziehung zu finden, als dass die letztere zu einem bekannten That-sachencomplex geh\u00f6rt, dem auch \u2014 bei ihrer Reproduction \u2014 eine bestimmte, fr\u00fcher einmal mit einem Bestandtheil des A-Ph\u00e4nomens complicirte Vorstellung zugeh\u00f6ren w\u00fcrde. Ist nun letztere Vorstellung nicht gebildet, so ist \u2014 die Richtigkeit unserer allgemeinen Auffassung der Association (S. 58 ff.) vorausgesetzt \u2014 der Fall so zu erkl\u00e4ren, dass der perseverirende Bestandtheil des A-Ph\u00e4nomens gleichm\u00e4\u00dfig die Elemente des ganzen Vorstellungen-Complexes wachrief, dass dabei die Bildung der ihm n\u00e4chstliegenden Vorstellung auf Hindernisse stie\u00df, bezw. dass, bevor sie zu Stande kam, infolge der momentanen psychischen und psycho-physischen Dispositionen der Vp sich andere reproductive Elemente zu einer Vorstellung zusammenschlossen. Mit andern Worten: w\u00e4hrend in den benachbarten F\u00e4llen directer Association","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nG. Cordes.\nsich dem perseverirenden Momente von den einem gr\u00f6\u00dferen Vorstellungen-Complexe zugeh\u00f6rigen Elementen zun\u00e4chst diejenigen vor-stellungbildend assimiliren, die fr\u00fcher einmal mit ihm zusammen eine Vorstellung bildeten, geschieht dies in unserm Specialfall nicht, sondern in Eolge besonderer Disposition der Vp bildet sich schneller eine andere dem Complex angeh\u00f6rige Vorstellung. Da diese nun als \u00e8in-ziger klar und deutlich gewordener Bewusstseinsinhalt die Aufmerksamkeit auf sich zieht, und da ihr Auftreten gew\u00f6hnlich von den L\u00f6sungsgef\u00fchlen begleitet sein wird, die sonst der Vp den Vollzug einer Versuchsassociation anzeigen, ist es erkl\u00e4rlich, dass das perse-verirende Moment der Beachtung v\u00f6llig entgeht und die Vp oft vor einer ihr unerkl\u00e4rlichen Association steht.\nDie vorgetragene Auffassung der mittelbaren Association ist gewonnen aus Analyse der beobachteten F\u00e4lle. Da wo in den Versuchen der Eindruck eines zum zweiten Male benutzten Nebenreizes als per-severirendes Moment zu einer mittelbaren Association wirksam wurde, war der Vorstellungen-Complex der fr\u00fcher einmal unter gleichem Nebenreiz erfolgte Associationsversuch. Es w\u00e4re eine unmittelbare Association gewesen, wenn dieser Complex selbst in Klarheit vorgestellt w\u00e4re oder wenn aus ihm die Vorstellung der ersten Reizkarte (Beizwort mit Nebenreiz) hervorgetreten w\u00e4re; es war eine mittelbare Association, wenn ohne Vorstellung des Nebenreizes eine psychische Thatsache jenes Versuchs erfolgte. (Beisp. 31.) \u2014 Ebenso in den Versuchen mit gelernten Reihen. Es w\u00e4re eine unmittelbare Association, wenn bei Vorzeigung der sinnlosen Silbe sich die Vorstellung der gelernten Wortverbindung associirte, es war mittelbare Association, wenn nicht das zugeh\u00f6rige sinnvolle Wort f\u00fcr sich zum Bewusstsein kam, sondern die Erinnerungsvorstellung eines f\u00fcr die Vp in die Sph\u00e4re dieses Wortes fallenden Ereignisses oder der Begriff dieser Sph\u00e4re (Beisp. in 32 a und b). Das gleiche Gepr\u00e4ge tragen die hei meinen anderen Versuchen, die nicht auf mittelbare Association angelegt waren, \u00bbzuf\u00e4llig* erfolgten mittelbaren Associationen33) \u2014und auch diejenigen\n33) VH balde \u2014 (Er. Y) Goethe\u2019s Gartenhaus bei Weimar. Weisses zweist\u00f6ckiges Haus am Bergabhang, deutlich. Dann (dass es sp\u00e4ter kam, kann ich mit voller Sicherheit sagen): \u00bbWarte nur, balde ruhest du auch\u00ab \u2014 Dann der Gedanke: \u00bbach so erkl\u00e4rt es sich.\u00ab","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\n75\naus dem Tagesleben, von denen ich wei\u00df34).\nAuch Aschaffenburg\u2019s letzte \u2014 beste, wie er meint \u2014 Associationen erkl\u00e4ren sich nicht anders: Himmel- (H\u00f6lle-) Teufel, Nelke-(Nelken\u00f6l-) Mikroskop, Bl\u00fcthe- (Insekt-) Samen, Pulver (Erfinden, entdecken) Columbus, Brennglas (leuchtender Strahl) Blitz, Hochmuth (wegen Hochmuth S\u00fcndfiut) Arche Noah. Wenn Aschaffenburg meint: \u00bbBesonders in den letzten drei Associationen sind es ganz com-plicirte Denkprocesse, die unter der Schwelle des Bewusstseins verlaufen und deren Resultat in einer ganz \u00fcberraschenden Reaction zu Tage\nn 1A O - Kreis (als Klangbild) dann gleich darauf Zirkel, Klangbild und Gesichtsvorstellung eines solchen, dabei oder sofort hernach\nV. meine Ausgabe der Kritik der reinen Vernunft. (Kant spricht vom \u00bbZirkel\u00ab im Sinne von \u00bbKreis\u00ab. Ehe ich daran dachte, war das Buch da.)\nEin Beispiel, in dem eine fr\u00fchere Versuchsassociation den dunkel associirten Complex bildet:\nm \u2014, V\u00f6gel \u2014 Triller. Das Wort war ganz spontan da, es war aber noch etwas anderes angedeutet. Viel sp\u00e4ter fiel ein, dass ich fr\u00fcher zu Triller \u2014 Lerche associirt h?,be.\n34) Von andern mir erz\u00e4hlte F\u00e4lle kann ich hier nat\u00fcrlich nicht verwerthen. Bei mir selbst habe ich w\u00e4hrend der D/2 Jahre, in denen ich mich mit der Frage besch\u00e4ftigte, mit voller Sicherheit nur eine m. A. beobachtet: Ich sa\u00df in den Weihnachtsferien mit Bruder und Schw\u00e4gerin abends bei Tisch. Nach dem Essen reichte mein Bruder seiner Frau und mir zugleich die Hand und ich vervollst\u00e4ndigte den Ring, indem ich meiner Schw\u00e4gerin die Hand gab. In demselben Augenblick stand sehr lebhaft eine erlebte Scene vor mir : Ich sa\u00df mit einem Freunde in der Alberthalle in Leipzig im Halbdunkel, auf dem Podium eine gro\u00dfe wei\u00dfe Leinwand, an der in Lichtbildern Sven Hedin\u2019s Reisen in Tibet vorgef\u00fchrt wurden. Das ganze Erinnerungsbild war sehr deutlich. Ich suchte vergeblich nach Beziehungen der gegenw\u00e4rtigen Situation zu jener ungef\u00e4hr 4 Wochen zur\u00fcckliegenden Scene. Erst nach einiger Zeit kam mit voller Sicherheit die L\u00f6sung: eine andere wei\u00dfe Leinwand, sehr primitiv aufgespannt, und hinter ihr drei Schatten Schiller\u2019s B\u00fcrgschaft mimend; Schlussbild, unter kr\u00e4ftigem H\u00e4ndesch\u00fctteln : Ich sei, gew\u00e4hrt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte. 14 Tage fr\u00fcher hatte ich die Scherz-Auff\u00fchrung in kleinem Kreise mit angesehen. Die Worte: Ich sei etc. waren vorher nicht zum Bewusstsein gekommen; aber ich mag sie sonst wohl bei \u00e4hnlicher Gelegenheit citirt haben. \u2014 Ich erkl\u00e4re: Der psychischen Spiegelung der Familienscene associirt sich der Complex des Schattenspiels ganz unklar visuell; dabei tritt das wei\u00dfe Laken \u2014 nicht der aus A perseverirende Bestandtheil\u2014 deutlich hervor, reproductive Elemente schie\u00dfen daran zur Vervollst\u00e4ndigung des Bildes aus der Alberthalle.","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nGr. Cordes.\ntritt\u00ab \u2014 so hat unsere Erkl\u00e4rung, dass z. B. zu \u00bbHoehmuth\u00ab einfach der Complex der in der Kindheit gelernten betreffenden biblischen Geschichte associirt wurde, aus dem dann die Ueberschrift oder jedenfalls das dem Kinde gel\u00e4ufigste Merkwort sich am leichtesten bildete, schon ihrer Einfachheit halber den Vorzug vor Aschaffenburg\u2019s gewagter Erkl\u00e4rung.\nEbenso finden in unserer Auffassung der mittelbaren Association die in den Ged\u00e4chtniss-Versuchen von Ebbinghaus*) und von M\u00fcller und Schumann**) die mittelbare Association betreffenden Ergebnisse leicht ihre Erkl\u00e4rung.\nIn andern F\u00e4llen wird es von der allgemeinen Auffassung des Begriffs Association abh\u00e4ngen, ob man sie zu den mittelbaren Associationen rechnet oder nicht. So dann, wenn Empfindungselemente, die nicht ein bewusst gewordenes A-Ph\u00e4nomen gebildet haben, eine Vorstellung herauf f\u00fchren35).\nUeber die Berechtigung des Terminus \u00bbmittelbare Association\u00ab kann man verschiedener Meinung sein. Der Terminus wurde gebildet, um eine durch eine unbewusste Zwischenvorstellung vermittelte Association zu bezeichnen, beruht also auf einen Missverst\u00e4ndniss. \u00bbVermittelt\u00ab wird die in Frage stehende Association durch das aus dem A-Ph\u00e4nomen perseverirende Moment; auf diese Vermittlung kann das Wort \u00bbmittelbar\u00ab nicht gehen, denn gleiche Vermittlung ist auch bei jeder directen Association der Fall. Der Unterschied zwischen den beiden Associationsformen liegt nicht in der Verkn\u00fcpfung des A- mit dem B-Ph\u00e4nomen, sondern darin, welcher Bestandtheil des B-Com-\n*) Das Ged\u00e4clitniss S. 139.\n**) Zeitschrift f. Psych, u. Phys. d. S. VI S. 307.\n35) Solche F\u00e4lle kommen mir oft im Tageslehen: beim Durchbl\u00e4ttern eines Buches nach einem Cit\u00e2t tauchte mir die Vorstellung eines Schrankes auf, in dem die Zeitschrift Brain steht. Ich konnte r\u00fcckverfolgen, dass sie sich an den Anblick des Namens Bain, der nicht appercipirt war, gekn\u00fcpft hatte. \u2014 Der Anblick einer Beklamekarte brachte die Vorstellung eines Herrn, bez\u00fcglich dessen Namen ich einen halben Tag zuvor in Erfahrung gebracht hatte, dass er nicht mit CI \u2014 wie ich bis dahin geschrieben, sondern mit Kl beginne. Dann erst erkannte ich, dass auf der etwas entfernt stehenden Karte zwei auf einander folgende Worte mit C und L anfingen. \u2014 Auch Jerusalems Fall (Philos. Stud. X) rechne ich hierher. \u2014 Nicht alle F\u00e4lle, die dem Erlebenden den Eindruck einer frei steigenden Vorstellung machen, sind auf mittelbare Association zur\u00fcck zu f\u00fchren.","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen.\n77\nplexes kar und deutlich wird. Sind in den meisten F\u00e4llen die Elemente, die sich innerhalb des B-Complexes zu einer deutlichen Vorstellung zusammenschlie\u00dfen, unmittelbar auf den perseverirenden, den B-Complex anregenden Bestandtheil des A-Ph\u00e4nomens bezogen, so haben in unserm Specialfall die zu einer Vorstellung zusammenschlie\u00dfenden reproductiven Elemente ihren Assimilationsmittelpunkt au\u00dferhalb jenes perseverirenden Bestandtheils. Es ist also im ersteren Falle die Verwandtschaft der hervortretenden Vorstellung mit dem A-Ph\u00e4nomen thats\u00e4chlich eine n\u00e4here, unmittelbarere, als im letzteren. Und deshalb, meine ich, ist der nun einmal eingef\u00fchrte Ausdruck \u00bbmittelbare\u00ab Association als Gegensatz von \u00bbunmittelbar\u00ab oder \u00bbdirect\u00ab ertr\u00e4glich.","page":77}],"identifier":"lit4555","issued":"1901","language":"de","pages":"30-77","startpages":"30","title":"Experimentelle Untersuchungen \u00fcber Associationen","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:25:30.933906+00:00"}