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{"created":"2022-01-31T12:44:24.990487+00:00","id":"lit4559","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Melati, Gino","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 17: 431-461","fulltext":[{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\nVon\n\u00fcino Melati.\nTin Jahre 1892 ver\u00f6ffentlichte Scripture ') in den Philosophischen Studien eine Untersuchung, welche sich auf die Beobachtung von Schwebungen und Differenzt\u00f6nen bezieht. Diese Arbeit hatte zu dem Resultate gef\u00fchrt, dass unter bestimmten Umst\u00e4nden binaurale Schwebungen auftreten, deren Entstehung aus Luft\u00fcbertragung oder Knochenleitung von einem Ohr zum anderen nicht erkl\u00e4rbar zu sein schien. Daran kn\u00fcpften sich weitere Er\u00f6rterungen von Seiten verschiedener Beobachter. Die Versuche, die diesen Er\u00f6rterungen zu Grunde gelegt wurden, sind aber zum Theil in verschiedener Weise ausgef\u00fchrt, und es schien m\u00f6glich, dass dadurch vielfach die Verschiedenheit der Angaben und der Deutungen veranlasst sei. Bei der gro\u00dfen theoretischen Bedeutung des vorliegenden Probl\u00e8mes schien es daher w\u00fcnschenswerth, die Frage von neuem experimentell in Angriff zu nehmen, und wurden darauf hinzielende Versuche von November 1899 bis August 1900 im psychologischen Institut zu Leipzig ausgef\u00fchrt.\nAn den Experimenten nahmen au\u00dfer mir Herr Professor Angell aus San Francisco, Dr. Bach (Wien), Dr. Moebius, Dr. M\u00fcller, Herr Spearman, Herr Squires, Dr. Stoerring, Dr. Wirth, Hr. Wictoroff theil. Allen diesen Herren bin ich zu gro\u00dfem Danke verpflichtet. Vor allem aber m\u00f6chte ich Herrn Professor Wundt daf\u00fcr danken, dass er die Ausf\u00fchrung dieser Untersuchung anregte uud den Fortgang derselben mit Interesse und lebhafter Antheilnahme Erfolgte.\n1) Scripture, Philos. Stud. VII, S. 631.","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432\nGino Melati.\nErster Theil.\nHistorischer Ueberblick.\nDa eine vollst\u00e4ndige Zusammenstellung der auf diesen Gegenstand bez\u00fcglichen Untersuchungen vor kurzem erst von P. Ros-tosky1) gegeben worden ist, so kann ich mich hier damit begn\u00fcgen, das hervorzuheben, was sich speciell auf das im Folgenden zu behandelnde Problem bezieht.\nDove war der erste, der 18392) zum ersten Mal die Aufmerksamkeit auf die Erscheinung der binauralen Schwebungen lenkte. Er arbeitete mit Stimmgabeln und bemerkte, dass, wenn eine der beiden Stimmgabeln, die wenig gegeneinander verstimmt waren, sich zuerst vor dem gleichen Ohr wie die andere befand und dann rings um den Kopf gef\u00fchrt wurde, die Schwebungen zuerst undeutlich wurden und verschwanden, um wieder aufzutreten, sobald die Gabel dem anderen Ohre gegen\u00fcberstand. Er stellt zum ersten Male die beiden Hypothesen einander gegen\u00fcber, um welche sich seitdem der Widerstreit der Meinungen bewegt hat: entweder kann das binaurale H\u00f6ren der Schwebungen auf einer Uebertragung des Tones beruhen, sei es dass diese durch die Luft, sei es dass sie durch die Sch\u00e4delknochen stattfinde, oder es kann durch eine centrale Erregung der Schwebungen bedingt sein. Dove seihst h\u00e4lt die zweite Erkl\u00e4rungsweise f\u00fcr die wahrscheinlichere.\nDann besch\u00e4ftigte sich 1846 Seeheck3) mit der gleichen Frage. Er arbeitete mit zwei m\u00e4\u00dfig gro\u00dfen Sirenen, von denen sich jede einem Ohre gegen\u00fcber befand. Er h\u00f6rte dabei ebenfalls Schwebungen und legte sich die Frage vor, wie dieselben zu erkl\u00e4ren seien. Auf Grund seiner Versuche kam er zu dem Resultate, dass von einer \u00bbSympathie\u00ab der beiden Geh\u00f6rsnerven nicht die Rede sein k\u00f6nne. Vielmehr erkl\u00e4rt er das Entstehen der Schwebungen aus einer doppelten peripherischen Interferenz. Diese komme zum Theile durch die Luft\u00fcbertragung zu Stande, zum Theile auch durch die\n1)\tRostosky, in G\u00f6tz Martius\u2019 Beitr\u00e4gen zur Psychologie u. Philosophie) Bd. I, 2. Heft, 1897.\n2)\tDove, Repertorium der Physik, Bd. HI, S. 494 ff., 1839.\n3)\tSeebeck, Poggendorff\u2019s Annalen, Bd. LXVIII, S. 449. 184(5.","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n433\nguochenleitung, welche beide Factoren hei den Versuchsbedingungen nicht auszuschlie\u00dfen seien. Uebrigens fand Seebeck die binauralen Schwebungen in Bezug auf ihre Intensit\u00e4t nur mit solchen monaural geh\u00f6rten vergleichbar, welche man im Falle eines betr\u00e4chtlichen Intensit\u00e4tsunterschiedes der beiden Prim\u00e4rt\u00f6ne vernimmt1).\nIn einem weiteren Aufsatze, der 1859 ver\u00f6ffentlicht wurde, neigt Dove2) noch mehr der Annahme einer centralen Entstehung der binauralen Schwebungen zu, da er fand, dass bei binauralem H\u00f6ren keine Differenzt\u00f6ne wahrnehmbar seien.\nIn einer 18643) ver\u00f6ffentlichten Arbeit behandelt Mach unter anderen Fragen auch die der binauralen Schwebungen. Er arbeitete mit einer Gabel und benutzte zur Zuleitung drei B\u00f6hren, deren L\u00e4nge zweimal gleich der Wellenl\u00e4nge der Schallwellen in der Luft und einmal gleich der H\u00e4lfte der Wellenl\u00e4nge war; er erzeugte also die Schwebungen durch Interferenz. Diese waren \u00bbzwar nicht so deutlich, wie sie zwei Gabeln hervorbringen, aber doch merklich.\u00ab Was die Interpretation der Erscheinung anlangt, so entscheidet er sich f\u00fcr die Annahme der Knochenleitung.\nThompson4) arbeitete mit einer Anordnung, die im allgemeinen derjenigen Mach\u2019s \u00e4hnelte, aber ein wesentlicher Fortschritt war es, dass er die beiden Tonquellen auf verschiedene Zimmer vertheilte. Er benutzte zwei Gabeln, von denen die eine 246, die andere 256 Schwingungen in der Secunde ausf\u00fchrte. Er fand, dass die Schwebungen auch dann noch deutlich vernehmbar waren, wenn die Gabeln so leise t\u00f6nten, dass sie einzeln \u00fcberhaupt nicht geh\u00f6rt werden konnten. Die Schwebungen hatten dieselbe constante Frequenz, mochte man monaural oder binaural beobachten. Wurde die Tondistanz zunehmend vergr\u00f6\u00dfert, so blieben die Schwebungen h\u00f6rbar und waren \u00fcberdies auffallend rauh. Da Differenzt\u00f6ne binaural nicht geh\u00f6rt werden konnten und da er die Knochenleitung f\u00fcr vollst\u00e4ndig ausgeschlossen hielt, nahm er eine centrale Entstehung der\n1)\tVergl. weiter Seebeck, Akustik, Abschn. II, Gehl er1 s Repertorium der hyeik, S. 107. 1849. Dann Poggendorff\u2019s Annalen, Bd. LIX, S. 417. 1841.\n2)\tDove, Poggendorff\u2019s Annalen, Bd. CVH, p. 653. 1859.\n3)\tMach, Wiener Sitzungsber. 1864.\nI) S. P. Thompson, Philosophical Magazine, vol. 4, part 2, p. 274. 1877. VoL 6> Part 2, pag. 383. 1878.","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\nGrino Melati,\nSchwebungen an. Bei weiteren Mittheilungen hat sich Th., da von anderen Seiten eine Best\u00e4tigung seiner Ergebnisse nicht erfolgte, nicht mehr mit derselben Sicherheit ausgesprochen, sondern neigt dazu, den Charakter der Dissonanz und die Rauhigkeit aus dem Fehlen der Differenzt\u00f6ne zu erkl\u00e4ren.\nWeiterhin besch\u00e4ftigte sich Stumpf in seiner Tonpsychologie') mit der Frage. Seine Beobachtungen beziehen sich besonders auf die Intensit\u00e4tsdifferenz, die qualitative Beschaffenheit und die Grenzen der H\u00e4ufigkeit, bei der die Schwebungen noch wahrgenommen werden. Er findet, dass die St\u00e4rke der binauralen Schwebungen geringer ist, als die der monauralen, auch wenn die T\u00f6ne dieselbe St\u00e4rke besitzen. Diesem geringen Grade der Intensit\u00e4t legt Stumpf eine gro\u00dfe Bedeutung bei; die binauralen Schwebungen \u00bbk\u00f6nnen au\u00dferordentlich verringert und h\u00e4ufig ganz beseitigt werden\u00ab. Es findet aber beim binauralen H\u00f6ren nicht nur eine Ver\u00e4nderung der Intensit\u00e4t statt, sondern es l\u00e4sst sich auch ein besonderer Charakter derselben b\u00e9-merken. Der Charakter wird ein \u00bbmilderer, weniger discontinuir-licher\u00ab. Auch k\u00f6nnen nach Stumpf die Schwebungen der Obert\u00f6ne ganz beseitigt werden. Er bemerkt ferner, dass es in F\u00e4llen von Doppelh\u00f6ren nicht m\u00f6glich sei, Schwebungen zu beobachten, wie er in einem solchen Falle an sich selbst wahrgenommen hat: \u00bbDie beiden T\u00f6ne waren vollkommen deutlich nebeneinander zu h\u00f6ren, und zwar als entschiedenste Dissonanz, aber ohne Schwebungen\u00ab. Ich f\u00fchre dies an, da ich bei der Besprechung meiner Versuche eine Beobachtung zu erw\u00e4hnen habe, die ich zu machen Gelegenheit hatte, und aus welcher hervorgehen wird, dass binaurale Schwebungen allerdings auch in dem Falle auftreten k\u00f6nnen, wenn der eine Ton ein subjectiver ist.\nObgleich die beiden Ohren physiologisch im allgemeinen verschieden sind, so erfolgen die binauralen Schwebungen nach Stumpf doch mit der gleichen Schnelligkeit, wie beim monauralen H\u00f6ren, und die Schnelligkeit der Schwebungen bleibt die gleiche, mag 111811 nun die h\u00f6here Gahel rechts oder links halten, w\u00e4hrend infolge der physiologischen Differenz, der physiologischen Diplakusis, der Ton unterschied mit der Vertauschung der Gabeln ver\u00e4ndert wird.\n1) Bd. H. S. 208, 458 u. 470.","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n435\ndie Grenze der Schnelligkeit hei vertheilten Gabeln, wo noch Schwebungen geh\u00f6rt werden k\u00f6nnen, ermittelte Stumpf in der gro\u00dfen Octave 16\u201420 Schwebungen, das entspreche der gro\u00dfen Terz in der unteren, der kleinen in der oberen H\u00e4lfte der Octave; in der kleinen Octave 32\u201440 Schwebungen, was demselben Intervalle gleichkommt. In der eingestrichenen Octave lag die obere Grenze hei etwa 50 Schwebungen, das entspreche der kleinen Terz in der unteren, dem Ganzton in der oberen H\u00e4lfte der Octave; in der zweigestrichenen Octave hei etwa 70 Schwebungen, was einen Ganzton in der unteren H\u00e4lfte, einen Halbton in der oberen H\u00e4lfte der Octave bedeutet. In der dreigestrichenen Octave sind die Schwebungen vertheilter Gabeln in allen F\u00e4llen nur undeutlich und schwer wahrnehmbar. Zwei Erscheinungen, die beim binauralen Horen keine Ver\u00e4nderung erleiden, sind dagegen, wie Stumpf beobachtet hat, die Verschmelzung der beiden T\u00f6ne und die Dissonanz. Ueber die Verschmelzung sagt er: \u00bbEndlich werden Schwebungen bei Vertheilung zweier Stimmgabeln an beiden Ohren gegen\u00fcber der einohrigen Perception bedeutend geschw\u00e4cht, unter Umst\u00e4nden bis zur Unmerklichkeit, der Verschmelzungsgrad der T\u00f6ne erleidet aber durch diese Zuleitungsform keine Aenderung\u00ab. Wir werden Gelegenheit haben, \u00fcber diesen Punkt eingehender zu sprechen, wenn wir die Ergebnisse der eigenen Versuche mittheilen.\nWas die theoretische Interpretation anlangt, so sagt Stumpf, dass die Verlegung der Entstehung der binauralen Schwebungen ins Gehirn nur das Verst\u00e4ndniss hinausschiebe. Die Annahme der Knochenleitung empfiehlt sich nach ihm aber nicht nur aus diesem allgemeinen methodischen Grunde, sondern sie mache auch die Abschw\u00e4chung und andere qualitative Modificationen begreiflich.\nDies gibt uns Veranlassung, noch auf einen weiteren wichtigen Punkt einzugehen. Bereits 1875 hat Le Boux1) behauptet, dass eine stark t\u00f6nende Gabel, wenn man sie vor einem Ohre vorbei-f\u00fchre, den Ton einer anderen gleichgestimmten Gabel, die aber wegen des Abklingens nicht mehr h\u00f6rbar sei, vor dem anderen Ohre wieder h\u00f6rbar mache. Urbantschitsch best\u00e4tigte diese An-ga.be und fand weiterhin, dass selbst ein tiefer Ton rechts einen\n1) Gazette hebdom. de M\u00e9d. et Chirurgie, 1875, No. 19, p. 293.","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\nGino Melati.\nhohen links verst\u00e4rken k\u00f6nne, und umgekehrt. Aehnliches fand Preyer. Stumpf bestreitet, dass diese Verst\u00e4rkung ein central erzeugtes Empfindungsph\u00e4nomen sei, er glaubt die angebliche Steigerung der Perceptionsf\u00e4higkeit durch die Wirkung der Knochenleitung oder durch eine Urtheilst\u00e4uschung erkl\u00e4ren zu m\u00fcssen. Im Zusammenhang damit behandelt er die Fragex), ob ein Tonganzes einen st\u00e4rkeren Eindruck als jeder seiner Theile machen k\u00f6nne. Er geht davon aus, dass heim monauralen H\u00f6ren das Hinzukommen anderer, seihst einer gro\u00dfen Anzahl anderer T\u00f6ne, keine Verst\u00e4rkung des Empfindungsganzen bedinge. Widersprechende Beobachtungen k\u00f6nnten Vorkommen, erkl\u00e4rten sich aber daraus, dass der Klang mit seinen Obert\u00f6nen als Einheit von sch\u00e4rferer Klangfarbe aufgefasst und wegen dieser Klangfarben\u00e4nderung als st\u00e4rker beurtheilt werde. Bas N\u00e4mliche ergehe sich bei Vertheilung der T\u00f6ne an beide Ohren. Stumpf gibt an, dass, wenn er zwei Stimmgabeln von ungleicher Tonh\u00f6he, aber gleicher Tonst\u00e4rke, die eine rechts, die andere links, zum T\u00f6nen brachte und dann eine derselben entfernte, keine eigentliche Schw\u00e4chung des Gesammteindruckes bemerkt wurde. Aber der Doppeleindruck war dort nicht blo\u00df qualitativ reicher und voller, sondern auch in seiner r\u00e4umlichen Ausdehnung weiter, und so sei die T\u00e4uschung leicht m\u00f6glich, dass er st\u00e4rker sei. Hierdurch glaubt Stumpf die Angaben Tarchanoff\u2019s1 2) und Preyer\u2019s3) erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen. Tarchanoff leitete einen Schall telephonisch an seine beiden Ohren und schw\u00e4chte ihn so ab, dass er mit jedem Ohre kaum oder gar nicht mehr h\u00f6rbar war. Bei binauralem H\u00f6ren erhielt er dann einen deutlichen, wenn auch schwachen Ton, der in der Sagittalebene des Kopfes localisirt wurde. Daraus schloss er auf eine Wechselwirkung minimaler akustischer Erregungen.\nW\u00e4hrend demnach Stumpf die scheinbare Intensit\u00e4tserh\u00f6hung beim binauralen H\u00f6ren auf eine durch die Knochenleitung bedingte periphere Reizsummation zur\u00fcckf\u00fchrt, wird eine andere Auffassung von Urbantschitsch vertreten4). Dieser machte, wie Tarchanoff ull(* Preyer, die Beobachtung, dass eine Schallquelle, die weder mit denl\n1)\tStumpf, Tonpsychologie, II S. 423.\n2)\tTarchanoff, Petersburger medicin. Wochenschrift, 1878, No. 43.\n3)\tPreyer, Sitzungsber. d. Jen. Ges. f. Med. u. Naturwissenschaften.\n4)\tY. Urbantschitsch, Archiv f. Ohrenheilkunde, XXXV, 1893.","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n437\nrechten noch mit dem linken Ohre allein geh\u00f6rt wird, beim gleichzeitigen H\u00f6ren mit beiden Ohren wahrnehmbar erscheinen kann, pur diese Erscheinung seien zwei Erkl\u00e4rungen m\u00f6glich. Die eine bestehe in der Annahme der peripheren Reizsummirung durch die Knochenleitung, die andere in der Annahme einer Steigerung der centralen Perceptionsf\u00e4higkeit. Die M\u00f6glichkeit einer Knochenleitung auch schwacher Schallwellen von der einen auf die andere Kopfseite gibt nun zwar Urbantschitsch zu, beruft sich aber auf fr\u00fchere Versuche1), bei denen er das Besserh\u00f6ren bei binauraler Schallzuleitung mit Sicherheit auf eine Erh\u00f6hung der centralen akustischen Erregbarkeit zur\u00fcckgef\u00fchrt zu haben glaubt. In diesem Sinne deutet er auch seine Beobachtung, dass man bei binauralem H\u00f6ren keine Zunahme der H\u00f6rf\u00e4higkeit findet, wenn bei bedeutender Verschiedenheit der Ohren hinsichtlich der H\u00f6rf\u00e4higkeit dem einen ein Ton zugeleitet wird, dessen Intensit\u00e4t nahe der Empfindungsschwelle desselben liegt, w\u00e4hrend auf der anderen Seite derselbe Ton zugeleitet wird, der noch weit von der Schwelle entfernt ist. \u00bb\"Wenn man in einem solchen Falle die Schallleitung zu dem besser h\u00f6renden Ohre abschw\u00e4cht, sei es durch Schallleitungshindernisse, die man in den H\u00f6rschlauch einlegt, oder durch Belastung der Labyrinthfenster mittelst Glycerinb\u00e4uschchen oder durch Tamponirung des Geh\u00f6rgangs und auf diese Weise den Geh\u00f6runterschied auf beiden Ohren ziemlich ausgleicht, so tritt nunmehr hei dieser Versuchsanordnung das bessere Geh\u00f6r bei diotischer Schallzuleitung wieder auff\u00e4llig hervor. Da also in diesem Falle bei bedeutender Verschiedenheit der H\u00f6rf\u00e4higkeit beider Ohren kein verst\u00e4rktes Geh\u00f6r bei der diotischen Pr\u00fcfung im Vergleiche mit der monotischen Schallzuleitung stattfindet, dagegen aber wohl bei Herstellung ziemlich gleicher H\u00f6rverh\u00e4ltnisse, so ist daraus, meiner Ansicht nach, wohl der Schluss gestattet, dass die Geh\u00f6rszunahme beim diotischen H\u00f6ren einer erh\u00f6hten akustischen Perceptionsf\u00e4higkeit zugeschrieben werden k\u00f6nne, (he dadurch zu Stande kommt, dass die Erregung der H\u00f6rfunction fier einen Seite die akustischen Centren der anderen Seite zu einer erh\u00f6hten Th\u00e4tigkeit anregte.\u00ab\nBeim diotischen H\u00f6ren findet sich aber nicht nur eine quantitative\n1) Urbantschitsch, Pfl\u00fcger\u2019s Archiv, XXXI, S. 280.","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nGino Melati.\nVerst\u00e4rkung, sondern, wie Urbantschitsch angibt, auch eine qualitative Ver\u00e4nderung, indem der Ton voller wird und dabei in (|ei, Regel vertieft erscheint.\nZu \u00e4hnlichen Resultaten wie Urbantschitsch gelangte Bloch1). Er geht von der Beobachtung von Le Roux aus, dass sich zwei unisone T\u00f6ne, binaural zugeleitet, verst\u00e4rken. \u00bbMan kann auch den beiden Stimmgabeln solche Stellungen anweisen, dass die eine, dem Ohre ganz nahe befindliche die entferntere \u00fcbert\u00f6nt, dass das zweite Ohr physiologisch taub1 wird. Manche Personen geben bei Anstellung des Versuches auch nur dann an, dass der Ton im ersten Ohre st\u00e4rker wird, wenn man dem anderen die zweite Stimmgabel n\u00e4hert. Aber trotz dieser physiologischen Taubheit des zweiten Ohres ist dieses an der betreffenden Tonwahrnehmung unmittelbar betheiligt, und man k\u00f6nnte f\u00fcglich eben so gut beide Ohren physiologisch taub nennen in dem Augenblicke, in welchem beide Stimmgabeln gleich nahe und dicht vor beiden Geh\u00f6rg\u00e4ngen stehen und das subjective H\u00f6rfeld allein wahrgenommen wird. Es ist zur Verst\u00e4rkung der Klangempfindung nicht erforderlich, dass die Stimmgabeln absolut unison sind. Ich finde wenigstens keinen Unterschied in der diotischen Schallst\u00e4rke, wenn dieselben einige Schwebungen in der Secunde machen. Indessen bemerkt man doch, dass diese Verst\u00e4rkung in einem umgekehrten Verh\u00e4ltnisse zu dem Intervall beider Gabeln steht. \u2014 Sie sind schon geringer bei einer Zahl von 435 \u2014460,87, noch schw\u00e4cher bei einer Zahl von 435-488,27 Schw., und bei 435\u2014586,66 Schw. zeigt sich \u00fcberhaupt keine nennens-werthe Verst\u00e4rkung mehr.\u00ab Bloch ist wie Urbantschitsch der Meinung, dass eine subjective centrale Erregung beim binauralen H\u00f6ren auftrete, welche die objectiv bedingte Empfindung verst\u00e4rke und zu einer Steigerung der binauralen H\u00f6rsch\u00e4rfe gegen\u00fcber der monotischen f\u00fchre.\nAus den mitgetheilten Angaben geht wohl zur Gen\u00fcge hervor, in welcher Weise die einzelnen Autoren zur Frage der Entstehung der binauralen Schwebungen Stellung nehmen. Die Hypothese von der cerebralen Entstehung der Schwebungen wurde von Dove aufg6' stellt, von Thompson unterst\u00fctzt; f\u00fcr die Knochenleitung entschiede0\n1) Bloch, Zeitschrift f\u00fcr Ohrenheilkunde, XXIY, S. 25. 1893.","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales Horen.\n439\nsich Seebeck, Mach und Stumpf. Die Frage ist innig verkn\u00fcpft mit der anderen, ob binaurale Geh\u00f6rseindr\u00fccke einander verst\u00e4rken oder nicht, und ob diese Verst\u00e4rkung peripher oder central bedingt sei. pur die Annahme der peripheren Verst\u00e4rkung entschieden sich Mach und Stumpf, f\u00fcr die der centralen Urbantschitsch und Bloch.\nEine dritte Frage, die dazu in Beziehung steht, ist die der sub-jectiven Localisation der Geh\u00f6rswahrnehmungen beim monauralen und binauralen H\u00f6ren. Da diese Frage au\u00dferhalb des Plans unserer Arbeit liegt, so m\u00f6gen hier nur die in das Problem der binauralen Schwebungen hineinreichenden Punkte Erw\u00e4hnung finden.\nF\u00fcr die Schallleitung von einem zum anderen Ohre kommen vier M\u00f6glichkeiten in Betracht. Die erste ist die der Luftleitung, entweder direct, um den Kopf herum, oder indirect durch Reflexion. Diese M\u00f6glichkeit l\u00e4sst sich bei den Versuchen leicht ausschlie\u00dfen. Die zweite besteht \"darin, dass der Schall von der Paukenh\u00f6hle aus durch die Eustachische R\u00f6hre in den Nasopharyngealraum gelangt, etwa als Luftverdichtung, und durch die andere Tube zum entgegengesetzten Mittelohre oder Trommelfell. Da aber die Tube unter physiologischen Umst\u00e4nden geschlossen ist und da die Ger\u00e4umigkeit des Nasenrachenraumes und die Communication desselben mit der \u00e4u\u00dferen Luft mannigfaltige Gelegenheit gibt zur Ausgleichung, so ist dieser M\u00f6glichkeit nur sehr geringe \"Wahrscheinlichkeit zuzuschreiben. Anders verh\u00e4lt es sich mit der dritten M\u00f6glichkeit. Der Ton kann zun\u00e4chst physikalisch von einem zum anderen Ohr durch die Sch\u00e4deldecke (Schl\u00e4fenbeine, Scheitelbeine, Hinterhauptbeine) fortgeleitet werden. Diese w\u00e4re als \u00e4u\u00dfere Knochenleitung zu bezeichnen [Sch\u00e4fer). Es kann aber auch die Schall\u00fcberleitung vom Trommelfell, von den Geh\u00f6rkn\u00f6chelchen, den Fenestris und dem Labyrinthwasser aus, durch die Knochen der Sch\u00e4delbasis, durch die Felsenbein-Pyramiden und den Keilbeink\u00f6rper stattfinden. Dies w\u00e4re als innere Knochenleitung zu bezeichnen (Sch\u00e4fer).\nNun ist ersichtlich, dass die Schall\u00fcbertragung durch Knochenleitung nur dann stattfinden kann, wenn der Bruchtheil der lebendigen Kraft der Schallwellen, der sich in den Knochen fortpflanzt, so \u00a7ro\u00df ist, dass die Schallwellen nicht vollkommen in den Knochen ged\u00e4mpft werden. Anderseits ist eine gewisse lebendige Kraft der ^ehallwellen nothwendig, um eine Geh\u00f6rsempfindung zu erregen;\nWu\u00bbdt, Philos. Studien. XVII.\t29","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nGino Melati.\ndiese lebendige Kraft wurde von Toepler und Boltzmann1) Zl) 1,10-n kg bestimmt. Mach2) fand einen noch kleineren Werth Es fragt sich nun, ob die Schallaufnahme durch die Sch\u00e4delknochen einen Betrag erreicht, der oberhalb der lebendigen Kraft liegt, welcher die H\u00f6rschwelle entspricht, und oh dieser Betrag der lebendigen Kraft gro\u00df genug ist, um als Wellenbewegung in den Sch\u00e4delknochen nicht vernichtet zu werden; ob fernerhin nicht durch die Knochenleitung auch noch Schallwellen fortgeleitet werden k\u00f6nnen, deren lebendige Kraft unter dem der H\u00f6rschwelle entsprechenden Betrage liegt; oder oh umgekehrt die Knochenleitung bereits hei einer lebendigen Kraft der Schallwellen aufh\u00f6rt, die oberhalb der lebendigen Kraft, der die H\u00f6rschwelle entspricht, liegt.\nSch\u00e4fer besch\u00e4ftigte sich eingehend mit der Frage der Schallzuleitung durch die Sch\u00e4delknochen von einem Ohre zum anderen3). Sein haupts\u00e4chlichster Versuch besteht darin, dass er vermittelst eines Besonators, der an das eine Ohr gehalten wird, die Empfindung eines Tones wieder hervorruft, der von einer Stimmgabel erzeugt wurde, die inzwischen vollkommen verklungen war. Bei diesem Versuch haben er und andere bemerkt, dass auch der leiseste Ton verst\u00e4rkt und im Innern des Kopfes localisirt wird, wenn man das andere Ohr verschlie\u00dft. Da in diesen Versuchen die Luft\u00fcbertragung vollst\u00e4ndig ausgeschlossen war, so besitzt, wie Sch\u00e4fer meint, keine andere Hypothese eine gr\u00f6\u00dfere Wahrscheinlichkeit als die, dass auch in diesem Falle, bei leisesten T\u00f6nen, eine Knochenleitung existirte.\nIch bezweifle nicht die Exactheit dieser Versuche; doch m\u00f6chte ich hier schon auf Beobachtungen bei meinen eigenen Versuchen hin-weisen, die den von Sch\u00e4fer aufgestellten Satz mindestens erheblich einschr\u00e4nken. Ich habe mittelst der Stimmgabeln, die ich benutzte, nicht nur beliebig leise T\u00f6ne, die an der Grenze der H\u00f6rbarkeit lagen, herstellen k\u00f6nnen, sondern ich konnte diese auch, wie beider Besprechung der besonderen Versuchsanordnung dargelegt wird, von beliebig langer Dauer erhalten, so dass ich die M\u00f6glichkeit hatte, die Erscheinungen mit gr\u00f6\u00dferer Bequemlichkeit und Sicherheit zU\n1)\tT\u00f6pler u. Boltzmann, Pogg. Annalen, CXLI, S. 351.\t,e\n2)\tMach, Optisch-akustische Versuche, die spectrale und stethoskopi8 Untersuchung t\u00f6nender K\u00f6rper. Prag 1872.\n3)\tZeitschrift f. Psych, u. Phys. d. S., IV, S. 348; V, S. 397.","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n441\nbeobachten. Dabei habe ich dann gefunden \u2014 und gleichzeitig mit mir fanden dasselbe andere Beobachter \u2014, dass ganz allgemein ein sehr leiser Ton, auch wenn er durch l\u00e4ngere Zeit wahrgenommen wird, nicht direct im Ohre localisirt, sondern ins Innere des Kopfes verlegt wird, auch wenn man nicht in der von Sch\u00e4fer angegebenen Weise das Ohr schlie\u00dft, auf das der Ton nicht einwirkt. Diese Verlegung des Tones ins Innere des Kopfes wird noch deutlicher, wenn wir unsere Aufmerksamkeit ausschlie\u00dflich auf den Ton richten und ihn nicht, wie wir es unwillk\u00fcrlich zu thun pflegen, der Gewohnheit gem\u00e4\u00df nach au\u00dfen verlegen. Das Schlie\u00dfen des anderen Ohres st\u00f6rte an den ersten Tagen, und namentlich in den ersten Augenblicken des H\u00f6rens, sogar die Beobachtung der Erscheinung, so dass es schien, als ob der Ton in diesem Falle einen anderen Charakter habe, was zur Ursache von T\u00e4uschungen werden konnte. Aber durch die Uebung lassen sich solche T\u00e4uschungen allm\u00e4hlich ausschlie\u00dfen; und wir gelangten so (namentlich Dr. M\u00f6bius und ich) zu der Ueberzeugung, dass eine Verst\u00e4rkung der Intensit\u00e4t des Tones \u00fcberhaupt nicht stattfindet und ebenso wenig eine Ver\u00e4nderung in der Localisation. Einen indirecten Beweis hierf\u00fcr glaube ich noch in einer anderen Beobachtung gefunden zu haben: Es kam verschiedene Male vor, dass der eine der beiden sehr leisen T\u00f6ne, die vollkommen unisono oder fast unisono gestimmt waren und von denen der eine dem einen und der andere dem anderen Ohre zugeleitet wurde, unterbrochen wurde ; der Beobachter wurde dann nicht augenblicklich gewahr oder er konnte nicht sofort angeben, welcher der beiden T\u00f6ne in Wegfall gekommen sei, sondern er versuchte dies \u2014 fast unwillk\u00fcrlich \u2014 dadurch festzustellen, dass er erst die eine und dann die andere Bohre hinwegschob, durch welche ihm der Ton zugeleitet wurde.\nScripture ver\u00f6ffentlichte 1892 eine kurze Mittheilung \u00fcber Ver-Suche, die er mit zwei Stimmgabeln von 293 und 297 Schwingungen ^gestellt und bei denen er beobachtet hatte, dass die binauralen .webungen deutlicher seien, als die monauralen. Scripture hielt eme Luft\u00fcbertragung f\u00fcr ausgeschlossen, und er suchte den Beweis Zu f\u00fchren, dass auch die Knochenleitung ausgeschlossen sei1).\nPhilos. Stud. VII, S. 631.\n29*","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nG-ino Melati.\n\u00bbW\u00e4hrend die eine Gabel dicht vor dem Ohr t\u00f6nt, schlie\u00dfe man den gegen\u00fcberliegenden Geh\u00f6rgang mit dem Finger. Wenn nun irgend-welche Kopfknochenleitung vorhanden w\u00e4re, so m\u00fcsste der Ton in diesem Falle sehr stark im geschlossenen Ohre geh\u00f6rt werden\u00ab. Hiergegen erhob Sch\u00e4fer1) den Einwand, Scripture habe die Erscheinung der \u00bbphysiologischen Taubheit\u00ab nicht beachtet. \u00bbH\u00e4lt man von zwei genau unisonen Stimmgabeln die eine an das rechte Ohr, die andere an das linke, und t\u00f6nt dabei erstere lauter, so wird der Ton rechts geh\u00f6rt. Das linke Ohr ist physiologisch taub, \u00fcbernimmt jedoch sofort die Tonwahmehmung, wenn die Gabel rechts durch D\u00e4mpfung zur lauter t\u00f6nenden gemacht wird\u00ab. Es enthalte also Scripture\u2019s Versuch in keiner Art einen Beweis gegen die Knochenleitung. \u2014 In seiner Replik gegen Sch\u00e4fer wandte sich dann Scripture2) gegen den Begriff der \u00bbphysiologischen Taubheit\u00ab. In der That ist zuzugehen, dass dieser Terminus wenig gl\u00fccklich gew\u00e4hlt ist, denn that-s\u00e4chlicli findet eine Erregung des Sinnesorganes in durchaus normaler Weise statt, und sie kommt auch f\u00fcr die Empfindung zur Geltung. Was hier vorliegt, ist eine Frage der Localisationst\u00e4uschung, und diese Localisationst\u00e4uschung hat deshalb, wie es scheint, den Kamen physiologischer Taubheit erhalten, weil sie im wesentlichen in derselben Weise entstehen w\u00fcrde, wenn das eine Ohr taub w\u00e4re. Immerhin bleiben gegen die Beweiskraft von Scripture's Beobachtungen Bedenken bestehen. Ebenso l\u00e4sst sich von den Versuchen von Cross und Goodwin3) nicht sagen, dass bei ihnen die Knochenleitung mit Sicherheit ausgeschlossen war. Denn ein Beweis daf\u00fcr, dass eine Schall\u00fcbertragung auf die. Kopfknochen von den Z\u00e4hnen aus leichter sei, als vom peripheren Geh\u00f6rapparat selbst, liegt nicht vor.\nAnderseits ist freilich Sch\u00e4fer's Hypothese, unterminimale Erre gungen k\u00f6nnten sich im Acusticusendorgan derart summiren, dass dadurch ehenmerkliche Empfindungen entstehen, und eine solche Summirung k\u00f6nne durch die Knochenleitung zu Stande kommen,\n1)\tVergl. Sch\u00e4fer, Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sii\u00aee organe, IV, S. 250.\n2)\tScripture, Philos. Stud. VIII, S. 638.\t,\n3)\tCross and Goodwin, Proc, of the American Acad, of Arts and Scie XXVII, 10. 1891.","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n443\nebenfalls nicht erwiesen. Sch\u00e4fer beruft sich hierbei auf die Versuche von Thompson, Preyer und Tarchanoff.\nAuch Bernstein1) besch\u00e4ftigte sich experimentell mit der Frage der binauralen Schwebungen. Er benutzte drei Zimmer, in deren mittelstem der Beobachter sa\u00df, w\u00e4hrend die beiden Tonquellen in den beiden benachbarten Zimmern aufgestellt waren. Er arbeitete mit dem von ihm angegebenen akustischen Unterbrecher, das eine Mal mit 116, das andere Mal mit 200 Schwingungen. Die Tonleitung erfolgte durch Kautschukschl\u00e4uche. Binaurale Schwebungen wurden deutlich geh\u00f6rt. Weitere Versuche mit verklingenden Stimmgabeln ergaben, dass auch die leisesten eben noch wahrnehmbaren T\u00f6ne deutliche binaurale Schwebungen gaben. Die Frage der Knochenleitung suchte Bernstein direct durch folgenden Versuch zu entscheiden: \u00bbZwei Personen verbinden ihre Kopfknochen dadurch schallleitend miteinander, dass sie in ein kurzes Holzbrett hei\u00dfen. Jede von ihnen steckt einen der beiden Gummischl\u00e4uche in ein Ohr; findet unter diesen Umst\u00e4nden eine merkliche Knochenleitung statt, so m\u00fcssen sie die Schwebungen wahmehmen. Die Schallleitung von den Z\u00e4hnen zum Ohre ist bekanntlich eine gute, also auch die umgekehrte. In der That h\u00f6rt man den Ton einer Stimmgabel sehr stark, wenn sie der anderen Person unter den genannten Bedingungen auf den Kopf gesetzt wird. Ich habe diesen Versuch gemeinsam mit meiner Frau ausgef\u00fchrt, welche ein feineres Geh\u00f6r hat als ich. Bei Anwendung leiser T\u00f6ne haben wir beide keine Schwebungen wahrgenommen. Beide T\u00f6ne von derselben St\u00e4rke beiden Ohren einer Person zugeleitet erzeugten dagegen die deutlichsten binauralen Schwebungen\u00ab. Analoge Versuche waren bereits von Mach (1864) angestellt worden, ebenfalls mit negativem Resultate2).\nDas gleiche Princip der r\u00e4umlichen Separation wurde auch von Ewald3) angewandt, der mit Stimmgabeln arbeitete und die leisen, bei den Versuchen benutzten T\u00f6ne mittelst zweier Telephone zu-leitete. Der Ton war nur h\u00f6rbar, wenn man das Ohrst\u00fcck des Telephones fest in den Geh\u00f6rgang einpresste. Dabei wurden binaurale\n1)\tBernstein, Pfl\u00fcger\u2019s Archiv, LIX, S. 475.\n2)\tVergl. die Bemerkung Schafer\u2019s, Pfl\u00fcger\u2019s Archiv, LXI, S. 525.\n3)\tEwald, Pfl\u00fcger\u2019s Archiv, LVII, 1894, S. 80.","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nGrino Melati.\nSchwebungen geh\u00f6rt, und die Zahl derselben war beim binauralen H\u00f6ren dieselbe, wie beim monauralen unter denselben Umst\u00e4nden Ewald ist \u00fcbrigens auch auf Grund seiner Versuche an labyrinth losen Tauben der Ueberzeugung, dass der H\u00f6merv direct durch Schallwellen erregbar sei1).\nUm die \u00e4u\u00dfere Knochenleitung auch objectiv am Thiere nachzuweisen, bedienten sich Nagel und Samojloff2 *) des Princips der manometrischen Flammen. Durch d\u00fcnne Troicarts wurde durch die Paukenh\u00f6hle Gas geleitet, das zur Speisung einer K\u00f6nig\u2019schen empfindlichen Flamme diente; das Trommelfell wurde durch Schallwellen in Schwingungen versetzt, die Gasflamme im rotirenden Spiegel beobachtet. Es lie\u00df sich dann nachweisen, dass mittelst einer geeigneten Stimmgabel, die auf einen Sch\u00e4delknochen aufgesetzt wurde, eine deutliche Reaction der Flamme zu beobachten war. Bekanntlich gibt das schwingende Trommelfell einen Theil seiner Energie an die Luft des \u00e4u\u00dferen Geh\u00f6rganges ab, dadurch ist es dann sehr wohl verst\u00e4ndlich, dass die Reaction der Flamme verst\u00e4rkt wurde, wenn die \u00e4u\u00dfere M\u00fcndung des Geh\u00f6rganges verschlossen wurde. Daraus geht hervor, dass die Schwingungen von Knochen in irgend welcher Weise auf das Geh\u00f6rorgan so \u00fcbertragen werden k\u00f6nnen, dass das Trommelfell in Mitschwingungen ger\u00e4th. Durch diese Versuche wird also im allgemeinen die Existenz einer craniotympanalen Leitung erwiesen. Eine Anwendung auf die vorliegende Frage gestatten aber nat\u00fcrlich diese Versuche nicht, da sie sich auf Schallst\u00e4rken beziehen, die hier nicht in Betracht kommen.\nZweiter Theil.\nMeine eigenen Versuche.\nDie Bedingungen f\u00fcr die vorliegende Untersuchung waren 1\u00ae psychologischen Institut zu Leipzig sehr g\u00fcnstige. Zun\u00e4chst war es m\u00f6glich, indem drei nebeneinander liegende ger\u00e4umige Zimmer 2ur Anordnung der Versuche benutzt werden konnten, die beiden St\u00ae1\u00ae'\n1)\tPhysiologische Untersuchungen \u00fcber das Endorgan des Nervus octav\u00ae8-\nWiesbaden 1890. Yergl. Berl. klin. Wochenschr. 1890.\tj_\n2)\tW. A. Nagel u. Samojloff, Archiv f\u00fcr Physiologie, ed. Th. \"W.\nmann, 1898.","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n445\nabeln von einander und von der Versuchsperson gen\u00fcgend weit entfernt aufzustellen. Das mittelste Zimmer war als Dunkelzimmer und Stillezimmer vorwiegend f\u00fcr akustische Versuche eingerichtet und seine besondere Bauart, die doppelten Th\u00fcren und die Bauart der W\u00e4nde, die besonders diesen Gesichtspunkt ber\u00fccksichtigte1), bot die M\u00f6glichkeit, innerhalb weiter Grenzen st\u00f6rende, von au\u00dfen hereindringende Ger\u00e4usche abzuhalten. Um von derartigen St\u00f6rungen m\u00f6glichst unabh\u00e4ngig zu werden, wurden die Versuche an den ruhigeren Stunden des Tages und in der Nacht ausgef\u00fchrt. Die Versuchsanordnung war die, dass in den beiden dem Stillezimmer zur rechten und zur linken Seite benachbarten Zimmern vor ger\u00e4umigen, aus Pappe bestehenden, mit Filz \u00fcberkleideten Schalltrichtern die Stimmgabeln aufgestellt waren. Die Stimmgabeln waren von den zugeh\u00f6rigen Resonanzk\u00e4sten abgeschraubt und auf einer hohen Unterlage von Watte auf Filzpl\u00e4ttchen aufgestellt und gut mit Watte umgeben, um jede st\u00f6rende Tonverst\u00e4rkung und Entstehung von Nebenger\u00e4uschen auszuschlie\u00dfen. Die Stimmgabeln f\u00fchrten in der Secunde ohne Laufgewichte 500 Schwingungen aus, sie wurden durch ein Paar Elektro-magnete, das sich etwa in der H\u00f6he des oberen Endes des unteren Drittels befand, dauernd in Schwingung gehalten. Als Stromquelle diente f\u00fcr jede Stimmgabel ein Accumulator, dessen Strom durch einen Rheostaten gen\u00fcgend abgeschw\u00e4cht und variirt werden konnte. Der Strom floss dann durch die Elektromagnete, durch die Stimmgabel, durch einen feinen Platincontact zu einer verstellbaren Schraube. Der Platindraht diente dann als Unterbrecher und die L\u00e4nge der Funkenstrecke konnte mittelst der Schraube in verschieden variirter Weise eingestellt werden. So war neben dem Rheostaten eine zweite Beweglichkeit zur Ahschw\u00e4chung des Stromes und damit der Tonst\u00e4rke gegeben. Von den Schalltrichtern wurden die T\u00f6ne durch gen\u00fcgend weite geradlinige Messingr\u00f6hren, welche durch die Wand des Stillezimmers gef\u00fchrt waren, der Versuchsperson zugeleitet.\nDie Messingr\u00f6hren waren ebenfalls sorgf\u00e4ltig mit Watte umwickelt, und in denselben entstanden, etwa durch Reflexionen, keine irgendwie bemerkbaren st\u00f6renden Nebenger\u00e4usche. Dieselben traten, die eine von rechts, die andere von links, an die im Stillezimmer\n1) Vergl. F. Kr\u00fcger, Philos. Stud. XVI, S. 311 ff-","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nGino Melati.\nauf einem Stuhle sitzende Versuchsperson heran, und in ihre End waren passende, schwach conisch zulaufende, vorn offene Glasrohr'^ eingef\u00fcgt, die beliebig verschoben werden konnten. Es war aud hier darauf geachtet, dass dabei keine st\u00f6renden Nebenger\u00e4usche entstanden, ebenso dass die Luftwellen in der R\u00f6hre nicht irgendwie die benachbarten Lufttheilchen au\u00dferhalb der R\u00f6hre in Schwingungen versetzen konnten. Diese Glasr\u00f6hren wurden deshalb verschiebbar eingef\u00fchrt, um, w\u00e4hrend die Tonst\u00e4rke objectiv an der Stimmgabel gleich gehalten wurde, f\u00fcr die Versuchsperson die M\u00f6glichkeit der Variation und der Vergleichung bei beliebiger verschiedener Intensit\u00e4t zu beiden Seiten zu schaffen. Der Ton wurde nun beiderseits so weit abgeschw\u00e4cht, dass er nur f\u00fcr die Versuchsperson durch die Zuleitung, nicht f\u00fcr dritte Personen im Zimmer h\u00f6rbar war; und er war so schwach, dass ihn die Versuchsperson nur h\u00f6rte, wenn sie die zuleitenden R\u00f6hren in den \u00e4u\u00dferen Geh\u00f6rgang einschob, dagegen nicht mehr, wenn sie die Glasr\u00f6hren zur\u00fcckgeschoben hatte. Ferner war es m\u00f6glich, dass man beliebig durch Zur\u00fcckschieben der Glasr\u00f6hre auf der einen oder anderen Seite den Ton ausschaltete, was, wie weiterhin zu besprechen sein wird, f\u00fcr die fortgesetzte Controlle bei den Versuchen nothwendig war. Die Einstellung der Tonst\u00e4rke wurde am Beginne jedes Versuches genau ausgef\u00fchrt und erforderte stets einige Geduld und Zeit. Die schwachen T\u00f6ne klangen im allgemeinen durchaus rein, manchmal allerdings, namentlich in den ersten Monaten, waren st\u00f6rende Nebenger\u00e4usche nicht ganz zu vermeiden, indem der Platincontact ein hohes, man m\u00f6chte sagen schwirrendes Ger\u00e4usch gab, das aber bei sorgf\u00e4ltiger Einstellung des Contactes auszuschlie\u00dfen war.\nDie Versuchsanordnung leistet also das, was man von einer Versuchsanordnung f\u00fcr binaurales H\u00f6ren zu verlangen hat. Die Tonst\u00e4rke konnte zuverl\u00e4ssig so weit abgeschw\u00e4cht werden, dass jederzeit durchaus auf jeder Seite monotisches H\u00f6ren stattfand, der Ton konnte auf jeder beliebigen H\u00f6he, wie durch die subjective Beobachtung immer controllirt wurde, genau in der St\u00e4rke constant gehalten werden, und die Intensit\u00e4t war um den Bereich der Schwelle continuirlich abstufbar. Die \u00e4u\u00dferen Fehlerquellen, ein Nebenger\u00e4usch, Schwankungen der Tonh\u00f6he und Tonst\u00e4rke, k\u00f6nnen durchaus als ausgeschlossen gelten.","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n447\npie Stimmgabeln, die mit einer Millimetereintheilung versehen waren, mussten f\u00fcr jede Stellung der Laufgewichte genau nach ihrer gcbwingungszahl bestimmt werden. Dies geschah zun\u00e4chst durch Vergleichung mit dem Appun'schen Tonmesser. Dieser schreitet in der benutzten Octave von vier zu vier Schwingungen von einer Zungenpfeife zur anderen fort. Das Stimmen wurde von mir, von Dr. Bach und Dr. M\u00f6bius gleichzeitig durch Z\u00e4hlen der Schwebungen bis auf eine Schwingung genau ausgef\u00fchrt.\nBei der Ausf\u00fchrung der Versuche war zun\u00e4chst darauf zu achten, dass die Uebertragung durch die Luft und die \u00e4u\u00dfere Knochenleitung von einem Geh\u00f6rorgane zum anderen ausgeschlossen waren. Die Uehertragung durch die Luft war relativ leicht auszuschlie\u00dfen, die T\u00f6ne waren so schwach, dass, wenn die Glasr\u00f6hre sich nicht genau am oder im \u00e4u\u00dferen Geh\u00f6rgange befand, kein Ton mehr weder auf dieser Seite noch nat\u00fcrlich auf der entgegengesetzten geh\u00f6rt wurde, selbst die Schalltrichterwirkung der Ohrmuschel gen\u00fcgte nicht, um einen Ton h\u00f6rbar zu machen, wenn die Oeffnung der Glasr\u00f6hre sich einer Stelle ihr gegen\u00fcber befand. Ein weiterer Beweis f\u00fcr das Fehlen der Luft\u00fcbertragung ergab sich aus den Versuchen selbst. Wenn n\u00e4mlich, wie wir weiter sehen werden, binaurale Schwebungen geh\u00f6rt wurden, so konnte man diese zum Verschwinden bringen, indem man die eine Glasr\u00f6hre zur\u00fcckschob oder den Geh\u00f6rgang mit dem Finger verschloss.\nVon allen anf\u00e4nglich herangezogenen Versuchspersonen erwiesen sich in l\u00e4ngeren, entscheidenden Versuchsreihen nur wenige als geeignet. Das erste, was von den Versuchspersonen zu verlangen ist, ist Unbefangenheit, dann ein gen\u00fcgend scharfes Ohr f\u00fcr das Erfassen der Intervalle und der Schwebungen. Bei der Subtilit\u00e4t der Versuche und der au\u00dferordentlichen Leisheit der T\u00f6ne bei den Experimenten mit binauralem H\u00f6ren waren die Versuchspersonen leicht suhjectiven T\u00e4uschungen verschiedener Art unterworfen. Daher war es nothwendig, fortgesetzt Controllversuche und Vexir-xersuche auszuf\u00fchren.\nDas Verfahren der Versuche war stets unwissentlich, die Reagenten wussten nicht, wieviel Schwebungen sie zu erwarten hatten; die Verstimmung, also die Anzahl der Schwebungen wurde fahrend der einzelnen Versuchsreihen ver\u00e4ndert, ebenfalls ohne","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nGino Melati.\nWissen des Reagenten. Die Versuche wurden sodann in der Weise ausgef\u00fchrt, dass zun\u00e4chst controllirt wurde, dass Luft\u00fcbertragung und \u00e4u\u00dfere Knochenleitung ausgeschlossen waren, darauf wurden die binauralen Versuche angestellt, und die Reagenten schrieben entweder ihre Beobachtungen auf oder gaben dieselben nach den Versuchen zu Protocoll. Die erste Frage lautete: \u00bbWas h\u00f6ren Sie?\u00ab Die weiteren Fragen bezogen sich dann auf die Intensit\u00e4t, ob ein wahrnehmbarer Intensit\u00e4tsunterschied zu beiden Seiten, bestand, auf das Vorhandensein von Schwebungen, auf die Zahl derselben, auf die Beschaffenheit derselben, auf die Rauhigkeit des Tones und auf die Art und die Sicherheit des Urtheiles. Der Versuch schloss endlich damit, dass der Ton beider Stimmgabeln gleichzeitig, und auch aufeinander folgend, monotisch dargeboten wurde. Es wurden dann beide Eindr\u00fccke miteinander verglichen und dieselben Fragen wiederholt. Besonders wurde gefragt, ob sich der Charakter der Schwebungen ge\u00e4ndert habe und ob eine subjective Verst\u00e4rkung des Tones eingetreten sei.\nI.\nBei einer ersten Gruppe von Versuchen lagen die T\u00f6ne noch merklich oberhalb der Schwelle, waren aber so leise, dass die Ueber-tragung durch die Luft und durch die \u00e4u\u00dfere Knochenleitung, wie Controllversuche lehrten1), ausgeschlossen war. Es wurden dann die\n1) Um die Verh\u00e4ltnisse der Knochenleitung zu controlliren, wurden in die Versuchsreihen stets Einzelversuche derart eingeschaltet, dass die Versuchsperson aufgefordert wurde, den einen Geh\u00f6rgang mit dem Finger zu verschlie\u00dfen, dann wurde das T\u00f6nen der einen Stimmgabel \u00f6fters auf k\u00fcrzere oder l\u00e4ngere Zeit unterbrochen, und die Versuchsperson hatte unterdessen, w\u00e4hrend sie den einen Geh\u00f6rgang mit dem Finger verschlossen hielt, die Tonempfindung, die auf der gegen\u00fcber liegenden Seite erregt wurde, zu beobachten. Sie hatte dann anzugeben, wann und ob jener Ton sich \u00e4nderte. In diesem Falle konnte zweierlei geschehen, wenn nur ein Ton vorhanden war: n\u00e4mlich erstens kam es zuweilen vor, dass dw Versuchsperson dann Schwebungen zu h\u00f6ren glaubte, sie t\u00e4uschte sich also; u\u00ae zweiten Falle h\u00f6rte sie keine Schwebungen, sie bemerkte aber das Leererwerden des Tones. Das bewies, dass die Versuchsperson richtig beobachtete und die Ver suchsbedingungen geeignete waren. Wenn dann beide Gabeln erklangen, w\u00e4hre die Versuchsperson den einen Geh\u00f6rgang verschlossen hielt, so konnte es vor kommen, dass dieselbe Schwebungen h\u00f6rte und die Zahl derselben richtig ang In diesem Falle war das Vorhandensein einer Luft\u00fcbertragung oder Kn\u00b0c_ leitung positiv erwiesen und die T\u00f6ne mussten weiterhin abgeschw\u00e4cht wer\u00bb","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n449\nGrabein gegeneinander verstimmt und die Schwebungen beobachtet, und eine Vergleichung derselben im binauralen und monauralen g\u00f6ren durchgef\u00fchrt. Begonnen wurde mit den langsamen Schwebungen, von 2 bis zu 15 Schwebungen in der Secunde. Bei dieser Tonst\u00e4rke waren die binauralen Schwebungen au\u00dferordentlich viel schwieriger zu h\u00f6ren, wie die monauralen, das sprach sich darin aus, dass die zuverl\u00e4ssige Constatirung und das Z\u00e4hlen derselben beim binauralen H\u00f6ren sehr viel l\u00e4ngere Zeit in Anspruch nahm, als im monauralen, und das galt nicht nur f\u00fcr die weniger ge\u00fcbten Versuchspersonen, sondern machte sich so ziemlich in demselben Ma\u00dfe auch bei den geeignetsten Beagenten bemerkbar. Da es durchaus w\u00fcnschenswerth schien, in die Constanz und Sicherheit des Urtheils einen Einblick zu gewinnen, wurden diese Versuche mit denselben Intervallen sehr h\u00e4ufig wiederholt.\nWir wollen die vielen unsicheren Ergebnisse, die mit wenig geeigneten Versuchspersonen in umfangreichen und zeitraubenden Versuchen gewonnen wurden, \u00fcbergehen und k\u00f6nnen dann unsere Ergebnisse, welche sich im wesentlichen auf die Vergleichung der monauralen und binauralen Schwebungen beziehen, in folgender Weise zusammenfassen: das wichtigste und charakteristischste Merkmal des Gesammteindruckes liegt darin, dass die T\u00f6ne heim binauralen H\u00f6ren auch hei sehr geringen Intervallen, selbst wenn sie beinahe unisono erklingen, getrennt erscheinen, wie im monotischen H\u00f6ren. Dies soll nat\u00fcrlich nicht hei\u00dfen, dass in diesem Falle der absolute Werth des Intervalles ver\u00e4ndert werde, der bleibt selbstverst\u00e4ndlich derselbe, sondern nur, dass namentlich bei geringen Unterschieden in der Schwingungszahl das Urtheil in qualitativer Hinsicht psychologisch sicherer, subjectiv evidenter ist.\nL\u00e4sst man die Schwebungen monaural percipiren, so sind sie mit den T\u00f6nen selbst verbunden, man h\u00f6rt sozusagen' die St\u00f6\u00dfe in einer durch die zwei Prim\u00e4rt\u00f6ne bestimmten Tonlage. L\u00e4sst man dieselben Schwebungen binaural percipiren, so ist der Eindruck ein ganz anderer. Man hat n\u00e4mlich zugleich die Empfindung der beiden T\u00f6ne, die nicht in das \u00e4u\u00dfere H\u00f6rfeld des Ohres der entsprechenden Seite, etwa im Ohre oder in der Schl\u00e4fengegend, sondern in unbestimmter, nicht n\u00e4her angebharer Weise im Inneren des Sch\u00e4dels localisirt werden, und daneben die Empfindung der Schwebungen,","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nGino Melati.\ndie als etwas ganz von den T\u00f6nen Getrenntes erscheinen, fast wie eine disparate gleichzeitige Empfindung. Die Schwebungen lagen sozusagen zwischen den T\u00f6nen, indem die Beobachter nicht etwa an-gahen, ein bestimmter Ton schwebe, sondern ganz eindeutig sagten man h\u00f6re die beiden T\u00f6ne und die Schwebungen.\nDie binauralen Schwebungen haben in gewisser Weise einen unbestimmten Charakter, sie verschwinden und sind nicht immer fest-haltbar, zeitweise treten sie scheinbar spontan st\u00e4rker f\u00fcr das Bewusstsein hervor, sie sind eigentlich mehr alternirend als continuirlich. Es ist bemerkenswerth, dass es vergeblich ist, wenn man versucht, durch Anspannung der Aufmerksamkeit die Erscheinung festzuhalten. Denn an und f\u00fcr sich besteht, sozusagen f\u00fcr die mit willk\u00fcrlicher Aufmerksamkeit verbundene psychische Einstellung die Tendenz, diese Schwebungen zu objectiviren, um sie den normalen Verh\u00e4ltnissen der Empfindung gleichartig zu machen und einzuordnen. Hier schien in der That f\u00fcr die psychologische Beobachtung ein continuirlicher Grenz\u00fcbergang zwischen rein subjectivem und objectiv bedingtem Geschehen vorzuliegen, eine Erscheinung, die f\u00fcr die psychologische Interpretation des Charakters der Sinnesempfindung sicherlich hervorgehoben zu werden verdient. Damit h\u00e4ngt eine weitere Erscheinung zusammen, die ebenfalls rein in das Gebiet psychologischen Experimentirens und Beobachtens geh\u00f6rt. Man kann n\u00e4mlich sicher sagen, dass die Erscheinung entsteht, wenn der Beobachter in einer ganz passiven psychischen Einstellung ist. Beim monauralen H\u00f6ren dr\u00e4ngen sich die Schwebungen als harte, rasch ansteigende, rasch abklingende St\u00f6\u00dfe auf, bei den binauralen Schwebungen scheint jede einzelne Schwebung langsam anzuschwellen, ein zeitlich zwar kurz, aber immerhin dauerndes Maximum zu haben, dann ebenso langsam abzunehmen und continuirlich auszuklingen. Dieser Unterschied war auch dann bemerkbar, wenn die Versuchsperson sicher war, dass die Zahl der binauralen Schwebungen nnt der der monaural wahrgenommenen \u00fcbereinstimmte.\nWas das Abz\u00e4hlen oder die Sch\u00e4tzung der Zahl der Schwebungen anlangt, so ist hervorzuheben, dass bei einer geraden Anzahl lang samer Schwebungen, 2, 4, 6, 8 bis 10, die Versuchspersonen, die gut qualificirten unter denselben, den Eindruck haben, Schwebungen langsamer zu h\u00f6ren wie monotisch. So kam es","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n451\nDr. St\u00f6rring und Dr. Wirth des \u00f6fteren, bei Dr. M\u00f6bius nur ausnahmsweise vor, dass dieselben eine Anzahl von Schwebungen an-gaben, die genau halb so gro\u00df war wie die Zahl der objectiv vorhandenen, mono tisch h\u00f6rbaren Schwebungen. Diese Versuchspersonen konnten nun, nachdem sie das Intervall monotisch geh\u00f6rt hatten und dann wieder diotisch h\u00f6rten, durch einen Wiedererkennungsact bemerken, dass die Zahl der Schwebungen beim monauralen und binauralen H\u00f6ren dieselbe war, aber die Zwischenst\u00f6\u00dfe, die fr\u00fcher nicht geh\u00f6rt waren, waren noch immer undeutlich und schwach und seihst jetzt nicht immer h\u00f6rbar1). Die vorliegenden Erscheinungen der Schwankungen der Empfindungsintensit\u00e4t scheinen mir in zwei Gruppen verschiedener Art zerlegt werden zu m\u00fcssen: die eine Gruppe umfasst die l\u00e4ngeren Perioden der Empfindung, die durch Pausen getrennt sind, die andere umfasst die F\u00e4lle, wo die Anzahl der Schwebungen zu gering, vor allem kleiner als die H\u00e4lfte der objectiv vorhandenen, angegeben wird. Erstere Schwankungen sind wohl vorzugsweise als Erm\u00fcdungserscheinungen aufzufassen, die der zweiten wohl vorwiegend als Schwankungen der Aufmerksamkeit. Dieses Verschwinden und Wiederauftreten der Schwebungen, sowie der besondere Charakter der Subjectivit\u00e4t, der den binauralen Schwebungen zukommt, bewirken es nat\u00fcrlich, dass die Deutlichkeit der diotischen Schwebungen geringer ist wie die der monotischen. Wie einige Beobachter, und unter diesen Scripture, das Umgekehrte finden konnten, ist uns unverst\u00e4ndlich und beruht wohl darauf, dass sie ihre Versuche nicht an einer gen\u00fcgend gro\u00dfen Anzahl von Intervallen durchf\u00fchrten. F\u00fcr unsere Versuche kann die vorliegende Aussage \u00fcber die geringere Deutlichkeit der binauralen Schwebungen als durchaus gesichert gelten, da alle Versuchspersonen dieselben Aussagen machten und ihr Urtheil auch aufrecht erhielten, wenn sie dieselben Intervalle h\u00e4ufiger beobachtet hatten.\nStets wurde auch an die Versuchspersonen die Frage gerichtet, \u00b0b eine deutliche Lust- oder Unlustbetonung den monaural oder t\u00f6naural geh\u00f6rten Intervallen und Schwebungen zukomme. Einige\n1) Vergl. Urbantschitsch, Pfl\u00fcger\u2019s Archiv, XXIX, 1881, S. 574: \u00bbEin le\u201cr schwacher Schalleindruck in ungleicher St\u00e4rke wahrgenommen und bei Schallwellen geringster Intensit\u00e4t l\u00e4sst ein Verschwinden und Wiederauftauchen der\nSchall,\nEmpfindungen leicht nacliweisen.","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\nGrino Melati.\nhatten von irgend einer Gef\u00fchlsbetonung der Schwebungen gar nichts bemerkt, was einigerma\u00dfen auff\u00e4llig erscheint, einige waren schwankend, andere aber fanden die binaural geh\u00f6rten Schwebungen weniger unangenehm oder selbst angenehmer als die monotischen (Dabei ist immer zu ber\u00fccksichtigen, dass wir nur von langsamen Schwebungen, 2\u201415 in der Secunde, sprechen.)\nEine wichtige Erscheinung, von der wir in dem historischen Ueberblicke gesehen haben, dass sie schon mehrere Autoren eingehender besch\u00e4ftigt hat, ist ferner die Intensit\u00e4tszunahme der Geh\u00f6rsempfindung bei binauralem H\u00f6ren. Wenn in diesem Falle zwei T\u00f6ne ann\u00e4hernd unison sind, so kann es zun\u00e4chst Vorkommen, dass, wenn ein Ton zuerst mit einem Ohre geh\u00f6rt wird, dieser st\u00e4rker wird, wenn man dann dem anderen Ohre den zweiten Ton darbietet, oder anderseits ist es auch m\u00f6glich, dass dieselben beiden T\u00f6ne, wenn sie gleichzeitig binaural geh\u00f6rt werden, eine st\u00e4rkere Empfindung ausl\u00f6sen, wie wenn dieselben T\u00f6ne monaural geh\u00f6rt werden. Alle Versuchspersonen stimmten bei jenen Intervallen, wo die beiden T\u00f6ne nur eine sehr geringe Differenz in der Tonh\u00f6he hatten, in der Versicherung \u00fcberein, dass ein gro\u00dfer Unterschied in der Intensit\u00e4t bestehe, wenn man einen Ton auf dem einen Ohre h\u00f6re und anderseits beide T\u00f6ne diotisch h\u00f6re. Wenn man dann die beiden T\u00f6ne zugleich einwirken lie\u00df, so war ein Empfindungszuwachs nicht sicher zu bemerken, sondern die Beobachter antworteten unsicher und unbestimmt. Es ist hemerkenswerth, dass die Versuchspersonen dann geneigt waren, einen Intensit\u00e4tszuwachs der Empfindung anzugehen, wenn sie das Intervall zum ersten Male beobachteten. Aber dies beruht vielleicht auf einer T\u00e4uschung, da sie immer noch die Empfindung der relativ gro\u00dfen Intensit\u00e4t des binaural geh\u00f6rten Tons im Bewusstsein hatten. Bei Gelegenheit von Controllversuchen, an denen Dr. Wirth theilnahm, konnte folgende Beobachtung gemacht werden. Die beiden Gabeln waren gegeneinander so verstimmt, dass die eine 500 Schwingungen, die andere 504 Schwingungen in der Secunde ausf\u00fchrte. Dr. Wirth gab an, der rechte Ton sei st\u00e4rker. Dann beobachtete ich selbst und glaubte den linken Ton viel st\u00e4rker zu h\u00f6ren. Um diesen Widerspruch ^n untersuchen, wurden die Stimmgabeln bez\u00fcglich der Tonst\u00e4rke mit\" einander verglichen, und es fand sich, dass die rechts stehende Ga","page":452},{"file":"p0453.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales.H\u00f6ren.\n453\ntats\u00e4chlich lauter ert\u00f6nte. Ich fand dieses Ph\u00e4nomen sehr seltsam. \u25a0W\u00e4hrend ich nun, an dasselbe denkend, mich allein im Stillzimmer befand, bemerkte ich im linken Ohre einen subjectiven Ton, der hinl\u00e4nglich stark, dauernd und deutlich war und offenbar mit einer vor\u00fcbergehenden katarrhalischen Affection dieses Ohres zusammenhing. Dann bat ich den Dr. Wirth, mir die zwei fr\u00fcheren T\u00f6ne zu gehen. Indem ich sie mit jenem subjectiven Ton verglich, bemerkte ich nun, dass dieser letztere dem Tone im rechten Ohre ganz gleich war, und w\u00e4hrend ich dies beobachtete, constatirte ich das fr\u00fchere Ph\u00e4nomen: im rechten Ohr ein kaum bemerkbarer und im linken Ohr ein sehr starker Ton. Wurde dagegen das rechte Ohr geschlossen, so h\u00f6rte die Verst\u00e4rkung des Tones auf. Dann versuchte ich, das rechte Ohr der Bohre des linken zu n\u00e4hern und unterbrach den Ton des rechten. Auf diese Weise konnte ich mit aller Deutlichkeit die langsamen Schwebungen (4 in der Secunde) bemerken; und nachdem verschiedene Male die H\u00f6he des Tones, welcher in diesem Fall mit dem rechten Ohr wahrgenommen wurde, modifient war, wurden immer die Schwebungen beobachtet, 12 und 15 per Secunde, wobei sie sehr rauh erschienen. So wurde der sichere Beweis geliefert, dass ein objectiver und ein subjectiver Ton, auch wenn binaural geh\u00f6rt, Schwebungen geben. Bemerkenswerth war ferner die bei den ersten Experimenten (in deren Folge der subjective Ton entdeckt worden war) beobachtete Thatsache, dass der objective Ton, der von dem Ohr der gesunden Seite \u00fcbertragen war, um vieles den subjectiven Ton von gleicher H\u00f6he verst\u00e4rkte, so dass er dem pathologischen Ohr zugeschrieben wurde, nicht jenem, welchem er direct zugef\u00fchrt war, w\u00e4hrend der auf das pathologische Ohr selbst einwirkende objective Ton nur sehr undeutlich wahrgenommen wurde.\nHierin liegt ohne Zweifel ein Beweis daf\u00fcr, dass ein Ton in der ^egel in dem Ohr localisirt wird, wo er st\u00e4rker empfunden wird.\nII.\nWir kommen nun zur Besprechung der Versuche, bei denen die Differenzen der Tonh\u00f6he zwischen den beiden T\u00f6nen bedeutendere 'varen- Wie wir sahen, fand Bloch beim binauralen H\u00f6ren einen Werkenswerthen Zuwachs an Intensit\u00e4t der zwei T\u00f6ne im Vergleich","page":453},{"file":"p0454.txt","language":"de","ocr_de":"454\nGino Melati.\nmit dem des monauralen H\u00f6rens. Er gibt jedoch zu, dass diese Ver St\u00e4rkung in umgekehrtem Yerh\u00e4ltniss zu dem Intervall zwischen den zwei T\u00f6nen stehe, so dass, wenn die Zahl der Vibrationen 435\u2014586,66 ist, man kaum mehr von einem wirklichen Zuwachs an Intensit\u00e4t sprechen k\u00f6nne.\nWir haben nun in der That beobachtet, dass, wenn die T\u00f6ne eine Differenz von wenigen Vibrationen haben, ein leichter Zuwachs an Intensit\u00e4t besteht. Dieser ist aber absolut ausgeschlossen bei den Intervallen, in welchen die Differenz der Schwingungen gr\u00f6\u00dfer als 10 in der Secunde ist. Die zwei T\u00f6ne, in dem Ma\u00dfe wie ihre H\u00f6hendifferenz sich vergr\u00f6\u00dfert, verst\u00e4rken sich nicht nur nicht, sondern man hat die Neigung, sie ein wenig schwacher zu beurtheilen als im monotischen H\u00f6ren, und sie erscheinen dem Beobachter immer weiter getrennt, der eine vom andern losgel\u00f6st. Die Verschmelzung der T\u00f6ne, welche Stumpf erw\u00e4hnt, und welche von diesem Gelehrten wie eins der Ph\u00e4nomene festgehalten wird, die sich unver\u00e4ndert im binauralen Geh\u00f6r erhalten, nimmt im Gegentheil nach meinen Beobachtungen stufenweise ab. Die Beobachter nahmen die mit einem einzigen Ohr geh\u00f6rten Intervalle wie eine wirkliche Einheit wahr, und es war eine Arbeit von willk\u00fcrlicher Analyse n\u00f6thig, um den einen Ton vom anderen zu unterscheiden; binaural dagegen erschienen die T\u00f6ne f\u00fcr sich selbst, d. h. einer unabh\u00e4ngig vom anderen, und die Schwebungen erschienen gewisserma\u00dfen au\u00dferhalb der T\u00f6ne selbst, localisirt an verschiedenen Orten. An dieser Trennung der zwei T\u00f6ne, im Gegensatz zu jener Verschmelzung, von welcher Stumpf spricht, lassen meine Beobachtungen keinen Zweifel. Dabei schien es, dass die T\u00f6ne beinahe ein Intervall bildeten; und wenn die Aufmerksamkeit des Beobachters nicht auf die Schwebungen gerichtet war, sondern ausschlie\u00dflich auf die zwei T\u00f6ne selbst, so bemerkte man ein best\u00e4ndiges Alterniren der Wahrnehmung des einen und des anderen Tones. Wenn dagegen, wie gew\u00f6hnlich, die Aufmerksamkeit auf die Schwebungen gerichtet war, so war der allgemeine Eindruck eine deutliche Vorstellung der zwei T\u00f6ne, die nicht in dem betreffenden Ohr, sondern mehr nach innen, in den Seitentheilen des Kopfes, localisirt er schienen, w\u00e4hrend die Schwebungen sehr schwach empfuD den wurden und zuweilen aussetzten: sie erhoben sich \u00fcbe","page":454},{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n455\ndie Schwelle des Bewusstseins, verschwanden und kehrten wieder und so immer von neuem. Diese Schwebungsperioden waren meist nicht constant. Im allgemeinen bemerkten wir, dass die Perioden der Pause um so l\u00e4nger waren, je gr\u00f6\u00dfer und l\u00e4nger die Spannung der Aufmerksamkeit, um die Schl\u00e4ge zu bemerken. Und interessant war es, zu beobachten, dass oft, wenn man die Schwebungen besser im Bewusstsein festhalten wollte, sie statt dessen ganz verschwanden und wieder erschienen, wenn der Beobachter sich anschickte, sie in einem Zustand passiver Aufmerksamkeit aufzufassen. Die andere Form von Schwankungen, die wir bei den Intervallen, wo die H\u00f6hendifferenz der zwei T\u00f6ne sehr klein war, beobachteten, ist bei diesen gr\u00f6\u00dferen Intervallen eigentlich nicht bemerkt worden. Die Beobachter hatten im allgemeinen die Neigung, die binauralen Schl\u00e4ge als kleiner an Zahl aufzufassen gegen\u00fcber den respectiven monauralen. Wenn jedoch ein genauerer Vergleich ausgef\u00fchrt wurde, so erkannte man nicht die Uebereinstimmung. Ein Beobachter, Dr. St\u00f6rring, hatte aber stets die Empfindung eines abwechselnden St\u00e4rker- und Schw\u00e4cherwerdens des Rhythmus der binauralen Schwebungen. Ueberhaupt ist zu bemerken, dass auch bei diesen wie bei den kleineren Intervallen die Schl\u00e4ge eine schwankende Form haben, im Gegensatz zum monauralen Geh\u00f6r, wo sie staccato, getrennt, der eine vom anderen geschieden sind. Die Schwankungscurven sind deshalb viel kleiner (gerade wegen der gr\u00f6\u00dferen Schnelligkeit der Schl\u00e4ge) als bei den langsameren Rhythmen der Schl\u00e4ge. Dagegen ist die Eigenth\u00fcmlichkeit der T\u00f6ne, voller, mehr ausgedehnt zu sein, die wir bei den kleinen Intervallen constatirt haben, bei diesen kaum mehr bemerkbar. Die Localisation der T\u00f6ne ist viel deutlicher, bestimmter. Nicht unn\u00fctz ist es, zu bemerken, dass die Schl\u00e4ge allen Beobachtern so erschienen, als ob sie weit entfernt w\u00e4ren.\nWas die Intensit\u00e4t der binauralen Schwebungen in der Serie der gr\u00f6\u00dferen Intervalle betrifft, so m\u00fcssen wir best\u00e4tigen, dass sie kleiner lst als die Intensit\u00e4t der binauralen Schwebungen der kleineren Intervalle (bis zu 10 Vibrationen Unterschied) und daher noch viel kleiner ak die Intensit\u00e4t derselben Schwebungen im monotischen H\u00f6ren. \u2022^uch nimmt diese Intensit\u00e4t mit\u2019zunehmendem Intervall im-nier mehr ab. Bekanntlich ist man im allgemeinen dar\u00fcber einig, ^ass im monotischen H\u00f6ren das Maximum der Rauhigkeit der\nW\"\u201c 4 t, Philos. Studien XVII.\t30","page":455},{"file":"p0456.txt","language":"de","ocr_de":"456\nGrino Melati.\nSchwebungen bei einer Schnelligkeit von ca. 30 Schl\u00e4gen in der ge. cunde liegt. Im Fall des binauralen H\u00f6rens dagegen bemerkt man dieses Maximum bei sehr viel kleinerer Differenz der T\u00f6ne (von 2 bis zu 10 Schwingungen). Die Intensit\u00e4t nimmt ab, w\u00e4hrend die Schl\u00e4ge auch im Vergleich mit den T\u00f6nen des Intervalles selbst, zugleich sehr schwach erscheinen. Wenn man ferner von einer leichten Zunahme der Intensit\u00e4t der T\u00f6ne im binauralen H\u00f6ren sprechen kann, so findet diese nur bei den Intervallen statt, wo die T\u00f6ne wenig verschiedene Vibrationen'! haben. Bei gr\u00f6\u00dferen Intervallen k\u00f6nnte man eher glauben, dass die zwei binaural geh\u00f6rten T\u00f6ne geschw\u00e4cht erscheinen.\nWas die Deutlichkeit der Schwebungen betrifft, so wird diese jenseits der Grenze von 10\u201420 Schwingungen Differenz immer geringer, und das Urtheil ist nicht mehr sicher: man bemerkt nur das Unzusammenh\u00e4ngende, das Unterbrochene der T\u00f6ne, nichts mehr. Jenseits der Grenze von 30 Schwebungen konnte auch der geschickteste und ge\u00fcbteste Beobachter beinahe nie mit Sicherheit sagen, welcher Rhythmus der Schwebungen der schnellere, welcher der langsamere sei, wenn die Differenz beim monauralen H\u00f6ren noch sehr bemerkbar war. Wenn ferner, wie gew\u00f6hnlich, nach dem binauralen H\u00f6ren dasselbe Intervall monaural gegeben wurde, so erkannte man nicht mehr, wie es fast immer in den kleineren Intervallen geschah, dass das Intervall das gleiche war, w\u00e4hrend doch die T\u00f6ne im einen wie im anderen Fall von genau derselben Intensit\u00e4t waren. Irr-th\u00fcmer des Urtheils waren bei diesen gr\u00f6\u00dferen Intervallen ziemlich h\u00e4ufig. Der Beobachter war auch mehr als sonst zu Illusionen geneigt, er hatte sehr leicht das Gef\u00fchl der Unterbrechung, und wenn er den Rhythmus der Schl\u00e4ge festhalten wollte, gelang es ihm\noft nur, einen subjectiven Rhythmus festzustellen, manchmal langsam wie der Pulsschlag oder wie die Athmung, manchmal sehr schnell, aber immer schwankend, ungewiss. Die \u00e4u\u00dferste Grenze der Schnelligkeit wahrnehmbarer Schwebungen war 50 in der Secunde, w\u00e4hrend bis zu 60 und 70 Schwebungen monotisch noch mit Sicherheit von den Beobachtern geh\u00f6rt wurden. Was die Empfindung der Rauhig keit betrifft, so ist zu bemerken, dass sie ohne Zweifel viel weniger stark als beim monauralen H\u00f6ren ist. Dieser Charakter der Rauhig keit begleitet die Schl\u00e4ge in den Intervallen bis zu einer H\u00f6heD","page":456},{"file":"p0457.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n457\nDifferenz der zwei T\u00f6ne von 25\u201430 Schwingungen und verschwindet dann, his hei den letzten Intervallen, wo sehr schwache Schwebungen noch bemerkbar sind, dies Gef\u00fchl der Rauhigkeit ganz verschwindet. Dieses Resultat ist beinahe im Widerspruch mit dem von Thompson, welcher vielmehr fand, dass bei den gro\u00dfen Intervallen die T\u00f6ne auffallend rauh seien. Einen Grund f\u00fcr diese Verschiedenheit der Resultate w\u00fcsste ich nicht zu finden. Man k\u00f6nnte denken, dass er intensivere T\u00f6ne benutzte, so dass \u00e4u\u00dfere oder innere Knochenleitung in Betracht kam; aber da Thompson sagt, dass er die Schl\u00e4ge auch hei solchen T\u00f6nen beobachten konnte, welche nicht einzeln vom Ohr bemerkt wurden, so scheint dies ausgeschlossen. Auf jeden Fall zwingen mich meine Experimente, zu verneinen, dass die T\u00f6ne binaural in gro\u00dfen Intervallen sehr rauh erscheinen, wie auch g\u00e4nzlich auszuschlie\u00dfen, dass an sich nicht bemerkbare T\u00f6ne binaural aufgefasst werden und Schwebungen gehen. Auch Stumpf, scheint uns, muss einen dem unsrigen \u00e4hnlichen Eindruck gehabt haben, wenn er sagt, dass der Charakter der binauralen Schl\u00e4ge milder sei.\nDas Gef\u00fchl der Dissonanz existirt auch im binauralen Geh\u00f6r, obgleich die Schl\u00e4ge schw\u00e4cher sind und die Rauhigkeit wenigei stark als monotiscli, aber ich w\u00fcrde nicht sagen, wie Stumpf, dass dieses Gef\u00fchl der Dissonanz dem durch das monaurale Geh\u00f6r gegebenen gleich sei. Nach meinen Experimenten muss ich zugeben, dass das Gef\u00fchl der Dissonanz im binauralen Geh\u00f6r nicht so intensiv, so deutlich ist wie im monauralen, und ich glaube, dass diese Thatsache durch die Abschw\u00e4chung der Schwebungen und der Rauhigkeit veranlasst ist.\nWir fassen jetzt in wenigen S\u00e4tzen die Schl\u00fcsse zusammen, die sich aus den Experimenten, mit denen wir uns bis jetzt besch\u00e4ftigt haben, ziehen lassen:\nI- Die Intensit\u00e4t der binaural geh\u00f6rten T\u00f6ne erf\u00e4hrt nur bei den geringsten Intervallen eine leichte Verst\u00e4rkung. Bei den gro\u00dfen Intervallen k\u00f6nnte man vielleicht eher von einer Abschw\u00e4chung\nsprechen.\nH*Die zwei T\u00f6ne haben bei kleinen Intervallen einen Charakter au8gedehnterer Localisation.\n30*","page":457},{"file":"p0458.txt","language":"de","ocr_de":"458\nGino Melati.\nIII. Der Grad der Verschmelzung der zwei T\u00f6ne ist viel kleiner als monotisch und nimmt schnell ab mit zunehmender H\u00f6hendifferenz der zwei T\u00f6ne.\nIVa) Die binaural geh\u00f6rten Schwebungen sind viel weniger deut lieh als die monaural geh\u00f6rten. \u2014 Das Maximum der Deutlichkeit liegt hei den Intervallen, wo die H\u00f6hendifferenz zwischen den zwei T\u00f6nen von 10 zu 20 Schwingungen per Secunde variirt.\nb)\tDie Vorstellung der Schl\u00e4ge ist immer deutlicher, getrennt von derjenigen der T\u00f6ne und verschieden localisirt (in einer cerebralen Zwischenlage).\nc)\tDie binauralen Schl\u00e4ge erscheinen wellenf\u00f6rmig, ----\u2014^ jm\nUnterschied von den monotischen, welche eckig klingen, /www\nd)\tDie binauralen Schwebungen sind schw\u00e4cher als die monauralen. Das Maximum ihrer St\u00e4rke liegt hei den kleinsten Intervallen (1\u20142\u20144\u20148).\ne)\tDie Grenze ihrer Wahnehmbarkeit liegt niedriger bei den binaural geh\u00f6rten Intervallen (50 Schwingungen in der eingestrichenen Octave).\nf)\tW\u00e4hrend die T\u00f6ne continuirlich erscheinen, zeigen die Schwebungen zwei Formen von Schwankungen: 1. Perioden von Absteigen und Sinken in einem vollst\u00e4ndigen Rhythmus der Schl\u00e4ge; 2. Schwankungen in den Elementen selbst des Rhythmus. Diese letzteren sind regelm\u00e4\u00dfiger und deutlicher bei den langsamen Rhythmen; bei den schnellen nehmen sie gewisserma\u00dfen die Form einer Spirale an.\nV.\tDie Empfindung der Rauhigkeit ist viel weniger stark als im monauralen H\u00f6ren und verschwindet bei Intervallen \u00fcber 30 Schwingungen ganz.\nVI.\tDas Gef\u00fchl der Dissonanz erh\u00e4lt sich, wenn auch m schw\u00e4cherer Weise, auch wo die Empfindung der Rauhigkeit nicht bemerkbar ist.\nIH.\nEine letzte Reihe unserer Versuche bezog sich auf die Fra\u00a3e'\nob bei einer minimalen, eben die Schwelle erreichenden Intensit\u00e4t\n\u2022 \"Fs\nder T\u00f6ne die binauralen Schwebungen noch bemerkbar seien, handelte sich also darum, zu constatiren, ob in dem Moment, wo Ph\u00e4nomen der binauralen Schwebungen verschw\u00e4nde, die zwei T\u00aeD","page":458},{"file":"p0459.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n459\nbeide noch oberhalb der Schwelle des Bewusstseins seien, oder nur der eine, der andere nicht, oder endlich weder der eine noch der\nandere.\nBei diesem letzten Theil der Experimente betheiligten sich au\u00dfer fflir die DDr. M\u00f6bius, St\u00f6rring, Wirth, lauter Beobachter, die viele Uebung in akustischen Beobachtungen besa\u00dfen und monatelang bei diesen unseren speciellen Untersuchungen mitgearbeitet hatten. Auch bei diesen Untersuchungen verglichen wir stets das im binauralen H\u00f6ren gegebene Ph\u00e4nomen mit dem des monauralen, indem wir -wieder daf\u00fcr sorgten, dass in diesem zweiten Pall dieselbe Intensit\u00e4t des Tones erhalten blieb wie im ersten.\nWir fanden nun zun\u00e4chst, dass, wenn ein einziger der zwei T\u00f6ne nicht bemerkbar war, jede Form von Schwebungen ausblieb. Dann w\u00e4hlten wir T\u00f6ne, die eben auf der Schwelle des Bewusstseins waren. Um die T\u00f6ne \u00fcberhaupt wahrzunehmen, war der Beobachter zu einer best\u00e4ndigen und intensiven Aufmerksamkeit gen\u00f6thigt. Die T\u00f6ne waren nicht continuirlich, wie im allgemeinen in den vorangegangenen Versuchen, sondern sie waren Schwankungen unterworfen und bisweilen waren die Perioden des Sinkens so lang, dass der Beobachter den Ton verschwunden glaubte und bat, er m\u00f6ge verst\u00e4rkt werden. Diese ganz leisen T\u00f6ne schienen nicht Producte eines \u00e4u\u00dferen vibrirenden K\u00f6rpers zu sein, noch waren sie eigentlich im Geh\u00f6rorgan localisirt, sondern eher im Kopfe. Unter diesen Umst\u00e4nden musste daher der Beobachter viel M\u00fche anwenden, und es war eine viel l\u00e4ngere Zeit n\u00f6thig, um zu einem sichereren Urtheil zu gelangen, als bei den fr\u00fcher besprochenen Experimenten. Illusionen fanden leicht statt: dem Beobachter war sozusagen die Idee einer Unterbrechung der T\u00f6ne suggerirt und er neigte sehr oft dazu, sich eine Serie von St\u00f6\u00dfen vorzustellen. Hatte er dann Gelegenheit, \"frese Serie von St\u00f6\u00dfen mit der monaural gegebenen desselben Intervalls zu vergleichen, so erkannte er die T\u00e4uschung. Mehrmals waren die St\u00f6\u00dfe nicht blo\u00df bei den Intervallen von sehr geringer, sondern auch bei denen von gro\u00dfer Distanz nicht zu unterscheiden. So war 88 z. B. leicht, dass bei zwei Intervallen, wenn das eine eine Diffe-renz von 40 Schwingungen, das andere eine solche von 8 Schwindfugen besa\u00df, das erste eine langsame Serie von St\u00f6\u00dfen zu haben zehien, das zweite eine schnelle. Im allgemeinen jedoch hatte, wo","page":459},{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"460\n(xino Melati.\ndie Illusion sich einstellte, jeder Beobachter einen constant subjectiven Rhythmus der Unterbrechung, welcher sich au{ die Intervalle jeder Art bezog.\nDr. St\u00f6rring schrieb im allgemeinen dem Intervall einen Rhyth mus der Schl\u00e4ge zu, welcher der des Pulsschlags oder der Athmung entsprach, und so geschah es auch oft hei Dr. Wirth. Dr. M\u00f6bius dagegen hatte zuweilen die Neigung, sich einen schnellen Rhythmus der Schl\u00e4ge vorzustellen, welcher beinahe mit 20 St\u00f6\u00dfen in der Secunde correspondirte. So zeigten alle diese Beobachtungen hier in noch h\u00f6herem Grade jenen Charakter der Subjectivit\u00e4t, dem wir schon fr\u00fcher bei den binauralen Versuchen begegnet sind. Und wenn wir schon hei dem ersten Theil unserer Experimente bemerkt haben, im Gegensatz zu Stumpf, dass der Grad der Verschmelzung kleiner und immer abnehmend im binauralen Geh\u00f6r ist, so l\u00e4sst sich hei dieser zweiten Ahtheilung der Versuche von einem Grad der Verschmelzung \u00fcberhaupt nicht sprechen. Die T\u00f6ne erscheinen g\u00e4nzlich getrennt: Der Gesammteindruck ist der eines best\u00e4ndigen Abwechselns derselben, begleitet von einem peinlichen Gef\u00fchl gezwungener Aufmerksamkeit, welche vergebens sucht, die zwei T\u00f6ne zu vereinigen. Stellt sich dieses Ph\u00e4nomen des abwechselnden H\u00f6rens ein, so bleiben dann auch die Schwebungen aus. Ebenso fehlt jene Empfindung der Rauhigkeit, welche, wie wir sahen, sonst heim binauralen H\u00f6ren bemerkbar war, wenn auch etwas geringer als monaural. Ein Charakter allein hat sich noch erhalten, aber auch dieser hat nicht mehr den Grad von Intensit\u00e4t wie fr\u00fcher: n\u00e4mlich das Gef\u00fchl der Dissonanz. Dies ist offenbar eine That-sache, welche gegen die Helmholtz\u2019sche Erkl\u00e4rung der Dissonanz spricht. Schwebungen und Rauhigkeit sind f\u00fcr Helmholtz die Bedingungen der Dissonanz zwischen zwei zusammen erklingenden T\u00f6nen, bei Consonanz m\u00fcssen die Schwebungen fehlen oder auch sie m\u00fcssen so schwach sein, dass sie keine St\u00f6rung des Intervalls hervorbringe11' Nun ist es eine Thatsache, dass in diesen von uns beobachteten Intervallen ein Gef\u00fchl der Dissonanz bemerkbar war, w\u00e4hren sowohl die Schwebungen wie die Rauhigkeit fehlten. Also sind d\u00ae Schwebungen und die Rauhigkeit begleitende, aber nicht best1\u00ae mende Momente, sie k\u00f6nnen die Dissonanz verst\u00e4rken, nicht hervorbringen. Unsere Beobachtungen best\u00e4tigten so die Mein111#","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurales H\u00f6ren.\n461\nvon W. Wundt, welcher sagt: \u00bbVerm\u00f6ge der Bedingungen der Klangerzeugung ist die Dissonanz sehr h\u00e4ufig mit Schwebungen der T\u00f6ne verbunden. Aber nothwendig ist diese Verbindung\nnicht\u00ab \u2018J.\nAus der Darstellung der Resultate, die wir aus unseren Experimenten gewonnen haben, kann man ohne jeden Zweifel schlie\u00dfen, dass das Ph\u00e4nomen des binauralen H\u00f6rens specifische und subjective Charaktere hat, durch die es sich von dem Ph\u00e4nomen des monauralen H\u00f6rens unterscheidet. Wir beobachteten ferner, dass die binauralen Schwebungen wegen der eintretenden subjectiven Rhythmisirung unsicher wurden oder ganz verschwanden, wenn die T\u00f6ne eben die Schwelle des Bewusstseins erreichten. Da aber hierbei \u00fcberhaupt ein gleichzeitiges H\u00f6ren beider T\u00f6ne nicht mehr m\u00f6glich war, sondern abwechselnd immer nur derjenige Ton \u00fcber die Schwelle des Bewusstseins trat, dem sich die Aufmerksamkeit zuwandte, so sind die letzteren Versuche f\u00fcr die Frage des binauralen H\u00f6rens \u00fcberhaupt und demnach auch f\u00fcr die Frage der Entstehung binauraler Schwebungen nicht entscheidend.\n1) Wundt, Grundz\u00fcge der physiologischen Psychologie, II, S. 75.","page":461}],"identifier":"lit4559","issued":"1901","language":"de","pages":"431-461","startpages":"431","title":"Ueber binaurales H\u00f6ren","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:44:24.990492+00:00"}