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Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Klänge

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{"created":"2022-01-31T14:35:30.257499+00:00","id":"lit4955","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Martius, G\u00f6tz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 6: 394-416","fulltext":[{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge.\nVon\nDr. G\u00f6tz Martius\nin Bonn.\nMit 2 Figuren im Text.\nIm Folgenden sollen neue Versuche \u00fcber die Zeit der Reaction auf Kl\u00e4nge verschiedener H\u00f6he mitgetheilt werden. Es h\u00e4ngt die Frage nach der Verschiedenheit der Reactionszeit bei Kl\u00e4ngen und deren Erkl\u00e4rung aufs engste zusammen mit der Frage nach der Perceptionsdauer derselben. Es sei gestattet, vor der Berichterstattung \u00fcber die eigenen Versuche den Stand dieser Fragen kurz zu er\u00f6rtern.\nNach einer neueren Mittheilung hat Mach1) bereits im Jahre 1873 gefunden, dass ein Ton von 128 Schwingungen, den man durch einen kleinen Ausschnitt einer gro\u00dfen, langsam rotirenden Scheibe h\u00f6rt, zu einem kurzen, trockenen Schlage (oder schwachen Knall) von sehr undeutlicher Tonh\u00f6he zusammenschrumpft, wenn seine Dauer auf 2 bis 3 Schwingungen reducirt wird, w\u00e4hrend bei 4 bis 5 Schwingungen die H\u00f6he noch ganz deutlich ist. Vermuth-lich beruht es auf dieser Angabe Mach\u2019s, wenn Dennert2) in einer neueren Untersuchung \u00fcber das Ger\u00e4usch von der Annahme ausgeht, dass \u00bbnur wenige Schallwellen, 4 bis 5, schon gen\u00fcgen, um eine Geh\u00f6rsempfindung zu bewirken\u00ab.\n1)\tMach, Beitr\u00e4ge zur Analyse der Empfindungen. Jena 1886, S. 117.\n2)\tAkustisch-physiologische Untersuchungen und Studien. Archiv f\u00fcr Ohrenheilkunde. 1889. Bd. XXIX, S. 76.","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge.\t395\nEin anderes Ergebniss hatte eine ungleich bekannter gewordene Untersuchung Exner\u2019s1). Dieser leitete den Ton einer Stimmgabel vermittelst eines Schlauches in die Ohren eines in getrenntem Zimmer sitzenden Beobachters. Durch eine geeignete Vorrichtung vermochte der Experimentator den Stimmgabelton beliebig zu unterbrechen und aus der verflossenen Zeit die jedesmalige Anzahl von Schwingungen, die vergangen waren, zu bestimmen. Es ergab sich, dass ein Ton von 128 Schwingungen nach 17,1 Schwingungen \u00bbdie erste Spur einer Tonempfindung erzeugte\u00ab (S. 233 a. a. O.), und dass ein Ton von [64 Schwingungen nahezu ebenso viel, n\u00e4mlich 16,8 Schwingungen n\u00f6thig hatte. In Zeitwerthe umgerechnet w\u00fcrde das hei\u00dfen, dass zur Entstehung einer Tonempfindung in dem einen Falle (128 Schw.) 133 a2), im andern Falle 266 a n\u00f6thig waren. Exner f\u00fcgt aber hinzu: \u00bbWenn ich hier von der Empfindung des betreffenden Tones spreche, so ist damit nat\u00fcrlich nicht gemeint, dass nicht nur eine Geh\u00f6rsempfindung \u00fcberhaupt zu Stande kommt, sondern dass eben dieser Ton in seiner bestimmten H\u00f6he erkannt wird\u00ab. Es handelt sich also hier um die Zeit, die [[bis zur vollen Apperception des Tones verging, wenn nicht gar auch noch die Zeit der Wiedererkennung eingeschlossen war. Nach Exner stimmen die Versuche besonders gut zu der Helmholtz\u2019schen Theorie des Mitschwingens. Denn nach dieser kann nicht wohl der einzelne, die gesammten Fasern erregende Luftsto\u00df eine Empfindung verursachen, sondern eine solche kann erst in Folge einer Reihe von Luftst\u00f6\u00dfen entstehen, die mit den Eigenschwingungen der betreffenden Faser \u00fcbereinstimmen und deren Summirung erst die Elongation der specifischen Faser bis zu der die Schwelle \u00fcbersteigenden Gr\u00f6\u00dfe bringt. Im Unterschied dazu w\u00fcrde ein Ger\u00e4usch, wie das eines \u00fcberspringenden elektrischen Funkens, durch eine einmalige kurze Einwirkung auf die Schneckenfasern zu Stande kommen, die sich zu jener Art verh\u00e4lt, wie ein scharfes Rei\u00dfen zu einem langsamen Ziehen.\nZu \u00e4hnlichen Ergebnissen, wie Exner, sind v. Kries und\n1) Zur Lehre von den Geh\u00f6rsempfindungen. In Pf l\u00fcg er\u2019s Archiv Bd. XIII,\n1876, S. 228 ff.\t2) 1 a = Viooo Sec.","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nG\u00f6tz Martius.\nAuerbach1) gelangt, aber auf anderm Wege. Von ihnen stammen die, soviel mir bekannt, bisher einzigen Versuche \u00fcber die Reactions-zeit verschieden hoher T\u00f6ne. Ihre Methode war die graphische (Kymographiontrommel). Die beiden Reihen von Versuchen, welche die beiden Forscher mitgetheilt haben, sind von sehr verschiedenem Werthe. Zuerst benutzten sie Glockent\u00f6ne, die ungef\u00e4hr im Quinten-verh\u00e4ltniss standen. Da aber die Entstehung des Schalles nicht gleichzeitig mit der die Schreibevorrichtung in Bewegung setzenden Stromunterbrechung stattfand, auch beim Glockenanschlag ein Nebenger\u00e4usch entstand, sind die erhaltenen Werthe unbrauchbar2). Anders steht es um die zweite Versuchsreihe. Hier wurden die auf die Reactions- und Unterscheidungszeit untersuchten T\u00f6ne durch Stahlpl\u00e4ttchen hervorgebracht, welche von Elektromagneten festgehalten werden konnten. Im Augenblick des Loslassens der Pl\u00e4ttchen entstand der Ton, und die Schreibvorrichtung notirte zu gleicher Zeit diesen Augenblick. Die T\u00f6ne hatten 640 und 400 Schwingungen, standen also im Verh\u00e4ltniss einer kleinen Sexte; ein dritter Ton lag \u00bbungef\u00e4hr\u00ab zwischen diesen beiden. Zur Vergleichung wurde jedesmal auch auf das durch einen \u00fcberspringenden elektrischen Funken entstehende Ger\u00e4usch reagirt. Die sich ergebenden Reactionszeiten waren :\nFunke h\u00f6chster Ton mittlerer Ton tiefster Ton A. 132\t142\t151\t157\nK. 129\t139\t157\t158\nAus den Zahlen wird zun\u00e4chst gefolgert, dass die Reactionszeit mit wachsender Tonh\u00f6he abnimmt, w\u00e4hrend sie beim elektrischen Funken am kleinsten ist. Der Grund wird mitExner darin gesucht, dass die Fasern des Corti\u2019schen Organs eine gewisse Anzahl von Schwingungen ben\u00f6thigen, bis sie \u00bbdie zur Erregung des Nerven n\u00f6thige Excursion\u00ab erlangt haben. Die Bestimmung dieser Zahl\n1)\tv. Kries und Auerbach, Ueber die Zeiten der einfachsten psychischen Processe. Du Bois-Reymond, Archiv f. Physiologie 1877.\n2)\tC. Stumpf (Tonpsychologie I, S. 215 ff.) hat sie trotzdem herangezogen. Irrth\u00fcmlich sind dabei die Hundertstel als Tausendstel angegeben. Auch in der mit I bezeichneten Reihe der Unterscheidungszeiten auf S. 216 ist das Komma um eine Stelle nach rechts zu r\u00fccken. Die L\u00e4nge der Unterscheidungszeit der beiden Glockent\u00f6ne erkl\u00e4rt sich mit v. Kries und Auerbach unbefangen aus der Aehnlichkeit derselben in Folge der Obert\u00f6ne.","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge.\n397\nerh\u00e4lt man, wenn man die Differenz der Reactionszeit des elektrischen Funkens und des betreffenden Tones [mit der Schwingungszahl des letzteren multiplicirt. Es ergehen sich die folgenden sechs Zahlen :\nA. 6,4 9,5 10,0 K. 6,4 14,0 11,6\nAus allen diesen von zwei verschiedenen Versuchspersonen her-r\u00fchrenden und schlecht genug \u00fcbereinstimmenden Zahlen wurde das Mittel gezogen und geschlossen, dass 9 bis 10 Schwingungen vergehen m\u00fcssen, \u00bbbis \u00fcberhaupt eine Empfindung entsteht\u00ab; es ist damit, wie auch aus der oben angezogenen Stelle hervorgeht, gemeint, bis \u00fcberhaupt eine Erregung entsteht. Denn zu der durch die 9 bis 10 Schwingungen beanspruchten Zeit tritt ja noch die auch vom elektrischen Funken ben\u00f6thigte Zeit der Fortpflanzung der Erregung durch die Nerven und das Centralorgan. Es wird unten die Frage aufgeworfen werden, wieweit diese ganze Anschauung haltbar erscheint.\nv. Kries und Auerbach haben ferner bei der Untersuchung der Unterscheidungszeit derselben zwei T\u00f6ne gefunden, dass diese ebenfalls beim tieferen Tone l\u00e4nger war, als bei dem h\u00f6heren. Die Zahlen sind in tausendstel Secunden:\ntiefer Ton\thoher Ton\nK. 54\t49\nA. 35\t19\nMan sieht, eine in Betracht kommende Differenz weisen nur die Zahlen des einen Beobachters (A) auf. Nichtsdestoweniger wurden auch hier wieder die Differenzen 5 und 16 der beiden Beobachter zusammengefasst und ihr Mittel (10) benutzt, um durch eine an sich einwandsfreie Rechnung die Anzahl Schwingungen zu bestimmen, welche vergehen m\u00fcssen, bis eine eingeleitete Tonerregung zu einer vollen, in ihrer H\u00f6he erkannten oder erkennbaren Tonempfindung (appercipirten Empfindung) f\u00fchrt. Ist n\u00e4mlich x diese gesuchte Zahl, sind ferner nt und nT die Schwingungszahlen der untersuchten T\u00f6ne, Ut und UT die gefundenen Unterscheidungszeiten und endlich y die \u00fcberall gleiche nicht von der Schwingungsdauer abh\u00e4ngige Zeit des eigentlichen psychischen Vorganges, so hat man","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nG\u00f6tz Martius.\n+ y = Ut\nx i\nTr + y\n= Ur\nalso:\nJL=i7T_ ut.\nMit Einsetzung der bekannten Gr\u00f6\u00dfen ergibt sich, so zu sagen, als Apperceptionsschwelle die Zahl von 10 bis 11 Schwingungen, zusammengenommen mit den zur Erregung n\u00f6thigen 10 Schwingungen (Erregungsschwelle), also fast dieselbe Zahl, welche Exner direct f\u00fcr die Apperception eines Tones als nothwendig gefunden hatte. Wenn nur das benutzte Zahlenmaterial \u00fcbereinstimmender gewesen w\u00e4re, und wenn nur nicht die Unterscheidungszeit des einen (tieferen?) Tones und des Ger\u00e4usches unmittelbar darauf als unter sich und mit dem h\u00f6heren der vorhin genannten T\u00f6ne gleich gro\u00df gefunden w\u00e4re! Wichtig f\u00fcr uns ist, und deshalb musste genauer auf die Sache eingegangen werden, die auch hier hervortretende Grundanschauung, dass der zur Perception und Apperception f\u00fchrende Gesammtprocess in allen F\u00e4llen an sich gleich viel Zeit gebraucht, also gleich schnell verl\u00e4uft ; die Zeitunterschiede f\u00fcr hohe und tiefe T\u00f6ne werden theils auf Rechnung der Zeit der Erregung der Perceptionsorgane gesetzt, theils wird f\u00fcr den Fortschritt der percipirten bis zur appercipirten Empfindung eine l\u00e4ngere Dauer des in stets gleicher Schnelligkeit verlaufenden Processes angenommen. Es muss hinzugef\u00fcgt werden, dass die angef\u00fchrten Schlussfolgerungen v. Kries\u2019 und Auerbach\u2019s in der urspr\u00fcnglichen Abhandlung mit allem Vorbehalt auftreten. Dieselben sind aber sp\u00e4ter, wenigstens von Auerbach, in ihrem ganzen Umfange aufrecht erhalten worden ').\nWieder auf directem Wege hat Pfaundler \u00bbdie geringste Anzahl von Schallimpulsen, welche zur Hervorbringung eines Tones n\u00f6thig ist\u00ab, zu bestimmen versucht1 2). Er benutzte, wie Mach,\n1)\tAuerbach, Ueber die absolute Anzahl von Schwingungen, welche zur Erzeugung eines Tones n\u00f6thwendig sind. Poggendorff\u2019s Annalen, N.F.VI, 1\u00ae'\n2)\tPfaundler, Ueber die geringste Anzahl von Schallimpulsen u. s. \" \"Wiener Berichte 1877. Math. nat. CI. 76. Bd., II. Abth.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge.\t399\neine Sirene. Durch Anbringen von zwei Blaser\u00f6hren auf derselben L\u00f6cherreihe, von denen das eine feststand, w\u00e4hrend das andere beweglich war, gelang es den dem jedesmaligen Abstand der beiden Blaser\u00f6hren entsprechenden Ton h\u00f6rbar zu machen. So wurde eine Scheibe mit 4 L\u00f6chern im Abstande je eines Quadranten durch die beiden Blaser\u00f6hren angeblasen. Dabei h\u00f6rt man einen Ton mit der Schwingungszahl 4n, wenn n die Anzahl der Scheiben-drehungen in der Secunde bedeutet, und einen ver\u00e4nderlichen, der von bedeutender H\u00f6he im Anfang, wenn die beiden Blaser\u00f6hren sich nahe nebeneinander befinden, bis zu Sn herabf\u00e4llt, wenn das bewegliche Blaserohr um die H\u00e4lfte des L\u00f6cherabstandes (45\u00b0) fortbewegt ist, um dann bei weiterer Ann\u00e4herung an die zum ersten Blaserohr rechtwinklige Stellung wieder zu steigen; ist diese erreicht, so tritt ein Ton = 4n ein, der variable Ton f\u00e4llt mit dem constanten zusammen. Pfaundler zieht den Schluss, \u00bbdass im Minimum zwei Schallimpulse auf die mitschwehenden Theile des Ohres gen\u00fcgen k\u00f6nnen, um die Empfindung eines Tones hervorzurufen, und dass diese Empfindung durch rasche Wiederholung zum Bewusstsein gebracht werden kann\u00ab. In der That sind es ja immer nur zwei Impulse, welche auf einmal dem Ohre zugef\u00fchrt werden; aber die beiden Impulse wiederholen sich viermal hei jeder Umdrehung des Rades. Wenn man also auch in Folge dieser That-sache zugehen will, dass zwei Impulse eine Erregung des Percep-tionsorgans hervorz\u00fcbringen im Stande sind, so ist damit noch nichts f\u00fcr die nothwendige Zahl der Impulse f\u00fcr die Entstehung einer Empfindung bewiesen. Pfaundler setzt auch selbst die Nothwendigkeit der raschen Wiederholung jener zwei Impulse f\u00fcr die Entstehung der bewussten Empfindung voraus. Eine Empfindung \u00fcbrigens, die erst \u00bbzum Bewusstsein gebracht werden\u00ab m\u00fcsste, ist \u2014 wenigstens f\u00fcr den Psychologen \u2014 keine Empfindung, sondern eine Erregung, so oft auch die Verwechselung zwischen Reiz- oder Erregungsvorgang und Empfindungsvorgang gemacht ist und in Zukunft gemacht werden wird.\nEndlich hat Kohlrausch1) die Frage zu beantworten gesucht,\n1) Kohlrausch, Ueber T\u00f6ne, die durch eine begrenzte Anzahl von Impulsen erzeugt werden. Wiedemann\u2019s Annalen d. Phys. 1880, Bd. X.\nWnndt, Fhilos. Studien. VI.\t27","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nG\u00f6tz Martius.\nwie viel Impulse n\u00f6thig sind, um die H\u00f6he eines Tones zu erkennen, welcher durch das Ueberstreichen eines mit Z\u00e4hnen versehenen Pendels \u00fcber ein Kartenblatt entstand, und den er direct mit einem Monochordton verglich. Er fand, dass die Z\u00e4hne des Pendels bis auf zwei entfernt werden konnten, ohne dass die Erkennbarkeit der Tonh\u00f6he, wenigstens bis auf ein Intervall von 24/25, aufh\u00f6rte; und er fand ferner, dass die gr\u00f6\u00dfte Genauigkeit in der Auffassung der H\u00f6he des Pendeltones schon hei 16 vorhandenen Z\u00e4hnen, denen 16 Impulse entsprechen, erreicht war. Danach w\u00fcrden also 2 Schwingungen nicht blos f\u00fcr die Erregung der Faser, sondern auch f\u00fcr die Hervorbringung einer bewussten Empfindung ausreichen. Es fragt sich nur, oh diese an dem Tone des Kartenblattes gemachte Erfahrung auch f\u00fcr andere T\u00f6ne als verbindlich angesehen werden kann.\nEs lassen sich nach dem Mitgetheilten zwei Richtungen der Ansichten \u00fcber unsern Gegenstand unterscheiden. Die einen, zugleich in dem Bestreben, die Helmholtz\u2019sche Theorie des Mitschwingens m\u00f6glichst sinnlich auszumalen, nehmen eine Zahl von ungef\u00e4hr 10 Schwingungen hei jedem Ton als f\u00fcr die Erregung des Organs n\u00f6thig an und eine gleich gro\u00dfe zur Steigerung der Erregung bis zu einer \u00bbcharakterisirten\u00ab Empfindung. Die andern halten eine viel geringere Zahl (2 bis 5) Schwingungen zur Entstehung einer Erregung oder auch einer Empfindung f\u00fcr ausreichend. Uebereinstimmend wird das Ger\u00e4usch als auf einer einmaligen Erregung des Organs beruhend aufgefasst. Die Dauer und Geschwindigkeit der durch den Nerven und das Gehirn fortschreitenden psychophysischen Erregung wird, soweit sich aus den besprochenen Ansichten ein R\u00fcckschluss darauf machen lie\u00df, \u00fcberall als in allen F\u00e4llen gleich vorausgesetzt.\nWas die Reactionszeit auf T\u00f6ne betrifft, so w\u00fcrde aus der Richtigkeit der ersten Ansicht nothwendig folgen, dass dieselbe mit dem Anwachsen der Tonh\u00f6he stetig sinken muss bis zur k\u00fcrzesten Zeit der Reaction auf ein Ger\u00e4usch. Ist die zweite Ansicht richtig, so kann die Reactionszeit offenbar f\u00fcr alle T\u00f6ne und Geh\u00f6rseindr\u00fccke jedweder Art in weiten Grenzen nahezu gleich sein. Dass sie es ist, dass \u00fcberhaupt die Reaction auf Eindr\u00fccke desselben Sinnesgebietes f\u00fcr dieselbe Person und unter denselben","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge.\n401\nBedingungen eine stets gleiche sei, ist zur Zeit die vorherrschende Ansicht. So sagt Wundt1), nachdem er hervorgehoben, dass die sehr erheblichen Reactionszeitunterschiede bei verschiedenen Geruchsund Geschmacksstoffen in rein physiologischen Bedingungen (Reizverh\u00e4ltnissen) und nicht in psychophysischen ihren Grund haben: \u00bbDagegen sind bei den drei Sinnen, bei denen allein die Reactionszeit die zureichende Regelm\u00e4\u00dfigkeit darbietet, um eine sichere Untersuchung solcher Einfl\u00fcsse (n\u00e4mlich der Qualit\u00e4t) zuzulassen, keinerlei constante Unterschiede bei qualitativ verschiedenen Reizeinwirkungen beobachtet worden. Jedenfalls sind also diese Unterschiede so klein, dass sie gegen\u00fcber den sonstigen Einfl\u00fcssen nicht in Betracht kommen.\u00ab Es musste bei der principiellen Wichtigkeit der Sache von Interesse sein, die Reactionszeit auf T\u00f6ne oder Kl\u00e4nge in einem ausgedehnteren Theile der Scala zu untersuchen, als es bisher geschehen. Denn abgesehen von sonstigen Bedenken konnte die durch v. Kries und Auerbach angestellte Pr\u00fcfung einer kleinen Sexte unter keinen Umst\u00e4nden f\u00fcr die vorliegende Frage von allgemein verbindlicher Entscheidung sein.\nDie sogleich mitzutheilenden Versuche wurden von mir in dem eben verflossenen Sommersemester angestellt. Es betheiligten sich an denselben mit anerkennenswerthestem Eifer die Herren stud, phil. H. von Prott, der bereits im Reagiren vorz\u00fcglich ge\u00fcbt war, und stud, philos. Marbe, welcher in besonderen Versuchen zu dem Zwecke einge\u00fcbt wurde. Auch Herr stud, theol. Hesse ist mehrfach als Assistent bei den Versuchen th\u00e4tig gewesen.\nIch gehe zur Versuchsanordnung \u00fcber. Zuerst erschien es mir m\u00f6glich, den Tonreiz durch eine einfache Einrichtung an einem Pianino in einer f\u00fcr das zu benutzende Hi pp\u2019sehe Chronoskop geeigneten Weise herzustellen. Nach Fortnahme der vor den Tasten liegenden Leiste wurde eine mit der elektrischen Leitung in Verbindung gebrachte und vorn mit einem Stift versehene Feder (federndes Kupferblechpl\u00e4ttchen) in der Weise unter die Taste geschoben, dass der Stift beim Anschlag der Taste in ein den Strom schlie\u00dfendes, verstellbares Quecksilbern\u00e4pfchen eintauchte. Trotz\n1) Wundt, Phys. Psychologie, 3. Aufl., Bd. II, S. 284.\n27*","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nG\u00f6tz Martius.\nvorsichtigster Einstellung dieses N\u00e4pfchens und trotz sonstiger Vorsichtsma\u00dfregeln (so wurde das Niederdr\u00fccken der Tasten durch ein Gewicht bewirkt, um alle Druckunterschiede zu vermeiden) gelang es indessen bei der verwickelten Hebeleinrichtung des Pianinos und der Unregelm\u00e4\u00dfigkeit der Filzunterlage der Tasten nicht, den Ton gleichm\u00e4\u00dfig mit dem Schl\u00fcsse der Leitung und der damit verbundenen Ausl\u00f6sung des Uhrwerkes zu erzeugen. Schon w\u00e4hrend dieser vergeblichen Vorversuche war eine Anordnung des Versuches ins Auge gefasst, welche das von vornherein als das denkbar richtigste erscheinende Princip zu verwirklichen geeignet war, n\u00e4mlich die Zeiger des Chronoskops durch den Ton selbst im Augenblick seiner Entstehung in Bewegung setzen zu lassen. Das Hipp\u2019sehe Chronoskop in seiner neueren Form gestattet, nicht blos, wie das alte, mit Schluss und Oeffnung, sondern auch unter Benutzung des unteren Elektromagneten mit Oeffnung und Oeffnung zu arbeiten; es l\u00e4sst \u00fcberhaupt alle\u2019m\u00f6glichen F\u00e4lle, also au\u00dfer den genannten auch Schluss-Schluss und Oeffnung-Schluss, zu. Leitet man nun einen Strom durch die zur Erregung des jedesmaligen Tones zu benutzende Saite in der Weise, dass mit dem Augenblicke der physikalischen Entstehung des Tones, also mit dem Augenblick des Loslassens der Saite und ihrer ersten Schwingung, der Strom ge\u00f6ffnet wird, und ist die unmittelbare Folge dieser Oeffnung die Bewegung der Uhrzeiger, die durch die Reaction wieder in Stillstand gerathen, so sind offenbar die Bedingungen f\u00fcr eine richtige Messung der Reactionszeit bei verschieden hohen T\u00f6nen oder Kl\u00e4ngen in befriedigendster Weise erf\u00fcllt.\nEs f\u00fchrte dies zu der aus der nebenstehenden Abbildung (Fig. 1) leicht zu verstehenden Versuchsanordnung. B ist die Batterie; es wurden acht gro\u00dfe Meidinger\u2019sche Ballonelemente benutzt. W ist der Stromwender. Von ihm gehen zwei Stromkreise aus; dieselben seien im Folgenden in Uebereinstimmung mit der Zeichnung als innerer und \u00e4u\u00dferer bezeichnet. Der innere geht durch den Rheostaten [Rh), das Chronoskop (Oh) in das durch ein gro\u00dfes Zimmer von dem ersten getrennte Reagentenzimmer zum Reactionstaster (T), Controlhammer (Ctrh), elektrischen Hammer (H) und endlich zur\u00fcck in den Stromwender; der zweite (\u00e4u\u00dfere) Kreis geht vom Stromwender sofort in das Reagentenzimmer, durch den","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge.\n403\ngleich zu beschreibenden Tonerzeuger {Tonerz.) und wieder zur\u00fcck\nStromwender.\nTonen.\nFig. 1.\nFigur 2 veranschaulicht den Tonerzeuger. Durch die selbst\u00e4ndige und zeitraubende Ueberwachung der Construction und\nFig. 2.\nAusf\u00fchrung desselben hat sich der mitarbeitende Herr Marbe ein besonderes Verdienst um diese Arbeit erworben. Der Apparat","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"1\n404\tG\u00f6tz Martius.\nbesteht, wie man sieht, im wesentlichen aus zwei Theilen, einem Kesonanzkasten und einem Saitenhalter. Der erstere war aus trockenem, d\u00fcnnem Fichtenholz solide hergestellt und 130 cm lang, 90 cm hoch und 50 cm tief. Vorn tr\u00e4gt derselbe zwei Bretter zum Auflegen und Anschrauben des Saitenhalters mit der Saite. Dieser bestand aus starkem Holz, gegen welches zur Vermeidung der Biegung eine starke, eiserne Leiste fest angeschraubt war. Das Befestigen der Saite geschah auf der einen Seite durch eine Schlinge, die sich um einen eisernen Stift festzog, auf der anderen durch eine in dem Holze des Halters festsitzende, auf der Zeichnung sichtbare Schraube, wie sie bei den Klavieren ebenfalls zur Befestigung der Saiten benutzt werden. Durch einen Klavierschl\u00fcssel lie\u00df sich somit die aufgespannte Saite bequem und leicht auf den gew\u00fcnschten Ton einstimmen. Es geschah dies nach einem Pianino, das ein wenig h\u00f6her als die Normalstimmung (a1 = 440) stand. Zur Herstellung der vier untersuchten Kl\u00e4nge waren drei der beschriebenen Saitenhalter im Gebrauch. Zur Erzeugung des tiefsten Tones diente eine mit Kupfer \u00fcbersponnene Stahlsaite, wie sie sich in jedem Klavier befindet; sie lieferte das Contra-C [C \u2014 33 Schwingungen). Dasselbe klang in Folge des Iiesonanzkastens voll und kr\u00e4ftig, mindestens wie von einer guten Bassgeige. Die zweite Saite, ebenfalls Klaviersaite von Stahl, aber nicht \u00fcbersponnen, diente zur Herstellung der folgenden zwei Kl\u00e4nge; in einer Ausdehnung von ungef\u00e4hr 45 cm angeschlagen, gab sie ein sch\u00f6nes, aushaltendes c (264 Schwingungen). Durch Verschiebung der beiden Stege gegeneinander wurde auf derselben Saite auch c\u201d (1056 Schwingungen) hergestellt; der Ton war deutlich, aber in Folge der st\u00e4rkeren Spannung kurz und schnell ausschwingend. Zur Hervorbringung endlich des h\u00f6chsten Klanges [c\"\" = 2112 Schwingungen) wurde eine sehr d\u00fcnne Stahlsaite, wie sie von den Zitherspielern gebraucht wird, in Anwendung gebracht, und zwar das an der Befestigung bis zum Stege schr\u00e4g aufsteigende, kurze St\u00fcck, welches einen weichen, ebenfalls klaren, aber schnell ausklingenden Ton gab.\nVermittelst einer Klemmschraube (wie in Fig. 2) oder durch sorgf\u00e4ltige Verschlingung wurde nun das eine Ende der Saite in die \u00e4u\u00dfere der beiden Leitungen eingeschaltet. Der Schluss dieses","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge.\n405\nStromkreises, der bei der Wieder\u00f6ffnung die Tonerregung vermitteln musste, wurde auf zweierlei Art bewirkt. Bei der tiefsten (umsponnenen) Saite war die Herstellung desselben eine andere, als in den \u00fcbrigen F\u00e4llen. Wie Fig. 2 zeigt, war an den Saitenhalter in der Mitte desselben eine Messingplatte [p) fest angeschraubt. Die eine der dabei benutzten Schrauben hielt zugleich den auch auf der Zeichnung angedeuteten Leitungsdraht. Wenn also die Saite (s) fest an diese Platte gedr\u00fcckt wurde, war der Schluss der \u00e4u\u00dferen Leitung ein vollst\u00e4ndiger. In dem Augenblick, wo die Hand die Saite loslie\u00df, entstand zu gleicher Zeit der gew\u00fcnschte Ton, sowie die Oeffnung des Stromkreises. In der Regel wurden beim Andr\u00fccken der Saite, was eine ziemlich starke Anspannung erforderte, beide H\u00e4nde benutzt, nicht, wie die Zeichnung der Deutlichkeit wegen angibt, nur die eine. Die H\u00e4nde -waren mit weichen wollenen Handschuhen bekleidet. Auf diese Weise gelang es, einen kr\u00e4ftigen, sch\u00f6nen Ton zu erzeugen, ohne irgend welche nennenswerthe Nebenger\u00e4usche. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass wenigstens f\u00fcr den Verfasser der erste Oherton (C= 66) fast ebenso laut zu h\u00f6ren war als der Grundton, besonders beim Beginn des Schwingens, also gerade zu der in Betracht kommenden Zeit; bei l\u00e4ngerem Aushalten drang schlie\u00dflich der Grundton st\u00e4rker durch.\nIn den anderen F\u00e4llen wurde die Saite mittelst eines metallenen Ringes angeschlagen, wie ihn die Zitherspieler benutzen. An denselben war ein Drath angel\u00f6tet, der dann mit der Leitung direct verkn\u00fcpft werden konnte. In der schematischen Zeichnung (Fig. 1) ist dies Verfahren angedeutet. Der dort gezeichnete Ring [r) befand sich bei Ausf\u00fchrung der Versuche auf dem Daumen des betreffenden Herrn, der den Tonerzeuger bediente. Der Stift des Ringes wurde so lange fest gegen die Saite gedr\u00fcckt, bis der Ton erklingen sollte ; so lange war dann also auch wiederum der \u00e4u\u00dfere Stromkreis geschlossen. Hier musste sorgf\u00e4ltig Acht gegeben werden, dass nicht durch zu heftiges Anschl\u00e4gen der Saite ein momentanes Nebenger\u00e4usch entstand. Mit der n\u00f6thigen Vorsicht lie\u00df sich dies in ausreichendem Ma\u00dfe vermeiden.\nNach dem Vorausgeschickten ist der Ablauf des einzelnen Versuches unmittelbar verst\u00e4ndlich. So lange die Saite mit ihrem","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nG\u00f6tz Martius.\nContacte (Messingplatte oder Zitherring) in Verbindung steht, sind beide Stromkreise geschlossen ; in Folge des Widerstandes im inneren Kreise geht der Strom aber durch die \u00e4u\u00dfere Bahn, also durch den Tonerzeuger und nicht durch das Chronoskop; die Zeiger des letzteren stehen still. Im Augenblick der Entstehung des Tones und gleichzeitigen Oeffnung des \u00e4u\u00dferen Kreises muss der Strom durch die innere Bahn, der untere Elektromagnet des Chronoskops tritt in Function; die Zeiger setzen sich in Bewegung. Nach vollzogener Reaction sind beide Kreise ge\u00f6ffnet ; die Zeiger stehen wieder still. Es waren also stets drei Personen th\u00e4tig, eine vor dem Chronoskop, die andere am Tonerzeuger und die dritte als Reagent.\nJedem Versuche ging ein doppeltes Signal voraus. Das erste bestand in vier schnell aufeinander folgenden Glockenschl\u00e4gen. Es war das Zeichen, dass der Contact am Tonerzeuger hergestellt werden sollte. Ob dies geschehen, konnte der am Chronoskop sitzende Experimentator an der Stellung der beweglichen Zeigerachse genau controliren. Nachdem dann die mechanische Arre-tirung des Chronoskops entfernt war, folgte das zweite Signal, ein einmaliger Glockenschlag. Diesem hatte der am Tonerzeuger sitzende Assistent die Hervorbringung des Tones genau anzupassen nach dem bekannten g\u00fcnstigen Intervall von etwas \u00fcber 1 sec. In demselben Intervall wurde auch m\u00f6glichst die Aufeinanderfolge des ersten und zweiten Signals gehalten, was nur in den F\u00e4llen, wo die Chronoskopfeder nicht gleich richtig ansprach, nicht vollst\u00e4ndig erreicht werden konnte. Durch diese Ma\u00dfregel wurde also f\u00fcr eine m\u00f6glichst genaue Vorbereitung der Aufmerksamkeit Sorge getragen.\nDie folgende Tabelle enth\u00e4lt die Zusammenstellung der Versuchsergebnisse; n bedeutet die Anzahl der Einzelversuche, aus denen das unter R angegebene Mittel gewonnen ist.\nTabelle I.\na) Reagent G. M.\nDat.\tTon\tR\tmV\tn\tControlz.\tmV\n31. VII.\tc\t155,9\t12,7\t18\t124,2\t0,76\n\u00bb\tc'\t145,0\t6,8\t12\t\u00bb\t\u00bb.\n\u00bb\tc\"\t139,4\t4,4\t13\t\u00bb\t\u00bb\n1. VIII.\tc\"\"\t127,1\t11,2\t18\t\t\n31. VII.\tHammer\t109,1\t8,8\t15\t))\t))","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge.\n407\nb) Reagent v. Pr.\nDat.\tTon\tR\tmV\tn\tControlz.\tmV\n24. VII.\tC\t150,3\t\u25a0 5,8\t14\t123,1\t1,7\n\u00bb\tc\t138,3\t7,7\t18\t\u00bb\t\u00bb\n\u00bb\tc\"\t125,5\t7,7\t17\t\u00bb\t\u00bb\n\u00bb\tc\t116,8\t8,2\t12\t))\t\u00bb\n\u00bb\tHammer\t117,3\t8,4\t19\t\u00bb\t\u00bb\nc) Reagent Mb.\nDat.\tTon\tR\tm V\tn\tControlz.\tmV\n23. VII.\tc\t142,3\t12,2\t19\t124,2\t1,0\n\u00bb\tc\t139,3\t8,9\t18\t\u00bb)\t)>\n\u00bb\tc\"\t119,7\t8,8\t16\t\u00bb\t\u00bb\n\u00bb\tc\"'\t104,0\t8,3\t14\t\u00bb\t))\n\u00bb\tHammer\t109,2\t8,0\t18\t\u00bb\t))\nIn Tab. I, a fehlt f\u00fcr den einen Werth vom 1. VIII. leider die Controlzeit ; da dieselbe Wochen lang nahezu constant war, hat dies nichts auf sich. Wohl aber l\u00e4sst sich ein anderer Einwand gegen die unmittelbare Vergleichbarkeit der in den Tabellen enthaltenen Werthe machen. Wie man sich erinnert (vergl. Fig. 1), war der elektrische Hammer sowohl, wie der Controlhammer, in den inneren Kreis eingeschaltet ; bei den Controlversuchen und den Hammerreactionen wurde also nur dieser benutzt (Schluss-OefFnung). Daraus l\u00e4sst sich der Einwand erheben, dass der Controlhammer wohl die Verh\u00e4ltnisse bei der Hammerreaction ausreichend con-trolirt habe, aber nicht die bei der Tonreaction in Betracht kommenden Umst\u00e4nde. Denn die Einschaltung der Saiten in den \u00e4u\u00dferen Stromkreis k\u00f6nnte die gesammten Intensit\u00e4tsVerh\u00e4ltnisse des benutzten Stromes in einer Weise beeinflussen, welche f\u00fcr das Resultat nicht unber\u00fccksichtigt bleiben d\u00fcrfe. Kurz, der Controlhammer g\u00e4be dann wohl eine Gew\u00e4hr f\u00fcr die Regelm\u00e4\u00dfigkeit der Function der Uhr und die Unversehrtheit der Versuchseinrichtung, biete aber nicht die \u00bbelektromagnetische Correction\u00ab. Um diesem Einwande, der sich mir erst zuletzt aufdr\u00e4ngte, zu begegnen, musste also der Einfluss der verschiedenen in den \u00e4u\u00dferen Kreis eingeschalteten Saiten auf die Controlzeit nachtr\u00e4glich ermittelt werden.","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\nG\u00f6tz Martius.\nEs lie\u00df sich dies auch mit dem Controlhammer seihst in einfacher Weise erreichen. Derselbe besitzt eine Einrichtung, die ihn geeignet macht, zum zweimaligen Oeffnen zu dienen, wie dies unsere Versuchseinrichtung verlangte. Der obere Hebel, welcher durch den herabfallenden Hammer gegen die von einer Feder gest\u00fctzte Platte gedr\u00fcckt wird, wobei er f\u00fcr gew\u00f6hnlich den Strom schlie\u00dft, dr\u00fcckt die ganze Platte nach abw\u00e4rts und \u00f6ffnet dadurch zugleich einen seitlichen Contact derselben mit einer \u00fcber sie \u00fcbergreifenden und mit einer Klemmschraube f\u00fcr die Drahtleitung versehenen zweiten Platte. Diese Oeffnungseinrichtung wurde also f\u00fcr unseren inneren Kreis benutzt, w\u00e4hrend der \u00e4u\u00dfere Kreis in die f\u00fcr den aufschlagenden Hammer auch sonst vorhandene Oeffnungsvorrich-tung eingeschaltet wurde. Die Spiralfeder, von welcher die Genauigkeit des jetzt benutzten Contactes der Platte abh\u00e4ngt, war kurz vorher von mir erneuert worden. Mit dieser Neueinrichtung wurde nun f\u00fcr jede benutzte Saite die Controlzeit ermittelt, und zwar unter denselben Umst\u00e4nden wie hei den Reactionsversuchen, indem also ein Assistent den Schluss des \u00e4u\u00dferen Kreises auf die gew\u00f6hnliche Weise am Tonerzeuger herstellte. Da nach der Einrichtung des Controlhammers der Schluss durch den Contacthebel fr\u00fcher eintritt als die erst nach Ueberwindung des wenn auch geringen Federwiderstandes m\u00f6gliche Oeffnung, war von vornherein zu erwarten, dass die Zeiten bei der neuen Anordnung um ein wenig k\u00fcrzer ausfallen w\u00fcrden. In der That erhielten wir bei der Einschaltung der Stahlsaite (c' u. c'\") die Controlzeit 118,2 (mV \u2014 0,75), und bei den beiden anderen Saiten (C' u. c\"\") \u00fcbereinstimmend die Zahl 113,5 (mV = 0,75 und 1,0), w\u00e4hrend der Durchschnitt der Controlzeit in der alten Anordnung 123,8 a betrug. Nehmen wir an, was wohl kaum gewagt sein d\u00fcrfte, dass der Unterschied von 5,6 a zwischen den Zahlen 118,2 und 123,8 auf die durch die Ver\u00e4nderung der Versuchsanordnung beruhende geringe Verk\u00fcrzung der gemessenen objectiven Zeit zur\u00fcckzuf\u00fchren sei, dass also die bei diesen beiden Controlzeiten erhaltenen Reactionszeiten unmittelbar vergleichbar sind, so bleibt nur noch \u00fcbrig, die hei der Controlzeit 113,5 erhaltenen Werthe auf die Zeit 118,2 zu redu-ciren, um \u00fcberall genau vergleichbare Werthe zu besitzen. Auf diese Weise erhalten wir als endg\u00fcltiges Zahlenmaterial die in","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge.\n409\nTabelle II zusammengestellten drei Reihen. Bei der Berechnung sind die Bruchtheile der benutzten Zahlen fortgelassen.\nTabelle II.\nR\tC\tc\tc'\"\tc\"\"\tHammer\nG.M.\t165,6\t145,0\t139,4\t131,5\t109,1\nv. Pr.\t155,3\t138,3\t125,5\t121,1\t117,3\nMb.\t146,9\t139,3\t119,7\t107,6\t109,2\nFassen wir das unmittelbar in die Augen fallende Resultat der Tabelle in einem Satze zusammen, so w\u00fcrde derselbe lauten :\nDie Reactionszeit auf die innerhalb der sechs Octaven zwischen C' und c\"\" liegenden Kl\u00e4nge nimmt mit Zunahme der Schwingungszahl derselben stetig ab und erreicht in der Gegend des c\"\" die K\u00fcrze der Reactionszeit der Ger\u00e4usche.\nWichtig f\u00fcr die Beurtheilung dieser Ergebnisse ist zun\u00e4chst die befolgte Reactionsweise. Da es sich um einfache Reactionen handelte, lag es nahe, die muskul\u00e4re Art der Reaction ausschlie\u00dflich zu bevorzugen. Es stellte sich dies jedoch als schwierig heraus. Vergleichende Vorversuche hatten das unerwartete Ergebniss, dass die muskul\u00e4re Reaction einerseits von den Reagenten \u00fcberhaupt schwer ausgef\u00fchrt werden konnte, andererseits mehrfach zu h\u00f6heren Betr\u00e4gen f\u00fchrte, als die sensorielle in der von mir neulich beschriebenen Form1). Die Neuigkeit der Reize lenkte offenbar die Aufmerksamkeit so stark auf sich, dass die Vorschrift, die Aufmerksamkeit auf die Bewegung zu richten, nicht andauernd und streng befolgt werden konnte. Es h\u00e4tte zu weit gef\u00fchrt, dieses eigenth\u00fcmliche Verhalten weiter zu verfolgen und festzustellen, wie schnell der st\u00f6rende Einfluss der neuen Verh\u00e4ltnisse auf die Re-actionsform \u00fcberwunden w\u00e4re. In Folge dessen wurde bei den weiteren Versuchen ausschlie\u00dflich die Aufmerksamkeit auf den Reiz gerichtet, dabei aber m\u00f6glichst schnell reagirt, so dass von einer Apperception des Eindrucks keine Rede sein konnte. Sobald einmal eine l\u00e4ngere Apperception stattfand, hatte der Reagent dies zu\n1) Vergl. diesen Band der Studien S. 212.","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410\nG\u00f6tz Martius.\nbemerken und der Werth wurde gestrichen. Auffallend dabei war wieder die Sicherheit der Selbstbeobachtung der Reagenten ; ich sali darin eine Best\u00e4tigung der Ansicht, dass die subjective Zeitsch\u00e4tzun\u00bb solcher kleiner Zeitwerthe direct von der Klarheit der betreffenden Vorstellungen abh\u00e4ngig ist, jedenfalls mit davon abh\u00e4ngig ist. ist nicht unm\u00f6glich, dass von dieser Beobachtung aus f\u00fcr den ganzen Zeitsinn und die Frage nach dem Wesen desselben eine weitere Aufkl\u00e4rung gewonnen werden k\u00f6nnte.\nSo stellen sich denn die Zeitdifferenzen, die aus den Versuchen sich ergeben, als Unterschiede der Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge dar und zwar in Abh\u00e4ngigkeit von den Unterschieden ihrer Schwingungszahlen. Dass diese Abh\u00e4ngigkeit besteht, folgt einmal aus der Stetigkeit, mit welcher die Reactionszeit bei wachsender Schwingungszahl abnimmt, sodann aus dem Umstande, dass die Schwingungszeiten die einzig variablen Elemente des sonst durchaus gleichartigen Reactionsvorganges sind.\nSo ergibt sich denn anscheinend eine Best\u00e4tigung der ersten der beiden oben geschilderten Ansichten \u00fcber den Perceptionsvor-gang der T\u00f6ne, welche eine gr\u00f6\u00dfere, aber bestimmte Anzahl von Schwingungen als nothwendig f\u00fcr die Erregung des Perceptions-organs ansah. Um dies zu verfolgen, haben wir zun\u00e4chst die Differenzen der Zeiten der Klangreaction mit den Zeiten der Hammeroder Ger\u00e4uschreaction zu bilden. Wir erhalten so Tabelle III.\nTabelle III.\nN\tC\te\tc\"\tc\"'\tR\n1\t56,5\t35,9\t30,3\t22,4\tO.M.\n2\t38,0\t21,0\t8,2\t3,8\tv. Pr.\n3\t37,7\t30,1\t10,5\t-1,6\tMb.\nBerechnet man dann aus diesen Zeitwerthen die Anzahl der Schwingungen, welche zur Erregung des Perceptionsorgans bei den einzelnen Kl\u00e4ngen n\u00f6thig sind, indem man die gefundenen Zeiten in die Schwingungszahlen multiplicirt, so ergeben sich die folgenden Reihen, welche also nicht mehr Zeiten, sondern Schwingungszahlen bedeuten:","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge.\t411\nTabelle IV.\nN\tc\tc\tc\"\te\tR\n1\t1,9\t9\t31\t47\tG.M.\n2\t1,3\t5,5\t8,7\t8,0\tv. Fr.\n3\t1,2\t7,9\t11,6\t-3,4\tMb.\nDie drei Reihen bieten ein ganz unerwartetes Bild. Sollte die Theorie sich bewahrheiten, so h\u00e4tten die Zahlen ann\u00e4hernd s\u00e4mmt-lich gleich ausfallen m\u00fcssen. Dass es nicht m\u00f6glich ist, aus diesen Zahlen einen Durchschnittswerth zu bilden und diesen als die Anzahl der zur Erregung n\u00f6thigen Schwingungen anzusehen, d\u00fcrfte keiner weiteren Begr\u00fcndung bed\u00fcrfen, obschon durch einen artigen Zufall die Durchschnittszahl 8,4 sein, also mit der durch v. Kries und Auerbach gefundenen auffallend gut \u00fcbereinstimmen w\u00fcrde. Auch dass die Zahl der das Perceptionsorgan in volle Erregung setzenden Schwingungen mit der H\u00f6he des zu erzeugenden Tones ansteigt, l\u00e4sst sich nicht aus der Tabelle folgern, so sehr auch die Reihe 1 (Gr. M.) hierauf hinzuweisen scheint. Es widersprechen die beiden andern Reihen. Hier w\u00e4chst die gefundene Anzahl zwar ebenfalls von 1 bis zu einem bei c liegenden Maximum, f\u00e4llt aber sogleich wieder ab, und zwar zeigt Reihe 2 (\u00bb. Pr.) gerade den Beginn des Abnehmens, w\u00e4hrend wir in Reihe 3 bereits eine negative Zahl f\u00fcr den Klang c\" erhalten haben. Das Erscheinen dieser negativen Zahl muss \u00fcber die Theorie, nach welcher sie gefunden ist, den Stab brechen, sobald wir voraussetzen, dass sie nicht auf Zufall beruht, dass vielmehr auch bei den andern Reagenten, wie dies nach Tabelle II durchaus nicht un-wahrscheinlich ist, die Differenz der Klang- mit der Ger\u00e4usch-reaction gleich Null oder negativ geworden w\u00e4re, falls wir nur die Versuche mit h\u00f6heren T\u00f6nen als c\"\" fortgesetzt h\u00e4tten. Denn eine Tonempfindung, die um die Zeit einer gewissen Anzahl von Schwingungen fr\u00fcher entsteht, als der Beginn der Saitenschwingungen, auf welchen sie beruhen soll, kann es schlechterdings nicht geben. Ferner w\u00e4re es nicht gerade wahrscheinlich, dass die tiefen T\u00f6ne weniger Schwingungen zur Erregung des Organs n\u00f6thig haben sollten, als die h\u00f6heren. Es w\u00fcrde an diesen Verh\u00e4ltnissen auch nichts ge\u00e4ndert, falls wir f\u00fcr das Contra- C (O') in der Berechnung","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nG\u00f6tz Martius.\ndas gro\u00dfe C einsetzten, was in der That der Natur des benutzten Klanges nicht widersprechen w\u00fcrde. Alle diese Umst\u00e4nde vereinigen sich, um den Schluss zu ergeben, dass nach den mitge-theilten Versuchen und unter Voraussetzung von deren G\u00fcltigkeit die auf der Theorie des Mitschwingens fu\u00dfende Annahme. dass eine bestimmte gr\u00f6\u00dfere Anzahl von Schwingungen vergehen muss ehe eine Erregung zu Stande kommt, nicht richtig sein kann. Und dieses Ergebniss folgt aus Versuchen, welche die Verschiedenheit der Reactionszeiten in den verschiedenen Theilen der Tonscala best\u00e4tigt haben, w\u00e4hrend doch diese Verschiedenheit gerade die vornehmste St\u00fctze jener Theorie zu sein schien.\nWie erkl\u00e4rt sich dann aber die Verschiedenheit der Reactionszeiten und die daraus folgende Verschiedenheit der Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge? Die innere Folgerichtigkeit der entwickelten Gedanken f\u00fchrt zu dem Schluss, dass, wenn der Grund des Zeitunterschiedes nicht in der f\u00fcr die Erregung des Organs nothwendigen mit der Schwingungszahl variablen Zeit liegt, er nur in der Natur des ge-sammten Erregungsprocesses gesucht werden kann; es ist dann die Annahme nicht abzuweisen, dass die Geschwindigkeit des psychophysischen Erregungsvorganges bei den verschiedenen T\u00f6nen verschieden ist. Diese Folgerung w\u00e4re, ebenso unerwartet wie sie war, doch ebenso weittragend. Jedwede Erregung einer Faser w\u00fcrde zu einer .Erregung des gesammten Mechanismus der Leitung und des Centrums f\u00fchren, w\u00fcrde den Molek\u00fclen der Leitungs- und Centralsubstanz eine Bewegung von bestimmter Art und Geschwindigkeit mittheilen. Schon nach zwei Schwingungen w\u00fcrde eine Stetigkeit des specifischen Bewegungszustandes erreicht sein. Es k\u00f6nnte verlockend erscheinen, die sich so ergebende Anschauungsweise zu verfolgen und auszumalen. Die Unterschiede der Intensit\u00e4t w\u00fcrde man nach Analogie der Saitenschwingungen in gr\u00f6\u00dferer Weite der Bewegung des Einzelmolek\u00fcls suchen oder auch in dem Betheiligtsein einer gr\u00f6\u00dferen Anzahl von Molek\u00fclen unter Beibehaltung der Geschwindigkeit der Fortpflanzung des Bewegungsvor-gangs von Molek\u00fcl zu Molek\u00fcl. Die Unterschiedsschwellen f\u00fcr Qualit\u00e4t und Intensit\u00e4t w\u00fcrden sich aus dem Widerstand, welchen der eine Bewegungszustand dem Uebergang in einen neuen entgegensetzt, von selbst erkl\u00e4ren. Licht und Schall w\u00fcrden sich nicht","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Reactionszeit und Pereeptionsdauer der Kl\u00e4nge.\n413\nnUr im Augenblick des Reizungsvorganges, sondern im ganzen Verlauf des ihnen zu Grunde liegenden psychophysischen Geschehens verhalten wie chemischer und physikalischer Bewegungs-process. Vielleicht lie\u00dfe sich aus dem gebotenen oder noch zu gewinnenden Zahlenmaterial auch der Versuch einer mathematischen Behandlung des Problems machen, wie es j\u00fcngst von Ebbinghaus1) in Betreif der Lichtempfindungen und der ihnen zu Grunde liegenden Vorg\u00e4nge geschehen ist.\nJedoch wir verzichten vor der Hand auf diese Speculationen, um noch einige Bedenken zu besprechen, welche sich den gezogenen Folgerungen entgegenstellen k\u00f6nnen. Diese st\u00fctzten sich auf die Voraussetzung, dass das in Tab. Ill, 3 hervorgetretene negative Vorzeichen bei Fortsetzung der Versuche mit h\u00f6heren Kl\u00e4ngen auch in den \u00fcbrigen Reihen zum Vorschein gekommen sein w\u00fcrde. Sehen wir jetzt von dieser Voraussetzung ab und schieben die Erscheinung des negativen Werthes auf Rechnung der gew\u00f6hnlichen Schwankungen der Reactionszeiten, so entsteht die Frage, ob nicht auch unter der Annahme, dass nur zwei bis h\u00f6chstens f\u00fcnf Schwingungen vergehen, bis eine Tonempfindung entstehen kann, die gefundenen Differenzen der Reactionszeiten sich erkl\u00e4ren lassen, so dass also die zweite der oben unterschiedenen Ansichten best\u00e4tigt w\u00fcrde. Wir m\u00fcssen dann als abzuziehen f\u00fcr den Erregungsvorgang die Dauer von 1 bis 4 Schwingungen rechnen; denn die letzte Schwingung bringt die Empfindung hervor, leitet damit den Reac-tionsvorgang ein, wie es auch der Ger\u00e4uschreiz thut, und darf mithin nicht mitberechnet werden. Tabelle V bietet einen bequemen Ueberblick \u00fcber die f\u00fcr 1 bis 4 Schwingungen der benutzten T\u00f6ne n\u00f6thigen Zeiten.\nTabelle V.\ns\\\tC'\tC\tc\tC\" I\tc\"\"\n1\t30\t15\t4\t0,9 j\t0,5\n2\t60\t30\t7\t1,8 !\t0,9\n3\t90\t45\t11\t2,7 |\t1,4\n4\t120\t60\t15\t3,6 1\t1,9\n1) Ebbinghaus, Ueber den Grund der Abweichungen vom Weber\u2019schen Gesetz bei Lichtempfindungen. Pfl\u00fcger\u2019s Archiv Bd. XLV.","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414\nG\u00f6tz Martius.\nUnter S ist die Anzahl der Schwingungen angegeben, deren Zeiten in den \u00fcbrigen Reihen enthalten sind; die Einheit ist wieder 0,001 sec. Man sieht, dass f\u00fcr c\"\" und auch f\u00fcr c'\" die Dauer selbst von 4 Schwingungen so kurz ist, dass sie gegen\u00fcber der gesammten Reactionszeit verschwindet, dass also auch hei Geltung der nunmehrigen Annahme in dieser H\u00f6he der Tonscala die Reactionszeit f\u00fcr Ger\u00e4usch und Klang einander sich n\u00e4hern m\u00fcssten. Man sieht ferner, dass die Zahlen der Tabelle Y mit denen der Tabelle III verglichen noch am besten \u00fcbereinstimmen, wenn man 2 Schwingungen f\u00fcr die Perceptionsschwelle rechnet, also 3 Schwingungen als f\u00fcr die Entstehung einer Empfindung n\u00f6thig ansieht. Es kommt hinzu, dass die Zahlen der Tabelle III m\u00f6glicher Weise nach gr\u00f6\u00dferer Uebung sich noch verk\u00fcrzen w\u00fcrden. Die schon von v. Kries und Auerbach gemachte Beobachtung, dass der Einfluss der Uebung bei Tonreactionen ein bedeutender ist, best\u00e4tigte sich auch bei uns. Die mitgetheilten Zahlen sind die dritten von uns gewonnenen. Die ersten waren ein gut Theil h\u00f6her, wenn auch von Anfang an ihr Verh\u00e4ltniss die gleiche Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit aufzeigte. So betrug, um nur den extremsten Fall zu nennen, f\u00fcr v. Pr. die zuerst erhaltene Reactionszeit auf C 200,96, die auf c\"\" 130,60 bei einer normalen Hammerreactions-zeit von 122,1 a. Somit mag zugegeben werden, dass die Annahme, dass 3 Schwingungen f\u00fcr die Hervorbringung einer Tonempfindung n\u00f6thig sind, einen Widerspruch mit den von uns gefundenen That-sachen nicht einschlie\u00dft. Auf keine Weise lie\u00dfe sich dieselbe aber aufrecht erhalten, falls sich eine bestimmte, nur innerhalb individueller Anlagen variable Grenze herausstellte, von der an alle Ton-reactionszeiten kleiner w\u00e4ren als die Zeiten der Reaction auf ein Ger\u00e4usch.\nZu einem anderen allgemeinen Bedenken k\u00f6nnte der Umstand Veranlassung geben, dass es sich in unsern Versuchen um Kl\u00e4nge und nicht um T\u00f6ne handelte. Einmal k\u00f6nnte man daraus folgern, die ganzen Versuche seien nicht beweiskr\u00e4ftig; denn thats\u00e4chlich sei ja nicht auf die T\u00f6ne mit den angegebenen und zur Berechnung benutzten Schwingungszahlen reagirt, sondern auf eine ganze Reihe von T\u00f6nen mit den entsprechenden Vielfachen der Schwingungszahlen ; sodann k\u00f6nnte man gegen die Theorie von der verschie-","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge.\n415\ndenen Geschwindigkeit der psychophysischen Erregungsvorg\u00e4nge einwenden, dass sie den Widerspruch einschl\u00f6sse, dass die Theilt\u00f6ne eher in der Empfindung vorhanden seien, als die Grundt\u00f6ne. Diese Einw\u00e4nde werden in den Augen des Physikers, vielleicht auch in denen des Physiologen, ein gr\u00f6\u00dferes Gewicht haben, als in denen des Psychologen. Die ersteren halten sich an das, was sie durch \u00e4u\u00dfere Beobachtung oder Rechnung erfahren, dieser an das, was er im Bewusstsein vorfindet; jene sind geneigt, in den \u00e4u\u00dferen Bewegungsvorg\u00e4ngen, diese in den inneren Bewusstseins Vorg\u00e4ngen das Wesentliche und einzig Wirkliche zu sehen, w\u00e4hrend in Wahrheit die Wirklichkeit, die Natur im vollen Sinne des Wortes, beide Welten, die bewusste und unbewusste gleichm\u00e4\u00dfig einschlie\u00dft. Nun bleiben die Theilt\u00f6ne als solche in der Regel, wenn sie nicht eine besondere St\u00e4rke besitzen, unbewusst ; f\u00fcr den Psychologen wird also ihre physikalische oder physiologische Existenz nicht ausschlaggebend sein. Ihm ist zur Einleitung der Reactionsbewegung die bewusste Empfindung eine nothwendige Bedingung. Ein Reiz, der so schwach ist, dass er keine Empfindung auszul\u00f6sen im Stande ist, vermag auch nicht der Anlass einer Reactionsbewegung zu werden; also kommen die Theilt\u00f6ne nur in Betracht, wenn sie eine au\u00dfergew\u00f6hnliche St\u00e4rke besitzen. Und in \u00e4hnlicher Weise ist auch auf den zweiten Einwand zu antworten. Es ist ganz wohl denkbar, dass die psychophysischen Erregungen, welche die hohen Theilt\u00f6ne erzeugen, schneller verlaufen, als die der zugeh\u00f6rigen Grundt\u00f6ne. Die Beobachtungen an tiefen Kl\u00e4ngen mit starken Theilt\u00f6nen scheinen dies sogar direct zu best\u00e4tigen. Das hindert nicht die Entstehung des bekannten Gesammteffects des Klanges; denn die psychophysischen Erregungen, welche die Theilt\u00f6ne hervorhringen, dauern an, so lange die Erregung andauert, welche den Grundton begleitet; jener Gesammteffect entsteht also erst, wenn die langsameren Erregungen durch den Grundton die schnelleren des Theil-tones so zu sagen eingeholt haben.\nWir fassen die Ergebnisse dieser Arbeit in den folgenden S\u00e4tzen zusammen:\n1) die Reactionszeiten auf Kl\u00e4nge nehmen mit wachsender H\u00f6he derselben, soweit sich die bisherige Untersuchung erstreckt hat, stetig ab.\n^undt, Philos. Studien. VI.\too","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416 G\u00f6tz Martius. Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge.\n2)\tDie auf die Arbeiten Ex n er\u2019s, v. Kries\u2019 und Auerbach\u2019s sich st\u00fctzende Ansicht, dass zur Entstehung einer Tonempfindung ca. 10 Schwingungen n\u00f6thig seien, welches auch die H\u00f6he des Tones sein mag, ist unhaltbar,\n3)\tDie Perceptionsdauer der T\u00f6ne ist in weitem Umfange der Tonscala (C' bis c\"\") eine Function ihrer Schwingungszahlen. Es hleibt zu entscheiden, ob der Grund darin zu suchen ist, dass erst nach ungef\u00e4hr drei Schwingungen die Erregung des Perceptionsorgans oder der Centralsubstanz die Schwelle \u00fcberschritten, oder ob der Grund in der verschiedenen, von der Geschwindigkeit der Impulse abh\u00e4ngig zu denkenden Geschwindigkeit des leitenden und centralen Erregungsvorgangs selbst angenommen werden muss.\nZum Schluss eine pers\u00f6nliche Bemerkung. Diese Arbeit ist im hiesigen psychologischen Laboratorium angefertigt. Dasselbe, zur Zeit Privatsache, befindet sich in B\u00e4umen des hiesigen physikalischen Instituts, welche dem Verfasser von dem derzeitigen Director, Herrn Prof. Dr. Heinr. Hertz, in entgegenkommendster Weise \u00fcberwiesen worden sind. Es ist mir eine angenehme Pflicht, demselben auch an dieser Stelle daf\u00fcr meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.","page":416}],"identifier":"lit4955","issued":"1891","language":"de","pages":"394-416","startpages":"394","title":"Ueber die Reactionszeit und Perceptionsdauer der Kl\u00e4nge","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:35:30.257505+00:00"}

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