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{"created":"2022-01-31T12:26:03.519594+00:00","id":"lit4556","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Lipps, Gottlieb Friedrich","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 17: 78-184","fulltext":[{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\nVon\nGottl. Friedr. Lipps.\nDie folgenden Untersuchungen wurden durch die Collectivma\u00df-lehre Fechner\u2019s und durch die Contributions to the mathematical theory of evolution, die Pearson in den Philosophical Transactions of the Royal Society of London ver\u00f6ffentlicht hat, angeregt. Sie gr\u00fcnden sich jedoch weder auf das Werk Fechner\u2019s noch auf die Forschungen Pearson\u2019s, sondern geben eine neue Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde, zu der mich die Erkenntniss f\u00fchrte, dass die von Fechner und Pearson ausgebildeten Methoden zwar weit \u00fcber den von Quetelet vertretenen Standpunkt hinausf\u00fchren, aber doch ihrem Wesen nach mit M\u00e4ngeln behaftet sind, die auch bei der Anwendung der zuerst von Bruns empfohlenen und f\u00fcr die Collectivgegenst\u00e4nde nutzbar gemachten Methoden zur Darstellung willk\u00fcrlich gegebener Functionen nicht \u00fcberwunden werden k\u00f6nnen (vergl. II \u00a7 4).\nAls wesentliche St\u00fctze habe ich blo\u00df das Theorem Jakob Bernoulli\u2019s in der urspr\u00fcnglichen Form, welche die Ars conjectandi gibt, und die Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae von Gau\u00df zu nennen. Die Bedeutung des Bernoulli-schen Theorems erhellt aus den Er\u00f6rterungen \u00fcber die Methoden der Wahrscheinlichkeitsbestimmung (I \u00a7 6). Bez\u00fcglich des Zusammenhangs der im zweiten Capitel entwickelten Methode der Mittel-werthe mit dem von Gau\u00df in der erw\u00e4hnten Abhandlung aufgestellten Princip des mittleren Fehlers verweise ich auf II \u00a7 5.","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n79\nI. Die inductive Wahrscheinlichkeitserkenntniss.\n\u00a7 1. Denkgegenstand und Begriff.\nEin beliebiger, aber bestimmter Gegenstand des Denkens, der durch A bezeichnet werden m\u00f6ge, sei gegeben.\nDa A als gegeben angenommen wird, bleibt seine Herkunft un-er\u00f6rtert. Es ist jedoch klar, dass A einerseits in der urspr\u00fcnglich und schlechthin gegebenen Welt des Bewusstseins wurzelt und anderseits der Beth\u00e4tigung des Denkens sein Dasein verdankt. Denn niemand wird daran zweifeln, dass es weder aus Nichts erschaffene, noch von vom herein vorhandene Gegenst\u00e4nde des Denkens gibt. Die Annahme von A setzt demnach voraus, dass an irgend einem, aus Empfindungen und Gef\u00fchlen bestehenden, r\u00e4umlich und zeitlich geformten Inhalte des Bewusstseins das Denken sich irgendwie be-th\u00e4tigt habe und so zu A gelangt sei.\nEin Bewusstseinsinhalt liegt somit zu Grunde. Er gibt dem Denkgegenstande die reale, psychische Existenz. Es ist jedoch gleichg\u00fcltig, von welcher Art er ist, und ob der Inhalt in seiner r\u00e4umlichen und zeitlichen Wirklichkeit, oder ob nur ein durch das Denken abgesonderter und hervorgehobener Bestandteil jenes Inhalts zum Gegenst\u00e4nde des Denkens gemacht wird.\nWie dem auch sein mag: in jedem Falle muss eine angebbare Beschaffenheit vorhanden sein. Denn A ist ein bestimmter, von anderen unterscheidbarer Gegenstand des Denkens. Die Bestimmtheit beruht auf dem Denken, durch das A in seiner Besonderheit erfasst und unterschieden wird. Da nun das Denken im Urtheilen sich vollzieht, so muss es m\u00f6glich sein, die Beschaffenheit von A durch Urteile, deren logisches Subject A ist, anzugeben. Jedes Urtheil aber, das nicht blo\u00df das Vorhandensein von A behauptet, das also nicht ein blo\u00dfes Existentialurtheil ist, setzt A zu anderen Denkgegenst\u00e4nden m Beziehung. In solchen Beziehungen besteht die logische Bestimmtheit von A. In ihnen bietet sich das von A Erkannte oder Begriffene \u2014 der Begriff von A dar. Mit der Annahme eines bestimmten A wird daher zugleich ein Begriff von A vorausgesetzt. Der Begriff bestimmt oder definirt A.\nDie zum Erfassen und Begreifen von A f\u00fchrende Denkarbeit\nvT","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nGotti. Friedr. Lipps.\nl\u00e4sst den zu Grunde liegenden Bewusstseinsinhalt unver\u00e4ndert. Es haften nur die Denkacte an jenem Inhalte, so dass Denkgegenstand und Begriff sich bilden. Der Vollzug dieses Denkprocesses ist durch die Bed\u00fcrfnisse und die F\u00e4higkeiten des nach Erkenntniss strebenden Geistes bedingt. Dabei kann eine gr\u00f6\u00dfere oder geringere Vollst\u00e4ndigkeit erreicht werden. Es werden darum im allgemeinen Besonderheiten des vorliegenden Bewusstseinsinhaltes unber\u00fccksichtigt bleiben, einestheils, weil das Denken an ihnen kein Interesse hat, anderntheils, weil das Denken ihre Bedeutung nicht zu erkennen vermag. Dies w\u00e4re nur dann ausgeschlossen, wenn der zu Grunde liegende Bewusstseinsinhalt in allen denkbaren Beziehungen klargestellt w\u00e4re, so dass er selbst in seiner Individualit\u00e4t den Denkgegenstand A bildete, und zugleich der Begriff des individuellen Bewusstseinsinhaltes gewonnen w\u00fcrde. So lange dies nicht der Fall ist, d\u00fcrfen die au\u00dfer Acht gelassenen Besonderheiten als abstufbar und ver\u00e4nderlich vorausgesetzt werden, so dass andere Bewusstseinsinhalte an Stelle des vorhandenen treten k\u00f6nnen, die alle in gleicher Weise das Erfassen und Begreifen von A gestatten. Jeder einzelne der eine begrenzte oder unbegrenzte Mannigfaltigkeit bildenden Bewusstseinsinhalte f\u00e4llt unter den Begriff von A\\ und man kann diese Mannigfaltigkeit als den Umfang des Begriffs bezeichnen, w\u00e4hrend unter dem Inhalt des Begriffs die Gesammtheit der A bestimmenden Beziehungen zu verstehen ist.\nWird den im vorliegenden Begriff zusammengefassten Beziehungen eine neue beigesellt, so ver\u00e4ndert sich mit dem Begriff zugleich der Denkgegenstand. Sein psychisches Substrat bleibt allerdings dasselbe; aber seine logische Bestimmtheit wird anders und somit ist er selbst nicht mehr der alte. Weil er aus dem vorhandenen A entsteht, m\u00f6ge er A' hei\u00dfen. Da A die Voraussetzung f\u00fcr A ist, so ist klar, dass jeder Bewusstseinsinhalt, der das Erfassen und Begreifen von \u00c4 gestattet, nothwendig auch das Erzeugen von A erm\u00f6glicht. Es kann aber sehr wohl ein Bewusstseinsinhalt mit den f\u00fcr A geltenden Beziehungen behaftet sein, ohne zugleich die neue, A charakterisirende Beziehung zu zeigen. Der Begriff von A hat darum keinen gr\u00f6\u00dferen Umfang als der Begriff von A\\ er kann aber einen, ebenso gro\u00dfen oder kleineren Umfang haben. Ist der Begriffsumfang von A gleich demjenigen von A, so dass jeder Bewusstseins-","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n81\nInhalt, der als A gedacht werden kann, auch die zu \u00c4 f\u00fchrende Beziehung auf weist, so hat A' als der im Vergleich zu A vollkommener bestimmte Denkgegenstand zu gelten: der Begriff von A' stellt sich als eine Erg\u00e4nzung des Begriffs von A dar. Dann ist kein Anlass, den Unterschied von A' und A in der sprachlichen Bezeichnung hervorzuheben, sondern dasselbe Wort wird im allgemeinen sowohl A! als auch A bezeichnen. Gibt es hingegen Bewusstseinsinhalte, die unter den Begriff von A fallen, ohne jener neuen Beziehung theil-haftig zu sein, so ist der Begriffsumfang von \u00c2 kleiner als derjenige von A. Der Uebergang von A zu \u00c4 f\u00fchrt alsdann zu einer Verengerung des Begriffs von A und es ist nothwendig, auch sprachlich A von A zu unterscheiden. In dem einen wie in dem andern Falle kann A das durch die neue Beziehung n\u00e4her bestimmte A genannt werden.\nFolgendes Beispiel diene zur Erl\u00e4uterung:\nEin Blatt Papier, auf dem drei sich schneidende gerade Linien ausgezogen sind, kann den Bewusstseinsinhalt bilden, an dem das Denken sich beth\u00e4tigt und durch alleiniges Beachten der Form des allseitig umgrenzten Ebenentheils das Dreieck als Denkgegenstand A erzeugt. Das deutliche Erfassen dieses A hat zur Voraussetzung, dass die Dreiecksform von anderen geometrischen Formen unterschieden und durch Besonderheiten, die nur dem Dreieck zukommen, gekennzeichnet wird. Der so zu Stande kommende Begriff des Dreiecks findet in der Definition: \u00bbdas Dreieck ist ein von drei Geraden vollst\u00e4ndig umgrenzter Ebenentheil\u00ab seinen Ausdruck. \u00bbEbenentheil\u00ab \u00bbvollst\u00e4ndige Umgrenzung\u00ab, \u00bbgerade Linie\u00ab, Anzahl \u00bbdrei\u00ab sind somit die Denkobjecte, mit denen das Denkohject \u00bbDreieck\u00ab in Beziehung steht. Diese Beziehungen sind enthalten in den Urtheilen: das Dreieck ist ein Ebenentheil, ist allseitig begrenzt, hat geradlinige Grenzen, hat drei Grenzlinien. Wird das Dreieck in dieser Weise begriffen, so sieht man ein, dass nicht nur der vorliegende, sondern jeder andere, durch drei Gerade vollst\u00e4ndig umgrenzte Ebenentheil ebenso bestimmt ist und unter den Begriff des Dreiecks f\u00e4llt. Denn die Lage und Gr\u00f6\u00dfe der Seiten und Winkel, durch welche sich die einzelnen Dreiecke unterscheiden, bleibt unbeachtet. Jede die Lage und . Gr\u00f6\u00dfe der Seiten und Winkel betreffende Bestimmung ver\u00e4ndert daher den angegebenen Begriff des Dreiecks. Wird z. B. festgesetzt, dass\nWnn dt, Philos. Studien. XVII.\t6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nGotti. Eriedr. Lipps.\nzwei Seiten einander gleich oder senkrecht zu einander gerichtet sein sollen, so wird der Begriffsumfang verengert. Denn von der urspr\u00fcnglichen Mannigfaltigkeit der Dreiecke werden alle diejenigen, welche drei verschieden gro\u00dfe Seiten oder keinen rechten Winkel haben, ausgeschieden. Wird hingegen erkannt, dass die Winkelsumme des Dreiecks gleich zwei Hechten sei, so tritt keine Verengerung, wohl aber eine Erg\u00e4nzung des Begriffs vom Dreieck ein. Der Begriff wird nicht verengert, weil alsdann die drei Winkel eines jeden, von drei Geraden vollst\u00e4ndig umgrenzten Ebenentheils zusammen zwei Rechte betragen. Der Begriff wird hingegen erg\u00e4nzt, weil die urpr\u00fcngliche Definition des Dreiecks, wie die Nicht-Euklid\u2019sche Geometrie lehrt, sich auch mit der Annahme, dass die Summe der Dreieckswinkel kleiner oder gr\u00f6\u00dfer als zwei Rechte sei, vertr\u00e4gt. Denn der Satz: \u00bbdie Winkelsumme ist gleich zwei Rechten\u00ab steht und f\u00e4llt mit der Voraussetzung, dass es zu einer gegebenen Geraden durch einen gegebenen Punkt eine und nur eine Parallele gibt.\nEs zeigt sich so, dass Denkgegenstand und Begriff unl\u00f6slich mit, einander verbundene Erzeugnisse des Denkens sind. Der Denkgegenstand ist das an einem zu Grunde liegenden Bewusstseinsinhalt durch das Denken Erfasste und Hervorgehobene Der Begriff ist die Definition eines Denkgegenstandes, d. h. die einen Denkgegenstand bestimmende Erkenntniss.\nDiese enge Zusammengeh\u00f6rigkeit kann Anlass sein, Denkgegenstand und Begriff mit einander zu vermengen. Die Beachtung des Unterschieds dient aber, wie ich glaube, wesentlich zur Kl\u00e4rung und Sicherung der mannigfachen Schwankungen1) unterworfenen Auffas-\n1) Sigwart (Logik, L, 2. Aufl. 1889, S. 316 ff.) unterscheidet eine dreifache Bedeutung des Wortes \u00bbBegriff\u00ab: eine empirische, f\u00fcr welche der Begriff ein durch ein Wort bezeiehnetes nat\u00fcrliches psychologisches Erzeugniss in der Gestalt einer allgemeinen Vorstellung ist; eine ideale, metaphysische, wonach der Begriff den Zielpunkt des Erkenntnissstrebens angibt und der Ausdruck des Wesens der Dinge ist; eine zwischen der empirischen und metaphysischen Bedeutung liegende logische, welche Bestimmtheit und allgemeine G\u00fcltigkeit der Vorstellungen ohne R\u00fccksicht auf die Uebereinstimmung zwischen Gedachtem und Seiendem fordert. \u2014 Wundt (Logik, I., 2. Aufl. 1893, S. 94 ff.) bezeichnet als logischen Begriff jeden Denkinhalt, der aus einem Urtheil durch Zergliederung desselben gewonnen werden kann, und als wissenschaftlichen Begriff das aus einer Reihe von Urtheilen sich ergebende Resultat einer Erkenntniss, wonach der logische und der wissenschaftliche Begriff als Anfang und Abschluss in der Ent-","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n83\nsungsweise des Begriffs. \u2014 So ist ja auch ein r\u00e4umlich wahrgenom-mener Gegenstand nothwendig r\u00e4umlich bestimmt oder umgrenzt. Man wird aber den r\u00e4umlich umgrenzten Gegenstand nicht mit der r\u00e4umlichen Umgrenzung des Gegenstandes verwechseln. Ueberdies muss schon aus dem Grunde Denkobject und Begriff unterschieden werden, weil der Begriff selbst zum Denkobjecte werden kann. Denn wenn in der Geometrie das Dreieck Gegenstand der Untersuchung ist, so kann in der Logik und Erkenntnisslehre der Begriff des Dreiecks oder auch die Entstehung dieses Begriffs zum Eorschungsobjecte werden.\nIndessen ist hier nicht der Ort, auf die Bedeutung der hervorgehobenen Unterscheidung f\u00fcr die logische Lehre vom Urtheil und Begriff einzugehen. Die soeben angegebene Auffassungsweise des Begriffs muss aber beachtet werden, weil auf ihr die folgenden Darlegungen \u00fcber deductives und inductives Erkennen im allgemeinen und \u00fcber inductive Wahrscheinlichkeitserkenntniss insbesondere beruhen.\n\u00a7 2. Deduction und Induction.\nIch frage nun: wie kann die in dem Begriff des gegebenen A vorliegende Erkenntniss einen Zuwachs erhalten?\nDiese Frage kann zun\u00e4chst bestimmter gestellt werden. Denn jegliches Erkennen, das nicht in dem Erkennen des blo\u00dfen Vorhandenseins von Denkgegenst\u00e4nden besteht, ist ein Erkennen von Beziehungen zwischen verschiedenen Denkgegenst\u00e4nden. Ein Zuwachs zu der bez\u00fcglich A vorhandenen Erkenntniss erfolgt daher nur dann, wenn erkannt wird, dass ein bis jetzt noch nicht auf A bezogener\nWicklung des Denkens sich gegen\u00fcberstehen. \u2014 Ohne auf solche Unterscheidungen einzugehen, nennt Th. Lipps (Grundz\u00fcge der Logik, 1893, S. 124; den Begriff die Bedeutungssph\u00e4re eines \"Wortes. Der Begriff ist \u00bbdie Sph\u00e4re m\u00f6glicher Bewusstseinsobjecte, die und sofern sie in einem sprachlichen Ausdruck ihren zu-sammenfassenden Mittelpunkt und damit zugleich ihre Abgrenzung gefunden haben\u00ab. \u2014 Schuppe hingegen (Erkenntnisstheoretische Logik, 1878, S. 121) sagt: \u00bbDer Begriff im eigentlichen Sinne kann \u00fcberhaupt nur gedacht werden als das Zusammen eines Subjectes mit Pr\u00e4dicaten\u00ab. Er entsteht nicht nur, sondern er besteht aus Urtheilen; und er ist \u00bbnicht das abgesondert von dem hervorbringenden Urthe\u00fc existirende Resultat desselben, sondern er ist selbst dieses Urtheil, reap, eine Mehrheit solcher Urtheile\u00ab.\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nGotti. Friedr. Lipps.\nDenkgegenstand in einer Beziehung zu A steht. Dieser neue Denkgegenstand m\u00f6ge durch B und die Beziehung zwischen A und B durch A; B) bezeichnet werden. Die Frage, wie die Erkenntniss einen Zuwachs erhalten kann, darf daher durch die bestimmtere Frage ersetzt werden: wie kann die Zugeh\u00f6rigkeit eines bis jetzt noch nicht auf A bezogenen B zu A, oder wie kann die Beziehung (A; B) erkannt werden?\nDa diese Beziehung erst erkannt werden soll, so darf sie nicht als bekannt vorausgesetzt werden. Sie kann daher nicht den Inhalt eines unmittelbar vollziehbaren Urtheils bilden, sondern muss erschlossen werden. Soll aber (A ; B) erschlossen werden, so muss eine Beihe zusammenh\u00e4ngender Denkacte ausgef\u00fchrt werden, die eine Verbindung zwischen A und B herstellen. Dies setzt voraus, dass insbesondere ein an A ankn\u00fcpfender Denkact ausf\u00fchrbar sei. Es ist darum festzustellen, wie das Denken an A ankn\u00fcpfen und demzufolge B mit A verkn\u00fcpfen kann. Hierf\u00fcr bestehen zwei M\u00f6glichkeiten.\na. Deduction.\nA ist ein durch die Beziehungen, welche den Begriff von A bilden, bestimmter Denkgegenstand. Eine dieser Beziehungen kann daher dazu dienen, um eine zu B f\u00fchrende Beihe von Denkacten an A anzukn\u00fcpfen. Der hieraus sich ergebende Schluss auf das Bestehen der Beziehung (A; B) gr\u00fcndet sich alsdann auf den Begriff von A: die Beziehung (A; B) wird aus dem Begriff von A abgeleitet. Eine solche Ableitung nenne ich Deduction.\nBezeichnet (A; C) jene dem Begriff von A angeh\u00f6rende Beziehung, so muss demnach der Denkgegenstand C mittelbar oder unmittelbar mit B verkn\u00fcpft sein, so dass die Beziehung ( C; B) als bekannt vorausgesetzt werden darf. Es folgt dann aus dem Zusammenbestehen von (A; C) und (C; B) die Beziehung (A; B), d. h. die Beziehungen (A; C) und (C; B) bilden die Pr\u00e4missen eines Syllogismus, dessen Schlusssatz die zwischen A und B bestehende, erschlossene Beziehung zum Ausdruck bringt.\nDa (A; B) aus dem Begriff von A folgt, so bleibt dieser Begriff unver\u00e4ndert. Denn das Erkennen einer Folge kann den Grund, aus dem die Folge sich ergibt, nicht \u00e4ndern. Der Begriff von A hat","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der CoUectivgegenst\u00e4nde.\n85\ndarum nach dem Vollzug der Deduction den n\u00e4mlichen Inhalt und Umfang wie vorher, so dass die neu erschlossene Beziehung ohne weiteres von jedem Bewusstseinsinhalt gilt, der unter den Begriff von A f\u00e4llt.\nEs wird aber ein Zuwachs an Erkenntniss erzielt. Sonach gibt es au\u00dfer den Beziehungen, welche einen gegebenen Gegenstand des Denkens bestimmen und den Begriff desselben festlegen, noch andere Beziehungen, die mittelbar (auf Grund des Begriffs) dem Denkgegen-stande angeh\u00f6ren. Deshalb scheint es zweckm\u00e4\u00dfig, den Begriff und den logischen Bereich eines Denkgegenstandes zu unterscheiden. Der Begriff erh\u00e4lt die Beziehungen, welche dem Denkgegenstande die Bestimmtheit f\u00fcr das Denken verleihen ; der logische Bereich umfasst alle auf Grund des Begriffs erschlie\u00dfbaren Beziehungen.\nJede Deduction aus A f\u00fchrt alsdann zu einer dem logischen Bereich von A angeh\u00f6renden Beziehung. Und da jede derartige Beziehung durch den Begriff von I an A gekn\u00fcpft ist, so kann sie stets auf deductivem Wege erkannt werden. Die Deduction wird mithin dadurch gekennzeichnet, dass die erschlossene Beziehung aus dem vorliegenden Begriffe folgt, somit f\u00fcr den ganzen Umfang des Begriffs gilt und den Inhalt des Begriffs nicht ver\u00e4ndert.\nIst z. B. ein Parallelogramm als Denkgegenstand A gegeben, und wird der Begriff desselben durch die Definition: \u00bbdas Parallelogramm ist ein Viereck, an dem je zwei gegen\u00fcberliegende Seiten parallel sind\u00ab festgelegt, so folgt aus dem Parallelismus je zweier gegen\u00fcberhegender Seiten die Oongruenz der beiden Dreiecke, in die das Parallelogramm durch eine Diagonale zerlegt wird; und aus der Congruenz dieser Dreiecke folgt weiterhin die Gleichheit je zweier gegen\u00fcberliegender Seiten des Parallelogramms. Diese Gleichheit ist hier der Denkgegenstand B, der durch den Begriff von A an A gekn\u00fcpft ist. Die so gewonnene Erkenntniss gilt f\u00fcr alle Parallelogramme, da sie alle in gleicher Weise als Vierecke mit je zwei parallelen Seiten begriffen werden. Sie l\u00e4sst ferner den anf\u00e4nglichen Begriff des Parallelogramms wie er ist, da die Beziehung zwischen dem Parallelogramm und der Gleichheit gegen\u00fcberliegender Seiten aus der Beziehung zwischen dem Parallelogramm und dem Parallelismus gegen\u00fcberliegender Seiten folgt.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nGotti. Friedr. Lipps.\nb. Induction.\n1st (A ; B) nicht deductiv erkennbar, so kann diese Beziehung nicht zum logischen Bereiche von A geh\u00f6ren : sie ist dem Begriff von A in der vorliegenden Form fremd. Die Erkenntniss von (A ; B) setzt daher eine ver\u00e4nderte Auffassung von A voraus, so dass an dem aus A entstandenen Al die fragliche Beziehung, die somit in Wahrheit eine Beziehung (A ; B) ist, haftet. Ist nun A an Stelle von A getreten, so geh\u00f6rt die Beziehung (A' ; B) entweder dem Begriff oder dem logischen Bereich von A an. Sie geh\u00f6rt zum Begriff von A, wenn sie unmittelbar zur Bestimmung von A dient. Sie geh\u00f6rt zum logischen Bereich von A', wenn A durch eine andere neue Beziehung {A1 ; C), die gleichfalls dem Begriff von A in der vorliegenden Gestalt fremd ist, bestimmt wird, und sodann (A'; B) aus (A; C) deducirt werden kann. Es ist aber \u00c4 nichts anderes, als das durch die Bezugnahme auf B oder C n\u00e4her bestimmte A. Man kann darum A\u2019 das mit B unmittelbar oder mittelbar in Beziehung gesetzte A nennen und sagen, dass die Beziehung (A\\ B) den bereits vorhandenen Beziehungen beigesellt und in den Begriff von A oder in den logischen Bereich von A eingef\u00fchrt wird. Eine solche Einf\u00fchrung nenne ich Induction.\nEs fragt sich nun, wie die ver\u00e4nderte Auffassung von A oder der Fortgang von A zu A oder die n\u00e4here Bestimmung von A durch Induction m\u00f6glich ist. Um dies einzusehen, ist die Entstehung der Denkgegenst\u00e4nde zu ber\u00fccksichtigen.\nEin Denkgegenstand entsteht, indem das Denken an dem urspr\u00fcnglich und schlechthin gegebenen Inhalte des Bewusstseins sich beth\u00e4tigt. A kann daher ohne einen zu Grunde liegenden Bewusstseinsinhalt und die an letzterem vollf\u00fchrte Denkarbeit nicht bestehen. Der Bewusstseinsinhalt und die Denkarbeit bilden die unumg\u00e4ngliche Voraussetzung f\u00fcr A. Ich will sie die Unterlage von A nennen. Demzufolge ist es m\u00f6glich, statt auf den Begriff von A vielmehr auf die Unterlage von A sich zu st\u00fctzen, um den Zusammenhang von A und B zu erschlie\u00dfen. Die Unterlage von A kann n\u00e4mlich zugleich die Unterlage von B oder von einem in erkennbarer Beziehung zu B stehenden C sein, so dass, wenn A durch das Denken erfasst wird, zugleich B oder C zum Gegenst\u00e4nde des Denkens wird.","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n87\nDann ist das Zusammensein von A und B oder von A und C eine Thatsache, die bemerkt und im Ged\u00e4chtniss behalten wird, so dass die Reproduction von A die Erinnerung an B oder C wachruft. Es entsteht so die Neigung, auch hei einer ver\u00e4nderten Unterlage das Zusammen von A und B oder von A und C zu erwarten. Und diese Neigung wird um so st\u00e4rker, je \u00f6fter die Erwartung best\u00e4tigt wurde.\nDie mehr oder minder feste Association von Denkohjecten, wobei ihre jeweilige gemeinsame Unterlage au\u00dfer Acht bleiben kann, berechtigt aber keineswegs, diese Denkobjecte ohne R\u00fccksicht auf ihre Unterlage als zusammengeh\u00f6rig aufzufassen, so dass A durch die Bezugnahme auf B oder C eine gr\u00f6\u00dfere Bestimmtheit f\u00fcr das Denken erhielte und das an dieser oder jener Unterlage thats\u00e4chlich beobachtete Zusammensein zu einer f\u00fcr das Denken verbindlichen Zusammengeh\u00f6rigkeit w\u00fcrde. Und doch muss dies geschehen, wenn eine Induction stattfinden soll.\nDie Herbeif\u00fchrung dieses Erfolges hat zur Voraussetzung, dass das Denken bef\u00e4higt ist, Objecte auf einander zu beziehen und mit einander zu verkn\u00fcpfen, d. h. einen thats\u00e4chlich gegebenen Zusammenhang als logischen Zusammenhang aufzufassen; und dass ferner dem menschlichen Geiste der Trieb innewohnt, auf Grund dieser Bef\u00e4higung das gesammte Sein und Geschehen in einen durchg\u00e4ngigen und widerspruchslosen Zusammenhang zu bringen. Es wird sonach allerdings stets das Streben vorhanden sein, ein mit A associates B oder C als zugeh\u00f6rig zu A anzusehen.\nDem bezeichneten Trieb zufolge m\u00fcsste aber jedes thats\u00e4ehliche Zusammensein von Denkobjecten in gleicher Weise und in gleichem Ma\u00dfe f\u00fcr das Denken als Zusammengeh\u00f6rigkeit gelten. Dies mag f\u00fcr die Anf\u00e4nge des Erkennens in der That zutreffen. So wird wohl einem unreifen Denken jede in die Augen fallende Eigenschaft und jeder der Aufmerksamkeit sich aufdr\u00e4ngende Zustand eines Dinges ohne Kritik f\u00fcr wesentlich gelten und das Behaftetsein mit jenen Eigenschaften und Zust\u00e4nden als zum Begriff des Dinges geh\u00f6rig erscheinen. Diese naive Auffassungsweise h\u00e4lt aber nicht Stand, wenn ein Vorrath von Erkenntnissen sich sammelt und jede neue Beziehung in ein System bereits erkannter Beziehungen sich widerspruchslos einf\u00fcgen lassen muss.\nEs ist darum einestheils die im Begriff von A bereits vorliegende","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nGotti. Friedr. Lipps.\nErkenntniss in R\u00fccksicht zu ziehen, und es sind anderntheils die aus der neuen Beziehung sich ergebenden Folgerungen zu beachten, wenn man aus der Thatsache, dass an dieser oder jener Unterlage A mit B oder mit C verbunden ist, mit Fug und Recht den Schluss ziehen will, dass diese Denkobjecte ohne R\u00fccksicht auf jene Unterlage zusammengeh\u00f6ren. Denn die Beziehung (A; B) oder (A; C) muss in dem mannigfach zusammenh\u00e4ngenden Gewebe von Erkenntnissen ihre Stelle behaupten. Auch kann erst durch die Beachtung dieses Zusammenhanges entschieden werden, oh die neue Beziehung f\u00fcr den ganzen Umfang des Begriffs von A oder nur f\u00fcr einen Theil desselben gilt, oh \u2014 mit andern Worten \u2014 die n\u00e4here Bestimmung des vorhandenen Begriffs von A eine Erg\u00e4nzung dieses Begriffs ist, oder zu einer Verengerung des Begriffs f\u00fchrt.\nHiernach ist der Trieb nach Erkenntniss die Vorbedingung, und die gemeinsame Unterlage der Denkobjecte die Grundlage und der Ausgangspunkt der Induction. Ihre Ausf\u00fchrung besteht aber in dem Schluss, dass die an dieser oder jener Unterlage thats\u00e4chlich verbundenen Denkobjecte A und B oder A und C in einer logischen, f\u00fcr das Denken verbindlichen Zusammengeh\u00f6rigkeit stehen.\nEs kann aber kein Kriterium angegeben werden, wonach von vorn herein und in jedem Falle entschieden werden k\u00f6nnte, oh die Beziehung (A; B) oder (A; C) dem Begriff von A in seinem ganzen Umfang oder nur mit Einschr\u00e4nkung zukommt. Der Erfolg der Induction kann darum ebensowohl eine Begriffserg\u00e4nzung, wie eine Begriffsverengerung sein.\n\u00a73. Scheinbare und wirkliche Induction.\nEs ist denkbar, dass der vorliegende Begriff von A hinreicht, um die als Thatsache gegebene Verbindung mit B zu verstehen. Die Beziehung zwischen A und B kann dann nicht dem Begriff selbst, sie muss vielmehr dem logischen Bereiche von A angeh\u00f6ren. Denn mit A ist der Begriff von A vorauszusetzen (nach \u00a7 1). Es m\u00fcsste somit auch die Beziehung zwischen A und B, wenn sie zu dem Begriff von A geh\u00f6rte, schon bekannt sein, und die Constatirung der Thatsache, dass A mit B wirklich verbunden ist, w\u00e4re f\u00fcr das Denken","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Dio Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n89\nohne Bedeutung. Geh\u00f6rt aber die Beziehung dem logischen Bereiche von A an, so muss es m\u00f6glich sein, dieselbe aus dem Begriff yon A zu deduciren, da die Erforschung des logischen Bereichs Aufgabe der Deduction ist.\nDer Ausf\u00fchrung der Deduction k\u00f6nnen indessen Schwierigkeiten gegen\u00fcberstehen, die zur Zeit un\u00fcberwindlich sind. Die den Zusammenhang von A und B vermittelnden Denkobjecte wollen sich vielleicht nicht finden lassen, so dass man den Weg nicht kennt, auf dem die Deduction ans Ziel gelangen kann. Dann ist es gewiss sehr werthvoll, die Verbindung von B mit A in einem besonderen Fall als Thatsache vor Augen zu haben, da man hierdurch m\u00f6glicherweise auf den rechten Weg geleitet wird. Eine Induction, eine Einf\u00fchrung in den logischen Bereich von A findet jedoch nicht statt; eben weil die Beziehung \u2014 wenn sie auch nicht erkannt war \u2014 doch dem logischen Bereich von A bereits angeh\u00f6rt.\nIst z. B. ein rechtwinkliges Dreieck als Denkobject A gegeben, so kann man sich ohne weiteres dar\u00fcber klar werden, dass eine Seite, etwa die Hypotenuse a, eine Function der beiden andern Seiten, der Katheten b und c, ist. Denn durch die beiden Katheten ist das rechtwinklige Dreieck und somit auch die Hypotenuse a vollst\u00e4ndig bestimmt. Diese Einsicht erm\u00f6glicht* aber keine Bestimmung der Form der Function; und man kann nur vorl\u00e4ufig auf Grund der Bemerkung, dass a = b, wenn c = 0, und a \u2014 c, wenn b = 0, etwa die Form a \u2014 b c -\\-b \u25a0 c \u2022 cp (be) oder allgemein die Form\nan = bn + c11 -}- b \u2022 c \u2022 cp (be)\nvoraussetzen, wo rp (bc) eine Function sein muss, die f\u00fcr b = 0 und c = 0 nicht unendlich gro\u00df wird, damit f\u00fcr b = 0 und f\u00fcr c = 0\nb \u25a0 c \u25a0 cp (bc) = 0 .\nDann wird es in der That durchaus zweckm\u00e4\u00dfig sein, die Seiten eines construirten rechtwinkligen Dreiecks sorgf\u00e4ltig zu messen. Findet man beispielsweise f\u00fcr a, b, c der Reihe nach 5, 3, 4 L\u00e4ngeneinheiten, oder eine solche Ann\u00e4herung an diese Werthe, dass die Abweichungen als blo\u00dfe Messungsfehler aufgefasst werden k\u00f6nnen, so wird man leicht bemerken, dass\n5S = 3* + 4* .","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nGotti. Eriedr. Lipps.\nMan wird so zu der Vermuthung gef\u00fchrt, dass f\u00fcr die vorausgesetzte Form der Function n \u2014 2 und <p (bc) = 0 und somit\no* = fe2 + c*\nzu setzen sei. Die fr\u00fchere Rathlosigkeit \u00fcber den Weg. auf dem man zu der Bestimmung der Abh\u00e4ngigkeit zwischen den Seiten a, b und c gelangen k\u00f6nne, ist nun beseitigt: die empirische Feststellung der Werthe a = 5, b \u2014 3, e = 4 dient als Wegweiser. Denn nun wird man die Quadrate \u00fcber den Seiten a, b, c construiren und durch Vergleichen und geeignetes Zerlegen derselben zu dem Beweise des Pythagoreischen Lehrsatzes gelangen. Man findet so in der Gleichheit zwischen dem Quadrate \u00fcber der Hypotenuse und der Summe der Quadrate \u00fcber den beiden Katheten das Denkohject B, das mit dem als Denkobject A gegebenen rechtwinkligen Dreieck in logischem Zusammenh\u00e4nge steht. Die Beziehung zwischen A und B geh\u00f6rt aber dem logischen Bereiche von A an, da sie auf Grund des vorhandenen Begriffs von A erkannt werden kann.\nEine Induction in dem oben angegebenen Sinne l\u00e4ge auch dann nicht vor, wenn die Form der Function weniger einfach w\u00e4re und die empirische Feststellung der Werthe von a, b und c in einem einzigen Falle nicht gen\u00fcgen w\u00fcrde, um auf den rechten Weg zu leiten. Selbst wenn hundert oder tausend solcher empirischer Feststellungen noth wendig w\u00e4ren, so k\u00f6nnen sie doch nur als Wegweiser f\u00fcr die Ausf\u00fchrung der Deduction dienen. Und der bereits vorhandene Begriff m\u00fcsste ausreichen, um die fragliche Beziehung zu erkennen; denn andernfalls w\u00fcrde nicht eine geometrische, f\u00fcr das Dreieck als solches g\u00fcltige Wahrheit gefunden werden.\nUm auch ein dem arithmetischen Gebiete angeh\u00f6rendes Beispiel von scheinbarer Induction anzuf\u00fchren, m\u00f6ge der Begriff der Potenz, d. h. eines aus lauter gleichen Factoren bestehenden Productes als bekannt vorausgesetzt werden und die allgemeine Potenz von a + b als Denkobject A gegeben sein. Es besteht dann offenbar eine Beziehung zwischen den Potenzen von a + b und den Potenzen von a und b, die vorl\u00e4ufig in der Form\n(a + b)n = an +\t+ c.1%nan~W- + ... cn_unabn~' + bn\ndarstellbar ist. Sind nun die zur Bestimmung der Ooefficienten c dienenden S\u00e4tze aus der Combinatorik unbekannt, und ist man nicht","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n91\nim Stande, dieselben abzuleiten, um so aus dem Begriff der Potenz jene Beziehung ohne weiteres zu deduciren, so kann man aus der Berechnung von\n(a + b)2 = a~ + 2ab + b\u00b0-,\n(a + b)3 = a3 + 3cfib + 3ab9- + b3, u. s. w.\ndie Vermuthung gewinnen, dass allgemein\n(a + b)n = an +\t-f-\tb\u2018 + . . . -)- bn .\nDie Richtigkeit dieser Vermuthung wird sodann bewiesen, indem man zeigt, dass nun auch\n(a + b)n+{ =- an+t + ~~t\u2014anb +\t+ .. . +\t.\nDenn da die Pormel f\u00fcr w = 2 gilt \u2014 wie die unmittelbare Berechnung lehrt \u2014, so gilt sie auch f\u00fcr n \u2014 3 und somit auch f\u00fcr n \u2014 4, folglich auch f\u00fcr n = 5 u. s. w. in infinitum.\nHier sind es nicht einmal empirisch festgestellte Thatsachen wie im vorigen Beispiele, sondern Berechnungen, d. h. auf dem Begriffe der Zahl und insbesondere der Potenz beruhende Deductionen, die als Wegweiser zum Auf finden der gesuchten Beziehung dienen. Diese vorl\u00e4ufigen Berechnungen haben aber mit dem Beweise selbst gar nichts zu thun. Denn der Beweis besteht lediglich darin, dass ein zun\u00e4chst blo\u00df vermuthetes Gesetz als richtig erwiesen wird, indem durch den Schluss von n auf n + 1 und durch die Erprobung f\u00fcr n \u2014 2 gezeigt wird, dass es f\u00fcr jeden einzelnen der unendlich vielen F\u00e4lle n = 2, 3, 4 . . . in infinitum tliats\u00e4chlich gilt. Man sollte darum das gew\u00f6hnlich als vollst\u00e4ndige Induction bezeichnete mathematische Beweis verfahren vielmehr einen Beweis durch eine unbegrenzte Reihe von Deductionen nennen.\nDie so erkannte Beziehung geh\u00f6rt aber in der That dem logi-gischen Bereiche der Potenz von a + b an; sie enthielte ja sonst keine arithmetische, auf dem Begriffe der Zahl beruhende Erkenntniss.\nDer Schein einer Induction entsteht demgem\u00e4\u00df dann, wenn die Beobachtung einzelner Thatsachen oder eine f\u00fcr specielle F\u00e4lle de-ductiv gewonnene Einsicht zu einer Vermuthung f\u00fchrt, die es erm\u00f6glicht, aus dem vorhandenen Begriffe eines Denkgegenstandes eine","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"02\tGotti. Friedr. Lipps.\ndem logischen Bereiche dieses Denkgegenstandes angeh\u00f6rige Beziehung zu deduciren.\nEine wirkliche Induction kann hingegen nur dann stattfinden, wenn es nicht m\u00f6glich ist, aus der im Begriffe des gegebenen A vorliegenden Erkenntniss die Beziehung zwischen A und B zu erschlie\u00dfen. Man muss daher \u00fcber den vorliegenden Begriff hinausgehen. Dies Hinausgehen ist aber nur in der Weise m\u00f6glich, dass den im vorhandenen Begriffe zusammengefassten Beziehungen eine neue Beziehung beigesellt wird. Darum wurde oben die Einf\u00fchrung einer solchen neuen Beziehung in den vorhandenen Begriff, die entweder zu einer Begriffserg\u00e4nzung oder zu einer Begriffsverengerung f\u00fchrt, als das Wesen der Induction hervorgehohen.\nDiese Unterscheidung zwischen scheinbarer und wirklicher Induction l\u00e4sst sich nicht durchf\u00fchren, wenn man in dem Auf steigen vom Einzelnen zum Allgemeinen oder in der Verallgemeinerung \u00fcberhaupt das wesentliche Kennzeichen der Induction erblickt. Denn auch in den angef\u00fchrten Beispielen scheinbarer Induction ist anf\u00e4nglich nur eine beschr\u00e4nkte Einsicht und zuletzt die f\u00fcr den ganzen Begriffsumfang g\u00fcltige Erkenntniss vorhanden. Es findet daher auch hier ein Aufsteigen vom Einzelnen zum Allgemeinen statt, wennschon das Einzelne nur als Kothbehelf dient und schlie\u00dflich nicht das Einzelne sondern der vorhandene Begriff den Fortschritt in der Erkenntniss erm\u00f6glicht. Da nun den obigen Darlegungen zufolge die scheinbare Induction sich als eine Deduction darstellt, bei der die Mittelglieder nicht von vorn herein bekannt sind und unmittelbar vor Augen stehen, sondern als Vermuthungen durch die Betrachtung specieller F\u00e4lle nahe gelegt werden, so muss ich zugehen, dass ich zu der \u00fcblichen Auffassung ') in einen gewissen Gegensatz trete. In-\n1) Die Induction als Verallgemeinerung aufzufassen, wurde durch Aristoteles veranlasst, der die Induction oder Epagoge im Gegensatz zum Syllogismus als das Hinaufsteigen vom Einzelnen zum Allgemeinen bezeichnete (inayutyh i-ano tow xa\u00ff-'\u00cbxaGTOv Inl i<: xa&oXov Ecpo\u00e4os). Angaben \u00fcber die Entwicklung der Lehre von der Induction findet man unter anderen bei A pelt, Theorie der Induction, 1854, S. 129 ff. und bei Sigwart, Logik, H., 2. Auf!., S. 403 ff. \u2014 Sigwart selbst definirt das Inductionsverfahren \u00bbals Methode der Gewinnung-allgemeiner S\u00e4tze aus einzelnen Wahrnehmungen\u00ab. \u2014 Aehnlich sagt Wundt (Logik, H., 1. Abth., 2. Aufl., S. 25): \u00bbAls das Resultat der Induction ergibt, sich stets ein allgemeiner Satz, welcher die einzelnen Thatsachen der Erfahrung.","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n93\ndessen wird wohl aus den folgenden Er\u00f6rterungen die Triftigkeit der hier vertretenen Auffassungsweise erhellen.\n\u00a7 4. Axiom und Hypothese.\nDa eine wirkliche Induction nicht auf vorhandene Begriffe sich gr\u00fcnden kann, so muss man von der Unterlage der Denkobjecte ausgehen, um die Zusammengeh\u00f6rigkeit von A und B zu erschlie\u00dfen. Nimmt man der Einfachheit wegen an, dass B selbst an A durch die gemeinsame Unterlage gekn\u00fcpft sei; sieht man also davon ab, dass auch ein anderer, mit B in erkennbarer Beziehung stehender Denkgegenstand C die n\u00e4mliche Unterlage wie A haben und dass auf diese Weise die Erkenntniss von (A; B) durch die inductiv erkannte Beziehung (A; C) in Verbindung mit der Beziehung [C\\ B) gewonnen werden kann \u2014 so ist die Thatsache, dass die Denkobjecte A und B irgendwann und irgendwo verbunden sind, die einzige Quelle, aus der die Erkenntniss der Zusammengeh\u00f6rigkeit von A und B gesch\u00f6pft werden kann.\nDer Zusammenhang von Naturerscheinungen, die Verkn\u00fcpfung psychischer Erlebnisse, die Vereinigung verschiedener Merkmale an einem und demselben physischen oder psychischen Tr\u00e4ger sind solche Verbindungen. Denn indem die Naturerscheinung A, oder das Er-lebniss A, oder das Merkmal A Gegenstand des Denkens wird, dr\u00e4ngt sich zugleich die mit A zusammenh\u00e4ngende Naturerscheinung B, odeV das mit A verkn\u00fcpfte Erlebniss B, oder das mit A vereinigte Merkmal B der Beachtung auf, so dass nicht nur A sondern auch B und zwar zusammen mit A (an der n\u00e4mlichen Unterlage) bemerkt wird.\nIn diesen beispielsweise angef\u00fchrten F\u00e4llen liegt es unzweifelhaft an der Beschaffenheit des Gegebenen, das Gegenstand des Bewusstseins wird, wenn A und B zusammen bemerkt werden. Die dem In-\ndie zu seiner Ableitung gedient haben, als specielle Talle in sieh enth\u00e4lt\u00ab. \u25a0\u2014 Schuppe nennt (Erkenntnisstheoretische Logik, S. 130) Induction \u00bbdas Verfahren, Ursache und Wirkung zu erkennen und so allgemeine S\u00e4tze aufzustellen\u00ab. \u2014 Th. Lipps versteht (Grundz\u00fcge der Logik, S. 170) \u00bbunter Induction allgemein die Verallgemeinerung einzelner Urtheile\u00ab und bezeichnet als die Voraussetzung der Induction das Denkgesetz, demzufolge jedes Erfahrungs- oder Erinnerungs-urtheil ein allgemeines Urtheil von Haus aus unmittelbar in sich schlie\u00dfe.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\tGotti. Friedr. Lipps.\nductionsprocess zu Grunde liegende Thatsache ist alsdann eine Erfahrungsthat sache.\nWeniger zweifelsfrei erscheint die Grundlage der Induction in folgendem Beispiele: Das Dreieck wird bekanntlich als ein von drei Geraden vollst\u00e4ndig umgrenzter Ebenentheil definirt. Nun ist dieses A dadurch ausgezeichnet, dass die Summe der drei Winkel gleich zwei Hechten ist. Diese Eigenschaft ist das B, das thats\u00e4chlich mit A verbunden ist. Die Verbindung von A und B ist aber nicht aus dem Begriff von A deducirbar; sie wird somit nicht scheinbar sondern wirklich auf inductivem Wege erkannt. Denn alle Versuche, den Satz von der Winkelsumme des Dreiecks zu beweisen, schlugen fehl; und die Unm\u00f6glichkeit des Beweises wurde dargethan, als es gelang, ein folgerichtiges System geometrischer Wahrheiten unter der Voraussetzung, dass die Winkelsumme nicht gleich zwei Hechten sei, oder unter Preisgabe des Parallelenaxioms zu entwickeln. Es schien darum die Thatsache, dass im Dreieck die Winkelsumme gleich zwei Hechten ist, eine Erfahrungsthatsache zu sein ; und dem entsprechend wurde die Geometrie als eine auf Erfahrung gegr\u00fcndete Wissenschaft bezeichnet.\nEs ist aber zu beachten, dass die Denkobjecte zwar in dem urspr\u00fcnglich und schlechthin Gegebenen wurzeln, und somit eine als Thatsache vorliegende Verbindung allerdings in der Beschaffenheit des Gegebenen ihren Ursprung haben kann, dass aber anderseits die Denkobjecte auch der Beth\u00e4tigung des Denkens ihr Dasein verdanken und darum Spuren der Denkarbeit an sich tragen, die nicht von der Beschaffenheit des Gegebenen sondern von der Art und Weise des Denkens herr\u00fchren.\nNun beth\u00e4tigt sich das Denken auch im r\u00e4umlichen und zeitlichen Ordnen des Gegebenen oder in der anschaulichen Auffassung des Gegebenen. Demnach kann nur die Erforschung der Beschaffenheit des Denkens zu einer Entscheidung dar\u00fcber f\u00fchren, ob der Satz von der Winkelsumme des Dreiecks und in solidarischem Zusammenh\u00e4nge damit die im Parallelenaxiom ausgesagte Eigenschaft der Ebene der Erfahrung entstammt, oder vielmehr auf die dem menschlichen Geiste eigenth\u00fcmliche Weise des r\u00e4umlichen Ordnens sich gr\u00fcndet. Je nachdem das erstere oder das letztere der Pall ist, wird die","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\t95\nGeometrie mit Recht oder mit Unrecht eine Erfahrungs Wissenschaft genannt.\nMan wird hierdurch darauf aufmerksam, dass eine als Thatsache vorliegende Verbindung von Denkobjecten nicht nur in der Beschaffenheit des Gegebenen oder in der Erfahrung, sondern, auch in der Art und Weise des Denkens oder in den Denkformen ihren Ursprung haben kann. Und es ist offenbar unm\u00f6glich, beide Arten von That-sachen in jedem Falle unzweideutig zu unterscheiden. Denn die Ansichten \u00fcber den Ursprung der geometrischen Erkenntniss sind ja in der That getheilt, indem die grundlegenden S\u00e4tze von den einen als a priori g\u00fcltige, von den andern als empirisch gefundene Wahrheiten auf gefasst werden.\nDemzufolge ist es nicht durchf\u00fchrbar, nur Erfahrungstatsachen als Grundlage des Inductionsprocesses vorauszusetzen. Vielmehr sind auch die auf den Denkformen beruhenden That-sachen zu ber\u00fccksichtigen, wenn man das ganze Gebiet inductiver, d. h. auf Thatsachen gegr\u00fcndeter und nicht aus vorhandenen Begriffen deducirbarer Erkenntniss \u00fcbersehen will. Und darum wurde oben nicht nur der dem Denkgegenstande zu Grunde liegende Inhalt des Bewusstseins, sondern auch die den Denkgegenstand erzeugende Denkarbeit als die Unterlage des Denkgegenstandes bezeichnet, von der die Induction ihren Ausgang nehmen m\u00fcsse.\nBeruht nun das Zusammen der Denkobjecte A und B auf der Art und Weise des Denkens, so kann offenbar A nicht anders als in Verbindung mit B gedacht werden. Dann wird, welches auch der dem A zu Grunde liegende Bewusstseinsinhalt sein m\u00f6ge, immer und \u00fcberall, sobald A erzeugt wird, auch B mit A verbunden sein. Die Beziehung zwischen A und B geh\u00f6rt somit dem Begriffe von A in seinem ganzen Umfange an. \u2014 Da ferner B nothwendig, n\u00e4mlich auf Grund der Formen, an die das Denken gebunden ist, zu A gek\u00f6rt, so kann man nicht sagen, dass A in den bis jetzt beachteten F\u00e4llen, oder soweit die Erfahrung reicht, mit B verbunden sei; es 'st vielmehr gar nicht denkbar, dass A ohne B zum Gegenst\u00e4nde des Denkens werden k\u00f6nne. Die Zusammengeh\u00f6rigkeit von A und B ist daher unmittelbar und unbedingt, d. h. unabh\u00e4ngig von aller Erfahrung oder a priori gewiss. \u2014 Wenn aber auch B nothwendig und durchweg mit A verbunden ist, so muss diese Ver-","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nGotti. Friedr. Lipps.\nbindung doch erst erkannt werden. Vorbedingung hierf\u00fcr ist, dass B neben A und verbunden mit \u00c4 bemerkt wird und nicht nur unbemerkt mit A verkn\u00fcpft ist. Aber erst die Reflexion \u00fcber die Beth\u00e4tigungsweise des Denkens erm\u00f6glicht die Erkenntniss, dass B nicht blo\u00df an diesem oder jenem Bewusstseinsinhalte, der zur Erzeugung von A Gelegenheit gab, sich thats\u00e4chlich vorfindet, sondern immer sich vorfinden muss, wenn A Gegenstand des Denkens werden soll. Nunmehr wird die Beziehung zwischen A und B als ein denk-nothwendiger Bestandtheil in den Begriff von A eingef\u00fchrt. Ist aber auf diese Weise die Zugeh\u00f6rigkeit von B zu A auf inductivem Wege erkannt worden, so f\u00fchlt man nicht das Bed\u00fcrfniss, immer von neuem zu pr\u00fcfen, ob denn auch wirklich in jedem Ealle A mit B verbunden ist. Die Verbindung von A und B wird vielmehr unbedingt und unabh\u00e4ngig von der Erfahrung gefordert: sie ist ein Axiom.\nIn den Axiomen stellt sich mithin diejenige inductiv gewonnene Erkenntniss dar, die auf den in der Beth\u00e4tigungsweise des Denkens begr\u00fcndeten Thatsachen beruht'].\nSo ist es z. B. eine in der Natur des Denkens begr\u00fcndete That-sache, dass jedes Denkobject eine Einheit darstellt und zu anderen Denkobjecten in Beziehung sf,eht. Denn das Denken ist nun einmal ein einheitlich erfassendes und Beziehungen setzendes Denken. Demnach haben die beiden Urtheile: \u00bbjedes Denkobject ist eine Einheit und steht zu anderen Denkobjecten in Beziehung\u00ab die Bedeutung von Axiomen. Sie k\u00f6nnen nicht deductiv erkannt werden, da das \u00bbeinheitliche Erfassen\u00ab und \u00bbin Beziehung setzen\u00ab die Entstehung der\n1) Es sind daher auch die Axiome der Mathematik inductiv erkannte Wahrheiten. Wenn hierin eine Best\u00e4tigung des von Wundt iLogik, II. 1. Abth., S. 118) ausgesprochenen Satzes liegt, dass alle mathematischen Axiome durch Induction entstanden seien, so wird doch keineswegs, wie aus den obigen Darlegungen hinreichend erhellt, zugestanden, dass die inductive Erkenntniss dieser Axiome auf Erfahrung sich gr\u00fcnde. Die Beth\u00e4tigungsweise des Denkens ist vielmehr die Grundlage. \u2014 Die Entwicklung der Zahlenreihe aus der Keihenform des Denkens und die Ableitung der sogenannten allgemeinen Zahlen (der positiven und negativen, der beliebig theilbaren oder rationalen und irrationalen, der gew\u00f6hnlichen und h\u00f6heren complexen Zahlen) aus bestimmten Formen des beziehenden, nach Grund und Folge verkn\u00fcpfenden Denkens habe ich in meinen \u00bbUntersuchungen \u00fcber die Grundlagen der Mathematik\u00ab Philosophische Studien, XI und XIV) gegeben.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Colleetivgegenst\u00e4nde.\n97\nDenkobjecte und Begriffe erst erm\u00f6glicht und die Voraussetzung f\u00fcr jede Deduction bildet. Sie beruhen aber auch nicht auf der Erfahrung, da es nicht am Gegebenen sondern am Denken hegt, wenn die Objecte einheitlich erfasst und auf andere Objecte bezogen werden.\nBeruht hingegen das Zusammen der Denkobjecte A und B auf der Erfahrung und nicht auf der Art und Weise des Denkens, so ist es denkbar, dass die Unterlage von A nicht auch die Unterlage von B sei. Denn es k\u00f6nnte ja das Gegebene anders beschaffen sein, als es thats\u00e4chlich beschaffen ist. Die empirisch gegebene Verbindung von A und B ist darum nicht denknothwendig : sie ist kein Axiom. Dies k\u00f6nnte nur dann bestritten werden, wenn das Gegebene \u2014 seinem Wesen widersprechend \u2014 kein Gegebenes w\u00e4re, sondern eine freie Sch\u00f6pfung des Denkens. Dann allerdings k\u00f6nnte das Gegebene nur die Formen des Denkens in objectiver Ausgestaltung zur Schau tragen und diese Ausgestaltungen w\u00e4ren so unwandelbar wie die Formen selbst, an die das Denken gebunden ist. Denn andere Formen als die, in welchen wir denken, sind f\u00fcr uns nicht denkbar.\nAnderseits muss jedoch die Verbindung von A und B denk-m\u00f6glich, d. h. mit der bereits erworbenen Erkenntniss und dem bis jetzt vorhandenen Begriff von A insbesondere vertr\u00e4glich sein. Denn der Trieb nach Erkenntniss geh\u00f6rt zum Wesen des Menschen. In Folge dieses Triebes fordert das menschliche Denken die Erkennbarkeit des gesammten Seins und Geschehens, das Gegenstand des Bewusstseins wird. Es besteht daher auch das Bestreben, die empirisch gegebene Verbindung von A und B in den Zusammenhang erkannter Beziehungen aufzunehmen. Erscheint dies nicht m\u00f6glich und ist trotzdem jene Verbindung unleugbar vorhanden, so kann dieser dem denkenden Menschen unertr\u00e4gliche Zwiespalt nur durch die Unvollkommenheit der bisherigen Erkenntniss veranlasst sein. Und das Denken kommt nicht zur Buhe, bis ein System von Erkenntnissen gewonnen ist, dem sich auch die neue, in jener Verbindung von A und B bestehende Thatsache widerspruchslos einf\u00fcgt.\nIst diese Bedingung erf\u00fcllt, ist also die Verbindung von A und B denkm\u00f6glich (ohne jedoch denknothwendig zu sein), so kann man nur annehmen oder vermuthen, dass auch die k\u00fcnftige Erfahrung zu keinen Widerspr\u00fcchen f\u00fchre. Die mit R\u00fccksicht auf die vorhandene\nWuiidt. Philos. Studien. XVII.\t7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nGotti. Eriedr. Lipps.\nStufe des Erkennens m\u00f6gliche und gebotene Auffassung und Ver-werthung jener Thatsache kann daher nur als Vermuthung, als Hypothese sich behaupten, wofern sie durch andere, neue, bis jetzt unbekannte Thatsachen nicht widerlegt wird. Sie gilt somit nicht unabh\u00e4ngig von der Erfahrung, sondern auf Grund der Erfahrung, gefordert durch den Trieb nach der Erkenntniss des Gegebenen.\nD\u00e9n inductiv erkannten Axiomen der Lehre vom Denken im allgemeinen und der Mathematik insbesondere treten so die gleichfalls inductiv erkannten Hypothesen der auf Erfahrung gegr\u00fcndeten Natur- und Geisteswissenschaften zur Seite.\n\u00a7 5. Empirische Gewissheit und Wahrscheinlichkeit.\nIst das von der Erfahrung an einer gegebenen Unterlage dargebotene Zusammen von A und B als eine f\u00fcr das Begreifen von A wesentliche Zusammengeh\u00f6rigkeit aufzufassen, so tritt, da die Beziehung (A; B) dem vorliegenden Begriffe von A nicht zugeh\u00f6rt, der ver\u00e4nderte, aus A abgeleitete Denkgegenstand A' an die Stelle von A, \u00c4 wird durch die neue Beziehung im Vereine mit den f\u00fcr A bereits geltenden Beziehungen logisch bestimmt. Der Begriff von \u00c4 oder \u2014 wie man auch sagen kann \u2014 der Begriff des ver\u00e4nderten, n\u00e4her bestimmten A hat nun, wie schon bemerkt wurde, entweder den n\u00e4mlichen Umfang wie der vorliegende Begriff von A oder einen kleineren Umfang, so dass die Aufnahme von (A; B) in den Kreis der schon erkannten Beziehungen entweder eine Erg\u00e4nzung oder eine Verengerung des vorliegenden Begriffs herbeif\u00fchrt.\nDas Uebersehen der an zweiter Stelle genannten M\u00f6glichkeit bedingt einen wesentlichen Mangel in der herk\u00f6mmlichen Auffassung des inductiven Erkennens. Es wird n\u00e4mlich blo\u00df der Fall der, von mir so genannten, Begriffserg\u00e4nzung ber\u00fccksichtigt, so dass es sich nur darum handelt, aus der Beobachtung aller oder einzelner Erscheinungsformen eines Denkgegenstandes oder \u2014 wie man zu sagen pflegt \u2014 eines Begriffs eine f\u00fcr den ganzen Begriffsumfang g\u00fcltige n\u00e4here Bestimmung zu gewinnen.\nDies gilt zun\u00e4chst von der sogenannten vollst\u00e4ndigen Induction des Aristoteles, die \u00fcbrigens streng genommen gar nicht als Induction","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n99\nin dem hier vertretenen Sinne in Anspruch genommen werden darf, sofern \u2014 wie Sigwart1) hervorhebt\u2014 \u00bbAristoteles, wo er von Induction redet, kaum jemals daran denkt, aus der Beobachtung von Einzelf\u00e4llen im eigentlichen Sinne einen allgemeinen Satz ahzuleiten. Seine Beispiele beziehen sich meist auf die Speciesbegriffe, und er fasst nicht Einzelthatsachen zu einem untersten Begriffe, sondern speciellere Begriffe zu einem allgemeineren zusammen, beziehungsweise specielle Hegeln zu einer allgemeinen\u00ab. Der Aristotelischen Induction ist es somit nicht wesentlich, an die Unterlage der Denkgegenst\u00e4nde anzukn\u00fcpfen; sie kann vielmehr auch in der Uehertragung einer aus den specielleren Begriffen deductiv gewonnenen Erkenntnis auf den allgemeinen Begriff bestehen. Man d\u00fcrfte daher, wenn man dies Verfahren als wirkliche und wahre Induction bezeichnen wollte, nicht betonen, dass es Thatsachen sind, die der inductiven Erkenntniss zu Grunde liegen, sondern man m\u00fcsste z. B. auch den Schluss, dass eine Eigenschaft, die vom spitzwinkligen, rechtwinkligen und stumpfwinkligen Dreieck nachweisbar gilt, nun auch vom allgemeinen Dreiecke gelte, als Induction anerkennen; dies w\u00fcrde dazu f\u00fchren, eine Zusammenfassung von Deductionen als Induction zu bezeichnen. \u2014 Aber auch dann, wenn die vollst\u00e4ndige Induction von der Unterlage der Denkohjecte ausgeht, handelt es sich stets um eine f\u00fcr den Begriff in seinem ganzen Umfange g\u00fcltige Erkenntniss oder um eine Begriffserg\u00e4nzung. Denn sie beruht auf dem Grunds\u00e4tze, dass ein mit jeder Unterlage eines Denkgegenstandes verkn\u00fcpftes Merkmal dem Denkgegenstande seihst oder dem Begriffe des Denkgegenstandes zugeh\u00f6re.\nDies gilt nicht minder von der sogenannten unvollst\u00e4ndigen Induction. Sie hat zwar als Induction in dem hier vertretenen Sinne zu gelten, da sie in der That an die Unterlage der Denkgegenst\u00e4nde ankn\u00fcpft. Dass aber wiederum nur eine f\u00fcr den ganzen Begriffsumfang g\u00fcltige Erkenntniss in Betracht kommt, geht schon aus der \u00fcblichen, schematischen Darstellung des Inductionsschlusses hervor, die beispielsweise B. Erdmann2) in folgender Form gibt:\n1)\tLogik, II. S. 406.\n2)\tZur Theorie des Syllogismus und der Induction, Philosophische Aufs\u00e4tze, Ed. Zeller gewidmet, 1887, S. 207. \u2014 Die Beschr\u00e4nkung auf Begriffserg\u00e4nzung folgt auch aus der Regel, die Apelt (Theorie der Induction, 1854, S. 17) gibt:\n7*","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nGotti. Friedr. Lipps.\nist P St ist P S3 ist P\nalle S werden P sein.\nDenn hier sind Su Sv S3 . . . oder alle 8 nichts anderes als die den Begriffsumfang bestimmenden Substrate des gegebenen Denkgegenstandes A, w\u00e4hrend P den auf A zu beziehenden Denkgegenstand B bezeichnet.\nEs ist aber klar, dass eine vollst\u00e4ndige Theorie der auf Erfahrung gegr\u00fcndeten Induction beide M\u00f6glichkeiten ber\u00fccksichtigen muss: den Fall der Begriffsverengerung ebensowohl wie den Eall der Begriffserg\u00e4nzung. Denn beide F\u00e4lle kommen vor, und jeder kann einen Fortschritt in der Erkenntniss des gegebenen A mit sich f\u00fchren.\nDer Erfolg der Induction besteht jedenfalls dann in einer Begriff serg\u00e4nzung, wenn die in dem Wissensgebiete, dem A angeh\u00f6rt, vorhandene Erkenntniss dazu n\u00f6thigt, eine Beziehung zwischen A und einem noch unbekannten Denkgegenstande vorauszusetzen, und es sich nur um die Feststellung dieses Denkgegenstandes handelt. Dann ist m\u00f6glicher Weise eine einzige Beobachtung hinreichend, um das an irgend einer Unterlage von A thats\u00e4chlich gefundene Zusammen mit B als eine ohne R\u00fccksicht auf die besondere Beschaffenheit der Unterlage g\u00fcltige und somit f\u00fcr A schlechthin bestehende Zusammengeh\u00f6rigkeit aufzufassen. Fehlt eine solche besondere vorbereitende Erkenntniss, so muss ein allgemein g\u00fcltiger Grundsatz der empirischen Forschung (z. B. Causalit\u00e4t, psychophysischer Parallelismus), der in\n\u00bbWas von den Theilen einer Sph\u00e4re gilt, das gilt auch von dem Begriff selbst, in dessen Sph\u00e4re diese Theile stehen\u00ab, und ebenso aus der Definition Gnei\u00dfe\u2019s (Deduction und Induction, eine Begriffsbestimmung. 1899, S. 23:: \u00bbInduction ist das Denkverfahren, das die einzelnen Gegenst\u00e4nde eines Begriffs wie diesen selbst durch ein mit ihm nothwendig verkn\u00fcpftes Merkmal n\u00e4her bestimmt, indem es dieses Merkmal an allen beobachteten Erscheinungen desselben Begriffs als stetig nachweist\u00ab.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n101\nletzter Instanz in dem Triebe nach Erkenntniss wurzelt, dazu n\u00f6tlii-gen, die einmal oder mehrmals gemachte Beobachtung als f\u00fcr A schlechthin g\u00fcltig anzuerkennen.\nDie so erkannte Beziehung (A; B) ist zwar eine auf Erfahrung gegr\u00fcndete Hypothese, nicht ein in der Art und Weise des Denkens begr\u00fcndetes Axiom. Sie wird aber durch den Trieb nach Erkenntniss gefordert, so dass es nicht im Belieben des denkenden Menschen steht, sie anzuerkennen oder zu verwerfen. Sie muss vielmehr anerkannt werden, wofern man nicht auf ein Erkennen des empirisch gegebenen Seins und Geschehens \u00fcberhaupt verzichten will. Die Beziehung zwischen \u00c2 und B ist darum gewiss, wenn schon die Gewissheit keine absolute, sondern eine relative, d. h. auf Erfahrung gegr\u00fcndete ist. Die Erkenntniss der empirischen Gewissheit, dass [A] B) besteht, bildet somit in diesem Ealle das Ergebniss der Induction1).\nLiegt aber keine N\u00f6thigung vor, das in einem Falle oder in mehreren F\u00e4llen beobachtete Zusammen von A und B als eine f\u00fcr A schlechthin bestehende Zusammengeh\u00f6rigkeit aufzufassen, so hat man auch nicht das Hecht, von einer f\u00fcr A ohne R\u00fccksicht auf dessen Unterlage g\u00fcltigen Beziehung zu sprechen. Man kann nur annehmen, dass es eine vorl\u00e4ufig noch unbekannte Beschaffenheit der Unterlage von A gibt, f\u00fcr welche die Beziehung zu B Geltung hat. K\u00f6nnte man diese Beschaffenheit kennen lernen, so erhielte man hierdurch den durch die Bezugnahme auf B aus A entstehenden Denkgegenstand A' in voller Bestimmtheit; und w\u00e4re anderseits A' als Denk-\n1) Die relative, auf Erfahrung beruhende oder empirische Gewissheit als Wahrscheinlichkeit zu bezeichnen, w\u00e4re mit R\u00fccksicht auf den allgemein anerkannten Wahrscheinlichkeitsbegriff der Mathematik unzweckm\u00e4\u00dfig. Falls aber doch die Unterscheidung A pelt\u2019s (Theorie der Induction, S. 38) zwischen philosophischer und mathematischer Wahrscheinlichkeit Billigung finden sollte, so m\u00fcsste man beachten, dass das, was dort philosophische Wahrscheinlichkeit bedeutet, hier empirische Gewissheit hei\u00dft. Denn Apelt sagt (S. 40): \u00bbDer philosophische Wahrscheinlichkeitsschluss schlie\u00dft geradezu von der Vielheit der F\u00e4lle auf die Einheit und Allgemeing\u00fcltigkeit der Regel\u00ab und \u00bbBeim philosophischen Wahrscheinlichkeitsschluss ist der Schluss vollkommen sicher, ohnerachtet seiner unvollst\u00e4ndigen Begr\u00fcndung\u00ab. Die Berechtigung zum Schluss geben aber die Maximen oder Grunds\u00e4tze der empirischen Forschung. \u2014 Der philosophische Wahrscheinlichkeitsschluss Apelt\u2019s f\u00fchrt somit in der That zu der nach obiger Bezeichnungsweise mit empirischer Gewissheit verkn\u00fcpften Begriffserg\u00e4nzung.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nGotti. Friedr. Lipps.\ngegenst\u00e4nd, gegeben, so w\u00fcrde f\u00fcr ihn die Beziehung zu B als empirisch gewiss zu gelten haben. F\u00fcr A selbst kann aber keine Gewissheit erreicht werden. Denn es l\u00e4sst sich nichts anderes feststellen, als dass A ebensowohl mit B verbunden sein als auch ohne B Vorkommen kann. Das eine wie das andere ist als denkm\u00f6glich anzuerkennen: die M\u00f6glichkeit der Verbindung von A und B folgt aus der beobachteten Thatsache; die M\u00f6glichkeit des Vorkommens von A ohne B folgt aus dem mangelnden Zwang, A und B ohne R\u00fccksicht auf die Unterlage von A verbunden zu denken. Die Erkenntnis der beiden M\u00f6glichkeiten ist hier das Ergebniss der Induction.\nHat man die beiden M\u00f6glichkeiten erkannt, ohne zugleich zu erkennen, wie die Unterlage von A f\u00fcr den Fall einer Verbindung mit B beschaffen sein muss, so wei\u00df man nicht, ob in einem k\u00fcnftig eintretenden Falle bei einer bestimmten Unterlage von A auch B zu erwarten sei oder nicht. Denn nur dies ist gewiss, dass A entweder mit B verbunden sein oder ohne B Vorkommen wird. Man sagt dann, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit f\u00fcr die Verbindung von A mit B bestehe, und man spricht von einem gr\u00f6\u00dferen oder geringeren Grade der Wahrscheinlichkeit, wenn man einen hinreichenden Grund zu haben glaubt, um eine gr\u00f6\u00dfere oder geringere H\u00e4ufigkeit des Auftretens der Verbindung von A und B vorauszusetzen.\nEs erw\u00e4chst so die weitere Aufgabe, die Wahrscheinlichkeit f\u00fcr das Auftreten der Verbindung von A und B zu bestimmen. Kann diese Bestimmung auf Grund der Erfahrung ausgef\u00fchrt werden, so besteht der Erfolg der Induction in der Erkenntniss der empirischen Wahrscheinlichkeit f\u00fcr die Zusammengeh\u00f6rigkeit von A und B.\nBevor jedoch die Bestimmungsweise der empirischen Wahrscheinlichkeit er\u00f6rtert werden soll, m\u00f6gen noch folgende Beispiele den Gegensatz zwischen inductiver, auf Thatsachen der Erfahrung beruhender Gewissheitserkenntniss einerseits und Wahrscheinlichkeits-erkenntniss anderseits erl\u00e4utern.\nAls Kepler den Weg der Erfahrung betrat, um zur Erkenntniss der Bahn der Planeten, zun\u00e4chst derjenigen des Planeten Mars zu gelangen, war er im voraus gewiss, dass eine bestimmte, allen Planeten gemeinsame Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit vorhanden sei. Die Erkennt-","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Colleetivgegenst\u00e4nde.\n103\nniss, dass eine Beziehung zwischen Planet und Planetenbahn existire, war somit vorhanden; nur die Gestalt dieser Bahn war unbekannt und konnte nicht aus dem Begriff des Planeten deducirt werden. Es musste darum eine m\u00f6glichst einfache Curve gesucht werden, auf der die beobachteten und berechneten Planeten\u00f6rter liegen konnten. Nachdem in der Ellipse diese Curve gefunden war, blieb kein Zweifel, dass die Planeten nicht blo\u00df f\u00fcr den Zeitraum, dem die Beobachtungen angeh\u00f6rten, sondern immer eine elliptische Bahn beschrieben haben und auch in Zukunft beschreiben werden, dass mithin die elliptische Gestalt der Bahn ein f\u00fcr jeden Planeten g\u00fcltiges, den Begriff des Planeten erg\u00e4nzendes Merkmal sei. \u2014 W\u00e4re hingegen bei irgend einer Stufe des astronomischen Erkennens die Annahme denkbar, dass die Planeten lebende Organismen seien mit der Bef\u00e4higung, ihren Lauf willk\u00fcrlich zu bestimmen oder wenigstens innerhalb gewisser Grenzen abzu\u00e4ndern, so w\u00fcrde aus der Bestimmung, dass zu dieser oder jener Zeit die Planetenbahn eine Ellipse war, nur gefolgert werden k\u00f6nnen, dass unter anderen Bahncurven auch die elliptische m\u00f6glich ist. Und auch eine oft wiederholte Feststellung der jeweiligen Bahncurve k\u00f6nnte nur erkennen lassen, ob die elliptische Bahn h\u00e4ufig oder selten vorkommt und welche Wahrscheinlichkeit f\u00fcr diese Ourvenform empirisch besteht. Ja selbst dann, wenn ausnahmslos die Ellipse aus den immer und immer wieder angestellten Beobachtungen sich ergeben w\u00fcrde, k\u00f6nnte man keine empirische Gewissheit, sondern blo\u00df einen der Gewissheit nahe kommenden, hohen Grad empirischer Wahrscheinlichkeit f\u00fcr das Auftreten der elliptischen Curve erhalten.\nHandelt es sich anderseits um die Feststellung des physischen Vorgangs, der (nach dem Princip des psychophysischen Parallelismus) einer im Bewusstsein vorhandenen Empfindung als objectives Merkmal zur Seite steht, so versteht es sich von selbst, dass nur ein solcher Vorgang brauchbar ist, der sich der Empfindung eindeutig zuordnen l\u00e4sst, so dass einer Ver\u00e4nderung der Empfindung eine bestimmte Ver\u00e4nderung des objectiven Thatbestandes entspricht. Dies setzt \u00fcberdies voraus, dass nicht noch ein anderer objectiver Vorgang in \u00e4hnlicher eindeutiger Beziehung zu jener Empfindung steht. W\u00fcnscht man also beispielsweise das Kennzeichen f\u00fcr die objective oder physikalische W\u00e4rme zu finden, so muss sich an dem die","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nGotti. Fi'iedr. Lipps.\nW\u00e4rmeempfindung erregenden Naturobjecte ein Merkmal angeben lassen, das sich mit der st\u00e4rker oder schw\u00e4cher werdenden Empfindung eindeutig \u00e4ndert. Zeigt nun die Beobachtung, dass ein K\u00f6rper, der eine Zunahme der W\u00e4rmeempfindung veranlasst, sich ausdehnt, sonst aber keine Ver\u00e4nderung in seiner objectiven Beschaffenheit erleidet, so ist es gewiss, dass die Ausdehnung des K\u00f6rpers das objective Merkmal der W\u00e4rmezunahme ist; und man kann einen Normalk\u00f6rper herstellen, der durch sein Volumen den physikalischen W\u00e4rmezustand kennzeichnet und so als Thermometer dient. \u2014 1st aber nicht eine Empfindung sondern ein Gef\u00fchl, das den subjectiven Gem\u00fcthszustand charakterisirt, gegeben, so kann zwar wiederum ein bestimmter \u00e4u\u00dferer Vorgang als Erreger jenes Gef\u00fchls vorhanden sein. Es zeigen sich ja in der That die Gef\u00fchle der Lust und der Unlust vielfach an \u00e4u\u00dfere Vorg\u00e4nge gekn\u00fcpft. Ein eindeutiges, mit empirischer Gewissheit zutreffendes Entsprechen eines bestimmten \u00e4u\u00dferen Vorgangs und eines bestimmten Gef\u00fchls wird man aber nicht annehmen, eben weil die Gef\u00fchle im Unterschied von den Empfindungen nicht als Zeichen f\u00fcr die Beschaffenheit der Objecte, sondern als Zeichen f\u00fcr den Zustand des Subjects dienen und der Zustand des Subjects nicht ausschlie\u00dflich durch die jeweiligen \u00e4u\u00dferen Vorg\u00e4nge bedingt wird. Man w\u00e4re daher selbst dann, wenn ausnahmslos, soweit die bisherige Erfahrung reicht, mit einem bestimmten \u00e4u\u00dferen Vorg\u00e4nge immer der n\u00e4mliche Gef\u00fchlszustand sich verkn\u00fcpft zeigen sollte, doch nicht zu der Ueberzeugung berechtigt, dass dies auch k\u00fcnftighin und bei jedermann so sein werde. Man m\u00fcsste vielmehr in Rechnung ziehen, dass eine Ausnahme der vorl\u00e4ufig durchweg best\u00e4tigten Regel sehr wohl mit der sonstigen Erkenntniss des Seelenlebens vereinbar ist, und man d\u00fcrfte aus der bisherigen Erfahrung nur dies mit Fug und Recht schlie\u00dfen, dass ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit f\u00fcr das Zusammentreffen jenes Gef\u00fchls und jenes \u00e4u\u00dferen Vorgangs besteht.\nDie Theorie der Induction hat demzufolge in R\u00fccksicht zu ziehen, dass Erfahrungsthatsachen je nach der in dem zugeh\u00f6rigen Wissensgebiete erreichten Stufe des Erkennens und der Anwendbarkeit allgemein g\u00fcltiger, auf dem Erkenntnisstriebe beruhender Grunds\u00e4tze wissenschaftlicher Forschung entweder zur Erkenntniss empi-","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n105\nrischer Gewissheit oder zur Einsicht in verschiedene M\u00f6glichkeiten, mit g\u00fcnstigen Falls bestimmbaren Wahrscheinlichkeiten, f\u00fchren.\nDadurch wird zugleich die Frage Mill\u2019s1) beantwortet, warum in manchen F\u00e4llen eine einzige Instanz zu einer vollst\u00e4ndigen Induction ausreiche, w\u00e4hrend in anderen F\u00e4llen Myriaden \u00fcbereinstimmender Instanzen, ohne eine einzige bekannte oder vermuthete Ausnahme, so sehr wenig dazu beitragen, einen Satz von durchg\u00e4ngiger Allgemeinheit zu begr\u00fcnden. \u2014 Wenn n\u00e4mlich Mill die beiden F\u00e4lle anf\u00fchrt, dass einerseits ein Chemiker keinem Zweifel begegne, falls er auch nur auf Grund eines einzigen, richtig angestellten Versuches Dasein und Eigenschaften einer neu entdeckten Substanz behauptet, w\u00e4hrend anderseits trotz ausnahmsloser Best\u00e4tigung des Satzes, dass Kr\u00e4hen schwarz sind, doch das Vorkommen einer grauen Kr\u00e4he f\u00fcr m\u00f6glich gehalten werden m\u00fcsse, so ist im Einkl\u00e4nge mit den vorstehenden Darlegungen klar, dass im ersten Falle eine wissenschaftliche Chemie nicht m\u00f6glich w\u00e4re, wenn man die empirisch gefundenen Eigenschaften einer Substanz nicht als zum Begriff der Substanz geh\u00f6rig anerkennen wollte, wogegen im zweiten Falle die zoologische Erkenntniss es ausschlie\u00dft oder wenigstens nicht fordert, dass die Farbe der Kr\u00e4he als zum Begriffe der Kr\u00e4he geh\u00f6rig aufgefasst werde. Darum ist es empirisch gewiss, dass eine bestimmte Substanz immer die n\u00e4mlichen Eigenschaften hat, w\u00e4hrend g\u00fcnstigsten Falles blo\u00df der Grad der Wahrscheinlichkeit ermittelt werden kann, der f\u00fcr die schwarze Farbe der Kr\u00e4he besteht.\nAuch ist nachdr\u00fccklich hervorzuheben, dass die Anzahl beobachteter F\u00e4lle nur dann von Bedeutung sein kann, wenn es sich um inductive Wahrscheinlichkeitserkenntniss handelt. Bei der \u00fcblichen Beschr\u00e4nkung der Induction auf Begriffserg\u00e4nzung hingegen darf die Einf\u00fchrung der neuen Beziehung in den vorhandenen Begriff nicht durch den Hinweis auf die H\u00e4ufigkeit zutreffender und den Mangel widersprechender Beobachtungen begr\u00fcndet werden. Selbst die bescheidene Forderung von mindestens zwei Beobachtungen ist unzul\u00e4ssig. Denn die Anzahl der F\u00e4lle als solche hat auf die Gewissheit der Erkenntniss keinen Einfluss, so wesentlich auch eine\n1) John Stuart Mill, System der deductiven und induotiven Logik (\u00fcbersetzt von Gomperz), I. S. 367.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\tGotti. Friedr. Lipps.\nWiederholung d\u00e8r Beobachtung f\u00fcr die Sicherstellung des gefundenen Resultates sein mag1).\n\u00a7 6. Wahrscheinlichkeitsbestimmung.\nSieht man sich zu der Annahme gen\u00f6thigt, dass A sowohl mit B vereinigt sein als auch ohne B Vorkommen kann, so gilt es, die f\u00fcr beide M\u00f6glichkeiten bestehenden Wahrscheinlichkeiten zu bestimmen. Es muss darum klargestellt werden, worauf die Wahrscheinlichkeitsbestimmung abzielt und wie sie geleistet werden kann.\na. Die Definition der Wahrscheinlichkeit.\nAls wahrscheinlich bezeichnet man ein Ereigniss, wenn es nicht mit Gewissheit erwartet wird, sondern \u2014 der vorhandenen Erkenntnis gem\u00e4\u00df \u2014 ebensowohl eintreten als auch ausbleiben kann. Es ist ferner das Eintreten eines Ereignisses wahrscheinlicher als das Ausbleiben, wenn \u2014 auf Grund der vorhandenen Erkenntnis \u2014 das Eintreten h\u00e4ufiger zu erwarten ist als das Ausbleiben. Man kann schlie\u00dflich die Wahrscheinlichkeit nicht blo\u00df als ein unbestimmtes \u00bbmehr oder minder\u00ab, sondern zahlenm\u00e4\u00dfig bestimmen, wenn man zu der Erkenntniss gelangt, dass unter einer Gesammtzahl von t F\u00e4llen das in Frage stehende Ereigniss r-mal eintreten und s-mal ausbleiben wird. Es bezeichnen alsdann die Quotienten\nT\tS\nP = 7 und q \u2014 - ,\nwo r + s = t und i? + # = 1, die Wahrscheinlichkeiten f\u00fcr das Eintreten und f\u00fcr das Ausbleiben des Ereignisses.\n1) So hebt auch Sigwart (Logik, II., 2. Aufl. S. 430) hervor, \u00bbdass die Zahl der F\u00e4lle, aus denen ein allgemeiner Satz gewonnen wird, keinen fundamentalen Unterschied in dem logischen Processe begr\u00fcndet, der dabei stattfindet, und dass der Charakter des letzteren verh\u00fcllt wird, wo die Zusammenfassung einer Anzahl gleichartiger F\u00e4lle als sein wesentliches Moment gelten soll.\u00ab \u2014 Wenn B. Erdmann (Zur Theorie des Syllogismus und der Induction; Philos. Aufs, zu Zeller\u2019s Jubil\u00e4um, S. 211) sich damit nicht einverstanden erkl\u00e4rt und den induc-tiven Schluss auf die Zusammengeh\u00f6rigkeit von A und B darauf gr\u00fcndet, dass die bisherige Erfahrung einen constanten Zusammenhang zwischen A und B gezeigt habe, so ist darauf hinzuweisen, dass die obigen Beispiele das Unzul\u00e4ngliche eines solchen Schlusses zeigen.","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n107\nUnter Wahrscheinlichkeit ist somit die relative H\u00e4ufigkeit eines Ereignisses zu verstehen, mag nun dieselbe nur als ein unbestimmtes \u00bbmehr oder minder\u00ab oder als ein positiver echter Bruch bestimmbar sein.\nWill man also die Wahrscheinlichkeit f\u00fcr die Yerhindung von A mit B ermitteln, so ist die relative H\u00e4ufigkeit f\u00fcr das Auftreten dieser Yerhindung zu bestimmen.\nDa diese Bestimmung einen Fortschritt in der Erkenntniss von A einschlie\u00dfen soll, so kann es sich dabei nicht um subjectives Meinen und Daf\u00fcrhalten handeln. Auch w\u00e4re es werthlos, im Bewusstsein mangelnder Einsicht zu sagen, dass man keinen Grund habe, die eine M\u00f6glichkeit f\u00fcr wahrscheinlicher zu halten als die andere, und darum die Wahrscheinlichkeit beider M\u00f6glichkeiten als gleich\ngro\u00df, d. h. jede gleich ~ annehmen wolle. Es ist vielmehr eine dem\nDenkgegenstande A wirklich zugeh\u00f6rige Bestimmung erforderlich, die ebenso wie die sonstigen, zum Begriffe oder zum Bereiche von A geh\u00f6renden Bestimmungen in der Beschaffenheit von A, nicht aber im subjectiven Ermessen begr\u00fcndet ist.\nNun hat man bereits erkannt, dass A je nach Umst\u00e4nden bald zusammen mit B bald ohne B Vorkommen kann. Dies setzt voraus, dass A einer doppelten n\u00e4heren Bestimmung f\u00e4hig ist und entweder als \u00c4 oder als A\" auftreten kann, wo \u00c4 durch die Yerhindung mit I>, A\" durch das Fehlen von B ausgezeichnet ist. Es zerf\u00e4llt somit der Begriffsumfang von A in die beiden Begriffsumf\u00e4nge von A\u2019 und A\". Der Begriffsumfang von A bezeichnet aber alle M\u00f6glichkeiten f\u00fcr das Auftreten von A; denn er wird durch die Mannigfaltigkeit aller Bewusstseinsinhalte, die als Unterlage von A m\u00f6glich sind, gebildet. Ebenso bezeichnet der Begriffsumfang von \u00c4 resp. A\" alle M\u00f6glichkeiten f\u00fcr das Auftreten von \u00c4 resp. A\", da er aus der Ge-sammtheit aller m\u00f6glichen Unterlagen von A' resp. A\" besteht. Man hat demgem\u00e4\u00df anzunehmen, dass A h\u00e4ufiger oder seltener mit B verbunden als ohne B Vorkommen werde, je nachdem der Begriffsumfang von \u00c4 gr\u00f6\u00dfer oder kleiner als der Begriffsumfang von A\" ist. Lassen sich \u00fcberdies die Begriffsumf\u00e4nge ausz\u00e4hlen oder (wenn sie continu-irliche Mannigfaltigkeiten darstellen) ausmessen und findet man auf diese Weise die Anzahl oder Ma\u00dfzahl der M\u00f6glichkeiten f\u00fcr das","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nGotti. Friedr. Lipps.\nAuftreten von A' und \u00c4r gleich r und gleich s, wonach f\u00fcr A selbst r + s oder t M\u00f6glichkeiten bestehen, so wird die Wahrscheinlichkeit p f\u00fcr das Auftreten der Verbindung von A und B durch\nT\nP==l\nund die Wahrscheinlichkeit q f\u00fcr das Ausbleiben dieser Verbindung durch\ns\nq = l\nbezeichnet. Aber auch dann, wenn von den Zahlen r, s, t nicht jede f\u00fcr sich angehbar ist, kann es doch m\u00f6glich sein festzustellen, den wie vielten Theil des Begriffsumfangs von A die Begriffsumf\u00e4nge von \u00c4 und A\" ausmachen; und diese Bruchwerthe bestimmen alsdann die Wahrscheinlichkeiten p und q.\nDas Urtheil \u00fcber die Wahrscheinlichkeit oder relative H\u00e4ufigkeit des Auftretens der Verbindung von A und B muss sich demnach auf den Vergleich von Begriffsumf\u00e4ngen st\u00fctzen, wenn es eine ob-jectiv g\u00fcltige Erkenntniss aussagen soll. Dabei gilt folgende Bestimmung1):\nIst der gegebene Denkgegenstand A entweder als das mit B verbundene A' oder als das ohne B vorkommende A\" zu denken, so ist die Wahrscheinlichkeit f\u00fcr das Auftreten der Verbindung von A und B gleich dem durch den Begriffsumfang von \u00c4 dargestellten Bruchtheil des Begriffsumfangs von A.\n1) W\u00e4hrend hier die Wahrscheinlichkeitsbesthnmung ganz allgemein auf den Vergleich von Begriffsumf\u00e4ngen zur\u00fcckgef\u00fchrt wird, m\u00f6gen dieselben nun durch endliche oder unendlich gro\u00dfe, discrete oder continuirliche Mannigfaltigkeiten dargestellt werden, findet J. von Kries (Die Principien der Wahrscheinlichkeitsrechnung-, eine logische Untersuchung, 1886) die Wahrscheinlichkeitsbestimmung (S. 24) daran gebunden, dass \u00bbunsere Annahmen einen Gegenstand betreffen, f\u00fcr welchen, unserm Wissen gem\u00e4\u00df, ein messbarer und in Theile zu zerlegender Spielraum des Verhaltens m\u00f6glich erscheint\u00ab, und er gelangt (S. 36) zu dem Satz dass Annahmen in einem zahlenm\u00e4\u00dfig angebbaren Wahrscheinlichkeitsverh\u00e4ltniss stehen, wenn sie indifferente und ihrer Gr\u00f6\u00dfe nach vergleichbare Spielr\u00e4ume umfassen, und dass bestimmte Wahrscheinlichkeitswerthe sich daher da ergeben, wo die Gesammtheit aller M\u00f6glichkeiten durch eine Anzahl solcher Annahmen ersch\u00f6pft werden kann\u00ab.","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n109\nb. Die deductive Bestimmung der Wahrscheinlichkeit.\nDie Kenntniss dieses Bruchwerthes kann durch Deduction oder Induction gewonnen werden, wonach man deductive und inductive Wahrscheinlichkeitserkenntniss1) zu unterscheiden hat.\nGeh\u00f6rt zum Begriff von A die Einsicht, dass A entweder als das mit B verbundene A' oder als das ohne B auftretende A\" sich darstellt, und sind au\u00dferdem die Begriffsumf\u00e4nge von A sowohl wie von \u00c4 und A\" bekannt, so dass eine exacte Bestimmung oder wenigstens n\u00e4herungsweise eine Absch\u00e4tzung der M\u00f6glichkeiten f\u00fcr A' im Vergleich zu den M\u00f6glichkeiten f\u00fcr A ausf\u00fchrbar ist, so gelangt man auf deductivem Wege zur exacten oder angen\u00e4herten Kenntniss der Wahrscheinlichkeit f\u00fcr die Verbindung von A und B. Die Beziehung zwischen A und dem gefundenen Wahrscheinlichkeitswerthe gr\u00fcndet sich auf den Begriff von A und geh\u00f6rt zum logischen Bereich von A.\nAls Beispiel denke man sich eine Urne, in die wei\u00dfe und schwarze Kugeln gelegt sind. Dann wird der Denkgegenstand A durch jede Kugel der Urne und insbesondere der mit B (der wei\u00dfen Farbe) verbundene Denkgegenstand A' durch jede wei\u00dfe Kugel und demnach A\" durch jede schwarze Kugel dargestellt. Die Begriffsumf\u00e4nge von A, A und A\" werden ferner durch die Anzahlen aller Kugeln, der wei\u00dfen Kugeln und der schwarzen Kugeln bestimmt. Die Wahrscheinlichkeit oder relative H\u00e4ufigkeit einer wei\u00dfen Kugel in der Urne ist somit bekannt, wenn die Anzahl der wei\u00dfen und der schwarzen\n1) Es ist unmittelbar klar, dass hier die in der Wahrscheinlichkeitsrechnung sogenannten Wahrscheinlichkeiten a priori und a posteriori als deductiv erkannte und inductiv erkannte Wahrscheinlichkeiten bezeichnet werden. \u2014 F\u00fcr andere Unterscheidungen, etwa f\u00fcr diejenige zwisi-hen objectiver und subjectiver Wahrscheinlichkeit, die man bei A. Meyer Vorlesungen \u00fcber Wahrscheinlichkeitsrechnung; deutsch von Czuber, 1879, S. 6; findet, besteht kein gen\u00fcgender Grund. Denn jede Wahrscheinlichkeitsbestimmung ist, wenn sie einen Erkenntnisswerth besitzen soll, nothwendig objectiv, sofern sie in der Natur des Objectes, das der IVahrscheinlichkeitsbestimmung unterliegt, begr\u00fcndet sein muss; sie ist aber zugleich subjectiv, da sie stets \u00bbvon dem Zustande unserer Kenntnisse\u00ab abh\u00e4ngt (was a. a. 0. als charakteristisches Merkmal der subjectiven Wahrscheinlichkeit hervorgehoben wird). Eine rein subjective Wahrscheinlichkeitsbestimmung, die ein blo\u00dfes Meinen ohne objective Begr\u00fcndung zum Ausdruck br\u00e4chte, w\u00e4re, wie schon weiter oben bemerkt wurde, ohne Erkenntnisswerth.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nGotti. Friedr. Lipps.\nKugeln oder wenigstens ihr Verh\u00e4ltniss bekannt ist. Beispielsweise ist die Wahrscheinlichkeit f\u00fcr eine wei\u00dfe Kugel gleich 3/\u00e4, wenn 500 Kugeln in der Urne und darunter 300 wei\u00dfe sind, oder auch wenn unendlich viele Kugeln vorhanden sind, die sich in Gruppen von je f\u00fcnf Kugeln mit je drei wei\u00dfen Kugeln ordnen lassen. \u2014 Handelt es sich hingegen um die Wahrscheinlichkeitsbestimmung f\u00fcr das Ziehen einer wei\u00dfen Kugel aus der Urne (wo alsdann bei einer endlichen Anzahl von Kugeln jede gezogene Kugel zur\u00fcckgelegt und mit den anderen vermischt zu denken ist), so ist zwar wiederum klar, dass jeder Zug A entweder als das Ziehen einer wei\u00dfen Kugel, als A\\ oder als das Ziehen einer schwarzen Kugel, als \u00c4' zu denken ist; auch pflegt man ohne weiteres in der Wahrscheinlichkeitsrechnung die Wahrscheinlichkeit f\u00fcr das Ziehen einer Kugel von bestimmter Farbe der Anzahl vorhandener Kugeln mit der betreffenden Farbe proportional zu setzen. Dies ist aber an die Bedingung gekn\u00fcpft, dass die Verschiedenartigkeit der Lage der Kugeln in der Urne und des Herausnehmens derselben aus der Urne, die in der That unendlich gro\u00df ist, zu keiner Bevorzugung einzelner Kugeln f\u00fchrt, dass vielmehr bei einer unbegrenzten Wiederholung des Ziehens jede einzelne Kugel verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig gleich h\u00e4ufig getroffen wird. Diese Voraussetzung ist unentbehrlich; denn an ein wirkliches Abz\u00e4hlen aller m\u00f6glichen F\u00e4lle f\u00fcr das Ziehen einer wei\u00dfen oder einer schwarzen Kugel oder einer Kugel \u00fcberhaupt \u2014 an die Bestimmung der Begriffsumf\u00e4nge von A', A\" oder A ist hier nicht zu denken.\nc. Die Methoden zur inductiven Bestimmung der Wahrscheinlichkeit.\nIst die Wahrscheinlichkeitsbestimmung nicht auf deductivem Wege m\u00f6glich, hat man also keine, mit dem vorhandenen Begriff von A mittelbar oder unmittelbar zusammenh\u00e4ngende Kenntniss der Begriffsumf\u00e4nge von A, A', A\", so kann man blo\u00df auf dem Wege der Erfahrung zu dieser Kenntniss gelangen. Die Erfahrung lehrt n\u00e4mlich, ob an der jeweiligen Unterlage des gegebenen A sich zugleich B zeigt oder nicht, ob also das A in der gerade vorliegenden Gestalt ein A' oder A\" ist. Es ist nun aber der Inbegriff aller M\u00f6glichkeiten f\u00fcr das Auftreten von A oder der ganze Begriffsumfang von","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n111\nA durchzugehen und festzustellen, wie oft A! und wie oft A\" auf tritt. Der Quotient aus den so ermittelten Anzahlen der M\u00f6glichkeiten f\u00fcr A und der M\u00f6glichkeiten f\u00fcr A, d. h. das empirisch bestimmte Verh\u00e4ltniss der Begriffsumf\u00e4nge von A' und von A stellt die gesuchte Wahrscheinlichkeit oder relative H\u00e4ufigkeit des Vorkommens von A' oder der Verbindung von A mit B dar. Auf diese Weise wird die Beziehung zwischen A und dem gefundenen Wahrscheinlichkeitswerthe in den Begriff oder in den logischen Bereich von A eingef\u00fchrt und somit inductiv erkannt.\nDiese Art der Wahrscheinlichkeitsbestimmung erfordert ein vollst\u00e4ndiges Ersch\u00f6pfen aller Einzelf\u00e4lle \u2014 wie man es von der sogenannten vollst\u00e4ndigen Induction zu fordern gew\u00f6hnt ist. Sie ist daher nur dann ohne weiteres ausf\u00fchrbar, wenn die Begriffsumf\u00e4nge aus endlichen, z\u00e4hl- oder messbaren Mannigfaltigkeiten bestehen: etwa in dem Falle, wo eine Urne mit einer unbekannten aber endlichen Anzahl schwarzer und wei\u00dfer Kugeln vorhanden ist und die Kugeln einfach abzuz\u00e4hlen sind, um die Wahrscheinlichkeitswerthe zu ermitteln. Wird aber der Begriffsumfang durch eine unendlich gro\u00dfe Mannigfaltigkeit dargestellt, so l\u00e4sst er sich nat\u00fcrlich nicht ersch\u00f6pfen; und auch bei einer endlichen Mannigfaltigkeit kann das Erproben aller M\u00f6glichkeiten wegen besonderer Umst\u00e4nde (z. B. wegen der Besonderheiten ihrer r\u00e4umlichen oder zeitlichen Vertheilung) oder auch wegen der praktisch nicht zu bew\u00e4ltigenden gro\u00dfen Anzahl unm\u00f6glich werden. So z. B., wenn in der Urne unendlich viele oder \u00fcberaus viele schwarze und wei\u00dfe Kugeln in unbekannter Anzahl vorhanden sind, deren vollst\u00e4ndiges Abz\u00e4hlen unausf\u00fchrbar ist.\nNun hat man aber nicht ausnahmsweise, sondern in der Hegel solche Begriffsumf\u00e4nge zu erwarten, deren Mannigfaltigkeiten unbegrenzt gro\u00df oder wenigstens gr\u00f6\u00dfer sind, als dass man sie ohne weiteres abz\u00e4hlen k\u00f6nnte. Es kann daher die Frage nicht umgangen werden, ob nicht unter Umst\u00e4nden die Beobachtung eines zur Verf\u00fcgung stehenden Theils des Begriffsumfanges von A gen\u00fcgen kann, um ein hinreichend sicheres Urtheil \u00fcber das Verh\u00e4ltniss der Begriffsumf\u00e4nge von A' und A\", die den Gesammtumfang des Begriffs von A ausmachen, zu gewinnen.\nDass dies nicht unter allen Umst\u00e4nden m\u00f6glich ist, ergibt sich aus folgender Bemerkung.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nGotti. Friedr. Lipps.\nDie Wahrscheinlichkeitsbestimmung ist nur von der Anzahl der auf A und A\" treffenden F\u00e4lle, nicht von der Ordnung, in der diese F\u00e4lle auftreten, abh\u00e4ngig. Besteht n\u00e4mlich die Mannigfaltigkeit des Begriffsumfangs von A aus t abz\u00e4hlbaren Elementen, von welchen r den Begriffsumfang von A und s den Begriffsumfang von A\" bilden, so sind \u00fcberhaupt\nt[t \u2014 1) [t \u2014 2] . . . 3.2.1 oder t\\\nAnordnungen denkbar, indem jedes der t Elemente mit jedem der t \u2014 1 \u00fcbrigen und jedes solche Paar wiederum mit jedem der t \u2014 2 nun noch verf\u00fcgbaren Elemente combinirt werden kann u. s. w. Bei jeder Anordnung treten aber r Elemente A und s Elemente A\" auf. deren relative H\u00e4ufigkeiten durch\nP = 7und \u00ee = \u00ef\nangegeben werden. \u2014 Werden nun nicht alle t Elemente, sondern blo\u00df m (wo m < t) abgez\u00e4hlt, so sind im Ganzen\nt [t \u2014 1) (f \u2014 2) . . . [t \u2014 m + 1)\naus den t Elementen herstellbare Systeme von m Elementen m\u00f6glich, und diese Systeme zerfallen, da die t Elemente aus r Elementen A und s Elementen A\" sich zusammensetzen, in folgende m + J Gruppen *) :\n1)\tr[r \u2014 1) . . . (r \u2014 m -j- 1) Systeme aus m Elementen A;\n2)\ty r . . . (r \u2014 m -j- 2) \u2022 s Systeme aus m \u2014 1 Elementen \u00c4\nund einem Elemente A\";\nTYbxTYb\n3)\t\u2014j\u2014g\u2014 r . . . (r \u2014 m -f- 3) \u2022 s [s \u2014 1) Systeme aus m \u2014 2\nElementen A und 2 Elementen A\";\nm) y r \u2022 s (s \u2014 1) . . . (s \u2014 m + 2) Systeme aus einem Elemente A und m \u2014 1 Elementen A\";\n1 Die mitgetheilten Anzahlen der m\u00f6glichen Systeme f\u00fcr jede Gruppe folgen unmittelbar aus den Regeln der Combinationslehre.","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n113\nm + 1) s(s \u2014 1) . . . (s \u2014 m + 1) Systeme aus m Elementen A\". Es sind somit, wenn\nto(to \u2014 1 )(m \u2014 2)... (to \u2014 i + 1) A\tm\\\n~\t1 \u2022 2 \u2022 3 . . . i\t\u00b0der i\\(m - i)\\\ndurch\nangedeutet wird, allgemein\n(yyi\\\n. Ir... (r \u2014 TO + i + 1} \u2022 s . . . ($ \u2014 i + 1) oder kurz Cm_i - i\nSysteme aus m \u2014 i Elementen \u00c4 und i Elementen A\" m\u00f6glich. Und es k\u00f6nnen folglich, falls weder r noch s kleiner als m ist, hei einer beliebigen Bestimmung von m Elementen entweder nur Elemente \u00c4 oder nur Elemente A\" oder sowohl Elemente A' als auch Elemente A\" in irgend welcher Mischung auftreten. Die Quotienten p und q, die hier das Yerh\u00e4ltniss der Elemente \u00c4 und A\" zur Gesammtzahl to des abgez\u00e4hlten Systems angeben, werden demgem\u00e4\u00df je nach Umst\u00e4nden das eine oder das andere der m + 1 Werthenpaare\np =--------; q = \u2014 ; [i = 0, 1, 2 ... to)\nTO\tTO\ndarstellen, so dass eine sichere 'Wahrscheinlichkeitsbestimmung in der That unm\u00f6glich ist, wenn nicht besondere Bedingungen erf\u00fcllt sind.\nDiese Bedingungen m\u00fcssen das Hervortreten solcher Mischungsverh\u00e4ltnisse f\u00fcr die Elemente \u00c4 und A\" zur Folge haben, die mit dem Yerh\u00e4ltniss der Begriffsumf\u00e4nge von \u00c4 und A\" \u00fcbereinstimmen, so dass diejenigen Werthe\nto \u2014 i\ti\np =--------; q = \u2014\nTO\tTO\nbestimmt werden k\u00f6nnen, die den gesuchten Werthen\nr\ts\nv = ~v q = l\nv\u00f6llig oder nahezu gleich sind.\nIch finde nun zwei Arten solcher Bedingungen.\nEs sind n\u00e4mlich einerseits Bedingungen denkbar, durch welche f\u00fcr einen abz\u00e4hlbaren, aus m Elementen bestehen-\nWundt, Philos. Studien. XVII.\t8","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nG-ottl. Friedr. Lipps.\nden Theil des Begriffsumfangs von A eine beliebige Mischung aus Elementen A' und A\" verhindert und gerade diejenige Mischung herbeigef\u00fchrt wird, die genau oder mit m\u00f6glichster Ann\u00e4herung das wirkliche, zwischen den Be-griffsumf\u00e4ngen von \u00c4 und A\" bestehende Verh\u00e4ltnis\u00bb wiedergibt.\nEs sind aber auch anderseits Bedingungen denkbar, durch welche bei der Bestimmung von einigen oder von vielen, kurz von n aus je m Elementen bestehenden Theilen des Begriffsumfangs von A die verschiedenen m\u00f6glichen Mischungen aus Elementen \u00c4 und A\" zwar nicht zu Gunsten einer einzigen unterdr\u00fcckt werden, wohl aber in einer solchen gesetzm\u00e4\u00dfigen Anordnung auftreten, dass diejenige Mischung, die das Verh\u00e4ltniss der Begriffsumf\u00e4nge von A' und \u00c4' genau oder am besten zum Ausdruck bringt, am h\u00e4ufigsten vorkommt und hierdurch kenntlich gemacht wird.\nDie Bedingungen der ersten Art sind erf\u00fcllt, wenn der abgez\u00e4hlte Theil des Begriffsumfangs von A dem Gesammtumfange \u00e4hnlich ist, so dass er ein treues Abbild des letzteren ist. Dies ist m\u00f6glich, wenn der Begriffsumfang von A in zwei oder noch mehr Theile zerf\u00e4llt, die in ihrer Beschaffenheit und somit auch in den Verh\u00e4ltnissen der jedem Theile zukommenden Elemente \u00c4 und A\" \u00fcbereinstimmen. Es ist dann nur daf\u00fcr Sorge zu tragen, dass das abgez\u00e4hlte System von m Elementen einen solchen, dem Gesammtumfange \u00e4hnlichen Theil wirklich darstellt, um die Gew\u00e4hr zu haben, dass die jenem System entnommenen Werthe\nm \u2014 i\ti\nP =--------;\t1 = ~\n1 m\tm -\nmit den gesuchten Werthen\nr\ts\nP = l\u2019 q = l\nganz oder hinreichend nahe \u00fcbereinstimmen. \u2014 Handelt es sich z. B. um eine Wahrscheinlichkeitsbestimmung f\u00fcr eine Pflanze wie Roggen oder Weizen, so darf man bei \u00fcbereinstimmender Beschaffenheit des Bodens und des Klimas annehmen, dass das eine Roggen-","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n115\noder Weizenfeld die n\u00e4mlichen Verh\u00e4ltnisse darhietet wie das andere; und man kann sich demgem\u00e4\u00df auf die Untersuchung eines gerade zur Verf\u00fcgung stehenden Feldes beschr\u00e4nken. \u2014 Gilt ferner die Wahrscheinlichkeitsbestimmung einem gewissen Merkmal, das sich bei den Angeh\u00f6rigen eines Volksstammes mit einer constanten H\u00e4ufigkeit vorfindet und mit dem Lebensalter sich nicht \u00e4ndert (beispielsweise das Vorkommen blauer Augen), so gen\u00fcgt das Abz\u00e4hlen f\u00fcr eine bestimmte Altersclasse, etwa f\u00fcr die Schulkinder, um die wahren Werthe p und q mit hinreichender Sicherheit zu finden. Denn die Unterscheidung von Altersclassen f\u00fchrt hier zu Theilen der Gesammtmannigfaltigkeit, die untereinander und mit der letzteren hinsichtlich der gesuchten Verh\u00e4ltnisszahl mit hinreichender Genauigkeit \u00fcbereinstimmen, weil die H\u00e4ufigkeit jenes Merkmals constant ist und darum f\u00fcr die Jungen ebenso gro\u00df wie f\u00fcr die Alten angenommen werden muss. \u2014 Bei der Urne mit wei\u00dfen und schwarzen Kugeln hingegen d\u00fcrfte man nur dann mit Fug und Recht einen Theil dem Ganzen \u00e4hnlich voraussetzen, wenn man \u00fcber ein Mischungsverfahren verf\u00fcgen k\u00f6nnte, durch das in der ganzen Urne ein gleichartiges Gemenge schwarzer und wei\u00dfer Kugeln erzeugt w\u00fcrde.\nFehlen solche Bedingungen, die ein Zerfallen des Begriffsumfangs in \u00e4hnliche Theile herbeif\u00fchren, so kann man nicht erwarten, dass ein einzelnes System von m Elementen das in Wirklichkeit zwischen den Begriffsumf\u00e4ngen von \u00c4 und A\" bestehende Verh\u00e4ltnis kennen lehrt. Es bleibt daher blo\u00df \u00fcbrig, au\u00dfer dem einen Systeme noch andere abzuz\u00e4hlen. Aber auch bei der \u00ab-maligen, unter gleichen Umst\u00e4nden ausgef\u00fchrten Bestimmung eines Systems von m Elementen kann man ohne das Hinzutreten besonderer Bedingungen nur ein regelloses Schwanken zwischen den m -f- 1 Mischungsverh\u00e4ltnissen (rn \u2014 i) : i erwarten. Denn man wei\u00df zun\u00e4chst nur, dass t. . . (t\u2014 m + 1) Systeme m\u00f6glich sind, unter denen Cm_i;i das Verh\u00e4ltnis (m \u2014 i):i zeigen. Dabei ist noch zu beachten, dass jedes abgez\u00e4hlte System der Gesammtmannigfaltigkeit wieder einverleibt zu denken ist, wenn die Bestimmung aller Systeme unter gleichen Umst\u00e4nden erfolgen soll: wie bei der Urne mit t \u2014 r + s wei\u00dfen und schwarzen Kugeln, aus der immer wieder m Kugeln gezogen werden sollen, nachdem die bereits gezogenen m Kugeln in die Urne zur\u00fcckgelegt worden sind.\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nGotti. Friedr. Lipps.\nEs kann folglich ein bereits abgez\u00e4hltes System nochmals zum Vorschein kommen und jedes in unbegrenzter Wiederholung zur Abz\u00e4hlung gelangen. Darum m\u00fcssen Bedingungen von der an zweiter Stelle genannten Art erf\u00fcllt sein. Dann kann aus dem am h\u00e4ufigsten auftretenden Mischungsverh\u00e4ltnis dasjenige Paar von Wahrscheinhch-keitswerthen\nm \u2014 i\ti\np =---------; q = \u2014\nr m\tm\nberechnet werden, das dem gesuchten Werthenpaare\nr\ts\n? = q = !\nv\u00f6llig oder nahezu gleich ist.\nDiese Bedingungen sind insbesondere dann erf\u00fcllt, wenn bei der beliebig oft, unter gleichen Umst\u00e4nden wiederholten Bestimmung von je m Elementen aus der Gesammtzahl von t \u2014 r + s Elementen keines dieser Elemente bevorzugt wird, sondern alle gleich h\u00e4ufig zur Verwendung kommen. Dann werden n\u00e4mlich die verschiedenartigen Systeme von Elementen A\u2019 und A\" in solcher Vertheilung auftreten, dass durchschnittlich unter t(t \u2014 1) . . . (t \u2014 m + 1) Systemen\nCm_iU = r . . . {r \u2014 m + i + 1) \u2022 s . . . (s \u2014 i + 1)\nSysteme mit m \u2014 i Elementen A' und i Elementen A\" zu erwarten sind1). Es ist aber\n1) Es werden also durchscknittlicli\nC,n;0 = r(r \u2014 1) \u2022 \u2022 \u2022 (r \u2014 m+ 1) Systeme aus ^-Elementen A! und C0;m = s (s \u2014 1) \u25a0 \u2022 \u2022 (s \u2014 m + 1) Systeme aus \u00bb^-Elementen A\"\nzu erwarten sein. Solche Systeme nennt Mar be (Naturphilosophische Untersuchungen zur Wahrscheinlichkeitslehre, 1899) reine Gruppen und behauptet (S. 71), \u00bbdass in allen F\u00e4llen, wo man die Wahrscheinlichkeitsrechnung anzuwenden pflegt, f\u00fcr gewisse Gruppengr\u00f6\u00dfen [d. h. wenn m eine gewisse Anzahl \u00fcbersteigt] die reinen Gruppen niemals Vorkommen*. Er st\u00fctzt sich auf \u00e4hnliche Behauptungen d\u2019Alembert\u2019s (M\u00e9langes de litt\u00e9rature, d\u2019histoire et de philosophie, Amsterdam 1767) und sucht durch eigene Versuche (Werfen eines Geldst\u00fccks, das Zahl oder Wappen zeigt) und aus den Resultaten des Roulettespiels eine Best\u00e4tigung f\u00fcr seine Ansicht zu gewinnen. Dabei begeht jedoch Mar be den Fehler, zu","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n117\nfalls die Proportion (m \u2014 i) : i == r : s erf\u00fcllt ist. Denn es verh\u00e4lt sich:\nr \u2014 m i -\\- k + 1 _ m \u2014 i \u2014 k _\nC'm-i-k; i+k \u25a0\t; i+lc+t \u2014\t~ j;\t* ^ _j_ /. _lTjT 1\nr\tn\ts \u2014 \u00ae\t^\t^ \u2022\t* \u2014 k______ _\n^m-i+kU-k \u25a0 k-m-i+]c+l-,i-k-i r ________ m i \u2014 k\u2018 m \u2014 i + k + 1 \u2019\nund da, wenn r \u2014 X[m \u2014 i) ; s = li gesetzt wird,\n(X \u2014 1) (m \u2014 i) + k + 1 m \u2014 i m \u2014 i \u2014 k [X \u2014 1) i \u2014 k\ti \u00a5 + k + 1\n{)* \u2014 l)z \u2014{\u2014 k \u2014j- 1 i ^ i k (1 \u2014 1)(m \u2014 i) \u2014 k^m \u2014 m \u2014 * -f k + 1\nso ist auch f\u00fcr k = 0, 1, 2 . . . .\nstrenge Forderungen hinsichtlich der Uebereinstimmung zwischen theoretisch berechneten und empirisch gefundenen Wahrscheinlichkeitswerthen zu stellen. Ich finde darum, im Gegensatz zu Marhe, in seinen eigenen Versuchen eine hinreichende Best\u00e4tigung der \u00fcblichen Auffassungsweise, da man doch wohl nicht mehr verlangen kann, als dass die beobachtete Anzahl reiner Gruppen einmal kleiner (in der mitgetheilten Tabelle III) und ein andermal gr\u00f6\u00dfer ist (in den blo\u00df erw\u00e4hnten Versuchen S. 14) als die theoretisch bestimmte Anzahl. Eine Uebereinstimmung kann man ja nur im Durchschnitt vieler, streng genommen unendlich vieler Versuche erwarten. Es sind ferner die Differenzen zwischen Theorie und Erfahrung beim Roulettespiel, einzeln betrachtet, gar nicht ung\u00fcnstig. Nur der f\u00fcr die Tabellen V\u2014X \u00fcbereinstimmende Gang der Differenzen (die an Stelle der sachlich nicht gerechtfertigten Quotienten Marbe\u2019s zu treten haben) kann, meines Erachtens, zu dem Schl\u00fcsse f\u00fchren, dass speciell beim Roulettespiel die Tendenz zum Zur\u00fcckbleiben der empirich beobachteten Anzahlen reiner Gruppen hinter den theoretisch zu fordernden Anzahlen bei wachsendem m vorhanden ist. Dass aber reine Gruppen von einer gewissen Gr\u00f6\u00dfe des m ab \u00fcberhaupt nicht mehr Vorkommen, folgt hieraus gar nicht. Der angestrebte Beweis wird somit nicht erbracht. Seine Unm\u00f6glichkeit erhellt \u00fcbrigens aus folgendem Beispiel: Es sind zwei Variet\u00e4ten einer Pflanzenspecies denkbar, deren relative H\u00e4ufigkeiten oder Wahrscheinlichkeiten f\u00fcr einen gewissen Landstrich bestimmt werden sollen. Die beiden Variet\u00e4ten k\u00f6nnen nun gleichm\u00e4\u00dfig gemischt sein; dann wird man keine reinen Gruppen finden. Es kann aber auch die eine Variet\u00e4t blo\u00df auf den Bergen und die andere blo\u00df in der Ebene Vorkommen; dann wird man beliebig gro\u00dfe reine Gruppen finden, falls man ausschlie\u00dflich auf den Bergen oder in der Ebene botanisirt ; man kann ferner eine beliebige Mischung der beiden Variet\u00e4ten erhalten, wenn man die Pflanzen den verschiedenartigen Standorten entnimmt.","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nGotti. Friedr. Lipps.\nt'm-i\u2014k ; i+k Cm-i\u2014k\u2014i ; i+k+i ^m-i+k; i-k ^\t\u25a0\nSomit tritt dasjenige System am h\u00e4ufigsten auf, f\u00fcr welches das Verh\u00e4ltnis [m \u2014 i) : i der zugeh\u00f6rigen Elemente \u00c4 und A\" dem Verh\u00e4ltnisse r : s gleich ist oder am n\u00e4chsten kommt, w\u00e4hrend die von jenem Verh\u00e4ltnisswerth mehr und mehr sich entfernenden Systeme durch ein immer selteneres Auftreten ausgezeichnet sind.\nIst z. B. t = 15; r \u2014 9; s = 6; m \u2014 5; sind also 15 M\u00f6glichkeiten f\u00fcr A, darunter 9 f\u00fcr \u00c4 und 6 f\u00fcr A\" vorhanden, w\u00e4hrend immer nur je 5 in \u00fcbrigens unbegrenzter Wiederholung erprobt werden k\u00f6nnen, so hat man hei gleichm\u00e4\u00dfiger Inanspruchnahme aller 15 M\u00f6glichkeiten unter 15 \u2022 14 \u25a0 13 \u2022 12 \u2022 11 = 360 360 Bestimmungen folgende F\u00e4lle zu erwarten: 15120 F\u00e4lle mit je 5 A'; 90720 F\u00e4lle mit je 4 \u00c4 und 1 A\"; 151200 F\u00e4lle mit 3 A' und 2 A\"; 86 400 F\u00e4lle mit 2 A' und 3 A\u201d; 16 200 F\u00e4lle mit 1 A! und 4 A\"; 720 F\u00e4lle mit 5 A\". Demnach findet man, aus dem am h\u00e4ufigsten auf tretenden Systeme mit 3 \u00c4 und 2 A\" die Werthe\ndie mit den wahren Werthen r : t und s : t \u00fcbereinstimmen; und zwar werden sich diese Werthe mit der relativen H\u00e4ufigkeit 151200 : 360 360 = 0,42 ergeben. Will man sich aber mit einer blo\u00df angen\u00e4herten Bestimmung von p und q begn\u00fcgen, etwa mit der Erkenntnis, dass\nso werden sich die Werthe von p und q innerhalb der angegebenen Grenzen mit der relativen H\u00e4ufigkeit (90720 -f- 151200 + 86400) : 360360 = 0,91 finden lassen, da nunmehr zu den F\u00e4llen mit je drei A' und zwei A\" noch die F\u00e4lle mit je vier A' und einem A\" und je zwei A' und drei A\" hinzukommen.\nZu derselben Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit in etwas einfacherer Form gelangt man, wenn nicht erst das ganze System, sondern schon jedes einzelne Element des zur Abz\u00e4hlung gelangenden Systems der Mannigfaltigkeit wieder einverleibt gedacht wird: wenn also beim Ziehen von m","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Colleetivgegenst\u00e4nde.\t119\nKugeln aus der Urne mit t = r + s wei\u00dfen und schwarzen Kugeln jede einzelne Kugel, nachdem sie gezogen worden, sogleich in die Urne zur\u00fcckgelegt wird. Dann kann n\u00e4mlich jedes der t Elemente mit sich selbst ebenso wie mit jedem anderen immer wieder combi-nirt werden, so dass im Ganzen tm Systeme m\u00f6glich sind, die wiederum in m + 1 Gruppen zerfallen, jedoch der Art, dass nun\nrm-i si\ti \u2014 0, 1, 2 . . . m)\nSysteme mit m \u2014 i Elementen A' und i Elementen A auftreten. Die Mischung der Elemente \u00c4 und A\" im Yerh\u00e4ltniss {m \u2014 i) : i wird somit, wenn keines der t Elemente vor den anderen bevorzugt wird, mit der relativen H\u00e4ufigkeit\nzu erwarten sein, wo nun blo\u00df noch die Verh\u00e4ltnisse der Anzahlen r, s, t in Betracht kommen und folglich m beliebig gew\u00e4hlt werden kann. Und da\n> \u2022 \u2022 \u2022 > sm ,\nwenn (m \u2014 i) : i = r : s, so k\u00f6nnen wiederum aus dem am h\u00e4ufigsten auf tretenden Mischungsverh\u00e4ltnisse die Werthe p und q bestimmt und die durchschnittlich zu erwartenden relativen H\u00e4ufigkeiten oder Wahrscheinlichkeiten f\u00fcr das Vorkommen jedes Mischungsverh\u00e4ltnisses angegeben werden.\nWird z. B. r : s : t \u2014 3 : 2 : 5 und rn == 5 vorausgesetzt, so hat man das System von drei \u00c4 und zwei A\" am h\u00e4ufigsten und zwar mit der relativen H\u00e4ufigkeit 0,35 zu erwarten, w\u00e4hrend die Systeme mit vier A' und einem A\", mit drei \u00c4 und zwei A '. mit zwei A und drei \u00c4' zusammengenommen mit der relativen H\u00e4ufigkeit 0,84 auftreten werden. \u2014 Wird hingegen f\u00fcr die n\u00e4mlichen Verh\u00e4ltniss-werthe von r, s und / die Anzahl m \u2014 10 angenommen, so findet sich das am h\u00e4ufigsten vorkommende System von sechs A und vier A\" mit der relativen H\u00e4ufigkeit 0,25, w\u00e4hrend f\u00fcr die Systeme mit sieben, sechs, f\u00fcnf Al und drei, vier, f\u00fcnf A\" die relative H\u00e4ufigkeit","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nGotti. Friedr. Lipps.\n0,67 und f\u00fcr die Systeme mit acht bis vier \u00c4 und zwei bis sechs A\" die relative H\u00e4ufigkeit 0,89 besteht. \u2014 Hiernach hat man die gesuchten Wahrscheinlichkeitswerthe p und q zwischen den Grenzen\n7-^.5 3\t5\n10 \u2014 p \u2014 10 \u2019 10 \u2014 q \u2014 10\nf\u00fcr m \u2014 10 mit der relativen H\u00e4ufigkeit 0,67 ; und zwischen den Grenzen\n8^.4 2\t6\n10 \u2014 ^ \u2014 10 \u2019 io \u2014 ^ \u2014 10\nf\u00fcr m \u2014 5 mit der relativen H\u00e4ufigkeit 0,84; f\u00fcr m = 10 mit der relativen H\u00e4ufigkeit 0,89 zu erwarten, so dass man die Wahrscheinlichkeitswerthe innerhalb gewisser, die wahren Werthe einschlie\u00dfender Grenzen um so h\u00e4ufiger finden wird, je gr\u00f6\u00dfer m ist.\nAuf diesem Wege hat Jakob Bernoulli im vierten Theile der Ars conjectandi1) das (im vierten Oapitel) von ihm gestellte und in seinen principiell wichtigen Punkten gekl\u00e4rte Problem der Wahrscheinlichkeitsbestimmung aus einer gro\u00dfen Anzahl von Beobachtungen (im f\u00fcnften Capitel) gel\u00f6st. Er hat gezeigt, dass die Sicherheit in der Bestimmung der Wahrscheinlichkeitswerthe mit der Anzahl der beobachteten F\u00e4lle w\u00e4chst und zwar ohne Grenzen w\u00e4chst, ohne dass \u2014 wie er sagt \u2014 das Problem \u00bbseine Asymptote\u00ab hat und ein bestimmter Grad der Gewissheit, das wahre Yerh\u00e4ltniss der F\u00e4lle gefunden zu haben, auch hei beliebiger Vermehrung der Beobachtungen niemals \u00fcberschritten werden kann. Er hat ferner hervorgehoben, dass die Wahrscheinlichkeitswerthe nicht absolut genau \u2014 \u00bbdenn so w\u00fcrde ganz das Gegentheil herauskommen und desto unwahrscheinlicher werden, dass das richtige Yerh\u00e4ltniss gefunden sei, je mehr Beobachtungen gemacht w\u00e4ren\u00ab \u2014 sondern nur angen\u00e4hert \u00bbzwischen zwei Grenzen\u00ab bestimmt werden k\u00f6nnen. Und er gelangt zu dem Satze:\n\u00bbEs m\u00f6ge sich die Zahl der g\u00fcnstigen F\u00e4lle zu der Zahl der ung\u00fcnstigen F\u00e4lle genau oder n\u00e4herungsweise wie r : s, also zu der\n1) Unter dem Titel \u00bbWahrscheinlichkeitsrechnung (Ars conjectandi) von Jakob Bernoulli (1713)\u00ab \u00fcbersetzt und herausgegeben von Haussner (Ost-wald\u2019s Klassiker der exacten Wissenschaften, No. 107 und 108).","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n121\nZahl aller F\u00e4lle wie r : [r + s) == r : t \u2014 wenn r s = t gesetzt wird \u2014 verhalten, welches letzteres^ Verh\u00e4ltniss zwischen den Grenzen\nT -f- 1\n~~T~\nenthalten ist. Nun k\u00f6nnen, wie zu beweisen ist, so viele Beobachtungen gemacht werden, dass es beliebig oft (z. B. e-mal) wahrscheinlicher wird, dass das Verh\u00e4ltnis der g\u00fcnstigen zu allen angestellten Beobachtungen innerhalb dieser Grenzen liegt als au\u00dferhalb derselben,\nalso weder gr\u00f6\u00dfer als\nr + 1 t\nnoch kleiner als\nDen Beweis dieses Satzes gr\u00fcndet Bernoulli auf die Eigenschaften der Glieder, die man durch die Entwicklung der Potenz\n[r -(- s)nt = rnt +\n(wo nt an Stelle des oben angenommenen m tritt) erh\u00e4lt, und er findet :\n\u00bbEs k\u00f6nnen so viele Beobachtungen angestellt werden, dass die Anzahl der F\u00e4lle, in welchen das Verh\u00e4ltniss der g\u00fcnstigen zu allen \u00fcberhaupt angestellten Beobachtungen die Grenzwerthe\nnr + n\tnr \u2014 n , r 4-1\t-, r \u2014 1\n----;\u2014 und---------\u2014 oder \u2014-\u2014 und \u2014-\u2014\nnt\tnt\tt\tt\nnicht \u00fcberschreitet, mehr als e-mal gr\u00f6\u00dfer ist als die Summe der \u00fcbrigen F\u00e4lle, d. h. dass es mehr als c-mal wahrscheinlicher wird, dass das Verh\u00e4ltniss der Anzahl der g\u00fcnstigen zu der Anzahl aller Beobachtungen die Grenzen\nr-\u00b1l und\nnicht \u00fcberschreitet, als dass sie es \u00fcberschreitet\u00ab.\nHierdurch erh\u00e4lt die Methode der Wahrscheinlichkeitsbestimmung aus einer gro\u00dfen Anzahl von Beobachtungen ihre exacte Begr\u00fcndung. Es darf aber nicht au\u00dfer Acht gelassen werden, dass diese Methode die Erf\u00fcllung der oben, an zweiter Stelle genannten Bedingungen voraussetzt, und dass insbesondere das Bernoulli\u2019sche Theorem auf der Annahme beruht, nach welcher bei einer oftmaligen, streng genommen","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nGrottl. Friedr. Lipps.\nunendlich oftmaligen Bestimmung eines Systems von m Elementen aus der Mannigfaltigkeit des Begriffsumfangs yon A kein Element dieser Mannigfaltigkeit vor den anderen bevorzugt wird. Auch ist daran festzuhalten, dass Wahrscheinlichkeit so viel wie relative H\u00e4ufigkeit bedeutet, wonach die gro\u00dfe Wahrscheinlichkeit, bei gro\u00dfem m die gesuchten Wer the von p und q innerhalb gewisser Grenzen zu finden, keineswegs mit empirischer Gewissheit verwechselt werden darf, sondern nur die Thatsache ausdr\u00fcckt, dass bei einer oftmaligen Bestimmung eines Systems von m Elementen die Werthe von p und q mit \u00fcberwiegender H\u00e4ufigkeit zwischen jenen Grenzen sich halten werden.\nWird dies beachtet, so wird der principielle Unterschied zwischen der Wahrscheinlichkeitsbestimmung aus einem dem Gesammtumfange des Begriffs von A \u00e4hnlichen Theile und derjenigen aus einem sehr gro\u00dfen Theile dieses Begriffsumfangs nicht verkannt werden1). Denn man wird alsdann nicht etwa auf Grund des Bernoulli\u2019schen Theorems einen sehr gro\u00dfen Theil ohne weiteres als einen dem Ganzen \u00e4hnlichen Theil voraussetzen. L\u00e4sst doch dieses Theorem nur erkennen, dass bei Erf\u00fcllung der notliwendigen Bedingungen sehr gro\u00dfe Theile relativ h\u00e4ufiger als kleinere Theile dem Ganzen \u00e4hnlich sind und bei gleich gro\u00dfen Theilen die Aehnlichkeit innerhalb gewisser Grenzen h\u00e4ufiger ist als die Un\u00e4hnlichkeit.\nEs gibt sonach im ganzen drei Methoden f\u00fcr das induc-\n1) Auf eine Verkennung dieses Unterschiedes weist hei Bernoulli die Bemerkung im viei'ten Capitel des vierten Theils der Ars conjectandi (Ostwald\u2019s Klassiker No. 108, S. 89): \u00bbDabei [n\u00e4mlich bei der Ermittelung der \u2018Wahrscheinlichkeiten a posteriori aus einer gro\u00dfen Anzahl von Beobachtungen, die durch das von ihm entwickelte Theorem ihre Begr\u00fcndung finden soll] muss angenommen werden, dass jedes einzelne Ereigniss in ebenso vielen F\u00e4llen eintreten oder nicht eintreten kann, als vorher bei einem gleichen Stande der Dinge beobachtet wurde, dass er eingetreten oder nicht eingetreten ist. Denn z. B. wenn man beobachtet hat, dass von 300 Menschen von dem Alter und der Constitution des Titius 200 vor Ablauf von 10 Jahren gestorben sind, die \u00fcbrigen aber l\u00e4nger gelebt haben, so kann man mit hinreichender Sicherheit folgern, dass es doppelt so viele F\u00e4lle gibt, in welchen auch Titius innerhalb des n\u00e4chsten Decenniums der Natur den schuldigen Tribut leisten muss, als F\u00e4lle, in welchen er diesen Zeitpunkt \u00fcberleben kann\u00ab. Hier setzt demnach Bernoulli eine Aehnlichkeit der beiden De-cennien voraus, w\u00e4hrend sein Theorem bei einer Vielheit solcher Zeitr\u00e4ume vielmehr eine bestimmte gesetzm\u00e4\u00dfige Grruppirung der m\u00f6glichen Wahrscheinlich -keitswerthe um einen am h\u00e4ufigsten vorkommenden Werth verlangt.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n123\ntive Erkennen der Wahrscheinlichkeit, dass ein Denkgegenstand A als ein mit B verbundenes \u00c4 auftritt:\n1.\tdie unmittelbare Bestimmung der Begriffsumf\u00e4nge von \u00c4 und 4, deren Verh\u00e4ltnis den gesuchten Wahrscheinlichkeitswerth darstellt;\n2.\tdie Bestimmung eines dem Begriffsumfange von A \u00e4hnlichen Tlieils;\n3.\tdie Bestimmung von Elementen des Begriffsumfanges von A in hinreichend gro\u00dfer Zahl, wenn die Voraussetzungen f\u00fcr die Anwendung des Bernoulli\u2019schen Theorems erf\u00fcllt sind, so dass aus n Systemen von je m Elementen der am h\u00e4ufigsten vorkommende Wahrscheinlichkeitswerth mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann.\n\u00a7 7. Die Definition des Collectivgegenstandes.\nBisher war nur von den beiden M\u00f6glichkeiten die Rede, dass der gegebene Denkgegenstand A sowohl das mit B verbundene A\u2019 als auch das ohne B vorkommende A\" sein k\u00f6nne. Von besonderen F\u00e4llen abgesehen, wird man jedoch eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl verschiedener, einander ausschlie\u00dfender M\u00f6glichkeiten ins Auge zu fassen haben. Dann wird A entweder als das mit Bt verbundene At, oder das mit A, verbundene A u. s. w., oder schlie\u00dflich das mit Bn verbundene An auftreten, so dass im ganzen n Modificationen von A m\u00f6glich sind und der Umfang des Begriffs von A aus den n Begriffsumf\u00e4ngen von A\u201e A,, ... An sich zusammensetzt. Die Anzahl n ist keiner Einschr\u00e4nkung unterworfen: sie kann jeden endlichen Werth 2, 3, \u20224 . . . oder auch einen unbegrenzt gro\u00dfen Werth annehmen.\nEinen solchen mehrerer oder beliebig vieler Modificationen f\u00e4higen Denkgegenstand nenne ich, indem ich eine von Fechner1)\n1) Unter einem Collectivgegenstand versteht Fechner (Collectivma\u00dflehre, 1897, S. 3) \u00bbeinen Gegenstand, der aus unbestimmt vielen, nach Zufall variirenden Exemplaren besteht, die durch einen Art- oder Gattungsbegriff zusammengehalten werden\u00ab. Das Variiren der Exemplare bedeutet den Uebergang von einer Modification zu einer anderen. Dass dies zuf\u00e4llig sein soll, wurde in die obige Bestimmung nicht aufgenommen. Denn offenbar bedeutet das \u00bbzuf\u00e4llige\u00ab Yariiren ein \u00bbregelloses\u00ab Schwanken zwischen den verschiedenen Modificationen. Die Anordnung der Exemplare innerhalb des Begriffsumfanges von A und die Art ihrer","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nGotti. Fricdr. Lipps.\neingef\u00fchrte Bezeichnungsweise in erweitertem Sinne anwende, einen Oollectivgegenstand (C.G.). Als Exemplare des C.G. sind dann alle denkbaren Unterlagen von A, die in ihrer Gesammtheit den Be-griffsumfang von A bilden, aufzufassen. Die verschiedenen Modi-ficationen A{, A\u00b1 . . . An, in denen A auftreten kann, m\u00f6gen die Varianten* 1) von A genannt werden. Jeder Variante kommt ein Wahrscheinlichkeitswerth zu, der das Verh\u00e4ltniss des Begriffsumfanges der Variante zum Gesammtumfange des Begriffs von A angibt; und da die Begriffsumf\u00e4nge der Varianten zusammengenommen den Begriffsumfang von A darstellen, so ist die Summe der Wahr-scheinlichkeitswerthe aller Varianten stets gleich 1. Es ist sonach, wenn die Wahrscheinlichkeiten f\u00fcr das Auftreten von At, A, ... An der Beihe nach durch p{,\t... pn bezeichnet werden,\nPi + Pi +------1\u201c Pn \u2014 1 \u2022\nDie Kenntniss der Varianten und ihrer Wahrscheinlichkeiten kann, wie die bisherigen Er\u00f6rterungen zeigen, auf deductivem und auf inductivem Wege gewonnen werden. Sie ist durch Deduction erreichbar, wenn zu dem vorhandenen Begriff von A die Erkenntnis der Bedingungen geh\u00f6rt, unter denen A auf tritt, so dass ein Ueberblick \u00fcber den Begriffsumfang von A und dessen Zusammensetzung aus den Begriffsumf\u00e4ngen der Varianten gewonnen werden kann. Ist dies nicht der Fall, so muss die Kenntniss auf inductivem Wege, durch empirisches Erforschen des Begriffsumfanges von A angestrebt werden. Wird zu diesem Zwecke der ganze Begriffsumfang, oder, da dies im allgemeinen nicht ausf\u00fchrbar ist, ein dem Gesammtumfange \u00e4hnlicher Theil (mag er direct oder auf Grund des Bernoulli\u2019schen Theorems bestimmbar sein) abgez\u00e4hlt und ergeben\nVertheilung auf die Begriffsumf\u00e4nge von A,, A\u201e . . . An kommt aber bei der Wahr-scheinlicbkeitsbestimmung an und f\u00fcr sich nicht in Betracht. Dass die Beschr\u00e4nkung auf zuf\u00e4llige Variation unwesentlich sei, bemerkt auch H. Bruns (zur Collectiv-ma\u00dflehre, Philosophische Studien XIY. S. 346). Es ist indessen die Ber\u00fccksichtigung des Zufalls f\u00fcr die 'Wahrscheinlichkeitsrechnung \u00fcberhaupt entbehrlich. Die verschiedenen Arten, den Zufall zu begreifen, er\u00f6rtert Windelband Die Lehren vom Zufall, 1870).\n1) Von G. Duncker (Die Methode der Variationsstatistik, Archiv f\u00fcr Entwicklungsmechanik der Organismen, VIII. S. 115) werden speciell die Einzelformen, die innerhalb einer Thier- oder Pflanzenspecies zur Beobachtung gelangen, Varianten genannt.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\t125\nsich auf diese Weise unter m Exemplaren Exemplare Av Exemplare At, . . . % Exemplare An (wo\t-------f->rn), so\nfindet man zugleich mit der Kenntniss der Varianten A{, Ai ... An die Wahrscheinlichkeiten derselben, n\u00e4mlich:\nPi =\nm \u2019\nPi = \u2022 \u2022 ,\nx - m\nPn\nm\n)\ndie der Bedingung\nPi + Pi + \u2022 \u2022 \u2022 + Pn \u2014 1\ngen\u00fcgen. Alsdann bietet sich die Aufgabe dar, die inductiv gewonnene Kenntniss der Varianten und ihrer Wahrscheinlichkeiten f\u00fcr den Begriff von A selbst fruchtbar zu machen.\nKann diese Aufgabe durch besondere, den C.G. eigenth\u00fcmliche Methoden gel\u00f6st werden, so veranlasst sie eine \u00bbTheorie der Collectivgegenst\u00e4nde\u00ab, die einen Bestandtheil der empirischen Wahrscheinlichkeitslehre bildet. Denn das Untersuchungsmaterial besteht aus empirisch bestimmten Wahrscheinlichkeiten.\nDie auf inductive Wahrscheinlichkeitserkenntniss gegr\u00fcndete Theorie der C.G. hat alsdann die Aufgabe, aus der von der Erfahrung dargebotenen Kenntniss der Varianten und ihrer Wahrscheinlichkeiten eine f\u00fcr den C.G. selbst g\u00fcltige Erkenntniss zu gewinnen.\nBei der Entwicklung der Methoden, die zur L\u00f6sung dieser Aufgabe dienlich sind, ist im Auge zu behalten, dass im allgemeinen (wenn nicht der ganze Begriffsumfang zur Verf\u00fcgung steht) nur eine angen\u00e4herte Bestimmung der Wahrscheinlichkeitswerthe m\u00f6glich ist. Demzufolge ist einestheils jeder von den n gefundenen Werthen:\n__^*2\t\u201e ___\nnur innerhalb gewisser Grenzen als zuverl\u00e4ssig anzusehen, und es ist anderntheils in Bcchnung zu ziehen, dass au\u00dfer den thats\u00e4chlich beobachteten Varianten Av At . . . An noch andere vorhanden sein k\u00f6nnen, die wegen ihrer geringen relativen H\u00e4ufigkeit oder Wahrscheinlichkeit in dem beobachteten Theil des Begriffsumfangs von A nicht vertreten sind.\nDie Theorie der C.G. muss daher einestheils die im all-","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nGotti. Friedr. Lipps.\ngemeinen unvermeidlichen Ungenauigkeiten in der Bestimmung der Wahrscheinlichkeitswerthe und anderntheils die M\u00f6glichkeit des Vorkommens von Varianten mit geringen, der Beobachtung sich entziehenden Wahrscheinlichkeiten ber\u00fccksichtigen.\nDurch die Aufstellung dieses Grundsatzes erhalten die zur Bestimmung der O.G. tauglichen Methoden von vorn herein ein besonderes Gepr\u00e4ge. Denn es ist zwar m\u00f6glich, dass die Varianten aus dem Begriff von A deducirt oder durch eine willk\u00fcrliche Eintheilung des Begriffsumfangs unzweideutig festgestellt werden k\u00f6nnen und nur die Wahrscheinlichkeitswerthe empirisch zu bestimmen sind; es ist ferner denkbar, dass auch die Wahrscheinlichkeiten v\u00f6llig genau gefunden werden k\u00f6nnen. Eine allgemein g\u00fcltige Methode l\u00e4sst sich aber auf die Annahme solcher besonderer F\u00e4lle nicht gr\u00fcnden.\nII. Die Bestimmung der Collectivgegenst\u00e4nde durch Mittelwerthe.\n\u00a7 1. Die Collectivgegenst\u00e4nde als Objecte mathematischer\nUntersuchung.\nDie Aufgabe, aus den inductiv erkannten Wahrscheinlichkeiten der Varianten eines durch A bezeichneten C.G. eine f\u00fcr den C.G. g\u00fcltige Erkenntniss zu gewinnen, bedarf einer genaueren Bestimmung, da es sich ebensowohl um eine den Inhalt wie um eine die Form von A betreffende Erkenntniss handeln kann.\nDer Inhalt von A beruht wesentlich auf den Beziehungen, welche den Begriff von A bilden und die Zugeh\u00f6rigkeit des A zu einem bestimmten Wissensgebiete bedingen. Jede den Inhalt von A betreffende neue Erkenntniss wird daher gleichfalls jenem Wissensgebiete angeh\u00f6ren. Ist z. B. A eine Pflanzen- oder Thierspecies, und werden die Wahrscheinlichkeiten ihrer Varianten unter verschiedenen klimatischen oder sonstigen Verh\u00e4ltnissen beobachtet, so kann man hierdurch einen etwaigen Einfluss des Klimas oder der sonstigen Verh\u00e4ltnisse auf A feststellen und eine Mehrung botanischer oder zoologischer Erkennt-","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n127\n*niss erzielen. Um solche Erkenntnisse handelt es sich in der allgemeinen Lehre von den C.G. nicht.\nDie Form von A ist hingegen durch das blo\u00dfe Vorhandensein von Varianten und ihre Wahrscheinlichkeitswerthe bedingt. Auf Grund derselben zerf\u00e4llt der Begriffsumfang von A in eine bestimmte oder unbestimmt gro\u00dfe Anzahl von Theilumf\u00e4ngen, die den einzelnen Varianten zugeh\u00f6ren. Und man kann nun, ohne auf den Inhalt von A R\u00fccksicht zu nehmen, fragen, welche Merkmale f\u00fcr A aus der Art und Weise der Zusammensetzung seines Begriffsumfangs oder (mit anderen Worten) aus den Wahrscheinlichkeitswerthen seiner Varianten sich ergehen. Solche auf der Form von A beruhenden Erkenntnisse zu gewinnen, ist die zun\u00e4chst liegende Aufgabe der Lehre von den O.G. Sie ist mit mathematischen H\u00fclfsmitteln zu l\u00f6sen, da zahlenm\u00e4\u00dfig bestimmte Wahrscheinlichkeiten das Untersuchungsmaterial bilden.\nHierbei sind von vorn herein zwei F\u00e4lle zu unterscheiden.\nDie Varianten des C.G. A k\u00f6nnen n\u00e4mlich einerseits beziehungslos neben einander stehen, so dass sie keiner objectiv begr\u00fcndeten Ordnung f\u00e4hig sind und nur die M\u00f6glichkeit besteht, nach subjectiver Willk\u00fcr die eine als A,, eine andere als As, eine dritte als As u. s. w. zu bezeichnen und so aufeinander folgen zu lassen, weil eben das Erfassen einer Vielheit nicht anders als in der Form einer Reihe oder eines Syst\u00e8mes von Reihen m\u00f6glich ist. Dann geh\u00f6ren, wenn unter m Exemplaren von A z, Exemplare A{, z-% Exemplare A, u. s. f. gefunden wurden, die H\u00e4ufigkeiten z,, z2 \u2022 \u2022 \u2022 zn oder die W ahrscheinlichkeiten\nPi =\nm\u2019\nP-2 =\nm \u2019\nPa \u2014\nm\nzwar zusammen, weil sie den Varianten A{,\t. . . An zugeh\u00f6ren\nund insgesammt auf A sich beziehen; es kann jedoch nicht von einem objectiv begr\u00fcndeten Verlauf dieser Werthe und von einer Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit des Verlaufs die Rede sein. \u2014 Werden z. B. unter den S\u00e4ugethieren Raubthiere auf Grund der Beschaffenheit ihres Gebisses, Wiederk\u00e4uer mit R\u00fccksicht auf die Einrichtung des Magens, Huf-thiere wegen des Vorkommens von Zehen, die mit Hufen bekleidet sind u. s. w., unterschieden, und denkt man sich die Wahrscheinlichkeiten oder relativen H\u00e4ufigkeiten der verschiedenen Ordnungen, in","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nGotti. Friedr. Lipps.\nwelche demgem\u00e4\u00df die Classe der S\u00e4ugethiere eingetheilt wird, f\u00fcr* einen Erdtheil etwa und f\u00fcr einen gegebenen Zeitraum bestimmt, so ist ein Gesetz, nach welchem sich die Wahrscheinlichkeiten auf die Ordnungen vertheilen m\u00f6chten, nicht angebbar, so lange keine objec-tiv begr\u00fcndete Reihenfolge der Ordnungen (beispielsweise nach einem entwicklungsgeschichtlich motivirten Stammbaum) hergestellt werden kann.\nTrifft dieser Fall zu, so ist das System der gefundenen Wahrscheinliclikeitswerthe unmittelbar der Oharakterisi-rung von A zu Grunde zu legen. Es besteht aus einer Mannigfaltigkeit reeller, positiver Zahlenwerthe, deren Summe stets gleich 1 ist.\nDie Varianten von A k\u00f6nnen anderseits in solcher Beziehung zu einander stehen, dass sie als Elemente eines wohlgeordneten, aus einer Reihe oder aus einem Gewebe zusammenh\u00e4ngender Reihen bestehenden Systems aufzufassen sind. Dieses System wird von der Gesammtheit aller denkbaren Varianten gebildet, sodass jede that-s\u00e4chlicli beobachtete Variante einer bestimmten Stelle des Syst\u00e8mes angeh\u00f6rt und durch diese Stelle bezeichnet werden kann. Als Stellenzeichen dienen die Ordnungszahlen. Denn jede Reihe des Systems findet in der Reihe der Ordnungszahlen ihr zutreffendes Bild, sofern es nicht auf die Beschaffenheit der Varianten, sondern nur auf die M\u00f6glichkeit, sie zu ordnen, ankommt. Die Ordnung einer Reihe besteht aber darin, dass auf jedes Glied ein anderes folgt, wenn es nicht das letzte ist, und jedem ein anderes vorangeht, wenn es nicht das erste ist. Dabei h\u00e4ngt es ganz von der Beschaffenheit der ordnenden Beziehungen ab, ob f\u00fcr eine bestimmte Variantenreihe ein Anfangsglied und Endglied vorhanden ist oder nicht und ob ein solches zwar denkbar, aber nicht angebbar oder nicht nur denkbar, sondern auch angebbar ist. Es kann hingegen nicht durch die Beobachtung der Varianten festgestellt werden, ob eine Reihe begrenzt oder unbegrenzt ist; denn die Beobachtung f\u00fchrt stets zu einer bestimmten endlichen Anzahl von Varianten, ohne dass auf diese Weise das Nichtvorhandensein der Varianten, die der Beobachtung aus dem einen oder dem anderen Grunde sich vielleicht entziehen, erwiesen werden k\u00f6nnte.\nMan kann demnach, wenn die Gesammtheit aller denkbaren","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n129\nVarianten in eine einzige Reihe sich ordnen l\u00e4sst, ein beliebiges Glied dieser Reihe durch irgend eine positive oder negative Ordnungszahl (oder auch durch die Null) markiren und den auf der einen Seite folgenden Varianten die auf steigenden, den auf der anderen Seite folgenden Varianten die absteigenden Glieder der Zahlenreihe zuweisen. Es wird alsdann, wenn die als Ausgangsglied gew\u00e4hlte Variante durch die Ordnungszahl a bezeichnet wird, die Reihe aller denkbaren Varianten durch\n... a \u2014 2,\t\u00ab \u2014 1, oc, a + 2 , ce \u2014{\u2014 4, . . .\ndargestellt.\nBesteht jedoch das System der denkbaren Varianten nicht aus einer einzigen Reihe, sondern aus einem Gewebe von Reihen, so ist jede Variante, die mehreren Reihen angeh\u00f6rt, durch ebenso viele Ordnungszahlen, als die Anzahl der Reihen betr\u00e4gt, zu markiren. Eine Doppelreihe von Varianten wird z. B., wenn eine beliebige Variante durch das Paar von Ordnungszahlen (\u00ab, \u00df) angegeben wird, durch\n. . (\u00ab \u2014 1, \u00df \u2014 1)\t(a, \u00df \u2014 1)\t(\u00ab + 1, \u00df - 1) . .\n. .\t(\u00ab - 1, \u00df)\t(\u00ab, \u00df)\t(\u00ab + 1, \u00df) \u25a0\u25a0\n\u00df + l)\t(a,\u00df + l)\t(\u00ab +1,0+1)...\ndargestellt.\nEine solche Abbildung durch Reihen von Ordnungszahlen ist immer dann ausf\u00fchrbar, wenn die Varianten Abstufungen eines und desselben Merkmals, oder mehrerer zusammengeh\u00f6riger Merkmale des C.G. sind. Beispielsweise, wenn es sich um die in Millimetern etwa angegebenen L\u00e4ngen der Fr\u00fcchte einer Pflanze, oder um die Anzahlen der Samenk\u00f6rner in den Fr\u00fcchten handelt. Als ahstufhare Merkmale k\u00f6nnen aber nicht nur stetig ver\u00e4nderliche Gr\u00f6\u00dfen oder z\u00e4hlbare Mengen, sondern auch Qualit\u00e4ten, f\u00fcr die es eine Scala der m\u00f6glichen Unterschiede gibt, auftreten. Es k\u00f6nnen also z. B. Farben-und Tonempfindungen, nicht aber Geruchsempfindungen in Betracht kommen, weil eine Farbenscala (f\u00fcr die unterscheidbaren Farbent\u00f6ne, Wundt, Philos. Studien. XVII.\t9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nGotti. Friedr. Lipps.\nS\u00e4ttigungsgrade und Helligkeitsstufen) ebenso wie eine Tonscala (f\u00fcr die unterscheidbaren Tonh\u00f6hen) vorhanden ist, w\u00e4hrend eine vollst\u00e4ndige und unanfechtbare Scala der Ger\u00fcche fehlt. Dabei ist es gleichg\u00fcltig, oh die aufeinanderfolgenden Stufen letzte, un\u00fcberbr\u00fcckbare Unterschiede (\u00e4hnlich den Anzahlen v\u00f6llig gleichartiger Dinge) oder nur einen gewissen Grad der Unterscheidbarkeit (\u00e4hnlich den auf Millimeter abgerundeten L\u00e4ngenangahen) zum Ausdruck bringen, so dass bei sch\u00e4rferer Unterscheidung jede Stufe selbst wieder Abstufungen enth\u00e4lt und schlie\u00dflich hei unbegrenzt feiner Abt\u00f6nung der Unterschiede in unendlich viele unendlich wenig verschiedene Stufen zerfallend zu denken ist.\nDie einer bestimmten, objectiv begr\u00fcndeten Ordnung f\u00e4higen Varianten der C.G. k\u00f6nnen daher ebensowohl Vielfache einer Ma\u00dfeinheit oder Anzahlen gleichartiger Dinge, wie auch Stufen einer stetig oder gradweise ver\u00e4nderlichen Qualit\u00e4t sein.\nEben derselben Ordnung werden nun auch die beobachteten H\u00e4ufigkeiten oder Wahrscheinlichkeiten durch ihre Zugeh\u00f6rigkeit zu den Varianten theilhaftig. Es ist daher ein objectiv, durch die Bezugnahme auf die Varianten begr\u00fcndeter Verlauf vorhanden, dessen Besonderheiten festgestellt und zur Charakterisirung des C.G. benutzt werden k\u00f6nnen. Man wird darum nicht, wie hei den C.G., deren Varianten keiner objectiv begr\u00fcndeten Ordnung f\u00e4hig sind, das System der Wahrscheinlichkeitswerthe f\u00fcr sich allein (was allerdings auch jetzt wieder \u2014 eben unter Absehen von der f\u00fcr die Varianten bestehenden Ordnung \u2014 m\u00f6glich w\u00e4re), sondern vielmehr die absoluten oder relativen H\u00e4ufigkeiten in ihrer Zugeh\u00f6rigkeit zu den Varianten ins Auge fassen m\u00fcssen. Demgem\u00e4\u00df sind die H\u00e4ufigkeiten der Ordnungszahlen, welche die zur Beobachtung gelangten Varianten repr\u00e4sentiren, der Charakterisirung des C.G. zu Grunde zu legen.\nLassen sich also die denkbaren Varianten des gegebenen C.G. in eine einzige Reihe ordnen und werden unter m Exemplaren %u Exemplare der durch a markirten Variante, ztt_t Exemplare der Variante a \u20141, %a+i Exemplare der Variante \u00ab -j- 1 u. s. w. gefunden, wo- jede zwar denkbare, aber thats\u00e4chlich nicht beobachtete Variante mit einem % \u2014 0 behaftet aufzufassen ist, so wird das von xu Wer-then \u00ab, xu_K Werthen a \u2014 1, zn+i Werthen \u00df + 1 u. s. w. gebildete","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n131\nSystem den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden, der Form\n... a \u2014 1, a , a + 1 , . ..\n\u25a0 \u25a0 \u2022 xa\u2014\\ >\t) xa+i !\t\u2022 \u2022 \u25a0\n%\noder hiermit gleichbedeutend, wenn pa =\t, pa_lz=\nxa+i\nm\nu. s. w. gesetzt wird, in der Form\n... a \u2014 1, a , a + 1, . . .\n\u2022 \u2022 \u2022 Pu \u2014 i > P i Pn+1 > \u2022 \u2022 \u2022\nEs kann in\nm \u2019 Pa+i\nvorausgesetzt werden. Diese tabellarische Zuordnung der absoluten oder relativen H\u00e4ufigkeitswerthe zu den durch Ordnungszahlen repr\u00e4-sentirten Varianten soll nach Fechner die Vertheilungstafel des C.G. genannt werden.\nBilden hingegen die denkbaren Varianten des C.G. eine Doppelreihe und befinden sich unter m Exemplaren xtt<\u00df Exemplare der Variante (a, \u00df), %\u201e+u\u00df Exemplare der Variante (\u00ab + 1, \u00df), za,\u00df+t Exemplare der Variante (a, \u00df + 1) u. s. w., so wird das aus xu, \u00df Werthenpaaren (a, \u00df), xa+u\u00df Werthenpaaren (u -f-1, \u00df), %a. \u00df+{ Werthenpaaren (a, \u00df 1) u. s. w. bestehende System die Grundlage der Untersuchung bilden. Die Vertheilungstafel kann in der Form\n\u00df-1\n\u00df\n\u00df + 1\na \u2014 1\ta\ta + 1\t\nT SCL T s\tza-\u00df\u2014i\tXU+1 . \u00df-l\t\nza-41 \u00df\t\u00df\txa+i, \u00df\t\n\u25a0\t\u25a0 xa-i, \u00df+K\tzu \u2019 \u00df+l\tXU+l > \u00df+l\t\nvor Augen gestellt werden, wo jedes % die H\u00e4ufigkeit desjenigen Wer-thenpaares angibt, dessen Glieder in der zu % geh\u00f6renden Horizontal-und Verticalreihe stehen, und wo an Stelle der absoluten H\u00e4ufigkeiten za^\u00df wiederum die relativen H\u00e4ufigkeiten\nxa\u25a0 \u00df\ntreten k\u00f6nnen.\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nGotti. Friedr. Lipps.\nHieraus erhellt, dass in jedem Falle, m\u00f6gen die Varianten des C.G. einer objectiv begr\u00fcndeten Ordnung f\u00e4hig sein oder nicht, eine Mannigfaltigkeit reeller Zahlenwerthe die Grundlage f\u00fcr die Charakterisirung des O.G. bildet. Diese Mannigfaltigkeit besteht aus Einzelwerthen, wenn es sich um das System der Wahrscheinlichkeits-werthe selbst oder um eine einzige Variantenreihe handelt; sie besteht aus Werthenpaaren bei einer Doppelreihe von Varianten und allgemein aus Oombinationen von je n Werthen bei ?t-fach zusammenh\u00e4ngenden Variantenreihen.\nDieser Gemeinsamkeit des mathematischen Ausgangspunktes der Untersuchung entsprechend k\u00f6nnte auch die weitere Behandlung f\u00fcr alle F\u00e4lle gleichartig gestaltet werden: denn man kann stets entweder von den gefundenen Werthen selbst ausgehen und die Bestimmung dieses Systems sich zur Aufgabe machen, oder aber ein Schema m\u00f6glicher Werthe voraussetzen, die F\u00e4cher desselben mit den gefundenen Werthen besetzen (wo dann im allgemeinen neben einfach und mehrfach besetzten F\u00e4chern leer bleibende F\u00e4cher auftreten werden) und nun das Gesetz, nach dem sich die Werthe auf das vorausgesetzte Schema vertheilen, zu bestimmen suchen.\nIn der That ist es, wenn die n Wahrscheinlichkeitswerthe p,, p\u201e\n\u25a0 \u25a0 \u25a0 pn ohne Bezugnahme auf die zugeh\u00f6rigen Varianten zur Charakterisirung eines C.G. dienen sollen, zul\u00e4ssig, statt zur Bestimmung des Systems dieser Werthe zu schreiten, eine Scala von Wahrscheinlich-keitswerthen, die sich gleichm\u00e4\u00dfig \u00fcber das Intervall der Zahlenwerthe von 0\u20141 erstreckt, vorauszusetzen und die H\u00e4ufigkeit des Vorkommens jeder Stufe (ob sie Omal, lmal, 2mal u. s. w. auftritt) anzugeben, um sodann die so construirte Vertheilungstafel der Wahrscheinlichkeitswerthe weiter zu behandeln. Man erh\u00e4lt so, wenn die Stufen der Scala allgemein durch\n1\n2\n7\u2019\nP{0) = y, p\ntr\n(wo l eine ganze Zahl vorstellt) bezeichnet werden und die Anzahlen n0, nn nt . . . der Reihe nach f\u00fcr jede einzelne Stufe angeben, ob dieselbe und wie oft sie unter den gefundenen Wahrscheinlichkeits-werthen pt, pt . . . pn vorkommt, als Darstellung des urspr\u00fcnglich vorhandenen Systems die tabellarische Zuordnung","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der CoUectivgegenst\u00e4nde.\n133\nP(o), p', p\", . . .\nn0,\tn\\ > n-ii \u25a0 \u2022 \u25a0\nwo n0p(0~) + ntp' + n^p\" + \u25a0\u25a0\u25a0== 1. Und diese Vertheilungstafel ist im Grunde nichts anderes als eine Anordnung der gefundenen Werthe ptJ p^ . . . pn nach der Gr\u00f6\u00dfe unter gleichzeitiger Beschr\u00e4nkung der Werthangabe auf die durch 1 : l bestimmten Bruchtheile. \u2014 Sollen anderseits die n absoluten oder relativen H\u00e4ufigkeiten z{, xt . . . zn oder pv pt... pn m ihrer Zugeh\u00f6rigkeit zu den einer Reihe angeh\u00f6rigen und durch die Ordnungszahlen a\u201e a\u00e4 . . . an be-zeichneten Varianten zur Oharakterisirung des C.G. dienen, so kann an Stelle der Vertheilungstafel auch das aus xK Werthen at, Wer-then \u00abs, ... xn Werthen an bestehende System unmittelbar zum Gegenst\u00e4nde der Untersuchung gemacht werden. Denn die Zugeh\u00f6rigkeit der H\u00e4ufigkeitswerthe zu den Ordnungszahlen der Varianten ergibt sich zugleich mit der Bestimmung jenes Systems, dessen Besonderheit gerade darin hegt, dass n Gruppen von Werthen, n\u00e4mlich x{ Werthe\tWerthe \u00abs u. s. w. vorhanden sind.\nMan wird indessen doch im ersteren Palle bei dem System der Wahrscheinlichkeitswerthe stehen bleiben und im letzteren Palle auf die directe Ermittelung des Gesetzes, nach dem die beobachteten H\u00e4ufigkeiten auf die Reihe der denkbaren Varianten sich vertheilen, nicht verzichten. Denn die leer bleibenden Stufen der Scala von Wahi\u2019scheinlichkeiten p(\u00b0\\ p',\tsind mit Ausnahme der Stufe\np(\u00b0) = 0 (die im allgemeinen mit einer gewissen, aber nicht angeb-haren Anzahl n0 verschwindender, der Beobachtung sich entziehender und darum gleich Null zu setzender Wahrscheinlichkeiten belegt zu denken ist) in Wirklichkeit als nicht vorhanden anzusehen, so dass kein Bed\u00fcrfniss besteht', dieselben neben den thats\u00e4chlich vertretenen Stufen im Auge zu behalten und ein Vertheilungsgesetz der Anzahlen n0, nt ... nt unter Ber\u00fccksichtigung all dieser Stufen zu entwickeln. Hingegen sind alle mit der empirischen H\u00e4ufigkeit Null auftretenden Stufen der Variantenreihe stets als m\u00f6gliche Stufen festzuhalten und mit geringen, der Beobachtung sich entziehenden H\u00e4ufigkeitswerthen behaftet zu denken, so dass sie neben den thats\u00e4chlich beobachteten Stufen beachtet werden m\u00fcssen. Darum beansprucht hier das Vertheilungsgesetz unter Zugrundelegen aller denkbaren Stufen der Va-","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nGotti. Friedr. Lipps.\nriantenreilie das haupts\u00e4chliche Interesse, das nicht blo\u00df auf dem Umwege durch Bestimmung des unmittelbar vorliegenden Systems von x, Werthen a{ . . . zn Werthen un befriedigt werden kann.\nEs ist darum trotz der gemeinsamen mathematischen Grundlage die Verschiedenheit zwischen den O.G., deren Varianten keiner ob-jectiv begr\u00fcndeten Ordnung f\u00e4hig sind, und den O.G., deren Varianten in Reihen geordnet werden k\u00f6nnen, anzuerkennen und sowohl die Methode f\u00fcr die Bestimmung eines unmittelbar vorliegenden Systems von Wahrscheinlichkeitswerthen als auch die Methode f\u00fcr die Feststellung von Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten gegebener Vertheilungstafeln oder von Vertheilungsgesetzen zu entwickeln. Die erstere Methode soll jedoch nur wegen des theoretischen Interesses, das sie an sich und durch den Vergleich mit der letzteren Methode besitzt, hier in K\u00fcrze behandelt werden. Den Hauptgegenstand der Untersuchung werden hingegen die Vertheilungstafeln der O.G. bilden.\n\u00a7 2. Die Charakterisirung eines Collectivgegenstandes auf Grund des Systems der Wahrscheinlichkeitswerthe.\nEin C.G. mit den empirisch ermittelten Varianten An Av . . . An und den zugeh\u00f6rigen \"Wahrscheinlichkeitswerthen pu plt . . . pn sei gegeben. Sind nun in Folge des Mangels einer objectiv begr\u00fcndeten Ordnung alle subjectiv m\u00f6glichen Anordnungen der Wahrscheinlichkeitswerthe gleichberechtigt, so sind nur solche Combina-tionen von pt, p.2, \u25a0 \u25a0 \u25a0 pn zur Charakterisirung des C.G. tauglich, die hei einer beliebigen Vertauschung ihrer Elemente unver\u00e4ndert bleiben. Es k\u00f6nnen somit nur die sogenannten symmetrischen Functionen von pt, pv ... pn in Betracht kommen, und man wird der Einfacheit wegen algebraische Functionen w\u00e4hlen.\nSolcher Functionen gibt es unbegrenzt viele. Indessen l\u00e4sst sich bekanntlich1) jede derselben durch die Coefficienten der Gleichung ?z-ten Grades, welche die n Werthe jp\u201e p% . . . pn zu Wurzeln hat, ausdr\u00fccken. Schreibt man diese Gleichung in der Form\n1) In den Lehrb\u00fcchern der Algebra wird bewiesen, dass eine beliebige rationale, symmetrische Function der Wurzeln einer Gleichung rational durch die Coefficienten der Gleichung ausgedr\u00fcckt werden kann.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n135\npn \u2014 b{pn-{ + b\u00eepn~\u00ee--\u00b1bn = 0,\t(1)\nso ist\n= Pi + Pi + \u2022 ' \u2022 + Pn \\=Pi-Pi+Pi-P3-\\-------H\u00bb\u00ab-\u00ab \u25a0 Pn\nK=Pk -Pt \u2022 \u25a0 \u2022 Pn \u25a0\nMan kann sich daher auf die n durch bt, bt . . . bn bezeichneten symmetrischen Grundfunctionen von pv pt ... pn beschr\u00e4nken, um eine vollst\u00e4ndige Bestimmung des Systems dieser Werthe und eine m\u00f6glichst weitgehende Charakterisirung des C.G. zu erhalten. Dabei ist stets\nbt=Pl+Pt-\\-------1-Pn = 1-\t(3)\nAn Stelle von b{, bt . . . bn kann man auch die Potenzsummen \u2014Pi +P\u00b0> 4---------------------'rPn\n-----1~Pl\n+\t------\\-Pl\nw\u00e4hlen, wo s4 == bi = 1. Denn die Werthe s4, st . . . sH h\u00e4ngen mit den Werthen b{, bt . . . bn in einfacher Weise zusammen, da nach den Newton\u2019sehen Formeln:\n\u00bbt \u2014 K \u2014 0\n\u2022h \u2014 bisi + 2bt \u2014 0\ns3 \u2014 M* + Mi \u2014 35j = 0\nund somit das eine Werthensystem aus dem andern gefunden werden kann.\nDie Werthe bt, bt ... bn und st) st ... sn sind aber untereinander und mit den j)-Werthen nicht unmittelbar vergleichbar, da die Summen, durch welche jene Werthe dargestellt werden, verschiedene Anzahlen von Gliedern und Glieder von verschiedenen Dimensionen besitzen. Es besteht n\u00e4mlich bi aus","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nGotti. Friedr. Lipps.\nSummanden, von welchen jeder ein aus i Eactoren gebildetes Product ist, und si ist aus n Potenzen vom t'-ten Grade zusammengesetzt (f\u00fcr i \u2014 1, 2 ... n).\nEs empfiehlt sich darum zu Mittelwerthen \u00fcberzugehen, die ich in folgender Weise definire.\nEs sei p0 ein beliebiger reeller Zahlenwerth. Man bilde nun die Differenzen p{ \u2014 p0, pi \u2014 p0, . . . pn \u2014 p0 und erhebe jede in die v-te Potenz. Dann erh\u00e4lt man aus der Summe\nn \u25a0 < = {Pi \u2014PoY + (Pt \u2014PoY 4---------f [Pn \u2014PoY (5)\nnach Division mit n und Ausziehen der r-ten Wurzel den reellen Werth 7ty, der f\u00fcr ein geradzahliges v dem absoluten Betrage nach zu nehmen ist. Den Werth tcv bezeichne ich als den auf. den Ausgangswerth p0 bezogenen Mittelwerth v-ter Ordnung des Systems pv p^ . . . pn.\nEntwickelt man die rechte Seite von (5) nach Potenzen von p0) so erh\u00e4lt man\nn \u2022 < = sv \u2014 ( * ) sv_,p0 + l^sv_ipl------=tnpl\t(6)\nEs ist somit:\nnni = s, \u2014 np0 = 1 \u2014 np0 ;\nnn\\ = st \u2014 2s,p0 + np\\ ;\nnn\\ = s3 \u2014 3s^p0 + 3stp\\ \u2014 np\\ ;\nHieraus wird ersichtlich, dass nach Wahl eines bestimmten Ausgangs-werthes p0 einerseits\t. . . 7tn aus st] st ... sn und ander-\nseits s,, s2 ... sn aus 7t{, 7t^ ... 7tn gefunden werden k\u00f6nnen. Das System der Wahrscheinlichkeitswerthe p{, pt . . . pn wird somit durch die auf einen beliebig gew\u00e4hlten Ausgangswerth p0 bezogenen Mittelwerthe 7tt, 7t\u00ee ... 7tn vollst\u00e4ndig bestimmt.\nEine angen\u00e4herte Bestimmung wird durch eine kleinere Anzahl von Mittelwerthen, etwa durch jtt, it^ ... jtv (wo v <( n) geleistet. Denn aus itK, it^ . . . 7tv kann man s,, s2 ... sv und somit b{, //., . . . bv finden, so dass in der Gleichung (1) die v ersten Ooefficienten bekannt sind, die n \u2014 v folgenden aber unbekannt bleiben. Dabei","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n137\nsind aber die unbekannt bleibenden Coefficienten keineswegs willk\u00fcr-lieb bestimmbar, sondern an gewisse Bedingungen gebunden, die \u2014 allgemein gesagt \u2014 darin ihre Quelle haben, dass die n Wurzeln der Gleichung (1) s\u00e4mmtlich reell und positiv sind.\nDemzufolge sind, wenn die Gleichung (1) in der Form\npn - (\u201d) \u00dftpn~' + (g) \u00dflpn-* - \u2022 \u2022 \u2022 \u00b1 \u00ab = 0\t(7)\ngeschrieben, wenn also\nh = (\u201d)# f\u00fcr i = 1, 2. . . n\ngesetzt wird, die Werthe \u00dft, \u00dft ... \u00dfn gleichfalls reelle Mittelwerthe der Gr\u00f6\u00dfen pi,\t. . . pn. Insbesondere ist \u00dfl das arithmetische\nund \u00dfn das geometrische Mittel jener Gr\u00f6\u00dfen. Und es bestehen zwischen diesen Mittelwerthen [wie im n\u00e4chsten Oapitel (\u00a7 1) gezeigt wird] Beziehungen, in denen die Thatsache, dass die n Wurzeln von (7) s\u00e4mmtlich reell und positiv sind, einen Ausdruck findet. Beispielsweise ist\n&>&>/*\u00bb>\u2022\u2022\u2022 > \u00dfn-i > \u00dfn \u2022\t(8)\nEs ist aber nun zu beachten, dass die Wahrscheinlichkeitswerthe Pi) Pi \u2022 Pn im allgemeinen nur innerhalb gewisser Grenzen als zuverl\u00e4ssig gelten k\u00f6nnen. Man wird darum nicht erwarten d\u00fcrfen, bei einer erneuten, selbst unter gleichen Umst\u00e4nden ausgef\u00fchrten Bestimmung genau dieselben Werthe wieder zu finden. Mit den Wahrscheinlichkeitswerthen \u00e4ndern sich aber im allgemeinen auch ihre Mittelwerthe nach Ma\u00dfgabe der Definitionsgleichung (5), so dass 7Ci + dK,\t\u2022 \u2022 \u2022 ?rn + 4n an Stelle von st, , 7tt . . . nn tritt,\nwenn pi, pt . . . pn durch pl + d{J pi 4-\t. . . pn + \u00f6n ersetzt wird,\nund\nn{7tv -f- Jv)v = (pt \u2014 p0 + dj* + (pt \u2014 p0 + dt)v + \u2022 \u2022 \u2022\n+ (Pn \u2014 Po + ^n)l,\nist. Dabei muss\ndt + d2 + . . . + 6n = 0\nsein, indem sowohl p{ + pt + . . . + pn als auch pl + d, + pt + d; + \u2022 \u2022 . + pn + d\u201e gleich 1 ist. Da indessen d,, ds ... d\u201e als kleine","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nGotti. Friedr. Lipps.\nGr\u00f6\u00dfen vorauszusetzen sind, so darf man die zweiten und h\u00f6heren Potenzen derselben vernachl\u00e4ssigen und in erster Ann\u00e4herung\nn< + nv7tl~iJv = (pi \u2014 pj + [Pi \u2014 Poy + . . . 4-(Pn\u2014 Po)\" + v\u00e4l(pl \u2014 Po)\"-1 + H(P* \u2014 ft)\"-1 + \u25a0 \u2022 \u2022 + v\u00f6n{pn \u2014 pj~l oder\nAv = ri? (\u00f4i (p. - Po)\"-1 + ^ (p. -Po)\"-1 + ... + d\u00bb(pn- Po)v-')\nsetzen. Hieraus erh\u00e4lt man schlie\u00dflich, wenn\n<*\u00bb = \u2014 <*4 \u2014 \u2014 <*\u00bb-! und zur Abk\u00fcrzung\nci \u2014 (Pi \u2014Po)\"-1 \u2014 (Pn -Po)\"-' ; C, = (ft \u2014Po)*\"-1 \u2014 (P\u201e -p\u00bb)\"-1 ; u. s. w. gesetzt wird,\nAv ==\tci + ^cs + \u2022 \u2022 \u2022 + d\u201e_,c\u201e_t) .\t(9)\nftT\u20acv\nDenkt man sich jetzt die Bestimmung der Wahrscheinlichkeits-werthe px, p\u00e4 . . . pn beliebig oft wiederholt, so werden andere und andere, positive und negative Abweichungswerthe dj, d, . . . \u00e4\u201e_, re-sultiren und zugeh\u00f6rige Werthe 4V erzeugen. Es l\u00e4sst sich dann aus den Quadraten der Abweichungswerthe d, der mittlere Werth mK berechnen und nach Gau\u00df als Ma\u00dfstab f\u00fcr die bei Bestimmung von p, zu bef\u00fcrchtende Unsicherheit ansehen. Desgleichen existirt je ein mittlerer Werth mt, m3 . . . mn_f f\u00fcr die Abweichungswerthe d2, d3 . . . 6n_i . Aus denselben wird der mittlere Werth der Abweichungen J,,, der durch Mv bezeichnet werden soll, nach der Formel1)\nM-=^hVm:c'+\n+\n+ rnl. e*\n(10)\ngefunden. Er dient unabh\u00e4ngig von dem Gesetze, das die H\u00e4ufigkeit des Auftretens der verschiedenen, m\u00f6glichen Abweichungswerthe d,, d.2 . . . dn_t regelt, als Ma\u00dfstab f\u00fcr die bei Bestimmung von nv zu erwartenden Schwankungen.\n1) Gau\u00df, Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae, Art. 18.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n139\nYou den Schwankungen der thats\u00e4chlich beobachteten Wahr-scheinlichkeitswerthe pu pt . . . pn abgesehen ist noch in R\u00fccksicht zu ziehen, dass stets Varianten mit geringen Wahrscheinlichkeits-werthen vorhanden sein k\u00f6nnen, die unter den zur Beobachtung gelangenden Exemplaren des C.Gr. nicht vertreten sind. Es m\u00f6gen r solcher Varianten mit den Wahrscheinlichkeitswerthen pn+1, pn+i \u25a0 \u25a0 \u25a0 Pn+r vorhanden sein. Alsdann m\u00fcssen an Stelle von (4) die Summenwerthe\n=== Pi + \u2022 \u2022 \u25a0 Pn ! Pn+\\ I \u2022 \u2022 \u2022 Pn+r treten, die indessen von den urspr\u00fcnglichen Werth en nicht merklich verschieden sein werden, da mit R\u00fccksicht auf die vorauszusetzenden geringen Werthe von pn+{, pn+i . . . pn+r die Summe\nPI+k + Km + \u2022 \u2022 \u2022 + Pl+r neben p\\ + p\\ + . . \u2022 +K\nnicht in Betracht kommt., Insbesondere ist nach wie vor s, = 1.\nAnders verh\u00e4lt es sich mit den Mittelwerthen itv1 die nach Vornahme der Correctur durch (rtv) bezeichnet werden sollen. Denn es tritt nun an Stelle von (5) vielmehr\n(\u00bb + \u00bb\u25a0)\u2022 M = (Pi ~PoY +\u25a0\u2022\u2022 + (?\u00bb -PoY + (Pn+i ~PYY + \u25a0 . \u2022 + \\Pn+r \u2014 PoY\noder in Anbetracht der Kleinheit von pn+l, . .. pn+r hl + r) \u25a0 {itv)v = (pt \u2014 pYY + \u2022 \u2022 \u2022 + (Pn \u2014 PoY + (\u2014 PoY \u2022 r \u25a0\t(H)\nMan erh\u00e4lt daher an Stelle von (6) jetzt:\n{n + r) \u25a0 {itv)v =\t^ js^_tp0 + \\^sv-%pl \u2014 . \u2022 \u2022 \u00b1 [n+r)pl, (12)\nworaus zu ersehen ist, dass aus p\u00fc und s,, s., . . . s\u201e unter der Annahme, als geh\u00f6rten diese Werthe nicht zu n sondern zu n + r Werthen, zu berechnen ist; und der Unterschied zwischen \\nt) und itv tritt in der Gleichung\n(n + r) \u25a0 [itv)v = \u00bb\u2022< + (\u2014 pa)v \u25a0 r\nhervor, wonach","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nGotti. Friedr. Lipps.\nDie Anzahl r kann nicht bestimmt, sondern nur mit R\u00fccksicht auf die Beschaffenheit des Collectivgegenstandes und die Umst\u00e4nde, unter denen die Bestimmung der Wahrscheinlichkeitswerthe vorgenommen wurde, ahgesch\u00e4tzt werden. Sie ist im allgemeinen als klein anzunehmen. Insbesondere kann sie gleich 1 vorausgesetzt werden, was darauf hinaus kommt, alle der Beobachtung sich entziehenden Varianten zu einer einzigen vereinigt zu denken. Bei dieser offenbar erlaubten Annahme wird\nalso\nK) = V+ n _|1 1 P\u00cf\nu. s. w.\nDas arithmetische Mittel ist nun gleich \u20147\u2014, .\nn -(-1\nW\u00e4hlt man dasselbe als Ausgangswerth pa, so wird\nK) = 0\nM = VwT\u00ef\"t + \u00e7rhr\n=V\u201e 1.1M \u25a0+-----------t- ti) - _J.,,,,\nund dieser Werth kann als Ma\u00df f\u00fcr die durchschnittliche Schwankung der Wahrscheinlichkeitswerthe um ihr arithmetisches Mittel dienen.\t*\n\u00a7 3. Die Charakterisirung eines Collectivgegenstandes auf Grund der Vertheilungstafel.\nLassen sich alle unterscheidbaren Varianten des gegebenen C.G. in eine einzige Reihe ordnen, die in der Reihe der Ordnungszahlen\n. . . a \u2014 1, a, a + 1, ... .","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n141\nihr Bild findet, so gibt es stets ein endliches, durch eine kleinste und eine gr\u00f6\u00dfte Ordnungszahl a \u2014 \u00df und a -f- y begrenztes, mehr oder minder ausgedehntes Intervall der Zahlenreihe, das von den empirisch gefundenen H\u00e4ufigkeiten in Anspruch genommen wird. Denn man kann nur eine endliche Anzahl von Varianten und demgem\u00e4\u00df nur ein in bestimmter Weise ahgegrenztes Gebiet der Variantenreihe (die im allgemeinen als unbegrenzt oder in unbestimmter Weise begrenzt vorauszusetzen ist) empirisch bestimmen.\nDie Varianten au\u00dferhalb jenes Gebietes besitzen alsdann durchweg die empirische H\u00e4ufigkeit Null und sind in Wahrheit mit sehr kleinen oder auch unendlich kleinen Wahrscheinlichkeiten behaftet zu denken, die sich der Beobachtung entziehen. Sie k\u00f6nnen zun\u00e4chst unber\u00fccksichtigt bleiben. Die Varianten des abgegrenzten Gebietes sind hingegen insgesammt in R\u00fccksicht zu ziehen, m\u00f6gen ihre empirischen H\u00e4ufigkeiten gleich Null oder von Null verschieden sein. Denn es handelt sich um die Feststellung des Verlaufs der Wahr-scheinlichkeitswerthe, wobei die H\u00e4ufigkeiten aller Varianten des abgegrenzten Gebietes in Betracht kommen.\nIst nun die Anzahl der letzteren gleich n, so k\u00f6nnen die aufeinanderfolgenden Ordnungszahlen der Varianten Einfachheitshalber durch a4, at ... an bezeichnet werden, so dass die Vertheilungstafel des O.G. in der Form\n.\u00abs \u25a0 \u2022 \u2022 \u00abn\nPi, Pt - \u25a0 Pn\noder\n(14)\n*, > **\u2022\u2022\u2022*\u00bb\ndarstellbar ist, wo %x (f\u00fcr X = 1, 2 ... n) angibt, wie oft die Variante u.'t unter m \u2014\t+ ** + \u2022\u2022\u2022 + zn Exemplaren des O.G. gefunden wurde, und wo px ==\t'\u2022 m die relative H\u00e4ufigkeit von\nbedeutet.\nDiese Darstellungsweise der Vertheilungstafel, bei der die aufeinanderfolgenden Varianten durch aufeinanderfolgende Ordnungszahlen bezeichnet werden, kann f\u00fcr jeden O.G. gew\u00e4hlt werden. Es ist aber denkbar, dass die bei einem gewissen Grade der Unterscheidung resultirenden Varianten sich bei sch\u00e4rferer Unterscheidung als Zusammenfassungen von je zwei oder noch mehr Varianten ergeben. Soll nun die hierdurch bedingte neue Form der Vertheilungstafel mit der urspr\u00fcnglichen vergleichbar sein, so muss man gebrochene","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nGotti. Friedr. Lipps.\nZahlenwerthe zu H\u00fclfe nehmen und z. B. a,,\t^ oder a{, a, + g,\n2\nat + g als Zeichen f\u00fcr die zwei oder drei, urspr\u00fcnglich gemeinsam\ndurch a{ hezeichneten Varianten benutzen. Es tritt alsdann an Stelle der ganzen Zahlen von al bis an die Reihe der 2n oder 3 n Zahlen\n,1 ,1 , 1 .\nI \u00ab4 + 2 > a2\u2019\t+ 2 \u2019......\u2018 2 5\noder\n12 12 1 a\\i \u00ab4 + 3 > \u00abi +jj .\t) \u00ab2 + 3 ; \u00aba + 3 ; \u2022\u2022\u2022\u2022\u00ab\u00bb> \u00abn + 3 )\n\u00ab\nun ' 3 *\nEs kann ferner, wenn die Varianten stetig ver\u00e4nderliche Gr\u00f6\u00dfen sind, aus Gr\u00fcnden der Bequemlichkeit geboten sein, die Ma\u00dfzahlen der Varianten in einer Einheit auszudr\u00fccken, die von derjenigen, welche den Unterschied zweier aufeinanderfolgender Varianten angibt, verschieden ist. Dann werden wiederum im allgemeinen gebrochene Zahlen als Zeichen der Varianten sich einstellen.\nDarum scheint es angebracht, die Vertheilungstafel in einer solchen Eorm vorauszusetzen, dass statt der Ordnungszahlen reelle Zahlenwerthe, die ganz oder gebrochen sein k\u00f6nnen, auftreten. Dies l\u00e4sst sich ganz allgemein in folgender Weise erreichen.\nMan theile das Continuum der reellen, von \u2014 oo bis + oo sich erstreckenden Zahlenwerthe irgendwie in aneinandergrenzende Intervalle. Dann folgen diese Intervalle ganz ebenso aufeinander wie die Glieder der Zahlenreihe, so dass jeder Ordnungszahl ein Intervall entspricht, wenn nur eine Ordnungszahl einem beliebigen Intervall zugeordnet wird. Besitzt nqn die Mitte des zur Ordnungszahl ax geh\u00f6renden Intervalls den Zahlenwerth ax und ist die Intervalll\u00e4nge\ngleich ix, so dass die obere Grenze durch oq + ^ ix , die untere\ndurch ax \u2014 g- und das ganze Intervall durch oq \u2014 2 bezeichnet\nwerden kann, so kann man den absoluten oder relativen H\u00e4ufigkeitswerth %x 0<ier px statt der Ordnungszahl vielmehr der reellen Zahl","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n143\nai oder auch dem Intervall \u00b1 \u25a0 \u25a0 zuweisen. Man erh\u00e4lt alsdann die Vertheilungstafel in der Form:\n(t\\ ? Clt \u2022 . . &n Qjjgj.\n*. i ** \u2022 \u2022 \u25a0 *\u00bb\tPi, Pf -Pn\n(14a)\nW\u00e4hlt man die Intervalle so, dass sie alle die L\u00e4nge 1 besitzen und ihre Mitten durch die aufeinanderfolgenden ganzen Zahlen angegeben werden, so gelangt man wieder zu der fr\u00fcheren Form (14)\nmit den Intervallen \u00ab, \u00b1 i, a2 \u00b1 i . . . an \u00b1 ^ .\nUm f\u00fcr eine solche Vertheilungstafel den Verlauf der Wahr-scheinlichkeitswerthe festzustellen, gilt es Gr\u00f6\u00dfen zu bestimmen, aus denen der zu einem Gliede a.) der Reihe \u00ab,, at . . . an geh\u00f6rige Werth pl gefunden werden kann.\nSolche Gr\u00f6\u00dfen sind die Summenwerthe s{, si . . . s\u201e_,, die durch\n= pt a\\ + Ptavt + \u2022 \u25a0 \u2022 + Pnal ; v = 1, 2 . . . n \u2014 1\t(15)\ndefinirt werden. Denn die n Werthe p{, p% . . . pn k\u00f6nnen aus jenen Summenwerthen und den bekannten Zahlenwerthen a,, a% ... an und zwar in ihrer Zugeh\u00f6rigkeit zu den letzteren auf Grund des Systems der Gleichungen\n1\t= Pi\t+ Pi\t+ \u2022\t\u2022 \u2022 Pn\t\n\u00bbl\t= Pi \u00ab4\t+ P1\u00ae1\t+ \u2022\t\u2022 Pn^n\t\n\t= Pi<\t+ P*a\\\t+ \u25a0\t\u25a0 Pn<\t(16)\nsn \u2014 i\t= anr{\t+ lhal~\t1 + \u2022\t\u25a0\u25a0Pn<~'\t\nberechnet werden, da die Determinante\n1 1 ... 1\n\u2022 \u2022 \u25a0 <~l\ngleich dem Producte (at \u2014 at ) (\u00ab., \u2014 \u00ab,)...\tund somit\nvon Null verschieden ist. Es gen\u00fcgt demgem\u00e4\u00df die Bestimmung der s-Werthe, die als symmetrische Functionen der z{ Varianten aK, x.","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nGotti. Friedr. Lipps.\nVarianten a2 ... zn Varianten an f\u00fcr den C.G. charakteristisch sind, um den Verlauf der ]/-Werthe vollst\u00e4ndig zu bestimmen.\nDie s-Werthe sind indessen, weil der Grad der Potenzen, aus denen sie zu berechnen sind, st\u00e4ndig w\u00e4chst, nicht gleichartig. Es empfiehlt sich darum, aus ihnen andere, unmittelbar mit einander vergleichbare Werthe ahzuleiten, die als Mittelwerthe der Vertheilungstafel aufzufassen sind.\nUm diese Mittelwerthe ganz allgemein zu definiren, m\u00f6ge b eine beliebige reelle Zahl bezeichnen und an Stelle von a-x die Differenz (i'k \u2014 b f\u00fcr l = 1, 2 ... n gesetzt werden, so dass die zk Differenzen ak \u2014 b die Polle der zk Werthe ak in der Verteilungstafel des C.G. \u00fcbernehmen. Bildet man nun die Summe\nm- svv = xt {at \u2014 b)v + (at \u2014 &)\"+\u2022\u2022\u2022 + *\u00bb(\u00ab\u00bb \u2014 W (17) so erh\u00e4lt man nach Division mit m\nK = Pi {di \u2014 b)v + pt (\u00ab* \u2014 b)v + \u2022 \u2022 \u2022 + Pn K \u2014 W\t(17 a)\nund hieraus nach Ausziehen der \u00ab/-ten Wurzel den reellen Werth \u00a3\u201e, der f\u00fcr ein geradzahliges v dem absoluten Betrage nach zu nehmen ist. Den Werth nenne ich den auf den Ausgangswerth b bezogenen Mittelwerth \u00ab/-ter Ordnung der Vertheilungstafel des O.G.\nEntwickelt man (17 a) nach Potenzen von b, so resultirt mit R\u00fccksicht auf (15)\n< = - (l)\tb + g) 8,_tb'---------\u00b1b\\\t(18)\nworaus ersichtlich wird, dass f\u00fcr einen beliebig, aber fest gegebenen Ausgangswerth b0 die Mittelwerthe e,, ev . . . en_t aus den Summen-werthen st, si . . . sn_t und ebenso die letzteren aus den ersteren berechnet werden k\u00f6nnen. Die Mittelwerthe sind daher in gleichem Umfange wie die Summenwerthe zur Charakterisirung des Verlaufs der Wahrscheinlichkeitswerthe dienlich. Dies erhellt \u00fcbrigens unmittelbar auf Grund des Systems der Gleichungen:","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n145\n1\nst\nrW\u20144 bn-\\\n\u2014 Pi\n= Pi (\u00abt -i)\n= Pi K - &)*\n(\u00ab, -i)n_\n+i\u00bb*\n+aK-^)\n+ K - &)*\n+ ' \u2022 \u2022 + Pn + ' \u2018 ' + Pn [an \u2014 t>) + ' ' ' + Pn (an \u2014 W\n' +lh[a\u00ef \u2014 b)n 1 H--\\-pn [an \u2014 bf~l\nDemgem\u00e4\u00df gilt folgender Satz:\nHat man f\u00fcr eine \u00bb-gliedrige Variantenreihe at, ... an die n\u2014 1 Mittelwerthe e2 . . . \u00abra_4 auf Glrund der Ver-tlieilungstafel berechnet, so wird durch dieselben der zu a-k geh\u00f6rige Werth px f\u00fcr X = 1, 2 . . . n und somit der Verlauf der Wahrscheinlichkeitswerthe innerhalb der Vertheilungstafel vollst\u00e4ndig bestimmt.\nEs fragt sich jetzt, welche Bedeutung eine geringere Anzahl von Mittelwerthen hat: oh und in wie weit sie eine angen\u00e4herte Kennt-niss des Verlaufs der Wahrscheinlichkeitswerthe gew\u00e4hrt.\nUm dies klar zu legen, m\u00f6gen zun\u00e4chst die n \u2014 2 Mittelwerthe \u00a3,, \u00abj . . . \u00abn_j als bekannt vorausgesetzt werden, so dass die Gleichungen\n= pt\t\t+Pt\t\t+ \u25a0\t' +Pn\t\t\n= Pi K\t-b)\t-\\-Pt K -\t-b)\t+ \u2022\t\u25a0 + PnK\t-b)\t(20)\n= Pi K\t- bf~\tS+^K -\t- bf-\t2 + -\t\u25a0 +Pn(a\u00bb\t\u2014 bf-'.\t\nzur Verf\u00fcgung stehen.\nEasst man nun in jeder Gleichung zwei aufeinanderfolgende, mit denselben Indiceswerthen behaftete Glieder der rechten Seite, beispielsweise das erste und zweite zusammen, indem man\nPiK - b) + pt[at \u2014 b) = (pt +pt){bt - b)\nPi (\u00ab, - W +aK - bf = [pK +pi){\\ - bf\nsetzt, so sind bi \u2014 b, bt \u2014 b ... Mittelwerthe der x, Werthe aK \u2014 b0 und zt Werthe al \u2014 b. Denn es ist ja p{ = zK : m\\ p\u00b1 \u2014 zt : m, so dass nach Multiplication mit m an Stelle von pK und p^ die Anzahlen zt und zt treten. Es geh\u00f6ren daher \u2014 wie man sich leicht \u00fcberzeugt \u2014 die Werthe bl} bi ... insgesammt dem von a{ und at begrenzten Intervall der reellen Zahlen an.\nWundt, Philos. Studien. XVII.\n10","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nGotti. Friedr. Lipps.\nD\u00fcrfte man diese Werthe als bekannt voraussetzen, so f\u00e4nde man aus den n \u2014 1 Gleichungen\n1\t= (Pi+Pt)\t+ Ps\tH------^P\u00ab\n\u00a3,\t= (p, +Pi)(\u00e0, \u2014 \u00e0) + Pa(ai \u2014 b) ------------PPn(an \u2014 fy\neZl = (Pi +P\u00c4K-*. - b)n~\u00b0- + Pi (a3 - VT* + \u2022 \u2022 \u2022 +PnK - 6)B-' die n \u2014 1 Werthe pt + p1} p3 ... pn und zwar die Summe p{ + pt als zugeh\u00f6rig zu den beiden Werthen a{ und av zwischen denen bv . . . &n_2 liegen, w\u00e4hrend p, . . . pn in ihrer Zugeh\u00f6rigkeit zu a.,\n. . . an bestimmt werden. Denn die Determinante dieses Systems von Gleichungen ist im allgemeinen von Null verschieden, obschon sie in besonderen F\u00e4llen gleich Null sein kann.\nIn Wirklichkeit sind aber, da lediglich die Mittelwerthe et.. . sn_i und die Zahlenreihe a{, at . . . an nebst dem Ausgangswerthe b als gegeben anzunehmen sind, die Werthe b{, b,... bn_t unbekannt, und man wei\u00df nur, dass sie gewisse, f\u00fcr die Mittelwerthe allgemein g\u00fcltige (im n\u00e4chsten Capitel entwickelte) Bedingungen erf\u00fcllen m\u00fcssen. Man ist daher darauf angewiesen, irgend welche mit jenen Bedingungen vertr\u00e4gliche Werthe f\u00fcr bu bt . . . bn_t vorauszusetzen oder auch willk\u00fcrlich ohne R\u00fccksicht auf jene Bedingungen zwischen a{ und a, anzunehmen. Beispielsweise kann man der Einfachheit wegen\nb,=bi = ... = |(at + <*,)\nsetzen. Bezeichnet man diesen Werth durch a\\, so l\u00e4sst sich aus\n1\t= (Pi +P\u00ef)\t+Pi\tH-----'rPn\t|\n\u2014(Pi+Pi)(a\\\u2014b)\t+ Pa(a 3\u2014b)\t-1----P Pn(an \u2014 b)\t(^21)\neZl = (Pi + PM - r + ft(\u00ab, - b)n-*+ \u25a0 \u25a0 \u25a0 +PnK - *)\"~2 eine angen\u00e4herte Bestimmung der n \u2014 1 Werthe pl -pp,, P-, \u25a0 \u25a0 \u25a0 Pn in ihrer Zugeh\u00f6rigkeit zu dem Zahlenpaare a,, a,t und zu den Zahlen a3, av . . . a,n gewinnen, die in jedem Falle ausf\u00fchrbar ist, da die Determinante dieses Gleichungensystems stets von Null verschieden ist. Und eine solche angen\u00e4herte Bestimmung der Wahrseheinlich-keitswerthe ist schon aus dem Grunde hinreichend, weil die empirisch gefundenen Wahrscheinlichkeiten im allgemeinen nur innerhalb gewisser Grenzen als zuverl\u00e4ssig gelten k\u00f6nnen.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n147\nSetzt man weiterhin n \u2014 3 Mittelwerthe e2 ... \u00ab}l_3 als bekannt voraus, so kann man entweder drei aufeinanderfolgende Varianten oder zweimal je zwei aufeinanderfolgende Varianten zusammennehmen. Fasst man z. B. die drei ersten Varianten au nv a3 oder die beiden ersten at und ai und dann die beiden folgenden a3 und \u00ab4 zusammen, so findet man aus den nun zur Verf\u00fcgung stehenden h\u2014 2 Gleichungen entweder die angen\u00e4herten AVerthe von p{ + p, + p3, IU \u25a0 \u25a0 \u25a0Pn in ihrer Zugeh\u00f6rigkeit zu dem Werthentripel at, at, u3 und den Werthen ff4 ... an, oder die angen\u00e4herten AVerthe von Pi + Pv Pi +j\u00b04> P-, \u25a0 \u25a0 \u25a0 Pn in ihrer Zugeh\u00f6rigkeit zu den Werthen-paaren av ai und a3, \u00ab4 und den AVerthen a. . . an.\nZugleich erhellt, dass in ganz entsprechender Weise eine angen\u00e4herte Bestimmung des noch mehr reducirten Verlaufs der AVahr-scheinlichkeitswerthe durch eine noch kleinere Anzahl von Mittel-werthen geleistet wird. Man gelangt daher zu folgender Erkenntniss.\nHat man f\u00fcr eine n-gliedrige Variantenreihe av ai...an die v Mittelwerthe e\u201e e2 . . . woy<\u00bb-l, auf Grund der ATertheilungstafel berechnet, so wird durch dieselben der ATerlauf der Wahrscheinliclikeitswerthe angen\u00e4hert und zwar in der Weise bestimmt, als wenn in der Variantenreihe benachbarte Glieder zusammengefasst und nur noch v +1 Varianten mit ihren zugeh\u00f6rigen Walirscheinlich-keitswerthen unterschieden w\u00fcrden.\nDie Wahl des Ausgangswerthes ist, soweit nicht besondere Gr\u00fcnde denselben bestimmen, gleichg\u00fcltig, da man aus den f\u00fcr b berechneten Mittelwertlien e4, et ... ey zu dem f\u00fcr b +l geltenden Mittelwerthe v-ter Ordnung mittelst der Formel\n*l+[Vl)lC-\\ + {l)li^ + ---+lv\t(22)\ngelangt, die aus (17 a) durch Entwicklung nach dem binomischen Lehrs\u00e4tze folgt, wenn b + l an Stelle von b gesetzt wird. Im allgemeinen empfiehlt es sich, das arithmetische Mittel der \\ Gr\u00f6\u00dfen ff,, Gr\u00f6\u00dfen ai ... xn Gr\u00f6\u00dfen a.n oder\nb \u2014 p( ff, +p,a, 4-----hPnan\nals Ausgangswerth zu w\u00e4hlen. In diesem Falle ist e, = 0 und der Werth es kann als Ma\u00dfstab f\u00fcr die Ausdehnung der Vertheilungs-\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nGotti. Friedr. Lipps.\ntafel dienen. Man ersieht hieraus, dass die beiden Mittelwerthe t{ und et den arithmetischen Mittelwerth nebst der Ausdehnung der Vertheilungstafel charakterisiren und somit das Minimum an Bestimmungsst\u00fccken f\u00fcr einen C.G. darstellen.\nEs er\u00fcbrigt noch der Unsicherheit, mit der die empirische Bestimmung der Wahr sch einlichkeits wer the im allgemeinen verkn\u00fcpft ist, Rechnung zu tragen.\nWenn die Beobachtung von m Exemplaren eines C.Gr. zu zt Exemplaren a{, zt Exemplaren at ... %n Exemplaren an gef\u00fchrt hat, die in der Reihenfolge, in der sie sich der Beobachtung dargeboten haben, als m Exemplare a\", . . . \u00abV0 notirt werden m\u00f6gen, so kann man nicht erwarten, hei einer erneuten Beobachtung von m Exemplaren die n\u00e4mlichen Wertlie wieder zu finden. An Stelle von a', a\" ... wird vielmehr die Reihe xt, x\u00b1 ... xm auftreten, so dass auch die Summe\n\u00ab: = ^{(\u00ab' - w+k - by + \u2022 \u2022 \u2022 + (\u00abw - w),\nwelche den n\u00e4mlichen Werth wie (17 a) nur in anderer Form darstellt, durch die Summe\n-J- {(*, \u2014 b)v + (xt \u2014 b)v H----(xm \u2014 bf)\nUv\nersetzt wird, die um den Betrag\n4 == ^ {(*\u00bb - W + (*, \u2014 W H-------------k (xtn - *)*'} - \u00abV\nvon der anf\u00e4nglichen Summe abweicht. Denkt man sich nun die Beobachtung von m Exemplaren des C.Gr. beliebig oft, streng genommen unendlich oft wiederholt, so ergehen sich andere und andere Summenwerthe an Stelle von und dementsprechend andere und andere Abweichungswerthe J, da jeder Werth , xt . . \u25a0 xm die Reihe der Varianten durchl\u00e4uft und mit jeder Variante in der ihr zukommenden H\u00e4ufigkeit zusammenf\u00e4llt. Der Mittelwerth M,, aus den Quadraten der J dient alsdann nach Gau\u00df als Ma\u00df der Unsicherheit, mit der die Bestimmung von tvv aus m Exemplaren des","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n149\nC.G. behaftet ist. Die Berechnung dieses Mittelwerthes f\u00fchrt bei Anwendung des von Gau\u00df >) benutzten Verfahrens zu\nwobei vorauszusetzen ist, dass die aus der Vertheilungstafel berechneten 'Werthe t\\'v und evr mit hinreichender Ann\u00e4herung die wahren Werthe darstellen.\nUm die Ann\u00e4herung der beobachteten Mittelwerthe an die wahren Werthe zu versch\u00e4rfen, gilt es ferner zu ber\u00fccksichtigen, dass wegen der Beschr\u00e4nktheit der Anzahl m von Exemplaren, die aus dem Begriffsumfang des C.G. herausgegriffen wurden, Varianten mit kleinen Wahrscheinlichkeits wer then verborgen bleiben k\u00f6nnen, die erst bei der Durchforschung des ganzen Begriffsumfangs nothwendig zu Tag treten m\u00fcssen. Da der ganze Begriffsumfang im allgemeinen aus unendlich vielen Exemplaren besteht, so kann man auch sagen, dass der aus m Exemplaren bestimmte Werth von ey wegen der Endlichkeit des m zu corrigiren ist, damit er als \u00fcbereinstimmend mit dem aus unendlich gro\u00dfen m bestimmten e\u201e angesehen werden d\u00fcrfe.\nZu dieser Correction gelange ich auf Grund folgender Erw\u00e4gungen.\nEs ist vorauszusetzen, dass au\u00dfer den bei endlichem m that-s\u00e4chlich beobachteten Varianten auch die nicht beobachteten, aber denkbaren Varianten bei der Erforschung des ganzen Begriffsumfangs des C.G. (oder bei unendlich gro\u00dfem m) mit bestimmten, wenn auch kleinen Wahrscheinlichkeiten auf treten werden. Da aber die Summe der Wahrscheinlichkeitswerthe nach wie vor gleich 1 ist, so kann dies nur in der Weise geschehen, dass die Werthe p^p% \u25a0 \u2022 \u2022 pn nicht mehr vollst\u00e4ndig auf o\u201e at . . . an fallen, sondern sich irgendwie auf die Gesammtheit der Varianten vertheilen. Demzufolge wird von dem zu <i) geh\u00f6renden Werthe p-k nur noch ein Bruchtheil, der allerdings im allgemeinen nicht erheblich von p) verschieden sein wird, bei verbleiben, w\u00e4hrend der Rest mit kleinen Betr\u00e4gen auf die \u00fcbrigen Varianten a,)+x (wo -/ = \u00b1 1, \u00b12, \u00b13 u. s. w.) f\u00e4llt. Es geh\u00f6rt alsdann, wenn allgemein durch p \u2022 /, wo / < 1, ein Bruch-\n1; Theoria combinationis obaerv. error, min. obn. Art. 13, 15.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nGotti. Friedr. Lipps.\ntheil von p bezeichnet wird, zu ax der Werth p-A \u25a0 y0 , zu ax+l der Werth px \u2022 y\u201e zu ax_t der Werth px \u2022 y_K und allgemein zu a\\+-A der Werth pi \u25a0 yx f\u00fcr -/ = 0, \u00b11, \u00b12, \u00b1 3 u. s. w.; so dass\nP). = yjpl \u25a0 '/, oder -1 =J\u00a3yx \u2022\nX\tX\nDas Gesetz, welches diese Vertheilung von px auf die Varianten */t+x regelt, ist unbekannt. Es soll aber die nahe liegende Annahme gemacht werden, dass jeder von den beobachteten Wahrscheinlich-keitswerthen pn pt ... pn nach dem n\u00e4mlichen Gesetze sich vertheile '). Alsdann wird man f\u00fcr jeden Indexwerth X = 1, 2 ... n\nlh \u2022 Vl \u2014 J\u00a3p\\ \u25a0 yx (\u00abjt+* \u2014\t(24)\nX\ny = 0, 1, 2, 3 . . .\nsetzen d\u00fcrfen, wo die Summation \u00fcber alle Werthe /. = 0, dt 1, \u00b12 ... zu erstrecken ist.\nNun tritt bei der Berechnung des corrigirten Mittelwerthes s\u201e, der durch {sy} bezeichnet werden soll, die Summe\nJ\u00a3p>. \u25a0 Yx (\u00ab;.+* \u2014 W\nX\nan Stelle von\nPx (\u00ab;. - W \u25a0\nDa jedoch aUx \u2014 b = (ax+.x \u2014 \u00ab;J + [ax \u2014 b) und\n(\u00ae;.+x \u2014 W \u2014 iax+x ~axf + | j|(a;.+x \u2014 axY~'{ax\u2014------HaJt\u2014W i\nso erh\u00e4lt man mit R\u00fccksicht auf (24)\nJijiJPx \u2019 Yy.iaX+y ~ W \u2014Px^ll + j jj\u2014 ty + \u2022 \u2022 \u2022 -f (ax \u2014 by^j .\nEs ist somit der Werth\n1) Man wird also, wenn die ct-Werthe \u2014 was als Regel anzunehmen \u2014 \u00e4quidistant sind, vorauszusetzen haben, dass der Bruchtheil von pv der auf al+x f\u00e4llt, ebenso gro\u00df ist, wie der Bruchtheil von p2, der auf a, + x f\u00e4llt, oder wie der Bruchtheil von p\u00e4, der auf a3 + x f\u00e4llt u. s. w., oder dass f\u00fcr jeden Werth pl U = 1, 2 ... n) der Bruchtheil pl \u2022 yx zu a-t + y geh\u00f6rt.","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n151\n\u00ab\u00ce = ]\u00a3p). (\u00abA \u2014 L\u2019f\n\u00c0\ndurch den Werth\n(e\u201ey = 2! px-y* (\u00ab*+* - h'f\nX x\ne; +\n!+\u2022\u25a0\u2022 +\n+ vl\nzu ersetzen. Man erh\u00e4lt so den corrigirten Werth von s\u201e, n\u00e4mlich (e\u201e), f\u00fcr jedes Gesetz, welches die Yertheilung der bei endlichem m gefundenen Wahrscheinlichkeitswerthe pt, p\u00b1 . . . pn auf die Eeihe aller denkbaren Varianten hei unendlich gro\u00dfem in, d. h. hei Ber\u00fccksichtigung des ganzen Begriffsumfangs des C.G. in TJebereinstimmung mit (24) regelt.\nEs liegt indessen nahe, bestimmte Voraussetzungen \u00fcber jenes Vertheilungsgesetz oder \u2014 was dasselbe ist \u2014 \u00fcber die Werthe von ij,, rj3 ... zu machen.\nZun\u00e4chst wird man rfv mit 1 : in proportional setzen d\u00fcrfen, da f\u00fcr m \u2014 oo die 17-Werthe verschwinden m\u00fcssen, indem nur f\u00fcr endliches m eine Correctur in Betracht kommt. Sodann wird wohl die Voraussetzung gestattet sein, dass die Vertheilung von px auf die oberhalb und unterhalb ai liegenden Werthe +,, a).+\u00ab \u25a0 \u25a0 \u25a0 un<^ ax_{,\t. . . der Gruppirung der Wahrscheinlichkeitswerthe, welche\ndie Vertheilungstafel darbietet, \u00e4hnlich sei. Unter der Voraussetzung dass der Ausgangswerth b der Mittelwerthe ev das arithmetische Mittel h = p,a, + jjj\u00f6.j + \u2022 \u2022 \u2022 +'pnan ist, wird es daher als annehmbar gelten k\u00f6nnen, wenn man\n\ne, =0\nsetzt. Dann erh\u00e4lt man:\n\nso dass insbesondere\n(\u00abi)\t= \u00a3, = 0\n<\u00bb\u25a0>\u2019=4+s)","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nGotti. Friedr. Lipps.\nw=4+i)\nEs ist bemerkenswerth, dass die Correctur von e, mit der in der Eehlertheorie \u00fcblichen, auf das gew\u00f6hnliche Fehlergesetz gegr\u00fcndeten insoweit \u00fcbereinstimmt, als man bei hinreichend gro\u00dfem m\n1 H----= \u2014\u2014\toder nP \u2014 1 = m%\nm m \u2014 1\nsetzen darf. Denn alsdann ist\nIndessen m\u00f6gen die Annahmen, die zu (25a) f\u00fchren, nur als m\u00f6gliche, nicht aber als nothwendig g\u00fcltige angesehen werden.\n\u00a74. Die Darstellung der Vertheilungstafel durch eine mathematische Function.\nDie soeben entwickelte Methode, den Verlauf der 'Wahrschein-lichkeitswerthe durch eine Reihe aufeinanderfolgender Mittelwerthe zu bestimmen, ist in jedem Falle anwendbar und zur Charakterisirung eines gegebenen C.G. ausreichend.\nMan kann aber w\u00fcnschen, die Wahrscheinlichkeitswerthe der Vertheilungstafel (14) in mathematischer Abh\u00e4ngigkeit von den zugeh\u00f6rigen Ordnungszahlen, d. h. als Functionen der Ordnungszahlen, darzustellen. Dann ist eine Function F zu suchen, so dass\nPi = Fi\u00abi) ; Pi = F{aJ \\ ...\t(26)\nund mithin ein bestimmtes mathematisches Gesetz jeden p-Werth aus der zugeh\u00f6rigen Ordnungszahl abzuleiten gestattet.\nAls Argumente der Function F treten die Ordnungszahlen auf. Da es indessen im allgemeinen bequemer ist, Functionen von stetig ver\u00e4nderlichen, reellen Argumenten zu Grunde zu legen, so kann man sich auch die Aufgabe stellen, eine Function f[a) der reellen","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\t153\nVariablen a zu suchen, so dass f\u00fcr jede in Betracht kommende Ordnungszahl a\n\u00ab-K\nF[a) = ff(a) \u25a0 da .\t(27)\n(i -\nEs wird so der Beihe der Ordnungszahlen das Gebiet der reellen Zahlenwerthe zugeordnet und zwar jeder Ordnungszahl ein Intervall von der L\u00e4nge 1, dessen Mitte durch den Zahlenwerth der betreffenden Ordnungszahl bestimmt wird. Die Function F der Ordnungszahlen aber wird durch die \u00fcber jene Intervalle erstreckten Integrale einer Function mit stetig ver\u00e4nderlichem, reellem Argumente dargestellt.\nNun ist es offenbar unwesentlich, dass die den Ordnungszahlen zugeordneten Intervalle gerade die L\u00e4nge 1 und den Zahlenwerth der Ordnungszahlen zu Intervallmitten haben. Man kann daher von der Darstellungsform (14) der Vertheilungstafel zu der allgemeineren Form (14a) \u00fcbergehen, indem man das Gebiet der reellen Zahlenmannigfaltigkeit irgendwie in aneinandergrenzende Intervalle theilt und die Beihe der Ordnungszahlen der Intervallreihe zuordnet. Geh\u00f6rt alsdann zu der Ordnungszahl a das Intervall aad= ~ ia mit der Intervallmitte au und der Intervalll\u00e4nge ia, so ist die Function F[a) als das \u00fcber das Intervall a.a \u00b1 ~ iu erstreckte Integral\nau + \\ia\nF{a) \u2014 ff{n) \u2022 da\t(27 a)\naa\u2014\nzu bestimmen.\nDie L\u00f6sung dieser Aufgabe ist auf zwei verschiedenen Wegen m\u00f6glich. Es ist n\u00e4mlich einerseits denkbar, dass auf Grund der vorhandenen Erkenntniss bestimmte Angaben oder wenigstens einigerma\u00dfen begr\u00fcndete Vermuthungen bez\u00fcglich der Varianten des O.G. m\u00f6glich sind, die einen Anhalt zur Ableitung des Vertheilungsgesetzes darbieten. Man kann anderseits \u2014 was f\u00fcr eine auf inductive Wahrscheinlichkeitserkenntniss gegr\u00fcndete Theorie der O.G. von vorn herein geboten ist \u2014 rein empirisch das Vertheilungsgesetz festzustellen suchen.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nGotti. Friedi. Lipps.\na. D ie Deduction des Vertheilungsgesetzes aus Hypothesen.\nDer an erster Stelle genannte Weg wurde in einem Specialgebiete der Lehre von den C.G., in der Fehlertheorie zuerst beschritten. Dabei kommen zwei Hypothesen in Betracht. Die eine legt beispielsweise Encke1) der Ableitung des Fehlergesetzes in folgender Fassung zu Grunde: \u00bbWenn eine beliebige Anzahl gleich guter directer Beobachtungen einer unbekannten Gr\u00f6\u00dfe gegeben ist, so bestimmt das arithmetische Mittel aus allen beobachteten Werthen den wahrscheinlichsten Werth der unbekannten Gr\u00f6\u00dfe, so weit er aus diesen Beobachtungen folgt, ganz allein, ohne dass au\u00dfer ihm noch eine andere Bedingung erforderlich und im allgemeinen zul\u00e4ssig ist. \u00ab Aus dieser Hypothese vom arithmetischen Mittel ergibt sich nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung der Wahrscheinlichkeitswerth px einer Abweichung x vom arithmetischen Mittel als dem wahrscheinlichsten Werthe in der Form2)\nPx = ~^ xep{\u2014 h*x-) \u25a0 dx .\t(28)\nDie andere, zuerst von Hagen3) aufgestellte Hypothese \u00fcber die Entstehung der Fehler aus Combinationen positiver und negativer Elementarfehler lautet: \u00bbDer Fehler im Resultate einer Messung ist die algebraische Summe aus einer unendlich gro\u00dfen Anzahl elementarer Fehler, die alle gleich gro\u00df sind, und von denen jeder einzelne ebenso leicht positiv wie negativ sein kann\u00ab. Diese Hypothese f\u00fchrt dazu, die Glieder der nach dem binomischen Lehrsatz aus der Potenz\nentwickelten Reihe als Wahrscheinlichkeitswerthe f\u00fcr die verschiedenen, positiven und negativen Fehlergr\u00f6\u00dfen in Anspruch zu nehmen. Und diese Werthe lassen sich f\u00fcr unendlich gro\u00dfes n wiederum in der Form (28) darstellen.\n1)\tUeber die Methode der kleinsten Quadrate. Berliner astronomisches Jahrbuch f\u00fcr 1834, S. 264.\n2)\tEs wird hier exp (x) statt ex gesetzt.\n3)\tGrundz\u00fcge der Wahrscheinlichkeitsrechnung, 1837, S. 34.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n155\nDie eine und die andere Hypothese bildete den Ausgangspunkt f\u00fcr allgemeinere Voraussetzungen, als man nach Quetelet\u2019s1) Vorgang das Fehlergesetz auf C.G. anderer Gebiete (z. B. der Anthropologie, Botanik, Zoologie, Meteorologie) anwandte und sich dabei von der Unzul\u00e4nglichkeit dieses Gesetzes \u00fcberzeugen musste.\nDer hierdurch bedingte Fortschritt in der Theorie der O.G. fand einerseits in Fechner\u2019s2) * Collectivma\u00dflehre \u00ab, anderseits in Pearson\u2019s3) \u00bbMathematical theory of evolution\u00ab seine Verwirklichung.\nFechner erkannte, dass bei den O.G. an Stelle der von dem Fehlergesetz geforderten symmetrischen Gruppirung der H\u00e4ufigkeits-werthe um das arithmetische Mittel vielmehr Asymmetrie als Kegel zu gelten habe; und dass darum das arithmetische Mittel im allgemeinen nicht als der wahrscheinlichste Werth angesehen werden d\u00fcrfe. Er suchte demzufolge nach einem Vertheilungsgesetze, welches das gew\u00f6hnliche Fehlergesetz f\u00fcr den Fall symmetrischer Ver-theilung in sich schlie\u00dft, im allgemeinen aber eine asymmetrische Gruppirung um den (vom arithmetischen Mittel verschiedenen) wahrscheinlichsten Werth bedingt. Er fand die L\u00f6sung dieser Aufgabe in der Annahme, dass ein bestimmter wahrscheinlichster Werth exi-stirt, der die Vertheilungstafel in einen oberen und unteren Theil trennt, und dass f\u00fcr jeden Theil unabh\u00e4ngig vom anderen die Ver-tlieilung nach dem Fehlergesetze geregelt werde. Hierdurch wird gefordert, dass die Anzahlen m' und m, der H\u00e4ufigkeitswerthe des oberen und des unteren Theiles sich verhalten wie die einfachen Mittel-werthe e' und e, (d. h. die auf den wahrscheinlichsten Werth als Ausgangswerth bezogenen Mittelwerthe erster Ordnung) des oberen und des unteren Theils, so dass der wahrscheinlichste Werth nicht mehr durch die Gleichheit der beiderseitigen einfachen Mittelwerthe, sondern durch die Proportion\n\u00e9 : e, = m' : m,\t(29)\n1)\tLettres sur la th\u00e9orie des probabilit\u00e9s, 1846. \u2014 Physique sociale, 1869.\n2)\tIm Auftr\u00e4ge der kgl. Sachs. G-esellsch. d. Wissensch. herausgegeben, 1897\" Die Untersuchungen Fechner\u2019s \u00fcber die Probleme der Collectivma\u00dflehre reichen bis in die 50er Jahre des zu Ende gegangenen Jahrhunderts zur\u00fcck (vergl. Collectivma\u00dflehre, S. 229).\n3)\tPhilosophical Transactions of the Eoyal Society of London, Yol. 185 A (1894), 186A (1895); 191A (1898).","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nGotti. Friedr. Lipps.\ndefinirt wird, und nur f\u00fcr den Fall, dass m' \u2014 m, zu \u00eb = e, und somit zum arithmetischen Mittel zuriickf\u00fchrt.\nIn Fechner\u2019s Oollectivma\u00dflehre liegt demgem\u00e4\u00df unverkennbar eine durch die Erfahrung gebotene und an Beispielen bew\u00e4hrte Verallgemeinerung der Hypothese vom arithmetischen Mittel vor, deren Geltungsbereich noch dadurch erweitert wird, dass hei gro\u00dfer Ausdehnung der Vertheilungstafel (14 a) die Einzelma\u00dfe a des O.G. durch ihre Logarithmen log a ersetzt werden.\nDiese erweiterte Hypothese hat den Vorzug, in jedem Falle zu einer genaueren Uebereinstimmung zwischen Theorie und Erfahrung zu f\u00fchren als die Hypothese vom arithmetischen Mittel. Sie findet jedoch die \u2014 von Fechner selbst erstrebte \u2014 Grenze ihrer Leistungsf\u00e4higkeit in der Uebereinstimmung mit der letzteren Hypothese bei vorwaltender Symmetrie. Wenn also Fechner aus den Ma\u00df-werthen a eines C.G. oder aus den Logarithmen dieser Werthe auf Grund des Proportionalgesetzes den wahrscheinlichsten Werth berechnet und mit dem interpolatorisch bestimmten Maximalwerthe der Vertheilungstafel vergleicht, au\u00dferdem das arithmetische Mittel und den Centralwerth nebst den oberen und unteren Abweichungszahlen und dem oberen und unteren Abweichungsmittel angibt, \u2014 so wird zwar durch das System dieser Werthe eine Charakterisirung des C.G. erreicht; dieselbe ist aber nur dann ausreichend, wenn die Asymmetrie eine blo\u00dfe St\u00f6rung des normalen, durch das gew\u00f6hnliche Fehlergesetz bedingten Verlaufs der Tafelwerthe bildet, so dass nach Wegfall der Asymmetrie dieses Gesetz zu ungetr\u00fcbter Geltung k\u00e4me. Da dies nicht allgemein zutrifft, so kann durch die Methode Fechner\u2019s nur eine beschr\u00e4nkte Classe von C.G. ausreichend charakterisirt werden.\nEine Erweiterung der Hypothese \u00fcber die Entstehung der Fehler aus Combinationen positiver und negativer Elementarfehler bildet den Ausgangspunkt der Theorie Pearson\u2019s, die in der Abhandlung1) \u00bbContributions to the mathematical theory of evolution. Skew variation in homogeneous material\u00ab dargelegt wird. Pearson\n/I l\\m\nsetzt zun\u00e4chst anstelle der Potenz lg--)-die allgemeinere [p -f- q)rl, wo p und q ein beliebiges Verh\u00e4ltniss haben. Er sagt: \u00bbJust as the\n1) Philosoph. Transactions Roy. Soc. London, 186 A, 1895, S. 343\u2014414.","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n157\nnormal frequency curve may be obtained by running a continuous\n/I 1\\\"\ncurve through the point-binomial I ^\twhen n is fairly large, so\na more general form of the probability curve may be obtained by running a continuous curve through the general binomial (p -f q)n. As the great and only true test of the normal curve is: Does it really fit observations and measurments of a symmetrical kind? so the best argument for the generalised probability curve deduced in this paper is that it does fit, and fit surprisingly accurately observations of an asymmetrical character. Indeed, there are very few results which have been represented by the normal curve which do not better fit the generalised probability curve, \u2014 a slight degree of asymmetry being probably characteristic of nearly all groups of measurments\u00ab. In diesen Worten zeigt sich die klare Erkenntniss, dass Asymmetrie als Kegel vorauszusetzen und dementsprechend das gew\u00f6hnliche Fehlergesetz durch ein asymmetrisches zu ersetzen sei. Zugleich wird die Erfahrung als einziger Pr\u00fcfstein anerkannt. Pearson stellt sich somit das n\u00e4mliche Problem wie Eechner; er erstrebt jedoch die L\u00f6sung mit anderen H\u00fclfsmitteln.\nDie stetige Curve, welche der discreten, durch Entwicklung von (p -j- q)n nach dem binomischen Satze resultirenden Werthenreihe zur Seite steht, findet Pearson mittelst einer ihm eigenth\u00fcmlichen Methode bestimmt durch\nPx = Po ( 1 + |)7 \u2022 exP (\u2014 Yx) \u25a0\t(30>\nDass hierbei in der That die erw\u00e4hnte Hypothese, die hier in der Annahme von Elementarursachen (\u00bbcontributory causes\u00ab) an 'Stelle der positiven und negativen Elementarfehler besteht, den Ausgangspunkt bildet, erhellt aus den Worten: \u00bbSo long as we remain in ignorance of the nature and number of contributory causes in physics and biology, so long as we do find markedly skew distributions, it seems to me that we must seek more general results than flow from the assumption that p \u2014 q and n \u2014 oo. The form of curve given above is suggested as a possible form of skew frequency curves. Its justification lies essentially, like that of the normal curve, in its capacity to express statistical observations\u00ab.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nGotti. Friedr. Lipps.\nNun tritt aber ein weiteres Moment in den Gedankengang Pearson\u2019s. Die verallgemeinerte Wahrscheinlichkeitscurve ist nach einer Bichtung begrenzt, nach der anderen unbegrenzt. \u00bbThis limitation at one end only, corresponds theoretically to many cases in economics, physics, and biology. But there are a great variety of cases in which there is theoretical limitation at both ends ; that is to say, there is a limited range of possible deviations\u00ab. Und nach Angabe von Beispielen, in denen eine beiderseits begrenzte (z. B. zwischen den Argumentwerthen 0 und 1 verlaufende) Vertheilungstafel theoretisch gefordert wird, sagt Pearson: \u00bbThus the problem of range seems a very important one, it theoretically excludes the use of the normal curve in many classes of statistics; it is quite true that, for many practical purposes, frequency curves of limited range may be sensibly identical either with unlimited curves, or even with normal curves, but, in other cases, this is not so, and under any circumstances the limited curve may actually give information as to the possible range \u2014 the limits of stability \u2014 which is itself of great value. \u2014 We have, thus, reached this point: that to deal effectively with statistics we require generalised probability curves which include the factors of skewness and range. \u00ab\nDementsprechend stellt sich Pearson die Aufgabe, f\u00fcnf Curven-typen zu finden: 1) beiderseitig begrenzte asymmetrische; 2) beiderseitig begrenzte symmetrische; 3) einseitig begrenzte asymmetrische; 4) beiderseits unbegrenzte asymmetrische; 5) beiderseits unbegrenzte symmetrische.\nEs ist somit die zun\u00e4chst vorausgesetzte Potenz (p + q)n nicht ausreichend zur Entwicklung des allgemeinen Vertheilungsgesetzes, da sieh eine nur einseitig begrenzte Wahrscheinlichkeitscurve ergab. Pearson geht darum von der allgemeineren Beihe1)\nP>>'\t\\\naus, wo pn qn = n und r <^n\\ und entwickelt aus ihr nach der schon benutzten Methode die beiden stetigen Vertheilungsgesetze:\n1) Dieselbe reducirt sieb f\u00fcr n = oo auf die Reihe\n(P + l)r =pr + r-pr~'q+\t~ pr ~-q* + \u2022 \u2022 \u2022","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n159\nund\nPx \u2014 Po ' cos-\"V> \u2022 cxp[\u2014 vxfj \\ x \u2014 a tang #,\t(32)\nwo je nach dem Wertlie gewisser Constanten die eine oder die andere Function in Kraft tritt. Zur Rechtfertigung sagt er: >Until we know very much more definitely, than we do at present, how the size of an organ in any individual, say, depends on the sizes of the same organ in its ancestors, ore what are the nature of the causes which lead to the determination of prices, or of income, Or of mortality at a given age, I do not see that we have any right to select as our sole frequency curve the normal type\ny = y0 \u2022 c~px*\nin preference to the far more general\ny = Vo\nwhich not only includes the former, but supplies the element of skewness which is undoubtedly present in many statistical frequency distributions. As we may look upon the former as a limit to a cointossing series, so the latter represents a limit to teetotum-spinning and card-drawing experiments. It is not easy to realise why nature or economics should, from the standpoint of chance, be more akin to tossing than to teetotum-spinning or card-dealing. At any rate, from purely utilitarian and prudent motives, we are justified so long as the analysis is manageable, in using the more general form. It will always give us a measure of the divergence of particular statistics from the normal type, and in many cases of skew frequency, it can be used when it would be the height of absurdity to apply the normal curve at all. \u00ab\nDer kritische Werth, von dem die Anwendbarkeit des einen oder anderen Curventypus abh\u00e4ngt, ist in der Schreibweise Pearson\u2019s:\n2\u00ab,(3p\u2019 \u2014 hJ + 3uj,\t(33)\nwo Vu f<3, ,\u00ab4 die sogenannten Momente der Vertheilungstafel oder H\u00e4ufigkeitscurve bez\u00fcglich des arithmetischen Mittels sind. Diese","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nGotti. Friedr. Lipps.\nMomente stehen in einfacher Beziehung zu den von mir zur Charak-terisirung der C.G. eingef\u00fchrten Mittelwerthen. Es ist n\u00e4mlich\nf1* = \u00abI ;\t= \u00abj ; /\u2018i = \u00ab4,\nwenn als Ausgangswerth der Mittelwerthe si, e3, e4 das arithmetische Mittel gew\u00e4hlt wird.\nSo kommt denn Pearson schlie\u00dflich zu dem Resultate: >We may say that a skew frequency curve will have limited range, range limited in one direction only, or unlimited range according as\nis greater than, equal to or less than zero. Thus the calculation of this expression is the first step towards the classification of a frequency curve given by observation.\u00ab\nDemnach w\u00e4re die Variantenreihe eines C.G. bei asymmetrischer Gruppirung der H\u00e4ufigkeitswerthe um das arithmetische Mittel entweder beiderseits begrenzt oder nur einerseits begrenzt oder beiderseits unbegrenzt, je nachdem der Werth von\n2 e| (3 e| \u2014 ej) + 3e!;\n(33 a)\ngr\u00f6\u00dfer als Null, gleich Null oder kleiner als Null ist, wo st, \u00ab3, et die auf das arithmetische Mittel als Ausgangswerth bezogenen Mittelwerthe zweiter, dritter oder vierter Ordnung sind1).\nDies h\u00e4tte zur Folge, dass die oberen und unteren extremen Werthe der Variantenreihe, die nat\u00fcrlich f\u00fcr eine endliche Anzahl m von beobachteten Exemplaren des O.G. unter allen Umst\u00e4nden sich im Endlichen halten, f\u00fcr unbegrenzt wachsendes m entweder einem bestimmten, angebbaren Werthe sich asymptotisch n\u00e4hern oder\n1) In Uebereinstimmung damit sagt Duncker in seiner Darlegung der Methode Pearson\u2019s (\u00bbDie Methode der Variationsstatistik\u00ab. Archiv f\u00fcr Entwicklungsmechanik der Organismen, VIII. S. 140) : \u00bbDie asymmetrischen Curven-typen besagen, dass die beiden Gruppen positiv und negativ wirksamer Elementarursachen der individuellen Variation ungleich, die asymmetrischen, dass dieselben gleich gro\u00df sind. Ferner bedeutet Begrenztheit in der Abscissenaxe des betr. Typus, dass die gleichzeitig auf einen Organismus einwirkende Quantit\u00e4t von Elementarursachen eine endliche, die Unbegrenztheit, dass diese Quantit\u00e4t unendlich gro\u00df ist.\u00ab \u2014 Mit der Anzahl der Elementarursachen w\u00e4chst aber die Eeihe der m\u00f6glichen Varianten. Ist n\u00e4mlich die Anzahl der positiv wirkenden Ursachen gleich m, die Anzahl der negativ wirkenden gleich n, so sind m + n+1 Varianten m\u00f6glich.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n161\nkeinen solchen Grenzwerth besitzen, je nachdem auf Grund der Momente\tp3, t<4 oder der Mittelwerthe et, s3, s, der obige kri-\ntische Werth positiv oder negativ wird. (Der Nullwerth kann von vornherein keine besondere Bedeutung haben, da die Momente oder Mittelwerthe im allgemeinen nicht exact bestimmbar sind).\nDass hier ein Fehlschluss vorliegt, der zu Illusionen \u00fcber die Beschaffenheit des C.G. f\u00fchrt, erhellt aus folgender Bemerkung1).\nHat man empirisch die Variantenreihe A{, At . . . An mit den Wahrscheinlichkeitswerthen p{, p3 . . . pn festgestellt, so bleibt man v\u00f6llig in Unkenntniss dar\u00fcber, oh keine oder nur einzelne oder unbegrenzt viele Varianten, die mit sehr kleinen oder unendlich kleinen Wahrscheinlichkeitswerthen behaftet zu denken sind, eben wegen der geringen H\u00e4ufigkeit ihres Auftretens sich der Beobachtung entzogen haben. Erst die im allgemeinen nicht durchf\u00fchrbare Erforschung aller Exemplare des C.G. w\u00fcrde auf inductivem Wege zu einer Entscheidung f\u00fchren. Es lassen sich daher etwaige Grenzen der Variantenreihe nur deductiv, auf Grund anderweitig gewonnener und bereits vorhandener Erkenntniss angeben. \u2014 Demzufolge steht es mit den Principien der inductiven Wahrscheinlichkeits-erkenntniss nicht in Einklang, wenn Pearson sagt2): \u00bbWe may not know the range, a priori, but we are quite certain that one exists, and it is a quantity to be determined \u2014 just as the mean or the standard deviation\u2014 from our measurments themselves\u00ab. In der That liegen auch in den von Pearson angef\u00fchrten Beispielen begrenzter Variation durchweg deductive Erkenntnisse vor, denen zufolge ein Ueberschreiten bestimmter (angebbarer oder nicht angeb-barer) Grenzen undenkbar ist.\nMag man aber von vom herein \u00fcber die m\u00f6glichen extremen Werthe einer Variantenreihe orientirt sein oder nicht, so k\u00f6nnen doch in jedem Falle die empirisch bestimmten Wahrscheinlichkeitswerthe Pt > Pi \u25a0 \u25a0 \u25a0 Pn jedes mit der Bedingung pK + pt + \u2022 \u2022 \u2022 + pn \u2014 1 vertr\u00e4gliche System reeller positiver Werthe darstellen. Es kann\n1)\tDieselbe ergibt sich unmittelbar als Folgerung aus dem am Schluss des I. Cap. (\u00a7 7) aufgestellten Grunds\u00e4tze.\n2)\ta. a. O. S. 359.\nWundt Philos. Studien. XVII.\n11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nGotti. Friedr. Lipps.\ndaher jener kritische Werth positiv oder negativ werden, sowohl wenn ein endlicher Grenzwerth f\u00fcr die Variantenreihe angebbar, als auch wenn ein solcher Grenzwerth nicht angebbar ist. Man ist somit auch nicht befugt, aus dem positiven oder negativen Vorzeichen jenes kritischen Werthes auf Begrenztheit oder Unbegrenztheit der Variantenreihe zu schlie\u00dfen1).\nVielmehr zeigt sich hierdurch, dass Pearson\u2019s Theorie nicht f\u00fcr alle F\u00e4lle ausreichen kann. Sie stellt nur f\u00fcr solche F\u00e4lle ein m\u00f6glicher Weise g\u00fcltiges Vertheilungsgesetz zur Verf\u00fcgung, in denen eine asymmetrische Vertheilungstafel bei negativem kritischen Werthe theoretisch unbegrenzt oder bei positivem kritischen Werthe theoretisch begrenzt ist. Sie versagt hingegen von vorn herein in den F\u00e4llen, wo ein negativer kritischer Werth mit theoretischer Begrenztheit und ein positiver kritischer Werth mit theoretischer Unbegrenztheit der Variantenreihe verkn\u00fcpft ist.\nb. Die Unzul\u00e4nglichkeit der Hypothesen.\nWenn, wie aus Vorstehendem erhellt, weder Fechner\u2019s noch Pearson\u2019s Theorie eine allgemeine L\u00f6sung des Problems, C.G. jeder m\u00f6glichen Art ausreichend zu bestimmen, bietet, so liegt der wesentliche Grund nicht in der zu engen Fassung der Hypothesen, sondern in der Natur des Problems.\nDie Function, durch welche eine Vertheilungstafel dargestellt werden soll, ist n\u00e4mlich von vorn herein nur an die Bedingung gebunden, f\u00fcr jeden in Betracht kommenden Argumentwerth einen endlichen, positiven Werth darzubieten oder gleich Null zu werden. Im \u00fcbrigen kann sie stetig oder unstetig sein; sie kann nur ein\n1) Es verdient erw\u00e4hnt zu werden, dass auch Fechner\u2019s Collectivma\u00dflehre (im XX. Cap.) Extremgesetze gibt. Fechner glaubt aber nicht aus beobachteten Werthen die absolut m\u00f6glichen^ Extreme, wenn auch nur angen\u00e4hert, bestimmen zu k\u00f6nnen. Er sagt vielmehr (S. 322) : \u00bbAber diese Annahme einer approximativ erreichbaren Grenze der Extreme bei wachsendem m hat weder empirisch noch theoretisch etwas f\u00fcr sich; sondern wahr ist nur nach beiden Gesichtspunkten, dass die Gr\u00f6\u00dfe der Extreme in sehr viel kleinerem Verh\u00e4ltniss als die Gr\u00f6\u00dfe des m w\u00e4chst, aber, wenn m bis ins Unendliche steigend gedacht wird, immer in angebbarer Weise mit fortw\u00e4chst\u00ab. \u2014 Dementsprechend werden die im Werke Fechner\u2019s entwickelten Extremgesetze aus dem gew\u00f6hnlichen Fehlergesetze deducirt.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n163\nMaximum oder mehrere relative Maxima besitzen und \u00fcberhaupt jede denkbare Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit in ihrem Verlaufe zeigen, da keine einschr\u00e4nkende Bestimmungen von allgemeiner Geltung angehbar sind. Es kann daher sowohl die Annahme eines, durch bestimmte Eigenschaften ausgezeichneten wahrscheinlichsten Werthes, aus dessen Existenz ein Vertheilungsgesetz folgt, als auch die Voraussetzung von Elementarursachen, deren Comhinationen ein System von Wahrschein-lichkeitswerthen liefern und zur Aufstellung eines Vertheilungsgesetzes verhelfen, im g\u00fcnstigsten Falle nur zur Bestimmung einer gewissen Gruppe von O.G. f\u00fchren.\nDabei ist jedoch wohl zu beachten, dass ein fundamentaler Unterschied zwischen den beiden Arten von Hypothesen besteht. Denn die Hypothese vom arithmetischen Mittel und das gew\u00f6hnliche Fehlergesetz, nicht minder die Erweiterung dieser Hypothese in Fechner\u2019s Collectivma\u00dflehre und das erweiterte (zweiseitige) Fehlergesetz stehen in solidarischem Zusammenhang, so dass die Hypothese und die Form des Gesetzes sich wechselweise bedingen. Hingegen f\u00fchrt zwar die Voraussetzung von Elementarursachen, die abh\u00e4ngig oder unabh\u00e4ngig von einander mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten wirken, nothwendig zu einem bestimmten Vertheilungsgesetze; es kann aber jedes Vertheilungsgesetz durch unbegrenzt viele, verschiedenartige Systeme von Elementarursachen erzeugt gedacht werden. Die vielfach hervortretende Neigung1), aus der Form der Vertheilungstafel oder aus den Werthen gewisser, auf Grund der Vertheilungstafel berechneter (konstanten auf die Beschaffenheit der Elementarursachen zu schlie\u00dfen, hat daher keine Berechtigung und f\u00fchrt zu haltlosen Vermuthungen ohne wissenschaftlichen Werth.\nUm dies in der einfachsten Weise zu erh\u00e4rten, m\u00f6ge eine aus vier Varianten A0, A{, A,, A:j bestehende Reihe mit den zugeh\u00f6rigen Wahrscheinlichkeitswerthen pa, pt, p.,, p3, f\u00fcr die\nPo + Pl + Pi + Ps \u2014 1 \u00bb\ngegeben sein; und es sollen die Varianten aus den Comhinationen von drei Elementarursachen resultiren, in der Weise, dass dem Wir-\n1) Bei Pearson an verschiedenen Stellen seiner Abhandlung (a. a. O. S. 379, 389, 410).\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nGotti. Friedr. Lipps.\nken keiner Ursache Aa entspricht, das Wirken einer Ursache zu A{, das Wirken von zwei und drei Ursachen zu At und A3 f\u00fchrt.\nNimmt man zun\u00e4chst an, dass die Elementarursachen unabh\u00e4ngig von einander mit den Wahrscheinlichkeiten p, q, r wirken und mit den Wahrscheinlichkeiten p' \u2014 1 \u2014 p, q' = 1 \u2014 q, r' = 1 \u2014 r nicht wirken, so werden die Varianten A3, At, A,, A0 der Reihe noch in folgenden relativen H\u00e4ufigkeiten auftreten:\nps=p-q-r\nPi \u2014 P \u25a0 q \u2022r' + p \u2022 4 \u25a0 r + p \u25a0 q \u25a0 r Pi \u2014 p \u2022 q' \u25a0r' + p \u2022 q \u2022 \u00ee*\u2019 + p \u25a0 q \u25a0 t p, = p' q' \u25a0 r' \u25a0\nDie Werthe p, q, r, die s\u00e4mmtlich positiv und kleiner als 1 sein m\u00fcssen, sind daher die Wurzeln der Gleichung\n\u2014 (Pt + 2pi + 3p3)x* + (pt + 3p3)x \u2014 p3 = 0 .\t(34)\nDie Wurzeln dieser Gleichung sind aber jedenfalls dann nicht alle reell und positiv, wenn die Ungleichungen1)\n\\[Pi + 2P\u00bb + %P3) > y\\{Pt + 3Pz)>Yp,\nnicht erf\u00fcllt sind. Setzt man nun z. B.\n1\nPt,\u2014Px = Fi = Pt ~ j ,\nso wird\nEs gibt daher in diesem Falle kein System unabh\u00e4ngig wirkender Elementarursachen, durch welche die Varianten mit den angegebenen Wahrscheinlichkeitswerthen erzeugt werden k\u00f6nnen.\n1) Im n\u00e4chsten Capitel (III, \u00a7 1) beweise ich, dass, falls eine Gleichung n-ten Grades\nxn \u2014 n\u00dflxn~i+ \u2014\u2014 \u2022 \u2022 \u00b1 \u00df\u2019,\\ = 0 lauter positive, reelle Wurzeln hat, die Ungleichungen\n\u00dfi > \u00df* > \u25a0 \u25a0 \u25a0 > \u00dfn\nbestehen.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n165\nMan muss somit im allgemeinen Abh\u00e4ngigkeit zwischen den Elementarursachen voraussetzen. Dann wird zun\u00e4chst die erste Ursache mit der Wahrscheinlichkeit p wirken und mit der Wahrscheinlichkeit p' \u2014 1 \u2014 p au\u00dfer Wirkung bleiben. Es wird ferner die zweite Ursache, je nachdem die erste gewirkt oder nicht gewirkt hat, mit der Wahrscheinlichkeit q resp. r wirksam werden und mit der Wahrscheinlichkeit q' \u2014 1 \u2014 q resp. r' = 1 \u2014 r nicht wirksam werden. Zuletzt wird die dritte Ursache mit der Wahrscheinlichkeit s oder t oder u oder v eingreifen und mit der Wahrscheinlichkeit s' \u2014 1 \u2014 s, oder t' \u2014 1 \u2014 t oder u = 1 \u2014 u oder v = 1 \u2014 v nicht eingreifen, je nachdem die erste Ursache im Verein mit der zweiten oder die erste ohne die zweite oder die zweite ohne die erste oder weder die erste noch die zweite ihre Wirkung ausge\u00fcbt hat. Dies wird durch folgendes Schema erl\u00e4utert:\n1.\tUrsache:\tp ;\tp\n2.\tUrsache: q\tq' ; r\tr'\n3.\tUrsache: s s'; t f ; u a; v v .\nIst hier q \u2014 r und s == t \u2014 u = v, so wirken die Ursachen unabh\u00e4ngig von einander.\nMan erh\u00e4lt so auf Grund der gegebenen Wahrscheinlichkeits-werthe p3, pt, pt , p0 der vier Varianten zur Bestimmung der Elementarursachen die Gleichungen:\nlh \u2014 p \u2022 q \u2022 s\npt = p \u25a0 q \u25a0 s' + p \u25a0 q' \u2022 t -{- p' \u2022 r \u2022 u p{ = p \u2022 q' \u2022 t' + p \u25a0 r \u25a0 u + p' \u25a0 r < \u25a0\u00a7\nPo \u2014 P' \u25a0 r' \u25a0 V' \u25a0\nSetzt man nun\n=pqs'; pti \u2014 pq't; pi3 =pru,\nPu = pq't ; Pu =p'ru' ; pia = p'r'v ,\njedoch so, dass\nPu + Pu \u201ck Pt3\tPt > Pi i \u201ck Pit \"k Pu Pi >\nso erh\u00e4lt man:","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nGotti. Friedr. Lipps.\ns=\u2014\u00a7 ; t= ^ ; u=\u2014^ ; V = \u2014^1\u00bb\u2014 ;\nPa + Pu P-21 + plt pi3 +plt\tpt3 + p\u201e\nq==______Pt + Pu\tr =______Pit + Pu\nPa +Pt 1 + Pil +P-22 \u2019\tPit +Pt3 + Fo +Pi3 \u2019\nP~P* + Pt1 + Pii+Pii \u2014l\u2014Pt \u2014Pi 3 \u2014Pit \u2014Pt3 ;\n(35)\nDa aber im allgemeinen pu, p%i, pi3 ; p,,, p,2, p4J auf unbegrenzt viele Arten als positive echte Br\u00fcche bestimmt werden k\u00f6nnen, so dass\nPu + Pu + Pts = Pt ; Pu + Pit +Pi, = \u00c4 f3 +\t+ i>ss + *>\u00bb < i ; j?o + Pu + Pu + Pt s <1\nso gibt es auch dementsprechend unbegrenzt viele verschiedene Systeme von Wahrscheinlichkeitswerthen f\u00fcr das \"Wirken der vorauszusetzenden drei Elementarursachen.\nMan kann daher in der That aus dem Verlaufe der Werthe einer Vertheilungstafel keinen Schluss auf die Art und Weise des Wirkens von Elementarursachen ziehen. Insbesondere schlie\u00dft die G\u00fcltigkeit des gew\u00f6hnlichen Fehlergesetzes nicht ein, dass \u2014 wie die Hypothese Hagen\u2019s annimmt \u2014 die Messungsfehler aus Elementarfehlern sich zusammensetzen, die ebenso leicht positiv wie negativ sein k\u00f6nnen.\nc. Eine Methode zur Darstellung willk\u00fcrlich gegebener\nFunctionen.\nVerzichtet man demzufolge auf die Hypothesenbildung, so kann man in der Vertheilungstafel lediglich die Werthe einer willk\u00fcrlich gegebenen Function erblicken und die Methoden zur Darstellung willk\u00fcrlich gegebener Functionen anwenden.\nEine solche Methode, welche den Besonderheiten der C.G. Rechnung tr\u00e4gt, will ich hier entwickeln.\nDa nur ausnahmsweise, auf Grund eines Actes deductiven Er-kennens, eine Orientirung \u00fcber die extremen Werthe einer Variantenreihe vorausgesetzt werden darf, so ist im allgemeinen eine vollst\u00e4ndige Zahlenmannigfaltigkeit ohne willk\u00fcrlichen Ausschluss bestimmter, mehr oder minder ausgedehnter Gebiete als Tr\u00e4ger der Reihe denkm\u00f6glicher Varianten anzunehmen. Diese Mannigfaltigkeit sei zun\u00e4chst,","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n167\nim Einklang mit der fr\u00fcher (\u00a7 3) an erster Stelle angegebenen Form der Vertheilungstafel (14) die Reihe der reellen ganzen Zahlen.\nNun soll jedem Grliede a der von \u2014 oo bis + oo sich erstreckenden Reihe ganzer Zahlen ein bestimmter reeller \"Werth F(a) zugeordnet gedacht werden, der positiv oder gleich Null sein soll, da die Vertheilungstafel eines C.G. keine negativen Werthe darbieten kann. Dann ist F{a) eine willk\u00fcrlich gegebene Function des ganzzahligen Argumentes a. Diese Function soll aber, da sie ins Unbegrenzte sich erstreckt, noch folgenden Bedingungen gen\u00fcgen, die ohne weiteres erf\u00fcllt sind, wenn F(a) durchaus im Endlichen verl\u00e4uft, d. h. unterhalb und oberhalb einer gewissen Grenze durchweg gleich Null ist.\nEs sei erstens die \u00fcber alle ganzen Zahlen \u00ab von \u2014 oo bis + oo erstreckte Summe\n2J(\u00ab-by-F(a) = sy,\t(36)\nwo b einen beliebigen reellen Werth bezeichnet, endlich f\u00fcr jede endliche ganze Zahl v = 0, 1, 2 ... .\nBezeichnet man die Summe, welche \u00fcber ein aus q Gliedern bestehendes Intervall J der Zahlenreihe erstreckt wird, durch 2^ und setzt man\nS (g \u2014 b)v \u25a0 F (a) -f- d\u201e = sy ,\nso soll zweitens das Intervall J stets der Art bestimmbar sein, dass die absoluten Betr\u00e4ge der Gr\u00f6\u00dfen dv den Bedingungen\n| dt, |\tk\u201e f\u00fcr v =\t0, 1, 2\t.. . n \u2014 1\t(38)\ngen\u00fcgen,\two\tk0, k{,\tkt . . . kn_l\tGr\u00f6\u00dfen\tsind, die bei\tdem f\u00fcr die\nBerechnung von s0, s,, si ... sn_i angestrehten Grade von Genauigkeit nicht in Betracht kommen.\nDie Erstreckung des durch die Bedingung (38) geforderten Intervalls J ist sowohl von der Gr\u00f6\u00dfe der k als auch von der Anzahl n der Summen s0, s, . . . sn_{, zu deren Berechnung J gen\u00fcgen soll, abh\u00e4ngig. Insbesondere wird f\u00fcr\tkleine\tAnzahlen n\tdie Gliederanzahl (j\tvon\tJ stets\tgr\u00f6\u00dfer als n\tsein.\tEs soll aber\tdrittens von\neinem bestimmten Werthe n ah, den man sich beispielsweise gleich 10 oder gleich 100 oder gleich 1000 denken kann, das zu /c\u201e, kt. . \u2022","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nGotti. Friedr. Lipps.\ngeh\u00f6rige Intervall J eine Gliederanzahl q S n besitzen. Man kann dann offenbar stets q \u2014 n voraussetzen.\nEs gibt somit bei Erf\u00fcllung dieser Bedingungen ein bestimmtes, kleinstes re-gliedriges Intervall J, so dass unter Vernachl\u00e4ssigung der den Bedingungen (38) gen\u00fcgenden Gr\u00f6\u00dfen d\u201e auf Grund der n Gleichungen\nJ\u00a3j.a \u2014 bY ' F(a) =\t(39)\nv \u2014 0. 1, 2 ... n \u2014 1\neinerseits die Summenwerthe s0, sit... sn_t aus den n Functions-werthen F(a) des Intervalls J, andemtheils die n Functionswerthe F[a) des Intervalls aus den gegebenen Werthen s0, s, berechnet werden k\u00f6nnen. Und da die Werthe F(a) au\u00dferhalb des Intervalls J bei dem angestrebten Genauigkeitsgrade au\u00dfer Acht gelassen und gleich Null gesetzt werden d\u00fcrfen, so wird demnach der Verlauf der willk\u00fcrlich gegebenen Function durch die n Summenwerthe mit einer durch die angegebenen Vernachl\u00e4ssigungen bedingten Ann\u00e4herung bestimmt. Je gr\u00f6\u00dfer die erstrebte Genauigkeit ist, um so gr\u00f6\u00dfer muss im allgemeinen das Intervall J und zugleich die Beihe der Summenwerthe sein. Man darf aber erwarten, dass die Function F(a) durch die unbegrenzte Reihe der Summenwerthe s0, st, s., . . vollst\u00e4ndig bestimmt wird.\nDiese Eigenschaft der Function F[a) kann man auch ohne weiteres voraussetzen und sagen: Es soll angenommen werden, dass die willk\u00fcrlich gegebene Function F(a) durch die Summenwerthe s\u201e der nullten bis (n \u2014 l)ten Ordnung mit einer gewissen Ann\u00e4herung und durch die unbegrenzte Reihe der Summenwerthe vollst\u00e4ndig bestimmt werde.\nUm nun zu einer Darstellung von F(a) zu gelangen, soll eine reelle, eindeutige, im Gebiete der positiven Ordinaten verlaufende Function cp(a) des ganzzahligen Argumentes a als bekannt vorausgesetzt werden, so dass die von a \u2014 \u2014 oo bis a = + oo erstreckte Summe\n(a \u2014 b)\u201d \u25a0 <p{a) = <b,\t(40)\nf\u00fcr jede endliche ganze Zahl v endlich ist und mit einem beliebig vorgegebenen Genauigkeitsgrade durch die auf ein bestimmtes, kleines","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n169\nIntervall beschr\u00e4nkte Summe repr\u00e4sentirt wird. Dies ist m\u00f6glich, wenn qp (ce) einen Parameter enth\u00e4lt, \u00fcber den in geeigneter Weise verf\u00fcgt werden kann. Ueberdies m\u00f6ge der Einfachheit wegen a0 = 1 sein.\nDenn ist auch f\u00fcr eine beliebig gew\u00e4hlte ganze Zahl \u00df\n2 (a+\u00df\u2014hy \u2022 rp(a+\u00df)=a>'>\nund da\n(\u00ab _ b)V = (\u201e + \u00df _ h)V _ gW + \u00df - *)-* . \u00df\n+g)(\u00ab+^-&r\u00ee-/\u00ee2..............\u00b1\u00df\\\nso ist zugleich\n2{\u00ab \u2014 W \u2022 9>(\u00ab +\t=\t(g) Or-*\u00df* ~ \u25a0 \u25a0 \u25a0 \u00b1 \u00dfV \u25a0\nEs ist daher, wenn \u00dft, \u00dft . . . \u00dfn irgend welche von einander verschiedene ganze Zahlen bedeuten und als darstellende Function\n\u00a9(a) = c{cp(a + \u00dft) + csr/>(a + &) + \u2022\u25a0\u2022 +e\u201e<jp(a + \u00dfn) (41)\nmit den noch unbestimmten Coefficienten c,, c, ... cn vorausgesetzt wird :\n\u00a9 (a) = e, + Cj + \u2022 \u2022 \u2022 + c\u201e\n^(\u00ab \u2014 b) \u25a0 0(a) = ff, (c4 + C* + \u2022 \u2022 \u2022 + C\u00bb) \u2014 (c,& + ffj/^jH-1~cn\u00dfn)\nund allgemein\n2(\u00b0~ W \u2022 \u00ae(\u00ab) = [C] - (J )\t[ff/*]\n+ (2)^-*^]-----------\u00b1[\u00abH,\t(42)\nwo [c], [c \u00df], \\c\u00df*] . . \u25a0 zur Abk\u00fcrzung f\u00fcr die Summen c, + c* + \u2022 \u2022 \u2022\n+ Cm ff, \u00dfi + Cj /?* + ' ' ' + ff\u00ab\u00dfn > ff, /?* + ct \u00dfl + ' ' ' + Cn\u00dfn \u25a0 \u25a0 \u25a0 <fren*'-\nSetzt man jetzt in (42) f\u00fcr v = 0, 1, 2 . . . n \u2014 1\n^(\u00ab-ar \u2022\u00a9(\u00ab) = *,,\nso kann man aus den n Gleichungen die Coefficienten c,, c, \u2022 \u2022 \u2022 cn","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nGotti. Friedr. Lipps.\nberechnen, da die Determinante des Gleichungensystems wegen der vorausgesetzten Verschiedenheit der \u00df nicht verschwindet; und die Function 0(a) erh\u00e4lt somit die n\u00e4mlichen Summenwerthe s0, s, . . . \u25a0s\u201e_, wie die willk\u00fcrlich gegebene Function F(a). Da aber a\u201e mit einem beliebig vorgegebenen Genauigkeitsgrade durch die auf ein bestimmtes, kleines Intervall beschr\u00e4nkte Summe (40) repr\u00e4sentirt wird, so existirt auch f\u00fcr die Function 0(a) ein endliches \u00e7-gliedriges Intervall J', so dass f\u00fcr v = 0, 1, 2 ... n \u2014 1\n2 (\u201c - W \u25a0 \u00ae(\u201c) + \u00d6r = 21\u201c ~ b)V \u25a0 \u00ae(\u201c)\ne\nI \u00d6y | g K .\nDie Lage und Ausdehnung von J' wird durch die Werthe \u00df{, \u00dft \u25a0 . . \u00dfn und den Parameter von cp(a) bedingt.\nL\u00e4sst es sich nun durch passende Wahl der Werthe \u00df{, \u00dft \u25a0 \u2022 \u2022 \u00dfn und des Parameters von cp(a) erreichen, dass das zur Bestimmung von 0(a) gen\u00fcgende Intervall J\u2019 mit dem zur Bestimmung von F(a) hinreichenden Intervalle J sich deckt, so wird auf Grund der Uebereinstimmung in den Summenwerthen nullter bis (n\u2014 l)ter Ordnung F(a) durch 0(a) angen\u00e4hert dargestellt.\nDie einzelnen Glieder der Function 0(a) lassen sich umformen, indem man f\u00fcr einen positiven Werth \u00df\n9>(\u00ab + /*) = \u00ab>(\u00ab) + (f )?>'(\u00ab)+(2 )\u00e7p\"(\u00abH-----h cpW(a)\nund f\u00fcr einen negativen Werth \u2014 \u00df\n9>(\u00ab \u2014 \u00df) = ?\u00bb(\u00ab) - (f)?,(\u00ab) +(2)^(a)---------\u00b1 <P\u00dfia)\nsetzt, wo\n= (p(a -f 1) \u2014 <p(a) ; cp\"(a) = cp'(a + 1) \u2014 cp'(a) ; . . .\n<PAa) = 9>(\u00ab) \u2014 9>(\u00ab \u2014 1); <Pt(a) \u2014 <p,(a) \u2014 cpt(a \u2014 1) ; . . .\nMan erh\u00e4lt so die darstellende Function (41) in der Form\n\u00ae(\u00b0) = y<,q>{a) + y'<p' (\u00ab) + />\"(\u00ab) + \u2022\u2022 \u2022 \\\n+ J/.9i(\u00ab) + ^9,\u00ee(\u00ab)+ \u2022 \u2022 \u2022 /\t'\t\u2019\nIst insbesondere cp (a) eine Function, die f\u00fcr negative ganze Zahlen a durchweg gleich Null ist, und w\u00e4hlt man zur Herstellung von (41) nur negative ganze Zahlen \u00dft\u00dfn, so wird auch 0(a)","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n171\nf\u00fcr negative Argumentwerthe gleich Null und in (44) treten blo\u00df dife abgeleiteten Functionen cpt, cpt . . . auf. Auf diese Weise kann man zur Darstellung einer den positiven ganzen Zahlen 0,1, 2 . .. zugeordneten, willk\u00fcrlich gegebenen Werthenreihe gelangen.\nEine hiezu geeignete Function ist\n(45)\nwo A einen Parameter und 11(a) die bekannte, der Relation JT(a) \u2014 a \u25a0 Il(a \u2014 1) gen\u00fcgende, Gau\u00df\u2019sche Function f\u00fcr ganzzahlige Argumente bezeichnet, so dass, wenn \u00ab positiv ist,\n11(a)\t\u00cf-2 \u2022\u2022\u2022\u00ab\u2019 71(0)\t1;\tJ7(\u2014 a)\nWerden die Varianten des C.Gr. nicht \u2014 wie zun\u00e4chst angenommen wurde \u2014 der Reihe der ganzen Zahlen, sondern der ge-sammten reellen Zahlenmannigfaltigkeit zugeordnet, so ist auch f\u00fcr die willk\u00fcrlich gegebene Function ein reelles, stetig variables Argument a vorauszusetzen. In diesem Falle hat man in Uebereinstim-mung mit der fr\u00fcher (\u00a7 3) an zweiter Stelle (14a) angegebenen Form der Vertheilungstafel von einer Eintheilung der reellen Zahlenmannigfaltigkeit in aneinander grenzende Intervalle auszugehen und jedem Intervall einen reellen endlichen Zahlenwerth (der positiv oder gleich Null sein kann) zugewiesen zu denken. Diese Werthe sind sodann auf die zugeh\u00f6rigen Intervalle vertheilt zu denken, so dass schlie\u00dflich jedem von a und a -f- da begrenzten, unendlich kleinen Bereiche ein bestimmter unendlich kleiner Werth f(a) \u2022 da zugeh\u00f6rt. Nunmehr ist f(a) eine willk\u00fcrlich gegebene Function des reellen Arguments a, f\u00fcr welche die anf\u00e4ngliche Eintheilung der Zahlenmannigfaltigkeit in Intervalle nicht weiter in Betracht kommen soll.\nDa diese Function sich ins Unbegrenzte erstreckt, so soll sie im Interesse ihrer Darstellbarkeit \u00e4hnlich wie F(a) folgenden, von jeder m Endlichen verlaufenden Function ohne weiteres erf\u00fcllten Bedingungen gen\u00fcgen. Es besitze das von a = \u2014 oo bis a \u2014 -j- oo erstreckte Integral\n(46)","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nGotti. Friedr. Lipps,\nwo b eine beliebige reelle Gr\u00f6\u00dfe angibt, f\u00fcr endliche Zahlen v = 0, 1, 2 . . . einen endlichen Werth. \u2014 Setzt man ferner\nf (\u00ab \u2014 b)v \u25a0 f[a) \u25a0 da -\\-dv \u2014 sv ,\t(47)\n\u00b0 j\nwo die Beif\u00fcgung von J an das Integralzeichen die Beschr\u00e4nkung der Integration auf das Intervall J andeutet, so soll J so bestimmbar sein, dass f\u00fcr beliebig vorgegebene, bei der Berechnung von s,, nicht in Betracht gezogene Gr\u00f6\u00dfen lcv der absolute Betrag von d\u201e die Bedingung\n| d,, | kt, ; f\u00fcr v \u2014 0, 1, 2 ... n \u2014 1\t(47a)\nerf\u00fcllt. \u2014 Es soll schlie\u00dflich das zur Berechnung von s0, sl . . . sn_, ausreichende Intervall J von einem gewissen Werthe n ab (der etwa gleich 10 oder 100 oder 1000 sein m\u00f6ge) klein genug und zugleich der Verlauf von f(a) ruhig genug sein, so dass nach Zerlegung von\nJ in n aneinandergrenzende Theilintervalle at \u00b1\t, at \u00b1 cy/2 . . .\nU\tLi\nan \u00b1 ^in (mit den L\u00e4ngen i{,\tin und den Mitten aK, \u00ab\u00e4 . . . an)\ndie Angabe der auf die Theilintervalle fallenden und durch die von ak \u2014 ~ik bis ak + \u2014ij. erstreckten Integrale\nf f(a) \u25a0 da =\t(48)\ndargestellten Betr\u00e4ge s(0l), df . . . s(oM) gen\u00fcgt, um den Functionsverlauf angen\u00e4hert zu bestimmen.\nSind diese Bedingungen erf\u00fcllt, so kann f\u00fcr v = 0, 1, 2 . . . n \u2014 1\ns\u201e = 4l) + sf} + \u2022 \u2022 \u2022 + s?\n.(\u00bb)\n\n-f [a-bf \u25a0 fia) \u25a0 da (\nI\n(49)\ngesetzt werden. Da es aber f\u00fcr jedes v (mag b oberhalb oder unterhalb oder innerhalb des Intervalls ak -f hegen) zwei den Intervallgrenzen oder dem Intervalle selbst angeh\u00f6rige Werthe ak und a\". gibt, so dass","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie d?r Collectivgegenst\u00e4nde.\n173\nK \u2014 W \u2022 f f(a) \u25a0 da < s\u00ab < (a\"k - b)* \u25a0 ff(a) \u2022 da ,\nso existirt stets ein dem Intervalle ak \u00b1 ~ ik, nicht aber seinen Grenzen angeh\u00f6riger Werth a!k\\ so dass\n(50)\nDemnach bestehen die n Gleichungen\n\u00ab0 = 4\u201d +\t4-------f\n*4 = \u00ab - *)41) + \u00ab - b)sf 4---------------i- (<\u2018> - \u00f6)\u00abt\u00bb)\n(51)\n*\u00bb-, = K'-0 - \u00e4)b_* \u2022\t- \u00d4J\"-1 \u2022 s\u00ab> 4---------\n4- (a\u00a3\u00ab-\u00ab> \u2014 \u00e8),l-\u2018 \u2022 4\u201d),\naus denen, wenn die Werthe <4\u00b0 bekannt sind, oder willk\u00fcrlich angenommen und etwa durch aj. ersetzt werden d\u00fcrfen, die Betr\u00e4ge 4l), 42) \u2022 \u2022 \u2022 4\u00b0 auf Grund der Integralwerthe s0, stt st ... s\u201e_, bestimmt werden k\u00f6nnen.\nDiese Integralwerthe gestatten somit eine angen\u00e4herte Bestimmung der willk\u00fcrlich gegebenen Function f[a). Ihre Anzahl n muss offenbar um so gr\u00f6\u00dfer sein, je sch\u00e4rfer die Bestimmung sein soll. Es ist aber anzunehmen, dass durch die unbegrenzte Beihe von Inte-gralwerthen die Function f[a) vollst\u00e4ndig bestimmt wird. Die Festsetzung der obigen Bedingungen ist demnach gleichbedeutend mit der Voraussetzung, dass die willk\u00fcrlich gegebene Function f(a) durch die Integralwerthe sv der nullten bis (n\u2014ljten Ordnung mit einer gewissen Ann\u00e4herung und durch die unbegrenzte Beihe der Integralwerthe v\u00f6llig bestimmt werde.\nUm diese Function f[a) in \u00e4hnlicher Weise wie F[a) angen\u00e4hert darzustellen, m\u00f6ge eine eindeutige, durchweg positive Function <p(a) zur Verf\u00fcgung stehen, so dass das von a \u2014 \u2014 oo bis a = 4- co erstreckte Integral\n(52)\nf\u00fcr jeden endlichen ganzzahligen Werth v endlich ist und durch geeignete Bestimmung eines der Function cp (a) angeh\u00f6renden Parame-","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nGotti. Friedr. liipps.\nters mit jedem beliebigen Grade yon Genauigkeit durch den \u00fcber ein bestimmtes kleines Intervall genommenen Integralwerth ersetzt werden kann. Insbesondere sei a0 = 1. Bildet man nun mittelst der geeignet gew\u00e4hlten, reellen Werthe bn bt ... bn die darstellende Function\n0(a) = c, <p(a + bt) + ctcp(a + bt) + \u2022 \u2022 \u2022 + cn<p(a + bn) (53) und setzt man f\u00fcr v = 0, 1, 2 ... n \u2014 1\ny1(a \u2014 b)v \u25a0 0(a) \u25a0 da = sv, so k\u00f6nnen aus den mit R\u00fccksicht auf die Relationen\n\u00dfa + bk \u2014 bf \u2022 <p (a + bk) \u2022 da = av\nj[a \u2014 b)v \u2022 tp[a + bk) = av \u2014 ( ^\t\u2022 bk + \u25a0 \u2022 \u2022 \u00b1 bvk\ngebildeten Gleichungen :\nSy = ar[c} \u2014 ( av_K [eb] + ( ^ ) av_t [cF]----------\u00b1 [cbv] (54)\nv \u2014 0, 1, 2 .. . n \u2014 1\nwo [c] =\t+ c2 + \u2022 \u2022 \u2022 + cn ; [cb] = c, bK + c\u00eeb\u00ee + \u2022 \u2022 \u2022 + cnbn ;\nu. s. w., die Coefficienten cv c2 ... cn berechnet werden. Die Function 0(a) erh\u00e4lt somit die n\u00e4mhchen Integralwerthe s0, s, ... sn_, wie die willk\u00fcrlich gegebene Function f(a). Zugleich existirt ein in seiner Lage und Gr\u00f6\u00dfe durch bv bt ... bn und den Parameter von 0(a) bestimmtes Intervall J', so dass f\u00fcr v = 0, 1, ... n \u2014 1\nf(a \u2014 by \u25a0 0(a) \u25a0 da + dy = ^(a \u2014 by \u25a0 F (a) )\n(55)\n\\\u00f4,\\^k\u201e\tJ\nEs wird daher auf Grund der Uebereinstimmung in den Integralwerthen nullter bis (n\u2014l)ter Ordnung f(a) durch 0(a) mit einer gewissen Ann\u00e4herung dargestellt, wenn sich der Parameter von cp(a) und die Werthe blt b\u00ee ... bn so bestimmen lassen, dass das zur Bestimmung der Integralwerthe von 0(a) ausreichende Intervall J' mit dem zur Bestimmung der Integralwerthe von F(a) gen\u00fcgenden Intervall J sich deckt.","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n175\nSetzt man\n<P(a + h) = 9 (\u00ab) + y 9'(a) + ~~ 7\u00b0\"la) H-----------------\nso erh\u00e4lt man die darstellende Function (53) in der Form\n(D(a) = y0cp(a) + 7, rp\u2019(a) + y^cp\"(a) H--------\n(56)\nEine zur Anwendung dieser Methode geeignete H\u00fclfsfunction ist die das gew\u00f6hnliche Fehlergesetz darstellende\n(57)\nV 7t\nDie mittels dieser Function gebildete Reihe (56) ist zuerst von Bruns ') auf einem anderen Wege entwickelt worden.\nUm eine exacte Darstellung der willk\u00fcrlich gegebenen Function iy(a) oder f[a) zu erhalten, muss \u2014 von Ausnahmef\u00e4llen abgesehen \u2014 in (41) oder (53) eine unbegrenzte Reihe von Gliedern vorausgesetzt und demzufolge eine unbegrenzte Anzahl von Coefficienten ci> ct; c3 \u2022 \u2022 \u2022 bestimmt werden. Die so resultirende darstellende Function \u00ae(a) oder <D(a) ist aber im allgemeinen nur bedingt convergent. Denn die Werthe von et, cv c3 . . . k\u00f6nnen theils positiv, theils negativ sein, so dass \u2014 wenn auch ihre Summe endlich, n\u00e4mlich gleich s0, sein muss \u2014 die positiven und die negativen Werthe, f\u00fcr sich allein zusammengefasst, einen unendlich gro\u00dfen Betrag ergeben k\u00f6nnen und nur auf Grund einer bestimmten Aufeinanderfolge zu dem endlichen Betrage s0 f\u00fchren. Dann l\u00e4sst sich aber allgemein geredet \u2014 auch von der Function <Z> (\u00ab) oder d> (a) nur\n1) \u00bbUeber die Darstellung von Fehlergesetzen\u00ab (Astronomische Nachrichten, CXLIII, No. 3429), ferner \u00bbZur Collectivma\u00dflehre\u00ab (Ph\u00fcosophische Studien, XIV). Die letztere Abhandlung gibt Tabellen f\u00fcr y und die f\u00fcnf ersten Ableitungen nebst Anweisungen zu ihrer Benutzung. \u2014 Berechnungen von C.G. auf Grund dieser Tabellen hat Werner (\u00bbBeitr\u00e4ge zur Collectivma\u00dflehre\u00ab, Philosophische Studien, XV) ausgef\u00fchrt. \u2014 Auf dem oben angegebenen Wege habe ich die mittelst (57) gebildete Reihe (56) in den Philosophischen Studien, XIII (\u00bbUeber Fech-ner s Collectivma\u00dflehre und die Vertheilungsgesetze der Collectivgegenst\u00e4nde\u00ab) hergeleitet.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nGotti. Friedr. Lipps.\nbedingte, d. h. auf der Anordnung ihrer Glieder beruhende Conver-genz behaupten.\nd. Die mit der Functionsdarstellung verbundene Ueber-bestimmung der C.G.\nDie Darstellung einer Vertheilungstafel durch eine mathematische Function auf dem soeben angegebenen oder einem anderen Wege bietet ein werthvolles H\u00fclfsmittel bei der Feststellung m\u00f6glicher Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten. Soll aber die Function zur Charakterisirung des C.G. dienen, so ist zu beachten, dass sie ihrem Wesen nach eine zu weit gehende Bestimmung liefert und somit zu illusorischen, durch keine Erfahrung gest\u00fctzten Ergebnissen f\u00fchrt.\nIn dieser Hinsicht ist zun\u00e4chst zu beachten, dass jede als Darstellung einer Vertheilungstafel gefundene Function die Ableitung einer unbegrenzten Reihe von Summen- oder Integralwerthen sy gestattet , welche \u2014 wenn s\u201e \u2014 s0 \u25a0 svr gesetzt wird \u2014 die Kenntniss einer unbegrenzten Reihe von Mittelwerthen e(, sv s3 . . . in inf. vermitteln. Es kann aber jedenfalls nur eine begrenzte Anzahl von Werthen s\u201e oder sy der empirisch gegebenen Vertheilungstafel zur Bestimmung der Function entnommen werden. Somit wird aus einer beschr\u00e4nkten Anzahl empirisch gefundener Werthe eine unbeschr\u00e4nkte Anzahl von Werthen abgeleitet; und diese Erweiterung der Er kenntniss beruht nicht ausschlie\u00dflich auf der Erfahrung, sondern wesentlich auf der Form der gerade gew\u00e4hlten Function. Demgem\u00e4\u00df wird durch die Wahl der die Functionsdarstellung vermittelnden Hiilfsfunc-tion ein willk\u00fcrlicher und fremdartiger Bestandtheil in die Charakterisirung der C.G. eingef\u00fchrt.\nSodann ist in R\u00fccksicht zu ziehen, dass die den H\u00e4ufigkeitswer-then der Vertheilungstafel im allgemeinen nothwendig anhaftende Unsicherheit eine entsprechende Unsicherheit f\u00fcr die auf Grund jener H\u00e4ufigkeitswerthe bestimmte Function im Gefolge hat. Der einem Argumentwerthe zugeh\u00f6rige Functionswerth kann daher nur hypothetische Geltung beanspruchen, als m\u00f6glicher Repr\u00e4sentant eines mehr oder minder ausgedehnten Bereiches von Werthen. Eine in aller Strenge g\u00fcltige Functionsdarstellung kann darum gar nicht erstrebt werden. Insbesondere kann man nicht hoffen, durch die Func-","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n177\ntion eine Ausgleichung der unsicher schwankenden, empirisch gefundenen Wahrscheinlichkeitswerthe zu erhalten. Vielmehr kann nur auf Grund dieser empirischen Werthe festgestellt werden, wie weit der Functionsdarstellung eine hypothetische Geltung zuerkannt werden kann.\nSolche willk\u00fcrliche und hypothetische Elemente vermeidet die in \u00a7 3 entwickelte Bestimmungsweise der C.G.\n\u00a75. Die Methode der Mittelwerthe und das Gau\u00df\u2019sche Princip des mittleren Fehlers.\nEine wesentliche St\u00fctze findet die Methode, die C.G. durch eine \u2014 je nach Bed\u00fcrfniss mehr oder minder weit auszudehnende \u2014 Reihe von Mittelwerthen zu charakterisiren, durch die \u00bb Theoria com-binationis observationum erroribus minimis obnoxiae\u00ab von Gau\u00df. In derselben wird die Fehlertheorie unabh\u00e4ngig von einem hypothetischen Fehlergesetz auf das Princip des mittleren Fehlers gestellt. Dies wird von Gau\u00df selbst durch folgende Worte (Art. 17) klar hervorgehoben :\n\u00bbIn Theoria motus corporum coelestium ostendimus, quomodo valores incognitarum maxime probabiles eruendi sint, si lex probabili-tatis errorum observationum cognita sit; et quum haec lex natura sua in omnibus fere casibus hypothetica maneat, theoriam illam ad legem maxime plausibilem applicavimus, ubi probabilitas erroris x quantitati exponentiah e~llhxx proportionalis supponitur, unde methodus a nohis dudum in calculis praesertim astronomicis, et nunc quidem a plerisque calculatoribus sub nomine methodi quadratorum minimorum usitata demanavit.\n\u00bbPostea ill. Laplace, rem alio modo aggressus, idem principium omnibus aliis etiamnum praeferendum esse docuit, quaecunque fuerit lex probahilitatis errorum, si modo observationum multitudo sit per-magna. At pro multitudine observationum modica res intacta mansit, ita ut si lex nostra hypothetica respuatur, methodus quadratorum minimorum eo tantum nomine prae aliis commendabilis habenda sit, quod calculorum concinnitati maxime est adaptata.\n\u00bbGeometris itaque gratum fore speramus, si in hac nova argu-menti tractatione docuerimus, methodum quadratorum minimorum\nWundt, Philos. Studien. XVil.\t12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nGotti. Friedr. Lipps.\nexhibera combinationem ex omnibus optimam, non quidem proxime, sed absolute, quaecunque fuerit lex probabilitatis errorum, quaecunque observationum multitudo, si modo notionem erroris medii non ad mentem ill. Laplace, sed ita ut in artt. 6 et 7 a nobis factum est stabiliamus\u00ab.\nAn jener Stelle definirt Gau\u00df den mittleren Fehler in durch das von x \u2014 \u2014 oo bis x = -[- co erstreckte Integral\nwo x die Gr\u00f6\u00dfe eines Fehlers und <p[x)-dx die Wahrscheinlichkeit eines zwischen x und x -f- dx liegenden Fehlers angibt, und sagt: \u00bb. . . integrale\nJxx(p{x)dx\nab x \u2014 \u2014 oo usque ad x \u2014 -f- oo extension (seu valor m\u00e9dius qua-drati xx) aptissimum videtur ad incertitudinem observationum in g\u00e9n\u00e9r\u00e9 definiendam et dimetiendam, ita ut e duobus observationum systematibus, quae quoad errorum facilitatem inter se diff\u00e9rant, eae\npraecisione praestare censeantur, in quibus integrale\tva-\nlorem minorem obtinet. Quodsi quis hanc rationem pro arbitrio, nulla cogente necessitate, electam esse objiciat, lubenter assentiemur. Quippe quaestio haec per rei naturam aliquid vagi implicat, quod limitibus circumscribi nisi per principium aliquatenus arbitrarium nequit '). \u00ab\nDa nun vorausgesetzt wird (Art. 17), dass die Fehler von einem etwa vorhandenen constanten Betrag befreit worden seien und demgem\u00e4\u00df\nf ;tc cp (x) \u2022 dx \u2014 0\nsei, so sind die Fehler x als Abweichungen der einzelnen Beobachtungen von dem arithmetischen Mittel aller Beobachtungen aufzu-\n1) Die ausf\u00fchrliche Mittheilung des Grundgedankens der Gau\u00df\u2019sehen Theorie erschien mir nicht \u00fcberfl\u00fcssig, da das Princip des mittleren Fehlers z. B. hei der ausf\u00fchrlichen Behandlung der Fehlertheorie in Meyer\u2019s \u00bbVorlesungen \u00fcber Wahrscheinlichkeitsrechnung\u00ab (1879) Cap. VIII, S. 243\u2014328, Anhang S. 441\u2014509 keinen Ausdruck findet, hingegen die Ableitung des Fehlergesetzes aus der Hypothese vom arithmetischen Mittel als Methode von Gau\u00df bezeichnet wird.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u2019dnde.\n179\nfassen. Die Fehlerreihe wird somit nach Gau\u00df unabh\u00e4ngig von einem Fehlergesetz und von der Anzahl der Beobachtungen durch das arithmetische Mittel und den mittleren Fehler oder \u2014 mit andern Worten \u2014 durch den das arithmetische Mittel definirenden Mittelwerth erster Ordnung et \u2014 0 und durch den auf das arithmetische Mittel als Ausgangswerth bezogenen Mittelwerth zweiter Ordnung e2, der mit dem Gau\u00df'sehen mittleren Fehler identisch ist, charakteri-sirt. Es ist dies aber nichts anderes als die Anwendung der in \u00a7 3 entwickelten Methode der Mittelwerthe auf die durch Fehlerreihen dargestellte besondere Classe von C.G. unter Beschr\u00e4nkung auf die Mittelwerthe erster und zweiter Ordnung.\nDemnach kann die Methode der Mittelwerthe als eine Verallgemeinerung der Gau\u00df\u2019schen Methode, eine Reihe von Beobachtungen durch das arithmetische Mittel und den mittleren Fehler zu charakterisiren, aufgefasst werden. Zugleich erscheint aber das Princip des mittleren Fehlers in einem neuen Lichte. Es ist keineswegs mit der Willk\u00fcrlichkeit behaftet, die Gau\u00df selbst in den angef\u00fchrten Worten zuzugeben bereit ist. Vielmehr wird der mittlere Fehler als Mittelwerth zweiter Ordnung zu einem niemals entbehrlichen Gliede in einer Kette von Bestimmungsst\u00fccken, deren Ausdehnung von den jeweiligen Bed\u00fcrfnissen abh\u00e4ngt und deren Beschr\u00e4nkung auf die beiden ersten Glieder zwar bei den Fehlerrcihcn vielfach gen\u00fcgen mag, aber nicht etwa in der Natur der Fehlerreihen begr\u00fcndet ist.\n\u00a76. Collectivgegenst\u00e4nde mit Dop2)elr eihen von Varianten.\nDie Methode, einen aus nur einer Variantenreihe bestehenden C.G. durch die Mittelwerthe el, et . . . ev zu bestimmen, bietet den Vortheil, ohne weiteres auf C.G. mit mehrfach zusammenh\u00e4ngenden Variantenreihen \u00fcbertragbar zu sein. Es gen\u00fcgt, dies f\u00fcr eine Doppelreihe von Varianten nachzuweisen.\nWerden die Varianten, wie in \u00a7 1 angegeben wurde, durch Zahlenpaare (a, \u00df) markirt, so lassen sich stets zwei endliche Reihen aufeinanderfolgender Zahlen a,, ai ... ar und \u00dfl, \u00dft . . . \u00dfs abgrenzen, deren n \u2014 r \u25a0 s Combinationen (ax , \u00df\u00df f\u00fcr y. \u2014 1, 2 ... r; X = 1, 2 ... s den Bereich der Zahlenpaare darstellen, dem die\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nGotti Eriedr. Lipps.\nbeobachteten Varianten angeh\u00f6ren. Man erh\u00e4lt dann, wenn zxX die absolute H\u00e4ufigkeit der Variante (ax, \u00dfx) angibt, die Vertheilungstafel in der Form\n\t\u00ab1\t\u00ab2 \u2022\t. ar\n\u00dfi\t*4 4\t*11 \u25a0\t\u25a0 *n\n\u00df*\t^42\t*22 '\t\n\u00dfs\t*4*\t^2S\t*\t\u2022 zrs\nin der an Stelle der z die relativen H\u00e4ufigkeiten P-A = ~, wo m=J?zxX\ntreten k\u00f6nnen.\nWill man indessen den Varianten die stetige Mannigfaltigkeit reeller Zahlenpaare (a, b) zuordnen, so theile man diese Mannigfaltigkeit in aneinandergrenzende Bereiche in der Weise, dass der\nOrdnungszahl \u00ab\u201e die von ax\u2014 ^ix bis ax -f- ~iy sich erstreckenden\nZahlen, der Ordnungszahl \u00dfx die zwischen bx \u2014 ~jx und bx + -jx\nliegenden Zahlen und somit der Combination (\u00abz, \u00dfx) der Bereich\n[ax \u00b12^) h \u2014 mit der Mitte {ax, bx) zugeh\u00f6rt. Alsdann tritt\nan Stelle von (58) die Form\n\t\t\u00bb4 e e\"\t\t\u2022\tCt/y*\t\n\tK\t*44\t*24\t\t\u25a0\t*r4\t\n\t\t*42 *22\t\t\u2022\t*r2\t\n\t\t* *\t\t\t(58 a)\n\tK\t*4 S *2i '\t\t\u2022 *rs\t\nBezieht man\tjetzt (ax) bx) auf\t\tein\tbeliebig,\taber fest gew\u00e4hltes\nWerthenpaar (c,\td), um\taus den o-\t-ten\tund u-ten Potenzen der Ab-\t","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n181\nweichungswerthe ax \u2014 c und bk \u2014 d die, \u00fcber x = 1, 2 ... r und 1 = 1, 2 ... s erstreckten Summen\nm-^ = ^zxX(ax-c)Q{bx-df zu bilden, so gelangt man nach Division mit m zu\n\u00c4 (\u00b0x - ^ (h - df\t(59)\nund durch Ausziehen der (p -f- <r)ten Wurzel zu dem reellen Werthe\nden i\u00b0h als den auf (c, d) bezogenen Mittelwerth von der Ord-nung [q , o) bezeichne. Es ist dann nur das Uebereinkommen zu treffen, bei geradzahligem Werthe q + a die Wurzel dem absoluten Betrage nach zu nehmen und insbesondere, wenn sowohl q als auch a ungerade und zugleich die Summe negativ ist, den in diesem\nFalle auftretenden Factor y _ f von ahzutrennen und yHTJ zu schreiben.\nSetzt man nun in (59) q = 0, 1 . . . r \u2014 1 ; a = 0, 1 . . . s \u2014 1, so erh\u00e4lt man ein System von n = r \u25a0 s linearen Gleichungen, aus denen die n = r \u2022 s Werthe pyk gefunden werden k\u00f6nnen, wenn die n = r \u2022 s Werthe bekannt sind. Denn die Determinante des Systems ist stets von Null verschieden. Sind aber nur q \u25a0 a Werthe bekannt, deren Ordnungsmarken die Combinationen von 0,1 ... q \u2014 1 mit 0, 1 . . . g \u2014 1 sind (wo \u00e7 \u25a0 a < r \u2022 s), so kann man aus den zur Verf\u00fcgung stehenden q \u25a0 g Gleichungen eine angen\u00e4herte Kennt-niss der in passender Weise zusammengefassten ^-Werthe gewinnen. Denn es treten alsdann die Ueberlegungen, welche in \u00a7 3 zu dem entsprechenden Ergebniss bez\u00fcglich der Bestimmung von n Wa.br-scheinliclikeitswerthen durch v Mittelwerthe (v <; n \u2014 1) f\u00fchrten, wieder in Kraft.\nEs gilt daher der Satz:\nDer Verlauf der Wahrscheinlichkeitswerthe p./k innerhalb der Vertheilungstafel einer aus n = r-s Gliedern bestehenden Doppelreihe von Varianten (a, bK) .. . (arbs) wird durch die n \u2014 1 Mittelwerthe","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nGotti. Friedr. Lipps.\ne\n1 o\n\u00a3r \u2014 i, o\n\u00a301\t\u00a3il\nsr\u2014i i i\n\u00a3o. s- i \u00a3i. s \u2014 f \u2022\t\u2022\t\u2022\t\u00a3r\u2014 l, \u00ab \u2014 l\nvollst\u00e4ndig und durch die v \u2014 q \u2022 a \u2014 1 Mittelwertlie (q \u25a0 a <( r \u25a0 s)\n\u00a3l 0\t...\tl , o\n\u00a301\t\u00aeH\t...\t\u00a3p-l,l\n\u00a30,G-1\t\u00a31,(7-1 \u2019\t'\t\u2022\t\u00a3p-l,<J-l\nmit mehr oder minder gro\u00dfer Ann\u00e4herung bestimmt.\nDen Mittelwerthen \u00ab, und e2, welche das Minimum an Bestimmungsst\u00fccken f\u00fcr einen, aus nur einer Variantenreihe bestehenden C.G. darstellen, treten somit bei einer Doppelreihe von Varianten die Mittelwertlie \u00a3)0, 601, ett, e20, \u00a30\u00e4, sn, \u00a312, \u00a3s\u00ee zur Seite.\nDer mittlere Fehler, der bei der Bestimmung von \u00a3?+\u00b0 aus m \u2014 Exemplaren des C.G. zu bef\u00fcrchten ist, l\u00e4sst sich in derselben Weise wie der mittlere Fehler von t'v berechnen und ist gleich\nV\n\u201e2o+2o\t\u201e20+20\nfc2p, 2o\to\nm\n(60)\nwobei jedoch die wegen der Endlichkeit des m corrigirten Werthe von e^of\u00eeo UQd \u00a3;)+\" vorauszusetzen sind.\nDie Correction von wegen der Endlichkeit des m wird \u00e4hnlich wie diejenige von evv in folgender Weise gewonnen.\nEs m\u00f6ge sich der hei endlichem m beobachtete Werth pyj, welcher der Variante (ax, b^) zugeh\u00f6rt, f\u00fcr unendlich gro\u00dfes m auf die Gesammtheit der denkbaren Varianten so vertheilen, dass der Bruchtheil p)x \u2022 y!U, auf die Variante (ax+/u, b-/+v) f\u00e4llt. Dann ist\n= 1 und man kann","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\n183\nvit\" = K+!X - [h+y - hf\t(61)\n|U, r\nsetzen, wo die Summation \u00fcber alle mit dem Systeme denkbarer Varianten vertr\u00e4glichen Werthenpaare u, v zu erstrecken ist. Nun tritt an Stelle von\nPxx K - cf{h - df\ndie Summe\nJmdPlA ' Yfiv[ax+fi,\tC'fi {b)^v\tdj1 .\npv\nDieselbe l\u00e4sst sich, da ax+fl \u2014 c \u2014 (ax+/Ll \u2014 aj + (aK \u2014 c) und b^+l, \u2014 d \u2014 [b%+v \u2014 b}J + (bx \u2014 d) mit Ber\u00fccksichtigung von (61) in die Form\nAit\t(?)^7aK - \u00ab) + (l)vto-Kh - d)\n+(i)\tk - c)[h - d)+\u2022 \u2022 \u25a0+k - cm - d\u00b0}\nbringen. Es wird somit, wenn (spa) den corrigirten Werth Spa bezeichnet.\n(*po)P+flr =\t' Y.uvK+u - c)?(bx+v \u2014 df\ny.X {iv\n= <\u25a0;+(I )\t^ +\n(62)\nDies ist die Oorrectionsformel f\u00fcr jedes Gesetz, welches die Vertheilung der bei endlichem m gefundenen Wahrscheinlichkeits-werthe pxX auf das System der denkbaren Varianten bei unendlich gro\u00dfem m in Uebereinstimmung mit (61) regelt.\nBezieht man die Mittelwerthe e^0- auf das durch die Bedingung\n- c) = ^dpy.rh \u2014 d) = 0","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nGotti. Friedr. Lipps. Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde.\ndefinirte Werthenpaar (e, d), so dass et0 = e01 =0, und setzt man \u2014 was wohl als annehmbar gelten darf \u2014 in diesem Palle\ne+\" \u2014.\n%o\neQ+a\nm\nso wird\n-U /ff\\ e?+\u00f6-2 ,3 I . .\t> eQ+a \\\n' \\2 /b(-'\u2019 a 2 c\u00b02 '\t' c^a I\nInsbesondere ist\n(\u00aelo)\t\u00ae10\t\u00ae J (\u00aeOi) \u00ae01 0 ,\nDabei ist zu beachten, dass die Annahme, auf der die Formel (62a) beruht, ebenso zu begr\u00fcnden ist wie die fr\u00fchere, welche zur Ableitung von (25a) aus (25) f\u00fchrte.","page":184}],"identifier":"lit4556","issued":"1901","language":"de","pages":"78-184","startpages":"78","title":"Die Theorie der Collectivgegenst\u00e4nde","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:26:03.519599+00:00"}