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{"created":"2022-01-31T14:22:06.485488+00:00","id":"lit4577","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"K\u00fclpe, Oswald","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 19: 508-556","fulltext":[{"file":"p0508.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindrilcken.\nVon\nOswald K\u00fclpe.\n\"W\u00fcrzburg.\nIn einer fr\u00fcheren Abhandlung habe ich auf eine experimentelle Best\u00e4tigung der Annahme von Vorstellungsobjecten, die ich anhangsweise nachliefern w\u00fcrde, hingewiesen1). Ich habe jedoch die Ver\u00f6ffentlichung der vor 11 Jahren zum Abschluss gelangten Beobachtungen und Versuche bisher unterlassen, weil ich hoffte, die zun\u00e4chst nur auf optischem Gebiete gesammelten Thatsachen durch entsprechende Experimente tactiler Art erg\u00e4nzen zu k\u00f6nnen. Die Schwierigkeiten, die sich hier entgegengestellt haben und die vornehmlich darin bestanden, dass sich eine Einrichtung mit genauer Intensit\u00e4tsabstufung und beliebiger Application der Beize auf verschiedenen Hautstellen nicht in practicahler Form wollte treffen lassen, haben bisher neben anderen Umst\u00e4nden die Ausf\u00fchrung dieser Absicht verhindert. Erst k\u00fcrzlich ist es mir m\u00f6glich gewesen, diese L\u00fccke auszuf\u00fcllen. So benutze ich denn diese Gelegenheit, wo mein hochverehrter Lehrer in wissenschaftlicher Form den Dank seiner Sch\u00fcler empf\u00e4ngt, um die Versuche mitzutheilen, die zum gr\u00f6\u00dften Theil noch in seinem alten, jetzt verschwundenen Institut angestellt wurden und dazu bestimmt waren und sind, ein wichtiges St\u00fcck seiner Erkenntnistheorie, das der empirischen Pr\u00fcfung zug\u00e4nglich ist, zu st\u00fctzen und zu empfehlen.\nIst \u2014 so etwa war der Gedankengang, der mich hei diesen Experimenten leitete \u2014 unsere Erfahrung urspr\u00fcnglich einheitlicher Art,\n1) Philos. Stud. VH, S. 399.","page":508},{"file":"p0509.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 509\nweder subjectiv noch objectiv, sind diese Attribute also, wie ich mich fr\u00fcher ausdr\u00fcckte, keine immanenten1), sondern lediglich aus erworbenen Kenntnissen hergeleitete, auf besondere empirische Kriterien gegr\u00fcndete Bestimmungen der Inhalte oder Erlebnisse2), dann muss es durch geeignete Ma\u00dfnahmen m\u00f6glich sein, irrth\u00fcmliche oder wenigstens zweifelhafte Subjectivirungen und Objectivirungen hervorzurufen. Wenn man es den Erlebnissen nicht ansehen kann, ob sie subjectiv oder objectiv sind, dann muss ferner das Urtheil \u00fcber diese Momente von Eactoren abh\u00e4ngig sein, die au\u00dferhalb der Erlebnisse selbst liegen und gewisserma\u00dfen nur zuf\u00e4llig mit ihnen Zusammenh\u00e4ngen. Ueber diese Eactoren, die zur Zeit nicht genauer bekannt sind, Aufschluss zu erhalten, war daher gleichfalls eine Aufgabe der von mir unternommenen Versuche. Endlich aber konnte das individuelle Verhalten einer gr\u00f6\u00dferen Anzahl von Versuchspersonen mannigfache Unterschiede der Subjectivirung und Objectivirung aufdecken und die psychologische Erkenntniss dieser Processe f\u00f6rdern.\nI. Optische Versuche.\n1. Versuchsanordnung und allgemeine Ergebnisse.\nDie optischen Inhalte tragen s\u00e4mmtlich die Eigenschaften der Qualit\u00e4t, Intensit\u00e4t3), Ausdehnung und Dauer an sich. Au\u00dferdem haben sie einen Ort und stehen sie zu einander in Beziehungen. Nach allen diesen Richtungen sind sie variabel. Ich lie\u00df meine Versuchspersonen dar\u00fcber v\u00f6llig im Unklaren, welcher Art die von mir dargebotenen optischen Reize seien. Sie konnten glauben und haben nach ihren Aussagen thats\u00e4chlich geglaubt, dass Ver\u00e4nderungen in allen von mir angegebenen Richtungen stattf\u00e4nden. Thats\u00e4chlich wurde nur die Intensit\u00e4t und die Dauer der Reize variirt. Ort, Form und Qualit\u00e4t blieben stets dieselben, und ich beschr\u00e4nkte\n1)\tPhilos. Stud. Vm, S. 313 f.\n2)\tDiesen Ausdruck hat jetzt auch Wundt (System der Philos. 2. Aufl. S. 86) acceptirt.\n3)\tin dem Sinne, wie G. B. M\u00fcller (Ztschr. f. Psychol. X, S. 2 f.) diesen Begriff bestimmt hat. Dadurch erledigen sich meine fr\u00fcheren Bedenken (Grundriss d. Psychol. S. 117 f.) gegen die Anwendung des Intensit\u00e4tsbegriffes im Gebiet der Gesichtsempfindungen.","page":509},{"file":"p0510.txt","language":"de","ocr_de":"510\nOswald K\u00fclpe.\nmich auf einen einzigen Reiz. Die Yp1) wussten nur, dass sie gelegentlich etwas zu sehen bek\u00e4men, und hatten die Aufgabe, alles, was sie sahen, zu schildern, anzugeben, ob sie es f\u00fcr suhjectiv oder objectiv hielten hezw. zweifelhaft w\u00e4ren, und die Motive f\u00fcr die Suhjectivirung oder Qbjectivirung mitzutheilen, falls sie sich deren bewusst w\u00fcrden.\nDie Versuche fanden unter den beschriebenen Umst\u00e4nden nat\u00fcrlich im Dunkelzimmer statt. Der Stuhl, auf dem die Yp in bequemer, ruhiger Haltung sa\u00df, war nach der einen Schmalwand schr\u00e4g gerichtet, auf die die optischen Heize projicirt wurden. Ein in der Mitte einer L\u00e4ngswand aufgestellter hoher Kasten bildete mit dieser einen Winkel, in dessen Scheitelkante der Stuhl hineingestellt war. Auf der anderen Seite dieses Kastens, nach der anderen Schmalwand zu, f\u00fcr die Yp unsichtbar, dehnte sich der Tisch des Experimentators aus. Auf diesem stand eine Petroleumlampe (mit Rundbrenner), die durch einen Tubus lichtdicht verschlossen war und mittelst einer seitlich einm\u00fcndenden R\u00f6hre ihr Licht nach ausw\u00e4rts entsenden konnte. In dieser R\u00f6hre befand sich ein Schlitz, in dem eine Milchglasplatte der Schw\u00e4chung und Zerstreuung des austretenden Lichts diente. Vor der R\u00f6hre war endlich ein Holzschirm auf gestellt, in den ich ein Auhert\u2019sches Diaphragma eingelassen hatte, durch dessen mit einer Mattglasscheibe verdeckte Oeffnung das Licht seinen Weg auf die dem Beobachter zug\u00e4ngliche Schmalwand des Zimmers nahm. Die Entfernung des Schirmes von der Wand betrug 2y4 m, die des Beobachters von ihr etwa iy2 m. In der Augenh\u00f6he desselben bildete sich nun ein Quadrat ab, dessen Gr\u00f6\u00dfe, Helligkeit und Sichtbarkeitsdauer ich variiren konnte. Dabei benutzte ich an dem Diaphragma Oeffnungen von 20 bis zu 110 mm Diagonall\u00e4nge, w\u00e4hrend die Sichtbarkeitsdauer von 1 bis zu 20 Sek. variirt wurde. Mit Hilfe eines aus Flie\u00dfpapier hergestellten, ganz ger\u00e4uschlos arbeitenden Deckels wurde die R\u00f6hre, durch die das Licht allein austreten und auf das Diaphragma fallen konnte, nur zeitweise ge\u00f6ffnet, und eine drau\u00dfen auf dem Corridor die Sekunden schlagende Wanduhr diente mir als Zeitnorm. Ferner wurden die, \u00fcbrigens ganz unregelm\u00e4ssigen,\n1) Dieser praktischen Bezeichnung bediene ich mich nach dem Vorg\u00e4nge von Cordes (Philos. Stud. XVH, S. 31) f\u00fcr die Versuchspersonen.","page":510},{"file":"p0511.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 511\nIntervalle zwischen den einzelnen Versuchen, die sich innerhalb der Grenzen von 10 Sek. und einigen Minuten bewegten, an der Taschenuhr abgelesen. Dazu und zur F\u00fchrung des Protocolls reichte gerade die schwache diffuse Helligkeit aus, die sich zwischen Schirm und Lampe sammelte. Die H\u00f6he der Flamme der vor jeder Versuchsstunde sorgf\u00e4ltig geputzten Lampe wurde constant auf 6 cm erhalten und jedesmal w\u00e4hrend und am Ende der Versuche controllirt. Die Lichtst\u00e4rke des Bildes wurde somit nur durch die Gr\u00f6\u00dfe der Diaphragma\u00f6ffnung ver\u00e4ndert.\nDie nach einer viertelst\u00fcndigen Adaptation beginnenden Versuche wurden mit 11 Vp ausgef\u00fchrt. Davon haben mir 7, n\u00e4mlich die Herren Grosch, Pace, Schleimer, Warren, Meumann, Wit-mer und Heyfelder, zu einigen Reihen, die \u00fcbrigen 4, die Herren van Bierfliet, Jerusalem, Kirschmann und von Schubert-Sol dern nur zu je einer Reihe zur Verf\u00fcgung gestanden. Ihnen allen, namentlich den beiden erstgenannten Herren, die ich am l\u00e4ngsten in Anspruch genommen, meinen besten Dank auszusprechen, ist mir eine angenehme Pflicht. Jede Reihe dauerte mit Einschluss der einleitenden Adaptationszeit ungef\u00e4hr eine Stunde und bestand aus 30\u201470 Versuchen. Ich selbst konnte mich als Vp nicht betheiligen, weil die Grundvoraussetzung hier eine streng durchgef\u00fchrte Unwissentlichkeit war.\nBesondere Aufmerksamkeit erforderte es, die Vp nicht wissen zu lassen, dass und wann ein Lichtreiz erfolge und wie lange er dauere. Einmal erkl\u00e4rte eine Vp, dass sie nach dem Abschluss meines Pro-tocollirens, das sie h\u00f6ren konnte, einen Reiz erwarte. Seitdem wurde auch diese Function so ger\u00e4uschlos wie m\u00f6glich ausge\u00fcbt. Die Aussagen \u00fcber Natur und Dauer der objectivirten Erscheinungen zeigten, dass es mir gelungen war, die Experimente in dieser Richtung vorsichtig genug anzustellen.\nIn das Protocol! wurden nicht nur die jeweilige Stellung des Diaphragmas und die Dauer der Reize, sondern auch die Intervalle zwischen den einzelnen Versuchen aufgenommen. Als ein Versuch wurde dabei au\u00dfer s\u00e4mmtlichen von mir ausgef\u00fchrten Reizungen jede besondere Aussage der Vp betrachtet, mochte sich dieselbe nun auf etwas objectiv Gegebenes oder auf eine rein subjective Erscheinung beziehen. Dagegen wurde die allgemeine Mittheilung, dass subjective","page":511},{"file":"p0512.txt","language":"de","ocr_de":"512\nOswald K\u00fclpe.\nLichterscheinungen beobachtet wurden, die sich etwa l\u00e4ngere Zeit hindurch einstellten, nur notirt, nicht aber als Versuch gerechnet. Daraus erkl\u00e4rt es sich, dass es mir nicht ang\u00e4ngig schien, in den Tabellen die vergleichsweise seltenen F\u00e4lle richtiger Suhjectivirung aufzuf\u00fchren. Sie h\u00e4tten ein ganz falsches Bild von den wirklich stattgefundenen Urtheilen dieser Art, die viel zahlreicher waren, geliefert. Dagegen sind alle f\u00e4lschlichen Subjectivirungen, ebenso wie die richtigen und falschen Objectivirungen und die zweifelhaften F\u00e4lle wohl ohne Ausnahme als einzelne Versuche gez\u00e4hlt worden. Dazu kommen endlich die nicht seltenen F\u00e4lle, in denen ein Beiz \u00fcberhaupt keine Aussage ausl\u00f6ste.\nIn der Tabelle I sind die Ergebnisse aller Versuche mit Bezug auf das Hauptproblem nach den einzelnen Vp geordnet dargestellt. Dabei bedeutet Z die Gesammtzahl der einzelnen Versuche, Or die Zahl der richtigen Objectivirungen, Of die Zahl der falschen Objectivirungen, Sf die Zahl der falschen Subjectivirungen, Zwo die Zahl der zweifelhaften Urtheile, sofern sie sich hei ohjectiv erzeugten, Zws die Zahl der zweifelhaften Urtheile, sofern sie sich bei rein sub-jectiven Erscheinungen einstellten. Unter F endlich ist die Summe der Of, Sf, Zwo und Zws zu verstehen, also die Gesammtzahl aller fehlerhaften und zweifelhaften F\u00e4lle. Die Procente sind durchweg im Ver-h\u00e4ltniss zu Z berechnet worden. Das Verh\u00e4ltnis von F zu Or ist so leicht zu \u00fcbersehen, dass es eines besonderen procentischen Ausdrucks daf\u00fcr nicht bedarf. Die letzte, mit Sa. eingef\u00fchrte Horizontal-columne enth\u00e4lt eine Zusammenrechnung aller Ergebnisse.\nAus Tabelle I entnehmen wir zun\u00e4chst, dass hei betr\u00e4chtlichen individuellen Unterschieden doch alle Vp fehlerhafte bezw. zweifelhafte F\u00e4lle aufzuweisen haben. Bechnet man alle Versuche zusammen, so erhalten wir durchschnittlich 33^ richtiger Objectivirungen, denen 19^ F gegen\u00fcberstehen. Nun ist freilich eine Schwierigkeit nicht zu \u00fcbersehen. Genau genommen, sind nur die richtigen Subjectivirungen, die \u00fcberhaupt nicht in der Tabelle figuriren, und die Of, sowie die Zws als schlechthin zuverl\u00e4ssig zu betrachten. Bei jedem anderen Falle ist eine volle Sicherheit dar\u00fcber, oh die Einordnung zutreffend ist, nicht zu erlangen. Denn das Zusammentreffen einer Suhjectivirung, Objectivirung oder zweifelhaften Aussage mit einem objectiven Beiz bietet keine Gew\u00e4hr daf\u00fcr, dass das Urtheil","page":512},{"file":"p0513.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 513\nTabelle I.\nVp\tZ\tOr\tF\tOf\tSf\tZwo\tZws\tOf+Zws\tSf+Zwo\nGrosch\t\t937\t389\t140\t1\t7\t132\t0\t1\t139\n\t\t42%\t16%\t0,10/0\t0,750/0\tI40/0\tOo/o\t0,1 0/0\t150/0\nFace\t\t746\t283\t97\t61\t3\t22\t11\t72\t25\n\t\t38%\t13%\t8%\t0,4 o/0\t3 o/0\t1,\u00f6o/o\t10 0/0\t3o/o\nSchleimer ....\t517\t118\t44\t19\t4\t14\t7\t26\t18\n\t\t23%\t8,5 o/o\t40/0\t0,8 o/0\t3%\tl,4 0/o\t5o/o\t3,5o/o\nWarren\t\t460\t78\t159\t124\t25\t3\t7\t131\t28\n\t\t17%\t35 0/o\t27 o/0\t5o/o\t0,7o/o\t1,5%\t28 0/0\t6%\nMeumann ....\t355\t151\t91\t52\t0\t16\t23\t75\t16\n\t\t43%\t\u25a026 0/o\t15o/o\tOo/o\t50/o\t6 0/0\t21%\t5%\nWitmer\t\t171\t29\t70\t49\t3\t11\t7\t56\t14\n\t\t17%\t410/0\t29 0/o\t1,8%\t6%\t4%\t33o/o\t8%\nHeyfelder ....\t121\t55\t4\t2\t2\t0\t0\t2\t2\n\t\t45%\t3,3 0/o\tl,7 0/o\tl,7o/o\t0%\tOo/o\tl,7 0/o\t1,7%\nKirschmann ..\t43\t7\t22\t17\t0\t0\t5\t22\t0\n\t\t16%\t510/0\t40 0/0\tOo/o\tOo/o\t12o/o\t51%\tOo/o\nJerusalem ....\t42\t14\t12\t9\t1\t0\t2\t11\t1\n\t\t33%\t29o/o\t21o/o\t2,4 0/0\t0%\t5 0/o\t26 0/0\t2,4o/o\nv. Schubert-S.\t42\t8\t2\t0\t0\t2\t0\t0\t2\n\t\t19%\t5%\t0%\tOo/o\t5 o/0\tOo/o\tOo/o\t5o/o\nvan Bierfliet..\t30\t18\t4\t1\t1\t2\t0\t1\t3\n\t\t60%\t13o/o\t3,30/0\t3,3o/o\t7%\tOo/o\t3,3o/o\t10 0/0\nSa.\t3464\t1150\t645\t335\t46\t202\t62\t397\t248\n\t\t33%\t19%\tO o\"- O tH\t1,3 o/0\t6 0/0\t2o/o\t11%\t7o/o\nWundt, Philos. Studien. XIX.\t33","page":513},{"file":"p0514.txt","language":"de","ocr_de":"514\nOswald K\u00fclpe.\nsich auf diesen wirklich bezogen habe. Hier haben nun die specielleren Aussagen der Yp \u00fcber die von ihnen beurtheilten Erscheinungen aushelfen m\u00fcssen und k\u00f6nnen. Wenn eine Vp z. B. gleichzeitig mit einer objectiven Reizung erkl\u00e4rte: ab und zu leuchtende Punkte, die rasch aufeinanderfolgen, so wurde dieser Pall nicht als Or in das Protocoll eingetragen. Dass auf diesem Wege der Pr\u00fcfung jede irr-th\u00fcmliche Einordnung in die zur Verf\u00fcgung stehenden Kategorien ausgeschlossen worden w\u00e4re, wage ich nicht zu behaupten, aber in den weitaus meisten F\u00e4llen glaube ich das Richtige getroffen zu haben. Die Fehler, die etwa begangen worden sind, k\u00f6nnten auch nur darin bestehen, dass die Zahl der Or, Sf und Zwo zu gro\u00df angegeben worden w\u00e4re, und entsprechend die Zahl der Of und Zws eine Verkleinerung erfahren h\u00e4tte, wenn wir von den richtigen Sub-jectivirungen absehen. Auf das Gesammtresultat, sofern es sich in Procenten der F ausdr\u00fcckt, hat ein solcher Irrthum aber kaum einen Einfluss.\nVon den mitgetheilten Versuchsergehnissen haben offenbar eine gr\u00f6\u00dfere Bedeutung die von den f\u00fcnf zuerst aufgef\u00fchrten Vp stammenden, weil nur sie f\u00fcr eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl von Reihen bei verschiedener Diaphragma\u00f6ffnung und Sichtbarkeitsdauer zur Verf\u00fcgung standen. W\u00e4hrend die drei Ersten ein Verh\u00e4ltniss der richtigen (Or) zu den falschen oder zweifelhaften F\u00e4llen (F) etwa wie 3 : 1 aufweisen, haben wir hei Meumann \u00fcber die H\u00e4lfte der Anzahl von Or und bei Warren gar das Doppelte derselben f\u00fcr F erhalten. Von Interesse ist ferner, dass die falschen Objectivirungen (Of) fast durchweg in gr\u00f6\u00dferer Zahl aufgetreten sind, als die falschen Sub-jectivirungen (Sf). Es besteht eigentlich nur eine bemerkenswerthe Ausnahme von dieser Regel, n\u00e4mlich die Zahlen der ersten Versuchsperson Grosch. Wenn auch die eigentlichen Sf hier nicht sonderlich zahlreich sind, so erhalten sie doch eine Verst\u00e4rkung durch die betr\u00e4chtliche Zahl der Zwo, die einen Zweifel an der Objectivit\u00e4t, also gleichfalls eine Tendenz zur Suhjectivirung ausdr\u00fccken, w\u00e4hrend sich ein Zweifel an der Subjectivit\u00e4t bei einem entsprechenden Ph\u00e4nomen kein einziges Mal nach weisen He\u00df. F\u00fcr diese Eigenth\u00fcmlichkeit der Vp Grosch kann ich zwei Gr\u00fcnde anf\u00fchren. Erstens zeichnete sie sich durch eine gro\u00dfe Skepsis und Vorsicht aus, die sich zu einer Objectivirung erst bei ausschlaggebenden Motiven entschloss und den","page":514},{"file":"p0515.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjeetivirung von Sinneseiiidr\u00fccken. 515\nZweifel oder die Subjeetivirung f\u00fcr das Sicherere hielt. Ferner erkl\u00e4rte sie, ihre subjectiven Erscheinungen willk\u00fcrlich weder erzeugen noch \u00e4ndern zu k\u00f6nnen. Dadurch verwischte sich bei ihr ein wenig mehr der Unterschied zwischen den objectiven und subjectiven Ph\u00e4nomenen. Das Moment unabh\u00e4ngigen Kommens und Gehens, absoluten Gegebenseins fand sie bereits in ihren subjectiven Lichterscheinungen und konnte daher darin kein Charakteristikum der Objectivit\u00e4t erblicken. Dazu kam, dass alle Motive f\u00fcr die Objectivirung, die sie angab und bewusst benutzte, lediglich auf quantitativen Unterschieden zwischen den objectiven und den subjectiven Ph\u00e4nomenen aufgebaut waren. Darauf gehe ich noch sp\u00e4ter n\u00e4her ein.\nIm Uebrigen ist das offenkundige Uebergewicht der falschen Ob-jectivirungen \u00fcber die Sf nicht zu bezweifeln. Es tritt insbesondere auch deutlich entgegen, wenn man die Summen der Of und Zws, die sich beide auf subjective Erscheinungen beziehen, und der an objective ankn\u00fcpfenden Sf + Zwo einander gegen\u00fcberstellt. Da gerade die ersteren Zahlen nicht zu gro\u00df ausgefallen sein k\u00f6nnen (vgl. oben S. 512), so kann man darin kein k\u00fcnstliches Product erblicken. Ebenso wenig darf behauptet werden, dass die Zahl der subjectiven Ph\u00e4nomene gr\u00f6\u00dfer gewesen sei, als die der bemerkten objectiven, und dass deshalb Of + Zwo einen h\u00f6heren Betrag erreicht h\u00e4tten. Einer solchen Annahme widerspricht nicht nur die erhebliche Zahl der richtigen Objectivirungen, sondern auch die Thatsache, dass die auf einzelne Ph\u00e4nomene abgeschlossener Art sich beziehenden richtigen Subjecti-virungen verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig selten vorkamen, und der nicht unwesentliche individuelle Unterschied, der hinsichtlich des Auftretens und Verhaltens der subjectiven Ph\u00e4nomene zwischen den einzelnen Vp bestand. Nach dem Zahlenverh\u00e4ltniss, in dem beide Classen von Erlebnissen beobachtet wurden, w\u00e4re vielmehr umgekehrt ein entschiedenes Uebergewicht der Sf + Zwo zu erwarten gewesen. So weist denn dies Versuchsergebniss sicherlich darauf hin, dass eine pr\u00e4valirende Tendenz zur Objectivirung vorhanden war. Diese Tendenz ist unabh\u00e4ngig von den zweifelhaften F\u00e4llen, die im Durchschnitt keinen nennenswerthen Unterschied darbieten, deutlich erkennbar.\nDie zweifelhaften F\u00e4lle zeigen bei 6 Vp ein Uebergewicht der Zwo, bei 5 ein solches der Zws, w\u00e4hrend die falschen Subjectivi-\n33*","page":515},{"file":"p0516.txt","language":"de","ocr_de":"516\nOswald Kiilpe.\nrungen im Allgemeinen den kleinsten Betrag aufweisen. Zu besonderen Bemerkungen geben diese Thatsachen nur geringen Anlass, sofern hier noch nicht von den individuellen Unterschieden, die in diesen Zahlen hervortreten, die Rede sein soll. Die relativen Zahlen der Zwo und Zws sind haupts\u00e4chlich insofern interessant, als sie angeben, in Bezug auf welche Ph\u00e4nomene die Vp vorwiegend zweifelhaft waren. Im Allgemeinen ergibt sich hierbei ein Ueber-gewicht der Zwo, d. h. es bestand die Neigung, den objectiven Erscheinungen gegen\u00fcber relativ h\u00e4ufiger Zweifel zu \u00fcben, als den sub-jectiven gegen\u00fcber. Das kann einen doppelten Grund haben. Erstlich k\u00f6nnen die Zwo deshalb zahlreicher ausgefallen sein, weil sich h\u00e4ufiger objective Ph\u00e4nomene darboten. Zweitens deshalb, weil ihre Beschaffenheit eher Zweifel erweckte. Eine sichere Entscheidung zwischen diesen beiden Annahmen ist deshalb nicht m\u00f6glich, weil wir zwar die Gesammtzahl der objectiven Reizungen, nicht aber die der subjectiven kennen und daher \u00fcber das Zutreffen oder Nichtzutreffen der ersten M\u00f6glichkeit nicht zu voller Klarheit gelangen k\u00f6nnen. Fernerhin ist bei unseren Yp als Regel zu betrachten, dass subjective Ph\u00e4nomene, die an Dauer und Abgeschlossenheit mit den objectiven in Ooncurrenz treten konnten, vergleichsweise selten vorhanden waren. Nur bei Personen mit starken und h\u00e4ufigen subjectiven Erscheinungen, wie Warren, Meumann, finden wir daher auch ein Uebergewicht der Zws \u00fcber die Zwo. Darum d\u00fcrfte die erste Annahme den Vorzug verdienen.\nDie Tabelle II enth\u00e4lt nur Versuchsreihen der f\u00fcnf ersten Vp und ist dazu bestimmt, den Einfluss der Diaphragma\u00f6ffnung auf die Aussagen darzustellen. Unter D sind die Gr\u00f6\u00dfen der Diagonale, die ich direkt ablesen konnte, aufgef\u00fchrt. Ich habe es dabei f\u00fcr zweckm\u00e4\u00dfig gehalten, eine Anzahl dieser Werthe zusammenzufassen, weil dadurch die Resultate klarer, von Zuf\u00e4lligkeiten weniger getr\u00fcbt hervortreten und der procentischen Berechnung der Vortheil erw\u00e4chst, sich auf eine gr\u00f6\u00dfere Zahl von F\u00e4llen st\u00fctzen zu k\u00f6nnen.\nAus den Zahlen der Tabelle II ergibt sich zun\u00e4chst, dass die 5 Vp eine verschiedene Lichtempfindlichkeit besa\u00dfen, insofern die Zahl der Or bei gleichen D einen verschiedenen Betrag hat. Die Reihe der Vp, von der gr\u00f6\u00dften bis zur kleinsten Empfindlichkeit abgestuft, ist: Meumann, Grosch, Pace, Warren und Schleimer. Dr\u00fccken","page":516},{"file":"p0517.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 517\nTabelle II.\nYP\tD\tZ\tOr\tF\tOf\tSf\tZwo\tZws\tOf + Zws\tSf+Zwo\nGrosch ...\t40\u201445\t288\t97\t48\t1\t2\t45\t0\t1\t47\n\t\t\t34 o/o\t17 o/0\t0,4 o/0\t0,7o/o\t16 0/0\tOo/o\t0,4o/o\t16 o/o\n\t50-60\t317\t125\t65\t0\t5\t60\t0\t0\t65\n\t\t\t39 o/o\t21o/o\tOo/o\t1,6 0/0\t19o/o\tOo/o\t0%\t21o/o\n\t65\u201475\t143\t76\t18\t0\t0\t18\t0\t0\t18\n\t\t\t53 0/0\t13o/o\tOO/o\tOo/o\t13 o/0\tOo/o\t0%\t13o/o\n\t80-90\t97\t55\t9\t0\t0\t9\t0\t0\t9\n\t\t\t57o/o\t9o/o\t0%\tOo/o\t9%\tOo/o\t0%\t9%\nPace ....\t35-50\t346\t114\t46\t29\t0\t12\t5\t34\t12\n\t\t\t33o/o\t13 0/0\t8,4o/o\tOo/o\t3,4%\tl,4 0/0\t10 0/0\t3,4 0/0\n\t55\u201470\t307\t128\t47\t32\t2\t7\t6\t38\t9\n\t\t\t42 o/o\t15o/o\t10,4o/o\tO,7 0/o\t2,3 0/o\t2%\t12o/o\t3%\n\t75\u201490\t74\t39\t4\t0\t1\t3\t0\t0\t4\n\t\t\t53o/o\t5,4 o/0\tO0/\u00bb\t1,4%\t4o/o\tOo/o\tOo/o'\t5,4 0/o\nSchleimer.\t\t40\t1\t10\t4\t2\t0\t4\t8\t2 1\n\t\t\t2,5o/o\t25o/o\t10 0/0\t5%\tOo/o\t10 0/0\t20 o/0\t5% J\n\t40-85\t227\t40\t12\t5\t1\t5\t1\t6\t6\n\t\t\t18 o/o\t5o/o\t2,2o/o\t0,4o/o\t2,2 o/9\t0,4o/o\t2,6 0/o\t2,6 0/0\n\t90\u2014110\t250\t77\t22\t10\t1\t9\t2\t12\t10\n\t\t\t31o/o\t9%\t40/0\t0,4o/o\t3,6 0/0\t0,8 0/0\t5o/o\t4%\nWarren...\t40\u201455\t282\t47\t92\t68\t19\t1\t4\t72\t20\n\t\t\t13 0/o\t33 0/o\t24o/o\t7%\t0,3 o/o\t1,4%\t26 o/o\t7 0/o\n\t\u00dfn so\t178\t31\t67\t56\t6\t2\t3\t59\t8\n\t\t\t17 0/o\t37 0/o\t32 o/0\t3o/o\t1%\t2%\t33 0/o\t5 %\nMeumann.\t30\u201440\t245\t94\t69\t40\t0\t9\t20\t60\t9\n\t\t\t38 0/0\t28 0/0\t16 0/0\tOo/o\t4 0/o\t8 o/0\t24 0/o\t4 0/o\n\t45-60\t100\t47\t22\t12\t0\t7\t3\t15\t7\n\t\t\t47o/o\t22\u00ab/o\t12o/o\tOo/o\t7%\t3%\t15o/o\t7%","page":517},{"file":"p0518.txt","language":"de","ocr_de":"518\nOswald K\u00fclpe.\nwir den Schwellenwerth der Helligkeitsempfindung durch 50 % Or aus, was freilich nicht ohne Vorbehalt geschehen kann, so haben die Lichtreize, die ich darbot, f\u00fcr die einzelnen Beobachter ganz verschiedene Bedeutung gehabt. Bei einer Diaphragma\u00f6ffnung von D = 80 war die Schwelle f\u00fcr Meumann und Grosch bereits \u00fcberschritten, f\u00fcr Pace ungef\u00e4hr erreicht, f\u00fcr Schleimer und Warren dagegen noch ziemlich weit in die Ferne ger\u00fcckt. Diese Verh\u00e4ltnisse muss man sich vergegenw\u00e4rtigen, um von ihnen unabh\u00e4ngig gewisse Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten, die uns haupts\u00e4chlich interessiren, in der Tabelle zu finden.\nZun\u00e4chst w\u00e4chst durchweg die Zahl der richtigen Ob-jektivirungen mit wachsender Diagonale oder, da man nach einfacher Regel daraus die Fl\u00e4che des zugeh\u00f6rigen Quadrats berechnen kann, auch mit dieser. Da Fl\u00e4chen rascher wachsen, als die zugeh\u00f6rigen Diagonalen, so ist bei gleichem Ma\u00dfstah blo\u00df die Zunahme der Procentzahlen eine weniger steile, wenn man die Fl\u00e4chen, als wenn man die Diagonalen zu Grunde legt. Im Uehrigen bleibt es sich gleich, was wir bei unseren Bestimmungen den Aussagen gegen\u00fcberstellen, da eine genauere quantitative Formulirung nicht wohl vorgenommen werden kann. Dies Resultat ist nun a priori wahrscheinlich. Die mit wachsender Diagonale zunehmende Gr\u00f6\u00dfe und Helligkeit des objektiv wahrnehmbaren Feldes muss, wie alle Versuche \u00fcber die Empfindlichkeit lehren, die Erkennbarkeit steigern und das hei\u00dft hier nichts Anderes als: die Zahl der Or vermehren. Die Experimente reichen nicht aus, um das Verh\u00e4ltnis, in dem diese Vermehrung sich vollzieht, genauer zu bestimmen. Auch scheinen ziemlich starke individuelle Unterschiede gerade nach dieser Richtung unsere Zahlen zu beherrschen, was wohl auf unausgeglichene Zuf\u00e4lligkeiten hindeutet.\t^\nEin weiteres und f\u00fcr unsere Untersuchung ungleich wichtigeres Resultat betrifft das Verhalten der F. Als allgemeine Regel ergibt sich hier, dass die Zahl der F-F\u00e4lle unterhalb der Schwelle w\u00e4chst und in der N\u00e4he derselben, etwa bei40 % Or, abzunehmen beginnt. Von dieser Regel gibt es nur eine Ausnahme in der Tabelle, die eingeklammerte Zahlenreihe. Diese w\u00fcrde eine Abnahme bereits unterhalb der Schwelle erkennen lassen. Aber die hier zu Grunde liegenden Versuche entstammen s\u00e4mmtlich der ersten","page":518},{"file":"p0519.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 519\nmit dieser Yp angestellten Reihe, innerhalb deren sie selbst nach Abschluss von etwa 35 Beobachtungen erkl\u00e4rte, sie sei misstrauisch geworden und habe ein unangenehmes G-ef\u00fchl, weil sie nicht wisse, wie ihr geschehe. Sie glaube nunmehr, es sei ihr \u00fcberhaupt bisher noch kein Reiz zur Beurtheilung dargeboten worden. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Yp sehr vorsichtig, und die Zahl der F hat sich daher betr\u00e4chtlich vermindert. W\u00e4re eine solche Zur\u00fcckhaltung k\u00fcnstlicher Art nicht eingetreten, so h\u00e4tte sich der weitere Yerlauf etwa wie bei Yp Warren gestaltet, die sich in vieler Beziehung gleichartig mit der Yp Schleimer erwies und zahlreiche subjective Erscheinungen erlebte.\nUnterhalb der Schwelle w\u00e4chst also die Zahl der richtigen, ebenso wie die der falschen und zweifelhaften Aussagen, w\u00e4hrend erst in der Gegend der Schwelle eine Concurrenz der beiden Arten von Urtheilen erfolgt, so dass die richtigen Objectivirungen noch weiter zunehmen, w\u00e4hrend die F-F\u00e4lle an Zahl zur\u00fcckgehen. Man kann dies Resultat auch so ausdr\u00fccken: je deutlicher erkennbar die ob-jectiven Reize werden, um so geringer wird die Zahl der Irrungen oder Zweifel. Die Gefahr einer Verwechslung vermindert sich somit von dem Punkt, wo die Lichtreize ebenmerklich bezw. \u00fcbermerklich werden. Es sind daher auch in der Tabelle nicht alle Versuche aufgenommen worden. Z zeigt mehrfach einen geringeren Betrag, als in der Tabelle I, ebenso Or. Yon D = 95 ab kamen bei Grosch und Pace gar keine F mehr vor, bei Meumann schon von D = 65 ab, w\u00e4hrend ich bei Schleimer bis an die Grenze der Leistungen meiner Versuchsanordnung gegangen bin, ohne die Schwelle zu erreichen, und bei Warren auch so weit gegangen w\u00e4re, wenn nicht \u00e4u\u00dfere Gr\u00fcnde den Abbruch meiner Versuchsreihen mit ihm herbeigef\u00fchrt h\u00e4tten. Au\u00dferdem sind eine Anzahl Versuche mit geringeren Intensit\u00e4ten nicht in dieser Tabelle verzeichnet, weil sie \u00fcberhaupt keine Aussagen aufzuweisen haben.\nDas Wachsthum der F-F\u00e4lle beruht bei fast allen Vp vorzugsweise auf dem Verhalten der Of + Zws. Nur die Vp Grosch macht hiervon eine Ausnahme, sofern bei ihr der Verlauf der Zwo fast ausschlie\u00dflich die Beziehung der relativen Anzahl von F zu der Intensit\u00e4t des Reizes bestimmt. Sehen wir von dieser individuellen Abweichung ab, die wir weiter unten zu w\u00fcrdigen haben werden, so ist","page":519},{"file":"p0520.txt","language":"de","ocr_de":"520\nOswald K\u00fclpe.\ndemnach die Stellung zu den subjectiven Erscheinungen, insbesondere aber, wie ein Blick auf die Tabelle lehrt, die Anzahl der falschen Objectivirungen daf\u00fcr ma\u00dfgebend, dass die E unterhalb der Schwelle zunehmen und bei diesem Grenzwerth oder richtiger: bei 40 % der Or wieder abnehmen. Auch dieser Thatbestand weist somit auf eine pr\u00e4valirende Tendenz zur Obj ectivirung hin. Dass aber \u00fcberhaupt die subjectiven Erscheinungen eine gr\u00f6\u00dfere Rolle spielen, so lange sich die objectiven Reize unter der Schwelle befinden, ist wohl verst\u00e4ndlich. Innerhalb derselben Versuchszeit m\u00fcssen bei st\u00e4rkeren Reizen mehr Or erfolgen, als bei schw\u00e4cheren Reizen. Die reizlosen Intervalle sind also f\u00fcr die Vp gr\u00f6\u00dfer bei letzteren als bei ersteren. Demnach k\u00f6nnen innerhalb l\u00e4ngerer Pausen, wie sie bei unterschwelligen Reizwerthen gegeben zu sein scheinen, etwa vorhandene Dispositionen zu subjectiven Ph\u00e4nomenen sich in h\u00f6herem Grade zur Geltung bringen.\nAber damit allein ist diese interessante Erscheinung nicht zu erkl\u00e4ren. Das bisherige zeigt blo\u00df, warum von einem gewissen Werthe ab die F-F\u00e4lle, abnehmen, nicht jedoch, warum sie bis zu diesem wachsen. Die entwickelten Gesichtspunkte w\u00fcrden vielmehr nahelegen oder fordern, dass die Zahl der F-F\u00e4lle ihr relatives Maximum bei den schw\u00e4chsten \u00fcberhaupt benutzten Reizen erreicht habe. Beruht sie auf dem Verhalten zu den subjectiven Erscheinungen und k\u00f6nnen sich diese relativ um so mehr zur Geltung bringen, je seltener objective Reize erkannt werden oder merklich sind, so m\u00fcssten falsche Objectivirungen (bezw. Zws) um so h\u00e4ufiger sein, je schw\u00e4cher die Reize sind. Aus einer fehlerhaften Registrirung kann jener Thatbestand auch nicht erkl\u00e4rt werden. Denn gerade das Verhalten zu den subjectiven Erscheinungen bot gar keinen Anlass zu falscher Protocolhrung oder Deutung der erhaltenen Aussagen (vgl. oben S. 512).\nUm dieser eigenth\u00fcmlichen Thatsache des Anwachsens der F gerecht werden zu k\u00f6nnen, ist vielmehr zweierlei zu ber\u00fccksichtigen. Erstlich gibt es subjective und objective Ph\u00e4nomene, bei denen Zweifel und Irrung nicht hervorzutreten pflegen, die der Vp einen v\u00f6llig sicheren Eindruck in Bezug auf diesen ihren Charakter machen. Ueber die Kriterien und Motive, welche dabei zur Geltung kommen, werden wir uns sp\u00e4ter genauer zu verbreiten haben. Diesen sicher objectiven bezw. subjectiven Erscheinungen steht ein normaler Weise","page":520},{"file":"p0521.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 521\nrelativ enger Bezirk von solchen gegen\u00fcber, die zu Verweeheslungen oder wenigstens zweifelhaften Urtheilen Anlass geben. Innerhalb dieses Bezirks werden die subjectiven den objektiven Ph\u00e4nomenen und umgekehrt am meisten zu gleichen scheinen. Bei unserer Versuchsanordnung musste dieser Bezirk ein besonders eingeschr\u00e4nkter sein, weil nur eine bestimmte Art von Reizen erzeugt \u25a0wurde.- Wo die Reize noch nicht in ihrer Form erkannt werden konnten, sondern einfach als diffuse, au\u00dferordentlich schwache Erhellungen wahrgenommen wurden, war hiernach Zweifel und Irrung am leichtesten m\u00f6glich. Darum mussten sich diese in der N\u00e4he der Schwelle am h\u00e4ufigsten zeigen. Eine Best\u00e4tigung f\u00fcr diese Ansicht gew\u00e4hrt die Tabelle auch insofern, als die Sf + Zwo im Ganzen und Gro\u00dfen denselben Verlauf nehmen, wie die Of + Zws und die F. Bei der Vp Grosch ist das, wie wir schon hervorhoben, die Regel. Es trifft aber auch f\u00fcr die anderen Vp zu und wird nur durch die bereits festgestellte \u00fcberwiegende Tendenz zur Objectivirung verdeckt. Die Zunahme der Of + Zwo ist daher eine st\u00e4rkere, aber nicht die einzig vorhandene. Dass es sich so verh\u00e4lt, geht auch daraus hervor, dass die Zunahme der Sf + Zwo auf einem h\u00f6heren Stadium der Intensit\u00e4t deutlicher wird, d. h. auf einem solchen, wo die relative Anzahl merklicher Reize eine gr\u00f6\u00dfere ist. So w\u00e4chst z. B. bei Pace die Zahl der Sf + Zwo von D = 55-70, wo Or = 42^, bis zu D = 75\u201490, wo Or = 53 % von \u2018$% auf 5,4 %. Dasselbe ist bei Meumann zu beobachten. Im Allgemeinen steigt also innerhalb der hier bezeichneten Grenzen und, soweit nicht die Tendenz zur Objectivirung verh\u00fcllend wirkt, die Zahl der Sf Zwo mit der relativen Anzahl der Or.\nMan darf somit sagen: die in den F-F\u00e4llen sich auspr\u00e4genden Irrth\u00fcmer und Unsicherheiten m\u00fcssen da, wo die Aehnlichkeit zwischen den objectiven und subjectiven Ph\u00e4nomenen die gr\u00f6\u00dfte ist, d. h. bei unserer Versuchsanordnung in der N\u00e4he der Schwelle, am relativ h\u00e4ufigsten auftreten. Dazu kommt noch ein zweites. Bekanntlich ist die Entstehung und die Beschaffenheit der subjectiven Ph\u00e4nomene nicht unabh\u00e4ngig von der der objectiven. Hat man einige Zeit im Dunkelzimmer gesessen und ist die Nachwirkung der vorherigen hellen Umgebung einigerma\u00dfen vergangen, so beginnen die subjectiven Erscheinungen unter den Einfluss der hier wahrnehmbaren Reize zu","page":521},{"file":"p0522.txt","language":"de","ocr_de":"522\nOswald Kiilpe.\ngerathen und sich ihnen mehr oder weniger anzugleichen. Mit der Zahl merklicher Reize w\u00e4chst, wie ich oft beobachten konnte, auch im Allgemeinen die Zahl der angegebenen, beobachteten subjectiven Ph\u00e4nomene. Diese ist somit nicht etwa dann am gr\u00f6\u00dften, wenn die Reize am schw\u00e4chsten sind und daher am seltensten bemerkt werden. H\u00e4lt man diesen Gesichtspunkt mit dem vorigen zusammen, so ergibt sich, dass die F-F\u00e4lle, insbesondere die Summe Of + Zws, bis zu einem in der N\u00e4he der Schwelle liegenden Grenzwerthe zunehmen m\u00fcssen. Nur auf diese Weise wird es auch erkl\u00e4rlich, dass, wie oben angef\u00fchrt, oberhalb eines gewissen Inten-sit\u00e4tswerthes \u00fcberhaupt keine F bei denjenigen Vp mehr vorkamen, f\u00fcr die derselbe einen \u00fcberschwelligen Reiz repr\u00e4sentirte, und dass unterhalb der in den Tabellen mitgetheilten Intensit\u00e4ten \u00fcberhaupt keine Aussagen \u00fcber irgend welche Erlebnisse optischer Art abgegeben wurden.\nIn einer dritten Tabelle sind die Ergebnisse mit R\u00fccksicht auf die angewandte Reizdauer geordnet zusammengestellt. Darin bedeutet S die Zahl der Sekunden, w\u00e4hrend deren der Reiz sichtbar war. Auch hier schien es w\u00fcnschenswerth, um einige Zuf\u00e4lligkeiten auszugleichen, je zwei Zeiten miteinander zu verbinden. Au\u00dferdem aber mussten, um den Einfluss der Zeitdauer f\u00fcr sich ahsch\u00e4tzen zu k\u00f6nnen, gleiche Intensit\u00e4ten zu Grunde gelegt werden. Darum sind in dieser Tabelle nur diejenigen Versuche von jeder Vp aufgenommen worden, welche dieselben Intensit\u00e4ten bei den einzelnen Zeiten enthalten haben. So erkl\u00e4rt sich die geringere Anzahl der hier aufgef\u00fchrten Experimente. Auch schien es nicht nothwendig, auf die einzelnen Arten der F zur\u00fcckzugehen, und so sind nur die Procente der Or und der F einander gegen\u00fcbergestellt worden.\nWer in Tabellen zu lesen versteht, wird auch in dieser unschwer dieselbe gesetzm\u00e4\u00dfige Beziehung zwischen den F und den Or wiederfinden, die wir bereits bei der Besprechung von Tabelle II aufgewiesen haben. Im Allgemeinen steigt auch hier \u2014 unabh\u00e4ngig von der Zeit \u2014 die relative Anzahl der F mit der der Or bis zu einem gewissen Grenzwerth. Da aber die Tabelle III l\u00fcckenhafter ist, als jene, so tritt diese Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit in ihr nicht so rein hervor. Die eine wesentliche Ausnahme, die durch ein Fragezeichen angedeutet ist, kam durch zwei abnorme Versuchsreihen zu st\u00e4nde, die gerade","page":522},{"file":"p0523.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 523\nbei den Zeiten 5\u20146 angestellt worden sind. Hier h\u00e4tte F normaler Weise weniger betragen sollen, als bei der Zeit 3\u20144. Abgesehen\nTabelle III.\n\tS\t1-2\t3-4\t5-6\nGrosch\t\tZ\t345\t160\t210\n\tOr\t45o/o\t42 %\t30%\n\tF\t14 0/o\t24 %\t18 0/0\nPace\t\tZ\t224\t130\t205\n\tOr\t45o/o\t32 0/o\t27o/o\n\tF\t5 0/o\t7 0/o\t31 0/0 ?\nSchleimer...\tZ\t189\t73\t\n\tOr\t29%\tMo/o\t\n\tF\tlOo/o\t3%\t\n\"Warren\t\tZ\t114\t\t172\n\tOr\t8 0/0\t\t21 %\n\tF\t35o/o\t\t36 %\nMeumann...\tZ\t123\t37\t130\n\tOr\t25 0/0\t30 0/0\t53o/o\n\tF\t27 0/0\t32o/o\t31 %","page":523},{"file":"p0524.txt","language":"de","ocr_de":"524\nOswald Kiilpe.\ndavon \u00e4u\u00dfert sich der Einfluss der Einwirkungsdauer in individuell entgegengesetzter Form. W\u00e4hrend bei Grosch, Pace und Schleimer die relative Anzahl der Or mit wachsender Zeit abnimmt, ist dagegen bei Warren und Meumann die umgekehrte Tendenz zu beobachten. Nun kann ja innerhalb gewisser Grenzen die l\u00e4ngere Dauer \u00e4hnlich wie eine gr\u00f6\u00dfere Intensit\u00e4t des Reizes wirken, wie die Versuche von Exner u. A. gelehrt haben. Doch ist nicht anzunehmen, dass diese Erscheinung hier, wo es sich um relativ gro\u00dfe Zeiten handelt, eine Rolle spielt. Wir werden vielmehr eine Eigenth\u00fcmlichkeit unserer Experimente heranziehen m\u00fcssen, um diese Thatsachen zu erkl\u00e4ren. Bei k\u00fcrzerer Einwirkungsdauer war im Allgemeinen die Geschwindigkeit des Eintretens und Verschwindens der Reize eine gr\u00f6\u00dfere, als hei l\u00e4ngerer Einwirkungsdauer. Nun ist die Pl\u00f6tzlichkeit des Erscheinens und Aufh\u00f6rens namentlich f\u00fcr die Vp Grosch und Pace ein wiederholt angegebenes Motiv der Objectivi-rung gewesen. Beide haben sich nach eigener Aussage haupts\u00e4chlich auf dieses Merkmal gest\u00fctzt, wenn sie ein Ph\u00e4nomen f\u00fcr ohjectiv erkl\u00e4rten. Insofern nun dies Merkmal thats\u00e4chlich den Reizen von k\u00fcrzerer Einwirkungsdauer in h\u00f6herem Ma\u00dfe zukam, als denen von l\u00e4ngerer, musste unter sonst gleichen Umst\u00e4nden die richtige Objecti-virung dort erleichtert sein. Bei Warren und Meumann ist zwar dieses Motiv auch gelegentlich wirksam, aber nicht von so ma\u00dfgebender Bedeutung gewesen. Statt dessen ist Meumann von der Anschauung beherrscht, dass die objectiven Ph\u00e4nomene durch eine l\u00e4ngere Dauer vor den subjectiven ausgezeichnet seien, und bedient sich Warren gern des Lidschlusses, um zu erkennen, ob er es mit objectiven oder subjectiven Erscheinungen zu thun habe. Aus jener Annahme ergibt sich ohne Weiteres, dass die l\u00e4nger w\u00e4hrenden Lichtreize f\u00fcr die Objectivirung einen Vorzug vor den k\u00fcrzer dauernden haben mussten. Der Lidschluss aber bot bei l\u00e4ngerer Reizeinwirkung in h\u00f6herem Grade den Vortheil dar, heim Oeffnen des Auges den Reiz noch antreffen zu k\u00f6nnen, w\u00e4hrend die Dauer von einer Secunde nicht immer gen\u00fcgte, um dies Controllexperiment ausf\u00fchren zu lassen. ')\n1) Die in der Tabelle III nicht verzeichneten Werthe f\u00fcr die Zeitdauer von 10 bis 20 Sec., die ich nur bei Warren angewendet habe, betragen Z == 102, Or = 19X und F = 24 X und zeigen somit keine Steigerung der Or, dagegen eine deutliche Abnahme der F.","page":524},{"file":"p0525.txt","language":"de","ocr_de":"Ueljer die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 525\nDie Aussagen von Schleimer reichen dagegen nicht aus, um eine bestimmte Erkl\u00e4rung f\u00fcr sein Verhalten entnehmen zu k\u00f6nnen. Eine allgemeine Bedeutung ist daher dem von uns benutzten Zeitunterschied f\u00fcr die Or und F nicht heizumessen.\n2. Die individuellen Unterschiede und die Motive der Subjectivirung und Objectivirung.\nDie 7 ersten Versuchspersonen aus Tabelle I vermag ich auf Grund ihrer Aussagen und einer eingehenden Befragung etwas genauer zu charakterisiren. Diese Charakteristik wird dazu beitragen, die in den Zahlen hervorgetretenen individuellen Abweichungen verst\u00e4ndlich zu machen, soweit nicht bereits im Vorhergehenden auf dieselben Bezug genommen ist.\n1) Von besonderem Interesse war zun\u00e4chst die Disposition zu subjectiven optischen Ph\u00e4nomenen. Zu deren Feststellung gen\u00fcgte nat\u00fcrlich die eigene Mittheilung der Vp aus ihrer Erfahrung nicht. Doch lieferte auch diese einiges Material. So erkl\u00e4rte z. B. Heyfelder \u00bbfast gar keine subjectiven Erscheinungen\u00ab auf optischem Gebiet an sich beobachtet zu haben, auch keine \u00bbErinnerungsbilder\u00ab. Damit h\u00e4ngt es wohl zusammen, dass bei dieser Vp eine so geringe relative Anzahl von F gefunden worden ist. Anderseits haben Warren und Wit mer mitgetheilt, dass sie h\u00e4ufige und starke subjective Erscheinungen wahrgenommen haben. Beide erinnern sich jedoch nicht, Hallucinationen oder Illusionen jemals gehabt zu haben, und Witmer bemerkt, dass seine Erinnerungsbilder nur \u00bbsehr undeutlich\u00ab sind. Belativ wenig zu subjectiven Ph\u00e4nomenen disponirt sind Grosch und Pace, w\u00e4hrend Schleimer sogar an Sinnest\u00e4uschungen h\u00e4ufig gelitten hat.\nUm diesen Unterschieden, die den individuellen Differenzen der Tabelle I entsprechen, etwas genauer nachgehen zu k\u00f6nnen, habe ich die Vp aufgefordert, im Dunkelzimmer einer Suggestion meinerseits Folge leistend zu versuchen eine bestimmte Farbe willk\u00fcrlich zu erzeugen. Grosch konnte kein subjectives Ph\u00e4nomen \u00e4ndern oder hervorrufen. Heyfelder meint, dass sich der ganze Baum etwas zu erhellen scheine, wenn er willk\u00fcrlich ein optisches Ph\u00e4nomen zu erzeugen versuche. Warren und Witmer gelang es, meine Suggestion einer bestimmten Farbe meist nach k\u00fcrzerer oder l\u00e4ngerer","page":525},{"file":"p0526.txt","language":"de","ocr_de":"526\nOswald K\u00fclpe.\nPause zu realisiren. Bei Wit me r wurde auf die Anregung, gelb zu sehen, das Gesichtsfeld sofort heller und etwas gelblich. Die Aufforderung, einen violetten Farbenton subjectiv zu erzeugen, hatte nach 10 Secunden ein \u00bbundeutlich violettes Bild\u00ab zur Folge. Bei der Suggestion \u00bbBlau\u00ab erschien nach 40 Secunden \u00bbetwas Bl\u00e4uliches\u00ab, nach 50 Secunden ein \u00bbBlau\u00ab, das f\u00fcr objectiv gehalten wurde. Gr\u00fcn wurde 50 Secunden nach entsprechender Aufforderung\u201c \u00bb sehr wenig\u00ab gesehen, bei Roth dagegen blieben die Versuche erfolglos. Weit prompter reagirte im Allgemeinen Warren bei diesen Experimenten. Insbesondere zeigte sich bei ihm ein erheblicher Uebungs-einfluss, den ich bei Witmer nicht beobachtet habe. Zuerst wurde es ihm schwer, gelbe, violette, rothe, gr\u00fcne Flecken im dunklen Gesichtsfelde willk\u00fcrlich hervorzubringen, w\u00e4hrend er fr\u00fcher, als Knabe, wie er berichtete, solche Farben in sch\u00f6nster S\u00e4ttigung hatte erzeugen k\u00f6nnen. Aber schon in der dritten Versuchsreihe sah er sie sehr deutlich und nach Wunsch mehr oder weniger tief ges\u00e4ttigt. Theils traten sie in Form einzelner Flecken oder Streifen auf, theils als Tingirung des Blickfeldes. Auch Nachbilder schienen sie zu hinterlassen. Die Zeit, welche bis zum Erscheinen dieser Farben verstrich, variirte innerhalb der Grenzen von 3 bis 60 Secunden und zeigte auch f\u00fcr die einzelnen Farben geringe Regelm\u00e4\u00dfigkeit. Die Succession derselben war wohl insofern von Einfluss, als ein Uebergang in Complement\u00e4rfarben im Allgemeinen rascher vor sich ging. Doch ist auch hier\u00fcber Bestimmteres auf Grund meiner Versuchsreihen nicht zu sagen.\nWieder anders verhielt sich Meumann, der \u00fcber viele subjective Erscheinungen Auskunft gab. Er glaubte, momentan die f\u00fcr objectiv gehaltenen Lichtph\u00e4nomene erzeugen zu k\u00f6nnen, \u00bbwobei die Versenkung in die Vorstellung der einzelnen Farben oder Helligkeiten mehr erreicht, als der blo\u00dfe Wille\u00ab. Doch gelang es ihm nicht, so wie Warren oder Witmer, bestimmte Farben der Aufforderung entsprechend hervorzubringen, w\u00e4hrend er sehr wohl unter der Mannich-faltigkeit der gegebenen subjectiven Erscheinungen eine mittlere Figur hervortreten lassen konnte. Kirschmann erkl\u00e4rte, dass er weder Illusionen, noch Hallucinationen an sich bemerkt habe. Er konnte die Farben, die ich ihm suggerirte, \u00bbzwar vorstellen, aber nicht sehen\u00ab. Ich bin allen diesen Erscheinungen, die in Fechner\u2019s bekanntem Bericht","page":526},{"file":"p0527.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 527\n\u00fcber \u00e4hnliche Vorg\u00e4nge hei sich und Anderenx) ihre Parallelen finden, ' nur insoweit nachgegangen, als sie zu meinen Versuchen \u00fcber Subjectivirung und Objectivirung in Beziehung standen.\nAn solcher Beziehung fehlt es nun keineswegs. Die gr\u00f6\u00dfere Disposition zu subjectiven Ph\u00e4nomenen hat im Allgemeinen auch eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl P zur Folge gehabt, und es entf\u00e4llt dabei der L\u00f6wen-antheil auf die falschen Objectivirungen. Warren und Witmer haben, wenn wir uns auf die Vp beschr\u00e4nken, die mehr als eine Versuchsreihe mitgemacht haben, nicht nur die gr\u00f6\u00dfte relative Anzahl F geliefert, sondern ihre falschen Urtheile \u00fcbersteigen auch an Zahl nicht unerheblich ihre richtigen. Ihnen zun\u00e4chst steht Meumann, und zuletzt kommen Gfrosch, Pace, Schleimer und Heyfelder. Bei Grosch und Schleimer spielen hierbei noch andere Momente mit, die z. Th. bereits erw\u00e4hnt sind, z. Th. noch er\u00f6rtert werden sollen. Welche Bolle die subjectiven Ph\u00e4nomene bei den F gespielt haben, \u00fcbersieht man am einfachsten in folgender Tabelle IV, in der f\u00fcr die 7 ersten Versuchspersonen die Of und die Of + Zws aus der Tabelle I in Procenten der F berechnet zusammengestellt sind.\nTabelle IV.\nVp\tGrosch\tPace\tSchleimer\tWarren\tMeumann\tWitmer\tHeyfelder\nOf in o/o der P\t0,7 o/o\t63 o/0\t43o/o\t78 o/o\t57 0/o\t70 o/0\t50 o/o\nOf -j- Zws in o/# d. F\t0,7 o/o\t74 o/o\t590/o\t82 o/0\t82 o/0\t80 o/\u201e\t50 o/o\nSehen wir hier von der letzten Verticalcolumne ab, die bei der geringen Gesammtzahl der zu Grunde liegenden F keine Bedeutung hat, und bedenken wir die f\u00fcr Grosch und Schleimer geltenden besonderen Umst\u00e4nde, so stehen in der That Warren, Witmer und Meumann mit ihrer relativ gro\u00dfen Disposition zu subjectiven Ph\u00e4nomenen an erster Stelle. .\nWas endlich die Beschaffenheit dieser subjectiven Erscheinungen\n1) Elem. d. Psychophys. II2 S. 468 ff.","page":527},{"file":"p0528.txt","language":"de","ocr_de":"528\nOswald Kiilpe.\nanlangt, so ist \u00fcber sie zu sagen, dass sie wenigstens zum gr\u00f6\u00dften Theil jenen \u00bbLichtempfindungen aus inneren Ursachen\u00ab angeh\u00f6rt haben, die Helmholtz in seiner Physiologischen Optik1) schildert. Bald waren es Flecken, B\u00e4nder, Streifen von verschiedener F\u00e4rbung, bald ein Flimmern oder ein Lichtnebel oder eine allgemeine Erleuchtung, die von den Vp angegeben wurden. Inwiefern auch central erregte Empfindungen dabei eine Rolle gespielt haben, wage ich jetzt nicht zu entscheiden2). Bei der Charakteristik der objectivirten Ph\u00e4nomene komme ich hierauf zur\u00fcck.\n2) Eine andere individuelle Eigenth\u00fcmlichkeit besteht in der sehr verschiedenen Neigung zu zweifelhaften Aussagen. Dar\u00fcber gibt folgende tabellarische Uebersicht eine numerische Aufkl\u00e4rung. Ich habe f\u00fcr die 7 ersten Versuchspersonen der Tabelle I die Ge-sammtsumme der zweifelhaften F\u00e4lle in Procenten der Fehlurtheile \u00fcberhaupt ausgedr\u00fcckt.\nTabelle V.\nVp\tGrosch\tPace\tSchleimer\tWarren\tMeumann\tWitmer\tHeyfelder\nZwo + Zws in o/g der F\t94o/o\t34 o/0\t48 0/0\t6 o/o\t43 o/0\t26 o/0\tOo/o\n\"W\u00e4hrend die Vp Grosch die weitaus gr\u00f6\u00dfte relative Anzahl zweifelhafter F\u00e4lle aufwies, die dabei ausschlie\u00dflich durch die Zwo bestritten werden, haben Warren und Heyfelder die geringste geliefert. Dabei k\u00f6nnen die 0 % der letztgenannten Vp deshalb nicht in Betracht kommen, weil sie \u00fcberhaupt au\u00dferordentlich wenig Fehlurtheile ge\u00e4u\u00dfert hat. Die Extreme, die sich hinsichtlich der Neigung zu zweifelhaften F\u00e4llen gegen\u00fcberstehen, sind somit Grosch und Warren. In der That entspricht diese Feststellung auch durchaus dem Verhalten der beiden Vp. Ueber Grosch habe ich schon oben (S. 514) die Mittheilung gemacht, dass er sich durch Vorsicht und Skepsis vor allen Vp ausgezeichnet habe. Im Gegensatz dazu war\n1)\t2. Aufl. S. 241 ff.\n2)\tIch habe mich fr\u00fcher (Grundriss der Psychol. S. 185), durch Pechner\u2019s Darstellung der Erinnerungsbilder verleitet, zu bestimmt daf\u00fcr ausgesprochen, dass bei meinen Versuchen central erregte Empfindungen betheiligt waren.","page":528},{"file":"p0529.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dceber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 529\nWarren unter meinen Vp vielleicht diejenige, die am wenigsten zu Zweifel oder Misstrauen neigte. Die gro\u00dfe Zahl F, die sie lieferte, war gewiss z. Th. auf die gro\u00dfe, durch eine Brille nur f\u00fcr das eine Auge corrigirte Kurzsichtigkeit zur\u00fcckzuf\u00fchren. Aber die verh\u00e4lt-nissm\u00e4\u00dfig kleine Zahl der Zwo + Zws neben der betr\u00e4chtlichen falscher Objectivirungen und Subjectivirungen, die mit voller Bestimmtheit erfolgten, deutet auf eine urspr\u00fcngliche Tendenz zu sicheren Aussagen, auf ein nat\u00fcrliches Vertrauen in die Bichtigkeit oder G\u00fcltigkeit erster Annahmen hin. Diese Vorstellung erh\u00e4lt ihre Best\u00e4tigung auch durch eine andere Thatsache. Bei keiner anderen Vp war die Zahl nachtr\u00e4glicher Correcturen von Aussagen so gro\u00df, wie gerade bei Warren. Sehr oft wurde irgend ein subjectives Ph\u00e4nomen anf\u00e4nglich ohjectivirt und dann subjectivirt, wenn der sp\u00e4tere Verlauf der Erscheinung dazu Veranlassung bot. Verh\u00e4lt-nissm\u00e4\u00dfig selten fand auch das Umgekehrte statt: zuerst Subjectivirung, sp\u00e4ter Objectivirung. Beide Arten von Aussagen aber erfolgten regelm\u00e4\u00dfig mit gleicher Sicherheit.\nVon den \u00fcbrigen Vp ist Schleimer vielleicht mit der relativ hohen Anzahl zweifelhafter Urtheile als ein k\u00fcnstlich entstandener Fall zu betrachten. Ich erw\u00e4hnte bereits (S. 519), dass er im Verlauf der ersten Versuchsreihe, w\u00e4hrend deren er viele F geliefert hatte, und die daher mit den sp\u00e4teren, wie Tabelle II zeigt, unvergleichbar geworden ist, misstrauisch wurde und sich seitdem absichtlich einer besonderen Vorsicht und Zur\u00fcckhaltung im Urtheil beflei\u00dfigte. Anderseits zeigt jedoch Tabelle II in Bezug auf das Verhalten der zweifelhaften F\u00e4lle keine sehr beachtenswerthe Abweichung zwischen der ersten und den sp\u00e4teren Versuchsreihen (in jener betrugen die Zwo + Zws 40 %, in diesen je 50 % der F). Wesentlich normale F\u00e4lle d\u00fcrften Meumann, Pace und Witmer repr\u00e4sentiren, wobei der Erstgenannte namentlich den suhjectiven Ph\u00e4nomenen gegen\u00fcber sich zu Zweifel und Unsicherheit disponirt zeigte, w\u00e4hrend bei den anderen beiden die ohjectiven Erscheinungen h\u00e4ufiger solche Aussagen provocirten.\nDass sich in diesem Verhalten der einzelnen Vp in der That besondere Eigenth\u00fcmlichkeiten derselben kundgeben, lehrt ein Vergleich mit der Tabelle II, in der sich die n\u00e4mlichen Unterschiede mit geringen Variationen durch alle Intensit\u00e4tswerthe verfolgen lassen.\nWundt, Philos. Studien. XIX.\t34","page":529},{"file":"p0530.txt","language":"de","ocr_de":"530\nOswald K\u00fclpe.\n3) Hinsichtlich der Subjectivirung und Objectivirung besteht, wie wir gefunden haben, im Allgemeinen eine \u00fcberwiegende Tendenz zur Objectivirung. Diese lie\u00df sich nicht nur der ersten, sondern auch der Tabelle II entnehmen. Sie gr\u00fcndet sich z. Th. darauf, dass die Vp objective Heize erwarteten. So erkl\u00e4rte einmal Witmer, er w\u00fcrde viel mehr subjectivirt haben, wenn er nicht von der lebhaften Erwartung, dass er objective Ph\u00e4nomene wahrzunehmen bekommen w\u00fcrde, beherrscht gewesen w\u00e4re. Aber man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass sich au\u00dferdem eine starke gewohnheitsm\u00e4\u00dfige Neigung zur Objectivirung in diesem Zahlenverh\u00e4ltniss offenhart. In den Aussagen der Yp verr\u00e4th sie sich insofern, als bei nachtr\u00e4glicher Oorrectur eines Urtheils die Objectivirung in den weitaus meisten F\u00e4llen der Berichtigung unterlag. Dass ein Eindruck zuerst subjectivirt und darnach objectivirt wurde, ist nur sehr selten vorgekommen. Von Warren ist diese Thatsache bereits berichtet worden, sie ist auch bei Meumann und Witmer in vollem Umfang zur Beobachtung gelangt. Bei Grosch fand sich nur einmal eine Objectivirung, die in den bei ihm so beliebten Zweifel \u00fcberging. F\u00fcr Pace aber ist es charakteristisch, dass er, wie er erkl\u00e4rte, \u00bbam Anfang eines optischen Ph\u00e4nomens nicht sagen k\u00f6nne, ob es objectiv oder subjectiv sei, sondern erst aus der Pl\u00f6tzlichkeit des Verschwindens auf seine Objectivit\u00e4t schlie\u00dfe\u00ab. Wird somit erst das Ende des Eindrucks abgewartet, bevor das Urtheil abgegeben wird, so bietet sich zu einer nachtr\u00e4glichen Berichtigung kaum eine Gelegenheit dar, und so sind denn auch bei Pace keine derartigen F\u00e4lle zu verzeichnen gewesen. Darnach h\u00e4ngt die hier besprochene Erscheinung auch von der Urtheilszeit ab. Sie wird um so leichter hervortreten, je rascher die Vp ihr Urtheil abgibt. Vielleicht sind deshalb bei Schleimer, dessen Urtheilszeit relativ gro\u00df war, derartige Correct\u00fcren nicht zur Geltung gekommen.\nSehr mannigfaltig waren die Angaben der Vp \u00fcber die Beschaffenheit der objectivirten Ph\u00e4nomene. Heyfelder, der am wenigsten durch subjective Erscheinungen beirrt wurde, schildert sie als dauernde, feststehende Bilder, viereckig, dreieckig oder streifenartig geformt, als ein gro\u00dfes Rechteck oder eine l\u00e4ngliche viereckige Platte von heller oder r\u00f6thlicher Qualit\u00e4t, verschiedener Intensit\u00e4t und Dauer. Die Lage dieser Bilder wird \u00bbetwas nach","page":530},{"file":"p0531.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 531\nlinks\u00ab bestimmt. In der That k\u00f6nnten die Lichtreflexe auf dem schwarzen Tuch so erscheinen, wenngleich bereits hier Aenderungen des Wahrnehmbaren auftreten, die objectiv nicht bedingt sein konnten. Bei den anderen Yp nehmen diese Variationen zu. Namentlich h\u00e4ufig sind Bewegungen von den objectivirten Erscheinungen ausgesagt worden, w\u00e4hrend sie beobachtet wurden, oder Lage\u00e4nderungen der Bilder von Versuch zu Versuch. So findet Schleimer zuweilen, dass der Lichtschein, den er sieht, nach der Decke des Zimmers zieht oder von der Decke herabkommt oder links in der Ecke des Zimmers aufleuchtet oder noch weiter links als vorher wahrnehmbar wird. Ebenso schildert Pace, dass das Ph\u00e4nomen von rechts nach links oder von oben nach unten wandere, sich im Kreise bewege oder von unten bis oben anwachse. Ich bemerke sogleich, dass diese Angaben nicht mit der Art Zusammenh\u00e4ngen k\u00f6nnen, wie ich den Deckel von der Lampe entfernte. Bei Witmer ist die Bewegung des Bildes bald von gr\u00f6\u00dferer, bald von geringerer Geschwindigkeit. Aehnliches haben Meumann, Grosch, Warren mitgetheilt. Diese h\u00e4ufigen Irrungen \u00fcber die Lage der Ph\u00e4nomene k\u00f6nnen, da die Haltung des Kopfes und K\u00f6rpers relativ constant war, nur auf die auch sonst schon im Dunkeln beobachtete Unsicherheit des Urtheils \u00fcber Bewegung und Stellung der Augen zur\u00fcckgef\u00fchrt werden.\nSehr verschieden waren auch die Angaben \u00fcber die Form und F\u00e4rbung der objectivirten Ph\u00e4nomene. So erkl\u00e4rt z. B. Grosch, er sehe eine diffuse Erleuchtung von variirender St\u00e4rke und Dauer, ferner 2 vertikale Streifen, die durch einen dunklen unterbrochen werden, oder 2 runde Flecken, sodann einen kreisrunden Schein, der bald darauf \u00bbnicht mehr so rund wie bisher\u00ab ist, sp\u00e4ter eine \u00bbmehr quadratische Form\u00ab hat und darum in seiner Objectivit\u00e4t bezweifelt wird, wieder ein anderes Mal von der \u00bbGestalt eines Kinderdrachens\u00ab ist. Einmal glaubt er sogar die Th\u00fcr vor sich gesehen zu haben, obwohl sie durch einen Vorhang verdeckt ist. F\u00e4rbungen dieses Scheins kommen bei ihm nicht vor, doch wird er gelegentlich \u00bbfast blendend\u00ab genannt, und zwar bei einer objectiven Intensit\u00e4t von nur 50 mm Diagonale des Diaphragmas. Aehnliche Unterschiede findet auch Pace, der einen Lichtschein kreisf\u00f6rmig oder rechteckig, oval, dreieckig, hexagonal nennt, daneben einen oder mehrere Punkte, ein helles Feld mit dunkleren Stellen oder ein schwarzes Feld mit Licht-\n34*","page":531},{"file":"p0532.txt","language":"de","ocr_de":"532\nOswald K\u00fclpe.\nr\u00e4ndern u. dgl. wahrzunehmen behauptet. Bei Meumann, Witmer und Warren dagegen spielen auch die Farben eine betr\u00e4chtliche Rolle. Meumann gibt dem ohjectivirten Ph\u00e4nomen nur selten eine \u00bbl\u00e4ngliche Form\u00ab, gew\u00f6hnlich ist es eine diffuse Erhellung oder ein \u00bbFeld\u00ab, das aber bald mehr, bald weniger dunkel ist und zuweilen intensiv violett erscheint. Witmer sch\u00e4tzt die Gr\u00f6\u00dfe der von ihm wahrgenommenen Fl\u00e4che auf 3\u201425 cm im Durchmesser und bezeichnet sie als dunkelgr\u00fcngelb oder als hellgelb, sehr gl\u00e4nzend, bl\u00e4ulich, gr\u00fcn. Bei Warren d\u00fcrften die ohjectivirten Ph\u00e4nomene die gr\u00f6\u00dfte Mannigfaltigkeit aufweisen. Er beschreibt sie als helle oder dunkle Flecken, als wei\u00dfe oder schwarze, vertikale oder horizontale B\u00e4nder oder Streifen, als ein wei\u00dfes Quadrat, das in ein Band \u00fcbergeht, als eine violette Erleuchtung, helle Pyramide, einen Halbmond, als ein schwarzes Dreieck und ein wei\u00dfes Viereck. Alles das hat sehr verschiedene Gr\u00f6\u00dfe, Intensit\u00e4t und Dauer.\nAus diesen Mittheilungen geht hervor, dass sich, wie gelegentlich auch von Pace und Grosch bemerkt worden ist, die subjektiven mit den objectiven Erscheinungen vermischt haben und das Produkt dieser Mischung als Ganzes \u00fcberwiegend objectivirt worden ist. Darum lassen sich auch die richtigen von den falschen Objectivirungen nach dem Charakter der betreffenden Ph\u00e4nomene gar nicht sondern. Die Schilderungen sind im Princip ganz gleichartig f\u00fcr beide ausgefallen. Diese Thatsache liefert uns einen neuen Einblick in die bereits mehrfach besprochene Tendenz zur Objekti-virung. Die regelm\u00e4\u00dfige Betheiligung der subjectiven Ph\u00e4nomene an den objectiven verhindert eine deutliche und reinliche Abgrenzung der beiden gegeneinander. Wir k\u00f6nnen zwar subjective optische Eindr\u00fccke haben ohne gleichzeitige objective, aber nicht umgekehrt. Darum wird immer mehr objectivirt als subjectivirt, und haben bereits subjective Theilph\u00e4nomene innerhalb eines Ganzen eine Objec-tivirung erfahren, so kann das nun auch geschehen, wenn sie f\u00fcr sich allein gegeben sind. Au\u00dferdem lehrt uns diese Thatsache, dass die richtigen Objectivirungen durchaus nicht schlechthin als solche zu gelten haben. Die Zahl der Or ist daher, von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, sicherlich zu gro\u00df ausgefallen. Sie bedeutet nur, dass ein objectiver Reiz so und so oft den Anla\u00df zu einer Ohjectivirung gegeben hat, nicht jedoch, dass das objectivirte","page":532},{"file":"p0533.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjeetivirung von Sinneseindr\u00fccken. 533\nPh\u00e4nomen lediglich durch den Reiz bestimmt worden ist. Dem entsprechend ist nat\u00fcrlich die Zahl der Of zu klein gerathen. Wird aber die Objectivirung nicht einzig und allein im Hinblick auf die objectiven Reize und deren Beschaffenheit, sondern an einem Misch-product aus objectiven und subjectiven Bestandtheilen vorgenommen, in dem die einzelnen Faktoren nicht gesondert zu werden pflegen, so ist die relativ geringe Zahl der Sf gewiss nur auf die vorherrschende Tendenz zur Objectivirung zur\u00fcckzuf\u00fchren.\nDie hier mitgetheilten Beobachtungen \u00fcber die Natur der objec-tivirten Ph\u00e4nomene gehen im Gro\u00dfen und Ganzen denen \u00fcber die Disposition zu subjectiven parallel. Dass an der Vermengung mit objectiven Erscheinungen auch central erregte Empfindungen mitgewirkt haben, ist wahrscheinlich. So wird man wohl die Mittheilung von Grosch, er glaube die (unsichtbare) Th\u00fcr gesehen zu haben, auf deren Betheiligung zur\u00fcckf\u00fchren m\u00fcssen.\n4) Gehen wir nun zu den Motiven f\u00fcr die Subjeetivirung und Objectivirung \u00fcber, die f\u00fcr die einzelnen Vp ma\u00dfgebend waren, so sto\u00dfen wir zun\u00e4chst auf eine der eben besprochenen Vermengung correspondirende Aussage, dass n\u00e4mlich die objectivirten zuweilen den subjectivirten Ph\u00e4nomenen \u00bbganz gleich\u00ab seien. Hiernach k\u00f6nnen beide wenigstens in einzelnen F\u00e4llen nicht durch ihre optische Beschaffenheit von einander unterschieden werden, d. h. durch Merkmale, die wir weiter oben als immanent1) bezeichnet haben. Damit steht es nat\u00fcrlich nicht im Widerspruch, dass gelegentlich doch solche Merkmale als charakteristisch f\u00fcr die eine oder die andere Gruppe von Ph\u00e4nomenen aufgef\u00fchrt werden. Bei den von uns an-gestellten Versuchen trugen die objectiven Reize ja einen ganz bestimmten Charakter, den man empirisch kennen lernen und hernach als Objectivit\u00e4tsindex ansehen konnte. Aber principielle Unterschiede dieser Art gab es nicht, wenn \u00fcberhaupt einmal beide Arten von Ph\u00e4nomenen einander ganz gleich gefunden werden konnten.\nUnter diesen immanenten Merkmalen ist nur einmal die F\u00e4rbung als Motiv f\u00fcr die Objectivirung angegeben worden. Meu-mann erkl\u00e4rte bei einer falschen Objectivirung in der 3. Versuchsreihe, dass er das Ph\u00e4nomen auf Grund seiner Qualit\u00e4t \u00bbgrau\u00ab\n1) Vgl. S. 509.","page":533},{"file":"p0534.txt","language":"de","ocr_de":"534\nOswald K\u00fclpe.\nobjectivirt habe. Alle \u00fcbrigen immanenten Merkmale beziehen sich auf die Intensit\u00e4t, die zeitliche und r\u00e4umliche Beschaffenheit der be-urtheilten Erscheinungen. Da die Motive f\u00fcr die Objectivirung und die Subjectivirung meist zusammengeh\u00f6ren, d. h. auf dem gegens\u00e4tzlichen Yerhalten bestimmter Merkmale beruhen, so m\u00fcssen sie der Hauptsache nach vereint behandelt werden.\nEine gr\u00f6\u00dfere Helligkeit wird von Grosch, Meumann und Witmer den objectivirten Erscheinungen zuweilen zugeschrieben. Dagegen ist niemals eine Subjectivirung auf geringere Helligkeit des wahrgenommenen Ph\u00e4nomens gest\u00fctzt worden. Hinsichtlich der Dauer ist es interessant, dass Meumann den objectivirten Erscheinungen \u00f6fter eine gr\u00f6\u00dfere, Grosch dagegen eine k\u00fcrzere Dauer zuspricht. Der Letztgenannte gr\u00fcndet die Subjectivirung auch in einigen F\u00e4llen auf die l\u00e4ngere Dauer der betreffenden Erscheinungen. Damit h\u00e4ngt es zusammen, dass bei Meumann das Verschwinden des Reizes vielfach nicht bemerkt, sondern eine Fortdauer des objectivirten Ph\u00e4nomens angenommen wurde. So stellte ich wiederholt fest, dass er demselben eine Dauer von 10\u201420 Secunden und mehr zuschrieb, mochte es sich nun um richtig oder f\u00e4lschlich ob-jectivirte Reize handeln. Es ist m\u00f6glich, dass seine gro\u00dfe Empf\u00e4nglichkeit f\u00fcr Nachbilder dabei eine Rolle spielte, denn er \u00e4u\u00dferte wiederholt, dass es ihm M\u00fche mache, die Nachbilder von den objec-tiven Ph\u00e4nomenen zu unterscheiden.\nZu der zeitlichen Charakteristik kann auch gerechnet werden die Unver\u00e4nderlichkeit oder Ver\u00e4nderlichkeit der Empfindungen innerhalb der Zeit. Jenes Kriterium wird von Heyfelder als Unterscheidungsmerkmal der objectivirten Ph\u00e4nomene benutzt, dieses dagegen als Motiv der Subjectivirung von Meumann, Pace und Grosch angegeben. Pace findet, dass die subjectiven Erscheinungen kaleidoskopartig ihre Configuration \u00e4ndern, w\u00e4hrend Grosch sie schwankend, die objectiven aber gleichm\u00e4\u00dfiger nennt.\nEine besonders gro\u00dfe Rolle als Motiv der Objectivirung spielte die Art des Auftretens und Verschwindens der Ph\u00e4nomene. F\u00fcr Grosch, Pace, Schleimer, Meumann, Warren, Witmer war die Pl\u00f6tzlichkeit, mit der eine Lichterscheinung einsetzte oder aufh\u00f6rte, ein Hauptkriterium der Objectivit\u00e4t. Eine entscheidende Bedeutung hat es namentlich f\u00fcr Grosch gehabt, der ausdr\u00fccklich","page":534},{"file":"p0535.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fcoken. 535\nund allgemein erkl\u00e4rte, dass er besonders auf Ein- und Austritt der Erscheinung achte, um subjectiviren oder objectiviren zu k\u00f6nnen. Ausnahmslos zuverl\u00e4ssig war es jedoch keineswegs, da ich 3 F ausgezogen habe, die bei Anwendung dieses Kriteriums von Grosch begangen worden sind. Pace dagegen sagt aus, dass er am Anfang eines Ph\u00e4nomens gew\u00f6hnlich nicht bestimmen k\u00f6nne, ob es subjectiv oder objectiv sei, aber aus der Pl\u00f6tzlichkeit des Verschwindens auf seine Objectivit\u00e4t schlie\u00dfe. Bei Meumann ist umgekehrt der Eintritt von \u00fcberwiegender Bedeutung. Witmer verbindet mit der Geschwindigkeit des Anklingens noch die bestimmtere Vorstellung, dass das Ganze des Ph\u00e4nomens sofort gegeben sei, wenn es sich um objective Beize handle, w\u00e4hrend bei den subjectiven Erscheinungen \u00bbdie Theilchen zusammenzuschie\u00dfen scheinen\u00ab. Etwas Aehnliches meint Meumann, wenn er die objectivirten Ph\u00e4nomene dadurch charakterisirt findet, da\u00df sie \u00bbunvermittelt\u00bb auftreten.\nUnter den r\u00e4umlichen Merkmalen haben wir zun\u00e4chst die bestimmtere Form zu erw\u00e4hnen, die von Pace, Meumann, Wit-mer, Warren, Heyfelder, Schleimer den objectivirten Erscheinungen zugeschrieben wird. Pace freilich erkl\u00e4rt gelegentlich auch, dass sie \u00bbgestaltlich unbestimmter\u00ab, als die subjectiven Ph\u00e4nomene seien. Warren und Schleimer reden von einer gr\u00f6\u00dferen Deutlichkeit der objectivirten Erscheinungen. Heyfelder spricht einmal allgemeiner von einer \u00bbanderen Gestalt\u00ab, die sie haben, und Grosch st\u00fctzt sich in zwei fehlerhaften Bestimmungen auf die \u00bbandere Form\u00ab der subjectivirten Ph\u00e4nomene. Meumann schreibt den objekti vir ten eine gr\u00f6\u00dfere Ausdehnung, andererseits den subjectivirten Erscheinungen einen gr\u00f6\u00dferen Umfang zu. Entsprechend jenem Kriterium der Objectivit\u00e4t finden Grosch, Pace, Meumann, Schleimer, Warren, dass die subjectivirten Ph\u00e4nomene eine gr\u00f6\u00dfere Unbestimmtheit der Umrisse haben.\nZu den r\u00e4umlichen Kriterien geh\u00f6rt sodann der bestimmte Ort, den die objectivirten Erscheinungen nach Grosch, Meumann, Schleimer, Heyfelder haben. Die (freilich sehr unzuverl\u00e4ssige) Erkennung eines Nachbildes vollzieht Meumann, wie er mittheilt, auf Grund der ihm f\u00fchlbar werdenden Aufhebung des Localisationszwanges. Es ist ihm, als ob er sich auf die subjectiven Ph\u00e4nomene anders einstellen m\u00fcsse, als auf die objectiven.","page":535},{"file":"p0536.txt","language":"de","ocr_de":"536\nOswald K\u00fclpe.\nIm Zusammenhang damit hei\u00dft es, dass er die subjectiven in eine andere Ebene verlege. Warren sagt einmal, dass er sie ins Auge localisire. Kirschmann empfindet, wie er angibt, einen unmittelbaren Antrieb, nach dem Ort des f\u00fcr objectiv Gehaltenen hinzublicken, ohne jedoch diesen Antrieb als Kriterium der Objectivit\u00e4t zu benutzen1). S cbleimer bemerkt, dass die subjectiven Ph\u00e4nomene von allen Seiten kommen und somit \u00f6rtlich unbestimmt seien.\nDie \u00fcbrigen Kriterien enthalten einen Hinweis theils auf Beziehungen der Ph\u00e4nomene unter einander, theils auf Folge-und Begleiterscheinungen derselben. Unter jenen Gesichtspunkt f\u00e4llt die Aussage von Grosch, dass die objectivirten Ph\u00e4nomene einander \u00e4hnlicher seien und regelm\u00e4\u00dfiger auf einander folgten, als die subjectivirten, w\u00e4hrend Schleimer gelegentlich den letzteren eine raschere Succession zuschreibt. Ferner geh\u00f6rt hierher, dass die objectivirten Erscheinungen nach einer Bemerkung von Meumann mit den subjectivirten einen Contrast bilden. Als charakteristische Folgeerscheinung der objectivirten Ph\u00e4nomene gilt den Vp Meumann und Schleimer das Auftreten eines Nachbildes, das von den \u00fcbrigen Vp gar nicht bemerkt worden ist. Bei Meumann spielt dies Kriterium die gr\u00f6\u00dfte Bolle, obwohl es ihm, wie wir bereits mittheilten, M\u00fche macht, zwischen einem Nachbild und einer objectiv bedingten Empfindung zu unterscheiden. Darum sind auch unter im Ganzen 25 F\u00e4llen, in denen er sich dieses Kriteriums ausdr\u00fccklich bedient hat, 4 fehlerhafte Bestimmungen erfolgt. Schleimer findet einmal auch umgekehrt, dass ihm ein Ph\u00e4nomen als subjectiv erschien, weil es ohne Nachbild blieb. Gerade diese eine Berufung auf das erw\u00e4hnte negative Kriterium hatte jedoch eine falsche Sub-jectivirung zur Folge.\nAls Begleiterscheinungen endlich, die mit der Objectivit\u00e4t und Subjectivit\u00e4t in Zusammenhang gebracht werden, sind folgende\n1) Wie mir die Vp Kirschmann nachtr\u00e4glich mittheilt, ist sie hei diesen Versuchen peinlich bestrebt gewesen, \u00bbnur nach den direct gegebenen Eigenschaften der schwachen Lichtwahmehmung zu urtheilen und jeden Einfluss des Wissens (indirecter Kriterien) auszuschlie\u00dfen\u00ab. Dadurch erkl\u00e4rt sich auf sehr einfache Weise die hei dieser in optischen Beobachtungen ganz ungew\u00f6hnlich bef\u00e4higten und ge\u00fcbten Vp sonst auff\u00e4llige relativ gro\u00dfe Zahl der F nach Tabelle I.","page":536},{"file":"p0537.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindx\u00fcoken. 537\nKriterien zu deuten. Zun\u00e4chst wird aus dem Verschwinden eines Ph\u00e4nomens bei Schluss der Augen von Schleimer und Warren zuweilen dessen Objectivit\u00e4t festgestellt. Im Gegensatz dazu hat Heyfelder die bekannte Thatsache, dass Nachbilder oder andere subjective Erscheinungen beim Blinzeln vor\u00fcbergehend verschwinden, dazu benutzt, um sich von der Subjectivit\u00e4t eines Ph\u00e4nomens zu \u00fcberzeugen. Warren hat sich jenes Kriteriums auch f\u00fcr die Subjectivirung bedient, indem er auf Grund des Verharrens einer Erscheinung bei Schluss der Augen deren Subjectivit\u00e4t annahm. Endlich gilt das Unbewegtbleiben eines Ph\u00e4nomens bei Bewegung der Augen f\u00fcr Pace und Warren als Kennzeichen seiner Objectivit\u00e4t. Au\u00dfer ihnen benutzen noch Meumann und Witmer die Mithewegung mit dem Auge als Kriterium der Subjectivit\u00e4t. Bei der schon fr\u00fcher geschilderten Unsicherheit des Urtheils \u00fcber das Stattfinden von Augenbewegungen im Dunkeln bei nur einem Orientirungs-punkt ist es begreiflich, dass gerade dieses Kriterium \u00f6fter Fehl-urtheile hervorgerufen hat.\nUnter den selbst\u00e4ndigen Motiven der Subjectivirung geh\u00f6ren zu einer qualitativen Charakteristik die Aussagen von Gr0sch und Meumann, dass die subjectivirten Erscheinungen \u00bbmehr durchsichtig, netzartig oder nebelartig\u00ab seien, und die Angaben von Meumann und Warren, dass sie eine gro\u00dfe Unbestimmtheit in den Farben aufweisen. Heyfelder erw\u00e4hnt, dass sie ihm bekannt seien und in Folge dieser Bekanntheit subjectivirt werden. Als ein rein individuelles Kriterium endlich ist das von Meumann einmal angegebene zu betrachten, wonach die subjectiven Ph\u00e4nomene im rechten Auge intensiver seien, als im linken.\nIn der nachfolgenden Uebersicht stellen wir alle bei unseren Versuchen hervorgetretenen Motive oder Kriterien der Objectivirung und Subjectivirung zusammen, wobei wir den auf der linken Seite aufgef\u00fchrten und nach dem oben eingehaltenen Leitfaden geordneten Motiven der Objectivirung auf der rechten Seite die entsprechenden Motive der Subjectivirung gegen\u00fcberstellen und mit gleichen Ordnungszahlen bezw. Buchstaben versehen.","page":537},{"file":"p0538.txt","language":"de","ocr_de":"538\nOswald K\u00fclpe.\nMotive\nder Objectivirung:\n1.\tEigent\u00fcmliche Qualit\u00e4t (grau).\n2.\tGr\u00f6\u00dfere Helligkeit.\n3.\ta) Gr\u00f6\u00dfere Dauer.\nb)\tK\u00fcrzere Dauer.\nc)\tGr\u00f6\u00dfere Unver\u00e4nderlichkeit.\nd)\tPl\u00f6tzlichkeit des Auftretens und Verschwindens.\ne)\tDas Ganze erscheint sofort.\nf)\tUnvermitteltes Erscheinen.\n4.\ta) Bestimmtere Form, gr\u00f6\u00dfere\nDeutlichkeit.\nb)\tAndere Gestalt.\nc)\tBestimmter Ort.\nd)\tGr\u00f6\u00dfere Ausdehnung.\n5.\ta) Gr\u00f6\u00dfere Aehnlichkeit unter\neinander.\nb)\tRegelm\u00e4\u00dfigere Succession.\nc)\tContrast mit den subjectiven Erscheinungen.\n6.\tDas Auftreten eines Nachbildes.\n7.\ta) Verschwinden bei Augen-\nschluss.\nb) Unbeweglichkeit bei Augenbewegungen.\nder Subjectivirung:\n1. a) Die subjectiven Ph\u00e4nomene erscheinen mehr durchsichtig, netz- oder nebelartig.\nb)\tGr\u00f6\u00dfere Unbestimmtheit der Farben,\nc)\tBekanntheitsqualit\u00e4t.\n3.\ta) L\u00e4ngere Dauer.\nc) Gr\u00f6\u00dfere Ver\u00e4nderlichkeit.\ne)\tDie Theilchen scheinen zusammenzuschie\u00dfen.\n4.\ta) Gr\u00f6\u00dfere Unbestimmtheit der\nUmrisse.\nb)\tAndere Form.\nc)\tIn eine andere Ebene localisirt.\nd)\tGr\u00f6\u00dferer Umfang.\n5.\tb) Raschere Succession.\n6.\tDas Fehlen von Nachbildern.\n7.\ta) Erhaltenbleiben bei Augen-\nschluss.\nb)\tMitbewegung mit den Augen.\nc)\tVerschwinden beim Blinzeln.\n8.\tIm rechten Auge st\u00e4rker als im linken.","page":538},{"file":"p0539.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 539\nDie bisherige Darstellung hat gezeigt, dass es zwar Motive von ganz individueller Bedeutung gibt, dass aber kein Motiv von allen Vp (wenigstens soweit die Aussagen dar\u00fcber belehren) angewandt worden ist. In diesem Sinne allgemeing\u00fcltig ist demnach kein einziges der aufgef\u00fchrten Motive gewesen. Relativ am meisten benutzt wurden 3a), 4a) und c). Auch besitzen die einzelnen Motive f\u00fcr die verschiedenen Yp eine durchaus verschiedene Werthig-keit. So ist z. B. f\u00fcr drosch das entscheidende Kriterium die Pl\u00f6tzlichkeit des Ein- und Austritts, f\u00fcr Meumann das Auftreten von Nachbildern. Nun ist freilich nur die kleinere Zahl der vorgenommenen Subjectivirungen und Objectivirungen von den Yp auf bestimmte Motive zur\u00fcckgef\u00fchrt worden. Vielfach wurden keine angegeben, in anderen F\u00e4llen versagte die Selbstbeobachtung. Es hat darum auch keinen Werth, die Wirksamkeit der einzelnen Motive durch die Gegen\u00fcberstellung der von ihnen abh\u00e4ngigen Urtheile zu illustriren. Man erh\u00e4lt vielmehr auf diesem Wege ein ganz unzureichendes und irref\u00fchrendes Bild von ihrer Bedeutung. Manche Yp beschr\u00e4nkten sich h\u00e4ufig darauf, zu erkl\u00e4ren, welche Motive ganz allgemein im Verlauf einer oder mehrerer Versuchsreihen f\u00fcr die Objectivirung und Subjectivirung ma\u00dfgebend gewesen seien. Ob nun wirklich in allen F\u00e4llen diese und keine anderen Kriterien benutzt worden sind, l\u00e4sst sich nat\u00fcrlich nicht sagen, ebenso wenig wie wir mit Sicherheit feststellen k\u00f6nnen, dass au\u00dfer den in unseren Proto-collen verzeichneten, von den Yp ausdr\u00fccklich angegebenen Kriterien keine weiteren, etwa unbewusst-gebliebenen eine Rolle gespielt h\u00e4tten. Mit dieser Einschr\u00e4nkung, zu der selbstverst\u00e4ndlich auch geh\u00f6rt, dass unsere optischen Versuche eine bestimmte Anordnung und Anwendung von Reizen mit sich brachten, und somit nicht ohne Weiteres verallgemeinert werden d\u00fcrfen, m\u00fcssen also unsere Betrachtungen \u00fcber die Motive der Subjectivirung und Objectivirung versehen werden.\nGehen wir die vollst\u00e4ndige Liste derselben durch, so erhellt, dass sie zum gr\u00f6\u00dften Theil eine relative Bedeutung haben. Ein mehr oder weniger, ein so und anders spielen in den meisten Aussagen eine ma\u00dfgebende Rolle. Unter den am h\u00e4ufigsten benutzten Kriterien sind zwei, 3d) und 4c), durch die besondere Anstellung unserer Experimente bedingt gewesen. Die Pl\u00f6tzlichkeit des Eintretens und Verschwindens charakterisirte namentlich die k\u00fcrzer w\u00e4hrenden Reize","page":539},{"file":"p0540.txt","language":"de","ocr_de":"540\nOswald K\u00fclpe.\nund ist auch vorwiegend hei ihnen bemerkt worden. Die Vorstellung eines bestimmten Ortes der objectivirten Erscheinungen musste sich allm\u00e4hlich aushilden, da dieser Ort nie gewechselt und nicht einmal durch Vexirreize an anderen Stellen des Gesichtsfeldes gegen sie angek\u00e4mpft wurde. Trotzdem ist, wie wir fr\u00fcher sahen, dank der Unsicherheit unseres Urtheils \u00fcber Augenbewegungen, nicht selten den objectivirten Erscheinungen ein anderer als der \u00bbbestimmte\u00ab Ort angewiesen worden. Nat\u00fcrlich h\u00e4ngen auch 3e) und f) mit den besonderen Versuchsbedingungen zusammen. Die Pl\u00f6tzlichkeit des Erscheinens bringt es mit sich, dass das Ganze sofort wahrgenommen wird und unvermittelt auftritt.\nSehen wir von den nur je einmal angegebenen Kriterien 1 und 5 c) ab, die auch nur von einer Vp angewandt worden sind und somit eine mehr zuf\u00e4llige Bedeutung haben, so gehen \u00fcber die Relativit\u00e4t vier Motive hinaus, n\u00e4mlich 6, 7a) und c). E\u00fcr diese ist die ' optische Beschaffenheit des wahrgenommenen Ph\u00e4nomens ganz gleicli-, g\u00fcltig. Die Subjectivirung und Objectivirung erfolgen vielmehr auf Grund bestimmter Folge- und Nebenerscheinungen, die empirisch an die Subjectivit\u00e4t bezw. Objectivit\u00e4t eines Eindrucks gebunden sind. Streng genommen sind aber auch das Auftreten oder Fehlen von Nachbildern und das Verschwinden eines Ph\u00e4nomens beim Blinzeln nur relative Kriterien. Denn jenes setzt eine gewisse Intensit\u00e4t des Reizes voraus, bei welcher ein merkliches Nachbild erscheint, und wird damit von einem graduell abstufbaren Factor abh\u00e4ngig, und dieses zeigt mannichfache Variationen-hinsichtlich der Zeitdauer des Verschwindens, der Energie des Lidschlags und der Lebhaftigkeit der subjectiven Erscheinungen, wiederum einer Anzahl continuirlich ver\u00e4nderlicher Factoren. Somit sind nur zwei Motive von einer absoluten Bedeutung, n\u00e4mlich das Verschwinden bezw. Erhaltenbleiben bei Augenschlu\u00df und die Unbeweglichkeit bezw. Mithewegung hei Augenbewegungen. Dass diese Kriterien nicht h\u00e4ufiger mit Bewusstsein angewandt worden sind, als es hei unseren Versuchen wirklich geschah, hat seinen Grund z. Th. in der kurzen Dauer der objectiven Reize. Die Vp f\u00fcrchteten, die schwachen Ph\u00e4nomene g\u00e4nzlich zu verlieren, wenn sie solche Experimente angestellt h\u00e4tten. Daher hat sich nur Warren des Augenschlussversuchs zur St\u00fctze der Objectivirung und Subjectivirung gelegentlich bedient, da ich bei","page":540},{"file":"p0541.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 541\nihm allein Reizdauern von 10\u201420 Secunden einwirken lie\u00df. In der Anwendung werden somit auch diese absoluten Kriterien zu relativen, von bestimmten, variablen Bedingungen abh\u00e4ngigen-\nEin anderes Kriterium von \u00e4hnlicher Art ist auffallender Weise nie benutzt worden, n\u00e4mlich die Feststellung, ob sich beide Augen hinsichtlich des zu beobachtenden Ph\u00e4nomens ganz gleich verhalten. Nur einmal (8.) hat Meumann bemerkt, dass die suhjectiven Erscheinungen im rechten Auge intensiver sind, als im linken. Offenbar setzt die Anwendung dieses Kriteriums nicht nur l\u00e4ngere Reizdauer, sondern auch eine gewisse Uebung in der selbst\u00e4ndigen Schlie\u00dfung jedes Auges und eine bessere Kenntniss der optischen Leistungen der beiden Einzelaugen voraus, als sie gemeiniglich besteht.\nKein einziges von allen Motiven der Subjectivirung und Objectivirung ist schlechthin zuverl\u00e4ssig gewesen. Jedes von ihnen hat hier oder da Irrungen oder wenigstens zweifelhafte Urtheile zur Folge gehabt. Dazu hat jedenfalls die Art unserer Versuche das ihrige beigetragen. So ung\u00fcnstig diese in gewisser Beziehung f\u00fcr das Auftreten von F-E\u00e4llen sein mussten, weil die Anzahl der m\u00f6glichen Variationen im G-ebiet der objectiven Reizungen so gering war, so wurde doch andererseits durch den Aufenthalt im Dunkelzimmer, das unwissentliche Verfahren, die Schw\u00e4che und kurze Dauer der Reize daf\u00fcr Sorge getragen, dass die Erkennung der Subjectivit\u00e4t bezw. Objectivit\u00e4t eines Ph\u00e4nomens nicht gar zu leicht wurde. Ein H\u00fclfs-mittel kann an sich noch so vertrauensw\u00fcrdig sein, es gibt Umst\u00e4nde, unter denen seine Anwendung versagt oder seine Kraft nicht zur vollen Geltung kommen kann. Zur Beurtheilung der suhjectiven oder objectiven Natur eines Ph\u00e4nomens geh\u00f6rt insbesondere auch eine gewisse Eindringlichkeit desselben, d. h. eine von Dauer und St\u00e4rke des Reizes ebenso wie von entgegenkommender Pr\u00e4disposition abh\u00e4ngige F\u00e4higkeit, die Aufmerksamkeit zu fesseln und zu besch\u00e4ftigen. Das unwissentliche Verfahren und die relative Schw\u00e4che und geringe Dauer des Reizes schlossen einen h\u00f6heren Grad von Concentration aus. Andererseits ist nicht zu \u00fcbersehen, dass alle Vp, die mir zur Verf\u00fcgung standen, Psychologen oder wenigstens wissenschaftlich gebildete M\u00e4nner waren, die von Nachbildern, suhjectiven Empfindungen und psychologischen Experimenten mehr oder weniger ausgedehnte Kenntnisse hatten und in der Kunst der Selbstbeobachtung mehr","page":541},{"file":"p0542.txt","language":"de","ocr_de":"542\nOswald K\u00fclpe.\noder weniger ge\u00fcbt waren. Ungebildete oder unge\u00fcbte Vp h\u00e4tten wahrscheinlich eine viel geringere Unterscheidungsgabe f\u00fcr das Subjective und das Objective an den Tag gelegt.\nII. Versuche im Gebiet des Hautsinns.\nDurch das liebensw\u00fcrdige Entgegenkommen meines verehrten Collegen und Freundes von Frey, f\u00fcr das ich ihm auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dank sage, bin ich in den Stand gesetzt worden, Versuche, die den optischen entsprechen, auch auf dem Gebiete des Hautsinnes anzustellen, der ja vielfach als der eigentlich objective Sinn betrachtet und ausgezeichnet wird. Aus den Experimenten von A. Br\u00fcckner1) war mir die \u00fcberaus zweckm\u00e4\u00dfige Einrichtung zur Abstufung der Intensit\u00e4t von punktuellen Druckreizen bekannt. Diese Versuchsanordnung wurde mir in einem Raume des W\u00fcrzburger Physiologischen Instituts zur Verf\u00fcgung gestellt. Die Herren von Frey und Kirschmann hatten die gro\u00dfe Freundlichkeit, mir w\u00e4hrend einer Anzahl Versuchsreihen in der Zeit von 9 bis 11 Uhr Abends als Vp zu dienen. Dabei hatte Ersterer an seinem linken Unterarm (Beugeseite) im Anschluss an fr\u00fchere Aufnahmen eine gr\u00f6\u00dfere Zahl von Druckpunkten bezeichnet, w\u00e4hrend ich selbst an Kirschmann\u2019s rechtem Unterarm einige Druckpunkte von mittlerer Empfindlichkeit aufsuchte und in der bei Br\u00fcckner beschriebenen Weise fixirte. In den Tabellen verwerthet ist von jeder Vp nur ein einziger der reizbaren Punkte. Auf diesen wurde von vornherein der eine der beiden intensiv abstufbaren Reize aufgesetzt. Die \u00fcbrigen Punkte aber dienten nur dazu, mannigfaltige Vexirversuche auszuf\u00fchren, die der Vp die Vorstellung benehmen sollten und benommen haben, als wenn sie immer nur an einer und derselben Stelle objectiv gereizt w\u00fcrde. Au\u00dferdem hatte ich ein Inventar von Reizhaaren verschiedener Energie zur Verf\u00fcgung, mit denen ich bald streichend, bald sto\u00dfend f\u00fcr eine gewisse Mannigfaltigkeit von Reizqualit\u00e4ten bei diesen Vexirversuchen Sorge trug.\nDas Verfahren war, wie bei den optischen Experimenten, ein v\u00f6llig unwissentliches. Die Vp wussten nur, dass sie zuweilen\n1) Zeitschr. f. Psychol. 26 S. 33 ff.","page":542},{"file":"p0543.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 543\nReize empfangen w\u00fcrden; wann und wo sie stattf\u00e4nden, war ihnen unbekannt, ebenso ihre Qualit\u00e4t. Sie hatten aber \u00fcber alle Sensationen, die sie in dem freien Theil des in einer Gypshohlform ruhenden Armes versp\u00fcrten, zu berichten, insbesondere auch anzugeben, ob sie dieselben f\u00fcr subjectiv oder objectiv hielten und, wenn besondere Motive sie dazu veranlassten, diese mitzutheilen. Es versteht sich von seihst, dass ich m\u00f6glichst ger\u00e4uschlos experimentirte und protocollirte, zumal ich wohl merkte, dass die Yp die Neigung hatten, Ger\u00e4usche, die ich hervorbrachte, zu objectiven Reizen in Beziehung\nTabelle VI.\nVp\tGrad\tZ\tOr\tF\tOf\tSf\tZwo\tZws\tOf + Zws\tSf + Zwo\nv. Frey ....\t9\u20147\t100\t27 0/o\t2 0/o\t1%\t0\t1%\t0\t1%\t1%\n\t6\t92\t36 0/0\t6,5 0/o\t4,3o/o\t0\t2,2o/o\t0\t4,3 0/o\t2,2 0/0\n\t5\u20142\t81\t42 o/0\t4,9%\tl,2 0/o\t0\t2,4o/0\tl,2o/o\t2,4o/o\t2,4 0/0\n\tSa.\t273\t34o/o\t4,4 0/0\t2,2 0/o\t0\t1,8 0/0\t0,4 0/o\t2,6 o/0\t1,8 0/0\nKirschmann\t3\u20142\t138\t18 0/0\t18 0/0\t11,6 0/0\t0\t3 0/o\t3,6%\t15 0/o\t3 o/o\n\tl-Vs\t117\t37o/o\t20 0/0\t6 0/0\t20/0\t7o/o\t5 0/o\tlio/o\t9o/o\n\tSa.\t255\t27o/o\t19%\t9%\t0,8 0/0\t6 0/0\t4,3 0/0\t13o/o\t6 0/0\nzu bringen. Nat\u00fcrlich diente auch das Vorhandensein eines zweiten, gleichfalls auf die Haut aufgesetzten Apparats dazu, die Vp in der Annahme zu befestigen, dass sie an verschiedenen Stellen und in verschiedener Beschaffenheit Reizungen zu erwarten habe.\nDa sich somit die Aufmerksamkeit der Vp auf eine gr\u00f6\u00dfere reizbare Fl\u00e4che zu vertheilen hatte und nicht f\u00fcr den Eintritt eines Reizes besonders vorbereitet wurde, war die Empfindlichkeit kleiner, als sie sonst gewesen ist und sein konnte, und es mussten daher gr\u00f6\u00dfere Intensit\u00e4ten, als z. B. bei den Br\u00fcckner\u2019schen Versuchen, angewandt werden. Au\u00dferdem hielt ich es f\u00fcr zweckm\u00e4\u00dfig, bei beiden Vp Punkte verschiedener Empfindlichkeit zu benutzen, und so w\u00e4hlte","page":543},{"file":"p0544.txt","language":"de","ocr_de":"544\nOswald K\u00fclpe.\nich bei v. Frey einen Druckpunkt von vergleichsweise hoher, hei Kirschmann einen solchen von m\u00e4\u00dfiger Empfindlichkeit aus. Auf diese Weise lie\u00dfen sich die Resultate von der Anwendung bestimmter Reizintensit\u00e4ten unabh\u00e4ngig machen.\nIn der Tabelle VI haben die meisten Zeichen gleiche Bedeutung, wie in den fr\u00fcheren Tabellen. \u00bbGrad\u00ab gibt die Intensit\u00e4t des Reizes in Graden der Entfernung des Ankers vom Electromagneten an. Mit abnehmender Gradzahl w\u00e4chst die Intensit\u00e4t des Reizes. In den Horizontalcolumnen, die mit Sa. beginnen, ist die Gesammtheit der Versuche ohne gesonderte Ber\u00fccksichtigung der Intensit\u00e4t aufgef\u00fchrt.\nDie wesentlichen Erscheinungen, die wir bei den optischen Versuchen gefunden haben, treten auch hier hervor. Ausgepr\u00e4gt ist wiederum die Tendenz zur Objectivirung, sodass fast gar keine falschen Subjectivirungen zu verzeichnen waren. Da es hier verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig leichter war, festzustellen, ob eine Angabe der Vp sich auf ein objectiv oder subjectiv bedingtes Ph\u00e4nomen bezog1), so ist darin eine Best\u00e4tigung der fr\u00fcheren Ergebnisse zu erblicken. Auch hier ist bei beiden Vp im Durchschnitt ein Uebergewicht der Of + Zws \u00fcber die Sf + Zwo vorhanden. Ferner sind die zweifelhaften F\u00e4lle bei Kirschmann ziemlich gleichm\u00e4\u00dfig auf die Zwo und die Zws vertheilt, w\u00e4hrend bei v. Frey die Zwo etwas zahlreicher sind, als die Zws. Analoges findet sich in Tabelle I.\nSodann treffen wir auch hier jene Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit an, die Tabelle II erkennen lie\u00df. Die relative Anzahl der F steigt mit derjenigen der Or bis zu einem in der N\u00e4he der fr\u00fcher definirten Schwelle gelegenen, und zwar unterhalb derselben befindlichen Grenzwerth an, um von da ah wieder zu sinken. Freilich ist dies Verhalten bei Kirschmann nicht ganz so deutlich, wie bei v. Frey. Es hat das seinen Grund vermuthlich in der bei ihm zur Verwendung gekommenen gr\u00f6\u00dferen Zahl von Vexirversuchen, die begreiflicherweise gerade w\u00e4hrend der Einwirkung schw\u00e4cherer Reizintensit\u00e4ten h\u00e4ufiger ausgef\u00fchrt wurden. Darum ist die wirkliche Zahl richtiger Objectivi-rungen bei Grad 3\u20142 gr\u00f6\u00dfer, als die in der Tabelle angegebene, und die Zahl der Of im Verli\u00e4ltniss zu gro\u00df ausgefallen. Zur\n1} Vgl. jedoch unten S. 547.","page":544},{"file":"p0545.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 545\nErkl\u00e4rung dieser Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit, deren Eintreffen auf dem Gebiet des Hautsinnes f\u00fcr mich von besonderem Werthe war, lassen sich ganz \u00e4hnliche Betrachtungen anstellen, wie ich sie oben f\u00fcr die optischen Versuche dargelegt habe.\nBei der bekannten schnellen Accommodation an Hautreize erschien es nicht r\u00e4thlich, die Dauer derselben besonders zu variiren. Auch lie\u00df sich nach den optischen Versuchen kaum erwarten, dass sich dabei ein Resultat von allgemeinerer Bedeutung ergeben w\u00fcrde. Ich habe es daher bei allen Versuchen mit einer Stromschluss- und somit Reizdauer von einer Sekunde bewenden lassen. Dagegen waren die Intervalle zwischen den einzelnen Reizungen von ganz unregelm\u00e4\u00dfiger L\u00e4nge, damit sich nicht eine sensorische Einstellung aushilde.\nDie individuellen Unterschiede sind auch hier augenf\u00e4llig. Kirschmann hat bedeutend mehr F aufzuweisen, als v. Frey. Dieser Unterschied war zu erwarten. Denn letztere Vp verf\u00fcgte \u00fcber vielf\u00e4ltige und ausgebreitete Erfahrungen auf diesem Gebiete, w\u00e4hrend erstere bisher keine systematischen Beobachtungen an Druckpunkten angestellt hatte. Darum war. dort die Unterscheidung zwischen Reizen und subjectiven Erscheinungen eine sehr scharfe und feine. Dazu kommt noch ein anderer Gesichtspunkt. Kirschmann hatte, soweit ich auf Grund meiner Versuche urtheilen kann, eine gr\u00f6\u00dfere Tendenz zu subjectiven Sensationen als v. Frey. Da nun auch bei ihm die falschen Objectivirungen unter den F die erste Stelle einnehmen, so ist diese Tendenz der Vermehrung der Of wahrscheinlich zu Gute gekommen. Endlich wird die gr\u00f6\u00dfere Zahl und Mannigfaltigkeit von Vexirversuchen bei Kirschmann dazu beigetragen haben, die F-F\u00e4lle h\u00e4ufiger hervortreten zu lassen1). Hinsichtlich der Tendenz zu zweifelhaften Urtheilen verhalten sich beide Vp gleich, insofern die Zwo -j- Ziws bei v. Frey 50^, bei Kirschmann 48^ der F ausmachen.\nDer Charakter der subjectiven Ph\u00e4nomene war bei v. Frey zumeist durch die in Folge der erzwungenen Ruhelage des Armes auftretenden Empfindungen des Brennens und Juckens der Haut bestimmt, die bei gr\u00f6\u00dferer Lebhaftigkeit und Ausbreitung auf die Erkennung der objectiven Reize ung\u00fcnstig einwirkten und daher dazu\n1) Ygl. auch unten S. 547 f.\nWundt, Philos. Studien. XIX.\n35","page":545},{"file":"p0546.txt","language":"de","ocr_de":"546\nOswald K\u00fclpe.\nzwangen, die Versuchsreihen recht kurz, etwa eine Viertelstunde lang, zu machen. Daneben traten scharf umschriebene stechende Empfindungen von l\u00e4ngerer Dauer auf, die fast immer richtig subjectivirt wurden. Dagegen gaben zu falschen Objectivirungen Anlass kurze sto\u00dfartige oder gleitende Ber\u00fchrungsempfindungen, welchen Charakter die objectivirten Erscheinungen hei dieser Vp regelm\u00e4\u00dfig trugen. Kirschmann zeigte im Unterschiede von v. Frey eine starke Disposition f\u00fcr Kitzelempfindungen und objectivirte dieselben relativ h\u00e4ufig. Auch bei richtiger Objectivirung erschien .ihm die erfolgte Ber\u00fchrung oft alsi, ein Kitzelreiz.- Au\u00dferdem wurden gleitende, schleifende Ber\u00fchrungen, W\u00e4rme und K\u00e4lte, sowie schwache, kurze Contacte an einer bestimmten Hautstelle empfunden und gelegentlich objectivirt.\nDie Motive der Subjectivirung und Objectivirung gestalteten sich bei v. Frey sehr einfach. Da ihm die Versuchsanordnung im Wesentlichen bekannt war, so war er zun\u00e4chst von der Voraussetzung beherrscht, dass nur punktuelle, sto\u00dfartige Reize an verschiedenen Hautstellen, aber innerhalb eines durch die von ihm selbst bezeich-neten Druckpunkte umschriebenen Versuchsfeldes erfolgen w\u00fcrden. Die von diesem ihm wohlbekannten Charakter abweichenden Empfindungen wurden f\u00fcr subjectiv gehalten. In Folge meiner ausdr\u00fccklichen Aufforderung, diese Voraussetzung aufzugeben, und der Anwendung von Vexirreizen hat er zwar dieses'Motiv nicht mehr mit bewusster Ausschlie\u00dflichkeit benutzt und einmal einen Kitzel am Handgelenk, ein anderes Mal eine leicht kratzende Empfindung f\u00e4lschlich objectivirt. Aber vorherrschend ist bei ihm doch stets die bekannte Sto\u00dfnatur des Druckreizes von kurzer Dauer als Kriterium der Objectivit\u00e4t geblieben. Dass dasselbe ein rein empirisches, durch Beobachtung und Kenntniss vermitteltes sei, hat Vp selbst erkl\u00e4rt. Darin werden wir zugleich einen Hauptgrund daf\u00fcr zu erblicken haben, dass die relative Anzahl der F hier so gering ist.\nEin gr\u00f6\u00dferes Arsenal von Kriterien wurde von Kirschmann, der \u00fcber die Anstellung der Versuche und die Beschaffenheit der Reize nicht n\u00e4her orientirt war, benutzt. Den objectiven Ph\u00e4nomenen schrieb er zun\u00e4chst im Gegensatz zu den subjectiven eine sch\u00e4rfere Localisirbarkeit zu und war daher geneigt, diffuse, ausgebreitete Empfindungen zu subjectiviren. Sodann fand er, dass die Umgebung","page":546},{"file":"p0547.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fceber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 547\neiner gereizten Hautstelle gegen objektive Ver\u00e4nderungen einen Widerstand leiste, w\u00e4hrend sie bei subjectiver Heizung gewisserma\u00dfen eine Eesonanz daf\u00fcr bilde kind die eingetretene Ersch\u00fctterung fortpflanze und ausbreite. Beide Kriterien h\u00e4ngen, wie man unschwer sieht, mit einander zusammen, indem das zweite sich wie eine Erkl\u00e4rung zu dem ersten, der -directcn Beobachtung mehr zug\u00e4nglichen verh\u00e4lt. Ferner wirkte als Motiv der Subjectivirung die Vorstellung mit, dass die Hautstelle, in welche gewisse Empfindungen localisirt werden, dem Experimentator unzug\u00e4nglich sei. Endlich wurde als Motiv der Objectivirung noch die Art des Verschwindens einer Beizung bezeichnet. Die objectiven Ph\u00e4nomene schienen keine Nachwirkung zu hinterlass\u00ean. Gelegentlich wurde auch die Pl\u00f6tzlichkeit eines Eindrucks als Kriterium der Subjectivit\u00e4t benutzt. Beim Kitzel ist Kirschmann, wie er mittheilt, am unsichersten in seinem Urtheil \u00fcber die subjective bezw. objective Natur der Empfindung, sofern nicht damit eine Bewegung iiher die Haut verbunden sei, die auf objective Beizung schlie\u00dfen lasse.' In dem Kitzel zeigt sich bei ihm jene Vermengung des Objectiven mit Subjectivem, deren wir fr\u00fcher bei der Besprechung der optis'chen Versuche gedaeht haben (vgl. S. 532). Das Ph\u00e4nomen als Ganzes wird subjectivirt oderobjectivirt, ohne dass der subjective und der objective Antheil won einander geschieden w\u00fcrden. Bei v. Frey ist eine solche Vermengung nur relativ selten zu beobachten gewesen.\nIrrungen \u00fcber den Ort der Beizung traten, wie bei den optischen Versuchen, auch hier h\u00e4ufig hervor. Da eine Ber\u00fchrung der Hautstelle von seiten der Vp nicht stattfinden durfte, \u00e4u\u00dferten sie sich vornehmlich darin, dass die .Beschreibung des Orts wechselte, w\u00e4hrend die Beizung selbst unver\u00e4ndert dieselbe Hautstelle traf. So hie\u00df es denn.: mehr radial, mehr distal, h\u00f6her oben u. s. w., auch wohl einfach: an einem anderen Orte, ohne dass dieser genauer bezeichnet werden konnte. In einzelnen F\u00e4llen konnte \u00fcberhaupt gar nicht localisirt werden und wurde daher blo\u00df : irgendwo, oder : .ich wei\u00df nicht wo, von der Vp bemerkt. Diese Angaben erschwerten nat\u00fcrlich die Einordnung der betreffenden Urtheile unter die mir zur Verf\u00fcgung stehenden Kategorien, und es l\u00e4sst sich daher auch hier nicht mit voller Sicherheit die Bichtigkeit aller solcher Aufnahmen in mein Versuchsprotokoll verb\u00fcrgen. Insbesondere waren\n35*","page":547},{"file":"p0548.txt","language":"de","ocr_de":"548\nOswald K\u00fclpe.\ndie schw\u00e4cheren Reize durch mangelhafte oder fehlerhafte Localisa-tionen ausgezeichnet, eine Erscheinung, die auch von Henri1) beobachtet worden ist, indem er fand, dass bei sehr schwachen Ber\u00fchrungen die Localisationsfehler etwas gr\u00f6\u00dfer werden als bei st\u00e4rkeren Reizen. In diesen Jrrungen \u00fcber den Ort einer Reizung kommen auch bei beiden Yp die Erscheinungen einer Vermengung von subjectiven und objectiven Faktoren zur Geltung, insofern es sich um Localisationsfehler handelt, die betr\u00e4chtlich den normalen Thatbestand \u00fcbertreffen. Au\u00dferdem verrathen sie sich in der Charakteristik der objectivirten Ph\u00e4nomene, die v. Frey zuweilen als gleitende, nicht nur als sto\u00dfartige Reize bezeichnet, obwohl immer nur dieselbe kurze, v\u00f6llig umschriebene Reizung stattfand. Bei Kirschmann sto\u00dfen wir auf eine noch h\u00e4ufigere und mannigfaltigere Beeinflussung der objectivirten Erscheinungen durch subjective Empfindungen.\nEs sind somit alle wesentlichen Momente der optischen Versuche bei der Anwendung von Hautreizen wiedergekehrt, trotzdem die Zahl der Experimente und der Vp hier erheblich geringer war. Charakteristisch ist jedoch f\u00fcr den Hautsinn, dass sich hier Alles innerhalb sehr viel engerer Grenzen und mit viel geringeren Details abspielt. Die Erscheinungen im Hautsinnesgebiet verhalten sich zu denen im Gesichtssinnesgebiet, wie Umrisszeichnungen in verkleinertem Ma\u00dfstabe zu einem Originalbilde. Es fehlt die Mannigfaltigkeit der qualitativen und r\u00e4umlichen Gestaltung, die Vorg\u00e4nge und Eindr\u00fccke sind einfacher, man m\u00f6chte fast zugleich sagen, roher. Um so werthvoller ist die Uebereinstimmung zwischen beiden, die auch geeignet sein d\u00fcrfte, den mehrfach f\u00fcr die Tastvorkommnisse behaupteten Vorzug sichererer oder allein zuverl\u00e4ssiger Objectivit\u00e4t zu beseitigen.\nIII. Die psychologische und erkenntnisstheoretische Bedeutung\nder Versuche.\nUnsere Experimente \u00fcber die Subjectivirung und Ohjectivirung von Sinneseindr\u00fccken haben zun\u00e4chst eine psychologische Bedeutung, indem sie zeigen, in welcher Weise und unter welchen Bedin-\n1) Henri, ftaumwahrnekmungen des Tastsinns S. 128 f.","page":548},{"file":"p0549.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fcoken. 549\ngungen ein Ph\u00e4nomen des Gesichts- oder Hautsinns als suhjectiv oder objectiv beurtheilt wird. Dabei ist vorausgesetzt, dass die letzteren Ausdr\u00fccke f\u00fcr alle Vp denselben Sinn gehabt haben. In der That war eine Verst\u00e4ndigung dar\u00fcber, was als subjectiv oder objectiv anzusehen sei, wie eine kurze Unterhaltung vor Beginn der Versuche mit jeder Vp lehrte, nicht schwer.*) Alles, so hie\u00df es meist, was auf \u00e4u\u00dfere Reize optischer oder tactiler Art innerhalb der Grenzen eines Versuchsfeldes zur\u00fcckgef\u00fchrt oder bezogen werden muss oder kann, ist objectiv, alles Andere innerhalb der n\u00e4mlichen Grenzen suhjectiv. Die Vp bedienten sich daher vielfach auch der Bezeichnung: ein Reiz, eine Erleuchtung, eine Ber\u00fchrung u. s. w., um die Objectivit\u00e4t eines Eindrucks anzudeuten, w\u00e4hrend sie bei den subjectivirten Ph\u00e4nomenen regelm\u00e4\u00dfig den Ausdruck \u00bbsubjectiv\u00ab anwandten. Die Subjectivirung erhielt auf diese Weise den Charakter | einer negativen Charakteristik: sofern dieser Eindruck nicht auf einen \u00e4u\u00dferen Reiz zu beziehen ist, sei er suhjectiv genannt. Hur in relativ wenigen F\u00e4llen wurde eine positive, speciellere Angabe f\u00fcr ausreichend gehalten. \u00bbEin Zucken der Haut\u00ab war f\u00fcr Kirschmann mehrfach selbstverst\u00e4ndlich subjectiv, ebenso ein \u00bbLichtnebel\u00ab f\u00fcr Meumann, Grosch und Pace.\nAuch in diesen Kleinigkeiten verr\u00e4th sich die psychologische Ueberwerthigkeit der Objectivirung. Man kennt sie l\u00e4ngst von ganz anderer Seite her. So wei\u00df man, dass die sprachlichen Bezeichnungen der Sinnesempfindungen gr\u00f6\u00dftentheils den Gegenst\u00e4nden entlehnt sind, auf die sie bezogen und von denen sie urspr\u00fcnglich qualitativ nicht unterschieden werden. Das Gleiche gilt f\u00fcr die Entwickelung der Ausdr\u00fccke, welche die Sinnesth\u00e4tigkeit benennen1 2). Auf den n\u00e4mlichen Thatbestand weist die regelm\u00e4\u00dfige Objectivirung der Traumph\u00e4nomene hin. Die Subjectivirung ist urspr\u00fcnglich eingeschr\u00e4nkt auf die positiven Leistungen des Ich, auf alle die Vorg\u00e4nge, hei denen das Ich sich activ betheiligt und ein Bewusstsein seiner Spontaneit\u00e4t hat, d. h. auf das Gebiet der complexen Gef\u00fchls-\n1)\tNur Kirschmann erkl\u00e4rte die Unterscheidung f\u00fcr eine ganz willk\u00fcrliche, da die Gesichts- und Tastempfindungen als solche keine Eigenschaften bes\u00e4\u00dfen, die er als subjectiv oder objectiv bezeichnen k\u00f6nnte, und war deshalb nicht ganz leicht dazu zu bringen, dass er diese Pr\u00e4dicate \u00fcberhaupt anwandte.\n2)\tVgl. Wundt, V\u00f6lkerpsychologie I, 2, S. 512 ff.","page":549},{"file":"p0550.txt","language":"de","ocr_de":"550\nOswald K\u00fclpe.\nund Willensvorg\u00e4nge. Die Affecte und Triebe, Stimmungen und Leidenschaften, Absichten und Entschl\u00fcsse, Wahlacte und Handlungen geh\u00f6ren zu dem nat\u00fcrlichen Best\u00e4nde subjectivirter Erscheinungen. Die Sinneseindr\u00fccke und Phantasmen aber, f\u00fcr deren Eintreten' sich das Individuum nicht verantwortlich wei\u00df, deren Kommen und Gehen ohne sein Zuthun sich abspielen, sie erscheinen zun\u00e4chst als das Aufgen\u00f6thigte, Objective.\nSo sehr nun auch die wissenschaftliche Reflexion \u00fcber diesen naiven und engen Begriff des Subjectiven hinausgef\u00fchrt hat, so ist doch die auch in unseren Versuchen hervorgetretene Tendenz zur Objectivirung ein Zeichen daf\u00fcr, da\u00df trotz aller Erkenntniss und Berichtigung ein nachweisbarer Rest jener Neigung, alles, wobei wir uns nicht unmittelbar betheiligt wissen, zu objectiviren, selbst in psychologisch und naturwissenschaftlich geschulten Individuen zur\u00fcckgeblieben ist. Eine \u00fcberwiegende Tendenz zur Subjectivirung hat sich bei keiner meiner Vp gezeigt. Sicherlich hat dieser Thatbestand auch eine biologische Bedeutung. Die Beziehung zur Au\u00dfenwelt wird f\u00fcr die psychophysischen Wesen durch die Objectivirung vermittelt. Dabei ist es von Wichtigkeit, das Objective als Objectives zu erkennen, zu wissen, ob man es mit Vorg\u00e4ngen, Ereignissen, Reizen au\u00dfer sich zu thun hat. Eine falsche Objectivirung ist zweifellos gefahrloser, unsch\u00e4dlicher, als eine falsche Subjectivirung1). \u00dcberhaupt aber ist es f\u00fcr ein Lebewesen im allgemeinen ungleich bedeutungsvoller, zumal im Gebiet der Empfindung, zu objectiviren als zu subjectiviren. So ist es auch zu verstehen, dass bei einer Mischung von objectiven und subjectiven Bestandtheilen das Ganze schlechthin objectivirt zu werden pflegt.\nDiese Vermengung, die wir sowohl bei den optischen, wie bei den Hautsinnexperimenten festgestellt haben, bildet nun auch die Br\u00fccke, welche unsere Beobachtungen mit den normalen Erlebnissen verbindet. Man k\u00f6nnte versucht sein, wie das so oft experimentellpsychologischen Arbeiten gegen\u00fcber geschehen ist, unsere Ergebnisse als k\u00fcnstlich gewonnene, mit der normalen Erfahrung gar nicht zusammenh\u00e4ngende und daher f\u00fcr diese in keiner Weise verbindliche\n1) Man wird hier nat\u00fcrlich nicht Luftspiegelungen, Irrlichter u. dgl. entgegenhalten d\u00fcrfen.","page":550},{"file":"p0551.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fceken. 551\noder gar vorbildliche abzulehnen. Dass man im Dunklen \u00e4usserst schwache Lichtreize zuweilen nicht erkenne, sie mit rein subjectiven Empfindungen verwechsle oder wenigstens \u00fcber ihre Beschaffenheit in Zweifel gerathe, das sei begreiflich genug. Normaler Weise dagegen habe man es mit einer gegliederten Mannigfaltigkeit sichtbarer Gegenst\u00e4nde zu thun. Da kommen solche Irrth\u00fcmer oder auch nur Bedenken \u00fcberhaupt nicht vor. Mein ganzes Unternehmen habe daher nur den zweifelhaften Werth zu zeigen, wie sich die Objectivirung und Subjectivirung unter so ung\u00fcnstigen, der Wirklichkeit des Lebens nicht entsprechenden Umst\u00e4nden verhalte. Aehnlich k\u00f6nnte von den Hautsinnversuchen gesagt werden, dass sie keine Beziehung zu dem Verfahren aufweisen, welches wir normaler Weise Tasteindr\u00fccken gegen\u00fcber einschlagen. Bewegungen des ber\u00fchrten Gliedes oder eines anderen zum Nachweis der Objectivit\u00e4t, auch die sonst regelm\u00e4\u00dfige Contr\u00f4le eines Sinnes durch den anderen seien ausgeschlossen gewesen.\nSolchen Einw\u00e4nden soll nicht wieder mit allgemeinen Er\u00f6rterungen \u00fcber den Werth experimenteller Untersuchungen, die dahei noth-wendige Vereinfachung der Probleme u. dgl. m. begegnet werden. Sie w\u00e4ren berechtigt, wenn ich alle bei unseren Versuchen beobachteten Erscheinungen unterschiedslos verallgemeinert h\u00e4tte oder wenn ich ihre Tragweite blind \u00fcbersch\u00e4tzen wollte. Statt dessen ist auf die einschr\u00e4nkende Bedeutung der besonderen Versuchsumst\u00e4nde wiederholt hingewiesen worden. Aber es fehlt auch nicht ganz an gemeinsamen, \u00fcber sie hinausf\u00fchrenden Momenten und an Ergebnissen von allgemeinerer Tragweite. Zu den letzteren rechne ich insbesondere die Thatsache, dass die Irrungen und Bedenken bei einem Iteiz wer the unterhalb der von uns definirten Schwelle ihr Maximum erreichen und bei \u00fcbermerklichen der Null zustreben. Man wird dies Ergebniss nicht bedeutungslos nennen k\u00f6nnen, insofern es erst exacte Angaben \u00fcber das normale Verhalten hinsichtlich der Subjectivirung und Objectivirung erm\u00f6glicht. Die Hallucinationen, bei denen subjective Eindr\u00fccke f\u00e4lschlich objectivirt werden, sind damit als abnorme, pathologische Erscheinungen charakterisirbar, weil die normalen Irrungen nicht continuirlich in sie \u00fcbergehen, sondern durch die Kluft \u00fcbermerklicher 'Reizunterschiede von ihnen getrennt sind. Wir lassen dabei ganz dahingestellt, inwiefern in der","page":551},{"file":"p0552.txt","language":"de","ocr_de":"552\nOswald K\u00fclpe.\nbekanntlich noch keineswegs abgeschlossenen Theorie der Halluci-nationen auch Aufmerksamkeits- und Urtheilsvorg\u00e4nge eine Rolle zu spielen haben. Aber von gro\u00dfer Wichtigkeit scheint mir die durch unsere Versuche gelieferte Feststellung zu sein, dass Subjecti-virung und Objectivirung bei einfachen Sinneseindr\u00fccken normaler Weise mit voller Sicherheit auseinandergehalten und angewandt werden k\u00f6nnen, trotzdem keine immanenten Merkmale die selbstverst\u00e4ndliche Grundlage dieser Unterscheidung bilden. Empirische Kriterien reichen somit aus, um schon bei ebenmerklichen Empfindungen der Objectivirung eine kaum mehr zu \u00fcberbietende Zuverl\u00e4ssigkeit zu verleihen. Man wird hiernach auch bei der Erkl\u00e4rung der Hallucinationen nicht sowohl nach Alterationen in der Sinnessph\u00e4re, als vielmehr nach einer St\u00f6rung in dem Verhalten und der Anwendung solcher empirischen Kriterien zu suchen haben. Ebenso d\u00fcrften die Analyse der Kriterien, die bei unseren Versuchen die Subjectivirung und Objectivirung bestimmt haben, sowie die Abh\u00e4ngigkeit der F-F\u00e4lle von der Disposition zu subjectiven Ph\u00e4nomenen und von der Neigung der Vp zur Skepsis eine mehr als bloss zuf\u00e4llige, nur f\u00fcr unsere Experimente g\u00fctige Bedeutung beanspruchen k\u00f6nnen.\nAls einen gemeinsamen Zug, der Versuch und normales Verhalten mit einander verbindet, haben wir bereits die pr\u00e4vahrende Tendenz zur Objectivirung kennen gelernt. Dazu gesellt sich aher noch die Vermengung des Objectiven mit dem Subjectiven. Durch den Begriff der Illusion pflegen diese Erscheinungen zusammengefasst zu werden. Man ist sich dabei aber nicht bewusst, in welchem Ma\u00dfe sie stattfindet. Sind falsche Objectivirungen und Zweifel an der Ob-jectivit\u00e4t nicht mehr zu constatiren, d. h. treffen Objectivirungen mit objectiven Reizungen regelm\u00e4\u00dfig zusammen, so bleibt noch immer eine Mitwirkung von subjectiven Ph\u00e4nomenen hei dem Zustandekommen der Eindr\u00fccke m\u00f6glich. In der That ist eine solche Mitwirkung indirekt von uns festgestellt worden, indem wir auf die Aussagen \u00fcber die Beschaffenheit der objectiven Erscheinungen eingingen und deren Mannigfaltigkeit und Wechsel mit der Einfachheit und Oonstanz der objectiven Reize confrontirten. Derartiges ist nun auch im normalen Verhalten in weit h\u00f6herem Grade der Fall, als man gemeiniglich wei\u00df und wahr haben will. Seit ich mich mit den hier beschriebenen","page":552},{"file":"p0553.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 553\nVersuchen zu besch\u00e4ftigen anfing, habe ich mich tagt\u00e4glich \u00fcber Illusionen ertappt, d. h. \u00fcber einer Auffassung von Objectivem, die durch dieses allein nicht gerechtfertigt wurde, sondern durch die Mitwirkung subjectiver Merkmale mehr oder weniger stark beeinflusst worden war. Wie ich feststellen konnte, glaubte ich dabei immer das Ph\u00e4nomen so zu sehen, wie ich es interpretirte, und erhielt bei Berichtigung der Auffassung auch ein anderes Bild von dem Gegenst\u00e4nde. Deutung und Eindruck schienen sich wechselseitig zu beinflussen. Die Thatsache, dass man von diesem subjectiven Factor keine Kenntniss zu haben pflegt uud derartiger Illusionen sich in der Regel nicht bewusst wird, steht mit den Befunden bei unseren Experimenten in vollem Einkl\u00e4nge. Ich habe keinen Grund zu glauben, dass sich andere Personen in dieser Hinsicht anders verhalten, als ich selbst, graduelle Abstufungen nat\u00fcrlich ausgenommen. Von verschiedenen meiner \u00e4lteren Versuchspersonen ist mir das wiederholte Vorkommen von Illusionen in t\u00e4glicher Erfahrung ausdr\u00fccklich iTest\u00e4tigt worden.\nIn erkenntnisstheoretischer Hinsicht liefern unsere Beobachtungen zun\u00e4chst einen Beitrag zur Bestimmung des Begriffs einer urspr\u00fcnglichen oder vollen Erfahrung oder, wie ich selbst diese genannt habe, der Erlebnisse. Sie zeigen, dass das, was subjectivirt oder objectivirt wird, nicht toto genere verschieden von einander ist, wie etwa s\u00fcss und blau oder Licht und Schall, sondern einander \u00bbganz gleich\u00ab sein kann, dass es also keine immanenten Merkmale sind, welche diese Unterscheidung begr\u00fcnden und herbeif\u00fchren. \u00bbAn sich\u00ab ist somit ein Eindruck weder subjectiv noch objectiv, \u00bbdas Denken macht ihn erst dazu\u00ab, d. h. in diesem Falle die Beziehung auf ein Object oder ein Subject. Diese Beziehung h\u00e4ngt von Kriterien ab, deren Kenntniss erworben werden muss, und deren Anwendung bei einem und demselben Ph\u00e4nomen a priori nach beiden Richtungen m\u00f6glich ist. Wo daher immanente Merkmale zu dieser Unterscheidung benutzt werden, da tragen sie einen relativen und rein empirischen Charakter, der von Fall zu Fall wechseln kann und keine B\u00fcrgschaft dauernden Erfolges mit sich f\u00fchrt.\nSodann haben unsere Versuche gelehrt, dass die Erlebnisse eine Einheit bilden, die in ihrer Totalit\u00e4t objectivirt oder subjectivirt zu werden pflegt. Die zweifelhaften F\u00e4lle, in denen eine Gegeninstanz gefunden werden k\u00f6nnte, haben niemals bedeutet,","page":553},{"file":"p0554.txt","language":"de","ocr_de":"554\nOswald K\u00fclpe.\ndass ein Ph\u00e4nomen sowohl ohjectiv, als auch subjectiv sei, also beide Beziehungen gleichzeitig zulasse, und nur die Grenze zwischen ihnen nicht genau festgestellt werden k\u00f6nne. Vielmehr sind sie, wie ich immer wieder constatiren konnte, entweder der Ausdruck f\u00fcr die Unsicherheit dar\u00fcber gewesen, ob ein Ph\u00e4nomen vorhanden sei oder nicht \u2014 relativ seltene F\u00e4lle, die ich in die Tabellen nicht aufgenommen habe \u2014 oder der Hinweis auf einen Zweifel gegen\u00fcber der sub-jectiven oder objectiven Natur eines Eindrucks. Wenn ferner Grosch und Pace gelegentlich bemerkten1), dass sie eine Vermischung von subjectiven und objectiven Erscheinungen beobachteten, so bezog sich dies auf F\u00e4lle, wo verschiedene Flecken, Streifen, Punkte u. s. w. zusammentrafen und die einen f\u00fcr subjectiv, die anderen f\u00fcr objectiv gehalten werden konnten. Dagegen hat es sich niemals ereignet, dass b$i einem und demselben Ph\u00e4nomen a gleichzeitig beide Beziehungen angewandt worden w\u00e4ren. Ein solches Verfahren ist nun zweifellos denkbar. Wenn die Begr\u00fcnder der neueren Naturwissenschaft und Philosophie die Sinnesqualit\u00e4ten subjectivirten und die r\u00e4umliche Form objectivirten, so haben sie in der That denselben Eindruck auf ein Object und ein Subject bezogen. Aber diese Unterscheidung ist eine k\u00fcnstliche und theoretische geblieben, die auf die Praxis keinen Einfluss gewonnen hat. Man kann es eben den Sinnesph\u00e4nomenen nicht anselten oder anf\u00fchlen, was an ihnen subjectiv und objectiv ist. Um diese Antheile feststellen zu k\u00f6nnen, bedarf man einer mehr oder weniger umst\u00e4ndlichen und m\u00fchsamen Untersuchung, die uns nur langsam in Naturwissenschaft und Psychologie hat erkennen lassen, was auf die eine und was auf die andere Seite geh\u00f6rt. Wir wissen jetzt, dass auch jene Einsicht in die Subjectivit\u00e4t der Sinnesqualit\u00e4ten keine vollst\u00e4ndige und abschliessende war, dass vielmehr alles an den Sinneseindr\u00fccken, die sich auf objective Reize beziehen lassen, zugleich eine subjective Seite hat, die r\u00e4umliche Form nicht minder, als die Qualit\u00e4t oder Intensit\u00e4t der Empfindung.\nDasselbe Resultat ergibt sich, wenn wir die Motive der Sub-jectivirung und Objectivirung mustern, die sich bei unseren Beobachtungen den Vp dargeboten haben. Eine gleichzeitige Beziehung eines und desselben Eindrucks auf ein Object oder das Subject ist offenbar\n1) Ygl. S. 532.","page":554},{"file":"p0555.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Objeetivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken. 555\nunm\u00f6glich, wenn man sich der die gr\u00f6\u00dfere Zahl bildenden relativen Kriterien bedient. Hat ein Ph\u00e4nomen eine \u00bbbestimmtere Form\u00ab, eine \u00bbgr\u00f6\u00dfere\u00ab Dauer oder Helligkeit, so kann es nicht zugleich eine unbestimmtere Form oder eine geringere Dauer bezw. Helligkeit haben. Nat\u00fcrlich kann es einerseits eine gr\u00f6\u00dfere Helligkeit und andererseits eine unbestimmtere Form haben, d. h. verschiedene Kriterien der Subjectivirung und Objeetivirung k\u00f6nnen Zusammentreffen. Das f\u00fchrt aber nur zu einem Zweifel an der subjectiven oder objectiven Natur des ganzen Eindrucks, nicht zu einer Scheidung von Bestandtheilen dieser Art innerhalb des Ph\u00e4nomens. Nicht anders verh\u00e4lt es sich in dieser Hinsicht mit den absoluten Kriterien. Schliesst man die Augen und findet dann, dass der eben .wahrgenommene Eindruck verschwindet, so darf man daraus nicht auf vollst\u00e4ndigen Mangel subjectiver Factoren, also auf reine Objectivit\u00e4t schlie\u00dfen.\nDagegen f\u00fchren uns die absoluten Kriterien in einer anderen Beziehung \u00fcber die relativen und deren Bestimmungen hinaus. Die letzteren lassen uns n\u00e4mlich gar keinen Einblick in die Natur jener Beziehungen thun, die wir als Subjectivirung und Objeetivirung einander gegen\u00fcbergestellt haben. Was die Beziehung auf ein Object oder das Subject eigentlich bedeute, ist aus der Begr\u00fcndung, dass ein Ph\u00e4nomen diese oder jene Helligkeit, Dauer oder Lage habe, nicht zu erkennen. Hier setzen die absoluten Kriterien erg\u00e4nzend ein. Sie bestimmen die in Bede stehende Beziehung als eine Abh\u00e4ngigkeitsbeziehung. Verschwindet ein Ph\u00e4nomen hei Augenschluss und erscheint es wieder bei Oeffnung der Augen, so ist es offenbar von meinem Verhalten, meinem Organe unabh\u00e4ngig. Bewegt sich ein Eindruck mit, wenn ich meine Augen bewege, und zwar mit der gleichen Geschwindigkeit und in derselben Richtung, so ist er vom Auge abh\u00e4ngig. Objectiviren und subjectiviren bedeuten daher hei Anwendung dieser Kriterien soviel als: von einem Object bezw. dem Subject abh\u00e4ngig setzen. Die Schwierigkeit, mit welcher die Feststellung von Abh\u00e4ngigkeitsbeziehungen verkn\u00fcpft ist, macht es nun auch verst\u00e4ndlich, dass sich der subjective oder objective Antheil an einem Ph\u00e4nomen nicht ohne Weiteres feststellen und angeben lassen1) und somit beide Beziehungen dem ganzen Eindruck schlechthin zuerkannt zu werden\n1) Vgl. meine Einleitung in d. Philos. 2. Aufl. S. 66.","page":555},{"file":"p0556.txt","language":"de","ocr_de":"556 Oswald K\u00fclpe. Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken.\npflegen. Diese Einheitlichkeit der Erlebnisse wird durch die Sonderung zweier verschiedenen Arten von Abh\u00e4ngigkeitsheziehungen nat\u00fcrlich nicht aufgehoben. *)\nDie eigentlichen erkenntnisstheoretischen Schwierigkeiten heben erst mit dem Versuch an, den Subjects- und den Objectsbegriff, d. h. also dasjenige eindeutig zu bestimmen, von dem ein Sinneseindruck, ein Erlebniss abh\u00e4ngig sein soll. Denn es kann unter Umst\u00e4nden ein und dasselbe Subject oder Object sein, zu diesem oder jenem geh\u00f6ren. Subjectivire ich z. B. eine Hautempfindung, so rechne ich die Haut, von der ich sie abh\u00e4ngig weiss, zum Subject. Aber dieselbe Haut wird, wenn ich sie optisch wahrnehme und das dabei erhaltene Gesichtsbild objectivire, zum Object. Damit werden auch diese Begriffe zu relativen, und es erhebt sich die Aufgabe, einen Subjects- und Objectsbegriff ausfindig zu machen, der eine eindeutige Verwendung zul\u00e4sst. Dieser Aufgabe nachzugehen, f\u00fchrt \u00fcber den Rahmen dieser Abhandlung weit hinaus. Sie hat ihren Zweck erf\u00fcllt, wenn sie gezeigt hat, dass die Lehre von dem Vorstellungsobject oder den Erlebnissen, die an sich weder subjectiv noch objectiv sind und eine Einheit bilden, die eine solche Bestimmung nur in toto erf\u00e4hrt, eine wohlhegr\u00fcndete ist.1 2)\n1)\tVgl. Wundt, System d. Philos., 1. Aufl. S. 101 ff.\n2)\tDie interessanten Versuche von Seashore (Studies from the Yale Psychol. Labor. Ill, S. 1 ff.) besch\u00e4ftigen sich mit einem anderen Problem, sind aber wohl geeignet zu zeigen, wie leicht falsche Objectivirungen in unserem Sinne auch normaler Weise hervorgerufen werden k\u00f6nnen.","page":556}],"identifier":"lit4577","issued":"1902","language":"de","pages":"508-556","startpages":"508","title":"Ueber die Objectivirung und Subjectivirung von Sinneseindr\u00fccken","type":"Journal Article","volume":"19"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:22:06.485493+00:00"}