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{"created":"2022-01-31T12:23:33.925323+00:00","id":"lit4569","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Dittrich, Ottmar","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 19: 93-127","fulltext":[{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Die sprachwissenschaftliche Definition der Begriffe \u201eSatz\u201c\nund \u201eSyntax\u201c.\nVon\nOttmar Dittrich.\nLeipzig.\nIn dem Meinungsaustausch 1), der sich k\u00fcrzlich an das syntaktische Capitel von Wundt\u2019s \u00bbV\u00f6lkerpsychologie\u00ab (II, S. 215ff.) angeschlossen hat, werden zwei Satzdefinitionen einander gegen\u00fcbergestellt, die scheinbar keine Vermittelung vertragen: Wundt erkl\u00e4rt in der \u00bbV\u00f6lkerpsychologie\u00ab (II, S. 240) und beharrt darauf in \u00bbSprachgeschichte und Sprachpsychologie\u00ab (S. 68ff.), der Satz sei sroer sprachliche Ausdruck f\u00fcr die willk\u00fcrliche Gliederung einer Gesammtvorstellung in ihre in logische Beziehungen zu einander gesetzten Bestandtheile\u00ab ; Delbr\u00fcck vertritt seine im \u00bbGrundriss der vergleichenden Grammatik dpr indogermanischen Sprachen\u00ab III, S. 75 aufgestellte Definition (y\u00e9n Satz ist eine in articulirter Bede erfolgende Aeu\u00dferung, welche dem Sprechenden und H\u00f6renden als ein zusammenh\u00e4ngendes und abgeschlossenes Ganzes erscheint\u00ab) auch in den \u00bbGrundfragen\u00ab S. 136ff. und macht nur insofern eine gewisse Concession, als er, an der Einbeziehung der sogenannten eingliedrigen S\u00e4tze in den Satzbegriff festhaltend, am Ende (S. 145, im Anschluss an Wechssler, \u00bbGibt es Lautgesetze?\u00ab S. 17) vorschl\u00e4gt: \u00bbAeu\u00dferung als den oberen Begriff aufzustellen und den Satz als eine Aeu\u00dferung zu definiren, die aus mindestens zwei Gliedern besteht.\u00ab Nimmt man diese Concession an, so hat man allerdings eine reinliche formale Scheidung: hier Emil Vgl. B. Delbr\u00fcck, Grundfragen der Sprachforschung, mit R\u00fccksicht auf W. Wundt\u2019s Sprachpsychologie er\u00f6rtert, Stra\u00dfburg 1901; W. Wundt, Sprachgeschichte und Sprachpsychologie, mit R\u00fccksicht auf B. Delbr\u00fcck\u2019s Grundfragen der Sprachforschung, Leipzig 1901.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nOttmar Dittrich.\ngliedrigkeit des Ausdrucks, also Aeu\u00dferung xerr\u2019 et, dort Zwei- oder Mehrgliedrigkeit des Ausdrucks, also Satz. Aber diese Scheidung liefert, so praktisch sie an sich w\u00e4re, mit ihrer zu geringen R\u00fccksichtnahme auf die Bedeutungsseite der sprachlichen Erscheinungen, d. h. gerade diejenige Seite dieser Erscheinungen, welche wir als f\u00fcr das syntaktische Problem vorz\u00fcglich wichtig zu erkennen Gelegenheit haben werden, doch keine auch sprachpsychologisch befriedigende L\u00f6sung dieses Problems, und ist denn auch von Wundt nur sehr cum grano salis angenommen worden.\nWie man sieht, dreht sich also die Meinungsverschiedenheit wiederum haupts\u00e4chlich um die \u00bbeingliedrigen\u00ab, insbesondere auch um die \u00bbeinwortigen\u00ab S\u00e4tze, und ich will daher auch diese, vor allem die \u00bbeinwortigen\u00ab, in den Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stellen; die \u00fcbrigen, damit im Zusammenhang stehenden Punkte, als da sind die Frage der willk\u00fcrlichen oder unwillk\u00fcrlichen Gliederung, der logischen oder nichtlogischen Beziehungen der Satzglieder, der attributiven und pr\u00e4dicativen S\u00e4tze (um nur die bis jetzt zwischen Wundt und Delbr\u00fcck zur Sprache gekommenen syntaktischen Fragen kurz zu ber\u00fchren), werden dabei wenigstens gestreift werden k\u00f6nnen, so dass sich am Schl\u00fcsse wohl ein ziemlich vollst\u00e4ndiges Bild des hier Einschl\u00e4gigen ergeben d\u00fcrfte. Ich gehe gleich in m\u00e9dias res.\nI. Die Bedeutungssyntax.\nSyntax ist hier im Sinne eines nomen actionis zu verstehen, also gleichbedeutend etwa mit Syntaxirung zu einem Verbum syntaxiren. Die Th\u00e4tigkeit, welche dieses Verbum ausdr\u00fccken soll, ist von seiten des Sprechenden die Conception der Bedeutung, welche das von ihm hervorgebrachte Lautgebilde, die Lautung, zu einem sprachlichen Satze macht, von seiten des H\u00f6renden die Conception dessen, was er f\u00fcr die Bedeutung dieser Lautung h\u00e4lt. Man k\u00f6nnte also meinen, es sei der Satzcharakter eines sprachlichen Gebildes stets nur vom Sprechenden aus zu bestimmen; dem ist jedoch nicht immer so, und auch sonst befinden sich der Sprechende und der H\u00f6rende unter so I wesentlich verschiedenen psychologischen Bedingungen, dass eine Scheidung der bedeutungssyntaktischen Probleme nach der Bedeutungssyntax des Sprechenden bezw. des H\u00f6renden dringend geboten erscheint.","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft.!. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. 95\nA. Bedeutungssyntax des Sprechenden.\nIn einen allgemeineren Zusammenhang gestellt, haben wir es hier mit einem der von mir sogenannten ontogenetischen Probleme der Sprachwissenschaft, speciell der Sprachpsychologie zu thun, d. h. mit einem jener Probleme, die sich an sprachliche Leistungen kn\u00fcpfen, bei deren Vollzug der Vollzieher als momentan von der Sprech-th\u00e4tigkeit seiner Umgebung unabh\u00e4ngig gedacht werden kann: w\u00e4hrend ich einen Satz ausspreche, und um so mehr w\u00e4hrend ich ihn in \u00bbinnerer Sprache\u00ab concipire, braucht mir dazu, wie ich ihn ausspreche, bezw. wie ich ihn in \u00bbinnerer Sprache\u00ab concipire, Niemand sprachlich nachzuhelfen. Es h\u00e4ngt also wesentlich nur von der psychophysischen Gegenwart und Vergangenheit des eben Sprechenden ab, wie der Satz ausf\u00e4llt, und dadurch eben wird das Problem zu einem ontogenetischen.\nDie Bedeutung des Satzes, um diese vorerst nur ganz allgemein zu definiren, umfasst stets nur einen Theil der gegenw\u00e4rtigen psychophysischen Th\u00e4tigkeit des Sprechenden, und zwar denjenigen Theil, welchen er (abgesehen von der gleich zu nennenden Lautung) in eine, bez\u00fcglich ihrer Eigenart noch n\u00e4her zu bestimmende Endapper-ception einbezieht; die Lautung, d. h. in diesem Falle das als Ausdrucksmittel eventuell (vgl. S. 118, Z. 5ff.) bereits w\u00e4hrend der Be-deutungssyntaxirung reproductiv (als Theil der \u00bbinnern Sprache\u00ab) \u00bbanklingende\u00ab Lautgebilde kann n\u00e4mlich ebenfalls zum Gegenst\u00e4nde eines oder mehrerer gesonderter Apperceptionsakte werden (wie ja auch der Sprechende beim thats\u00e4chlichen Sprechen \u00bbauf seinen Ausdruck achten\u00ab kann), muss es aber nicht, indem sie auch entweder\n1.\tganz oder zum Theil gleichzeitig mit der Bedeutung, oder auch\n2.\tgar nicht appercipirt werden kann ; ersteres ist sogar die Regel und wird besonders deutlich beim Ausdruck abstracter Begriffe, die nur durch Wortvorstellungen im Bewusstsein repr\u00e4sentirt sind, letzteres ist wohl stets der Fall, wenn man unmittelbar nach dem Sprechen nicht mehr genau wei\u00df, wie man sich ausgedr\u00fcckt hat, und nur im allgemeinen noch den Thatbestand gegenw\u00e4rtig hat, der Substrat der Rede gewesen war. \u2014 Wenn wir, die eben gegebene Definition der Satzbedeutung im Auge behaltend, den psychologischen Bestand dessen \u00fcberblicken, was \u00fcberhaupt als Bedeutung irgendwelcher Lautung fungiren kann (und dies ist nichts weniger als jeder","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nOttmar Dittrich.\nbeliebige actuelle apperceptive psychophysische Process1)), so erhebt sich sofort die Frage, ob denn jede von diesen Bedeutungen auch ohne weiteres als Satzbedeutung fungiren k\u00f6nne. Die Frage ist in der Form, wie sie hier gestellt wird, d. h. mit besonderer Beziehung auf die moderne, insbesondere die Wundt\u2019sehe Experimentalpsychologie, bisher nur von Wundt selbst gestellt und mit Recht negativ beantwortet worden: ein au!, das ein Schmerzgef\u00fchl und nur dieses ausdr\u00fcckt, hat vom Sprechenden aus keine syntaktische Bedeutung; auch ein o/, das nur Verwunderung ausdr\u00fcckt, hat keine Satzbedeutung, und damit scheint jene allumfassende Definition des Satzes, nach der er \u00bbdie Urform sprachlichen Ausdruckes ist, die sich von der einfachen Interjection o bis zum vielumfassenden Satzgebilde eines Philosophen ausdehnen kann\u00ab (Wunderlich, Der deutsche Satzbau, 1892, S. 2), definitiv beseitigt; Wundt l\u00e4sst die Interjection, und auch dies nur unter gewissen Bedingungen (vgl. V\u00f6lkerpsych. II, S. 233f., 224f.), blo\u00df als Satz\u00e4quivalent gelten und dehnt diese Betrachtungsweise auf alle \u00bb ein wortigen S\u00e4tze\u00ab aus; ja, nein, Feuer!, etc., seien keine S\u00e4tze, sondern Satz\u00e4quivalente: \u00bbwenn auf die Frage Willst du es thun? die Antwort ja und die andre ich will es thun praktisch gleichwerthig sind, so sind sie es doch keineswegs psychologisch. Bei dem vollst\u00e4ndigen Antwortsatz treten der Vorsatz zur Handlung und ihre wirkliche Ausf\u00fchrung deutlicher und in einer gewissen Succession in den inneren Blickpunkt. Bei dem einfachen ja bleiben alle diese Elemente in einer Gesammtvorstellung vereinigt, die eben in diesem ja auch einen einheitlichen, ungegliederten Ausdruck findet.\u00ab (V\u00f6lkerpsych. II, S. 242). Ich halte die Constatirung, dass es zur Begr\u00fcndung des syntaktischen, d. h. Satz-Charakters einer Bedeutung einer merklichen Succession bei der Auffassung von Theilen eines complexen Thatbestandes bed\u00fcrfe, f\u00fcr so au\u00dferordentlich kl\u00e4rend und f\u00f6rderlich, dass ich nicht umhin konnte, auch die \u00bbeinwortigen S\u00e4tze\u00ab daraufhin zu pr\u00fcfen, ob sich nicht vielleicht auch bei ihnen eine solche\n1) Also jede Empfindung, jede (sinnliche, Erinnerungs- bezw. phantastische oder begriffliche) Yorstellung, j edes (sinnliche, \u00e4sthetische, logische, moralische u. s. w.) Gef\u00fchl, jeder (ebensolche) Affect, jede Willenshandlung (Trieb-, Willk\u00fcr-, Wahlhandlung), \u00e4u\u00dfere wie innere, besonders aber letztere in Form der apperceptiven Beziehung und Vergleichung, der phantastischen und der logischen (Urtheils-) Analyse und Synthese.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft! Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. 97\nConstatirung machen lie\u00dfe, und ich hin so zu den Resultaten gelangt, die ich im Folgenden vorlege. Ich nehme dahei nat\u00fcrlich auch best\u00e4ndig R\u00fccksicht auf Delbr\u00fcck\u2019s Stellungnahme zu diesen Sprachgef\u00fchlen.\nEs sind auf ihren Satzbedeutungscharakter zu pr\u00fcfen: Antworten und Fragen, die nur in \u00bbeinem Wort\u00ab bestehen, und ebensolche Impersonalia, Imperative, Vocative, Interjectionen, Ausrufe und Gru\u00dfformeln. A) 1. Antworten, vorz\u00fcglich (ich entnehme die Beispiele soweit als m\u00f6glich aus dem Deutschen) ja und nein. Was Delbr\u00fcck (Grundfragen S. 141 f.) dazu beigebracht hat, ist mehr sprachhistorischer als sprachpsychologischer Natur: dass ja urspr\u00fcnglich eine Partikel mit versicherndem Sinne war, die neben dem Verbum stand (z. B. mhd .ja tuon ichx durch d\u00een \u00e8re d. h. f\u00fcrwahr, ich time es um deiner Ehre willen),\" ist f\u00fcr den Sprachgebrauch der jetzt lebenden Generation irrelevant: der nicht germanistisch gebildete Sprechende hat, wenn er sein ja sagt, von diesen Verh\u00e4ltnissen ebensowenig eine Ahnung, als er nein auf seine etymologische Bedeutung nicht eins (als Antwort auf Fragen wie etwa sind die R\u00e4der fertig?) zur\u00fcckzuf\u00fchren vermag; und n\u00e4hme der germanistisch Gebildete beim Sprechen eine solche Zur\u00fcckf\u00fchrung vor, so w\u00fcrde er sich damit eine dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht mehr gerecht werdende Beschr\u00e4nkung der Anwendungssph\u00e4re von ja, besonders aber von nein auf erlegen, denn er k\u00f6nnte schon auf die Frage ist er's? nicht mit nein antworten, ohne sich des Sonderbaren seiner Antwort bewusst zu werden. Man darf also wohl allgemein behaupten, ja und nein w\u00fcrden beim Sprechen heutzutage nicht etymologisirt, und sie stehen in dieser Beziehung den Interjectionen wie ei!, au! und-den Vocativen wie Karl! gleich, f\u00fcr die Delbr\u00fcck (Grundfragen S. 144f.) sogar \u00bburspr\u00fcngliche Eingliedrigkeit\u00ab zugibt. Und w\u00e4re dem auch nicht allgemein so, so ist doch in hei weitem den meisten F\u00e4llen, meine ich, der von mir behauptete That-bestand au\u00dfer Zweifel, und wir werden dazu gedr\u00e4ngt, uns damit abzufinden, was \u00fcbrigens, beil\u00e4ufig bemerkt, auch n\u00f6thig w\u00e4re, wenn wir es nur mit einer geringen, aber \u00fcberhaupt nachweisbaren Zahl solcher F\u00e4lle zu thun h\u00e4tten. Wie wir uns damit abzufinden haben, wird von Delbr\u00fcck (Grundfragen S. 142) zwar sprachpsychologisch angedeutet (\u00bb . . . kann man sagen, dass ja ein verdichteter Satz ist, der aber . . . seinen Inhalt einem vorhergehenden Satze entnimmt\u00ab), aber diese Andeutung bedarf doch der ausdr\u00fccklichen Erg\u00e4nzung,\nWundt, Philos. Studien. XIX.\t7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nOttmar Dittrich.\ndass damit nicht gemeint sein soll, die Bedeutung von ja sei identisch mit der des vorhergehenden Satzes. Das ist sie n\u00e4mlich ganz gewiss nicht. Das Verh\u00e4ltniss der beiden Bedeutungen ist vielmehr psychologisch so zu fassen, dass, wenn nicht noch in andrer Hinsicht, doch mindestens in der Hinsicht eine Abweichung stattfindet, dass in der Bedeutung der Antwort der Zweifel eliminirt ist, der in der Bedeutung jeder Frage (nicht blo\u00df der von Wundt, V\u00f6lkerpsych. II, S. 255 als Zweifelsfrage xat\u2019 \u00e8\u00a3. bezeichneten, die Antwort vom Typus ja oder min fordernden Frage) einen integrirenden Bestandtheil bildet. Um den psychischen Thatbestand zu ermitteln, welchen wir dem Antwortenden, der zugleich derya-Sprechende ist, f\u00fcr den Moment, in welchem er mit ja oder nein auf eine Frage antwortet, vindiciren d\u00fcrfen, und um zugleich das zu gewinnen, was daraus f\u00fcr die Bedeutung von ja und nein folgt, beschreiten wir am besten den Weg, dass wir von einem concreten Beispiel ausgehen, und wir w\u00e4hlen dazu das von Wundt (V\u00f6lkerpsych. H, S. 234 und S. 242) beigebrachte: Frage willst du dies thun?, Antwort ja. Die Situation ist folgende: Der ya-Sprechende ist zun\u00e4chst H\u00f6render (Angeredeter) im Bezug auf die Frage und syntaxirt als solcher die Frage in der unten noch n\u00e4her zu besprechenden Weise; ich hebe hier nur hervor, dass der Akt des Verstehens als ein Apperceptions-, d. h. also Willensakt definirt werden muss, in dessen Motiv auch die Lautungsvorstellung eingeht, welche in der Frage zum Ausdruck kommt. Hier endet in unserem Falle (in dem zugleich vorausgesetzt wird, dass die sprachliche Vergangenheit des Angeredeten ihn zu hinreichendem Verst\u00e4ndniss der Frage bef\u00e4hige) die sprachliche momentane Abh\u00e4ngigkeit des Angeredeten vom Fragenden, und er leistet fortan bis auf weiteres (d. h. bis er etwa wiederum angeredet wird) seine, die Antwort ja vorbereitende und einschlie\u00dfende Arbeit nur auf Grund seiner psychophysischen Vergangenheit, bezw. seines in der verstandenen Frage vorliegenden und sonst sich noch in Form von Vorstellungen und Gem\u00fcthsbewegungen einstellenden actuellen psychophysischen Gegen wartsbestandes. Dabei spielt die verstandene Frage, d. h. der Inbegriff der aus der Frage ermittelten Meinung des Fragenden, wiederum die Bolle eines Motivs, das m\u00f6glicherweise das einzige bleiben, aber auch mit andern, sich aus dem sonstigen Gegenwartsbestande entwickelnden Motiven in Widerstreit treten kann ; das Ergehniss ist","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft!. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. 99\nentweder 1. triebm\u00e4\u00dfiges Wollen zufolge des einzigen Motivs, oder 2. willk\u00fcrliches Wollen zufolge eines siegenden Motivs, beide Male in der positiven Richtung, das in der Frage erw\u00e4hnte Thun zu wollen. Es wird also hier das in der Meinung des Fragenden enthaltene Gef\u00fchl des Zweifels, welches der Angeredete bei seiner Ermittlung dieser Meinung ebenfalls actualisiren musste, entweder gar nicht klar und deutlich (apperceptiv), indem bei dem Angeredeten der Zweifel, was er zu thun habe, \u00bbgar nicht aufkommen kann\u00ab, oder es wird der Zweifel sofort oder nach l\u00e4ngerem Kampf der Motive unterdr\u00fcckt und willk\u00fcrlich positiv entschieden. Es fragt sich nun, was von diesem psychischen Thatbestand die Antwort ja, die der Angesprochene jetzt geben kann, ausdr\u00fccke. Unmittelbar ergibt sich dies aus der bisherigen Darstellung nicht, sondern es muss die Analyse der innern Willenshandlung herangezogen werden, um zu dem gew\u00fcnschten Resultate zu gelangen. Vollziehe ich diese Analyse im Sinne der Wundt\u2019sehen Darstellung der innern Willenshandlungen (z. B. Gr\u00fcn riss der Psych.4 S. 219ff.), d. h. achte ich auf den Gef\u00fchls- und V stellungsverlauf, in dem eine solche Handlung besteht, so finde i bez\u00fcglich der Willk\u00fcrhandlung ohne Schwierigkeit, dass \u00bbdas Gef\u00fc der positiven Entscheidung oder Entschlie\u00dfung in Beziehung auf das in der Frage erw\u00e4hnte zu Thuende\u00ab der psychische Thatbestand ist, an den sich associativ die Lautungsvorstellung ja anschlie\u00dft; bez\u00fcglich der Triebhandlung, wo das Gef\u00fchl der Entscheidung oder Entschlie\u00dfung fehlt, finde ich statt dessen \u00bbdas Gef\u00fchl der positiven Bestimmtheit in Beziehung auf das in der Frage erw\u00e4hnte zu Thuende\u00ab vor; in beiden F\u00e4llen ist mir das Gef\u00fchl ebenso klar und deutlich, wie die Vorstellung des zu Thuenden, und ebenso die Beziehung des Gef\u00fchls auf die Vorstellung; ich glaube somit als Bedeutung des ja jedesmal die apperceptive Beziehung eines Gef\u00fchls auf eine Vorstellung angeben zu d\u00fcrfen. Dies ist aber eine entschieden syntaktische Bedeutung, und ich habe den Eindruck, als w\u00fcrde auch Wundt, der ja bisher nicht als Satz, sondern nur als Satz\u00e4quivalent gelten l\u00e4sst, sich dieser Deutung anschlie\u00dfen k\u00f6nnen, denn der psychologische Unterschied, den er mit Recht zwischen der Bedeutung von ja und der von ich will es thun constatirt (V\u00f6lkerpsych. II, S. 242), wird davon nicht ber\u00fchrt: ich nehme nur auch f\u00fcr den psychischen 'Thatbestand (Wundt\u2019s \u00bbGesammtvorstellung\u00ab), welcher die Bedeutung von ja aus-\n7*","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nOttmar Dittrich.\nmacht, Zweigliederung an und finde die Gliederung der Bedeutung von ich wiU es thun etwas complicirter: es scheint mir, dass man angesichts der Gliederung, welche hier auch die Lautung aufweist, nicht umhin kann, als klar bewusst mindestens 1. die Ichvorstellung (bezw. das Ichgef\u00fchl), 2. die Vorstellung des \u00bb es-thun-Wollens \u00bb mit weiterer Gliederung in den willentlichen Gef\u00fchlsverlauf und die Vorstellung des zu Thuenden vorauszusetzen, also eine Gliederung nach\n\u00c2 7?\ndem Schema ___________ , wobei die Bedeutungsrolle von es noch dahin-\nC D\ngestellt bleiben mag . . Auch die Bedeutungsanalyse der Antwort ja auf Fragen wie ist er oben? oder liebst du mich? ergibt mir kein anderes Resultat: ob das neben dem Gef\u00fchl der positiven Entscheidung bezw. Bestimmtheit aus der Gliederung des psychischen Thatbestandes hervorgehende und in Beziehung zu diesem Gef\u00fchl gesetzte psychische Etwas die Vorstellung \u00bboben befindliche Person\u00ab oder das Gef\u00fchl der Liehe sei, ist gleichg\u00fcltig; integrirend ist f\u00fcr die syntaktische Bedeutung des ja nur, dass eine apperceptive Beziehung des Gef\u00fchls der positiven Entscheidung etc. auf eine Vorstellung oder eine Ge-m\u00fcthsbewegung stattfinde. Dass die Ersetzung des Gef\u00fchls der positiven Entscheidung etc. durch das Gef\u00fchl der negativen Entscheidung etc. das ganze bisher Ausgef\u00fchrte auf die Antwort nein anwendbar macht, brauche ich wohl kaum mehr zu bemerken, und ebenso wenig machen die Antworten freilich, doch Schwierigkeiten, kommen sie doch in S\u00fcdwestdeutschland schlechthin auch im Sinne von ja vor (Paul, Deutsches W\u00f6rterbuch S. 149 u. 94).; es sind immer, wenn nicht geradezu, wie in gewiss, sicherlich, dem Gef\u00fchl der Bestimmtheit auch directer Wortausdruck verliehen wird, nur Nebengedanken, die z. B. in natwrlich, dem neuerdings sehr \u00fcblich gewordenen selbstredend etc. mit zum Ausdruck kommen .. . Etwas, aber nicht wesentlich anders steht es mit \u00bbeinwortigen\u00ab Antworten auf Fragen wie wer hates gethan ? Wird auf eine solche Frage z. B. geantwortet Karl, so ist dies das Ergebniss eines ganz \u00e4hnlichen Processes, wie er oben f\u00fcr die Antwort auf die Zweifelsfrage geschildert wurde, die ich lieber Alternativfrage nennen m\u00f6chte; denn auch die Erg\u00e4nzungsfrage1) enth\u00e4lt\n1) Ich ziehe diesen Ausdruck, dem auch Wundt (Y\u00f6lkerpsych. II. S. 255) seine Anerkennung nicht versagt, aus dem oben angef\u00fchrten. Grunde dem von Wundt selbst (ebenda) gew\u00e4hlten Namen \u00bbThatsachenfrage\u00ab vor.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft!. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. 101\ndas Moment des Zweifels, nur richtet er sich nicht auf die Position oder Negation des ganzen in der Frage ausgesprochenen Thatbestandes, sondern er ist in der Form vorhanden, dass dieser Thatbestand als zum Theile sicher, zu irgend einem Theile aber zweifelhaft dargestellt wird ; Ziel einer solchen Frage ist die Erg\u00e4nzung des noch theilweise unsicheren Thatbestandes zu einem v\u00f6llig sicheren, und insofern mag man sie passend (mit Wegener, Grundfragen des Sprachlebens S. 76) als Erg\u00e4nzungsfrage bezeichnen. Es wird also auch hier der Angeredete vor eine Entscheidung oder Bestimmung gestellt, die er zu geben hat, und der Unterschied ist nur der, dass sie gem\u00e4\u00df der anders gestellten Frage materiell anders ausfallen muss: die durch wer ausgedr\u00fcckte zweifelhafte Personenvorstellung wird durch die unzweifelhafte Personen Vorstellung \u00bbKarl\u00ab ersetzt, die Erg\u00e4nzung des vorher noch theilweise unsicheren Thatbestandes zu einem v\u00f6llig sicheren so geleistet, und als Bedeutung der Lautung Karl haben wir wiederum \u00bbdas Gef\u00fchl der Entscheidung etc. in Beziehung auf die in der Frage offen gelassene Vorstellung\u00ab, also wiederum eine entschieden syntaktische Bedeutung. Ich habe bisher, allerdings mich der wie ich glaube legitimen Freiheit bedienend, f\u00fcr \u00bbVorstellung\u00ab gelegentlich auch \u00bbGem\u00fcthsbewegung\u00ab zu setzen, keine Frage dieser Kategorie gefunden, die sich dieser Deutung nicht f\u00fcgte ; man pr\u00fcfe selbst z. B. [wie geht es dir?} gut oder [wo steht er?) dort, . . Auch die einwortige Antwort auf eine, die Merkmale der Alternativ- und Erg\u00e4nzungsfrage vereinigende und daher vielleicht als Zwitterfrage zu bezeichnende Frage, wie sie in Berlin als Antwort auf die Frage welche Stadt hat mehr Einwohner, Wien oder Berlin? vorliegt1), wird man, glaube ich, jetzt ohne weiteres als einen Satz mit der Bedeutung \u00bbGef\u00fchl der Entscheidung etc. in Beziehung auf eine der zur Alternative gestellten Vorstellungen\u00ab gelten lassen. Damit scheinen mir die hier zu ber\u00fccksichtigenden Antworttypen ersch\u00f6pft und zugleich die f\u00fcr 2. die einwortigen Fragen ma\u00dfgebenden Gesichtspunkte entwickelt. Sie stehen den eben behandelten Antworten sehr nahe, theilweise auch dadurch, dass mit ihnen das Gespr\u00e4ch nicht er\u00f6ffnet zu werden pflegt, sondern dass sie dazu bestimmt sind, irgend einen Zweifel an dem eben Gesagten zum Ausdruck zu bringen. Beispiele\n1) Vgl. S\u00fctterlin, Die deutsche Sprache der Gegenwart, S. 308.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nOttmar Dittrich.\nsind kaum n\u00f6thig, ich erw\u00e4hne nur das was? auf eine undeutlich geh\u00f6rte Rede hin, sowie das isolirte erstaunte du?, wenn der Sprechende Jemand trifft, wo er ihn nicht erwartete, und gleichsam seinen Augen nicht traut, ferner er? nach der Behauptung er war's. Ueber-all tritt bei diesen Gebilden deutlich die syntaktische Bedeutung \u00bbGef\u00fchl des Zweifels in Beziehung auf eine Vorstellung\u00ab hervor, die entweder kategorial in Form eines allgemeinen Fragewortes oder concreter in Form irgend eines anderen Wortes [Karl?, der?, gut?, blau?, siebzehn?, etc.) ihren besonderen Ausdruck erh\u00e4lt. \u2014 B) lieber die Impersonalia wie pluit, tonat, uei, \u00dfpovrq, piove u. s. w. brauche ich gem\u00e4\u00df ihrer jetzt wohl allgemein anerkannten Bedeutung, die in einem Urtheil mit unbestimmtem Subject besteht, kein Wort mehr zu verlieren. \u2014 C) Bez\u00fcglich der Imperative komm!, kommt! finde ich mich in ziemlicher Uehereinstimmung mit Wundt (V\u00f6lkerpsych. II S. 251) *) : es handelt sich hier um den Ausdruck einer gewollten Handlung der einen oder der mehreren Personen, an welche die Aufforderung gerichtet ist; der Sprechende kann darin eingeschlossen sein [allons!). Gebilde wie hinaus!, hierher!, zur\u00fcck! betrachtet jedoch Wundt wiederum nicht als S\u00e4tze, sondern nur als Satz\u00e4quivalente, \u00bbindem sie durch Association mit den hinzuzudenkenden Imperativformen die Function von S\u00e4tzen \u00fcbernehmen k\u00f6nnen\u00ab. Ich m\u00f6chte auch hier mehr Gewicht auf die Gem\u00fcthshewegungsseite der Imperativbedeutung legen, die eine ganz besondere ist: das Wollen, um das es sich hier handelt, ist ein Wunsch, und bedarf einer genaueren Definition. Wundt hat diese selbst in einer auch f\u00fcr unseren n\u00e4chsten Zweck au\u00dferordentlich f\u00f6rderlichen Weise in seinen Vorlesungen \u00fcber die Menschen- und Thierseele 3, S. 245 gegeben: \u00bbbleibt der subjective Zustand auf eine blo\u00dfe Lust- oder Unluststimmung beschr\u00e4nkt, die sich mit verschiedenen Graden von Erregung oder Beruhigung verbinden kann, so reden wir von einem eigentlichen Gef\u00fchl ; tritt dazu noch die in bestimmten Spannungsgef\u00fchlen sich kundgebende Richtung auf einen zuk\u00fcnftigen Erfolg, so nennen wir den inneren Vorgang ein Streben oder einen Trieb; werden wir uns au\u00dferdem hei diesem Streben irgendwelcher Hemmungen bewusst, die ein unmittelbares Uehergehen desselben in ein Wollen [d. h. dessen letztes\n1) V\u00f6lkerpsych. I, S. 307, l\u00e4sst sie \"Wundt freilich noch nicht als S\u00e4tze gelten, sondern nur als \u00bbWortformen mit Affectbetonung\u00ab.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft!. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. 103\nStadium, die eigentliche, \u00e4u\u00dfere oder innere \"Willenshandlung] mit den es begleitenden Erregungs- und L\u00f6sungsgef\u00fchlen unm\u00f6glich machen, so bezeichnen wir das Streben als ein Begehren; reflectiren wir endlich vorzugsweise auf die Vorstellungsinhalte, die sich mit dem Vorgang des Begehrens verbinden, eine Keflexion, der regelm\u00e4\u00dfig eine erhebliche Abschw\u00e4chung der Gef\u00fchle entspricht, so wird das Begehren zum Wunsche.\u00ab Die Hemmung, durch welche der imperativische Wunsch charakterisirt wird, besteht objectiv darin, dass die wirkliche Ausf\u00fchrung des gew\u00fcnschten Thuns dem Angeredeten zuf\u00e4llt, und dass, selbst wenn dieser dem Befehle folgt, doch das f\u00fcr die Erf\u00fcllung des Wollens kennzeichnende L\u00f6sungsgef\u00fchl des Sprechenden erst wieder von einem Wahrnehmungsact abh\u00e4ngig ist, der sich zwischen den Wunschprocess und den Erf\u00fcllungsprocess mit seinem L\u00f6sungsgef\u00fchl einschiebt; folgt der Angeredete dem Befehle nicht, so bleibt es nat\u00fcrlich \u00fcberhaupt beim Wunschprocess. Es hie\u00dfe aber grob intellectualistisch verfahren, wollte man annehmen, der Sprechende w\u00fcrde sich bei seinem Wunsche der eben geschilderten objectiven Verh\u00e4ltnisse bewusst; der psychologische Thatbestand scheint mir vielmehr, soweit ich ihn introspectiv zu beurtheilen im Stande bin, der zu sein, dass der Sprechende die Erf\u00fcllung seines Wunsches von dem Angeredeten zwar mit einer gewissen Bestimmtheit erwartet, sich aber zugleich bewusst ist, dass sie von dessen Willen abh\u00e4ngig sei. Je klarer nun die Vorstellung von dem Angeredeten und dessen k\u00fcnftigem (d. h. dem gew\u00fcnschten) Thun wird, desto klarer wird auch die von dessen etwaigem Widerstande gegen den Befehl, und demgem\u00e4\u00df kann sich ruhiges, blo\u00df wunschm\u00e4\u00dfiges Abwarten des Erfolges einstellen, sei es, dass der Sprechende sich \u00fcber die sehr geringe Wahrscheinlichkeit eines Widerstandes, oder dass er sich \u00fcber die eventuelle Nutzlosigkeit des Ank\u00e4mpfens gegen den Widerstand klar wird. Es kann aber auch durch das Hinzutreten neuer Willensmotive der Sprechende dahin gebracht werden, dass sein Wunsch in ein Begehren \u00fcbergeht, wobei die Vorstellung des Widerstandes und \u00fcberhaupt der Vorstellungsantheil des Vorganges zufolge der Heftigkeit der sich nunmehr geltend machenden Gef\u00fchle relativ zur\u00fccktritt, bezw. sich, was seine apperceptiven Elemente betrifft, auf einen viel engeren Umfang zur\u00fcckzieht. Es wird dann der Befehl (z. B. komm !) in erregterem Tone wiederholt werden, und man wird dann dessen","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nOttmar Dittrich.\nsyntaktische Bedeutung als \u00bb die Begehrungsgef\u00fchle in Beziehung auf ein Thun des Angeredeten\u00ab definiren d\u00fcrfen. Von vornherein, d. h. ohne vorangehenden Wunsch, oder als h\u00f6chste Steigerung des Wunsches zu heftigem Begehren, derzufolge die wunschm\u00e4\u00dfig gewordene Imperativform nicht mehr entspricht, ist nun, meine ich, diese syntaktische Bedeutung hei den Lautungen wie hinaus/, hierher!, zur\u00fcck! vorhanden, wo sich der appercipirte Vorstellungsinhalt auf die Vorstellung der (gef\u00fchlsm\u00e4\u00dfig begehrten) Bewegungsrichtung zur\u00fcckzieht, d. h. einengt . . AUons! bildet einen Zwitterimperativ, indem hier Abh\u00e4ngigkeit auch vom Willen des Sprechenden besteht. \u2014 D) Die Vocative (Karl! etc.) fasse ich mit Delbr\u00fcck (Grundfragen S. 144), d. h. in seinem Sinne, als Wunschs\u00e4tze auf, deren Zweck darin besteht, \u00bbdurch Nennung des Namens im Rufe die Aufmerksamkeit der Person zu erregen\u00ab. Das gew\u00fcnschte Thun ist also hier eine innere Willenshandlung des Angeredeten, die \u00fcbrige Sachlage stimmt mit dem Imperativwunsch (z. B. komm!) \u00fcberein, nur entspricht die Lautung direct nicht der Vorstellung von dem gew\u00fcnschten Thun, sondern der von dem Angeredeten; syntaktische Bedeutung: \u00bbgew\u00fcnschte Aufmerksamkeit des Angeredeten\u00ab (vgl. S. 121): Auch hier kann die Nuance des Begehrens actuell werden. \u2014 E) Interjectionen und Ausrufe lassen sich nicht stricte scheiden; nach Wundt sind sie beide nur Satz\u00e4quivalente, Delbr\u00fcck (Grundfragen S. 145) m\u00f6chte die Interjectionen nur unter gewissen Bedingungen als sprachliche Ausdrucksmittel gelten lassen: \u00bbich sage au nicht blo\u00df, wenn der Schmerz mir gegen meinen Willen einen Laut auspresst, sondern auch wenn ich, z. B. Kindern gegen\u00fcber, einen Schmerz ausdr\u00fccken will, den ich gar nicht habe.\u00ab Mit dieser Abgrenzung des au\u00dfersprachlichen und sprachlichen Gebrauchs der Interjectionen kann ich mich nicht einverstanden erkl\u00e4ren. Soweit ich die gerade auf diesem Gebiete au\u00dferordentlich mannigfaltigen Erscheinungen bis jetzt zu \u00fcberschauen vermag, kann die Bedeutung jeder Interjection vom Sprechenden aus von dreierlei Art sein: es kann die Interjection 1. ein Gef\u00fchl ausdr\u00fccken, welches in so hochgradiger Klarheit und Deutlichkeit vorhanden ist, dass es alle \u00fcbrigen gleichzeitigen Bewusstseinsvorg\u00e4nge, allein apperceptiv herrschend, in den Zustand dunklen und undeutlichen, perceptiven Vorhandenseins zur\u00fcckdr\u00e4ngt; oder 2. das Gef\u00fchl kann apperceptiv zugleich mit einem Vorstellungs-","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft!. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. 105\nprocess so aufgefasst werden, dass beide simultan als herrschende Elemente eines Thatbestandes erscheinen, dessen \u00fcbrige Elemente sowie die gleichzeitig noch vorhandenen Thatbest\u00e4nde pereeptiv bleiben ; oder endlich 3. das Gef\u00fchl wird vor oder nach einem Vorstellungs-process aus einem eben vor sich gehenden Thatbestand, in dem sie beide mehr oder weniger dunkel perceptiv enthalten sind, apperceptiv herausgehoben und auf den ebenfalls appercipirten Vorstellungsprocess derart bezogen, dass die beiden so successive appercipirten Vorg\u00e4nge in einer Endapperception wiederum simultan erscheinen, aber \u00bbn\u00e4her und in qualitativ anderer Weise an einander gebunden als die \u00fcbrigen Glieder\u00ab des gerade gegebenen Gegenwartsbestandes (Wundt, V\u00f6lker-psych. II, S. 237). Praktisch werden die beiden letztem F\u00e4lle oft nicht zu scheiden sein; theoretisch aber wird man zugeben m\u00fcssen, dass nur der dritte Fall die Merkmale einer syntaktischen Bedeutung an sich tr\u00e4gt, insofern nur bei ihm die von Wundt a. a. 0. so klar entwickelte Forderung erf\u00fcllt ist, dass der Analyse eines complexen Thatbestandes die beziehende Synthese der analytisch herausgehobenen Bestandtheile der Satzbedeutung folgen m\u00fcsse, damit ein Satz entstehe. Gibt man dies zu und l\u00e4sst die Forderung fallen, dass der Bedeutungsgliederung auch eine Lautungsgliederung in Form der Ausl\u00f6sung mindestens zweier Wortlautungen entsprechen m\u00fcsse, damit ein Satz vorhanden sei, so wird f\u00fcr die zahlreichen F\u00e4lle, wo eine deutliche Succession des Auftretens einer Vorstellung und des Ge-.; f\u00fchls der Lust oder Unlust u. s. w. sowie die Beziehung der beiden auf einander subjectiv als der Lautung ei! oh! u. s. w. unmittelbar vorangehend nachzuweisen ist, dieser Thatbestand als die syntaktische Bedeutung des ei! oh! u. s. w. anzuerkennen sein. Auch wo umgekehrt, wie dies ebenfalls sehr oft vorkommt, zuerst das Gef\u00fchl apperceptiv wird, hierauf die Vorstellung, und dann erst die beziehende Endapperception erfolgt, habe ich kein Bedenken; und auch die F\u00e4lle, wo sich aus dem Thatbestand 2 ein Thatbestand 3 entwickelt, bevor es noch zur Lautung gekommen ist, scheinen mir nicht selten zu sein. Wie hat man sich dagegen mit den reinen Thatbest\u00e4nden 2 und 1 (der letztere liegt z. B. vor, wenn jemand einen heftigen, un-vermutheten Schlag erh\u00e4lt und ohne irgend welche klare Vorstellung dem Schmerzgef\u00fchl durch au! Ausdruck gibt) abzufinden? Ich gebe nat\u00fcrlich ohne weiteres zu, dass dem Sprechenden in diesen F\u00e4llen","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nOttmar Dittrich.\ndie Conception einer syntaktischen Bedeutung nicht zu vindiciren sei, aber ich trage anderseits Bedenken, solche Aeu\u00dferungen als au\u00dfersprachlich anzusehen, und st\u00fctze mich dabei \u00e8inmal darauf, dass wir es in au! u. s. w. doch mit einem Gebilde aus Sprachlauten, also mit einer Lautung zu thun haben, sodann aber, und dies ist hier wohl ausschlaggebend, mit einer verst\u00e4ndlichen Lautung: die Bedeutung der Lautung kann vom H\u00f6renden zweifellos relativ genau erfasst werden. Und damit scheint mir auch die Br\u00fccke geschlagen zur Auffassung solcher Gebilde als sprachlicher sowohl als sogar, was vielleicht noch \u00fcberraschen d\u00fcrfte, als syntaktischer Gebilde. Entschlagen wir uns n\u00e4mlich der Abstraction, als h\u00f6rte die sprachliche Wirkung des Sprechenden mit der Erzeugung des Lautcomplexes auf, und setzen wir an die Stelle die Thatsache, dass die Lautung als physikalischer Process den psychophysischen Process des Verst\u00e4ndnisses beim H\u00f6renden veranlasst, so d\u00fcrfen wir, meine ich, die Syntaxirung, die wir dem Sprechenden eben aberkennen mussten, dem H\u00f6renden zuerkennen: dem durchs H\u00f6ren der Lautung zun\u00e4chst angeregten gef\u00fchlsm\u00e4\u00dfigen Thatbestand, der die Form 1 oder 2 haben mag, folgt eine Form 3, indem Gef\u00fchl und Vorstellung apperceptiv auf einander bezogen werden, und dieser Thatbestand ist die syntaktische Bedeutung z. B. des als Reaction auf einen heftigen Schlag hervorgebrachten, dem Schmerzgef\u00fchl Ausdruck gebenden au! des Sprechenden. Die Vorstellung, auf welche ich hier reflectire, ist die \u00bbVorstellung von dem Sprechenden\u00ab:, welche der H\u00f6rende im Anschluss an das erinnerte Schmerzgef\u00fchl gewinnt, und die Syntaxirung \u00bbSchmerzgef\u00fchl, welches den Sprechenden betrifft\u00ab wird auch eventuell vom Sprechenden ausdr\u00fccklich anerkannt, indem er etwa auf die Frage was hast du denn? antwortet ach, einen Schlag habe ich bekommen!, und so in dem ich der Antwort das du der Frage aufnimmt, das wiederum seiner Bedeutung nach auf die \u00bbVorstellung vom Sprechenden\u00ab zur\u00fcckweist, welche beim H\u00f6renden ein Glied der Satzbedeutung des au! bildete. In andern F\u00e4llen, z. B. bei hm! ei! ah! oh! u. s. w., die mitten im Gespr\u00e4ch auftreten, ist die Beziehung auf das vorher Gesprochene ebenso klar wie bei pfui! oho! oha! aha! u. s. w., die auch so auftreten, nur ist hier die Syntaxirung wohl stets schon dem Sprechenden zu vindiciren. Es versteht sich von selbst, dass sich die hier ins Auge gefassten Bedeutungen auf die F\u00e4lle einschr\u00e4nken, wo \u00bbreine\u00ab","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Die sprachwissenschaftl. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00bb u. \u00bbSyntax\u00ab. 107\nInterjectionsbedeutung vorliegt, d. h. wo die ausgedr\u00fcckte Gem\u00fcths-bewegung ein eigentliches Gef\u00fchl (vgl. S. 102), kein Wunsch, kein Begehren ist; das Vorhandensein der letztem Regungen bedingt nat\u00fcrlich Versetzung des interjectional lautenden Satzes in die Kategorie des Wunsch-, bezw. Begehrungssatzes. . . . Ganz ebenso verh\u00e4lt es sich mit den Ausrufen, zu denen ich, weil sie schon auch einen unmittelbaren Vorstellungsausdruck enthalten, auch Bildungen wie pardauz! wuppdi! hui! paff ! rechne, sowie \u00bbsecund\u00e4re Interjectionen\u00ab, wie Gott! Teufel!, bei denen die Apperception auch der Wortbedeutung mindestens nicht durchaus ausgeschlossen ist, wenn auch in den allermeisten F\u00e4llen der Thatbestand von jemine! oje! u. s. w. bei ihnen vorliegen wird. Ausrufe, bei denen unter allen Umst\u00e4nden Syntaxi-rung auch von seiten des Sprechenden kaum von der Hand zu weisen ist, haben wir wieder in den F\u00e4llen, wo aus dem knapp vorher Gesagten eine Lautung wie ich! er! mit Affectbetonung herausgehoben wird. \u2014 F) Die Gru\u00dfformeln, z. B. Morgen! Mahlzeit! Monsieur!, auf deren verschiedenartigen historischen Ursprung hier nicht einzugehen ist, glaube ich, wie sie heutzutage gebraucht werden (es wird gew\u00f6hnlich gesagt, man denke sich gar nichts dabei), als S\u00e4tze an-sehen zu m\u00fcssen, deren Bedeutung \u00bbGef\u00fchl der H\u00f6flichkeit in Beziehung auf den Gegr\u00fc\u00dften\u00ab ist; und der Gegr\u00fc\u00dfte f\u00fchlt auch die H\u00f6flichkeit, die ihm erwiesen wird, und bezieht sie auf sich, versteht also den Gru\u00df, wie er gemeint ist. Es k\u00f6nnen aber nat\u00fcrlich auch seitens des Sprechenden die unter E erw\u00e4hnten Formen 1 und 2 vorhanden sein, worauf das dort Gesagte mit den n\u00f6thigen Aenderungen Anwendung findet.\nDie (Konsequenzen aus dem eben Mitgetheilten zu ziehen, bleibt besser dem letzten Abschnitt (S. 119ff.) \u00fcberlassen; auch was \u00fcber des Sprechenden Bedeutungssyntax des mehrwortigen Satzes hinzuzuf\u00fcgen ist, wird sp\u00e4ter mit zu behandeln sein ; hier dagegen empfiehlt es sich, die einmal angesponnenen Gedankenf\u00e4den \u00fcber den \u00bbeinwortigen Satz\u00ab m\u00f6glichst ohne Unterbrechung weiter zu spinnen in einem Abschnitt \u00fcber\nB. Bedeutungssyntax des H\u00f6renden.\nManches davon haben wir ja schon gelegentlich der Antworten (S. 98, Z. 17ft.), der Fragen (S. 101, Z. 8 ff.), der Interjectionen, Ausrufe und Gru\u00dfformeln (S. 106f.) zu ber\u00fchren gehabt, und es d\u00fcrfte","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nOttmar Dittrich.\nauch daraus schon einigerma\u00dfen klar geworden sein, dass es an der Berechtigung, die Bedeutungssyntax des H\u00f6renden einer gesonderten Betrachtung zu unterwerfen, durchaus nicht mangelt: sie stimmt mit der des Sprechenden weniger \u00fcberein, als gemeinhin angenommen wird. Fassen wir alles hier in Betracht kommende \u00e4hnlich wie oben S. 95 in eine bequeme Formel, so k\u00f6nnen wir sagen, die Bedeutungssyntax des H\u00f6renden stelle eben ein phylontogenetisches Problem dar, d. h. eines jener Probleme, welche sich an sprachliche Akte kn\u00fcpfen, bei deren Vollzug der Vollzieher als momentan von der Sprechth\u00e4tigkeit seiner Umgebung abh\u00e4ngig zu denken ist. Es fragt sich nun, worin diese Abh\u00e4ngigkeit besteht und wie weit sie geht. Dazu ist es zweckm\u00e4\u00dfig, uns wieder die concreten F\u00e4lle vor Augen zu halten: H werde von S angesprochen, oder befinde sich bereits mit S im Gespr\u00e4ch. Im Falle 1 sind, wenn die Anrede unvermuthet erfolgt, die Bedingungen passiver Apperception, wenn sie erwarteterma\u00dfen erfolgt, die Bedingungen activer Apperception gegeben (vergl. Wundt, Grundriss der Psych.4 S. 260f.), im Falle 2 wohl stets die Bedingungen activer Apperception. Die Frage nach dem Motiv oder den Motiven der Apperception, die sich hier zufolge dem Charakter der Apperception als einer innern Willenshandlung auf dr\u00e4ngt, ist dahin zu beantworten, dass die Lautungswahrnehmung und irgend ein associativ mit ihr auftretendes Gef\u00fchl, wo nicht das einzige Motiv, so doch mindestens eines der Motive des sich nun entwickelnden Apperceptionsprocesses liefere. Dieser Process kann je nach der Beschaffenheit der Lautung und der \u00fcbrigen f\u00fcr die psychophysische Gegenwart des H\u00f6renden ma\u00dfgebenden Bedingungen sehr verschieden, \u00eeelativ einfach oder auch sehr complicirt ausfallen, und darnach, je nachdem mehr oder weniger Motive, die nicht in der Lautung und den an sie gekn\u00fcpften Gef\u00fchlen liegen, entscheidende Geltung f\u00fcr den Enderfolg gewinnen, wird sich auch die Absch\u00e4tzung der momentanen Abh\u00e4ngigkeit richten m\u00fcssen, in welcher H von S zu denken ist. F\u00fcr die gegenw\u00e4rtige Untersuchung aber ist diese Art Fragestellung, die nach dem Grade der Abh\u00e4ngigkeit n\u00e4mlich, nur insofern von Werth, als sie auch die Frage nach der Minimalabh\u00e4ngigkeit einschlie\u00dft, hei welcher \u00fcberhaupt noch eine sprachliche Wirkung von S auf H anzunehmen ist. Wir werden damit wieder zu den \u00bbeinwortigen S\u00e4tzen\u00ab zur\u00fcckgef\u00fchrt, und es handelt sich nur","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. 109\nnoch darum, auch unter diesen noch die engere Wahl bez\u00fcglich der Einfachheit der Bedingungen zu treffen. Gehen wir zu diesem Zwecke die S. 97, Z. 4 ff. angef\u00fchrten und weiterhin ausf\u00fchrlicher besprochenen Typen durch, so zeigt sich sofort, dass weder die dort gegebenen Kategorien \u00bbAntwort, Frage etc.\u00ab noch auch die Kategorien \u00bbactive bezw. passive Apperception\u00ab an und f\u00fcr sich geeignet sind, um mit ihnen die fragliche Minimalwirkung von S auf H zu charakterisiren. Denn die Unterschiede zwischen Antwort, Frage etc. sowie zwischen activer bezw. passiver Apperception sind nicht quantitativer, sondern nur qualitativer Natur, wenigstens in der Richtung, auf die es uns hier ankommt: die stets \u00bbeinwortige\u00ab, nur dem Sinne \u00bbAntwort, Frage etc.\u00ab nach verschiedene Antwort etc. wird stets zum Motiv irgend einer, sei es activen oder passiven Apperception. Ein brauchbares Kriterium f\u00fcr die gesuchte Minimalabh\u00e4ngigkeit gewinnen wir dagegen, wenn wir ja, nein, Karl etc. auf die Zahl der semanto-phonetischen Kategorien hin untersuchen, die als mit ihrer jeweiligen Hervorbringung coincidirend gedacht werden d\u00fcrfen. Unter semanto-phonetischen Kategorien verstehe ich im Gegensatz zu phonetischen (wie Modulation1), Sprechtaktgruppe, Sprechtakt, Silbe, Laut) und zu semantischen Kategorien (wie Gegenstand, Eigenschaft, Zustand, Beziehung) diejenigen Kategorien, welche sich aus der Beziehung der Lautung als Ganzes oder gewisser Lautungstheile zur Gesammt-bedeutung oder partiellen Bedeutung eines sprachlichen Gebildes ableiten lassen, und es kommen von solchen f\u00fcr den vorliegenden Fall folgende in Betracht: Rede, Satz, Modulation1), Wort, Stamm (oder Grundtheil), Beziehungstheil (Suffix, Affix, Pr\u00e4fix, Infix) bezw. wie ich f\u00fcr \u00bbStamm\u00ab und \u00bbBeziehungstheil\u00ab (Wundt\u2019s \u00bbGrundelemente\u00ab und Beziehungselemente\u00ab) vorschlagen m\u00f6chte, \u00bbRadical\u00ab und \u00bbCor-radical\u00ab. Auf concrete Beispiele angewandt: 1. Frage Karls? als Erwiderung auf das ist Karls Hut: Coincidenz s\u00e4mmtlicher Kategorien : Karls? mit Rede und verm\u00f6ge der Modulation Fragesatz, Karls mit Wort, Karl mit Radical, s mit Corradical, deren beziehungsweise\n1) Unter Modulation verstehe ich diejenigen Modificationen in melodischer Anordnung, in St\u00e4rke und Tempo sowie Pausierung, in der Klangfarbe durch Linfluss einer dem Dachen und Weinen u. s. w. angen\u00e4herten Mimik, welchen die in die Lautung eingehenden Laute ausgesetzt sein k\u00f6nnen, ohne dass dadurch ihr sonstiger phonetisch-kategorialer Charakter vernichtet w\u00fcrde, trotz denen also z- B- das m, a in mama ein m, a bleibt.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nOttmar Dittrich.\nsemantische Kategorien \u00bbGegenstand (Person) in Beziehung [zu einem andern Gegenstand (Hut)]\u00ab, \u00bbGegenstand\u00ab, \u00bbBesitzbeziehung\u00ab sind; 2. Vocativ Karl!: Coincidenz yon Karl! mit Rede und verm\u00f6ge der Modulation vocativischer Wunschsatz, Karl mit Wort; ebenso etwa zur\u00fcck! als Begehrungssatz, ja als positiver Best\u00e4tigungssatz, wobei aber ja als Wort schon die semantische Kategorie \u00bbpositives Ent-scheidungs- bezw. Bestimmtheitsgef\u00fchl\u00ab h\u00e4tte, wie auch 3. in dem Satze ei! (den Thatbestand 3 von S. 105, Z. 4 ff. vorausgesetzt), dem Wort ei die semantische Kategorie \u00bbLustgef\u00fchl\u00ab zugeschrieben werden m\u00fcsste, wenn sich herausstellen sollte, dass hier \u00fcberhaupt noch Coincidenz mit der Kategorie Wort anzunehmen sei; bez\u00fcglich 4. des au! mit Thatbestand 1 oder 2 von S. 104, Z. 33ff. zieht sich die Coincidenz, wie wir gesehen haben, auf seiten des Sprechenden auf die Kategorien Rede und Modulation zur\u00fcck. Und damit ist ersichtlich das Minimum gegeben, mittelst dessen \u00fcberhaupt noch eine sprachliche Wirkung auf den H\u00f6renden ausge\u00fcbt werden kann. Die Wirkung, die oben dahin bestimmt wurde, dass die Lautungswahmehmung und irgend ein associativ mit ihr auftretendes Gef\u00fchl Motivcharakter f\u00fcr einen Apperceptionsprocess des H\u00f6renden gewinne, kann hier n\u00e4her dahin pr\u00e4cisirt werden, dass die Lautungswahmehmung und das zugleich damit reproducirte Schmerzgef\u00fchl hervorragend bestimmende Eactoren f\u00fcr den sich nun entwickelnden, in einzelnen seiner Theile das Object der Endapperception liefernden Thatbestand werden. Insbesondere das reproducirte Schmerzgef\u00fchl, welches seinem Gef\u00fchlscharakter nach in engster Beziehung zu fr\u00fcheren, auf Beseitigung eines Schmerzgef\u00fchls gerichteten Willenshandlungen des H\u00f6renden steht, ist vorz\u00fcglich geeignet, das Sichzurgeltungbringen derjenigen Gef\u00fchls- und Vorstellungsresultante anzuregen, die in jedem Momente wachen Selbstbewusstseins als das Ich des H\u00f6renden erscheint *). Nur kommt dieses Ich wie immer, so auch in unserm Falle nach Ma\u00dfgabe auch der hinzutretenden motivirenden Veranlassung zur Geltung. Ist diese Veranlassung eine sprachliche in Form einer durch S hervorgebrachten Lautung, so fallen f\u00fcr H bei der akustischen Wahrnehmung die peripheren1 2 *) Organempfindungen und -gef\u00fchle weg,\n1)\tVgl. dazu Wundt, Grundriss der Psychologie4, S. 264f.\n2)\tD. h. durch actuelle Bewegung der Sprechorgane Kehlkopf, Zunge u. s. w.\nveranlassten.","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft!. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. Hl\nwelche er beim H\u00f6ren selbst hervorgebrachter Lautung mindestens perceptiv hat, und auch das reproducirte Schmerzgef\u00fchl ist nicht peripher (auf einen actuellen Schlag hin), sondern nur central reproducirt. Es ist darum auch nicht sowohl die Richtung auf eine \u00e4u\u00dfere, triebm\u00e4\u00dfige, das Schmerzgef\u00fchl beseitigende oder doch erm\u00e4\u00dfigende Willenshandlung, sondern vielmehr auf eine Betheiligung des Ichs des H\u00f6renden durch eine innere Willenshandlung gegeben. Diese, die Endapperception, in welcher ich die syntaktische Bedeutung der Lautung au! glaube erblicken zu d\u00fcrfen, entwickelt sich derart, dass zuerst die Gef\u00fchlscomponente des urspr\u00fcnglichen Motives, also das reproducirte Schmerzgef\u00fchl, sodann die inzwischen infolge der eigenth\u00fcmlichen Beschaffenheit der Lautungswahrnehmung hinzugetretene \u00bbVorstellung vom Sprechenden\u00ab appercipirt wird, und endlich die beiden so klar und deutlich gewordenen Glieder des Thatbestandes in der Endapperception aufeinander bezogen werden, wozu ich aber sofort bemerken muss, dass auch schon der zweite Apperceptionsact der, die erw\u00e4hnte Beziehung einschlie\u00dfende Endapperceptionsakt sein kann ... Von diesem relativ einfachsten Falle aus lassen sich die F\u00e4lle mit mehrfacher Kategoriencoincidenz leicht \u00fcberblicken, sobald wir dabei noch Folgendes ber\u00fccksichtigen: Die Vorstellung von dem Sprechenden bildet, mag auch die sonstige Bewusstseinslage des H\u00f6renden noch so abweichend sein, stets einen Theil seines Bewusstseins in dem Momente, wo er . das Verst\u00e4ndniss der fremden Rede vollzieht; nur ist es durchaus nicht n\u00f6thig, dass diese Vorstellung immer auch klar und deutlich (apperceptiv) sei oder gar einen inte-grirenden apperceptiven Theil des Thatbestandes bilde, welcher als Bedeutung der Rede auf gefasst wird (wie es im Falle au! zutraf); es gen\u00fcgt, dass sie perceptiv vorhanden sei, um die eigenth\u00fcmliche Bewusstseinslage zu schaffen, dass der H\u00f6rende hei der Auffassung (dem Verstehen) etwa des Thatbestandes \u00bbLustgef\u00fchl in Beziehung auf eine bunte Kugel\u00ab als Bedeutung der von einem Kinde (Sprechenden) hervorgebrachten Lautung ei! zugleich den Eindruck gewinnt, dies sei der vom Sprechenden gemeinte Thatbestand. Von dieser bei jedem Verst\u00e4ndnissakt gleichbleibenden associativen Grundlage hebt sich dann der eben erw\u00e4hnte oder ein beliebiger anderer Thatbestand derart ah, dass je nach der Beschaffenheit der Rede (also nach deren Motivcharakter) die Vorstellung des Sprechenden, wie gesagt,","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nOttmar Dittrich.\nentweder zum apperceptiven Glied des Thaibestandes und damit der Redebedeutung wird, oder mehr oder weniger dunkel perceptiv bleibt, wodurch der Tbatbestand in verschiedenen Graden apperceptiv, wenn auch niemals associativ, unabh\u00e4ngig von jener Vorstellung wird1). Auf diese Weise wird ei! z. B. (wenn wir die perceptiv bleibende \u00bbVorstellung von S\u00ab in eckige Klammern einschlie\u00dfen) f\u00fcr den H\u00f6renden bedeuten k\u00f6nnen 1. \u00bbLustgef\u00fchl des S\u00ab, sobald die Vorstellung davon, worauf sich das Lustgef\u00fchl des S bezieht, entweder fehlt oder perceptiv bleibt, 2. \u00bbLustgef\u00fchl [des S] \u00fcber die bunte Kugel\u00ab, sobald die Vorstellung von der bunten Kugel apperceptiv wird und die von S perceptiv bleibt. Ich trage Bedenken, in solchen S\u00e4tzen schon eine Coincidenz der Kategorie Wort mit den sicher vorhandenen Kategorien Rede und Modulation anzunehmen; es scheint mir, dass man nicht das Recht habe, von dem 3. hier m\u00f6glichen Fall aus, dass n\u00e4mlich der Thatbestand \u00bbLustgef\u00fchl [des S] \u00fcber die bunte Kugel\u00ab durch ei lulu! oder der Thatbestand \u00bbLustgef\u00fchl des S\u00ab durch ei mimi! ausgedr\u00fcckt werden kann (wo freilich lulu \u00bbKugel\u00ab, mimi \u00bbS\u00ab bedeutet, und ei reiner Gef\u00fchlsausdruck geworden ist), dem ei! bereits eine Wortbedeutung zuzuschreiben, die in die semantische Kategorie \u00bbLustgef\u00fchl\u00ab einzureihen w\u00e4re, ehe noch die Entwicklung solcher zweigliedriger, \u00fcberhaupt mehrgliedriger Satzlautungen stattgefunden hat. Denn die Voraussetzungen f\u00fcr den Bewusstseinszustand des Sprechenden und H\u00f6renden auf der Stufe individueller Sprachentwicklung, auf welcher bereits mehrgliedrige S\u00e4tze der angegebenen Art gesprochen und verstanden worden sind, stimmen zufolge der dabei stattgehahten Aussonderung von Wortvorstellungen [ei, lulu, mimi mit den ihnen entsprechenden Bedeutungen \u00bbLustgef\u00fchl\u00ab, \u00bbKugel\u00ab, \u00bbS\u00ab, d. h. f\u00fcr S die Ich Vorstellung, f\u00fcr H die \u00bbVorstellung von S\u00ab) nicht mehr mit dem auf der Stufe des ausschlie\u00dflich \u00bbeinwortigen\u00ab Satzes Vorauszusetzenden \u00fcberein: hier wird man nicht umhin k\u00f6nnen, dem ei! die Kategorie Wort abzuerkennen. Einen einwortigen Satz ei! w\u00fcrde ich erst auf jener h\u00f6heren Entwicklungsstufe gelten lassen. Die gleiche Betrachtungsweise, die ja auch ein Festhalten an dem\n1) Dass die oben geschilderte Bewusstseinslage thats\u00e4chlich vorhanden ist, zeigt sich am besten bei \u00bbMeinungsverschiedenheiten\u00ab: man glaubt dann immer direct die Vorstellungen, Urtheile u. s. w. des \u00bbAndern\u00ab abzuweisen, der also sichtlich hier ein Factor der momentanen Bewusstseinslage des jeweilig H\u00f6renden ist.","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft!. Definition d. Begriffe \u00bbSatz* u. \u00bbSyntax\u00ab. H3\nurspr\u00fcnglichen Satz-, nicht Wortcharakter der sprachlichen Aeu\u00dferungen bedeutet, w\u00fcrde ich auch auf die Typen ja, zur\u00fcck!, Karl! an wenden: auch hier kann meines Erachtens Coincidenz der Wortkategorie erst von der Zeit an behauptet werden, wo bereits Gelegenheit geboten war, ja etc. aus gr\u00f6\u00dferen Complexen wie ja, Mama als Lautungs-theil mit Wortbedeutung apperceptiv herauszuheben. Unterst\u00fctzt wird diese Heraushebung jedenfalls dadurch, dass auch im mehrwortigen Satz dieses Typus das ja das dominirende Glied des Thatbestandes repr\u00e4sentirt, dem gegen\u00fcber Mama mit seiner Bedeutung, wenn auch das zweite apperceptive Glied bildend, doch relativ etwas zur\u00fccktritt, da ja mit seinem starken Gef\u00fchlswerth (der nun zu seiner Wortbedeutung wird) die intensivste Aufmerksamkeit beansprucht (vgl. \u00fcber die dominirenden Glieder Wundt, Y\u00f6lkerpsych. II, S. 259ff.,- bes. S. 262 a. E.); ebenso mutatis mutandis zur\u00fcck!, Karl! Bez\u00fcglich Karls? liegen die S. 109, Z. 29 ff. behaupteten Coincidenzen unter Ber\u00fccksichtigung des eben Gesagten auf der Hand, solche S\u00e4tze geh\u00f6ren ja schon einer hohen Entwicklungsstufe des Denkens sowohl als der Sprache an, deren mannigfache Voraussetzungen in Gestalt bedeutend complicir-terer Satzgebilde wir an dieser Stelle nicht zu untersuchen haben.\nIn dieser gedr\u00e4ngten Uebersicht dessen, was mir als das Wesentliche an dem Verhalten des H\u00f6renden gegen\u00fcber der geh\u00f6rten \u00bbeinwertigen\u00ab Bede erscheint, sind, soweit ich sehen kann, auch die leitenden Gesichtspunkte f\u00fcr die Beurtheilung des Verhaltens eingeschlossen, welches der H\u00f6rende gegen\u00fcber den erst im mehrwortigen Satz auftretenden semantophonetischen Mitteln der Wortstellung (in Perioden auch der Satzstellung) und der Pausen zeigt; nur auf einen Punkt w\u00e4re hier noch aufmerksam zu machen: darauf n\u00e4mlich, dass bei \u00bbeinwortigen\u00ab S\u00e4tzen mindestens des Typus au!, ei!, \u00fcberhaupt im Falle passiver Apperception, die Syntaxirung von Seiten des H\u00f6renden ebenso in der Begel theilweise zeitlich nach der Lautungswahrnehmung anzusetzen sein wird, wie es im Gegentheil bei mehrwortigen S\u00e4tzen nicht allzu complicirter Structur die Begel sein wird, dass die Syntaxirung w\u00e4hrend der LautungsWahrnehmung erfolgt und zugleich mit ihrem Ende abgeschlossen ist. Doch kann eine Ver-werthung dieser Beobachtung f\u00fcr unsere Zwecke erst im Bahmen der weiteren Abschnitte dieser Untersuchung stattfinden, und zwar ist zun\u00e4chst noch Einiges zu sagen \u00fcber\nWundt, Philos. Studien. XIX.\n8","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nOttmar Dittrich.\nII. Die Lautungssyntax.\nSoll an dem bis hierher im Anschluss an Wundt zu Grunde gelegten Syntaxhegriff (apperceptive Analyse eines Thathestandes und Synthese der so successive gewonnenen Glieder in einer Endapper-ception) festgehalten werden, \u2014 und ich halte dies f\u00fcr unumg\u00e4nglich \u2014, so kann die Antwort auf die Frage, ob auch die Lautung ebenso wie die Bedeutung eines Satzes Gegenstand eines solchen apperceptiven Processes sein m\u00fcsse, nur verneinend ausfallen, und zwar nicht nur was die \u00bbeinwortigen S\u00e4tze\u00ab betrifft. Die apperceptive Th\u00e4tigkeit des H\u00f6renden n\u00e4mlich \u2014 um diese vorauszunehmen \u2014 ist hei der Lautungswahrnehmung, sofern die Lautung, wie sie der Sprechende hervorbringt, in au!, ei!, komm!, zur\u00fcck!, Karl? u. s. w. besteht, keine andere, als sie Wundt (V\u00f6lkerpsych. I, S. 535) bez\u00fcglich der Apperception eines einzelnen Wortes constatirt: Wir haben hier einen, f\u00fcr die unmittelbare Beobachtung auch unter experimentellen, das Abschweifen der Aufmerksamkeit ausschlie\u00dfenden Bedingungen untheilbar bleibenden Apperceptionsact, der, ohne den Charakter einer Endapperception an sich zu tragen, die Lautung, aber auch einen Theil der Satzbedeutung zum Gegenst\u00e4nde hat, und zwar normaler Weise so, dass die Bedeutungscomponente den gegen\u00fcber der Lautungscomponente herrschenden, d. h. am klarsten und deutlichsten bewussten Inhalt des Apperceptionsgegenstandes bildet. Damit ist aber zugleich die Lautungswahrnehmung abgeschlossen und etwas Syntaktisches an ihr nicht zu entdecken. Anders ist es mit der associativen, als apperceptionsvorbereitender Factor zugleich vorhandenen Wirkung der Lautungscomponente. Diese Wirkung ist nicht zugleich mit der Lautungswahrnehmung abgeschlossen: sie reicht weiter, d. h. es wird dadurch, dass diese Wahrnehmung Motivcharakter besitzt, die Aufmerksamkeit des H\u00f6renden auf einen weiteren Theil des durch die Lautungswirkung mitbestimmten Thatbestandes gelenkt, worauf dieser Theil appercipirt und mit dem zuerst apper-cipirten Bedeutungstheil syntaxirt wird. Am deutlichsten, wegen der Intensit\u00e4t des dabei auftretenden Gef\u00fchles, ist dieser Sachverhalt wiederum bei au! zu constatiren: hier f\u00e4llt die apperceptive centrale Beproduction des Schmerzgef\u00fchls mit der Lautungsapperception in einen Act zusammen, wirkt aber zugleich als motivirende Triebfeder","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. H5\nf\u00fcr die gleich darauf erfolgende Apperception der \u00bbVorstellung von dem Sprechenden\u00ab, die nun zugleich Endapperception mit dem Bedeutungsinhalt \u00bbSchmerzgef\u00fchl des Sprechenden\u00ab sein oder eine solche Endapperception erst zur Folge haben kann . . . Schwieriger ist die Beurtheilung von F\u00e4llen, wo eine Lautung wie drhata\u00dfpuy (orthogr. er hat das Buch) dem H\u00f6renden dargeboten wird, oder eine wie gipmirda\u00df | buyer! (orthogr. gib mir das Buch her!), oder endlich eine wie di faindliym \\ raitdr | k\u00e4mm \\ ge\u00dftorn j wi\u00e4dr | (Orthogr. die feindlichen Beiter kamen gestern wieder)4). Viele d\u00fcrften geneigt sein, diese drei typischen F\u00e4lle mit R\u00fccksicht auf die orthographische Transcription psychologisch als \u00bbmehrwortige S\u00e4tze\u00ab einander gleichzustellen. Ber\u00fccksichtigt man aber die oben durch | angedeutete Ein-theilung der Lautung in Sprechtacte, so wird man sagen m\u00fcssen, es deckten sich allerdings die Grenzen von Worten und Sprechtacten oft thats\u00e4chlich, aber es komme ebenso oft, ja \u00f6fter vor, dass einzelne S\u00e4tze durchaus nicht einfachen syntaktischen Baues nur einen Sprech-tact haben, dass innerhalb der Satzlautung mehrere \u00bbWorte\u00ab in einen Tact zusammengefasst werden, ja dass sogar in Lautungen wie wosintigo | famamm? (orthogr. wo sind die Gefangenen?) einzelne \u00bbWorte\u00ab auf verschiedene Tacte vertheilt werden, ohne dass die Sprache dadurch an Deutlichkeit das Geringste einh\u00fc\u00dft. \u00bbAuch das begrifflich selbst\u00e4ndige di steht phonetisch nicht anders da als die Mittelsilbe li des gedachten Wortes [feindlichen]; in gipmirda\u00df | buyer wird der begrifflich zum folgenden buy geh\u00f6rige Artikel da\u00df rhythmisch von diesem getrennt und zum Vorhergehenden gezogen, etc.\u00ab (Sievers S. 216). Wir brauchen also gar nicht die, wenigstens f\u00fcr mich, noch nicht au\u00dfer allem Zweifel stehenden Verh\u00e4ltnisse der \u00bbagglutiniren-den\u00ab und der Indianersprachen (vergl. Wundt, V\u00f6lkerpsych. I, S. 560) heranzuziehen, um einzusehen, dass die Satzlautung wohl nur in den seltensten F\u00e4llen eine Succession von lauter phonetisch deutlich gegeneinander abgegrenzten Wortlautungen ist. Damit wird aber auch die Existenz der apperceptiven directen Heraushebung von Wortlautungen aus der Satzlautung, insofern diese Heraushebung dem H\u00f6renden zufiele, f\u00fcr sehr viele F\u00e4lle illusorisch, und wir stehen wiederum vor der Frage, wie denn die Lautungswahrnehmung in solchen F\u00e4llen\n1) Ygl. auch f\u00fcr einen Theil der unmittelbar folgenden Ausf\u00fchrungen Sievers, Grrundz\u00fcge der Phonetik 4, S. 215 ff.\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nOttmar Dittrich.\nbeschaffen sei und welche weitere Wirkung ihr zugeschrieben werden m\u00fcsse. Der letztere Theil der Frage ist einfacher zu beantworten als der erstere: die Lautungswahmehmung ist als eine wesentlich associativ, also f\u00fcr die Bedeutungsapperceptionen nur vorbereitend wirkende Componente des Yerst\u00e4ndnissprocesses anzusehen: sie ist es, welche bestimmend auf das Zustandekommen des Thatbestandes wirkt, aus welchem, zugleich infolge der Motivwirkung der mit Unverbundenen Gef\u00fchlscomponente, apperceptiv die syntaktische Bedeutung herausgehoben wird, zu der sie dann als Lautung corre-spondirt. Es k\u00f6nnen nun nat\u00fcrlich auch im Anschluss an die Apperception der Bedeutungsglieder Wortlautungsapperceptionen stattfinden, wodurch au\u00dfer der Correspondenz zwischen der Satzbedeutung und der Satzlautung als Ganzes auch Theilentsprechungen semantophone-tischer Natur, d. h. solche zwischen Wortbedeutungen und Wortlautungen im Bewusstsein des H\u00f6renden klar und deutlich werden; aber solche Apperceptionen sind nicht direct durch die Lautungswahrnehmung, sondern erst indirect durch die gelegentlich der Be-deutungstheilapperceptionen nebenbei eintretenden Associationen der Bedeutungstheile mit fr\u00fcheren analogen Bedeutungstheilen und deren, dort aber deutlicher abgegrenzt gewesenen phonetischen Entsprechungen hervorgerufen: so k\u00f6nnen dann von dem urspr\u00fcnglichen Fall aus, dass Wortscheidungen durch das Uebereinstimmen semantischer und phonetischer Gruppen innerhalb gewisser S\u00e4tze (z. B. Bedeutung \u00bbBeiter\u00ab mit Sprechtact raifor), ganz abgesehen von anderen Motiven (vgl. Wundt, V\u00f6lkerpsych. I, S. 563 ff.), beg\u00fcnstigt werden, nun auch zuerst nur rein oder ganz vorwiegend phonetisch in Sprechtacten oder auch nur in einem Sprechtact dem H\u00f6renden dargebotene Lautungen indirect vom H\u00f6renden im Anschluss an die Bedeutungsauffassung in Worte, also in Vertreter einer semantophonetischen Kategorie gegliedert werden, wodurch in das drhata\u00dfp\u00fc%\\ er hat da\u00df bu% \u00bbhineingeh\u00f6rt\u00ab wird; aber es bedarf dazu der Mitwirkung anderer Motive, unter denen der Wunsch, sich die nicht aufs erstemal ganz deutlich gewordene Lautung oder einzelne Theile der Bedeutung klarer und deutlicher zu machen, das h\u00e4ufigste und wichtigste sein d\u00fcrfte; die Begel ist aber ein solcher nachtr\u00e4glicher Verdeutlichungsprocess mit Wortapperceptionen durchaus nicht, und ich kann mir auf Grund des eben Gesagten sehr wohl vorstellen, dass es Sprachen gebe, denen","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft!. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. H7\ndie scharfe Scheidung der semantophonetischen Gebilde \u00bbSatz\u00ab und \u00bbWort\u00ab mangelt. Wollen wir also auf dem Boden des in einem solchen Falle psychologisch constatirbaren Minimums der Verst\u00e4ndniss-bedingungen bleiben, so k\u00f6nnen wir nur sagen, es m\u00fcsse durch die fortschreitende Wahrnehmung des Sprechtactes whatafip\u00f9x ein associative!' Thathestand verursacht werden, in dem au\u00dfer der hier per-ceptiv bleibenden \u00bbVorstellung von dem Sprechenden\u00ab folgende, diese jedoch vom H\u00f6renden apperceptiv-syntaktisch zur Satzbedeutung erhobene Componenten semantischer Natur vorhanden sein m\u00fcssen: die Vorstellung einer m\u00e4nnlichen Person, die des \u00bbHabens\u00ab und die eines bestimmten Buches, die alle in dem von einem Gef\u00fchl der Bestimmtheit begleiteten, bin\u00e4r gegliederten Urtheil von der Form\nS P (wo S: Subject, P: Pr\u00e4dicat, V: Verbum, 0: Object, V 0 A\t1R\nA: Attribut, R: Regens) aufeinander bezogen werden m\u00fcssen. Was dabei das zeitliche und sonstige Verh\u00e4ltnis der Lautungswahrnehmung zu dem Satzauffassungsprocess betrifft, in. den sie eingeht, wird Folgendes als regelm\u00e4\u00dfig anzunehmen sein:/Die Lautungswahrnehmung verl\u00e4uft so simultan mit den Bedeutungsapperceptionen, dass sie im oder knapp vor dem Moment der Endapperception endet, wenn nicht etwa (wie es heim H\u00f6ren sehr gel\u00e4ufiger S\u00e4tze der Fall sein kann) die Endapperception der Satzhedeutung zeitlich noch vor das Ende der Lautungswahrnehmung f\u00e4llt; vorherrschende, d. h. von allen augenblicklichen Bewusstseinscomponenten am klarsten und deutlichsten vorhandene Componenten sind immer die Satzhedeutungsglieder, wenn auch in und zwischen die Acte, in denen diese appercipirt werden, als relativ herrschende Componenten die eventuellen phonetischen und semantophonetischen Glieder der Lautungswahmehmung apperceptiv hineinfallen; auch in der Endapperception ist die vorherrschende Componente die Satzbedeutung, neben der die Satzlautungswahrnehmung nur als relativ herrschend zur Geltung kommt; ihrem allgemeinen Charakter nach gibt sich diese Lautungswafir-nehmung als eine (falls eintactig) arhythmische oder (falls mehrtactig) rhythmische l\u00e4ngere zeitliche Wahrnehmung und enth\u00e4lt so als Elemente immer auch Erwartungsgef\u00fchle, die erst mit der Endapper-","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nOttmar Dittrich.\nception definitiv in das mit dieser verbundene L\u00f6sungsgef\u00fchl \u00fcbergehen',* ein wichtiger Umstand, auf den noch (S. 123) zur\u00fcckzukommen sein wird. \u2014 Die Lautungssyntax des Sprechenden unterliegt zum Theil der gleichen Beurtheilung wie die des H\u00f6renden: auch hier kommt man schon bez\u00fcglich derjenigen F\u00e4lle, wo ein \u00bbAnklingen\u00ab der Lautung als Theil der \u00bbinneren Sprache\u00ab vor der Erzeugung des akustisch auch dem H\u00f6renden wahrnehmbaren Lautgebildes anzusetzen ist, zu negativen Resultaten in dem n\u00e4mlichen Umfange, wie wir sie eben f\u00fcr die Lautungssyntax des H\u00f6renden erhalten haben: auch hier ist es nicht eine conditio sine qua non, dass semantophonetische Glieder der \u00bbinneren\u00ab Lautung deutlich geschieden \u00bbanklingen\u00ab, was aus den S. 115 gegebenen Beispielen unmittelbar einleuchten d\u00fcrfte. Vollends aber und durchg\u00e4ngig ist nat\u00fcrlich die Existenz einer Lautungssyntax des Sprechenden in Abrede zu stellen f\u00fcr alle die am Anf\u00e4nge der Sprachgeschichte stehenden, als Ueberreste aber (besonders irreducible, \u00bbprim\u00e4re\u00ab Interjectionen*) oder als secund\u00e4re Entwicklungen immer wieder auftretenden F\u00e4lle, wo zwischen der Bedeutungsconception und der \u00bb\u00e4u\u00dferen\u00ab Lautungsproduction, d. h. der Erzeugung des akustisch auch dem H\u00f6renden wahrnehmbaren Lautgebildes keine \u00bbinnere\u00ab Lautung, kein \u00bbAnklingen\u00ab der k\u00fcnftigen \u00e4u\u00dferen Lautung vorhanden ist, was ebensowohl bei au! mit That-bestand 1 (S. 104 Z. 33 ff.) als bei der Gru\u00dfformel Morgen ! als auch bei anderen sehr gel\u00e4ufig gewordenen \u00bbmechanisirten\u00ab, besser gesagt \u00bbautomatisirten\u00ab Aeu\u00dferungen der Fall sein kann. Der naheliegende Einwand, dass dann sprachliche \u00bbMotoriker\u00ab \u00fcberhaupt keine Lautungssyntax haben k\u00f6nnten, was doch nicht zuzugeben sei, erledigt sich dahin, dass die f\u00fcr die Existenz einer Lautungssyntax des Sprechenden vorausgesetzte innere Lautung in einer Vorstellungs complication besteht, deren Constitution nur f\u00fcr den Motoriker etwas anderes ist als f\u00fcr den Akustiker : w\u00e4hrend f\u00fcr diesen das auszusprechende Lautgebilde thats\u00e4chlich so \u00bbanklingt\u00ab, dass dessen akustische Elemente zugleich die herrschenden sind und die motorischen (Be-wegungs-)Empfindungen dunkel perceptiv bleiben, werden f\u00fcr den Motoriker im Gegentheil die motorischen Elemente herrschend und die akustischen verbleiben im Dunkel der Perception: es ist aber\n1) Ygl. Wundt, V\u00f6lkerpsychologie I, S. 302 ff.","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft!. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. H9\nklar, dass es dann ebenso wohl semantophonetische motorische Glieder der Satzlautung geben kann wie semantophonetische akustische Glieder; nur sind auch sie nicht in jeder Satzlautung nothwendiger Weise vorhanden. Dass die erst im Laufe besonderer Culturentwick-lung hinzutretenden optischen und graphischen (Schriftbild- und Schreibebewegungs-jOomponenten ebenso zu beurtheilen sind, bedarf keines weiteren Wortes.\nIII. Die Syntax \u00fcberhaupt.\nGem\u00e4\u00df der bis hierher festgehaltenen und auch fernerhin festzuhaltenden Auffassung, dass die Syntax des Sprechenden sowohl als des H\u00f6renden, die der Bedeutung sowohl als die der Lautung ein actueller Process sei, kann die Syntax \u00fcberhaupt oder, was dasselbe ist, die Syntax als grammatische Disciplin, nur als die Lehre vom Satzbau definirt werden (wobei wiederum Werth darauf gelegt wird, dass Bau als nomen actionis gefasst werde) oder um einen entsprechenden Terminus zu Laufbildung und Wortbildung zu haben, als die Lehre von der Satzbildung.\nWas daraus f\u00fcr die Abgrenzung der Syntax gegen die \u00fcbrigen Theile der Grammatik folgt, kann erst entwickelt werden, nachdem die bei dieser Syntaxdefinition vorausgesetzte Satzdefinition aufgestellt ist. Auch diese muss sich direct auf das in den Abschnitten I und H Mitgetheilte, insbesondere aber auf folgende, daraus zu gewinnende Leits\u00e4tze gr\u00fcnden:\n1. Es ist nicht m\u00f6glich, eine Satzdefinition ausschlie\u00dflich auf Grund dessen aufzustellen, was die Analyse der sprachlichen Leistungen des Sprechenden ergibt: man w\u00fcrde dadurch veranlasst, die Interjectionen mit Thatbestand 1 (S. 104 Z. 33 ff.) aus der Sprache hinauszuverweisen, was mir angesichts der S. 106 Z. 2 ff. f\u00fcr ihren Werth als sprachliche Erscheinungen geltend gemachten Gr\u00fcnde nicht ang\u00e4ngig scheint. Dass sie Ueberlebnisse eines vorsprachlichen Zustandes darstellen, der so in die Sprache hineinreicht (vgl. Wundt, Y\u00f6lkerpsych. I, S. 302 f.), entbindet uns, glaube ich, nicht der Noth-wendigkeit, sprachliche Kategorien auf sie anzuwenden, sobald wir sie einmal als sprachlich gewordene, d. h. mit verst\u00e4ndlicher Bedeutung versehene Lautungen anerkennen. Welche Kategorien sollen","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nOttmar Dittrich.\ndies aber sein? Phonetische gen\u00fcgen nicht, semantische auch nicht, denn beide sind an und f\u00fcr sich au\u00dfersprachlich und werden zu sprachlichen nur durch Abstraction von den semantophonetischen Kategorien. Aber welche von diesen letzteren? Es stehen zur Verf\u00fcgung: Rede, Satz, Modulation, Wort, Radical, Corradical (vgl. S. 109, Z. 25 ff.). Davon fallen Radical und Corradical von vornherein au\u00dfer Betracht; die Anwendung der Kategorie \u00bbWort\u00ab f\u00fchrt uns zum Widerspruch mit der Thatsache, dass der Satz das Prim\u00e4re in der Sprache sei, also mit einer Thatsache, die auch sprachpsychologisch (vgl. Wundt, V\u00f6lkerpsych. I, S. 560 f.) so gut gest\u00fctzt ist, dass sie wohl als unumst\u00f6\u00dflich gelten darf. Bleiben somit nur noch Satz, Modulation und Rede. Dass die Kategorie \u00bbSatz\u00ab hier anwendbar sei, ist strittig, werde also ans Ende dieser Argumentation geschoben. Wir m\u00fcssten demnach mit den Kategorien \u00bbRede\u00ab und \u00bbModulation\u00ab auskommen, denn ohne eine Coincidenz je eines Vertreters dieser beiden Kategorien ist \u00fcberhaupt keine concrete sprachliche Erscheinung mehr denkbar. Was stellen wir uns nun aber unter einer Rede vor, die nicht zugleich geeignet w\u00e4re, bei einem H\u00f6renden die Bildung eines Complexes von S\u00e4tzen oder eines einzelnen Satzes anzuregen? Ich gestehe offen, dass ich mir darunter nichts Rechtes vorstellen kann : ich halte die M\u00f6glichkeit, von einem H\u00f6renden verstanden zu werden, f\u00fcr ein integrirendes Merkmal des Begriffes \u00bbRede\u00ab, und kann mir ein Verstehen wiederum nicht anders denken, als indem dabei mindestens zwei Inhalte auf einander bezogen werden. Wenn nun diese zwei Inhalte nicht die Lautungswahmehmung einerseits und ein Gef\u00fchl anderseits sein k\u00f6nnen \u2014 denn damit k\u00e4men wir wieder auf das Wort als das Prius vor dem Satz \u2014, so bleibt nichts als der S. 106 geschilderte, wenigstens f\u00fcr mich introspectiv au\u00dfer Zweifel stehende Sachverhalt, wonach der Sprechende an sich keinen Satz liefert, der H\u00f6rende aber mittels der vom Sprechenden gelieferten Lautung einen Satz bildet. Freilich sind es nicht zwei Vorstellungen, die in solchem Falle aus dem durch die Lautung associate veranlassten Thatbestand successive apperceptiv herausgehoben und in einer Endapperception auf einander bezogen werden, sondern ein Gef\u00fchl und eine Vorstellung, und die Beziehung selbst ist keine pr\u00e4dicative, sondern eine attributive, die nothd\u00fcrftig in der sonst f\u00fcr den Ausdruck attributiver Beziehungen in der Sprache \u00fcblichen","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft!. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. 121\nForm \u00bbSchmerzgef\u00fchl des Sprechenden\u00ab umschrieben werden kann, ohne dass jedoch das au! f\u00fcr den H\u00f6renden erst dadurch zum Satze w\u00fcrde, dass er in \u00bbinnerer Sprache\u00ab die Lautung Schmerzgef\u00fchl des Sprechenden vollz\u00f6ge und zugleich deren Bedeutung syntaxirte; es sind vielmehr durchgehends Bedeutungscomponenten (\u00bbSchmerzgef\u00fchl\u00ab und \u00bbVorstellung von dem Sprechenden\u00ab), die im unmittelbaren Anschluss an die Lautungswahrnehmung au! syntaxirt werden, ohne dass sich eine innere Lautung der obigen Form oder gar der pr\u00e4dicativen Form der Sprechende hat Schmerz dazwischen sch\u00f6be. In der Abweisung des Verfahrens, Gebilde wie au! ei! als dadurch zu S\u00e4tzen werdend darzustellen, dass man dem H\u00f6renden imputirt, er vollz\u00f6ge eine innere Lautung, die auch sonst als (\u00bbmehrwortiger\u00ab) Satz anerkannt wird, stimme ich demnach v\u00f6llig mit Wundt (V\u00f6lker-psych. H, S. 229) \u00fcberein; nur glaube ich die Inhalte, die apperceptiv herausgehohen und in der Endapperception auf einander bezogen werden k\u00f6nnen, nicht auf Vorstellungen einschr\u00e4nken, sondern auch den Gef\u00fchlen eine gelegentliche solche Rolle zugestehen zu sollen, woraus ich die Freiheit entnehme, au! u. s. w. in der obigen Weise als S\u00e4tze vom H\u00f6renden aus zu deuten. Ich m\u00f6chte darum auch in einer Satzdefinition den Ausdruck logische Beziehungen, den man sich allzu sehr gew\u00f6hnt hat auf Vorstellungs-, bezw. Begriffsbeziehungen anzuwenden, zu gunsten des allgemeineren apperceptive Beziehungen oder, wenn man will, beziehende Gliederung tilgen, ebenso wie ich bereits in dieser Abhandlung Wundt\u2019s Gesammtvorstellung durch Thatbestand meinte ersetzen zu m\u00fcssen, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass dieser die Grundlage der Satzbedeutung bildende psychische Process auch Gef\u00fchle als vorherrschende Bestandtheile enthalten kann, wie dies ja auch von Wundt durch die Statuirung von \u00bbGef\u00fchlss\u00e4tzen\u00ab (V\u00f6lkerpsych. II, S. 250 f.) anerkannt wird.\n2. Nach dem S. 115 ff. Ausgef\u00fchrten wird eine allgemeine Satzdefinition, d. h. eine, die auf jede sprachliche Entwicklungsstufe passen soll, \u00fcber die Lautung nichts allzu Specielles enthalten d\u00fcrfen; insbesondere wird die Definition des Satzes als einer geschlossenen Wort-gruppe (S\u00fctterlin, Die deutsche Sprache der Gegenwart S. 306) abzuweisen sein, weil damit eine durchaus nicht immer vorhandene Gliederung der Satzlautung in semantophonetische Wortlautungen vorausgesetzt wird, ganz abgesehen von den Unzuk\u00f6mmlichkeiten, die","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nOttmar Dittrich.\nsich daraus f\u00fcr die Unterbringung der \u00bbeinwortigen\u00ab S\u00e4tze im System der Syntax ergeben, und gegen die auch dadurch keine Remedur geschaffen wird, wenn man decretirt \u00bbje nach der Zahl der ge\u00e4u\u00dferten Vorstellungen unterscheidet man eingliedrige, zweigliedrige und mehrgliedrige S\u00e4tze\u00ab, den eingliedrigen S\u00e4tzen dann auch (weil sie \u00bbeine einheitliche Vorstellungsmasse wiedergehen\u00ab sollen) S\u00e4tze wie nicht ankleben!, Ihr Schirm!, eine Tasse Kaffee! beiz\u00e4hlt und, um au!, ei! Vater!, ja!, nein! etc. unterbringen zu k\u00f6nnen, die eingliedrigen S\u00e4tze nun auf einmal als \u00bbdurch ein Wort oder eine einheitliche Wortgruppe\u00ab gebildet sein l\u00e4sst (S\u00fctterlin S. 317; vgl. auch dort S. 12, wo der Satz als eine ganz eigenartige Gattung der Wortverbindung definirt wird). \u2014 Nur das Merkmal des \u00bbmodulatorisch Abgeschlossenen\u00ab wird, glaube ich, nicht fehlen d\u00fcrfen, denn daran h\u00e4ngt die M\u00f6glichkeit, die Satzlautung von der Wortlautung zu scheiden, wo es auf eine solche Scheidung ankommt. Es ist in dieser Beziehung ganz das ma\u00dfgebend, was Sievers (Phonetik4, S. 216) dazu beihringt: \u00bbWort- und Tacttrennung d\u00fcrfen zwar zusammenfallen, aber in wohlgegliederter Rede, und namentlich im Verse, darf dies nicht allzuh\u00e4ufig geschehen. Denn die H\u00e4ufung von begrifflicher und rhythmischer Trennung (Wort- und Tacttrennung [semantophonetischer und phonetischer Trennung nach meiner Terminologie]) an derselben Stelle des Satzes pr\u00e4gt die Trennungseinschnitte zu scharf aus und l\u00e4sst somit die einzelnen Theile des Satzes zu sehr auseinanderfallen. Bei Kreuzung von Wort- und Tacttrennung wird dagegen der begriffliche Bruch zwischen Wort und Wort durch die rhythmische Bindung und der rhythmische Bruch innerhalb des Wortes durch die begriffliche Zusammengeh\u00f6rigkeit der getrennten St\u00fccke gemildert und dadurch ein vollkommenerer Wohllaut erzielt\u00ab ; und weiter S. 212: \u00bbDurch blo\u00dfe Aneinanderreihung von W\u00f6rtern in der Form, wie jedes isolirt ausgesprochen werden w\u00fcrde, entsteht noch kein verst\u00e4ndlicher, eindeutiger [cum grano salis!] Satz mit bestimmtem Inhalt. Diesen empf\u00e4ngt die Wortreihe erst dadurch, dass die \u00bbW\u00f6rter\u00ab in einer f\u00fcr jeden einzelnen Satz ganz bestimmten Weise zusammengef\u00fcgt, d. h. durch ganz bestimmte Abstufung nach Expiration, St\u00e4rke, Tonh\u00f6he, Stimmqualit\u00e4t, Dauer u. s. w. zu einer phonetischen Einheit zusammengeschlossen werden. \u00ab Es ist also die Modulation, durch welche, abgesehen von ihrer semantophonetischen Function als Aussage-,","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft!. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. 123\nFrage-, Befehls- etc. -Ton, der Eindruck der Abgeschlossenheit hervorgebracht wird, welchen jede Satzlautung auf den H\u00f6renden macht, und das eben Gesagte kann ohne weiteres auf wortlose S\u00e4tze, seien sie eintactig oder mehrtactig, \u00fcbertragen werden. An der Allgemeing\u00fcltigkeit dieser Behauptung darf nicht irre machen, dass die Tactgliederung in Sprachen mit wesentlich musikalischem Accent zur\u00fccktritt; dass deswegen die rhythmischen Eigenschaften der Bede fehlten, ist f\u00fcr keine Sprache zuzugeben, und die Elemente der Modulation, durch welche die Geschlossenheit des phonetischen Eindrucks erzielt wird, sind somit auch dort, nur in verschiedener apper-ceptiver Geltung, vorhanden. \"Was es unter diesen Umst\u00e4nden mit den aposiopetischen und elliptischen, \u00bbunvollst\u00e4ndigen\u00ab S\u00e4tzen auf sich hat, kann erst unter 3 behandelt werden; hier sei nur kurz noch auf S. 117, Z. 30 ff. zur\u00fcckverwiesen, wo der Grund f\u00fcr den Abgeschlossenheitseindruck angegeben ist.\n3. Nach alledem werden die ausschlaggebenden specielleren Bestimmungsst\u00fccke des Begriffes \u00bbSatz\u00ab von der Bedeutungsseite zu holen sein, und es kommt nur noch darauf an, auch hier die einzuhaltende Grenze zu ziehen, damit die Definition weder zu eng noch zu weit ausfalle. Das Hauptmerkmal, dass eine apperceptive (beziehende) Gliederung eines Bedeutungsthatbestandes vorhanden sein m\u00fcsse, damit eine Satzbedeutung da sei, ist meines Erachtens unbestreitbar und wird auch wohl unbestritten bleiben ; nur scheint es mir f\u00fcr sich allein die Satzbedeutung nicht charakterisiren zu k\u00f6nnen. Zwar die nicht blo\u00df terminologische Schwierigkeit, dass unter Beibehaltung des Terminus Gesammtvorstellung anstatt Thatbestand eine Abgrenzung der Satzbedeutung gegen eine etwa in sie eingehende, bei ihrer Bildung mitgebildete Oompositumsbedeutung schwer vorzunehmen w\u00e4re *), l\u00e4sst sich leicht beseitigen, indem man den Terminus Thatbestand f\u00fcr den Satz annimmt und in der Definition des Com-positums (vgl. Anm. 1) Thatbestandstheil an Stelle von Gesammt-\n1) Vgl. dazu meine Ausf\u00fchrungen \u00fcber die Composita in Zeitschr. f. roman. Philol. XXII, S. 313: \u00bbDie Composition ist weder eine analytische, noch eine synthetische, sondern eine analytisch-synthetische Function. Ein Compositum entsteht dadurch, dass aus einer gegebenen Gesammtvorstellung mehrere (in der Regel zwei) Elemente appercipirt und die sich auf diese Weise successive ergebenden Wortvorstellungen agglutinirt werden, so dass das Resultat eine der gegebenen Gesammtvorstellung entsprechende Gesammt-Wortvorstellung ist.\u00ab","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nOttmar Dittrich.\nVorstellung setzt ; aber die Grenze nach oben, d. h. nach der aus mehreren S\u00e4tzen bestehenden Rede zu, ist dann wieder nicht festzuhalten, denn ein und derselbe Thatbestand kann successive zur Ausl\u00f6sung mehrerer S\u00e4tze f\u00fchren. Ich sehe hier doch keinen andern Ausweg als durch Einf\u00fchrung des Merkmals der relativen Abgeschlossenheit auch der apperceptiven (beziehenden) Gliederung des Bedeutungsthatbestandes, eine Abgeschlossenheit, die nicht unbedingt stricte simultan mit der Lautungsabgeschlossenheit einzutreten braucht. Ferner und endlich halte ich es in anbetracht der Constatirung, dass gewisse Lautungen erst vom H\u00f6renden zu Satzlautungen gestaltet werden, f\u00fcr unumg\u00e4nglich, auch den phylontogenetischen Charakter solcher S\u00e4tze derart in der Satzdefinition zum Ausdruck zu bringen, dass die Abh\u00e4ngigkeit und doch wieder relative Freiheit des H\u00f6renden gegen\u00fcber dem Sprechenden bei der Satzbildung betont wird, und zwar scheint mir eine in dieser Beziehung alles Wichtige treffende Fassung die zu sein, dass man sagt, der H\u00f6rende werde vom Sprechenden zu dem Versuche veranlasst, eine Thathestandsgliederung vorzunehmen, die vom Sprechenden als richtig anerkannt zu werden vermag; es sind dann auch die F\u00e4lle des Missverst\u00e4ndnisses und des aposiopetischen und elliptischen, unvollst\u00e4ndigen Satzes vorgesehen. Ob es nothwendig ist, die apperceptive Gliederung als eine speciell willk\u00fcrliche (im Sinne der Wundt-schen \u00bbWillk\u00fcrhandlung\u00ab) zu charakterisiren, dar\u00fcber m\u00f6chte ich mich jetzt noch nicht definitiv aussprechen, bin aber geneigt, in R\u00fccksicht auf die triebartige Apperception von Satzbedeutungen wie die zu au! geh\u00f6rige dieses speciellere Merkmal zu Gunsten des in \u00bbapperceptiv\u00ab implicirten \u00bbwillentlich\u00ab preiszugeben.\nAuf Grund alles dessen glaube ich die folgende Satzdefinition zur sprachwissenschaftlichen, speciell sprachpsychologischen Discussion stellen zu solleirfein Satz ist eine modulatorisch abgeschlossene Lautung, wodurch der H\u00f6rende veranlasst wird, eine vom Sprechenden als richtig anerkennbare relativ abgeschlossene apperceptive (beziehende) Gliederung eines Bedeutungsthatbestandes zu versuche^'und halte es hier nur noch f\u00fcr angemessen, zum Schl\u00fcsse wenigstens die principiell wichtigsten Andeutungen dar\u00fcber zu geben, wie ich mir die Abgrenzung der Syntax bei Annahme dieser Satzdefinition denke. Es handelt sich hier, wie immer bei solchen Abgrenzungen, kurz gesagt um die","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Die Sprachwissenschaft!. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. 125\nBeantwortung der Frage, was denn noth wendigerweise zumZustande-kommen des fraglichen, also hier des syntaktischen Gebildes beitrage; denn ein Schritt hinter dies Nothwendige zur\u00fcck, und wir gerathen in weitere Zusammenh\u00e4nge, deren specielle Betrachtung ein anderes System fordert, und die darum als andere Theile zun\u00e4chst der Grammatik, sodann der Sprachwissenschaft \u00fcberhaupt behandelt werden m\u00fcssen. In dem Zusammenh\u00e4nge, mit dem wir es hier zu thun haben, kann es nun gar keinen Zweifel erleiden, dass es zur Bildung eines Satzes, so weit er als typische Erscheinung ins Auge gefasst wird, also Gegenstand systematischer Behandlung in einer Syntax ist, durchaus keiner Neubildung von Worten bedarf, sondern dass jede der f\u00fcr eine Sprache typischen Satzformen auch ohne erst bei der Satzbildung neuzubildende Worte zu st\u00e4nde kommen kann: die Wortbildung f\u00e4llt also jedenfalls nicht ins Gebiet der Syntax. Auch die Lautbildung nicht, da es nicht einmal n\u00f6thig ist, dass bei Neubildung von Worten Laute neugebildet w\u00fcrden. Lautlehre (als die Lehre von der Bildung und Umgestaltung der in einer Sprache \u00fcblichen Laute) und Wortbildungslehre werden also nach wie vor besondere, nichtsyntaktische Theile der Grammatik zu bilden haben. Anders steht es (ubi casus) mit dem, was man Wortform und Formwort nennt, und infolge dessen auch mit dem, was bisher entweder als Formenlehre auch die Wortbildungslehre in sich fasste, oder neuerdings (von J. Ries, S\u00fctterlin) als Theil einer der Lautlehre und \u00bbWortgruppenlehre\u00ab (Syntax) gegen\u00fcberstehenden \u00bbWortlehre\u00ab dargestellt worden ist. Ich vermag aber die von J. Ries (Was ist Syntax? S. 93 ff.) zur Verteidigung einer solchen Grammatikeintheilung vorgebrachten Gr\u00fcnde keineswegs anzuerkennen, weil es unrichtig ist, dass die von Ries als asyntaktisch bezeichneten Flexionsformen1) nicht\n1) Ries, S. 96: \u00bbEs ist nicht richtig, dass die Flexionsformen nur zum Ausdruck der Beziehungen der Worte untereinander dienen. Dies gilt wohl von einem Theil der Flexionsformen, aber nicht von allen; und wo es gilt, da gilt es oft nicht von allen ihren Bedeutungen und Gebrauchsweisen, sondern nur von einem Theile derselben. Die Bedeutung der Flexionsformen ist im Gegentheil mehrfacher Art. Sie dienen sowohl zum Ausdruck von Beziehungen der Worte unter einander (z. B. die meisten Casusformen in den h\u00e4ufigsten Arten ihres Gebrauchs), als zur Angabe einer weiteren Bestimmung, die zur eigentlichen Wortbedeutung hinzutritt (z. B. Genus und Numerus der Nomina, die Mehrzahl der Tempusbedeutungen), als auch zur Bezeichnung einer Modification der Wortbedeutung (z. B.","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nOttmar Dittrich.\nauch syntaktische Folgen nach sich z\u00f6gen: der Comparativ und Superlativ fordern Casusformen, Vergleichungspartikeln, pr\u00e4positionale Wendungen (was Ries S. 101 selbst bemerkt), Genus- und Numerusformen haben Congruenzen zur Folge, wie auch die Tempusformen eine consecutio temporum bedingen k\u00f6nnen, wenn schon \u00fcberhaupt solches Nachsichziehen von Ver\u00e4nderungen der \u00fcbrigen Satztheile eine conditio sine qua non f\u00fcr den syntaktischen Charakter einer Wortform sein soll, was ich ebenfalls nicht anzuerkennen vermag: mir scheint sie syntaktisch zu sein, sobald sie nur \u00fcberhaupt da ist, denn sie geht dann mit ihrer Bedeutung als Theil in die Satzbedeutung ein; eine ganz andere Frage ist es nat\u00fcrlich, ob sie in andern Hinsichten (z. B. was die Lautform oder Bedeutungsform ihrer Umgebung betrifft) noch weitere Wirkungen aus\u00fcbt. Auch in der Ausschlie\u00dfung des Locativs, sei es auch nur f\u00fcr F\u00e4lle wie Eomae natus est, wo \u00bbman nicht wird bestreiten k\u00f6nnen, dass [darin] die Casusform Eomae nicht syntaktischer ist als in Africa, ibi oder hodie\u00ab (Ries S. 98), wird man Ries wohl nicht beistimmen k\u00f6nnen, denn es hie\u00dfe dies nichts weniger als alle \u00bbUmst\u00e4nde des Orts und der Zeit\u00ab aus der Syntax streichen; ich halte es f\u00fcr viel richtiger, den Begriff des Adverbials zu erweitern und ihm die Corradicalver\u00e4nderungen, welche das Verbum zum Tempusausdruck besitzt, zu subsumiren, wof\u00fcr man sogar historische Gr\u00fcnde in der bekannten Entstehung der griechischen Augmenttempora (das Augment war idg. *e, ein Temporaladverb) finden kann. Irgendwelche\ndie Steigerungsformen). Die irrige Ansicht, die ohne weiteres allen Flexionsformen und allen ihren Bedeutungen ein syntaktisches Interesse zuschreibt, eine Ansicht, die heute noch die unbedingt herrschende ist, hat zu einer Verschleierung und Verwischung der wesentlichen Verschiedenartigkeit der Flexionsbedeutungen gef\u00fchrt, die meist imbeachtet bleibt und oft v\u00f6llig verkannt wird. Da man gewohnt ist, alle Flexionen und alle ihre Bedeutungen in den einen syntaktischen Topf zu werfen \u2014 man kann in der That die landl\u00e4ufige Syntax als ein grammatisches Potpourri bezeichnen \u2014 hat man die Unterscheidung der syntaktischen Bedeutung der Flexionsformen von ihrer realen, materiellen, lexicalischen, oder wie man sie nennen will, fast ganz vernachl\u00e4ssigt.\u00ab Ich kann, wie oben weiter ausgef\u00fchrt ist, diese Unterscheidung nicht f\u00fcr so \u00bbwichtig und fruchtbar\u00ab halten wie Ries a. a. 0., und finde auch, dass es nicht \u00bbdie privatesten Angelegenheiten der Einzelworte er\u00f6rtern\u00ab hei\u00dft, wenn in einer Syntax dargelegt wird, \u00bbwelche Worte keinen Plural bilden, zu welchen Pluralformen kein Singular vorkommt, wie sich mit gewissen Singularformen plurale, mit einzelnen Pluralformen singulare Bedeutung verbindet u. s. w.\u00ab (Ries, S. 99), falls sich diese Er\u00f6rterung nur auf die typischen F\u00e4lle solcher Art beschr\u00e4nkt.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Die sprachwissenschaftl. Definition d. Begriffe \u00bbSatz\u00ab u. \u00bbSyntax\u00ab. 127\nBeziehung zu der Bedeutung anderer Satzglieder schlie\u00dft also die Wortform ganz ebenso wie das inflexible Wort, sowie es \u00fcberhaupt Glied eines Satzes wird (und mag es das einzige \u00bbWort\u00ab des Satzes sein), immer in sich, und zwar, wenn die Flexionsform nicht \u00bberstarrt\u00ab ist (adverbiales abends etc.) auch noch mit der M\u00f6glichkeit, in dem Corradical (zu dem ich im weitesten Sinne auch Umlaut und Ablaut rechne) den Beziehungsausdruck zu erkennen. Ich glaube also, man braucht gar nicht den historischen Grund geltend zu machen, dass sich die Flexion syntaktisch entwickelt hat, um die Einbeziehung der Flexionslehre in die Syntax plausibel zu finden. Es wird aber dann nat\u00fcrlich auch ein Abschnitt \u00fcber die sogenannten Formw\u00f6rter (Pr\u00e4positionen, Oonjunctionen) .nicht fehlen d\u00fcrfen, die besser als Beziehungsw\u00f6rter zu bezeichnen w\u00e4ren.","page":127}],"identifier":"lit4569","issued":"1902","language":"de","pages":"93-127","startpages":"93","title":"Die sprachwissenschaftliche Definition der Begriffe \u201cSatz\u201c und \u201cSyntax\u201c","type":"Journal Article","volume":"19"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:23:33.925329+00:00"}