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{"created":"2022-01-31T12:33:24.364694+00:00","id":"lit4946","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Martius, G\u00f6tz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 6: 167-216","fulltext":[{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"V\nlieber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\nVon\nDr. (x\u00f6tz Martius\nin Bonn.\nIn seiner Arbeit \u00bbNeue Experimente \u00fcber den Vorgang der einfachen Reaction auf Sinneseindr\u00fccke\u00ab hat Ludwig Lange gezeigt, dass die Zeiten der einfachen Reaction l\u00e4nger ausfallen, wenn die Aufmerksamkeit auf den zu erwartenden Sinnesreiz gerichtet ist, als wenn dieselbe sich der Bewegung oder den Bewegungsempfindungen zuwendet. In der genannten Arbeit ist dies zun\u00e4chst f\u00fcr Schall- und Tasteindr\u00fccke bewiesen. Dass dieselbe Verk\u00fcrzung unter denselben Bedingungen auch bei Gesichtsempfindungen eintritt, zeigte sich bei Versuchen, die ich seinerzeit in Leipzig in Gemeinschaft mit Hrn. Dr. L. Lange ausgef\u00fchrt habe. Die wesentlichen Resultate derselben sind von Wundt in der Physiologischen Psychologie (3. Aufl. II, S. 265 ff.) ver\u00f6ffentlicht, nachdem Herr Dr. Lange leider in Folge seiner Gesundheitsverh\u00e4ltnisse der Wissenschaft und der experimentellen Psychologie fern zu bleiben sich gen\u00f6thigt sah.\nDie vollst\u00e4ndige (unverk\u00fcrzte) Reaction wird von Wundt und Lange auch sensorielle, die verk\u00fcrzte dagegen muskul\u00e4re genannt, Ausdr\u00fccke, die in der jeweiligen Richtung der Aufmerksamkeit ihre Erkl\u00e4rung finden und auch keine andere Bedeutung beanspruchen, als die, eine Bezeichnung f\u00fcr den angegebenen Unterschied der Richtung der Aufmerksamkeit und dessen Folge zu sein.\nDass der von Lange gefundene Zeitunterschied ein gesetzm\u00e4\u00dfiger ist, und dass seine Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit von der Aufmerksamkeit abh\u00e4ngt, dar\u00fcber kann ein Zweifel nicht obwalten. Mehrfache\nW u n d t, Philos. Studien. VI.\n12","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nG\u00f6tz Martius.\nVersuche im hiesigen Laboratorium mit ganz verschiedenartigen Personen, ge\u00fcbten und unge\u00fcbten, in der Psychologie erfahrenen und g\u00e4nzlich unerfahrenen, haben mir stets und \u00fcberall das Vorhandensein des Zeitunterschiedes best\u00e4tigt.\nEine andere Frage ist (abgesehen von der Gr\u00f6\u00dfe des Unterschiedes) die Erkl\u00e4rung der Thatsache und der Umfang ihrer G\u00fcltigkeit. L. Lange sieht den Unterschied der beiden Arten der Reaction als einen qualitativen an, nicht blos insofern die Aufmerksamkeit in beiden F\u00e4llen verschieden ist, was ja auch ein qualitativer Unterschied ist, sondern auch in Bezug auf den ganzen Reac-tionsvorgang selbst. Er nimmt das Bestehen von zwei verschiedenen Arten des Reactionsvorganges an1). Die sensorielle Reaction entspricht nach ihm dem hergebrachten Reactionsschema, nach welchem der ganze Vorgang in die folgenden f\u00fcnf Abtheilungen zerf\u00e4llt: 1) centripetale Leitung vom Sinnesorgan bis zum Geh\u00f6r, 2) Perception oder Eintritt in das Blickfeld des Bewusstseins, 3) Apperception oder Eintritt in den Blickpunkt, 4) Willenserregung und Ausl\u00f6sung der registrirenden Bewegung, 5) centrifugale Leitung vom Centrum bis zu den reagirenden Muskeln und AnwachseA' der Energie in denselben. Geht der Reaction und dem Reize, auf den reagirt werden soll, ein die Aufmerksamkeit vorbereitender Schall voraus, sq nimmt Lange an, dass dann die Zeit der Apperception (3) gleich Null wird. Die Vorbereitung der Aufmerksamkeit besteht ihm eben darin, dass der Reactionsreiz, sobald er percipirt wird, auch zugleich appercipirt wird; er nennt dies willk\u00fcrlich vorbereitete passive Apperception.\nBei der muskul\u00e4ren Reactionsweise f\u00e4llt nun auch die Willenserregung (4) fort ; es bleiben von den Theilen des ganzen Schemas nur 1, 2 und 3 \u00fcbrig. Die muskul\u00e4re Reaction ist ein Hirnreflex (S. 500); er unterscheidet sich von einem gew\u00f6hnlichen R\u00fcckenmarksreflex nur dadurch, \u00bbdass dem ganzen Acte jedesmal eine Willenserregung vorangehen muss (vorbereitende willk\u00fcrliche Innervation der auszuf\u00fchrenden Reactionsbewegung)\u00ab. Ob die Perception als unbewusster Vorgang, der nur nachtr\u00e4glich zur Apperception f\u00fchrt, von Lange aufgefasst wird, geht aus seinen\n1) Vergl. Wundt, Philos. Studien IV, S. 497.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\t169\nEr\u00f6rterungen nicht hervor. Schlie\u00dflich wird, von ihm noch der Versuch gemacht, es als wahrscheinlich erscheinen zu lassen, dass \u2014 das Centrum der Willenserregung f\u00fcr die Reaction in den Seh-und Vierh\u00fcgeln oder in dem Cerebellum zu suchen sei.\nAuch Wundt, unter dessen Einfluss die Lange\u2019sche Studie entstand, sieht in seiner neuesten Darstellung (Bd. II, S. 266 ff.) das Wesen der muskul\u00e4ren Reactionen extremer Art darin, dass \u00bbdieselben lediglich durch Ein\u00fcbung entstandene Gehirnreflexe darstellen, bei denen die Perception ein den Eintritt des Reflexes begleitender, die Apperception sogar ein demselben erst nachfolgender psychischer Vorgang ist, so dass die gemessene Zeit mit diesen Vorg\u00e4ngen als solchen nichts zu thun hat, sondern ausschlie\u00dflich eine physiologische Bedeutung besitzt\u00ab. Hier ist jeder Zweifel \u00fcber das Verh\u00e4ltniss der psychischen zu den physiologischen Vorg\u00e4ngen bei den muskul\u00e4ren Reactionen beseitigt. Zu dieser Auffassung ist Wundt bestimmt durch die bei den muskul\u00e4ren Reactionen h\u00e4ufiger eintretenden Fehlreactionen und vorzeitigen Reactionen. In der Uebung sieht er Tr die nothwendige Bedingung f\u00fcr die Entstehung des Gehirnreflexes, j Er schr\u00e4nkt in Uebereinstimmung mit diesen Anschauungen vom Wesen der muskul\u00e4ren Reaction, ihre Anwendbarkeit auf die einfache Reaction auf Sinneseindr\u00fccke ein.\nEine ungeahnte Anwendung hat der Unterschied der muskul\u00e4ren und sensoriellen Reaction durch M\u00fcnsterberg erfahren.\nIn dem ersten Hefte seiner \u00bbBeitr\u00e4ge zur experimentellen Psychologie\u00ab werden zahlreiche Versuche mitgetheilt, die beweisen sollen, dass die verk\u00fcrzte (muskul\u00e4re) Reactionsweise auch \u00bbbei complicirten, scheinbar den intellectuellen Motiven folgenden Wahlacten, bei denen durch die Versuchsbedingungen eine automatische, durch Ein\u00fcbung, erworbene Coordination absolut ausgeschlossen ist\u00ab1), anwendbar sei. Es soll in diesen F\u00e4llen \u00bbdie dem intellectuellen Motiv folgende Bewegung auch schon ausgef\u00fchrt werden, ehe eine Willenserregung ins Bewusstsein tritt, ja vielleicht gleichzeitig mit der bewussten Erkennung des zugerufenen, als Motiv dienenden Wortes\u00ab. Mg. glaubt darin einen Beweis sehen zu m\u00fcssen, \u00bbdass es eine Grenze zwischen psychophysischen und blos physischen\n1) Munsterberg, Beitr. zur exp. Psychologie Heft I, S. 72.\n12*","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nG\u00f6tz Martius.\nProzessen nicht gibt, die complicirteren Wahlbewegungen eben auch lediglich Gehimreflexe sind, deren psychische Begleiterscheinung eben auch f\u00fcr den Vorgang selbst ohne Einfluss\u00ab. \u00bbDer Process liefe dann genau so ah, wenn seine Zwischenglieder uns nicht bewusst werden; alles, was uns dabei bewusst wird, w\u00e4re mithin nur passiv erlebte Empfindung und Empfindungsreproduction, die unser Bewusstsein wahrnimmt, ohne in ihre Reihenfolge einzugreifen\u00ab, p Dass der ganze Reactionsvorgang genau so abliefe, wenn die : Zwischenglieder (2, 3 u. 4 s. o.) uns nicht bewusst werden, scheint mii besagen zu sollen, dass das Bewusstsein in demselben Sinne hier \u00fcberfl\u00fcssig ist, in welchem die Apperception hei der muskul\u00e4ren Reactions weise auf einfache Sinneseindr\u00fccke nach W undt als durch die Uebung \u00fcberfl\u00fcssig geworden anzusehen ist, ohschon von Uebung L hier keine Rede sein kann; die passiv erlebte Empfindung und Empfindungsreproduction ist eine \u00fcberfl\u00fcssige Zugabe. Wie der Hypnotische nur der passive Zuschauer der ihm suggerirten Handlungen ist, so ist nach Mg. das Bewusstsein der Apperception des Wortes, auf das mit einem bestimmten Finger reagirt wird, sowie das Bewusstsein der Handaufhehung ein passiver Zustand, der f\u00fcr den Vorgang selbst \u00fcberfl\u00fcssig ist. Und wie der im h\u00f6chsten Zustande des Hypnotismus Befindliche kein Bewusstsein von den Worten hat, deren Sinn er befolgt, so k\u00f6nnte die complicirte Reaction ohne thats\u00e4chliches Bewusstsein erfolgen ; ja sie erfolgt im Grunde stets ohne Bewusstsein; denn die Bewegung entsteht (vielleicht) in einer Zeit, in welcher das Bewusstsein in den Vorgang noch gar nicht eingreifen konnte.\nIst hiermit die Meinung Mg.'s getroffen, so lassen sich seine Ausf\u00fchrungen in eine Reihe von Einzelhehauptungen zerlegen, die etwa die folgenden sein w\u00fcrden: 1) Bei einem complicirten Wahlvorgang ist die muskul\u00e4re Reactionsweise anwendbar, 2) ein com-plicirter Wahl Vorgang ist ein Himreflex, 3) ein complicirter Wahlvorgang ist m\u00f6glich auch ohne (active) Betheiligung des Bewusstseins, 4) die dabei vorkommenden Bewusstseinserscheinungen sind rein passiver Art und k\u00f6nnen als \u00fcberfl\u00fcssig angesehen werden, 5) es giebt keine Grenze zwischen psychophysischen und blos physischen Vorg\u00e4ngen in Bezug auf das Bewusstseinsleben.\nVon diesen f\u00fcnf S\u00e4tzen behauptet der erste eine vermeintlich","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n171\ndurch die Experimente gefundene Thatsache, alle \u00fcbrigen stellen Folgerungen aus dem ersten dar, oder st\u00fctzen sich doch auf ihn. Unter den Folgerungen/stimmen die beiden ersten (Satz 2 u. 3) mit denjenigen Annahmen \u00fcberein, welche Wundt in Betreff der muskul\u00e4ren Reaction hei einfachen Sinneseindr\u00fccken gemacht hatte. Man kann also allgemein sagen, dass sich Mg. in der Auffassung der muskul\u00e4ren Reaction als Hirnreflex direct an W un dt und Lange anschlie\u00dft. Das Neue, was er den fr\u00fcher bekannten Thatsachen hinzuf\u00fcgt, besteht in der Feststellung, dass die muskul\u00e4re Reac-tionsweise sich auf complicirte Wahlvorg\u00e4nge ausdehnen l\u00e4sst, was Wundt bestritten hatte. Er deducirt nach der Theorie Wundt\u2019s, dass folglich diese complicirten Wahlvorg\u00e4nge Hirnreflexe sind. Er h\u00e4tte ja zun\u00e4chst auch umgekehrt schlie\u00dfen k\u00f6nnen, dass der muskul\u00e4re Reactionsvorgang folglich kein Himreflex sein kann, auch der einfache nicht. Ich glaube, manchem Psychologen h\u00e4tte dieser Schluss n\u00e4her gelegen, und auch Wundt w\u00fcrde so geschlossen haben, falls die M\u00f6glichkeit der Anwendung der muskul\u00e4ren Reaction in den complicirten F\u00e4llen sich als unzweifelhaft sicher festgestellt erwiesen h\u00e4tte.\nDie beiden letzten aufgestellten S\u00e4tze (4 u. 5) und die darin enthaltenen Folgerungen M g.\u2019s stehen mit unserm Gegenst\u00e4nde nur in lockerem Zusammenhang. Es sei daher hier nur kurz bemerkt, dass nach unserer Ansicht die Frage, ob ein Bewusstseins Vorgang zu einer Gesammtwirkung n\u00f6thig ist oder nicht, keineswegs gleichbedeutend ist mit der Frage, ob dieser Vorgang ein activer oder passiver genannt werden muss. Der Gegensatz des Activen und Passiven kann einen bestimmten Sinn nur erhalten durch eine Theorie \u00fcber active und passive Bestandtheile des Bewusstseins, wie die Wundt\u2019sehe Theorie der Apperception ist. Es w\u00e4re sehr gut eine Ansicht m\u00f6glich, welche alle Bewusstseins Vorg\u00e4nge als \u00bbpassiv\u00ab ansieht, sie aber doch darum nicht f\u00fcr unn\u00f6thig h\u00e4lt, sondern f\u00fcr in demselben Grade nothwendig, als es die bedingenden physischen Vorg\u00e4nge sind. Die isolirte Betrachtung der letzteren beruht all\u00fcberall nur auf einer zu dem besonderen Zwecke erlaubten Abstraction, ebenso wie die isolirte Betrachtung der ersteren.\nFerner steht der Satz, dass alle Bewusstseinsvorg\u00e4nge ausnahmslos psychophysisch bedingt sind, keineswegs in einem nothwendigen","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nG\u00f6tz Martius.\ninneren Zusammenh\u00e4nge mit der Annahme der Reflexartigkeit auch der verwickelten Bewusstseinserscheinungen. Zwar m\u00fcssen alle Bewusstseinsvorg\u00e4nge, wenn sie Reflexe sind, psychophysisch bedingt sein, ihrem Wesen nach in physiologischen Processen bestehen (es w\u00e4re dies der vulg\u00e4re Materialismus mit seinem inneren Widerspruch) ; aber keineswegs muss man sie als nicht durch Gehirn-processe bedingt ansehen, falls man ihnen die Eigenschaft der Reflexartigkeit bestreitet. Die durchg\u00e4ngige Bedingtheit der psychischen Processe durch physische ist ein heute kaum noch bestrittener Satz. Es sind mit ibm die verschiedensten metaphysischen Grundanschauungen vereinbar. Ihn anerkennen hei\u00dft nicht die psychischen Erscheinungen f\u00fcr unwesentlich erkl\u00e4ren; und die Betonung der Bedeutung des Psychischen ist nicht gleichbedeutend mit einer Bek\u00e4mpfung des Satzes von der durchg\u00e4ngigen k\u00f6rperlichen Bedingtheit des Psychischen. Aber alle diese Dinge m\u00f6gen hier bei Seite bleiben.\nF\u00fcr die muskul\u00e4re Reaction h\u00e4tten wir also als die allgemeine Annahme der bisherigen Autoren \u00fcber den Gegenstand die Ansicht festgestellt, dass sie ein Gehimreflex sei. Ueber ihre Anwendbarkeit standen sich die Behauptungen Wundt\u2019s u. M\u00fcnsterberg\u2019s gegen\u00fcber, indem jener sie auf die einfachen Sinneseindr\u00fccke einschr\u00e4nkt, dieser sie auch f\u00fcr complicirte Wahlvorg\u00e4nge f\u00fcr zul\u00e4ssig erkl\u00e4rt. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir bei einer neuen Untersuchung des Gegenstandes zuerst die letzte Behauptung einer Pr\u00fcfung zu unterziehen haben. Denn ehe nicht die Anwendbarkeit der muskul\u00e4ren Reaction bei verwickelten psychischen Processen nachgepr\u00fcft ist, wird jede Untersuchung \u00fcber ihre eigentliche Natur unm\u00f6glich sein.\nI.\nDass es von vornherein keineswegs wahrscheinlich war, dass die muskul\u00e4re Reaction sich auch bei zusammengesetzten geistigen Vorg\u00e4ngen anwenden lie\u00df, ist bereits hervorgehoben; es war dies um so unwahrscheinlicher, je mehr man sie als Gehirnreflex aufzufassen geneigt war. Aber auch die Frage musste von vornherein unsicher erscheinen, ob die verk\u00fcrzte Reactionsweise nicht Versuchsvorschriften enth\u00e4lt, die bei verwickelten Wahlhandlungen ihrer","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n173\nNatur nach unausf\u00fchrbar bleiben m\u00fcssen. Wir haben daher vor der selbst\u00e4ndigen experimentellen Pr\u00fcfung der Streitfrage zu untersuchen, inwieweit denn die Mg.\u2019sehen Versuche ihrer eigenen Absicht entsprechen. Liegt eine wirkliche und den Vergleich zulassende Uebereinstimmung derselben mit denVersuchen Lange\u2019s vor?\nAuf die Verschiedenheit der \u00e4u\u00dferen Anordnung soll kein Werth gelegt werden. Die Versuche Lange\u2019s wurden in getrennten R\u00e4umen vorgenommen, so dass der Reagirende in keiner Weise durch das Ger\u00e4usch des Chronoskops und der Manipulationen des an ihm Besch\u00e4ftigten gest\u00f6rt werden konnte. Die Versuchsweise Mg.\u2019s brachte es mit sich, dass hier Reagirender und Experimen-tirender in demselben Zimmer sich befanden. Es ist damit eine nothwendige, auf St\u00f6rung beruhende Beeinflussung des Resultates verbunden, die aber als bei allen Versuchen gleichm\u00e4\u00dfig vorhanden vernachl\u00e4ssigt werden kann. Es handelte sich im wesentlichen um die verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfigen Zahlenwerthe. Eine exacte Feststellung der einfachen Reactionszeit und ihres absoluten Betrages ist nach dem von Mg. befolgten Verfahren nicht m\u00f6glich.\nDen Schluss der zweiten (nicht durch das Chronoskop gehenden) Strombahn brachte Mg. durch einen mit der Hand bedienten einfachen Reactionsschl\u00fcssel zu Stande, indem zu gleicher Zeit der Experimentator das Wort, auf das reagirt werden sollte, dem R\u00e9agir enden zurief. Auch dieses Verfahren d\u00fcrfte einem erheblicheren Bedenken nicht unterliegen, seitdem durch Fr. Martius1) gezeigt wurde, wie klein der Fehler bei einer mit Absicht zugleich mit einem erwarteten Schalle ausgef\u00fchrten Bewegung werden kann. Ein constanter Fehler geht aber auch durch diesen Umstand in die Resultate ein, der durch die jeweilige L\u00e4nge des zuzurufenden Wortes noch vergr\u00f6\u00dfert wird. Von einer wirklichen Exactheit der Versuche kann also keine Rede sein; es kann aber wohl zugegeben werden, dass bei der verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfigen L\u00e4nge der untersuchten Vorg\u00e4nge die aufgezeigten Fehlerquellen die Versuchsergebnisse nicht verdecken werden.\nAnders steht es aber um die Vorschriften in Betreff der Aufmerksamkeit bei den Versuchen mit Wahl, f\u00fcr welche Mg. die\n1) Zeitschr. f\u00fcr klin. Medicin. Bd. XV: Weitere Untersuchungen zur Lehre von der Herzbewegung.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nG\u00f6tz Martius.\nAnwendbarkeit der muskul\u00e4ren Reactionsweise beweisen will. Es m\u00f6gen seine eigenen Worte folgen:\n\u00bbDie n\u00e4chste Versuchsgruppe umfasste unzweifelhafte Vorg\u00e4nge einer ,Wahlr, wenn ich zun\u00e4chst bei den herk\u00f6mmlichen Ausdr\u00fccken stehen bleibe. Es wurde eine der f\u00fcnf ersten Zahlen zugerufen und auf eins der Daumen, auf zwei der Zeigefinger u. s. w. von der Claviatur gehoben. Sobald die Aufmerksamkeit auf den zu erwartenden Zuruf gelenkt war, so betrug die Reaction 383 a, war sie der Bewegung zugerichtet 289 a, die Differenz also 94 a. Der Ausdruck \u00bbder Bewegung zugerichtet\u00ab ist nun aber nicht ganz correct, da er nicht ausreicht. Bei der einfachen Reaction gab es ja nur Reiz und Bewegung, ein Mittelding war nicht vorhanden; hier schiebt sich aber zwischen beide auch noch die Vorstellung der Zahlen, oder genauer die Verbindung zwischen Zahl und Finger. Ich kann meine Aufmerksamkeit der Vorstellung zu wenden, dass der Zahl eins der Daumen entsprechen soll, ohne dass ich deshalb die Aufmerksamkeit auf die Bewegungsinnervation jenes Daumens richte. Nun ist es aber, wie sich Jeder sofort leicht \u00fcberzeugt, sehr wohl m\u00f6glich, diese Vorstellung, dass ein bestimmter Finger einer bestimmten Zahl entsprechen soll, mit der Innervationsvorstellung fest zu verschmelzen, so dass man die Aufmerksamkeit beiden gemeinsam, wie einer Gesammtvorstellung zuwenden kann: man hat das Gef\u00fchl, als innervire man nicht Daumen oder Zeigefinger, sondern Finger eins, Finger zwei.\n\u00bbIn genau derselben Weise kann man mit jedem der f\u00fcnf Finger auch jede andere Vorstellung fest verbinden, etwa wie im n\u00e4chsten Versuche, mit dem ersten Finger den Nominativ, mit dem zweiten den Genitiv u. s. w. Diese Zuordnung der vorher festgesetzten Begriffe ist somit, wenn der Versuch beginnt, schon fest eingepr\u00e4gt und einge\u00fcbt; der zu untersuchende Wahlvorgang ist davon nat\u00fcrlich ganz unabh\u00e4ngig. In allen folgenden F\u00e4llen besteht die Ver\u00e4nderung der Aufmerksamkeitsrichtung also nicht nur darin, dass sie einmal dem Reiz, das andere Mal der Bewegungsinnervation aller f\u00fcnf Finger zugewandt ist, sondern im zweiten Falle ist sie stets derjenigen Gesammtvorstellung zugerichtet, die sich aus der Innervationsempfindung und den mit den einzelnen Fingern durch vorherige Festsetzung und Ein\u00fcbung","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n175\nverkn\u00fcpften f\u00fcnf Vorstellungen zusammensetzt. In der dargestellten Versuchsgruppe war diese Verbindung noch dadurch befestigt, dass \u00fcber jeder Taste mit gro\u00dfen gedruckten Ziffern die entsprechende Zahl angebracht war, der Gesichtseindruck sich also noch mit der Muskelempfindung verbinden konnte.\u00ab\nDie gesperrten Worte sind durch Mg. selbst hervorgehoben worden. Es muss von vornherein bestritten werden, dass es m\u00f6glich ist, die Vorstellung eines bestimmten Fingers, dem eine bestimmte Zahl entsprechen soll, oder diese Zahl selbst, die als Be-pr\u00e4sentant des Fingers gelten kann, mit der entsprechenden Innervationsvorstellung so innig zu verschmelzen, dass eine einheitliche Gesammtvorstellung entsteht. Es t\u00e4uscht hier das Wort Verschmelzung. Eine aus zwei disparaten Vorstellungen bestehende Gesammtvorstellung, die nicht ihrem Inhalte nach gleich jenen beiden Einzelvorstellungen w\u00e4re, gibt es nicht. Es ist also nur eine sehr innige Association von Innervationsvorstellung und Zahl vor Stellung m\u00f6glich, keine Verschmelzung. Daraus folgt, dass bei den Versuchen Mg.\u2019s die Methode der muskul\u00e4ren Eeaction nicht einmal genau auf den Fall der complicirten Wahlhandlungen \u00fcbertragen ist. Sollte dies geschehen, so musste die Versuchsvorschrift lauten, dass die Aufmerksamkeit streng auf die f\u00fcnf Bewegungsintentionen oder Bewegungsvorstellungen der betr. f\u00fcnf Finger zu richten sei. Durch die Aufgabe, mit diesen Bewegungsvorstellungen zu gleicher Zeit die f\u00fcnf Zahlvorstellungen oder f\u00fcnf Vorstellungen anderer Kategorien (wie die der Casus u. s. w.) im Bewusstsein gegenw\u00e4rtig zu halten, ist ein centrales Element in die Versuchsbedingungen ein-gefiihrt, welches bei der einfachen muskul\u00e4ren Eeaction vollst\u00e4ndig fehlt.\nEin weiterer Unterschied besteht in der gro\u00dfen Zahl von Vorstellungen, auf welche die Aufmerksamkeit sich richten soll, w\u00e4hrend bei der einfachen muskul\u00e4ren Eeaction es sich nur um eine einzige Bewegungsvorstellung handelt. Die Folge davon ist, dass nur durch einen Zufall gerade diejenige Vorstellung im Bewusstsein gegenw\u00e4rtig ist, -welche dem Zuruf entspricht, und dass ebenfalls nur durch einen besonderen Zufall die jedesmal n\u00f6thige Bewegungsvorstellung jene Actualit\u00e4t besitzt, welche bei der einfachen muskul\u00e4ren Eeaction die Eegel bildet. Unsere Kenntniss des Umfangs des","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nG\u00f6tz Martius.\nBewusstseins ist freilich eine noch sehr unvollst\u00e4ndige. Es steht der genaueren Untersuchung die Schwierigkeit entgegen, dass der Unterschied der appercipirten und percipirten Vorstellungen nicht durch feste Grenzen bestimmt werden kann. So viel wissen wir aber doch und Jeder kann es leicht an sich beobachten, dass es nicht m\u00f6glich ist, zu gleicher Zeit f\u00fcnf Vorstellungen gegenw\u00e4rtig zu haben und dabei die entsprechende f\u00fcnffache Innervation der f\u00fcnf Finger gleichm\u00e4\u00dfig einzuleiten. Es ist nicht einmal m\u00f6glich, das letztere allein zu thun. Man kann die ganze Hand innerviren, aber nicht einen Zustand erzeugen, in welchem jeder einzelne Finger in der Weise zur Bewegung vorbereitet ist, wie bei der einfachen muskul\u00e4ren Reaction, so dass zugleich die Unterschiedenheit der f\u00fcnf verschiedenen Bewegungsintentionen im Bewusstsein gegenw\u00e4rtig w\u00e4re. So lange nicht andere Beispiele von gleichzeitig im Bewusstsein actuell vorhandenen zahlreichen Vorstellungen bekannt werden, ist anzunehmen, dass auch in dem vorliegenden Falle die Gegenw\u00e4rtigkeit der f\u00fcnf Bewegungsvorstellungen und der zu ihnen geh\u00f6rigen f\u00fcnf Kategorien keine andere ist, als etwa ein Satz, den ich aussprechen will, zugleich dem Bewusstsein vorschwebt, oder f\u00fcr gr\u00f6\u00dfere Zeiten, als die ganze Rede dem Redner gegenw\u00e4rtig ist, der sie zu halten im Begriff steht. Es gilt dieser zweite Unterschied der einfachen muskul\u00e4ren Reaction von der bei verwickelteren Vorg\u00e4ngen angewandten muskul\u00e4ren Reactionsweise auch f\u00fcr den Fall, dass die Vorschrift, die Aufmerksamkeit streng auf die Bewegung zu richten, richtig ausgef\u00fchrt wird.\nEndlich legt Mg. einen besonderen Werth darauf, dass bei seinen letzten Versuchsgruppen die Ein\u00fcbung ausgeschlossen gewesen; es k\u00f6nne dort \u00bbvon Ein\u00fcbung und automatischer Coordination \u00fcberhaupt keine Rede sein\u00ab. Es waren dies Versuchsreihen, bei denen den f\u00fcnf Fingern in einem Falle die grammatischen Kategorien Substantiv, Adjectiv, Pronomina, Zahlwort und Verbalformen zugeordnet waren ; in einem anderen Falle die f\u00fcnf Begriffe Stadt, Fluss, Thier, Pflanze, Element; wieder ein anderes Mal die f\u00fcnf Gattungsnamen Dichter, Musiker, Naturforscher, Philosophen, Staatsm\u00e4nner. Bei der Ausf\u00fchrung wurde dann jedesmal ein neues Wort aus einer der zusammengeh\u00f6rigen Kategorien zugerufen. Der Reiz, auf welchen reagirt wird, ist dann allerdings jedesmal ein anderer.","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n177\nDamit ist eine Ein\u00fcbung aber keineswegs ausgeschlossen. Einge\u00fcbt sind hier nicht die zugerufenen W\u00f6rter, sondern die Kategorien und ihre Verbindung mit den ihnen entsprechenden Fingern. Und auch zwischen den Kategorien und den einzelnen unter sie geh\u00f6rigen Namen besteht eine einge\u00fchte Beziehung; je nachdem diese eine engere oder lockerere ist, wird die Unterordnung des Wortes unter seine Gattung eine l\u00e4ngere oder k\u00fcrzere Zeit erfordern; wo eine Einordnung und Feststellung der Beziehung noch nicht stattgefunden hat, w\u00fcrde eine Reaction \u00fcberhaupt unm\u00f6glich sein.\nSo ergibt denn schon die eingehendere Pr\u00fcfung der Versuchsmethode Mg.\u2019s, dass seine Behauptung von der Anwendbarkeit der muskul\u00e4ren Reactionsweise auf complicirte Wahlhandlungen durch seine Versuche keineswegs sicher gestellt ist. Die Frage k\u00f6nnte damit bereits als entschieden angesehen werden, falls nicht die Versuchszahlen Mg.\u2019s vorl\u00e4gen. Die Zahlen wollen erkl\u00e4rt sein. Wie dieselben (vergl. a. a. O. S. 86) da stehen, bieten sie ein merkw\u00fcrdig charakteristisches Bild. Die vollst\u00e4ndige Reactionszeit w\u00e4chst von 162 o (einfache Reactionszeit) bis auf 1122 o; die verk\u00fcrzte von 120 o bis 437 o; die letztere ist f\u00fcr die letzten vier Versuchsgruppen, die s\u00e4mmtlich die geschilderten Unterordnungen eines zugerufenen Wortes unter einen \u00fcbergeordneten Begriff darstellen, nahezu constant; die Zahlen sind 430, 432, 432, 437 o. Ich k\u00f6nnte mir diese Zeiten sehr wohl erkl\u00e4ren, falls die Zuordnung der Klassen zu den Fingern durch eifrige und anhaltende Ein\u00fcbung gleichm\u00e4\u00dfig befestigt war und auch nur gleichm\u00e4\u00dfig bekannte und einge\u00fcbte Einzelworte gew\u00e4hlt wurden. Nur widerspricht dem die gro\u00dfe Verschiedenheit der Resultate bei der vollst\u00e4ndigen Reaction. Denn auch f\u00fcr diese macht sich die Ein\u00fcbung in gleicher Weise geltend, wie wir sogleich best\u00e4tigt finden werden. Man k\u00f6nnte daran denken, dass durch einen Zufall bei der vollst\u00e4ndigen Reaction unbekanntere, bei der verk\u00fcrzten dagegen nur gleichm\u00e4\u00dfig bekannte Worte getroffen seien. Es w\u00e4re das ein Zufall, wie ihn l\u00e4ngere Versuchsreihen gerade ausschlie\u00dfen sollen. Oder sind etwa die Versuche \u00fcber die vollst\u00e4ndige Reaction fr\u00fcher gemacht, als die anderen \u00fcber die unvollst\u00e4ndige, so dass die Ein\u00fcbung dazwischen liegt? Es ist zu bedauern, dass die Versuche ohne n\u00e4here Angaben \u00fcber die Zeitverh\u00e4ltnisse, die zur Beurtheilung wesentlich","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nG\u00f6tz Martius.\nsind, ver\u00f6ffentlicht worden sind. Ebenso fehlen die genauen Angaben \u00fcber Controlzeiten und mittlere Variationen. So wie die Zeiten in den Beitr\u00e4gen neben einander stehen, gestehe ich, sie nicht hinreichend erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen.\nNoch eine andere Bemerkung m\u00f6ge nicht unterdr\u00fcckt werden, die f\u00fcr alle psychologischen Experimente gilt. Mg. hat bei der Ausf\u00fchrung seiner Versuche nur an der Uhr gesessen und registrirt, andere haben reagirt. Das ist ein Fehler, der in der experimentellen Psychologie \u00fcberall verh\u00e4ngnissvoll werden muss. Psychologie, auch experimentelle Psychologie, beruht auf innerer Beobachtung. Auch die Zeitmessungen psychischer Vorg\u00e4nge lassen sich nicht ausf\u00fchren ohne Mith\u00fclfe der inneren Erfahrung, die allein den zu messenden Vorgang controliren kann. Wer nur andere Personen f\u00fcr die Ausf\u00fchrung der eigentlichen Beobachtung heranzieht, hat gar keine Sicherheit, ob die Vorg\u00e4nge, die gemessen werden, derart sind, wie er sie vorgeschrieben oder wie er sie w\u00fcnscht. Nur die eigene Ausf\u00fchrung kann diese Sicherheit geben. Es gilt dies \u00fcberall in der Psychologie, zumal aber bei so subtilen Vorg\u00e4ngen, wie die es sind, mit denen die Psychometrie zu thun hat, es gilt mehr noch bei zusammengesetzten Beactionen, als bei einfachen. Bleibt nicht die Selbstbeobachtung, die innere Erfahrung das den Ausschlag gebende Moment in der Psychologie, so wird den ausschweifendsten Phantasmen Th\u00fcr und Thor ge\u00f6ffnet sein. Die experimentelle Psychologie w\u00fcrde ohne die fortw\u00e4hrende Beschr\u00e4nkung und Beaufsichtigung durch die innere Erfahrung mehr Schaden als Nutzen stiften. Die Zuverl\u00e4ssigkeit der inneren Erfahrung bew\u00e4hrt sich immer mehr und mehr; nur auf ihr beruht die weitere Zukunft der wissenschaftlichen Psychologie.\nAngesichts der n\u00f6thigen Kritik an den Versuchen Mg.\u2019s konnte die Frage nach der Ausdehnungsf\u00e4higkeit der muskul\u00e4ren Reaction auf zusammengesetzte Bewusstseinserscheinungen nicht als entschieden angesehen werden. Die sogleich mitzutheilenden eigenen Versuche haben denn auch ein direct widersprechendes Ergebniss geliefert. Die Technik derselben stimmte mit derjenigen Langes \u00fcberein (vergl. diese Studien Bd. IV, S. 479 ff.); wo die Versuche Mg.\u2019s direct wiederholt wurden, musste nat\u00fcrlich auch seine Versuchsanordnung nachgeahmt werden. Leider stand mir kein Chrono-","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n179\ngraph oder ein anderes H\u00fclfsmittel zu Gebote, um die wirkliche Fallzeit des Controlhammers1) zu messen. Ich setze daher die an jedem Tage ermittelte Controlzeit \u00fcberall daneben, um dem Leser eine Beurtheilung der Zahlen in ihrem Yerh\u00e4ltniss zu erm\u00f6glichen. Eine allgemeine Reduction derselben hielt ich von einigen F\u00e4llen abgesehen nicht f\u00fcr opportun, da die Zeiten dadurch nicht an objectiver G\u00fcltigkeit gewinnen und ihr relativer Werth auch so deutlich erkennbar ist. Die neben der Controlzeit bemerkte mittlere Variation ist aus jedesmal f\u00fcnf auf einander folgenden Controlversuchen gewonnen und zeigt, dass nur bei gro\u00dfer Genauigkeit der Instrumente gearbeitet wurde. Eine Ausnahme machen einige in der ersten Zeit der Versuche gewonnene Werthe; als Ursache der geringeren Genauigkeit stellte sich eine Ueberanspannung der einen der beiden Federn heraus, welche den Contacthebel reguliren. Beide Federn m\u00fcssen gleich sorgf\u00e4ltig eingestellt werden, wenn man gleichm\u00e4\u00dfig constante Resultate erzielen will, ein Wink, welcher vielleicht einem oder dem anderen Benutzer des weit verbreiteten Hipp-schen Instrumentes willkommen sein d\u00fcrfte. Die Versuche wurden zumeist unter der bereitwilligen und eifrigen Theilnahme des Herrn stud. phil. von Prott (v. Pr.) ausgef\u00fchrt; eine zweite Versuchsperson ist mit M. M., eine dritte (Verfasser) mit G. M. bezeichnet.\nTabelle I.\nBat.\tHd.\tS\tmV\tM\tmV\tControlz.\tmV\tReag.\n7. Nov.\tr. H.\t492,4\t77,2\t485,8\t63,6\t97,0\t3,6\tv. Pr.\n8. Nov.\t1. H.\t509,6\t95,1\t556,0\t68,4\t93,75\t3,31\tv. Pr.\n9. Nov.\tr. H.\t523,9\t105,1\t532,6\t40,7\t91,83\t8,11\tG. M.\n11. Nov.\t1. H.\t515,5\t52,0\t606,9\t88,7\t117,6\t1,72\tG. M.\n1. Apr.\tr. H.\t442,7\t76,3\t464,8\t78,1\t133,0\t1,0\tG. M.\n24. M\u00e4rz\t1. H.\t436,5\t66,4\t469,1\t61,8\t128,8\t1,8\tM. M.\nDie in Tab. I. enthaltenen Versuche sind nach der Versuchsanordnung Mg.\u2019s angestellt. Aber die muskul\u00e4re und sensorielle Reactionsweise wurde m\u00f6glichst so angewandt, wie es bei den einfachen Reactionsversuchen Lange\u2019s geschehen ist. Bei der\n1) Ueber diesen vgl. Lange, a. a. S. 483, Wundt, Phys. Psych. III. Aufl. \u00aed. II, S. 281.","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nG\u00f6tz Martius.\nsensoriellen Reaction (S) wurde also die Aufmerksamkeit auf den Zuruf gerichtet, bei der muskul\u00e4ren (M) dagegen lediglich auf die Bewegungsintention der f\u00fcnf Finger. Der Reiz bestand in den zugerufenen Zahlw\u00f6rtern von 1 bis 5. Reagirt wurde mit den f\u00fcnf Fingern der rechten (r. H.) oder linken Hand (1. H.); der Zahl l entsprach in jedem Falle der Daumen. Eine Ein\u00fcbung war in keiner Weise vorhergegangen. Jede Zahl ist aus etwa 15 Einzelversuchen gewonnen.\nDas Ergebniss der Tabelle, wie es aus den Zahlen hervortritt, ist dies, dass die Zeiten bei der muskul\u00e4ren Reactionsweise mit einer einzigen Ausnahme gr\u00f6\u00dfer waren, als bei der sensoriellen Reaction. Die Richtung der Aufmerksamkeit auf die Bewegung muss also hiernach als eine Erschwerung des Vorganges angesehen werden. In der That macht sich dieselbe auch subjectiv lebhaft f\u00fchlbar. Die Aufmerksamkeit, auf die Bewegung und die Finger gerichtet, ist gezwungen zu dem Rufe und zur Coordination von Finger und Zahlen zur\u00fcckzukehren, damit die Reaction zu Stande kommen kann.\nTabelle II.\nN\t\u00bb\tS\tmV\tMi\tm V\tm2\tmV\tC\tmV\tControlz.\tmV\tReag.\n]>\t2. Apr.\t551,1\t106,4\t529,3\t117,8\t538,0\t148,6\t528,3\t151,2\t123,8\t1,24\tM. M.\nIb\t3. Apr.\t616,2\t124,6\t571,2\t123,2\t644,8\t93,4\t492,2\t90,1\t124,2\t0,28\tG.M.\nII\t10. Apr.\t643,9\t97,9\t774,9\t136,2\t758,9\t71,7\t745,3\t129,6\t127,2\t1,36\tM.M.\nIII\t11. Apr.\t803,5\t163,7\t998,8\t191,7\t\t\t970,0\t209,5\t121,6\t1,52\tM.M.\nDie in Tab. II zusammengestellten Versuche sind ebenfalls nach der Anordnung bei Mg. gemacht. Es wurden aber der Aufmerksamkeit weitere Vorschriften gestellt. Dieselbe wurde nicht nur auf die Bewegung, und zwar sowohl mit Hinsehen auf die Finger (M\\) als auch ohne Hinsehen (J\u00fcf2), und auf den Reiz (S) gerichtet, sondern auch auf die Coordination von Finger und Kategorien (C). also auf die Reihe von Vorstellungen, die der Reagirende gegenw\u00e4rtig haben muss, wenn er nach den Versuchs Vorschriften verfahren will. Soweit ich sehen kann, ist dieser Fall aber keineswegs identisch mit der Art, welche Mg. (s. o. S. 174) befolgt hat. Denn dieser spricht von inniger Verschmelzung der Innervationsempfindung","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\t181\nmit den Vorstellungen der Kategorien; bei ihm ist C und M verbunden; er w\u00fcrde sonst auch nicht einmal den Schein eines Rechtes gehabt haben, von muskul\u00e4rer Reaction zu sprechen ; denn f\u00fcr diese ist wesentlich die Richtung der Aufmerksamkeit auf Bewegungsempfindung und Bewegungsintention. Die unter C aufgef\u00fchrten Zahlen wurden gewonnen, indem der Reagirende im Bewusstsein nichts anderes festzuhalten suchte, als die Zugeh\u00f6rigkeit der einzelnen Kategorien zu den einzelnen Fingern, wie sie ihm vor Beginn des Versuches mitgetheilt war.\nDie Versuche sind s\u00e4mmtlich ohne vorherige Uebung ausgef\u00fchrt. Die Versuchsperson hatte nur gerade genau erfasst, welche Vorstellung oder Klasse mit welchem Finger zu associiren war. Bei I bestand der Zuruf in den f\u00fcnf Vocalen, bei II in den vier Casus Singularis und dem Nominativ Pluralis der Pronomina ich, du und der (M\u00fcnsterberg, Gruppe IV), bei III in Hauptw\u00f6rtern, welche zu den den f\u00fcnf Fingern zugetheilten Klassen Stadt, Fluss, Thier, Pflanze, Element (M\u00fcnsterberg, Gruppe VI) geh\u00f6rten. Die Versuche waren alle rechtsh\u00e4ndig. Jede Zahl der Tabelle ist der Durchschnitt von zwanzig Einzel versuchen.\nWas die Ergebnisse betrifft, so ist es schwer, aus Zahlen, die unter so verwickelten Versuchsbedingungen gewonnen sind, wie die obigen, unbedingt sichere Schl\u00fcsse zu ziehen. Ob man bei der muskul\u00e4ren Reaction auf die betheiligten Finger sieht, oder nicht, macht offenbar f\u00fcr das Resultat keinen wesentlichen Unterschied. Die Zahlen sind weder erheblich verschieden, noch ist der Unterschied in den einzelnen Reihen ein gleichsinniger. Es deutet dies darauf hin, dass das Gesichtsbild des zu bewegenden Fingers f\u00fcr die Bewegung zur\u00fccktritt gegen das Muskelgef\u00fchl. Reagirt man mit allen zehn Fingern etwa auf die ersten zehn Zahlen der Zahlenreihe und klebt die Ziffern auf die Finger auf, so kann man ebenfalls leicht beobachten, dass die gesehenen Zifferbilder die Reaction nicht wesentlich erleichtern, wohl aber das Gef\u00fchl der Sicherheit und der leichter zu erreichenden Richtigkeit geben, welches ver-muthlich auf einer nachtr\u00e4glichen Identification der gewollten Be-'wegung mit dem zugeh\u00f6rigen, Zifferbild beruht.\nDass die Richtung der Aufmerksamkeit auf die Bewegung nicht eine Erleichterung, sondern eine Erschwerung in dem Falle","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nG\u00f6tz Martius.\nverwickelter Wahlhandlungen mit sich bringt, geht auch aus den Zahlen der Tab. II hervor und wurde durch die subjective Erfahrung best\u00e4tigt. Subjectiv am leichtesten geht der Reactionsvorgang Vor sich, wenn die Aufmerksamkeit auf das Wort oder auf die Zusammenordnung von Wort und Finger sich richtet. Demgem\u00e4\u00df sind die Zeiten der muskul\u00e4ren Reaction \u00fcberall l\u00e4nger als entweder die der sensoriellen oder der Reaction bei Richtung der Aufmerksamkeit auf die Coordination. Freilich ist die Zeit der muskul\u00e4ren Reaction nicht \u00fcberall l\u00e4nger als die der beiden Vergleichsf\u00e4lle\u2022 vielmehr sind in Ia und Ib die Zeiten der sensoriellen Reaction l\u00e4nger, als die der muskul\u00e4ren, und nur die Coordinationszeiten sind k\u00fcrzer. Die Unterschiede sind hier, wo es sich um leichtere und durch die Gewohnheit einge\u00fcbte Beziehungen handelt, \u2014 denn die f\u00fcnf Vocale haben durch ihre hergebrachte Reihenfolge eine nat\u00fcrliche Beziehung zu den f\u00fcnf Fingern in ihrer hergebrachten Folge, \u2014 \u00fcberhaupt nur klein. Die Thatsache einer gewissen Ein\u00fcbung \u00fcberwiegt und gleicht aus diejenigen Unterschiede, welche durch die Richtung der Aufmerksamkeit bedingt sind. In II und III dagegen, wo die durch die directe Ein\u00fcbung und die durch die Gewohnheit erzeugte gleichm\u00e4\u00dfig fehlte, treten die anderen Einfl\u00fcsse deutlicher hervor. Zur Ausf\u00fchrung einer bestimmten Bewegung auf einen bestimmten Zuruf geh\u00f6rt das Gegenw\u00e4rtigsein der Bewegungsvorstellung im Bewusstsein und zwar in associativer Verbindung mit der zugerufenen Vorstellung selbst; denn erst in Folge der Identification des zugerufenen Lautes mit der reproductiven Vorstellung desselben Lautes, die ihrerseits mit der betr. Bewegungsvorstellung verb\u00fcnden ist, kann die Bewegung als eine den Versuchs Vorschriften entsprechende erfolgen. Unter dieser Identification braucht man sich keineswegs einen geistigen Act oder einen unbewussten Schluss vorzustellen; sie besteht allein in der Folge der sie ausmachenden Vorstellungen.\nIst nun, wenn der Versuch beginnt, die Aufmerksamkeit auf die Finger gerichtet, so ist es, damit das Bewusstsein der Zugeh\u00f6rigkeit des zugerufenen Wortes zu einer bestimmten Kategorie, der eine bestimmte Bewegung angeh\u00f6rt, zu Stande kommen kann, n\u00f6thig, dass die Aufmerksamkeit erst von dem Orte, wo sie ist, weggewendet und jenem Wort und der ihr entsprechenden","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n183\nKategorie zugewendet wird. Daher die Verl\u00e4ngerung bei der muskul\u00e4ren Reaction. Hierbei hei\u00dft, die Aufmerksamkeit richte sich auf die Bewegungsvorstellungen, nichts anderes, als dass diese im Vordergr\u00fcnde des Bewusstseins sich befinden; und die Aufmerksamkeit wende sich von ihnen fort jenen andern Vorstellungen zu, hei\u00dft nichts anderes, als dass diese an die Stelle jener treten. Befindet sich die Aufmerksamkeit dem Reiz zugekehrt, so ist der Vorgang gewisserma\u00dfen ein geradliniger; an den percipirten Reiz kn\u00fcpft sich die zugeh\u00f6rige Vorstellungskategorie und an diese schlie\u00dft sich Bewegungsvorstellung und Bewegung. Ist endlich die Aufmerksamkeit der Coordination von Reizvorstellung und Bewegung zugekehrt, so muss sie sich auch erst dem percipirten Worte zuwenden, wie im ersten Falle, damit der ganze Vorgang sich abspielen kann; da aber in den die Aufmerksamkeit besitzenden Vorstellungen wenn auch nicht die zugerufenen Worte seihst, so doch ihre Kategorien enthalten sind, so ist die Aufmerksamkeit psychisch n\u00e4her als im ersten Fall. Es ist daher verst\u00e4ndlich, dass die Zeiten k\u00fcrzer sind als bei der muskul\u00e4ren, l\u00e4nger als bei der sensoriellen Richtung der Aufmerksamkeit. Sollte man einen Widerspruch dieser Ausf\u00fchrungen mit den fr\u00fcheren Bemerkungen insofern finden, als oben gesagt war, dass die Aufmerksamkeit unm\u00f6glich eine ganze Reihe von Vorstellungen gleichzeitig treffen k\u00f6nne, oder dass unm\u00f6glich eine ganze Reihe von Vorstellungen gleichzeitig im Blickpunkt des Bewusstseins stehen k\u00f6nnen, jetzt aber ganz \u00e4hnliche Anspr\u00fcche an die Aufmerksamkeit gemacht und \u00e4hnliche Versuchsbedingungen vorgeschrieben seien, so ist zu entgegnen, dass der Ausdruck, die Aufmerksamkeit sei auf die Coordinationen oder die Bewegungsvorstellungen gerichtet gewesen, nichts anders bedeuten soll, als es sei versucht worden, dieselbe auf diesen Reihen von Vorstellungen nach M\u00f6glichkeit festzuhalten. Nicht soll damit gesagt sein, dass dies f\u00fcr die ganze Reihe gleichzeitig auch wirklich gelungen sei. Es ist also ein Nacheinander von helleren und dunkleren Vorstellungen der bestimmten Art wirklich im Bewusstsein gegenw\u00e4rtig. Und es ist ein Zufall, wenn das zugerufene Wort gerade das im Vordergr\u00fcnde des Bewusstseins stehende oder ein der im Vordergr\u00fcnde des Bewusstseins stehenden Kategorie oder Bewegungsvortellung entsprechendes ist. In diesem Falle tritt eine\nWundt, Philos. Studien. VI.\t13","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nG\u00f6tz Martins.\ndeutliche Verk\u00fcrzung des Vorgangs ein, und es erkl\u00e4ren sich die gro\u00dfen mittleren Variationen vornehmlich aus diesen unvermeidlichen Zuf\u00e4llen. Man kann sagen, dass die verschiedene L\u00e4nge der durch die Aufmerksamkeit zur\u00fcckzulegenden Strecke es ist, von welcher die L\u00e4nge der einzelnen Reactionszeit abh\u00e4ngt, und dass die verschiedene L\u00e4nge der Strecke wiederum abh\u00e4ngig ist von der Anzahl der in sie hineingeh\u00f6rigen associativen Momente. Ist z. B. hei allgemeiner Richtung der Aufmerksamkeit auf die Coordina-tionen von Finger und Zahlen gerade die mit dem f\u00fcnften Finger associirte Zahl f\u00fcnf im Vordergr\u00fcnde des Bewusstseins und es wird Zahl eins zugerufen, so kann es geschehen, dass alle zwischen eins und f\u00fcnf liegenden Zahlen bei der Hinwendung der Aufmerksamkeit nach der zugerufenen Zahl mitwirken; die gewohnte associative Reihe wird in schnellem Fluge durcheilt ; die Reactionszeit ist lang. Wird dagegen unter der gleichen Voraussetzung die Zahl vier zugerufen, so kann die Reactionszeit sehr kurz werden, zumal wenn die Tendenz von f\u00fcnf auf vier weiterzugehen bereits im Bewusstsein vorhanden war. Der bildliche Ausdruck von der gr\u00f6\u00dferen oder geringeren N\u00e4he der Aufmerksamkeit stellte sich uns im Verlauf der Versuche ganz von selbst ein.\nEs kann unter diesen Umst\u00e4nden die Frage entstehen, ob nicht doch eine mit der einfachen muskul\u00e4ren Reaction genau \u00fcbereinstimmende muskul\u00e4re Reaction auch bei den verwickelten Versuchsumst\u00e4nden, die hier vorliegen, zuweilen Vorkommen kann. Allgemeine Voraussetzung daf\u00fcr w\u00e4re die Richtung der Aufmerksamkeit auf die Bewegung und das Gegenw\u00e4rtigsein der gerade nothwen-digen Bewegungsvorstellung im Bewusstsein im Augenblicke des Zurufes. Treffen diese Bedingungen zuf\u00e4llig zusammen und ist das zugerufene Wort eng mit der zugeh\u00f6rigen Bewegungsvorstellung associirt, wie die f\u00fcnf ersten Zahlen es mit den f\u00fcnf Fingern sind, so ist ein solcher Einzelfall in der That nicht viel von dem Falle der einfachen muskul\u00e4ren Reaction unterschieden. In diesem g\u00fcnstigsten Falle erhielten wir zweimal die Zeiten 162 o. Sonst sind die k\u00fcrzesten vorgekommenen Zahlen: 248, 255, 256 (Aufmerksamkeit aut die Coordination gerichtet) und 265, 281 (sensoriell gerichtete Aufmerksamkeit). Ein Unterschied von der einfachen muskul\u00e4ren Reaction ist aber auch hier noch vorhanden ; an Stelle der Erwartung","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n185\neines bestimmten Reizes tritt das zuf\u00e4llige Zusammentreffen mit dem gerade vorgestellten blos m\u00f6glichen Reize. So sind denn auch die kleinsten vorgekommenen Zahlen immer noch etwas gr\u00f6\u00dfer als die der einfachen muskul\u00e4ren Reaction. Jedenfalls ist einleuchtend, dass die gro\u00dfen mittleren Variationen hei den gegebenen Versuchsbedingungen eine nothwendige Erscheinung sind, w\u00e4hrend bei den einfachen Reactionen die G\u00fcte einer Versuchsreihe w\u00e4chst mit Abnahme der mittleren Variationen.\nIst die Aufmerksamkeit stark gespannt, so treten auch bei den vorliegenden zusammengesetzten Wahlreactionen vorzeitige Reactionen ein. Es entsteht alsdann sofort ein deutliches und unbehagliches Gef\u00fchl, das man als das Gef\u00fchl des Verlorenseins oder des Inepten bezeichnen kann, \u00e4hnlich wie wenn man eine th\u00f6richte Sache ohne Ueberlegung gemacht zu haben glaubt. Auch Fehl-reactionen finden sich, wenn die Unterordnung des zugerufenen Wortes unter die Kategorie nicht rechtzeitig gefunden wird (nicht also Fehlreactionen auf einen fremden Reiz). In einem solchen Falle f\u00fchrt das Bewusstsein, dass die gew\u00f6hnliche Zeit der Reaction l\u00e4ngst verstrichen ist, w\u00e4hrend die Unterordnung noch immer nicht von statten gehen will, zu einer Art Bewegung aus Verzweiflung. Es versteht sich, dass solche Vorkommnisse selten sind. Immer aber wei\u00df der Reagirende sofort, dass die Reaction falsch war, dass sein Verhalten den Versuchs Vorschriften widersprach.\nTabelle III.\nD\tS\tmV\tM\tmV\tControh.\tmV\tEg.\n14. Apr.\t328,2 265,9 300,4\t44,4 61,8 67,6\t317,6 267,1 350,3\t49,5 69.7 86.7\t120,4 120,4 120,4\t1,68 1,68 1,68\tG. M. M. M. M. M.\nIn dieser Tabelle sind Versuche enthalten, welche nach Art der in Tabelle I mitgetheilten angestellt sind, nur dass mit zwei Fingern auf die Zahlen eins und zwei (die beiden ersten Reihen der Tabelle) und mit drei Fingern auf die drei ersten Zahlen (die dritte Reihe) reagirt wurde. Offenbar hat die Vorschrift f\u00fcr die Aufmerksamkeit im allgemeinen verl\u00e4ngernd gewirkt; die Zahlen sind ziemlich hoch. Aher der Unterschied zwischen sensorieller und Muskul\u00e4rer Reaction ist bei den zweifingerigen Versuchen verwischt;\n13*","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nG\u00f6tz Martins.\nbei den dreifingerigen hingegen tritt die erschwerende Wirkung der muskul\u00e4ren Richtung der Aufmerksamkeit bereits deutlich wieder hervor. Die Probe, welche in diesen Versuchen f\u00fcr die aus den fr\u00fcheren gezogenen Schlussfolgerungen enthalten ist, ist mithin best\u00e4tigend ausgefallen.\nBei den Versuchen in Tab. I und II war jede methodische Ein\u00fcbung ausgeschlossen gewesen. Es war nun noch die Frage zu entscheiden, ob nicht bei complicirten Wahlaufgaben, falls eine l\u00e4ngere und systematische Ein\u00fcbung vorhergehe, der Unterschied der muskul\u00e4ren und sensoriellen Reactionsweise doch in demselben Sinne hervortreten w\u00fcrde, wie er bei einfachen Reactionsarten besteht. Es h\u00e4tte ja sein k\u00f6nnen, dass die Uebung ein wirkliches \u00bbAutomatischwerden\u00ab der Reaction erzeugte, und die muskul\u00e4re Reaction war ja allgemein mit automatischen Vorg\u00e4ngen von Anfang an in Verbindung gebracht worden. Uebung soll auch die Vorbedingung der muskul\u00e4ren einfachen Reaction sein. Und dass durch Uebung vielfach centrale Vorg\u00e4nge wenn nicht g\u00e4nzlich ausgeschaltet, so doch auf ein Minimum von Zeit und Bewusstsein zur\u00fcckgef\u00fchrt werden, zeigt sich schon in unseren t\u00e4glichen Gewohnheitshandlungen.\nDie folgende Tabelle zeigt eine zu diesem Zwecke gemachte Versuchsreihe. Es wurde mit den zehn Fingern beider H\u00e4nde auf die zehn zugerufenen ersten Zahlen der Zahlenreihe reagirt. Die Zahl eins entsprach dem kleinen Finger der linken Hand und es folgten die weiteren Zahlen in der Folge der Finger der nebeneinander liegenden H\u00e4nde von links nach rechts. Die durch die fr\u00fcheren einh\u00e4ndigen Versuche erzeugte einseitige Uebung war dadurch unwirksam gemacht.\nTabelle IV (a).\nD\t\tUebg.\tR\tmV\tControlz.\tmV\tRg.\n3.\tDec.\t10 Min.\t592,6\t81,75\t112,2\t0,64\tv. Pr.\n\t\t11\t619,6\t77,3\t11\t\u201e\t11\n4.\tDec.\t11\t606,0\t71,0\t110,8\t1,75\t11\n\t11\t1>\t516,5\t51,6\t11\t11\t11\n5.\tDec.\t12 Min.\t519,7\t85,5\t107,8\t1,0\t11\n7.\t11\t15\t\u201e\t549,5\t77,9\t108,6\t1,0\t11\n7.\t11\t15\t\u201e\t531,6\t76,6\t11\t11\t11\n9.\t11\t10 \u201e\t516,5\t64,4\t111,0\t1,5\t11\n10.\t11\t10 \u201e\t513,7\t55,80\t110,0\t1,2\t\u201d","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\t187\n(b).\nD\tUebg.\ts\tmV\tM\tmV\tControlz.\tmV\tRg.\n13.\tDec. 14.\t\u201e 16. \u201e 17.\t\u201e 20. \u201e\t10 Min. 10 \u201e 25\t,, 5 \u00bb 10 \u201e\t(1)\t562,9 (2)\t510,9 (2) 493,7 (2) 518,2 (i) 446,4\t60,0 58,9 63.2 40.2 64,8\t560.9 469.5 542.6 496.9 493,4\t67,8 50,0 59.2 56.2 63.3\t106,2 107.4 110,8 111,2 107.5\t1,0 0,48 0,96 0,64 0,72\tv. Pr. 11 n >1\nDie Zahl der Einzelversuche f\u00fcr Feststellung jedes Werthes betrug 20. Die kleinen Zahlen in Klammern vor den Werthen unter S in Tab. b lassen die Zeitfolge der Versuche der betreffenden Reihe erkennen. In der ersten Zeit der Ein\u00fcbungsversuche wurde auf den Unterschied der Reactionsweise keine besondere R\u00fccksicht genommen. Dem Reagenten war nur m\u00f6glichste Schnelligkeit zur Pflicht gemacht. Der Zweck war die Ein\u00fcbung selbst. Erst vom 13. December an wurde die Aufmerksamkeit in conse-quenter Weise das eine Mal sensoriell (\u00abS'), das andere Mal muskul\u00e4r (M) gerichtet. Die sonst einheitliche Tabelle wurde daher in zwei Theile (a und b) getheilt. Unter der Rubrik Uebg. ist die Zeit der jedesmal vorhergegangenen Ein\u00fcbungsversuche angegeben, welche am Klaviaturschl\u00fcssel vorgenommen wurden. Es lie\u00df sich beobachten, dass die Ein\u00fcbungsversuche wirksamer waren, wenn sie nicht allzusehr \u00fcbereilt wurden. Nahm man die Pause zwischen den einzelnen Zurufen allzu kurz, so trat eine Ueberhastung und damit verbundene Verl\u00e4ngerung der Reaction ein.\nBetrachtet man die Zahlen der Tab. a, so zeigt sich eine fast ganz regelm\u00e4\u00dfige und von nur sehr geringen Schwankungen unterbrochene Abnahme der Reactionszahlen. In dem Augenblick, wo die Bedingung der Richtung der Aufmerksamkeit auf Schall oder Bewegung hinzutritt (Tab. b), ergibt sich eine gleichartige Verl\u00e4ngerung der Zeiten. Die bestimmte Vorschrift f\u00fcr die Aufmerksamkeit wirkt erschwerend. Weitere Uebung l\u00e4sst wieder eine gleichm\u00e4\u00dfige Abnahme der Zeit eintreten. Es war aber ein regelm\u00e4\u00dfiger Unterschied der Zeiten f\u00fcr die muskul\u00e4re und sensorielle Reactionsform nicht festzustellen. Gro\u00df sind die Unterschiede desselben Versuchstages \u00fcberhaupt nicht. \u00aeie scheinen vornehmlich auf der Zeitfolge zu beruhen, falls man \u00fcberhaupt aus den Zahlen hier\u00fcber einen Schluss zu ziehen sich","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nG\u00f6tz Martius.\nf\u00fcr berechtigt h\u00e4lt ; denn zumeist ist die Zeit der zuerst ausgef\u00fchrten Reihe die k\u00fcrzeste, abgesehen vom 13. December, wo der Unterschied \u00e4u\u00dferst geringf\u00fcgig ist. Auch die Zeiten unter dem 16. December f\u00fcgen sich dieser Vermuthung, falls man annimmt dass die lange Ein\u00fcbung von 25 Minuten sich zuerst in Folge der bereits eingetretenen Erm\u00fcdung durch Verlangsamung geltend gemacht habe, und also ausnahmsweise an diesem Tage erst der zweiten Versuchsreihe zu gute gekommen sei. Indessen soll Niemandem zugemuthet werden, diese Erkl\u00e4rung als die einzig m\u00f6gliche oder durchaus gesicherte anzusehen. Dass eine allzu lange Uebung dem Versuchsergebniss nicht g\u00fcnstig sei, wurde aber an jenem Tage unmittelbar von uns festgestellt.\nBei dem im Verlaufe der Versuchsreihe erzielten Grade von Uebung konnte nun von einem Automatischwerden der Reaction keine Rede sein. Es erschien g\u00e4nzlich aussichtslos, einen derartigen Zustand auf dem eingeschlagenen Wege so bald zu erreichen. Dass die Ein\u00fcbung der sensoriellen Reaction ebenso zu gute kommt, wie der muskul\u00e4ren, darf als vollst\u00e4ndig gesichert angesehen werden. Es sind augenscheinlich die centralen Vorg\u00e4nge, welche in erster Linie von der Ein\u00fcbung beeinflusst werden, jene mehr oder weniger zahlreichen associativen Momente, die bei der Ausf\u00fchrung der einzelnen Wahlhandlung in Betracht kommen und von denen oben die Rede war. Auffallend kann es dabei erscheinen, dass der Einfluss der Richtung der Aufmerksamkeit nicht doch in charakteristischerer Weise hervortritt, als es sich in Tab. IVb zeigt. Der Umstand, dass es sich in unserem Falle um Reactionen mit 10 Fingern handelte, hat sicher hier erschwerend gewirkt. Die Anzahl der in einem solchen Falle mitsprechenden psychischen Momente ist so gro\u00df, dass der Einfluss, welchen die Uebung auf diese aus\u00fcbt, f\u00fcr die Gesammtzeit erheblicher ausfallen kann, als der Einfluss, der von der Richtung der Aufmerksamkeit ausgeht. Ich halte es noch nicht f\u00fcr ausgeschlossen, dass bei demselben Grade der Ein\u00fcbung, wie der hier erzielte war, doch die Richtung der Aufmerksamkeit in dem Versuchsresultate sich geltend macht und dass dies auch in einfacheren F\u00e4llen, als dem unserigen, sich wird nachweisen lassen.\nErinnert man sich hier noch einmal an die Versuche Mg-\u2019s>","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n189\nso ist zu bemerken, dass die Zahlen, die dieser f\u00fcr die verk\u00fcrzte Reaction mit f\u00fcnf Fingern gefunden hat und die f\u00fcr seine Gruppe IV his VII so au\u00dferordentlich constant sind, nicht viel kleiner sind als die f\u00fcr die letzten Tage in obiger Tabelle aufgef\u00fchrten Zahlen der Reaction mit zehn Fingern. Es ist dies der Grund, der mich die Vermuthung fassen und aussprechen lie\u00df, dass wir es in den beiden so sehr verschiedenen Zahlenreihen Mg.\u2019s, die er als die der verk\u00fcrzten und vollst\u00e4ndigen Reaction bezeichnet, lediglich mit Zahlen nach und vor der genauen Ein\u00fcbung zu thun haben. Die Constanz seiner Reihe w\u00fcrde sich dann unbefangen aus der Gleichheit des Ein\u00fcbungsgrades erkl\u00e4ren. Auch k\u00f6nnte der Anspruch, welchen er an seinen Reagenten machte, dass die Bewegungsvorstellung innigst mit den Reactionskategorien zu verschmelzen sei, zu dem Verfahren verf\u00fchrt haben. Schwer zu begreifen w\u00e4re es freilich, dass nicht ein einziges Mal nach erfolgter Ein\u00fcbung eine Versuchsreihe mit sensoriell gerichteter Aufmerksamkeit gemacht w\u00e4re, die sofort den radicalen Einfluss der Uebung an das Licht gebracht h\u00e4tte.\nSo ist denn das Ergebniss der bisherigen Erw\u00e4gungen und Versuche, dass die Richtung der Aufmerksamkeit auf die Bewegung bei verwickelteren psychischen Processen die Reactionszeit in der Regel verl\u00e4ngert und mithin eine volle Best\u00e4tigung der Ansicht Wundt\u2019s, dass die muskul\u00e4re Reactionsform vornehmlich auf die einfache Reaction auf Sinneseindr\u00fccke zu beschr\u00e4nken sei. Es stellte sich ferner heraus, dass bei complicirteren psychischen Processen eine weitere Unterscheidung zu machen ist, insofern die Aufmerksamkeit auch auf die associative Verbindung der Reizvorstellungen oder Reizklassen mit den zugeh\u00f6rigen Bewegungsvorstellungen gelenkt werden kann, dass diese Art der Aufmerksamkeitsrichtung bei fehlender Uehung die nat\u00fcrlichste ist und unter Umst\u00e4nden zu den k\u00fcrzesten Reactionszeiten f\u00fchrt. Man k\u00f6nnte den Kunstausdr\u00fccken der muskul\u00e4r und sensoriell gerichteten Aufmerksamkeit die central gerichtete hinzuf\u00fcgen. Damit d\u00fcrften auch die m\u00f6glichen F\u00e4lle ersch\u00f6pft sein. Denn es sind Wahr-uehmungen, centrale Vorg\u00e4nge und Bewegungen, um die es sich bei zusammengesetzten Reactionen handelt.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nG\u00f6tz Martius.\nII.\nDie zweite Frage, welche zu beantworten war, ist die nach dem Wesen der muskul\u00e4ren Reaction. Wird sich die Annahme Wundt\u2019s, dass die muskul\u00e4re Reaction einen Himreflex darstellt, ebenfalls best\u00e4tigen, nachdem die Ueberzeugung wieder hergestellt ist, dass dieselbe in ihrer urspr\u00fcnglichen Eigenartigkeit nur bei der einfachen Reactionsaufgabe anwendbar ist? Ich werde im Folgenden den Versuch machen, wenigstens die M\u00f6glichkeit einer anderen Auffassung zu begr\u00fcnden, ohne zu verkennen, mit welchen Schwierigkeiten die Forschung gerade auf diesem zweifelhaften Boden zu k\u00e4mpfen hat. Aber einmal scheinen mir die f\u00fcr die Reflexartigkeit der muskul\u00e4ren Reaction beigebrachten Gr\u00fcnde auch einer anderen Erkl\u00e4rung f\u00e4hig; sodann gibt es auch directe Anhaltspunkte, welche die Nothwendigkeit der Mitwirkung des Bewusstseins beim einfachen muskul\u00e4ren Reactionsvorgang wahrscheinlich zu machen geeignet sind.\nZun\u00e4chst verdient hervorgehoben zu werden, dass die Ansicht, die einfache muskul\u00e4re Reaction beruhe auf Uebung, mit den That-sachen nicht \u00fcbereinstimmt. Es ist zwar von Niemandem ausgesprochen, dass jede Zeitdifferenz zwischen muskul\u00e4rer und sensorieller Reaction auf Ein\u00fcbung zur\u00fcckzuf\u00fchren sei. Wohl aber meint Wundt, die muskul\u00e4re Reaction sei ein auf Uebung beruhender Gehirnreflex. Nun zeigt sich aber der Zeitunterschied zwischen muskul\u00e4rer und sensorieller Reaction sofort, wenn man einen ganz unge\u00fcbten Reagenten hat, der gar nicht wei\u00df, um was es sich handelt; man braucht ihm nur die Aufgabe zu stellen, das eine Mal die Aufmerksamkeit auf die Bewegung, das andere Mal auf den Ton zu richten, und in beiden F\u00e4llen m\u00f6glichst schnell durch die Handaufhebung den Schl\u00fcssel zu \u00f6ffnen.\nTabelle V.\nBat.\tS\tm V\tM\tm F\tControls.\tmV\tRg.\n10. Febr.\t179,5\t12,4\t130,7\t8,8\t131,2\t1,64\tPrf. L.\n5. Nov.\t242,0\t35,6\t172,5\t13,4\t91,3\t1,9\tv. Pr.\nIn Tabelle V sind Versuche zusammengestellt von zwei Personen, die entweder zum ersten Male reagirten, oder doch beinahe","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n191\nzum ersten Male, jedenfalls aber zum ersten Male mit der verschiedenen Richtung der Aufmerksamkeit. Herr Prof. L., der Reagent der ersten Reihe, ist ein um so unverd\u00e4chtigerer Zeuge, als er selbst \u00fcber das Ergebniss, das er nicht vermuthet, erstaunt war. Wie eine Vergleichung mit den unten folgenden einfachen Reactionszeiten zeigt, sind nicht blos die absoluten Betr\u00e4ge, sondern auch die Differenzen zwischen M und S hier h\u00f6her, als wo eine Uebung schon vorhanden ist. Gerade dieser Umstand kann aber auch als Beweis angef\u00fchrt werden, dass vielleicht der Unterschied zwischen muskul\u00e4rer und sensorieller Reaction noch nicht richtig sich ausgebildet hat. Es k\u00f6nnte ja sein, dass die muskul\u00e4re Reaction hier noch kein Reflex ist, es aber bei l\u00e4ngerer oder k\u00fcrzerer Uebung wird* 1).\nWorin soll \u00fcberhaupt die Entscheidung liegen, ob ein Vorgang wie der der einfachen Reaction ein Reflex ist oder nicht? Es gibt zun\u00e4chst zwei Momente, die f\u00fcr eine unmittelbare Entscheidung in Betracht k\u00e4men, der Zeitbefund einerseits, und die Aussage des Bewusstseins, der Entscheid der inneren Erfahrung andererseits.\nWas die Zeitdauer der einfachen muskul\u00e4ren Reaction betrifft, so betr\u00e4gt sie nach Wundt (Bd. II, 3. Aufl. S. 267) f\u00fcr die verschiedenen Sinnesgebiete zwischen 127 o und 182 o. Diese Zeit \u00fcbersteigt die des R\u00fcckenmarkreflexes um das Dreifache. Es liegt in ihr um so weniger ein Grund, den muskul\u00e4ren Reactionsvorgang als Reflex anzusehen, als es zweifellos sensorielle Reactionen gibt, \u25a0welche den mittleren Werth jener beiden Zahlen nicht \u00fcbertreffen.\nSomit w\u00e4ren wir im wesentlichen an das Bewusstsein und 'seine Aussagen verwiesen. Allein Wundt f\u00fchrt noch zwei objective\n*) Dass nur eine derartige Ansicht Wundt selbst zugeschrieben werden darf, best\u00e4tigte eine erst nach Vollendung dieser Arbeit mir zugegangene briefliche Aeu\u00dferung desselben. Der hochverehrte Herausgeber dieser Studien m\u00f6ge gestatten, dieselbe hier mitzutheilen. Der Passus lautet: ,,Sodann m\u00f6chte\nl\u00aeh .... hervorheben, dass ich nicht alle muskul\u00e4ren Reactionen schlechthin f\u00fcr Gehirnreflexe halte. Die Sache scheint mir vielmehr so zu liegen, dass der Gehirnreflex so zu sagen der Grenzfall ist, der bei Reactionen von extrem muskul\u00e4rem Charakter erreicht werden kann, w\u00e4hrend sonst nur Ann\u00e4herungen an diesen Grenzfall vorliegen. Uebrigens gebe ich zu, dass die ganze Frage schwierig und m\u00f6glicherweise auch anderer Deutung f\u00e4hig ist\u00ab.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nG\u00f6tz Martius.\nMerkmale an, die ihn f\u00fcr die M\u00f6glichkeit der Auffassung der muskul\u00e4ren Reaction als Reflex gewonnen haben, das h\u00e4ufigere Vorkommen von Fehlreactionen und von vorzeitigen Reactionen.\nWas die Fehlreactionen betrifft, so sind sie hei der richtigen Versuchsanordnung, wenn der Reagent in einem getrennten, von jeder St\u00f6rung freien Zimmer sich befindet, selten. Es geschieht wohl in einem einzelnen Falle, dass anstatt auf den Reiz auf das Signal reagirt wird, wenn ein solches dem Reiz vorausgeschickt wird. Aus dem Vorkommen solcher Fehlreactionen l\u00e4sst sich aber gerade der umgekehrte Schluss ziehen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass ein fremder Sinnesreiz eine beabsichtigte Bewegung auszul\u00f6sen im Stande ist, ohne Mitwirkung des Bewusstseins. Wie soll der Reiz von sich aus gerade dies Bewegungscentrum treffen? Warum geschieht dergleichen nicht auch sonst im Leben und trifft sich nur im Falle des Versuches? Ich w\u00fcsste wenigstens kaum eine Analogie aus der t\u00e4glichen Erfahrung anzuf\u00fchren. Es erkl\u00e4rt sich aber die Fehlreaction leicht als Bewusstseinst\u00e4uschung, um nicht zu sagen Urtheilst\u00e4uschung. Die Bewegung ist intendirt; es wird zu ihrer Ausf\u00fchrung nur auf den Reiz wie auf ein Signal gewartet; die Bewegung k\u00f6nnte auch ohne das Eintreffen desselben frei erfolgen, beliebig oft hintereinander ausgef\u00fchrt werden. Es ist die Reizvorstellung keineswegs der einzige zureichende Grund zur Herstellung der Bewegung; viel wesentlicher sind daf\u00fcr Bewegungsvorstellung und Muskelgef\u00fchl; damit die Reizvorstellung ein Glied in der causalen Reihe wird, bedarf es sogar der associativen Verbindung derselben mit der motorischen Reihe durch die Reproduc-tionsvorstellung des erwarteten Reizes. Die Bewegung wird wirklich ausgef\u00fchrt, nachdem ein Reiz, freilich nachdem nicht der erwartete, der bestimmte, aber doch irgend ein Reiz eintraf. Sofort ist das Bewusstsein vorhanden, dass die Reaction eine verfehlte war, dass sie auf einen falschen Reiz erfolgte, aber immer doch auf einen Reiz. Es w\u00e4re dies unwahrscheinlich, falls jene durch den Reiz bedingte Vorstellung nicht auch als Vorstellung dem Bewusstsein gegeben gewesen w\u00e4re. Der Reiz existirt als solcher ja nur vom physiologischen Standpunkt aus. Und die M\u00f6glichkeit der associativen Verbindung der dem Fehlreiz entsprechenden Vorstellung mit den motorischen Vorg\u00e4ngen liegt sicher vor. Es liegt in der","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n193\nNatur des Bewusstseins, dass sich neben der speciellen Beziehung zwischen den Bewegungsvorstellungen und der bestimmten gerade vorgeschriebenen Reizvorstellung sofort die allgemeine zwischen denselben Bewegungsvorstellungen und einer gleichartigen oder ungleichartigen Reizvorstellung \u00fcberhaupt heraushildet. Als voll erkannte und klar appercipirte Vorstellung wird der Fehlreiz zwar im Augenblick der Ausf\u00fchrung der Bewegung nicht dem Bewusstsein gegenw\u00e4rtig gewesen sein; dieselbe w\u00e4re sonst unterblieben; aber immerhin als Vorstellung; sonst w\u00fcrde nicht das Bewusstsein eines gemachten Fehlers, sondern das eines unnat\u00fcrlichen Zwanges in uns entstehen. Man k\u00f6nnte noch einwenden, das nachtr\u00e4gliche Bewusstwerden des Reizes erm\u00f6gliche den Eindruck eines begangenen Fehlers; dann w\u00e4re aber zu fordern, dass wir innerlich zwei Zust\u00e4nde zu unterscheiden verst\u00e4nden, den heim Begehen der Fehl-reaction, den Reflexzustand, und zweitens den nach hinzugetretener Reiz Vorstellung, der dann die Einsicht, einen Fehler begangen zu haben, erst erzeugte. So ist die Aussage des Bewusstseins aber nicht. Es k\u00f6nnte sich dann noch fragen, ob es Vorstellungen gibt, die noch nicht im vollen Lichte des Bewusstseins stehen, aber doch Vorstellungen sind, keine unbewussten Vorstellungen, nur minder bewusste. Es wird dies Niemand bestreiten. Wundt selbst meint (vergl. a. a. O. S. 266), dass die Perception den Eintritt des Reflexes, in welchem die einfache muskul\u00e4re Reaction besteht, begleitet. Ich f\u00fcge also nur hinzu, dass die percipirte Vorstellung als gen\u00fcgende Erkl\u00e4rung des Eintritts der Bewegung gelten kann, dass sie den Vorgang nicht nur begleitet, sondern ihm wesentlich ist, dass diese Erkl\u00e4rung auch nat\u00fcrlicher ist und mit dem Befund der inneren Erfahrung mehr \u00fcbereinstimmt, als die Annahme, die Bewegung entstehe reflexm\u00e4\u00dfig und die Perception begleite den Vorgang.\nDas zweite objective Merkmal waren die vorzeitigen Reactionen. Es ist durchaus mit meinen Beobachtungen \u00fcbereinstimmend, wenn Wundt bemerkt, dass sie sich leicht bei vorausgehendem Signal einfinden. Aber auch sie scheinen mir nichts Auffallendes zu haben. Wenn eine Bewegung lebhaft intendirt wird, geschieht es leicht, dass sie wirklich ausgef\u00fchrt wird, ehe der beabsichtigte und erwartete Augenblick gekommen ist. Es geht zu fr\u00fch \u00bblos\u00ab. Die","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nG\u00f6tz Marlius.\nBewegungsintention, mag sie worin auch immer bestehen, war so stark, dass die Bewegung eintrat.\nDieser Vorgang ist von dem Reiz Vorgang g\u00e4nzlich unabh\u00e4ngig. Es folgt dies schon daraus, dass es vorzeitige Reactionen gibt, ehe \u00fcberhaupt die Ausl\u00f6sung des Reizes seitens des Experimentirenden eingeleitet ist. Ja, dies sind gerade die unzweifelhaftesten vorzeitigen Reactionen. Auch Wundt definirt1) die vorzeitigen Reactionen als solche, welche vor dem wirklich stattfindenden Eindruck schon eintreten. Diese Definition passt zwar auch f\u00fcr solche F\u00e4lle, wo der Reiz seitens des Experimentirenden eingeleitet ist, aber ein Eindruck (also entweder die Reizung des Sinnesorgans oder der Centrainervensubstanz) noch nicht stattgefunden hat ; sie passt aber auch f\u00fcr den Fall, den wir im Auge hatten, dass die Reaction eintritt, ehe \u00fcberhaupt ein Reiz entsteht. Und diese F\u00e4lle kommen zweifellos vor. Wie soll nun eine derartige vorzeitige Reaction oder ihr Vorkommen in einer l\u00e4ngeren Reihe von Versuchen ein Beweis daf\u00fcr sein, dass bei der einfachen muskul\u00e4ren Reaction ein Reflexvorgang vorliegt? Die vorzeitige Reaction selbst ist in diesem Falle gerade ganz zweifellos kein Reflex ; denn ein sensibler Reiz existirt hier gar nicht. Unter Reflex kann doch unter allen Umst\u00e4nden nur eine motorische Erregung in Folge eines sensiblen Reizes mit Ausschluss des Willens oder Bewusstseins verstanden werden. Wo also kein sensibler Reiz, da kein Reflex. Ebenso liegt die Sache, wenn die Bewegung in die Zeit der physikalischen Reizentstehung, in die Zeit der peripherischen Reizung und auch in die Zeit der Fortsetzung des Reizes durch die sensible Bahn f\u00e4llt. Zweifelhaft k\u00f6nnen nur die F\u00e4lle sein, wenn die Bewegungsausl\u00f6sung mit der Zeit der centralen Reizung zusammenf\u00e4llt. Wenn es nur solche vorzeitigen Reactionen g\u00e4be und diese als vorzeitig nachweisbar w\u00e4ren und ihre Zeit ungef\u00e4hr der der muskul\u00e4ren Reaction gleich ausfiele, w\u00fcrde ihr Vorkommen ein directer Beweis f\u00fcr die Reflexartigkeit der einfachen muskul\u00e4ren Reaction sein k\u00f6nnen, falls das Bewusstsein nicht anders entschiede. Man w\u00fcrde dann diese bestimmten F\u00e4lle als Reflexe erkl\u00e4ren und von ihnen auf die einfache muskul\u00e4re Reaction weiterschlie\u00dfen. So liegen die Thatsachen aber\n1) Vgl. Wundt, a. a. O. S. 289.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n195\nkeineswegs. Vorzeitige Reactionen sind allgemein nur verfr\u00fchte Reactionen, die eine Folge der allzu starken Bewegungsintention gjjjd Jene m\u00f6glichen F\u00e4lle k\u00f6nnten allerdings unter den bisher so genannten vorzeitigen Reactionen enthalten sein. Alsdann w\u00fcrde es also eine zweifelhafte Zone gehen, Reactionen, die zun\u00e4chst nur ihren Zeitverh\u00e4ltnissen nach als Reflexe angesehen werden k\u00f6nnten, ohne dass sonst Gr\u00fcnde daf\u00fcr spr\u00e4chen. Und es k\u00f6nnte die Frage entstehen, oh dieser zun\u00e4chst rein theoretische Fall nicht in s\u00e4mmt-lichen einfachen muskul\u00e4ren Reactionen verwirklicht ist. Wir sehen, dass wir damit auf die urspr\u00fcngliche Frage zur\u00fcckkommen, dass die vorzeitigen Reactionen als solche keinerlei Entscheidung bringen, dass wir mithin, was die Frage nach dem Wesen der einfachen muskul\u00e4ren Reaction betrifft, nunmehr ganz auf das Bewusstsein angewiesen sind. Auch das verdient noch bemerkt zu werden, dass besonders Fehlreactionen auch bei sensoriell gerichteter Aufmerksamkeit Vorkommen, und dass selbst vorzeitige Reactionen nach meinen Erfahrungen durch die Richtung der Aufmerksamkeit auf den Sinnesreiz nicht ausgeschlossen werden, wie auch aus den weiter unten angef\u00fchrten Beispielen ersichtlich ist.\nWenden wir uns nun an die innere Erfahrung, so scheint diese zun\u00e4chst die Auffassung der einfachen muskul\u00e4ren Reaction als Gehimreflex direct zu best\u00e4tigen. Jeder, der solche Versuche gemacht hat, wird leicht bemerkt haben, dass bei stark muskul\u00e4ren Reactionen die Zeit der Bewegung dem Reagirenden mit der Reizvorstellung, auf die er reagirt, zusammenzufallen oder in einzelnen seltenen F\u00e4llen ihr auch vorherzugehen scheint. W\u00e4re also die scheinbare Zeitfolge der Vorstellungen im Bewusstsein selbst ma\u00dfgebend f\u00fcr die wirklichen Zeitverh\u00e4ltnisse, so w\u00e4re das Bewusstsein em vollg\u00fcltiger Zeuge f\u00fcr den Reflexvorgang, wenigstens in den F\u00e4llen, wo der Schein jenes Zeitverh\u00e4ltnisses eintritt. Es w\u00e4re dann eine gro\u00dfe Zahl der muskul\u00e4ren Reactionen als Reflexvorgang erkannt. Allein genauere Beobachtungen, welche ich im Laufe dieser Untersuchungen \u00fcber das Vorkommen des Eindrucks der Gleichartigkeit von Bewegung und Reizvorstellung gemacht habe, zeigten, dass der Eintritt der Erscheinung gerade so gut bei sensorieller Aufmerksamkeit m\u00f6glich ist. Es entsteht ferner in keinem Falle eine Wirkliche T\u00e4uschung \u00fcber die Zeitverh\u00e4ltnisse, man kann nur von","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nG\u00f6tz Martius.\nUnunterscheidbarkeit der zeitlichen Differenzen sprechen. Der Eindruck der Gleichzeitigkeit entsteht, wenn wir auf die gehabten Empfindungen reflectiren; wir wissen dahei sehr wohl, wie die wirklichen Zeitverh\u00e4ltnisse liegen. Ueberdies bezieht sich das Gef\u00fchl der Gleichzeitigkeit auf die ausgef\u00fchrte Bewegung, w\u00e4hrend es sich bei der Streitfrage um den Reflex um die Entstehung der Bewegung handelt. Eine Bewegung kann subjectiv zu gleicher Zeit als Folge eines bewussten Eindrucks und ihre Ausf\u00fchrung mit diesem gleichzeitig erscheinen. Wir wissen endlich auch aus anderen F\u00e4llen, dass wir dem Bewusstsein in diesem Falle die F\u00e4higkeit der Zeugenschaft f\u00fcr die Zeitverh\u00e4ltnisse bestreiten m\u00fcssen. Die Complicationsversuche *) W. von Tschich\u2019s lehren, dass bei Auffassung zweier disparater Reihen von Vorstellungen die negative Zeitverschiebung unter Umst\u00e4nden gesetzm\u00e4\u00dfig auftreten kann. Diese n\u00e4heren Umst\u00e4nde scheinen mir freilich noch nicht hinreichend klargelegt; es ist ungemein wahrscheinlich, dass die Aufmerksamkeit dabei eine gro\u00dfe Rolle spielt. Aber das geht aus den vorliegenden Versuchen mit Sicherheit hervor, dass von zwei zeitlich nur wenig auseinanderliegenden disparaten Eindr\u00fccken der fr\u00fchere als der sp\u00e4tere oder als mit einem sp\u00e4teren gleichzeitig erscheinen kann, so sehr auch beide mit vollem Rechte als bewusst bezeichnet werden m\u00fcssen. Bei den oben erw\u00e4hnten Ein\u00fcbungen f\u00fcr die Reaction mit zehn Fingern konnte die Beobachtung gemacht werden, dass der Ruf der Zahl dem vor dem Reagirenden stehenden Rufenden selbst sp\u00e4ter erschien als die Aufhebung des dem Rufe entsprechenden Fingers, sobald er nur seine Aufmerksamkeit fest auf die Finger richtete; eine Beobchtung, die Jeder ohne Apparate leicht wiederholen kann. Auch eine andere bekannte Erscheinung l\u00e4sst sich heranziehen, wenigstens insofern sie zeigt, wie leicht eine zeitlich nicht weit von einer appercipirten Vorstellung abliegende andere Vorstellung sich dieser unterordnet. Ich meine das Tick-Tack einer Taschenuhr, welches durchaus nicht gleichf\u00f6rmig erscheint, so gleichm\u00e4\u00dfig auch der Gang der Uhr ist und welchem von den T\u00f6nen man auch im Anfang seine Aufmerksamkeit\n1) Vgl. W. v. Tschich in Philos. Studien Bd. II S. 603 fl'.; Phys. Psych. II, 3. Aufl. S. 336 ff.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n197\nzuwenden mag. Das Tack ordnet sich* dem Tick unter. Vergleicht man nun mehrere Uhren oder beobachtet ein gew\u00f6hnliches Metronom auf diese Thatsache hin, so stellt sich heraus, dass die Betonung des einen Takttheiles um so mehr aufh\u00f6rt hervorzutreten, je gr\u00f6\u00dfer der Zeitunterschied zwischen den zwei Geh\u00f6rseindriicken ist. Schon ehe die Zwischenzeit etwa 1/2 Sec. erreicht hat, ist keinerlei Zwang der Betonung mehr vorhanden die willk\u00fcrliche Richtung der Aufmerksamkeit kann sie aber leicht wiederherstellen1).\nBer\u00fccksichtigen wir die angef\u00fchrten Thatsachen, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass aus dem Schein der Gleichzeitigkeit von Reizvorstellung und Bewegung im Falle der einfachen muskul\u00e4ren Reaction ebensowenig ein Schluss auf einen Gehirnreflex gezogen werden kann, als man die negative Zeitverschiebung selbst als eine Apperception eines noch nicht vorhandenen Eindrucks fassen darf, was einen inneren Widerspruch bedeutet. Indessen auch diese Meinung ist vertreten worden und zwar durch von Tschich selbst. Es m\u00f6ge daher noch mit einigen Worten darauf eingegangen werden.\nVon Tschich stellt f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der Zeitverschiebung folgende Alternative auf : Entweder werden die Gesichtsvorstellungen sp\u00e4ter wahrgenommen, als sie auftreten, oder die momentanen Vorstellungen werden fr\u00fcher appercipirt, als sie gegeben werden2). Indem von Tschich den ersten Fall f\u00fcr unwahrscheinlich erkl\u00e4rt, nimmt er den zweiten Theil der Disjunction als den richtigen an, indem er zugleich die negativen Reactionszeiten als Analogie heranzieht. Aber diese ganze Fragestellung ist nicht ersch\u00f6pfend. Die Zeit der Entstehung der Vorstellungen ist nicht ma\u00dfgebend f\u00fcr die Zeit der Wahrnehmung. Nur das Verh\u00e4ltniss der Zeiten im einen und anderen Falle kann verglichen werden. Festgelegt durch die Versuchsanordnung sind zwei Zeiten a und b, von denen a fr\u00fcher als b sei und welche der Enstehung der Reize entsprechen; im Bewusstsein gefunden oder beobachtet werden zwei Vorstellungen a\n1)\tNeuerdings hat F. Schumann (Zeitschr. f. Psych, u. Phys. d. S. I S. 77) jede N\u00f6thigung zur Taktbildung bestritten. Indessen gibt er nichts Bestimmtes \u00fcber die Gr\u00f6\u00dfe der Intervalle der von ihm untersuchten Reihen an. Meinerseits sollen mehr oder weniger reproductive Reihen mit den obigen Bemerkungen nicht getroffen werden; es handelt sich nur um actuelle Empfindungen.\n2)\tYgl. a. a. O. S. 621.","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nG\u00f6tz Martius.\nund \u00df, von denen \u00df fr\u00fcher oder gleichzeitig mit a erscheint. Indem von Tschich nun annimmt, dass zwei Reize in bestimmter Zeitordnung nothwendiger Weise in derselben Zeitordnung im Bewusstsein zu Vorstellungen f\u00fchren m\u00fcssen, schlie\u00dft er, da das Gegen-theil eintritt, die eine Vorstellung m\u00fcsse sich versp\u00e4tet, oder die andere verfr\u00fcht haben. Die Gesichtsvorstellung kommt zu sp\u00e4t, oder die die Complication bildende Geh\u00f6rsvorstellung kommt zu fr\u00fch, das eine, wenn so zu sagen b mit \u00df die Normalzeit ist, das andere, wenn a mit a als Normalzeit gilt. Dabei ist aber au\u00dfer Acht gelassen, dass es noch zwei andere M\u00f6glichkeiten gibt. Einmal k\u00f6nnten die beiden verschiedenen Reihen eine verschiedene Zeiteinheit haben oder, um im Bilde zu bleiben, nach verschieden schnell gehenden Uhren sich richten; es w\u00e4re dies so, wenn der Grund der Erscheinung etwa in verschieden schnell verlaufenden physiologischen Processen zu suchen \"w\u00e4re. Sodann aber k\u00f6nnte es auch sein, dass beide Reihen, sowohl a a als b\u00df, nach derselben allgemeinen Normaluhr sich richteten; es w\u00fcrden dann beide Vorstellungen, sowohl a als \u00df, zur richtigen der Reizfolge a und b entsprechenden Zeit im Bewusstsein eintreffen. Und es k\u00f6nnte dann sein, dass dort erst das eine, \u00df, in Folge eines besonderen Vorzuges den Vortritt erhielte zu einer Zeit, wo das andre, a, in Folge eines besonderen Nachtheils so lange im Vorzimmer sich aufhielte und folglich nur scheinbar zu sp\u00e4t gekommen w\u00e4re. Oder auch das a, zu richtiger Zeit und zuerst im Bewusstsein eingetroffen, k\u00f6nnte wieder in Folge eines besonderen Vorzuges eine solche Wichtigkeit erlangen, dass dar\u00fcber die Verz\u00f6gerung des \u00df unbemerkbar bliebe. Ein solcher Vorzug w\u00fcrde der Besitz der Aufmerksamkeit sein. Jenes trifft unzweifelhaft in dem erw\u00e4hnten Falle zu, wenn beim Zuruf eines Wortes die darauf erfolgende Bewegung mit dem Rufe gleichzeitig erscheint. Wie es bei den Complicationsversuchen von Tschich\u2019s steht, dar\u00fcber m\u00f6chte ich mich zur Zeit um so weniger entscheiden, als hier offenbar die Bewegung des Zeigers von Einfluss ist; erst eine Vergleichung mit Complicationsversuchen \u00fcber Schall- und unbewegte Licht-Eindr\u00fccke d\u00fcrfte zu einer sicheren Aufkl\u00e4rung der eigenth\u00fcmlichen Erscheinungen f\u00fchren.\nDamit scheint mir endg\u00fcltig dargethan zu sein, dass die bisher","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n199\nf\u00fcr die Auffassung der einfachen muskul\u00e4ren Reaction als Reflexvorgang beigebrachten Gr\u00fcnde nicht absolut bindend sind. Der Versuch einer anderen Erkl\u00e4rung wird um so berechtigter erscheinen.\nIch schicke derselben eine Reihe von Versuchen voraus, die zum mindesten den Werth einer vorbereitenden Aufkl\u00e4rung \u00fcber die Sache beanspruchen k\u00f6nnen. Es sind Versuche, bei denen, wie es in der Psychologie Vorkommen kann, die eigene Beobachtung im Verlaufe derselben eine noch deutlichere Sprache redet als die zahlenm\u00e4\u00dfigen Resultate, welche man dem Leser bieten kann. Es sind einfache muskul\u00e4re und sensorielle Reactionen auf einen Hammerschlag mit und ohne vorausgehendes Signal (Glockenschlag), durchweg nach der exacten Methode L. Lange\u2019s ausgef\u00fchrt1), also unter Ausschluss jeder St\u00f6rung und bei Trennung der Versuchsperson und des Experimentirenden in verschiedene R\u00e4ume. Neu ist nur die Bestimmung f\u00fcr den Reagirenden, nach einem jedesmaligen Einzelversuche seine eigene Beobachtung \u00fcber die Richtung seiner Aufmerksamkeit im Augenblicke des Reagirens sowohl als \u00fcber den Erfolg und die scheinbare L\u00e4nge der Reactions-zeit aufzuschreiben2). Die Notizen, welche also ohne alle Kenntniss der Versuchsresultate unmittelbar nach der Reaction gemacht sind, stehen unten in den Tabellen zur bequemen Vergleichung neben den betreffenden Zahlen, auf welche sie sich beziehen. Es war die Absicht, auf diese Weise die Selbstbeobachtung zu sch\u00e4rfen und wom\u00f6glich einen Aufschluss \u00fcber das Zutrauen, welches das eigene Bewusstsein in solchen Fragen zu genie\u00dfen w\u00fcrdig ist, herbeizuf\u00fchren.\nDer erste derartige Versuch wurde am 20. Januar gemacht. Die unten folgenden Tabellen sind chronologisch geordnet und beginnen mit dem 21. Januar. Es sind \u00fcberhaupt die [ersten Versuche mit Bemerkungen, welche der Reagent dieses Tages (v. Pr.) gemacht hat. Es war also keinerlei Ein\u00fcbung zu dem Zwecke vorhergegangen. Am Tage vorher hatte Verfasser reagirt. Gleich der erste Versuch \u00fcberraschte durch die Sicherheit des eigenen Urtheils \u00fcber die Reaction.\n1)\tVgl. L. Lange, a. a. O. Bd. IV, S. 481.\n2)\tEin \u00e4hnliches Verfahren ist bereits von Exner angewandt worden; vgl. Sigm. Exner, Experimentelle Untersuchung der einfachsten psychischen Processe in Pfl\u00fcger\u2019s Archiv, Bd. VII, S. 644 ff.\nWundt, Philos. Studien. VI.\n14","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nG\u00f6tz Martius.\nTabelle VI.\n21. Jan. Controlz. = 89, mV 1,3. Reag. y. Pr. Ein Signal in unregelm\u00e4\u00dfigen Intervallen.\na) S\tb) M\nR\tBern. d. R.\tR\tBern. d. R.\n[207]\tA. nicht vorhanden\t121\tA. g., k.\n139\tA. g., k.\t117\t\u00bb , k.\n155\t\t214 (k. JJ\tA. noch n. conc.\n225 (k. J.)\tA. noch n. gesammelt\t90\tA. g., f. gleichztg.\n140\tA. g., k.\t105\t\u201e , e. Ir.\n128\t\u201e , s. k.\t101\t\u201e , k.\n130\t\t139\t\u201e , lr.\n122\t\u00ab , k.\t93\t\u201e > k.\n148\tA. zu scharf\t103\t77\t, k.\n209 (k. J.)\tA. noch nicht conc.\t121\tA. nicht scharf, lr.\n121\tA. g., k.\t150 (1. J).\tA. \u00fcberspannt, 1.\n143\tA. nicht scharf, e. Ir.\t103\tA. g., k.\n134\tA. g., k.\t110\tA. nicht conc., lr.\n188\tA. noch n. conc.\t117\tA. gr., e. lr.\n[440]\tA. gar nicht vorh.\t[534] (s. k. J.)\tA. nicht da1).\n112\tA. g., k.\t119\tA. g., z. k.\n127\tA. g., k.\t[354]\tUeberrascht.\nTabelle VII.\n22. Jan., Controlz. = 87, mV = 2,6. Reag. G. M. Ein Signal in unregelm\u00e4\u00dfigen Intervallen.\na) <S\tb) M\tc) M\nR\tBern. d. R.\tR\tBern. d. R.\tR\tBern. d. R.\n96 95 108 89 141 qq 165 (k. J.) 100 91 122 111 80 103 90 132\tA. gern. A. g., k. 77\t7\tb. 55 55 55 A. noch n. conc. ; k. P. A. g. A. g\u201e k. 77 ) b. \u201e , nicht k. \u201e , fast gleichz. 77\t.\tb. 55 55\t100 117 98 91 99 118 [161] 84 90 86 101 [149] 92 80 [180]\tA. gemischt. A. r., nicht k. A. g. 77 .kr. A. nicht ganz m. A. r. A. noch nicht vorh. A. g. \u201e , z. gleichz. 77 7\t77 77 A. r., doch zwei Glockenschl\u00e4ge. A. g., z. gleichz. 7? J\t77 A. noch nicht vorh.\t90 94 88 94 95 94 84 98 92 94 99 95 118 80 96\tA. g. \u201e , z. gleichz. \u201e , nicht glchz. 55 >\t55 \u201e , z. gleichz. 55 >\t55 55 \u201e , nicht glchz. \u201e ; eher 55' 55\t>\t55 \u201e , P. k. \u201e , z. gleichz. \u201e , nicht glchz.\nAbk\u00fcrzungen: A = Aufmerksamkeit; g = gut; r = richtig; k = kurz: kr = k\u00fcrzer; 1 = lang; Ir = l\u00e4nger; P = Pause; sk = sehr kurz; z = ziemlich; gleichz. = gleichzeitig.\n1) Glocke und Hammer kaum unterschieden.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n201\nTabelle VIII.\n22. Jan. Contr\u00f6lz. = 87, mV = 2,6. Reag. G. M.\nDrei Glockenschl\u00e4ge als Signal in regelm\u00e4\u00dfigen Intervallen. (J = 1 sec.), a) S\tb) M\nif\tBern. d. R.\t\tR\tBern. d. R.\n89\tA. g.\t, z. gleichz.\t92\tA. z. m.\n104\t55\t, e. Ir.\t95\t\u00bb\t\u00bb b.\n98\t55\t, z. gleichz.\t74\tA. m., k.\n97\t55\t, e. Ir. \u2014\t[148]\tA. getheilt, 1.\n90\t55\t, z. gleichz.\t50\tA. m,, stark gleiohz.?\n104\t55\t, e. Ir.\t[136]\tA. sens. u. abgel.\n110\t55\t, z. gleichz.\t87\tA. z. m.\n86\t55\t\u00bb\t55\t89\tA. m., gleichz.\n108\t55\t;\t55\t[100]\tA. getheilt\n111\t55\t)\t55\t91\tA. z. m., z. gleichz.\n95\t55\t, e. Ir. \u2014\t[98]\tA. getheilt\n127\t55\t\t[101]\tA. sens, abgel.\n82\t55\t, z. gleichz.\t86\tA. m.\n131\t55\t, Ir.\t\t\nTabelle IX.\nMittaktiren. Reag. G. M. a) 21. Jan.\tb) 22. Jan.\nR\tBern. d. R.\tR\tBern. d. R.\n0\tgleichz.\t0\t\n0\t55\t0\t\n64\tsp\u00e4ter\t42\te. sp\u00e4ter\n0\tfr\u00fcher\t89\tsp\u00e4ter\n0\t55\t0\tfr\u00fcher\n0\t55\t0\t55\n0\t55\t34\tsp\u00e4ter\n0\t\t0\t\n14:","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nG\u00f6tz Martius.\nTabelle X.\n25. Jan. Controlz. = 120,8, mV = 1,5. Reag. G. M. Kein Signal.\na) s\tb) M\nR\tBern. d. R.\tJ| R\t\tBern. d. R.\n[441] 275 165 278 223 153 158 208 212 176 173 154 199 167 219\tA. r., s. 1. A. r., kr. A. r._, Apperc. deutlich A. nicht gesammelt, \u00fcberr. A. n. g., \u00fcberr. A. r., kr. A. r. A. nicht ganz conc. A. z. r., St\u00f6rung durch Thurmuhr A. r., doch nicht scharf 55\t5\t55 A. r. A. nicht ganz cone. A. z. g. A. abgelenkt, doch sens.\t143 267 [165] 184 165 157 128 141 [167] 181 162 154 155 133 134\tA. r. A. nicht conc. A. nicht r. m. A. nicht conc. A. z. r. 55 A. g., k. A. z. r., e. Ir. A. n. ganz m. A. r., doch 1. Apperc. d. Schalles A. z. r. J\u00bb \u00bb A. g. A. r.\nTabelle XI.\n25. Jan. Controlz. = 120,8, mV = 1,5. Reag. G. M.\nEin Glockenschlag als Signal in regelm. Intervall (J = 1 sec.), a) S\tb) M\nR\n134\n133\n125\n126 128 127 125 120 112\n124 113 113 122\n125 [227]\nBern. d. R.\nA. r.\nA. r., z. gleichz.\n55 > 55 \u00bb \u00bb > 55 > \u00bb > \u00bb \u2019 \u00bb >\n\u00bb\n55\n\u00bb\n\u00bb\n55\n55\n55\n55\n55\n55\n55\nA. nicht vorh.\nR\n[332]\n135\n[139]\n126\n114\n126\n120\n116\n108\n129\n113\n113\n118\n98\n121\n123\n121\n109\n109\n129\nBern. d. R.\nA. nicht gesammelt A. r., z. gleichz. zuerst vorreagirt A. r., z. gleichz.\nA. r., gleichz.\n\u201e , z. gleichz.\ngleichz. e. Ir.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n203\nTabelle XII.\n26. Jan. Controlz. = 122,2, mV = 1,6. tteag. v. Pr.\nDrei Glockenschl\u00e4ge in regelm\u00e4\u00dfigen Intervallen als Signal, a) S (J = 54 = 1,1 sec.) b) S (J = 69 = 0,87 sec.) c) S (J = 2.184 = 0,16 sec.)\nR\tBern. d. R.\tR\tBern. d. R.\tR\tBern. d. R.\n165 137 126 122 126 [28] 148 125 121 132 127 112\tA. g\u201e k. \u201e\t,\tkr. \u201d\t,\ts\u201d k. \u00bb i k. vorr., mittakt. A. g., z. 1. \u00ab i k. \u201e , kr. n t Ir. \u201e\t,z. gleichz.\t127 136 133 115 129 130 131 121 112 137 123 120 99 122 116\tA. g., k. A. g., e. Ir. 55\t5\t55 55\t>\t55 55\t> \u201e , e. Ir. 55 \u201e , r. k. \u201e , s. k. A. zu stark gesp., z. 1. A. g., z. gleichz. \u201d ' %\u2022 lr\u2018 \u201e\t, fast gleichz. \u201e , e. Ir. 55\t[254] (19] 244 139 177 174 160 178 204 169 140 280 142 140 158 184\tA. g., 1., noch nicht fertig gleichz., mittaktirt A. g., 1. \u201e\t, f. gleichz. n > k. \u00bb ! b-\t\u2014 \u00ab , 8. k. \u00bb\t.\te- Ir. A. noch nicht cone., z. 1. A. g., k. \u201e\t,\tfast gleichz. A. g., \u00fcberrascht A. g., fast gleichz. \u00bb > \u00ab \u201e , e. Ir. A. nicht ganz conc., e. Ir.\nTabelle XIII.\n30. Jan. Controlz. = 116,5, mV = 1,3. Reag. G. M.\nDrei Glockenschl\u00e4ge in regelm\u00e4\u00dfigen Intervallen als Signal, a) S (J = 200 = 0,3 sec.) b) M(J = 200 = 0,3 sec.) c) S (J = 2.184 = 0,16 sec.)\nR\tBern. d. R.\tR\tBern. d. R.\tR\tBern. d. R.\n140 150 124 108 92 116 0 123 173 130 119 0 153 129 130 122 133\tA. g., k. 55\t>\t55 55 i 55 55\t>\t55 55\t>\t55 .55 t 55 mittaktirt A. g., k. A. r., Ir. \u201e , kr. n > k-mittaktirt A. g. 55 55 55 55\t270 145 0 272 169 119 138 119 133 133 0\tA. sens, abgel. A. sensor, abgel., kr. mittaktirt A. sens, abgel., 1. A. z. r.. wenig abgel. A. z. r. A. sens, abgel. . \u201d A. z. r. A. r. mittaktirt\t129 [320] 98 131 147 220 0 [34] 120 180 140 0 198 166 260\tA. g., k. A. bei der Glocke A. g., k. \u00bb \u00bb \u00bb A. r., Apperc. lg. A. bei der Glocke nicht reagirt, zwei Gl.-Schl\u00e4ge A. r., s. k., mittakt. A. r., k. A. nach der Glocke abgel. A. r., e. abgel. mittaktirt A. nach der Glocke abgel. A. r. A. nach der Glocke abgelenkt.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nG\u00f6tz Martins.\nDie Tabellen sind, wie man leicht sieht, nicht mit R\u00fccksicht auf die Reinheit der Zahlenreihen ausgew\u00e4hlt, sondern mit R\u00fccksicht auf die Mannigfaltigkeit der in Betracht kommenden Umst\u00e4nde. Je gleichm\u00e4\u00dfiger die Versuchsergebnisse, um so weniger Veranlassung besteht zu Bemerkungen, wie man z. B. an Tabelle VII c [mV\u2014 4,2) sehen kann.\nDie gro\u00dfe Genauigkeit der eigenen Sch\u00e4tzung des Versuchsverlaufs ergibt sich bei auch nur oberfl\u00e4chlicher Durchsicht der Bemerkungen. Offenbare Irrth\u00fcmer der Sch\u00e4tzung sind durch einen kurzen Querstrich zur Seite der betreffenden Bemerkung kenntlich gemacht. In Wirklichkeit muss man die Zahl der Selbstt\u00e4uschungen des Bewusstseins gr\u00f6\u00dfer annehmen, als die Zahl der Striche ist. Denn wenn z. B. in Tabelle XII b die Reactionszeit von 130 o als \u00bbetwas l\u00e4ngerer als die vorhergehende, die 129 a betr\u00e4gt, seitens des Reagirenden bezeichnet ist, so wird man diese Bemerkung, so wenig sie als irrth\u00fcmlich bezeichnet werden konnte, doch auch kaum als sichere und richtige Sch\u00e4tzung anerkennen wollen. Aber auch wenn man solche F\u00e4lle unter die T\u00e4uschungen rechnet, ist die Zahl derselben doch noch verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig sehr gering.\nWir betrachten zuerst Tabelle X, a und b. Es sind darin Zahlen enthalten, welche beim Reagiren ohne jedes Signal gewonnen sind. Da der Reagirende ganz allein sa\u00df, er also von dem Thun des Registrirenden nichts bemerken konnte, und da auch der Ton des in Bewegung gesetzten Chronoskops nicht zu ihm drang, musste er versuchen, seine Aufmerksamkeit bald nach einem vollendeten Versuche wieder in der vorgeschriebenen Weise zu richten. Es ist nun bekanntlich nicht m\u00f6glich, seine Aufmerksamkeit fortw\u00e4hrend eine l\u00e4ngere Zeit auf demselben Punkte festzuhalten. Es gelingt wohl im allgemeinen die Aufmerksamkeit einmal sensoriell, das andere Mal muskul\u00e4r zu richten, nicht aber sie ohne jedes Schwanken auf die bestimmte Bewegungsvorstellung oder den bestimmten Eindruck zu concentriren. Die so nothwendig entstehenden Ablenkungen der Aufmerksamkeit dr\u00fccken sich sowohl in den Zahlen, wie auch in den Bemerkungen des Reagenten, und zwar in ausnahmsloser Uebereinstimmung aus. Nimmt man diejenigen Werthe, welche der Reagent als richtig oder ann\u00e4hernd richtig bezeichnet hat (es sind die fett gedruckten Zahlen), so erh\u00e4lt man","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\t205\n177,1 o und 147,2 o (D = 29,9 o), also immer noch Werthe, welche die hei vorausgehendem regelm\u00e4\u00dfigen Signale erhaltenen \u00fcbertreffen. Man kann also die Differenz der Reaction mit g\u00fcnstigem Signal und der ohne Signal wieder in zwei Theile zerlegen. Der eine Theil stellt den dem Bewusstsein unmittelbar deutlichen St\u00f6rungswerth, der andere den nicht zum Bewusstsein kommenden Theil desselben dar. Das Bewusstwerden des ersten Theiles hat offenbar seinen Grund in dem beobachtbaren Zur\u00fcckgehen der abgelenkten Aufmerksamkeit, ungef\u00e4hr wie die abgelenkte Nadel eines Compasses auf den Nordpunkt zur\u00fcckgeht. Dann kann der zweite Theil des St\u00f6rungswerthes als unter der Schwelle der Empfindlichkeit f\u00fcr Ablenkungen der Aufmerksamkeit angesehen werden; denn eine solche Schwelle wird es geben. Man setzt dabei unter den gegebenen Versuchsbedingungen eine gewisse Ablenkung als wahrscheinlich immer bestehend voraus. Will m\u00e4n dies nicht und zieht \u2022 die Annahme vor, dass die Aussage des Bewusstseins, die Aufmerksamkeit sei richtig gewesen, unbedingten Glauben verdiene, so muss man eine Verlangsamung der gesammten Vorg\u00e4nge annehmen, die eine Folge der erschwerten Versuchsbedingungen sein w\u00fcrde. Es versteht sich, dass bei Berechnung der allgemeinen Reactionszeit ohne Signal die nicht fettgedruckten Werthe, soweit sie nicht aus anderen Gr\u00fcnden ausgeschlossen wurden, mit einzurechnen waren. Denn bei der Vergleichung mit anderen Reactionszeiten soll gerade der durch das Fehlen des Signals bewirkte St\u00f6rungswerth zut Erscheinung kommen. Alle unbedingt auszuschlie\u00dfenden Zahlen sind in eckige Klammern geschlossen; der Grund der Ausschlie\u00dfung liegt in der Regel darin, dass sie nachweislich nicht in Uebereinstimmung mit den jedesmaligen Versuchsvorschriften entstanden sind. Ausnahmsweise, wie in Tabelle X a, wurde die erste Versuchszahl fortgelassen; dieselbe ist \u00f6fters zweifelhafter Natur in Folge der noch nicht eingetretenen Sammlung des Reagirenden. In diesem besonderen Falle war die Ausschlie\u00dfung um so berechtigter, als der Reagent den Beginn der Versuchsreihe nicht wissen konnte.\nAehnliches wie von Tabelle X gilt von Tabelle VI und VII. Hier wurde dem Reiz ein Signal vorausgeschickt, aber in (etwa zwischen 1/i Sec. und 3 Sec.) wechselnden Intervallen. Hatte der","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nG\u00f6tz Martius.\nReagent das Glockenzeichen vernommen, so musste er seine Aufmerksamkeit in der jedesmal vorgeschriebenen Weise zu richten suchen Tritt dann der Hammerschlag zu fr\u00fch ein, d. h. fr\u00fcher als die Aufmerksamkeit, mag sie nun muskul\u00e4r oder sensoriell sein sollen, gerichtet ist, so entsteht eine Ueberraschung. Diese ist nichts anderes, als die Perception eines noch nicht erwarteten Eindrucks. Und der Zeitverlust ist wiederum um so gr\u00f6\u00dfer, je weiter die Aufmerksamkeit noch von ihrem Ziele entfernt war. Tritt dagegen die Reizvorstellung erst ein, nachdem die Aufmerksamkeit bereits eine Spanne Zeit die vorgeschriebene Richtung innegehalten, so ergeben sich, ebenso wie bei mangelnden Signalen, Zeitverl\u00e4ngerungen durch die unwillk\u00fcrlichen und unvermeidlichen Ablenkungen ; dabei entsteht der Zustand der Ueberspannung, wenn trotz des Bed\u00fcrfnisses der Apperception, zu einer neuen Vorstellung \u00fcberzugehen, der Versuch fortgesetzt wird, die Richtung der Aufmerksamkeit beizubehalten. Auch in diesen f\u00fcnf Reihen sind keine Zahlen in eckige Klammern eingeschlossen, die nicht von vornherein als zu annullirende von dem Reagenten bezeichnet waren. Bei den in Tabelle VI a ausgeschlossenen Werthen waren \u00e4u\u00dfere St\u00f6rungen vorhanden gewesen. Die Ueberraschung beim Werthe 354 in Tabelle VI b bestand darin, dass der Reagent von dem neuen Versuche noch beim Schreiben ereilt wurde; \u00e4hnliches gilt von Tabelle VII b. Zweifelhaft k\u00f6nnte die Ausschlie\u00dfung des Werthes 534 in Tabelle VI b sein. Hier war das Intervall ganz ausnahmsweise kurz. Der Reagent konnte, wie er angibt, Glocken- und Hammerklang kaum unterscheiden. Die Berechtigung zur Einklammerung ergibt sich aus dem Umstande, dass solche extreme F\u00e4lle bei den anderen Reihen vermieden wurden. Tabelle VII b ist ein Beispiel einer zur Benutzung ungeeigneten Reihe. Die Aufmerksamkeit wollte hier nicht recht dem Bewegungsvorgang folgen. Es trifft h\u00e4ufiger zu, dass unmittelbar nach einer sensoriellen Reihe die Aufmerksamkeit nur schwer muskul\u00e4r gerichtet werden kann, und umgekehrt. Um so besser ist die Wiederholung der Reihe (VII c) gelungen, wie die kleine mittlere Variation (m V\u2014 4,2) zeigt. Sie geh\u00f6rt aber ihrer Natur nach mehr unter die Versuche mit regelm\u00e4\u00dfigem Signal. Nur eine k\u00fcrzere Pause ist verzeichnet, die dann auch den l\u00e4ngsten Werth der Reihe","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reation und die Aufmerksamkeit.\n207\nhervorgebracht hat. F\u00fchrt man in Tabelle VI a u. b dieselbe Berechnung aus, wie oben in Tabelle X, so ergeben sich als Durchschnitt der fettgedruckten Zahlen die Werthe 130,8 [mV= 8,3) und 109 7 (mV= 11,5) und reducirt auf eine Controlzeit von 120 o die AVerthe 170,0 und 141,7; ebenso in Tabelle VII a 104,7 [mV\u2014 12,9) resp. 146,6 a. Also auch hier ist der St\u00f6rungswerth des ung\u00fcnstigen Intervalls gr\u00f6\u00dfer, als er uns in der Selbstbeobachtung deutlich wird.\nTabelle IX enth\u00e4lt zwei kurze Versuchsreihen \u00fcber das Mit-taktiren. Die Versuchsanordnung lie\u00df eine genaue Untersuchung des Gegenstandes nicht zu. Die Einrichtung des Chronoskops bringt es mit sich, dass nur die Versp\u00e4tungen gemessen werden k\u00f6nnen. Ob also die Bemerkungen des Reagenten \u00fcber die Verh\u00fcllungen stimmten, war uncontrolirbar. Der Ileactionsschl\u00fcssel wurde ge\u00f6ffnet auf den vierten Takttheil, also nach drei dem Hammerschlag vorangegangenen regelm\u00e4\u00dfigen Glockenschl\u00e4gen. Die Gr\u00f6\u00dfe der Zahlen erkl\u00e4rt sich hinreichend aus den ungenauen V er-suchsbedingungen. So regelm\u00e4\u00dfig der Registrirende auch taktiren mag, so hat er doch die Gleichm\u00e4\u00dfigkeit des Hammerschlages nicht in der Gewalt; der Elektromagnet des Hammers wird weder mit sich, noch mit dem Elektromagneten der Glocke jedesmal \u00fcbereinstimmend wirken. Das Interesse der Versuche lag auch nur in der Feststellung der M\u00f6glichkeit des Mittaktirens unter denselben Bedingungen, wo sonst reagirt wurde, und in der genauen und deutlichen Unterscheidbarkeit der beiden Vorg\u00e4nge. Beim Mittaktiren ist die Aufmerksamkeit allein mit der Reihe der Schalleindr\u00fccke besch\u00e4ftigt; die Bewegung erfolgt durchaus willk\u00fcrlich und sucht sich jener Reihe m\u00f6glichst anzupassen. Je nach dem Gelingen ver\u00e4ndert sich die Richtung der Anpassung. Diese inneren Unterschiede und nicht die Verschiedenheiten der Zeitdauer sind es, welche eine Verwechselung des Mittaktirens und Reagirens unm\u00f6glich machen; es m\u00fcsste sonst mit Abnahme des Zeitunterschiedes eine Verwechselung eintreten. Nun ist aber der Unterschied zwischen muskul\u00e4rer Reaction und Reflex ein \u00e4hnlicher, wie der zwischen Taktiren und Reagiren; in beiden F\u00e4llen handelt es sich darum, ob der percipirte Reiz f\u00fcr die Bewegung n\u00f6thig ist, oder nicht. Es ist also eine Analogie vorhanden, und wenn wir der","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nG\u00f6tz Martins.\nAussage des Bewusstseins im einen Falle trauen, d\u00fcrfen wir es auch im anderen.\nTabelle VIII a und b, Tabelle XII a, b und c, und Tabelle XIII a, b und c enthalten s\u00e4mmtlich Versuche mit vorausgehenden drei Glockenschl\u00e4gen in regelm\u00e4\u00dfigen, aber bei den verschiedenen Reihen verschieden langen Intervallen. Dieselben wurden nach einem Metronom regulirt, dessen Schl\u00e4gen der Registrirende die Intervalle anzupassen hatte. Bei den Intervallzahlen (J) sind zuerst die Zahlen des Metronoms und dann die ann\u00e4hernden Zeitwerthe angegeben. Muskul\u00e4re Reihen sind nur von dem Reagenten G. M. vorhanden (Tabelle VIII b und XIII b). Der andere Reagent v. Pr. erkl\u00e4rte die Ablenkung der Aufmerksamkeit auf die Glockenschl\u00e4ge von vornherein f\u00fcr zu stark, als dass er im Stande sei, wirklich muskul\u00e4r zu reagiren. Das Vorhandensein dieser Ablenkung tritt in den Bemerkungen klar genug zu Tage. Bei dem langsamen Intervall von c. 1 Sec. (Tabelle VIII b) zeigte sich, dass die muskul\u00e4re Reaction an sich sehr wohl m\u00f6glich ist. Zeit genug die Aufmerksamkeit von den Glockenschl\u00e4gen auf die Bewegungsintention \u00fcbergehen zu lassen ist vorhanden. Allein die Ausf\u00fchrung ist bei weitem schwerer, als wenn ein Signal in demselben Intervall vorhergeht. Es scheint mithin eine gewisse Beharrungstendenz der Aufmerksamkeit einzutreten, falls sie eine Weile eine bestimmte Richtung verfolgt hat ; oder, was dasselbe sagen will, es ist leichter, eine Reihe von gleichartigen Vorstellungen nach einander zu apper-cipiren, als von einer solchen Reihe pl\u00f6tzlich auf eine verschiedenartige \u00fcberzugehen; und es ist leichter, zwischen zwei einzelnen ungleichartigen Vorstellungen in der Apperception zu wechseln, als von einer l\u00e4ngeren Reihe der einen Art zu einer solchen der anderen Art \u00fcberzugehen. Es kommt hinzu, dass bei dem Reagiren auf ein einzelnes Signal dies gar nicht vollst\u00e4ndig appercipirt zu werden pflegt; die muskul\u00e4r resp. sensoriell gerichtete Aufmerksamkeit wird nur wenig durch den einen Glockenschlag abgezogen, w\u00e4hrend die drei aufeinanderfolgenden Signale eine v\u00f6llige Ablenkung derselben zur Folge haben. \u2014 Anders liegt die Sache bei dem k\u00fcrzeren Intervalle (=0,3 sec.) in Tabelle XIII h. Hier war es \u00fcberhaupt nicht mehr m\u00f6glich, wirklich muskul\u00e4r zu reagiren. Es ist nur ein einziger Werth als mit richtiger Aufmerksamkeit","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n209\ngewonnen bezeichnet. Daher l\u00e4sst sich hier nicht, wie dort, eine Trennung der durch muskul\u00e4re Reaction gewonnenen Werthe von den anderen vornehmen. Der ganze Vorgang stellt sich als eine Mischung dar. Der Wille, die Aufmerksamkeit auf die Bewegungsintention zu concentriren, kann sich nicht Geltung verschaffen. Der Durchschnittswerth der Reihe, welcher in der folgenden Ueber-sichtstabelle (Tab. XIV) eingestellt ist, hat also nur die Bedeutung zu zeigen, dass die muskul\u00e4re Reaction, wenn sie in diesem Falle erstrebt wird, zu einer Verl\u00e4ngerung der Zeit f\u00fchren muss; er ist keine einen wirklichen muskul\u00e4ren Reactionsvorgang darstellende Zahl.\nDie Tabellen XII c und XIII c enthalten die Versuche mit Signalen in dem schnellsten angewandten Tempo (ungef\u00e4hr = 4/e Sec.). Von einer M\u00f6glichkeit muskul\u00e4r zu reagiren war keine Rede mehr; die Versuchung mitzutaktiren steigert sich. Die Aufmerksamkeit, durch die drei schnellen Glockenschl\u00e4ge in Anspruch genommen, kann sich dem in gleicher Schnelligkeit folgenden Hammerschlag nicht mehr rechtzeitig zuwenden. Der zweite Reagent (G. M. in XIII c) hat offenbar gr\u00f6\u00dfere Anstrengungen gemacht, dies doch zu erreichen, als der erste (v. Pr. in XII c). Es geht das aus den unregelm\u00e4\u00dfigeren Zahlen und den Bemerkungen hervor. Interessanter ist die erste Reihe; sie zeigt deutlich die nat\u00fcrliche Folge der schnellen Signale. Es muss eine Verl\u00e4ngerung der Zeiten ein-treten. Die Reizvorstellung tritt fr\u00fcher ein, als sie percipirt oder appercipirt werden kann. Es verdient bemerkt zu werden, dass auch diese Mehrzeit dem Bewusstsein unmerklich blieb. Reagent hatte ausdr\u00fccklich angegeben, dass ihm subjectiv die Zeiten besonders kurz erschienen seien. Die Bewegung ist gewiss auch auf die Perception des Reizes schnell erfolgt. Somit kann das Gef\u00fchl der Schnelligkeit wohl begr\u00fcndet gewesen sein. Die Verl\u00e4ngerung fiel zeitlich vor den eigentlichen Reactionsvorgang. Nichts zeigt deutlicher als diese Versuche die Unabh\u00e4ngigkeit des Mittaktirens v\u00b0m Reagiren mit Signalen. Denn der Einfluss des Mittaktirens w\u00fcrde eine Verlangsamung der Reaction hei schnelleren Intervallen gerade ausgeschlossen haben.\nWo in den Bemerkungen der Reagenten hinter den Notizen uber die Aufmerksamkeit und die scheinbare L\u00e4nge der Reaction","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nG\u00f6tz Martius.\ndie Worte \u00bbgleichzeitig\u00ab oder \u00bbziemlich gleichzeitig\u00ab sich finden, bezieht sich dies stets auf die scheinbare Gleichzeitigkeit von Handbewegung und Sinneseindruck. Ich hatte erwartet, es w\u00fcrde sich eine bestimmte Zeitgrenze der Reactionszeiten heraussteilen, von der an jene Erscheinung in gesetzm\u00e4\u00dfiger Weise auftr\u00e4te. Dies hat sich nicht best\u00e4tigt. Dieselbe zeigte sich ziemlich regellos und von der Richtung der Aufmerksamkeit w\u00e4hrend des Reactionsvorganges sowie von der bestimmten Dauer desselben ziemlich unabh\u00e4ngig. Ich glaube daher, dass die ganze Erscheinung mit der Reaction selbst nur in \u00e4u\u00dferlichem Zusammenhang steht und im wesentlichen von der schnellen Wendung der Aufmerksamkeit auf die Bewegung nach Beendigung der Reaction beeinflusst anzusehen ist. Ist dies so, so folgt daraus, dass die Vorstellung der Gleichzeitigkeit \u00fcberhaupt nicht verwendbar ist, um Schl\u00fcsse \u00fcber die Natur des muskul\u00e4ren oder sensoriellen Reactionsvorganges daran anzukn\u00fcpfen.\nEs folgt eine Uebersicht \u00fcber die Versuche mit und ohne Signal.\nTabelle XIV.\n\tSignale\tS\tmV\tM\tmV\tD\tControlz.\tmV\tReag.\nx\t\t198,4\t33,8\t161,9\t22,8\t25. Jan.\t120,8\t1,5\tG. M.\n\t\t186,2\t44,8\t172,5\t21,3\t23. Jan.\t82,0\t2,7\tv. Pr.\n\t\t[108,0]\t17,3\t[87,4]\t7,3\t22. Jan.\t[87]\t2,17\tG. M.\nTT\tEin unregel-\t144,8,\t\t120,8\t\t\t120\t\t\n\tm\u00e4\u00dfiges S.\t[151,7]\t26,8\tri23,3]\t26,6\t21. Jan.\t88\t1,3\tv. Pr.\n\t\t171,0\t\t155,7\t\t\t120\t\t\n\tEin regel-\t123,4\t5,2\t118,1\t7,7\t25. Jan.\t120,8\t1,5\tG. M.\nm\tm\u00e4\u00dfiges S.\t122,0\t8,0\t109,0\t6,8\t8. Mai\t121,0\t2,0\tG. M.\n\t\t144,6\t6,7\t134,0\t6,2\t2. Mai\t125,0\t0,0\tv. Pr.\n\tJ\u2014c. 1 sec.\t157,0\t5,6\t143,3\t4,0\t13. Mai\t119,8\t1,64\tv. Pr.\n\t5.1=0,87 see.\t[99,7]\t12,9\t[84,7]\t9,1\t22. Jan.\t[87]\t2,7\tG. M.\n\tCG\t126,6\t\t107,6\t\t\t120,0\t\t\n\tp'J=l,l sec.\t131,0\t10,5\t\t\t26. Jan.\t122,2\t1,6\tv. Pr.\nIV\t^1=0,87 sec.\t128,1\t8,3\t\t\t26. Jan.\t122,2\t1,6\tv. Pr.\n\tafj=\u00fc,3 sec.\t130,4\t13.9\t166,4\t47,0\t30. Jan.\t116,5\t1,3\tG. M.\n\t\t161,9\t32,5\t\t\t26. Jan.\t122,2\t1,6\tv. Pr.\n\t\u00a3 J=0,16 sec.\t162,6\t38,3\t\t\t30. Jan.\t116,5\t1,3\tG. M.\n\t\t177,8\t28,7\t\t\t26. J an.\t122,2\t1,6\tv. Pr.","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n211\nDie Tabelle enth\u00e4lt noch andere Versuche, als die oben mit ,jen Bemerkungen des Reagenten mitgetheilten. Die in eckige Klammern geschlossenen Zahlen sind der Vergleichung halber in eine mittlere Controlzeit von 120 o umgerechnet. Sonst d\u00fcrfte die Tabelle einer weiteren Erkl\u00e4rung nicht bed\u00fcrfen. Eine geringe Verschiedenheit des Resultates bei den verschiedenen Reagenten zeigt sich im letzten Abschnitt der Tabelle. Die sensorielle Re-actionszeit bei drei regelm\u00e4\u00dfigen Signalen im g\u00fcnstigen Intervalle von etwa 1 Sec. ist f\u00fcr den einen Reagenten (v. Pr.) etwas k\u00fcrzer als dieselbe Zeit bei einem regelm\u00e4\u00dfigen Signal in demselben Intervalle, f\u00fcr den anderen (G. M.) sind die Zeiten gleich zu nennen. Der Unterschied ist aber zu gering, um zu einer besonderen Erkl\u00e4rung herauszufordem.\nDer dritte Abschnitt der Tabelle enth\u00e4lt die normalen einfachen Reactionszeiten f\u00fcr drei Versuchspersonen. Hervorgehoben muss die theilweise sehr niedrige mittlere Variation werden. Erst mit der genauen Umgrenzung aller mitsprechenden psychischen Factoren kann die Reactionsmethode exact werden. Ich gestehe, dass ich mit einer gr\u00f6\u00dferen Achtung vor derselben aus den Versuchen hervorgegangen bin, als ich sie beim Beginn besessen hatte. \u2014 Die geringe Differenz zwischen der muskul\u00e4ren und sensoriellen Re-actionszeit endlich scheint den fr\u00fcheren Versuchen, die in Leipzig ausgef\u00fchrt sind, geradezu zu widersprechen. Das ist nicht der Fall. Der Grund liegt allein in der schon ber\u00fchrten Verschiedenheit der Versuchsvorschriften. Bei sensoriell gerichteter Aufmerksamkeit wurde nicht erst reagirt, wenn die volle Apperception des Sinnes-ewdrucks eingetreten war; die Vorschrift lautete kurz, m\u00f6glichst schnell zu reagiren. Auch wenn man in Folge der einmal festgelegten Bedeutung des Wortes die von uns gewonnenen Zahlen nicht als eigentliche sensorielle Reactionszeiten anerkennen will, wird man doch nicht leugnen, dass es von Interesse ist, einen wenn aueh weit geringeren Zeitunterschied auch unter den vorliegenden Verh\u00e4ltnissen best\u00e4tigt zu finden. Im Grunde hat die volle Apperception des Eindrucks mit der sensoriell gerichteten Aufmerksamkeit nicht mehr zu thun als mit der muskul\u00e4r gerichteten. Es lie\u00dfen sich sehr wohl Versuche ausf\u00fchren, bei welchen trotz urspr\u00fcnglicher Richtung der Aufmerksamkeit auf die Bewegung die","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nG\u00f6tz Martius.\nvolle Apperception des Eindrucks zur Bedingung des Reagirens gemacht w\u00fcrde. Vermuthlich w\u00fcrden die sich ergebenden Zeiten um ein geringes l\u00e4nger ausfallen als die sensoriellen Zeiten nach dem Verfahren Lange\u2019s. Immer aber wird durch das Bestehen auf der klaren Apperception des Reizes ein unsicheres und nur schwer regulirbares Element in die Versuche eingef\u00fchrt. Denn die Apperceptionsdauer geh\u00f6rt nicht nur zu den l\u00e4ngsten psychischen Einzelzeiten ; sie ist auch ihrer Natur nach unbestimmt und schwankend. Es schlie\u00dft das nicht aus, dass ein wohl einge\u00fcbter Experimentator im Stande ist, gut \u00fcbereinstimmende Reihen von Reactions-zeiten mit Apperception zu erzielen. Dazu geh\u00f6rt jedoch eine gewisse Kunstfertigkeit und Absichtlichkeit. Die Apperception muss k\u00fcnstlich auf der gleichen Stufe gehalten werden. Man empfindet unmittelbar, dass keinerlei Zwang vorhanden ist, jedes Mal gleich lange zu appercipiren. Gr\u00fcnde genug, um die befolgte Aenderung der Methode zu rechtfertigen.\nWelche Schl\u00fcsse lassen sich nun von den angef\u00fchrten Beobachtungen aus auf das Wesen der muskul\u00e4ren Reaction ziehen .' Veranlassung zu der Unterscheidung zwischen sensorieller und muskul\u00e4rer Reaction sind von Anfang an Unterschiede in den Zeiten in Folge von Verh\u00e4ltnissen der Aufmerksamkeit gewesen. Die Aufmerksamkeit ist aber unter allen Umst\u00e4nden centraler Natur. Schon dieser Umstand muss es unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass eine Aenderung der Aufmerksamkeit im Verlaufe eines zusammengesetzten Vorganges, wie es die Reaction ist, diesen zu einem Reflex werden l\u00e4sst, dass also eine Aenderung in den centralen Bedingungen die centralen Theile der Reihe fortfallen l\u00e4sst. H\u00e4tte Lange von vornherein nur diesen Unterschied der Aufmerksamkeit in Betracht gezogen und seine Untersuchungen darauf gerichtet, so w\u00fcrde er kaum auf den Gedanken der Reflexartigkeit der muskul\u00e4ren Reaction verfallen sein. Allerdings w\u00e4ren die vorhandenen Zeitunterschiede alsdann auch nicht so leicht nachweisbar gewesen. Nun hat er bei den sensoriellen Reactionen die Vorschrift der vollen Apperception des Eindrucks hinzugef\u00fcgt. Dadurch ist der Zeitunterschied der muskul\u00e4ren und sensoriellen Reaction ungef\u00e4hr ver-neunfacht. Es musste dies den Gedanken einer specifischen Verschiedenheit der beiden Vorg\u00e4nge nahe legen. Zugleich kam ein","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\n213\nanderes Moment in die Sache hinein, ^welches darauf hinfiihrte, den Unterschied mit dem zwischen Reflex und bewusstem Willensvorgang gleich zu setzen. Es ist dies die apperceptive Klarheit des Eindrucks im einen Falle verglichen mit der relativen Dunkelheit desselben im anderen. Geh\u00f6rt nicht etwa zu einem wirklichen und wahrhaft bewussten Vorgang die Apperception wesentlich hinzu? Es mag eine Unterstellung sein, wenn ich annehme, dass ein derartiger Gedanke hei Lange und seiner Erkl\u00e4rung der muskul\u00e4ren Reaction mitgesprochen hat. Dann richtet sich diese Entgegnung nur gegen die M\u00f6glichkeit einer solchen Ansicht. Die Selbstbeobachtung wie die wissenschaftliche Erw\u00e4gung l\u00e4sst mich keinen anderen Unterschied zwischen appercipirter und percipirter Vorstellung erkennen, als den der gr\u00f6\u00dferen Heiligkeit und l\u00e4ngeren \u201e Dauer der appercipirten Vorstellung. Zwischen der letzteren und j den percipirten Vorstellungen findet ein ebenso allm\u00e4hlicher Ueber-gang statt, als zwischen diesen und den reproductiven Vorstellungen. Alsdann liegt eine diametral entgegengesetzte Ansicht viel n\u00e4her, dahin gehend, dass man die Mitwirkung des Bewusstseins auch dort als nothwendig und vorhanden voraussetzt, wo die einzelnen psychischen Momente, aus welchen der Vorgang urspr\u00fcnglich besteht, nicht mehr zur Erscheinung kommen, wie es hei den stark einge\u00fcbten Gewohnheitshandlungen der Fall ist.\nDie Aufmerksamkeit ist nun im Falle der muskul\u00e4ren Reaction in anderem Sinne th\u00e4tig, als bei der sensoriellen Reaction. Bei dieser ist sie auf einen erwarteten Sinneseindruck gerichtet; sie besteht in der reproductiven Vorausnahme desselben und gleichzeitigen Hemmung anderer Vorstellungen. Dort ist sie mit der Bewegungsintention besch\u00e4ftigt ; die intendirte Muskelinnervation ist actuell im Bewusstsein. Selbst also wenn die Bewegung in Folge einer Verst\u00e4rkung der Bewegungsintention durch den sensiblen Reiz mechanisch erfolgte, w\u00fcrde der ganze Vorgang immer noch kein rein xeflexartiger sein. Denn ohne die Richtung der Aufmerksamkeit auf die Bewegung und ohne den Act des Bewusstseins, in welchem dieselbe besteht, w\u00fcrde die Reaction als Folge eines sensiblen Reizes nie erfolgen. Somit ist eine gewisse Mitwirkung des Bewusstseins bei der muskul\u00e4ren Reaction selbstverst\u00e4ndlich. Aber auch die Perception des Reizes ist nothwendig.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nG\u00f6tz Martius.\nTrotz der m\u00f6glichst strengen ^Richtung der Aufmerksamkeit auf die Bewegung ist eine gewisse Verbindung mit dem Sinnesreiz stets vorhanden. Gelingt die muskul\u00e4re Reaction gut, so ist die Ablenkung auf den Eindruck minimal. Aber nicht jeder Versuch gelingt gleich gut. In diesen geringen Schwankungen ist die Bedeutung der Perception des Reizes erkennbar. Sie tritt deutlich zu Tage in der v\u00f6lligen Abh\u00e4ngigkeit, in welcher sich die Reaction von den centralen Bedingungen, den kleinsten Ver\u00e4nderungen der Aufmerksamkeitsverh\u00e4ltnisse gezeigt hat. Immer freilich kann die gegnerische Meinung einwenden, dass mit derartigen Aenderungen der Vorgang aufh\u00f6rt, eine muskul\u00e4re Reaction und damit ein Reflex zu sein. Ich sehe keine Waffe gegen eine solche Behauptung als den Hinweis auf die innere Erfahrung und das Vertrauen, welches die Selbstbeobachtung nach unseren Versuchen beanspruchen kann. Denn dar\u00fcber kann kein Zweifel obwalten, dass die innere Erfahrung mit gro\u00dfer Sicherheit die Reaction, auch die muskul\u00e4re, als eine Folge des percipirten Sinneseindrucks bekundet und deutlich von jedem andern \u00e4hnlichen Vorgang, sei es ein Mittaktiren oder eine unwillk\u00fcrliche Bewegung (Vorreaction), zu unterscheiden wei\u00df. Auf diese Weise l\u00e4sst sich die Ansicht von der inneren Gleichartigkeit des muskul\u00e4ren und sensoriellen Reactionsvorgangs, wie mir scheint, im h\u00f6chsten Grade wahrscheinlich machen.\nWorin besteht dann also die Zeit Verk\u00fcrzung bei der muskul\u00e4ren Reaction? Es sind zwei M\u00f6glichkeiten vorhanden. Entweder wird die Bewegung in Folge der st\u00e4rkeren Vorbereitung derselben schneller ausgef\u00fchrt, oder der Beginn der Bewegung ist ein fr\u00fcherer, weil die Reizvorstellung nicht den Grad des Bewusstseins zu erreichen braucht, damit die Bewegung zu Stande kommt, und weil die Aufmerksamkeit den Schritt von der Reizvorstellung bis zur Bewegungsvorstellung nicht erst auszuf\u00fchren braucht. Das Zweite scheint mir das wahrscheinliche. Zu der Annahme, die Schnelligkeit der Bewegung sei verschieden, liegt kein besonderer Anlass vor, wohl aber waren es gerade jene centralen Verschiedenheiten, die sich hei den Versuchen \u00fcberall als wesentlich f\u00fcr die Zeit\u00e4nderungen psychischer Vorg\u00e4nge herausstellten.\nEs sei gestattet, die Gesammtauffassung der Zeitverh\u00e4ltnisse des psychischen Lehens, wie sie im Vorhergehenden an der Hand","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\t215\nder Versuche sich gestaltet hat, in kurzen Z\u00fcgen zu wiederholen. Jede einfachste Bewusstseinsthatsache, welche bei einem mehr oder weniger complexen Bewusstseinsvorgang in Betracht kommt, hei\u00dfe ein psychisches Moment, ein Ausdruck, dessen wir uns bereits \u00f6fters bedient haben. Bedingung f\u00fcr die Annahme des Vorhandenseins eines psychischen Momentes ist die Unterscheidbarkeit desselben durch das Bewusstsein. Im Grunde beruht also die Momentf\u00e4higkeit des Bewusstseins, um der K\u00fcrze halber diesen Ausdruck zu gebrauchen, auf der Empfindungsf\u00e4higkeit. Da es sich aber hier \u00fcberall um das entwickelte Bewusstsein handelt, m\u00f6ge die Frage nach dem Verfolg dieser Entwicklung und der Bedeutung von Association und Apperception bei derselben g\u00e4nzlich au\u00dfer Frage bleiben. Bei der Reaction kommen nun, abgesehen von den physikalischen Vorg\u00e4ngen und denjenigen physiologischen, die nicht centraler Art sind (Leitung), die actuelle Beizvorstellung (E), die Bewegungsvorstellung (B) und die Reproductionsvorstellungen (3H und 33), auf welchen die Zuordnung von Beiz und Bewegung beruht, in Betracht. B, B, 91 und 33 sind also die den Vorgang bildenden psychischen Momente. Je complicirter der Reactionsvorgang, um so zahlreicher sind die jeweiligen psychischen Momente, die mitwirken k\u00f6nnen, und zwar w\u00e4chst die Zahl derselben sehr schnell in das Vielfache. So besteht z. B. bei zusammengesetzten Reactionen, wie die oben geschilderten mit zehn Fingern, 91 aus mindestens zehn einzelnen x (den zehn Zahlen) und 33 aus mindestens zehn einzelnen b (den zehn Bewegungsvorstellungen f\u00fcr die einzelnen Finger); jede zugerufene Zahl, wie jede reproductive Zahlvorstellung (jedes r und r) ist wieder in eine gr\u00f6\u00dfere Anzahl psychischer Momente zerlegbar, insofern neben der Geh\u00f6rsvorstellung die eng associirte Gesichtsvorstellung und bei beiden wieder ihre einzelnen Theile (Buchstaben, Theilkl\u00e4nge) in Betracht gezogen werden m\u00fcssen; ebenso besteht jede einzelne BewegungsVorstellung (sowohl b als 6) aus einer Anzahl von Muskelempfindungen, und auch hier ist die eng associirte Gesichtsvorstellung hinzuzuz\u00e4hlen. Dass derartige Psychische Momente zweiten Grades, wie man sie bezeichnen kann, Qmht \u00fcbersehen werden d\u00fcrfen, zeigt sich deutliph bei Verwechselungen, wenn in Folge des Gleichklanges anstatt auf \u00bbeins\u00ab auf \u00bbzwei\u00ab reagirt wird, oder wenn trotz richtig verstandenen Zurufes\nWundt, Philos. Studien. YI.\t15","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216 G\u00f6tz Martius. 'Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit.\nein falscher Finger gehoben wird, der dann stets ein nahe liegender, also leicht zu verwechselnder ist. Als psychische Momente dritten Grades k\u00f6nnen schlie\u00dflich die associativen Verbindungen der des ersten und zweiten Grades gelten. Die Dauer eines psychischen Gesammtvorganges h\u00e4ngt dann offenbar, continuirliches Aneinanderschlie\u00dfen vorausgesetzt, von der Anzahl der mitsprechenden psychischen Momente und deren Einzeldauer ah. Im allgemeinen ist die Zahl im wesentlichen eine Function der Art des Vorganges, die Einzeldauer eine Function des Grades der Ein\u00fcbung oder der Enge der associativen Verbindung der einzelnen Theilmomente. F\u00fcr die Einzeldauer gilt ferner der Satz, dass dieselbe w\u00e4chst mit dem Grade der Helligkeit des Momentes. Die Apperceptionsdauer eines einzelnen psychischen Momentes ist eine ungeheure zu nennen gegen\u00fcber der Zeit, welche die vielen mitansprechenden psychischen Momente zweiten oder gar dritten Grades erfordern. Die gro\u00dfe Bedeutung der Aufmerksamkeit folgt unmittelbar aus dem Gesagten; ist sie doch nicht von dem Ablauf der TheilVorg\u00e4nge zu trennen, welche den complexen Bewusstseinsvorgang zusammensetzen. Sowohl die Reihenfolge der zusammenwirkenden psychischen Momente und mithin ihre Anzahl, als die apperceptive Dauer einzelner von ihnen h\u00e4ngt von der Aufmerksamkeit ab.\nSchlie\u00dflich beantwortet sich jetzt auch die Frage, worin denn jene Sch\u00e4tzung des Reactionsresultates besteht, welche in den oben mitgetheilten Versuchen sich als so genau erwiesen hat. Sie beruht auf der Reproductionsf\u00e4higkeit der Theilelemente des einzelnen Reactionsvorganges, soweit er psychischer Natur ist. Aus der Reproductionsf\u00e4higkeit folgt von selbst die Vergleichbarkeit. F\u00fcr die Ausf\u00fchrung der Vergleichung bilden die Anzahl und die an der Klarheit der Apperception gemessene Einzeldauer der psychischen Momente den Anhaltspunkt. Deswegen w\u00e4chst auch mit der Zusammengesetztheit des Vorganges die Schwierigkeit der Sch\u00e4tzung-","page":216}],"identifier":"lit4946","issued":"1891","language":"de","pages":"167-216","startpages":"167","title":"Ueber die muskul\u00e4re Reaction und die Aufmerksamkeit","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:33:24.364699+00:00"}