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{"created":"2022-01-31T12:29:19.881858+00:00","id":"lit4578","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Rostosky, Paul","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 19: 557-598","fulltext":[{"file":"p0557.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\nVon\nPaul Rostosky.\nGro\u00dfenhain.\nMit 5 Figuren im Text.\nDie vorliegende Arbeit soll ein Capitel aus einer im Leipziger Institut f\u00fcr experimentelle Psychologie vorgenommenen und schon vor ca. 7 Jahren abgeschlossenen Untersuchung \u00bb\u00fcber functionelle Beziehungen beider Geh\u00f6rorgane\u00ab behandeln, deren erster, ausschlie\u00dflich historisch-kritischer Theil, die einschl\u00e4gige Literatur bis 1896 behandelnd, bereits 1897 in den \u00bbBeitr\u00e4gen zur Psychologie und Philosophie\u00ab von G. Martius erschien. Die sp\u00e4tere berufliche Th\u00e4tigkeit lie\u00df mich aber nicht mehr zu einer umfassenden Bearbeitung des reichen Yersuchsmaterials und seiner \u00e4u\u00dferst mannigfaltigen Con-sequenzen gelangen. So will ich nun wenigstens bei dieser festlichen Gelegenheit, die den Wunsch, das Resultat mehrj\u00e4hriger Arbeit doch nicht ganz der Vergessenheit anheim fallen zu lassen, besonders rege gemacht hat, einen kleinen Theil aus jener Untersuchung, der z. Z. von besonderem Interesse sein d\u00fcrfte, n\u00e4mlich den Abschnitt \u00fcber die binauralen Schwebungen dej^ Oeffentlichkeit \u00fcbergeben. Ich m\u00f6chte damit zugleich dem Herrn Jubilar, meinem hochverehrten Lehrer, zu einem kleinen Theile eine Dankesschuld f\u00fcr die reiche Unterst\u00fctzung und F\u00f6rderung abtragen, die ich durch ihn bei meiner experimentellen Untersuchung erfahren habe.","page":557},{"file":"p0558.txt","language":"de","ocr_de":"558\nPaul Rostosky.\nEinleitung.\nDa ich nun, wie gesagt, hier nur ein Capitel bringen kann, so glaube ich, doch wenigstens einiges \u00fcber den ehemaligen Plan des Ganzefl vorausschicken zu m\u00fcssen.\nOstern 1893 begann ich auf Anregung des Herrn Geheimrath Wundt eine Untersuchung \u00fcber die Entstehung der binauralen Schwebungen. Bereits zu Pfingsten desselben Jahres war ich zu einem Resultate gelangt, das meiner Meinung nach eigentlich schon entscheidend war. Ich setzte dennoch die Untersuchung fort, einerseits weil ich einigen mir ge\u00e4u\u00dferten Zweifeln gegen\u00fcber noch weitere St\u00fctzen f\u00fcr mein Ergebniss zu gewinnen hoffte, anderseits weil eine Reihe interessanter Nebenbeobachtungen mich zu besonderer Behandlung derselben reizte. So erweiterte sich mir die Aufgabe, der ich dann den schon oben erw\u00e4hnten Titel gab. Mit dem Gegenst\u00e4nde der Untersuchung wuchs nat\u00fcrlich auch die Literatur, welche ich in den Kreis der Betrachtung zu ziehen hatte, und zwar in dem Ma\u00dfe, dass sich die historisch-kritische Uehersicht, die ich anfangs der Arbeit nur als Einleitung vorausschicken wollte, zu einer selbst\u00e4ndigen Abhandlung entwickelte.\nDie derzeit vorliegenden Erfahrungen \u00fcber functionelle Beziehungen beider Geh\u00f6rorgane gruppirte ich darin nach den am Empfindungsganzen beobachteten Besonderheiten der Intensit\u00e4t, der Qualit\u00e4t, der Localisation und der Zusammensetzung. Auf Grund kritischer Betrachtungen, die \u00fcberall eingestreut und besonders am Schluss jedes Abschnittes zusammengefasst wurden, glaubte ich dann, in der Hauptsache drei Arten von Functionsbeziehungen beider Geh\u00f6rorgane unterscheiden zu k\u00f6nnen, n\u00e4mlich 1) die unmittelbaren, hei denen die beiderseitigen Erregungen in oscillatorischer Form direct zu einer vollen Mischung gelangen, 2) die mittelbaren, bei denen die Beziehung nur in einer wechselseitigen Beeinflussung besteht, die durch besondere locale Bedingungen im Verlaufe der beiderseitigen Erregungen vermittelt werden mag, endlich 3) die heterogenen, bei denen sich an die bilateralen akustischen Erregungen gemeinsame Wirkungen kn\u00fcpfen, die von einer H\u00f6rempfindung als solcher nichts mehr an sich haben. Als Beziehungen der ersten Art hat man die Interferenzerscheinungen, die binauralen Schwebungen und Combinationst\u00f6ne zu betrachten;","page":558},{"file":"p0559.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n559\ndenjenigen der zweiten Art sind die nichtperiodischen (d. h. von der momentanen Phasendifferenz der beiderseitigen Erregungen unabh\u00e4ngigen) Intensit\u00e4tsmodificationen und Aenderungen der Qualit\u00e4t zuzurechnen; solche der dritten Art endlich haben wir in den Locali-sationserscheinungen vor uns. Dieser Eintheilungsplan sollte der Bearbeitung meiner eigenen YerSuchsresultate zu Grunde gelegt werden. So schwebte mir auch hei der Abfassung dieser Arbeit, obwohl dieselbe durchaus nicht als erster von mehreren Abschnitten gedacht ist, noch immer jenes Gesammtbild vor, hoffentlich ohne ihre Verst\u00e4ndlichkeit zu beeintr\u00e4chtigen.\nY ersuchs einrichtung.\nDie Einrichtung, mit welcher ich meine Untersuchungen ausf\u00fchrte, wich in mehrfacher Hinsicht von den \u00fcblichen Versuchsanordnungen ab. Ich ging bei deren Aufbau darauf aus, die mannigfaltigsten, irgend in Betracht kommenden Experimente zwecks vergleichbarer Bedingungen mit dieser selben Einrichtung anzustellen. Demgem\u00e4\u00df musste dieselbe die einzelnen Eactoren, welche bei der akustischen Reizung auf die Empfindung Einfluss haben, nach M\u00f6glichkeit rein, sowie unabh\u00e4ngig und continuirlich variabel darzustellen und in verschiedene Verbindungen zu bringen gestatten. Solcher Factoren k\u00f6nnen wir nun \u00fcberhaupt folgende unterscheiden: erstens hinsichtlich der Reizquelle, Und zwar einerseits den Einzelreiz betreffend, Amplitude und Wellenl\u00e4nge, anderseits eine Summe solcher angehend, Zahl und Phasendifferenz, zweitens hinsichtlich der Beziehung des Reizes zum Reagenten, und zwar auf Seiten der Reizquelle, Entfernung und Richtung, aus welcher der Reiz kommt, auf Seiten des Reagenten, Art, Ort und Dauer der Reizapplication. Diese theoretisch herausgesch\u00e4lten Factoren verdienen nat\u00fcrlich nicht alle die gleiche Ber\u00fccksichtigung. Die Vernachl\u00e4ssigung eines solchen erscheint gerechtfertigt, sobald entweder im Allgemeinen seine Zur\u00fcckf\u00fchrbarkeit auf andere Factoren feststeht, wie dies z. B. f\u00fcr die Richtung und Entfernung gilt, aus welcher ein Schall kommt, oder im Besonderen sich etwa seine Unvereinbarkeit mit andern Factoren in derselben Versuchs^nordnung ergibt, oder seine Bedeutungslosigkeit f\u00fcr eine engere Frage evident ist. So wird sich z. B. eine Variation","page":559},{"file":"p0560.txt","language":"de","ocr_de":"560\nPaul Rostosky.\nder Phasendifferenz bei zwei auf kranio-tympanalem Wege zugeleiteten Reizen schwerlich erm\u00f6glichen lassen, und bei a\u00f6ro-tympanaler Reizzuf\u00fchrung kann von einer Variation des Ortes der Reizapplication nicht gesprochen werden. In der Natur unserer Frage dagegen liegt es, dass die Reizdauer zumeist nur eine untergeordnete Rolle spielt, und dass man im Allgemeinen nicht mehr als zwei Reize gleichzeitig zuzuleiten hat. Daneben kann gleich hier bemerkt werden, dass man als Reize am besten einfache T\u00f6ne verwendet, die allein eine exacte Variation von Amplitude, Wellenl\u00e4nge und Phase zulassen.\nAn der Versuchseinrichtung sind nun zun\u00e4chst zwei Theile zu unterscheiden, der schallgebende und der schallleitende Theil.\n1. Der schallgebende Theil.\nAls Schallquellen benutzte ich Stimmgabeln, meistens solche in mittleren Lagen. Innerhalb gewisser Grenzen war ihre Tonh\u00f6he wie gew\u00f6hnlich durch Laufgewichte regulirbar. Alle Gabeln wurden auf elektrischem Wege angeregt und in Schwingungen erhalten. Jedoch erwies sich nur die directe Erregung als brauchbar. Mit H\u00fclfe der bekannten indirecten Anregung durch eine tiefere Gabel lie\u00df sich nie ein glatter, von allen Schwankungen der H\u00f6he und namentlich der Intensit\u00e4t freier Ton erzielen. Selbst wenn die secund\u00e4re Gabel anfangs in peinlichster Weise auf ein Vielfaches der Schwingungszahl der tieferen Gabel gestimmt war, so deuteten doch regelm\u00e4\u00dfig schon nach kurzer Zeit Intensit\u00e4tsschwankungen der secund\u00e4ren Gabel auf eine Verstimmung derselben, die vielleicht in einer nach der Manipulation des Stimmens unvermeidlich eintretenden kleinen Temperatur\u00e4nderung der Gabel oder in sonst irgend einem Umstande ihre Ursache haben mochte. Aber gerade f\u00fcr unsere Aufgabe, speciell f\u00fcr die Untersuchung der binauralen Schwebungen war es naturgem\u00e4\u00df von h\u00f6chster Wichtigkeit, T\u00f6ne zu erzielen, die an sich nicht die geringsten Intensit\u00e4tsschwankungen zeigten, zumal eine fortdauernde Contr\u00f4le der Gabeln, die sich doch in verschiedenen Zimmern befinden mussten, w\u00e4hrend der Versuche ausgeschlossen war. So blieb nichts anderes \u00fcbrig, als die Gabeln auf elektrischem Wege direct in Schwingungen zu versetzen. Ein Quecksilbercontact war aber hier nicht brauchhar, theils weil daf\u00fcr ihre Frequenz zu gro\u00df war, theils","page":560},{"file":"p0561.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n561\nweil ihre freie Handhabung durch einen solchen unm\u00f6glich gemacht wurde. Bei einem trockenen Contact aber war wieder das Ger\u00e4usch der Contactfeder und des Funkens \u00e4u\u00dferst st\u00f6rend. Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen gl\u00fcckte es jedoch, beides fast v\u00f6llig zu beseitigen.\nIn den mit gr\u00fcner Seide umsponnenen d\u00fcnnen Leitungsschn\u00fcren befindet sich gew\u00f6hnlich neben einem ganz schwachen Kupferdrahte\nPig. 1.\nc\t\t\t\t-\u00d6-\nj\tTL\tl\t\t9\n\t\t\nMontirung der aufrecht stehenden Gabel von oben gesehen.\ng g Gabelzinken, e Elektromagnetspule, kk Spulenkern, f Contactfaden, e Contactfl\u00e4che, l leitender, n nichtleitender Theil derselben, p Klemme zur Feststellung der Spule in verschiedenen H\u00f6hen.\nein B\u00fcndel gelber mit Metall umsponnener Seidenf\u00e4den. Letztere fand ich als das geeignetste Material f\u00fcr die Contactfedern. Die Contactfl\u00e4che wurde aus zwei mit den Gabelzinken gleichlaufenden Streifen aus Platin und Kautschuk hergestellt und in die Ebene der Zinken neben eine derselben gebracht, an welcher in ihrer Schwingungsrichtung der Contactfaden derart befestigt wurde, dass seine Spitze bis zur Ber\u00fchrungskante jener beiden Streifen reichte (Fig. 1). Zwischen die Gabelzinken wurde eine gro\u00dfe flache kreisrunde Elektromagnetspule mit kurzem Kern gebracht und konnte dort durch\nWundt, Philos. Studien. XIX.\t36","page":561},{"file":"p0562.txt","language":"de","ocr_de":"562\nPaul Rostosky.\nVerschiebung l\u00e4ngs eines Stabes, der zugleich zur Leitung des Stromes diente, verschieden hoch eingestellt werden, wie es gerade die verwendete Gabel erforderte. Die Spule selbst wurde mit einer Differentialwickelung versehen, wodurch die Funkenbildung an der Con-tactstelle vollst\u00e4ndig vermieden wurde. Das Leitungsschema ist folgendes : Die beiden von den Polen der Batterie kommenden Dr\u00e4hte\nFig. 2.\nSchaltungsschema f\u00fcr die Gabel.\ng Gabel, e Elektromagnetspule, f Contactfaden, c Contaetfl\u00e4che, Gleitender, n nichtleitender Theil derselben, % Verzweigungsstellen, wg wr Widerst\u00e4nde an der Gabel bezw. im Reagentenzimmer, b Batterie.\nvereinigen sich zu der bifilaren Wickelung der Spule, worauf der eine den Strom direct, der andere \u00fcber Contact und Gabel zur Batterie bezw. zu deren Anschlussdr\u00e4hten zur\u00fcckf\u00fchrt. Vor den Verzweigungen sind an passenden Stellen (am besten am Gabelgestell und im Rea-gentenzimmer) kleine Widerst\u00e4nde zur Regelung der Tonst\u00e4rke der Gabel, sowie Unterbrecher einzuschalten (Fig. 2).\nDurch diese Einrichtungen erreichte ich endlich, dass das schwache schwirrende Ger\u00e4usch der Feder h\u00f6chstens unmittelbar an der Gabel","page":562},{"file":"p0563.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n563\nh\u00f6rbar war, w\u00e4hrend schon in ganz geringer Entfernung von derselben, ja selbst beim Aufsetzen des G-abelfu\u00dfes auf den Kopf nur immer ein ganz reiner glatter Ton geh\u00f6rt wurde, der, so lange jedesmal die Versuche w\u00e4hrten, ununterbrochen mit constanter Intensit\u00e4t erklang. Auch konnten auf diese Weise Gabeln jeder Tonh\u00f6he bis zu ca. 1500 Schwingungen p. s. direct erregt werden. Obert\u00f6ne, welche die Resultate h\u00e4tten st\u00f6rend beeinflussen k\u00f6nnen, wurden von den Reagenten bei den Versuchen nicht bemerkt, obwohl ja solche, wie schon aus der Schwingungskurve elektrisch erregter Gabeln zu ersehen ist, sicher in den Stimmgabelkl\u00e4ngen vorhanden waren. Sie auch objectiv v\u00f6llig auszuschlie\u00dfen, war schon aus diesem Grunde weniger erforderlich und w\u00e4re freilich auch schwerlich gelungen. F\u00fcr die Bestimmung der Tonh\u00f6he der zu den Versuchen verwendeten Gabeln gen\u00fcgten die bekannten Appunn\u2019schen Tonmesser. Die Gabeln waren sammt ihrer Montirung an einer Handhabe befestigt, welche am Ende von dem Stimmelgabelfu\u00dfe durchbohrt wurde. So konnte, wenn n\u00f6thig, auch bequem die schwingende Gabel mit ihrem Fu\u00dfe auf beliebige Stellen des Kopfes aufgesetzt werden.\n2. Der schallleitende Theil.\nDieser hat den beiden m\u00f6glichen Arten der Reizzuf\u00fchrung, der a\u00ebro- und der kranio-tympanalen Zuleitung entsprechend ein sehr verschiedenes Aussehen1).\na) Anordnung f\u00fcr a\u00ebro-tympanale Reizzuleitung.\nDie Zuleitung der T\u00f6ne zu den Ohren, die nat\u00fcrlich so erfolgen musste, dass jedes Ohr, soweit dies \u00e4u\u00dferlich erreichbar ist, ausschlie\u00dflich seinen Reiz auf demjenigen Wege empfing, welcher der Zuleitung dienen sollte, erforderte eine ziemlich subtile Versuchsanordnuhg. Jede\n1) Die Zuleitung von T\u00f6nen durch die Eustachischen R\u00f6hren mit H\u00fclfe eingef\u00fchrter Katheter gelang bei mir nicht, wohl infolge sofort eintretender Verschleimung, wiewohl ich sonst die Tuben willk\u00fcrlich zu \u00f6ffnen und offen zu halten vermag, so dass ich die eigene Stimme dr\u00f6hnend vernehme. Zu den sehr wenig angenehmen Katheterversuchen, bei welchen mich Herr Ohrenarzt Dr. med. Pfeiffer in dankenswertester Weise unterst\u00fctzte, noch andere Reagenten zu suchen schien mir hiernach in doppelter Beziehung nicht sehr aussichtsvoll.\n36*","page":563},{"file":"p0564.txt","language":"de","ocr_de":"564\nPaul Rostosky.\nder bei einem Versuche verwendeten Gabeln befand sich in einem besonderen Zimmer, wo sie nur so schwach, als es die Versuche eben zulie\u00dfen, erregt wurden. Das ganze Gabelgestell war mittelst F\u00e4den an einem Stative aufgeh\u00e4ngt, dessen Fu\u00dfplatte durch Filz- und Watteunterlagen von der Tischplatte getrennt war. Auch der Tisch stand auf Filzkl\u00f6tzchen. Infolge dieser Ma\u00dfregeln konnten sich nat\u00fcrlich\nAbsperrvorrichtung, a) geschlossen, b) ge\u00f6ffnet. (An den schr\u00e4gen Fl\u00e4chen des Rahmens befindet sich ein schwacher Gummi\u00fcberzug.)\nau\u00dfer auf dem f\u00fcr die\u00fceberleitung vorgesehenen Luftwege weder durch die Luft noch durch feste Theile irgendwelche Ersch\u00fctterungen bis in\u2019s Reagentenzimmer fortpflanzen. Auch das Eindringen etwaiger von den Zimmerw\u00e4nden u. s. w. reflectirter Wellen in den gegebenen Luftweg konnte infolge der geringen St\u00e4rke der verwendeten T\u00f6ne f\u00fcr v\u00f6llig ausgeschlossen gelten. Von jeder Gabel f\u00fchrten nun zwei von einander v\u00f6llig getrennte, gleich lange, aus Messingr\u00f6hren hergestellte Leitungen","page":564},{"file":"p0565.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n565\n\u2014 Gummischl\u00e4uche erwiesen sich wegen der Yer\u00e4nderlichkeit ihrer L\u00e4nge und ihrer Gestalt (hinsichtlich Kr\u00fcmmung und Querschnitt) als durchaus unbrauchbar \u2014 bis in das Reagentenzimmer. Ihre Enden an der Gabel lagen, mit ihren Oeffnungen den Gabelzinken zugewandt, in der Ebene derselben \u00fcber einander, nat\u00fcrlich ohne sich zu ber\u00fchren. Auch in ihrem weiteren Verlaufe waren sie \u00fcberall, insbesondere auch an den Befestigungsstellen durch Filz und Watte von den Fu\u00dfb\u00f6den und W\u00e4nden der Zimmer isolirt. Im Reagentenzimmer m\u00fcndete die eine von ihnen gegen\u00fcber dem einen Ohre, die andere Leitung vor dem anderen Ohre des Beobachters. Insgesammt f\u00fchrten also von den beiden bei der Untersuchung der Schwebungen benutzten Gabeln vier unter sich gleich lange Leitungen in den Beobachtungsraum, und zwar m\u00fcndeten immer zwei aus verschiedenen Zimmern kommende vor demselben Ohre des Reagenten. Die M\u00fcndungen lagen auch hier \u00fcber einander. Eine Vorrichtung zur ger\u00e4uschlosen und fast momentanen Zuf\u00fchrung und Absperrung des Reizes befand sich in jeder der vier Leitungen im Beobachterzimmer und leistete besonders gute Dienste bei der successiven Intensit\u00e4tsvergleichung diotischer Reize (Fig. 3). Ich hatte diese Vorrichtung einem gew\u00f6hnlichen Absperrhahn seiner Zeit auch deswegen vorgezogen, weil bei ihrer Function kein Reibungsger\u00e4usch den Reagenten st\u00f6rt, und keine Querschnitts\u00e4nderung in der Leitung stattfindet. F\u00fcr Darbietung zeitlich genau begrenzter Reize eignet sie sich nat\u00fcrlich in dieser Form nicht.\nAlle irgend erforderlichen Kr\u00fcmmungen in den Leitungen befanden sich an correspondirenden Stellen derselben, waren von gleicher Gestalt und Gr\u00f6\u00dfe und unterschieden sich lediglich durch die Richtung. Es hatte sich n\u00e4mlich gezeigt, dass mittelst ausziehbarer U-f\u00f6rmig'gebogener R\u00f6hrentheile, welche in den Leitungen als eine Art Quincke\u2019scher Interferenzapparate angebracht waren, um Wege- und Phasendifferenzen einf\u00fchren zu k\u00f6nnen, fast niemals die aus ihrer Einstellung in der gew\u00f6hnlichen Weise berechneten Interferenzen der hindurch geleiteten T\u00f6ne zu erzielen waren. Die unberechenbaren Reflexionen des Schalles an jeder Kr\u00fcmmung m\u00fcssen diese Abweichungen verursachen. In der That traten solche Interferenzen sofort in durchaus regul\u00e4rer Weise auf, als ich die Wegever\u00e4nderung nur durch Verl\u00e4ngerung oder Verk\u00fcrzung der Leitung an langen geradlinigen Endst\u00fccken derselben im Reagentenzimmer bewirkte und au\u00dferdem nur die Richtung der","page":565},{"file":"p0566.txt","language":"de","ocr_de":"566\nPaul Rostosky.\nKr\u00fcmmungen im Vergleich zu einander \u00e4nderte. Ihr Ort im Verlaufe der Leitungen, von den Gabeln aus gerechnet, blieb immer derselbe. Jene L\u00e4ngen\u00e4nderungen der Leitungen mussten nat\u00fcrlich in der Weise geschehen, dass die M\u00fcndungen dabei ihre Entfernung vom Reagenten nicht \u00e4nderten, mithin so, dass aus den letzten festen R\u00f6hrenst\u00fccken genau passende eingeschobene Rohre nach der vom Reagenten abgewendeten Seite ausgezogen wurden. Die Gr\u00f6\u00dfe des Auszuges konnte beiderseits an Scalen in cm ahgelesen werden. Die festen Rohrst\u00fccke lagen, wie angedeutet, ungef\u00e4hr in der die Geh\u00f6rg\u00e4nge verbindenden Geraden. An ihren dem Reagenten zugekehrten Enden waren noch besondere kurze, mit M\u00fcndungsst\u00fccken aus Hartgummi versehene R\u00f6hrchen eingeschoben, deren Entfernung vom Reagenten mikrometrisch regulirt werden konnte. Hierdurch war es m\u00f6glich, die Reizintensit\u00e4t f\u00fcr jedes Ohr auf\u2019s Feinste abzustufen; auch konnten die M\u00fcndungsst\u00fccke auf diese Weise bis in die Geh\u00f6rg\u00e4nge des Beobachters vorgeschoben werden. Ein Paar jener M\u00fcndungsst\u00fccke hatte noch besondere kugelige Ans\u00e4tze, welche genau in die Geh\u00f6rg\u00e4nge passten, so dass hierdurch ein Abschluss gegen etwaige nicht durch die Zuleitungsr\u00f6hren dringende Reize erzielt werden konnte. Am Platze des Reagenten war f\u00fcr eine Kopfst\u00fctze gesorgt, die, ohne unbequem zu werden, besonders seitliche Bewegungen des Kopfes, durch welche die Entfernungen zwischen den Geh\u00f6rg\u00e4ngen und den R\u00f6hrenm\u00fcndungen ge\u00e4ndert worden w\u00e4ren, ziemlich unm\u00f6glich machte.\nb) Anordnung f\u00fcr kranio-tympanale Reizzuleitung.\nDen Hauptanforderungen gen\u00fcgt hier eine sehr einfache Versuchseinrichtung, in der freilich einige der oben genannten Factoren nicht gen\u00fcgende Ber\u00fccksichtigung finden; jedoch machen, wie wir unten sehen werden, hier zum Theil schon nat\u00fcrliche Umst\u00e4nde eine Bem\u00fchung \u00fcberfl\u00fcssig.\nWas zun\u00e4chst den Ort der Reizapplication betrifft, so kann derselbe nat\u00fcrlich auf der Oberfl\u00e4che des Kopfes eine sehr verschiedene Lage haben. Zur Orientirung auf der Sch\u00e4deloberfl\u00e4che und zur Festlegung gewisser Punkte daselbst bediente ich mich eines weitmaschig geh\u00e4kelten Netzes aus festem, wenig nachgiebigem Garn, das durch verschiedenfarbige Radien und Ringe \u00fcbersichtlich eingetheilt war, und welches hei diesen Versuchen immer in derselben Weise \u00fcber","page":566},{"file":"p0567.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n567\nden Kopf gezogen wurde. Dass die am passendsten mittelst fester Leiter zu bewirkende Schallzufuhr zum Kopfknochen an den Ansatzstellen nach M\u00f6glichkeit scharf und eng begrenzt, sowie unter sorgf\u00e4ltigem Ausschluss jeder gleichzeitigen Schallzuleitung auf anderem Wege zu erfolgen hatte, bedarf kaum der Erw\u00e4hnung. Yor solchen st\u00f6renden Nebeneinfl\u00fcssen, die namentlich, wenn die Schallquellen ohne l\u00e4ngere Leitung mit dem Kopfknochen in Verbindung gebracht werden, auch von diesen selbst ausgehen k\u00f6nnen, sch\u00fctzte ich die Geh\u00f6rorgane meist durch Verschluss derselben mit kleinen Ebonit-Antiphonen. Hierdurch werden zugleich, wie bekannt, die zugeleiteten Heize in beiden Ohren betr\u00e4chtlich verst\u00e4rkt. Diese Verst\u00e4rkung ist aber wohl, obgleich sie nur durch einen Theil der jederseits zumNerven gelangenden Schwingungen, n\u00e4mlich durch die vom Trommelfell auf die Luft des Geh\u00f6rganges \u00fcbertragenen und vom Verschlussst\u00fcck reflectirten Wellen zu Stande kommt, in beiden Ohren eine sehr angen\u00e4hert proportionale, wenigstens wenn der Verschluss beiderseits gleich dicht ist. In der That \u00e4ndert sich auch die Localisation eines durch die Kopfknochen zugeleiteten Tones normaler Weise nicht, wenn beide Ohren gleichm\u00e4\u00dfig verschlossen werden. Auch die Phasendifferenz, mit welcher zwei qualitativ wenig verschiedene, an verschiedenen Punkten des Kopfes zugeleitete Heize jederseits zu den Nervenendigungen gelangen, kann durch den Ohrverschluss nur eine ganz geringe Ver\u00e4nderung erfahren, so dass wir also bei Anwendung desselben nicht wesentlich andere Erscheinungen vor uns haben werden, als wenn derselbe unterbleibt. Hinsichtlich der durch Aufsetzen und Abheben des Schallleiters genau regulirbaren Dauer der Heizung, welche in unserer Frage ja nur eine untergeordnete Holle spielt, gen\u00fcgte die manuelle Ausf\u00fchrung dieses Actes. Die gleichzeitige Zuleitung verschiedener Erregungen, sei es mittelst eines gemeinsamen Leiters zu einem, sei es zu mehreren Punkten des Sch\u00e4dels, bereitet nat\u00fcrlich keine Schwierigkeiten. Anders verh\u00e4lt es sich mit der Regulirbarkeit der Intensit\u00e4t des auf diesem Wege zugeleiteten Reizes. Aendert sich dieselbe doch schon ganz betr\u00e4chtlich mit der geringsten Schwankung in der St\u00e4rke, mit welcher der feste Leiter gegen den Kopfknochen gedr\u00fcckt wird. Man kann daher durch blo\u00dfe elektrische Intensit\u00e4tsregulirung der Gahel-schwingungen kaum eine exacte Abstufung der Heizintensit\u00e4t bewirken, wenn es auch nach einiger Uebung gelingen wird, gr\u00f6bere Unterschiede","page":567},{"file":"p0568.txt","language":"de","ocr_de":"568\nPaul Rostosky.\nin der Starke des Andr\u00fcckens zu vermeiden. Eine Aenderung der momentanen Phasendifferenz zweier zu den Kopfknochen geleiteter qualitativ gleicher Reize bietet jedenfalls noch gr\u00f6\u00dfere Schwierigkeiten und ist nicht ohne sehr complicirte Einrichtungen zu erzielen. Solche h\u00e4tten aber \u00fcberhaupt nur in der Aussicht auf eine erfolgreiche Analyse der hier auftretenden Erscheinungen einen Sinn. Dieser steht aber der Umstand entgegen, dass jeder Reiz, an welcher Stelle des Sch\u00e4dels er auch zugeleitet werden mag, unvermeidlich beide Geh\u00f6rorgane in einem St\u00e4rkeverh\u00e4ltniss erreicht, welches charakteristische Erscheinungen des monotischen H\u00f6rens nicht mehr hervortreten l\u00e4sst. Dabei ist die nat\u00fcrlich mit der Applicationsstelle wechselnde Intensit\u00e4tsund Phasendifferenz, mit welcher der Reiz zu beiden Geh\u00f6rorganen gelangt, nicht im entferntesten anzugehen, geschweige denn zu regeln. Damit ist nun aber dieser Art der Reizzuf\u00fchrung keineswegs das Urtheil gesprochen ; obgleich wir n\u00e4mlich hier immer nur complexe Erscheinungen vor uns haben werden, so k\u00f6nnen uns dieselben doch, sobald uns andere Wege zu einem Yerst\u00e4ndniss ihrer Grundz\u00fcge gef\u00fchrt haben, sehr werthvoll sein, indem sie vielleicht lehrreiche Modificationen aufweisen.\nBei meinen Untersuchungen unterst\u00fctzten mich neben einigen anderen Reagenten regelm\u00e4\u00dfig die Herren Prof. Dr. K\u00fclpe, Prof. Dr. Meumann und Dr. Punk, die ja als vorz\u00fcgliche Beobachter, namentlich auch auf akustischem Gebiete, bekannt sind. Die subtilsten Versuche, besonders diejenigen mit leisesten T\u00f6nen, bei denen der schw\u00e4chste Laut, das Rauschen unserer Kleidung hei der geringsten Bewegung oder das schwache Ger\u00e4usch einer Gasflamme, ja sogar das Ticken unserer Taschenuhren die Beobachtung oft geradezu zerst\u00f6ren konnte, wurden Nachts von 12 bis 2 Uhr angestellt; da sa\u00dfen wir, der Reagent und der Experimentator, in halbdunklem Zimmer w\u00e4hrend der Beobachtungen regungslos, oft mit angehaltenem Athem. Ein stummes Zeichen des Reagenten deutete diesen oder jenen wichtigen Moment im Verlaufe der Beobachtungen an. Und wenn sie beendigt waren, da begann der Austausch der Erfahrungen im Fl\u00fcsterton; \u00fcber ein lautes Wort w\u00e4ren wir ja erschrocken.\nDen genannten Herren, welche sich bei diesen Zeilen vielleicht jener eigenartigen Situationen erinnern werden, sei noch an dieser Stelle f\u00fcr ihre liebensw\u00fcrdige Aufopferung bei den anstrengenden Versuchen mein herzlichster Dank dargebracht.","page":568},{"file":"p0569.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n569\nVersuche.\nDie Untersuchung der binauralen Schwebungen zielt ab auf die L\u00f6sung der Frage, ob dieselben nach kreuzweiser Ueberleitung jedes Tones durch die Kopfknochen in den Geh\u00f6rorganen, oder ob sie erst im Gehirn zu Stande kommen. Hiernach konnte f\u00fcr diese Untersuchung nat\u00fcrlich zun\u00e4chst nur die Anordnung f\u00fcr a\u00ebro-tympanale Reizzuleitung in Betracht kommen, da hei der Zuf\u00fchrung beider T\u00f6ne zu den Kopfknochen das Zustandekommen der Schwebungen in den beiden Ohren au\u00dfer allem Zweifel steht, man m\u00fcsste denn ihre peripherische Entstehung principiell leugnen wollen, womit dann nat\u00fcrlich auch die monotischen Schwebungen als cerebral entstandene anzusehen w\u00e4ren.\nVor allem galt es nun, soweit dies \u00e4u\u00dferlich m\u00f6glich, eine isolirte Reizung jedes Ohres durch den ihm direct zugef\u00fchrten Ton zu erzielen. Mithin war einerseits darauf zu achten, dass nicht etwa schon die Art der Zuf\u00fchrung des Reizes seine Ueberleitung durch die Kopfknochen beg\u00fcnstigte. Anderseits musste aber auch eine Ueberleitung durch die Luft um den Kopf des Reagenten herum v\u00f6llig ausgeschlossen werden. Dass die zur Erf\u00fcllung dieser Anforderungen bisher angewandten Methoden s\u00e4mmtlich nicht ganz einwandfrei sind, habe ich fr\u00fcher gezeigt. Ich verfuhr darum folgenderma\u00dfen:\nZun\u00e4chst vermied ich es, die M\u00fcndungsst\u00fccke der Zuleitungsr\u00f6hren mit den Ohren des Reagenten in Ber\u00fchrung zu bringen, und stellte im \u00fcbrigen in jeder Versuchsreihe die isolirte Reizung jedes Ohres wiederholt durch ein besonderes einfaches Experiment sicher : Ich lie\u00df n\u00e4mlich erst das eine und dann das andere Ohr durch Finger, Wachs oder Antiphon verschlie\u00dfen; verschwanden dadurch beide Male die zuvor beobachteten Schwebungen, so war zu folgern, dass die T\u00f6ne weder durch die umgebende Luft, noch etwa nach directer Ueber-tragung von der Luft auf die Kopfknochen durch diese selbst zur gegen\u00fcberhegenden Seite in solcher St\u00e4rke gelangten, dass die re-sultirenden Intensit\u00e4tsschwankungen die Schwelle der Unterschiedsempfindlichkeit \u00fcberschreiten konnten.\nWar auf diese Weise sichergestellt, dass die binauralen Schwebungen auch dann nicht verschwinden, wenn sich beiderseits bis zu dem Punkte, wo die T\u00f6ne die mitschwingenden Theile der Geh\u00f6rorgane","page":569},{"file":"p0570.txt","language":"de","ocr_de":"570\nPaul Rostosky.\nerregen, keine wirksame Ueberleitung vollzieht, so bliehen nunmehr nur noch die beiden M\u00f6glichkeiten, dass die Erregungen durch die mitschwingenden Theile in den Geh\u00f6rorganen auf die Kopfknochen \u00fcbertragen werden und auf diesem Wege peripher zur Interferenz gelangen, oder dass sie eine cerebrale Mischung erleiden.\nZwischen diesen beiden Erkl\u00e4rungsweisen sollten nun die folgenden Versuche entscheiden.\n1)\tZun\u00e4chst lie\u00df ich zu beiden Ohren des Reagenten den gleichen Ton, und zwar von ein und derselben Gabel aus, auf gleich gro\u00dfen Wegen gelangen; auch die beiderseitigen Reizintensit\u00e4ten wurden auf Grund subjectiver Vergleichung mit H\u00fclfe der erw\u00e4hnten mikrometrischen Verschiebung der M\u00fcndungsst\u00fccke aufs Sorgf\u00e4ltigste gleich gemacht. Hiernach gaben alle Beobachter \u00fcbereinstimmend an, den Ton nicht zu beiden Seiten, also nicht dort, von wo er zugeleitet wurde, sondern etwa in der Medianebene des Kopfes zu h\u00f6ren. Dagegen wechselten die Angaben der verschiedenen Reagenten hinsichtlich des besonderen Ortes in dieser Ebene; und auch von demselben Reagenten wurde bei verschiedenen Versuchen nicht immer dieselbe Localisation angegeben. Indessen zeigte sich hier insofern eine gewisse Regelm\u00e4\u00dfigkeit, als leisere T\u00f6ne immer in gr\u00f6\u00dfere, st\u00e4rkere in geringere Entfernung vom Kopfe verlegt wurden, w\u00e4hrend sehr starke geradezu im Innern des Kopfes ihren Sitz zu haben schienen. Daneben machte sich bei wachsender St\u00e4rke auch eine gr\u00f6\u00dfere Ausbreitung der Tonempfindung bemerkbar. Endlich wurde dieselbe im Allgemeinen sowohl als st\u00e4rker, wie auch als voller charak-terisirt, wenn sie mit derjenigen verglichen wurde, welche bei mono-tischer Reizung auftrat.\n2)\tUnter Beibehaltung der vorigen Versuchsanordnung wurde nun ferner mit H\u00fclfe jener mikrometrischen Verschiebung der M\u00fcndungsst\u00fccke, mit welcher nat\u00fcrlich, wie nochmals betont sei, nicht die geringste Ver\u00e4nderung der Wegl\u00e4ngen von der Gabel bis zu den Geh\u00f6rorganen verbunden war, eine Aenderung des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses der beiderseitigen Reize vorgenommen. Hierbei trat regelm\u00e4\u00dfig eine Verschiebung der Localisation aus der Medianebene nach derjenigen Seite hin ein, wo der st\u00e4rkere Reiz zugeleitet wurde. Diese Verschiebung war schon bei kaum merklicher Differenz der beiden Reizintensit\u00e4ten eine sehr erhebliche. Bei weiterer Vergr\u00f6\u00dferung","page":570},{"file":"p0571.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n571\nderselben wanderte der Ton rasch seitw\u00e4rts bis zu der beide Geh\u00f6rg\u00e4nge verbindenden Geraden, wo er dann wieder nach Ma\u00dfgabe seiner St\u00e4rke in gr\u00f6\u00dferer oder geringerer Entfernung von dem betreffenden Ohre, eventuell bei sehr starken Reizen im Innern desselben localisirt wurde.\n3) Endlich wurde unter Zuleitung des gleichen Tones zu beiden Ohren noch ein dritter Versuch angestellt, bei welchem jedoch den beiderseitigen Reizen wieder immer die gleiche St\u00e4rke gegeben wurde. Hier wurde nun aber mittelst der besprochenen langen ausziehbaren Rohrtheile hinter den M\u00fcndungsst\u00fccken eine L\u00e4ngendifferenz der beiderseitigen Leitungen eingef\u00fchrt, wobei nat\u00fcrlich die Entfernung der M\u00fcndungsst\u00fccke von den Ohren h\u00f6chstens dann eine ganz geringe Aenderung erfuhr, wenn sich bei successiver Vergleichung der beiderseitigen Reizst\u00e4rken eine kleine Ungleichheit bemerkbar gemacht hatte. Wurde z. B. auf einer Seite etwa eine Wegverl\u00e4ngerung eingef\u00fchrt, so musste nat\u00fcrlich die auf diese Weise veranlasste geringe Schw\u00e4chung des Reizes dadurch compensirt werden, dass das M\u00fcndungsst\u00fcck dem betreffenden Ohre ein wenig gen\u00e4hert wurde. F\u00fchrte ich nun, von der Gleichheit ausgehend, durch Verl\u00e4ngerung der einen der beiden Rohrleitungen allm\u00e4hlich eine immer gr\u00f6\u00dfere Differenz zwischen beiden Wegen der Schallzuf\u00fchrung ein, so ergab die Beobachtung folgendes : Der Ton wanderte zun\u00e4chst genau wie beim vorigen Versuche von der Medianebene aus nach einer Seite und zwar nach der Seite der k\u00fcrzeren Rohrleitung hin, dort blieb er, bis die Verschiebung in der anderen Leitung nahezu die Gr\u00f6\u00dfe einer halben Wellenl\u00e4nge des verwendeten Tones erreicht hatte, dann zog sich der Ton gew\u00f6hnlich um den Hinterkopf herum rasch, fast sprungweise nach dieser Seite hin, schien auch manchmal f\u00fcr einen Augenblick geradezu gleichzeitig vor beiden Ohren geh\u00f6rt zu werden, um alsbald ausschlie\u00dflich vor demjenigen Ohre zu erscheinen, zu welchem die l\u00e4ngere Leitung f\u00fchrte. Von hier aus wanderte dann die Localisation wieder nach der Medianebene, welche sie in dem Augenblicke erreichte, wo die Verschiebung das Ma\u00df einer ganzen Wellenl\u00e4nge unseres Tones erf\u00fcllte. Die ganze Ver\u00e4nderung der Localisation charakterisirt sich hierdurch als eine periodische. Ihr jeweiliger Ort wird durch die Phasendifferenz bestimmt, welche die beiderseitigen Erregungen zu gleichen Zeiten an correspondirenden Orten, z. B. ip den Geh\u00f6rg\u00e4ngen oder an den","page":571},{"file":"p0572.txt","language":"de","ocr_de":"572\nPaul Rostosky.\nTrommelfellen, aufweisen. Die Intensit\u00e4t des Gesammteindruckes zeigte w\u00e4hrend jeder Periode mehrere Hebungen; ein deutlich ausgepr\u00e4gtes Maximum fiel mit der ersten Localisation \u00bbMitte\u00ab zusammen, zwei weitere Maxima zeigten sich hei den seitlichen Localisationen und endlich wurde auch manchmal noch bei der zweiten Localisation, \u00bbMitte\u00ab w\u00e4hrend des kurzen Ueberganges eine ganz schwache Hebung der Intensit\u00e4t beobachtet.\n4) Bei einem weiteren Versuche kamen nun zwei sehr wenig gegen einander verstimmte Gabeln zur Verwendung, die sich nat\u00fcrlich in verschiedenen Zimmern befanden. Der Ton jeder Gabel gelangte unter sorgf\u00e4ltigstem Abschluss des zweiten von da hin\u00fcberf\u00fchrenden Rohres nur zu einem Ohre, und zwar derjenige der einen Gabel zum rechten, und der Ton der andern Gabel zum linken Ohre. Die M\u00fcndungsst\u00fccke wurden so eingestellt, dass beide T\u00f6ne bei successiver Vergleichung als gleich stark erkannt wurden. Die Frequenz ihrer Schwebungen wurde durch entsprechende Einstellung der Laufgewichte an den Gabeln geregelt und lag bei den verschiedenen Einzelversuchen zwischen ca. 10 pro sec. und 1 pro min. Beide T\u00f6ne wurden so leise als m\u00f6glich gemacht, und nachdem dann noch der eingangs beschriebene Versuch zur Sicherstellung der ausschlie\u00dflich monotischen Zuleitung jedes Tones angestellt war, ergab die Beobachtung zun\u00e4chst die Existenz deutlicher binauraler Schwebungen, welche hei h\u00f6herer Frequenz lediglich in beiden Ohren geh\u00f6rt wurden, hei geringerer auf jeder Seite eine periodische mit den Schwebungen synchrone Ausstrahlung der Localisation nach der Mitte zu und Wiedereinschr\u00e4nkung derselben auf die Geh\u00f6rorgane zeigten. Bei noch geringeren Frequenzen (1 pro 5 sec. his 1 pro min.) tritt der eigentliche Charakter der Schwebungen, insofern er durch die Intensit\u00e4tsschwankungen der Gesammt-empfindung repr\u00e4sentirt wird, mehr und mehr zur\u00fcck, was ja ohne weiteres verst\u00e4ndlich ist. Man h\u00f6rt nur immer einen einfachen Ton, dessen Intensit\u00e4t ganz langsam zu- und abnimmt und, was uns besonders wichtig ist, dessen Localisation zwischen beiden Geh\u00f6rorganen periodisch hin- und herwandert. Dieser Localisationswechsel vollzieht sich in eigenth\u00fcmlicher Weise: Von der Seite, wo der tiefere Ton zugeleitet wird, wandert die Empfindung deutlich unter gleichzeitiger Steigerung ihrer Intensit\u00e4t und Verbreiterung ihrer Localisation nach der Medianebene zu; von da aus bewegt sie sich zu demjenigen Ohre,","page":572},{"file":"p0573.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n573\nwo der h\u00f6here Ton zugeleitet wird, indem gleichzeitig ihre Intensit\u00e4t wieder etwas abnimmt und ihre Localisation sich einschr\u00e4nkt. Jedoch bevor noch die Localisation diese Seite ganz erreicht hat, beginnt die Intensit\u00e4t der Empfindung wieder zu wachsen und erreicht ein zweites Maximum, wenn die Localisation sich nahe dem Ohre dieser Seite befindet. Darauf nimmt sie allm\u00e4hlich wieder ah, w\u00e4hrend sich die Localisation ein wenig in das Innere des Kopfes zur\u00fcckzieht. Gleichzeitig wird sie etwas unbestimmter und unsicherer; ein Wandern, das dem oben beschriebenen \u00e4hnlich w\u00e4re, wurde im Allgemeinen nicht beobachtet; nur eine Localisation in der Medianebene schien sich dann und wann andeuten zu wollen, oder es machte den Eindruck,' als ob der Ton die Verbindungslinie beider Geh\u00f6rg\u00e4nge einn\u00e4hme, freilich weder mit \u00fcberall gleicher Deutlichkeit, noch auch mit einigerma\u00dfen sicherer Begrenzung. Dieses Stadium ist nur von ganz kurzer Dauer und entgeht deshalb leicht \u00fcberhaupt der Beobachtung. Bei wenig gr\u00f6\u00dferer Schwebungsfrequenz hat es mehr den Anschein, als verschw\u00e4nde der Ton ohne jene Ausbreitung nach der Medianehene zu auf der einen Seite ; und w\u00e4hrend man ihm dort mit der Aufmerksamkeit noch zu folgen sucht, wird man pl\u00f6tzlich durch einen schon relativ st\u00e4rkeren Ton von der anderen Seite her \u00fcberrascht. Nach diesem Uebergangsstadium w\u00e4chst zun\u00e4chst die St\u00e4rke, sowie die Deutlichkeit der seitlichen Localisation des Tones; erstere nimmt dann wieder ein wenig ab, sobald letztere beginnt, sich etwas nach der Medianebene hin zu verschieben, und w\u00e4chst dann abermals, bis die Localisation diese Ebene erreicht hat. Damit ist eine Periode vollendet. Im weiteren Verlaufe wiederholt sich best\u00e4ndig der beschriebene Process.\nDieser wie auch der unter Nr. 3 angegebene Versuch w\u00e4re nicht denkbar ohne jene Gabeln, welche w\u00e4hrend einer ganzen Versuchsreihe mit constanter H\u00f6he und St\u00e4rke ert\u00f6nen. Die einzelne Periode ist zu fl\u00fcchtig, um alle die geschilderten Erscheinungen klar beobachten zu k\u00f6nnen; \u00e4ndert sich aber die St\u00e4rke oder gar (wie dies ja heim Ausklingen der Eall ist) die H\u00f6he der Gabeln, so wird damit die Erscheinung von einer Periode zur n\u00e4chsten schon eine andere. Von den drei Hebungen der Intensit\u00e4t wird z. B. hei sehr geringer Frequenz meist das zur Localisation \u00bbMitte\u00ab geh\u00f6rige Maximum als das st\u00e4rkste bezeichnet, hei gr\u00f6\u00dferer Frequenz werden jedoch die","page":573},{"file":"p0574.txt","language":"de","ocr_de":"574\nPaul Eostosky.\nbeiden unter sich gleichen seitlichen Intensit\u00e4tsmaxima die st\u00e4rkeren. Wurden die Prim\u00e4rt\u00f6ne w\u00e4hrend des Versuches immer schw\u00e4cher gemacht, so trat zun\u00e4chst an die Stelle des undeutlichen Ueberganges der Localisation eine L\u00fccke, in der jede Empfindung fehlte; der Ton verschwand einfach auf der einen Seite und tauchte nach einer Pause auf der anderen hervor, von wo aus er dann in der oben beschriebenen Weise zur gegen\u00fcberliegenden Seite zur\u00fcckwanderte. Wurden die T\u00f6ne endlich bis an die Grenze der H\u00f6rbarkeit geschw\u00e4cht, so trat nur noch eine Reihe zusammenhangsloser Empfindungen auf, deren Folge jedoch immer noch deutlich einzelne Momente aus dem fr\u00fcheren Bilde des Vorganges erkennen lie\u00df. So zeigten sich bei ganz langsamen Schwebungen einzelne durch lange Pausen von einander getrennte Empfindungen, welche in der Gegend der Medianebene localisirt wurden, w\u00e4hrend bei etwas gr\u00f6\u00dferer Frequenz diese einzelnen T\u00f6ne abwechselnd rechts und links geh\u00f6rt wurden. Das Gelingen dieser Versuche mit schw\u00e4chsten Reizen, die gar leicht \u00fcberh\u00f6rt werden konnten und dann auch im \u00fcbrigen den Eindruck der Unregelm\u00e4\u00dfigkeit gemacht h\u00e4tten, setzte nat\u00fcrlich ganz bedeutende Uebung und \u00e4u\u00dferste Concentration der Aufmerksamkeit voraus.\nDie Ueberzeugung, dass die Periode des Localisationswechsels in obigen Beobachtungen mit derjenigen der Schwebungen identisch sei, wurde \u00fcbrigens noch durch einen besonderen Versuch belegt: Die beiden bisher freien von den Gabeln her\u00fcberf\u00fchrenden Leitungen verband ich durch Gummischl\u00e4uche mit einem Y-f\u00f6rmigen Rohrst\u00fccke, welches ich mir selbst in\u2019s Ohr setzte. Geeignete Momente in der Periode, auf Seiten des Reagenten etwa die deutlichen mittleren Localisationen, auf meiner Seite die Schwebungsminima, wurden mit H\u00fclfe von Tastern elektrisch markirt; zur Aufnahme der Marken diente die beru\u00dfte Trommel des bekannten Baltzar\u2019schen Kymo-graphen, welcher auch sonst zur Orientirung \u00fcber Dauer und Verkeilung der Maxima und der Localisationen mehrfach in Anwendung kam.\n5) Nur nebenbei sei hier noch ein Versuchsergebniss aus einer weiteren Reihe mitgetheilt, auf die ich im Folgenden nicht genauer eingehen will : Die Ohren des Reagenten wurden mit Antiphonen verschlossen ; dann setzte ich ihm zwei continuirlich t\u00f6nende, sehr wenig gegen einander verstimmte Gabeln auf den Kopf und zwar auf Punkte,","page":574},{"file":"p0575.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n575\nwelche sich beiderseits gleich weit von der Medianebene etwa in einer durch die beiden Geh\u00f6rg\u00e4nge gelegten Vertikalebene befanden. Wurden nun so die Gabeln unmittelbar \u00fcber den Ohren aufgesetzt, so wurde ein dem obigen ganz analoges Wandern der Localisation von der Seite der tieferen Gabel zur Seite der h\u00f6heren beobachtet. Verschob ich dann die Gabeln allm\u00e4hlich nach der Medianebene zu, so schr\u00e4nkte sich das Wandern mehr und mehr ein. Erreichte ich dann mit den Gabeln zwei bestimmte einander correspondirende Punkte, so trat die Localisation gar nicht mehr aus der Medianebene heraus. Verschob ich endlich die Gabeln \u00fcber diese Punkte hinaus noch weiter nach der Medianebene zu, so wurde wieder wie vorher ein deutliches Wandern der Localisation beobachtet, jedoch \u2014 in umgekehrter Bichtung von der Seite des h\u00f6heren Tones zu derjenigen des tieferen.\nNoch ist hier zu erw\u00e4hnen, dass bei allen diesen Versuchen eine Vertauschung von rechts und links hinsichtlich der Versuchsbedingungen, die mittelst des zweiten Paares von Leitungen leicht bewirkt wurde, stets nur eine ebensolche in der Localisation der Empfindungen veranlasste, sonst jedoch keinerlei Aenderungen in ihnen hervorbrachte.\nDie vorstehend beschriebenen Versuchsergebnisse sollen uns nun neue Anhaltspunkte liefern f\u00fcr die Entscheidung der Frage nach der Entstehung der binauralen Schwebungen.\nDiscussion.\nNach allen bisherigen Erfahrungen gilt zun\u00e4chst unbestritten, dass die beiderseitigen Beize, bevor sie im Organismus Punkte treffen, deren Erregungsst\u00e4rken in letzter Instanz f\u00fcr die Empfindungsst\u00e4rken ma\u00dfgebend sind, zu einer Mischung gelangen, dass sie dabei oscilla-torische Form haben, und dass die Mischung in einer Interferenz bestehe. Wir k\u00f6nnen nach dem eingangs des vorigen Abschnitts beschriebenen Versuche, wo f\u00fcr Ausschluss jeder \u00e4u\u00dferlichen Mischung der Ton wellen hinreichend gesorgt ist, noch hinzuf\u00fcgen, dass diese Interferenz nicht vor sich gehen kann, ohne dass auf jeder Seite der dort direct zugeleitete Beiz mitschwingende Theile im Ohre getroffen hat; denn eine durch Fortpflanzung der Wellen von der Luft direct","page":575},{"file":"p0576.txt","language":"de","ocr_de":"576\nPaul Rostosky.\nauf die Kopfknochen vermittelte merkliche Ueherleitung erschien bei obigen Versuchsbedingungen in gleicher Weise ausgeschlossen, wie eine ebensolche durch die umgehende Luft allein.\nUeherblicken wir nun weiter die bei den obigen Versuchen beobachteten Erscheinungen, so ist das Hervorstechendste an ihnen die Localisations\u00e4nderung, welche augenscheinlich auf\u2019s Engste mit den Schwebungen zusammenh\u00e4ngt und deshalb hier ganz besonderes Interesse verdient. Sie scheint aus verschiedenen Ursachen hervorgehen zu k\u00f6nnen; denn nach dem zweiten Versuche ist sie bedingt durch eine Aenderung des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses der beiderseitigen Eeize, nach den folgenden dagegen durch die Differenz derjenigen Schwingungsphasen, mit denen die beiderseitigeil Eeize gleichzeitig correspondirende Punkte beider Geh\u00f6rorgane erreichen. Dass diese letztere Ursache wie im dritten, so gleicherweise im vierten und f\u00fcnften Versuche den Localisationswechsel bedinge, liegt auf der Hand; die im dritten Versuche k\u00fcnstlich eingef\u00fchrte Aenderung der Phasendifferenz vollzieht sich nur in den letzten beiden infolge verschiedener H\u00f6he der zugeleiteten T\u00f6ne von selbst.\nAber doch existiren hiernach immer noch zwei verschiedene Ursachen f\u00fcr dieselbe Erscheinung. \u2014\u2022 Dabei k\u00f6nnen wir nicht stehen bleiben. Unstreitig ist die Aenderung des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses der beiderseitigen Eeize die einfachere von jenen beiden Ursachen ; denn erstlich besitzen wir hier doch wenigstens f\u00fcr die beiden Glieder der Beziehung, f\u00fcr die Eeizintensit\u00e4ten, ein Wahrnehmungsverm\u00f6gen, w\u00e4hrend uns ein solches f\u00fcr Schwingungsphasen von Schallreizen g\u00e4nzlich ahgeht. Und dann l\u00e4sst sich aus dem zweiten Versuche bezw. seiner Anordnung in keiner Weise eine der Aenderung des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses parallel gehende Aenderung der Phasendifferenz herausconstruiren, w\u00e4hrend es umgekehrt sehr wohl denkbar w\u00e4re, dass diese letztere Aenderung, wie sie im dritten bis f\u00fcnften Versuche vorliegt, unter gewissen Voraussetzungen eine solche des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses nach sich ziehe.\nNach alledem muss der Versuch gerechtfertigt erscheinen, das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss diotischer Erregungen als die alleinige und vollg\u00fcltige Bedingung f\u00fcr die jeweilige Localisation der resultirenden Totalempfindung anzunehmen.\nDiese f\u00fcr die Localisation direct ma\u00dfgebenden Erregungen sind","page":576},{"file":"p0577.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n577\nnat\u00fcrlich, durchaus nicht mit den Reizen seihst zu identificiren; denn wenn auch letztere die ganze Erscheinung allererst m\u00f6glich machen, so k\u00f6nnen sie doch unter Umst\u00e4nden, ehe sie in die Beziehung ein-treten, durch irgendwelche Processe Aenderungen an ihrer Intensit\u00e4t oder Phase, ja seihst an ihrer Qualit\u00e4t erleiden. Freilich wird darum doch die eine Erregung vorwiegend von dem einen, die andere vom anderen Reize abh\u00e4ngen, wie auch ihre localen Tr\u00e4ger noch eine Verschiedenheit aufweisen m\u00fcssen, welche dem Unterschiede des Rechts und Links, der bilateralen Symmetrie in den Aufnahme- und Leitungsapparaten der Reize v\u00f6llig analog ist.\nEs erw\u00e4chst uns nun die Aufgabe, mit H\u00fclfe der hier dargelegten Auffassung auch den bei Aenderung der Phasendifferenz beider Reize beobachteten Localisationswechsel zu erkl\u00e4ren.\nAn diesem Localisationswechsel f\u00e4llt zun\u00e4chst seine Periodicit\u00e4t auf, welche wir nur auf eine periodische Aenderung des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses und damit nat\u00fcrlich auch der Intensit\u00e4ten jener in die Beziehung eintretenden Erregungen selbst zur\u00fcckf\u00fchren k\u00f6nnen. Wenn es hier auch zur Erkl\u00e4rung dieses Localisationswechsels ausreichte, nur f\u00fcr eine der beiden Erregungen eine solche Intensit\u00e4ts\u00e4nderung anzunehmen, so spricht doch f\u00fcr eine gleichzeitige periodische St\u00e4rkeschwankung beider Erregungen neben der bilateralen Symmetrie, welche f\u00fcr die localen Bedingungen, durch die jene St\u00e4rkeschwankungen erst m\u00f6glich werden, in Anspruch zu nehmen ist, auch dei Umstand, dass bei correspondirenden seitlichen Localisationen immer gleiche Intensit\u00e4ten der Totalempfindung beobachtet werden. Die Thatsache ferner, dass jede folgende Periode des Localisationswechsels den vorangehenden in allen St\u00fccken v\u00f6llig gleich ist, gestattet den Schluss, dass die Periode der Intensit\u00e4tsschwankung bei beiden Erregungen die gleiche ist. Soll nun aber der Localisationswechsel noch seine Erkl\u00e4rung finden, so d\u00fcrfen die Intensit\u00e4tsschwankungen beider Erregungen nicht synchron vor sich gehen, d. h. sie d\u00fcrfen nicht gleichzeitig gleiche Phasen in der Periode der Intensit\u00e4ts\u00e4nderung durchlaufen.\nSolche Intensit\u00e4tsschwankungen k\u00f6nnen wir nat\u00fcrlich nur als das Resultat von Interferenzen der beiderseitigen Reize auffassen. Zur Erkl\u00e4rung der oben f\u00fcr beide Erregungen behaupteten Intensit\u00e4ts-\nWundt, Philos. Stndien. XIX.\t37","page":577},{"file":"p0578.txt","language":"de","ocr_de":"578\nPaul Rostosky.\nSchwankungen haben wir demnach zwei gesonderte Interferenzen und mithin zwei Interferenzorte in Anspruch zu nehmen.\nWir machen uns nach alledem folgendes Bild von den Vorg\u00e4ngen: Nachdem die beiden Reize zu den Geh\u00f6rorganen gelangt sind, und zwar jeder nur zu dem seinem Zuleitungsrohre n\u00e4chstliegenden, tritt f\u00fcr die weiter fortgepflanzten Schwingungen jedes Reizes insofern eine Gruppirung ein, als dieselben, sei es in Theilen neben einander, sei es als Ganzes nach einander, zwei Orte erreichen, wo sie je mit wechselseitig entsprechenden Bestandtheilen des anderen Reizes zur Interferenz gelangen. Die von der ersten Erregung des Geh\u00f6rorganes bis zu dem Eintreffen in diesen beiden Interferenzorten von den Schwingungen durchlaufenen Wege m\u00fcssen verschiedene akustische L\u00e4nge haben. Wir verstehen darunter analog der optischen\nL\u00e4nge den Quotienten ~ aus Schallweg und Fortpflanzungsgeschwindigkeit. Bei gleicher akustischer L\u00e4nge dieser Wege m\u00fcssten die in den beiden Interferenzorten entstehenden Schwebungen synchron sein, was wir, wie schon angedeutet, mit Beziehung auf unsere Erkl\u00e4rung nicht annehmen k\u00f6nnen. Uebrigens gestattet die geringere Sch\u00e4rfe der diotischen Schwebungen gegen\u00fcber den monotischen auch noch den Schluss, dass die zu den beiden Interferenzorten gelangenden Bestandtheile jedes Reizes verschiedene Intensit\u00e4t besitzen. Fig. 4, in welcher Rr und Rl den rechts bezw. links zugeleiteten Reiz, Or und Ot die beiden Geh\u00f6rorgane, Jr und Jl den vorwiegend vom rechtsseitigen bezw. linksseitigen Reize beeinflussten Interferenzort und rr, ll die akustisch k\u00fcrzeren, (rl),. (Ir) dagegen die akustisch l\u00e4ngeren Wege bedeuten, m\u00f6ge rein schematisch unsere Vorstellung veranschaulichen, ohne \u00fcber die besondere Lage der Interferenzorte irgend etwas anzudeuten. Die Frage, welchem der beiden Schemata der Vorzug zu geben sei, ist f\u00fcr uns zun\u00e4chst belanglos.\nPig. 4.","page":578},{"file":"p0579.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n579\nDie Erregungsst\u00e4rken an den Interferenzorten nun sind es erst, welche f\u00fcr die Empfindungsst\u00e4rken ma\u00dfgebend sind und welche, sei es unmittelbar, sei es mittelbar, etwa an einem Orte L in eine Beziehung zu einander treten, von welcher die speciel\u00efe Localisation ahh\u00e4ngt.\nAlles zusammen genommen behaupten wir also, dass die Localisation lediglich durch das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss diotischer Erregungen bestimmt wird, und versuchen dementsprechend, den spontanen Locali-sationswechsel hei diotischen Schwebungen mit H\u00fclfe einer doppelten, aber nicht synchronen Interferenz der beiderseitigen Beize zu erkl\u00e4ren, aus welcher in der Periode der Schwebungen abwechselnd bald f\u00fcr die eine, bald f\u00fcr die andere der beiden die Localisation bestimmenden Erregungen die gr\u00f6\u00dfere Intensit\u00e4t resultirt.\nTheorie der binauralen Schwebungen.\nEs bleibt uns nun noch \u00fcbrig, zu untersuchen, ob das hier entworfene Bild auch wirklich in allen Theilen mit den oben beschriebenen Versuchsergebnissen im Einklang steht. Wir sehen uns zu diesem Zwecke die beiden Interferenzvorg\u00e4nge und ihr Verh\u00e4ltniss zu einander etwas genauer an.\nWas uns vor allem an den Interferenzvorg\u00e4ngen interessirt, ist die aus ihnen hervorgehende Schwingungsamplitude. Dem Quadrate derselben ist die Schwingungsenergie, und mit ihr jedenfalls auch unsere Erregungsst\u00e4rke proportional zu setzen, und ebenso wird dann weiterhin die Localisation durch das Verh\u00e4ltniss jener Schwingungsenergien bestimmt werden. F\u00fcr die wechselnde Amplitude der Schwingungsbewegung nun, welche aus der Interferenz zweier einfacher Schwingungen von verschiedener Wellenl\u00e4nge resultirt, gilt bekanntlich der folgende, auf die Stelle der Phasengleichheit im Verlaufe des Interferenzvorganges bezogene Ausdruck:\nA = 1/a? + a,* + 2aai cos 2 7t [m \u2014 n) t\t(1)\nworin a und at die Amplituden, m und n die Schwingungsfrequenzen der beiden interferirenden Wellen, und t die Zeit bedeutet. A erscheint mithin als eine Function der Zeit. F\u00fcr die Intensit\u00e4t der Schwingungen gilt hiernach weiter die Formel.\n37*","page":579},{"file":"p0580.txt","language":"de","ocr_de":"580\tPaul Rostosky.\nJ \u2014 \u00ab2 -f- a{2 + 2 aai cos 2 tc (m \u2014 n) t\t(2)\nderen Curve wir sofort als Cosinuslinie erkennen, wenn wir den Co-ordinatenanfang um das St\u00fcck a2 + a,2 in Richtung der positiven Ahscissenaxe verschieben und somit die Formel\nJ \u2014 (as + a,*) = J' = 2 aat cos 2 tt (m \u2014 n) t\nerhalten.\nAbsolut genommen gelten nat\u00fcrlich die Ausdr\u00fccke (1) und (2) f\u00fcr die an beiden Interferenzorten sich abspielenden Vorg\u00e4nge. Wollen wir jedoch nun letztere in ihrer gegenseitigen Beziehung erfassen, so d\u00fcrfen wir nur streng gleichzeitige Momente aus ihnen zusammennehmen. Da ferner jene Intensit\u00e4tsschwankungen, wie wir annahmen, nicht synchron vor sich gehen, d. h. nicht gleichzeitig gleiche Phasen der Aenderung durchlaufen, so m\u00fcssen wir ihrer Phasendifferenz hei dieser Zusammenfassung Rechnung tragen. Durchl\u00e4uft nun die eine Schwankung jede Phase der Aenderung um f Zeittheile sp\u00e4ter als die andere, so lassen sich die beiderseitigen Vorg\u00e4nge wiedergehen durch folgende Ausdr\u00fccke:\nJt = a* + a,2 + 2 aai cos 2 n (m\u2014 n) t,\nJr \u2014 a2 -j- a,2 + 2 aa{ cos 2 nr (m \u2014 n) (t\u2014t1).\nSetzen wir hierin zur Vereinfachung die Variable 2tt (m\u2014n) t = x' und die Constante 2 it (m\u2014n) t'= d, und verschieben wir weiter den\nCoordinatenanfang um ~ in Richtung der positiven Ahscissenaxe, so folgt, da x' \u2014 x + ^ ist:\nCi\nJi \u2014 a* + a,* -f 2 aaK cos \\x +\n\u00df)\nJr = a? -f\t2 aaK cos [x \u2014\nDas Verh\u00e4ltniss dieser (f\u00fcr gleiches x hezw. t) immer gleichzeitig anzutreffenden Erregungsst\u00e4rken soll nun, wie wir annahmen, in jedem Falle die Localisation bestimmen. Wir haben darum vorzugsweise die Function:","page":580},{"file":"p0581.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n581\nVi\n.Jjr\nJ,\nzu untersuchen, mithin folgt\nra2 +\t+ 2 aal cos ~\n\t\td\\\na + \u00abi + 2 aay cos |\t\tX + 2)\n1 la\tat}\t| + cos\tl d\\\n2 \\ot a 1\t\tr 2 )\n1 la\ta, \\\t! + cos\t\n\t\t(* + 2)\nZur Abk\u00fcrzung sei hierin ~\nm\t{\td\\\nr\t2+cos(X~2)\n*\tm\t(\td\\\n2\t+cos\t(x +\tg)\n(4)\n= m gesetzt ;\n(5)\nIn der graphischen Darstellung dieser Function (Fig. 5, auf S. 586) hat die Ordinatenaxe eine besondere Eintheilung erfahren. In R\u00fccksicht darauf, dass F; \u2014 1 der Localisation \u00bbMitte\u00ab entspricht, habe ich diesen Punkt der Ordinatenaxe zum Anfang gew\u00e4hlt und weiter die Bedeutung des oberen und unteren Theiles der Ordinatenaxe nicht\nnach dem Zahlenwerthe des Verh\u00e4ltnisses sondern nach dem Grade\nder durch dasselbe bestimmten Rechts- oder Linkslocalisation bemessen.\nDie Discussion der Formel (5) ergibt nun leicht eine Reihe von Bestimmungsmomenten f\u00fcr die Curve, n\u00e4mlich:\nf\u00fcr\tcos\tH!\t= COS 1\t[X~\td\\ 2/\u2019\tmithin f\u00fcr x = krt1) wird Vi \u2014 1\nf\u00fcr\tcos\tH!\tm ~~2\twird\tVi\t= 0\nf\u00fcr\tcos\tHl\tm\twird\tvt\t= 00.\nW\u00e4hrend also der erste Fall uns die Schnittpunkte der Curve mit, der Abscissenaxe aufweist, liefern uns die beiden letzteren F\u00e4lle\n1) k kann hier wie in den folgenden Ausdr\u00fccken sowohl 0 als jede positive oder negative ganze Zahl bedeuten.","page":581},{"file":"p0582.txt","language":"de","ocr_de":"582\nPaul Rostosky.\nzwei Gruppen von Asymptoten derselben. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die einzelnen Zweige der Curve nur asymptotisch verlaufen k\u00f6nnen, wenn a \u2014 at ist. Denn der Ausdruck\nerreicht f\u00fcr a = at, wie leicht einzusehen ist, seinen kleinstm\u00f6g-lichen Werth, n\u00e4mlich 1; und dies ist zugleich der gr\u00f6\u00dftm\u00f6gliche f\u00fcr die Cosinusfunction. Sonach ergeben sich aus\n\u2014 1, oder x \u00b1 ^ = (2 k \u2014 1) tc die Werthe x \u2014 {2 k \u2014 l)7rrp~\n(6)\nals Abscissen f\u00fcr die der Ordinatenaxe s\u00e4mmtlich parallelen Asymptoten.\nDer Abstand je zweier auf einander folgender Asymptoten hat abwechselnd die Werthe d und 2 n \u2014 d, F\u00fcr alle anderen Verh\u00e4ltnisse von a und aK zeigt die Curve nur Maxima und Minima, f\u00fcr deren Abscissen aus\ndVj\ndx\n. d\nm sin g cos x + sm d\n[\u00ef+cos (X+DJ\n= 0\ndie Bedingung erhalten wird:\n2 cos ^\t2 cos \u00a3(2 k \u2014 1) rc =p ~J\ncos x \u25a0\nm\nm\n(7)\nJe st\u00e4rker in diesem Ausdrucke das Verh\u00e4ltniss \u2014 von dem\na\nWerthe 1 abweicht, oder was dasselbe ist, je gr\u00f6\u00dfer (von 2 aus wachsend) m wird, um so mehr n\u00e4hert sich x dem Werthe (2 \u00e4 \u2014 1) -g\nund erreicht diesen v\u00f6llig, wenn a oder at verschwindet. In diesem Falle g\u00e4be es nat\u00fcrlich auch beiderseits keine Interferenz mehr, und Vf behielte f\u00fcr jedes x den Werth 1. Durchl\u00e4uft also das Verh\u00e4ltniss \u2014 alle Zahlen von 1 bis zu einem Extremwerthe (0 oder oo),\nct","page":582},{"file":"p0583.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n583\nso \u00e4ndern sich die Abscissen der Maxima unserer Curve innerhalb der Grenzen (2 Je - 1) * - \\ und (4 k - 3) sowie diejenigen der\nd\ttt\nMinima innerhalb der Grenzen (2 k \u2014 1) n + ^ und (4 &\t1) -g-\nDie zu den obigen Abscissenwerthen geh\u00f6rigen Ordinaten der Maxima und Minima durchlaufen dabei gleichzeitig, gem\u00e4\u00df dem Ausdruck:\ndt j/w* \u2014 4 cos* | + 2 sin|\n\t/\t. d\t_ . d\n\u00b11\t/ ml \u2014 4 cos* -g \u2014\t2 sin 2\nalle Werthe von oo bis 1 bezw. von 0 bis 1. Aendert sich ferner d von einem Werthe 2 kn ausgehend in der Richtung auf einen Werth (2 k \u20141) a, so schreitet gleichzeitig der obige den Extremwerthen V{\nzugeh\u00f6rige cos x von dt ^ (je nachdem Je eine gerade Zahl bezw. 0,\noder eine ungerade Zahl ist) auf den Werth 0 zu, w\u00e4hrend jene selbst von dem Werthe 1 (f\u00fcr d = 2 k n) aus f\u00fcr d = (2 k \u2014 1) 7t\nmit dem Werthe i~ m +-|- ein Maximum bezw. Minimum erreichen,\num dann wieder mit Ann\u00e4herung von d an einen Werth 2 kn auf die Einheit hinzulaufen.\nFassen wir hei diesen Aenderungen die ganze Curve in\u2019s Auge, welche durch die auf einander folgenden Ordinaten der Maxima und Minima, wie durch die Asymptoten in aufsteigende und absteigende Aeste getheilt wird, so bemerken wir, dass diese auf einander folgenden Theile einander nur gleich sind f\u00fcr die F\u00e4lle d = (2k \u2014 l)n. Je mehr sich dagegen d einem der Werthe 2 kn n\u00e4hert, um so mehr weichen jene Curvenzweige in Gestalt und Gr\u00f6\u00dfe von einander ah. Dieser Unterschied wird durch Ann\u00e4herung des Verh\u00e4ltnisses\nan einen Extremwerth nur im Sinne einer Ausgleichung modi-a\nficirt, keineswegs aber wird er umgekehrt.\nEndlich ist noch die Neigung der Curve in den Schnittpunkten x \u2014 kn mit der Ahscissenaxe beachtenswerth. Aus obigem Differential-","page":583},{"file":"p0584.txt","language":"de","ocr_de":"584\nPaul Eostosky.\nd V-\nQuotienten erh\u00e4lt man als Tangente des Neigungswinkels f\u00fcr x = 2 kit den Werth\n\u00ab \u25a0 d 4 sin -g\ntang a =--------------- (9)\nm + 2 cos g\nund f\u00fcr x \u2014 (2 k \u2014 1) tc den Werth\n, . d 4 sin g\ntang x =------------------\t(10)\nm \u2014 2 cos 2\nW\u00e4hrend diese beiden Ausdr\u00fccke f\u00fcr d \u2014 kit offenbar einander entgegengesetzt gleich werden, sei es f\u00fcr d \u2014 (2 k \u2014 1) n mit dem\n4\nabsoluten Werthe \u2014, sei es f\u00fcr d = 2 k n mit dem Werthe 0,\nweichen ihre absoluten Werthe um so mehr von einander ab, je mehr sich d einem der Werthe 2 k n blo\u00df ann\u00e4hert, ohne ihn zu erreichen,\nund je weniger das Verh\u00e4ltniss ~ von dem Werthe 1 verschieden\nct\nist. Da dies gleichzeitig die Bedingungen f\u00fcr die Vergr\u00f6\u00dferung des Abscissenabstandes zweier benachbarter Extremwerthe sind, so gilt also: Je gr\u00f6\u00dfer ein zwischen solchen Extremwerthen gelegener Curven-abschnitt ist, um so kleinere Winkel bildet dessen mittlerer Theil mit der Abscissenaxe; auch beh\u00e4lt er um so l\u00e4nger diese Richtung bei.\nDie obige aus unserer Erkl\u00e4rung entwickelte und construirte Curve muss nun, wenn jene Auffassung zutreffend ist, eine vollst\u00e4ndige Illustration zu unseren Beobachtungen geben. Freilich ist uns der genaue Werth von einigen Bestimmungsst\u00fccken, von denen die\nGestalt der Curve abh\u00e4ngt, n\u00e4mlich d und das Verh\u00e4ltniss -1 unbe-\na\nkannt. Dennoch fehlt es nicht an Anhaltspunkten, aus denen wir wenigstens ungef\u00e4hr die f\u00fcr unseren Fall zutreffenden Werthe erschlie\u00dfen k\u00f6nnen. Dass hier zun\u00e4chst die Grenzf\u00e4lle d = 2 k ft und a{ \u2014 0 oder a \u2014 0 gar nicht in Betracht kommen, geht schon daraus hervor, dass sie entweder unserer Annahme eines anisochronen","page":584},{"file":"p0585.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n585\nVerlaufs der beiderseitigen Schwebungen oder \u00fcberhaupt dem Auftreten einer Interferenz nicht Rechnung tragen. Ebenso ist, wenn unter a der zu dem n\u00e4chstliegenden Interferenzorte gelangende und unter a, der zu dem gegen\u00fcberliegenden geleitete Bestandteil jedes Reizes verstanden wird, der Fall a = a{ auszuschlie\u00dfen, da ja sonst schon jeder monotisch dargebotene Reiz stets in der Medianebene localisirt werden m\u00fcsste.\nFerner wird sich einerseits daraus, dass zwei auf einander folgende Ueberg\u00e4nge der Localisation so v\u00f6llig ungleichartig sind, und anderseits auch schon \u00e4u\u00dferlich daraus, dass der Weg f\u00fcr die Ueber leitung auf alle F\u00e4lle sehr kurz ist, mit einigem Rechte schlie\u00dfen lassen, dass je zwei benachbarte Curvenabschnitte weder einander gleich, noch auch nahezu gleich sind, dass vielmehr d einem Werthe 2 k 7t (wahrscheinlich dem Werthe 0) weitaus n\u00e4her hegt, als einem Werthe (2 k \u2014 1) it. Ebenso wird man nicht fehlgehen, wenn man wegen der geringeren Deutlichkeit der diotischen Schwebungen gegen\u00fcber den monotischen, das Amplitudenverh\u00e4ltniss ^ etwa mit einem\nzwischen % und i gelegenen Werthe in Rechnung setzt, so dass das\nD\tu\nIntensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss der \u00fchergeleiteten zur direct zugeleiteten Erregung etwa zwischen den Werthen und ^ liegen w\u00fcrde. Hiernach werden wir etwa eine Curve, welche den in Figur 5 gezeichneten \u00e4hnlich ist, als den in unserem Falle vorhegenden Bedingungen entsprechend bezeichnen k\u00f6nnen.\nAus dieser Curve ergibt sich nun unter Ber\u00fccksichtigung dessen, dass die Abscissenaxe die zeitliche Folge der Erscheinungen bestimmt, w\u00e4hrend die auf ihr gelegenen Ordinatenpunkte der Localisation in der Medianehene entsprechen und die Ordinaten oberhalb und unterhalb der Abscissenaxe das Ma\u00df der Abweichung der Localisation von dieser Ebene nach rechts bezw. links darstellen, folgendes:\n1)\tDer ganze Vorgang des Localisationswechsels ist ein periodischer,\n2)\tjede Periode zerf\u00e4llt in einen rechtsseitigen und einen linksseitigen Ablauf desselben,\n3)\tmithin gibt es w\u00e4hrend jeder Periode zwei und nur zwei Ueberg\u00e4nge der Localisation durch die Medianehene,","page":585},{"file":"p0586.txt","language":"de","ocr_de":"586\tPaul Rostosky.\nFig. 5.\nGrad derlviks-ZocalzsatioTu\nGrrad der Rechts-Lcc'cClisation.\n\\W","page":586},{"file":"p0587.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n587\n4)\tdie rechtsseitigen und die linksseitigen Localisationen l\u00f6sen einander immer ab,\n5)\tbeide haben gleiche zeitliche Dauer,\n6)\tder Ablauf der rechtsseitigen Localisationen vollzieht sich dabei immer in umgekehrter Folge wie derjenige der linksseitigen,\n7)\tje zwei auf einander folgende Ueberg\u00e4nge haben im Ganzen betrachtet sehr verschiedene Dauer,\n8)\tdie Aenderung der Localisation in der N\u00e4he der Medianebene vollzieht sich hei dem einen Uebergang sehr langsam, w\u00e4hrend sie hei dem anderen au\u00dferordentlich schnell von statten geht,\n9)\tdiejenigen Localisationen, welche in gleichem zeitlichen Abstande vor und nach einem Durchgang durch die Medianebene vorliegen, haben auch \u00f6rtlich gleichen Abstand von derselben,\n10)\tw\u00e4hrend der Ueberg\u00e4nge hat die Localisationsbewegung eine nahezu constante Geschwindigkeit.\nDiese Folgerungen aus der Ourvengestalt stehen nun, wie man sieht, his in\u2019s Kleinste mit jenen Erscheinungen der Localisationsbewegung im Einklang, welche bei der k\u00fcnstlichen Phasenverschiebung oder hei ganz langsamen Schwebungen beobachtet wurden. Die Aufgabe, welche wir uns stellten, n\u00e4mlich diese Localisationsbewegung aus einer Aenderung des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses der beiderseitigen Erregungen zu erkl\u00e4ren, ist hiernach mit H\u00fclfe der Annahme einer doppelten anisochronen Interferenz beider Heize gel\u00f6st. Was weiterhin an Besonderheiten in den Localisationserscheinungen oben mit-getheilt wurde, die Localisation w\u00e4hrend des kurzen Ueherganges, die h\u00e4ufig als eine undeutliche und unbestimmte, auch als eine doppelseitige angegeben wurde, weiter die Ausbreitung der Localisation wahrend ihrer deutlichen Wanderung und ihre Einschr\u00e4nkung bei den seitlichen Lagen, ferner die Einschr\u00e4nkung der ganzen Localisationsbewegung bei Erh\u00f6hung der Schwebungsfrequenz, endlich der Unterschied der Entfernung in der Localisation st\u00e4rkerer und schw\u00e4cherer Reize, steht mit der Localisationsbewegung als solcher und mit ihren Bedingungen nicht im Zusammenhang, kann also auch durch unsere Curve gar keine Illustration finden. Alle diese Eigen-th\u00fcmlichkeiten h\u00e4ngen mit dem Wesen der Localisation und ihren Bedingungen auf\u2019s Engste zusammen, m\u00fcssen daher, wenn sich auch","page":587},{"file":"p0588.txt","language":"de","ocr_de":"588\nPaul EoStosky.\naus ihnen noch manche wichtige Best\u00e4tigungen f\u00fcr unsere Auffassung ableiten lie\u00dfen, einer besonderen Abhandlung \u00fcber die Localisation Vorbehalten bleiben. Auch den unter Nr. 5 mitgetheilten Versuch habe ich aus einem anderen Zusammenh\u00e4nge hier nur her\u00fcbergenommen, um durch denselben zu zeigen, dass einerseits der Werth von d bei dieser Art der Zuleitung durchaus von dem Kopfknochenwege abh\u00e4ngig ist, anderseits eine enge Verwandtschaft zwischen den Erscheinungen bei a\u00ebro-tympanaler und denjenigen hei kranio-tympanaler Zuleitung bestehen ' muss. Was endlich die Beobachtungen \u00fcber die verschiedenen in jeder Periode auftretenden Inten-sit\u00e4tsmaxima anlangt, so erkl\u00e4ren sich, da wir ja hier nicht etwa wie bei Interferenzen eine Superposition unserer beiderseitigen, um den Betrag d gegen einander verschobenen Intensit\u00e4tscurven vornehmen d\u00fcrfen, die beiden seitlichen Maxima ohne weiteres, w\u00e4hrend die in der Medianebene beobachteten Maxima auf eine Erscheinung hinweisen, welche einer besonderen Gruppe functioneller Beziehungen beider Geh\u00f6rorgane angeh\u00f6rt. Diese viel umstrittene Erscheinung besteht darin, dass diotische Erregungen besonders im Falle ihrer qualitativen und intensiven Gleichheit verst\u00e4rkend auf einander einwirken. Vielleicht k\u00f6nnte jedoch auch die Verbreiterung der Localisation, welche beim Durchgang durch die Medianebene ihr Maximum erreicht, schon allein den Eindruck einer Intensit\u00e4tssteigerung erwecken und damit die bez\u00fcgliche Angabe verst\u00e4ndlich machen. Die Entscheidung hier\u00fcber muss dahingestellt bleiben. Wir begn\u00fcgen uns hier damit, einige der wichtigsten Zusammenh\u00e4nge aufgewiesen zu haben, welche zwischen den vorstehend behandelten diotischen Interferenzerscheinungen und den \u00fcbrigen functioneilen Beziehungen beider Geh\u00f6rorgane bestehen. Aber auch ohne die Best\u00e4tigungen, welche aus dem Verfolg aller dieser Zusammenh\u00e4nge erwachsen, halten wir unsere Erkl\u00e4rung des Localisationswechsels und damit unsere Theorie der binauralen Schwebungen durch obige Darlegung f\u00fcr gen\u00fcgend gest\u00fctzt, um noch zum Schluss der Frage n\u00e4her treten zu k\u00f6nnen, welche Bedeutung diese Erkl\u00e4rung f\u00fcr die Bestimmung des Entstehungsortes der binauralen Schwebungen gewinnt.","page":588},{"file":"p0589.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n589\nSchlussfolgerungen.\nDie Beobachtungen ergaben, dass langsame diotische Schwebungen stets von einer in gleichem Tempo mit jenen sich wiederholenden Localisationswanderung begleitet sind. Von der Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung versprachen wir uns neue Aufschl\u00fcsse \u00fcber die Natur und Entstehungsweise der diotischen Schwebungen selbst. Anderweitige Versuche schienen nun zu lehren, dass die Richtung der Localisation in jedem Falle durch das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss diotischer Erregungen bestimmt wird. Es gelang nun, auf dieselbe Weise auch die fragliche Localisationswanderung mit all ihren Einzelheiten zu erkl\u00e4ren, unter der Voraussetzung, dass die beiderseits isolirt zugeleiteten Reize an zwei Orten, deren Erregungsst\u00e4rken f\u00fcr die Empfindung ma\u00dfgebend sind, zur Interferenz gelangen, und dass die aus den Interferenzen resultirenden Bewegungsvorg\u00e4nge nicht synchron verlaufen. Diese Voraussetzungen k\u00f6nnen wir hiernach als zu Recht bestehend erachten.\nDass hierdurch diejenige Annahme, nach welcher die binauralen Schwebungen mittelst Ueberleitung der Schwingungen von Ohr zu Ohr durch die Kopfknochen zu Stande kommen, eine wichtige St\u00fctze erh\u00e4lt, liegt auf der Hand. Denn hier f\u00fcgt sich alles zwanglos den aus den Versuchen gefolgerten Postulaten: In den mechanischen Theilen beider Geh\u00f6rorgane haben wir die beiden Interferenzorte vor uns; dort sind die Bewegungen sicherlich von oscillatorischer Art, die Wege, welche jeder Reiz bis zu den beiden Interferenzorten zur\u00fcckzulegen hat, n\u00e4mlich der Weg von den mitschwingenden Theilen bis zu den Nervenendigungen desselben Geh\u00f6rorgans und der andere Weg durch den Kopf, speciell die Kopfknochen, bis zu denjenigen des gegen\u00fcberliegenden Ohres haben, wie gefordert, naturgem\u00e4\u00df verschiedene akustische L\u00e4nge ; daneben stimmt zugleich auch der geringe Werth der Phasendifferenz d, auf welchen wir schon oben aus den Beobachtungen schlossen, auf\u2019s Beste zur Ueberleitung durch die Kopfknochen, da in ihnen die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles sicher eine ganz betr\u00e4chtliche ist ; endlich haben die auf diesen verschiedenen Wegen flie\u00dfenden Erregungen jedenfalls eine verschiedene Intensit\u00e4t, die \u00fcbergeleiteten eine geringere als die anderen, woraus sich das geringere Ma\u00df der St\u00e4rkeschwankungen bei","page":589},{"file":"p0590.txt","language":"de","ocr_de":"590\nPaul Rostosky.\nden diotischen Schwebungen gegen\u00fcber den monotischen auf einfachste Weise erkl\u00e4rt.\nIn allen Punkten nun, in denen sich die f\u00fcr den Fall periph\u00e9rer Entstehung der Schwebungen gegebenen localen Bedingungen durchaus ungezwungen den obigen Forderungen anpassen, bereitet die Placirung der Vorg\u00e4nge im Falle cerebraler Entstehung derselben die gr\u00f6\u00dften Schwierigkeiten. Gegen die Annahme zweier Interferenzorte w\u00e4re im Hinblick auf die durchweg bilaterale Anordnung der nerv\u00f6sen Leitungsbabnen noch nicht viel einzuwenden, wenngleich f\u00fcr eine n\u00e4here Bestimmung ihrer Lage jeder Anhaltspunkt fehlt. Umgekehrt k\u00f6nnte man die neuerdings festgestellte partielle Kreuzung der Akustikusbahnen als locale Grundlage f\u00fcr die Ueberleitung in Anspruch nehmen, wenn nicht hier wieder die Annahme, dass alle jene vier Zweige demselben Zwecke, n\u00e4mlich der Leitung specifisch akustischer Beize dienen, zum mindesten sehr hypothetisch w\u00e4re; auch m\u00fcssten die nach je einer Seite f\u00fchrenden Bahnen Erregungen verschiedener St\u00e4rke leiten und wirklich in einander \u00fcbergehen, Annahmen, f\u00fcr die keinerlei Beleg gegeben werden kann. Die Hauptschwierigkeit besteht aber immer in der f\u00fcr diese Erkl\u00e4rungsweise nothwendigen Voraussetzung, dass die Erregungen nach ihrem Ueber-gang auf die nerv\u00f6sen Bahnen noch ihre oscillatorische Natur behalten. Gerade f\u00fcr diese Voraussetzung, f\u00fcr welche nur die Existenz cerebraler Schwebungen einen strengen Beweis h\u00e4tte abgeben k\u00f6nnen, gibt es sonst keine St\u00fctze, man m\u00fcsste denn die bekannten Versuche an labyrinthlosen Tauben, bei denen jedoch weder \u00fcber die Ergebnisse selbst, noch auch \u00fcber deren Deutung eine Einigung erfolgt ist, in diesem Sinne verwerthen wollen.\nDieser Vergleich lehrt zur Gen\u00fcge, dass, wenn man einmal die Erkl\u00e4rung der Localisationsbewegungen durch zwei anisochrone Interferenzen als g\u00fcltig anerkennt, kaum noch ein Zweifel dar\u00fcber bestehen kann, ob die binauralen Schwebungen durch periphere oder cerebrale Interferenz zu Stande kommen. Sollte mithin die letztere Erkl\u00e4rung der diotischen Schwebungen beibehalten werden, so m\u00fcssten jedenfalls auch die mit ihnen aufs Innigste zusammenh\u00e4ngenden Localisationsph\u00e4nomene eine ganz andersartige Erkl\u00e4rung finden.\nWenn nun aber auf der anderen Seite gegen die Uebertragung der T\u00f6ne von den mitschwingenden Theilen im Ohre auf die Kopf-","page":590},{"file":"p0591.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n591\nknochen von den Gegnern dieser Anschauung geltend gemacht wird, dass die Befestigungsart der betreffenden Theile, zumal der Membranen \u00fcberhaupt sehr wenig, geschweige denn bei leisesten T\u00f6nen f\u00fcr eine solche Uebertragung geeignet erscheine, so m\u00f6chte ich dagegen zun\u00e4chst auf einen Versuch hinweisen, bei welchem ich den Ton einer Stimmgabel mit H\u00fclfe einer Glimmermembran sofort zur deutlichen Perception bringen konnte, wenn ich mit deren Passung (Glasringe mit Tuchzwischenschichten in Holzringe gelagert) den Kopf des Beobachters ber\u00fchrte. Wenn aber einmal diese Ueber-leitung f\u00fcr st\u00e4rkere T\u00f6ne au\u00dfer allem Zweifel steht, so kann, meine ich, die Behauptung, dass auch leiseste T\u00f6ne so \u00fcbertragen werden, keineswegs als ungerechtfertigt erscheinen. Denn man hat doch wohl anzunehmen, dass immer derselbe Bruchtheil der zugef\u00fchrten Schwingungen zu den Kopfknochen gelange. Dass diese \u00fcbergeleiteten Schwingungen f\u00fcr sich genommen keineswegs die Empfindungsschwelle zu \u00fcberschreiten brauchen, habe ich schon in der fr\u00fcheren Arbeit mehrfach betont; nur das ist zu fordern, dass sie merkliche Intensit\u00e4tsschwankungen der direct zugeleiteten Schwingungen her-vorrufen, oder was vielleicht noch weniger ist, dass die beiderseits erzeugten Intensit\u00e4tsschwankungen gerade noch stark genug sind, um durch ihr alternirendes Auftreten jene Localisationswanderung zu veranlassen. Und dazu brauchen gewiss die \u00fcbergeleiteten Schwingungen nur einen geringen Bruchtheil der auf dem gew\u00f6hnlichen Wege fortgepflanzten darzustellen.\nWeit mehr indess als dieses bisher allgemein gebr\u00e4uchliche Verfahren, die Ueberleitung mechanisch plausibel zu machen, scheint mir f\u00fcr die Entscheidung unserer Frage der durch obige Versuche gegebene Nachweis zu leisten, dass sich auch bei leisesten T\u00f6nen dieselben Erscheinungen finden, auf welche wir unsere ganze Erkl\u00e4rung aufbauten. Ja, diese Erscheinungen m\u00fcssen hier sogar infolge der Existenz einer Reizschwelle noch an Deutlichkeit gewinnen, was ja auch die bez\u00fcglichen Versuche vollkommen best\u00e4tigen, in welchen die allein noch \u00fcber die Schwelle sich erhebenden Maxima im Contrast zu den Intermissionen besonders deutlich hervortraten. Man k\u00f6nnte hier einwenden, dass Intermissionen der Empfindung hei schw\u00e4chsten Reizen allgemein beobachtet werden, mithin auch in jenen Versuchen mindestens nicht nothwendig als das Resultat von","page":591},{"file":"p0592.txt","language":"de","ocr_de":"592\nPaul Rostosky.\nInterferenzen anzusehen seien. Demgegen\u00fcber ist jedoch zu bemerken, dass in der Aufeinanderfolge solcher Intermissionen, welche besonders in Schwankungen der Aufmerksamkeit ihre Ursache haben m\u00f6gen, sich nie ein bestimmter Rhythmus wird erkennen lassen. Wo ein solcher zu Tage tritt und noch obendrein die Frequenz der Schwebungen zeigt, welche die beiden Theilt\u00f6ne mit einander geben, da hat man es sicher mit Interferenzerscheinungen zu thun1). Bei den bez\u00fcglichen oben mitgetheilten Versuchen mit leisesten T\u00f6nen zeigte nun au\u00dferdem die rhythmisch intermittirende Empfindung stets, eventuell unter regelm\u00e4\u00dfigem Wechsel, dieselben Localisationen, mit denen zuvor bei gr\u00f6\u00dferer Intensit\u00e4t beider Reize die Maxima verbunden erschienen, \u2014 der beste Beweis, dass auch f\u00fcr leiseste T\u00f6ne, bei denen noch binaurale Schwebungen erkennbar sind, unsere Erkl\u00e4rung g\u00fcltig bleibt.\nHiernach vollends glaube ich auf die Heranziehung weiterer St\u00fctzen, wie sie sich sowohl f\u00fcr die obige Theorie der binauralen Schwebungen, als auch besonders f\u00fcr ihre periphere Entstehung aus der Untersuchung der \u00fcbrigen \u00bb functionellen Beziehungen beider Geh\u00f6rorgane\u00ab noch ergeben haben, f\u00fcr jetzt und in diesem engeren Zusammenh\u00e4nge verzichten zu k\u00f6nnen, freilich in der Hoffnung, bald wieder einmal Mu\u00dfe zur Arbeit an diesem Thema zu finden.\nNachtrag.\nDie vorstehende Arbeit war bereits abgeschlossen, als mir ein paar neuere Untersuchungen in die Hand kamen, die unter anderem einiges, was unsere Frage angeht, behandeln.\nH. Frey hat n\u00e4mlich k\u00fcrzlich \u00bbexperimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del\u00ab gemacht.2) Die T\u00f6ne wurden dabei durch eine schwingende Gabel direct auf die Kopfknochen \u00fcbertragen. Ich theile nach obigem die Ansicht des Verfassers, dass diese Bedingungen nur einen quantitativen Unterschied gegen\u00fcber den bei der \u00bbnat\u00fcrlichen Knochenleitung\u00ab vorliegenden einschlie\u00dfen. Doch ge-\n1)\tRhythmische Intermissionen schw\u00e4chster Empfindungen vermag freilich auch der Puls hervorzubringen; doch ist dieser Rhythmus immer leicht von jedem anderen zu unterscheiden.\n2)\tZtschr. f. Psych, u. Physiol, d. Sinnesorgane. Bd. 28. S. 9 (1902).","page":592},{"file":"p0593.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\t593\nn\u00fcgt dies gerade, um jenen Nachweis der physikalisch ohnehin selbstverst\u00e4ndlichen Ueberleitung f\u00fcr unsere Frage belanglos zu machen. Ganz interessant ist f\u00fcr dieselbe jedoch die Feststellung, nach welcher die gegenseitige Lagerung der Geh\u00f6rorgane im Sch\u00e4del als eine f\u00fcr die Schall\u00fcberleitung von Ohr zu Ohr besonders g\u00fcnstige erscheint, derart, dass die einerseits auf die Kopfknochen \u00fcbertragene Erregung in nur wenig geringerer St\u00e4rke das gegen\u00fcberliegende Ohr erreicht. Die Annahme freilich, dass die an verschiedenen Sch\u00e4delpunkten beobachteten Erregungsintensit\u00e4ten ihren Werthen nach durch Interferenzen bestimmt werden, kann ich keineswegs als einen \u00bbfolgenschweren Irrthum\u00ab bezeichnen. Ich m\u00f6chte vielmehr dagegen fragen: Wehn nicht durch Interferenz, wodurch soll denn die Verst\u00e4rkung zu Stande kommen? Sie haftet doch nicht an der Substanz, wie der Verfasser zu denken scheint. Selbst die Pyramiden k\u00f6nnten doch, wenn von Interferenzen abgesehen wird, im g\u00fcnstigsten Falle nur eine Erregung auf weisen, die gleich derjenigen ist, welche ihnen nach Abzug aller Verluste durch die Ueberleitung von der anderen Seite her zuflie\u00dft; und alle Punkte auf dem Wege der Ueberleitung m\u00fcssten in abnehmendem Ma\u00dfe eine gr\u00f6\u00dfere Erregungsst\u00e4rke zeigen als der Endpunkt, was doch kaum der Fall sein d\u00fcrfte. Spielt \u00fcberhaupt hinsichtlich der Ueberleitung die Sch\u00e4delbasis keine wesentlich andere Polle als die Sch\u00e4delw\u00f6lbung, auf der ja auch allenthalben die Wirkung der Gabel zu Tage tritt, so werden sich im Gegentheil auch hier vielleicht Punkte schw\u00e4cherer Erregung finden lassen. Wie dem aber auch sei, jedenfalls bleibt dann nichts anderes \u00fcbrig, als die relative Verst\u00e4rkung oder Schw\u00e4chung von Punkt zu Punkt durch Interferenzen zu erkl\u00e4ren. Im Einzelnen l\u00e4sst sich freilich die Wirkung derselben nicht \u00fcbersehen; h\u00e4ngt sie doch von gar zu vielen Factoren ab, von Amplitude, Phase und Anzahl der zusammenflie\u00dfenden Wellenz\u00fcge, die wieder ihrerseits durch die Leitf\u00e4higkeit der Substanz in ihren verschiedenen Schichten, durch L\u00e4nge und Querschnitt der passirten Wege und andere Momente bestimmt werden. Das H\u00f6chste, was wir in dieser Richtung erreichen k\u00f6nnen, ist ein schematisches, hie und da durch Versuchsergebnisse best\u00e4tigtes Bild.\nNun soll aber die Annahme, dass die von einem Geh\u00f6rorgane ausgehenden Schallwellen sich im anderen gleichsam wieder concen-\nWundt, Philos. Studien. XIX.\t38","page":593},{"file":"p0594.txt","language":"de","ocr_de":"594\nPaul Rostosky,\ntriren und so durch Interferenz verst\u00e4rken, dadurch direct widerlegt sein, dass hei Zuf\u00fchrung eines etwas h\u00f6heren Tones diese Verst\u00e4rkung nicht ausbleibt, ja nicht einmal merklich geringer ist, sondern in gleicher Weise wie zuvor auf tritt. Acceptiren wir jedoch die angegebene Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles im Knochen mit 3000 m. p. s., so dass die beiden verwendeten T\u00f6ne ungef\u00e4hr eine Wellenl\u00e4nge von 12 bezw. 10 m. haben, und beachten wir ferner, dass die Wegedifferenz der allseitig \u00fcbergeleiteten Schwingungen kaum mehr als 10 cm, ihre Phasendifferenz am Interferenzort mithin f\u00fcr den tieferen Ton h\u00f6chstens 3\u00b0, f\u00fcr den h\u00f6heren 3,6\u00b0 betragen kann, so ergibt sich im Maximum zwischen beiden F\u00e4llen ein Unterschied von nicht mehr als 0,0003 der Gesammtintensit\u00e4t, \u2014 ein Unterschied, der nie, auch nicht durch die Versuchsanordnung des Herrn Frey zur Wahrnehmung gebracht werden kann. Der obige Versuch vermag daher \u00fcber die Frage der Interferenz nicht im mindesten zu entscheiden. Hier versagt seihst unser durch die Localisation gegebenes Kriterium f\u00fcr Unterschiede der beiderseitigen Erregungsst\u00e4rken, welches unbestreitbar weitaus empfindlicher ist, als das auf die H\u00f6rbarkeitsdauer des Mikrophontones gegr\u00fcndete in den Frey\u2019schen Versuchen.\nIst nun hier der Einfluss der Interferenz ein unwesentlicher, so scheint das Umgekehrte in einem anderen Versuche der Fall zu sein. Es ist bekannt, dass der Ton einer wenig oberhalb des einen Ohres aufgesetzten Gabel gew\u00f6hnlich im anderen geh\u00f6rt wird. Ohne Zu-h\u00fclfenahme der Interferenz wird man es kaum plausibel machen k\u00f6nnen, dass der Ton das n\u00e4chstliegende Ohr mit geringerer St\u00e4rke erreicht als das gegen\u00fcberliegende. Nach unserer Annahme dagegen m\u00fcssen hier die einzelnen um den Kopf herum flie\u00dfenden Portionen infolge der allseitig wenig verschiedenen Wegl\u00e4nge mit nahezu gleicher Phase im gegen\u00fcberliegenden Ohre eintreffen und k\u00f6nnen sich darum dort betr\u00e4chtlich verst\u00e4rken, w\u00e4hrend die entsprechenden Portionen im n\u00e4chstliegenden Ohre hei 300 Schwingungen p. s. mit ca. 15\u00b0 Phasendifferenz zur Interferenz gelangen, \u2014 gen\u00fcgend, um selbst hei relativ gro\u00dfem Intensit\u00e4tsunterschiede der letzteren Componenten noch unsere Erkl\u00e4rung als zutreffend erscheinen zu lassen.\nWie dieser, so enthalten auch unsere eigenen Versuche bestimmte Hinweise darauf, dass die beobachteten Erscheinungen aus Inter-","page":594},{"file":"p0595.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n595\nferenzen hervorgehen. Dass die Ueberleitung ohne Phasenverschiebung vor sich gehe, wird nat\u00fcrlich Niemand behaupten, der einmal die Kopfknochenleitung anerkennt. Ja sie kann auch nicht nahezu gleich Null sein, da sonst die beiderseitigen Schwebungen als synchron erkannt w\u00fcrden, und die Localisationswanderung ein K\u00e4thsel bliebe. Beim Auf setzen der Gabeln auf verschiedene Punkte des Kopfes muss sich dann freilich auch die Phasendifferenz zwischen den Schwingungen in den beiden Geh\u00f6rorganen \u00e4ndern. Aber auch die St\u00e4rke, in der sie zu diesen gelangen, wird im Allgemeinen dabei eine Modification erfahren; und das allein w\u00fcrde freilich, wie unsere Formeln und Curven zeigen, auch schon gen\u00fcgen, um die beim f\u00fcnften Versuche beobachtete Einschr\u00e4nkung der Localisationswanderung, ja unter Umst\u00e4nden, wenn das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss der von jeder Gabel zu beiden Ohren geleiteten Beize zu sehr vom Werthe 1 abweicht, auch noch das v\u00f6llige Verschwinden dieser Wanderung zu erkl\u00e4ren. Aber hier schon stellt sich dieser Erkl\u00e4rung eine andere Schwierigkeit entgegen: Die Schwebungen m\u00fcssten ja gleichzeitig verschwinden, was nicht im mindesten zutrifft. Und wie sollte gar die Umkehrung der Localisationswanderung mit jener Auffassung in Einklang gebracht werden! \u2014 Was nun die blo\u00dfe Aenderung des Verh\u00e4ltnisses a{ : a nicht zu erkl\u00e4ren vermag, findet durch die Aenderung von d spielend seine Erkl\u00e4rung: Auch f\u00fcr d = 0 wird Vi = 1, h\u00f6rt die Localisationswanderung auf, ohne dass dabei die von den Werthen a und al abh\u00e4ngigen Schwebungen gleichzeitig zu verschwinden brauchten; und f\u00fcr negatives d hat man nur die Curven der Pig. 5 um die Abscissenaxe zu drehen, so dass jeder oberhalb letzterer gelegene Curventheil unterhalb der Axe zu liegen kommt, und umgekehrt; das bedeutet aber nichts Anderes als eine Umkehrung der Localisationswanderung. Bei Vertheilung der Gabeln auf bestimmte Punkte des Kopfes verschwindet nun thats\u00e4chlich die Localisationswanderung, w\u00e4hrend die Schwebungen bestehen bleiben; f\u00fcr diese muss also d = 0 werden. Beim Aufsetzen der Gabeln auf andere Punkte vollzieht sich die Localisationswanderung bald in der einen, bald in der anderen, entgegengesetzten Kichtung, muss also d das eine Mal positiv, das andere Mal negativ sein. Diese mannigfaltigen Aenderungen von d sind aber nur verst\u00e4ndlich, wenn sich die Schwingungen von der Ansatzstelle der Gabeln \u00fcber den ganzen Kopf\n38*","page":595},{"file":"p0596.txt","language":"de","ocr_de":"596\nPaul Rostosky.\nverbreiten, um sich dann in den Geh\u00f6rorganen wieder mehr oder weniger zu concentriren. \u2014 Mit diesen Andeutungen will ich hier die Er\u00f6rterung, die eigentlich \u00fcberhaupt einer sp\u00e4teren Arbeit Vorbehalten bleiben sollte, abbrechen, da durch eme eingehendere Begr\u00fcndung derselben unser Nachtrag zu einer besonderen Abhandlung anwachsen w\u00fcrde.\nZudem m\u00f6chten wir hier noch kurz* auf eine zweite Untersuchung eingehen, deren Resultate sich mehrfach mit den unsrigen ber\u00fchren, n\u00e4mlich auf die \u00bbResearches on Acoustic Space\u00ab von M. Matsumoto1). Uns muss aus derselben nat\u00fcrlich vorwiegend das \u00fcber die Richtungs-localisation in der Dimension \u00bbRechts-Links\u00ab Mitgetheilte interessiren. Mit der schon von v. Kries, Prey er, M\u00fcnsterberg und Anderen ge\u00fcbten Methode der Untersuchung kann ich mich freilich keineswegs einverstanden erkl\u00e4ren; denn da es sich hier um die Feststellung, ja sogar um eine quantitative Bestimmung der Abh\u00e4ngigkeit der Localisation von gewissen Factoren handelt, so w\u00e4re es doch das Haupterforderniss, dass die Versuchsanordnung die fraglichen Factoren v\u00f6llig unabh\u00e4ngig von einander zu variiren gestattet. Dieses ist aber nicht erf\u00fcllt; die Telephone werden schwerlich v\u00f6llig gleiche Klangfarbe besessen und durchaus identische und synchrone Schwingungen ausgef\u00fchrt haben; namentlich aber muss ihre Ortsver\u00e4nderung, durch welche ein successiver \"Wechsel im Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss der beiderseitigen Erregungen eingef\u00fchrt werden sollte, stets auch von einer Aenderung der Phasendifferenz der letzteren begleitet gewesen sein. Da nun, wie wir aus unserem dritten Versuche wissen, die Aenderung der Phasendifferenz auch schon allein im Stande ist, eine (bereits bei ca. 1 cm Differenz der Schallwege merkliche) Localisationsverschiebung in gleichem Sinne zu veranlassen, so kann mithin die in Herrn Matsumoto\u2019s Versuchen beobachtete Localisations\u00e4nderung auch nicht lediglich auf Rechnung der Variation gesetzt werden, welche das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss der von beiden Telephonen zugef\u00fchrten Schwingungen durch die Verschiebungen der Apparate erleidet. Der Antheil, welchen dort die Aenderung des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses und diejenige der Phasendifferenz an dem Localisationswechsel haben, w\u00e4re erst durch besondere Versuche festzustellen.\n1) Studies from the Yale Psychological Laboratory. Yol. Y. 1897.","page":596},{"file":"p0597.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber binaurale Schwebungen.\n597\nWenn nun aber auch hiernach die bez\u00fcglichen Einzelwerthe in den Tabellen jener Arbeit einer erheblichen Corrector bed\u00fcrfen, so k\u00f6nnte doch trotzdem die Folgerung, dass die Localisationsver-schiebung von der Medianebene aus in ihrer Abh\u00e4ngigkeit von dem Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltniss der beiderseitigen Erregungen dem Web er\u2019sehen Gesetze gehorcht, innnerhalb gewisser Grenzen ihre G\u00fcltigkeit behalten, weil ja die Phasenverschiebung nach unserer Erkl\u00e4rung auch nichts anderes als eine Aenderung dieses Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses zur\nFolge hat. Der Abstand des jeweiligen Verh\u00e4ltnisses Vi = ^ von\ndem Werthe 1 w\u00fcrde dabei der Reizintensit\u00e4t, die zugeh\u00f6rige Abweichung der Localisation von der Richtung \u00bbvorn\u00ab der Empfindungsintensit\u00e4t entsprechen. Unsere Curve vermag nat\u00fcrlich an sich keinen Aufschluss \u00fcber diese Beziehung zu geben. Doch lie\u00dfen sich leicht mit H\u00fclfe der bekannten logarithmischen Curve auf der Ordinaten-axe diejenigen Werthe von Ff bestimmen, welche den auf der Ab-scissenaxe zu markirenden gleich merklichen Localisationsverschiebungen entsprechen. Die Curve m\u00fcsste etwa zufolge den Angaben von Lord Rayleigh und Anderen unsere Ordinatenaxe bei dem Werthe F,- == 1,01 schneiden, \u2014 \u00fcbrigens ein Werth, welcher zeigt, dass unsere aus ganz anderen Ueberlegungen hervorgegangenen Curven, obwohl sie die Localisationswanderung auf \u00e4u\u00dferst geringe Aende-rungen des Werthes Vi gr\u00fcnden, sich doch darin durchaus im Rahmen der bisherigen Ermittelungen halten. \u2014 F\u00fcr die weitere Eintragung jener, gleich merklichen Localisationsverschiebungen entsprechenden Werthe V( m\u00fcssten wir die Gr\u00f6\u00dfe der Constanten in der Curvenformel kennen. Bei geeigneter Wahl derselben kann die Eintheilung in ihren ersten Punkten vom Coordinatenanfang aus derart ausfallen, dass die Zeitpunkte auf der Abscissenaxe in Fig. 5, welche dieser Eintheilung f\u00fcr eine unserer Curven entsprechen, nahezu gleiche Abst\u00e4nde haben; m. a. W. die logarithmische Curve kann unter Umst\u00e4nden in ihrem ersten Theile eine Gestalt annehmen, welche derjenigen unserer Curven au\u00dferordentlich \u00e4hnlich ist.\nWenn es hier nun freilich auch noch allenthalben an genaueren Daten fehlt, so verdient doch hervorgehoben zu werden, dass eben jene Uebereinstimmung beider Curven eine weitere interessante Best\u00e4tigung f\u00fcr unsere Auffassung einschlie\u00dft. N\u00e4mlich die Locali-","page":597},{"file":"p0598.txt","language":"de","ocr_de":"598\nPaul Rostosky.\nsationsverschiebung vollzieht sich bei den binauralen Schwebungen, wie bemerkt, bis zu etwa 45\u00b0 Abstand beiderseits der Medianebene mit nahezu constanter Winkelgeschwindigkeit. Das w\u00fcrde hei\u00dfen: Die Localisation verschiebt sich innerhalb dieser Zone in gleichen Zeiten um gleich merkliche Betr\u00e4ge. Kommt nun aber hiernach einer Reihe von Abscissentheilen in Fig. 5 die doppelte Bedeutung von Zeitstrecken und eben merklichen Localisationsverschiebungen zu, so muss der zugeh\u00f6rige Ourvenabschnitt, wenn \u00fcberhaupt das Web ersehe Gesetz hier G\u00fcltigkeit besitzt, einen der logarithmischen Curve sehr \u00e4hnlichen Verlauf nehmen. Dies scheint auch in der That, zumal bei den gr\u00f6\u00dferen Curven f\u00fcr a{ : a \u2014 1 : V2 der Fall zu sein. Doch w\u00e4re es voreilig, schon jetzt ohne weitere bez\u00fcgliche Untersuchungen Schl\u00fcsse zu ziehen. Wohl aber d\u00fcrfte durch obige Ueber-legung ein Weg angedeutet sein, um diejenige Curve ausfindig zu machen, welche der Localisationswanderung bei den Schwebungen am genauesten entspricht.","page":598}],"identifier":"lit4578","issued":"1902","language":"de","pages":"557-598","startpages":"557","title":"Ueber binaurale Schwebungen","type":"Journal Article","volume":"19"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:29:19.881863+00:00"}