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{"created":"2022-01-31T14:24:36.452193+00:00","id":"lit4571","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Fl\u00fcgel, Ewald","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 19: 164-191","fulltext":[{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"Roger Bacon's Stellung in der Geschichte der Philologie.\nVon\nEwald Fl\u00fcgel.\nLeland Stanford Univ. Oalif.\nAd inqnisitionem taotarum rernm una aetas non sufficit.\tComp. gtu4ii 440\nDie Geschichten der Philologie haben nicht viel aus dem Mittel-alter zu berichten. Wir haben die flei\u00dfige, aber l\u00fcckenhafte Materialsammlung \u00fcber die lateinischen Grammatiker von Thurot, die gelehrte Studie von Gustav Fl\u00fcgel \u00fcber die grammatischen Schulen der Araber, den Entwurf einer wirklichen Geschichte der linguistischen Studien im Mittelalter von Benfey, den \u00fcber das Mittelalter v\u00f6llig ungen\u00fcgenden Bericht von L. v. Urlichs; wir finden hie und da Bemerkungen \u00fcber Dante\u2019s Schrift \u00bbDe vulgari Eloquio\u00ab, eine Schrift, deren specieller Theil eine ausf\u00fchrliche W\u00fcrdigung erfahren hat; aber die Namen von Johann v. Salisbury, Wilhelm v. Conches, Bernardus Sylvester und Roger Bacon werden in den Geschichten der Philologie nicht erw\u00e4hnt.\nIm Gegensatz zu diesem Schweigen finden wir Bacon\u2019s Bemerkungen de utilitatibus grammaticae in Bridges\u2019 neuester Ausgabe des Opus Majus mit dem Titel \u00bbComparative Philology\u00ab geschm\u00fcckt1), und M. Daunou2) erkl\u00e4rt begeistert, dass Roger Bacon den Versuch machte [de] comparer les vocabulaires, rapprocher les syntaxes, rechercher les rapports du langage avec la pens\u00e9e, mesurer l\u2019influence que le caract\u00e8re, les\n1)\tThe Opus Majus of R. B., ed. J. H. Bridges, Oxford 1897, 1, LXXXIX.\n2)\tHist. Litt\u00e9raire de la France 20, 233; bereits abgewiesen von Emile Charles, \u00bbR. B., sa vie, ses ouvrages, ses doctrines\u00ab, Paris 1861, p. 119: \u00bbCes intentions conviennent mieux \u00e0 un \u00e9l\u00e8ve de Condillac qu\u2019au disciple d\u2019Averro\u00e8s.\u00ab","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Roger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\n165\nmouvements, les formes si vari\u00e9es du discours exercent sur les habitudes et les opinions des peuples.\nUm zu einer erneuten Pr\u00fcfung der Anspr\u00fcche zu schreiten, welche Bacon hat in der Geschichte der mittelalterlichen Philologie erw\u00e4hnt zu werden, w\u00e4re es n\u00f6thig, zun\u00e4chst die Vorgeschichte philologischer Studien w\u00e4hrend des fr\u00fcheren Mittelalters zu geben, welche nicht m\u00f6glich ist ohne wenigstens kurze Charakterisirung der philologischen Studien der fr\u00fchesten christlichen Jahrhunderte.\nAugustin und Hieronymus stehen an der Spitze der fr\u00fchesten christlichen Philologen, nicht als unabh\u00e4ngige Denker und Forscher, sondern als Repr\u00e4sentanten der linguistischen Lehren des Alterthums, als Vertreter der griechisch-r\u00f6mischen Traditionen auf der einen Seite und Meister biblischer Studien auf der anderen. Allgemeine Fragen, wie nach dem Urspr\u00fcnge der Sprache treten bei ihnen in den Hintergrund; Augustin erkl\u00e4rt diese Frage f\u00fcr unn\u00f6thig und eitel (nimis curiosa et non nimis necessaria)1 ), als eine Frage au\u00dferdem, welche f\u00fcr ihn gen\u00fcgend durch die Bibel beantwortet ist. Mit scharfem Spott citirt er die verschiedenen Meinungen der Interpreten \u00fcber den Ursprung der Worte, die so weit von einander ab wichen wie die Meinungen der Traumdeuter2). Er kennt die Ansicht der Stoiker und Cicero\u2019s Kritik derselben, und bemerkt, dass die Ansicht derjenigen, welche verbum a verum boando ableiteten, vielleicht weiter von der Wahrheit entfernt sei, als alle Anderen. Selbst wenn die Sprache eine g\u00f6ttliche Offenbarung ist, menschlich nur insoweit das physiologische Material geht, so ist f\u00fcr Augustin die Verschiedenheit der Sprache ein g\u00f6ttlicher Fluch3), und die Schwierigkeiten, welche die Bibelerkl\u00e4rung darbietet, eine g\u00f6ttliche Strafe f\u00fcr menschlichen Hoch-muth4). Der g\u00f6ttliche Wille bleibt verborgen, den der Mensch im g\u00fcnstigsten Falle nur ahnen kann.\nJedenfalls zu vermeiden ist der servitus miserabilis animae signa pro rebus accipere5); gl\u00fccklich die Zeit, wenn linguae cessabunt\u00df). Freilich nicht immer scheint Augustin die Sprachen als Zeichen des g\u00f6ttlichen Zornes aufzufassen und eine mildere Auffassung scheint\n1)\tPrincipia Dialecticae c. 6, Opera ed. Migne 1, 1409 ff.\n2)\tIbidem.\t3) Ibid. 4, 636.\n4)\tIbid., vgl. auch De Doctr. Christ. 2, 6.\n5)\tDe Doctr. Christ. 3, 5.\t6) Ibid. 1, 39.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nEwald Fl\u00fcgel.\nversteckt zu liegen *) unter den wirklich poetischen und sch\u00f6nen Aeu\u00dferungen \u00fcber den Urzustand der einen Sprache2 3), Uber die Stimme Gottes, \u00bbder im Garten ging, da der Tag k\u00fchle worden war\u00ab2) und \u00fcber die Kunst der 72 Apostel, die \u00bbin [72] Zungen\u00ab das eine Wort Gottes offenbaren4).\nHieronymus ist weniger Philosoph und Mystiker, als Sprachenkenner und Textkritiker. Sein Interesse an den Sprachen dreht sich um das Centrum der Bibelinterpretation; sein praktischer Zweck ist, die idiomata der verschiedenen Sprachen zu erkennen und diese Kenntniss zu verwerthen.\nDie Kirchenv\u00e4ter der Folgezeit f\u00fcgen wenig Neues zu dem von Augustin und Hieronymus Ausgesprochenen auf einem anderen Gebiete als dem der Interpretation; und die fr\u00fcheren kirchlichen Encyklop\u00e4diker Cassiodor, Isidor, Beda, Bhahanus Maurus etc. gehen nur insofern \u00fcber Augustin und Hieronymus hinaus, als sie mehr oder weniger flei\u00dfig die r\u00f6mischen Nachfolger und Ueber-setzer der griechischen Grammatiker ausbeuten, von denen die nachfolgenden Geschlechter bis auf die neueste Zeit nicht nur die Terminologie, sondern auch die Art und Weise der Betrachtung der sprachlichen Kategorien entnehmen: ich meine vor allen anderen Donat, Victorin und Priscian.\nDie sp\u00e4teren Encyklop\u00e4diker hatten den directen Vortheil der Bearbeitung der aristotelischen Logik und Dialektik durch Boethius (vorbereitet bereits durch Augustin), welche anhaltenden Einfluss auf die sp\u00e4teren Perioden des Mittelalters aus\u00fchte.\nDie philologischen Studien der dritten Periode, welche ihren geistigen H\u00f6hepunkt in der sogenannten mittelalterlichen Renaissance erreicht, sind im allgemeinen charakterisirt durch sklavische Abh\u00e4ngigkeit von den Alten, Mangel an jeder selbst\u00e4ndigen Kritik, Zufriedenheit mit den \u00fcberlieferten Lehren, mit der \u2014 allerdings reichen \u2014 Erbschaft des sp\u00e4teren Alterthums. Ein ganz besonderes Kennzeichen dieser Zeit ist das absolute Ueberwiegen der lateinischen Sprache und lateinischen Grammatik, und die Seltenheit von au\u00dferlateinischen Sprachkenntnissen, vor allem des Griechischen.\n1) De Doctr. Christ. 2, 5.\t2) Opera 3, 401.\n3)\tDe Grenesi ad Litteram 8, 18; vgl. auch Isidor. Et. 9, 1, 11 etc.\n4)\tOpera 5, 1230. 34. 45 etc.","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Roger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\n167\nDas technische Ideal ist die correcte Handhabung des Lateinischen, und das correcte Yerst\u00e4ndniss der lateinischen Werke, vor allem der Yulgata. Das Mittel zu diesem Zweck war ein mechanisches Studium besonders des Priscian, ein mechanisches Oopiren seiner Definitionen und die weitschweifige Interpretation derselben.\nDie haupts\u00e4chlichsten Repr\u00e4sentanten dieser \u00bbStudien\u00ab sind: Remi d\u2019Auxerre, Petrus Helias, Alexander de Villa Nova, Everard de Bethune, Robert Kilwardby1) und der Ausschreiber Vincent de Beauvais und die Lexicographen Papias, Hugutio, Brito und sp\u00e4ter Johannes de Janua2).\nEin Fortschritt der philologischen Studien konnte nicht von diesen Ausschreibern kommen, er musste von selbst\u00e4ndigen Denkern ausgehen, welche nicht mit der \u00dcberlieferung zufrieden waren, welche ihre Inspiration und ihre Ideale nicht ausschlie\u00dflich bei Donat und Priscian fanden, sondern entweder zum klassischen Alterthum selbst zur\u00fcckgriffen, oder wenigstens bei den fr\u00fchesten Kirchenv\u00e4tern Methode lernten, oder schlie\u00dflich selbst\u00e4ndig zu denken wagten.\nDie drei gr\u00f6\u00dften Namen dieser fortschrittlichen Bewegung sind diejenigen von Johann v. Salisbury, Roger Bacon und Dante.\nJohann v. Salisbury hatte seinen philologischen Eifer von seinen gro\u00dfen Lehrern: Wilhelm v. Conches und Bernardus Sylvester3). Als Gelehrter ist er ein humanistischer Sch\u00fcler der Alten, aber sein kritischer Geist ist durch seine Bewunderung des klassischen Alter-thumes nicht unterdr\u00fcckt und keinesfalls durch kirchlichen Autorit\u00e4tsglauben eingeengt: Mit Spott gedenkt er der Zeit, in der er als Knabe gelehrt wurde, als Spiritus ubique quaerebatur, littera nihil erat4); und mit offenbarer Liebe bezeichnet er die Lehrmethode des Bernardus (und seine Bemerkungen sind offenbar auch hier kritisch gegen die quidproquos der \u00bbvielf\u00e4ltigen\u00ab Schriftdeutung gerichtet): Vocabulorum simpliciter aperiantur significationes, littera suaviter excutienda, non more captivorum acerbe\n1)\tVgl. Thurot, Notices et Extraits etc., XXII. Paris 1868.\n2)\tVon Thurot nicht behandelt.\n3)\tVon diesen hatte er seine hohe Meinung vom Sprachstudium, Metal. Ic. 24; bereits bei Reuter, Geschichte der rel. Aufkl\u00e4rung 2, 7; und die Stelle aus Will, de Conches bei Thurot 17.\n4)\tMetal. Ic. 3.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nEwald Fl\u00fcgeL\ntorquenda, donee restituit quod non accepit1). \u2014Er hat uns, hierin ein directer Vorl\u00e4ufer Bacon\u2019s, ein begeistertes Loh der Grammatik2) hinterlassen, als clavis omnium scripturarum et totius sermonis et mater et arbitra3), gute Bemerkungen \u00fcber die Stimme4), \u00fcber Textkritik, Sprachgebrauch (usus)5); sein elegantes Latein ist reich an solchen gl\u00fccklichen Wendungen, wie genius verbi6), verborum folia7) in ventum prolata8) etc.\nAber wichtiger als dies ist Johann\u2019s leider zu kurzer Bericht von einem zeitgen\u00f6ssischen Sprachforscher, dem Priscian\u2019s Phonologie nicht gen\u00fcgte, der auf einer frischen Beobachtung der \u00bbora\u00ab bestand und beobachtete, wie mirabili lege naturae die Stimmen modulirt seien; einPorscher, welcher sorgf\u00e4ltig(subtili examinatione) die Eigenschaft (potestas) von Vocalen und Consonanten beobachtet hatte, und infolge dessen die 5 soni elementarii der Alten verwarf, und statt dessen sieben postulirte, und welcher sogar die Lautverschiedenheiten der verschiedenen Sprachen untereinander verglich9).\nGiles\u2019 ungen\u00fcgende Ausgabe gibt den Namen dieses Mannes als Theuredus, es ist wohl Theodorieus, den Johann auch sonst noch als einen der gr\u00f6\u00dften Grammatiker seiner Zeit preist10). Keine Schrift desselben ist auf uns gekommen, aber die wenigen Bemerkungen Johann\u2019s gen\u00fcgen uns, um in ihm einen Phonetiker zu erkennen von seltener Selbst\u00e4ndigkeit f\u00fcr das Mittelalter.\nKaum von gleicher Originalit\u00e4t als dieser \u00bbTheuredus\u00ab, aber von gleichem kritischen Geiste erf\u00fcllt und seine unmittelbaren Vorg\u00e4nger und Zeitgenossen \u00fcberragend, ist Hoger Bacon, dessen Bedeutung f\u00fcr die Geschichte der mittelalterlichen Philologie in seiner Kritik der philologischen Zust\u00e4nde liegt und in dem Anf\u00e4nge, den er machte, solidere Sprachkenntnisse besonders auf dem Gebiete des Griechischen zu verbreiten.\n1) Metal, me. 1.\t2) Ibid. He. 21.\t3) Ibid. He. 29.\n4) Entheticus 497.\t5) Metal. Ic. 4. 16; IIIc. 3. 4.\n6) Enthet. 2115.\t7) Metal. Ic. 3.\n8)\tUeber die geh\u00e4uften Negationen ibid. Ic. 3; Habent itaque linguae idio-\nmata sua, et singuli suum loquendi modum, ib. c. 4. Der Spott \u00fcber die Sprache\nals nicht zu pflegende Naturgabe, ib. c. 8 etc.\n9)\tMetal. L. 1 c. 14. (Nach Bacon \u00fcbrigens, Comp. Studii497: non sunt in aliqua lingua nisi quinque possibiles.)\n10)\tIbid. L. lc. 5.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"169\nRoger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\nDie Schwierigkeit, ein abschlie\u00dfendes Urtheil \u00fcber Bacon\u2019s Stellung io der Geschichte der Philologie zu geben, liegt theilweise in der Unzul\u00e4nglichkeit der gedruckten Texte seiner Werke, dann aber auch in dem Charakter dieser Werke selbst. Was auf uns gekommen und bisher durch den Druck zug\u00e4nglich gemacht ist, sind der Hauptmasse nach die an den Papst gerichteten popul\u00e4ren Expositionen seiner Forschungen und Gedanken, deren volle Entfaltung das Scriptum Principale bringen sollte, von welchem wir nur wenige Fragmente besitzen1).\nDie Capitel \u00fcber Spracherlemung des Opus Maius, Minus und Tertium (1267) werden zwar erweitert im Compendium Studii (1271)2) und finden ihre wesentliche Erg\u00e4nzung in Bacon\u2019s ungedruckter griechischer Grammatik, aber \u00fcber die Art und Weise, in welcher Bacon seine Gedanken ausgef\u00fchrt haben w\u00fcrde, besonders \u00fcber die der Zukunft \u00fcberlassene strengere wissenschaftliche Formu-lirung seiner popul\u00e4ren, f\u00fcr das p\u00e4pstliche Ohr berechneten S\u00e4tze, k\u00f6nnen wir uns kein Urtheil erlauben. Wir sollten wohl einen guten Theil der uns st\u00f6renden Bez\u00fcge auf den praktischen Nutzen der Sprachstudien f\u00fcr theologische Zwecke in Abzug bringen, um Bacon\u2019s innere Stellung zu den Fragen des Sprachlebens reiner zu erkennen. Aber auch nach diesen Abz\u00fcgen sind seine \u00c4u\u00dferungen \u00fcber Gram-matica als modus accidentalis philosophiae, als scientia vilis, als eine Wissenschaft, welche ministr[a]t pueris pueriliter3) viel zu\n1)\tVgl. Bridges Op. Maj. 1, XLIII. LVI. \u2014 Ich glaube, man sollte strenger scheiden zwischen den popul\u00e4ren f\u00fcr den Papst bestimmten R\u00e9sum\u00e9s und den Bruchst\u00fccken des Scriptum Principale, zu denen man auch das Oomp. Studii rechnen d\u00fcrfte. Die ersteren haben kritische Bemerkungen genug, aber in m\u00fcderer Form, und solche Aeu\u00dferungen wie die gro\u00dfartige \u00fcber die autoritas als die echte und haupts\u00e4chlichste der pestiferae causae erroris humani (C. St. 414), \u00fcber die Geistlichkeit (399), \u00fcber die Christen, die sich vor den Heiden im Lebenswandel und im Wissen verstecken m\u00fcssten (401), \u00fcber die Nachl\u00e4ssigkeit der Kirche vom Papst bis zum niederen Pr\u00e4laten (474), finden sich nur in den Fragmenten der zweiten Gruppe. Hieronymus von Ascoli wusste genau, was er that nls er B. verfolgte, und B. hatte selbst in den \u00bbmilderen\u00ab Werken sich genug Feinde im eignen Orden gemacht (vgl. den puerulus Op. Min. 327).\n2)\tOder 1272; vgl. Bridges, 1. c. XXV. \u2014 Abgesehen von Wortverschrei-\nbungen und Verlesungen machen die bisherigen Ausgaben auf kritischen Werth keinen Anspruch; nicht einmal die verschiedenen Mss. sind genau collationirt, man vgl. z. B. Comp. Studii ed. Brewer 471 ff. mit den bei Charles 406 ff. gegebenen Ausz\u00fcgen.\t3) Op. Maj. 99, 100. Tert. 102 ff","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nEwald Fl\u00fcgel.\nausgesprochen, um die Annahme zu rechtfertigen, Bacon habe etwa an Philologie als selbst\u00e4ndige Wissenschaft im modernen Sinne gedacht. Theilt doch auch die Logik das Geschick der Grammatik *), und ist doch seihst die Philosophie eine Dienerin der Theologie, wenigstens nach den an den Papst gerichteten Worten1 2). Bacon\u2019s m\u00f6gliche h\u00f6here Auffassung sprachlicher Studien ist f\u00fcr uns nicht zu erweisen, sie wird jedenfalls durch die best\u00e4ndige Betonung des praktischen3) Nutzens in eine niedere Sph\u00e4re gedr\u00fcckt.\nVon Bacon\u2019s drei fr\u00fcheren Werken (aus dem Jahre 1267) gibt das Opus Majus die vollste Auskunft \u00fcber seine sprachlichen Interessen, das uns erhaltene Fragment des Opus Minus f\u00fcgt keinen neuen Gedanken hinzu, und das von Brewer als Opus Tertium ver\u00f6ffentlichte Werk geht nur in einzelnen Punkten \u00fcber das Opus Majus hinaus.\nIm Folgenden wird der Inhalt dieser drei Werke im Zusammenhang, das Compendium Studii besonders behandelt werden.\nI.\nIm dritten Theil des Opus Majus4) entwickelt Bacon wie unter den 55) Wissenschaften (scientiae), ohne welche man weder\n1)\t(Anm. 62.) Ibidem: Naturaliter scimus componere orationes . . . scientia de argumentis est nota homini per naturam . . . idiotae syllogizant; vgl. ferner: Liber Communium naturalium bei Obarles 369. Ueber Bacon\u2019s Ausdruck sermocinalis scientia vgl. Albertus Magnus De Anima bei Prantl, Gesell, d. Log. 3, 91 und die Grammatiker bei Thurot 124. Bacon\u2019s Geringsch\u00e4tzung der Logik geht wohl auf arabischen Einfluss zur\u00fcck, vgl. Prantl, a. a 0. 122.\n2)\tUtilitas philosophiae est respectu theologiae et ecclesiae et rei publicae, Op. Tert. 20; Op. Min. 358.\n3)\tDiese utilitas spielt eine gro\u00dfe Rolle bei Bacon, Op. Maj. 1, 300; Op. Tert. 19. Sie findet eine h\u00f6here Parallele in seinem Urtheile \u00fcber die Ethik als finis omnium scientiarum aliarum . . . quia omnes aliae sunt speoulativae veritatis, haec autem est practica boni et operatica, Lib. Comm. Nat. bei Charles 370.\n4)\tDer Titel dieses Abschnittes (Bridges 1, 66\u201496) ist in allen Mss. (nach Bridges): De utilitate grammaticae; so auch im Op. Tert. 88: de linguis, seu de utilitate grammaticae; im Op. Min. 325: tractatu[s] de linguis quem facio; in prima parte de grammatica ib. 321.\n5)\tIm Compendium Studii sind es 5 oder 6, ed. Brewer 432: ... ad igno-rantiam 5 vel 6 scientiarum quae requiruntur ad theologiam et ad philosophiam, sine quibus 5 vel 6 scientiis impossib\u00fce est aliquid dignum sciri ab homine et praecipue a Latinis . . . Hae vero scientiae sunt istae: scientia linguarum sapien-tialium, mathematica, perspectiva, alkimia, scientia experimentalis.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Roger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\n171\netwas G\u00f6ttliches noch Menschliches wissen k\u00f6nne, und deren Kenntnis uns erm\u00f6gliche \u00bbAlles leicht zu erkennen\u00ab. Die erste sei gram-matica in alienis linguis exposita ex quibus emanavit sapien-tia Latinorum. Ohne Kenntniss dieser \u00bbanderen\u00ab Sprachen \u2014 es sind Griechisch, Hebr\u00e4isch [Chald\u00e4isch] und Arabisch, die er manchmal linguae scientiales, manchmal linguae sapientiales nennt \u2014 k\u00f6nnten die Lateiner weder \u00bbabsolute\u00ab4) zur Weisheit selbst gelangen, noch soweit diese von der Kirche repr\u00e4sentirt w\u00fcrde (relate).\nDas will er nun im Einzelnen darlegen und zwar A) zuerst (Op. Maj. 1,66\u201492) in Bezug auf die absolute Wissenschaft (respectu scientiae absolutae 66; propter Studium sapientiae absolutae 92), dann B) (ib. 92\u201496) [a] propter sapientiam comparatam ad Dei ecclesiam et [b] rem publicam fidelium et [c] confusionem infidelium [dj et eorum reprobationem qui converti non possunt.\nA) Indem er den ersten Haupttheil in Angriff nimmt, sucht er zun\u00e4chst darzulegen, dass fremde Sprachen n\u00f6thig sind, weil1 2)\n1. alle B\u00fccher der hl. Schrift und Werke der Philosophie in den anderen Sprachen niedergeschrieben sind3 4), [und darin studirt werden m\u00fcssen, denn] bei Uebersetzungen ins Lateinische sei es unm\u00f6glich die proprietas zu bewahren. Man sehe schon bei den Dialecten einer einzelnen Sprache, wie z. B. der franz\u00f6sischen, eine gro\u00dfe Verschiedenheit4), und wieviel gr\u00f6\u00dfer m\u00fcsse diese sein bei wirklich verschiedenen Sprachen. Was in einer Sprache gut ausgedr\u00fcckt sei, k\u00f6nne gar\n1)\tPer Studium absolute, Op. Tert. 88.\n2)\tB. spricht von diesen acht Gr\u00fcnden im Op. Tert. 88 ff., aber aus dem Ge-d\u00e4chtniss (forsan) und ohne die Reihenfolge zu erinnern (ordinem forte non recolo) ; sein erster \u00bbGrund\u00ab ist daselbst (und ebenso Comp. Studii 435), weil omnes sancti et philosophi Latini et poetae sciverunt de linguis alienis. Den Inhalt des obigen ersten Grundes bildet im Op. Tert. der zweite und dritte, S. 89, 90. \u2014 Im Comp. Studii z\u00e4hlt er 13 Gr\u00fcnde auf, daselbst ist der obige der achte Grund, 466.\n3)\tIsidor. Et. 9, 1, 3.\n4)\tDie Stellen, wo B. \u00fcber die franz\u00f6sischen Dialekte spricht, sind au\u00dferdem Op. Tert. 90; Griech. Gramm, bei Charles 359; Comp. Studii 467 (wo er auch die englischen heranzieht); merkw\u00fcrdiger Weise sind diese Stellen in der Geschichte der franz\u00f6sischen und englischen Sprache noch nicht citirt. \u2014 Die M\u00f6glichkeit einer grammat. Behandlung der franz\u00f6sischen (oder irgend einer modernen) Sprache scheint B. nicht ged\u00e4mmert zu haben; P. Helias hat sie vgl. Thurotl27; Vine, de Beauvais, Spec. Doctr. 3, 1.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nEwald Fl\u00fcgel.\nnicht in eine andere \u00fcbertragen werden und dabei seine volle Eigent\u00fcmlichkeit bewahren. Bacon beruft sich dabei auf die bekannten Worte des Hieronymus1). \u2014 Man solle nur versuchen, die Logik oder irgend eine andere Wissenschaft in seine Muttersprache2) zu \u00fcbertragen, und man werde sehen, wie die S\u00e4tze hinken und die Worte fehlen. Deshalb k\u00f6nne kein \u00bbLateiner\u00ab die Weisheit der hl. Schrift, oder die Werke der Philosophen gen\u00fcgend (ut oportet) verstehen, ohne die Sprachen, aus denen sie \u00fcbersetzt sind3).\n2.4 5) Ein zweiter Grund der Notwendigkeit der Kenntniss dieser Sprachen sei [a] die Armut des lateinischen Yocahulars an Kunstausdr\u00fccken , und [h] die Corruption des zeitgen\u00f6ssischen Lateins durch Volksidiome, die man au\u00dferhalb des betreffenden Landes nicht verst\u00e4nde.\n3.s) Ein dritter Punkt ist die Notwendigkeit f\u00fcr den Uehersetzer (interpres), nicht nur die Sprachen, sondern auch die Wissenschaften zu beherrschen. Aber bisher seien alle \u00dcbersetzer \u00bbL\u00fcgner\u00ab aus Mangel an Sprach- oder Sachkenntnis, mit einziger Ausnahme des Boethius und Grosseteste. Am meisten habe Aristoteles unter den \u00dcbersetzern gelitten, seine \u00fcbersetzten Schriften seien horrihel, falsch und nicht zu verstehen.\n1)\tEpist. LVn ad Pammachium, ed. Migne 1, 568. Das Original dieses Briefes verbessert eine sinnst\u00f6rende Lesart bei Bridges 67: Si guis autem eun-dem (n\u00e4ml. Homer) in sua lingua per se interpretetur, videbit ordinem ridiculosum et poetam eloquentissimum vix loquentem; statt per se lies prosae verbis. Der gedruckte Text von Bacon\u2019s Werken ist voller solcher und schlimmerer Fehler und das gr\u00f6\u00dfte desideratum ist ein kritischer, alle Mss. ber\u00fccksichtigender Text mit genauen Erl\u00e4uterungen.\n2)\tDiese Stelle des Op. Maj. 1, 67 und die entsprechenden Op. Tert. 90, Comp.\nStud. 433, 466 geben die fr\u00fchesten Citate f\u00fcr das Wort Muttersprache; die n\u00e4chsten finde ich bei Dante, De Vulg. Eloqu. c. 6.\t3) Op. Min. 325, 349.\n4)\tDer vierte des Op. Tert. 90 ff., der neunte des Comp. Stud. 467 ; die Geschichte mit den spanischen Studenten und Bacon\u2019s Erkl\u00e4rung des Wortes be-lenum im Op. Tert. unter dem f\u00fcnften Grunde 91, Comp. St. 467 (dies belenum, fieXtviov, nicht im Du Cange).\n5)\tDer f\u00fcnfte des Op. Tert. 91, Op. Min. 353 ff. ; im Comp. St. 469 geht er noch weiter in Bezug auf die Aristoteles-Uebersetzungen, es w\u00e4re besser, sie existirten nicht oder w\u00e4ren verbrannt. Was nach Brewer im 8. Cap. steht, steht nach Charles\u2019 Ms. im 10. Cap. (S. 405). Fehlt etwas im Texte von Brewer? \u2014 Bemerkenswerth im Op. Tert. 92 ist die Stelle \u00fcber die Fehler und Schw\u00e4chen des Hieronymus : celeritate dictandi deceptus in multis loois transtulit contra veritatem, sicut posui exempla tarn in Opere Minori [336. 346] quam in Majore [wo?].","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Roger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\n173\n4.1) Wegen Mangels an Sprachkenntnissen entbehren die Lateiner Renntniss einiger biblischer B\u00fccher sowohl als einiger philosophischer Werke, wie z. B. des Aristoteles Poetik und Rhetorik1 2).\n5.3) Alle heiligen und lateinischen Philosophen gebrauchen fremde Ausdr\u00fccke und f\u00fchren diese ein aus dem Griechischen, Hebr\u00e4ischen, Chald\u00e4ischen und Arabischen. Dieser Punkt f\u00fchrt ihn zu einem Excurs (der mir eher zu 1 zu geh\u00f6ren scheint, und m\u00f6glicher Weise im Manuscript verschrieben ist?)4) a) \u00fcber die dialectischen Unterschiede des Hebr\u00e4ischen und Chald\u00e4ischen, b) \u00fcber das griechische und hebr\u00e4ische Alphabet, c) \u00fcber die Stellung des Artikels vor \u00fcso\u00e7 in der Bedeutung des einen, wahren Gottes in der Septuaginta; ein idioma das schwer im Lateinischen nachzuahmen sei. Als Parallele f\u00fcgt er hinzu, \u2014 besonders interessant, weil sie uns Bacon als Beobachter lebender Sprachen zeigt \u2014 eine Bemerkung \u00fcber die Setzung des Artikels im Franz\u00f6sischen.5)\n6.6) Ein 6. Grund f\u00fcr die Nothwendigkeit eines gr\u00fcndlichen Sprachstudiums sind die unz\u00e4hligen Irrth\u00fcmer in den theologischen und philosophischen Texten, welche die Worte sowohl wie den Sinn entstellen. Die Basis hierzu liefert die Pariser Vulgatarecension des Jahres 12307).\n7.8) Auch wenn schlie\u00dflich der buchst\u00e4bliche Sinn in der Ueber-\n1)\tNicht im Op. Tert. Im Comp. St. als 12. p. 474.\n2)\tUeber Aristoteles-Uebersetzungen vgl. auch Op. Maj. 1. 26. 27.\n3)\tDieser Grund deckt sich zum Theil mit dem achten des Op. Tert. 94: Octava ratio est ut aestimo (soweit er sich erinnerte!) propter linguam Latinam. Nam ostendo quomodo est composita ex Graeco et Hebraeo, tarn in ecclesiasticis vocabulis quam in communibus . . . genau entsprechend dem f\u00fcnften in Comp. St. 441.\n4)\tJebb\u2019s Ausgabe weicht hier von Bridges\u2019 ab; ibid. 74.\n5)\tOp. Maj. 1, 77: TJnde cum dicitur Parisius Li reis vent, iste articulus li d\u00e9sign\u00e2t proprium et verum regem talis loci, quasi regis Pranciae. Et non suf-ficeret hoc ut denotaret adventum r\u00e9gis Angliae. Nullus enim diceret de rege Angliae veniente Parisius, Li reis vent, sed adjungeret aliud, dicens, Li reis de Engletere vent. \u2014 Eine Stelle, die ebenfalls in den Geschichten der franz. Sprache unbeachtet gelassen wird.\n6)\tDer sechste Grund des Op. Tert 92 ff. Ueber die Pariser Vulgata ergie\u00dft \u2022 noch vollere Schalen des Zornes im Op. Min. 330 ff. Man bemerke Op. Tert.\n\u2022 c. 93 den Bezug auf seine Remedia Studii, welche er in Zukunft schreiben wdl (declarabo).\t7) Vgl. \u00fcber diese Op. Min. 330 ff.\n8) Deckt sich zum Theil mit dem siebenten Grunde des Op. Tert. 94; vgl. 13 Htt Comp. St. 475.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nEwald Fl\u00fcgel.\nSetzung gewahrt sei, so ist doch die sachliche Interpretation durch Un-kenntniss gef\u00e4hrdet (propter sensus falsitatem, etsi litera esset verissima), dies zeige sich in der Theologie, der Philosophie, der Medicin (Unkenntniss der Synonyma!), und den \u00bbGeheimen Wissenschaften\u00ab.\n8.1) Der achte und letzte Grund (ratio scientialis), aus welchem die Nothwendigkeit der Sprachenkenntniss hervorgeht, ist die That-sache, dass alle lateinische Grammatik aus dem Griechischen und Hebr\u00e4ischen abgeleitet sei; nicht nur die Buchstaben stammen von den Griechen, sondern die grammatische Methode und schlie\u00dflich das theologische und philosophische Vocabular des Lateinischen.\nUnd wenn viele glaubten, dass diese vielen Fremdw\u00f6rter im Latein auf lateinischem Boden gewachsen seien, so irrten sie in der Aussprache, in der Rechtschreibung, in der Erkl\u00e4rung, und es sei keineswegs nur ein geringf\u00fcgiger Wortirrthum, sondern ein Irrthum, der zu falschem Redegehrauch, zu falschen S\u00e4tzen, zu falschen Schlussfolgerungen f\u00fchre. Bacon st\u00fctzt sich auf Aristoteles und Boethius und verlangt von genauer Wortkenntniss auszugehen. Er citirt einige Beispiele solcher nur als Fremdw\u00f6rter zu erkl\u00e4render lateinischer Worte, f\u00fcr deren vollst\u00e4ndige Aufz\u00e4hlung ein gro\u00dfer Band kaum ausreichen w\u00fcrde: ein etymologisches W\u00f6rterbuch der lateinischen wissenschaftlichen Fremdw\u00f6rter (wozu er im Comp. St. 441 ff. den Anfang machte), ein W\u00f6rterbuch der voca-hula singularum scientiarum et maxime theologiae et me-dicinae, quo volumine nihil esset utilius, si vocabulorum omnium recta scriptura ac pronunciatio d\u00e9bita cum fideli derivatione et recta interpretatione probarentur (S. 86). Diesem Idealplane f\u00fcgt er n\u00e4here kritische Bemerkungen bei, welche allerdings kein neues Princip enthalten, aber f\u00fcr das sp\u00e4tere Mittel-alter zum ersten Mal in scharfer Fassung aufgestellt wurden:\n1. Bei Etymologien sei die Zeitfolge der Sprachen (ordo linguarum) zu bedenken (quod prior lingua non recepit interpretationem posterions). Bacon beruft sich hier2) auf Hieronymus Lib. Hehr. Quaest3).\n1)\tVergessen im Op. Tert., der sechste Grund im Comp. St. 464.\n2)\tIm Comp. St. 449 beruft er sich auf Servius, s. unten.\n3)\tDer sich seinerseits auf den gesunden Menschenverstand beruft: Unde Graecum non oritur ex Latino, nee Hebraicum e Graeco etc.","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"175\nRoger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\nZum Beweisevdes Gesagten f\u00fchrt er einige Beispiele an: Amen, ein hebr\u00e4isches Wort, k\u00f6nne nichts mit dem lateinischen A (sine) und dem griechischen mene (defectus) zu thun haben u. s. w. Bacon\u2019s Kritik richtet sich gegen den unertr\u00e4glichen Unsinn der Verfasser etymologischer W\u00f6rterb\u00fccher seiner Zeit, welche indifferenter pura Latina per alias linguas interpretantur (S. 87).\n2. Bei griechischen Etymologien solle man die Orthographie nicht aus den Augen lassen, was Bacon eine Gelegenheit bietet, nochmals \u00fcber die griechischen Buchstaben zu sprechen (S. 88).\n3 (Eine Erweiterung yon 1). Die im Lateinischen geltenden Regeln seien nicht auf das Griechische und andere Sprachen zu \u00fcbertragen; die Ver\u00e4nderungen griechischer IVorte nach lateinischem Princip zu ber\u00fccksichtigenr) ; deren grammatisches Geschlecht zu bedenken (nach Priscian und Seryius \u00bb qui fuit major quam Priscianus\u00ab), nicht willk\u00fcrlich urspr\u00fcngliche Buchstaben \u00bbabzukratzen1 2) und aufzugeben\u00ab, was gegen alle Regeln gehe (S. 90).\n4. Der Wortaccent3) sei genauer zu beobachten.\nB) Nachdem Bacon im Vorhergehenden die Nothwendigkeit von Sprachstudien dargelegt hat, propter Studium sapientiae absolutum, wendet er sich nun zu dem praktischen Nutzen derselben f\u00fcr Kirche und Staat4)\n1.\tBeim Gottesdienst ist Kenntniss solcher Fremdw\u00f6rter n\u00f6thig wie agios, atheos, eleison, alleluia, osanna u. s. w., beim Psalmsingen, bei \u00bbunseren Beschw\u00f6rungen, damit wir dies richtig ausf\u00fchren und verstehen k\u00f6nnen, die Gebete fromm aussprechen und Gottes heilige Gnade erhalten\u00ab (S. 92).\n2.\tBei den Sakramenten und Weihen; denn Gottes Geheimnisse l\u00e4gen ja verborgen in verbis et sensibus; beim Exorcismus und den Katechisationen, der Taufe und allen \u00fcbrigen Sakramenten sei eine richtige Aussprache und richtiges Erkennen nicht nur anst\u00e4ndig\n1)\tMutantur igitur hujusmodi vocabula secundum formam Latinorum, p. 90.\n2)\tVgl. Yarro\u2019s demtio detractio bei Lersch, Sprachphilosophie der Alten 3, S. 175 ff.\n3)\tIgnorantia veritatis apud omnes circa accentua, 92 {91 lies accentuum f\u00fcr accidentium) ; vgl. Comp. St. 508 ff.\n4)\tVgl. Op. Tert. 95.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nEwald Fl\u00fcgel.\nund n\u00fctzlich, sondern auch n\u00f6thig, um die Wirkung des Sakramentes nicht zu beeintr\u00e4chtigen (S. 93) i).\n3.\tKenntniss der orientalischen Sprachen ist der lateinischen Kirche unumg\u00e4nglich nothwendig, um die Griechen und Chald\u00e4er, Armenier und Syrer und Araber im richtigen Glauben zu best\u00e4rken (S. 95)* 2).\n4.\tWegen des kirchlichen Dogmas \u00bbvom Anfang bis zum Ende der Zeit\u00ab (S. 95) : Wie Gott das Schwache auserw\u00e4hlt habe, um das Starke zu f\u00e4llen, so hat er in solchen Elementen [wie den Buchstaben und Worten] Geheimnisse verborgen, die \u00fcber das menschliche Verstehen hinausgehen, und Kenntniss der Elemente der Sprachen sei deshalb von unberechenbarem Nutzen f\u00fcr das Dogma der Kirche.\nSchlie\u00dflich seien die Sprachen n\u00f6thig f\u00fcr den internationalen Verkehr3) und Handel (in Medicamenten und anderen kostbaren Gegenst\u00e4nden). Ein Punkt, den Bacon nicht v\u00f6llig ausf\u00fchrt, oder den die Manuscripte l\u00fcckenhaft \u00dcberliefern.\nMit dem sich unmittelbar anschlie\u00dfenden 4. Haupttheil beginnt Bacon mit den 4 Scientiae Magnae, deren \u00bbThor und Schl\u00fcssel\u00ab die Mathematik ist. In der Einleitung wirft er nochmals einen Blick auf die \u00bbWurzeln der Weisheit\u00ab, die modi philosophiae accidentales4), n\u00e4mlich Grammatik und Logik5), die nach Alpha-rabius nicht ohne Mathematik verstanden werden k\u00f6nnten.\nEr fasst, jedenfalls im Hinblick auf die damalige grammatische Methode, sein scharfes Urtheil in die Worte zusammen: etsi gram-matica pueris ministrat ea quae vocis sunt et proprietates eius in prosa\n1} Vgl. Op. Tert. 95; Die griechische Grammatik bei Charles 360, 61; Zur Sache s. Ohr. Bainbridge\u2019s Liber Pontificalia, ed. Surtees Soc., 1875, p. 59, 60.\n2)\tVgl. Op. Tert. 95 anders gewendet: a) propter conversionem infidelium , . . b) de reprobatione eorum qui converti non possunt; darauf folgt unmittelbar der Abschnitt \u00fcber das Wort und seine Gewalt. \u2014 Im Op. Maj. 1, 95 fehlt ein Abschnitt zwischen evidens und Hoc; ist er nach dem Op. Tert. zu erg\u00e4nzen?\n3)\tVgl. Op. Tert. 95.\n4)\tOp. Maj. 1, 99.\n5)\tAuch sonst stellt er die Logik nicht sehr hoch, sich offenbar gegen das Uebergewicht dieser Autoritas auflehnend; vgl. oben S. 170 die Anm. 1 und solche Stellen wie Op. Tert. 103: homo arguit a natura; in der Muttersprache ist deshalb keine Grammatik zu erlernen: de logica et grammatica non est necessana instructio, ibid. 105 ; diese Ideen m\u00f6gen auf arabische Quelle zur\u00fcckgehen, vgl. Op. Tert. 104: Avicenna dicit in Logica quod rusticus arabicus seit grammaticam per naturam (\u00e4hnlich bereits Isidor Et. 9, 1, 10).","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"177\nRoger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\net metro et rhythmo, nihilominus tarnen hoc facit pueriliter et per viam. narrationis, non per causas nec per rationes.\nBacon f\u00fcgt unmittelbar darauf eine Bemerkung bei, deren Bedeutung f\u00fcr die Erkenntniss seiner grammatischen Lehren sehr gro\u00df ist: Wenn derjenige Theil der Grammatik, der \u00fcber die Stimme (die Laute) und ihre Eigenschaften in Prosa, Metrum und Rhythmus handeln, dies descriptiv thun, ohne auf die (letzten) Gr\u00fcnde einzugehen, so geh\u00f6re das Letztere (d. h. die wissenschaftliche Darlegung derselben) zu dem Gebiete einer anderen Wissenschaft, n\u00e4mlich der Musik1). Die Aufgabe der Musik sei es, die Natur des Lautes ersch\u00f6pfend darzulegen2) ; der Musik, deren Theile und Unterabtheilungen mannigfaltige seien: 1. prosaica; 2. metrica; 3. rhythmica; 4. melica3 4).\nDie erstere lehre die Ursachen der Stimmerh\u00f6hung in Prosa, je nach den Unterschieden der Accente1), nach den kleineren und l\u00e4ngeren Satzperioden und dergleichen. Die zweite lehre die Gr\u00fcnde und Ursachen der Versf\u00fc\u00dfe und Metren. Die dritte handle \u00fcber Modulation und die feinere Proportion der Rhythmen5), die ja alle eine Art Gesang seien, obschon nicht dasselbe wie der gew\u00f6hnliche Gesang, denn accentus sei gleichsam accantus6), und dass der Accent zur Musik geh\u00f6re, lehren alle Autoren \u00fcber Musik von Cassiodor und Censorinus bis auf Alpharabius. So geh\u00f6re die Grammatik nach ihren letzten Gr\u00fcnden zur Musik, ebenso wie die Logik. Und\n1)\tVgl. Op. Tert. 231: Ergo grammaticus qui per viam narrationis laborat.. non dabit causas . . . Ergo grammaticus se habet ad musicum, sicut carpentator ad geometricum. Et ideo grammaticus est mechanicus in hac parte, et musicus est artifex principalis etc.\n2)\tDas Op. Maj. ber\u00fchrt die Musik nur beil\u00e4ufig: 1, 236 ff. (Wiederholung der obigen Gedanken), viel ausf\u00fchrlicher im Op. Tert. 3, 229 ff.\n3)\tVgl. Op. Maj. 1, 237; Op. Tert. 230.\n4)\tVgl. Op. Tert. 234, 235, 255 ff.\n5)\tB. verdankt seine letzte Kenntniss des Wesens des Rhythmus dem ugustin; Op. Tert. 265: Nunquam potui scire quid est rhythmus . . . nisi per\nfibr\u00f6s illos (Augustin, De Musica],\n6)\tVgl. Op. Tert. 243 und nochmals Op. Maj. 1, 237. Die daselbst citirten u oien sind Censorinus Martianus [Capelia], Isidorus, Cassiodorus, ugustin u s. B. f\u00fcgt daselbst zu der Musica circa audibile, die circa visibile, 1 if611 r^anz' Vgl. Cassiodor, De artibus ac disciplinis, c. 5, De Musica,\n^>se bst die Stellen aus Augustin und Censorinus citirt werden (ed. Migne o . \u2018 77 *8^' ^le Vutorenliste im Op. Tert. 231 ff., woselbst Alpharabius, De cientiis, und De Ortu Scientiarum hinzugef\u00fcgt sind.\nWnndt, Philos. Studien. XIX.\n12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nEwald Fl\u00fcgel.\nda die Musik auf mathematischen Principien beruhe, beruhe sie schlie\u00dflich auf Mathematik (Op. Maj, 1, 102).\nVon den weiteren Bemerkungen \u00fcber die Sprache, die durch das Opus Majus verstreut sind, seien noch erw\u00e4hnt das 5. Cap. der Distinctio IV, Pars IV, welches \u00fcber den Einfluss handelt, den Klima und die virtutes coelorum et stellarum auf die Eigenschaften der weltlichen Dinge aus\u00fcbten. Seine astrologische, mystische Theorie der \u00bbEinflusspyramiden\u00ab gibt ihm Gelegenheit, \u00fcber die Verschiedenheit in Charakter, Sitten und Sprachen benachbarter V\u00f6lkergruppen zu sprechen (Op. Maj. 1, 138) >). Zu erw\u00e4hnen ist ferner die Bemerkung \u00fcber slavische Sprachen (ih. 360)1 2), \u00fcber die chinesische Bilderschrift (S. 374), und in dem Buche \u00fcber Astrologie und Magie seine mystischen S\u00e4tze \u00fcber die zauberische Gewalt des Wortes.\nMit Aufwendung einer Beredtsamkeit, welche zeigt, wie nahe diese Gedankeng\u00e4nge seinem Herzen lagen, spricht er daselbst \u00fcber die \u00bbuns\u00e4gliche\u00ab Gewalt des Wortes, wenn es \u00bbmit fester Absicht, gro\u00dfem Verlangen und starkem Vertrauen\u00ab und unter dem Mitwirken des Himmels ausgesprochen w\u00fcrde3). Das Wort und die mystischen Zeichen, wenn denselben w\u00e4hrend des Aussprechens die Kraft des Himmels zu Theil wird, verm\u00f6chten kranke K\u00f6rper zu heilen, giftige Thiere zu verscheuchen, wilde Thiere gez\u00e4hmt zur Hand zu locken, die Schlangen aus ihren H\u00f6hlen und die Fische aus der Tiefe des Wassers zu bringen, ja selbst die Materie dieser Welt wunderbar zu beeinflussen, gegen b\u00f6se Menschen und Staatsfeinde zu wirken, wenn die Beschw\u00f6rungen in der rechten Weise gesch\u00e4hen. Dass verw\u00fcnschte Magier, Betr\u00fcger, Hexen und Teufel viel abergl\u00e4ubischen Unfug damit getrieben, sei ja leider wahr und dies habe dazu gef\u00fchrt, dass\n1)\tInwieweit auch hier Alpharabius auf B. eingewirkt, vermag ich nicht zu sagen; vgl. Steinschneider, Al Farabi S. 118. \u2014 Aehnliche Gedanken im Op. Tert. 120. (Ueber das Klima und den Volkscharakter vgl. das inhaltreiche 5. Cap. De recto historiarum iudicio, in J. Bodini Methodus, Basel 1579, S. 79 ff-\n2)\tGenauer als die Notiz bei Dante, De Vulg. Eloqu., c. 8.\n3)\tBacon\u2019s Mysticismus wird besonders klar, wenn man die Stelle des Meta-logicus 1, 1 (S. 13) vergleicht. \u2014 Vgl. auch Op. Tert. 96, 97, 229. Epistola de Secretis Operibus Artis et Naturae c, 3 (ed. Brewer 531): Verba fiunt ab interius per cogitationes animae, et desideria, et per motum spirituum, et calorem naturalem, et vocalem arteriam; et eorum generatio habet vias apertas per quas est magnus exitus spirituum, et caloris, et evaporationum, et virtutum et specierum (im Bacon\u2019schen Sinne) quae possunt fieri ab anima et a corde etc.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Roger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\t179\ndie Theologie und die Dekretalen keinen Unterschied anerkannten zwischen Magie und wahrer Philosophie! Aber trotzdem sei es das Wort, welches quia ab interioribus membris naturalibus generatur et formatur ex cogitatione et sollicitudine, et delectatur homo in eo et propriissimum est instrumentum animae rationalis, ideo maximam efficaciam habet inter omnia quae hunt ab homine, praecipue cum ex intentione certa, desiderio magno et vehement! confidentia pro-fertur.\nn.\nDas Fragment des Opus Minus, welches yon den Septem Peccata Studii Theologiae handelt, f\u00fcgt zu den Bemerkungen \u00fcber Sprache und Sprachstudien nichts wesentlich Neues, enth\u00e4lt jedoch interessante Ausf\u00fchrungen \u00fcber biblische Textkritik1), welche auf Augustin und Hieronymus zur\u00fcckgehen.\nin.\nDas Opus Tertium gibt (S. 88 ff.) in seiner ausf\u00fchrlichen, aber aus dem Ged\u00e4chtnisse gesch\u00f6pften Inhaltsangabe des dritten Theiles vom Opus Majus der Hauptsache nach die gleichen Gedanken. Es f\u00fcgt aber neue Einzelheiten hinzu und ber\u00fchrt zum ersten Male einen Theil der Grammatik, der bisher noch nicht behandelt sei2): n\u00e4mlich de compositione linguarum et de hnpositionibus3) vocum ad\n1) Si est discordia in codicibus Latinis, recurrendum est ad antiquos et plnres, Op. Maj. 331. Vgl. 349. B. citirt diese Stelle des Op. Min. im Op. Tert. 94. Das praktische Resultat s. Gedanken \u00fcber den verderbten Vulgatatext ist die Aufforderung an den Papst zu einer neuen Recension der V. 333. Der ganze Abschnitt ist der Versuch einer Geschichte der Vulgata; vgl. Kaulen, Gesch. d. Vulgata S. 266.\n2)\tAddidi [n\u00e4mlich im Op. Maj.] intentionem alterius partis . . . quae non est adhuc composita apud Latinos nec translata Op. Tert. 100. Die Art und Weise, in der B. von diesem Theile des Op. Maj. spricht (aggressus sum illos modos ostendere . . . sicut probo ... et tune considero . . . declaravi . . . expressi etc.) zeigt,\nass wir in den uns \u00fcberlieferten Mss. des Op. Maj. eine gr\u00f6\u00dfere L\u00fccke anzunehmen haben; vgl. auch Op. Min. 322. Ist es die L\u00fccke bei Bridges 1, 96?\naf.6r \u00aeP\" Tert. 96 citirt \u00fcber die Gewalt des Wortes als in secundo Op ere aus \u00fchrlicher behandelt, steht Op. Maj. 396 ff. \u2014 B. h\u00e4tte sich auf die sehr ln eressante Stelle des Metalog. 1. c. 14 beziehen k\u00f6nnen.\n3)\tVgl. Alpharabius bei Vine, de Beauvais Spec. Doctr. 2, 45: Scientia mguae .... in duo dividitur [1] in scientiam considerandi et observandi quid\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nEwald Fl\u00fcgel.\nsignificandum et quomodo significant per impositionem et per alias vias; dies f\u00fchrte ihn zur Frage nach dem Urspr\u00fcnge der Sprache. Bacon geht hei seiner Untersuchung \u00fcber die impositiones vocum ad significandum aus von der Augustin\u2019schen Scheidung der signa* 1), nach welcher signa 1) qu\u00e6dam sunt naturalia, 2) qu\u00e6dam data ab anima, die letzteren scheidet er in a) solche, welche von der Seele naturaliter gegeben werden (wie die Seufzer der Kranken2)), und b) solche, welche ad placitum (\u2014 d-\u00e9osi) gegeben werden (ut circulus vini et panis fenestri [der mittelalterlichen Weinstube!] et omnes voces linguarum). Der leitende Geist f\u00fcr Bacon\u2019s Satz, dass die Bedeutungen den Worten nicht naturaliter zuk\u00e4men, war Avicenna3), der ihn \u00fcber Augustin hinausgef\u00fchrt hatte. Bacon f\u00fchrt seine allzu kurze Inhaltsangabe des uns verlorenen Abschnittes weiter4) und sagt, er habe daselbst betrachtet, wie das Wort gegeben werde univoce oder \u00e6quivoce oder analogice u. s. w. Aeu\u00dferungen, die wohl auf arabische Quellen5) zur\u00fcckgehen, wie hei Albertus Magnus6), und welche leider zu unvollst\u00e4ndig sind, um uns ein deutliches Bild seiner Anschauungen zu geben. Er habe mit seinen Untersuchungen a. a. 0.\nunaqu\u00e6que dictio significet apud gentem illam cuius est lingua [2] et in Scientiam observandi r\u00e9gulas illarum dictionum; ibid. c. 21: scientia linguae i. e. de imposi-tione nominum rebus. Alpharabius hatte diese Fragen ber\u00fchrt, aber nicht ausgef\u00fchrt nach Vincentius.\n1)\tDe Doctr. Christ. Lift 2, c. Iff. Vgl. die notae bei Boethius, De Interpret. 200, 297, ed. 1570. B. erw\u00e4hnt des Aristoteles X\u00f4yo\u00e7 Grj/xctvux\u00f4\u00e7, De Interpret, c. 4, nicht. \u2014 B. bezieht sich auf diese Gedanken Op. Min. 322.\n2)\tDie vox confusa der latein. Grammatiker, vgl. Pro bus, Inst, bei Keil 4, 47 ; B. vermeidet die Unterscheidung der Grammatiker zwischen confusa und articulata; hat keinen Bezug auf Priscian\u2019s illiterata vox, Instit. 2, 5; Codex Bern, bei Keil 6, XXV.\n3)\tOp. Tert. 101; vgl. auch Joh. v. Salisbury\u2019s Polemik Metalog. I c. 8.\n4)\tVgl. Prantl, Gesch. der Logik 3, 124: Gelegentlich deutet B. an, dass er sich um die Fragen, welche den modus significandi betreffen, interessire, und wir m\u00fcssten ihn sonach f\u00fcr einen Vorl\u00e4ufer des Duns Scotus halten, wenn nicht seine Angaben \u00fcber die in der objectiven Natur liegenden und die von der subjectiven Seele ausgehenden \u00bbZeichen\u00ab allzu k\u00e4rglich w\u00e4ren, um aus ihnen seinen Standpunkt sicher zu erkennen.\n5)\tVgl. Prantl 2, S. 305, 363 \u00fcber die Begriffe der Synonyme u. s. w.\n6)\tVgl. Alb. Magnus ibid. 3, S. 103. Um diesen sehr wichtigen Zusammenhang klarer zu sehen, m\u00fcsste man freilich Alpharabius Opera 1638 benutzen, welche auch Prantl (1. c. 2, S. 302; und selbst Steinschneider (Al Farabi S. 83) nicht benutzen konnten. Ich hoffe bald daraufbez\u00fcgliche Nachtr\u00e4ge liefern zu k\u00f6nnen.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Roger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\t181\nmanch schweren Zweifel beseitigt und manche Wahrheiten festgestellt: veritates per quas omnia *) sciuntur quae sub quaestione et dubitatione versantur. Er habe ferner \u00fcber den spirituellen und literalen Schriftsinn gesprochen (nach Augustin?); gezeigt, wie das alte Testament ein signum des Neuen sei; wie die Sakramente signa seien; \u00fcber die echte Sprache Adams, wie er die Dinge mit Namen belegt; ob Kinder, in der W\u00fcste ausgesetzt, auf nat\u00fcrlichem Wege, an und f\u00fcr sich (per se) eine Sprache reden w\u00fcrden, und wie sie einander ihre affectus zu erkennen gehen w\u00fcrden, und vieles andere, was er jetzt nicht wiederholen k\u00f6nne. Dieser Theil der Grammatik \u2022\u2014 und dass er zur Grammatik und zu keiner anderen Wissenschaft geh\u00f6re, habe er, ohne sich auf Augustin zu st\u00fctzen, bewiesen \u2014 sei \u00e4u\u00dferst n\u00f6thig f\u00fcr die Theologie und Philosophie und die \u00bbgesammte Weisheit\u00ab (toti sapientiae).\nDann geht Bacon zum Inhalt des 4. Theiles des Opus Majus \u00fcber und res\u00fcmirt die daselbst gegebenen einleitenden Gedanken \u00fcber Grammatik und Logik. Was uns auf f\u00e4llt, ist seine zweite Bezugnahme auf die Frage nach dem Urspr\u00fcnge der Sprache, die er in den gedruckten Theilen des Opus Majus nicht ber\u00fchrt. Um Sprachen zu kennen, bedarf es der Lehre und des Studium, denn die Sprachen fiunt ad voluntatem hominis, et variantur secundum homi-num voluntatem (S. 102). Noch werkw\u00fcrdiger ist der Zusatz, mit dem er den Gegenstand rasch \u00fcbergehen zu wollen scheint: primi auctores linguarum eas invenerunt, vel a deo habuerunt, in divisione linguarum, cum constructa est Turris Babel post Diluvium. Hier erscheint ihm wohl der Geist des heiligen Augustin, oder der Gedanke an den Adressaten1 2), f\u00fcr den das Werk hastig hingeschrieben wurde.\nJedenfalls findet sich zu Anfang des 4. Theiles des Opus Majus\n1)\tDies ist ein Beispiel seiner enthusiastischen Ausdrucksweise, welche man nicht ohne Erl\u00e4uterung \u00bbRuhmredigkeit\u00ab nennen sollte, wie Reuter, Gesch. d. rel. Aufkl\u00e4rung 2, S. 78 wohl nach K. Pis eher thut. Die daselbst angef\u00fchrten Beispiele vom Op. Tert. 58, 59 erkl\u00e4ren sich leicht, imd Bacon\u2019s Wette \u00fcber seine Schnelllernmethode (Op. Tert. 63ff.), welche ihm von Bayle, Brucker und Cousin so ver\u00fcbelt wurde, wird von Charles sehr einfach vertheidigt (R. Bacon S. 124).\n2)\tWenn Reuter a. a. 0. S. 78 von \u00bbbedenklicher Schmeichelei\u00ab gegen den Papst redet, so ist dies ein bedenklicher Mangel an W\u00fcrdigung der Verh\u00e4ltnisse, unter denen B. nach einer Gelegenheit rang, sp\u00e4ter sein System zu entwickeln.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nEwald Fl\u00fcgel.\nkeine Erw\u00e4hnung des Thurmbaues und der Sprachverwirrung. An anderer Stelle des Opus Majus (I, S. 138) und im Opus Tertium (S. 120) erkl\u00e4rt er die Sprachverschiedenheit aus geographischen und astrologischen Gr\u00fcnden.\nSein Gapitel \u00fcber die Musik (S. 228) f\u00fchrt das bereits im Opus Majus Gesagte und Angedeutete weiter *) aus und zeigt seine Gelehrsamkeit, seine Kenntniss des Griechischen und Lateinischen, und seinen kritischen Geist. Bemerkenswerth ist vor allem, was er daselbst sagt \u00fcber den prosaischen Accent (S. 234, 235), den lateinischen Accent nach Priscian (S. 238), das Zusammentreffen zweier Accente (8. 239 z. Th. nach Boethius), \u00fcber Wortbetonung gegen \u00bbneuere\u00ab Pariser Theoretiker (S. 240), \u00fcber die Prosodie (S. 244), die Aspiration (S. 246), die Interpunction und den Satzrhythmus (S. 233, 248), die Satzbetonung (S. 252), mit treffenden Bemerkungen \u00fcber die Rhythmik der Frages\u00e4tze (S. 255)1 2), \u00fcber die Erhebung und Senkung der Stimme (S. 256), \u00fcber lateinische Metrik (S. 257\u2014264).\nUeber das Wesen des Rhythmus, des Metrum und des Verses hatte ihm Augustin die Augen ge\u00f6ffnet (S. 265). Er verspricht in dem Werke \u00fcber die Peccata Studii et Remedia nochmals darauf zu kommen3), und weist schlie\u00dflich nachdr\u00fccklich auf die Nothwendig-keit hin musikalischer, d. h. metrischer und rhythmischer Kenntnisse f\u00fcr den Bibelerkl\u00e4rer und den Theologen \u00fcberhaupt. Weil sowohl die Ethik als die heilige Schrift sich der poetischen Kunstmittel bedienten4), weil die Weisheit Gottes in der Ursprache der Bibel sie \u00fcberall anwendete, im Metrum und in dem Gebrauch der rhetorischen Figuren und anderem Sprachschmuck (S. 266), weil der heilige Geist durch den Mund seiner Heiligen diese poetische (metrische) Sch\u00f6n-\n1)\tVgl. das \u00fcber rhythmische Bewegung \u2014 nach Alpharabius, De Ortu Scient. \u2014 Gesagte S. 232; \u00fcber den Tanz S. 268 mit der Stelle Op. Maj. 1, 238.\n2)\tVgl. ibid.: Dictio quae est gravis in fine, in qua finitur interrogatio, acuenda est, et fit una elevatio et unus punctus . , . dictio in fine acuenda est, vel monosyllaba quae naturaliter est acuta, bis est elevanda etc. Vgl. \u00fcber das \"Wort- und Satzende Comp. St. 513.\n3)\tB. sagt exponam 265 (oder ist exposui zu lesen?) Bezieht es sich auf die Septem Peccata Studii des Op. Min. 322? Dann w\u00e4re es von Wichtigkeit f\u00fcr die Chronologie.\n4)\tB. sprach \u00fcber das argumentum poeticum im 5. Theil der Moralis Philo-sophia (266), welcher dem Op. Maj. jetzt fehlt, vgl. ibid. 2, 403. Er scheint daselbst den Aristoteles, Avicenna und Alpharabius benutzt zu haben.","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Eoger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\t183\nheit in der Schrift ausgegossen habe, damit die Sch\u00f6nheit und W\u00fcrde der g\u00f6ttlichen Weisheit erkannt w\u00fcrde, deshalb solle und m\u00fcsse der Theologe zum hebr\u00e4ischen Texte zur\u00fcckkehren ut sei at ex ips\u00b0 fonte dulcius haurire aquas sapientiae ;S. 267)1 2 3 4). Denn die lateinischen Uehersetzer \u2014 schlie\u00dft Bacon den Hieronymus hier ein? \u2014h\u00e4tten nicht jene poetische Gabe (illam musicae potestatem), wie die Patriarchen und Poeten, und so sei die lateinische Uebersetzung dieser Sch\u00f6nheiten verlustig gegangen.\nBesonders zu erw\u00e4hnen ist Bacon's Zur\u00fcckgehen auf Aristoteles und seine kritische Stellung zu Pythagoras2), wo er auf die Natur des Tones und des Lautes der menschlichen Stimme zu sprechen kommt. Er weist die Strahlentheorie3) zur\u00fcck und stellt fest: Omnis sonus vel est ex collisione duri cum duro, vel ex motione spirituum ad vocalem arteriam. Seine nicht angef\u00fchrte Quelle ist wohl Aristoteles4) oder die fr\u00fchesten Aristoteliker des Mittelalters, wie Boethius5 *^ und, n\u00e4her an Bacon\u2019s Zeit angrenzend, Bernardus Sylvester\u00ab). Die lateinischen Grammatiker7) folgen meist den Stoikern, und auch Vincent de Beauvais erw\u00e4hnt sie nicht8).\nIV.\nEs er\u00fcbrigt noch \u00fcber Bacon\u2019s Philologische Bemerkungen im Compendium Studii zu sprechen, in dessen 6. Capitel er zu den\n1)\tB. als Vorl\u00e4ufer von Lowth und Herder.\n2)\tDies erinnert an Alpharabius, vgl. Steinschneider 1. c. 80.\n3)\tWelche B. in seiner Optik ausf\u00fchrlich entwickelte; B.\u2019s Schrift De Eadiis wurde separat an den Papst geschickt, ist sie im Vatican aufzufinden? Hat der Vatican die Originale der drei Werke vom Jahre 1267?\n4)\tVgl. De anima 2, 8, P. 87, 90; Hist. Anim. 4, 9.\n5)\tIn Libr. de Interpret, ed. 1570 fol. 290.\t6) Megacosm. 67.\n7)\tVgl. Probus bei Keil, Gramm. Lat. 4, 47; Dositheus ibid. 7, 381; Diomedes ibid. 1, 420; Audax ibid. 7, 323; Victorinus ibid. 6, 4; Donatus ibid. 4, 367; Pompeii Comm. ibid. 5, 95; Sergii Expl. 4, 486; Priscian 2, 5;\nGod. Bernensis ibid. 6, XXV; XXXII; CLXXXI; Cassiodor ibid. 7, 215; Pragm. Bob. 7, 538; Isidor, Etym. 1, XIV.\n8)\tSpec. Doctr. 3, 2. B. l\u00e4sst sich nirgends (Op. Maj. 2, 56, 72, 418 f., 456) ein in den Streit \u00fcber die Substantialit\u00e4t des Lautes, welcher von den Griechen bis ins Mittelalter hinein die Forscher besch\u00e4ftigte, vgl. Lersch, Sprachphil. 3, 119ff.; und Barach, Zur Gesch. des Nominalismus vor Eoscellin 1866, 23. \u2014 Noch am n\u00e4chsten dem Substanzbegriff kommt Op. Maj. 2, 57 (habet magis de natura objecti.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nEwald Fl\u00fcgel.\n\u00bbbesonderen und inneren\u00ab Hindernissen der Forschung (impedimenta studii)1) kommt und als ersten Punkt die Unkenntniss der weisheit-bringenden (sapientialium)2) Sprachen in Angriff nimmt3). Der ganze Rest des Bruchst\u00fcckes (S. 432\u2014519) ist nun der Grammatik gewidmet und bringt den Gegenstand nicht einmal zu Ende, so dass wir hier Bacon\u2019s vollste Ausf\u00fchrung dieses Gegenstandes vor uns haben. Bacon tritt im Compendium Studii freier auf, der Ton seiner Kritik ist r\u00fccksichtsloser, besonders gegen\u00fcber den Erzl\u00fcgnern wie Papias, Hugutio, Brito4); seine erfrischende Kritik fegt den Wust ihrer elenden Hirngespinnste hinweg. Sein etymologisches Princip, auf die alten zur\u00fcckgehend5), wird wiederholt und zur strengen Bichtschnur gemacht: etymologia est sermo vel ratio veritatis; sed veritas Gr\u00e6ci non dependet a Latino, cum prius non dependet a posteriori etc.\nBesonders werthvoll ist die weitere Ausf\u00fchrung derjenigen Gr\u00fcnde f\u00fcr die Nothwendigkeit einer tieferen Sprachkenntniss, die er im Opus Majus und Tert. bereits hat, eine weitere Ausf\u00fchrung, die reich ist an feinen Bemerkungen.\nIn Brewer\u2019s Ausgabe sind diese Gr\u00fcnde6) typographisch nicht gen\u00fcgend hervorgehoben; es sind die folgenden:\n1. (S. 435). Alle Heiligen, Lehrer und Philosophen, Dichter und\n1)\tEine Parallele zu den sieben Pecoata Studii des Op. Min.\n2)\tCharles \u00fcbersetzt es gut mit \u00bbphilosophiques\u00ab; Prantl mit \u00bbgelehrt\u00ab.\n3)\tDie anderen Hindernisse sind Unkenntniss 2) der Mathematik; 3) der Perspective; 4) der Alchemie; 5} der soientia experimentalis.\n4)\tDe magno mendaoio . . . mendaees 447 ; quorum mendaciis vulgus oppri-mitur Latinorum 449; grammaticellae idiotae 450; in hoc ostendunt se esse asinos 452; Hugutio mendax, Brito mendaeior 462; Brito indignissimus auctoritate 450; insaniunt contra veritatem 461 ; Brito videtur furere 461 ; das st\u00e4rkste \u00fcber diesen Brito in der griech. Gramm, bei Charles 359. \u2014 Es ist erstaunlich, dass noch das Dictionary of National Biography diesem W\u00f6rterbuchsschreiber das Todesjahr 1356 zuschreibt, welches auf Bale (1557 V 89 fol. 437) zur\u00fcckgeht, von Pits, Du Cange, Eabricius, Way u. s. w. nachgeschrieben wird. \u2014 Im Op. Maj. 1, 87 erw\u00e4hnt er Hugo et eius sectatores, Isidorus et Papias, aber nicht den Brito; w\u00e4re dies ein Anhalt daf\u00fcr, dass B, dessen Opusculum difficilium vocabulorum Bibliae ex Glossis Sanctorum erst zwischen 1267 und 1271 (72) kennen lernte?\n5)\tOp. Maj. 86 citirt er Hieronymus daf\u00fcr; Comp. St. 449 citirt er den Servius (die Stelle des Textes bei Brewer ist verderbt): Gr\u00e6cum nomen non potest Latinam etymologiam recipere.\n6)\tB. res\u00fcmirt sie selbst S. 464.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Roger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\t185\nGrammatiker und alle \u00bbWeisen der lateinischen Sprache\u00ab haben diese fremden Sprachen beherrscht, wir, als ihre filii et successores, m\u00fcssen ihnen nachstreben. Bacon geht \u00fcber diesen \u00f6fters von ihm erw\u00e4hnten Grund rasch hinweg, zu\n2.\t\u00bbob wir wollen oder nicht\u00ab, m\u00fcssen wir diese Sprachen lernen, um die Schriften der (lateinischen) Autoren zu verstehen, denn sie sind voller Citate aus diesen Sprachen (pleni . . his linguis). Et ideo cogimur ad d\u00e9bitant notitiam linguarum, aut erimus asini et vacui omni sapientia et doctrina. Es folgen Beispiele zum Beweis daf\u00fcr a) aus dem Hebr\u00e4ischen mit feiner Kritik derjenigen Ignoranten des Hebr\u00e4ischen, die sich hinter des Hieronymus Autorit\u00e4t verstecken 'S. 437) *); b) aus dem Griechischen1 2).\n3.\tGrammatische Kenntniss ist nothwendig, weil auch die Heiligen\nsie hochhielten, aber nicht Alles \u00bberkl\u00e4rten\u00ab, da sie annahmen, dass ihre Nachkommen ihnen an grammatischer Kenntniss nicht nachstehen w\u00fcrden3).\t,\n4.\tSprachkenntniss sei noting, um die Irrth\u00fcmer der Alten zu verbessern. In diesem Abschnitt \u00fcbt Bacon vorsichtig, aber entschieden Kritik an den Irrth\u00fcmern der Kirchenv\u00e4ter, die er in den an den Papst gerichteten Schriften nur sch\u00fcchtern einflicht. Mit aller Ehrfurcht, und ohne ihnen zu nahe zu treten, und mit aller Dankbarkeit m\u00fcsse doch ausgesprochen werden, dass \u00bbVieles\u00ab jetzt anders gestaltet werden \u00bbk\u00f6nne\u00ab (multa tarnen possunt his temporibus cum eorum licentia immutari). Denn ihnen passirte auch etwas Menschliches, und sie waren auch befangen in der Schw\u00e4che des menschlichen Geistes, und konnten nicht in Allem zur vollen Wahrheit gelangen. F\u00fcr diesen Satz citirt er die Autorit\u00e4t des Priscian und Seneca: \u00bbNichts vollkommenes sei in menschlichen Erfindungen zu finden\u00ab, \u00bbdie Wahrheit sei in der H\u00f6he verborgen und in der\n1)\tB. vermeidet S. 436 auf das Hebr\u00e4ische einzugehen, wie S. 446 auf das Chald\u00e4ische und Arabische. Ueber B.\u2019s eigene Kenntniss dieser Sprachen vgl. Charles S. 123 Note.\n2)\tBeklagt sich \u00fcber Unkenntniss der griechischen Zahlzeichen, die Beda ekannt waren (ibid. 437) vor John Basingstoke (dessen Namen B. nie erw\u00e4hnt,\nobwohl er sicher von ihm geh\u00f6rt hatte). Vgl. auch Isidor, Etym. 1, S. 3, 10; incent de Beauvais Spec. Doctr. 3, S. 7.\n3)\tBeispiel aus dem Prol. zu Daniel; Wiederholung seiner Bemerkung \u00fcber u^nz\u00f6sische Dialecte S. 437.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nEwald Fl\u00fcgel.\nTiefe zu finden\u00ab, \u00bbum jede Wahrheit st\u00fcnden zahllose Sophismen\u00ab u. s. f. Zur Untersuchung von gro\u00dfen Fragen gen\u00fcge eine Zeitepoche nicht !) und \u00bbdie Menschheit der Zukunft wird manches wissen, was uns noch unbekannt bleibt, und die Zeit wird kommen, wenn die Nachwelt sich wundern wird, dass wir manch Offenbares nicht gewusst haben!\u00ab . . . Nach diesen gro\u00dfartigen Worten f\u00fchrt er ein Beispiel an statt vieler, aus Gregor. Hiob 36, 43, wo dieser hl. Mann vielleicht nicht Zeit gehabt habe, mehrere Schrifttexte zu vergleichen und nachzupr\u00fcfen, wie die Stelle im Griechischen und Hebr\u00e4ischen lautete. Zum Schl\u00fcsse tadelt er die Thorheit der modernen Theologen (vulgus modernorum theologorum 441), welche Ignoranten die Erkl\u00e4rung des Gregor zu retten suchten.\n5.\t(441). Alle [lateinischen] Heiligen und Weisen lernten Griechisch und Hebr\u00e4isch wegen der eigenen Sprache; denn das Latein enthalte viele Worte jener Sprachen, die man ohne Kenntniss jener Sprachen weder schreiben, noch aussprechen, noch erkl\u00e4ren, noch decliniren k\u00f6nne. Bacon gibt dann eine lange alphabetische Liste solcher griechischer Fremdworte im Latein a) aus der gew\u00f6hnlichen Bede (abyssus, adamas, aer etc.), b) aus der kirchlichen Sprache (443 : agios, anachoreta etc.), c) aus der wissenschaftlichen Terminologie der Gelehrten (444 : alphabetum, syllaba etc.). Eine viel k\u00fcrzere Liste von hebr\u00e4ischen Fremdworten folgt (445)1 2), aber die chald\u00e4ischen und arabischen \u00bbunz\u00e4hligen\u00ab Fremdworte \u00fcbergeht er \u00bbf\u00fcr diesmal\u00ab (ad hanc horam 446).\nSeine kritischen Schlussfolgerungen aus den von ihm angef\u00fchrten AVorten sind: a) dass sie f\u00fcr lateinische gehalten werden, wo sie es nicht sind; b) dass ihre Etymologien falsch gegeben werden; c) dass sie falsch geschrieben und falsch ausgesprochen werden ; folgt scharfe Kritik der L\u00fcgner Papias u. s. w. (447)3).\n6.\tDie lateinische Grammatik k\u00f6nne nicht ohne Griechisch verstanden werden (464)4).\n1)\tEin Gedanke, der von Seneca, Natur. Qu\u00e6st. 7, 31 angeregt ist, vgl. Brewer S. 440.\n2)\tDie hier in Brewer\u2019s Ms. gegebene Capiteleintheilung st\u00f6rt.\n3)\tDas letzte Capitel ist so angeschwollen, dass B. zu Anfang des 8. Capitels S. 464 das Vorhergehende res\u00fcmirt.\n4)\tB. will nicht auf Einzelheiten eingehen und verweist auf Pris ci an, Donat (Major) und Servius; vgl. den achten Grund des Op. Maj.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Roger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\n187\n7.\tEs gibt keine grundlegenden Originalwerke (textus) im Lateinischen \u2014 das Corpus Juris Canonici und Civilis seien keine textus, sondern nur constitutiones praelatorum1) et principum (465) __ man solle zur Quelle selbst zur\u00fcckgehen und nicht die tr\u00fcben abgeleiteten W\u00e4sser trinken2).\n8.\tEin achter Grund ist die Unm\u00f6glichkeit, aus einer fremden Sprache zu \u00fcbersetzen3).\n9.\tDie F\u00fclle der technischen Ausdr\u00fccke aller Wissenschaften, welche dem Lateinischen aus fremden Sprachen geflossen sind4 5).\n10.\tWie Aristoteles muss die Bibel im Original gelesen werden.\n11.\tAlle Uebersetzungen von philosophischen Werken ins Lateinische sind mangelhaft und irref\u00fchrend.\n12.\tEs fehlen Uebersetzungen von biblischen B\u00fcchern, von wichtigen griechischen Kirchenv\u00e4tern, selbst von Josephus6). Die Kirche schlummere in dieser Hinsicht, und habe seit 70 Jahren nichts gethan, mit Ausnahme dessen, was Grosseteste f\u00fcr Dionysius geleistet habe (Mirum est de negligentia ecclesiae); seit den Tagen des Papstes Dama sus habe es weder einen Papst gegeben, noch einen niederen Geistlichen, der sich um Uebersetzungen ernstlich gek\u00fcmmert habe.\n13.\tDie urspr\u00fcnglich gut \u00fcbersetzten Texte sind im Laufe der Zeit corrumpirt, und k\u00f6nnen nicht verbessert und verstanden, erkl\u00e4rt und gelesen werden ohne Kenntniss der Ursprachen6). Diesem 13. Grunde hat Bacon eine ganze Beilie von Gedanken eingef\u00fcgt, welche seine ausgebreitete Kenntniss ebenso zeigen, wie seinen Scharfsinn und die unglaubliche Ignoranz der Zeitgenossen. Er spricht \u00fcber die Nothwendigkeit des Griechischen a) zur Bestimmung der\n1)\tDas Lob des Can. Jus zu Anfang des Op. Maj. (1, 34 f. vgl. 66) klingt ganz anders! Gegen das Jus Civ. vgl. Comp. St. 419.\n2)\tEine poetische Stelle S. 466.\n3)\tDer erste Grund des Op. Maj.\n4)\tDer zweite Grund des Op. Maj. Es folgt hier (S. 468) die Anecdote aus seiner Pariser Lehrzeit (?) mit den spanischen Studenten, die er auch im Op. Maj. 1) 67; Op. Tert. 91 erw\u00e4hnt; ferner die Bemerkung \u00fcber die Aristoteles-Ueber-setzungen, die besser verbrannt w\u00fcrden, und die Grosseteste v\u00f6llig vermieden\nabe, sich auf das eigene experimentum und andere Autoren verlassend.\n5)\tDer vierte Grund des Op. Maj. Ich weiche hier von Brewer\u2019s Randglosse 474 ab.\n6)\tVgl. bereits Augustin. De Doctr. Christ. 2, 13, den B. citirt S. 475, 478, a \u00dfr kritisch genug verbessert.","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nEwald Fl\u00fcgel.\nQuantit\u00e4t und des Accents (475 f.)1), b) zur Entscheidung bei doppelsinnigen W\u00f6rtern (477), c) bei grammatischen Constructionen (477), d) bei Wortabtheilung (478), e) zur Erkenntniss der etwaigen Ein-schiebungen der Glossatoren (479), bei der Satzinterpunction (480), zur Erkl\u00e4rung biblischer Eealien (483)2), zur Bestimmung der biblischen Chronologie (488 ff.). \u2014\nIn dem 9. Capitel beginnt er (495) mit der Griechischen Grammatik und behandelt zun\u00e4chst 1. das Alphabet und die Laute (495\u2014507), 2. die Silbentheilung (nach Priscian3), 507\u2014508), 3. die Accentuation und Prosodie (508\u2014518). Mit dem Anf\u00e4nge des 12. Capitels bricht das Fragment bei Brewer ab, \u00fcber dessen Bedeutung und Quellen und Zusammenhang mit Bacon\u2019s ausgef\u00fchrter griechischer Grammatik erst nach der (endlich) bevorstehenden Ver\u00f6ffentlichung der letzteren zu sprechen ist4).\nWas bis jetzt von dieser griechischen Grammatik bekannt ist5), sind die wenigen Stellen, welche Charles p. 358\u2014361 citirt. Dieselben zeigen eine enge Verwandtschaft mit dem Comp. Studii. Nach\n1)\tZu a und b. Vgl. Augustin 1. c. L. 3, c. 2, c. 3 (talia linguae praece-dentis inspectione dijudieantur).\n2)\tPropter nomina propria hominum et propter vocabula locorum, et propter nomina animalium, et plantarum et omnium rerum quae sunt in Scriptura (vgl. auch Op. Min. 353 ff.): v\u00f6llig mit Augustin\u2019s Forderungen \u00fcbereinstimmend, den B. nicht citirt; vgl. De Doctr. Christ., L. 2, c. 16; c. 29, 30. Der n\u00e4chste Punkt ibid. c. 29. Bacon\u2019s Beispiele chirogrillus (483), nycticorax (485), pellicanus (487) sind selbst\u00e4ndig. Interessant die Bemerkung \u00fcber den chirogrillus = cuniculus in Poitou, Aquitaine, Toulouse und der Provence (483).\n3)\tDass B. auch den Priscian kritisch betrachtet, s. S. 215.\n4)\tWenn der Donatus Graecorum, den Joh. v. Basingstoke (+ 1252) nach Matth. Paris, aus dem Griechischen \u00fcbersetzt haben soll, nicht eine Mythe ist \u2014 Tanner kann kein Ms. daf\u00fcr anf\u00fchren, Bibi. 431 \u2014 w\u00e4re diesem wenigstens die Priorit\u00e4t zuzusprechen. Es ist \u00fcbrigens merkw\u00fcrdig, dass B. diesen ber\u00fchmten Gr\u00e4cisten und Freund Grosseteste\u2019s nie erw\u00e4hnt. An der Stelle Comp. Stud. 434, wo er \u00fcber die griech. Lehrer in Italien und England spricht, \u00fcber Grosseteste\u2019s Bem\u00fchungen, dieselben nach-England zu bringen, h\u00e4tte er auch Joh. v. Salisbury erw\u00e4hnen k\u00f6nnen, der in Apulien Griechisch lernte, Metal. L. 1 c. 15 (p. 40 ed. Giles). Die Notiz bei Voigt, Wiederbelebung des dass. Alterthums 2, S. 380 \u00fcber des Chrysoloras \u00bberste griech. Grammatik\u00ab, die der \u00bblatein. Welt\u00ab gegeben, ist demnach doppelt zu berichtigen.\n5)\tEs gibt davon 2 Mss., a) das \u00e4lteste in der Bibliothek des Corpus Christi College, Oxford; b) eine Abschrift des ersteren aus dem 17. Jahrh. im Univ. Coli. (Brewer XLI); aus letzterem gibt Charles seine Ausz\u00fcge.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Roger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\n189\nCharles zerf\u00e4llt die Grammatik in 3 Haupttheile, jeder in mehrere Distinctions, und jede dieser in mehrere Capitel. Das Ganze beginnt, wie das 9. Capitel des Comp. Studii (495 ; Habitis causis propter quas necesse est ut Latini sciant satis de grammatica aliarum lin-guarum . . Graecae Hebraicae et Arabicae, volo incipere a Gr\u00e6ca . Manifesta[ta] ') laude et declarata utilitate cognitionis grammaticae et linguarum Hebraicae Graecae et Arabicae et Chaldeae quantum ad usum Latinorum . . nunc . . primo accedendum est ad grammaticam Gr\u00e6cam etc. Dann folgen Lese- und Schreib\u00fcbungen (c. 1), ein Tractat \u00fcber die Diphthonge c. 2, die Accente c. 3, die Abk\u00fcrzungen c. 4. \u2014 Dist. II handelt \u00fcber die Aussprache, die Namen der Buchstaben, den Artikel u. s. w. Als Lese\u00fcbung wird das Vaterunser, der engl. Gru\u00df, das Credo etc. gegeben. Es folgen die Zahlenwerthe der griechischen Buchstaben (der Zusatz \u00bbrapport\u00e9es . . . par Jean Basingestoke\u00ab r\u00fchrt wohl von Charles her?). \u2014 Der 2. Haupt-theil handelt von den Dialecten [\u00fcber die bereits Isidor Et. 9, 1, 5 spricht], welche sich wie das Picardische und Normannische zum Franz\u00f6sischen verhielten; von der Articulation, den Vocalen und Consonanten [\u00fcber des Pythagoras neue Buchstaben, vergl. bereits Isidor 1, 3, 9], Bemerkenswerth ist die von Charles 359 angef\u00fchrte Stelle: Grammatica una et eadem est secundum substantiam in omnibus linguis, licet accidentaliter varietur. Sie findet sich nicht im Op. Maj. und Tert.1 2), und zeigt, dass auch Bacon die Verschiedenheit der Sprachen f\u00fcr secund\u00e4r, accidental hielt und die Principia essentialia eadem apud omnes, wie Bobert v. Kilwardby (f 1279) und der philosophische Anonymus (BB) bei Thurot 124\u2014127. Die Liste seiner Autorit\u00e4ten bei Charles 359 ist merkw\u00fcrdig: Beda, Priscian, Donat, Servius und die Dichter Lucan, Juvenal, Statius, Horaz, Persius, Juvencus, Arator, Prudentius, Paulinus, Prosper, Sedulius, Isidor, Plinius! Hugutio und Papias erkennt er nicht an, wo sie nicht best\u00e4tigt werden durch bessere Autorit\u00e4t, und dem Brito folge er nirgends (quia ubique\n1)\tManifesta bei Charles; Manifestata bei Brewer, 1. c.\n2)\tB. vermeidet in den bis jetzt gedruckten Werken im allgemeinen sprach-philosophische Fragen und jedenfalls muss auf die Ver\u00f6ffentlichung des Compendium Theologiae gewartet werden, ehe man \u00fcber seine Stellung zum Nominalismus und Realismus endg\u00fcltig entscheiden kann, vgl. Brewer LXIX.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nEwald Fl\u00fcgel.\nerrat, vel dubia dicit, vel vana, vel probationes l\u00e9gitimas non affert sui capitis stultitia obstinatus. \u2014 Die 3. Dist. enth\u00e4lt eine scharfe Kritik einer Grammatik, die dem Aristoteles f\u00e4lschlich zugeschoben wurde (Charles 360; ist dies Basingestoke\u2019s Donatus Gr\u00e6corum? Sie beginnt: Scientia est ordinatio depicta in anima universitatis et diversitatis causatorum und, wie ich aus Thurot 51 ersehe, findet sich dieser Anfang in Ms. 11277 der Bibi. \u00efmp\u00e9r.). \u2014 Nach Charles 360 folgt eine lange Liste der griechischen Lehnworte im Lateinischen [die gleiche wie Comp. St. 441 ?], darauf ein Abschnitt \u00fcber die Zahlzeichen und Ignoranz derselben bei Theologen, Medicinern, Astronomen und den Bisch\u00f6fen, die sie zu den kirchlichen Consecrationen brauchten. Endlich folgen Capitel \u00fcber Accentuation, Prosodie, die [drei] Declinationen und Conjugationen. Die Grammatik schlie\u00dft mit dem Paradigma tout\u00ab) [Brewer Op. Ined. LXIY].\nUm zum Schl\u00fcsse ein zusammenfassendes Urtheil \u00fcber Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte philologischer Studien zu geben, m\u00fcssen wir zun\u00e4chst feststellen \u2014 mit dem Vorbehalte, dass die noch unver\u00f6ffentlichten Werke dies Urtheil ver\u00e4ndern m\u00f6gen \u2014\n1.\tdass Bacon dem Sprachstudium keine hohe, selbst\u00e4ndige Stellung unter den Wissenschaften zuerkennt, denn das Studium der Sprachen ist f\u00fcr ihn ein H\u00fclfsmittel f\u00fcr die Theologie und Philosophie;\n2.\tdass Bacon auch den allgemeinen sprachphilosophischen Fragen (ebenso wie der Logik) kein besonderes Interesse entgegenbringt, und zu keinem systematischen Aufbau einer Sprachwissenschaft schreitet, wie Alpharabius erstmalig wenigstens versucht;\n3.\tdass sich bei Bacon keine originellen neuen Gedanken \u00fcber das Wesen der Sprache oder der grammatischen Kategorien finden;\n4.\tdass Bacon \u2014 trotz der verstreuten Bemerkungen \u00fcber lebende Sprachen \u2014 diese letzteren nicht ernstlich in das Bereich seiner Betrachtungen zieht, dass er in dieser Hinsicht den gro\u00dfen Schritt, den Dante that, nicht vorbereitete.\nAber trotz dieser Abz\u00fcge m\u00fcssen wir erkennen, dass Bacon einen ehrenvollen Platz in der Geschichte der Philologie verdient,\n1. vor Allem \u2014 und dies entspricht seiner allgemeinen Bedeutung in der Geschichte des menschlichen Geistes \u2014 wegen der scharfen Kritik, die er aus\u00fcbte an den grammatischen Traditionen, aus denen sich seine Zeitgenossen nicht befreien konnten ;","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Roger Bacon\u2019s Stellung in der Geschichte der Philologie.\t191\n2.\twegen der klaren Erkenntniss dessen, was Noth that auf dem Gebiete bes. der biblischen Textkritik, und vor Allem auf dem Gebiete der Etymologie; wegen der r\u00fccksichtslosen Durchf\u00fchrung eines vom Alterthum bereits aufgestellten, von den fr\u00fcheren Kirchenschrift-stellem anerkannten, im sp\u00e4teren Mittelalter aber g\u00e4nzlich au\u00dfer Acht gelassenen etymologischen Princips;\n3.\twegen der unerm\u00fcdlich wiederholten Forderung gr\u00fcndlicher und breiterer sprachlicher Kenntnisse, und damit einer Vertiefung der sprachlichen Studien im Gegensatz zu der Verflachung derselben bei seinen Zeitgenossen;\n4.\twegen seiner eigenen gr\u00fcndlichen, besonders griechischen Sprachkenntnisse, welche, wenn sie auch nicht immer unseren Anforderungen gen\u00fcgen, dennoch seiner Kritik eine solide Basis geben und ihn bef\u00e4higten, die erste selbst\u00e4ndige griechische Grammatik des Mittelalters zu verfassen.\nAus diesen Gr\u00fcnden wird man nicht anstehen, in seiner Kritik einen wesentlichen Fortschritt philologischer Studien zu erkennen, und ihn f\u00fcr einen Vorl\u00e4ufer der Philologie der Renaissance zu halten.\nNachtrag. Wenn Prantl, Geschichte der Logik 3, S. 121 sagt: \u00bbHebt man hervor, dass er auf Sprachstudium, auf Physik und insbesondere auf Mathematik hinwies, so soll man bedenken, dass vor ihm der Grammatiker Helias lebte, aus welchem schon Vincent de Beauvais sch\u00f6pfte, und dass Albert mit reichen H\u00e4nden Naturkunde spendete, sowie dass Robert Capito die gleiche mathematische Neigung besa\u00df\u00ab, so ist darauf zu bemerken: 1) dass Vincent\u2019s (i-1264) Sch\u00f6pfen bekannt genug ist, dass dieser, ohne sich der eignen Armuth zu sch\u00e4men, \u00fcberhaupt nichts that als sch\u00f6pfen, dass er, v\u00f6llig kritiklos, v\u00f6llig zufrieden ist mit Papias, dass die Idee eines gro\u00dfen etymologischen W\u00f6rterbuchs (wie sie B. verschwebte) ihn geradezu erschreckt, Spec. Doctr. 2, 45; und dass B. \u00fcber jeden Vergleich mit Vincent erhaben ist; 2) dass der Name des Petrus Helias besonders ungl\u00fccklich gew\u00e4hlt ist. Dieser von Vincent ausgebeutete Priscian-Commentator und lateinische Grammatiker des 12. Jahrh. kommt bei einem Vergleich mit B. \u00fcberhaupt gar nicht in Frage. Er ist v\u00f6llig unselbst\u00e4ndig und bereits von Thurot (1. c. S. 96, 97) gen\u00fcgend charakterisirt. Evrard de Bethune w\u00e4re eher zu nennen gewesen, dessen Graecismus (bes. c. 10) das Gebiet der griechischen Etymologie ber\u00fchrt, aber freilich gerade in der von B. ger\u00fcgten Weise,\nvgl. Thurot, S. 109 ff.","page":191}],"identifier":"lit4571","issued":"1902","language":"de","pages":"164-191","startpages":"164","title":"Roger Bacon\u2018s Stellung in der Geschichte der Philologie","type":"Journal Article","volume":"19"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:24:36.452198+00:00"}