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Erster Theil: Blut und Blutbewegung

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{"created":"2022-01-31T14:55:12.807688+00:00","id":"lit6202","links":{},"metadata":{"alternative":"Handbuch der Physiologie. Band 4: Handbuch der Physiologie des Kreislaufs, der Athmung und der thierischen W\u00e4rme","contributors":[{"name":"Rollett, Alexander","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Handbuch der Physiologie. Band 4: Handbuch der Physiologie des Kreislaufs, der Athmung und der thierischen W\u00e4rme, edited by Ludimar Hermann, 1-340. Leipzig: F. C. W. Vogel","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"PHYSIOLOGIE\nDES\nBLUTES UND DEB BLUTBEWEGUNG\nProf. Dr. A. ROLLETT in Gtraz.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IY.\n1","page":1},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"ERSTER THEIL.\nPHYSIOLOGIE DES BLUTES.\nEINLEITUNG.\nDie physiologischen Vorg\u00e4nge, an welchen das Blut betheiligt ist, sind \u00e4usserst zahlreich und verschiedenartig und darum die Aufgabe, welche eine Physiologie des Blutes zu l\u00f6sen hat von sehr ver-wickeltet* Art.\nDie Blutbeh\u00e4lter stellen ein den Lebensbedingungen des compli-cirt gebauten Organismus angepasstes Canalsystem vor, bestimmt zur Aufnahme eines immer in derselben Richtung bewegten und in sich zur\u00fcckkehrenden Fl\u00fcssigkeitsstromes, der in den verschiedensten Wechselbeziehungen zu den Einzelorganen des K\u00f6rpers und zur Aus-senwelt tritt.\nZuerst zum Gesammtstrom vereinigt, tritt das Blut mit bestimmter Mischung (arterielles Blut) aus dem linken Herzen, um sich in eine grosse Menge von Zweigstr\u00f6men bis zu capillarer Feinheit zu zertheilen. Dabei \u00e4ndert es an bestimmten Orten seines Verlaufes durch Abgabe und Empfang von Stoffen seine Mischung in quantitativ und qualitativ verschiedener Weise ab und auf den aus der Wiedervereinigung der Strombahnen entstandenen Abfuhrwegen (Venen) kehren physiologisch-differente Zweigstr\u00f6me (Blutstrom der Muskeln, der Haut, des Darmes, der Nieren u. s. w.), welche eben so viele Besonderheiten ihrer Mischung aufweisen (ven\u00f6se Blutarten) zur\u00fcck.\nErst durch die Vereinigung dieser Str\u00f6me zu dem r\u00fcckkehrenden Gesammtstrom gleicht sich die Blutmischung zu jener ab, die wir, nachdem auch noch Lymphe und Chylus sich ins Blut ergossen, im gegebenen Moment im rechten Herzen vorfinden.\nDas so gemischte Blut tritt nun wieder aufgel\u00f6st in Zweige bis zur capillaren Feinheit, deren physiologische Bedeutung aber jetzt f\u00fcr alle Zweige dieselbe ist durch die Lungen, das einzige Organ, welches w\u00e4hrend jeden Kreislaufes von der Gesammtmenge des Blutes passirt wird, und erwirbt durch Aufnahme und Abgabe bestimm-\nl*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nRollett, Physiologie des Blutes. Einleitung.\nter Stoffe (O, CO2) wieder die Beschaffenheit, welche das Blut des linken Herzens auszeichnet.\nDurch die Schnelligkeit, mit welcher der Kreislauf und die damit verbundene immer wiederkehrende Theilung und Wiedervereinigung des Blutstromes sich wiederholen, ist f\u00fcr die Gesammtmenge des Blutes die M\u00f6glichkeit gegeben, auch jene stofflichen Ver\u00e4nderungen zu erleiden, welche in Organen vermittelt werden, durch welche nicht so wie durch die Lungen bei jedem einzelnen Kreislauf der Gesammtstrom, sondern nur ein Stromarm hindurchtritt.\nDie Str\u00f6mung des Blutes bedingt also einen fortw\u00e4hrenden Abgleich seiner Mischung und w\u00e4hrend jedes Kreislaufes zwei Modifica-tionen des gemischten Blutes, die eine vor (ven\u00f6ses Blut) die andere nach dem Durchtritt durch die Lungen (arterielles Blut).\nIst nun auch die Blutmischung der Zeit und den Umst\u00e4nden nach, mit dem relativen Gehalt der physiologisch-differenten Zweigstr\u00f6me, mit der Geschwindigkeit des Stromes und der wechselnden Th\u00e4tigkeit der Organe bestimmten Schwankungen unterworfen, so bedingt der fortw\u00e4hrend rasche Abgleich der Mischung trotz der mannichfachen Beziehungen des Blutes zu den einzelnen Organen doch eine Reihe von \u00fcbereinstimmenden Charakteren, die das Blut an allen Orten seiner Bahn zeigt und derenthalben es seit langem eine selbstst\u00e4ndige Betrachtung in der Physiologie erfahren hat.\nDiese hat sich vorzugsweise in drei Richtungen zu entfalten.\n1.\tDas Blut besorgt f\u00fcr alle Organe die Zufuhr von Sauerstoff. Zu dessen Aufnahme ist im Blut eine bedeutende Oberfl\u00e4chenvermehrung realisirt dadurch, dass eine grosse Anzahl selbstst\u00e4ndig gestalteter K\u00f6rperchen in demselben suspendirt ist, die Blutk\u00f6rperchen.\n2.\tDas Blut f\u00fchrt allen Organen Ern\u00e4hrungsmateriale zu. Es besitzt einen grossen Vorrath von Verbindungen, die bei hohem Molekulargewicht wenig Sauerstoff enthalten und somit grosse Mengen von Verbrennungsw\u00e4rme entwickeln k\u00f6nnen. In dieser Beziehung wird uns besonders der Reichthum des Blutes an Eiweissk\u00f6rpern und das Vorkommen anderer verbrennlicher Substanzen in demselben besch\u00e4ftigen.\n3.\tDas Blut enth\u00e4lt Umsetzungsproducte, welche bei der Th\u00e4tigkeit der Organe gebildet in die aus den einzelnen specifischen Organen r\u00fcckkehrenden Zweigstr\u00f6me gelangen und mit diesen in das gemischte Blut aufgenommen werden. Der Gehalt des Blutes an solchen Stoffen ist im Allgemeinen gering und schwankt zwischen engen Grenzen auf und ab, da dieselben bei den sich folgenden Kreisl\u00e4ufen in bestimmten Organen wieder ausgeschieden werden.","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Macroscopische Zerlegung. Gerinnung. Plasma.\n5\nERSTES CAPITEL.\nMacroscopische Zerlegung des Blutes.\nDas frische Blut des Menschen und der Wirbelthiere stellt f\u00fcr das blosse Auge eine undurchsichtige Fl\u00fcssigkeit von hell scharlach-rother bis dunkel kirschrotker Farbe dar. Wenn es aus den Ge-f\u00e4ssen des lebenden Organismus entfernt und in k\u00fcnstlichen Beh\u00e4ltern gesammelt wird, so treten, w\u00e4hrend es in denselben steht, unter verschiedenen Bedingungen bestimmte Scheidungen seiner Bestandteile auf, die zu einer Art macroscopischer Zergliederung des Blutes gef\u00fchrt haben. Es wird sehr wesentlich zur Verst\u00e4ndigung \u00fcber die mechanische und chemische Zusammensetzung des Blutes beitragen, wenn diese Scheidungen gleich hier besprochen werden.\nI. Gerinnung des Blutes.\nEinige Zeit, nachdem das Blut aus den Gef\u00e4ssen des lebenden Organismus entfernt ist, h\u00f6rt es auf fl\u00fcssig zu sein und nimmt eine gallertige Beschaffenheit an, man bezeichnet diese Ver\u00e4nderung des Blutes als Gerinnung desselben. Wenn die Gallerte, welche die Form des Gef\u00e4sses besitzt, in welchem das Blut geronnen ist, nun einige Zeit sich selbst \u00fcberlassen bleibt, so verkleinert sie ihr Volumen. zieht sich von den Wandungen des Beh\u00e4lters zur\u00fcck und stellt einen verj\u00fcngten Abguss der Lichtung des Beh\u00e4lters dar. W\u00e4hrend dieser Contraction presst die Gallerte eine durchsichtige Fl\u00fcssigkeit aus, welche vorsichtig abgehoben eine gelbe Farbe besitzt und v\u00f6llig klar erscheint. Man bezeichnet die contrahirte Gallerte als Blutkuchen l, die ansgepresste Fl\u00fcssigkeit als Blutserum.\nII. Gewinnung von Blutplasma.\nDie Gerinnung des Blutes, die uns sp\u00e4ter-noch sehr ausf\u00fchrlich besch\u00e4ftigen wird, kann aufgehalten oder doch betr\u00e4chtlich verz\u00f6gert werden, wenn das aus den Adern entfernte Blut bei einer Temperatur von 0\u00b0 C. auf bewahrt wird oder wenn man ihm die L\u00f6sungen gewisser Salze zusetzt.\n1 Der Blutkuchen f\u00fchrte die Namen crassamentum, placenta, coagulum sanguinis.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6 Rollett, Physiologie des Blutes. 1. Cap. Macroscop. Zerlegung des Blutes.\nUnter diesen Einfl\u00fcssen treten im ruhig stehenden Blut Scheidungen anderer Natur als die besprochenen auf dadurch, dass das Blut sich in eine Reihe differenter Schichten auseinandersetzt.\nWird z. B. frisch aus der Ader fliessendes Pferdeblut in hohen schmalen Cvlindergl\u00e4sern, die vorher in einer K\u00e4ltemischung abge-gek\u00fchlt wurden bei 0UC. aufgefangen und ruhig stehen gelassen (Br\u00fccke1), so bilden sich schon nach 1\u20142 Stunden in der Bluts\u00e4ule drei verschiedene Schichten aus, eine untere die dunkelroth und undurchsichtig; eine mittlere die grau und undurchsichtig und verh\u00e4lt-nissm\u00e4ssig schmal erscheint etwa bho der H\u00f6he der ganzen S\u00e4ule betr\u00e4gt; ferner eine obere, die durchsichtig und gelblich erscheint, sie betr\u00e4gt nicht ganz die halbe H\u00f6he der S\u00e4ule.\nDiese letztere Schichte ist die Fl\u00fcssigkeit, mit welcher vor der Schichtung im Blute aufgeschwemmte selbstst\u00e4ndig gestaltete K\u00f6rperchen innig gemengt waren. Man bezeichnet sie als Blutplasma. Die K\u00f6rperchen haben sich beim Stehen des Blutes zufolge ihrer gr\u00f6sseren specifischen Schwere zu Boden gesenkt, wir werden diese K\u00f6rperchen bei der microscopischen Analyse des Blutes als rothe und weisse Blutk\u00f6rperchen kennen lernen. Die ersteren sind die Tr\u00e4ger des rothen Blutfarbstoffes und finden sich im geschichteten Blute in der unteren rothen Schichte angeh\u00e4uft; die letzteren, welche ein geringeres specifisches Gewicht besitzen als die rothen, aber wieder specifisch schwerer sind als das Plasma, finden sich in der schmalen grauen Schichte vor, welche die rothe und die durchsichtige Schichte von einander trennt, man darf sich aber nicht vorstellen, dass die weissen Blutk\u00f6rperchen nur in dieser Schichte vorhanden sind, denn ihr specifisches Gewicht ist eben so wie das der rothen gr\u00f6sser als das specifische Gewicht des Plasma, sie m\u00fcssen also gemeinsam mit der rothen sedimentiren und die Differenz der specifischen Gewichte den rothen und weissen K\u00f6rperchen kann nur bedingen, dass die rothen in der untersten, die weissen in der obersten Schichte des Bodensatzes am reichlichsten angeh\u00e4uft sind (Schklarewsky 2). Das durch die Schichtung des Blutes gewonnene Plasma kann klar abgehoben und in der K\u00e4lte filtrirt werden. Es reagirt alkalisch , ist klebrig und z\u00e4hfl\u00fcssig.\nBringt man es in eine Temperatur von wenig \u00fcber 0\u00b0C., so wird es gallertig, noch rascher tritt diese Ver\u00e4nderung bei Zimmertemperatur (14\u201415\u00b0 C.) auf.\nDie durchsichtige Gallerte f\u00fcllt anf\u00e4nglich das Gef\u00e4ss, in wei-\n1\tBr\u00fccke, Arch. f. path. Anat. XII. S. 18S.\n2\tSchklarewsky. Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 603. 1868.","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Schichtung des Blutes.\n7\nehern sie sich befindet, vollst\u00e4ndig ans, nach einiger Zeit f\u00e4ngt sie aber an sich zu contrahiren um an der freien und der den W\u00e4nden des Beh\u00e4lters zugekehrten Oberfl\u00e4che klare Tropfen auszupressen. Diese sammeln sich, w\u00e4hrend die Gallerte immer mehr sich contra-hirt und dabei undurchsichtig wird, zu einer gr\u00f6sseren Fl\u00fcssigkeitsmenge an, welche das contrahirte Gerinnsel allseitig umgiebt.\nDas Plasma gerinnt also unter ganz \u00e4hnlichen Erscheinungen wie das Blut selbst, w\u00e4hrend aber im nicht geschichteten Blute der Kuchen die Blutk\u00f6rperchen einschliesst, erhalten wir aus dem Plasma ein farbloses Gerinnsel.\nDas Sedimentiren der Blutk\u00f6rperchen findet nicht in dem Blut aller Species so rasch statt wie im Blut des Pferdes. Es erfolgt weniger schnell im Blut des Menschen, des Hundes, der Katze, des Meerschweinchens und der Ratte, sehr langsam und unvollkommen im Blut-des Rindes, Schweines und Schafes. Dagegen kommt es im Blut der V\u00f6gel, Amphibien und Fische wieder sehr rasch und vollkommen zu Stande.\nSowie durch niedere Temperaturen kann man die Gerinnung des Blutes auch durch Zusatz von Salzl\u00f6sungen hinausschieben oder auf-heben und so die Schichtung des Blutes erm\u00f6glichen. Man verwendet dazu eine 4 % enthaltende L\u00f6sung von Dihydronatriumphosphat (2 Th. auf 1 Th. Blut). Jedes damit gemischte Blut scheidet nach 24\u201448 Stunden eine ansehnliche Schichte klaren Plasmas ab (Masia ').\nHewson1 2 erzielte schon die Schichtung des Blutes mit einer ganzen Reihe von Salzen, am Besten mit einer L\u00f6sung von Natriumsulfat, die sp\u00e4ter von Denis3 ges\u00e4ttigt (1 Vol. auf 6 Vol. Blut) zu demselben Zwecke verwendet wurde. Mit noch viel besserem Erfolge verwendet man eine 25\u201428% enthaltende L\u00f6sung von Magnesiumsulfat (1 Vol. auf 3 Va\u20144 Vol. Blut), welche die Gerinnung vollst\u00e4ndig beseitigt (Semmer 4, A. Schmidt 5).\nEin gleiches gilt, wenn man Blut mit so viel Kochsalzl\u00f6sung mischt , dass dadurch 4% C/Na in das Gemisch gebracht werden (Gautier 6). Salzplasma auf die eine der genannten Weisen gewon-\n1\tMasia, Arch. f. path. Anat. XXXIV. S. 436. 1865.\n2\tHewson, An experimental inquiry into the propertis of the blood. London 1771; The Works of Hewson, Sydenham edition, p. 12. London 1846.\n3\tDenis, Memoir, sur le sang consid\u00e9r\u00e9 quand il est fluide, pendant qu'il se coagule et lorsqu\u2019il est coagul\u00e9, p. 51. Paris 1859.\n4\tSemmer. Ueber die Faserstoffbildung im Amphibien- und Vogelblut und die Entstehung der rothen Blutk\u00f6rperchen der S\u00e4ugethiere S. 56. Dorpat 1S74.\n5\tA. Schmidt, Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 33. 1875.\n6\tGautier . Compt. rend. LXXX. p. 1362. 1875 u. Bull, de la soc. chim. XXIII. p. 530.1875.","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8 Rollett, Physiologie des Blutes. 1. Gap. Macroscop. Zerlegung des Blutes.\nnen gerinnt beim Zusatz von Wasser oder wenn man demselben das Salz durch Dialyse entzieht.\nIII. Gewinnung you Blutserum.\nEs ist schon angef\u00fchrt worden, dass der Blutkuchen bei seiner Contraction Serum auspresst und dass dasselbe der Fall ist mit dem bei der Gerinnung des Plasma entstehenden Coagulum. Die Aus-stossung des Serum erfolgt dabei allm\u00e4hlich und immer bleibt ein grosser Theil desselben im Coagulum zur\u00fcck. Aus dem Blutkuchen vom Pferd und Schaf wurden erhalten bei 15\u201417\u00b0 C. innerhalb der ersten 12 Stunden ungef\u00e4hr 73\u201475 %, in den folgenden 12 Stunden 14\u201417%, in den folgenden 3 \u2014 4 Tagen bei 3\u20144\u00b0 C. 8\u201410 % der Gesammtmenge des durch Contraction des Blutkuchens abscheidbaren Serum. Die einzelnen Portionen fanden sich gleich zusammengesetzt (C. Schmidt % Rascher l\u00e4sst sich eine gr\u00f6ssere Menge Serum gewinnen dadurch, dass man sich der Centrifugalkraft bedient, wie es in Ludwig\u2019s Laboratorium 1 2 geschah.\nEs dient dazu eine passend eingerichtete Centrifuge, in welche hohe Cylindergl\u00e4ser so eingesetzt werden k\u00f6nnen, dass sie w\u00e4hrend der Bewegung sieh horizontal legen, nach deren Aufh\u00f6ren aber selbst wieder aufrichten (v. Babo3); man l\u00e4sst das Blut direct aus der Ader in die Cylindergl\u00e4ser einfliessen darin gerinnen und setzt dann die Maschine in Bewegung. Nach 2-\u20143 st\u00e4ndigem Centrifugiren findet sich der Blutkuchen fest an den Boden des Gef\u00e4sses angelegt und dar\u00fcber steht das ausgeschiedene Serum.\nDas Serum gleicht in seinem Ansehen dem Plasma, es ist bei verschiedenen Thieren mehr oder weniger gelb gef\u00e4rbt. Sein speci-fisches Gewicht bestimmte C. Schmidt4 5 beim Manne bei 15\u00b0 C. zu 1,0292, beim Weibe zu 1,0261, was mit \u00e4lteren von Nasse 5 angef\u00fchrten Mittelwerthen (1,027\u20141,029) \u00fcbereinstimmt.\nFibrin. Der K\u00f6rper, welcher sich bei der Gerinnung des Blutes oder des Plasma in Form eines zusammenh\u00e4ngenden Coagulums ausscheidet ist ein Eiweissk\u00f6rper, welchen wir sp\u00e4ter als Fibrin n\u00e4her kennen lernen werden. Man erh\u00e4lt ihn in der bezeichneten Form nur wenn man Blut oder Plasma w\u00e4hrend der Gerinnung ruhig stehen l\u00e4sst. Anders verh\u00e4lt es sich, wenn man das noch fl\u00fcssige Blut oder\n1\tC. Schmidt, Charakt. d. epid. Cholera. S. 9. Leipzig und Mitau 1850.\n2\tPribram, Ber. d. s\u00e4chs.Ges. d.Wiss. XXIII. S. 279.1871; Afanassiew, ebenda XXIY. S. 254. 1872 u. v. Mering, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1877. S. 379.\n3\tv. Babo, Ann. d. Chemie u. Pharm. LXXXil. S. 301. 1852.\n4\tC. Schmidt, a, a, 0. S. 29 u. 32.\n5\tNasse. Blut in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 127. Braunschweig\n1844.","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Blutserum. Rothe Blutk\u00f6rperchen.\n9\nPlasma mittelst eines B\u00fcndels von Platindr\u00e4hten oder mittelst eines Fischbeinst\u00e4bchens schl\u00e4gt, dann scheidet sich das Fibrin in Form f\u00e4diger Flocken aus, welche sich an das St\u00e4bchen anh\u00e4ngen, theil-weise an demselben haften bleiben, theilweise wieder von demselben abreissen und auf der Fl\u00fcssigkeit schwimmend sich ansammeln. Hat man das Fibrin durch Schlagen aus reinem Plasma entfernt, dann ist die von den Flocken abgetrennte Fl\u00fcssigkeit reines Serum; hat man dagegen das Fibrin aus Blut ausgeschlagen, so erh\u00e4lt man durch Abtrennen der Fibrinflocken Serum, in welchem die Blutk\u00f6rperchen in feiner Yertheilung aufgeschwemmt sind.\nDefibrinirtes Blut. Man bezeichnet das vom Fibrin befreite und in seinem \u00e4usseren Ansehen dem frischen Blute ganz \u00e4hnliche Blut als defibrinirtes Blut, wohl auch als Cruor J.\nBeim ruhigen Stehen in Cylindergl\u00e4sern senken sich die Blutk\u00f6rperchen auch im defibrinirten Blute und man erh\u00e4lt dar\u00fcber stehend das Serum. Nach 72 st\u00e4ndigem Stehen von defibrinirtem Menschenblut sah man das Serum 0,383 (Mann) \u2014 0,449 (Weib) der ganzen S\u00e4ule einnehmen (Parchappe 1 2). Rascher f\u00fchrt auch hier die Centrifuge zum Ziele, nach deren 4st\u00fcndiger Wirkung die Blutk\u00f6rperchen auf 2/3 (Pferd, Hund) bis 5/s (Schwein, Rind) der H\u00f6he des Blutcylinders herabgefallen waren, w\u00e4hrend dar\u00fcber klares Serum stand (Bunge3).\nZWEITES CAPITEL.\nDie rothen Blutk\u00f6rperchen.\nDie rothen Blutk\u00f6rperchen sind wie die microscopische Analyse des Blutes ergiebt, so zahlreich im Blutplasma aufgeschwemmt und so gleichm\u00e4ssig vertheilt, dass auch die Zwischenr\u00e4ume der K\u00f6rper-\n1\tUnter der Bezeichnung Cruor 'wird nicht immer dasselbe verstanden. Einmal bedeutet Cruor das dicke geronnene Blut, wie im classischen Alterthum ; dann wird es gleichbedeutend mit Blutkuchen gebraucht; am \u00f6ftesten bedeutet es die rothe Materie, welche sich aus dem Blutkuchen auspressen oder durch Wasser entfernen l\u00e4sst, in den beiden letzteren F\u00e4llen also defibrinirtes Blut mit einem verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig hohen Gehalt an Blutk\u00f6rperchen. Auch den Bodensatz von geschichtetem defibrinirten Blute also Blutk\u00f6rperchen mit sehr geringen Mengen von Serum dazwischen hat man der K\u00fcrze halber als Cruor bezeichnet. (Yergl. in letzterer Beziehung Setschenow, Memoir, de l\u2019Acad. de Peterbourg. XXYI. 7. ser. No. 13. p. 39. 1879.)\n2\tParchappe, Mon. des hospit. IY. p. 434 et 481. 1856.\n3\tB\u00fcrge, Ztschr. f. Biologie XII. S. 191. 1876.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10 Rollett. Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nclien von microscopischer Kleinheit sind, wodurch das Blut f\u00fcr das blosse Auge das Ansehen einer homogenen Fl\u00fcssigkeit erh\u00e4lt.\nMan bezeichnet die eben beschriebene Zusammensetzung aus Fl\u00fcssigkeit und darin fein vertheilten selbstst\u00e4ndig gestalteten K\u00f6rperchen zweckm\u00e4ssig als Suspensionsfl\u00fcssigkeit.\nBeim ruhigen Stehen schichten sich solche Fl\u00fcssigkeiten um so rascher, je gr\u00f6sser die Differenz der specifischen Gewichte der Fl\u00fcssigkeit und der suspendirten Theilchen ist. Aus der fr\u00fcher besprochenen Schichtung des Blutes ergiebt sich, dass die rothen Blutk\u00f6rperchen speciflsch schwerer sind als das Plasma. Das specifische Gewicht des Gesammtblutes wird nicht blos bei der Bestimmung mit der Waage von den K\u00f6rperchen beeinflusst, sondern die K\u00f6rperchen beeinflussen in gleicher Weise auch den Auftrieb (Bondy1, Mach2, Schklarewsky3). Das hat einen zweifachen Grund ; die suspendirten Theilchen haben fortw\u00e4hrend das Bestreben zu fallen, und dort, wo sie angeh\u00e4uft sind, wirkt ihre vermehrte Oberfl\u00e4che auch st\u00e4rker verdichtend auf die umgebende Fl\u00fcssigkeit. Wir werden sp\u00e4ter von diesen S\u00e4tzen eine Anwendung machen.\nI. Morphologische Bedeutung, Erscheinungsweise, Bau der\nrothen Blutk\u00f6rperchen.\na) Die rothen Blutk\u00f6rperchen (Blutzellen, Blutscheiben) sind eigenartig differenzirte Zellen, sie unterscheiden sich eben so wohl von dem Protoplasma junger oder indifferenter Zellen, wie auch von anderen speciflsch entwickelten Zellen durch eine Reihe besonderer und eigenth\u00fcmlicher Charaktere (Rollett4). Sie sind die Tr\u00e4ger des rothen Blutfarbestoffes, von welchem sich weder im Plasma noch in den weissen Blutk\u00f6rperchen etwas vorfindet.\nIhre Gestalt ist die einer kreisf\u00f6rmigen Scheibe, deren Rand abgerundet ist, deren beide Grundfl\u00e4chen in ihrer Mitte einen seichten napff\u00f6rmigen Eindruck besitzen. Ein k\u00f6rperliches Modell eines Blutk\u00f6rperchens kann man sich durch Umdrehung der Curve crC um die Axe a b entstanden vorstellen. Die Oberfl\u00e4che der Blutk\u00f6rperchen ist vollkommen glatt. Bringt man in einem in der gew\u00f6hnlichen Weise f\u00fcr die microscopische Beobachtung einer kleinen Hautwunde\n1\tBondy, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. LI. S. 331. 1865.\n2\tMach, Ann. d. Physik 1865. S. 324.\n3\tSchklarewsky, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 657. 1868.\n4\tRollett. Unters, a. d. Inst. f. Physiol, u.Histol. in Graz. 2. Heft. S. 133. Leipzig 1870; Handb. d. Lehre v.d. Geweben, herausgeg.v. Stricker. I.S. 271 u. 278. Leipzig 1869.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Morphologische Bedeutung. Erscheinungsweise. Bau.\n11\ncc\nentnommenen Blutstropfen die Blutk\u00f6rperchen etwa durch leichte St\u00f6sse gegen das Deckgl\u00e4schen in hin und her gehende Bewegung, so sieht man an demselben K\u00f6rperchen leicht die Reihe der Bilder, welche zwischen die kreisf\u00f6rmige Figur des auf der Fl\u00e4che liegenden und die st\u00e4bchenf\u00f6rmige Figur des auf den Rand gestellten K\u00f6rperchens beim W\u00e4lzen desselben sich einschalten.\nDer optische L\u00e4ngsschnitt der auf dem Rand stehenden Scheibe hat die Form eines an den Polen abgerundeten, in der Mitte der langen Seiten eingebogenen St\u00e4bchens (Bisquitform). Die Seitenansicht des Blutk\u00f6rperchens kommt im frischen Blut oft wiederholt zur Ansicht, wenn die Blutk\u00f6rperchen sich geldrollenartig anordnen. Diese Anordnung ist nicht blos im frisch aufpr\u00e4parirten Blutstropfen, sondern auch im defibrinirten Blut, wenn es durch einige Zeit gestanden hat, zu beobachten.1 Dogiel2 hat neuerlich verschiedene Formen des An-einanderhaftens der Blutk\u00f6rperchen bei verschiedenen Thieren beschrieben. Die Erkl\u00e4rung der Erscheinung ist schwierig. Dogiel bestreitet, dass es gen\u00fcgt, sich vorzustellen, dass sich die Blutk\u00f6rperchen als frei schwimmende Pl\u00e4ttchen bei der Anziehung mit ihren breiten Fl\u00e4chen aneinanderlegen, man muss sie vielmehr als mit einander verklebt anseken. Seine Annahme, dass die Substanz, welche die Blutk\u00f6rperchen verklebt, Fibrin sein m\u00fcsse, k\u00f6nnen wir nicht theilen, weil wir seine Voraussetzung, dass auch aus defibrinirtem Blute noch Fibrin ausgeschieden wird, nicht zugeben k\u00f6nnen, wie sp\u00e4ter gezeigt werden soll. Liegt das Blutk\u00f6rperchen auf der Fl\u00e4che und hat man das Microscop so eingestellt, dass der Durchmesser am breitesten, der Rand m\u00f6glichst scharf erscheint, so zeigt sich in der Mitte ein heller Fleck, um diesen eine breitere dunkle Zone und unmittelbar vor dem Rande wieder eine schmale helle Zone. Diese Vertheilung des Lichtes ist durch die fr\u00fcher beschriebene Form der Blutk\u00f6rperchen bedingt.3 Parallele in der Richtung des kleinsten Durchmessers auffallende Strahlen werden in der Mitte weniger zerstreut als in den peripheren Parthien, w\u00e4hrend der abgerundete Rand\n1\tRoulett. Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. L. S. 183. 1864 : Ranvier, Trait\u00e9 technique d\u2019histo\u00ef. p. 185. Paris 1857.\n2\tDogiel, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. S. 222.\n3\tEaegeli & Schwendener, Das Mikroskop. 2. Aufl. S. 188. Leipzig 1877 und Harting, Das Mikroskop. II. S. 26 f. Braunschweig 1866.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\ndie Strahlen sammelt. Bei h\u00f6herer Einstellung des Microscopes wird die helle Mitte kleiner, hei tieferer gr\u00f6sser.\nDas einzelne Blutk\u00f6rperchen erscheint unter dem Microscop gelblich oder gr\u00fcnlich. Liegen die Blutk\u00f6rperchen zu mehreren \u00fcbereinander, dann erscheint ihre Farbe roth. In beiden F\u00e4llen r\u00fchrt ihre Farbe von dem sp\u00e4ter zu behandelnden H\u00e4moglobin her. Als dessen Tr\u00e4ger gewinnen die rothen Blutk\u00f6rperchen wegen der Rolle, welche das H\u00e4moglobin beim Austausch der Athemgase spielt, eine ihrer wichtigsten Bedeutungen f\u00fcr den Gesammtorganismus.\nb)\tMit der Form der rothen Blutk\u00f6rperchen des Menschen stimmt die Form derselben Gebilde bei den S\u00e4ugethieren \u00fcberein. Nur die Gattungen Camelus und Auchenia haben elliptisch scheibenf\u00f6rmige K\u00f6rperchen. K\u00f6rperchen der letzteren Form sind auch jene der V\u00f6gel, der Amphibien und der meisten Fische, unter den letzteren besitzen Cyklostomen (Petromyzon und dessen Larve Ammocoetes) wieder kreisscheibenf\u00f6rmige Blutk\u00f6rperchen. Die Blutk\u00f6rperchen der V\u00f6gel, Amphibien und Fische besitzen in ihrer Mitte einen Zellkern.\nc)\tDie rothen Blutk\u00f6rperchen des Menschen sind, so wie die aller S\u00e4ugethiere, kernlos. Die Behauptung, welche Boettcher1 entgegen allen fr\u00fcheren Erfahrungen aufstellt und vertheidigt, dass auch in den entwickelten Blutk\u00f6rperchen des Menschen und der S\u00e4ugethiere ein Kern enthalten ist, muss als eine abgethane Sache betrachtet werden.\nAus einer ganzen Reihe von Untersuchungen hat sich ergeben, dass die Substanz der rothen Blutk\u00f6rperchen des Menschen und der S\u00e4ugethiere in toto genau dieselben Reactionen zeigt, wie die den Kern umgebende Substanz der rothen Blutk\u00f6rperchen der \u00fcbrigen Thiere, dass aber alle Erscheinungen, welche bei den letzteren durch den Kern bedingt sind bei den ersteren fehlen (Rollett 2).\nExquisite Kernreactionen : die Essigs\u00e4urereaction l die Reaction mit (2 Theile Wasser und 1 Theil Alkohol von 36\u00b0 Cartier) Alkohol (Ranvier 3, Stirling 4), welche die Kerne gl\u00e4ttet und das Kernk\u00f6rperchen in denselben deutlich macht, geben beim Blutk\u00f6rperchen des Menschen und der S\u00e4ugethiere stets ein negatives Resultat. Die von B\u00f6ttcher zur Demonstration des Kernes angegebenen Reactionen wurden dagegen der Reihe nach widerlegt und anders gedeutet. Die Chloroformreaction von\n1\tB\u00f6ttcher, Arch. f. pathol. Anat. XXXVI. S. 190. 1866 u. XXXIX. S. 427.1867 : Memoir, del\u2019acad. de St.Petersburg.XXII. VII. Ser. No. 11. 1876; Arch. f. microscop. Anat. XIV. S. 73. 1877.\n2\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. XLVI. S. 65. 1862; 2. Abth. XLVII. S. 356. 1863 u. 2. Abth. L. S. 178. 1864; Unters, a. d. Inst. f.Physiol. u. Histol. in Graz. 1. Heft. S. 1. Leipzig 1870.\n3\tRanvier, Arch, de physiol. 1874.p. 790u. 1875. p.l ; Trait, techn. d\u2019histol. p. 187 u. 193. Paris 1875.\n4\tStirling, Journ. of anat. and physiol. X. p. 778. 1876.","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Kern. Mechanische Einwirkungen.\n13\nKlebs 4, A. Schmidt & Schweigger-Seydel 2, seine combinirte Alkohol-Essigs\u00e4urereaction und die mit alkoholischer Sublimatl\u00f6sung von Brunn 3 und Eberhardt 4. Endlich ist f\u00fcr den Zellkern der elliptisch scheibenf\u00f6rmigen Blutk\u00f6rperchen eine besondere Structur nachgewiesen worden (Rollett 5, Heitzmann6, B\u00fctschlt7, Flemming8), welche nur einen spe-ciellenFall der von Flemming9, Langhanns10, Eimer11 und Klein12 in weiter Verbreitung Vorgefundenen Netzstructur der Zellkerne darstellt, nichts von allem ist an den rothen Blutk\u00f6rperchen des Menschen und der S\u00e4ugethiere aufzufinden.\nd) Die rothen Blutk\u00f6rperchen ver\u00e4ndern ihre Form sehr leicht vor\u00fcbergehend oder dauernd auf sehr mannigfache Einwirkungen.\nSie sind in hohem Grade dehnbar und dabei vollkommen elastisch.\nWenn sie enge Can\u00e4le zu passiren haben, oder wenn sie in z\u00e4he Massen (Gummischleim, Fibringerinnsel, Colloid) gelangen, welche ihre sonstigen Eigenschaften nicht wesentlich \u00e4ndern, k\u00f6nnen sie zu langen Spindeln ausgezogen werden (Lindwurm13, Hassal11, Henle15), wenn man Blut mit bei 35\u201436 0 C. fl\u00fcssiger Leiml\u00f6sung mischt, erstarren l\u00e4sst und kleine Schnitte aus der Gallerte zerquetscht, kann man unter dem Microscop die Blutk\u00f6rper, w\u00e4hrend sie durch die Risse der Gallerte treten, die mannigfachsten Formver\u00e4nderungen erleiden sehen, sie kehren aber, so wie sie dem Druck entgangen sind, vollst\u00e4ndig in ihre alte Form zur\u00fcck (Rollett16). Formver\u00e4ndernden Einfl\u00fcssen sind die Blutk\u00f6rperchen auch innerhalb des Blutstromes ausgesetzt, wie wir sp\u00e4ter sehen werden. Trotz ihrer grossen Dehnbarkeit k\u00f6nnen die Blutk\u00f6rperchen doch durch Quetschen mechanisch zertr\u00fcmmert werden, wobei sie oft wie durch scharfe Schnitte abgetrennte Theilstiicke ergeben, die noch die Gl\u00e4tte und Farbe der urspr\u00fcnglichen Blutk\u00f6rperchen zeigen (v. Vintschgau 1 \").\n1\tKlebs, Arch. f. pathol. Anat. XXXVIII. S. 190. 1866.\n2\tA. Schmidt & Schweigger-Seydel, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1877. S. 160.\n3\tBrunn, Arch. f. microscop. Anat. XIV. S. 333. 1877.\n4\tEberhardt, lieber die Kerne der rothen Blutk\u00f6rperchen der S\u00e4ugethiere und des Menschen. K\u00f6nigsberg 1877.\n5\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. XLVI. S. 74. 1862; 2.Abth. XLVIII. S. 185. 1863 ; Blut imHandb. d. Gewebel. von Stricker I. S. 284. Leipzig 1871 ; Mitth. d. Verein, d. Aerzte in Steierm. XIII. S. 30. 1875/76.\n6\tHeitzmann, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 3. Abth. LXVII. S. 106. 1873.\n7\tB\u00fctschli, Abhandl. d. Senkenberg. Gesellsch. X. S. 213. 1876.\n8\tFlemming, Arch. f. microscop. Anat, XVI. S. 311. 1878.\n9\tDerselbe, Ebenda XIII. S. 693. 1877 ; XVI. S. 302. 1878.\n10\tLanghanns, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. S. 881.\n11\tEimer. Arch. f. microscop. Anat. XIV. S. 94. 1877.\n12\tKlein, Quater. journ. of scienc. K. S. XVIII. p. 315 : XIX. p. 125. 1879.\n13\tLindwurm. Ztschr. f. rat. Med. VI. S. 266.\n14\tHassal, Microscop. Anat. a. d. Engl. v. Kohlsch\u00fctter. S. 49. Taf. H. Fig, 6. Leipzig 1852.\n15\tHenle, Canstat\u00fcs Jahresber. I. S. 32.1850.\n16\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. XLVI. S.65. 1862.\n17\tVintschgau, Atti dell' istituto veneto. (III.) VII. p. 3. 1862.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\ne)\tOft werden die Blutk\u00f6rperchen rasch nach der Entleerung des Blutes zackig, sehr rasch im Blut mancher Fieberkranken (M. Schultze1, Laptschinsky'2, Hiller3. Die Maulbeerform hat man auf die Wasserabdunstung und Abk\u00fchlung zur\u00fcckzuf\u00fchren gesucht, sie tritt aber auch auf, wenn beide Einfl\u00fcsse fehlen (s. unten).\nf)\tZusatz von Salzl\u00f6sungen ( Cl Na,Nai SO a , NH\\ CI, Xa-i Bo a Oi, Mg SOa) machen die Blutk\u00f6rperchen schrumpfen, weniger geschmeidig und dehnbar. Die Farbe des Blutes wird dabei eigenth\u00fcmlich hell ziegelroth.\ng)\tEine Reihe von Einfl\u00fcssen zerst\u00f6rt die Blutk\u00f6rperchen in der Weise, dass dieselben ihren Farbestoff in die umgebende Fl\u00fcssigkeit entlassen, w\u00e4hrend verkleinerte, blasse, runde, sehr schwach lichtbrechende Reste derselben Zur\u00fcckbleiben. Das Blut wird dann in eine durchsichtig oder durchscheinend rothe Fl\u00fcssigkeit verwandelt und ist nunmehr einer Lack- oder Transparentfarbe zu vergleichen, w\u00e4hrend es im unver\u00e4nderten Zustande undurchsichtig wie eine Deckfarbe ist.\nLackfarbig wird das Blut durch Wasserzusatz, durch Frieren und Wiederaufthauen (Rollett4), durch Zusatz von gepulverten Salzen (Burst5) durch Galle und gallensaure Salze (Platner0, v. Dusch7, K\u00fchne8), durch Aether (v. Wittich9, Hermann10), durch Chloroform (Chaumont 11, B\u00f6ttcher12, Kneuttinger l3, A. Schmidt & Schweigger-Seydel l4), Schwefelkohlenstoff (Hermann15), Alkohol in Dampfform (Hermann10, Kneuttinger17), Zusatz von Serum anderer Thierarten (Landois1s).\nh)\tAuf die durch S\u00e4uren und Alkalien hervorgerufenen Zersetzungsbilder der Blutk\u00f6rperchen kann hier nicht n\u00e4her eingegangen werden. Wohl aber sei erw\u00e4hnt, dass Addison19 mit anges\u00e4uerten oder alkalisch gemachten Salzl\u00f6sungen oder Zuckerl\u00f6sungen von der Concentration des Blutserum die Wirkung geringer Grade von Acidit\u00e4t oder Alkalescenz\n1\tM. Schultze. Arch. f. microscop. Anat. I. S. 1865.\n2\tLaptschinsky, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1874. S. 657.\n3\tHiller, Ebenda S. 323, 337, 353 u. 369.\n4\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLYI. S. 65. 1862.\n5\tBurst. Krystallisation des Blutes durch Salze. Dorpat 1863.\n6\tPlatner. Grundz\u00fcge einer allg. Physiol. S. 292. Jena 1844.\n7\tDusch, Unters, z. Pathologie d. Icterus S. 11. Leipzig 1854.\n8\tK\u00fchne. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1863. S. 833.\n9\tWittich. Journ. f. prakt. Chemie LXI. S. 11. 1854 u. K\u00f6nigsberger med. Jahrb. III. S. 532. 1863.\n10\tHermann. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1866. S. 27.\n11\tChaumont, Monthly Journ. of Med. p. 470. Edinburgh 1851.\n12\tB\u00f6ttcher, Arch. f. pathol. Anat. XXXII. S. 126.1S64 ; XXXYI. S. 342.1866.\n13\tKneuttinger, Zur Histol. d. Blutes S.-21. W\u00fcrzburg 1865.\n14\tSchmidt & Schweigger-Seydel, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XIX. S. 190.1867.\n15\tHermann a. a. 0.\t16 Ibidem.\n17\tKneuttinger a. a. O. S. 44.\n18\tLandois, Die Transfusion des Blutes 1875. S. 152.\n19\tAddison, Quater. journ. of scienc. 1861 ; Transact, p. 20, Journ. p. 81.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Wirkung von Reagentien, W\u00e4rme, Electricit\u00e4t.\n15\nauf die Blutk\u00f6rperchen pr\u00fcfte und fand, dass sich die Blutk\u00f6rperchen bis zu einer gewissen Grenze gar nicht ver\u00e4ndern, \u00fcber diese hinaus bleiben sie in S\u00e4uren glatt und gl\u00e4nzend, in Alkalien dagegen werden sie maulbeerf\u00f6rmig und rauh. Beide Wirkungen sind sehr gut zu sehen an den Electroden, wenn Blut mit schwachen Str\u00f6men electrolisirt wird \u2022'Rollett1, A. Schmidt2, Neumann3).\ni) Erh\u00f6hte Temperatur wirkt ebenfalls ver\u00e4ndernd auf die Blutk\u00f6rperchen ein, die Ver\u00e4nderungen sind sehr eigenthiimlich. Bei 52\u00b0 C. bekommen sie erst seichte, dann tiefere Einkerbungen, welche weiterhin zu kugeligen Abschn\u00fcrungen, zum Austreiben perlenschnurartiger F\u00e4den und zu einem Zerfall der Blutk\u00f6rperchen in gr\u00f6ssere und kleinere kugelige gef\u00e4rbte Theilst\u00fccke f\u00fchren, die sp\u00e4ter ihren Farbestoff an die umgebende Fl\u00fcssigkeit entlassen (M. Schultze4).\nEine \u00e4hnliche Zerkl\u00fcftung der Blutk\u00f6rperchen wurde bei Zusatz von Harnstoffl\u00f6sungen zum Blute (H\u00fcnefeld5, K\u00f6lliker6, Botkin7, Hensen8 und Andere), und in Blutextravasaten innerhalb der Gewebe des lebenden K\u00f6rpers beobachtet.\nk) Die Ver\u00e4nderungen, welche die Blutk\u00f6rperchen durch den Ent-ladungsstrom der Leidner Flasche erleiden9, sind in doppelter Hinsicht bemerkenswerth wegen der dabei an den Blutk\u00f6rperchen zu beobachtenden microscopischen Bilder und zweitens wegen der Beziehungen, in welchen die durch die Wirkung des Stromes auf die K\u00f6rperchen bedingten Ver\u00e4nderungen des Blutes zur Vertheilung des Stromes stehen. Wenn das Blut in Form verschieden gestalteter Leiter in den Schliessungsbogen der Leidner Flasche aufgenommen wird, so wird es durch eine Reihe von Entladungsschl\u00e4gen lackfarben\u00e4hnlich durchsichtig. Ben\u00fctzt man die Anzahl der f\u00fcr den Eintritt des \u00fcberhaupt erreichbaren Maximum der Aufhellung nothwendigen Entladungen als Maass f\u00fcr die St\u00e4rke der aufhellenden Wirkung des Entladungsstromes, so kommt man zu folgenden Schl\u00fcssen: Die Wirkungen der aufeinanderfolgenden Entladungen addi-ren sich. In jedem Element des aus dem Blute gebildeten Leiters ist die Aufhellung abh\u00e4ngig von der auf die Einheit des Querschnittes bezogenen Intensit\u00e4t d. i. von der Dichte des Entladungsstromes, mit welcher sie proportional zunimmt. Sie ist ferner abh\u00e4ngig von einer Gr\u00f6sse, welche man als specifische Resistenz der Blutk\u00f6rperchen bezeichnen kann, die in verschiedenen Blutarten verschieden ist und mit deren Zunahme die aufhellende Wirkung des Stromes abnimmt.\nBei egebener specifischer Resistenz der Blutk\u00f6rperchen, bei gegebenen Dimensionen des aus Blut gebildeten Leiters und gegebenem specifischen\n1\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. XL VIL S. 359. 1863; 2. Ahth. LU. S. 257. 1865.\n2\tA. Schmidt, Arch. f. pathol. Anat. XXIX. S. 29. 1864; H\u00e4matolog. Studien S. 116. Dorpat 1865.\n3\tNeumann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865. S. 682.\n4\tM. Schultze, Arch. f. niicroscop. Anat. I. S. 1. 1865.\n5\tH\u00fcnefeld, Der Chemismus in der thier. Organisation S. 60. Leipzig 1840.\n6\tK\u00f6lliker, Ztschr. f. wissensch. Zool. VII. S. 1S4 u. 253. 1855.\n7\tBotkin, Arch. f. pathol. Anat. XX. S. 37. 1860.\n8\tHensen. Ztschr. f. wissensch. Zool. IX. S. 264. 1S57.\n9\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. XLVII. S. 356. 1863; 2. Abth. XLVIII. S. 178. 1864.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nRollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\n(electrischen)Leitungs widerstand des Blutes kann der Verlauf der Erscheinungen nach der Menge und mittleren Dichte der Electricit\u00e4t in der Flasche variirt werden. In nicht prismatischen aus Blut gebildeten Leitern tritt die Aufhellung nicht in allen Elementen gleichzeitig auf. Die aufgehellten Parthien setzen sich dann von den nicht aufgehellten in den Curven gleicher Dichtigkeit ab. Dadurch kommt aber w\u00e4hrend des Durchganges der Entladungsschl\u00e4ge eine Reihe eigenthiimlicher Figuren, Stromvertheilungsfiguren zur Anschauung, mit deren H\u00fclfe sich der Durchgang des Stromes durch den nicht prismatischen Leiter demonstriren l\u00e4sst , da sich aus den Curven gleicher Dichtigkeit die isoelectrischen Curven und die darauf senkrecht stehenden Stromcurven finden lassen.\nBeobachtet man die Ver\u00e4nderungen der Blutk\u00f6rperchen w\u00e4hrend des Durchganges der Entladungsschl\u00e4ge unter dem Microscope, so nimmt man die in der Figur 2 dargestellten successiven Ver\u00e4nderungen wahr.\na\tb\tc\tr]\te\nEs kerbt sich zuerst der Rand des Blutk\u00f6rperchens a ein, so dass es rosettenf\u00f6rmig b wird, dann nimmt es die Maulbeerform c an, durch Verschm\u00e4chtigung der Zacken entsteht die Stechapfelform r/, die Zacken werden eingezogen, es entsteht eine gef\u00e4rbte Kugel e, welche dann verblasst und einen schwach lichtbrechenden ungef\u00e4rbten Rest hinterl\u00e4sst f.\nIn dem Stadium der gef\u00e4rbten Kugel ereignet es sich h\u00e4ufig, dass mehrere Kugeln zu einer gr\u00f6sseren zusammenfliessen.\nInductionsschl\u00e4ge bringen dieselben Wirkungen hervor wie Entladungsschl\u00e4ge der Leidner Flasche (Neumann 1). Der constante Strom bringt dagegen keine Aufhellung des Blutes hervor, nur an den metallischen Electroden ver\u00e4ndern sich entsprechend den dort ausgeschiedenbn electro-lytischen Producten die Blutk\u00f6rperchen ab.\nAehnlich wie das kernlose Blutk\u00f6rperchen verh\u00e4lt sich die den Kern umgebende Substanz des kernhaltigen Blutk\u00f6rperchens, die Kerne dagegen sind viel unver\u00e4nderlicher und sehr widerstandsf\u00e4hig. Sie sind w\u00e4hrend aller Stadien der Ver\u00e4nderung scharf hervortretend.\n1) Es muss nun noch einiger Bilder gedacht werden, die sich zwar zun\u00e4chst nur an gekernten elliptisch scheibenf\u00f6rmigen Blutk\u00f6rperchen (von Fr\u00f6schen und Tritonen) studiren lassen, welche aber hier angef\u00fchrt werden m\u00fcssen wegen der Beziehungen, in welchen\n1 Neumann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865. S. 6S2.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"H\u00fchnefeld-Hensen\u2019sche Bilder.\n17\nsie zu den Vorstellungen stellen, die man sich von dem Bau der rothen Blutk\u00f6rperchen gemacht hat. Man findet nach gewissen Einwirkungen von der Umfassungslinie des Blutk\u00f6rperchens begrenzt, eine glashelle Masse, in welche um den Kern zusammengeballt b Figur 3 oder sternf\u00f6rmig a Figur 3 vom Kern gegen die Umfassungslinie ausstrahlend, eine zweite Substanz eingelagert erscheint, welche den ganzen Farbestoff des Blutk\u00f6rperchens in sich fasst. Br\u00fccke1, welcher solche Bilder mit 2 % Bors\u00e4urel\u00f6sung erhielt, be-zeichnete die glashelle Substanz als Oi-coid, die auf den Kern zur\u00fcckgezogene als Zooid.\na\nMau erhalt aber ganz \u00e4hnliche Bilder auch mit Salzl\u00f6sungen (kohlens. Ammon., Salmiak) (H\u00fchnefeld 2, Hensen3), mit Wasser (Kne\u00fctinger4, Rollett5, Kollmann G) , mit Wasser und Kohlens\u00e4ure (Stricker7, Rollett Q, und dieselbe Trennung in zwei geformte Substanzen liegt einer Reihe von Reactionen zu Grunde, deren zusammenh\u00e4ngende Bedeutung Laptschinsky u f\u00fcr kernhaltige und kernlose Blutk\u00f6rperchen klar zu legen suchte.\nDie eine dieser Substanzen erscheint glatt, weich, dehnbar und gemahnt durch diese Eigenschaften noch an die urspr\u00fcnglichen Blutk\u00f6rperchen ; die zweite Substanz tritt in verschiedenen Formen und Zust\u00e4nden auf, sie nimmt bei der Anwendung von Tinctionsmitteln : essigsaures und salpetersaures Rosanilin (Roberts l\u00fc, Lankaster11, Laptschinsky 12), Annilinblau (Rindfleisch11^ und Laptschinsky14), diese in sich auf w\u00e4hrend die erstere immer ungef\u00e4rbt bleibt.\nDen ersten Anstoss zur Abtrennung der tinctionsf\u00e4higen Substanz scheint immer die Wasserwirkung zu geben. Ist die Trennung eingetreten dann bleibt sie entweder in der ungef\u00e4rbten Substanz eingeschlossen liegen oder entschl\u00fcpft aus dieser wie aus einer weichen z\u00e4hfl\u00fcssigen\n1\tBr\u00fccke. Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abtk. LYI. S. 79. 1S67.\n2\tH\u00fchnefeldt a. a. 0.\n3\tHensen a. a. 0. S. 261.\n4\tKne\u00fctinger a. a. 0. S. 21.\n5\tRollett, Unters, aus d. Instit. f. Physiol, in Graz S. 10. Leipzig 1S7U.\n6\tKollmann, Ztschr. f. wissensch. Zool. XXIII. S. 462. 1873 und Sitzunssber. d. Z\u00fcrich. Acad. S. 348. 1873.\n7\tStricker. Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 590. 1868.\n8\tRollett a. a. 0. S. 20.\n9\tLaptschinsky. Sitzgsber. d. Wiener Acad. 3. Abth. LXYIII. S. 148. 1873.\n10\tRoberts, Quaterl. journ. of scienc. III. p. 170. 1863.\n11\tLankaster, Quaterl. journ. of scienc. XI. p. 361. 1871.\n12\tLaptschinsky a. a. 0.\n13\tRindfleisch. Experimentalstudien \u00fcber die Histol. desBlutesS.il. LeinzD\n1863.\t'\t1 \u00b0\n14\tLaptschinsky a. a. 0.\nHandbuch der I\u2019hysiologie. Bd. IV.\n9","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nMasse. Auch die Gerbs\u00e4ure (Roberts1, Lankaster'2, Laptschinsky :p und die Pyrogalluss\u00e4ure (Wedel* 4) f\u00fchrt zur Trennung der zwei Substanzen.\nm) Was den Bau der rothen Blutk\u00f6rperchen betrifft, so gelangte durch Schwann\u2019s Lehre \u00fcber die thierische Zelle die Ansicht zur Herrschaft, dass die Blutk\u00f6rperchen Bl\u00e4schen seien, bestehend aus einer Membran und einem fl\u00fcssigen Inhalt. Als aber durch M. Schultze5 6 und Br\u00fccke0 das von Schwann aufgestellte Zellenschema als in der Erfahrung nicht begr\u00fcndet nachgewiesen wurde, machte sich die Kritik auch sofort an die Bl\u00e4schennatur der Blutk\u00f6rperchen.\nMan wird zugeben, dass bei unbefangener Betrachtung dieser Auffassungsweise schon die Gestalt der Blutk\u00f6rperchen widerspricht. Eine Blase mit dehnbarer Membran und fl\u00fcssigem Inhalt, die wieder in einer Fl\u00fcssigkeit schwimmt, wird man sich leichter in jeder anderen Form wie als biconcave Scheibe vorstellen. Dass das Kugeligwerden bei Wasserwirkung und das Faltigwerden bei der Salzwirkung, worauf sich Schwann berief, nicht mit Nothwendigkeit eine um den geschwellten oder verminderten Inhalt gespannte oder zusammengefallene Membran voraussetzt, sondern auch durch eine verschiedene Quellbarkeit der inneren und \u00e4usseren Theile bei durchaus solider Gestaltung der Blutk\u00f6rperchen erkl\u00e4rt werden k\u00f6nne, hat Br\u00fccke7 gezeigt. Die Erfolge der mechanischen Einwirkungen, des Frierens und Wiederaufthauens, der Entladungsschl\u00e4ge, der W\u00e4rme, des Harnstoffes sprechen zun\u00e4chst mit aller Entschiedenheit gegen einen fl\u00fcssigen Inhalt,' welchen man sich erst von einer Membran zusammengehalten denken m\u00fcsste und nirgends ist dabei von Fetzen einer zersprengten H\u00fclle etwas zu sehen. Wollte man aber annehmen, dass bei allen jenen Versuchen vor Allem eine Membran aufgel\u00f6st wird, so m\u00fcsste deren Vorhandensein erst auf andere Weise sicher bewiesen werden k\u00f6nnen. Solche Beweise sind nicht zu erbringen, nicht einmal an den grossen Blutk\u00f6rperchen von Amphiuma tridactylum konnte H. D. Schmidt8 im frischen Zustande einen doppelten Contour nack-weisen. Er st\u00fctzt seine Vertheidigung der Membran eben so wie Kollmann9 auf die Wasserwirkung und die dadurch bewirkte Retraction des Inhaltes von der Membran. Dass aber die Wasserbilder auch eine ganz andere Deutung zulassen, haben wir unter / schon\n1 Roberts a. a. 0.\t2 Lankaster a. a. 0.\t3 Laptschinsky a. a. 0.\n4\tWedel, Sitzungsber. d. Wiener Acad. 1. Abth. LX1V. S. 391. 1ST 1.\n5\tM. Schultze, \u00c4rch. f. Anat. u. Physiol. 1861. S. I.\n6\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. XLIY. S. 381.1861.\n7\tDerselbe a. a. 0.\n8\tH. D. Schmidt, Journ. of the roy. microsc. soc. I. p. 57 u. 79. 1S78.\n9\tKollmann a. a. 0.","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der rotlien Blutk\u00f6rperchen.\n19\nerfahren. Etwas Aehnliches gilt von der membran\u00f6sen Rindenschicht, die Ranvier1 mit diluirtem Alkohol darstellt und \u00fcber welche er sich selbst sehr reservirt ausspricht. Die einfachste Annahme \u00fcber den Bau der rotlien Blutk\u00f6rper ist nach den zahlreichen fr\u00fcher mit-getheilten Reactionen, dass in den Bau der Blutk\u00f6rperchen eine elastisch dehnbare Substanz eingehe, welche zun\u00e4chst die Form und die eigenthiimlichen mechanischen Eigenschaften der Blutk\u00f6rperchen bedingt und als Tr\u00e4ger der \u00fcbrigen Bestandteile des Blutk\u00f6rperchens dient; sie wurde als Stroma (Rollett2 3) oder Oicoid (Br\u00fccke1) bezeichnet.\nDass von dieser Substanz noch eine zweite, die selbst wieder geformt auftritt und den Farbestoff des Blutk\u00f6rperchens enth\u00e4lt, sich trennen kann, ist zuerst von Br\u00fccke4 f\u00fcr die Bors\u00e4urebilder hervorgehoben worden. Er belegte diese Substanz mit dem Namen Zooid, betonte aber, dass es vielleicht noch lange dunkel bleiben werde, ob wir die Zur\u00fcckziehung des Zooid aus den R\u00e4umen des Oicoid mit der Contraction einer sterbenden Amoebe vergleichen k\u00f6nnen. Die Frage, ob die rothen Blutk\u00f6rperchen contractile Gebilde seien oder nicht, ist dagegen von anderer Seite eifrig discutirt worden. Hen-sen5 und sp\u00e4ter K\u00fcllmann'1 * st\u00fctzten auf Bilder, in welchen eine Trennung der von uns unterschiedenen zwei Substanzen des Blutk\u00f6rperchens vorlag, die Annahme, dass die rothen Blutk\u00f6rperchen contractiles Protoplasma enthalten. Dieselbe Anschauung vertheidigt Faber\". Klebs8 bezeichnete die Blutk\u00f6rperchen der S\u00e4ugethiere als contractile Zellen und deutete die Maulbeerform als den bewegten, die Backsch\u00fcsselform als den ruhenden, die Kugelform als den Zustand des Todes der rothen Blutk\u00f6rperchen. Dagegen wurde aber hervorgehoben, dass die Erscheinungsweise und die Eigenschaften des Protoplasma, wie wir sie durch M. Schultze\u2019s9 & K\u00fchne\u2019s10 Untersuchungen \u00fcber das Protoplasma kennen gelernt haben, an den rothen Blutk\u00f6rperchen der entwickelten Thiere nicht nachzuweisen sind und dass man an den rothen Blutk\u00f6rperchen innerhalb der Gelasse des lebenden Thieres niemals etwas wahrnehmen kann, was\n1\tRanvier, Arch. d. physiol. (I.) II. p. 790. 1874 und II. p. 1. 1875 ; Trait\u00e9 techn. d\u2019histol. p. 148. Paris 1875.\n2\tRollett. Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. XLVI. S. 73. 1862.\n3\tBr\u00fccke. Ebenda. 2. Abth. LYI. S. 79. 1S67.\n4\tDerselbe a. a. 0.\t5 Hensen a. a. 0.\t6 Kollmann a. a. 0.\n7\tFaber. Arch. d. He\u00fck. XIV, S. 4SI. 1873.\n8\tKlebs. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1863. S. 851.\n9\tM. Scheltze, Das Protoplasma clerRhizopoden und derPlianzenzellen. Leip-\nzig 1863.\n10\tK\u00fchne, Unters, \u00fcber das Protoplasma und die Contractik't\u00e4t. Leipzig 1864.","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nf\u00fcr eine active Beweglichkeit derselben sprechen w\u00fcrde. Gegen die Annahme, dass die eigent\u00fcmlichen Ver\u00e4nderungen, welche die Blutk\u00f6rperchen durch Entladungsschl\u00e4ge und durch W\u00e4rmezufuhr erleiden, auf eine active Beweglichkeit derselben hinweisen w\u00fcrden, haben Rollett1 und M. Schultze2 3 4 5 begr\u00fcndete Verwahrung eingelegt. Wir m\u00fcssen die entwickelten rothen Blutk\u00f6rperchen als nicht contractile Gebilde bezeichnen.\nII. Gr\u00f6sse der rothen Blutk\u00f6rperchen.\nDie Gr\u00f6sse der Blutk\u00f6rperchen muss in ganz frisch angefertigten und m\u00f6glichst rasch gegen Verdunstung gesch\u00fctzten Blutpr\u00e4paraten unter dem Microscope bestimmt werden. Den gr\u00f6ssten Durchmesser der Scheiben an trockenen Blutk\u00f6rperchen zu bestimmen ist nicht rathsam, denn die von C. Schmidt 3 gemachte und von Welker 4 adoptirte Angabe, dass m\u00f6glichst rasch auf eine glatte Glasoberfl\u00e4che angetrocknete Blutk\u00f6rperchen ihre Dimensionen beim Trocknen nicht \u00e4ndern, trifft nicht unter allen Umst\u00e4nden zu (Manassein ').\nMittelst eines auf das Normalmaass zur\u00fcckgef\u00fchrten Ocularmi-crometers hat Welker6 7 als Mittel aus 130 Bestimmungen f\u00fcr die menschlichen Blutk\u00f6rperchen den Durchmesser des gr\u00f6ssten Querschnittes der Scheibe zu 7,74 u\\ die gr\u00f6sste Dicke der Scheibe zu 1,90 f.i gefunden. Bei 6 m\u00e4nnlichen und 3 weiblichen Individuen wurde als Minimum des Durchmessers der Scheibe 4,5 //, als Maximum 9,7 ii beobachtet.\nEs sollen alle zwischen den Endwerthen vorkommenden Gr\u00f6ssen die kleinsten ausgenommen sehr gleichm\u00e4ssig vertreten sein.\nDie letztere Angabe Welker\u2019s hat Manassein8 auch f\u00fcr Thiere best\u00e4tigt gefunden, ebenso die Angabe, dass bedeutende Schwankungen der Durchmesser in demselben Blute Vorkommen.\nBei S\u00e4ugethieren wurde als gr\u00f6sste Differenz ein 2,3\u20142,5 mal gr\u00f6sserer Durchmesser der grossen Blutk\u00f6rperchen im Vergleich zu den kleinsten beobachtet und bei der kleinsten Differenz betrug noch\n1\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. L. S. 190. 1864.\n2\tM. Schultze, Arch. f. microscop. Anat. I. S. 1. 18\t.\n3\tC. Schmidt. Die Diagnostik verd\u00e4chtiger Flecke. S. 3. Mitau u. Leipzig 1848.\n4\tWelker, Ztschr. f. rat. Med. (3) XX. S. 261. 1863.\n5\tManassein, Ueber die Dimensionen d. rothen Blutk\u00f6rperchen u. s. w. S. 12. Berlin 1872.\n6\tWelker a. a. O. S. 263.\n7\t1 Micron (\u00ab) = 0,001 Millimeter. Man hat sich zweckm\u00e4ssig dar\u00fcber geeinigt f\u00fcr den obigen Brucktheil des Millimeters, die Benennung Micron oder Micro-mi 11 im et,er zu gebrauchen (Harting, Microscop IL S. 230. Braunschweig 1866.)\n8\tManassein a. a. O. S. 16.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Grosse der rothen Blutk\u00f6rperchen.\n21\nimmer der Durchmesser der gr\u00f6ssten K\u00f6rperchen das 1,6 fache des Durchmessers der kleinsten.\nM. Schultze1 fand in seinem Blute und in dem einiger anderer Personen constant eine geringe nach der Tageszeit schwankende Anzahl kleiner kugeliger K\u00f6rperchen, die auch in ihren anderweitigen Eigenschaften etwas von der gew\u00f6hnlichen Scheibenform abwichen. Lehmann2 will im Blut der Lebervenen kleinere und mehr kugelige Blutk\u00f6rperchen beobachtet haben, w\u00e4hrend im Blut der Pfortader die gew\u00f6hnliche Form anzutreffen war. Diese Angaben verdienen Beachtung, weil sie wahrscheinlich in die Reihe der That-sachen fallen, welche von Manassein und Hayem gefunden wurden.\nManassein3 findet, dass die Dimensionen der Blutk\u00f6rperchen sich unter den Einfl\u00fcssen des Stoffwechsels \u00e4ndern. Hayem4 weist im Blut leicht ver\u00e4nderliche und verg\u00e4ngliche kleine Blutk\u00f6rperchen nach, deren Gr\u00f6sse beim Menschen zwischen 1,8\u20145,75 u im Mittel 3 p betr\u00e4gt. Er betrachtet sie als Vorstufen >der rothen Blutk\u00f6rperchen und bezeichnet sie als H\u00e4matoblasten. Zwischen diesen und den rothen Blutk\u00f6rperchen liegen Uebergangsformen, welche so klein wie die Haematoblasten, aber best\u00e4ndiger als diese sind : die Microcyten, die im normalen Blut sp\u00e4rlich, sehr zahlreich dagegen bei An\u00e4mie beobachtet werden. Wir kommen auf die Haematoblasten noch bei der Entwicklung der Blutk\u00f6rperchen zur\u00fcck.\nWerden verschiedene Thierspecies mit einander verglichen, dann findet man f\u00fcr die Blutk\u00f6rperchen sehr verschiedene Dimensionen. Trotz des Schwankens der Durchmesser bei derselben Species, die schon angef\u00fchrt wurde, finden sich aber bei derselben Species nur geringe Differenzen zwischen dem gr\u00f6ssten und kleinsten Mittelwerthe der Blutk\u00f6rperchendimensionen (Manassein5 6), wof\u00fcr auch eine \u00e4us-serst grosse Anzahl von Messungen der verschiedensten Beobachter'5 spricht.\nZur Orientirung \u00fcber die Durchmesser bei verschiedenen Species\n1\tM. Schultze, Arch. f. microscop. Anat. I. S. 1. 1865.\n2\tLehmann, Lehrb. d. physiol. Chemie II. 2. Aufl. S. 86 u. 243. Leipzig 1853.\n3\tManassein a. a. 0.\n4\tHayem, Rech, sur F anat. norm, etpathol. du sang. Paris 1878; Arch, de physiol. V. 2. ser. p. 692. 1878.\n5\tManassein a. a. 0. S. 17.\n6\tVergleiche die Tabelle vonE.H. Weber (Handb. d. Anat. d. Menschen I. S. 157. Braunschweig 1830), reichend von Leeuwenhoek bis Pr\u00e9vost und Dumas und E. H. Weber selbst; die Messungen von Gulliver (The Works ofHEwsoN edit, with an Introduction and Votes by G. G. London D46); die Tabelle von Milne Edwards zusammengestellt (Le\u00e7ons sur la physiol, et Fanat. comp. I. p. 84. Paris 1857) und die Messungen und Abb\u00fcdungen, welche Gulliver (Proceedings of the zoolog. society of London 1875. p. 474) neuerlich zusammengestellt hat; ferner Manassein a. a. 0. S. 1. Tab. I u. IL","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22 Piollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\ntheilen wir in der Anmerkung einige der von Welkek1 erhaltenen Mittelwerthe in Mieren mit.\nAuf Grund von mehr als 40,000 Messungen an 174 Thieren der verschiedensten Species findet Manassein2 die Dimensionen der Blutk\u00f6rperchen ver\u00e4nderlich mit bestimmten auf den lebenden Organismus wirkenden Einfl\u00fcssen. Eine Verkleinerung erfuhren die Blutk\u00f6rperchen bei durch Injection putrider Fl\u00fcssigkeiten erzeugtem Fieber, bei traumatischem Fieber, bei einer die K\u00f6rperw\u00e4rme tiber-treffenden Temperatur der umgebenden Luft, beim Einathmen von Kohlens\u00e4ure, nach subcutaner Injection von Morph, muriat.\nEine Vergr\u00f6sserung der Dimensionen wurde beobachtet beim Ath-men von Sauerstoff, nach der Einwirkung von K\u00e4lte, Chinin, Blaus\u00e4ure und Alkohol, w\u00e4hrend der An\u00e4mie nach grossen Blutentleerungen. Der Blutk\u00f6rperchen-Durchmesser fiebernder Hunde verhielt sich zum normalen wie 1 : 1,13. Bei Kaninchen nach Kohlens\u00e4ure-athmung wie 1:2,26, nach Sauerstoffathmung wie 1:1,10.\nEin Einfluss des Geschlechtes auf den Blutk\u00f6rperchendurchmesser war nicht nachzuweisen. Ein gr\u00f6sserer Durchmesser war in einzelnen F\u00e4llen aber nicht constant bei jungen Thieren zu beobachten.\n1 1. c. p. 279. I. Kreisscheibenf\u00f6rmige Blutk\u00f6rperchen.\nHund.............................................7,3\nKatze............................................6,5\nKaninchen........................................6,9\nSchaf............................................5,0\nZiege (alt)......................................4,1\nZiege (8 Tage)...................................5,4\nMoschus jav......................................2,5\nPetromyz. mari..................................15,0\nA mm o c,oet. branch............................11,7\nII. Elliptische K\u00f6rperchen langer Durchmesser a\\ kurzer Durchmesser b.\nLama\nTaube\n(alt) . (fl\u00fcgge)\n58g\nEnte...........................\nHuhn...........................\nKana temp......................\nKana temp, (trocken) ....\nTriton crist...................\nProteus angu...................\nSt\u00f6hr .........................\nCyprin, alb....................\nLepiclosiren annect............\nDie kleinsten Blutk\u00f6rperchen hat der Mosch, jav. Zu den die des Proteus, sie werden nur \u00fcbertroffen von den Blutk\u00f6rperchen des Siren la-certina und des Amphiuhta tridactylum, welche die gr\u00f6ssten ein Dritttheil gr\u00f6sser sind als jene des Proteus (Kiddel, Journ. d. 1. physiol. II. p. 159. Paris 1859.)\n2 Manassein a. a. O. S. 1 f.\na\tb\n8,0\t4,0\n14,7\t6,5 .\n13,7\t7,8\n12,6\t7,8\n12,9\t8,0\n12,1\t7,2\n22,3\t15,7\n21,4\t15,6\n29,3\t19,5\n2\u201457,9\t33,7\u201435,6\n13,4\t10,4\n13,1\t8,0\n41,0\t29,0\ngr\u00f6ssten geh\u00f6ren","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Z\u00e4hlung der Blutk\u00f6rperchen.\n23\nWelker1 2 suchte einem kurzen Gypscylinder, dessen H\u00f6he und Durchmesser in einem den Blutk\u00f6rperchenmassen entsprechenden Verh\u00e4ltnisse gew\u00e4hlt waren durch Ausrundung der Grundfl\u00e4chen und Abrundung des Randes eine Oberfl\u00e4chenkr\u00fcmmung zu ertheilen, welche mit der des Blutk\u00f6rperchens nach dem Augenmaasse (!) \u00fcbereinstimmte. Mit H\u00fclfe dieses Modelles sch\u00e4tzte er das mittlere Volumen des Blutk\u00f6rperchens des Menschen zu 0,000000072217 C.-Mm. Wurde das 5000 fach vergr\u00f6sserte Modell mit gleichm\u00e4ssig dichtem Papiere belegt, die Menge des verbrauchten Papieres gewogen und mit dem Gewicht eines bekannten Fl\u00e4chen-maasses desselben Papieres verglichen, so erhielt er als Oberfl\u00e4che des Blutk\u00f6rperchens 0,0001280 DMin. Die angegebenen Zahlen haben nat\u00fcrlich nur die Bedeutung grober Sch\u00e4tzungswerthe, gen\u00fcgen aber, um daraus einige Folgerungen zu ziehen, was wir sp\u00e4ter thun wollen.\nIII. Z\u00e4hlung der Blutk\u00f6rperchen.\nWegen der Schwierigkeiten, welche sich, wie wir sehen werden, anderen quantitativen Bestimmungsmethoden der rothen Blutk\u00f6rperchen entgegenstellen, ist die von Vieroedt eingef\u00fchrte Z\u00e4hlung der Blutk\u00f6rperchen in einem abgemessenen Blutvolumen unter dem Microscope ein werthvoller Behelf der Blutuntersuchung geworden.\nVierordt 2 liess kleine Mengen von Blut oder einer bestimmten Mischung von Blut mit Salz oder Zuckerl\u00f6sung in cylindrische Glascapil-laren von genau bekanntem Durchmesser aufsteigen, mass die L\u00e4nge des Blutcylinders unter dem Microscope und berechnete mit Ber\u00fccksichtigung des wegen der Adh\u00e4sion an beiden Seiten gebildeten Meniscus 3 aus L\u00e4nge und Querschnitt das Volumen des Blutfadens. Das Blut wurde dann in einen Tropfen Gummi oder Eiweissl\u00f6sung entleert und damit auf einem Objecttr\u00e4ger in d\u00fcnner Schichte ausgebreitet und eingetrocknet. Nachdem dann \u00fcber das Pr\u00e4parat ein quadratisch getheiltes Micrometer pro-jicirt worden war, wurden die Blutk\u00f6rperchen Quadrat f\u00fcr Quadrat durchgez\u00e4hlt und aus der so ermittelten Zahl die Blutk\u00f6rperchen in 1 C.-Mm. Blut berechnet.\nIm Laufe der Zeit hat aber die Methode der Blutk\u00f6rperchenz\u00e4hlung mannigfache Verbesserungen erfahren.\nWelker4 misst das Blut in einer genau calibrirten Pipette ab, verd\u00fcnnt es dann mit dem 600 \u20141500 fachen Volumen verd\u00fcnnter Chlornatriuml\u00f6sung und misst davon eine kleine Menge mittelst calibrirter Ca-pillarpipette ab, diese wird dann mit Gummischleim auf einem Deckgl\u00e4schen ausgebreitet und angetrocknet. Das Deckgl\u00e4schen mit dem angetrockneten Blute nach unten kommt dann auf ein Zahlenmicrometer\n1\tWelker a. a. O. S. 265.\n2\tVierordt, Arch. f. physiol. Heilk. XL S. 26, 327 u. S54. 1852 und XIII. S. 259.\n1854.\n3\tVergl. auch C. Schmidt, Ztschr. f. rat. Med. N. F. IL S. 293. 1852.\n4\tWelker, Arch. d. Verein, f. geipeinsch. Arb. I. S. 161. 1854 und Prager Viertel-jahrschr. f. pract. Heilk. IV. 11. Jahrg. S. 11. 1854.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\n(Welker1), welches oblonge durch zwei gekreuzte Liniensysteme gebildete Felder enth\u00e4lt, die reihenweise mit die Stelle von Ziffern vertretenden Zeichen numerirt sind, so dass die einzelnen Felder sicher durchgez\u00e4hlt werden k\u00f6nnen.\nMalassez'2 3 bedient sich zur Aufnahme des Blutes und der Verd\u00fcnnungsfl\u00fcssigkeit (1 Vol. Gummil\u00f6s., 3 Vol. zu gleichen Theilen gemischte Natriumsulfat- und Chlornatriuml\u00f6sung, alle drei L\u00f6sungen vom spec. Gewicht 1020), einer Messpipette, in welcher zugleich die Mischung vorgenommen wird.\nDie Pipette (m\u00e9langeur), von Potain constru-irt, besteht aus einem Capillarrohr, mit welchem eine dar\u00fcber liegende bauchige Erweiterung com-municirt (Fig. 4), in welche eine frei bewegliche Glaskugel eingeschlossen ist. An dem anderen Ende geht die bauchige Erweiterung wieder in ein engeres Rohr \u00fcber, an welches zum bequemen Ansaugen der Fl\u00fcssigkeit ein Kautschukschlauch angesteckt werden kann.\nAn der genau calibrirten Pipette befinden sich drei mit 1/2, l und 101 bezeichnete Marken. Sie bedeuten: wenn bis 1 Blut, darauf bis 101 Verd\u00fcnnungsfl\u00fcssigkeit aufgenommen wird, ist das Blut 100 fach verd\u00fcnnt. Blut bis J/2, Verd\u00fcnnungsfl\u00fcssigkeit bis 101 giebt 200 fach verd\u00fcnntes Blut.\nZum Behufe der Z\u00e4hlung f\u00fchrt Malassez das verd\u00fcnnte Blut in einen seinem K\u00f6rperinhalt nach genau bestimmbaren Capillarraum ein, wie das 12 fr\u00fcher schon von Cramer 3 geschehen war. Malassez benutzt einen durch eine dicke Glasleiste nahe der geschliffenen Oberfl\u00e4che derselben laufenden Capillarraum von elliptischem Querschnitte. Die Glasleiste ist auf einen Objecttr\u00e4ger gekittet und ihr eines Ende zugespitzt und aufgebogen, damit ein wieder zum Ansaugen bestimmter Kautschukschlauch dar\u00fcber gest\u00fclpt werden kann. Der Capillarraum ist genau calibrirt; ist das Blut in Fig. 4.\tdenselben eingebracht, dann bringt man die Z\u00e4hl-\ncapillare unter das Microscop (Objectiv 2 Nachet, 3 Verick, 5 Hartnack), welches mit einem quadratisch getheilten Ocular-gitter versehen sein muss (Oculaire 2 quadrill\u00e9 Verick). Zwei entfernte Theilstriche des Oculargitters werden nun so eingestellt, dass eine L\u00e4nge der Z\u00e4hlcapillare von 600\u2014500\u2014400 /u davon abgeschnitten wird. Man erreicht das dadurch, dass man vorher an Stelle der Z\u00e4hlcapillare ein Objectivmikrometer (1 Mm. in 100 Th.) gebracht hat und durch Aus- und\n1\tVergl. Welker, Ding, polytechn. Journ. CXXX. S. 267. 1853.\n2\tMalassez, Compt. rend. LXXV. No. 23. p. 1528. 1872; De la num\u00e9ration des glob. roug. du sang. Paris 1873 ; Arch, de physiol. I. 2. ser. p. 32. 1874.\n3\tCramer, Xederl. Lancet, p. 453. 1855.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Z\u00e4hlmethoden.\n25\nEinschieben die Tubusl\u00e4nge des Microscopes solange ver\u00e4nderte, bis die bestimmten Theilstriche des Oculargitters mit der gew\u00fcnschten L\u00e4nge sich decken.\nDie Stellungen des Tubus f\u00fcr 600, 500 und 400 ,u lassen sieh dann an diesem durch Striche markiren h Der den erw\u00e4hnten L\u00e4ngen entsprechende Rauminhalt der Z\u00e4hlcapillare ist genau bekannt (bei den k\u00e4uflichen Z\u00e4hlapparaten ist derselbe neben den Z\u00e4hler f\u00fcr die L\u00e4ngen als Volumen auf dem Objecttr\u00e4ger eingeritzt; die Zahlen q, qn qn f\u00fcr das Volumen sind auf verschiedenen Exemplaren verschieden, bedeuten aber\nimmer, dass auf den entsprechenden L\u00e4ngen der Z\u00e4hlcapillare \u2014, \u2014, \u2014\nC.-Mm. enthalten sind). Durch Abz\u00e4hlen der in die einzelnen Quadrate fallenden Blutk\u00f6rper erf\u00e4hrt man also die Anzahl der Blutk\u00f6rper in einem bestimmten Bruchtheil des C.-Mm. verd\u00fcnnten Blutes. Diese Anzahl n ist mit dem entsprechenden q und mit dem Verd\u00fcnnungscoefficienten 100 oder 200 zu multipliciren, um den Gehalt von i C.-Mm. Blut an Blutk\u00f6rperchen zu finden.\nHayem und Nachet 2 und Gowers 3 benutzen bei ihren Methoden besondere Maasspipetten f\u00fcr Blut und Verd\u00fcnnungsfl\u00fcssigkeit, was dem Melangeur gegen\u00fcber bei reinlicher Handhabung des letzteren keinen Vortheil gew\u00e4hrt.\nDagegen ist es entschieden ein Fortschritt, dass Hayem die Z\u00e4hlcapillare durch einen flachen Trog ersetzte, der durch Auflegen eines durchbohrten pianparallelen Gl\u00e4schens auf einen Objecttr\u00e4ger gewonnen wird. Die Tiefe dieses Troges betr\u00e4gt bei Hayem l 2/s Mm.; mittelst eines Deckgl\u00e4schens kann darin eine l/s Mm. dicke Schicht des verd\u00fcnnten Blutes abgegrenzt werden. Zur Z\u00e4hlung benutzt Hayem wieder das quadratische Oculargitter so eingestellt, dass die Seite des Quadrates 1/s Mm. entspricht. Die in einem Quadrate liegende Anzahl von Blutk\u00f6rperchen ist dann die in (Vs)3 C.-Mm. des verd\u00fcnnten Blutes enthaltene, und man erh\u00e4lt aus dieser durch Multiplication mit der den Bruchtheil des C.-Mm. ausdr\u00fcckenden Zahl und dem Verd\u00fcnnungscoefficienten die Anzahl der Blutk\u00f6rperchen in ein C.-Mm. Gowers macht sich von der f\u00fcr das Oculargitter nothwendigen Graduirung unabh\u00e4ngig dadurch, dass er auf dem Boden des Troges selbst eine quadratische Theilung nach conventionellem Maasse anbringen l\u00e4sst. Die Tiefe des Troges ist Vs Mm., der Fl\u00e4cheninhalt eines Quadrates ist 0,01 G Mm. Der einem Quadrat entsprechende Cubikinhalt der in den Trog gebrachten Fl\u00fcssigkeit ist dann 0,002 C.-Mm. und bei der von Gowers gew\u00e4hlten Verd\u00fcnnung des Blutes auf 200 ist dann in jedem Quadrat 0,00001 C.-Mm. Blut enthalten. Die Anzahl der im Quadrat liegenden Blutk\u00f6rper multiplieirt mit 100000 giebt die Anzahl der K\u00f6rperchen in ein C.-Mm. Blut.\nNimmt man als normales Mittel der Anzahl K\u00f6rperchen in 1 C.-Mm. Blut vom Menschen 5000000 an, so enth\u00e4lt unter den obigen Voraus-\n1\tVergleiche \u00fcber diese Graduirung der Microsc. auch Malassez, Nouveaux proc\u00e9d\u00e9s de microm\u00e9trie. Arch, de physiol. I. 2. ser. p. 27. 1874.\n2\tHayem et Nachet, Compt. rend. LXXX. No. 16. p. 1083. 1875 und Hayem, Rech, sur rannt, norm, etpathol. du sang. Paris 1878.\n3\tGowers, LancetH.p. 497.1877 und The practitioner. XX. No. 7. p. 1. July 1878.","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nSetzungen ein Quadrat 50 K\u00f6rperchen, zwei Quadrate, also 0,00002 C.-Mm. Blut, enthalten dann 100 K\u00f6rperchen. Gowers bezeichnet seinen Z\u00e4hlapparat als Haemocytometer und den zwei Quadraten entsprechenden Rauminhalt Blut, n\u00e4mlich 0,00002 C.-Mm., als Bluteinheit (haemic unit). Z\u00e4hlt man jeweilig die Blutk\u00f6rperchen in der Bluteinheit, so ergiebt sich damit zugleich das Procentverh\u00e4ltniss zur normalen Durchschnittszahl der Blutk\u00f6rperchen.\nThoma und Zeiss 1 behalten f\u00fcr den von ihnen construirten Z\u00e4hlapparat die Maass- und Mischpipette von Potain bei und benutzen einen im Grunde getheilten Trog wie Gowers. Die Theilung zerlegt 1 QMm. in 400 Quadrate von je 0,05 Mm. Seite. Die Tiefe des Troges betr\u00e4gt 0,1 Mm. Je vier solcher Quadrate entsprechen also 0,001 des verd\u00fcnnten Blutes, was bei der gew\u00e4hlten Verd\u00fcnnung auf 100 einem Rauminhalt Blut von 0,00001 C.-Mm. entspricht. In diesem Rauminhalt Blut (halbe Bluteinheit von Gowers) sind im Normalblute etwa 50 K\u00f6rperchen enthalten. Vierordt, Welker und Malassez haben sich empirisch gegen die Fehlerquellen ihrer Z\u00e4hlapparate zu sch\u00fctzen gesucht.\nAbbe hat dagegen bei Gelegenheit der Mittheilung \u00fcber den Z\u00e4hlapparat von Thoma und Zeiss die Brauchbarkeit der Z\u00e4hlmethode theoretisch gepr\u00fcft. Vorerst sei erw\u00e4hnt, dass sich bei sorgf\u00e4ltiger Herstellung und Handhabung von Maasspipette und Trog w\u00e4hrend der vorbereitenden Operationen Fehler von mehr als 1% vermeiden lassen.\nWelche Fehler die Z\u00e4hlmethode an sich gew\u00e4rtigen l\u00e4sst, er\u00f6rtert Abbe an der Hand der Wahrscheinlichkeitsrechnung, und kommt zu dem Resultate, dass beim Z\u00e4hlen von 4 Quadraten des Thoma - ZEiss\u2019schen Apparates (entsprechend ungef\u00e4hr 50 Blutk\u00f6rperchen) der wahrscheinliche relative Fehler 10\u00b0/o der zu ermittelnden Gr\u00f6sse betr\u00e4gt. Bei h\u00e4ufiger Wiederholung der Z\u00e4hlung wird man also in der H\u00e4lfte aller F\u00e4lle Abweichungen von mehr als 10% erhalten, unter 5\u20146 F\u00e4llen einmal \u00fcber 20%, unter 2\u20143 F\u00e4llen einmal \u00fcber 30% etc., w\u00e4hrend eine Ann\u00e4herung an den richtigen Mittelwerth bis auf 5% nur unter 4 F\u00e4llen, bis auf 2,5% nur unter 7 F\u00e4llen einmal Vorkommen w\u00fcrde. Das Resultat einer einzelnen Z\u00e4hlung ist also mit einer grossen Unsicherheit behaftet. Durch Abz\u00e4hlen von 16 Quadraten (entsprechend ungef\u00e4hr 200 Blutk\u00f6r-chen) w\u00fcrde der wahrscheinliche relative Fehler auf 5% gebracht und ein Fehler von 10% nur die Wahrscheinlichkeit % behalten. _ Auf 2% sreht der wahrscheinliche relative Fehler herunter beim Z\u00e4hlen von 100\no\nQuadraten, dann erh\u00e4lt ein Fehler von 4% die Wahrscheinlichkeit %, ein Fehler von 6% die von %3, 10% w\u00fcrde erst unter 1400 F\u00e4llen zu gew\u00e4rtigen sein. Die Einschr\u00e4nkung des Fehlers auf 1% w\u00fcrde sicher sein beim Durchz\u00e4hlen aller 400 Quadrate. Dann w\u00e4re der abgeleitete Mittelwerth auf 2\u20143% zuverl\u00e4ssig, weil schon ein Fehler von 4% nur unter 160 F\u00e4llen einmal zu gew\u00e4rtigen w\u00e4re.\nWelker 2 und Mantegazza 3 haben versucht das wiederholte Z\u00e4hlen\n\u00ee Abbe, Sitzgsber. d. Jenaisch. Ges. f. Med. u. Naturw. 1878. 29. Nov.\n2\tWelker, Arch. d. Verein, f. gemeinsch. Arb. I. S. 195. 1854 und Anweisung zum Gebrauch der Blutfleckenscale. Giessen 1854.\n3\tMantegazza, Del globulimetro, nuovo strum, per determ. rapid, la quant, dei glob. ros. delsangue. Milano 1865.","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Sicherheit der Z\u00e4hlung.\n27\nzu ersparen. Der erstere setzte voraus, dass die F\u00e4rbekraft des Blutes, der letztere, dass die Undurchsichtigkeit des Blutes in einem festen Verh\u00e4ltnisse zur Anzahl der Blutk\u00f6rperchen steht, und darum glaubten sie, die Anzahl der Blutk\u00f6rperchen durch Messung der F\u00e4rbekraft oder des Durchsichtigkeitsgrades des Blutes bestimmen zu k\u00f6nnen. Welker\u2019s farbenpr\u00fcfende Methode ist aber nur unter gewissen Einschr\u00e4nkungen anwendbar, wie sich ergeben wird. Mantegazza\u2019s Globulimeter giebt seiner Einrichtung nach nur grobe Sch\u00e4tzungswerthe. Es besteht aus einem gl\u00e4sernen Beh\u00e4lter mit parallelen W\u00e4nden, in welchen das mit dem 96 fachen Volumen Natriumcarbonatl\u00f6sung verd\u00fcnnte Blut kommt. Die Dicke der Schicht ist so abgepasst, dass f\u00fcr die erfalmingsgem\u00e4ss gr\u00f6sste Blutk\u00f6rperzahl (5625000 im C.-Mm. beim Menschen nach Mantegazza) die Flamme einer Kerze eben ausgel\u00f6scht wird.\nDie Flamme wird dann umsomehr durchscheinen, je tiefer der Gehalt an Blutk\u00f6rperchen sinkt; um sie wieder unsichtbar zu machen, wird man zum Blut noch einen lichtabsorbirenden K\u00f6rper f\u00fcgen m\u00fcssen, dazu bedient sich Mantegazza blauer Gl\u00e4ser, deren jedes einer um 125000 K\u00f6rperchen steigenden Abnahme des Gehaltes entsprechen soll. Diese Gl\u00e4ser sind, vier an Zahl, in einer 5 l\u00f6cherigen, vor dem Blutbeh\u00e4lter drehbaren Scheibe angebracht. Das freie und die vier durch die Gl\u00e4ser geschlossenen L\u00f6cher erm\u00f6glichen die Sch\u00e4tzung des Blutk\u00f6rperchengehalts nach\n5\tGraden. Bei der Vervollkommnung, welche die Z\u00e4hlapparate erfahren haben, wird man Mantegazza\u2019s Verfahren nicht leicht anwenden.\nZ\u00e4hlungen der Blutk\u00f6rperchen beim Menschen wurden von Vieroedt1, Welker2, St\u00f6lzing3, Cramer4, Malassez5, Hayem6, Sorensen7, Patrigeon8, Boughut & Dubrisay9, Duperie10 u. And. angestellt. In Bezug auf die \u00fcber den Gehalt des Blutes an rothen Blutk\u00f6rperchen erhaltenen Resultate muss man im Allgemeinen Bouchut\n6\tDubrisay zustimmen, welche ihrer aus den Z\u00e4hlungen an einer Reihe erwachsener Individuen resultirenden Mittelzahl nur wenig Werth beilegen, da sehr bedeutende individuelle Verschiedenheiten\n1\tVierordt a. a. O.\n2\tWelker a. a. 0.\n3\tSt\u00f6lzing. Ueber Z\u00e4hlung der Blutk\u00f6rperchen. Marburg 1S56 (nach Welker\u2019s Meth.).\n4\tGramer a. a. 0.\n5\tMalassez a. a. 0.\n6\tHayem a. a. 0.\n7\tSorensen, Undersogelser om Antallet af rode og hoide Blodlegemer under l'orskjellige physiologiske og pathologiske Tiestande. Kjobenhavn 1876 (nach Malassez\u2019Meth.), citirt nach Panum. Ref. imJahresber. von Hopfmann A Schwalbe 1876. S. 190 u. 192.\n8\tPatrigeon, Rech, sur le nombre des globules rouges et blancs du sang \u00e0 l\u2019\u00e9tat physiol, et dans un cert. nomb. des malad, chroniqu. Paris 1877 (nach Malassez und Hayem\u2019s Meth.).\n9\tBouchut & Dubrisay, Gaz. med. 1878. p. 168 u. 178 (nach Hayem\u2019s Meth. (?), da auch die Z\u00e4hl. ders. Verf. am Blut von Diphtheritiskranken, Compt. rend. LXXXV. No. 3. 1877, nach dieser Methode vorgenommen sind).\n10\tDup\u00e9ri\u00e9, Sur les variations physiol, dans l\u2019\u00e9tat anatom, des globul. du sang. Paris 1878 (nach Malassez und Hayem\u2019s Meth.).","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nim Blutk\u00f6rperchengellalte Vorkommen und nur bei demselben Individuum eine wiederholte Z\u00e4hlung unter denselben Bedingungen dasselbe Resultat ergiebt. Es geht aus den zahlreichen vorliegenden Z\u00e4hlungen ferner hervor, dass der Gehalt des Blutes an Blutk\u00f6rperchen innerhalb gewisser Grenzen mit einer grossen Reihe von verschiedenen Bedingungen variirt. Gerade f\u00fcr specielle Studien dieser Art muss also die Blutk\u00f6rperchenz\u00e4hlung mehr leisten, als f\u00fcr die Gewinnung normaler Mittelzahlen des Blutk\u00f6rperchengehaltes von Menschen- und verschiedenem Thierblut.\nDies vorausgeschickt, theilen wir aus den vorliegenden Z\u00e4hlungen das Folgende mit. Yierordt1 bestimmte in seinem eigenen Blute im Mittel einmal 5,174,000 K\u00f6rperchen, im C.-Mill. ein anderes Mal 5,055,000; Welker2 (eigenes Blut) 4,573,846 u. 5,269,505; Cramer3 (eigenes Blut) 4,726,400; Malassez4 (8 gesunde, kr\u00e4ftige in Paris lebende m\u00e4nnliche Individuen) im Mittel 4,310,000 Max. 4,600,000 Min. 4,000,000 ; Hayem5 giebt als Mittelzahl f\u00fcr den Menschen 5,000,000 an; Patrigeon6 5,000,000\u20146,000,000. Bei Sorensen7 finden sich folgende Angaben:\nM\u00e4nnliche Individuen\t\t\tWeibliche Individuen\t\t\nAlter\tRothe Blutk\u00f6rperchen in C.-Mm. Mittelzahl Min. \u2014 Max.\tj Zahl der unter- suchten F\u00e4lle\tAlter\tRothe Blutk\u00f6rperchen im C.-Mm. Mittelzahl Min. \u2014 Max.\tZahl der unter- suchten F\u00e4lle\n1972\u201422 J.\t5,600000\t\t15\u201428 J.\t4,820000\t\nStudenten\t5,400000 bis 5,748000\t7\tHuren mit leichten venerischen, nicht syphilit. Affect.\t4,417000 bis 5,350000\t14\n25\u201430 J.\t5.310000\t\t41\u201461 J.\t5,010000\t\njunge Aerzte I\t4,900000 bis 5,800000\t6\tW\u00e4rterinnen\t4,800000 bis 5,470000\t7\n50\u201452 J.\t5,137000\t\t22\u201431 J.\t4,600000\t\n\t4,916000 bis 5,359000\t2\tGravide im 6. Monat\t4,540000 bis 5.660000\t2\n82 J.\t4.174700\t!\t\t\t\n1\tVierordt a. a. O.\n2\tWelker, Prager Yierteljahrschr. etc. 1S54. S. 11.\n3\tCramer a. a. O.\n4\tMalassez, Arch. d. physiol. IY. 2. ser. p. 634. 1677.\n5\tHayem a. a. O.\n6\tPatrigeon a. a. O.\n7\tS\u00f6rensen a a. O.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Resultate der Z\u00e4hlung.\n29\nBei Bouchut & Dubrisay 1\n\tAlter\u201c\tEothe Blutk\u00f6rperchen im. C.-Mm. Mittelzahl Min. \u2014 Max.\tZahl der untersuchten \"F\u00e4lle\n\t20\u201430 Jahre\t4,192687\t\n\t\t3.399395\t9\n\t\tbis\t\nEr-\t\t4,899375\t\nwachsene\t30\u201458 Jahre\t4,080113\t\n\t\t3,266250\t11\n\t\tbis\t\n\t\t5,904375\t\nAmmen\t26\u201433 Jahre\t4,165725\t\n\t\t3,306500\t4\n\t\tbis\t\n\t{\t4,698375\t\nZ\u00e4hlungen der Blutk\u00f6rperchen bei Thieren wurden vorgenommen von Vierordt 2 3, St\u00f6lzing :j, Malassez4, Worm-M\u00fcller5 u. A. Von den Resultaten seien die folgenden bemerkt;\n\tZahl der Blut-\t\t\tZahl der Blut-\t\nThier\tk\u00f6rperchen im\tBeobachter\tThier\tk\u00f6rperchen im\tBeobachter\n\tC.-Mm.\t\t\tC.-Mm.\t\nHund\t4,6120U0 4,231000\t| Vierordt\tKaninchen\t6,031000 2,783000\tt Vierordt\n\t4,092000 bis 5,644000\t| St\u00f6lzing\t\t4,866000\tSt\u00f6lzing\n\t4,719000 bis 9,638000\tIW orm-M\u00fcller\tm\u00e4nnlich weiblich\t4,300000 4,540000 4,160000\tlM j- MALASSEZ\nEs ergiebt sich daraus, dass der Blutk\u00f6rperchengehalt des Blutes bei verschiedenen Individuen derselben Species betr\u00e4chtlich schwankt. Einen Einfluss auf den Blutk\u00f6rperchengehalt \u00fcben aus: das Lebensalter ; S\u00f6rensen6 findet bei Kindern\n1\tBouchut & Dubrisay a. a. 0.\n2\tVierordt, Arch. f. physiol. Heilk. XIII. S. 259.\n3\tSt\u00f6lzing a. a. 0.\n4\tMalassez, Compt. rend. LXXY. Xo. 23. p. 1528. 1852; Arch. d. physiol. I. 2. ser. p. 32. 1874; ibidem IV. p. 634. 1877.\n5\tWorm-M\u00fcller, Transfusion u.Plethora. Christiana 1875; Om Forkoldet imel-lem Blodlegemernes Antal og Blodets Farvekraft. Christiana 1876.\n6\tSorensen a. a. 0.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nRoulett,Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nM\u00e4nnliche Individuen\t\t\nAlter i\tZahl der Blutk\u00f6rperchen im C.-Mm. Mittelzahl Min. \u2014 Max.\tZahl der unter- suchten B\u00e4lle\n5 \u2014 8 Tage\t5,769500\t\n\t5,284500 bis 6,105000\tQ O\n5 Jahre\t4,950000\t\n\t4,750000 bis 5,145000\t2\nWeibliche Individuen\n\u00bb Alter\tZahl der Blutk\u00f6rperchen im C.-Mm. Mittelzahl Min. \u2014 Max.\tZahl der unter- suchten F\u00e4lle\n1\u201414 Tage\t5,560800\t\n\t5,262500 bis 5,960000\t6\n2\u201410 Jahre\t5,120000\t\n\t4,980000\t0\n\tbis 5,2\u00f60000\t\n\u00df ou chut & Dubrisay 1 finden\nAlter\tZahl der Blutk\u00f6rperchen im C.-Mm. Mittelzahl Min. \u2014 Max.\tZahl der untersuchten Palle\n2 \u00bb/a\u201415 Tage\t4,269911 2,160000 bis 5,502000\t15\nLupine1 2 beobachtete beim Neugeborenen in den ersten 24 Stunden ein Steigen, vom Beginn des zweiten Tages ein Sinken des Blutk\u00f6rperchengehaltes. Nach Hayem3 ist der mittlere Gehalt des Blutes Neugeborener an Blutk\u00f6rperchen etwas gr\u00f6sser als beim Erwachsenen. Duperie4 5 findet im Blute von Kindern einen geringeren Gehalt an Blutk\u00f6rperchen als im Blute Neugeborener und Erwachsener. Mal assez\u20195 Untersuchungen an Kaninchen, Ratten, Meerschweinchen lind Katzen ergaben nach der Geburt ein Steigen des Blutk\u00f6rperchengehaltes bis zur 3. und 4. Woche, darauf ein Sinken unter den anf\u00e4nglichen Gehalt. Das Geschlecht \u00e4ussert in der Kindheit keinen Einfluss. Beim Erwachsenen kommen nach den meisten Beobachtungen geringere Zahlen auf die weiblichen Individuen (vgl. ob. die Z\u00e4hl, von Sorensen, Bouchut, Dubrisay & Malassez) nur\n1\tBouchut & Dudrisay a. a. 0.\n2\tL\u00e9pixe, Gaz. med. 1876. p. 105 (nach Hayeh\u2019s Meth.).\n3\tHayem, Compt. rend. LXXXIY. No. 21. p. 1166. 1877.\n4\tDuperie a. a. 0.\n5\tMalassez, Arch. d. physiol. II. 2. ser. p. 261. 1875.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Einfl\u00fcsse auf die Zahl.\n31\nDuperie l giebt an, keinen Unterschied in dem K\u00f6rperchengehalt des Blutes beider Geschlechter gefunden zu haben. Nach der Mahlzeit beobachtete Vierordt'1 2 2 Stunden sp\u00e4ter ein Sinken des Blutk\u00f6rperchengehaltes ; S\u00f6rensen3 giebt an, dass gleich nach der Mahlzeit die Zahl der Blutk\u00f6rperchen stieg, nach Verlauf von 1 Stunde ein Maximum erreichte und in den darauf folgenden Stunden allm\u00e4hlich abnahm. Duperie4 S giebt an, dass die Mahlzeit eine Verminderung, der Hunger, je l\u00e4nger er dauert, eine um so betr\u00e4chtlichere Vermehrung der rothen Blutk\u00f6rperchen herbeifiihre. Die Ursachen dieser Schwankungen im Gehalte des Blutes an Blutk\u00f6rperchen k\u00f6nnten nur aufgedeckt werden, wenn die Ver\u00e4nderungen des Gesammtblutes genau festgestellt werden k\u00f6nnten. Offenbar hat aber, das geht auch aus den gleichfolgenden Beobachtungen hervor, der Aus- und Eintritt von Fl\u00fcssigkeit einen wesentlich bestimmenden Einfluss auf den Gehalt des Blutes an Blutk\u00f6rperchen.\nMalassez 5 beobachtete eine Zunahme des Blutk\u00f6rperchengehaltes nach anstrengenden K\u00f6rperbewegungen, nach heissen B\u00e4dern, nach l\u00e4ngerem Aufenthalte auf dem Lande und an der Meeresk\u00fcste und zur Winterszeit, eine Abnahme nach l\u00e4ngerem Aufenthalte in einer grossen Stadt (Paris) und zur Sommerszeit. In den einzelnen Abschnitten des arteriellen Systems wurde der Gehalt des Blutes an Blutk\u00f6rperchen gleich, in den Venen im allgemeinen gr\u00f6sser als in den Arterien, in den einzelnen Venen sehr verschieden gefunden (Malassez\u00fc). Blut gleichzeitig aus der Haut verschiedener K\u00f6rperteile z. B. aus dem Daumen und aus der grossen Zehe genommen, zeigt denselben Gehalt an K\u00f6rperchen (Bouchut & Dubrisay7). Ueber Schwankungen des Blutk\u00f6rperchengehaltes in aufeinanderfolgenden Tagen im Lippenblut von Hunden bei sonst gleichen \u00e4usseren Verh\u00e4ltnissen vergleiche Worm-M\u00fcller.8\nNimmt man die mittlere Zahl der Blutk\u00f6rperchen des Menschen zu 5,000,000 in ein C.-Mill., so ergiebt sich aus den oben Seite 23 angef\u00fchrten Werth en f\u00fcr das Volumen und die Oberfl\u00e4che des einzelnen Blutk\u00f6rperchens f\u00fcr 100 Vol. Blut 36 Vol. K\u00f6rperchen und 64 Vol. Plasma und f\u00fcr die Oberfl\u00e4che der K\u00f6rperchen in 1 C.-Mill.\n1\tDuperie a. a. O.\n2\tVierordt, Arch. f. physiol. Heilk. XI. S. 327. 1852.\n3\tSorersen a. a. O. 4 Duperie a. a. O.\n5\tMalassez, Gaz. med. 1874. p. 573.\n6\tDerselbe, De la num. des glob. rouges de sang. Paris 1873 und Arch. d. physiol. I. 2. ser. p. 32. 1874.\n7\tBouchut & Dubrisay a. a. O.\nS Worm-M\u00fcller, Transfusion u Plethora. Christiana 1875.","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nRollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nBlut 640 \u25a1 Mill. (Welker1). Ist diesen Zahlen auch nur der Werth von Sch\u00e4tzungen zuzugestehen, so legen sie uns doch eine der wesentlichsten Leistungen der Blutk\u00f6rperchen dar, die darin besteht, den auf sie wirkenden Gasen eine m\u00f6glichst grosse Oberfl\u00e4che darzubieten.\nIV. Bestimmung der rotken Blutk\u00f6rperchen ihrem\nGewichte nach.\nDie Scheidungen, welche wir in einem fr\u00fcheren Abschnitte mit-getheilt haben, f\u00fchren nur in Bezug auf das Plasma und Serum des Blutes zu einer v\u00f6lligen Trennung. Die Blutk\u00f6rperchen dagegen werden dabei nicht in der Weise abgeschieden, dass wir sie f\u00fcr sich w\u00e4gen oder sie einer gesonderten chemischen Analyse unterwerfen k\u00f6nnten. Der letzteren Aufgabe gerecht zu werden, gelingt \u00fcberhaupt nicht. Wir m\u00fcssen uns nun hier \u00fcber die Gr\u00fcnde f\u00fcr diese Schwierigkeiten und \u00fcber die Erfahrungen, welche man trotz derselben gemacht hat, unterrichten.\nDie rothen Blutk\u00f6rperchen k\u00f6nnen aus dem Blute weder vor noch nach der Gerinnung desselben, noch auch, wenn der Faserstoff durch Ausschlagen aus dem Blute entfernt wurde, nach Art eines Niederschlages durch Abfiltriren in ihrem nat\u00fcrlichen Zustande rein erhalten werden. Das scheitert an zwei Ursachen. Die rothen Blutk\u00f6rperchen gehen, verm\u00f6ge ihrer Dehnbarkeit, selbst durch sehr feine Filter hindurch, und wir kennen keine Fl\u00fcssigkeit, mit welcher wir das an den Blutk\u00f6rperchen haftende Plasma oder Serum wegwaschen k\u00f6nnten. Erst wenn man die Blutk\u00f6rperchen durch gewisse Zusatzfl\u00fcssigkeiten h\u00e4rtet, lassen sich dieselben auf einem Filter sammeln. So filtrirte J. M\u00fcller2 die Blutk\u00f6rperchen aus dem Froschblut ab, dem er Zuckerwasser (1 Theil Zucker auf 2 und mehr Theile Wasser) zusetzte. Hiebei tritt die Gerinnung sehr langsam auf, so dass die Filtration noch vor deren Eintritt beendigt ist; erst in dem klaren Filtrate scheidet sich das Fibrin aus. Eben so kann man sich einer L\u00f6sung von Glaubersalz (16 \u2014 18\u00b0 Baume), von welcher 2 Vol. zu 1 Vol. Blut gesetzt werden, bedienen (Figuer3) um die Blutk\u00f6rperchen als rothen sammetartigen Beleg auf dem Filter zu erhalten, w\u00e4hrend das durchfliessende Gemisch von Serum und Salzl\u00f6sung keine Spur von rotker Farbe zeigt. Die auf dem Filter befindlichen Blut-\n1\tWelker, Ztschr. f. rat. Med. XX. (3) S. 280. 1863.\n2\tJ. M\u00fcller, Handb. d. Physiol. I. S. 107. 1835.\n3\tFiglter, Ann. d. chim. et phys. XI. 3. ser. p. 503.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Filtration und Decantation der rothen Blutk\u00f6rperchen.\n33\nk\u00f6rperchen k\u00f6nnen dann noch mit Glaubersalzl\u00f6sung gewaschen werden, wobei Einleiten von Sauerstoff mit beitragen soll, den Ueber-gang von Farbestoff ins Filtrat zu verhindern (Dumas1).\nZu einer Bestimmung der Gr\u00f6sse, die wir suchen, f\u00fchren die Versuche nicht, da in dem Momente, wo die die Filtration erm\u00f6glichende Zusatzfl\u00fcssigkeit ins Blut gelangt, die Blutk\u00f6rperchen sich ver\u00e4ndern, wie die microscopische Beobachtung lehrt und die einfachste Ueberlegung nicht anders erwarten l\u00e4sst. Dem wTas Dumas und Eigner und ihre Nachfolger als w\u00e4gbare Maasse der rothen Blutk\u00f6rperchen nach dem angef\u00fchrten Trennungsverfahren in Rechnung brachten, kann also h\u00f6chstens ein relativer Werth zugeschrieben werden.\nAuch die Decantation f\u00fchrt nicht zum Ziele. Zwar werden in den untersten Schichten des durch Senkung der Blutk\u00f6rperchen entstandenen Bodensatzes die K\u00f6rperchen am meisten frei von anhaftendem Serum sich vorlinden, in geringem Maasse werden sie aber immer damit verunreinigt bleiben. Man hat sich zwar auch hier zur Wegwaschung des anhaftenden Serums des Zusatzes von Salzl\u00f6sungen zum Blutk\u00f6rperchenbrei bedient, in Bezug auf die Ermittlung des quantitativen Verh\u00e4ltnisses der Blutk\u00f6rperchen zum Plasma l\u00e4sst sich aber damit ebenso wenig erreichen, wie bei der Filtration.\nDennoch hat man f\u00fcr die quantitative Analyse der Blutk\u00f6rperchen aus der Decantation einigen Nutzen gezogen. Wiederholt mit einem mehrfachen Ueberschuss von verd\u00fcnnter Kochsalzl\u00f6sung (1 Vol. ges\u00e4tt. L\u00f6s. auf 9\u201419 Vol. Wasser) gewaschener Blutk\u00f6rperchenbrei (Hoppe-Seyler2, Bunge3 4), bei welchen Operationen wieder die Centrifuge wesentliche Dienste leistete (Bunge7), haben J\u00fcdell5 und Bunge6 zu Analysen ben\u00fctzt, und wenn auch die Annahme, dass die rothen Blutk\u00f6rperchen bei diesem Verfahren keine weiteren Ver\u00e4nderungen erleiden, als dass ihnen Wasser entzogen wird (Hoppe-Seyler7), eine sehr hypothetische ist und nur das Factum feststeht, dass ihnen dabei kein rotker Farbestoff entzogen wird, so sind doch die rothen Blutk\u00f6rperchen noch nach keiner besseren Methode auf ihren chemischen Bau zu untersuchen gewesen.\n1\tDumas, Ann. d. chim. etphys. XVII. 3. ser. p. 452. 1846.\n2\tHoppe-Seyler, Med. chem. Unters. S. 172. Berlin 1866\u20141871.\n3\tBunge, Ztschr. f. Biologie XII. S. 197. 1876.\n4\tDerselbe a. a. 0.\n5\tJ\u00fcdell, Med. chem. Unters., herausg. v. Hoppe-Seyler. S. 386.\n6\tBunge a. a. 0.\n7\tHoppe-Seyler a. a. 0. S. 170 .\nHandbueh der Physiologie. Bd. IV.\n3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34 Roulett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nNachdem wir nun die Schwierigkeiten, welche sich einer direc-ten Gewichtsbestimmung der rothen Blutk\u00f6rperchen entgegenstellen, kennen gelernt haben, wollen wir sehen, wie man auf indirectem Wege zur angestrebten Kenntniss zu gelangen suchte. Der \u00e4lteste Versuch dieser Art, der uns noch interessirt, f\u00fchrt auf den Begriff der trockenen Blutk\u00f6rperchen von Pr\u00e9vost und Dumas.\nWir wollen den letzteren vorerst bestimmen.\nEs sei R der feste R\u00fcckstand von 100 Th. Blut oder des Kuchens von 100 Th. Blut und w das entsprechende Wasser. Es sei ferner R[ der feste R\u00fcckstand und w1 2 das Wasser in 100 Th. Serum dieses Blutes und man w\u00fcrde die Annahme machen, dass alles Wasser des Blutes nur dem Serum angeh\u00f6rt, so w\u00fcrde man aus der\nGleichung\ny \u2014 rv\nRA rv1\nden Serumr\u00fcckstand in 100 Th. Blut oder 100 Th. Blutkuchen erhalten und aus\tx \u2014 R \u2014 y\t1 )\nden nicht dem Serum ungeh\u00f6rigen festen R\u00fcckstand, das ist diejenige Gr\u00f6sse, welche von Pr\u00e9vost & Dumas 1 als trockene Blutk\u00f6rperchen bezeichnet wurde.\nDass der Faserstoff hier mit zu den Blutk\u00f6rperchen gerechnet erscheint, kommt daher, dass Pr\u00e9vost & Dumas der Ansicht waren, dass der Faserstoff sich aus den Blutk\u00f6rperchen ausscheidet, die im ungeronnenen Blute einen aus Faserstoff bestehenden Kern und eine aus Blutroth (cruor) bestehende Schale haben sollten.\nAls sich diese Anschauung als irrth\u00fcmlich herausstellte, bestimmte man sp\u00e4ter auch noch die Menge Fibrin in 100 Th. Blut F und mit Ber\u00fccksichtigung dieser Gr\u00f6sse ergeben sich aus\nx = R \u2014 F\u2014 y\t2)\ndie trockenen Blutk\u00f6rperchen, welchen corrigirten Werth man sp\u00e4ter ebenfalls als trockene Blutk\u00f6rperchen von Pr\u00e9vost & Dumas bezeichnet hat. Das Verfahren um zu den f\u00fcr die Berechnung dieser Gr\u00f6sse n\u00f6thigen Bekannten zu gelangen, ist bei Pr\u00e9vost & Dumas3 und Andral & Gavaret3 und in verschieden modificirter Weise bei Becquerel & Rodier4, Popp5, C. Schmidt6 u. And. angegeben. Heute\n1\tPr\u00e9vost & Dumas, Biblioth\u00e8que univers, de Genev. XVII. p. 294. 1821.\n2\tPr\u00e9vost & Dumas, Ann. d. chim. et phys.XXIII. p. 50.1823 und Dumas, Trait, d. chim. VIII. p. 495. 1846.\n3\tAndral & Gavaret, Ann. d. chim. et phys. LXXV. p. 225. 1840.\n4\tBecquerel & Rodier, Rech, sur 1. comp, du sang dans l\u2019\u00e9tat de sant\u00e9, etc. Paris 1844 und Trait\u00e9 d. chim. path. p. 20. Paris 1845.\n5\tPopp, Unters, \u00fcber d. Beschaff, d. menschl. Blut, in verschied. Krankh. Leipzig 1845.\n6\tC. Schmidt, Charakter, d. epid. Cholera. Leipzig u. Mitau 1850.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Trockene Blutk\u00f6rperchen von Pr\u00e9vost und Dumas.\n35\nbedarf die dem Begriff der trockenen Blutk\u00f6rperchen von Pr\u00e9vost & Dumas zu Grunde liegende Idee, dass die geformten Tlieile des Blutes (particules, worunter sie Fibrin und K\u00f6rperchen zusammen verstanden) zu vergleichen seien der Substanz eines Schwammes, der sich mit Serum vollgesogen hat, keiner besonderen Widerlegung mehr, nichtsdestoweniger muss der dem Begriff der trockenen Blutk\u00f6rperchen entsprechenden Gr\u00f6sse in den vergleichenden Blutanalysen, wie sie bei den fr\u00fcher genannten Autoren vorliegen, eine gewisse Bedeutung zugesprochen werden.\nJa dieselbe w\u00fcrde noch bedeutsamer sein, wenn sich die Behauptung bewahrheitet h\u00e4tte, dass diese Gr\u00f6sse in einem ganz bestimmten und con-stanten Verh\u00e4ltnisse zu dem Gewichte der ihren eigenen Antheil Wasser enthaltenden Blutk\u00f6rperchen des frischen Blutes stehen. Zu dieser Annahme glaubte sich aber C. Schmidt 1 auf Grund von Versuchen berechtigt. Nach C. Schmidt\u2019s Beobachtungen nimmt mit R\u00fccksicht auf das den Blutk\u00f6rperchen eigenth\u00fcmliche Wasser die fr\u00fcher f\u00fcr den Serumr\u00fcckstand mitgetheilte Formel eine andere Form an, n\u00e4mlich\n,\t, R'\ni/ = (w \u2014 n X) \u2014r w'\nworin nx das den Blutk\u00f6rperchen entsprechende Wasser bedeuten soll. n sei aber eine constante Gr\u00f6sse von bestimmtem Werth und zwar soll sie dem Werthe 3 entsprechen, d. h. das den Blutk\u00f6rperchen eigenth\u00fcmliche Wasser soll das Dreifache des Gewichtes ihrer Trockensubstanz betragen. Die trockenen Blutk\u00f6rperchen w\u00fcrden sich dann ergeben, wenn man in die Gleichung 2) den neuen Werth von y einsetzen und die Gleichung nach x auf l\u00f6sen w\u00fcrde. Der gefundene Werth von x mit 4 mul-tiplicirt erg\u00e4be dann das Gewicht der feuchten Blutk\u00f6rperchen. Wir brauchen aber hier nur die Bestimmungen anzuf\u00fchren, welche C. Schmidt machte, um zu seinem Coefficienten zu gelangen, um das Vertrauen zu demselben v\u00f6llig zu ersch\u00fcttern. Er st\u00fctzt sich dabei auf micrometrische Messungen und der daraus zu entnehmenden Volumsabnahme der Blutk\u00f6rperchen beim Trocknen, auf das an microscopischen Querschnitten des contrahirten Blutkuchens bestimmte Verh\u00e4ltniss von Blutk\u00f6rperchen und Plasma und auf die ungleiche Vertheilung der Salze zwischen Blutkuchen und Serum. Allen diesen Bestimmungen haften aber so viele Fehler an, dass sie unm\u00f6glich zu einer experimentellen Begr\u00fcndung, sondern im besten Falle nur zu einer oberfl\u00e4chlichen Sch\u00e4tzung des gesuchten Coefficienten f\u00fchren konnten. In der That hat sich der ScHMiDT\u2019sche Coefficient nicht bew\u00e4hrt, sondern im Allgemeinen als viel zu gross herausgestellt.\nEin dem Principe nach schon von Zimmermann angedeuteter Weg zur indirecten Bestimmung der Blutk\u00f6rperchen wurde von Hoppe-Seyler- betreten. Macht man die Voraussetzung, dass der Faser-\n1\tC. Schmidt a. a. 0.\n2\tHoppe-Seyler, Arch. f. pathol. Anat. XII. S. 483.\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nRoulett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nstoff sich nur aus clem Plasma des Blutes ausscheidet, so kann man die Blutk\u00f6rperchen aus zwei Fibrinbestimmungen berechnen. Eine solche wird vorgenommen in einer bestimmten Menge des Gesammt-blutes, die andere in dem Plasma desselben Blutes, welches man durch Absetzen der Blutk\u00f6rperchen in der K\u00e4lte, wenn dieses rasch erfolgt (Pferdeblut), oder nach Zusatz von die Gerinnung verz\u00f6gernden Salzen (saures phosphor. Natron Masia1) aus einer zweiten Portion desselben Blutes erhalten hat. Man kann dann aus dem f\u00fcr 100 Th eile Plasma ermittelten Fibringehalt f die dem Fibringehalt/1 in 100 Th. des Gesammtblutes entsprechende Menge Plasma p be-\n/i\nrechnen\tp \u2014 100 \u2014\ndiese abgezogen von 100 ergiebt\n100 \u2014 p \u2014 K\ndie Menge der Blutk\u00f6rperchen.\nW\u00e4re der Faserstoff eine Substanz, die nach Art eines crystal-loiden K\u00f6rpers vom Plasma gel\u00f6st w\u00e4re, so w\u00fcrde gegen dieses Verfahren nur das eine Bedenken zu erheben sein, dass die directe Bestimmung einen sowohl im Gesammtblut als im Plasma nur in verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringer Menge vorkommenden K\u00f6rper betrifft und daher kleine Fehler, welche bei der Bestimmung des Fibrin gemacht werden, im Plasma und somit auch in den K\u00f6rperchen hundertfach vergr\u00f6ssert erscheinen w\u00fcrden. M\u00f6glichst genaue Fibrinbestimmungen w\u00e4ren darum das erste Erforderniss. Nun ist aber, wie wir sehen werden, der Faserstoff keineswegs in der angef\u00fchrten Weise im Plasma enthalten. Er wird vielmehr erst bei der Gerinnung des Blutes gebildet durch sehr complicate Vorg\u00e4nge, die es veranlassen k\u00f6nnen, dass bei sehr genauer und sorgf\u00e4ltiger Bestimmung des Fibrin in gleichen Portionen desselben Blutes die erhaltenen Fibrinmengen aus noch unbekannten Gr\u00fcnden bis zu 0,045 \u00b0/o gehende Differenzen ergeben (S. Mayer2). Durch diese Unsicherheit der Fibrinbestimmung, die aber Heynsius3 nicht so gross fand, wie Mayer und die Hoppe-Seyler4 bei seinen Versuchen \u00fcberhaupt nicht beobachtet haben will, wird der Werth des Verfahrens von Hoppe-Seyler wesentlich eingeschr\u00e4nkt. Versuche, dasselbe zu ersetzen durch ein auf eine andere ausschliesslich im Plasma vorhandene und darin echt gel\u00f6ste Substanz basirtes gleiches Verfahren haben aber,\n1\tMasia, Arch. f. pathol. Anat. XXX1Y. S. 436. 1865.\n2\tS. Mayer, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. LA I. S. 103. 1867.\n3\tHeynsius, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 1. 1869.\n4\tHoppe-Seyler, Physiol. Chemie S. 419. Berlin 1876.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Bestimmung nach Hoppe-Seyler.\n37\nwenigstens was allgemeine Anwendbarkeit betrifft, ein negatives Resultat ergeben (Bunge1).\nNach Hoppe-Seyler\u2019s Verfahren wurden Bestimmungen der Blutk\u00f6rperchen im Pferdeblut ausgef\u00fchrt von Hoppe-Seyler'2 selbst, von Sacharjin3 & Fudakowski4.\nVerbindet man, wie Sacharjin es gethan hat, die zwei Fibrinbestim-mungen noch mit einer Bestimmung des festen R\u00fcckstandes und Wassers des Gesammtblutes und des Serum, so findet man nach der oben angef\u00fchrten Formel leicht die trockenen Blutk\u00f6rperchen von Pr\u00e9vost und Dumas. Vergleicht man aber dann den daf\u00fcr erhaltenen Werth mit dem nach der Methode Hoppe-Seyler\u2019s erhaltenen Werth der feuchten Blutk\u00f6rperchen, so findet man, dass ein constanter Coefficient, wie ihn C. Schmidt f\u00fcr die Berechnung der feuchten Blutk\u00f6rperchen, aus den trockenen Blutk\u00f6rperchen von Pr\u00e9vost und Dumas annehmen wollte, nicht existirt und dass der in den einzelnen Versuchen schwankende Coefficient bei weitem nicht die Gr\u00f6sse 4, welche C. Schmidt seinem eonstanten Coefficienten zuschrieb, erreicht. Schmidt\u2019s feuchte Blutk\u00f6rperchen fallen also zu gross aus.\nEine ebenfalls von Hoppe-Seyler5 herr\u00fchrende Berechnung der Blutk\u00f6rperchen, die Bunge6 bei seinen Bestimmungen der Blutk\u00f6rperchen im defibrinirten Schweine-, Pferde- und Rinderblut etwas modifient in Anwendung brachte, m\u00fcssen wir schliesslich noch erw\u00e4hnen. Sie beruht auf der Bestimmung der coagulirbaren Substanzen des Blutes, der Blutk\u00f6rperchen und des Plasma. Die Relation der K\u00f6rperchen in 100 Th. Blut zu den genannten Substanzen l\u00e4sst sich dann ausdr\u00fccken durch die Formel\n100 \u2014 ( 100\t+F) = K.\n\\\tciii\t/\nCj bedeutet coagulirbare Substanz des Gesammtblutes; man erh\u00e4lt sie durch Eintrocknen von Blut und Extraction des R\u00fcckstandes mit kochendem Alkohol und Aether und mit Wasser, W\u00e4gen, Veraschen und Abziehen des Gewichtes der Asche mit Ausnahme des Eisenoxyds von dem ersteren Gewicht. \u2014 In derselben Weise wird\ncu aus dem geschlagenen, aber vom ausgeschiedenen Fibrin nicht getrennten, wiederholt mit Kochsalzl\u00f6sung gewaschenen und dann mit Alkohol gef\u00e4llten Blute gewonnen. Es bedeutet coagulirbare Substanzen der K\u00f6rperchen -|- Fibrin.\ncm erh\u00e4lt man aus dem Serum ebenso wie cY aus dem Gesammtblute es bedeutet coagulirbare Substanz des Serum.\n1\tBunge, Ztschr. f. Biol. XII. S. 201. 1ST6.\n2\tHoppe-Seyler a. a. O.\n3\tSacharjin, Arch. f. pathol. Anat. XXI. S. 337. 1861.\n4\tFudakowski, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1866. S. 705.\n5\tHoppe-Seyler, Handb. d. physiol, u. patbol. cbem. Analyse. 2. Aufl. S. 315. Berlin 1865.\n6\tBunge a. a. O.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38 Roulett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nF ist das durch Ausschlagen und W\u00e4gen bestimmte Fibrin. Alle Werthe werden auf 100 Theile berechnet1.\nNach den angef\u00fchrten Methoden wurden von den verschiedenen Beobachtern die nachfolgenden Verh\u00e4ltnisse zwischen K\u00f6rperchen und Plasma (oder Serum) gefunden.\nSpecies\tIn 100 Th. Blut K\u00f6rperchen\tPlasma 1\t\tBeobachter\nMensch . . .\t51.31\t48.69\tC. Schmidt.\nPferd ....\t32.62\t67.38\tHoppe-Seyler.\nj Pferd ....\t34.40\t65.60\tSacharjin.\nHund ....\t38.34\t61.65\tFudakowski.\n\tIn 100 Th. defibrinir-\t\t\n\ttem Blut\t\t\nPferd ....\t53.15\t46.85\tBunge.\nSchwein . . .\t43.68\t56.32\t\nRind\t\t31.87\t68.13\t\"\nV. Die chemische Zusammensetzung der rothen\nBlutk\u00f6rperchen.\ni. Das H\u00e4moglobin.\nDie wichtigste Substanz, welche in die Zusammensetzung der rothen Blutk\u00f6rperchen eingeht, ist das H\u00e4moglobin, fr\u00fcher auch H\u00e4matoglobulin oder H\u00e4matokrystallin genannt.\nDas H\u00e4moglobin existirt im lebenden K\u00f6rper in zweierlei Modi-ficationen. In der einen enth\u00e4lt es Sauerstoff lose gebunden, in der anderen fehlt dieser Sauerstoff, man bezeichnet die erste Modification als Oxyh\u00e4moglobin oder Sauerstoffh\u00e4moglobin, die zweite als H\u00e4moglobin schlecht weg oder auch als reducirtes H\u00e4moglobin. Was wir zun\u00e4chst vorzubringen haben, bezieht sich auf die erstere Modification, das Oxyh\u00e4moglobin oder Sauerstoffh\u00e4moglobin. Es ist eine in Wasser l\u00f6sliche eisenhaltige organische Substanz, welche im krystallisirten Zustande dargestellt werden kann. Eine k\u00f6rnige oder krystalliniscke Ablagerung des Pigmentes innerhalb des einzelnen Blutk\u00f6rperchens ist nicht nachzuweisen. Es ist in denselben viel-\n1 Es ergiebt sich dann Cj \u2014 en : x = Cjji '\u2022 100, d. h. den coagulirbaren Substanzen des Serum des Gesammtblutes entspricht x Serum. weil Cjii in 100 Theilen Serum enthalten. Das Serum in 100 Theilen Blut vermehrt um das Fibrin in 100 Th. ergiebt das Plasma in 100 Theilen Blut\n100-1 ~ *-n- + F=p, cm\ndieses von 100 abgezogen giebt den oben angef\u00fchrten Ausdruck f\u00fcr die K\u00f6rperchen K in 100 Th. Blut.","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Verh\u00e4ltnis von K\u00f6rperchen uncl Plasma. H\u00e4moglobin.\n39\nmehr nur so wahrzunehmen, wie in d\u00fcnnen Schichten seiner w\u00e4sserigen L\u00f6sung. Da aber der H\u00e4moglobingehalt der Blutk\u00f6rperchen zu dem Wassergehalt derselben in einem Verh\u00e4ltnisse steht, dass man die Annahme das H\u00e4moglobin sei in Form einer w\u00e4sserigen L\u00f6sung in den Blutk\u00f6rperchen enthalten nicht machen kann und \u00fcberdies das H\u00e4moglobin auch im Plasma vollst\u00e4ndig l\u00f6slich ist, so muss man annehmen, dass es in dem intacten Blutk\u00f6rperchen durch besondere Kr\u00e4fte im amorphen Zustande fixirt ist. Welches diese Kr\u00e4fte sind, weiss man nicht, Vermuthungen sind dar\u00fcber ausgesprochen bei Preyer1.\n1. Anf\u00e4nglich boten sich die Blutkrystalle als zuf\u00e4llige Funde einzelnen Beobachtern dar (H\u00fcnefeld2, Reichert3, K\u00f6lliker4, Leydig5.\nErst durch Funke6 7 8, Kunde 7 und Lehmann 8 lernte man die methodische Darstellung derselben kennen. Die genannten Forscher insbesondere Lehmann, der zun\u00e4chst darauf ausging die Krystalle im Grossen darzustellen, gewannen dieselben aus Blut, in welchem die Blutk\u00f6rperchen durch Wasserzusatz zerst\u00f6rt worden waren und es zeigte sich, dass die Blutkrystalle aus dem Blut verschiedener Thiere, in verschiedenen, aber f\u00fcr dieselbe Thierspecies sehr regelm\u00e4ssig wiederkehrenden Krystallgestalten sich abscheiden.\nAusserdem fand man, dass die Krystalle nicht gleich leicht aus jedem Blute zu bekommen sind. So scheiden sich aus dem Meerschweinchen- und Eichh\u00f6rnchenblut, aus dem ersteren Tetraeder, aus dem letzteren sechsseitige Tafeln immer rasch und reichlich aus und dasselbe ist der Fall f\u00fcr die rhombischen Tafeln und nadelf\u00f6rmigen Krystalle anderer Thiere (Pferd, Hund, Katze), w\u00e4hrend im Blut des Menschen und wieder anderer Thiere (Kaninchen, Schaaf) Krystalle von der letztgenannten Form erst nach l\u00e4ngerer Zeit und in langsam zunehmender Menge erscheinen und das Blut wieder anderer Thiere (Schwein, Rind, Frosch) nur \u00e4usserst schwer zum Kry-stallisiren zu bringen war9.\n1\tPreyer, Die Blutkrystalle S. 27. Jena 1871.\n2\tH\u00fcnefeld, Chemismus in der thierischen Organisation S. 160. Leipzig 1840.\n3\tReichert, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1849. S. 197.\n4\tK\u00f6lliker, Art. Spleen Todd Cyclopaedia of Anat. and Physiol. IV. p. 793. 1849; Ztschr. f. wiss. Zool. I. S. 266. 1849.\n5\tLeydig, Ztschr. f. wiss. Zool. I. S. 116. 1849.\n6\tFunke, De sanguine venae lienalis. Lipsiae 1851 ; Ztschr. f. rat. Med. N. F. I. S. 172. 1851, IL S. 199 u. 288. 1852.\n7\tKunde, Ztschr. f. rat. Med. 1ST. F. IL S. 271. 1852.\n8\tLehmann, Sitzgsber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss., math.-naturwiss. CI. 1852. S. 23 u. 78, 1853. S. 111.\n9\tVergl. Preyer. Die Blutkrystalle. Jena 1871 (wo sich eine Zusammenstellung der Krystallformen und der Krys\u2019tallisirbarkeit f\u00fcr das Blut von 23 S\u00e4ugethieren, 7 V\u00f6geln, 5 Amphibien und 12 Fischen findet). S. 36\u201441.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nDie Zerst\u00f6rung der Blutk\u00f6rperchen durch Wasser ist nicht der einzige Weg, welcher zur Bildung der Blutkrystalle f\u00fchrt. Man weiss jetzt vielmehr, dass alle die verschiedenartigen Einfl\u00fcsse, welche das Blut lackfarbig machen, ohne den Blutfarbestoff selbst zu zersetzen, ja auch solche Einfl\u00fcsse, welche die Blutk\u00f6rperchen nur theil-weise zerst\u00f6ren, die Ausscheidung der H\u00e4moglobinkrystalle zur Folge haben.\nSo das Frieren und Wiederaufthaiien (Rollett1), die Durchleitung von Entladungsschl\u00e4gen (Rollett2), die Ver\u00e4nderungen des Blutes am positiven Pol einer constanten Kette (A. Schmidt :i), Erw\u00e4rmen des Blutes im Wasserbade auf 60\u00b0 C. (M. Sch\u00fcltze4), Zusatz von gepulverten Salzen (B\u00fcrsy5), Einleiten der D\u00e4mpfe oder Zusatz in Substanz von Aether (v. Wittich6), Chloroform (B\u00f6ttcher7), Zusatz von Alkalisalzen der Galle (K\u00fchnes).\nOhne besonderen Zusatz krystallisirt das Erstickungsblut, weil die Blutk\u00f6rperchen in demselben theilweise zerst\u00f6rt werden (Preyer 9). Reiche Krystallbildung trat in Hundeblut auf, welches mit calcinirter Luft in einem Ballon eingeschlossen 4\u20146 Wochen bei 30 0 C. stehen blieb, wobei 2\u20143 \u00b0/o Sauerstoff aus der Luft verschwanden (Pasteur10). Anders und rascher als bei diesem Versuche die langsame Oxydation der Blutk\u00f6rperchen wirkt die F\u00e4ulniss des Blutes. Mit wenig Luft in Glasr\u00f6hren eingeschlossenes Blut verschiedener Thiere der Temperatur des Br\u00fctofens ausgesetzt ergiebt beim nachtr\u00e4glichen Verdunsten reichliche Krystalle von bedeutender Gr\u00f6sse (3 \u2014 5 Cm. lange Prismen aus Hundeblut). Wird f\u00fcr diese Versuche das Blut direct aus den Adern des Thieres vorsichtig in Glasr\u00f6hren mit ausgegl\u00fchter Luft eingeschlossen, so bleibt die rasche und reiche, zu maeroscopischen Krystallen f\u00fchrende Krystallbildung aus (Gscheidlen11), die wahrscheinliche Erkl\u00e4rung des Versuches ist, dass die F\u00e4ulniss, der das Blut im Br\u00fctofen rasch anheimf\u00e4llt, Stoffe zerst\u00f6rt, welche der Krystallisation hinderlich sind. Dass faules Blut leicht krystallisirt, wurde schon \u00f6fters beobachtet (Parkes 12, A. Schmidt 13, B\u00f6ttcher u, Klees15)* Es haben sich also mit der Zeit die Methoden zur Gewinnung des H\u00e4moglobins im krystallisirten Zustande sehr vervielf\u00e4ltigt, in Bezug auf die Formen der dabei auftretenden Krystalle wurde aber dadurch sehr wenig ge\u00e4ndert.\n1\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad., math.-naturwiss. Cl. XLVI. S. 75. IS52.\n2\tDerselbe, Ebenda S. 92.\n3\tA. Schmidt, Arch. f. pathol. Anat. XXIX. S. 29. 1864.\n4\tM. Sch\u00fcltze, Arch. f. microscop. Anat. I. 1. 1865.\n5\tB\u00fcrsy, Krystallisation des Blutes durch Salze. Dorpat 1863.\n6\tv. Wittich, K\u00f6nigsberger med. Jahrb. III. S. 332. 1863.\n7\tB\u00f6ttcher, Arch. f. path. Anat. XXXII. S. 126. 1864.\n8\tK\u00fchne, Centralbl. i. d. med. Wiss. 1863. S. 833.\n9\tPreyer. Die Blutkrystalle S. 23. Jena 1871.\n10\tPasteur, Compt. rend. XVI. Ko. 16. p. 739. 1863.\n11\tGscheidlen, Arch. f. d. ges. Physiol. XVI. S. 421. 1878.\n12\tParkes, Med. Times and Gaz. XXVI. p. 103. 1852.\n13\tA. Schmidt, Arch. f. pathol. Anat. XXIX. S. 18. 1864.\n14\tB\u00f6ttcher, Ebenda XXXII. S. 381. 1865.\n15\tKlebs, Arch. f. exper. Pathol. I. S. 39. 1873.","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Darstellung, Gestalt cler Blutkrystalle.\n41\nEs wurde schon erw\u00e4hnt, dass sich diese Krystalle bei verschiedenen Thieren in ganz verschiedenen Formen ausscheiden, dennoch sind die Verschiedenheiten in der ganzen Reihe der rothbltitigen Thiere nicht so gross, als man anf\u00e4nglich angenommen hat, so lange man die hemi\u00ebdrischen Krystallformen des Meerschweinchenblutes und die \u00e4hnlichen Formen des Rattenblutes f\u00fcr regul\u00e4re Tetraeder ansah.\nJetzt weiss man, dass diese Tetraeder rhombisch sind (v. Lang1). Demselben Krystallsysteme geh\u00f6ren aber auch die des Menschenblutes an und aus dem Verzeichniss der Blutkrystalle von 47 Vertebraten, welches Pkeyer2 zusammenstellte, ergiebt sich, dass die Blutkrystalle der meisten untersuchten Thiere im rhombischen Systeme krystallisiren. Sicher bekannt ist nur eine Ausnahme: das H\u00e4moglobin des Eichh\u00f6rnchenblutes, welches im hexagonalen System krystallisirt (v. Lang3). Sowohl die dem rhombischen als auch die dem hexagonalen Systeme angeh\u00f6rigen H\u00e4moglobinkrystalle biethen nach der Krystallgestalt orientirte Lichtabsorptionserscheinungen dar, sie sind pleochromatisch (v. Lang4).\n1\tv. Lang, Sitzgsber. d. Wiener Acad., math.-naturwiss. Cl. XLYI. 2. Abtb. S. 85. 1862. Die Untersuchung ergab, dass die Tetraeder zwischen gekreuzten Kikol-schen Prismen im Sehfelde des Polarisationsmicroscopes in 4 Azymuthen hell, in 4 Azymuthen dunkel erscheinen. Es kommen ferner h\u00e4utig Tetraeder zur Beobachtung , bei welchen zwei gegen\u00fcberliegende Kanten abgestumpft erscheinen. Beide Thatsachen sind unvereinbar mit der Annahme, dass die Krystalle fesserai sind. Liegt ein Krystall gerade auf einer der genannten Abstumpfungsfl\u00e4chen auf. so erscheint auch das von den \u00fcbereinander projicirten Abstumpfungsfl\u00e4chen gleichzeitig bedeckte Viereck doppelt lichtbrechend. Die Krystalle k\u00f6nnen also auch nicht tetragonal sein, da in diesem Falle die parallelen Abstumpfungsfl\u00e4chen nur ein zur Hauptaxe senkrechtes Endfl\u00e4chenpaar sein k\u00f6nnten und das l\u00e4ngs der Axe auffallende Licht einfach gebrochen werden m\u00fcsste. Es ist also die einzige Annahme m\u00f6glich, dass die Tetraeder rhombisch sind. Liegt ein Krystall genau auf einer Tetraederfl\u00e4che auf. so beobachtet man. dass die 3 Winkel des Umrisses alle nahezu gleich 60\u00b0 sind, woraus sich ergiebt, dass die drei Axen-l\u00e4ngen der diesem Tetraeder entsprechenden Pyramide nur wenig von einander verschieden sind. Die Krystalle aus dem Menschenblute geh\u00f6ren ebenfalls dem rhombischen Systeme an. Ihre Form ist ein Prisma, das durch zwei senkrecht darauf stehende Endfl\u00e4chen geschlossen ist. Sie sind bald nach der Prismenfl\u00e4che, bald nach der Endfl\u00e4che vorherrschend entwickelt und kommen so theils als rechteckige, theils als rhombische Tafeln zur Beobachtung. F\u00fcr die spitzen Winkel der rhombischen Endfl\u00e4chen ergaben sich aus mehreren Messungen 54\u00b0 6'. Die Axenl\u00e4ngen des Prismas w\u00fcrden sich demnach verhalten wie 1 : 1.96 = 1 : 2 X0.98, woraus man ersieht, dass, wenn man die zweite Axenl\u00e4nge durch 2 dividirt, die beiden Axen nahezu gleich lang werden, was mit den Krystallen aus dem Meerschweinchenblut sehr gut \u00fcbereinstimmt. Die sechsseitigen Tafeln des Eichh\u00f6rnchenblutes sind gebildet von einem sechsseitigen Prisma und der Endfl\u00e4che, sie sind durch die Endfl\u00e4che zwischen gekreuzten Kicol\u2019schen Prismen betrachtet in allen Azymuthen dunkel und nur durch die Prismenfl\u00e4chen betrachtet doppeltbrechend und geh\u00f6ren somit unzweifelhaft ins hexagonale System.\n2\tPreyek a. a. 0.\n3\ty. Laxg, s. d. vorausgehende Anmerk.\n4\tDerselbe a. a. 0.","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42 Rollett. Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nDie chemische Gleichartigkeit des H\u00e4moglobins in verschiedenen Blutarten vorausgesetzt, m\u00fcsste dasselbe, wenn die im rhombischen Systeme auftretenden Krystalle nach krystallographischen Gesetzen auf einander beziehbar sind, was f\u00fcr die Blutkrystalle des Menschen und des Meerschweinchens sehr wahrscheinlich ist (s. d. ob. Anmerk.) als eine dimorphe Substanz betrachtet werden.\n2. K\u00f6nnen wir aber eine chemische Gleichartigkeit der H\u00e4mo-globine verschiedener Thiere voraussetzen?\nDen verschiedenen Blutkrystallen ist auch eine verschiedene L\u00f6slichkeit1 in Wasser zugeschrieben worden, nicht nur den verschiedenen Krystallformen, sondern auch denselben Krystallformen aus verschiedenem Blut. Der Werth solcher Angaben kann aber nur ein sehr geringer sein, da Bestimmungen der L\u00f6slichkeitsverh\u00e4ltnisse nur brauchbar sind, wenn sie sich auf reine immer in demselben Zustande befindliche Substanzen beziehen und nach verl\u00e4sslichen Methoden gewonnen wurden. Vergleichende Bestimmungen dieser Art liegen aber f\u00fcr das H\u00e4moglobin verschiedener Thiere nicht vor.\nDie bisher mitgetheilten Erfahrungen \u00fcber das H\u00e4moglobin waren solche, welche sich auf Krystalle bezogen, die aus unreinen, viele fremde Beimengungen enthaltenden L\u00f6sungen gewonnen waren.\nSie allein k\u00f6nnen uns nicht berechtigen eine Verschiedenheit des H\u00e4moglobins verschiedener Thiere anzunehmen. Es liegt vielmehr die M\u00f6glichkeit nahe, dass die Verschiedenheit der Krystallformen aus dem Blut verschiedener Thiere auf besondere in dem Blut verschiedener Thierspecies vorhandene Bedingungen zur\u00fcckzuf\u00fchren ist. Wir m\u00fcssen darum noch auf einem anderen Wege nach einer Entscheidung in dieser Frage suchen, die zugleich mit der Frage der Berechtigung das H\u00e4moglobin als chemisches Individuum zu betrachten, zusammenh\u00e4ngt. Wir m\u00fcssen sehen, ob wir die.Substanz in grossen Mengen gewinnen, durch Umkrystallisiren reinigen, und im reinen Zustande analysiren k\u00f6nnen.\nZur Darstellung der Krystalle im Grossen eignen sich mehrere der fr\u00fcher angef\u00fchrten Methoden der Krystallbildung, einzelne derselben sind aber vorzugsweise benutzt worden : Behandeln des Blutes mit Wasser\n1 1 Th. Krystalle vom Meerschweinchen soll 597 Th. Wasser fordern (Lehmann). Hundeblutkrystalle sind nach Lehmann im 96 fachen, nach B\u00f6ttcher im 6\u20148 fachen Gewichte Wasser l\u00f6slich. Nach einer anderen Angabe Lehmann\u2019s l\u00f6sen 100 Theile Wasser 0.4\u20143.1 H\u00e4moglobin, w\u00e4hrend C. Schmidt f\u00fcr 100 Th. Wasser bei 18\u00b0 C. 15.59 Theile findet und Hoppe-Seyler in 100 C.-Cm. Wasser hei 5\u00b0 C. 2 Grm. l\u00f6slich findet. Die zwei letzteren Bestimmungen sind die einzigen. bei welchen eine Temperaturangabe gemacht ist.","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Verschiedene H\u00e4moglobine, Zusammensetzung.\n43\n(Lehmann1), mit Aether und wenig\u2019Wasser (LIoppe-Seyler 2), mit Wasser und etwas Alkohol (Preyer 3), oder das Frieren und Wiederanfthauen des Blutes (Rollett4, K\u00fchne5, Preyer6). Man hat auch die so erhaltenen Krystalle aus ihren w\u00e4sserigen L\u00f6sungen durch Concentriren unter Zusatz von Alkohol und bei niedriger Temperatur umkrystallisiren (Lehmann 7, Hoppe-Seyler 8 9 10 11) gelernt. Dabei erhielt man aber auch nach wiederholtem Umkrystallisiren immer wieder die f\u00fcr das betreffende Blut gleich anf\u00e4nglich auftretenden Krystallformen.\nUmkrystallisirtes H\u00e4moglobin l\u00e4sst sich bei 0\u00b0 ohne Zersetzung trocknen und giebt dann \u00fcber 100\u00b0 Cels. erw\u00e4rmt sein Krystall-wasser ab.\nVon Hoppe-Seyler 9 wurde das H\u00e4moglobin vom Hund, Eichh\u00f6rnchen und Meerschweinchen und von der Hans analysirt; von C. Schmidt 10 das des Hundes, von Kossel 11 das des Pferdes.\nF\u00fcr die bei 100 0 getrocknete Substanz wurde die nachfolgende Zusammensetzung erhalten : f\u00fcr 100 Theile H\u00e4moglobin\nThier\"\t1 Hund\tHund\tMeer- schwein\tEichhorn\tGans\tPferd\n6\u2019\t54.15\t53.85\t54.12\t54.09\t54.26\t54.87\nH\t7.18\t7.32\t7.36\t7.39\t7.10\t6.97\nA\t16.33\t16.17\t16.78\t16.09\t16.21\t17.31\n0\t21.24\t21.84\t20.68\t21.44\t20.69\t19.73\ns\t0.67\t0.39\t0.58\t0.40\t0.54\t0.65\nFe\t0.43\t0.43\t0.48\t0.59\t0.43\t0.47\n{PlO-o)\t\t\t\u2014\t\u2014\t\t(0.77)\t\u2014\nBeobachter\tC. Schmidt\t\tHoppe-Seyler\t\t\tKossel\nDas H\u00e4moglobin besteht also aus 6 Grundstoffen und ist jedes-alls sehr hoch zusammengesetzt.\nDer Gehalt an Eisen bedingt es, dass die Asche des H\u00e4moglobins aus reinem Eisenoxyd besteht.\nDas bei der Verbrennung des H\u00e4moglobin entstehende Eisenoxyd ist, wie wir hier sogleich anmerken wollen, auch in der Blutasche enthalten\n1\tLehmann, Sitzgsber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1852. S. 23.\n2\tHoppe-Seyler, Med.-ehern. Unters. S. 181. Berlin 1866\u20141871.\n3\tPreyer, Die Blutkrystalle S. 12. Jena 1871.\n4\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad., math.-naturwiss. Cl. XLVI. 2. Abth. S. 77. 1862.\n5\tK\u00fchne, Lehrb. d. physiol. Chemie S. 197. Leipzig 1866.\n6\tPreyer a. a. O.\n7\tLehmann a. a. O.\n8\tHoppe-Seyler a. a. 0.\n9\tHoppe-Seyler, Med.-cliem. Unters. S. 189 u. 366. Berlin 1866\u20141871.\n10\tC. Schmidt bei B\u00f6ttcher, Ueber Blutkrystalle S. 33. Dorpat 1862.\n11\tKossel bei Hoppe-Seyler. Ztschr. f. physiol. Chemie IL S. 149. Strassburg 1878\u20141879.","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nund man kann, wenn sich nachweisen l\u00e4sst, dass alles Eisenoxyd der Blut-asche nur aus dem H\u00e4moglobin herr\u00fchrt, durch Bestimmen des Eisens in der Blutasche den Gehalt des Blutes an H\u00e4moglobin berechnen. Solche H\u00e4moglobinbestimmungen aus dem Eisengehalt liegen in gr\u00f6sserer Menge vor. Ist m das Eisen in der Asche von 1U0 Theilen Blut, so ist, wenn man die Eisenprocente des Hundeh\u00e4moglobins zu Grunde legt,\n100 . m\nder procentische Gehalt des untersuchten Blutes an H\u00e4moglobin.\nWas den hohen Stickstoffgehalt des Pferdeh\u00e4moglobins anbelangt, so macht Hoppe-Seyler darauf aufmerksam, dass derselbe von Kossel nach einer anderen Methode (Dumas) als bei den fr\u00fcheren Analysen (Will-Yarrentrap) bestimmt wurde und h\u00e4lt eine Revision der Analysen f\u00fcr nothwendig. Die Analysen des Hundeh\u00e4moglobins von Schmidt und Hoppe-Seyler stimmen mit Ausnahme des Schwefels, den Schmidt nur einmal bestimmte, gut \u00fcberein.\nIm ganzen weichen die Analysen aber so von einander ab, dass sie eine Entscheidung der fr\u00fcher aufgeworfenen Frage nicht bringen. Am allerwenigsten berechtigen sie aber zur Annahme verschiedener H\u00e4moglobine, denn es ist sehr zweifelhaft, ob die der Analyse unterworfene Substanz wirklich rein war und ob uns auch noch so oft wiederholtes Umkrystallisiren aus w\u00e4sseriger L\u00f6sung zur Reindarstellung der Substanz f\u00fchrt. Es sprechen sogar gewichtige Gr\u00fcnde dagegen. An wiederholt umkrystallisirtem H\u00e4moglobin vom Hund und vom Rind war noch der eigent\u00fcmliche Blutgeruch dieser Tliiere (s. d. Folg.) wahrzunehmen. Hoppe-Seyler hat beobachtet, dass in Form w\u00e4sseriger L\u00f6sungen in Glasr\u00f6hren eingeschlossenes H\u00e4moglobin durch F\u00e4ulniss nicht ver\u00e4ndert wird, dass aber ohne Ver\u00e4nderung der f\u00e4rbenden Kraft bestimmter Dicken der L\u00f6sung doch der procentische R\u00fcckstand der L\u00f6sung abnimmt. Er erkl\u00e4rt das damit, dass durch die F\u00e4ulniss Stoffe zerst\u00f6rt werden, welche das H\u00e4moglobin verunreinigten. Der Phosphorgehalt der G\u00e4nseblutkrystalle ist gewiss nur auf eine Verunreinigung durch anhaftende fremde Substanz (aus den Kernen herr\u00fchrendes Nuclein Hoppe-Seyler1 2) zur\u00fcckzuf\u00fchren. Er haftet aber so z\u00e4he, dass er, wenn w\u00e4sserige L\u00f6sungen von umkrystallisirtem G\u00e4nseh\u00e4moglobin durch 10 Wochen im zugeschmolzenen Glasrohre bei der Temperatur des Brutofens gehalten werden, noch unver\u00e4ndert aufgefunden wird (Gscheidlen3). Die unter solchen Umst\u00e4nden noch sehr grosse Uebereinstimmung der Analysen\n1\tHoppe-Seyler. Ztschr. f. physiol. Chemie I. S. 125. Strassburg 1877\u20141878.\n2\tHoppe-Seyler. Physiol. Chemie S. 377. Berlin 1879.\n3\tGscheidlen, Arch. f. d. ges. Physiol. XVI. S. 421. 1878.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Reinheit, chemische Natur. Farbe.\t45\nmuss uns gerade zur Vorsicht in der Annahme verschiedener H\u00e4mo-globine mahnen.\nEine St\u00fctze der letzteren Anschauung kann auch die Beobachtung nicht abgeben, dass gleiche Mengen gewisser Zersetzungsmittel in bestimmter und gleicher Menge dem Blute verschiedener Thiere zugesetzt sehr verschieden lange Zeit brauchen, um die Zersetzung des Blutfarbestoffes zu vollenden (Korber1), da f\u00fcr diese Versuche eben keine reinen L\u00f6sungen angewendet wurden.\nUeber die chemische Natur des Oxyh\u00e4moglobins ist sehr wenig bekannt. Man kennt aber die wichtige Thatsache, dass es die Rolle einer schwachen S\u00e4ure spielt, was durch die Reaction auf Lacrnus-papier (Preyer2 3) und durch sein Verhalten bei der Electrolyse des Blutes, wo es sich unzersetzt im krystallinischen Zustande am positiven Pol ausscheidet (A. Schmidt\", Rollett4 5 6), demonstrirt werden kann.\n3. In Bezug auf seine optischen Eigenschaften zeigt der rothe Blutfarbestoff aller untersuchten Thiere eine v\u00f6llige Uebereinstimmung und dasselbe gilt f\u00fcr eine Reihe seiner gef\u00e4rbten Spaltungsproducte.\nDie Farbe einer bei Zutritt von Luft bereiteten Oxyh\u00e4moglobinl\u00f6sung ist hellroth und nach der Concentration der L\u00f6sung mehr oder weniger intensiv. Werden verschiedene L\u00f6sungen in gleich dicker Schichte verglichen, so l\u00e4sst sich aus der Uebereinstimmung oder Abweichung ihres Farbentones ein Schluss auf ihren relativen Farbestoffgehalt machen.\nAuf die Farbenvergleichung mit unbewaffnetem Auge hat Hoppe-Seyler 5 seine Methode der quantitativen Bestimmung des Oxyh\u00e4moglobins im Blut und anderen Fl\u00fcssigkeiten gegr\u00fcndet. Es wird eine Oxyh\u00e4moglobinl\u00f6sung von bestimmter Concentration (k) hergestellt (Normall\u00f6sung) und dann untersucht, wie viel Wasser (w) einer gegebenen Blutmenge (b) zugesetzt werden muss, damit sie, in gleich dicker Schicht wie die Normall\u00f6sung untersucht, Farbengleichheit mit dieser ergiebt. Zur Aufnahme der zu vergleichenden Fl\u00fcssigkeiten dienen Gdasgef\u00e4sse mit parallelen Wandungen und 1 Cm. im Lichten auf passenden Gestellen (Hoppe-Sey-ler\u2019s H\u00e4matinometer). Ist die Farbengleichheit eingetreten, dann hat man 7\nk (b -f- w)\n1\tKorber, Ueber Differenzen des Blutfarbstoffes. Dorpat 1S66.\n2\tPreyer. Arch. f. d. ges Physiol. I. S. 405.\n3\tA. Schmidt. H\u00e4matol. Studien S. 117 u. 118. Dorpat 1865.\n4\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad., math.-naturwiss. Cl. LII. 2. Abth. S. 246.\n1865.\n5\tHoppe-Seyler. Handb. d. physiol, u. pathol -chem. Analyse. 2. Aufl. S. 310. Berlin 1865.\n6\tHoppe-Seyler, a. a. O. S. 311. Fig. 11.\n7\tVergl. Preyer. Ann. d. Chemie u. Pharm. CXL. S. 191. 1866.","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nals procentischen Gehalt des untersuchten Blutes an Oxyh\u00e4moglobin. Worm-M\u00fcller1 \u00e4nderte das Verfahren dahin ab, dass er nicht durch wiederholte Wasserzus\u00e4tze das Blut auf die Farbe der Vergleichsfl\u00fcssigkeit bringt, sondern umgekehrt das H\u00e4matinometer mit einer abgemessenen Wassermenge f\u00fcllt und darauf genau bestimmte Blutmengen allm\u00e4hlich bis zur Farbengleichheit zuf\u00fcgt.\nDa die Normall\u00f6sungen leicht verderben und schwer herzustellen sind, hat Rajewsky2 3 4 5 6 7 als Vergleichsfl\u00fcssigkeit eine L\u00f6sung von Picrocar-min vorgeschlagen. Der Farbenton solcher L\u00f6sungen kann dem des Blutes vollkommen gleich gemacht werden (?) und einmal mit Normaloxyh\u00e4moglobinl\u00f6sung verglichene L\u00f6sung von Picrocarmin kann wegen ihrer Dauerhaftigkeit lange benutzt werden. Rajewsky und Lesser 3 haben die Zuverl\u00e4ssigkeit der beiden colorimetrischen Methoden ausf\u00fchrlich gepr\u00fcft und dieselbe sehr entsprechend gefunden. Auch Malassez 4 acceptirte Picrocarmin als Vergleichsfl\u00fcssigkeit. Dieselbe befindet sich bei seinem H\u00e4mo-chromometer in einem vor einem Loch verschiebbaren Prisma. Vor ein zweites Loch im selben Schirm bringt er in einer dem Melangeur von Potain 5 nachgebildeten, aber im erweiterten Tlieil von parallelen Wandungen begrenzten Pipette das im bestimmten Verh\u00e4ltnisse verd\u00fcnnte Blut. Er sucht also die Farbengleichheit zwischen dem letzteren und der Probefl\u00fcssigkeit herzustellen durch Ver\u00e4nderung der Dicke der Schicht der Probefl\u00fcssigkeit. Es ist leicht ersichtlich, dass man sich zu diesem Verfahren auch der Colorimeter von Laurent und Dubosq bedienen kann. Auch Quincke 6 benutzt f\u00fcr sein H\u00e4mochromometer eine Scale von 20 mit Picrocarmin von abnehmender F\u00e4rbung gef\u00fcllten R\u00f6hrchen und vergleicht damit das in ein Glasrohr von gleicher Lichtung aufgenommene Blut.\nHayem 7 dagegen f\u00fcllt das verd\u00fcnnte Blut in einen flachen Glastrog, neben welchem ein zweiter steht, unter welchen Cartons geschoben werden, auf welchen mit Aquarellfarben die verschiedenen Verd\u00fcnnungsgraden des Blutes entsprechenden Farben nachgeahmt sind.\n4. Bringt man Oxyh\u00e4moglobinl\u00f6sungen, deren Gehalt eine bestimmte obere und untere Grenze nicht \u00fcberschreitet, in einem Glas-gef\u00e4ss mit parallelen W\u00e4nden und von bestimmter Dicke vor den Spalt des Spectroscopes, so zeigen sich im Spectrum zwei Absorptionsstreifen. Sie sind in Figur 5 in ein mit Angstr\u00f6m\u2019schem Maassstab8 versehenes Spectrum eingezeichnet. Beide liegen zwischen den FraunhofeFschen Linien I) und E. Der der Linie D n\u00e4here Strei-\n1\tWorm-M\u00fcller, OmForkoldet imellem Blodlegemernes Antal ogBlodets Farvekraft. Christiania 1876. citirt nachMALY\u2019s Jahresber. 1877. S. 102.\n2\tRajewsky. Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 70. 1876.\n3\tLesser, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abth. 1878. S. 41.\n4\tMalassez, Arch, de physiol. 2. s\u00e9r. IV. p. 1. 1877.\n5\tPotain, s. S. 24. Fig. 4.\n6\tQuincke, Berliner klin. Wochenschr. 1878. S. 473.\n7\tHayem. Arch, de physiol. 2. s\u00e9r. IV. p. 946. 1877.\n8\tDie Zahlen bedeuten Hunderttausendtel Millimeter und geben die Wellenl\u00e4ngen an, z. B. 45 Hunderttausendtel = 0.45 Micromillimeter oder 450 Milliontel-Millimeter.","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Farbenvergleichung, spectrales Verhalten.\n47\nfen ist sch\u00e4rfer begrenzt und schm\u00e4ler, der zweite der Linie E n\u00e4here dagegen breiter und weniger scharf begrenzt. Diese Streifen sind, wie an den L\u00f6sungen reinen Oxyh\u00e4moglobins, auch an mit Wasser\n70 65\t60\t55\t50\t45\nI\t!\n\t1\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t1 1\t1\t\t\tE ; '\t! !! 1 ! ! !\t\t1 \t\n\t1 1\t\t\t\t\t! 1\t1 i i\t\t1\nFig. 5.\nverd\u00fcnntem Blut zu sehen, wo sie Hoppe-Seyler1 zuerst auffand und Stokes2 3 4 best\u00e4tigte. Sie k\u00f6nnen ferner auch an jedem microscopi-schen Pr\u00e4parate frischen Blutes, in welchem die Blutk\u00f6rperchen noch m\u00f6glichst unver\u00e4ndert sind, nachgewiesen werden.\nF\u00fcr den letzteren Nachweis dienen statt eines gr\u00f6sseren Spectroscopes am besten die von Sorby und Browning 3 und von Abbe und Zeiss 4 f\u00fcr die Microscope construirten Spectrumoeulare mit geradsichtigen Prismen, auch Microspectroscope genannt.\nWenn man nach Vierordt5 die Grenze zweier dicht aneinandergelegter Finger vor den Spalt des Spectroscopes bringt und die d\u00fcnne Hautschicht mit directem Sonnenlicht durchleuchtet, kann man die f\u00fcr das Oxyh\u00e4moglobin characteristischen Absorptionsstreifen, die hier von dem noch circulirenden Blute herr\u00fchren, ebenfalls wahrnehmen. Aus den beiden letzten Versuchen geht aber hervor, dass das Oxyh\u00e4moglobin genuin im Blute enthalten ist.\nAusser den angef\u00fchrten Absorptionsstreifen zeigt das Spectrum des Oxyh\u00e4moglobin auch eine Verk\u00fcrzung des rothen und eine noch betr\u00e4chtlichere Verdunklung des violetten Endes. Wenn man aber das violette Ende mittelst eines fluorescirenden Oculares oder mittelst eines blauen Glases vor dem Oculare, bei Abblendung der \u00fcbrigen Theile des Spectrums untersucht, sieht man, dass die Verdunklung des violetten Endes, wie das \u00fcbrigens auch f\u00fcr die Absorptionsstreifen selbst der Fall ist (s. d. nachfolgende Photometrie des Oxyh\u00e4moglo-binspectrums) nur eine relative ist. In dem so sichtbar gewordenen schwach leuchtenden violetten Ende des Spectrum ist aber dann noch ein Absorptionsstreifen in der N\u00e4he der Linie h zu bemerken\n1\tHoppe-Seyler, Arch. f. pathol. Anat. XXIII. S. 446. 1862, XXIX. S. 233 u. 597. 1864.\n2\tStokes, Philos. Mag. 4. ser. XXVIII. p. 391. 1864.\n3\tSorby u. Browning, Chem. News 1867. p. 220. \u2014 Sorby, Proceed, of roy. soc. XV. p. 433. 1867. \u2014 Monthly microscop, jo urn. XIII. p. 198. 1875.\n4\tZeiss, Flugschrift 1877.\n5\tVierordt, Ztschr. f. Biol. XI. S. 188. 1875.","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48 PiOLLETT. Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\n(Soret l) bei Concentrationen cler L\u00f6sung-, bei welcher auch die beiden anderen Streifen wahrgenommen werden.\nDie im Spectroscop zu beobachtenden Absorptionserscheinungen des Oxyh\u00e4moglobins sind, wie das bei absorbirenden L\u00f6sungen \u00fcberhaupt der Fall ist, abh\u00e4ngig von der Anzahl der auf das einfallende Licht wirkenden Farbestoffmolek\u00fcle2, also bei gleicher Dicke der absorbirenden Schichten von der Concentration der L\u00f6sung oder bei gleichbleibender Concentration von der Dicke der Schicht.\nMan kann sich also die Reihe der Erscheinungen ebensowohl darstellen in der einen wie in der anderen Weise. Instructiv ist der eontinuirliche Wechsel der Spectren, wenn man die Dicke verd\u00fcnnter L\u00f6sungen vor dem Spalt des Spectroscops ver\u00e4ndert, wie es mit Hermann\u2019s3 H\u00e4matoscop geschehen kann, noch einfacher, wenn man in einen flachen Trog, der unter dem mit dem Spectrumocular mon-tirten Microscop steht, die L\u00f6sung langsam ein und wieder aus-fliessen l\u00e4sst.\naCB D Eb F\tQ h\nFig. 6.\nIn Figur 6 giebt eine parallel mit o x verschobene gerade Linie successive alle Spectren an, welche mit steigender Concentration einer Oxyh\u00e4moglobinl\u00f6sung, die in einer 1 Centim. dicken Schicht vor den Spalt des Spectroscopes gebracht wird, auftreten. Als Ahscissen sind die Abst\u00e4nde der Fraunhofer\u2019schen Linien (Wellenl\u00e4ngen) als Or-\n1\tSobet. Compt. rend. LXXXYI. p. 70S. 1878.\n2\tBeer, Ann. d. Physik LXXXYI. S. 78. 1852.\n3\tHermann, Arch. f. d. ges. Physiol. IY. S. 209.1871.","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Abh\u00e4ngigkeit des H\u00e4moglobinspectrum von der Concentration.\n49\ndinaten die procent. Gebalte der Oxyh\u00e4moglobinl\u00f6sungen aufgetragen, bei welchen nach der Sch\u00e4tzung mit blossem Auge die Absorption eben merklich wird. Das in der Figur gezeichnete Bild erscheint objectiv, wenn vor den Spalt des Spectroscopes eine keilf\u00f6rmige Schicht der absorbirenden L\u00f6sung so orientirt wird, dass die Kante des Keiles auf dem Spalt senkrecht steht (Govi1 2 3). Nach Figur 6 zeigen L\u00f6sungen von 0,01\u20140,65 % bei 1 Centim. Dicke die zwei Absorptionsstreifen des H\u00e4moglobins mit zunehmender Breite, wobei zugleich das violette Ende immer mehr verk\u00fcrzt erscheint und von 0,4 % an der an der D- Linie liegende Absorptionsstreifen diese der Natronlinie entsprechende Fraunhofer\u2019sche Linie immer mehr gegen das rothe Ende zu \u00fcberdeckt (s. d. Fol.)\nL\u00f6sungen unter 0,01\u20140,003 % zeigen nur noch den dem rothen Ende n\u00e4heren Absorptionsstreifen. L\u00f6sungen \u00fcber 0,65 \u00b0/o zeigen die beiden Absorptionsstreifen durch Verschwinden des gelbgr\u00fcnen Lichtes zwischen beiden zusammengeflossen in ein breites Absorptionsband, auf dessen einer Seite nur orange und roth, auf dessen anderer Seite nur noch gr\u00fcn zu sehen ist, bis zwischen 0,8\u20140,9 % auch der schmale Streifen Gr\u00fcn zwischen b und F verschwindet und nur noch orange und roth \u00fcbrig bleibt, um bei 7 \u00b0/o, welche kein Licht mehr durchlassen, in der Gegend von C zu verschwinden.\nAuf das erste Auftreten von Gr\u00fcn in dem dem Durchschnitte Fig. 6, PP entsprechenden Spectrum beim Verd\u00fcnnen von Blut gr\u00fcndet Preyer 2 eine spectrocolorimetrische Methode der quantitativen Bestimmung des Oxyh\u00e4moglobins. Er stellt eine Normal - H\u00e4moglobinl\u00f6sung her, welche f\u00fcr eine bestimmte und constante Lichtquelle jenes Spectrum giebt und verd\u00fcnnt das Blut mit bestimmten Mengen Wasser so lange, bis es in gleich dicker Schichte dasselbe Spectrum giebt wie die Normall\u00f6sung. Der Procentgehalt des Blutes an H\u00e4moglobin ergiebt sich dann nach derselben Formel, welche (S. 45) f\u00fcr die Farbenvergleichung mit blossem Auge mitgetbeilt wurde. Man kann auch so verfahren, dass man 10 fach verd\u00fcnntes Blut in ein keilf\u00f6rmiges Gef\u00e4ss f\u00fcllt und durch Verschieben des Keiles vor dem Spalt jenes Spectrum aufsucht. Die Einstellung der verschiedenen Keildicken muss dann an einer Scale abzulesen und ermittelt sein, bei welchem Procentgehalt einer reinen H\u00e4moglobinl\u00f6sung das bestimmte Spectrum mit den einzelnen Theilstrichen der Scale coincidirt (Quincke :3, Rajewsky 4 5).\nDie Spectren, welche Lesser 5 nach Kronecker\u2019s Vorschlag benutzte, um die f\u00e4rbende Kraft mit Wasser verd\u00fcnnten Blutes mit der einer Nor-\n1\tGovi, Compt. rend. LXXXI. p. 1046 et 1 100. 1875.\n2\tPreyer, Ann. d. Chem. u. Pliarm. CXL. S. 187. 1866.\n3\tQuincke, Arch. f. pathol. Anat. LIA. S. 538. 1872.\n4\tRajewski, Arch. f. d. ges. Physiol XII. S. 70. 1876.\n5\tLesser, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abth. 1878. S. 41.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\n4","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nmall\u00f6sung zu vergleichen, liegen dagegen zwischen den Durchschnitten L Fig. 6 und handelt es sich dabei zu beurtheilen, um wie viel der Absorptionsstreifen an der 7>-Linie diese letztere, welche durch eine Natronflamme leuchtend gemacht wird, gegen das rothe Ende zu \u00fcberdeckt.\nBekanntlich l\u00e4sst uns die Sch\u00e4tzung der Vertheilung der Lichtmenge in Absorptionsspectren mittelst des Auges nur solche Helligkeitsdifferenzen in den einzelnen Spectralregionen erkennen, welche eine betr\u00e4chtliche Gr\u00f6sse besitzen. Nur wenn solche Helligkeitsdifferenzen in dem Absorptionsspectrum einer Substanz vorhanden sind, kommen Absorptionsb\u00e4nder oder die Verk\u00fcrzung der Enden des Spectrums in Form mehr oder weniger intensiver Schatten zur Beobachtung. Aber auch in Bezug auf diese stimmt der Eindruck, den das Auge von den Grenzen und der Breite der Schattenb\u00e4nder und dem Grad der Lichtschw\u00e4chung in denselben erh\u00e4lt, nur sehr wenig mit den Ergebnissen photometrischer Messungen in den einzelnen Regionen des Absorptionsspeetrums \u00fcberein. Erreicht die Absorption in einer Spectralregion rasch ihr Maximum, dann erscheinen die Schatten sch\u00e4rfer begrenzt als bei allm\u00e4hligem Anwachsen derselben. Im ersteren Falle erscheinen die Schatten wegen des Contrastes immer tiefer, als im letzteren und das kann, wie es beim Vergleiche des ersten H\u00e4moglobinstreifen mit dem zweiten thats\u00e4chlich der Fall ist, selbst dann geschehen, wenn das Maximum der Absorption im scharf begrenzten Streifen hinter dem im weniger scharf begrenzten Streifen zur\u00fcckbleibt (Vierordt1).\nPhotometrisch genau untersucht ist nur eines aus der Reihe der oben verzeichneten Oxyh\u00e4moglobinspectren, von Vierordt1'2 nach der von ihm ausgebildeten Methode der Photometrie der Absorptionsspectren. Es ist das Spectrum, welches man von auf 100 verd\u00fcnntem defibrinirten S\u00e4ugethierblut (Rind, Schwein, Kaninchen) bei 1 Centim. Dicke der Schicht erh\u00e4lt. Dieses absorbirt das \u00e4usserste Roth am wenigsten, bis zu I) Fraunhofer nimmt die Absorption all-m\u00e4hlig zu, um bei I) pl\u00f6tzlich anzuwachsen, dann bleibt sie einige Zeit auf dem hohen Werthe stehen (1 Absorptionsstreifen) um wieder pl\u00f6tzlich etwas abzunehmen und dann wieder pl\u00f6tzlich und zwar noch h\u00f6her zu steigen als fr\u00fcher (2 Absorptionsstreifen). Jenseits desselben nimmt die Absorption allm\u00e4hlig wieder bedeutend ab, bis in die Mitte zwischen E und F, um von da an gegen das violette Ende hin allm\u00e4hlig zu steigen. Wir stellen nachfolgend die von Vier-\n1\tVierordt, Die Anwendung des Spectralapparates zur Photometrie der Absorptionsspectren etc. S. 110 u. 159. T\u00fcbingen 1873.\n2\tDerselbe a. a. 0.","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Photometric des H\u00e4moglobinspectrum.\n51\nOEDT1 f\u00fcr die einzelnen Spectralregionen ermittelten \u00fcbrig bleibenden Lichtst\u00e4rken in Procenten der urspr\u00fcnglichen Lichtst\u00e4rke so zusammen, dass man sich die Absorptionscurve des auf 100 verd\u00fcnnten S\u00e4ugethierblutes leicht in ein Normalspectrum oder ein mit Angstr\u00f6m-schem Maasstab versehenes prismatisches Spectrum wird einzeichnen k\u00f6nnen.\nPhotometrisch bestimmte Absorption des auf -r^- verd\u00fcnnten S\u00e4ugethierblutes.\nSpectralregion, bezeichnet nach Vierordt'2 i\tSpectralregion, bezeichnet nach Wellenl\u00e4ngen des Lichtes in Milliontel Millimeter3\tUebrigbleibende Lichtst\u00e4rke in \u00b0/o nach Durchstrahlung einer 1 Ctm. dicken Schichte.\nA 62 \u00ab \u2014 a 50 B\t734 \u2014 703\t95\na 5 O\u2019 B \u2014 B 22 C\t703 \u2014 6S0\t95\nB 22 C \u2014 C15 B\t680 \u2014 646\t94\nC15 D \u2014 Cd\u00f6 B\t646 \u2014 619\t90\nC 55 D \u2014 B\t619 \u2014 B\t77\nB - Bld E\tB \u2014 577\t13 I Absorptionsstreifen\nB id E\u2014 B 54 E\t577 \u2014 556\t22\nB 54 E \u2014 B 87 E\t556 \u2014 535\t10 II\nB SI E \u2014 E 8 F\t535 \u2014 524\t17\nE 8 F \u2014E 2d F\t524 \u2014 516\t33\nE2Q F\u2014 EVoF\t516 \u2014 509\t40\nEVoF\u2014EddF\t509 \u2014 501\t44\nEddF\u2014 E 80 F\t501 \u2014494\t38\nE 80 F \u2014 F\t494 \u2014 F\t33\nF \u2014 F10 G\tF\u2014 481\t31\nF10 G \u2014 F 21 G\t481 \u2014 475\t28\nF 21 G - F 32 G\t475 \u2014 468\t21\nF 32 G \u2014 F44 G\t468 \u2014 462\t16\nF 44 G \u2014 F do G\t462 \u2014 450\t8\nF do G \u2014 F 87 G\t450 \u2014 438\t2\nB SI G - G 10 H\t438 \u2014 428\t0.2\n1\tVierordt, a. a. O. S. 113 u. 118.\n2\tVierordt bezeichnet die Spectralregionen nach dem von Stokes und Va-\nlentin (Der Gebrauch des Spectroscopes zu physiol, und \u00e4rztl. Zwecken S. 47. Leipzig 1863) gebrauchten Verfahren, wonach z. B. B 19 E bedeutet die Stelle des Spectrum, welche von B um 19 Theile, also von E um 81^Theile entfernt ist, wenn der Abstand zwischen B und E = 100 gesetzt wird. (Vergl. Vierordt, Die Anwendung des Spectralapparates zur Messung und Vergleichung der St\u00e4rke des farbigen Liches S. 11. T\u00fcbingen 1871.)\t.\n3\tWeitaus besser ist die Bezeichnung nach dem ANGSTR\u00d6M\u2019schen Maassstabe. In demselben entsprechen die FRAUNHOFER\u2019schen Hauptlinien\nA = 760 M\u00fcliontel M\u00fclimeter, a =\u25a0\u25a0 718\t,,\t\u00bb\nB = 687\nC = 656\t,,\t,,\nD = 589\nAngstrom, Recherches sur le spectre solaire, soleil. Upsal 1868.\nE = 527 Milliontel Millimeter,\nF == 486\nG = 431\t\u201e\t\u201e\nH = 397\t\u201e\t,,\nUpsala 1868; Alas Spectre normal du\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nDie Photometrie der Absorptionsspectren f\u00fchrt Vierordt aus vor einem Spectralapparat, in dessen Ocular sich ein f\u00fcr die Isolirung einzelner Spectralregionen dienender Schieber befindet. Die eine der den Spalt bildenden s\u2019GRAVESAND\u2019schen Schneiden ist quer in zwei H\u00e4lften ge-theilt und jede H\u00e4lfte mittelst Trommelablesung stellbar, so dass die obere und untere Spalth\u00e4lfte in messbarem Verh\u00e4ltnisse verschieden weit gemacht werden k\u00f6nnen. Vor dem geh\u00e4lfteten Spalt nimmt ein Tr\u00d6gchen die absorbirende Fl\u00fcssigkeit auf, welches durch einen am Boden ruhenden Glasw\u00fcrfel entsprechend den H\u00e4lften des Spaltes ebenfalls in eine obere und untere Abtheilung zerf\u00e4llt (Schulze\u2019sches Tr\u00d6gchen1 2). Das Tr\u00d6gchen ist 1 1 Mm. weit, der von der vordem und hintern Wand gleichweit abstehende W\u00fcrfel ist 10 Mm. breit. Die Fl\u00fcssigkeit bildet also in der oberen H\u00e4lfte eine 11 Mm., in der unteren H\u00e4lfte eine 1 Mm. dicke Schicht und hat in der oberen H\u00e4lfte im Vergleich mit der unteren eine Absorptionskraft, die einer 1 Cm. dicken Schicht entspricht. Durch Lichtschw\u00e4chung mittelst der messbaren Spaltverengerung und, wo diese nicht ausreicht, mittelst Rauchgl\u00e4ser von gemessener Absorptionskraft wird nun das der untern Spalth\u00e4lfte entsprechende Spectrum dem der oberen Spalth\u00e4lfte entsprechenden gleichgemacht und so die durch die Absorption in der 1 Cm. dicken Schicht bedingte Lichtschw\u00e4chung in Procenten der urspr\u00fcnglichen Lichtst\u00e4rke ausgedr\u00fcckt. Die Aufgabe kann nach Vierordt im Mittel mit i/$o Genauigkeit erf\u00fcllt werden. Der subjective Fehler ist durch willk\u00fcrliche Ver\u00e4nderung der einen Spalth\u00e4lfte und darauf folgende Herstellung der Gleichheit f\u00fcr das Auge am Instrument selbst zu bestimmen, \u00fcber die Pr\u00fcfung des Instrumentes sind Vierordt 2 und Leich-tenstern3 zu vergleichen. Das Spectrophotometer von Vierordt leidet an mehreren Nachtheilen. Es macht M\u00fche, die Trennungsebene der Fl\u00fcssigkeitsschichten genau auf die Trennungslinie der Schneiden einzustellen und so das helle und dunkle Spectrum scharf zu trennen; durch die Spaltverstellung k\u00f6nnen nur geringe Intensit\u00e4tsunterschiede gemessen werden, darum die unbequeme Zuhilfenahme von Rauchgl\u00e4sern; endlich wird durch die Verbreiterung des Spaltes das Spectrum unrein 4 und \u00e4ndert sich durch Verstellung der Spaltbreite nicht nur die Intensit\u00e4t, sondern auch die Qualit\u00e4t des Lichtes, was bei einseitiger Beweglichkeit der Schneiden in h\u00f6herem Grade der Fall ist, als wenn die Schneiden jederseits gegen die ideelle Spaltmitte zu bewegen sind 5. Um diese Nachtheile einzeln oder v\u00f6llig zu beheben, haben H\u00fcfner und Glan zwei andere Spectrophotometer construirt.\nH\u00fcfner6 l\u00e4sst in die eine H\u00e4lfte des Spaltes eines Spectroscopes durch ein Nicol polarisirtes, durch die andere unpolarisirtes Licht einfallen ; compensirt die ungleiche Helligkeit durch einen aehromatisirten Rauchglaskeil und dreht, wenn dann die Helligkeit durch Vorlegen der\n1\tVierordt, Ztschr. f. Biol. X. S. 42. 1874.\n2\tDerselbe a. a. 0, und Ztschr. f. Biol. XIV. S. 34. 1878.\n3\tLeichtenstern, Untersuchungen \u00fcber den H\u00e4moglobingehalt des Blutes etc. Leipzig 1878\n4\tVergl. Helmholtz, Handb. d. physiol. Optik S. 259. Leipzig 1867.\n5\tVierordt, Ztschr. f. Biol. XD'. S. 34. 1878.\n6\tH\u00fcfner, Journ. f. pract. Chemie XVI. S. 290. 1877.","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"Spectrophotometer von Vierordt, H\u00fcfner und Glan.\n53\nabsorbirenden Fl\u00fcssigkeit vor die eine Spalth\u00e4lfte wieder ungleich wird, den Nicol so lange, bis gleiche Helligkeit vorhanden ist. Aus dem Drehungswinkel des Nicols ist dann die verloren gegangene und die \u00fcbrig bleibende Lichtintensit\u00e4t unmittelbar zu finden h\nGlan 2 bringt vor dem Spalt eines geradsichtigen Spectroscopes eine Br\u00fccke aus geschw\u00e4rztem Messing horizontal so an, dass ein oberer und ein unterer Spalt entsteht. Das durch jeden der beiden Spalte einfallende Licht gelangt auf ein RocHON\u2019sches Prisma3, dessen brechende Kanten horizontal liegen und in welchem jedes der beiden B\u00fcndel in zwei rechtwinklig aufeinander polarisirte B\u00fcndel zerlegt wird. Die den beiden Spalten entsprechenden Doppelbilder stehen \u00fcbereinander und in der Mitte grenzt ein Bild des oberen Spaltes an eines des untern. Die beiden anderen Bilder fallen durch Blendung aus. Das aus dem RocHON\u2019schen Prisma kommende Licht geht dann durch ein Nicol\u2019sches Prisma und wird darauf durch die Prismen des Spectroscopes zerlegt. Das Helligkeitsverh\u00e4ltniss der so erzeugten \u00fcbereinander stehenden Spectren ist abh\u00e4ngig von dem Winkel, welchen die Polarisationsebene des Nicols mit dem Hauptschnitt des RocHON\u2019schen Prismas macht. Bringt man vor den einen Spalt eine absorbirende Fl\u00fcssigkeit, so erh\u00e4lt man wieder zwei verschieden helle Spectren, welche durch Drehung des Nicols auf gleiche Helligkeit gebracht werden m\u00fcssen. Aus dem Drehungswinkel des Nicols, der am Instrument abzulesen ist, kann wieder die Gr\u00f6sse der Absorption berechnet werden4). Sowohl in H\u00fcfner\u2019s als Glan\u2019s Instrument befindet sich der Ocularschieber zum Isoliren bestimmter Spectralregionen.\nAuf die Photometrie der Absorptionsspectren hat Vierordt5 eine sehr allgemein anwendbare quantitative Methode zur Bestimmung von Farbestoffen gegr\u00fcndet. Sie ist auch f\u00fcr den Blutfarbestoff diejenige, welche alle anderen weitaus \u00fcbertrifft. Wir nennen sie zum Unterschiede von\n1\tIst J die Intensit\u00e4t des polarisirten Strahles vor der Drehung des Nikols, J' die Intensit\u00e4t nach der Drehung, so ist\nJ \u2014 J\u2019 = sin 1 2 (p und Jf = cos-cp.\n2\tGlan. Ann. d. Phys. u. Chemie N. F. I. S. 351. 1877.\n3\tRochon\u2019sches Micrometer vergl. Beer, Einleitung in die h\u00f6here Optik S. 288. Braunschweig 1853. Glan benennt es in seiner Abhandlung consequent als Wolla-ston\u2019sches Prisma. Warum? weiss ich nicht.\n4\tSind J und i die Intensit\u00e4ten der von den beiden Spalten ausgehenden Lichtb\u00fcndel, a und ar zwei Schw\u00e4chungscoeffieienten, bedingt durch die Brechungen und Absorptionen, welche die rechtwinklig polarisirten Strahlen im Apparate erleiden, ist ferner \u00ab der Winkel, welchen die Polarisationsebene des Nikols mit der des B\u00fcndels macht, dessen Helligkeit J ist, und hat man das Nikol so eingestellt, dass beide Spectren gleich hell sind, so ist\nJa cos 2 a = iaf sin 2 a\nund wird nun die Helligkeit des einen Lichtb\u00fcndels ge\u00e4ndert, so muss der Nikol gedreht werden, damit man wieder gleich helle Spectren erh\u00e4lt. Ist nun a' der Winkel der Polarisationsebene des Nikols mit der des B\u00fcndels, dessen Helligkeit jetzt Jf ist, so hat man wieder\nJ\u2019a cos2 a\u2019 = i ar sin 2 af\nund folglich\tJf tang2 ar\nJ tang 2 a\n5\tVierordt, Die Anwendung des Spectralapparates zur Photometrie der Absorptionsspectren etc. T\u00fcbingen 1873; Die quantitative Spectralanalyse in ihrer Anwendung auf Phys. etc. T\u00fcbingen 1876.","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nder fr\u00fcher mitgetheilten colorimetrischen Hoppe-Seyler\u2019s und spectrocolo-rimetrischen Preyer\u2019s die spectrophotometrische oder absorptiometrische Bestimmung des Blutfarbestoffes. Man bestimmt dabei mittelst eines Spectrophotometers in einer bestimmten Spectralregion die nach Durchstrahlung einer 1 Cm. dicken Schicht der Fl\u00fcssigkeit \u00fcbrig bleibende Lichtst\u00e4rke. Der negative Logarithmus derselben wird als Exstinctionsco\u00ebfficient t bezeichnet L Die Exstinctionsco\u00ebfficienten wachsen proportional der Concentration der L\u00f6sung c. Somit ist\nc\n\nd. i. das Absorptionsverh\u00e4ltniss f\u00fcr eine bestimmte Farbe und einen bestimmten Farbestoff eine Constante. Ist diese Constante f\u00fcr ein bestimmtes\n1 Bekanntlich nimmt die durch einen absorbirenden K\u00f6rper hindurchtretende Lichtmenge in geometrischer Reihe ab. wenn die Dicke des K\u00f6rpers in arithmetischer Reihe zunimmt. Ist J die Intensit\u00e4t des Lichtes, welches beim Durchgang durch eine absorbirende Fl\u00fcssigkeitsschichte von der Dicke 1 geschw\u00e4cht wird, zu J n, worin n einen echten Bruch bedeute, so wird nach der Durchstrahlung einer zweiten gleich dicken Fl\u00fcssigkeitsschichte die Intensit\u00e4t Jn* 1 2 * * * * * 8 und nach Durchstrahlung von m Schichten die Intensit\u00e4t Jnm vorhanden sein. Setzen wir J = 1, so ist die nach Durchstrahlung einer Schichte von der Dicke m \u00fcbrig bleibende Lichtst\u00e4rke\t/, = nm ,\t1)\nnennen wir ferner die Dicke der Schicht, welche das Licht auf 0.1 der urspr\u00fcng-\n1\nliehen Intensit\u00e4t schw\u00e4cht, \u2014, so ist\n8\n1 1\n0.1 =w\u00a3;\t10\u2014'10 ~\u00a3 = n.\nund wenn der Werth von n in die Gleichung 1) gesetzt wird\nJ, = 10\u2014\t2)\nDen Co\u00ebfficeinten e, wie man sieht, der reciproke Werth der Dicke, welche das einfallende Licht auf 6.1 schw\u00e4cht, nennt Bunsen (Ann. d. Physik CL S. 235. 1857) den Exstinctionsco\u00ebfficienten der absorbirenden Substanz. Um ihn zu bestimmen, braucht man nur Licht durch eine beliebige Dicke in, des absorbirenden K\u00f6rpers gehen zu lassen und die \u00fcbrig bleibende Lichtst\u00e4rke zu bestimmen, man erh\u00e4lt dann nach Gleichung 2) s\u2014 \u2014 logJ\u201e.m, und wenn man immer die Dicke in, = 1 z. B. 1 Ctm. w\u00e4hlt\ne \u2014 \u2014 log Jn .\nd. h. den Exstinctionsco\u00ebfficienten gleich dem negativen Logarithmus der nach Durch Strahlung einer 1 Ctm. dicken Schichte \u00fcbrig bleibenden Lichtst\u00e4rke.\nDa die Schw\u00e4chung, welche das Licht in der absorbirenden Fl\u00fcssigkeit erf\u00e4hrt, von der Anzahl der absorbirenden Molek\u00fcle abh\u00e4ngig ist, in einer 1 Ctm. dicken Schichte einer concentrirteren L\u00f6sung aber mehr solcher Molek\u00fcle hintereinander aufgereiht sind, als in einer L\u00f6sung von niederer Concentration, in jedem der hintereinander liegenden Molek\u00fcle aber das Licht um denselben Bruchtheil geschw\u00e4cht wird, so werden die Exstinctionsco\u00ebfficienten proportional der Concentration wachsen, also\tc\t,\n\u2014 = const.\n8\nsein. Diese Constante hat Yierordt als Absorptionsverh\u00e4ltniss bezeichnet. Unter Concentration versteht Yierordt das Yerh\u00e4ltniss, in welchem die Gewichtsmenge des in L\u00f6sung befindlichen Farbestoffes zur Yolumeneinheit der L\u00f6sung (=1 C.-Ctm.)\nsteht und nicht wie gew\u00f6hnlich den Quotienten worin p das in 100 Gewichts-\ntheilen der L\u00f6sung enthaltene Gewicht des Farbestoffes bedeutet, das ist zu wissen nothwendig, weil der Werth der Constante nach der ersten Annahme hundertmal kleiner ausf\u00e4llt als nach der letzteren (vergl. H\u00fcfner. Ztschr. f. physiol. Chemie III. S. 17. 1879).","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Absorptiometrische Bestimmung des Blutfarbestoffes.\n55\nc und \u00a3 einer bestimmten Substanz einmal ermittelt, so berechnet sich nach der obigen Formel der absolute Gehalt f\u00fcr jede Concentration nach Bestimmung des ihr zukommenden Exstinctionsco\u00ebfficienten am Spectrophotometer.\nIst die Absorption der zu untersuchenden L\u00f6sung sehr stark, so verd\u00fcnnt man f\u00fcr die Bestimmung; ist sie sehr schwach, so wendet man Vielfache der Dicke = 1 Cm. an. Im ersteren Falle sind die gefundenen Exstinctionsco\u00ebfficienten mit der Verd\u00fcnnungszahl zu multipliciren, im letzteren Falle durch die Anzahl der Schichten zu dividiren. Man w\u00e4hlt zur quantitativen Bestimmung solche Spectralregionen, in welchen die Absorption sehr stark ist, weil hier bei geringen Aenderungen im Gehalt die Exstinctionsco\u00ebfficienten erheblich variiren. F\u00fcr das Oxyh\u00e4moglobin z. B. den 2. Absorptionsstreifen.\nHandelt es sich nur um die Bestimmung des relativen Gehaltes zweier oder mehrerer L\u00f6sungen, so ist dieser, wie leicht ersichtlich, schon durch die Exstinctionsco\u00ebfficienten selbst ausgedr\u00fcckt.\nDie Constante M wurde von H\u00fcfner* 1 f\u00fcr die Gegend des zweiten Absorptionsstreifen am Oxyh\u00e4moglobin aus Hundeblut bestimmt und im Mittel aus 14 Versuchen gefunden\nA = 0,001154.\nSp\u00e4ter hat H\u00fcfner'2 noch genauer die Constante f\u00fcr Oxyh\u00e4moglobin vom Hund in 2 Spectralregionen bestimmt und dieselbe gefunden\nMo\tM0'\nI) 32 E\u2014D 34 E\tD 63 E\u2014 I) 79 E\n0.001477\t0.001110\nDas Oxyh\u00e4moglobin enth\u00e4lt nach den Untersuchungen von H\u00fcfner3 in einem Gramm 1,16 Sauerstoff lose gebunden. Wegen des weiteren Verhaltens zum Sauerstoff, insbesondere auch in Bezug auf die Frage der Ozon \u00fcbertragenden oder erregenden Wirkung des H\u00e4moglobin, muss auf die Lehre von den Blutgasen verwiesen werden.\n5) L\u00f6sungen von Sauerstoffh\u00e4moglobin wird der lose gebundene Sauerstoff, den sie enthalten, im luftleeren Raume allm\u00e4hlich entzogen. Im Blut oder im mit Wasser verd\u00fcnnten Blut verh\u00e4lt sich das Oxyh\u00e4moglobin in gleicher Weise. Es giebt den lose gebundenen Sauerstoff auch ab an reducirende Substanzen (verd\u00fcnntes Schwefelammonium, ammoniakalische L\u00f6sungen von weinsteinsaurem Eisen-\n^ . -\n1\tH\u00fcfner, Ztschr. f. physiol. Chemie I. S. 317 n. 386. 1877\u20141878.\n2\tDerselbe, Ebenda III. S. 1. 1879.\n3\tDerselbe, Ebenda I. S. 317. 1877 \u2014187S.","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\noder Zinnoxydul (Stockes1), Eisenfeile (Rollett2), noch besser an Ferr. hydrog. reduct. (C. Ludwig & A. Schmidt3 4) ab und verwandelt sich in reducirtes H\u00e4moglobin. Stockes welcher das Verhalten des Oxyh\u00e4moglobins zu reducirenden Substanzen zuerst beobachtete, nannte das reducirte H\u00e4moglobin pourple cruorin, w\u00e4hrend er das fr\u00fcher beschriebene Oxyh\u00e4moglobin als scarlet cruorin bezeichnete.\nDie Farbe der L\u00f6sungen des reducirten H\u00e4moglobins ist eine wesentlich andere als die der Oxyh\u00e4moglobinl\u00f6sungen. Sie sind in dicken Schichten oder im concentrirten Zustande dunkel kirschroth, in d\u00fcnnen Schichten oder L\u00f6sungen erscheinen sie aber gr\u00fcn. Ein solcher Dichroismus kommt auch dem ven\u00f6sen Blute zu, wo er von Br\u00fccke5 zuerst beobactet wurde, ebenso dem Erstickungsblute, wenn beide unter Luftabschluss gesammelt werden. Eine Umwandlung des Oxyh\u00e4moglobins zu reducirtem beobachtet man im Blut, welches durch l\u00e4ngere Zeit im bedeckten Glase gestanden hat, weil im Blute beim Stehen Sauerstoff aufgezehrt wird (Hoppe-Seyler6, Pfl\u00fcger7). Besonders rasch tritt die Reduction im Brutofen bei 37\u201438\u00b0 C. ein (Gscheidlen8). Durchleiten von CO-i, A und H durch Oxyh\u00e4moglobin oder Blutl\u00f6sungen wirkt in \u00e4hnlicher Weise. Es erleidet das H\u00e4moglobin bei der Reduction keine weitere Ver\u00e4nderung, denn Sch\u00fctteln mit Luft stellt aus allein nach den angef\u00fchrten Arten reducirten H\u00e4moglobin das Sauerstoffh\u00e4moglobin wieder her.\n* Im Spectroscope lassen reducirte H\u00e4moglobinl\u00f6sungen nur einen Absorptionsstreifen erkennen Figur 7. Er liegt ebenfalls zwischen\n70 65\t60\t55\t50\t45\nBCD\tE b F\tG \u2019\nFig. 7. Reduc. H\u00e4moglobin.\nden Fraunhofer\u2019schen Linien D und E und entspricht ungef\u00e4hr dem Raume zwischen den zwei Streifen des Oxyh\u00e4moglobins (Stokes9).\n1\tStokes, Phil. Mag. 4. ser. XX\\ III. p. 391.\n2\tRollett , Sitzgsber. d. Wiener Acad., math.-naturwiss. Cl. LII. 2. Abth. S. 246. 1865.\n3\tLudwig u. Schmidt, Sitzgsber. d. s\u00e4cbs. Ges. d. Wiss. 1868. S. 12.\n4\tStokes, a. a. 0.\n5\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XL S. 1070. 1853.\n6\tHoppe-Seyler, Med.-chem. Unters. S. 135. Ber\u00fcn 1866\u20141871.\n7\tPfl\u00fcger, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1867. S. 321.\n8\tGscheidlen. Arch. f. d. ges. Physiol. XVI. S. 421. 1878.\n9\tStokes, a. a. 0.","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Reducirtes H\u00e4moglobin.\n57\nDie im Spectrum zu beobachtenden Absorptionserscheinungen sind hier selbstverst\u00e4ndlich eben so mit der Concentration oder der Dicke der Schicht verschieden. In Figur 8 sind die sich folgenden Spec-tren in derselben Weise \u00fcbersichtlich dargestellt, wie jene des Oxyh\u00e4moglobins in der Figur 5.\nPhotometrisch bestimmt zum Vergleiche mit dem Sauerstoffh\u00e4moglobin hat Vierordt 1 das Spectrum des reducirten (mit Zinnoxydull\u00f6sung oder Natriummonosulfid) H\u00e4moglobin von auf 100 verd\u00fcnntem S\u00e4ugethierblut. Der Absorptionsstreifen solcher L\u00f6sungen liegt zwischen den Wellen--r l\u00e4ngen 572 \u2014 542 Milliontel Millim. Das Roth erscheint st\u00e4rker absorbirt als im Spectrum des Sauerstoffh\u00e4moglobins, das Blau betr\u00e4chtlich weniger.\nIn hohen Verd\u00fcnnungsgraden der reducirten H\u00e4moglobinl\u00f6sungen (s. Fig. 8) ist schon die Verk\u00fcrzung der Enden des Spectrums vorhanden, w\u00e4hrend der Absorptionsstreifen noch nicht bemerkbar ist, das erkl\u00e4rt uns die gr\u00fcne Farbe sehr verd\u00fcnnter L\u00f6sungen oder sehr d\u00fcnner Schichten concentrirter L\u00f6sungen. Das reducirte H\u00e4mo-globin krystallisirt in denselben f\u00fcr die einzelnen Thierspecies bestimmten Formen, wie das Oxyh\u00e4moglobin (Rollett2, K\u00fchne8). Die Krystallisation tritt aber langsamer und schwieriger ein, weil das reducirte H\u00e4moglobin in Wasser leichter l\u00f6slich ist. Darum sieht man in concentrirten L\u00f6sungen von reducirtem H\u00e4moglobin die erst nach l\u00e4ngerem Stehen Krystalle abscheiden w\u00fcrden, sofort Krystallisation eintreten, wenn Sauerstoff zugeleitet wird und sich das reducirte H\u00e4moglobin in Oxyh\u00e4moglobin verwandelt. Den Sauerstoff als f\u00fcr die Krystallbildung \u00fcberhaupt nothwendig anzusehen (B\u00f6ttcher4), widerstreitet der Erfahrung. Das reducirte\nCB\nFig. 8.\nEb F\tG\nReduc. H\u00e4moglobin.\n1\n2\n3\n4\nVierordt a. a. O. Rollett a. a. O.\nK\u00fchne, Arch. f. pathol. Anat. XXXIV. S. 423. 1865. B\u00f6ttcher, Arch. f. pathol. Anat. XXVII. S. 372. 1865.","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nH\u00e4moglobin kann wie das Oxyh\u00e4moglobin quantitativ nach der absorptiometrischen Methode von Vierordt bestimmt werden und zwar kann das reducirte H\u00e4moglobin in derselben L\u00f6sung mit dem Oxyh\u00e4moglobin gleichzeitig auf diese Weise quantitativ bestimmt werden, wenn f\u00fcr zwei bestimmte Spectralregionen f\u00fcr jede der Substanzen die Constante A bekannt ist und die Summen der Ex-stinctionsco\u00ebfficienten in beiden Regionen mit dem Spectrophotometer bestimmt werden1. Solche Versuche hat H\u00fcfner2 ausgef\u00fchrt. Der letztere bestimmte die Constante A des reducirten H\u00e4moglobin f\u00fcr zwei Spectralregionen und erhielt:\nAr\tAr\nDZ\u00cf E \u2014 D 54 F\tI) 63 E\u2014 Dl\u00a7 E\n0.001220\t0.001499\n6. Die Farbe des Blutes ist durch die optischen Eigenschaften der zwei Modificationen des H\u00e4moglobin und aus der Fixirung des H\u00e4moglobin in den Blutk\u00f6rperchen vollkommen erkl\u00e4rlich. Das arterielle Blut ist hell Scharlach roth und nicht dichroitisch, das ven\u00f6se Blut ist dichroitisch, in dicken Schichten dunkel kirschroth, in d\u00fcnnen Schichten gr\u00fcn, weil in dem ersteren Oxyh\u00e4moglobin (und nur sehr geringe Mengen red. H\u00e4moglobin?) enthalten sind, in dem letzteren dagegen ist eine betr\u00e4chtliche Menge von reducirtem H\u00e4moglobin vorhanden, wie die Erfahrung lehrte aber ausserdem Oxyhaemoglobin (Stokes3, Hoppe-Seyler4). Es stimmt das mit zahlreichen pneumatologischen Beobachtungen am Blute \u00fcberein. Beim Durchgang durch die Capillaren wird also nicht alles Oxyh\u00e4moglobin reducirt.\n1\tSind E und E\u2019 die Exstinctionsco\u00ebfficienten in den zwei Spectralregionen. Ar und A0 die Constanten der zwei K\u00f6rper, in der einen A/ und A(/ in der anderen Spectralregion x und >j der unbekannte Gehalt der L\u00f6sung an der einen und anderen Substanz, so erh\u00e4lt man zun\u00e4chst\nE =\t+ - f- und\nAr\tA o\nE' = ~ -j- -~y und daraus\nArAr' (E'A0' - EA0)\t1\n\u00c4\tAJAr-A0Arf\nA0A0\u2019 (EAr - EtA/)\t,>\nU\tA0'Ar-A0A/\n2\tH\u00fcfner. Ztschr. f. physiol. Chemie III. S. 1. 1879.\n3\tStokes a. a. 0.\n4\tHoppe-Seyler. Arch. f. pathol. Anat. XXIX. S. 233. 1864.","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Farbe des Blutes, arterielles und ven\u00f6ses Blut.\n59\nH\u00fcfner 1 bestimmte in Blut aus der Cruralvene des Hundes reduc. H\u00e4mogl. 7.155 Grm.\nOxyh\u00e4m........ 9.955\t\u201e\nGesammtmenge 17.110 Grm. in Blut aus der Cruralarterie\nred. H\u00e4mogl. . .\t1.022 Grm.\nOxyk\u00e4mogl. . . 14.310\t\u201e\nGesammtmenge 15.332 Grm.\nin lOOC.-Ctm. bei verschiedenen Versuchen nach Vierordt\u2019s Methode. Dagegen ist im Erstickungsblut nur reducirtes H\u00e4moglobin enthalten. Vierordt 2 machte auch Beobachtungen \u00fcber die Reduction des H\u00e4moglobin beim lebenden Menschen, indem er die Zeit bestimmte, welche notkwendig war, damit in den mit Kautschukringen umschn\u00fcrten Fingern an Stelle des Oxyh\u00e4moglobin - Spectrum jenes des reducirten trat. Er fand unter diesen Umst\u00e4nden, die durch jene Zeit gemessene \u201eSauerstoffzehrung\u201c der Gewebe am Morgen verlangsamt, dann steigend bis Mittag, wo sie 1 Stunde nach dem Essen ihr Maximum erreichte um dann bis Abend auf die Vor-mittagswertke zu fallen. Sie ist bei jungen Individuen beschleunigt, durch K\u00f6rperbewegung und Athemankalten ebenfalls, verz\u00f6gert durch viele tiefe Athemz\u00fcge.\nEs muss aber nun noch die zweite Bedingung f\u00fcr die Farbe des Blutes erw\u00e4hnt werden. Blut und H\u00e4moglobinl\u00f6sungen mit v\u00f6llig gleichem Gehalt an beiden Modificationen in gleich dicken Schichten im auffallenden und durchfallendem Lichte mit einander verglichen w\u00fcrden durchaus nicht denselben Eindruck aufs Auge hervorbringen und das kommt daher, dass das Blut undurchsichtig, die H\u00e4moglobinl\u00f6sung durchsichtig ist. Es ist also nur eine Vergleichung im auffallenden Lichte m\u00f6glich und dabei erscheinen die L\u00f6sungen im Vergleich mit dem entsprechenden Blute immer sehr dunkel. Die hellen Farben des Blutes im auffallenden Lichte r\u00fchren von den Blutk\u00f6rperchen her. W\u00fcrde ich mir vorstellen, dass die Blutk\u00f6rperchen mit allen ihren Eigenschaften erhalten aber entf\u00e4rbt im Plasma sich vorfinden w\u00fcrden, dann erschiene das Blut im auffallenden Lichte weiss, wie die Milch, offenbar aus demselben Grunde, n\u00e4mlich wegen der in Folge des Wechsels der Brechungsindices wiederholten Totalreflexionen. Diese Bedingung bleibt aber dieselbe, wenn man nun die Blutk\u00f6rperchen sich wieder gef\u00e4rbt vorstellt, nur ist jetzt das reflectirte Licht entsprechend den Absorptionsfarben der zwei H\u00e4moglobinmodificationen gef\u00e4rbt.\n1\tH\u00fcfner a. a. 0.\n2\tVierordt. Ztschr. f. Biol. XIV. S. 422. 1STS.","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nWir haben fr\u00fcher die Zerst\u00f6rung der Blutk\u00f6rperchen und Abgabe ihres Farbenstoffes an die umgebende Fl\u00fcssigkeit als Bedingung des Lackfarbigwerdens kennen gelernt. Unver\u00e4ndertes und lackfarbiges Blut verhalten sich zu einander wie Blut und H\u00e4moglobinl\u00f6sung.\n7. Ausser der Verbindung, welche das H\u00e4moglobin mit Sauerstoff eingeht, wurde noch eine Reihe von anderen H\u00e4moglobinverbindungen beschrieben. Dieselben sind zum Theile sehr hypothetischer Natur. Zwei f\u00fchren wir an wegen ihrer Aehnlichkeit mit dem Oxyh\u00e4moglobin.\nDas Kohlenoxydh\u00e4moglobin bildet sich wenn in Blut oder H\u00e4moglobinl\u00f6sungen CO eingeleitet wird, oder wenn Thiere in CO ersticken. Das CO wird vom H\u00e4moglobin begierig aufgenommen und tritt an Stelle des Sauerstoffs, welchen es Molek\u00fcl f\u00fcr Molek\u00fcl aus dem Oxyh\u00e4moglobin austreibt (Bernard1, L. Meyer2). Es ist aber selbst nicht unzerlegbar durch den Sauerstoff oder durch das Vacuum wie man fr\u00fcher annahm, sondern entl\u00e4sst beim Durchleiten von 0 oder H und von CO% das CO wieder (Donders3) und giebt auch an das Vacuum CO ab (Zuntz 4 5). Das Kohlenoxydh\u00e4moglobin krystallisirt dem Oxyh\u00e4moglobin isomorph. Vor dem Spectroscope giebt es Erscheinungen, welche denen des Sauerstoffh\u00e4moglobin sehr \u00e4hnlich sind: 2 Absorptionsstreifen den H\u00e4moglobinstreifen gleichend, aber gegen das violette Ende hin etwas verschoben, das letztere ist weniger verk\u00fcrzt, liegen die Streifen des Oxyh\u00e4moglobin im Normal-spectrum auf 578 und 539, so ergiebt sich f\u00fcr das Kohlenoxydh\u00e4moglobin 572 und 535. Die Streifen werden nicht ge\u00e4ndert durch jene Einfl\u00fcsse, welche das Sauerstoffh\u00e4moglobin in das reducirte H\u00e4moglobin \u00fcberf\u00fchren.\nDas Stickoxydh\u00e4moglobin wurde von Hermann 1 dargestellt. Die Verbindung ist noch fester als das Kohlenoxydh\u00e4moglobin. Es kann aus reducirtem H\u00e4moglobin und aus Kohlenoxydh\u00e4moglobin .gewonnen werden. Aus Oxyh\u00e4moglobin nur dann, wenn man f\u00fcr sogleiche Neutralisation der sich bildenden salpetrigen S\u00e4ure sorgt. Das Spectrum des Stickoxydh\u00e4moglobins zeigt zwei den Oxyh\u00e4moglobinstreifen nahezu gleiche Absorptionsstreifen. Es verh\u00e4lt sich gegen reducirende Substanzen \u00e4hnlich wie das Kohlenoxyd, seine Streifen kommen dadurch nicht zum Verschwinden.\n1\tBernard, Le\u00e7ons sur les effets des subst. toxiq. et med. p. 171. Paris 1857.\n2\tL. Meyer, De sanquine oxydo carbon, infect. Breslau 1858; Ztschr. f. rat. Y. (3) S. 83. 1859.\n3\tDonders, Arch. f. d. ges. Physiol. V. 20. 1872.\n4\tZuntz, Ebenda S. 584.\n5\tHermann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865. S. 469.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Verbindungen des H\u00e4moglobin. Meth\u00e4moglobin.\n61\nEine Verbindung von H\u00e4moglobin mit Acetylen bat Liebreich 1 beschrieben; Cyanwasserstoffoxyh\u00e4moglobin f\u00fchrt Hoppe2 an und l\u00e4ug-net die von Preyer3 behaupteten Verbindungen mit Blaus\u00e4ure und Cyankalium.\n8. Das H\u00e4moglobin liefert sehr mannigfache Zersetzungsproducte. An der Luft zersetzen sich sowohl die Krystalle als auch w\u00e4sserige L\u00f6sungen schon bei gew\u00f6hnlicher Temperatur rascher noch bei etwas erh\u00f6hter Temperatur. Unter den dabei auftretenden Zerfallsproducten wurden Ameisens\u00e4ure, Butters\u00e4ure und Milchs\u00e4ure isolirt (Hoppe-Sey-ler4 5). Wenn bei der Selbstzersetzung des H\u00e4moglobins jene S\u00e4uren auftreten, tr\u00fcben sich die L\u00f6sungen und nehmen eine braune Farbe an.\nDen K\u00f6rper, welcher dabei entsteht, hat Hoppe-Seyler0 als Meth\u00e4moglobin bezeichnet. Hoppe-Seyler fand ihn auch in Cysten, Sorby6 7 8 9 in den Schorfen heilender Wunden und in alten Blutflecken. Er kann durch sehr verschiedenartige Einwirkungen aus dem Blute erhalten werden.\nDurch Zusatz geringer Mengen S\u00e4ure zum Blut, welche, wie aus den Versuchen von Loth. Meyer \", Pfl\u00fcger & Zuntz 8 und Strassburg 0 hervorgeht, eine festere Bindung des Sauerstoffes zur Folge haben; durch Zusatz von Kaliumpermanganat (Preyer10), chlorsauren Kali, unterchlorigsauren Natron und von Nitriten (Gamgee11), des Letzteren Nitrith\u00e4moglobin wird von Lankaster12, Preyer 13 und JXderholm 14 als Meth\u00e4moglobin gedeutet; durch Ferrosulfat und Ferricyankalium (JXderholm10 * *) und durch Erw\u00e4rmen des Blutes mit einem Minimum von Alkali (JXderholm).\n, Das Meth\u00e4moglobin besitzt in saurer und neutraler L\u00f6sung ein Spectrum mit 4 Absorptionsstreifen, welches mit dem Spectrum des H\u00e4matin16 in saurer L\u00f6sung \u00fcbereinstimmt (JXderholm) (siehe unten Fig. 11 S. 64), in alkalischer L\u00f6sung zeigt sein Spectrum drei Streifen (Sorby17, JXderholm) Figur 9.\n1\tLiebreich, Ber. d. deutscli. cliem. Ges. 1868. S. 220.\n2\tHoppe-Seyler, Med.-ehern. Unters. S. 406. Berlin 1866\u201471.\n3\tPreyer, Die Blaus\u00e4ure. Physiol, unters. I. S. 84. II. S. 85 u. 146. Bonn 1868 \u20141870.\n4\tHoppe-Seyler, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1865. S. 65.\n5\tHoppe-Seyler. Handb. d. physiol, u. pathol. chem. Analys. 2. Aufl. S. 205. Berlin 1865.\n6\tSorby, Quat. Journ. of microscop. sc. 1870. p.400 ; Monthly microscop. Journ. 1871. p. 11.\n7\tL. Meyer, Ztschr. f. rat. Med. N. F. VIII. S. 256. 1857.\n8\tPfl\u00fcger u. Zuntz, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 361. 1868.\n9\tStrassburg, Ebenda IV. S. 454. 1871.\n10\tPreyer, Die Blutkrystalle. Jena 1871.\n11\tGamgee, Proc. of the roy. soc. p. 108. Edinb. 1867 ; Phil, transact, of the roy. soc. of London 1868. p. 339.\n12\tLankaster, Quat. Journ. of microscop. sc. 1870. p. 402.\t13 Preyer a. a. O.\n14\tJXderholm, Ztschr. f. Biol. XIII. S. 193. 1877.\n15\tDerselbe a. a. O. 16 S. d. Folgende S.\n17 Sorby, Quat. Journ. of microscop. sc. 1870. p. 400.","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nRollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nDas Meth\u00e4moglobinspectrum wird durch reducirende Substanzen in das H\u00e4moglobinspectrum zur\u00fcckgef\u00fchrt. Sorby und mit ihm J\u00e4der-holm fassen darum das Meth\u00e4moglobin als Perioxyh\u00e4moglobin auf.\n70\t65\t60\t55\t50\t45\nBCD\tE b F\t' G\nFig. 9. Meth\u00e4moglobin in alkalischer L\u00f6sung.\nDie Einw\u00e4nde, welche Hoppe-Seyler1 gegen diese Auffassung erhob, scheint derselbe'2 fallen gelassen zu haben. Die Erscheinungen, welche Munnich3 und Preyer4 beim Behandeln von H\u00e4moglobin mit S\u00e4uren und Alkalien mit nachfolgendem Zusatz von Reductionsmitteln und Sch\u00fctteln mit Luft beobachtet haben und welche als Synthesen des Blutfarbestoffes aus Spaltungsproducten gedeutet wurden, erkl\u00e4ren sich alle aus dem Entstehen von Perioxyh\u00e4moglobin und Reduction desselben zu Oxyh\u00e4moglobin und reduc. H\u00e4moglobin (Jaderholm5).\nEine etwas bessere Kenntniss hat man von den im Wasser unl\u00f6slichen Farbestoffen, welche durch die Wirkung von S\u00e4uren und Alkalien auf das H\u00e4moglobin entstehen. Es spalten sich dabei Eiweissk\u00f6rper aus dem H\u00e4moglobin ab, welche als Syntonine oder Al-kalialbuminate6 gewonnen werden.\nVon den Farbestoffen ist zun\u00e4chst hervorzuheben das H\u00e4matin. Mit diesem Namen belegte man die Substanz, welche man in Form eines amorphen blaugrauen Pulvers aus dem braunrothen alkoholischen Auszug des durch Zusatz von Schwefels\u00e4ure (Leganu'), oder aus dem granatrothen alkoholischen Auszug des durch Zusatz von Pottasche (v. Wittichs) im Blut erzeugten Coagulum erhielt, wenn man die Ausz\u00fcge neutralisirte, eindampfte und die R\u00fcckst\u00e4nde reinigte. Die so oder auf \u00e4hnliche Weise dargestellte Substanz besitzt aber nicht den n\u00f6thigen Grad von Reinheit. Man gewinnt darum das H\u00e4matin jetzt dadurch, dass man zuerst das H\u00e4min darstellt, welches zum H\u00e4matin in naher Beziehung steht.\n1\tHoppe-Seyler, Ztschr. f. physiol. Chemie IL S. 149. 1878\u201479.\n2\tDerselbe, Physiol. Chemie S. 385. Berlin 1879.\n3\tMunnich, Onderzoek. ged. in het physiol. Lab. der Leidsche Hoogeschool nitg. d. Heynsius p. 14. 1869.\n4\tPreyer, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1871. S. 145 und Die Blutkrystalle. Jena\n1871.\n5\tJaderholm a. a. 0.\t6 S. unten.\n7\tLecann, Etud. chim. sur le sang. Paris 1837.\n8\tv. Wittich, Journ. f. pract. Chemie LXI. S. 11. 1854.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"H\u00e4min, H\u00e4matin.\n63\nH\u00e4minkrystalle bilden sieb, wenn man zu trockenem Blut etwas Kochsalz bringt und mit Eisessig zum Kochen erhitzt (Teichmannl 2). Es sind dazu sehr kleine Mengen von trockenem Blut hinreichend, worauf die Benutzung dieser Reaction als forensische Blutprobe beruht (Br\u00fccke-, Virchow3 und Andere).\nIm Grossen erh\u00e4lt man die H\u00e4minkrystalle aus dem mit Kaliumcarbonat und Alkohol bereiteten Blutauszug unter Anwendung von Weins\u00e4ure (Rollett4) oder Eisessig (Gwosdew5) oder man stellt sie in \u00e4hnlicher Weise wie f\u00fcr die microscopische Untersuchung (Hoppe-Seyler 6 7) oder aus dem mit schwefels\u00e4urehaltigem Alkohol bereiteten Blutauszug dar, auch aus sauren \u00e4therischen Blutausz\u00fcgen sind sie zu erhalten (Lehmann t, Jader-holm 8).\nDie H\u00e4minkrystalle scheiden sich aus allen Blutarten in denselben Kry stallform en ab. Sie erscheinen in Form rhomboidischer flacher St\u00e4bchen von hell gelb bis dunkel schwarzbrauner Farbe. Sie bieten naeh der Krystallgestalt orientirte Lichtabsorptionserscheinungen dar. Der in der Macrodiagonale der rhombischen Begrenzungselemente schwingende Strahl ist dunkel schwarzbraun, der in der Microdiagonale schwingende Strahl hell gelbbraun. Sie besitzen ferner einen lavendelgrauen der Farbe im durchfallenden Lichte com-plement\u00e4ren Fl\u00e4chenschiller (Rollett9). Das H\u00e4min ist nach Hoppe-Seyler10 eine Verbindung des H\u00e4matin mit Chlorwasserstoffs\u00e4ure von der Formel Cks H- 2 Ns Fei Oi 0 Ch. Chlorfreie H\u00e4minkrystalle darzustellen, ist Hoppe-Seyler nie gelungen. Durch Aufl\u00f6sen des H\u00e4min in verd\u00fcnnter Kalilauge und Neutralismen mit verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure wird aus demselben das amorphe H\u00e4matin erhalten, f\u00fcr welches die Formel Ce s H-, 0 Ns F C2 Oi 0 ermittelt wurde. Das H\u00e4matin ist in Wasser Alkohol und Aether unl\u00f6slich, dagegen leicht l\u00f6slich in S\u00e4ure oder alkalihaltigem Alkohol oder saurem Aether.\nDas H\u00e4matin enth\u00e4lt der obigen Formel entsprechend 8,82% Eisen und da alles Eisen des H\u00e4matin aus dem Eisen des H\u00e4moglobin 0,42%\n1\tTeichmann, Ztschr. f. rat. Med. N. F. III. S. 375. 1853, Y. S. 43, VIII. S. 141.\n1857.\n2\tBr\u00fccke, Wiener med. Wochenschr. 1857. Nr. 23.\n3\tVirchow, Arch. f. pathol. Anat. XII. S. 304. 1857.\n4\tRollett, Sitzgsber. d. \"Wiener Acad., math.-naturwiss. Cl. XLVIII. 2. Abtli. S. 223. 1863.\n5\tGwosdew, Ebenda LUI. 2. Abth. S. 683. 1866.\n6\tHoppe-Seyler. Med.-chem. Unters. S. 379. Berlin 1S66\u20141871.\n7\tLehmann, Atlas d. physiol. Chemie von Funke. 2. Anti. Taf. IX. Fig. I. Leipzig 1858.\n8\tJaderholm a. a. 0.\n9\tRollett, Wiener med. Wochenschr. 1862. Nr. 29 und Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLVIII. S. 227. 1863.\n10 Hoppe-Seyler, a. a. 0. S. 525.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\n(vergl. S. 43) herriihrt, so erh\u00e4lt man f\u00fcr je\n8.82\n0,42\n21 Gewichtstheile\nH\u00e4mog\u2019lobin 1 H\u00e4matin.\nBrozeit 1 suchte, indem er alles H\u00e4moglobin einer bestimmten Blutmenge in H\u00e4matin \u00fcberf\u00fchrte, das letztere durch W\u00e4gung zu bestimmen. Auch f\u00fcr die Farbenvergleichung hat man der gr\u00f6sseren Haltbarkeit von Normalh\u00e4matinl\u00f6sungen wegen die Bestimmung des H\u00e4moglobin aus dem H\u00e4matin empfohlen (Horpe-Seyler'1 2). Die Formel f\u00fcr den Procentgehalt des\nBlutes an H\u00e4moglobin (S. 45) geht dann in die Formel x = 21 - ^ \u2014- \u00fcber.\nb\nDie alkalischen H\u00e4matinl\u00f6sungen zeigen einen Absorptionsstreifen Figur 10 zwischen C und I) Fraunhofer, nahe an D, welcher mit\n70\t65\t60\t55\t50\t45\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t1\t\t0\t\t1\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t_\t\t\t\n\t\t1 !\t\t\t\t\t\t\t\t1 1\t\t\t\t\t\t\t\t1\t\t\t1\t\t\nBCD\tE b F\tG\nFig. 10. H\u00e4matin in alkalischer L\u00f6sung.\nzunehmender Concentration sich verbreitert und mit der einen Grenze n\u00e4her an C r\u00fcckt, mit der andern in den halben Raum zwischen TJ und E hineinragt, das rothe und violette Ende erscheinen auch bei verd\u00fcnnten L\u00f6sungen betr\u00e4chtlich verk\u00fcrzt. Mit wachsendem Alkaligehalt r\u00fcckt der Streifen etwas in der Richtung gegen das violette Ende des Spectrum (J\u00e4deriiolm3). Die L\u00f6sungen sind dichroitisch in dicken Schichten granatroth, in d\u00fcnnen Schichten gr\u00fcn. Die sauren L\u00f6sungen von H\u00e4matin erscheinen braun. Sie zeigen im Spectrum 4 Absorptionsstreifen Fig. 11. Einen scharf hervortretenden zwischen\n70\t65\t60\t55\t50\t45\nFig. 11. H\u00e4matin in saurer L\u00f6sung (oxals\u00e4urehaltigen Alkohol.\nC und I) (S\u00e4urestreifen), einen sehr zart angedeuteten etwas schm\u00e4leren bei \u00cf) vor dieser Linie gegen E hin liegend, einen dritten brei-\n1\tBrozeit, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 353. 18*0.\n2\tHoppe-Seyler. Handb. d. physiol, u. pathol. chem. Analyse. 2. Aull. S. 312. Berlin 1865.\n3\tJ\u00e4derholm. Die gerichtlich med. Diagnose der Kohlenoxydvergiftung. Berlin\n1876.","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"H\u00e4matin in alkalischer und saurer L\u00f6sung, reducirtes H\u00e4matin.\n65\nteren nahe an E und von dieser Linie gegen D hin liegend, einen vierten breitesten bei F liegenden und von dieser Linie gegen b hin sich erstreckenden. Es ist dasselbe Spectrum, welches auch das Meth\u00e4moglobin in S\u00e4ure oder im neutralen Zustande zeigt und beide K\u00f6rper sind nur dadurch zu unterscheiden, dass beim Neutralismen der S\u00e4ure oder Zusatz \u00fcbersch\u00fcssigen Alkalis das Spectrum des sauren H\u00e4matins in das des alkalischen H\u00e4matin, jenes des Meth\u00e4-moglobins in das drei Streifen zeigende des alkalischen Meth\u00e4moglo-bins \u00fcbergeht (J\u00e4derholm).\nEin besonderes Verhalten zeigt der erste der vier Absorptionsstreifen, S\u00e4ureband, da er in alkoholischen L\u00f6sungen n\u00e4her an D liegt als in \u00e4therischen und mit der Zunahme des S\u00e4uregehaltes gegen das rothe Ende hinr\u00fcckt (Sorby1, Preyer2, J\u00e4derholm3).\nWenn alkalische H\u00e4matinl\u00f6sungen mit reducirenden Substanzen behandelt- werden, treten statt des einen Absorptionsstreifen im Spectrum zwei andere Streifen auf Fig. 12, ein dunklerer zwischen den\n70\t65\t60\t55\t50\t45\nFig. 12. Reducirtes H\u00e4matin.\nLinien I) und E, ungef\u00e4hr um die anderthalbfache Breite des Streifens selbst von ersterer Linie entfernt, und ein hellerer, welcher den Raum zwischen den Linien E und b ausf\u00fcllt und zu beiden Seiten \u00fcberragt. Durch Sch\u00fctteln mit Luft verschwinden die Streifen wieder und kehrt der Streifen der alkalischen H\u00e4matinl\u00f6sung zur\u00fcck. Stockes, der diese Thatsacken auffand, unterscheidet darum zwei H\u00e4matinmodifi-cationen, das braune und rothe (reducirte) H\u00e4matin. Preyer4 nannte das erstere Sauerstoffh\u00e4matin, das letztere H\u00e4matin.\nDie Streifen des reducirten H\u00e4matin erh\u00e4lt man auch durch Kochen von Blut mit Kalilauge oder Vermischen von Blut mit verd\u00fcnnter Kalilauge unter Luftabschluss (Preyer5 6) oder bei Luftzutritt mit concentrirter Natronlauge (J\u00e4derholm*3) oder 32\u00b0/o Kalilauge (Rollett7) bei gew\u00f6hnlicher\n1\tSorby. Quat. Journ. of microscop. sc. 1870. p. 400.\n2\tPreyer, Die Blutkrystalle. Jena 1871.\n3\tJ\u00e4derholm, a. a. O.\n4\tPreyer, Die Blutkrystalle. Jena 1871.\n5\tPreyer, a. a. O.\n6\tJ\u00e4derholm, Gerichtl. med. Diagnose der Kohlenoxydvergiftung. Berlin 1876.\n7\tRollett, Mittheil. d. \u00e4rztl. Vereins in Steiermark XIII. S. 23. 1875\u201476.\nHandbuch, der Physiologic. Bd. IV.\t0","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nRollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nTemperatur. In allen diesen F\u00e4llen, weil sich durch die Wirkung der Alkalien auf die Eiweissk\u00f6rper des Blutes Schwefelalkalien bilden, welche das H\u00e4matin reduciren. Wird eine L\u00f6sung von reducirtem H\u00e4matin anges\u00e4uert, so erscheinen die Streifen des sauren H\u00e4matin. Auf saure H\u00e4matinl\u00f6sungen wirken die Reductionsmittel nicht. Identisch mit dem reducirten H\u00e4matin ist Hoppe-Seyler\u2019s 1 H\u00e4mochromogen, welches er erhielt, wenn er H\u00e4moglobin bei Ausschluss der Luft in einer Wasserstoffatmosph\u00e4re mit Alkalien zerlegte. Anfangs konnte die Identit\u00e4t bezweifelt werden, zwar stimmte das Spectrum des H\u00e4mochromogen in alkalischer L\u00f6sung mit dem des reducirten H\u00e4matin \u00fcberein, allein Hoppe-Seyler- wollte auch, wenn er das H\u00e4moglobin mit S\u00e4uren unter Luftabschluss zerlegte, H\u00e4mochromogen in saurer L\u00f6sung mit einem ganz besonderen Spectrum erhalten haben. Dieses Spectrum entspricht aber, wie J\u00e4derholm1 2 3 nachwies, einem Spectrum, welches zusammengesetzt ist aus dem Spectrum des sauren H\u00e4matin und eines weiteren Zersetzungsproductes des letzteren des H\u00e4matoporphyrin. Ein Spaltungsproduct des H\u00e4moglobins, welches erst durch Aufnahme von Sauerstoff in H\u00e4matin \u00fcbergeht im Sinne von Hoppe\u2019s H\u00e4mochromogen ist bis jetzt nicht erwiesen.\nAls H\u00e4matoporphyrin bezeichnet Hoppe-Seyler4 das eisenfreie H\u00e4matin.\nDass dem Blut durch Schwefels\u00e4ure alles Eisen entzogen werden kann, ohne dass die lebhaft rothe Farbe verloren geht, ist eine lange bekannte Thatsache (Sanson und Scherer 5), sp\u00e4ter wurde behauptet, dass die Schwefels\u00e4ure unter Entwicklung von H und Bildung von Ferrosulfat dem H\u00e4matin das Eisen entziehe und eisenfreies H\u00e4matin entstehe, woraus zugleich gefolgert wurde, dass das Eisen im H\u00e4matin im unoxydirten Zustande enthalten sei (Mulder, van Goudoever6). Bei Versuchen von Hoppe-Seyler ergab sich aber, dass das H\u00e4matin unter Aufnahme von Sauerstoff das Ferrosulfat und H\u00e4matoporphyrin bildet: C^H-^N^Fe-iO\\o -f- 2(SH-iO\\) -\\- Oi = CgsZ/t4 Ag 0\\2 -f- 2 \\SFeO\\). Das H\u00e4matoporphyrin wird auch von anderen S\u00e4uren gebildet.\n70\t65\t60\t55\t50\t15\nFig. 13. H\u00e4matoporphyrin,\nDas Spectrum des H\u00e4matoporphyrin besitzt zwei Absorptionsstreifen. Einen zwischen C und D, den anderen zwischen D und E Fraunhofer Fig. 13.\n1\tHoppe-Seyler. Med.-chem. Unters. S. 540. Berlin 1866\u201471.\n2\tHoppe-Seyler, a. a. 0.\n3\tJ\u00e4derholm. Ztschr. f. Biol. XIII. S. 192. 1877.\n4\tHoppe-Seyler, a. a. 0. S. 528.\n5\tScherer, Ann. d. Chemie 11. Pharm. XL. S. 31. 1841.\n6\tMulder, Journ. f. pract. Chem. XXXII. S. 186. 1844.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"H\u00e4matoporphyrin, H\u00e4moglobingehalt des Blutes.\n67\nEs muss, um die Zersetzungsproducte des H\u00e4moglobins abzu-schliessen, hier noch auf die Zersetzungen hingewiesen werden, welche man f\u00fcr das H\u00e4moglobin innerhalb des Thierleibes postulirt. Dahin geh\u00f6rt, dass man das H\u00e4moglobin als Materiale f\u00fcr die Bildung von Gallen- und Harnfarbestoffen ansieht (vergl. dar\u00fcber Galle und Harn). Die genuinen Gallenpigmente k\u00fcnstlich aus dem H\u00e4moglobin zu erzeugen, ist bisher nicht gelungen, wohl aber hat Hoppe-Seyler durch Einwirkung von Zinn und Salzs\u00e4ure auf H\u00e4matin in alkalischer L\u00f6sung und auch direct aus dem H\u00e4moglobin mit Zinn und alkoholischer L\u00f6sung von Salzs\u00e4ure einen Farbestoff gewonnen, welchen er als mit den von Jaff\u00e9 als Urobilin, von Maly als Hydrobilirubin bezeichneten Harnfarbestoff identisch erkl\u00e4rt.\n9. Der Gehalt des Blutes an H\u00e4moglobin ist mehrfach bestimmt worden. Wir haben die Methoden hierf\u00fcr schon kennen gelernt (vgl. S. 44, 45/49 u. 53) und hier nur noch auf zwei fr\u00fcher nicht erw\u00e4hnte hinzuweisen, gegen welche sich aber die gr\u00f6ssten Bedenken erheben lassen.\nGrehant 1 sucht das H\u00e4moglobin zu bestimmen aus der Menge Sauerstoff, welche durch CO aus dem H\u00e4moglobin verdr\u00e4ngt wird. Quinquaud 1 2 sucht das H\u00e4moglobin ebenfalls aus der Bestimmung des Blutsauerstoffes zu finden. Er bedient sich dazu der Methode von Risler und Sch\u00fctzenberger 3, wobei der Sauerstoff durch Titriren mit einer L\u00f6sung von hydro -schwefligsaurem Natron bestimmt wird. Wie man sieht, m\u00fcsste f\u00fcr beide Bestimmungen das Blut vorher mit Sauerstoff vollkommen ges\u00e4ttigt sein. Bei Q\u00fcinquaud\u2019s Verfahren bleibt es nicht bei der Bildung von reducir-tem H\u00e4moglobin, da Sch\u00fctzenberger und Risler durch Titriren viel mehr Sauerstoff im Blute fanden, als man nach anderen Methoden gewinnen kann.\nQuantitative Bestimmungen des H\u00e4moglobins im Blute sind wegen der Beziehungen dieses K\u00f6rpers zum respiratorischen Gaswechsel und als nothwendige Voraussetzung f\u00fcr die Beurtheilung der in Krankheiten vorkommenden Abweichungen von grosser Wichtigkeit.\nBestimmungen des Eisens im Blute liegen in grosser Zahl vor (Denis4, F. Simon5, Nasse6, Becquerel & Rodier7, Poggiale8, C. Schmidt9, Pelouze10 und Andere).\n1\tGrehant, Compt. rend. LXXV. p. 497. 1872.\n2\tQuinquaud, Compt. rend. LXXYI. p. 1489. 1873.\n3\tRisler u. Sch\u00fctzenberger, Compt. rend. LXXVI. p. 440. 1873.\n4\tDenis, Reclierch. exper. sur le sang etc. Paris 1830 und Essai sur l\u2019applic. de la chim. \u00e0 l\u2019\u00e9tude physiol, du sang etc. Paris 1S38.\n5\tSimon, Arch. d. Pharm. XVIII. S. 35. 1839.\n6\tNasse', Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 138. Braunschweig 1842.\n7\tBecquerel u. Rodier, Rech, sur la comp, du sang etc. p. 23 u. 27. Pari\u00ab 1844.\n8\tPoggiale, Compt. rend. XXV. p. 112. 1847.\n9\tC. Schmidt, Charakter d. epid. Cholera. Leipzig u. Mitau 1850.\n10\tPelouze, Compt. rend. LX. p. 880. 1855.","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nRollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nBeim Menschen bewegen sich die von den genannten Untersuchern gefundenen Eisenmengen in 100 Grm. Blut zwischen 0,0350 \u2014 0,0633 Grm. Aus den Eisenbestimmungen von Becquerel & Rodier berechnete Preyer1 2 f\u00fcr 100 Grm. Blut\nMin. Max.\nder gesunden Frau .... 11.57\t13.69 [ H\u00e4maglobin\ndes gesunden Mannes . . . 12.09\t15.07 J in Grm.\nQuincke- erhielt nach der spectrocolorimetrischen Methode f\u00fcr 100 Grm. normalen menschl. Blutes 14.1 \u201414.6 Grm. H\u00e4mogl.\nNach der Methode von Vierordt wurden Bestimmungen der Exstinctionsco\u00ebfficienten also der relativen H\u00e4moglobinwerthe beim Menschen ausgef\u00fchrt von Wiskemann3 und Leichtenstern4. Es ergab sich, dass das Lebensalter und das Geschlecht den H\u00e4moglobingehalt beeinflussen. So findet Leichtenstern, wenn er den Farbestoffgehalt des Blutes Neugeborener gleich 100 setzt, als vergleichbare Verh\u00e4ltnisszahlen f\u00fcr den relativen Farbestoffgehalt\n1\u20143 Tage .\t.\t.\t100\n12\u20145 Jahre.\t55\n5 \u201415\t\u201e\t.\t.\t.\t58\n15\u201425\t\u201e\t.\t.\t.\t64\n25\u201415\t\u201e\t.\t.\t.\t72\n45\u201460\t\u201e\t.\t.\t63\nDen hohen Farbestoffgehalt des Blutes der Neugeborenen hat zuerst Denis5 aus den Eisenbestimmungen entnommen, Convert & Naunyn6 constatirten ihn nach der Methode von Preyer.\nF\u00fcr das Blut der M\u00e4nner ergiebt sich der H\u00e4moglobingehalt etwas gr\u00f6sser als f\u00fcr das Blut der Frauen (Wiskemann, Convert & Naunyn, Leichtenstern) was schon aus zahlreichen \u00e4lteren Blutanalysen immer wieder hervorging und in Uebereinstimmung mit den Resultaten der Blutk\u00f6rperchenz\u00e4hlungen bei beiden Geschlechtern steht (s. oben S. 28\u201431).\nDer H\u00e4moglobingehalt \u00e4ndert sich auch w\u00e4hrend der Stunden des Tages. Er sinkt nicht unbetr\u00e4chtlich nach dem Mittagsessen (Vierordt7, Leichtenstern). Durch vieles Wassertrinken \u00e4ndert sich\n1\tPreyer, Die Blutkrystalle. JenalSTl.\n2\tQuincke, Arch. f. pathol. An at. LIV. S. 537. 1874.\n3\tWiskemann, Ztschr. f. Biol. XII. S. 434. 1876.\n4\tLeichtenstern, Untersuchungen \u00fcber den H\u00e4moglobulingehalt des Blutes. Leipzig 1878.\n5\tDenis, Rech, exp\u00e9r. sur le sang. Paris 1830.\n6\tNaunyn u. Convert, Corresp.-Bl. f. Schweiz. Aerzte 1871. S. 301.\n7\tVierordt, Die quant. Spect. S. 60. T\u00fcbingen 1876.","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Alters, des Geschlechtes beim Menschen, bei Thieren.\n69\nderselbe nicht (Leichtenstern), dagegen steigt er etwas bei Entziehung von Getr\u00e4nken und wahrscheinlich durch vieles Schw\u00e4tzen ( Leichtenstern).\nF\u00fcr S\u00e4ugethiere ergaben sich die nachfolgend zusammengestellten H\u00e4moglobinwerthe nach drei verschiedenen Bestimmungsmethoden (PRETER1).\n\tH\u00e4moglobin\t\t\nThier\tin 100 Grm.\tin 100 Grm.\tin 100 Grm.\n\tBlut\tBlut\tBlut\n\ta. d. Eisen\tcolorimet.\tspectrocolonm.\nHund'2 ....\t13.8\t13.8\t13.3\nHammel .\t.\t.\t11.2\t\u2014\t11.2\nOchs ....\t12.3\t\u2014\t13.6\nSchwein .\t.\t.\t13.2\t\t14.3\nIm Blute verschiedener Thierclassen ist der H\u00e4moglobingehalt sehr verschieden. F\u00fcr die Gegend des zweiten Absorptionsstreifen bestimmte Korniloff3 die nachfolgenden Exstinctionsco\u00ebfficienten des lOOfach verd\u00fcnnten Blutes.\nT h i e r e\tZahl der Thiere\tExstinctions-co\u00ebfficient (rel. H\u00e4moglobinmengen)\nFische .\t.\t16\t0.3564\nAmphibien .\t.\t13\t0.3S89\nReptilien .\t.\t13\t0.4328\nV\u00f6gel....\t17\t0.7814\nS\u00e4uger .\t.\t.\t22\t0.9366\nEs nimmt also der H\u00e4moglobingehalt des Blutes von den Fischen gegen die S\u00e4uger hin zu.\nBei jungen Thieren fand Subbotin4 einen geringeren H\u00e4moglobingehalt als bei alten. Beim Ochsen in 100 Theilen Blut 12,10; beim Kalb 8,91 ; bei einem 4 Wochen alten saugenden Hund 3,4 ; beim Mutterthier 13,8.\nIn den Bestimmungen von Korniloff spricht sich dieselbe That-sache aus\n1\tPreyer, Die Blutkrystalle S. 126 u. 128. Jena 1871.\n2\tYergl. auch die oben mitgetheilten Bestimmungen von H\u00fcfner S. 59.\n3\tKorniloff. Ztschr. f. Biol. XII. S. 515. 1876.\n4\tSubbotin, Ebenda VIL S. 185. 1871.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70 Rollett. Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\nThiere\tExstinctionsco\u00ebf\u00eeicient (rel. H\u00e4moglobinmenge) alt\t\u25a0\tjung\t\nS\u00e4uger .... V\u00f6gel .... Kaltbl\u00fcter .\t.\t0.9236 0.S922 0.4312\t0.770S 0.5355 0.347S\nDas Geschlecht hat auch bei Thieren einen \u00e4hnlichen Einfluss wie beim Menschen.\nG\u00e4nzliche Nahrungsentziehung \u00e4ndert den H\u00e4moglobingehalt wenig. In 100 Theilen Blut waren enthalten beim Hund am 1. Hungertag 13,8; am 38. Hungertag 13,33; beim Kaninchen nach 14 Hungertagen 9,5. F\u00fcr sechs Kaninchen bei Pflanzenkost ergaben sich 8,2. Hunde mit stickstoffreicher Kost ergaben 13,5, w\u00e4hrend ein 38 Tage mit St\u00e4rke und Fett gef\u00fctterter Hund 9,52; ein 20 Tage mit Brod gef\u00fctterter 9,37 ergab. Stickstoffarme Kost setzt also den H\u00e4moglobingehalt herab, w\u00e4hrend stickstoffreiche ihn hebt (Subbotin). Daraus soll sich auch der relativ niedrige H\u00e4moglobingehalt der Pflanzenfresser erkl\u00e4ren und die Ausnahme, welche man beim Hungern derselben beobachtet, wo sie von ihrer Leibessubstanz leben.\nWird der H\u00e4moglobingehalt im Blut aus verschiedenen Gefassen desselben Thieres gleichzeitig oder aus demselben Gef\u00e4sse nach verschiedenen Einwirkungen auf den Organismus bestimmt, so ergiebt sich daraus die Vertheilung des H\u00e4moglobins im Blutstrome.\nEs gen\u00fcgt daf\u00fcr nur den relativen Gehalt gleich grosser Blutproben zu ermitteln, f\u00fcr deren eine der H\u00e4moglobingehalt = 1 gesetzt werden kann. Ein solches Verfahren hat Lesser 1 eingeschlagen unter Anwendung der spectroeolorimetrischen (Kronecker) und einfach eolorimetrischen Methode (Hoppe-Seyler). Hat man zur Blutprobe vom Procentgehalt = 1 Wasser w gesetzt > w\u00e4hrend man zur Blutprobe vom Gehalte x Wasser ivi setzen muss, um dieselbe F\u00e4rbekraft zu erzielen, so erh\u00e4lt man, weil der Unterschied a zwischen den procentischen H\u00e4moglobinmengen in beiden Proben proportional ist dem Unterschied der Wassermengen ir und w\\\na = \u00b1\tund x = 1 + \u00ab.\nBei Lesser\u2019s Versuchen ergab sich : der H\u00e4moglobingehalt ist in gleichen Zeiten und unter gleichen Bedingungen in der Aorta und ihren Zweigen und in den Venen, welche sich ins rechte Herz entleeren (grosse Extremit\u00e4tenvenen, Stamm der V. port.) derselbe; Geschwindigkeits\u00e4nderungen des arteriellen Blutstromes \u00e4ndern den H\u00e4moglobingehalt nicht. Infolge von Aderl\u00e4ssen nimmt er erst ab,\n1 Lesser, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abth. 1S7S. S. 41.","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Nahrung, Yertlieilung im Blutstrom.\n71\nsobald der gesammte Blutverlust 2,9 % des K\u00f6rpergewichts im Mittel erreicht, die entleerte Blutmenge entspricht dann 3,5 der bei Verblutung \u00fcberhaupt zu erzielenden Blutmenge. Der dabei entstehenden Abnahme des H\u00e4moglobingehaltes 5,1 \u00b0/o im Mittel correspondirt auch ein pl\u00f6tzlicher Abfall des Blutdruckes. Durchschneidung und Reizung des Halsmarkes ergaben \u00e4hnliche Beziehungen zwischen H\u00e4moglobin -gehalt und Blutdruck wie Verblutungen. Pl\u00f6tzlicher Verschluss der Pfortader macht Blutdruck und H\u00e4moglobingehalt sinken. Verschluss der Aorta subrenalis wirkte nur ver\u00e4ndernd, wenn reflektorische Erregungen der Gef\u00e4ssnerven oder Zubinden der Pfortader damit concurrir-ten. Ist das Verk\u00e4ltniss zwischen H\u00e4moglobingehalt des Blutes und der Zahl der Blutk\u00f6rperchen ein constantes, wie im speciellen Falle, dann ist durch die fr\u00fcheren Untersuchungen auch die Vertheilung der Blutk\u00f6rperchen im Blutstrome ermittelt. Ob ein solches constantes Ver-h\u00e4ltniss im Allgemeinen angenommen werden kann, ist noch nicht ganz sicher. Welcker1 macht diese Annahme auf Grund seiner Versuche f\u00fcr Gesunde. Malassez2 stimmt ihm bei. Sechs gesunde M\u00e4nner ergaben im C.-Millim. Blut 4,000,000\u20144,600,000 Blutk\u00f6rperchen und 0,125\u20140,134 Milligr. H\u00e4moglobin. Worm-M\u00fcller3 stellt seine Versuche am Hund in einer Tabelle4 zusammen, aus der sich ergiebt, dass bei einer Reihe von Individuen das Verk\u00e4ltniss nahezu constant ist, dass aber bei anderen Abweichungen Vorkommen, welche wahrscheinlich nicht mehr auf Versuchsfehler zur\u00fcckzuf\u00fchren sind. In Krankheiten ist das Verk\u00e4ltniss wesentlich ge\u00e4ndert, namentlich bei Chlorose (Welcker5, Duncan6, Hayem7, Malassez8) sind die K\u00f6rperchen weniger reich an H\u00e4moglobin.\nBei den oben erw\u00e4hnten 6 gesunden M\u00e4nnern berechnet Malassez den Gehalt des einzelnen K\u00f6rperchens an H\u00e4moglobin zu 27,77 bis 31,90, im Mittel zu 29,99 pngrm. (Billionteigramm). Bei Chlorose, An\u00e4mie und Krebs sah er die Blutk\u00f6rperchen bis auf 1,520,000; das H\u00e4moglobin bis auf 0,024 Mgrm. im C.-Mill. Blut; das H\u00e4moglobin im einzelnen K\u00f6rperchen bis auf 10,55 ppgrm. sinken.\n1\tWelker, Prager Vierteljschr. IY. S. 11. 1854; Ztschr. f. rat. Med. XX. (3) S.217.\n2\tMalassez, Arch, de physiol. IV. s\u00e9r. 2. p. 1 et 634.1877 ; Compt.rend. LXXXV. p. 348. 1877.\n3\tWorm-M\u00fcller, Om Forkaldet imellem Blodlegemernes Antal og Blodets Farvekraft. Christiania 1876 (eit. nach Maly\u2019s Jahresber. f. Thierchemie VIF S. 102.\n1 S77.\n4\tMalassez, Arch, de phys. 1877. p. 34, wo die Tabelle nach einer an M. gelangten Uebersetzung von Heiberg und de Bon mitgetheilt ist.\n5\tW ELKER a. a. O.\n6\tDuncan, Sitzgsber. d. Wiener Acad., math.-naturwiss. CI. LY. S. 516. 1867.\n7\tHayem, Compt. rend. LXXXIII. p. 152, 230. 985. 1876.\t8 Malassez a. a. O.","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Die rothen Blutk\u00f6rperchen.\n2. Fernere chemische Bestandtheile der rothen Blutk\u00f6rperchen.\nBald nachdem Liebreich1 den von ihm als Protagon bezeich-neten K\u00f6rper, f\u00fcr den er die Formel Cw^Ih\\\\X\\0-nP aufstellte, aus dem Gehirn dargestellt hatte, wurde von L. Hermann'2 und Hoppe-Seyler3 auch das Vorkommen dieses K\u00f6rpers in den rothen Blutk\u00f6rperchen bekannt gemacht. Der letztere erhielt im Aetherauszug von mit Kochsalzl\u00f6sung ausgewaschenen Blutk\u00f6rperchen ausser dem phosphorhaltigen K\u00f6rper auch noch Cholestearin, dessen Vorkommen im Gesammtblute und Serum schon fr\u00fcher bekannt war.\nHoppe-Seyler erhielt das Protagon aber nicht bloss aus den Blutk\u00f6rperchen, sondern eben so wie aus den Blutk\u00f6rperchen auch aus dem Serum Cholestearin und Protagon neben einander, w\u00e4hrend L. Hermann im Rinderblutserum das Protagon nicht auffinden konnte.\nSp\u00e4ter musste aber die Frage des Vorkommens von Protagon in den Blutk\u00f6rperchen als eine offene betrachtet werden, da Hoppe-Seyler4 5 6 und einige seiner Sch\u00fcler auf Grund von Untersuchungen, welche sie \u00fcber andere im thierischen Organismus vorkommende phosphorhaltige organische Substanzen anstellten, die chemische Individualit\u00e4t des LiEBREiCH\u2019schen Protagon in Abrede zu stellen suchten. Dasselbe sollte vielmehr ein Gemenge aus einem phosphorhaltigen und phosphorfreien K\u00f6rper sein, deren ersterer von Hoppe-Seyler und Diaconow 5 als das von Gobley im Eidotter aufgefundene Lecithin {C\\\\H\u00a7oNPO\u00a7) (Stearinlecithin) bezeichnet wurde. Zu dieser Ansicht \u00fcber Liebreich\u2019s Protagon bekannte sich dann auch Strecker (i. F\u00fcr die Blutk\u00f6rperchen beruft sich Hoppe-Seyler 7 8 speciell auf eine Bestimmung des phosphorhaltigen K\u00f6rpers im \u00e4therischen Blutk\u00f6rperchenauszug. Derselbe ergab 8,25% Phosphors\u00e4ure entsprechend 3,6% P und k\u00f6nne demnach kein Protagon sein, und so hat denn J\u00fcdell^ bei seinen sp\u00e4teren Analysen der Blutk\u00f6rperchen den in denselben vorhandenen Phosphorgehalt nach der von Diaconow aufgestellten Formel f\u00fcr das Lecithin als solches berechnet, ohne dass weitere Beweise f\u00fcr die Gegenwart des Lecithins in den Blutk\u00f6rperchen geliefert worden w\u00e4ren.\nDa nun in neuester Zeit Gamgee und Blankenhorn9 das LiEBREicffsche Protagon gegen die Einw\u00fcrfe von Diaconow und Strecker mit guten Gr\u00fcnden vertheidigt haben und \u00fcberdies nachwiesen, dass der phosphorfreie K\u00f6rper (Cerebrin), welcher mit dem Lecithin gemengt die Reac-\n1\tLiebreich. Ann. d. Chemie u. Pharm. CXXXIY. S. 29. 1865.\n2\tL. Hermann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1866. S. 33.\n3\tHoppe-Seyler, Med.-chem. Unters. S. 140. Berlin 1866\u201471.\n4\tDerselbe, Ebenda S. 215. \u2014 Parke a. a. O. S. 213. \u2014 Diaconow a. a. 0. S. 221.\n5\tDiaconow, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1868. S. 2 u. 97.\n6\tStrecker, Ann. d. Chemie u. Pharm. N. F. LXXII. S. 77.\n7\tHoppe-Seyler a. a. 0. S.215.\n8\tJ\u00fcdell, Med.-chem. Unters, v. Hoppe-Seyler S. 386.\n9\tGamgee u. Blankenhorn, Ztschr. f. physiol. Chemie III. S. 260. Strassburg\n1879.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Protagon, Lecithin. Stromafibrin, Zuckerferment.\n73\ntionen des Protagon geben sollte, erst auf Einwirkung von Barytwasser entstellt und k\u00fcnstliche Gemenge von Cerebrin und Lecithin bei weitem nicht die Eigenschaften des Protagon darbieten, so ist die Frage nach der Natur der in den Blutk\u00f6rperchen enthaltenen phosphorhaltigen Substanz wieder eine offene.\nEin die Reactionen der Eiweissk\u00f6rper ergebender durchscheinender gequollener, aus den verklebten Resten der Blutk\u00f6rperchen zusammengesetzter R\u00fcckstand scheidet sich aus dem gew\u00e4sserten Blute nach der Entf\u00e4rbung der Blutk\u00f6rperchen ab, man hat dieser noch sehr wenig bekannten Substanz die Eigenschaften einer Globulinsubstanz, ja sogar des Fibrins zuschreiben wollen. Auf das Stromafibrin wollen wir aber erst bei der Blutgerinnung wieder zur\u00fcckkommen.\nNoch sei hier erw\u00e4hnt, dass das weit verbreitet im Organismus vorkommende Zuckerferment (Wittich1, Lepine2) auch im Blute sich findet (Wittich3, Lepine4, Tiegel5, Plosz6), wo es bei der Aufl\u00f6sung der Blutk\u00f6rperchen durch Wasser besonders reichlich auftritt.\nIn den Blutk\u00f6rperchen kommen auch Salze vor, welche wir bei den Blutsalzen sp\u00e4ter untersuchen wollen.\nDRITTES CAPITEL.\nPie farblosen Blutk\u00f6rperchen.\nDie weissen oder farblosen Blutk\u00f6rperchen (Leucocyten) sind Zellen, welche aus bewegungsf\u00e4higem Protoplasma bestehen, in welchem ein oder mehrere Zellkerne enthalten sind. Sie stehen also den noch gleichartigen Zellen eines in der Entwicklung begriffenen Organismus und anderen die Eigenschaften des Protoplasmas conservirenden Zellen, auch den einzelligen niedrig stehenden Organismen in morphologischer Beziehung nahe. Die weissen Blutk\u00f6rperchen sind die-\n1\tWittich, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 338. 1870. YI. S. 28. 1873.\n2\tL\u00e9pine, Ber. d. s\u00e4chs. Gss. d. Wiss., math.-naturAviss. Cl. 1870. S. 322.\n3\tWittich a. a. O.\n4\tL\u00e9pine a. a. O.\n5\tTiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. YI. S. 219. 1873.\n6\tPl\u00f6sz u. Tiegel, Ebenda YII. S. 391. 1873.","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74 Rollett, Physiologie des Blutes. 3. Cap. Die farblosen Blutk\u00f6rperchen.\nselben Zellen, welche man an anderen Orten ihres Vorkommens als Lymph-Eiterzellen oder Wanderzellen in den Geweben benennt. Man hat alle diese Zellen wohl auch als junge oder indifferente Zellen, und wegen der Form ihrer activen Bewegung als am\u00f6boide Zellen bezeichnet. Diese Bewegungen sind im I. Band (S. 341) dieses Handbuches behandelt worden. Max Schultze1 fand im menschlichen Blut mehrere Formen von farblosen Blutk\u00f6rperchen. Runde, die Gr\u00f6sse der rothen Blutk\u00f6rperchen nicht erreichende Zellen, mit einer d\u00fcnnen Schichte von Zellsubstanz, um einen oder zwei runde oder gegen einander abgeplattete Kerne. An diese reihen sich Formen an, welche die Gr\u00f6sse der gew\u00f6hnlichen farbigen besitzen, mit Kernen wie die erste Form; endlich kommen die fein- und grobk\u00f6rnigen am\u00f6boiden Zellen und Ueberg\u00e4nge zwischen den letzteren Zellformen.\nIm Blute der S\u00e4uger werden ganz \u00e4hnliche Formen wie beim Menschen beobachtet. Bei Kaltbl\u00fctern (Frosch) kommen ebenfalls zwei Formen von weissen Blutk\u00f6rperchen vor (Rindfleisch2, Kneut-tinger3, Golubew4) : die gew\u00f6hnlichen am\u00f6boiden Zellen und die mit stark lichtbrechenden K\u00f6rnchen erf\u00fcllten K\u00f6rnchenzellen, von welchen die ersteren sich lebhafter bewegen als die letzteren.\nL\u00e4sst man auf ein frisches Blutpr\u00e4parat unter dem Microscope einen von der Seite her eindringenden Strom indifferenter Fl\u00fcssigkeit einwirken (Drainage), so bemerkt man, dass die rothen Blutk\u00f6rperchen leicht weggesp\u00fclt werden, w\u00e4hrend die weissen sich mit Z\u00e4higkeit an Object- und Deckglas anheften. Der F\u00e4higkeit, sich an das Glas anzuheften, verdanken sie auch ihre F\u00e4higkeit, auf dem Objecttr\u00e4ger zu wandern, was dadurch geschieht, dass einem ausgestreckten und angehefteten Fortsatz der \u00fcbrige Theil der Zelle nachgeschleppt wird, dann wieder ein neuer Fortsatz ausgetrieben wird u. s. f. Um sich den m\u00f6glichen Erfolg der Dehnbarkeit und Wanderf\u00e4higkeit der weissen Blutk\u00f6rperchen zu veranschaulichen, erinnere man sich an das von Ranvier5 mitgetheilte Experiment \u00fcber die Einwanderung der weissen Blutk\u00f6rperchen in ein in den dorsalen Lymphsack des Frosches eingef\u00fchrtes St\u00fcckchen Hollundermark, in welchem man nach 24 Stunden die Zellen in allen Stadien des Durchwanderns der Zellh\u00e4ute des Pflanzenparenchyms antrifft, in dessen Innerem sie aber ihre Beweglichkeit verlieren und einer Fettmetamorphose anheim fallen.\n1\tM. Schultze, Arch. f. mikroskop. Anat. I. S. 1. 1865.\n2\tRindfleisch, Experimentalstudien zur Histologie des Blutes S. 21. Leipzig\n1863.\n3\tKneuttinger, Zur Histologie des Blutes S. 10. W\u00fcrzburg 1S65.\n4\tGolubew, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LVII. 2. Abtk. S. 555. 1S68.\n5\tRanvier, Trait, teclin. d\u2019histol. p. 166. Paris 1875.","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Erscheinungsweise. Wanderf\u00e4higkeit. Reactionen.\n75\nLohtet1 2 3 sali Leucocyten in eine ganze Reihe von organischen H\u00e4uten einwandern, welche er mit eiternden Wunden in Ber\u00fchrung brachte und auch von dem vorsichtig er\u00f6ffneten Luftraum des H\u00fchnereies sah er sie durch die Schalenhaut des Eies in das Eiweiss einwandern. Wir werden beim capillaren Blutlauf noch auf diese F\u00e4higkeit der weissen Blutk\u00f6rperchen zur\u00fcckkommen m\u00fcssen.\nDurch vorsichtigen Wasserzusatz werden die weissen Blutk\u00f6rperchen rund und zeigen dann in ihrem Innern Molecularbewegung der gl\u00e4nzenden K\u00f6rnchen, von welchen sie durchsetzt sind (Richardson2, Stricker3). Wird das Wasser durch 3/2\u20141 \u00b0/o Kochsalzl\u00f6sung verdr\u00e4ngt, so kehrt die alte Form und Beweglichkeit der K\u00f6rperchen wieder. In 5\u201410 % Kochsalzl\u00f6sung treiben sie am Rande hyaline Tr\u00f6pfchen aus, welche wieder verschwinden. An Blutk\u00f6rperchen von todten Fr\u00f6schen, die l\u00e4ngere Zeit bei 17\u00b0 C. gelegen hatten, sah Rovida4 -eine hyaline Randzone von dem in der Mitte zusammengeballten k\u00f6rnigen Theil der Zelle sich abheben und an beiden Thei-len zeitlich getrennte Bewegungen auftreten.\nDie Concentration des Blutplasmas ist schon von wesentlichem Einfluss auf die Form der weissen Blutk\u00f6rperchen. In concentrirte-rem Plasma sind die weissen Blutk\u00f6rperchen weniger beweglich, als in weniger concentrirtem (Thoma5). Mit Ranvier\u2019s 3/3 Alkohol werden die Kerne der weissen Blutk\u00f6rperchen deutlich contourirt, sie erscheinen dann als eingeschn\u00fcrte h\u00f6ckerige oft lang gestreckte Massen, welche w\u00e4hrend der Bewegungen des K\u00f6rperchens durch die letzteren mannigfach verzerrt werden6. Die weissen Blutk\u00f6rperchen besitzen die F\u00e4higkeit, sich zu theilen. Die Vorg\u00e4nge dabei wurden von Klein7 und Ranvier8 verfolgt und beschrieben.\nAls einen constanten Bestandteil frisch aufpr\u00e4parirten Menschenblutes beschrieb M. Schultze9 unregelm\u00e4ssige Kl\u00fcmpchen farbloser K\u00fcgelchen, welche sich wie zerfallene Zellsubstanz ausnahmen. Diese K\u00f6rnchenhaufen sind sp\u00e4ter von Ries10, Nedsvetzki11, Ranvier12,\n1\tLortet. Compt. rend. LXXY. p. 1714. 1872.\n2\tRichardson. Monthly micro scop. Journ. 1869. p. 147.\n3\tStricker. Handb. d. Gewebelehre S. 17. Leipzig 1871.\n4\tRovida. Sitzgsber. d. Wiener Acad. LYL 2. Abth. S. 60S. 1867.\n5\tThoma. Arch. f. pathol. Anat. LXII. p. 1. 1874.\n6\tRanvier, Arch, de physiol. II. s\u00e9r. 2. p. 1. 1875 ; Trait, techn. d\u2019histol. p. 159. Paris 1875.\n7\tKlein, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1870. S. 17.\n8\tRanvier a. a. 0.\n9\tM. Schultze a. a. 0.\n10\tRies. Arch. f. Anat. n. Physiol. 1872. S. 237.\n11\tNedsveztzki, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1873. S. 147.\n12\tRanvier. Trait\u00e9 techn. d\u2019histol. p. 213 et 216. Paris 1875.","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76 Rollett, Physiologie des Blutes. 3. Cap. Die farblosen Blutk\u00f6rperchen.\nLaptschinsky1 und \u00c0. Schmidt2 noch eingehender gew\u00fcrdigt und als Zerfallsproducte der weissen Blutk\u00f6rperchen dargethan worden. Beobachtet man die Gerinnung des Blutes unter dem Microscope, so sieht man die Fibrinf\u00e4den an diesen K\u00f6rnchenhaufen anschiessen und diese selbst dabei kleiner werden und in dem Gerinnsel verschwinden (Ranvier3, A. Schmidt4 5 6). Wir werden bei der Fibrinbildung wieder auf den Zerfall der weissen Blutk\u00f6rperchen zur\u00fcckkommen m\u00fcssen, der nach A. Schmidt sich im Blut, welches aus den Gef\u00e4ssen entfernt wurde, in reichlichem Maasse einstellt und einen wesentlichen Factor der Blutgerinnung abgiebt. Hayem\" f\u00fchrt auch f\u00fcr seine H\u00e4matoplasten an, dass sie w\u00e4hrend der raschen Ver\u00e4nderungen, welche sie nach dem Ablassen des Blutes eingehen, die Neigung besitzen, sich zu K\u00f6rnerhaufen zu verkleben, das soll namentlich bei An\u00e4mie der Fall sein. Auch beschreibt Hayem eine ganz \u00e4hnliche Beziehung der H\u00e4-matoblasten zur Fibrinbildung, wie sie fr\u00fcher f\u00fcr die zerfallenden weissen Blutk\u00f6rperchen angegeben wurde. Ueber die noch in vieler Beziehung der Aufkl\u00e4rung bed\u00fcrftigen K\u00f6rnchenbildungen im Blute handeln auch Osler & Schaffer0, Osler7, Leube8 und Ries9.\nBei der Untersuchung des circulirenden Blutes (s. unten), kann man sich \u00fcberzeugen, dass die weissen Blutk\u00f6rperchen im Blute im Vergleich mit den rothen nur in geringer Anzahl vorhanden sind.\nMan hat so wie mit den rothen Blutk\u00f6rperchen auch mit den weissen Blutk\u00f6rperchen Z\u00e4hlungen in frisch aufpr\u00e4parirten Blutstropfen vorgenommen, die ermittelten Werthe sind aber wahrscheinlich meist viel zu klein, weil bei den vorliegenden Z\u00e4hlungen auf jenen Zerfall der weissen Blutk\u00f6rperchen im abgelassenen Blute keine R\u00fccksicht genommen wurde und nur zuf\u00e4llig (durch die angewendete Verd\u00fcnnungsfl\u00fcssigkeit) der Zerfall der weissen Blutk\u00f6rperchen im Pr\u00e4parate beschr\u00e4nkt worden sein kann. Immerhin haben die Z\u00e4hlungen der weissen Blutk\u00f6rperchen einige That-sachen zu Tage gef\u00f6rdert, deren Deutung zwar keine ganz sichere ist, die aber mehr f\u00fcr eine mit gewissen physiologischen Zust\u00e4nden ver\u00e4nderliche Anzahl jener Gebilde als f\u00fcr eine mit jenen Zust\u00e4nden verschiedene Geschwindigkeit ihres Zerfalles zu sprechen scheinen. Die Beziehungen der weissen Blutk\u00f6rperchen zur Blutgerinnung und die nachweislich unter verschiedenen Bedingungen schwankende Gerinnungszeit des Blutes weisen aber darauf hin, dass auch der letztere Factor nicht ohne Einfluss auf\n1\tLaptschinsky, Centralbl. f. d. med Wiss. 1874. S. 657.\n2\tA. Schmidt, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 353. 1874, XI. S. 515. 1875.\n3\tRan vier a. a. 0.\n4\tA. Schmidt a. a. 0.\n5\tHayem. Arch, de physiol. Y. s\u00e9r. 2. p. 692. 1878.\n6\tOsler u. Sch\u00e4fer. Centralbl. f. d. med. Miss. 1873. S. 576.\n7\tOsler, Proceed, of the Roy. Soc. XXII. p. 391. 1874.\n8\tLeube. Berliner klin. Wochenschr. 1879. S. 653.\n9\tRies, Ebenda S. 696.","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Zerfall, Z\u00e4hlung.\n77\ndie Zahl der im abgelassenen Blute vorhandenen weissen Blutk\u00f6rperchen sein d\u00fcrfte.\nDie Methoden, deren man sich zur Z\u00e4hlung der weissen Blutk\u00f6rperchen bedient, sind dieselben, welche zur Z\u00e4hlung der rothen dienen.\nMan kann sich aber in Bezug auf die Anzahl der weissen Blutk\u00f6rperchen nur die Aufgabe stellen, das Verh\u00e4ltniss der Zahl der weissen zu jener der rothen zu ermitteln (Moleschott1, Marfels'2, Hirt3), dann gen\u00fcgt es in dem quadratisch getheilten Sehfeld irgend eines der fr\u00fcher angef\u00fchrten Z\u00e4hlapparate an beliebig verd\u00fcnntem Blut in einer grossem Anzahl von Quadraten die rothen und die weissen Blutk\u00f6rperchen zu z\u00e4hlen.\nWill man dagegen die Zahl der weissen Blutk\u00f6rperchen in der Volumeinheit Blut kennen lernen, so verf\u00e4hrt man wie bei der Z\u00e4hlung der rothen, nur verd\u00fcnnt man weniger z. B. auf 50 (Malassez) und z\u00e4hlt eine g\u00f6ssere Anzahl von einzelnen Quadraten durch, z. B. die zehnfache L\u00e4nge der MALAssEz\u2019schen Z\u00e4hlcapillare im Vergleich mit der bei der Z\u00e4hlung der rothen Blutk\u00f6rperchen verwendeten L\u00e4nge. Die Berechnung erfolgt wie bei den rothen Blutk\u00f6rperchen (s. oben S. 24\u201426). Die Resultate der vorliegenden Z\u00e4hlungen der weissen Blutk\u00f6rperchen weichen sehr wesentlich von einander ab.\nDie Zahl der weissen soll sich zu der der rothen verhalten wie 1:335 (Welker 4), 1:357 (Moleschott 5), 1 : 330 (Gowers6 7); im Alter von 20 bis 30 J. 1 : 700, im Alter von 30\u201458 J. I : 616, bei vier Ammen 26 bis 33 J. 1:745 (Bouchut und D\u00fcbrisay T). Im Alter von 24/2\u20145 J. 1: 648 (Bouchut und D\u00fcbrisay); Knaben 1 : 226, M\u00e4dchen 1 : 389, men-struirte M\u00e4dchen 1:247 , dieselben M\u00e4dchen, nicht menstruirt 1:405 (Molrschott8). Bei Neugebornen enth\u00e4lt 1 C.-Min. 18000, 3\u20144 mal mehr als beim Erwachsenen, vom dritten Tage, wenn die nach der Geburt eintretende Gewichtsabnahme das Maximum erreicht, sinkt die Zahl rasch auf 6000 \u2014 4000, tritt darauf Gewichtszunahme ein, so steigt die Zahl wieder rasch auf 7 000\u20149000 (Hayem 9).\nFr\u00fch Morgens im n\u00fcchternen Zustande war das Verh\u00e4ltniss 1:716, eine halbe Stunde nach dem Fr\u00fchst\u00fcck 1:347, 2 \u2014 3 Stunden sp\u00e4ter 1 : 1514, 10 Minuten nach dem Mittagessen 1 : 592, eine halbe Stunde nach dem Mittagessen 1: 429 ; 2\u20143 Stunden nach dem Mittagessen 1:1482; eine halbe Stunde nach dem Abendessen 1 : 544; 2 \u2014 3 Stunden nach dem Abendessen 1 : 1227 (Hirt 10 11).\nGrancher 11, welcher das Blut mit Natriumsulfat verd\u00fcnnte, fand f\u00fcr 20\u2014 30 j\u00e4hr. Individuen zu den verschiedensten Zeiten des Tages\n1\tMoleschott, AViener med. Wocheosehr. 1854. Nr. 8.\n2\tMarfels, Unters, z. Naturl. d. Menschen u. d. Thiere I. S. 63. 1857.\n3\tHirt, De copia rel. corp. sanquinis alb. Lipsiae 1855.\n4\tWelker. Prager Vierteljschr. f. pract. Heilk. 11. Jalirg. IV. S. 1 1. 1854.\n5\tMoleschott a. a. O.\n6\tGowers, The practition. XX. No. 7. p. 1. July 1878.\n7\tBocchut u. D\u00fcbrisay, Gaz. m\u00e9d. 1878. p. 168 et 178.\n8\tMoleschott a. a. O.\n9\tHayem, Compt. rend. LXXXIV. p. 1166. 1877.\n10\tHirt a. a. O.\n11\tGraxcher, Gaz. m\u00e9d. 1876. p. 321.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78 Rollett, Physiologie des Blutes. 3. Cap. Die farblosen Blutk\u00f6rperchen.\nin 1 C.-Mill. Blut 3000\u20149000 weisse Blutk\u00f6rperchen. Das gew\u00f6hnliche Verh\u00e4ltniss war 1 : 1200\u20141 : 1500 rothen. Es kann aber das Verh\u00e4ltniss bis 1 : 900 steigen.\nMalassez1 fand bei gesunden Personen 4000\u20147000 weisse Blutk\u00f6rperchen in 1 C.-Mill. Blut. Das Verh\u00e4ltniss zu den rothen schwankt zwischen 1 : 1250 \u2014 1 : 650 und soll darauf namentlich das Trinken von Einfluss sein.\nDie mitgetkeilten Beobachtungen gen\u00fcgen, zu zeigen, wie schwierig es ist, irgend welche Schl\u00fcsse aus den Beobachtungen zu ziehen. Andererseits ist es sicher, dass die enormen Schwankungen der Ver-h\u00e4ltnisszahlen nicht auf die der Z\u00e4hlmethode (vergl. oben S. 26) anhaftenden Fehler zur\u00fcckgef\u00fchrt werden k\u00f6nnen. Auf die Wahl der Verd\u00fcnnungsfl\u00fcssigkeit auf eine genaue Controlle der Zeit nach der Blutentnahme und der im Pr\u00e4parat zu constatirenden Ver\u00e4nderungen der weissen Blutk\u00f6rperchen wird es sehr wesentlich ankommen, wenn vergleichbare Resultate gewonnen werden sollen. Die bisherigen Erfahrungen gen\u00fcgen nicht, um ein Urtheil \u00fcber die Brauchbarkeit oder Verwerflichkeit der Z\u00e4hlung der weissen Blutk\u00f6rperchen abzugeben, wenn auch die bisher gewonnenen Resultate wegen ihrer grossen Abweichungen nur einen sehr beschr\u00e4nkten Werth haben.\nIn Bezug auf die chemische Zusammensetzung der weissen Blutk\u00f6rperchen ist zu bemerken, dass die weissen Blutk\u00f6rperchen aus dem normalen Blute noch nicht analysirt wurden, obwohl die M\u00f6glichkeit, sie in gen\u00fcgender Menge aus dem Blute zu isoliren, nach Untersuchungen von A. Schmidt2 zu urtheilen, nicht ausgeschlossen ist. Man pflegt in Ermangelung directer Untersuchungen auf das chemische Verhalten der weissen Blutk\u00f6rperchen im normalen Blute Schl\u00fcsse zu ziehen, aus dem Verhalten, welches man am Protoplasma junger Zellen, am leuk\u00e4mischen Blute und am Eiter beobachtet hat, und dazu kommen einzelne an den weissen Blutk\u00f6rperchen selbst gemachte Beobachtungen.\nIn den weissen Blutk\u00f6rperchen kommen Eiweissk\u00f6rper vor und darunter das von K\u00fchne3 f\u00fcr contractile Substanzen als haupts\u00e4chlichster Eiweissk\u00f6rper nachgewiesene Myosin.\nBei dem raschen Zerfall, welchen die weissen Blutk\u00f6rperchen bei der Gerinnung des Blutes eingehen, liefern dieselben betr\u00e4chtliche Mengen des Eiweissk\u00f6rpers, welchen wir sp\u00e4ter als Serumglobulin\n1\tMalassez, Gaz. m\u00e9d. 1876. p. 297.\n2\tS. unten.\n3\tK\u00fchne, Untersuchungen \u00fcber das Protoplasma und die Contractilit\u00e4t. Leipzig 1864.","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Chem. Zusammens., Eiweiss, Fett, Cholestearin, Protagen, Lecithin, Nuclein etc. 79\nkennen lernen werden (A. Schmidt1), und w\u00e4hrend desselben Processes entsteht aus denselben das Fibrinferment, ein wichtiger Factor der Blutgerinnung (A. Schmidt2).\nDie weissen Blutk\u00f6rperchen enthalten oft mehr, oft weniger stark lichtbrechende, gl\u00e4nzende kugelige K\u00f6rperchen in ihrem Inneren, welche meist in Alkohol und Aether v\u00f6llig unl\u00f6slich sind, wogegen manchmal auch einzelne in Aether und Alkohol l\u00f6sliche Tr\u00f6pfchen zu beobachten sind. Die chemische Natur der ersteren ist unbekannt, die letzteren betrachtet man als Fetttr\u00f6pfchen, die von Aussen her ins Protoplasma gelangt sind oder aber auch in demselben sich gebildet haben k\u00f6nnen. Die Bildung von Fett im Protoplasma ist an verschiedenen Objecten beobachtet und f\u00fcr die weissen Blutk\u00f6rperchen haben wir fr\u00fcher einen Fall von rasch verlaufender Fettmetamorphose beim Absterben kennen gelernt (s. o. S. 74).\nNach den Untersuchungen von Hoppe-Seyler3 am leuk\u00e4mischen Blut und des Letzteren4 und Miescher\u2019s5 am Eiter muss man schliessen, dass die weissen Blutk\u00f6rperchen, wie junge Zellen \u00fcberhaupt, Cholestearin und Protagon oder Lecithin oder beides enthalten. Es wird zwar nur in der ersteren der angef\u00fchrten Abhandlungen vom Protagon in der sp\u00e4teren nur von Lecithin gesprochen, dar\u00fcber ist aber das oben (S. 72) Gesagte zu vergleichen.\nEine andere phosphorhaltige, den Eiweissk\u00f6rpern verwandte Substanz kommt im Kern der weissen Blutk\u00f6rperchen vor; das zuerst von Miescher6 in den Kernen der Eiterk\u00f6rperchen entdeckte Nuclein, welches sp\u00e4ter in zahlreichen anderen Kerngebilden und Zellen von Plosz7 unter anderen auch in den Kernen der rothen Blutk\u00f6rperchen nachgewiesen wurde. Miescher schreibt dem Nuclein die Formel C-29 Hi g Ab Pi O22 zu. Der K\u00f6rper ist aber noch nicht gen\u00fcgend untersucht und sind sowohl gegen die Identit\u00e4t der aus verschiedenen Objecten gewonnenen Nucleine, als auch gegen die chemische Individualit\u00e4t8 des MiESCHER\u2019schen K\u00f6rpers Einw\u00fcrfe erhoben worden.\nGlycogen musste man in den weissen Blutk\u00f6rperchen vermuthen, da es von Bernard9 in embryonalen Geweben und jungen Zellen\n1\tA. Schmidt, Arch. f. d. ges. Physiol. XL S. 291 u. 515. 1875.\n2\tA. Schmidt a. a. 0.\n3\tHoppe-Seyler, Med.-chem. Enters. S. 140. Berlin 1866\u201471.\n4\tDerselbe a. a. 0. S. 486.\t5 Miescher, Ebenda S. 44 i.\n6\tDerselbe a. a. 0. S. 441 u. 502 und Verhandl. der natur. Ges. in Basel YI.\nS. 138. 1874. \u2014 Vergl. auch Piccard, Ber. d. deutsch, chem. Ges. VII. S. 1714.\n7\tPlosz, Med.-chem. Unters. Herausgegeben v. Hoppe-Seyler. S. 463.\n8\tAYorm-M\u00fcller, Arch. f. d. ges. Physiol. VIII. S. 190. 1874. \u2014 Lubavin, Ber. d. deutsch, chem. Ges. X. S. 2237.\n9\tBernard, Le\u00e7ons de physiol, exp\u00e9r. I. p. 241, IL p. 444. Paris 1855\u201456.","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80 Rollett, Physiologie des Blutes. 4. Cap. Entw. u. Neubild. d. Blutk\u00f6rperchen.\nnachgewiesen wurde, und 0. Nasse1 es in den Muskeln auffand. Br\u00fccke\u2019s2 Versuche am Kaninchen- und Schweineblut blieben aber zweifelhaft. Sp\u00e4ter fand es Hoppe-Seyler3 in Lymphk\u00f6rperchen und Salomon4 erhielt bei den weissen Blutk\u00f6rperchen des Pferdes Glycogenreationen, w\u00e4hrend ihm im Blute von menschlichen Leichen der Nachweis vollst\u00e4ndig gl\u00fcckte.\nVIERTES CAPITEL.\nEntwicklung und Neubildung der Blutk\u00f6rperchen.\nEs ist eine lange bekannte Thatsache, dass nach gr\u00f6sseren Blutverlusten sich das Blut wiederersetzt. Aber nicht blos in diesem abnormen Falle, sondern auch w\u00e4hrend des normalen Ablaufes der Verrichtungen des lebenden Organismus m\u00fcssen fortw\u00e4hrend regenerative Vorg\u00e4nge im Blute stattfinden, da sowohl das Plasma des Blutes, als auch die K\u00f6rperchen einem fortw\u00e4hrenden Verbrauch unterliegen. Fortw\u00e4hrend finden sich Abk\u00f6mmlinge des rothen Farbestoffes der K\u00f6rperchen in Harn und Galle vor, bei der Menstruation werden Blutk\u00f6rperchen direct in gr\u00f6sserer Menge ausgestossen. F\u00fcr die Pigmentbildung in der Milz, in den blutk\u00f6rperchenhaltigen Zellen der Milz und des Knochengewebes muss ein Zerfall der rothen Blutk\u00f6rperchen angenommen werden, \u00fcber dessen zeitlichen Verlauf allerdings nichts N\u00e4heres bekannt ist. Ausserdem sprechen eine Reihe von physiologischen (regelm\u00e4ssige H\u00e4matogenese an bestimmten Orten, vergl. das gleich folgende) und pathologischen Erfahrungen (Entstehen und Schwinden der Chlorose) f\u00fcr die Verg\u00e4nglichkeit der morphologischen Bestandtheile des Blutes. Die Frage nach der Neubildung der Blutk\u00f6rperchen wurde darum oft und von vielen Forschern in Angriff genommen, fast schien es aber, als ob jede neue Entdeckung auf diesem Gebiete die Deutung und das Verst\u00e4ndniss fr\u00fcher ermittelter Thatsachen\n1\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. IL S. 97. 1S69.\n2\tBr\u00fccke, Sitzungsber. d. Wiener Acad. 2.Abth. LXIII. S. 214. 1371.\n3\tHoppe-Seyler, Med.-chem. Unters. S. 494. Berlin 1866\u201471.\n4\tSalomon, Deutsch, med. Wochenschr. 1S77. Nr. 8 u. 35.","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Embryonale Entwicklung der Blutk\u00f6rperchen.\n81\nerschweren sollte, bis erst die neueste Zeit uns auf jenen Standpunct gef\u00fchrt hat, von dem aus wenigstens eine klare Forrnulirung jener Fragen erm\u00f6glicht ist, die noch gel\u00f6st werden m\u00fcssten, um unsere Erfahrungen \u00fcber die Neubildung von Blutk\u00f6rperchen in Einklang und den morphologischen Theil der H\u00e4matogenese zu einem vorl\u00e4ufigen Abschluss zu bringen. In den nachfolgenden Zeilen kann nur dieser Stand unserer Kenntnisse dargelegt werden. An ihn kn\u00fcpft sich aber die Hoffnung, dass wir in nicht allzu ferner Zeit \u00fcber manche Schwierigkeit, die heute noch der Verkn\u00fcpfung bekannt gewordener Thatsachen sich entgegenstellt, hinaus gef\u00fchrt sein werden. Wir m\u00fcssen mit einem Hinweis auf die embryonale Entwicklung des Blutes beginnen. Wie abweichend in Bezug auf die Genese der rothen Blutk\u00f6rperchen die Darstellung der einzelnen Embryologen auch sein mag, darin stimmen jetzt fast alle \u00fcberein, dass die ersten farbigen Blutk\u00f6rperchen im Gef\u00e4ss- und Fruchthofe gleichzeitig mit der ersten Anlage der Gef\u00e4ssbahnen entstehen (Wolff1, Pander'2, Schwann3, Remak4, K\u00f6lliker5, Afanasieff6, His7, Klein8, Foster & Balfour9 u. A. und zwar liegen die ersten Anlagen der Gef\u00e4sse und Blutk\u00f6rperchen getrennt von einander an verschiedenen Orten zerstreut im mittleren Keimblatt und treten erst sp\u00e4ter unter einander und mit dem Herzen in Verbindung. Wir haben es also mit einer localisirten, mehr-ortigen inselartigen H\u00e4matogenese im zweiten Keimblatt zu thun. Nur dieses Factum wollten wir constatiren und betonen nochmals, dass dabei die sehr abweichende Darstellung von dem Entstehen dieser ersten Blutgef\u00e4ssanlagen und der Bildung der Blutk\u00f6rperchen in denselben unber\u00fccksichtigt bleiben mag.\nWir schliessen an diesen Hinweis die merkw\u00fcrdigen Beobachtungen, welche Ranvier10 und Sch\u00e4fer11 \u00fcber die Blutbildung der eine im grossen Netz des Kaninchens, der andere im Unter-\n1\tWolff, Theorie genert. Halle 1759.\n2\tPander, Entwicklungsgeschichte des H\u00fchnchen im Ei. W\u00fcrzburg 1817.\n3\tSchwann, Microscop. Unters, \u00fcber die Uebereinstimmung in der Struct, und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin 1839.\n4\tRemak, Unters, \u00fcber die Entwicklung der Wirbelthiere. Berlin 1855.\n5\tK\u00f6lliker, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Thiere. 2. Aufl. Leipzig 1876\u201479.\n6\tAfanasieff, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LUI. 2. Abth. S. 560. 1866.\n7\tHis, Unters, \u00fcber die erste Anlage des Wirbelthierleibes. Leipzig 1868.\n8\tKlein, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXIII. 2. Abth. S. 339. 1871.\n9\tFoster u. Balfour, Grundz\u00fcge der Entwicklungsgeschichte der Thiere. Deutsch von Kleinenberg. Leipzig 1876.\n10\tRanvier, Arch, de physiol. I. 2. s\u00e9r. p. 429. 1874; Trait\u00e9 techn. d\u2019histol. IV. p. 615.\n11\tSch\u00e4fer, Monthly microscop. journ. XI. p. 261. 1874.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\n6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82 Rollett, Physiologie des Blutes. 4. Cap. Entw. u. Neubild. d. Blutk\u00f6rperchen.\nhautzellgewebe der Ratte machte, und zwar nicht bloss w\u00e4hrend des intrauterinen Lebens, sondern auch noch lange nach der Geburt, wonach die rothen Blutk\u00f6rperchen in Zellen entstehen, die isolirt von einander und von den Blutgef\u00e4ssen im Bindegewebe auf-treten. Ranvier schildert die Zellen, welche er vasoformative Zellen nennt, an seinem Objecte als stark lichtbrechende cylindrische gerade oder gekr\u00fcmmt verlaufende Zellen, die mit protoplasmatischen Forts\u00e4tzen versehen sind, welche eine verschiedene Form, L\u00e4nge und Richtung besitzen. In dem K\u00f6rper dieser Zellen finden sich rothe Blutk\u00f6rperchen hintereinander aufgereiht vor. Erst wenn diese sich in den vasoformativen Zellen gebildet haben, treten dieselben mit den Blutgef\u00e4ssen in Verbindung und werden die Blutk\u00f6rperchen aus ihnen weggeschwemmt. Leboucq1, welcher die Entwicklung der Blutgef\u00e4sse an diversen Orten und an verschiedenen Thieren untersuchte, best\u00e4tigt die Hauptsache der uns hier interessirenden Funde von Ranvier und Sch\u00e4fer: die H\u00e4matogenese in Zellen, welche isolirt von einander im Bindegewebe auftreten und die er mit Ranvier als vasoformative bezeichnet. Wissotzky2 fand dieselbe Genese von Gef\u00e4ssen und Blut im Amnion des Kaninchen. Hayem3 im Netze neugeborener K\u00e4tzchen. Es ist aber von Neumann4 auch in der embryonalen Leber, welcher schon vorher von E. H. Weber5 6, K\u00f6lliker'5 und Neumann7 8 9 selbst eine grosse Bedeutung f\u00fcr die Blutbildung zugeschrieben wurde, eine ganz \u00e4hnliche H\u00e4matogenese aufgefunden worden, dort liegen polygonale oder bandartige Protoplasmamassen in dem den Blutgef\u00e4ssen folgenden interstitiellen Gewebe, in diesen Protoplasmamassen entstehen rothe Blutk\u00f6rperchen, welche nach Neumann schliesslich in die Gef\u00e4sse der Leber entleert werden.\nAlle bisher angef\u00fchrten Vorg\u00e4nge der H\u00e4matogenese weisen auf das Entstehen der Blutk\u00f6rperchen in besonderen Brutst\u00e4tten hin, von wo aus sie erst nachtr\u00e4glich in den Blutstrom gelangen und wir m\u00fcssen hinzuf\u00fcgen, dass die Darstellungen, welche Schwanns, Remak0 und\n1\tLeboucq, Recherches sur la d\u00e9veloppement des vais, et des glob. sanguin, etc. Gand 1ST 6.\n2\tWissotzky, Arch. f. microscop. Anat. XIII. S. 479. 1877 und Ranvier, Trait\u00e9 techn. p. 634. Note.\n3\tHayem, Gaz. m\u00e9d. 1878. p. 330.\n4\tNeumann, Arch. d. Heilk. 15. Jahrg. 1874. S. 441.\n5\tE. H. Weber, Brief an K\u00f6lliker mit Vor- und Nachwort des Letzteren; Ztschr. f. rat. Med. IY. S. 160. 1845.\n6\tK\u00f6lliker, Ebenda S. 142 ; Gewebelehre S. 637. Leipzig 1867.\n7\tNeumann, Berliner klin. Wochenschr. 1871. Nr. 4.\n8\tSchwann a. a. O.\n9\tRemak a. a. O.","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Vasoformative Zellen. Entstehung der rothen und weissen Blutk\u00f6rperchen. 83\nFoster & Balfour1 2 3 von den Brutst\u00e4tten der Blutk\u00f6rperchen in dem mittleren Keimblatte geben, mit den vasoformativen Zellen von Ranvier eine sehr grosse Aehnlichkeit besitzen. Die Art und Weise, wie die rothen Blutk\u00f6rperchen in jenen Brutst\u00e4tten entstehen, und der Modus, durch welchen sie in den Blutstrom gelangen, ist zwar hier von uns auch angedeutet worden, die Details dieser Vorg\u00e4nge werden aber sehr abweichend geschildert, wir k\u00f6nnen sie hier weder alle Vorbringen, noch auch kritisiren, nur das gemeinsame der vorgebrachten Beobachtungen interessirt uns.\nWir wenden uns jetzt einer anderen Frage zu. W\u00e4hrend der Rathlosigkeit, in der man sich durch geraume Zeit der Frage nach der Regeneration der rothen Blutk\u00f6rperchen gegen\u00fcber befand, lenkte sich die Aufmerksamkeit der Beobachter auf die weissen Blutk\u00f6rperchen. Von diesen wusste man lauge, dass sie durch den Lymphstrom best\u00e4ndig in grosser Zahl dem Blute zugef\u00fchrt werden und Dank den Untersuchungen Br\u00fccke\u2019s2 lernte man als localisirte Bildungsst\u00e4tten der Lymphk\u00f6rperchen die Lymphdr\u00fcsen kennen.\nDurch lange Zeit konnte aber die Bildung der rothen Blutk\u00f6rperchen auf Kosten der weissen nur als eine durch Ausschliessung anderer Bildungsvorg\u00e4nge gest\u00fctzte Hypothese angesehen werden. Erst Recklinghausen 3 schuf ihr eine positive St\u00fctze. Er wies auf das Vorkommen eigent\u00fcmlicher Spindelzellen im Froschblute hin, welche von ihm selbst und Schklarewsky4 5 und Golubew 5 als Ueber-gangsformen zwischen weissen und rothen Blutk\u00f6rperchen durch alle Stadien verfolgt wurden. Vulpian6 7 sah solche Elemente in grosser Zahl nach Blutverlusten und f\u00fchrt ebenfalls ihre Umwandlung in rothe und ihr Hervorgehen aus weissen Blutk\u00f6rperchen an.\nF\u00fcr die S\u00e4uger war es bekannt, dass im embryonalen Blute anf\u00e4nglich nur kernhaltige rothe Blutk\u00f6rperchen vorhanden sind. Das dauert bis zu einer bestimmten Periode des Embryonallebens, von welcher dann auch kernlose hinzutreten.\nBei Schafembryonen von 7,87 Mm. wurden die letzteren noch vermisst, bei 2,0 Cm. langen sind sie sp\u00e4rlich, bei 2,9 Cm. langen machten sie die Mehrzahl (K\u00f6lliker \").\n1\tFoster u. Balfour a. a. O.\n2\tBr\u00fccke, Denkschr. d. Wiener Acad., math.-naturw. Cl. II. S. 23. 1850 u. VI. S. 134. 1854.\n3\tRecklinghausen. Arch. f. mikroskop. Anat. II. S. 137.\n4\tSchklarewsky, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1867. S. 865.\n5\tGolubew, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LVII. 2. Abth. S. 566. 1868.\n6\tVulpian, Compt. rend. LXXXIV. p. 1279. 1877.\n7\tK\u00f6lliker, Gewebelehre. Leipzig 1867.\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84 Rollett, Physiologie des Blutes. 4. Cap. Entw. u. Neubild. d. Blutk\u00f6rperchen.\nBei menschlichen Embryonen von 30 Mm. L\u00e4nge soll die H\u00e4lfte der Blutk\u00f6rperchen kernlos sein. Einzelne kernhaltige finde man noch bei viermonatlich en Embryonen und in sp\u00e4teren Lebensaltern (Robin1). Hatte nun auch die Thatsache, dass mit Kernen versehene rothe Blutk\u00f6rperchen eine embryonale Form der Blutk\u00f6rperchen der S\u00e4uger darstellen, f\u00fcr die H\u00e4matogenese keine weitere Entscheidung gebracht, so spielte sie doch an sich, wie wir sehen werden, f\u00fcr die Entscheidung der Frage nach den Bildungsst\u00e4tten neuer Blutk\u00f6rperchen bei erwachsenen S\u00e4ugethieren eine nicht unwichtige Rolle. Der Nachweis des Ueberganges weisser Blutk\u00f6rperchen in rothe sollte, wie es schien, am Blut der erwachsenen Thiere selbst zum Austrag kommen, nachdem Erb2 beim Menschen und bei Thieren unter gewissen Umst\u00e4nden, welche eine gesteigerte Blutbildung bedingen, k\u00f6rnchenhaltige gef\u00e4rbte Blutk\u00f6rperchen mit in verschiedenen Stadien des Zerfalles befindlichen Kernen aufgefunden hatte, welche er als Uebergangsformen zwischen weissen und rothen Blutk\u00f6rperchen betrachten zu k\u00f6nnen glaubte. Aehnliche Formen fanden dann auch Klebs3 und Eberth4 und gaben ihnen dieselbe Deutung. Nach diesen Beobachtungen gewann es den Anschein, dass im circulirenden Blute die Umwandlung weisser Blutk\u00f6rperchen in rothe sich vollziehen k\u00f6nne. Von viel weitergehender Bedeutung f\u00fcr dieses Yorkommniss versprach aber die Beobachtung von A. Schmidt5 und Semmer6 zu werden, der zufolge im normalen Blut von S\u00e4ugethieren rothe K\u00f6rnerkugeln vorhanden sind, welche Uebergangsformen zwischen rothen und weissen Blutk\u00f6rperchen darstellen sollen. Diese Zellformen zerfallen nach der Entfernung des Blutes aus den G-ef\u00e4ssen \u00e4hnlich rasch wie die weissen Blutk\u00f6rperchen nur durch Zusatz von Magnesiumsulfat, welches die Gerinnung des Blutes, an welcher jene Gebilde wesentlich betheiligt sind, auf hebt, kann ihr Zerfall aufgehalten werden. Stehen sie so den weissen Blutk\u00f6rperchen nahe, so sind aie andererseits durch ihren Farbestoffgehalt und ihr gr\u00f6sseres spec. Gewicht den rothen Blutk\u00f6rperchen verwandt. Die directe Umbildung derselben in rothe Blutk\u00f6rperchen konnte aber nicht beobachtet werden.\nEhe wir nun weiter die Frage der Bildung rother Blutk\u00f6rperchen im circulirenden Blute der S\u00e4ugethiere besprechen k\u00f6nnen, m\u00fcssen\n1\tRobin. Journ. de la physiol. I. 288. 1858.\n2\tEbb. Arch. f. pathol. Anat. XXXIY. S. 138. 1865.\n3\tKlebs. Ebenda XXXYIII. S. 190. 1866.\n4\tEberth. Ebenda XLIII. S- 8. 1868.\n5\tA. Schmidt. Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 353. >874.\n6\tSemmer , Heber die Faserstoff bildung im Amphibien- und Vogelblut und die Entstehung der rothen Blutk\u00f6rperchen der S\u00e4ugethiere. Dorpat 1874.","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Rothe K\u00f6rnerkugeln von A. Schmidt. H\u00e4matogene Th\u00e4tigkeit d. Knochenmarks. 85\nwir uns zur Betrachtung der h\u00e4matogenetischen Th\u00e4tigkeit, die einzelnen Organen zugeschrieben wurde, wenden. Neumann 1 und Bizzo-zero 2 fanden im rothen Knochenmarke zahlreiche Zellformen vor, welche ihnen alle Stadien des Ueberganges zwischen weissen und rothen Blutk\u00f6rperchen zu repr\u00e4sentiren schienen, und auf diesen Nachweis st\u00fctzten sie die Lehre, dass das Knochenmark fortw\u00e4hrend eine blutbildende Th\u00e4tigkeit entwickle. Neumann\u2019s und Bizzozero\u2019s Fund gewann eine erh\u00f6hte Bedeutung durch den von Hoyer 3 gelieferten Nachweis, dass im Knochenmark nicht ein geschlossenes Capillar-gef\u00e4ssnetz zwischen Arterien und Venen vorhanden ist, sondern dass wandungslose Lacunen im Knochenmark existiren, durch welche das Blut, Neumann\u2019s und Bizzozero\u2019s h\u00e4matogenetische Substanz direct besp\u00fclend, von den Arterien in die Venen \u00fcberstr\u00f6mt. Neumann1 2 3 4 5 6 7 * 9 und Bizzozero 5 hatten ihre Lehre gegen Robin 6 und gegen Ranvier 7 und Morat 8 zu vertheidigen, welche letztere sich nicht \u00fcberzeugen konnten, dass wirklich die beschriebenen Ueberg\u00e4nge zwischen weissen und rothen K\u00f6rperchen im Knochenmark Vorkommen. Bei dieser Gelegenheit hebt Neumann hervor, dass er die Hauptst\u00fctze der blutbildenden Th\u00e4tigkeit des Knochenmarkes nicht wie vorher in dem Nachweis der Umwandlung von weissen in rotlie Blutk\u00f6rperchen, sondern im Hinblick auf seine Erfahrungen \u00fcber die H\u00e4matogenese in der embryonalen Leber in dem Vorkommen kern-haltiger embryonaler Formen der rothen Blutk\u00f6rperchen sehen muss.\nEine wichtige Bereicherung hat die Lehre von der blutbildenden Th\u00e4tigkeit des Knochenmarkes durch Rindfleisch 9 erfahren, der die Angaben Hoyer\u2019s \u00fcber die lacun\u00e4ren Blutbahnen im Mark best\u00e4tigt und nach einer genauen Analyse der Markelemente zu dem Schl\u00fcsse gelangt, dass die rothen Blutk\u00f6rperchen im Mark als kernhaltige Zellen (von Rindfleisch H\u00e4m at oblas ten genannt) entstehen, welche durch Ausstossung des excentrisch gelegenen Kernes, an dem ein Rest Protoplasma zur\u00fcckbleibt, anfangs in glockenf\u00f6rmige kernlose Blutk\u00f6rperchen \u00fcbergehen, die dann erst in die gew\u00f6hnliche Scheiben-\n1\tNeumann, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1868. S. 689; Arch. f. Heilk. X. S. 68.\n1869.\n2\tBizzozero, Gaz. med. Lombarda. 1869. No. 2 et 24; Sul midollo delle ossa. Napoli 1869.\n3\tHoyer, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1869. S. 244 u. 257.\n4\tNeumann, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 110. 1874; Arch. f. mikroskop. Anat. XII. S. 792. 1876.\n5\tBizzozero, Gaz. med. Lombarda 1874. No. 15.\n6\tRobin, Journ. de l\u2019anat. X. p. 35. 1874.\n7\tRanvier, Trait\u00e9 techn. p. 324. Paris 1875.\nS Morat, Contribution \u00e0 l\u2019\u00e9tude des la moelle de l\u2019os. Paris 1873.\n9 Rindfleisch, Arch. f. mikroskop. Anat. XVII. S. 1 u. 21. 1879.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86 Rollktt, Physiologie des Blutes. 4. Cap. Entw. u. Neubild. d. Blutk\u00f6rperchen.\nform der Blutk\u00f6rperchen sich umwandeln, aber anf\u00e4nglich kleinere Dimensionen besitzen als die reifen.\nAls zweites localisirtes blutbildendes Organ muss die Milz betrachtet werden. Wie das von Neumann und Bizzozero anf\u00e4nglich beim Knochenmark geschah, st\u00fctzte sich auch Funke1 2 3 4 bei seinem Nachweis der blutbildenden Th\u00e4tigkeit der Milzpulpe auf darin vorkommende Zellen, welche er f\u00fcr Ueberg\u00e4nge von den weissen zu den rothen Blutk\u00f6rperchen hielt, w\u00e4hrend dagegen K\u00f6lliker - ganz so wie Neumann sp\u00e4ter f\u00fcr das Mark hervorhob, dass jene Th\u00e4tigkeit der Milzpulpe aus dem Vorkommen kleiner, den embryonalen Blutk\u00f6rperchen \u00e4hnlichen kernhaltigen rothen Blutk\u00f6rperchen gefolgert werden m\u00fcsse. Der an gelungenen Injectionspr\u00e4paraten so leicht zu constatirenden, zuerst von Stieda 3 und W. M\u00fcller 4 vertretenen Lehre von den wandungslosen Blutbahnen der Milzpulpe haben sich die meisten neueren Untersucher angeschlossen (Pere-meschko 5, Klein 6 7). Aus einer Reihe von Studien, welche Malassez und Picard 7 \u00fcber die blutbildende Th\u00e4tigkeit der Milz anstellten, ist hervorzuheben, dass Malassez aus der Milzpulpe Bilder beschreibt, welche sehr an die H\u00e4 mat oblast en erinnern, welche Rindfleisch im Knochenmark fand. Zellen mit gl\u00e4nzender homogener gef\u00e4rbter Randzone und daneben solche, welche die gef\u00e4rbte Substanz nur in Form eines Halbmondes oder als kugelige Knospe aufsitzen hatten, oder nur mittelst eines Stieles mit jener zusammenhingen. Z\u00e4hlungen der Blutk\u00f6rperchen ergeben, dass das Milzvenenblut reicher an rothen Blutk\u00f6rperchen ist als das Milzarterienblut. Der Gehalt des Milzvenenblutes an Blutk\u00f6rperchen wird betr\u00e4chtlich gesteigert durch Durchschneidung der Milznerven. Der Eisengehalt der Milz, welcher im Normalzust\u00e4nde ein sehr hoher ist, nimmt dabei ab. Das der Milz eigenth\u00fcmliche Eisen erhielten Malassez und Picard nach vorherigem Durchsp\u00fclen der Milzgef\u00e4sse mit Salzl\u00f6sung. Wird in eine ausgesp\u00fclte Milz nachtr\u00e4glich destillirtes Wasser gespritzt, so f\u00e4rbt sich dieses stark roth, w\u00e4hrend die nach der Aussp\u00fclung des Blutes\n1\tFunke, Lehrb. d. Physiol. 2. Aufl. I. S. 162. Leipzig 185S.\n2\tK\u00f6lliker, Gewebelehre S. 453. Leipzig 1867.\n3\tStieda. Arch. f. pathol. Anat. XXIY. S. 540. 1862.\n4\tW. M\u00fcller, Leber den feinen Bau der Milz. Leipzig u. Heidelberg 1865; Handbuch der Lehre von den Geweben etc. von Stricker. I. S. 251. Leipzig 1871.\n5\tPeremeschko, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LY. 2. Abth. S. 539. 1867, LYI. 2. Ath. S. 31. 1867.\n6\tKlein, Quaterl. Journ. ofmicroscop. sc. 1875. p. 363.\n7\tMalassez u. Picard, Compt. rend. LXXIX. p. 1511. 1874, LXXXI. p. 984. 1875; Gaz. m\u00e9d. 1875. p. 138; Compt. rend. LXXXII. p. 855. 1876: Gaz. med. 1878. p. 317 und Malassez, Ebenda p. 34.","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"H\u00e4matogene Th\u00e4tigkeit der Milz.\n87\nnoch stark rotlie Milz jetzt erst verblasst; in der v\u00f6llig ausgewaschenen Milz finden sich nur noch Spuren von Eisen. Reizung der Milznerven hat keinen Einfluss auf Vermehrung der rothen Blutk\u00f6rperchen in der Milzvene. Nach der Milzexstirpation bei Hunden sahen Malassez und Picard die Zahl der Blutk\u00f6rperchen nur vor\u00fcbergehend sinken, dagegen soll der H\u00e4moglobingehalt der einzelnen Blutk\u00f6rperchen f\u00fcr l\u00e4ngere Dauer herabgesetzt sein. Ob der Versuch von Malassez und Picard, der Milz eine von der Bildung von Blutk\u00f6rperchen unabh\u00e4ngige h\u00e4moglobinbildende Th\u00e4tigkeit zuzuschreiben berechtigtigt ist, m\u00fcsste erst durch viel genauere Versuche festgestellt werden.\nPouchet 1 hat nach Milzexstirpation keine Ver\u00e4nderung der Blutk\u00f6rperchen im Blute wahrnehmen k\u00f6nnen, und nach starken Aderl\u00e4ssen sah er die Regeneration der Blutk\u00f6rperchen an entmilzten Thieren geradeso verlaufen wie an nicht entmilzten. Dass diese Versuche den positiven Beobachtungen \u00fcber die H\u00e4matogenese in der Milz gegen\u00fcber keine Bedeutung haben, ergiebt sich, wenn man bedenkt, dass die Milz eben nicht das einzige blutbildende Organ ist. Aeltere Versuche, die aber unseren heutigen Kenntnissen der Vorg\u00e4nge bei der H\u00e4matogenese gem\u00e4ss controllirt wrerden m\u00fcssten, weisen sogar darauf hin, dass nach der Milzexstirpation vicariirende localisirte h\u00e4matogenetische Herde auftreten (Stinstra1 2, F\u00fchrer und H. Ludwig3, Vulpian4, Eberhardt5, Mosler6 7 8). Nach grossen Blutverlusten fanden Bizzozero und Salvioli 7 die Milz nach wenigen Tagen angeschwollen und ihr Parenchym ausserordentlich reich an rothen kernhaltigen Blutk\u00f6rperchen (H\u00e4matoblasten nach Rindfleisch? D. V.).\nWir m\u00fcssen schliesslich noch auf die sog. H\u00e4matoblasten von Hayem, welche schon in einem fr\u00fcheren Abschnitte beschrieben wurden (s. oben S. 21) zur\u00fcckkommen. Ihre Zahl wird in allen F\u00e4llen gr\u00f6sser, wo man eine vermehrte Blutbildung voraussetzen muss.\nSie sind in gr\u00f6sserer Anzahl vorhanden bei Kindern als bei Erwachsenen (Hayem s). Man findet sie in grosser Menge im Blute neugeborener K\u00e4tzchen, in welchem kernhaltige rothe Blutk\u00f6rperchen\n1\tPouchet, Gaz. m\u00e9d. 1878. p. 316.\n2\tStinstra, Comm, physiol, de funct. lien. Groninge 1854.\n3\tF\u00fchrer u. H. Ludwig, Arch. f. physiol. Heilk. 1855. S. 15 u. 491.\n4\tVulpian, Revue m\u00e9d. 1855. p. 296.\n5\tEberhard, Beitr\u00e4ge z. Morph, u. Funct. d. Milz. Erlangen 1855.\n6\tMosler, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1871. S. 290.\n7\tBizzozero u. Salvioli, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1879. S. 273.\n8\tHayem. Compt. rend. LXXXIY. p. 1239. 1877.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88 Rollett, Physiologie des Blutes. 4. Cap. Entw. u. Neubild. d. Blutk\u00f6rperchen.\nnicht enthalten sind, es gilt das auch f\u00fcr das Milzblut dieser Thiere (Hayem 1). Ihre Zahl im Blut ist gr\u00f6sser nach den Menses (Hayem), nach Blutverlusten (Hayem , Pouchet 2). Z\u00e4hlungen ergaben beim Menschen (Kindern und Erwachsenen) 200000\u2014346000 in 1 C.-Mm. Blut, im Mittel 255000. Darnach muss ihre Anzahl 40 mal gr\u00f6sser gesch\u00e4tzt werden als die der weissen und 20 mal kleiner als die der rothen (Hayem 3). Sie sind im abgelassenen Blute sehr verg\u00e4nglich und k\u00f6nnen nur durch passende Zus\u00e4tze oder rasches Eintrocknen des Pr\u00e4parates erhalten werden.\nUeber die den H\u00e4matoblasten der S\u00e4uger analogen Gebilde bei V\u00f6geln, Amphibien und Fischen, in deren Reihe offenbar auch die von Recklinghausen 4 und Golubew 6 beschriebenen Spindelzellen des Froschblutes fallen, siehe Hayem6, Pouchet 7 und Rindfleisch. Ueber die Provenienz der H\u00e4matoblasten von Hayem s und Pouchet 9 sind namentlich von letzterem nur h\u00f6chst hypothetische Angaben gemacht worden. Rindfleisch 10 l\u00e4sst es unentschieden, ob die von ihm im Knochenmark gefundenen unfertigen Blutk\u00f6rperchen mit Hayem\u2019s H\u00e4matoblasten \u00fcbereinstimmen. So viel muss aber hier noch festgestellt werden, dass aus den Beobachtungen von Rindfleisch am Knochenmark, von Malassez11 an der Milz und von Ranvier12 an den vasoformativen Zellen junger Thiere hervorgeht, dass die rothen Blutk\u00f6rperchen der S\u00e4uger als kernlose Abk\u00f6mmlinge des Protoplasmas besonderer Zeilen13 auftreten. Ranvier14 betont es be\u00ab sonders, dass die rothen Blutk\u00f6rperchen, welche in den vasoformativen Zellen des Netzes auftreten, gleich von vornherein kernlos sind. Sie entstehen also dort wie die rothen Blutk\u00f6rperchen nach Malassez 15 in der Milz, nach Rindfleisch 16 im Knochenmark nicht durch Um-\n1\tHayem, Gaz. m\u00e9d. 1878. p. 257.\n2\tPouchet, Gaz. m\u00e9d. 1878. p. 97.\n3\tHayem, Arch, de physiol. V. 2. s\u00e9r. p. 692. 1878.\n4\tRecklinghausen a. a. O.\n5\tGolubew a. a. O.\n6\tHayem, Compt. rend. LXXXV. p. 907.1877 ; Gaz.m\u00e9d. 1878. p. 15 et 43; Arch, de physiol. XI. 2. s\u00e9r. p. 00. 1879.\n7\tPouchet. Gaz. m\u00e9d. 1878. p. 316; Journ. del\u2019anat. XV. p. 9. 1879.\nS Hayem a. a. O. und Rech, sur l\u2019anat. norm, etpathol. du sang. Paris 1878.\n9 Pouchet, Gaz. m\u00e9d. 1878. p. 33, 97, 135.\n10\tRindfleisch a. a. O.\n11\tMalassez, Gaz. m\u00e9d. 1878. p. 317.\n12\tRanvier, Trait\u00e9 techn. d\u2019histol. IV. p. 634\n13\tDiese Zellen nennt Rindfleisch H\u00e4matoblasten und Wissotzkyhat diese Bezeichnung sogar auch f\u00fcr die vasoformativen Zellen von Ranvier gebraucht, w\u00e4hrend bei Hayem als H\u00e4matoblasten die kernlosen kleinen Blutk\u00f6rperchen bezeichnet werden, die er als heranwachsende rothe Blutk\u00f6rperchen ansieht.\n14\tRanvier a. a. O.\n15\tMalassez a. a. O.\n16\tRindfleisch a. a. O.","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"H\u00e4matoblasten von Hayem. localisirte H\u00e4matogenese.\n89\nWandlung ganzer kernhaltiger Zellen der ganzen H\u00e4matoblasten (im Sinne Rindfleisch\u2019s), wie bei den Thieren mit kernhaltigen Blutk\u00f6rperchen oder w\u00e4hrend des Embryonallebens, wo die Blutk\u00f6rperchen auch in den vasoformativen Zellen der S\u00e4uger als kernhaltige Tochterzellen derselben auftreten (Wissotzky 1 2 3 4), sondern, wie gesagt, als kernlose Abk\u00f6mmlinge des Protoplasmas. Das scheint uns aber f\u00fcr alle kernlosen K\u00f6rperchen im Blute der S\u00e4uger grosse und kleine, da die eigentlichen H\u00e4matoblasten (im Sinne von Rindfleisch) im Blute nicht aufgefunden werden, nach einer auf gewisse Orte beschr\u00e4nkten H\u00e4matogenese hinzuweisen. Als solche wird man eben Knochenmark und Milz vor Allem ins Auge zu fassen haben. Und daran wird sich erst noch die Frage nach der Provenienz der H\u00e4matoblasten (im Sinne Rindfleisch\u2019s) selbst kn\u00fcpfen m\u00fcssen.\nDie Bedeutung der gr\u00fcnen K\u00f6rnerkugeln von A. Schmidt 2 scheint eine ganz andere zu sein, als welche ihnen durch A. Schmidt und Semmer\u2019s 3 Hypothese zu geben versucht wurde, welche, wird erst noch aufgekl\u00e4rt werden m\u00fcssen.\nF\u00dcNFTES CAPITEL.\nDie Eiweissk\u00f6rper des Blutserum und Blutplasma,\nDie Eiweissk\u00f6rper (auch Proteink\u00f6rper oder albuminoide Substanzen genannt) bilden eine Gruppe stickstoffhaltiger organischer Substanzen, welche alle nahezu dieselbe procentisehe Zusammensetzung ergeben. Die F\u00e4higkeit zu krystallisiren geht ihnen ab. Sie geben eine Reihe allen gemeinsame empirische Reactionen. Mit Salpeters\u00e4ure erhitzt und darauf mit Ammoniak behandelt, f\u00e4rben sie sich tiefgelb, mit Millonschem Reagenz (salpetersaures Quecksilberoxydul, gemengt mit salpetrigsaurem Quecksilberoxyd) f\u00e4rben sie sich beim Erhitzen roth, mit Zuckerwasser oder Essigs\u00e4ure (Adamkiewicz4) und darauf mit Schwefels\u00e4ure behandelt, werden sie purpur bis violett gef\u00e4rbt, mit concentrirter Salzs\u00e4ure werden sie beim Stehen violett. Die chemische Constitution dieser K\u00f6rper ist noch unbekannt. Es liegen nur theoretische Betrachtungen \u00fcber die Form, in welcher der Stickstoff in denselben enthalten ist, vor5, ferner kennt man best\u00e4ndige\n1\tWissotzky a. a. 0.\n2\tA. Schmidt a. a. 0.\n3\tSemmer a. a. 0.\n4\tAdamkiewicz, Arch. f. exper. Pathol. III. S. 412. 1875.\n5\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. YI. S. 589. 1872, VIL S. 139. 1873. \u2014 Pfl\u00fc-ger, Ebenda X. S. 251. 1875.","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\nSpaltungsproducte aller dieser K\u00f6rper, die als mit der Structur der Eiweissk\u00f6rper in n\u00e4herer Beziehung stehende Molek\u00fcle angesehen werden m\u00fcssen1 2, und durch Sch\u00fctzenberger ist der Versuch gemacht worden, darzutliun, dass sich das Eiweissmolek\u00fcl durch gewisse Zersetzungsmittel vollauf spalten l\u00e4sst in eine Reihe bekannter Molek\u00fcle, unter welchen Harnstoff, Leucine, Amidos\u00e4uren der Acryl- und der Asparagins\u00e4urereihe sich befinden. Wir werden aus der Reihe der Eiweissk\u00f6rper im Blute vorfinden das Serum-eiweiss (Serin), einen dem Eieralbumin nahe verwandten Eiweissk\u00f6rper; das Serumglobulin; das Fibrin; das Fibrinogen.\nI. Das Senmieiweiss.\nWir beginnen mit diesem K\u00f6rper, weil er dem Eieralbumin, welches gleichsam als Typus der ganzen Gruppe angesehen werden kann, am meisten verwandt ist.\nDas Serumalbumin (Serumeiweiss, von Denis1 auch Serin genannt) theilt die meisten Reactionen mit dem Eieralbumin. Man ist aber nicht berechtigt, beide K\u00f6rper f\u00fcr identisch anzusehen. Sie unterscheiden sich durch ihre circulare Doppelbrechung. Das spec. Drehungsverm\u00f6gen des Serumalbumin f\u00fcr die Linie I) Fraunhofer bestimmte Hoppe-Seyler3 zu \u00ab]d = \u2014 56\u00b0, w\u00e4hrend er f\u00fcr Eieralbumin \u00ab]D = \u2014 35,5\u00b0 fand. Haas4 erhielt sp\u00e4ter f\u00fcr Eieralbumin a]o= \u2014 38,08\u00b0 f\u00fcr Serumalbumin einmal \u00ab]d = \u2014 55,75\u00b0 zweimal \u00ab]D = \u2014 62\u00b0.\nDie Rotationsconstanten sind also vorerst noch mit Vorsicht aufzunehmen. Es ist, wie sich ergeben wird, sehr schwer, sich L\u00f6sungen beider Eiweissk\u00f6rper zu verschaffen, die hinreichend concentrirt und frei von anderen Eiweissk\u00f6rpern sind. Auf diese Schwierigkeit ist es auch zur\u00fcckzuf\u00fchren, dass Haas angiebt, dass die spec. Drehung des Eieralbumin unabh\u00e4ngig ist von der Concentration sowohl als auch von der Art und Menge gleichzeitig in der L\u00f6sung vorhandener Salze, w\u00e4hrend Hoppe angiebt, dass eine neutrale L\u00f6sung von Serumalbumin durch S\u00e4ttigen mit Kochsalz ihre spec. Drehung erh\u00f6ht.\nHaas hebt die Unver\u00e4nderlichkeit der Drehungsconstante des Ei-weisses im Vergleich mit in wahrer L\u00f6sung befindlichen krystalloiden Substanzen hervor. Das spec. Drehungsverm\u00f6gen der letzteren ist mit Natur und Menge des inactiven L\u00f6sungsmittels verschieden (Ou-\n1\tSch\u00fctzenberger, Bull, de la soc. chim. XXIII\u2014XXV. 1875\u201476 eine Reihe von Artikeln; Ann. de chim. et phys. XVI. s\u00e9r. 5. p. 2S9. 1879.\n2\tDenis, Nouv. \u00e9tud. chim., physiol, et m\u00e9d. sur les subst. albumin, etc. p. 79. Paris 1856.\n3\tHoppe-Seyler. Ztschr. f. Chemie u. Pharm. 1864. S. 737.\n4\tHaas, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 378. 1876.","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Serum ei weiss, H\u00fchnereiweiss, nat\u00fcrliche Eiweissl\u00f6sungen.\n91\ndemanns1, Hesse2, Landolt3; das abweichende Verhalten des Ei-weisses spricht mit daf\u00fcr, dass dasselbe nicht in echter L\u00f6sung existirt.\nAls weiterer Unterschied von Serum- und Eieralbumin ist anzuf\u00fchren, dass die Niederschl\u00e4ge des einen durch Salz- oder Salpeters\u00e4ure im Ueberschuss sich leicht wieder l\u00f6sen, w\u00e4hrend der Niederschlag von Eieralbumin sich nur sehr schwer wieder aufl\u00f6st.\nEndlich ist durch Stockais4, J. C. Lehmann5, Ponfick6 7, F\u00f6rster\u201c, B\u00e9champ & Baltus8 u. A. nachgewiesen, dass in die Venen eingespritztes Eieralbumin unver\u00e4ndert im Harn ausgeschieden wird, dass dagegen Serumalbumin in die Venen injicirt keine Albumin-urine erzeugt, entgegen der Behauptung Bernard\u2019s9, der sie in beiden F\u00e4llen angiebt.\nIn Bezug auf ihre \u00fcbrigen Reactionen stimmen beide Albumine \u00fcberein. * Wir haben das vorausgeschickt, weil es sich bei der Darstellung des Serumeiweisses nicht vermeiden l\u00e4sst, die am H\u00fchnereiweiss gemachten Erfahrungen mit heranzuziehen.\nDie nat\u00fcrlichen Eiweissl\u00f6sungen reagiren in der Regel alkalisch. Serum und H\u00fchnereiweiss galten durch lange Zeit als nat\u00fcrliche L\u00f6sungen von Albumin, in welchen ausser diesem Eiweissk\u00f6rper kein anderer, wohl aber Salze und geringe Mengen l\u00f6slicher organischer Substanzen Vorkommen sollten. Jetzt weiss man, dass in beiden noch andere Eiweissk\u00f6rper zugegen sind. Von diesen und den Salzen m\u00fcsste die nat\u00fcrliche L\u00f6sung erst befreit werden, wenn man zu reinen Eiweissl\u00f6sungen und zur Ueberzeugung gelangen wollte, dass das Ei weiss f\u00fcr sich in Wasser l\u00f6slich ist und nicht wie Denis10 behauptete, nur unter dem Einfluss der in den nat\u00fcrlichen Eiweissl\u00f6sungen enthaltenen Salze gel\u00f6st erscheint.\nDie Eiweissk\u00f6rper, welche neben dem Albumin gel\u00f6st sind (Globuline), k\u00f6nnen durch starkes Verd\u00fcnnen mit Wasser und vorsichtigen Essigs\u00e4ure-zusatz oder Einleiten von Kohlens\u00e4ure oder aber auch durch Eintr\u00e4gen von gepulvertem Chlornatrium oder Magnesiumsulfat mehr oder weniger\n1\tOudemanns, Ann. d. Chemie u. Pharm. CLXYI. S. 65. 1S73.\n2\tHesse. Ebenda CLXXYI. S. 89 u. 189. 1875.\n3\tLandolt, Das optische Drehungsverm\u00f6gen organischer Substanzen S. 50\u201489 u. 156. Braunschweig 1879.\n4\tStokvis, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1S64. S. 597.\n5\tC. J. Lehmann, Arch. f. pathol. Anat. XXX. S. 598. 1864.\n6\tPonfick, Ebenda LXTI. S.273. 1874.\n7\tForster, Ztschr. f. Biol. XL S. 496. 1875.\n8\tB\u00e9champ et Baltus, Compt. rend. LXXXYI. p. 1448. 1878.\n9\tBernard, Le\u00e7ons sur les propr. physiol, et les alter, pathol. des liquid, de l\u2019organ. I. p. 467. IL p. 459. Paris 1857.\n10\tDenis, Nouy. \u00e9tude sur les subst. album, p. 80. Paris. 1856.","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\ngut abgeschieden werden, worauf wir sp\u00e4ter beim Serumglobulin n\u00e4her eingehen werden. W\u00e4hlt man zur Entfernung des letzteren aus dem Serum Verd\u00fcnnen und Ans\u00e4uern, so kann das Filtrat vom ausgeschiedenen Eiweissk\u00f6rper durch Zusatz von Natriumcarbonat wieder neutralisirt und bei 40\u00b0 C. so lange eingeengt werden, bis Salzgehalt und Concentration wieder ungef\u00e4hr miit der des nat\u00fcrlichen Serum \u00fcbereinstimmen. Es ist zweckm\u00e4ssig von der Untersuchung solcher L\u00f6sungen auszugehen, da, wie sich zeigen wird, die Reactionen der Albuminl\u00f6sungen wesentlich von Concentration und Salzgehalt derselben abh\u00e4ngig sind und nur mit Ber\u00fccksichtigung dieser Thatsache die vom Serumalbumin abh\u00e4ngigen Reactionen des Blutserum verstanden werden k\u00f6nnen.\nSolche Eiweissl\u00f6sungen scheiden beim Erhitzen, nachdem sie sich vorausgehend (zwischen 60\u201470ft C.) etwas tr\u00fcben, bei 70 \u201475u C. alles Eiweiss im coagulirten Zustande aus, wenn man vor dem Erw\u00e4rmen mit Essigs\u00e4ure soweit anges\u00e4uert hat, dass sie schwach sauer reagiren.1 Unterl\u00e4sst man den S\u00e4urezusatz oder bringt man nur neutrale Reaction hervor, so scheidet sich das Eiweiss selbst beim Erhitzen auf 100\u00b0 C. nur unvollkommen aus (Lehmann2 3). Es h\u00e4ngt das mit der Alkalescenz der Eiweissl\u00f6sung und der Zunahme ihrer Al-kalescenz beim Erhitzen zusammen.\nUnter dem Einfluss des Alkalis bei erh\u00f6hter Temperatur wird ein Theil des Eiweisses in eine sp\u00e4ter zu erw\u00e4hnende Modification (f\u00e4llbares Eiweiss) \u00fcbergef\u00fchrt, die sich beim Kochen nicht ausscheidet.\nDurch Essigs\u00e4ure und andere Pflanzens\u00e4uren, sowie durch dreibasische Phosphors\u00e4ure werden Eiweissl\u00f6sungen der erw\u00e4hnten Art nicht gef\u00e4llt, w\u00e4hrend andere concentrirte Minerals\u00e4uren Niederschl\u00e4ge in denselben hervorbringen. Durch starken Alkohol wird das Serumalbumin gef\u00e4llt, nicht aber durch Aether. Das frische Blutserum verh\u00e4lt sich in seinen Reactionen nicht anders als die angef\u00fchrten Eiweissl\u00f6sungen, nur sind in den Hitze- und Alkoholcoagulaten desselben nicht bloss Serumalbumin, sondern noch andere Eiweissk\u00f6rper des Serum enthalten.\nWurtz 3 hat zuerst versucht, reines Albumin aus H\u00fchnereiweiss darzustellen, dadurch, dass er es verd\u00fcnnte, filtrirte, mit basischem Bleiacetat f\u00e4llte und mittelst Kohlens\u00e4ure aus dem Niederschlage wieder abzuscheiden suchte. Die nach diesem Verfahren erhaltene klare Eiweissl\u00f6sung reagirte schwach sauer und gerann beim Erhitzen.\nEs hat sich aber herausgestellt, dass der WuRTz'sche K\u00f6rper Essigs\u00e4ure und noch etwas Asche enth\u00e4lt und die Existenz eines reinen, an sich l\u00f6slichen Eiweisses war mit Wurtz\u2019s Versuch nicht entschieden.\n1\tVergl. Eichwald. Beitr\u00e4ge zur Chemie der gewebebild. Subst. I. Berlin 1873.\n2\tC. J. Lehmann, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1864. S. 531.\n3\tW\u00fcrtz, Ann. de chim. et phys. XII. 3. s\u00e9r. p. 217. 1845 und Compt. rend. XVIII. p. 700. 1844.","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Reactionen, Wurtz\u2019sches Eiweiss, Dialyse.\n93\nGrosse Hoffnungen, hier zum Ziele zu gelangen, mussten angeregt werden, als Graham die Dialyse zur Scheidung colloider und krystalloider Substanzen empfahl, Graham 1 selbst bediente sich seines Verfahrens auch sofort, um genuinen Eiweissl\u00f6sungen die Salze zu entziehen und er hielt auch seinen Versuch f\u00fcr vollkommen gelungen. Allein diese Angabe stiess auf vielfachen Widerspruch. So machten Wittich2, Hoppe-Seyler 3, K\u00fchne 4, Heynsius 5 geltend, dass auch in sehr lange dialysirtem Eiweiss noch betr\u00e4chtliche Aschenr\u00fcckst\u00e4nde sich nachweisen lassen. Erst Aronstein g glaubte sowohl f\u00fcr Serum als Eieralbumin wieder zu dem von Graham erhaltenen Resultate gelangt zu sein. Er suchte die Verschiedenheit seiner und Graham\u2019s Resultate einerseits und der \u00fcbrigen Beobachter andererseits auf die verschiedene Qualit\u00e4t der zur Dialyse verwendeten Pergamentpapiere 7 zur\u00fcckzuf\u00fchren. In den reinen w\u00e4sserigen L\u00f6sungen, welche Aronstein erhalten zu haben glaubte, sollte das Eiweiss weder durch Erhitzen noch durch Alkohol coagulirt werden. Und Aether, von dem man lange wusste, dass er im Serum keinen Niederschlag hervorbringt, w\u00e4hrend er Hiilmereiweiss coagulirts, was geraume Zeit als ein, wie wir aber sehen werden, nicht stichhaltiges Unterscheidungsmerkmal der beiden Albumine galt, sollte reines Serumalbumin f\u00e4llen, in reinen L\u00f6sungen von Eieralbumin aber keinen Niederschlag erzeugen.\nDie Angaben Aronstein\u2019s wurden aber wieder von Heynsius 9 tlieil-weise bestritten, theilweise anders gedeutet, ebenso wurden sie von A. Schmidt10 wesentlich modificirt und zu der zwischen den beiden Letzteren11 gef\u00fchrten Controverse gesellten sich auch noch die gegnerischen Arbeiten von Huizinga12, Winogradoff13, Haas14 und Laptschinsky15 \u00fcber das dia-lysirte Eiweiss.\n1\tGraham, Ann.' d. Chemie u. Pharm. CXXI. S. 1. 1861.\n2\tWittich, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1864. S. 306.\n3\tHoppe-Seyler, Handb. d. physiol, u. pathol.-ehern. Analys. 2. Aufl. S. 1S4. Berlin 1865.\n4\tK\u00fchne, Lehrb. d. physiol. Chemie S. 179. Leipzig 1866.\n5\tHeynsius, Arch. f. d. ges. Physiol. IL S. 18. 1869.\n6\tAronstein, Ebenda VITT. S. 75. 1874.\n7\tIn der That ist die Qualit\u00e4t des Papieres von Einfluss auf das Resultat der Dialyse. Man muss es aber jetzt als festgestellt betrachten, dass es kein Papier giebt, bei dessen Anwendung aschenfreies Eiweiss erhalten werden kann. Ueber che Papiere sind Bemerkungen enthalten bei Aronstein a. a. O. S. 77. \u2014 A. Schmidt, Ebenda VIII. S. 93. \u2014 Heynsius, Ebenda IX. S. 536. 1874. \u2014 A. Schmidt, Beitr. z. Anat. u. Physiol. Festgabe f. C. Ludwig. S. XCIV. Leipzig 1875 ; Arch. f. d. ges. Physiol. XL S. 1 u. 43. 1875. \u2014 Haas. Ebenda XII. S. 386. 1877. \u2014 Laptschinsky. Ber. d. Wiener Acad. LXXVI. 3. Abth. S. 66. 1876. \u2014 Hammarsten, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S.453. 1878 (die voiiK\u00fchne f\u00fcr Dialysatoren empfohlenen Wurstd\u00e4rme aus Pergamentpapier betreffend).\n8\tTiedemann u. Gmelin, Die Verdauung nach Versuchen I. S. 12. Leipzig und Heidelberg 1826.\n9\tHeynsius, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 514. 1874.\n10\tA. Schmidt. Beitr. z. Anat. u. Physiol. Festgabe f. C. Ludwig. S.XCIV. Leipzig 1875.\n11\tDerselbe. Arch. f. d. ges. Physiol. XL S. 1. 1875. \u2014 Heynsius. Ebenda Xn. S. 549. 1876.\n12\tHuizinga, Ebenda XL S. 392. 1875.\t13 Winogradoff, Ebenda S. 605.\n14\tHaas, Ebenda XII. S. 378. 1876 und Prager med. WMchenschr. 1876. Nr. 34, 35, 36.\n15\tLaptschinsky, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXXVI. 3. Abth. S. 65. 1876.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\nAls die wesentlichsten Ergebnisse dieser Untersuchungen lassen sich aber die folgenden verzeichnen.\nDas Eiweiss kann durch Dialyse nur salzarm, niemals aschenfrei erhalten werden. Der Aschenr\u00fcckstand bewegt sich um 0,5\u20141% und enth\u00e4lt l\u00f6sliche und unl\u00f6sliche Salze. Aus schwach alkalisch reagirenden genuinen Eiweissl\u00f6sungen gehen in das Diffus\u00e2t anfangs neutral reagirende Salze \u00fcber, sp\u00e4ter und schwerer die alkalisch reagirenden. Wird vor der Dialyse schwach anges\u00e4uert, so erh\u00e4lt sich die saure Reaction in der Eiweissl\u00f6sung, w\u00e4hrend in das Diffus\u00e2t neutral reagirende Salze \u00fcbergehen. Manchmal nimmt auch die L\u00f6sung im Dialysator selbst saure Reaction an. Reagirt die L\u00f6sung nach beendeter Dialyse schwach alkalisch und ist sie zugleich sehr verd\u00fcnnt, so bleibt sie beim Erhitzen vollst\u00e4ndig klar. Ein Minimum von Essigs\u00e4urezusatz gen\u00fcgt dann, um das Eiweiss beim Erhitzen aus der L\u00f6sung zu f\u00e4llen; wird dieses S\u00e4ureminimum nur etwas \u00fcberschritten, so bleibt die L\u00f6sung beim Erhitzen wieder vollkommen klar. Die Nichtbeachtung der grossen Empfindlichkeit verd\u00fcnnter salzarmer Eiweissl\u00f6sungen gegen geringe Mengen von Alkali oder S\u00e4ure hat zur Annahme gef\u00fchrt, dass dialysirtes Eiweiss beim Kochen nicht gerinnt. Nach der Dialyse neutral reagirende L\u00f6sungen oder alkalisch reagirende von grossem Eiweissgehalt scheiden beim Erhitzen keine flockige Gerinnung ab, sondern werden nur tr\u00fcbe oder opalisirend, und zwar um so weniger, je verd\u00fcnnter die L\u00f6sung ist.\nDieses Verhalten ist nur so lange vorhanden, als man vers\u00e4umt hat, die L\u00f6sung auf den richtigen S\u00e4uregrad zu bringen. Ist das letztere geschehen, dann scheiden sich beim Erhitzen Flocken aus. Die Opalescenz, welche im Falle nicht richtiger Ans\u00e4uerung an Stelle der flockigen Gerinnung auftritt, beruht darauf, dass in salzarmen Fl\u00fcssigkeiten das durch Kochen ver\u00e4nderte Eiweiss bei dem geringsten Ueber- oder Untermaass von S\u00e4ure nicht schrumpft, sondern im gequollenen Zustande in der Fl\u00fcssigkeit enthalten ist. Beim Coaguliren des dialysirten Eiweisses durch Alkohol werden \u00e4hnliche Erscheinungen beobachtet. Von Aether wird Serumalbumin und Eieralbumin gef\u00e4llt, wenn der Alkali- oder Salzgehalt unter ein gewisses Minimum sinkt. Im genuinen Hiihnereiweiss kommt weniger Alkali vor als im Blutserum, darum wird aus ersterem das Eiweiss durch Aether gef\u00e4llt. Entzieht man dem Blutserum durch Dialyse so viel wie m\u00f6glich die Salze, so wird auch daraus das Eiweiss durch Aether gef\u00e4llt. Den L\u00f6sungen des dialysirten Eiweisses kann man durch Concentration und entsprechenden Salzzusatz wieder alle Eigenschaften der genuinen Eiweissl\u00f6sungen ertheilen.\nDie Existenz eines salzfreien Eiweisses ist auch durch die Dialyse nicht bewiesen worden. Die Reactionen der salzarmen L\u00f6sungen, die man durch Dialyse erh\u00e4lt, lassen sich auf die fr\u00fcher erkannten Reactionen genuiner Eiweissl\u00f6sungen zur\u00fcckf\u00fchren unter der Voraussetzung, dass die Concentration und die Gr\u00f6sse des Alkali-und Salzgehaltes der Eiweissl\u00f6sungen einen bestimmten Einfluss aus\u00fcben auf die Form des Hitze- und Alkoholcoagulates und auf die Menge von Alkali oder S\u00e4ure, die zur Ueberf\u00fchrung des Albumins","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Reactionen des dialysirten Eiweiss, f\u00e4llbares Eiweiss.\n95\nin die Alkali- oder S\u00e4uremodification desselben nothwendig sind. Diese beiden Modificationen sollen jetzt noch n\u00e4her besprochen werden.\nDas f \u00e4llbare Eiweiss (Lieberk\u00fchn'\u2019sehe Eiweiss, Mulder\u2019s Protein).\nDurch Digestion von Eiweiss und der ihm verwandten Substanzen mit kaustischem Kali und Ausf\u00e4llen der erhaltenen alkalischen L\u00f6sung mittelst Essigs\u00e4ure hat Mulder 1 sein Protein erhalten, welches er zum Ausgangspunkte seiner Proteintheorie machte, die von Liebig 2 und seinen Sch\u00fclern bek\u00e4mpft und widerlegt, bald v\u00f6llig verlassen wurde. Eine bessere Kenntniss des Zustandes, in welchen das Eiweiss durch die Wirkung der Alkalien gelangt, wurde aber erst durch Lieberk\u00fchn* 2 3 herbeigef\u00fchrt. Er gewann aus H\u00fchnereiweiss mit concentrirter Kalilauge eine steife, schneidbare Gallerte, (festes LiEBERK\u00dcHN\u2019sches Kalialbuminat), deren Darstellung ebenso aus Serumalbumin gelingt (Hoppe-Seyler 4, Heynsius 5). Mit Natronlauge, concentrirtem Barytwasser und gepulvertem Kalkhydrat (Fok-ker 6) erh\u00e4lt man die Gallerte ebenfalls. Diese Gallerten k\u00f6nnen, wenn auch unter Verlust, durch Waschen mit kaltem Wasser vom \u00fcbersch\u00fcssigen Alkali befreit und durch Digeriren bei 40 0 C. in Wasser gel\u00f6st werden, man erh\u00e4lt dann L\u00f6sungen der Alkalialbuminate in Wasser. Die Reactionen derselben unterscheiden sich sehr wesentlich von jenen des nativen 7 8 Eiweisses. Sie gerinnen beim Kochen nicht. Erst \u00fcber 100\u00b0 C. setzen sie, wenn v\u00f6llig frei von \u00fcbersch\u00fcssigem Alkali, ein zusammenh\u00e4ngendes Gerinnsel ab (M\u00f6rner s). Durch Essigs\u00e4ure und dreibasische Phosphors\u00e4ure werden sie gef\u00e4llt. In Form der erw\u00e4hnten Gallerten erh\u00e4lt man die Albuminate nur, wenn die aufeinander wirkenden Eiweissl\u00f6sungen und Laugen concentrirt sind. Die Albuminate entstehen aber auch besonders bei erh\u00f6hter Temperatur, wenn in Eiweissl\u00f6sungen von geringem Gehalt freies Alkali vorhanden ist, um so rascher, je mehr Alkali zugegen ist und je h\u00f6her die Temperatur steigt. Diese Bildungsweise der Albuminate macht es nothwendig, dass Eiweissl\u00f6sungen, aus welchen man natives Eiweiss durch Kochen abscheiden will, eine schwach saure Reaction haben m\u00fcssen, da sonst das Eiweiss vor der Ausscheidung in Alkalialbuminat \u00fcbergef\u00fchrt wird (vergl. dar\u00fcber Ch. J. Lehmann 9). Der flockige Niederschlag, der aus Alkalialbuminatl\u00f6sungen durch Zusatz von Essigs\u00e4ure ausgeschieden wird, ist im Ueberschuss der S\u00e4ure l\u00f6slich und stellt deii aus\n_ 1 Mulder, Natuur- en scheinkund. Arch. 1838. S. 128; Versuch einer allgem. physiol. Chemie. Deutsch von Moleschott. Heidelberg 1844\u201445; Chem. Unters. Deutsch von Volkers. Frankfurt 1847 ; Journ. f. pract. Chemie XL. S. 60. 1847.\n2\tLiebig, Laskowsky, Fleitmann, Ann. d. Chemie u. Pharm. LVII. S. 129, LVIII. S. 129, LXI. S. 121. 1846-47.\n3\tLieberk\u00fchn, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1848. S. 2S5 ; Ann. d. Physik LXXXVI. S. 118. 1852 ; Arch. f. pathol. Anat. V. S. 485. 1853.\n4\tHoppe-Seyler, Ztschr. f. Chemie u. Pharm. 1864. S. 739.\n5\tHeynsius, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 18. 1869.\n6\tFokker, Ebenda VII. S. 274. 1873.\n7\tSo nennt Br\u00fccke (Sitzgsber. d. Wiener Acad. LX. 2. Abth. S. 894. 1867) das durch Kochen coagulirbare Eiweiss zum Unterschiede vom modiiicirten Eiweiss.\n8\tM\u00f6rner a. a. 0.\n9\tC. J. Lehmann, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1864. S. 529.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\nder Alkaliverbindung abgeschiedenen Eiweissk\u00f6rper (LiEBERK\u00dcHx\u2019sches Ei-weiss l) dar. Es ist in Wasser \u00e4usserst schwer l\u00f6slich, in ganz reinem Zustande auf feuchtes Lackmuspapier gebracht, reagirt es sauer, unter Wasser mit kohlensauren alkalischen Erden (Kalk, Baryt, Strontian, Magnesia) verrieben, l\u00f6st es sich unter Austreibung von Kohlens\u00e4ure (M\u00f6rner 2), leicht wird es von Alkalien und kohlensauren Alkalien gel\u00f6st ; die mit m\u00f6glichst wenig Alkali bereiteten L\u00f6sungen reagiren sauer (M\u00f6rner) ; in neutralen phosphorsauren Alkalien ist es leicht l\u00f6slich, unl\u00f6slich in ClNa und anderen Salzen.\nIn besonderer Form erh\u00e4lt man das LiEBERK\u00dcHN\u2019sche Eiweiss, wenn man das feste LiEBERK\u00dcHN\u2019sche Kalialbuminat mit Kohlens\u00e4ure oder vorsichtig zugesetzter Essigs\u00e4ure versetzt. Die St\u00fccke der glashellen Gallerte werden dabei zuerst an den R\u00e4ndern, dann in ganzer Masse weiss, opak und elastisch z\u00e4he. Wegen ihrer Aehnlichkeit mit Fibrin hat Br\u00fccke 3 diese Form als Pseudofibrin bezeichnet.\nAusser den schon von Lieberk\u00fchn angef\u00fchrten Reactionen gegen Erw\u00e4rmung, Essigs\u00e4ure und dreibasische Phosphors\u00e4ure haben das LiEBERK\u00dcHN\u2019sche Eiweiss und die Alkalialbuminatl\u00f6sungen noch eine Reihe von anderen Eigenschaften mit dem Casein der Milch gemein. Die Gerinnbarkeit durch Lab (Skrceczka 4), L\u00f6slichkeit in neutralen Phosphaten, die dadurch in saure \u00fcbergehen, so lange das saure Phosphat einen bestimmten Procentgehalt nicht \u00fcberschreitet (Rollett 5 6, Soxhlet \u00b0, Soyka 7, M\u00f6rner8), Filtrirbarkeit durch Thonfilter (Soxhlet9, C. Schwalbe10 * gegen Zahn u), Bildung von Schwefelkalium beim Behandeln mit Kalilauge (Soxhlet12 gegen Hoppe-Seyler13). Man war darum geneigt, Alkalialbuminat und Casein f\u00fcr identische Substanzen zu halten, was nach einer Reihe von Eigenth\u00fcmlichkeiten des Casein aufdeckenden Arbeiten von Lubavin14, Hammarsten15 und A. Schmidt16 nicht mehr gerechtfertigt ist. Br\u00fccke17 weist darauf hin, dass bei der Darstellung des LiEBERK\u00dcHN\u2019sclien Kali-\n1\tIn Bezug auf die Nomenklatur w\u00e4re es sehr w\u00fcnsclienswerth, f\u00fcr diesen Eiweissk\u00f6rper ausschliesslich die obige Bezeichnung oder nach Hoppe-Seyler\u2019s (Handbuch 3. Aufl. S. 197 u. 207. Berlin 1870) und Soyka\u2019s (Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 369) Vorg\u00e4nge die alte MrLDER\u2019sche Bezeichnung Protein zu verwenden und nur die l\u00f6slichen Verbindungen dieses K\u00f6rpers mit Alkalien als Alkalialbuminate zu bezeichnen.\n2\tM\u00f6rner a. a. 0.\n3\tBr\u00fccke. Arch. f. pathol. \u00c0nat. XII. S. 193. 1857.\n4\tSkrceczka. Quaeritur cpiomodo Caseinum et Natron albuminatum pepsino afficiantur. K\u00f6nigsberg 1855.\n5\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XXXIX. 2. Abth. S. 547. 1S60.\n6\tSoxhlet. Journ. f. pract. Chemie. N. F. VI. S. 1. 18 72.\n7\tSoyka, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 347. 1876.\n8\tM\u00f6rner, Ebenda XVII. S'. 46S 1878. >\t9 Soxhlet a, a. 0.\n10\tC. Schwalbe, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1872. S. 66.\n11\tZahn. Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 598. 1869.\n12\tSoxhlet a. a. 0.\n13\tHoppe-Seyler, Ztschr. f. Chemie u. Pharm. 1864. S. 737; Handln d. physiol,\nu. pathol.-ehern. Analys. 3. Aufl. S. 196, 197, 206. Berlin 1870.\n14\tLubavin, Med.-ehern. Unters, v. Hoppe-Seyler. S. 463. Berlin 1866\u201471.\n15\tHammarsten, Upsala L\u00e4karef\u00f6renings F\u00f6rhandlingar 4111. p. 63. 1872, IX. p. 363. 1874 (citirt nach Maly\u2019s Jahresber. 1872. S. 118 u. 1874. 135).\n16\tA. Schmidt, Ein Beitrag zur Kenntniss der Milch. Dorpat 1874.\n17\tBr\u00fccke. 41>rlesungen \u00fcber Physiologie I. S. 90. Wien 1S75.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Alkalialbuminate, Vorkommen im Blut.\n97\nalbuminats aus Eiweiss Scliwefelkalium entwickelt wird, da nun Soxhlet an dem aus der Albuminatl\u00f6sung gef\u00e4llten Eiweissk\u00f6rper beim Wiederaufl\u00f6sen in Kalilauge 4\u20145 mal hintereinander dasselbe beobachtete, so muss man annehmen, dass hier nach einander verschiedene Proteine entstehen, die aber alle eine Uebereinstimmung der Reactionen ihrer Alkaliverbindungen zeigen. Dem gegen\u00fcber muss hervorgehoben werden, dass Lieberk\u00fchn f\u00fcr das nach seiner Methode dargestellte f\u00e4llbare Eiweiss die Formel, welche er dem Kalialbuminat zuschrieb,\tin\nUebereinstimmung fand sowohl mit den Ergebnissen der Analyse des durch Essigs\u00e4ure und Phosphors\u00e4ure aus der Kaliverbindung gef\u00e4llten Eiweissk\u00f6rpers als auch mit den Analysen der Baryt-, Kupfer-, Zink- und Silberverbindung, die er daraus darstellte.\nDas Vorkommen von Alkalialbuminat im Blute wird von K\u00fchne1 erw\u00e4hnt. Er bezeichnet als Serumcasein den Niederschlag, welchen man nach vollst\u00e4ndigem Ausf\u00e4llen des verd\u00fcnnten Blutes mit CO>i aus dem Filtrat durch vorsichtigen Essigs\u00e4urezusatz erh\u00e4lt. Gleichfalls als Serumcasein bezeichnet Eichwald'2 die Niederschl\u00e4ge, welche er nach Ausf\u00e4llen des Blutes mit CO\u00b1 durch wiederholtes Verd\u00fcnnen mit Wasser erhielt. Gegen das Vorkommen von Alkalialbuminat im Blute ist aber Folgendes anzuf\u00fchren.\nDer durch CO-i aus verd\u00fcnntem Serum f\u00e4llbare Eiweissk\u00f6rper (Serumglobulin s. d. unten S. 99) wird nicht in allen F\u00e4llen durch diese Procedur vollst\u00e4ndig ausgef\u00e4llt (Hammarsten3) und wird dann der Rest dieses K\u00f6rpers nicht Lieberk\u00fchn\u2019sches Eiweiss durch Essigs\u00e4urezusatz erhalten. Br\u00fccke4 beobachtete auch nach Ausf\u00e4llen verd\u00fcnnten Blutserums mit Bors\u00e4ure eine zweite F\u00e4llung nach Essigs\u00e4urezusatz. Dieser Niederschlag war aber in CIN a l\u00f6slich und die L\u00f6sungen gerannen beim Kochen. Endlich m\u00fcsste, wenn ja geringe Mengen von Natronalbuminat im Blute vorhanden w\u00e4ren, das Lieber-k\u00fchn\u2019sche Eiweiss schon in dem durch COi erhaltenen Niederschlag sich befinden, da Alkalialbuminat durch CCh gef\u00e4llt wird (M\u00f6rner5 6). Der mit COi aus Serum erhaltene Niederschlag ist aber wieder in CIN a vollst\u00e4ndig l\u00f6slich. Ber\u00fccksichtigt man ferner, dass Serumglobulin unter Wasser stehend schwerer l\u00f6slich in Salzen wird (Weyl\u00fc) und dadurch zu Verwechslungen mit Lieberk\u00fchn\u2019schem Eiweiss Veranlassung geben kann, so ergiebt sich, dass das Vorkommen von Alkalialbuminat im Blutserum nicht erwiesen ist.\n1\tK\u00fchne, Lehrb. d. physiol. Chemie S. 175. Leipzig 1866.\n2\tEichwald, Beitr. z. Chemie d. gewebebild. Substanzen. Berlin 1873.\n3\tHammarsten, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 413. 1878.\n4\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LV. 2. Abth. S. 881. 1867.\n5\tM\u00f6rner, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 468. 1878.\n6\tWeyl, Ztschr. f. physiol. Chemie I. S. 72. 1S77\u20141878.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\t7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\n2. Sy nt o nin.\nWie durch Alkalien, so wird das Eiweiss auch durch S\u00e4uren modifient. F\u00fcgt man zu Blutserum so viel dreibasische Phosphors\u00e4ure, dass dasselbe durch Erhitzen nicht mehr getr\u00fcbt wird und l\u00e4sst dann erkalten, so gesteht es zu einer Gallerte, die neuerdings erw\u00e4rmt wieder schmilzt, um beim Erkalten abermals aufzutreten u. s. f. Diese Gallerte erhielt zuerst Magendie \u2018, sp\u00e4ter wurde sie von Lieberk\u00fchn 2 wieder dargestellt. Man erh\u00e4lt sie nicht bloss mit Phosphors\u00e4ure oder Eiweiss nicht f\u00e4llenden Pflanzens\u00e4uren, sondern auch mit sehr verd\u00fcnnten Minerals\u00e4uren {Clffy H\u00efS\u00dca, HiSOz), die das Eiweiss nocli nicht f\u00e4llen, aber dessen Gerinnen beim Kochen eben hindern. St\u00fccke dieser Gallerten l\u00f6sen sich leicht beim Digeriren mit Wasser, die L\u00f6sung enth\u00e4lt dann durch S\u00e4ure modificirtes Eiweiss (Acidalbumin, Syntonin). Durch Erw\u00e4rmen verd\u00fcnnter Eiweissl\u00f6sungen mit S\u00e4ure oder durch Digeriren von S\u00e4uref\u00e4llungen des Eiweisses mit einem Ueberschuss von S\u00e4ure (am besten CUI) lassen sich saure Eiweissl\u00f6sungen von 'denselben Eigenschaften gewinnen. Die L\u00f6sungen gerinnen nicht beim Kochen, beim Neutralismen f\u00e4llt ein Niederschlag, der im Ueberschuss von Alkali leicht sich wieder l\u00f6st. Die L\u00f6sungen in Alkali stimmen in ihren Eigenschaften mit Alkalialbuminatl\u00f6sungen nahe \u00fcberein.\nHier m\u00fcssen auch die Niederschl\u00e4ge erw\u00e4hnt werden, welche anges\u00e4uerte Eiweissl\u00f6sungen mit neutralen Salzen oder vorher stark gesalzene Eiweissl\u00f6sungen mit S\u00e4uren geben (Melsens 1 2 3, Panum4, Eichwald 5 6 7 8). Diese Niederschl\u00e4ge sind, wenn die S\u00e4ure nur kurze Zeit wirkte, in Wasser wieder vollkommen l\u00f6slich und die L\u00f6sungen derselben gerinnen beim Kochen. Br\u00fccke 6 erkl\u00e4rt das Zustandekommen dieser Niederschl\u00e4ge mit Hinblick auf die Quellungserscheinungen der Eiweissk\u00f6rper durch die Wasserentziehung, welche das Eiweisspartikel durch Zusammenwirken von S\u00e4ure und Salz erf\u00e4hrt.\nHaben dagegen die S\u00e4uren l\u00e4nger gewirkt, dann werden jene Niederschl\u00e4ge in Wasser unl\u00f6slich und sind nur mehr in S\u00e4uren oder Alkalien l\u00f6slich, entsprechend dem durch S\u00e4ure modificirten Eiweiss. F\u00fcr das letztere hat Panum 7 den Namen Acidalbumin vorgeschlagen, w\u00e4hrend man jetzt die Bezeichnung Syntonin gebraucht, die C. G. Lehmann s finden nach Liebig\u2019s9 Verfahren mit 0,l\u00fc(o CIH aus dem Muskelfleisch erhaltenen Eiweissk\u00f6rper (Liebig\u2019s Muskelfibrin) einf\u00fchrte.\nSehen fr\u00fcher haben wir auf die Aehnlichkeit der Reactionen der alkalischen L\u00f6sungen des Syntonin mit Alkalialbuminatl\u00f6sungen hinge-\n1\tMagendie, Le\u00e7ons sur le sang et les alterations des liquid, etc. p. 170. Paris\n1838.\n2\tLieberk\u00fchn, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1848. S. 285.\n3\tMelsens, Ann. de chim. et phys. 3. s\u00e9r. XXXIII. p. 170. 1851.\n4\tPanum, Arch. f. pathol. Anat. IV. S. 17. 1852.\n5\tEichwald a. a. O.\n6\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XXXVII. S. 177 u. 178. 1859.\n7\tPanum a. a. O.\n8\tLehmann, Lehrb. d. physiol. Chemie. 2. Aufl. I. S. 346. Leipzig 1853.\n9\tLiebig, Ann. d. Chemie u. Pharm. LXXIII. S. 125. 1850.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Syntonin, Serumglobulin..\n99\nwiesen. Es stimmen aber \u00fcberhaupt saure und alkalische L\u00f6sungen von LiEBERK\u00dcHN\u2019schem Eiweiss mit sauren oder alkalischen L\u00f6sungen von Syntonin so nahe \u00fcberein, dass, nachdem Hoppe-SeylerY1 Angabe : Syntonin werde aus alkalischen L\u00f6sungen auch bei Gegenwart von phosphorsauren Alkalien sofort durch S\u00e4uren gef\u00e4llt, was beim Kalialbuminat nicht der Fall ist; von Eichwald2 widerlegt war, Soyka3 4 5 den Versuch machte, Syntonine und Proteine als identische Substanzen hinzustellen.\nDagegen fand M\u00f6rner 4 doch einige Abweichungen. Syntonin in m\u00f6glichst wenig Alkali gel\u00f6st, giebt keine sauren L\u00f6sungen wie Lieber-K\u00dcHN\u2019sches Eiweiss. Ferner kann die alkalische L\u00f6sung des Syntonin durch Kochen wirklich alle Eigenschaften einer Albuminatl\u00f6sung erwerben. Es kann aber weder LiEBRK\u00dcHN\u2019sches Eiweiss, noch das einmal durch Kochen in alkalischer L\u00f6sung in LiEBERK\u00dcHN\u2019sches Eiweiss verwandelte Syntonin wieder durch Behandeln mit S\u00e4uren in Syntonin umgewandelt werden. Das optische Drehungsverm\u00f6gen des durch Alkali oder S\u00e4ure modificirten Eiweisses kann vorl\u00e4ufig nicht zur Entscheidung der Streitfrage herangezogen werden, da die einzigen Bestimmungen der Constan-ten, welche von Hoppe-Seyler herr\u00fchren, aus den schon fr\u00fcher angef\u00fchrten Gr\u00fcnden kein Zutrauen verdienen. Die von Hoppe-Seyler 5 ermittelten Thatsacken sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.\n\tSaure L\u00f6sung\t\tAlkalische L\u00f6sung\t\nEiweissk\u00f6rper\tArt der Herstellung\tspec. Dreh. [\u00abId\tArt der Herstellung\tspec. Dreh. [\u00abId\nSerumalbumin\tmit Essigs\u00e4ure mit Salzs\u00e4ure\t\u201471,0\u00b0 \u201478,7\u00b0\tmit Kalilauge\t\u201486\u00b0\nEieralbumin\tmit Salzs\u00e4ure\t\u201437,7\u00b0\tmit Kalilauge\t\u201447\u00b0\nCasein\tin sehr verd. Salzs\u00e4ure\tO t\"- QO 1\tin m\u00f6glichst wenig Natronlauge in starker Kalilauge\t\u201476\u00b0 \u201491\u00b0\nSyntonin (von beliebiger Provenienz ?)\tin sehr verd. Salzs\u00e4ure in salzs. L\u00f6sung-erhitzt bis z. 100\u00b0\to\to o_ oo CS\t-cf r~\tQO ! 1\tin schwach alkalischer L\u00f6sung\t(fast genau) \u201472\u00b0\nII. Das Serumglobulin.\nDas Serumglobulin (Panum\u2019s Serumcasein, A. Schmidt\u2019s fibrino-plastische Substanz, K\u00fchne\u2019s Paraglobulin) wurde zuerst von Panum6\n1\tHoppe-Seyler, Handb. d. physiol, u. pathol.-chem. Analyse. 3. Aufl. S. 197 u. 210. Berlin 1870 und 4. Aufl. S. 230 u. 245. Berlin 1875.\n2\tEichwald a. a. O. S. 76.\n3\tSoyka, xlrch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 347. 1876.\n4\tM\u00f6rner, Ebenda XVII. S.468. 1878.\n5\tHoppe-Seyler, Ztschr. f. Chemie u. Pharm. 1864. 737.\n6\tPanum, Arch. f. pathol. Anat. IV. S. 17. 1852.","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\ngenauer beschrieben. In geringer Menge erh\u00e4lt man es schon beim Verd\u00fcnnen des Serum mit einem vielfachen Volumen destillirten Wassers ; in gr\u00f6sserer Menge aus stark verd\u00fcnntem Serum durch vorsichtigen Zusatz von Essigs\u00e4ure oder durch Einleiten eines Stromes von Kohlens\u00e4ure. Es erscheint in Form eines weissen k\u00f6rnigen Niederschlages, der sich zu Flocken sammelt und zu Boden sinkt. Auf dem Filter gesammelt, kann er mit COi haltigem Wasser gewaschen werden.\nWegen seiner F\u00e4llbarkeit mit Wasser und Essigs\u00e4ure f\u00fchrte Pan cm f\u00fcr diesen von dem Serumalbumin verschiedenen K\u00f6rper den Namen Serumcasein ein, ohne dass er dadurch die Identit\u00e4t des K\u00f6rpers mit dem Casein der Milch aussprechen wollte. Pan\u00fcm\u2019s Versuche m\u00fcssen darum wohl unterschieden werden von jenen, die darauf ausgingen, das Vorkommen von Casein im Blut zu zeigen (Guillot und Leblanc 4, Moleschott 1 2) und sich auf einen nach Abscheidung des Hitzecoagulates aus dem Serum im Filtrate von diesem befindlichen, mit Essigs\u00e4ure f\u00e4llbaren K\u00f6rper bezogen, der aller Wahrscheinlichkeit nach einem erst beim Erhitzen entstehenden Albuminat entstammte. Ebenso w\u00e4re Panum\u2019s Serumcasein von dem fr\u00fcher (S. 97) erw\u00e4hnten Serumcasein K\u00fchne\u2019s und Eichwald\u2019s wohl zu unterscheiden, wenn sich Letzteres als Albuminat erwiesen h\u00e4tte.\nA. Schmidt3 4 5 6 7 8 erkl\u00e4rte den von Panum gefundenen K\u00f6rper wegen seiner F\u00e4llbarkeit durch CO-i und der Wiederl\u00f6slichkeit nach dem Austreiben der CO-2 durch ein anderes Gas f\u00fcr Globulin, wie das schon fr\u00fcher Lehmann4 andeutete, der die Eigenschaften des zuerst von Berzelius unterschiedenen Globulin genauer festzustellen suchte.\nA. Schmidt gebrauchte aber wegen der Beziehungen, in welchen nach seinen Versuchen diese Substanz zur Fibrinbildung steht, den Namen fibrinoplastische Substanz, w\u00e4hrend K\u00fchne 6 dieser specifischen Natur des K\u00f6rpers durch die Bezeichnung Paraglobulin zu gen\u00fcgen suchte. Da aber die von A. Schmidt der Substanz zugeschriebene Function zweifelhaft geworden ist, haben wir dieselbe nach dem Vorschl\u00e4ge von Weyl 7 und Hoppe-Seyler 8 als Serumglobulin bezeichnet.\nDas Serumglobulin ist unl\u00f6slich in Wasser, dagegen l\u00f6st es sich frisch gef\u00e4llt, leicht in verd\u00fcnnter L\u00f6sung von CINa. Es kann \u00fcber Schwefels\u00e4ure getrocknet und dann \u00fcber 100\u00b0 C. erhitzt werden, ohne\n1\tGuillot et Leblanc, Compt. rend. XXXI. p. 585. 1851.\n2\tMoleschott, Arch. f. physiol. Heilk. X. F. IL S. 105. 1852.\n3\tA. Schmidt, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1862. S. 428.\n4\tLehmann, Lehrb. d. physiol. Chemie 2. Aufl. S. 359. Leipzig 1853.\n5\tDerselbe a. a. O. I. S. 360.\n6\tK\u00fchne. Lehrb. d. physiol. Chemie S. 168 u. 175. Leipzig 1860.\n7\tWeyl, Ztschr. f. physiol. Chemie I. S. 72. 1877\u201478.\n8\tHoppe-Seyler, Physiol. Chemie S. 421. Berlin 1879.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Darstellung. F\u00e4llungsmittel.\n101\nseine L\u00f6slichkeit zu verlieren (Weyl1). Dagegen verliert es seine L\u00f6slichkeit in Salzen, wenn es l\u00e4ngere Zeit unter Wasser steht. In L\u00f6sung von Natriumcarbonat und in sehr verd\u00fcnnten alkalischen Laugen ist es ohne Ver\u00e4nderung seiner Eigenschaften l\u00f6slich. Die L\u00f6sungen des Serumglobulin in verd\u00fcnnter (XY-L\u00f6sung gerinnen zwischen 68\u201479\u00b0 C. Die Gerinnungstemperatur steigt mit der Raschheit des Erhitzens, sie sinkt bei steigendem Gehalt der L\u00f6sung an Serumglobulin und mit grossem Salzgehalt (Hammarsten2). Wird der L\u00f6sung das Salz durch Dialyse entzogen, so scheidet sich das Serumglobulin im Dialysator aus. Ebenso wird es gef\u00e4llt bei starkem Verd\u00fcnnen der L\u00f6sung, bei massiger Verd\u00fcnnung durch Einleiten von CO-2 oder vorsichtigem Zusatz von Essigs\u00e4ure; ferner wenn in die L\u00f6sung CIN a oder MgSOi in Substanz bis zur S\u00e4ttigung eingetragen wird. Durch alle genannten F\u00e4llungsmittel entstehen auch Niederschl\u00e4ge von Serumglobulin im Blutserum. Eine vollst\u00e4ndige Ausf\u00e4llung kann aber nur durch das von Hammarsten3 zuerst ge\u00fcbte Verfahren mit MgSO\\ erzielt werden, w\u00e4hrend bei keiner anderen Methode das Serumglobulin ersch\u00f6pfend ausgeschieden wird (Hammarsten4, Heynsius5 6, Eichwald0, Weyl7), was einer fr\u00fcheren Annahme (A. Schmidt8) widerspricht. Diese Frage ist von Wichtigkeit in Bezug auf die Bedeutung, welche dem Serumglobulin bei der Blutgerinnung zukommt und ferner ebenso f\u00fcr die quantitative Bestimmung des Serumeiweiss9, wie f\u00fcr die des Serumglobulin selbst, da f\u00fcr die Bestimmung des ersteren vorher alles Serumglobulin ausgef\u00e4llt werden muss.\nHammarsten10 fand, wenn er sich seiner Methode zur Ausf\u00e4llung des Serumglobulin bediente, nachdem er vorher an einer anderen Portion des Serum durch Coaguliren und Reinigen der Gesammt-eiweissstoffe diese bestimmt hatte und die Differenz von Serumglobulin und Gesammteiweiss als Serumalbumin berechnete :\n1\tWeyl a. a. 0.\n2\tHammarsten, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 64. 1S78.\n3\tDerselbe, Ebenda XVII. S. 413. 1878.\n4\tDerselbe a. a. 0.\n5\tHeynsius, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 1. 1869, XII. S. 549. 1876.\n6\tEichwald a. a. 0.\n7\tWeyl, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 675. 1876 und a. a. 0.\n8\tA. Schmidt. Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 422. 1872, XL S. 291. 1875; Beitr. z. Anat. u. Physiol. S. CI. Leipzig 1865; die Lehre von d. ferment\u00e2t. Gerinnungsersch. der eiweissart. thier. K\u00f6rperfi\u00fcssigk. S. 13. Dorpat 1876.\n9\tVgl. dar\u00fcber Liborius, Deutsch. Arch. f. klin. Med. X. S. 319. 1872 und Puls, Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 176. 1876.\n10\tHammarsten, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 459. 1878.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\nSerumart\tFeste\tGesammt-\tGlobulin\tSerum-\tLecithin,\tI Paraglobin\n\tStoffe\tEiweiss\t\talbumin\tFett, Salze\tSerum- albumin\n\t\t\t\t\t\t\nPferdeblutserum . . .\t8 597\t7.257\t4.565\t2.657\t1.340\t1 0.591 1 0.842\nRindsblutserum . . .\t8.965\t7.499\t4.169\t3.3299\t1.466\t\nMenschenblutserum .\t9.2075\t7.6199\t3.103\t4.516\t1.5876\t1 1.511\t!\nKaninchenblutserum\t7.525\t6.225\t1.788\t4.436\t1.209\t1\nDie so erhaltenen Werthe von Serumglobulin weichen von den fr\u00fcher von Heynsius1, A. Schmidt2 * und von Hammarsten2 selbst nach F\u00e4llung durch CO-i, Essigs\u00e4ure und Dialyse erhaltenen Werthen sehr betr\u00e4chtlich ab und zeigen, dass erhebliche Fehler f\u00fcr das Serumalbumin gemacht werden, wenn man das Hitzecoagulat des Serum, wie das fr\u00fcher meist geschah, als Serumalbumin allein in Rechnung bringt.\nL\u00f6sungen des Serumglobulin in m\u00f6glichst wenig Alkali werden durch geringen Zusatz von C/AVL\u00f6sung gef\u00e4llt, durch weiter zugef\u00fcgte Salzl\u00f6sung oder durch Verd\u00fcnnen mit Wasser wird der Niederschlag wieder gel\u00f6st (Hammarsten 4). Bei \u00fcbersch\u00fcssigem Alkali tritt diese Reaction nicht ein. M\u00f6glichst wenig Alkali enthaltende L\u00f6sungen von Serumglobulin gerinnen nicht beim Kochen, sie werden aber durch Salzzusatz coagulirbar gemacht (A. Schmidt5). Wenn aber salzfreie alkalische L\u00f6sungen von Serumglobulin auch beim Erhitzen keinen Niederschlag geben, so erleidet das Serumglobulin dabei doch eine Ver\u00e4nderung, da der beim Neutralismen gekochter alkalischer L\u00f6sungen von Serumglobulin entstehende. Niederschlag sich in Salzen nicht mehr aufl\u00f6st und wie f\u00e4llbares Eiweiss sich verh\u00e4lt (Br\u00fccke6 7). Aus frischgef\u00e4lltem Serumglobulin kann mittelst Kalilauge eine dem festen Lieberk\u00fckn\u2019schen Kalialbuminat entsprechende Gallerte und mittelst Phosphors\u00e4ure die in der Hitze schmelzende Gallerte gewonnen werden (Br\u00fccke:).\nDas Serumglobulin entsteht nach der Entfernung des Blutes aus\n1\tHeynsius, Arch. f. d. ges. Physiol. IL S. 26. 1869.\n2\tA. Schmidt, Ebenda VI. S. 424. 1872.\t3 Hammaksten a. a. 0.\n4\tDerselbe. Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 38. 1878.\n5\txA. Schmidt, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1862. S. 438.\n6\tBk\u00fccke, Sitzungsber. d. Wiener x\\cad. LV. 2. Abth. S. 884. 1867.\n7\tDerselbe a. a. 0.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Verh\u00e4ltniss von Serumalbumin und Serumglobulin, Blutgerinnung. 103\nden Gef\u00e4ssen durch einen raschen Zerfall der weissen Blutk\u00f6rperchen. Trennt man die letzteren durch Filtration von dem durch Eisk\u00e4lte fl\u00fcssig\u2019 erhaltenen Plasma ab, so erscheint das letztere \u00e4rmer an Serumglobulin, w\u00e4hrend die auf dem Filter befindlichen weissen Blutk\u00f6rperchen, mit sehr verd\u00fcnnter L\u00f6sung von Alkali behandelt, reichliche Mengen von Serumglobulin abgeben.\nDie im defibrinirten Blute noch vorhandenen weissen Blutk\u00f6rperchen stellen nur einen kleinen, dem Zerfall entgangenen Bruchtheil der im circulirenden Blute vorhandenen weissen Blutk\u00f6rperchen dar (A. Schmidt1). Im circulirenden Blute ist kein oder nur eine geringe Menge Serumglobulin vorhanden.\nIII. Die Ausscheidung des Fibrin aus dem Blute\n(Blutgerinnung).\nWir haben schon fr\u00fcher Gelegenheit genommen, einzelne von den \u00e4usseren Erscheinungen der Blutgerinnung kennen zu lernen und auch die Thatsache erfahren, dass die Gerinnung des Blutes auf der Ausscheidung des Fibrin aus dem Blutplasma beruht.\nWir m\u00fcssen aber jetzt auf die Bedingungen, unter welchen sich das Fibrin aus dem Blute ausscheidet, noch n\u00e4her eingehen.\nDie Gerinnung des Blutes vollzieht sich nicht mit einem Schlage, sie beginnt unscheinbar und hat bis zu dem Momente, wo keine weitere Ausscheidung von Fibrin aus dem Blute mehr eintritt, einen bestimmten zeitlichen Verlauf. Dieser ist in seinen einzelnen Phasen nur schwer zu verfolgen, zu charakterisiren und zu begrenzen.\nEs erkl\u00e4rt sich daraus das Schwankende in den Angaben einzelner Beobachter \u00fcber die Zeit, wann nach der Entfernung des Blutes aus den Gef\u00e4ssen des lebenden Thieres die Gerinnung auftritt.\nHewson2 giebt f\u00fcr diese Zeit 3\u20144 Minuten an: Thackrah3 f\u00fcr das Pferd 5\u201413 Minuten; den Ochsen 5\u201412; den Hund 1 \u2014 3; f\u00fcr Schaf, Schwein und Kaninchen V2\u20141(2; f\u00fcr das Lamm 1/2\u20141; f\u00fcr die Ente 1\u20142; das Huhn V2\u20141V2 ; die Taube meist augenblicklich. H. Nasse4 konnte nur die lange Gerinnungszeit f\u00fcr das Pferd best\u00e4tigen, die \u00fcbrige Reihe stellte sich ihm anders dar. Beim Menschen stellte H. Nasse ausf\u00fchrliche Betrachtungen an und fand die Zeit, zu welcher die erste erkennbare Fibrinausscheidung auftritt zwischen\n1\tA. Schmidt, Arch. f. d. ges. Physiol.XI. S. 526. 075.\n2\tHewson a. a. 0.\n3\tThackrah, Inquiry into the nature and propert. of the blood etc. p. 97. London 1819.\n4\tH. Fasse. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 104. 1842.","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\nI\n1 Min. 15 Sec. - o h\u00f6chstens 6 Min.; bei M\u00e4nnern im Mittel zu 3 Min. 45 Sec., hei Weibern 2 Min. 20 Sec. Bis zur ersten Auspressung von Serum aus dem Kuchen verflossen 7\u201413, h\u00f6chstens 16 Min.; im Mittel bei M\u00e4nnern 11 Min. 45 Sec., bei Weibern 9 Min. 5 Secunden.\nNach einer besonderen Methode hat H. Vierordt1 die Gerinnungszeit des menschlichen Blutes in kleinen etwa 2 C.-Millim. betragenden Blutproben zu bestimmen gesucht. Das Blut wurde in eine Glascapillare aufgenommen und ruckweise ein d\u00fcnnes weisses, wohl gereinigtes Pferdehaar darin bewegt. Dabei wurde die Zeit notirt, in welcher sich zuletzt ein Coagulum auf dem Haar niederschlug. Es ist zu bemerken, dass das Blut bei diesem Versuche w\u00e4hrend der Gerinnung bewegt wird, was, wie wir sp\u00e4ter sehen werden, die Ausscheidung des Faserstoffes beschleunigt, aber abgesehen davon bleibt die angegebene Technik noch immer bedenklich, weil es fraglich ist, ob das Fibrin sich gleichm\u00e4ssig und nur an das Haar anheftet. H. Vierordt giebt aber an, dass er bei verschiedenen Capillaren und bei Variation der Blutproben und der H\u00e4ufigkeit des Durchziehens des Haares so befriedigend \u00fcbereinstimmende Resultate erzielt hat, dass er die Methode f\u00fcr vergleichende Versuche als brauchbar erkl\u00e4ren muss. Offenbar wird aber hier die Zeit bestimmt, zu welcher die Faserstoffausscheidung unter den speciell gegebenen Bedingungen eben vollendet ist.\nH. Vierordt erhielt an sich selbst (23 J. 3. Mon. alt) w\u00e4hrend 56 Versuchstagen, an welchen mit einigen Ausnahmen 5 Beobachtungen angestellt wurden, Schwankungen der Gerinnungszeit von gr\u00f6sserer und kleinerer Periode, von welchen die ersteren ohne angeb-baren Grund ziemlich regelm\u00e4ssig mehrere Tage umfassten, w\u00e4hrend die letzteren mit Tageszeit und Febensweise einhergingen, wie die folgenden Mittelwerthe zeigen :\nTageszeit\tMittlere Gerinnungszeit\tAnmerkung\n9h 30'\u201410h 30' Morgens . . 12h 15/\u201412h 45/ Mittags .\t. lh 45'\u20142h 15' nach dem Essen 7 h\u20148h Abends\t nach Mitternacht\t\t9.63' 8.84' 10.19' 8.12' 9.65' Endmittel 9.28'\tkurz vor dem Fr\u00fchst\u00fcck, kurz vor dem Mittagsessen, nach dem Mittagsessen, vor dem Abendessen, vor dem Schlafengehen.\t, 1\n1 C. H. Vierordt, Arch. f. Heilk. XIX. S. 193. 1878.","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Gerinnungszeit, Abh\u00e4ngigkeit derselben, Speckhaut.\n105\nAls kleinste Zeit der ganzen Eeike wurde 3,5', als gr\u00f6sste 17,5' erkalten. Die kalbe Anzakl von 262 F\u00e4llen entsprickt der Zeit 7\u201410 Minuten. Leichtenstern1 wendete auf Vierordt\u2019s Zaklen die Wakr-sckeinlickkeitsrecknung an und fand, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die f\u00fcr die Zeiten vor und naek dem Mittagsessen gefundenen Wertke nickt auf Zufall beruken 1 : 25 ist und mit Beriicksicktigung der Zeiten f\u00fcr Vormittag und Abend 1 : 222.\nDas Lebensalter soll keinen constanten Einfluss auf die Gerinnung kaben (H. Nasse2). Dem Blut von Embryonen gebt in der ersten Zeit die Gerinnungsf\u00e4higkeit ab. Bis zum 12.\u201414. Bebr\u00fctungstage fand Boll3 beim Hukn Fehlen jeglichen Gerinnsels, vom 13. bis 14. Tage erstes Auftreten des Gerinnsels, vom 16.\u201417. Tage Bildung eines Blutkuchens.\nDas arterielle Blut gerinnt rascher als das ven\u00f6se (H. Nasse4, A. Schmidt5).\nDie Gerinnungszeit nimmt bei Aderl\u00e4ssen in sp\u00e4ter entleerten Portionen ab, oft wird das beim Menschen schon innerhalb eines m\u00e4ssigen Aderlasses sichtbar (Nasse6). Bei Nahrungsentziekung fand H. Vierordt7 die Gerinnung beschleunigt und damit glaubt er auch die bei vielen Krankheiten beobachtete Beschleunigung im Zusammenh\u00e4nge, \u00fcbrigens sei bei derselben Krankheitsform nicht immer dasselbe Resultat zu erhalten. Dasselbe gilt von der Verz\u00f6gerung der Gerinnung des Blutes bei entz\u00fcndlichen Krankheiten, die h\u00e4ufig aber nicht ausnahmslos beobachtet wird (Lehmann8, Wunderlich9).\nDen fr\u00fcher behaupteten Zusammenhang zwischen Gerinnungszeit und Menge des sich ausscheidenden Fibrin konnte Nasse nicht best\u00e4tigen. Sehr h\u00e4ufig trifft aber verlangsamte Gerinnung mit reichlicher Faserstoffausscheidung zusammen z. B. im Pferdeblut und im Blut bei Entz\u00fcndungskrankheiten. In langsam gerinnendem Blute haben die Blutk\u00f6rperchen Zeit, sich aus den obersten Schichten zu senken, tritt dann die Gerinnung ein, so bildet sich in den obersten Schichten ein k\u00f6rperchenfreier Kuchen aus, das ist die sog. Speckhaut (crusta flogistica), sie wird nicht bloss in entz\u00fcndlichem Blute, sondern in allem Blute beobachtet, welches langsam gerinnt und dessen\n1\tLeichtenstern, Unters, \u00fcber d. H\u00e4moglob. etc. S. 48. Leipzig 1878.\n2\tH. Nasse a. a. 0.\n3\tBoll, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1870. S. 718.\n4\tH. Nasse a. a. 0.\n5\tA. Schmidt, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1861. S. 545 u. 675.\n6\tH. Nasse a. a. 0.\n7\tH. Vierordt a. a. 0.\n8\tLehmann, Lehrb. d. physiol. Chemie. 2. Aufl. II. S. 196. Leipzig 1853.\n9\tWunderlich, Handb. d. Pathol, u. Ther. I. S. 560. Stuttgart 1852.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\nBlutk\u00f6rperchen sich rasch senken, wie das z. B. heim Pferdeblut normaler Weise der Fall ist.\nDer Vorgang der Blutgerinnung ist, wie sich ergehen wird, ein sehr complicirter und die Bildung des Fibrins von einer Reihe von Factoren abh\u00e4ngig, die einzeln ver\u00e4nderlich gedacht werden m\u00fcssen und im Hinblick darauf kann uns das Schwankende in den vorausgehenden Beobachtungen nicht besonders auffallen. Als Einfl\u00fcsse, welche die Gerinnung des Blutes verz\u00f6gern, haben wir schon fr\u00fcher niedrige Temperaturen, den Zusatz gewisser Salze und von Zuckerl\u00f6sung kennen gelernt, \u00e4hnlich wirkt auch das Glycerin1. Verz\u00f6gernd wirken ferner auch geringe Zus\u00e4tze von Alkalien und S\u00e4uren. Wird Blut schwach anges\u00e4uert und darauf wieder mit Ammoniak genau neutralisirt, so verliert es seine Gerinnbarkeit vollst\u00e4ndig (Br\u00fccke2). Bei der sogenannten H\u00e4mophilie (Bluterkrankheit) geht dem Blute die F\u00e4higkeit ab zu gerinnen. Dasselbe beobachtet man an dem Capillarblut von Leichen (Virchow3, Falk4). Letzterer hat f\u00fcr den Verlust der Gerinnbarkeit im Capillarblut der Leichen eine Erkl\u00e4rung gesucht, die sp\u00e4ter erw\u00e4hnt werden (S. 120) soll.\nBeschleunigt wird die Gerinnung durch m\u00e4ssiges Erw\u00e4rmen des Blutes (Hewson5). Die Gerinnung des Blutes ist mit einer geringen W\u00e4rmeentwicklung verbunden (Schiffer6, L\u00e9pine7).\nAls man anfing, \u00fcber die Ursachen der Blutgerinnung nachzudenken, dr\u00e4ngten sich den Beobachtern zun\u00e4chst vier Momente auf, in welchen die Veranlassung der Blutgerinnung gesucht werden konnte.\nDie Abk\u00fchlung, welche das Blut erleidet, wenn es aus den Adern des lebenden Thieres entfernt wird, die allerdings nur bei den Warmbl\u00fctern einigermassen bedeutend, bei den Kaltbl\u00fctern dagegen nur unbedeutend ist; das Auf h\u00f6ren der Bewegung, in welcher das Blut w\u00e4hrend des Lebens durch die fortw\u00e4hrende Th\u00e4tigkeit des Herzens erhalten wird ; die Ber\u00fchrung mit der atmosph\u00e4rischen Luft, in welche frei aus den Adern laufendes Blut gelangt ; ferner der Umstand, dass das Blut der Ber\u00fchrung mit seinen nat\u00fcrlichen Beh\u00e4ltern entzogen und mit fremden K\u00f6rpern, Glas, Metall etc. in Ber\u00fchrung kommt.\nDass die Abk\u00fchlung die Ursache der Blutgerinnung nicht ist, wurde schon von Heavson8 enviesen, der zeigte, dass die Abk\u00fchlung die\n1\tGr\u00fcnhagen, Ztschr. f. rat. Med. XXXYI. (3) S. 239. 1869.\n2\tBr\u00fccke, Arch. f. pathol. x\\nat. XII. S. 81. 1857.\n3\tVirchow, Cellularpathol. 4. Aufl. 1871. S. 194.\n4\tF. Falk, Arch. f. pathol. Anat. LIX. S. 26. 1873.\n5\tHewson a. a. 0.\n6\tSchiffer. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1868. S. 457.\n7\tL\u00e9pine, Gaz.m\u00e9d. 1876. p. 155.\n8\tHewson a. a. 0.","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Verz\u00f6gerung, Beschleunigung der Gerinnungszeit. Gerinnungsursachen. 107\nGerinnung\u2019 des Blutes nicht nur verz\u00f6gert, sondern dass Blut auch zum Gefrieren gebracht werden kann, ohne dass es gerinnt, w\u00e4hrend die Gerinnung im wieder aufgethauten Blute eintritt; dass dagegen Erw\u00e4rmen des Blutes die Gerinnung beschleunigt. Das Aufh\u00f6ren der Bewegung kann die Ursache der Blutgerinnung nicht sein, da es leicht ist, zu zeigen, dass gesch\u00fctteltes Blut ebenso gerinnt, wie ruhendes (Schr\u00f6der van der Kolk1), ja durch Peitschen des Blutes kann, wie wir schon sahen, der Faserstoff gerade m\u00f6glichst rasch und vollkommen aus dem Blute gewonnen werden. Die Ber\u00fchrung mit der Luft kann die Ursache der Blutgerinnung nicht sein, da auch unter Quecksilber aufgefangenes Blut gerinnt (Br\u00fccke2).\nEs bleibt noch das vierte Moment. Dass das Blut durch die Ber\u00fchrung mit der inneren Gef\u00e4sswand fl\u00fcssig erhalten bleibt, wurde zuerst von Cooper, der darauf hinwies, dass das Blut in den Ge-f\u00e4ssen der'Leiche sp\u00e4ter gerinnt als ausserhalb derselben, und von Thackrah3 vertheidigt, aber erst von Br\u00fccke4 endg\u00fcltig bewiesen. Br\u00fccke zeigte, dass man S\u00e4ugethierblut, welches bei 0!> C. 15 Minuten lang der Ber\u00fchrung der Luft ausgesetzt, in das Herz des eben get\u00f6dteten Thieres zur\u00fcckgef\u00fcllt und darin im Wasserdampf ges\u00e4ttigten Baume bei gew\u00f6hnlicher Zimmertemperatur aufbewahrt worden war, bis zu f\u00fcnf Stunden fl\u00fcssig erhalten kann und dass das Blut von Kaltbl\u00fctern bei demselben Versuche bis zu acht Tagen fl\u00fcssig bleibt. Jeder w\u00e4hrend dieser Zeit aus dem Herzen entnommene Blutstropfen gerinnt aber sofort unter den gew\u00f6hnlichen Erscheinungen. Aehnliches wie das Herz leisten die Wandungen der Arterien und Venen. Der Einfluss der Gef\u00e4sswand kann aber nicht so vorgestellt werden, als sei sie die einzig indifferente Wand, mit welcher das Blut in Ber\u00fchrung kommen kann, ohne zu gerinnen, w\u00e4hrend die Ber\u00fchrung mit fremden K\u00f6rpern es gerinnen macht. W\u00e4re das letztere der Fall, dann m\u00fcsste das Einbringen fremder K\u00f6rper in die Blutgef\u00e4sse das Blut in denselben in ganzer Masse zum Gerinnen bringen, w\u00e4hrend es sich zeigt, dass im letzteren Falle nur an der Oberfl\u00e4che jener K\u00f6rper Gerinnungen sich niederschlagen.\nLister5 band Blut in einer Vene durch zwei Ligaturen ab und bestrich zur Widerlegung einer von Richardson6 aufgestellten Gerinnungstheorie die eine H\u00e4lfte der Vene aussen mit Ammoniak, die\n1\tSchr\u00f6der van der Kolk, Comm. de sangu. coagul. Groning 1820.\n2\tBr\u00fccke a. a. 0.\n3\tThackrah a. a. 0.\n4\tBr\u00fccke a. a. 0.\n5\tLister, Arch. f. physiol. Heilk. 1858. S. 259.\n6\tRichardson, The cause of the coagulat. of the blood. London 1858.","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\nandere H\u00e4lfte nicht. Es zeigte sich das Blut in der ersteren H\u00e4lfte geronnen, in der letzteren nicht offenbar, weil die Eigenschaften der Gef\u00e4sswand in der ersteren durch die Wirkung des Ammoniaks ver\u00e4ndert waren, in der letzteren nicht,\nNach Richardson h\u00e4tte man das Umgekehrte erwarten m\u00fcssen, da er behauptete, die Gerinnung des Blutes beruhe darauf, dass aus dem abgelassenen Blute Ammoniak entweicht. Auf die Gerinnungstheorie Richardson\u2019s hier n\u00e4her einzugehen, unterlassen wir, sie ist l\u00e4ngst widerlegt. Dasselbe gilt von der gek\u00fcnstelten Lehre Mathieu\u2019s & Urbain\u2019s1, der zufolge das Fibrin durch die w\u00e4hrend des Lebens von den Blutk\u00f6rperchen gebundene Kohlens\u00e4ure gef\u00e4llt werden soll, wenn dieselbe beim Ablassen des Blutes durch Sauerstoff aus den Blutk\u00f6rperchen ins Plasma ausgetrieben wird.\nMathieu & Urbain wurden von Gautier'2, Glenard3 und Fr\u00e9-dericq4 widerlegt.\nDie oben auseinandergesetzte Thatsache, dass durch den Einfluss der Gef\u00e4sswand der Ablauf einer Reihe von Erscheinungen am Blute gehemmt wird, die auftreten, wenn das Blut dem Einfluss der Gef\u00e4sswand entzogen ist, stellt uns offenbar vor die Frage, welcher Art dieser Einfluss ist.\nDie Aussicht, an die L\u00f6sung derselben heranzutreten, hat sich uns erst er\u00f6ffnet durch die bessere Kenntniss der inneren Vorg\u00e4nge bei der Gerinnung des Blutes, zu deren Darstellung geschritten werden soll, nachdem wir vorerst noch das feste Product der Gerinnung, den Faserstoff n\u00e4her kennen gelernt haben werden.\nIV. Das Fibrin.\nDas Fibrin (Faserstoff) wird, wie erw\u00e4hnt, in Form fadiger Flocken beim Ausschlagen oder in Form von gallertigen St\u00fccken durch Zerschneiden des Blutkuchens gewonnen. Im ersteren Falle ist es von den Einschl\u00fcssen leichter zu reinigen als im letzteren Falle. Man w\u00e4scht es so lange mit destillirtem Wasser, bis es v\u00f6llig weiss erscheint.\nDas nach der Extraction mit Wasser noch mit Alkohol und Aether zur Entfernung der l\u00f6slichen Substanzen und Fette extrahirte Fibrin ist als reines Fibrin oft analysirt worden.\n1\tMathieu et Urbain, Compt. rend. LXXIX. p. 665 et 698. 1874.\n2\tGautier, Compt. rend. LXXX. p. 1360, LXXXI. p. 899. 1875.\n3\tGlenard, Compt. rend. LXXXI. p. 102, 897. 1875.\n4\tFr\u00e9d\u00e9ricq, Recherch. sur la constit. du plasma sanguin. Gand 1878.","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Gerinnungstheorien. Fibrin, L\u00f6slichkeit in Salzen.\n109\nEine neuere Analyse r\u00fchrt von Kistiakowsky 1 her. Sie ist mit Fibrin angestellt, welches nach sorgf\u00e4ltigem Waschen mit Wasser zur Entfernung des Serumglobulins unter einer 3% (XVa-L\u00f6sung gestanden hatte und dann mit Alkohol und Aether extrahirt wurde. Es ergab sich die procentische Zusammensetzung 52,32 C, 7,07//, 16,23 JY, 1,35 S, 23,03 0.\nIm feuchten Zustande enth\u00e4lt das Fibrin viel Wasser. In Essigs\u00e4ure und anderen Pflanzens\u00e4uren, sowie in sehr verd\u00fcnnten Minerals\u00e4uren (1 pro mille CIH) quillt dasselbe stark auf und wird glasartig durchscheinend.\nIn st\u00e4rkeren S\u00e4uren schrumpft es wieder. In den Laugen der Alkalien und alkalischen Erden l\u00f6st es sich auf und bildet dabei Albuminate. In Salzl\u00f6sungen schrumpft es durch Wasserentziehung, war es vorher in S\u00e4uren gequollen, so schrumpft es dabei noch st\u00e4rker zusammen (vergl. oben S. 98). Im frischen feuchten Zustande zerlegt es energisch Wasserstoffsuperoxyd unter Entwicklung von Sauerstoff (Th\u00e9nard 1 2, Gianuzzi 3, A. Schmidt 4).\nBei anhaltendem Behandeln mit L\u00f6sungen von Salpeter, Kochsalz, Bittersalz und anderen Salzen zerf\u00e4llt es unter Entwicklung fauligen Geruches nach k\u00fcrzerer oder l\u00e4ngerer, oft erst sehr langer Zeit. Das Fibrin aus dem Blut verschiedener Thierspecies und aus verschiedenen Blutarten zeigt hierbei grosse Verschiedenheiten (Denis 5, Scherer 6, Zimmermann 7, Lehmann 8). Die Gr\u00fcnde des verschiedenen Verhaltens sind noch nicht genauer festgestellt. Man hat nur erfahren, dass geringe Aenderungen der sehr complicirten Bedingungen (s. unten), die bei der Bildung des Fibrins Zusammenwirken, zur Ausscheidung von leichter und schwerer l\u00f6slichem Fibrin auch aus demselben Blute f\u00fchren k\u00f6nnen. Auch gegen Natronlauge verh\u00e4lt sich Fibrin verschiedener Thiere in Bezug auf seine L\u00f6slichkeit verschieden (Deutschmann 9).\nDie tr\u00fcben L\u00f6sungen, welche beim Zerfall in Salzen resultiren, gerinnen beim Erhitzen, was von Denis und vielen sp\u00e4teren Autoren\n1\tKistiakowsky. Arch. f. d. ges. Physiol. IX S. 438. 1874. Vergl. damit auch die Analysen Maly\u2019s ebenda S. 585.\n2\tTh\u00e9nard, Ann. de chim. et phys. XI. 1. s\u00e9r. p. 86.1819 ; Trait\u00e9 de chim. 4. \u00e9d. IV. p. 359. 1824.\n3\tGiannuzzi, Arch. f. pathol. Anat. XXXIV. S. 443. 1865.\n4\tA. Schmidt, H\u00e4matol. Studien. Dorpat 1865.\n5\tDenis. Essai sur l\u2019applicat. de la chim. \u00e0 l\u2019\u00e9tude physiol, du sang. Paris 1838; Nouv. \u00e9tude chim. Paris 1856; M\u00e9m. sur le sang. Paris 1859.\n6\tScherer, Ann. d. Chemie u. Pharm. XL. S. .18\t.\n7\tZimmermann, Arch. f. physiol. Heilk. V. S. 349. 1846, VI. S. 53. 1847.\n8\tLehmann, Lehrb. d. physiol. Chemie. 2. Aufl. S. 334. Leipzig 1853.\n9\tDeutschmann, Arch. f. d. ges. Physiol. XL S. 509. 1875.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110 Rollett, Physiologie des Blutes. 2. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\ndahin gedeutet wurde, dass aus dem Fibrin l\u00f6sliches Eiweiss gebildet werde. Allein das Zerfallsproduct des Fibrins wird auch beim Verd\u00fcnnen der salzigen L\u00f6sung mit Wasser gef\u00e4llt, was schon Berzelius als gegen Denis' Annahme sprechend hervorhob. Ebenso wird es gef\u00e4llt durch Eintr\u00e4gen von gepulvertem Kochsalz. Es entsteht also beim Faulen von Fibrin eine Globulinsubstanz.\nGautier 1 hat zwar neuerlich wieder behauptet, dass er aus L\u00f6sungen von Fibrin in 10% Kochsalzl\u00f6sung, die er durch Diffusion vom Kochsalz befreite, Eiweiss durch Kochen abgeschieden habe, dessen Zusammensetzung mit dem WuRTz\u2019schen Eiweiss \u00fcberein-stimmte, allein die Reactionen seiner dialysirten L\u00f6sung waren nicht die einer dialysirten Eiweissl\u00f6sung (s. o. S. 94), sondern die einer gew\u00f6hnlichen Eiweissl\u00f6sung. Seine L\u00f6sung war also noch stark salzhaltig und ihre Reactionen k\u00f6nnen dann ebenso gut von Globulin abgeleitet werden.\nBleibt in S\u00e4uren gequollenes Fibrin lange Zeit bei gew\u00f6hnlicher Temperatur stehen, so l\u00f6st es sich allm\u00e4hlich auf, w\u00e4hrend es in der Fl\u00fcssigkeit gew\u00f6hnlich zu Schimmelbildung kommt, die L\u00f6sung enth\u00e4lt Syntonin. Die Bildung von Syntonin wird durch massige Temperaturerh\u00f6hung beschleunigt. In saurem Magensaft oder k\u00fcnstlicher Pepsinl\u00f6sung zerf\u00e4llt das Fibrin sehr rasch unter Bildung von Syntonin und eines Eiweissk\u00f6rpers, der nach dem Abstumpfen der freien S\u00e4ure beim Kochen gerinnt (Br\u00fccke1 2). Wird Fibrin in Wasser gekocht, so schrumpft und erh\u00e4rtet es und wird dabei zugleich chemisch ver\u00e4ndert, denn es verliert die F\u00e4higkeit, in Salzl\u00f6sungen unter Bildung einer beim Kochen gerinnenden Eiweisssubstanz zu zerfallen. Ebenso giebt es dann mit saurer Pepsinl\u00f6sung kein beim Kochen gerinnendes Zerfallsproduct mehr (Br\u00fccke 3). Ueber quantitative Bestimmung des Fibrins vergl. Hoppe-Seyler\u2019s Handbuch der physiol, und pathol.-ehern. Analyse. 4. Aufl.\nY. Das Fibrinogen.\nAusser den zwei Eiweissk\u00f6rpern, welche nach der Ausscheidung des Fibrins aus dem Blute sich im Serum vorfinden und die wir als Serumalbumin und Serumglobulin schon kennen gelernt haben, m\u00fcssen wir nun noch einen dritten betrachten, der im Serum nicht vorhanden ist, wohl aber im Blutplasma: das Fibrinogen oder die fibrino-\n1\tGautier, Compt. rend. LXXIX. p. 227. 1874.\n2\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XXXVII. S. 179. 1859.\n3\tDerselbe a. a. 0.","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Zerfallsproducte, Fibrinogen, Vorkommen.\nIll\ngene Substanz. Dieser muss als die Muttersubstanz des Fibrins angesehen werden, er erleidet aber die Umwandlung zu Fibrin erst durch die Einwirkung anderer Substanzen und giebt, so lange die letzteren fehlen, nicht zur Fibrinbildung Veranlassung. Man ist zu dieser Erkenntniss erst durch eine lange Reihe von Arbeiten, an welchen A. Schmidt1, Hammarsten2 3 und Fr\u00e9d\u00e9ricq 3 den hervorragendsten Antheil nahmen, gelangt. Die Schwierigkeiten, welche sich der Entwicklung dieser Lehre entgegenstellten und die mannigfachen Wandlungen, welche die Anschauungen \u00fcber die Bildung des Fibrins durchgemacht haben, sollen erst im folgenden Abschnitte n\u00e4her betrachtet werden. Zun\u00e4chst wollen wir nur die Eigenschaften des vom Serumalbumin und Serumglobulin verschiedenen dritten Eiweissk\u00f6rpers des Blutes und seine Darstellung kennen lernen. Das Fibrinogen kommt nicht nur im Blutplasma und anderen nach der Entfernung aus ihren nat\u00fcrlichen Beh\u00e4ltern freiwillig gerinnenden Fl\u00fcssigkeiten (Lymphe, Chylus) vor, sondern auch in Transsudaten (Hydrocele-fl\u00fcssigkeit, Pericardial-, Peritonealtranssudaten etc.) vor, welche nach der Entleerung aus jenen H\u00f6hlen nicht freiwillig gerinnen (A. Schmidt4 5). Gerade einzelne solcher nicht gerinnender Transsudate (A. Schmidt\u2019s fibrinog\u00e8ne Fl\u00fcssigkeiten) sollen zum Unterschiede von den freiwillig gerinnenden Transsudaten (A. Schmidt\u2019s 5 plastischen Fl\u00fcssigkeiten) neben Serumalbumin nur Fibrinogen enthalten, w\u00e4hrend letztere neben Serumalbumin und Fibrinogen auch noch Serumglobulin enthalten. Es ist das hervorzuheben, weil die Trennung von Fibrinogen und Serumglobulin in dem Falle, wo beide K\u00f6rper nebeneinander in derselben Fl\u00fcssigkeit sich befinden, vor der freiwilligen Ausscheidung des Fibrins aus diesen Fl\u00fcssigkeiten sehr schwierig ist. Ist die Ausscheidung des Fibrins aber einmal erfolgt, dann ist in der Fl\u00fcssigkeit, wie das auch beim Blutserum der Fall ist, kein Fibrinogen mehr, wohl aber Serumglobulin enthalten.\nZu trennen sind beide Substanzen, wenn sie in einer Fl\u00fcssigkeit nebeneinander Vorkommen, darum so schwer, weil sie beide durch\n1\tA. Schmidt, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1861. S. 545 u. 676, 1862. S. 428 u. 533 ; Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 413. 1872, IX. S. 353. 1874, XI. S. 291 u. 515. 1875, XIIL S. 93 u. 146. 1876 ; Die Lehre von d. ferment\u00e2t. Gerinnnngsersch. etc. Dorpat 1876.\n2\tHammarsten, Nova act. Reg. Soc. Upsal. Ser. 3. XI. ; Upsala l\u00e4karef\u00f6renings f\u00f6rhandlingar XI. 1876 (nach Maly\u2019s Jahresber. VI. S. 15. 1876); Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 211. 1877, XVII. S. 413. 1878, XVIII. S. 38. 1878, XIX. S. 563. 1879.\n3\tFr\u00e9d\u00e9ricq, Arch. deZool. exper. 1877. No. 1 ; Bull, de l\u2019acad. roy.de Belgique LXIV. 2. s\u00e9r. No. 7. 1877 ; Recherch. sur la constit. du plasma sanguin. Gand 1878.\n4\tA. Schmidt, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1861. S. 545 u. 675.\n5\tDerselbe, Die Lehre von d. ferment\u00e2t. Gerinnungsersch. etc. S. 22. Dorpat\n1876.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\nganz \u00fcbereinstimmende Operationen aus den Fl\u00fcssigkeiten, in welchen sie enthalten sind, niedergeschlagen werden1. Die brauchbarsten Methoden daf\u00fcr sind beim Serumglobulin angef\u00fchrt und wird auf dieses verwiesen.\nEin Gemenge2 beider Substanzen wurde denn auch zuerst von Denis3 aus dem Blutplasma gef\u00e4llt, dadurch dass er 6 Theile frisch aus der Ader gelassenes Blut mit 1 Theil einer ges\u00e4ttigten L\u00f6sung von Ka-iSOi mischte, die Blutk\u00f6rperchen sich absetzen liess und nun in das abgehobene Salzplasma gepulvertes CINa bis zur S\u00e4ttigung eintrug. Der Niederschlag, auf dem Filter gesammelt, l\u00f6ste sich noch feucht in Wasser und es schied sich dann aus diesem ein Fibringerinnsel aus. Denis nannte den Niederschlag Plasmin und hielt ihn f\u00fcr die gef\u00e4llte Muttersubstanz des Fibrin.\nEs ergiebt sich aus dem Gesagten, dass auch das Fibrinogen zu den Globulinsubstanzen gerechnet werden muss, und dass im Fibrinogen und Serumglobulin zwei in ihren Reactionen sehr \u00fcbereinstimmende Eiweisssubstanzen vorliegen.\nDie Bestrebungen, beide Substanzen auch in den F\u00e4llen, wo sie wie im Blutplasma, neben einander Vorkommen, zu trennen, haben aber doch nach und nach immer gr\u00f6ssere Verschiedenheiten derselben aufgedeckt.\nAus Pferdeblut schied A. Schmidt4 nach einander zuerst das Serumglobulin, dann das Fibrinogen ab.\nSehr entschieden verfolgte dieses Ziel Hammarsten. Er liess frisches Blut in 3\u20144 Yol. einer ges\u00e4ttigten Bittersalzl\u00f6sung fliessen, filtrirte die Blutk\u00f6rperchen ab und f\u00e4llte das Salzplasma mit dem gleichen Volumen ges\u00e4ttigter C/A \u00ab-L\u00f6sung. Der erhaltene Niederschlag in 8% C/A \u00ab-L\u00f6sung aufgel\u00f6st, abermals mit ges\u00e4ttigter ClNa-L\u00f6sung gef\u00e4llt und diese Procedur mehrere Male wiederholt, giebt zuletzt feucht vom Filter genommen und in Wasser eingetragen, eine 1\u20141,5 % CINa enthaltende aber von anderen Stoffen freie Fibrinogenl\u00f6sung. Reine Fibrinogenl\u00f6sungen erhielt Hammarsten auch durch Auswaschen des ersten Niederschlages aus dem Salzplasma mit halbges\u00e4ttigter Kochsalzl\u00f6sung. Endlich auch, wenn er aus dem nach Gautier\u2019s Verfahren erhaltenen 4 \u00b0/0 CINa enthaltenden Kocln-salzplasma nach den zwei angef\u00fchrten Methoden F\u00e4llungen erzeugte und verarbeitete.\n1\tA. Schmidt. Die Lehre von d. ferment\u00e2t. Gerinnungsersch. etc. S. 13. Dorpat\n1876.\n2\tDerselbe, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 443. 18 /2.\n3\tDenis. Compt. rend. LUI. p. 1239. 1861.\n4\tA. Schmidt, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1861. S. 428 u. 533.","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Reine L\u00f6sung; xAbwesenheit in den rothen Blutk\u00f6rperchen.\n113\nF\u00fcr die so dargestellten L\u00f6sungen sucht Hammarsten zu beweisen, dass sie frei sind sowohl von Serumalbumin als Serumglobulin. Es erleidet ferner das Fibrinogen durch diese Darstellung keine Ver\u00e4nderung seiner Eigenschaften. Die L\u00f6sungen des Fibrinogen in CI Na gerinnen schon bei verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig niederen Temperaturen, bei 52\u201455\u00b0 C. In m\u00f6glichst wenig Alkali gel\u00f6stes Fibrinogen gerinnt bei 56\u00b0\u201458\u00b0 C. (Hammarsten'). Zu demselben Resultate gelangte Fr\u00e9d\u00e9ricq1 2. Er verschaffte sich Plasma nach Glenard durch Schichtung von in einem aufgeh\u00e4ngten abgesperrten Blutgef\u00e4ss fl\u00fcssig erhaltenem Blut und sah, dass dasselbe nach dem Erhitzen auf 56\u00b0 C. aus dem Gef\u00e4sse entleert nicht mehr gerann, im Plasma war aber dann eoagulirtes Fibrinogen ausgeschieden. Sammelte er Plasma durch Abk\u00fchlung des Blutes oder durch Zusatz von Salzen (MgSOi) zu demselben, so erfolgte auch in diesem die Ausscheidung des Fibrinogen bei 56\u00b0 oder in Folge des Salzzusatzes der die Gerinnungstemperatur herabsetzt, bei noch etwas niedrigerer Temperatur; Die Menge Fibrinogen, welche sich bei 56\u00b0 aus dem Pferdeblutplasma ausschied, bestimmte Fr\u00e9d\u00e9ricq zu 0,4299 %. Durch \u00fcbersch\u00fcssige alkalische Laugen wird Fibrinogen in Alkalialbuminate, durch S\u00e4uren in Synto-nin verwandelt (A. Schmidt3).\nIn m\u00f6glichst wenig Alkali gel\u00f6stes Fibrinogen wird durch Zusatz geringer Mengen Kochsalz gef\u00e4llt. Beim Zusatz von mehr Alkali oder Salz l\u00f6st sich die F\u00e4llung wieder (Hammarsten4 5). Das Fibrinogen ist, wie aus den vorgebrachten Thatsachen hervorgeht, im Plasma des Blutes vorhanden, \u00fcber seine Herkunft ist nichts Sicheres bekannt.\nDass es auch in den rothen Blutk\u00f6rperchen vorkomme oder wenigstens in den rothen Blutk\u00f6rperchen gewisser Thiere, m\u00fcsste angenommen werden, wenn es richtig w\u00e4re, dass das bei der Blutgerinnung entstehende Fibrin nicht allein aus dem Plasma, sondern auch aus den rothen Blutk\u00f6rperchen herr\u00fchrt. Die letztere Anschauung ist von mehreren Seiten vertheidigt worden, aber mit Unrecht.\nWerden die kernhaltigen rothen Blutk\u00f6rperchen von V\u00f6geln und Amphibien aus defibrinirtem Blut absetzen gelassen und mit Wasser behandelt, so beobachtet man die Bildung einer Gallerte (zweite Gerinnung von A. Schmidt 5 und Semmer 6). Mit Kohlens\u00e4ure oder wenig Essigs\u00e4ure\n1\tHammarsten, Upsala l\u00e4karef\u00f6rening f\u00f6rhandlingar XI. ; Maly\u2019s Jahresber. 1876. S. 15 ; Arch. f. d. ges. Physiol. XIX. S. 599. 1879.\n2\tFr\u00e9d\u00e9ricq, Bull, de l\u2019acad. roy. Belg. LXIV. 2. s\u00e9r. No. 7. 1877.\n3\tA. Schmidt, Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 135. 1876.\n4\tHammarsten a. a. 0.\n5\tA. Schmidt. Die Lehre von d. ferment\u00e2t. Gerinnungsersch. etc. S. 59. Dorpat\n1876.\n6\tSemmer, Ueber die Faserstoff bildung im Amphibien- und Vogelblut etc. S. 28. Dorpat 1874.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\n8","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\nenthaltendem Wasser kann dem K\u00f6rperchensediment das H\u00e4moglobin entzogen werden, so dass Stromata und Kerne weiss Zur\u00fcckbleiben, diese mit Wasser versetzt geben wieder eine Gallerte. A. Schmidt 1 selbst macht aber schon darauf aufmerksam, dass man es bei der Bildung jener Gallerten m\u00f6glicherweise mit einem der Fibringerinnung nur \u00e4usserlich \u00e4hnlichen Vorgang zu thun habe.\nDas scheint uns hier ebenso der Fall zu sein, wie bei den Gallerten, welche Hoppe-Seyler 2 beim vorsichtigen Zusatz von Wasser zu in Salzl\u00f6sung sedimentirten Blutk\u00f6rperchen von S\u00e4ugethieren erhielt und wie bei der Bildung des sog. Stromafibrin von Landois 3 im Falle der Aufl\u00f6sung der Blutk\u00f6rperchen einer Species im Serum einer andern.\nVerkleben der entf\u00e4rbten und gequollenen Stromata der Blutk\u00f6rperchen und auf diese Weise gebildete Gallerten erh\u00e4lt man auch leicht, wenn man das Blutk\u00f6rperchensediment defibrinirten Blutes frieren l\u00e4sst und bei 0\u00b0 wieder aufthaut, oder wenn man das Sediment in cylindrischen R\u00f6hrchen mit passenden Electroden1 2 3 4 mit den Entladungsschl\u00e4gen der Leydner Flasche behandelt. Im letzteren Falle erh\u00e4lt man die Form des R\u00f6hrchens nachahmende wurstf\u00f6rmige Massen. Man hat es in allen diesen F\u00e4llen nicht mit Fibrinbildung zu thun.\nDie Versuche von Heynsius5 und van der Horst6 \u00fcber die Abkunft des Fibrins aus den rothen Blutk\u00f6rperchen, namentlich der Hauptversuch von Heynsius7, wobei Blut bei 0\u00b0 C. in 2\u20144% C7/V\u00ab-L\u00f6sung aufgefangen ; von den sedimentirten Blutk\u00f6rperchen das Plasma m\u00f6glichst entfernt wurde und zu dem Sediment Wasser oder Blutserum gef\u00fcgt wurde, worauf es zu einem festen Kuchen gerann, erkl\u00e4ren sich zum Theil nach der eben vorgebrachten Deutung, zum Theil aus den Resten von Plasma und der Menge von weissen Blutk\u00f6rperchen, welche im Sediment vorhanden sind.\nVI. Die Bildung des Fibrin und das Fibrinferment.\nF\u00fcr die Kenntnisse, welche wir heute \u00fcber die Bildung des Fibrin besitzen, war eine Thatsache ausschlaggebend, welche zuerst von Buchanan8 beobachtet, dann aber von A. Schmidt selbstst\u00e4ndig wieder gefunden wurde. Sie besteht darin, dass gewissen freiwillig nicht gerinnenden Transsudaten die F\u00e4higkeit zu gerinnen ertheilt werden kann durch Zusatz einzelner Bestandteile des geronnenen Blutes oder durch Gewebest\u00fccke und deren w\u00e4sserige Extracte. Die\n1\tA. Schmidt a. a. 0. S. 61.\n2\tHoppe-Seyler, Hanclb. d. physiol. u. pathol.-chem. Analys. 2. Aull. S. 305. Berlin 1865.\n3\tLandois, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1874. S. 419.\n4\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad. L. 2. Abth. S. 198. Fig. 7. 1864.\n5\tHeynsius, Arch. f. d. ges. Physiol. IL S. 1. 1869.\n6\tvan der Horst, Over de eiwitachtige stoffen van het blood. Leiden 1868.\n7\tHeynsius, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 414. 1870.\nS Buchanan, Proceed, of the phil. soc. of Glasgow 1845.","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Sog. Stromafibrin, Fibringeneratoren.\n115\nBeobachtung Buchanan\u2019s beschr\u00e4nkte sich auf die Gerinnung von Hydrocelefltissigkeit nach Zusatz von Blutfibrin und Fleisch.\nA. Schmidt1 zeigte aber, dass freiwillig nicht gerinnende Transsudate durch Zusatz von Blutserum oder defibrinirtem Blute ein Gerinnsel absetzen, welches sich allm\u00e4hlich contrahirt, wie der Blutkuchen, dass der Erfolg schneller eintritt, wenn defibrinirtes Blut als wenn Serum zugesetzt wird und dass man nach der Contraction des gebildeten Kuchens ein Serum gewinnt, welches wieder gerinnungs-erregend auf Transsudate wirkt.\nWie das Blutserum und defibrinirte Blut wirkten auch w\u00e4sserige Extracte einiger Gewebe.\nA. Schmidt'2 bem\u00fchte sich nun auch, die Substanz aus dem Serum zu isoliren, welche demselben seine Wirksamkeit verleiht und es gelang ihm, nachzuweisen, dass dem Niederschlage von Serumglobulin (\"seiner fibrinoplastischen Substanz), welche er aus dem verd\u00fcnnten Serum mittelst CO2 erhielt, diese Wirksamkeit anhafte und zugleich zeigte er, dass das Serum, aus welchem dieser Niederschlag gewonnen wurde, seine Wirksamkeit auf Transsudate eingeb\u00fcsst hatte.\nSchmidt3 zeigte ferner, dass die F\u00e4higkeit der Transsudate, auf die erw\u00e4hnten Zus\u00e4tze zu gerinnen, an die Gegenwart einer anderen Globulinsubstanz in den Transsudaten gekn\u00fcpft ist. Auch diese schied er als Fibrinogen aus den Transsudaten ab und zeigte, dass dann die Transsudate die F\u00e4higkeit, auf Zusatz von fibrinoplastischer Substanz zn gerinnen, verloren haben. Bringt man dagegen L\u00f6sungen der gesondert dargestellten fibrinoplastischen und fibrinogenen Substanz in Salzen oder Alkalien zusammen, so scheidet sich aus der Mischung Fibrin aus. Es muss aber daf\u00fcr gesorgt werden, dass die alkalischen L\u00f6sungen einen gewissen Gehalt an Salzen besitzen und dass ein Ueberschuss der L\u00f6sungsmittel in denselben nicht zugegen ist.\nA. Schmidt bezeichnete die fibrinoplastische Substanz (Serumglobulin) und die fibrinogene Substanz als Fibringeneratoren.\nDie Annahme, dass das Zusammenwirken der zwei Fibringeneratoren gen\u00fcge, um Fibrinbildung hervorzurufen, welche A. Schmidt anf\u00e4nglich machte, erwies sich aber nicht als ausreichend und wurde von A. Schmidt4 bald erweitert und modificirt.\nSchon Br\u00fccke5 lenkte die Aufmerksamkeit auf eine Reihe von durch A. Schmidt selbst ermittelte Thatsachen, die es ihm wahrscheinlich mach-\n1\tA. Schmidt, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1861 u. 1862.\n2\tDerselbe a. a. 0.\n3\tDerselbe a. a. 0.\n4\tDerselbe, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. u. IX.\n5\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LV. 2. Abth. S. 891. 1867.\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116 Kollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\nten, dass nicht das Serumglobulin (Paraglobulin) als solches die fibrino-plastische Substanz sei, sondern dass vielmehr die fibrinoplastische Substanz eine von dem Serumglobulin-Niederschlage mechanisch mitgerissene, dieser nur anhaftende Substanz sei. Unter diesen Thatsachen f\u00fchrte Br\u00fccke die geringe Wirksamkeit des Serumglobulinniederschlages im Vergleiche mit derselben Menge defibrinirten Blutes an; die gr\u00f6ssere Wirksamkeit des aus weniger verd\u00fcnntem Serum dargestellten Niederschlages von Serumglobulin, im Vergleiche zur geringeren Wirksamkeit des aus mehr verd\u00fcnntem Serum dargestellten Niederschlages, w\u00e4hrend man im ersteren Falle die umgekehrte, im zweiten Falle die gleiche Wirksamkeit voraussetzen m\u00fcsste, wenn das Serumglobulin die fibrinoplastische Substanz w\u00e4re.\nIn der That fand Schmidt1 sp\u00e4ter die Vermuthung Br\u00fccke\u2019s best\u00e4tigt, indem er einen dritten Factor der Fibrinbildung die von ihm als Fibrinferment bezeichnete Substanz auffand. Fibrinogen und fibrinoplastische Substanz, welche Bezeichnung Schmidt f\u00fcr das Serumglobulin beibehalten wissen wollte, bilden aber auch nach der neueren Anschauung A. Schmidt\u2019s das Material, aus welchem der Faserstoff entsteht.\nNiemals k\u00f6nne es in einer Fl\u00fcssigkeit, welche nur eine dieser Substanzen enthalte, zur Gerinnung kommen, ausser den beiden Fibringeneratoren ist aber noch die Gegenwart des Fibrinfermentes eine ebenso noth wendige Bedingung f\u00fcr die Faserstoffbildung. Die dritte Substanz geht zwar nicht in die Masse des Fibrin ein, sondern bleibt in der Fl\u00fcssigkeit zur\u00fcck, ohne dieselbe kommt es aber zu keiner Fibrinbildung und von ihrer Menge ist die Geschwindigkeit der Fibrinbildung abh\u00e4ngig.\nDas Fibrinferment kann in w\u00e4sseriger L\u00f6sung gewonnen werden, wenn man Blutserum mit dem 15\u201420 fachen Volumen starken Alko-holes f\u00e4llt, welcher vier Wochen bis einige Monate \u00fcber dem Niederschlage stehen bleibt, um die Eiweisssk\u00f6rper m\u00f6glichst unl\u00f6slich zu machen. Das Coagulum wird dann bei gew\u00f6hnlicher Temperatur getrocknet, fein gepulvert, mit destillirtem Wasser anger\u00fchrt und nach 5\u201410 Minuten filtrirt. Das Filtrat enth\u00e4lt das Ferment um so reiner, je l\u00e4nger das Coagulum unter Weingeist gestanden hat.\nDefibrinirtes Blut in gleicher Weise behandelt, giebt ebenfalls Fermentl\u00f6sungen, die aber schw\u00e4cher wirken, wenn gleich viel defibrinirtes Blut wie fr\u00fcher Serum verwendet wird. Nur wenig Serum einschliessendes Blutk\u00f6rperchen-Sediment giebt sehr schwach oder gar nicht wirksame Fermentl\u00f6sungen. Es r\u00fchrt also das Fibrinferment nicht aus den rothen Blutk\u00f6rperchen her.\nAnders verh\u00e4lt es sich mit den weissen Blutk\u00f6rperchen. Dass die Menge der weissen Blutk\u00f6rperchen auf die Menge des sich aus-\n1 A. Schmidt, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. IX. u. XI.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Fibrinferment, Darstellung, Herkunft.\n117\nscheidenden Fibrin einen grossen Einfluss aus\u00fcbt, hat Mantegazza1 zu zeigen gesucht. Seine Angabe, dass sie dabei eine Substanz aus-senden, welche die Ursache der Fibrinbildung sei, beruhte nur auf Vermuthungen. A. Schmidt2 wies zuerst den massenhaften Zerfall der weissen Blutk\u00f6rperchen bei der Blutgerinnung nach und verfolgte denselben auch unter dem Microscope, aber nicht bloss die weissen Blutk\u00f6rperchen zerfallen, sondern auch die rothen K\u00f6rnerkugeln. Und zu diesen w\u00fcrden sich nach den Beobachtungen von Hayem3 auch noch die von ihm sogenannten H\u00e4matoblasten gesellen. Beide Beobachter geben an, dass sie im unmittelbaren Anschluss an den Zerfall der von ihnen beobachteten Elemente die Bildung des Fibrins unter dem Microscop beobachteten.\nA. Schmidt bringt nun auch den von ihm beobachteten Zellenzerfall mit der Bildung des Fibrinfermentes in Zusammenhang und f\u00fchrt daf\u00fcr den folgenden Versuch an. Aus Plasma, welches in der K\u00e4lte gewonnen wurde, werden die weissen Blutk\u00f6rperchen mittelst 2\u20143 fachen Papiers abfiltrirt. Das klare Plasma ist dann nicht gerinnungsunf\u00e4hig geworden, es gerinnt aber schleppend. Dass es nicht gerinnungsunf\u00e4hig geworden, schreibt Schmidt dem Umstande zu, dass w\u00e4hrend der Zeit, die zum Abk\u00fchlen nothwendig ist, sich kleine Mengen von Ferment entwickeln und ausserdem ist die K\u00e4lte nicht ein absolutes Hemmniss f\u00fcr den Zerfall der weissen Blutk\u00f6rperchen (s. S. 118). Stellt man aber mit Alkohol das Ferment aus einer Portion des filtrirten Plasma sogleich und aus einer anderen Portion nach dem Gerinnen dar, so findet man im letzteren Falle nicht mehr Ferment als im ersteren, w\u00e4hrend bei der Gerinnung im unfiltrirten Plasma der Fermentgehalt w\u00e4hrend der Gerinnung betr\u00e4chtlich w\u00e4chst. Wird das gek\u00fchlte Plasma vor\u00fcbergehend auf 10\u201420\u00b0 C. erw\u00e4rmt und dann erst filtrirt, nachdem die Temperatur wieder auf 0\u00b0 gebracht ist, so erh\u00e4lt man ebenfalls ein k\u00f6rperchenfreies Filtrat, welches aber sehr fermentreich ist und energisch gerinnt, so dass also beim ersten Versuche die geringe Fermentmenge nicht etwa von einer durch die K\u00e4lte bewirkten Ausscheidung eines gel\u00f6sten fermenterzeugenden Bestandteiles herr\u00fchren kann. Unterst\u00fctzt wird die Annahme dieser Beziehung der weissen Blutk\u00f6rperchen zur Fermentbildung noch dadurch, dass bei ungleicher Vertheilung der weissen Blutk\u00f6rperchen\n1\tMantegazza, Ricerche esperimentali sul origin, d. iibrina et sul causa d. coag. del sang. Milano 1871.\n2\tA. Schmidt, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. u. XI.\n3\tHayem, Gaz.m\u00e9d. 1878. p. 107; Compt. rend. LXXXVI. p. 58.1879 ; Recherch. sur l'anat. norm, et pathol. du sang. Paris 1878.","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118 Rollett, Physiologie des Blutes. 5. Cap. Eiweissk\u00f6rper d. Blutserum u. -plasma.\nim Plasma die Gerinnung dort am raschesten eintritt, wo die weissen Blutk\u00f6rperchen angeh\u00e4uft sind.\nWir haben erw\u00e4hnt, dass der Zerfall der weissen Blutk\u00f6rperchen sich rasch nach der Entfernung des Blutes vollzieht, wenn dasselbe nicht rasch abgek\u00fchlt und auf einer Temperatur von 0\u00b0 erhalten wird. Aber selbst im abgek\u00fchlten Blute greift dieser Zerfall Platz, der Fermentgehalt des Blutes nimmt aber entsprechend dem langsamen Zerfalle nur allm\u00e4hlich zu, so dass sich nach etwa drei Tagen erst die Gerinnung einstellt.\nBei gew\u00f6hnlicher Temperatur steigt dagegen der Fermentgehalt rasch an, er w\u00e4chst aber nicht mehr, wenn einmal die Gerinnung vollendet ist. Danach findet sich das Ferment im Serum vor. Wird jetzt aus diesem der Serumglobulinniederschlag erzeugt, so h\u00e4ngt sich das Ferment diesem in der That mechanisch an und nur durch vorheriges Erw\u00e4rmen des Serum auf 58\u00b0 C. oder durch wiederholtes Ausf\u00e4llen des Serumglobulin aus L\u00f6sungen in verd\u00fcnnter CLVa-L\u00f6sung mittelst CINa in Substanz kann das Serumglobulin fermentfrei und fibrinoplastisck unwirksam erhalten werden.\nSo wie durch niedere Temperaturen, wird die Entwickelung des Fermentes auch durch Zusatz von Salzen aufgehalten. Am Besten wirkt in dieser Beziehung MgSOi, weniger gut Na-iSOi und CINa.\nDie Salze halten aber nicht bloss die Entwickelung des Fermentes auf, sondern hemmen auch die Wirkung schon vorhandenen Fermentes. Die Angabe Jakowicki\u2019s1, dass Spuren von Fibrinferment entgegen den Beobachtungen von A. Schmidt schon im circulirenden Blute sich vorfinden, wird von K\u00f6hler'2 bestritten.\nA. Schmidt hat seinen dritten Factor der Gerinnung als Ferment angesprochen, weil er seine Wirkung nach Art eines Fermentes entfaltet, denn es bewirken beliebig kleine Mengen jenes K\u00f6rpers eine eben so grosse Fibrinausscheidung wie beliebig grosse, nur die Gerinnungszeit ist von der Menge desselben abh\u00e4ngig im ersteren Falle gross, im zweiten Falle klein.\nEs steigt ferner die Wirkung des K\u00f6rpers mit der Temperatur bis zur Temperatur des Thierleibes, dar\u00fcber hinaus wirkt die Temperatur nachtheilig. Siedhitze zerst\u00f6rt, eine Temperatur von 0\u00b0 erh\u00e4lt aber hemmt seine Wirksamkeit. Endlich kann mit der Fl\u00fcssigkeit, welche vom Faserstoff entfernt wird, wenn die Gerinnung beendigt ist, in Fl\u00fcssigkeiten, welche die Fibringeneratoren enthalten,\n1\tJakowicki, Zur physiologischen Wirkung der Bluttransfusion S. 42. Dorpat\n1S75.\n2\tK\u00f6hler. Heber Thrombose und Transfusion etc. S. 105. Dorpat 1877.","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Hemmung cl. Fermentbild.,Rolle d. Fermentes u. Serumglobulin b. d. Gerinnung. 119\nvon Neuem Gerinnung erzeugt werden und sofort, wenn auch mit allmbilliger und noch aufzukl\u00e4render Abnahme der Wirksamkeit. Welcher Art der Fermentationsprocess selbst ist, welchen Spaltungen und Verbindungen die Fibringeneratoren dabei unterliegen; ist man aber bis jetzt nicht anzugeben im Stande.\nDamit ist aber auch der noch hypothetische Zustand der Lehre von den fermentativen Gerinnungserscheinungen gekennzeichnet. Aber abgesehen von diesen theoretischen Bedenken ist die Rolle, welche das Serumglobulin bei der Gerinnung spielt, noch eine fragliche. Hammarsten behauptet, dass die nach seiner fr\u00fcher angef\u00fchrten Methode rein dargestellten Fibrinogenl\u00f6sungen Faserstoff bilden, wenn Fibrinferment in dieselben gebracht wird, dass also nicht, wie A. Schmidt lehrt, Serumglobulin, Fibrinogen und Ferment, sondern nur die beiden letzteren Factoren zur Fibrinbildung nothwendig sind. Wenn nuii auch diese Thatsache das Fibrinogen als die eigentliche Muttersubstanz des Fibrin erweist, so kann doch die Erfahrung, auf welche A. Schmidt seine Anschauung st\u00fctzte, dass n\u00e4mlich das Serumglobulin auf das Gewicht des sich ausscheidenden Fibrin einen grossen Einfluss aus\u00fcbt, nicht bestritten werden. Sie ist aber sehr schwer zu erkl\u00e4ren, wenn man nicht annehmen darf, dass das Serumglobulin selbst in das Fibrin mit \u00fcbergeht.\nHammarsten zeigte, dass bei der Gerinnung des Plasmas die Gegenwart von CI Ca oder Casein oder Neutralismen mit verd\u00fcnnter Salz- oder Schwefels\u00e4ure eine \u00e4hnliche Rolle spielen k\u00f6nnen, wie das Serumglobulin, und will die in allen diesen F\u00e4llen auftretende Vermehrung des Fibringewichtes erkl\u00e4ren durch die bindende Wirkung, welche die genannten Einfl\u00fcsse auf fibrinl\u00f6sende Substanzen des Plasmas aus\u00fcben.\nBleiben die letzteren frei und wirksam, dann k\u00f6nne sich das Fibrin nur unvollkommen ausscheiden, wenn auch eine fermentative Umwandlung des gesammten Fibrinogen w\u00e4hrend der Gerinnung erfolgt. Die letztere f\u00fchrt dann ausser der Fibrinbildung noch eine Vermehrung der im Serum gel\u00f6sten Globulinmenge herbei. Man wird aber zugeben, dass diese Lehre von der latenten Faserstoff bildung doch wieder sehr hypothetischer Art ist.\nDen rothen Blutk\u00f6rperchen kommt nach A. Schmidt1 nur eine accidentelle Bedeutung f\u00fcr die Fibringerinnung zu. Dieselbe wird durch die rothen Blutk\u00f6rperchen beschleunigt, und zwar ist diese Wirkung auf ihren Farbestoffgehalt zur\u00fcckzuf\u00fchren; wie die Blut-\n1 A. Schmidt, Arch. f. cl. ges. Physiol. XI","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120 Rollett, Physiologie des Blutes. 6. Cap. Nichteiweissart. Bestandth. d. Blutpl.\n\\\nk\u00f6rperchen wirken eine Reihe von anderen Substanzen, welche mit dem Blutfarbestoff die Eigenschaft gemein haben, Wasserstoffsuperoxyd unter Sauerstoffentwicklung zu zerlegen.\nDie fr\u00fcher erw\u00e4hnte Gerinnungsunf\u00e4higkeit des Capillarblutes der Leichen will Falk1 auf das Schwinden des Fibrinogen aus demselben zur\u00fcckf\u00fchren.\nDurch Injection yon Verdauungsfermenten (Pepsin, Pancreatin [?]) in die Gef\u00e4sse des lebenden Thieres wird nach Albertoni2 die Menge des zu erhaltenden Fibrin sehr herabgesetzt oder das Blut wird vollst\u00e4ndig unf\u00e4hig zu gerinnen; erkl\u00e4rt ist diese Erscheinung nicht.\nSECHSTES CAPITEL.\nMchtei weissartige Bestandtheile des Blutplasma.\nEs w\u00fcrde sich f\u00fcr diese K\u00f6rper empfehlen, sie in einer ihrer physiologischen Bedeutung entsprechenden Reihenfolge vorzuf\u00fchren. Zuerst z. B. jene Substanzen zu ber\u00fccksichtigen, welche innerhalb der Blutbahn der Verbrennung oder gewissen Spaltungsprocessen unterliegen oder durch das Blut einer solchen Umsetzung an bestimmten Orten des Organismus entgegengef\u00fchrt werden. Darauf w\u00e4ren jene Substanzen anzuf\u00fchren, die als Endproducte abgelaufener Umsetzungen im Blute auftreten, weil sie durch dieses den Orten \u00fcberliefert werden, wo sie ausgeworfen werden.\nF\u00fcr beide F\u00e4lle w\u00e4re noch die Art ihres Eintrittes ins Blut, aus welchen Quellen innerhalb des Organismus sie dem Blut zugef\u00fchrt werden, zu ermitteln. Leider sind aber unsere Kenntnisse \u00fcber die Physiologie der einzelnen Blutstoffe noch so mangelhaft, - dass wiles vorziehen, die Substanzen einfach aufzuz\u00e4hlen, wobei uns zur Reihenfolge nichts anderes bestimmt, als die mehr oder weniger ausgedehnte Aufmerksamkeit, welche den einzelnen Substanzen zu Theil wurde und das Bestreben, diejenigen Substanzen einander nahe zu halten, die chemisch mehr verwandt mit einander erscheinen oder im Organismus h\u00e4ufig neben einander auftreten.\n1. Der Zucker im Blute. Seine Gegenwart im Blute ist durch eine ganze Reihe von Untersuchungen festgestellt worden. Da der\n1\tFalk a. a. 0.\n2\tAlbertoni, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878. S.641 ; Rendicont. delle ricercbe sperim. esequ. nell Gabin. de Fisiol. di Siena 1878. p. 5.","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Vorkommen von Zucker im Blut.\n121\nin Harn nncl Blut bei Krankheiten (Diabetes mell.) reichlich aufge-fundene Zucker vorzugsweise Traubenzucker ist, wurde stets angenommen , dass der durch G\u00e4hrung oder die Reductionsproben im normalen Blute nachweisbare Zucker gleichfalls Traubenzucker ist. Dazu kommt noch, dass auch bei der Verdauung aus anderen eingef\u00fchrten Kohlehydraten Traubenzucker gebildet wird.\nAbeles1, A. Ewald2 und K\u00fclz3 constatirten, dass der im Blute vorkommende Zucker die Polarisationsebene nach rechts dreht.\nZuerst wurde der Zucker im Blute von Hunden sowohl nach St\u00e4rke- als Fleischf\u00fctterung von Tiedemann und Gmelin4 aufgefunden, und darauf von Thomson5, Magendie6 und Frerichs' das Vorkommen von Zucker nach Einf\u00fchrung von Amylaceis weiter untersucht.\nBernard8 und fast gleichzeitig C. Schmidt9 constatirten dann, dass das normale Blut unabh\u00e4ngig von der Nahrung Zucker enthalte. Es fehlte nicht an Einw\u00fcrfen besonders mit Bezug auf die Lehre Bernard\u2019s \u00fcber die zuckerbildende Function der Leber (Mac-Donell10, Pavy11). Man weiss aber nunmehr durch die Untersuchungen von Pavy12, v. Mering13 und Bleile14, dass im Blute stets gewisse Mengen von Zucker angetroffen werden, v. Mering fand im Serum des Hundeblutes\nHund\tNahrung\tZucker in 100 Theilen Car otisserum\nI.\tSt\u00e4rke und Zucker\t0.125\nIL\tSt\u00e4rke und Zucker\t0.235\nIII.\tBrod\t0.130\nIV.\tFleisch\t0.115\nV.\tFleisch\t0.212\nVI.\t44 Std. Hunger\t0.150\nVII.\t48\t..\t0.145\nVIII.\t5 Tage \u201e\t0.133\n1\tAbeles, Wiener med. Jahrb. 1875. S. 269.\n2\t\u00c0. Ewald. Berliner klin. Wochenschr. 1875. Nr. 51 u. 52.\n3\tKelz, Arch. f. exper. Pathol. VI. S. 143.1876.\n4\tTiedemann u. Gmelin, Verdauung nach Versuchen I. S. 184. Heidelberg 1826.\n5\tThomson, London med. Gaz. 1845. p. 972 u. 1070.\n6\tMagendie, Compt. rend. XXIII. p. 189. 1846.\n7\tFrerichs, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. 1. Abth. S. 803. 1849.\n8\tBernard, M\u00e9m. d. 1. soc. d. biol. I. p. 121. 1849.\n9\tC. Schmidt, Charakter d. epid. Cholera S. 161. Leipzig u. Mitau 1850.\n10\tMac\u2019Donell, Observ. on the funct. of the liver. Dublin 1864.\n11\tPavy, Piesearch. onthenat. a. treatm. ofDiabet. London 1869.\n12\tPavy, Proceed, of the roy. soc. XXVI. p. 314. 1877.\n13\tMering, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abth. 1878. S. 379.\n14\tBleile, Ebenda 1879. S. 59.","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122 Rollett, Physiologie des Blutes. 6. Cap. Nichteiweissart. Bestandth. d. Blutpl.\nDer Zuckergehalt des arteriellen und ven\u00f6sen Blutes aus Carotis und Jugularis war in v. Mering\u2019s Versuchen nicht wesentlich verschieden, was mit Pavy1 und Abeles stimmt, w\u00e4hrend Bernard2 f\u00fcr das arterielle Blut einen h\u00f6heren Zuckergehalt behauptete.\nDer Zuckergehalt steigt in Folge von Blutentziehungen (Bernard, v. Mering). Im Gesammtblute ist in der Regel so viel Zucker enthalten als ungef\u00e4hr seinem Serumgehalte entspricht (v. Mering, Bleile), die Blutk\u00f6rperchen enthalten also keinen oder nur geringe Mengen von Zucker; es kann aber auch ausnahmsweise Zucker in gr\u00f6sserer Menge den Blutk\u00f6rperchen eigen sein (Bleile). Bei F\u00fctterung mit Kohlehydraten f\u00fchrt die Pfortader sehr allm\u00e4hlich den im Darm entstandenen Zucker dem Blute zu; ob die Leber merklich mehrend oder mindernd auf den Zuckergehalt des durchstr\u00f6menden Blutes wirkt, blieb unentschieden. Der Zuckergehalt des arteriellen Blutes w\u00e4chst in Folge der Zufuhr nicht merklich an, der Zucker muss also irgend wo verbraucht werden (Beeile).\n2. Das Vorkommen von Harnstoff im Blute ist seit langer Zeit bekannt (Simon3, Strahl4 u. A.) ; quantitative Bestimmungen desselben liegen vor in gr\u00f6sserer Zahl (Picard5, Poiseuille und Gobley6, Wurtz7, Meissner8, Treskin9, Pekelharing10, Munk11). Im Ilunde-blute fanden sich 0,011\u20140,085 \u00b0/o, im Scliweineblute 0,012\u20140,019 %. Nur die Methode von Bunsen oder ihre Modification von Wurtz, nach welcher die zuletzt angef\u00fchrten Untersucher bestimmten, scheint genaue Resultate zu geben, \u00fcber die Zunahme des Harnstoffes im Blute bei Nierenexstirpation und Unterbindung der Ureteren s. a. a, O. dieses Handbuchs. Ausser Harnstoff sind Carbamins\u00e4ure (Drechsel12), Harns\u00e4ure (Garrod13), Kreatin (Voit14), Hippurs\u00e4ure (Verdeil &Gold-fuss15, Hervier16, von Meissner 17 vergebens gesucht), Fleischmilchs\u00e4ure (Spiro18) im Blute gefunden worden.\n1\tPavy a. a. O.\t\u201e\t.\n2\tBernard. Le\u00e7ons sur le Diab\u00e8te et la glycogen\u00e8se anim. Pans 1877.\n3\tSimon, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1841. S. 454.\n4\tStrahl, Arch. f. physiol, u. pathol. Chemie IV. S. 558. S. 1847.\n5\tPicard, De la pr\u00e9s, d.l\u2019ur. d.\u00ee.sang. Strassbourg 1856; Compt. rend. LXXXIII. p. 991 et 1179. 1876; Gaz. m\u00e9d. 1877. p. 579.\n6\tPoiseuille et Gobley, Compt. rend. XLIX. p. 164. 1859.\n7\tWurtz, Ebenda p. 52.\n8\tMeissner u. Shepard, Unters, \u00fcber d. Entst. d. Hippiirs\u00e4iire. Hannover 1866.\n9\tTreskin, Arch. f. pathol. Anat. LV. S. 488. 1872.\n10\tPekelharing, Over iireumbepal. i. bloed en weefsels. Leiden 1874.\n11\tMunk, Arch. f. d. ges. Physiol. XL S. 100. 1875.\n12\tDrechsel, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XXVII. S. 172. 1875.\n13\tGarrod, Transact, of themed, chir. soc. of London XXXV. p. 83. 1848.\n14\tVoit, Ztschr. f. Biol. IV. S. 93. 1S6S.\n15\tVerdeil et Goldfuss, M\u00e9m. de la soc. biol. I. p. 225, IL p. 79. 1849\u201450.\n16\tHervier, Gaz. m\u00e9d. 1851. p. 76.\t17 Meissner a. a. O.\n18 Spiro. Ztschr. f. physiol. Chemie I. S. 110. 1877\u201478.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Harnstoff, Harns\u00e4ure. Kreatin etc. ; Fette, Lecithin, Cholestearin ; Plasmapigm. 123\n3.\tFette sind im Blutplasma stets vorhanden. Beim Hunde fanden sich im Blute nach mehrt\u00e4gigem Fasten noch 0.5 \u20140.7 %. W\u00e4hrend fetthaltiger Nahrung stiegen dieselben bis zu 1.25 \u00b0/o (R\u00f6hrig1). Die ins Blut aufgenommenen Fette schwinden aus demselben rasch wieder durch Austritt (R\u00f6hrig, Zawilski'2) und weil sie im Blute selbst sich zerlegen (R\u00f6hrig).\nIn den rothen Blutk\u00f6rperchen sind keine Fette enthalten (Hoppe-Seyler3). Lecithin (und Protagon) ist im Blutserum ebenso enthalten, wie in den Blutk\u00f6rperchen (Hoppe - Seyler4). Ebenso enth\u00e4lt das Blutplasma Cholestearin (Denis5, Boudet6, Lecanu7, Hoppe-Seyler8). R\u00f6hrig9 sah gleichzeitig mit den Fetten auch das Cholestearin im Blute nach fetthaltiger Nahrung zunehmen, wenn die Fette schwanden, war das gleiche nicht auch mit dem Cholestearin der Fall. Das aufgenommene Cholestearin r\u00fchrt aus der Galle her.\nBernsteins\u00e4ure kommt im Blute in geringer Menge vor (Meissner10).\n4.\tDas Plasma und Serum des Blutes sind bei verschiedenen Thieren mehr oder weniger gelb gef\u00e4rbt, in dicken Schichten erscheint das Serum oft r\u00f6thlich, auch wenn keine Spur von H\u00e4moglobin in demselben nachweisbar ist. Die F\u00e4rbung des Serum r\u00fchrt von einer Reihe von Pigmenten her. Nur eines derselben ist n\u00e4her bekannt: das Cholepyrrhin, identisch mit dem gleichnamigen Gallenfarbestoff, nachgewiesen im Pferde- und K\u00e4lberblute (Hammarsten11, Setche-now12). Ausser diesem kommt vor ein amorphes, goldgelbes Pigment. Beide Pigmente sind erst durch Aether extrahirbar nach dem Ans\u00e4uern, oder nach dem S\u00e4ttigen des Serum mit MgSO\\ (Setchenow), oder durch Essig\u00e4ther, wenn man vorher mit Aether extrahirte (Setchenow). Die isolirten Pigmente l\u00f6sen sich in Serum nicht wieder auf (Setchenow). Diesen Thatsachen entnimmt Setchenow die Ver-muthung, dass die isolirten Pigmente Spaltungsproducte der genuin im Serum enthaltenen Farbestoffe sind. Das ungef\u00e4rbte Spaltungs-product ist wie beim H\u00e4moglobin eine Globulinsubstanz. Ausser den zwei genannten muss noch ein r\u00f6thlich braunes Pigment angenommen\n1\tR\u00f6hrig, Ber. d.s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XXYI. S. 1. 1874.\n2\tZawilski, Arbeiten a. d. physiol. Anst. zu Leipzig 1876. S. 147.\n3\tHoppe-Seyler. Med.-chem. Unters. S. 140. Berlin 1866\u201471.\n4\tDerselbe a. a. \u00d6.\n5\tDenis, Recherch. exper. sur le sang. Paris 1830.\n6\tBoudet, Ann. d. chim. etphys. LII. p. 341. 1833.\n7\tLecanu. Etud. chim. sur le sang. Paris 1837.\n8\tHoppe-Seyler a. a. 0.\t9 R\u00f6hrig a. a. O. 10 Meissner a. a. 0.\n11\tHammarsten, Upsala l\u00e4karef\u00f6renings forhandlingar XIY. p. 50 (eit. nach\nMaly\u2019s Jahresber. 1878. S. 129).\n12\tSetchenow, M\u00e9m. d. l\u2019acad. imp. d. sc. d. St. P\u00e9tersbourgXXYI. 7.s\u00e9r No 13\n1879.","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124 Rollett, Physiologie des Blutes. 7. Cap. Mineral. Bestandteile d. Blutplasma.\nwerden (Setchenow). Das Absorptionsspectrum des Blutserum bat Vierordt1 photometrisch untersucht.\n5. Wir reihen hier eine kurze Bemerkung \u00fcber den Geruch des Blutes an. Er ist bei verschiedenen Thieren verschieden, aber nicht bei allen deutlich vorhanden. Die fl\u00fcchtige riechende Substanz kann durch Schwefels\u00e4ure rasch aus dem Blute entwickelt werden (Bar-rtjel2); trotz den Untersuchungen von Denis3 und Matteucci4 kennt man ihre Natur noch nicht. Die vorgeschlagene Verwendung zur Unterscheidung des Blutes verschiedener Thiere im forensischen Interesse leidet an zu grosser Unsicherheit (C. Schmidt5, Br\u00fccke6). Wir haben fr\u00fcher erw\u00e4hnt, dass sie, wo sie vorhanden ist, sehr z\u00e4he am H\u00e4moglobin haftet.\nSIEBENTES CAPITEL.\nDie mineralischen Bestandtlieile des Blutplasma.\nZur Bestimmung der mineralischen Bestandtheile des Blutplasma suchte man durch Analyse des Aschenr\u00fcckstandes das Blutserum zu gelangen. In einer bestimmten Menge Plasmas ist aber mehr an Mineralen vorhanden als im zugeh\u00f6rigen Serum, weil mit dem Fibrin bei der Gerinnung sich Kalk- und Magnesiumphosphat ausscheidet (Br\u00fccke7). Da uns ferner die Asche nicht als solche, sondern nur insofern interessirt, als aus ihr ein Schluss auf die urspr\u00fcnglichen Plasmaminerale gemacht werden kann, so ist zu bemerken, dass nur unter ganz besonderen Vorsichten hergestellte Serumasche ein nahe zutreffendes Bild der Plasmaminerale giebt, w\u00e4hrend sie, .wenn jene Vorsichten verabs\u00e4umt werden, quantitativ und qualitativ wesentlich von den Plasmamineralen abweicht.\nDie Aschenbereitung kann zu einer Vermehrung der Schwefel- und Phosphors\u00e4ure f\u00fchren, das ist nur dann nicht der Fall, wenn vor der\n1\tVierordt , Die Anwendung des Spectralapparates zur Photometrie der Ab-sorptionsspect. S. 122. T\u00fcbingen 1873; Ztschr. i. Biol. X. S. 21. 1874.\n2\tBarruel, Ann. d\u2019hygien. pub. et m\u00e9d. l\u00e9g. 1829. p. 267.\n3\tDenis, Recherch. exp\u00e9r. etc. Paris 1830; Essai sur l\u2019applic. de la chim. \u00e0 l\u2019\u00e9tud. du sang. Paris 1838.\n4\tMatteucci, Ann. d. chim. etphys. LII. p. 137. 1833.\n5\tC. Schmidt, Diagnostik verd\u00e4chtiger Flecke in Kriminalf\u00e4llen. Leipzig 1848.\n6\tBr\u00fccke, Wiener med. Wochenschr. 1857. S. 426.\n7\tDerselbe, Arch. f. pathol. Anat. XII. S. 81. 1857.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Blutgeruch. Asche des Blutserum. Zusammensetzung derselben. 125\nAschenbereitung alle Schwefel- (Eiweissk\u00f6rper) und phosphorhaltigen (Lecithin) organischen Substanzen aus dem Serum entfernt wurden. Diese Abscheidung m\u00fcsste aber im mineralfreien Zustande geschehen, wenn dadurch keine Verluste an Mineralen bedingt sein sollen. F\u00fcr das Eiweiss ist das nicht ausf\u00fchrbar. Dasselbe enth\u00e4lt im coagulirten Zustande Ca3 2PO\\. Beim Veraschen neugebildete H-iSOi treibt CI aus den Chloriden aus, sie und etwa gebildete Phosphors\u00e4ure zerlegen vorhandene Carbonate, andererseits kann in der Asche neugebildete COi vorhanden sein, wenn im Serumr\u00fcckstande an K2O oder Na^O gebundene organische Substanzen verbrannt wurden. Neutrale Phosphate (von der Form M-iHPOC) k\u00f6nnen durch die neugebildete H-iSO\\ in saure (von der Form MH-iPOp) verwandelt werden, die letzteren aber in der Gl\u00fchhitze reducirt und Phosphor verjagt werden. Andererseits wieder k\u00f6nnen saure und neutrale Phosphate vorhandene Carbonate zerlegen und sich dabei in basische Phosphate (von der Form MzPOi) verwandeln. Dazu kommt noch die Fl\u00fcchtigkeit der Chloralkalien in hohen Temperaturen.\nUeber die Methoden der Aschenbereitung und Analyse mit m\u00f6glichster Vermeidung der erw\u00e4hnten Fehlerquellen m\u00f6ge man sich bei H. Rose1 und einigen seiner Sch\u00fcler belehren.\nSpeciell auf das Serum bez\u00fcglich sind die Angaben vonC. Schmidt2 3 und Bunge k Sie fanden nach ihren Methoden in 100 Theilen Serum\n\tC. Schmidt.\t\t\tBunge.\t\n\tMensch I\tMensch II\tSchwein\tPferd\tRind\nCI\t\t0.356\t0.366\t0.361\t0.375\t0.372\nSO3\t\t0.013\t0.010\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nHzPO4 . . .\t0.015\t0.024\t0.019\t\u2014\t0.027\nA20\t\t0.032\t0.033\t0.027\t0.027\t0.025\nNmO....\t0.344\t0.318\t0.427\t0.443\t0.435\nCas 2 POi . Mg HPO4 . .\t0.030 0.022\t} 0.055\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nCaO\t\t\u2014\t\u2014\t0.014\t\u2014\t0.013\nMgO ....\t\u2014\t\u2014\t0.004\t\u2014\t0.005\nFeiOs....\t\t\t0.001\t\t0.001\nEin wichtiges Resultat dieser Analysen ist, dass die im Serum pr\u00e4formirt enthaltenen anorganischen S\u00e4uren nicht ausreichen, um alle Basen zu s\u00e4ttigen. Da Bunge im Serum nach Ausscheidung des Eiweisses nur quantitativ nicht bestimmbare Spuren pr\u00e4formirter HiSOa nachweisen konnte, liess er die Schwefels\u00e4ure unber\u00fccksichtigt. So wie der Schwefels\u00e4uregehalt der Serumasche aus dem Eiweiss, so stammt auch in dem Falle, wo das Lecithin von der Aschen-\n1\tH. Rose, Ann. d. Physik. LXX. S. 449, LXXVI. S. 305, LXXIX. S. 398, LXXXII. S. 108, LXXXI, S. 91 u. 402.\n2\tC. Schmidt, Charakter d. epid. Cholera S. 19. Leipzig u. Mitau 1848.\n3\tBunge. Ztschr. f. Biol. XII. 1876, X. S. 295. 1874.","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"12 6 Rollett, Physiologie des Blutes. 7. Cap. Mineral. Bestandteile d. Blutplasma.\nbereituug nicht entfernt wurde, ein grosser Theil der Phosphors\u00e4ure aus diesem K\u00f6rper ab.\nSertoli1, der die l\u00f6slichen Aschenbestandtheile des Rinderblutserum nach vorausgegangener Entfernung des Lecithin bestimmte, fand in 100 Theilen Serum\n.\t0.3270\n0.0305 .\t0.0025\n. 0.0224 .\t0.1291\n0.2120.\nDaraus ergiebt sich, dass in 100 Theilen Serum nur OMbQNaiHPCU enthalten sein k\u00f6nnten. Damit stimmen die Beobachtungen Mrocz-kowski\u2019s2 \u00fcberein, der im Schafblutserum 0.0092, 0.0064 im Kalbsblutserum 0.0018 und im Hundeblutserum 0.0083 Na-iHPO^ findet. Diese Thatsache ist wichtig, weil aus dem geringen Gehalte des Blutes an Alkaliphosphaten folgt, dass die CO2 des Blutes nicht, wie Fernet meinte, an Natriumphosphat gebunden sein kann (s. dar\u00fcber die Lehre von den Blutgasen).\nGeringe Mengen von Ammoniak wurden von K\u00fchne und Strauch3 und Br\u00fccke4 u. A. im Blute nachgewiesen. Sie sind voraussichtlich in einer leicht zersetzlichen Ammoniakverbindung des Plasmas enthalten.\nIn Bezug auf die angef\u00fchrten Analysen von C. Schmidt und Bunge ist noch zu bemerken, dass wir nur das directe Ergebniss der Analyse mitgetheilt haben. Also die S\u00e4uren und Basen, welche sich im Serum vorfinden, w\u00e4hrend es doch ungleich wichtiger w\u00e4re, zu wissen, welche Salze die S\u00e4uren und Basen im Blute miteinander bilden. Wir sind aber noch nicht im Stande, die Salze des Plasmas zu bestimmen, so wenig, als es uns \u00fcberhaupt f\u00fcr irgend eine Fl\u00fcssigkeit, in welcher mehrere an S\u00e4ure und Base verschiedene Salze aufgel\u00f6st wurden, m\u00f6glich ist, die der Wirklichkeit entsprechende Zusammensetzung sicher festzustellen.\nTheoretisch enth\u00e4lt die Fl\u00fcssigkeit alle zwischen sauren und basischen Bestandteilen der L\u00f6sung m\u00f6glichen Combinationen. Wenn man aber, wie es z. B. bei der Mineralwasseranalyse geschieht, die S\u00e4uren und Basen zu Salzen aufeinander berechnet, so ist das eine in hohem Grade willk\u00fcrliche Operation des Chemikers und das so erhaltene Re-\n1\tSertoli, Med.-chem. Unters. Her. v. Hoppe-Seyler. S. 352. Berlin 1866\u201471.\n2\tMroczkowski, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878. S. 353.\n3\tK\u00fchne u. Strauch, Centrait)! f. d. med. Wiss. 1864. S. 561 u. 577.\n4\tBr\u00fccke, Sitzungsber. d. Wiener Acad. LVII. 2. Abth. S. 20. 1868.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Salze des Blutplasma.\n127\nsultat keineswegs ein Ausdruck f\u00fcr die in der analysirten Fl\u00fcssigkeit wirklich vorhandenen Salze. Ganz dasselbe gilt aber auch von der Zusammenstellung der Ergebnisse der Aschenanalyse. Sie kann uns also nur sehr wenig interessiren.\nEs stellt sich f\u00fcr uns vielmehr die Frage, was wir, trotz der Unm\u00f6glichkeit die Salze des Plasma direct zu bestimmen, aus den vorliegenden Untersuchungen \u00fcber die urspr\u00fcnglich im Blutplasma enthaltenen Minerale erschlossen k\u00f6nnen. In dieser Beziehung ist der Gehalt des Blutes an Kochsalz hervorzuheben, welches schon beim Eindunsten des Serum sich krystallinisch ausscheidet und reichlich die H\u00e4lfte der Blutminerale ausmacht. Der CUV\u00df-Gehalt des Blutes verschiedener Thiere ist ziemlich gleich. Durch C/-freie Nahrung sinkt der U/-Gehalt des Blutes anf\u00e4nglich, erhebt sich aber dann wieder durch Aufnahme von Chloriden aus den Geweben. Die Ausfuhr von .CI ist w\u00e4hrend dieser Zeit sehr beschr\u00e4nkt (Schenk)1.\nWird Blutserum der Dialyse unterworfen, so wird ihm Natriumcarbonat entzogen (Kossel)2. Dass im Serum Natriumbicarbonat enthalten ist, muss auf Grund des Verhaltens des Serum zur Kohlens\u00e4ure angenommen werden (Zuntz3, Setchenow4, Gaule5), wor\u00fcber die Lehre von den Blutgasen zu vergleichen ist.\nPribram6 und Gerlach7 haben gezeigt, dass sich Kalk und Magnesia mit Ammoniumoxalat und mit Ammoniak und phosphorsaurem Natron direct aus dem Serum vollst\u00e4ndig ausf\u00e4llen lassen. Es sind jedoch daraus keine sicheren Schl\u00fcsse auf die Art, wie sie im Blutserum enthalten sind, zu ziehen (vgl. auch Fokker8).\nDa aber Pribram zeigte, dass die Menge der f\u00e4llbaren Phosphors\u00e4ure nicht hinreicht, um den ganzen Kalk des Serum zu s\u00e4ttigen, so kann die Annahme, dass der gesammte Kalk als phosphorsaurer im Blut enthalten ist, nicht gemacht werden und daraus er-giebt sich als wahrscheinlich, dass Chlorcalcium im Blut enthalten ist.\nAuf eine wichtige Thatsache hat Malt9 aufmerksam gemacht, als er zeigte, dass man die im Blut vorhandenen kohlensauren und phosphorsauren Salze als theoretisch saure Salze auffassen muss, trotz ihrer lackmusbl\u00e4uenden Eigenschaft. Das Dinatriumhydriumphosphat und Natriumbicarbonat\n1\tSchenk, Anat.-physiol. Unters. S. 19. Wien 1872.\n2\tKossel, Ztschr. f. physiol. Chemie II. S. 158. 1878\u201479.\n3\tZuntz, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1867. S. 529.\t4 Setchenow a. a. 0.\n5\tGaule, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abth. 1878. S. 466.\n6\tPribram, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XXIII. S. 279. 1871.\n7\tGerlach, Ebenda XXIV. S. 349. 1872.\n8\tFokker, Arch. f. d. ges. Physiol. VIL S. 274. 1873.\n9\tMaly, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXVI. 2. Abth. S. 21. 1877.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128 Rollett, Physiologie des Blutes. 8. Cap. Quantit\u00e4t. Analyse d. Gesammtblutes.\nenthalten n\u00e4mlich noch ein Hydroxyl und sind im Stande, noch Basen zu binden, ja sogar aus anderen Salzen unter Bindung ihrer Base S\u00e4ure frei zu machen (siehe dar\u00fcber die Lehre von der Verdauung\u2019) z. B. Na-iHPOi aus CaCh.\nDas frische Blut bl\u00e4ut Lackmus. Die Alkalescenz des Blutes nimmt aber rasch nach Entfernung des Blutes aus den Gef\u00e4ssen ab. Der Process, welcher zu dieser Abnahme f\u00fchrt, ist in wenigen Minuten beendet. War die Alkalescenz eine h\u00f6here, so ist auch die Abnahme gr\u00f6sser. Nach starker Muskelanstrengung nimmt (wegen der dabei stattfindenden S\u00e4urebildung), die Alkalescenz des Blutes ab, dann ist die nach dem Ablassen zu beobachtende weitere Abnahme gering (Zuntz1). Die Alkalescenz des Blutes wird herabgesetzt durch Darreichung verd\u00fcnnter Minerals\u00e4uren (Lassar2). Sie schwankt bei gesunden Individuen zwischen Extremen, welche 270 bis 301 Millgrm. CNa-i Os auf 100 Ccm. Blut entsprechen und nimmt w\u00e4hrend der Verdauung etwas zu (Canard3). Methoden zur Bestimmung der alkalischen Reaction und des Grades der Alkalescenz siehe bei K\u00fchne4, Zuntz5, L\u00e9pine6, Canard7.\nACHTES CAPITEL.\nQuantitative Analyse des Gesammtblutes.\nDie Aufgabe, welche eine quantitative Analyse des Gesammtblutes zu l\u00f6sen h\u00e4tte, ist in ihren Zielen offenbar keine andere als jene quantitativ analytischer Arbeiten \u00fcberhaupt.\nNothwendig daf\u00fcr w\u00e4re genaue Kenntniss der qualitativen Zusammensetzung des Blutes, und der Besitz fehlerfreier quantitativer Bestimmungsmethoden der einzelnen Bestandtheile, die es erm\u00f6glichten, ein bestimmtes Blutgewicht so zu verarbeiten, sei es im Ganzen\n1\tZuntz, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. S. SOI ; Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Blutes. Bonn 1868.\n2\tLassar, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 44.\n3\tCanard, Essai sur l\u2019alcalinit\u00e9 du sang dans l\u2019\u00e9tat du sant\u00e9 et dans quelq. malad. Paris 1878.\n4\tK\u00fchne, Arch. f. pathol. Anat. XXXIII. S. 95. 1865.\n5\tZuntz a.a.O. 6 L\u00e9pine, Gaz. m\u00e9d. 1878. p. 149.\n7 Canard a. a. O.","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Methoden von Pr\u00e9vost und Dumas, Figuier und C. Schmidt. 129\noder in Portionen getheilt, dass darnach die Austheilung der Bestandteile f\u00fcr eine vergleichbare Einheit vorgenommen werden k\u00f6nnte.\nSo lange man sich mit Pr\u00e9vost & Dumas1 vorstellte, die Blutk\u00f6rperchen best\u00e4nden aus unl\u00f6slichen Stoffen, welche vom Plasma durchtr\u00e4nkt sind, musste man auch glauben, dass mit der Analyse der Blutfl\u00fcssigkeit und der Bestimmung der trockenen Blutk\u00f6rperchen (s. ob. S. 34) der gestellten Aufgabe schon ziemlich gut entsprochen sei.\nIn den zahlreichen Analysen'2, die nach dieser Methode factisch ausgef\u00fchrt wurden, figuriren gew\u00f6hnlich Wasser, trockene Blutk\u00f6rper, Albumin, Fibrin, Fette, Salze und Extractivstoffe als Summanden. Alle Brauchbarkeit in vergleichender Beziehung kann ihnen nicht abgesprochen werden. Es gilt dasselbe von den Analysen nach Figuier\" (s. ob. S. 32). Die Vergleichbarkeit der Resultate beider Methoden ist von Hinterberger4 und Gorup-Besanez5 gepr\u00fcft worden.\nAbgesehen von allen M\u00e4ngeln dieser Methoden ist ihr Hauptfehler der, dass bei denselben die Blutk\u00f6rperchen selbst gleichsam als chemisches Individuum betrachtet werden.\nWir m\u00fcssen aber fordern, dass das angedeutete Ziel der quantitativ analytischen Arbeit erreicht werde f\u00fcr die Blutk\u00f6rper einerseits, f\u00fcr das Plasma andererseits.\nDen ersten Versuch dieser Art machte C. Schmidt6 bei der Berechnung seiner wesentlich nach der Methode von Pr\u00e9vost & Dumas ausgef\u00fchrten Analyse des Menschenblutes. Er erhielt f\u00fcr 100 Theile Blut (ven\u00f6s) eines gesunden Mannes von 25 Jahren\n\t51.31 K\u00f6rperchen\t48.69 Plasma\nWasser\t\t34 97\t43.90\nFeste Stoffe\t\t16.34\t4.79\nH\u00e4moglobin . \u2018\t\t15.96\t\t\nFibrin\t\t\u2014\t0.39\nAlbumin und Extractivstoffe .\t.\t.\t\u2014\t3.89\nAnorganische Salze\t\t0.37\t0.41\n1\tPr\u00e9vost u. Dumas, Biblioth\u00e8que uiiiv. de Gen\u00e8ve XVII. p. 215. 1S21 ; Ann. de chirn. et phys. XXIII. p. 50. 1823.\n2\tLecanu, Etud. china, sur le sang. hum. Paris 1837; Transact, m\u00e9d. VI. 1831; Andral et Gavarret, Ann. d. chim. et phys. 2. S. LXXV. p. 225 ; 3. S. V. p. 327. 1842. \u2014 Becquerel et Kodier, Rech, sur 1. compos, du sang etc. Paris 1844; Gaz. med. 1844 ; Trait\u00e9 de chim. path. Paris 1854. \u2014 Popp, Unters, d. menschl. Blutes in versch. Krankheiten. Leipzig 1845. \u2014 Otto, Beitragzu den Analysen des gesunden Blutes. W\u00fcrzburg 1S48. \u2014 Scherer, Haeser\u2019s Arch. S. 121. 1848. \u2014 u. And.\n3\tFiguier, Ann. d. chim. et phys. 3. S. XL p. 503. 1844 \u2014 Dumas, Ebenda. 3. S. XVII. p. 452.1846. \u2014 Hoefle, Chem. u.Microscop. am Krankenbette. Erlangen 1848.\n4\tHinterberger, Arch. f. phys. Heilk. VIII. S. 603. 1849.\n5\tGorup-Besanez, Journ. f. pract. Chem. L. S. 346. 1851.\n6\tC. Schmidt, Charakter der epid. Cholera. Leipzig u. Mitau 1850.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\t9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130 Rollett, Physiologie des Blutes. 8. Cap. Quantit\u00e4t. Analyse d. Gesammtblutes.\nDass in dieser Analyse die K\u00f6rperchen im Verh\u00e4ltniss zu gross ausfallen, ist schon gezeigt worden (s. ob. S. 37). Schmidt\u2019s Methode wurde sp\u00e4ter nur von Lehmann1 und Funke'2 ben\u00fctzt, dann verlassen.\nDie von Vierordt3 und Zimmermann4 vorgeschlagenen Methoden kamen nie in Aufnahme.\nNach Hoppe-Seyler\u2019s5 Vorschlag suchte man durch zwei Fibrinbestimmungen (s. ob. S. 35), die mit Bestimmungen des festen R\u00fcckstandes von Serum und Gesammtblut und der Analyse des ersteren verkn\u00fcpft wurden, ein entsprechenderes Resultat zu erreichen. Analysen dieser Art vom Blut des Pferdes und Hundes sind von Hoppe-Seyler6 7 und Fudakowski\" angestellt; sie ergaben\n\t\t\tPferd\tHund\nin 100 Th. ven\u00f6- 1\t\tK\u00f6rperchen\t\t32.620\t38.342\nsen Blutes\t}\t\tPlasma\t\u2022.\t67.380\t61.658\nin 100 Th. K\u00f6r- )\t\tFeste Stoffe\t\t43.500\t\u2014\nperchen\t)\t\tW asser\t\t56.500\t\u2014\n\t\tFeste Stoffe\t\t9.160\t7.870\n\t\tWasser\t\t90.840\t92.130\n\t\tFibrin\t\t1.010\t0.180\n\t\tAlbumin\t\t7.760\t6.100\nin 100 Th. Plasma ^\t\t\t\t\n\t\tFette\t\t0.120\t0.210\n\t\tExtractivstoffe ....\t0.400\t0.390\n\t\tL\u00f6sliche Salze ....\t0.640\t0.820\n\t\tUnl\u00f6sliche Salze . -\t.\t0.170\t0.170\nBunge8 hat endlich sp\u00e4ter eine Reihe bekannter analytischer Operationen besonders ordnend und die auf der Bestimmung der coa-gulablen Substanzen des Gesammtblutes, des Serum und der serumfreien Blutk\u00f6rperchen fussende Auswertung (s. ob. S. 37) der relativen Werthe von K\u00f6rperchen und Serum ben\u00fctzend, f\u00fcr defibrinirtes Blut vom Schwein, Pferd und Rind die nachfolgende Zusammensetzung erhalten\n1\tLehmann, Journ. f. pract. Chem. LUI. S. 205. 1851.\n2\tFunke, De sangui ven. lienal. Leipzig 1851.\n3\tVierordt, Arch. f. physiol. Heilk. XI. S. 47. 1852.\n4\tZimmermann, Die Methode d. Blutanalyse. Hamm 1855.\n5\tHoppe-Seyler, Arch. f. pathol. Anat. XII. S. 483. 1857.\n6\tDieselben a. a. 0.\n7\tFriakowski, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1866. S. 705.\n8\tBunge, Ztschr. f. Biologie. XII. S. 191. 1876.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Analysen von Hoppe-Seyler, Fudakowski und Bunge.\n131\nIn 100 Tkeilen clefibrinirtem Blute\n\tSchweineblut\t\tPferdeblut\t\tRinderblut\t\n\t43.68 K\u00f6rperchen\t56.32 Serum\t53.15 K\u00f6rperchen\t46.85 Serum\t37.87 K\u00f6rperchen\t68.13 Serum\nWasser ....\t27.61\t51.79\t32.36\t42.01\t19.12\t62.22\nF este Stoffe\t. .\t16.07\t4.53\t20.79\t4.84\t12.75\t5.91\nEiweiss ....\t3.76\t3.81\t\u2014\t\u2014\t3.42\t4.99\nHmoglobin .\t.\t.\t11.40\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t8.94\t\u2014\nAndere org. Stoffe\t0.52\t0.28\t\u2014\t\u2014\t0.24\t0.38\nAnorg. Stoffe .\t.\t0.39\t0.43\t\u2014\t\u2014\t0.15\t0.54\nKaff\t\t0.2421\t0.0154\t0.262\t0.013\t0.0238\t0.0173\nNatron ....\t\u2014\t0.2400\t\u2014\t0.208\t0.0667\t0.2964\nKalk\t\t\u2014\t0.0072\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0.0070\nMagnesia .\t.\t.\t0.0069\t0.0021\t\u2014\t\u2014\t0.0005\t0.0031\nEisenoxyd .\t.\t.\t\u2014\t0.0006\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0.0007\nChlor ....\t0.0657\t0.2034\t0.102\t0.176\t0.0521\t0.2532\nPhosphors\u00e4ure .\t0.0903\t0.0106\t\u2014\t\u2014\t0.0224\t0.0181\nDarnacli ergeben sieb aber f\u00fcr 100 Tkeile K\u00f6rpereben und 100 Tbeile Serum der untersuchten Blutarten die in der nachfolgenden Tabelle enthaltenen Bestandtheile\n\tSchweineblut\t\tPferdeblut\t\tRinderblut\t\n\tK\u00f6rper- chen\tSerum\tK\u00f6rper- chen\tSerum\tK\u00f6rper- chen\tSerum\nWasser ....\t63.21\t91.96\t60.89\t89.66\t59.99\t91.33\nFeste Stoffe .\t.\t36.79\t8.04\t39.11\t10.34\t40.01\t8.67\nEiweiss ....\t8.61\t6.77\t\u2014\t\u2014\t10.73\t7.32\nH\u00e4moglobin .\t.\t26.10\t\u2014\t\t\u2014\t28 05\t\u2014\nAndere org. Stoffe\t1.20\t0.50\t\t\u2014\t0.75\t0.56\nAnorg. Stoffe .\t.\t0.89\t0.77\t\u2014\t\u2014\t0.48\t0.79\nKali\t\t0.5543\t0.0273\t0.492\t0.027\t0.0747\t0.0254\nNatron ....\t\u2014\t0.4272\t\u2014\t0.443\t0.2093\t0.4351\nKalk\t\t\u2014\t0.0136\t\t\u2014\t\u2014\t0.0126\nMagnesia .\t.\t.\t0.0158\t0.0038\t\t\u2014\t0.0017\t0.0045\nEisenoxyd .\t.\t.\t\u2014\t0.0011\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0.0011\nChlor ....\t0.1504\t0.3611\t0.193\t0.375\t0.1635\t0.3717\nPhosphors\u00e4ure .\t0.2067\t0.0188\t\t\t0.0703\t0.0266\nMan vergleiche damit auch die Analysen der serumfreien Blutk\u00f6rperchen von J\u00fcdell1.\nAus Bunge\u2019s Tabellen ergiebt sich, dass Kali und Natron zwischen K\u00f6rperchen und Serum ungleich vertheilt sind, das erstere ist in den K\u00f6rperchen, das letztere im Serum vorwiegend. Beim Schwein und Pferd ist in den K\u00f6rperchen \u00fcberhaupt kein Natron enthalten. Auf diese ungleiche Vertheilung beider Basen machte C. Schmidt2 zuerst aufmerksam. Sp\u00e4ter glaubte Sacharjin3 gefunden zu haben,\n1\tJ\u00fcdell, Hoppe-Seyler\u2019s ined.-chem. Unters. S. 386. 1866\u20141871.\n2\tC. Schmidt, a. a. O. S. 13.\n3\tSacharjin, Arch. f. pathol. Anat. XXL S. 337. 1861.\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132 Rollett, Physiologie des Blutes. 8. Cap. Quantit\u00e4t. Analyse d. Gesammtblutes.\ndass allgemein die Blutk\u00f6rperchen nur Kali, das Plasma nur Natron enth\u00e4lt, was nach Bunge eingeschr\u00e4nkt werden muss. Ein Versuch Bunge\u2019s\u20191, der dahin zielte, ein besonderes Bindungsverm\u00f6gen der Blutk\u00f6rperchen f\u00fcr Kali im abgelassenen Blute nachzuweisen, misslang. F\u00fcr die lebenden Blutk\u00f6rperchen ist die Thatsache sehr wichtig, und mag hier erinnert werden, dass auch im Fleisch, im Gegensatz zum Blutplasma, Kali die vorherrschende Base ist. Endlich ist durch Bunge der Chlorgehalt der Blutk\u00f6rperchen erwiesen.\nAschenanalysen des Gesammtblutes2 liegen in grosser Anzahl vor; sie haben aber aus den schon er\u00f6rterten Gr\u00fcnden (s. ob. S. 124) einen sehr beschr\u00e4nkten Werth. Die Blutasche enth\u00e4lt 8\u20149 \u00b0/o Eisenoxyd, welches aus dem H\u00e4moglobin des Blutes herr\u00fchrt.\nDie quantitative Analyse des Blutes kann trotz mancherlei befriedigenden Fortschrittes strengen Anforderungen noch nicht gen\u00fcgen. Demgegen\u00fcber ist aber hervorzuheben, dass wir uns f\u00fcr die Hauptbestandteile des Blutes im Besitze sehr brauchbarer analytischer Methoden befinden; wir haben \u00fcber dieselben an passender Stelle das Wichtigste vorgebracht oder auf sie hingewiesen.\nAnalysen des Blutes verschiedener Gef\u00e4ssgebiete liegen aus \u00e4lterer Zeit viele vor; bei den Fehlern, welche diesen Analysen anhaften, lassen sich daraus nur h\u00f6chst unsichere Schl\u00fcsse auf die Ver\u00e4nderungen ziehen, welche das Blut auf seiner Bahn erleidet. Die einzigen vergleichenden Analysen verschiedener Blutarten, welche aus der Neuzeit herr\u00fchren, betreffen das Blut der Pfortader und der Lebervenen (Fl\u00fcgge3, Drosdoff4); sie k\u00f6nnen uns in unserem Urtkeile \u00fcber die \u00e4lteren Analysen nur best\u00e4rken. Fl\u00fcgge kommt zu dem Resultate, dass f\u00fcr keinen der untersuchten Bestandtheile ein constan-ter Unterschied sich ergiebt, der auf eine chemische Verschiedenheit der beiden Blutarten zu beziehen w\u00e4re. Etwas gl\u00fccklicher ist Drosdoff, der die Hunde vor der Blutentnahme reichlich f\u00fctterte. Er findet dann das Pfortaderblut reicher an festen Bestandtheilen. Dagegen zeigt sich in allen Versuchen im Aetherextract des Lebervenenblutes mehr Cholestearin und weniger Fett als im Pfortaderblut (vgl. ob. S. 123). Jedenfalls sind die f\u00fcr die analytische Verarbeitung einer bestimmten Blutmenge nach einheitlichem Plane dienenden Methoden auch heute noch mit solchen Fehlern behaftet, dass sie bei verglei-\n1\tBunge, Ztschr. f. physiol. Chem. III. S. 63. 1879.\n2\tVgl. Verdeil, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXIX. S. 89. 1849. \u2014 Jarisch,Wiener med. Jahrb. 1871. S. 435.\n3\tFl\u00fcgge, Ztschr. f. Biologie. XIII. S. 133. 1877.\n4\tDrosdoff, Ztschr. f. physiol. Chemie. I. S. 233. 1877\u20141878.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Vergleichende Analysen verschiedener Blutarten.\n133\neilenden Versuchen die mit dem Stoffwechsel in den Organen einhergehenden Blutver\u00e4nderungen nicht sicher aufzudecken im Stande sind.\nSpecialstudien an einzelnen Blutbestandtheilen sind f\u00fcr solche Versuche den Gesammtanalysen weitaus vorzuziehen.\nWas in dieser Beziehung vorliegt, ist zum Theile fr\u00fcher angedeutet worden, zum Theile wird es besser in der Lehre vom Stoffwechsel behandelt werden.\nUeber die Unterschiede von arteriellem und ven\u00f6sem Blute ist ausser dem, was wir \u00fcber den Farbenunterschied und die Gerinnungszeit (s. ob. S. 58 u. 105) vorgebracht haben, noch zu vergleichen die Lehre von den Blutgasen und von der thierischen W\u00e4rme.\nUeber den mit der Nahrungsaufnahme schwankenden Fettgehalt und Zuckergehalt des Blutes vergl. oben S. 121\u2014123.\nIn Bezug auf die Ver\u00e4nderungen nach der Verdauung von Eiweissk\u00f6rpern ist das Auftreten von Peptonen im Blut der Pfortader (Drosdoff1 vergl. auch Schmidt-M\u00fchlheim2) zu erw\u00e4hnen.\nHandelt es sich um grosse Differenzen im Gehalt des Blutes an festen Substanzen \u00fcberhaupt oder an einem der im Blute in gr\u00f6sseren Mengen enthaltenen Bestandtheile, so dass sich die Differenzen schon im specifischen Gewichte und in dem Gehalt an Wasser und festen R\u00fcckstand in auffallender Weise geltend machen, dann treten die diese Differenzen veranlassenden Factoren auch schon in ver-h\u00e4ltnissm\u00e4ssig ungenauen Gesammtanalysen zu Tage. Wir erinnern in dieser Beziehung an die Verschiedenheiten der Blutzusammensetzung bei Kindern und Erwachsenen und bei beiden Geschlechtern. Denis3, Poggiale4, Simon5 und Andere zeigten, dass das Blut von Neugeborenen einen gr\u00f6sseren Gehalt an Blutk\u00f6rperchen besitzt als das der Mutter, was von Panum6 best\u00e4tigt wurde, der zugleich bei Hunden im defibrinirten Blut der Mutter 13,8 % festen R\u00fcckstand und ein spec. Gewicht von 1,0396 fand, w\u00e4hrend bei den neugeborenen Hunden die festen R\u00fcckst\u00e4nde 19,26, 22,23\u201422,80 %, die spec. Gew. 1,0536\u20141,0604 betrugen. Mit zunehmendem Wachsthum sinkt der Gehalt an Blutk\u00f6rperchen. Panum findet beim 17 Woch. 2 T. alten H\u00fcndchen nur 13,2 \u00b0/o festen R\u00fcckstand und 1,0389 spec. Gew. (vgl. oben Blutk\u00f6rperchenz\u00e4hlung und H\u00e4moglobingehalt des Blutes).\n1\tDrosdoff, Ztschr. f. physiol. Chemie I. S. 216. 1877\u20141878.\n2\tSchmidt-M\u00fchlheim. Arch. f. Aiiat. u. Physiol. Physiol. Abth. 1877. S. 549.\n3\tDenis, Recherch. exp\u00e9r. sur le sang etc. p. 289. Paris 1830.\n4\tPoggiale, Compt. rend. XXV. p. 1 12. 200. 1847.\n5\tSimon,Physiol, u. pathol. Anthropochemie. II. S. 144. Berlin 1842.\n6\tPanum, Arch. f. pathol. Anat. XXIX. S. 484. 1864.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nRolletT. Physiologie des Blutes. 9. Cap. Die Blutmenge.\nDas Blut jugendlicher Individuen ist \u00e4rmer an Blutk\u00f6rperchen, als das Erwachsener (Denis1, Andral & Gayarret2, Nasse3 u. A.).\nDas specifische Gewicht des Blutes ist bei M\u00e4nnern gr\u00f6sser als bei Weibern; es wurde zu 1,052\u20141,060 bei M\u00e4nnern, 1,045\u20141,056 bei Weibern (Dayy4), 1,0555 bei M., 1,0545 bei W. (H. Nasse5), 1,058\u20141,062 bei M., 1,054 \u2014 1,060 bei W. (Becquerel & Rodier6), 1,0599 bei M., 1,0503 bei W. (C. Schmidt7), 1,058\u20141,0608 bei W. Quinckes) bestimmt. Dem entsprechend ist der Wassergehalt im Blute der Weiber gr\u00f6sser als im Blute der M\u00e4nner (Lecanu9, Denis10, Becquerel & Rodier11). Das Plus des festen R\u00fcckstandes ist aber vorz\u00fcglich auf Rechnung der Blutk\u00f6rperchen zu setzen (Lecanu12, Denis13, Becquerel & Rodier14). Damit stimmen auch die vergleichenden Eisenbestimmungen der genannten Beobachter \u00fcberein (vergl. wieder oben Blutk\u00f6rperchenz\u00e4hlung und H\u00e4moglobingehalt des Blutes).\nNEUNTES CAPITEL.\nDie Blutmenge.\nBei den Leistungen, welche dem Blute im lebenden Organismus \u00fcbertragen sind, musste die Frage nach der Menge des Blutes, die ein lebender Organismus beherbergt und nach den Grenzen innerhalb welcher dieselbe unter gewissen Bedingungen schwankt, ein gr\u00f6sseres Interesse gewinnen. Da das Blut Beziehungen zu allen Organen des K\u00f6rpers hat, lag die Annahme nahe, dass ein bestimmtes Verh\u00e4ltnis zwischen Blut und K\u00f6rpergewicht vorhanden ist. Es ist aber bei genauerer Betrachtung kaum vorauszusetzen, dass dieses Verh\u00e4ltnis\n1\tDenis, a. a. O. p. 256.\n2\tAndeal et Gavakret, Ann. d. chim. et phys. S. 3. V. p. 327. 1SI2.\n3\tH. Nasse, W agner s Ilandw\u00f6rtorl). d. Physiol. I. S. 131. 1842.\n4\tJ. Dayy, Research, of physiol, and anat. II. p. 15. London 1839.\n5\tNasse, a. a. O. S. 82.\n6\tBecquerel et Rodier, Recherch. sur la comp. de sang. p. 22 u. 27. Paris 1844.\n7\tC. Schmidt, Charakter d. epid. Cholera. S. 31 u. 33. Leipzig u. Mitau 1850.\n8\tQuincke, Arch. f. pathol. Anat. LIT. S. 541. 1872.\n9\tLecanu, Nouvelles recherches sur le sang. p. 27. 1831 : \u00c9tud. chim. sur le sang hum. p. 65. Paris 1837.\n10\tDenis, a. a. O. p. 290.\n11\tBecquerel et Rodier, a. a. O. p. 22.\n12\tLecanu, a. a. O.\n13\tDenis, a. a. O.\n14\tBecquerel et Rodier, a. a. O. ; Trait\u00e9 de chim. path. Paris 1854.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Spec. Gewicht des Blutes, Blutmenge.\n135\nselbst bei verschiedenen Individuen derselben Species ganz constant bleiben wird, da ja bei verschiedenen Individuen das K\u00f6rpergewicht von verschiedenen Geweben, die eine ganz verschiedene Beziehung zum Blute haben, bedeckt wird und hier individuelle Abweichungen mehr oder weniger starke Entwicklung der Musculatur, des Fettpolsters u. s. f. existiren.\nBestimmungen der Gesammtmenge des Blutes beim Menschen und verschiedenen Thieren sind nach verschiedenen Methoden ausgef\u00fchrt worden, dieselben sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt.\nDie Zahlen bedeuten die Anzahl der auf das Blut entfallenden Ge-wichtstheile, wenn man sich jedes beliebige Thiergewicht immer in Tausend-theile zerlegt denkt, Mit anderen Worten, es sind Co\u00ebfficienten, mit welchen das Thiergewicht multiplicirt das Blutgewicht ergiebt. Dieselben sind als Decimalbr\u00fcche angeschrieben, weil dadurch die Uebersichtlichkeit erh\u00f6ht wird ; ausserdem entspricht aber, wie man sich leicht klar machen wird, die Zahl, welche man erh\u00e4lt, wenn der Punct um zwei Stellen nach rechts ger\u00fcckt wird, der Blutmenge in 100 Tlieilen K\u00f6rpergewicht.\n\t*> \u00a3\tg < K\t'\u00c8 5 < p-i\t\u00bb s 5 Z\u00df o\tS <\trt\tto \u00a3\t^ g\t\u00df 1 * \u00a7 h\tu C-i\t03 Ul\tt\u2014 O g \u00c9H Ul\tX Ch\tEH S\tZ 3 \u00e0 2 %\t%\nHund . . .\t\u2014\t0.0S3 \u20140.056\t0.091 \u2014 0.083\t\u2014\t0.066\t0.089 \u2014 0.071\t0.089 \u2014 0.080\t0.082 \u2014 0.055\nKatze . . .\t0.067\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0.046\t\u2014\t0.096 \u2014 0.081\t0.067 \u2014 0.059\nKaninchen .\t\u2014\t0.067 \u2014 0.050\t\u2014\t0.059\u20140.045\t\u00d6.04S\t\u2014\t0.0S1 \u20140.075\t0.055\nMeerschwein-\t\t\t\t\t\t\t\t\nchen . . .\t\t\t\t0.059\u20140.045\t0.058\t\t0.083 \u2014 0.081\t0.056\nBeim Menschen, und zwar bei hingerichteten Verbrechern bestimmten Bischoff1 2 3 4 5 6 7 8 9 die Blutmenge zu 0.071 und 0.077, Ed. Weber & Lehmann10 zu 0.125 des K\u00f6rpergewichtes.\nDie Bestimmungen der Blutmenge und die Bedingungen, unter\n1\tWelker. Prager Vjsehr. IV. S. 11. 1854; Ztschr. f. rat. Med. (3) IV. S. 145.\n1858.\n2\tHeidenhain, Disquis. d. sanguin, quant. Halle 1857; Arch. f. physiol. Heilk. N. F. I. S. 507. 1857.\n3\tPanum, Arch. f. pathol. Anat. XXIX. S. 241. u. 481. 1864.\n4\tGscheidlen, Unters, a. d. physiol. Labor. W\u00fcrzburg. II. S. 143. Leipzig 1869.\n5\tRanke, Blutvertheilung u. Th\u00e4tigkeitswechsel d. Organe. Leipzig 1871. (Die Zahlen sind von Gscheidlen, Arch. f. d. ges. Physiol. VII. S. 530. 1873, corrigirt.)\n6\tSpiegelberg u. Gscheidlen, Arch. f. Gyn\u00e4cologie. IV. S. 112. 1872.\n7\tSteinberg, Arch. f. d. ges. Physiol. VII. S. 101. 1873.\n8\tJolyet et Laffont, Gaz. m\u00e9d. 1877. p. 349.\n9\tBischoff, Ztschr. f. wissensch. Zoologie. VII. S. 331. 1855; IX. S. 65. 1857.\n10 Lehmann, Physiol. Chemie. 2. Au\u00dc. IL S. 234. Leipzig 1853.","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nRollett, Physiologie des Blutes. 9. Cap. Die Blutmenge.\nwelchen sie gemacht wurden, sind noch nicht so vervielf\u00e4ltigt, dass sie uns erm\u00f6glichen w\u00fcrden, die Bedingungen genau anzugeben, von von welchen die Blutmenge in jedem Moment abh\u00e4ngig ist.\nIn fr\u00fcherer Zeit glaubte man die Blutmenge aus dem beim Verbluten ausfliessenden Blute oder aus der Menge von Injectionsmasse finden zu k\u00f6nnen, welche zur Anf\u00fcllung der Gef\u00e4sse verbraucht wird1; beides kann \u00fcber die gesuchte Gr\u00f6sse keinen genauen Aufschluss gew\u00e4hren, da beim Verbluten niemals alles Blut entleert wird, die verbrauchte Injectionsmasse aber in hohem Grade abh\u00e4ngig sein wird von dem Drucke, unter welchem injicirt wird. Valentin'2 war zuerst bestrebt, eine strenge Methode zu finden. Er entzieht dem Thiere eine bestimmte Menge Blut b und bestimmt den procentischen festen R\u00fcckstand p derselben, dann injicirt er dem Thiere eine bestimmte Menge destillirten Wassers rv. Nach einiger Zeit, w\u00e4hrend welcher sich das Wasser mit dem in den Gef\u00e4ssen zur\u00fcckgebliebenen Blute y gleichm\u00e4ssig gemischt haben soll, wird eine neue Blutprobe entzogen und auch in dieser der procentische feste R\u00fcckstand q bestimmt. Man kann nun mit Hilfe der zwei Procentzahlen den Gesammt-rtickstand des Blutes y und des Blut-Wassergemisches y -f- w bestimmen und erh\u00e4lt, da das destillirte Wasser keinen R\u00fcckstand besitzt,\ny\ty -4-tv\n100 * P 100 * q\nund daraus\nq rv\nu p \u2014 y '\nwas vermehrt um die zuerst entzogene Blutprobe giebt\nq rv\nx =------------f- b,\np \u2014 y\ndie Gesammtmenge des Blutes. Der Grundgedanke von Valentins Verfahren ist ganz richtig, die Ausf\u00fchrung musste aber scheitern, weil das destillirte Wasser keine Fl\u00fcssigkeit ist, die indifferent gegen das Blut, w\u00e4hrend der Dauer ihres Aufenthaltes im Gef\u00e4sssysteme sich mit dem Blute gleichm\u00e4ssig mischt und den Stoffaustausch zwischen Blut und Geweben in unver\u00e4nderter Weise fortbestehen l\u00e4sst. Es ist aber auch keine andere Fl\u00fcssigkeit zu finden, die diese Forderungen erf\u00fcllt.\nWeit fruchtbarer war die Methode Welker\u2019s3. Sie beruht auf der Farbenvergleichung einer mit einer bestimmten Menge Wassers rv verd\u00fcnnten Blutprobe b, und der ebenfalls mit einer bestimmten Wassermenge rvi verd\u00fcnnten Blutmenge y, welche nach der Entziehung des Probeblutes im Gef\u00e4sssysteme bleibt. Um das letztere Blut-Wassergemisch zu erhalten, wird das Thier verblutet, dann Wasser in die Gef\u00e4sse injicirt, so lange sich dieses noch rotli f\u00e4rbt; das Sp\u00fclwasser mit dem durch Verbluten erhaltenen Blute vereinigt. Es wird dann zu dem letzteren Gemisch so lange destillirtes Wasser hinzugef\u00fcgt oder aber durch Abdunsten bei\n1\tVgl. Herbst, Comm. hist. crit. etanat. physiol, de sang, quantit. Gott, 1822. (wo sich die Angaben alt. Autoren zusammengestellt finden).\n2\tValentin, Repert. f. Anat. u. Physiol. III. S. 281. 1838.\n3\tWelker, a. a, O.","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Methoden zur Bestimmung der Blutmenge.\n137\netwa 40\u00b0 C. daraus entfernt; bis das zweite Blut-Wassergemisch yrv1 mit dem erst erhaltenen b -f- w in gleichdicker Schichte; etwa in zwei H\u00e4matinometern verglichen; keinen Farbenunterschied mehr erkennen l\u00e4sst. Es ist f\u00fcr diesen Fall\nalso\nIV W\\\ny \u2014 \u2014 .IV1 und w\nx = b +\nrv\n7V\ndie urspr\u00fcnglich im Thiere enthaltene Blutmenge.\nDas Verfahren von Welker wurde verbessert von Heidenhain1 haupts\u00e4chlich dadurch; dass er mit der Aussp\u00fclung der Blutgef\u00e4sse nicht abschloss, sondern darnach noch das Thier in einen Brei verwandelte, nachdem vorerst die Gallenblase mit der darin enthaltenen Galle entfernt worden war, und diesen Thierbrei mit Wasser auszog. Das geschah, weil durch Aussp\u00fclen niemals alles Blut aus den kleinsten Gef\u00e4ssen aller K\u00f6rpertheile entfernt wird. Eine weitere Verbesserung f\u00fchrte Gscheid-len'2 ein, vorz\u00fcglich dadurch, dass er das Blut aus den Gef\u00e4ssen nicht mit Wasser, sondern mit einer 0.5\u20140.6 \u00b0/o enthaltenen 67iV\u00ab-L\u00f6sung aus-spiilt, dann aber vor der Herstellung des Thierbreies die willk\u00fcrlichen Muskeln entfernt, da diese, wie man durch K\u00fchne3 weiss, ihr eigenes H\u00e4moglobin enthalten. Endlich hat Steinberg der Farbenvergleichung mit blossem Auge Preyer's spectrocolorimetrische Methode4 substituirt (vgl. oben S. 49). Wegen der grossen Verd\u00fcnnung des H\u00e4moglobin in dem Gemisch von Blut- und Waschfl\u00fcssigkeiten verf\u00e4hrt aber Steinberg5 bei Ausf\u00fchrung dieser Methode so, dass er in zwei H\u00e4matinometer gleiche Mengen Blut einbringt und dann die eine mit Wasser, die andere mit der Waschfl\u00fcssigkeit so lange verd\u00fcnnt, bis sie das von Preyer empfohlene Spectrum (s. oben S. 48 Fig. 6 PP) zeigen. F\u00fcr die etwas complicirtere Berechnung ist dann Folgendes nothwendig: b das Gewicht des anf\u00e4nglich entnommenen Probeblutes, m das Blut, welches in je eines der H\u00e4matinometer aufgenommen wurde, w das Wasser, welches in das eine, n'i die Waschfl\u00fcssigkeit, welche in das andere H\u00e4matinometer gebracht wurde, v die Menge der gesammten Waschfl\u00fcssigkeit, aus welcher rv\\ genommen wurde, y die unbekannte Blutmenge, welche in w\\ Wasch-\nEs ist dann\nm + y\nFl\u00fcssigkeit enthalten ist.\nm\nm -f- w\n771\nTV 1\nund daraus\nV =\nm {w\\ \u2014 rv) w -f- rn\nund also die urspr\u00fcngliche Blutmenge\n1\tHeidenhain, Disquisit, crit. et exper. etc. Halle 1857 ; Arch. f. physiol. Heilk. N. F. I. S. 507. 1857.\n2\tGscheidlen, Unters, aus d. physiol. Laborat. in W\u00fcrzburg. II. S. 143. Leipzig 1869; Arch. f. d. ges. Physiol. VILS. 530. 1873.\n3\tK\u00fchne, Arch. f. pathol. Anat. XXXIII. S. 79. 1865.\n4\tPreyer, Ann. d. Chemie u. Pharm. CXL. S. 187. 1866; Blutkrystalle S 131 Jena 1871.\n5\tSteinberg a. a. O.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nRollet, Physiologie des Blutes. 9. Cap. Die Blutmenge.\nx\nh -)---------\nrv\\\nv m (?V[ \u2014 w)\nw -f- m\nDie fr\u00fcher mitgetheilten Bestimmungen sind alle mit Ausnahme jener von Steinberg durch gew\u00f6hnliche Farbenvergleichung gewonnen.\nBeim Menschen bestimmte Bischoff die Blutmenge nach Welker\u2019s Verfahren. Ein anderes Verfahren ist von E. Weber & Lehmann1 beim Menschen ben\u00fctzt. Es bestand in W\u00e4gen des K\u00f6rpers vor und nach der Hinrichtung*, Injection des Kopfes und Rumpfes mit Wasser, bis dasselbe ungef\u00e4rbt abfloss. Der feste R\u00fcckstand des vereinigten Waschwassers wurde dann verglichen mit dem festen R\u00fcckst\u00e4nde des frisch ausgeflossenen Blutes und daraus die Menge Blut berechnet, welche dem R\u00fcckst\u00e4nde im Waschwasser entspricht. Diese zur Gewichtsdifferenz vor und nach der Enthauptung addirt, ergab die Blutmenge. Es wurde schon erw\u00e4hnt, dass durch Wasserinjection nicht alles Blut ausgesp\u00fclt werden kann, dagegen musste das Wasser beim Durchstr\u00f6men der Gef\u00e4sse feste Stoffe aufnehmen und daraus erkl\u00e4rt sich die sehr hohe Zahl von E. Weber und Lehmann.\nDie Methode von Brozeit2 beruht auf der Bestimmung des H\u00e4matin durch Extraction mit saurem Aether, sowohl aus dem Probeblute als aus den vereinigten Waschfl\u00fcssigkeiten, W\u00e4gen der zwei so gewonnenen H\u00e4matinmengen und Berechnung der Blutmenge aus dem Verh\u00e4ltniss beider ; sie ist umst\u00e4ndlich und zeitraubend.\nZu den angef\u00fchrten Methoden k\u00e4men nach Malassez3 noch einige, welche sich auf die Blutk\u00f6rperchenz\u00e4hlung gr\u00fcnden. Allein wenn wilder Blutk\u00f6rperchenz\u00e4hlung selbst die Bequemlichkeit und Sicherheit der Farbenvergleichung zuschreiben k\u00f6nnten, m\u00fcssten drei der Methoden, welche Malassez vorschl\u00e4gt, ohne sie jedoch ben\u00fctzt zu haben, verworfen werden. Sie beruhen auf Z\u00e4hlung der Blutk\u00f6rperchen vor und nach Injection einer bestimmten Menge Fl\u00fcssigkeit (Serum, fremdes Blut, blutk\u00f6rperchenreicheres Blut desselben Thieres). Auf eine Mischung, wie sie hier gefordert wird, kann zwar in Glasgef\u00e4ssen, nicht aber innerhalb der lebenden Gef\u00e4sse gerechnet werden; ausserdem ist aber keine Garantie geboten, dass nicht bei der Mischung rothe Blutk\u00f6rperchen zu Grunde gehen. Die vierte Methode Malassez\u2019, welche er auch zu Versuchen ben\u00fctzte: Aussp\u00fclen des ganzen Blutes mit Serum und Z\u00e4hlen der Blutk\u00f6rperchen im verd\u00fcnnten Blute, welche also der WELKER\u2019schen verwandt ist, nur dass die Blutk\u00f6rperchenz\u00e4hlung an Stelle der Farbenvergleicliung tritt, f\u00fchrt zu viel complicirteren Operationen, da Z\u00e4hlungen nur genau sind, wenn sie vervielf\u00e4ltigt und im einzelnen Falle sehr viele Blutk\u00f6rperchen gez\u00e4hlt werden (s. oben S. 26). Ausserdem entbehrt die Methode der HEiDENHAiN\u2019schen Correction und f\u00fchrt zu viel complicirteren Rechnungen.\nF\u00fcr die Blutmenge neugeborner Kinder ermittelte Welker4 die Blntmenge zu 0.0526 des K\u00f6rpergewichtes. Panum5 fand sie bei\n1\tLehmann, Physiol. Chemie. 2. Aufl. II. S. 234. Leipzig 1853.\n2\tBrozeit, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 353. 1870.\n3\tMalassez, Arch. d. physiol. S. 2.1, p. 797. 1874 ; S. 2. II. p. 201. 1875.\n4\tWelker a. a. O.\n5\tPanum. Arch. f. pathol. Anat.XXIX. S. 481.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Blutmenge bei Kindern und Erwachsenen, beim Hunger.\n139\nneugebornen Hunden unbedeutend geringer als bei erwachsenen Hunden. Sch\u00fccking1 findet die Blutmenge neugeborner Kinder gr\u00f6sser als Welker und abh\u00e4ngig von der Zeit bis zur Abnabelung. Bei sofortiger Abnabelung 0.0666 des K\u00f6rpergewichtes, bei Abnabelung nach mehreren Minuten 0.1111 des K\u00f6rpergewichtes. Bei tr\u00e4chtigen Hunden ist die Blutmenge gr\u00f6sser als bei nicht tr\u00e4chtigen, aber erst im Verlauf der Tr\u00e4chtigkeit mit dem Anwachsen des Uterus tritt die Zunahme auf. Gscheidlen & Spiegelberg2 3 fanden bei nicht tr\u00e4chtigen Hunden 0.0787, in der ersten Zeit der Tr\u00e4chtigkeit 0.780, am Ende der Tr\u00e4chtigkeit 0.1080 des K\u00f6rpergewichtes.\nBeim Hungern nimmt die Blutmenge nicht im Verh\u00e4ltnis zum K\u00f6rpergewichte ab, sondern erweist sich dem K\u00f6rpergewichte gegen\u00fcber sogar best\u00e4ndiger, so dass die Blutmenge verhungerter Thiere relativ gr\u00f6sser erscheint als die Blutmenge gut gen\u00e4hrter Hunde (Panum ). Es steht dieses Resultat im Einkl\u00e4nge mit Versuchen von Valentin4 und Heidenhain5 und widerlegt die entgegengesetzten Annahmen von Chossat6 und Bidder & C. Schmidt7.\nZEHNTES CAPITEL.\nFolgen der Herabsetzung der Blutmenge.\nEs ist eine alte Erfahrung, dass die Blutmenge bedeutend herabgesetzt werden kann, ohne dass dadurch das Leben des Organismus gef\u00e4hrdet wird und man sch\u00e4tzte die Blutmenge, welche ohne t\u00f6dt-liche Wirkung bei wohlgen\u00e4hrten Individuen entfernt werden kann, auf V3\u20144/2 der ganzen Blutmenge. Nur Kinder, Greise, fettleibige Individuen und Reconvalescenten fand man gegen Blutverluste empfindlicher. Thackrah8 bemerkte schon, dass in Folge von Aderl\u00e4ssen die Blutfl\u00fcssigkeit im Vergleich zu den K\u00f6rperchen sich ver-\n1\tSch\u00fccking. Centralbl. f. Gyn\u00e4cologie. 1879. Nr. 12 ; BerlinerklinAYochenschr. 1879. Nr. 39.\n2\tGscheidlen u. Spiegelberg, Arch. f. Gyn\u00e4kologie. IV. S. 116. 1872.\n3\tPanum, Arch. f. pathol. Anat. XXIX. S. 241.\n4\tValentin a. a. O.\n5\tHeidenhain a. a. O.\n6\tChossat, Recherches experiment, sur l\u2019inanition. Paris 1843.\n7\tBidder u. Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. Leipzig und Mitau 1852.\n8\tThackrah, Inquiry into the nat. and propert. of blood, p. 99. 1819.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140 Rollett, Physiologie d. Blutes. 10. Cap. Folgen d. Herabsetzung d. Blutmenge.\nmehrt und suchte diese Thatsache dadurch zu erkl\u00e4ren, dass die Blutfl\u00fcssigkeit schneller regenerirt wird als die K\u00f6rperchen.\nDas betr\u00e4chtliche Sinken der Blutk\u00f6rperchen wurde dann von Pr\u00e9vost & Dumas1, Andral & Gr a v arret2, Nasse3, Zimmermann4 und Vierordt5 best\u00e4tigt. Nasse zeigte, dass nicht blos das Verh\u00e4ltnis von K\u00f6rperchen und Plasma sich \u00e4ndert, sondern das Serum auch wasserreicher wird. Diese Ver\u00e4nderung des Blutes wurde auf Rechnung vermehrten Zufliessens von Lymphe aus den Geweben her gesetzt,\nLesser6 7 fand aber, dass auch nach Unterbindung der grossen Lymphst\u00e4mme Aderl\u00e4sse das Blut wasserreicher machen und seinen H\u00e4moglobingehalt herabsetzen ; der H\u00e4moglobingehalt f\u00e4llt mehr, als der Ver\u00e4nderung des Serum entspricht. Plasma und K\u00f6rperchen m\u00fcssen sich also ungleich rasch entleeren. Es trifft die relative Beschleunigung die K\u00f6rperchen, da durch Ausdr\u00fccken der Gef\u00e4sse verbluteter Thiere noch immer farbestoff\u00e4rmeres Blut erhalten wird, als das letztausgeflossene.\nDer H\u00e4moglobingehalt \u00e4ndert sich nicht proportional der Menge des verlornen Blutes. Anfangs verharrt er auf der Norm oder steigt sogar vor\u00fcbergehend. Erst wenn einmal ungef\u00e4hr die H\u00e4lfte des bei t\u00f6dtlicher Verblutung zu erhaltenden Blutes ausgeflossen ist, sinkt er pl\u00f6tzlich und dann stetig bis zum Tode. Fliesst das Blut schnell aus, so sinkt der H\u00e4moglobingehalt schon bei geringerem Blutverluste pl\u00f6tzlich. Das pl\u00f6tzliche Sinken des H\u00e4moglobingehaltes f\u00e4llt mit dem pl\u00f6tzlichen Sinken des Blutdruckes zusammen, dessen Eintritt bei rascher und langsamer Verblutung vasomotorisch in verschiedener Weise beeinflusst wird. Sehr betr\u00e4chtliche Blutverluste rege-neriren sich verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig rasch.\nIn Tagesintervallen kann man Blutmengen entleeren, die das Volumen eines t\u00f6dtlichen Aderlasses weit \u00fcbertreffen (Piorry;). W\u00e4hrend 71 Tagen entzog Tolmatscheff8 einem Hunde 1.646 Kgrm. Blut, was 14.27 % des K\u00f6rpergewichtes betrug, also nahezu die doppelte Menge der zu Anfang des Versuches im Thiere enthaltenen Blutmenge (s. oben S. 135).\n1\tPr\u00e9vost et Dumas, Ann. cl. chim. et phys. XXni. p. 66. 1823.\n2\tAndral et Gavarret, Ann. de chim. et phys. 3. S. V. p. 323. 1842.\n3\tH. Nasse, Das Blut physiol, u. pathol. untersucht, Bern 1836 ; Wagner\u2019s Hand-w\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 208. Braunschweig 1842.\n4\tZimmermann, Arch. f. physiol, u. pathol. Chemie. IV. S. 385 u. 465. 1847.\n5\tVierordt, Arch. f. physiol. Heilk. XIII. S. 259. 1854.\n6\tLesser, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XXVI. S. 153. 1874.\n7\tPiorry, Arch. g\u00e9n. d. m\u00e9d. X. p. 135. 1826.\n8\tTolmatscheff, Hoppe-Seyler'smed.-chem. Unters. S. 396. Berlin 1866\u20141871.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Abnahme der Blutk\u00f6rperchen, Aenderung der Zusammensetzung ; Transfusion. 141\nDas Thier erhielt t\u00e4glich 1 Pfd. Brod und V2 Pfd. Fleisch, wobei es, wie Vorversuche zeigten, an Gewicht zunahm. W\u00e4hrend des Versuches stieg bis zum 38. Tage (3. Aderlass) der H\u00e4moglobingehalt des Blutes bis zum 63. Tage (5. Aderlass) auch das K\u00f6rpergewicht.\nUeber das Verhalten der Blutk\u00f6rperchen im Blute nach grossen Blutverlusten vergleiche oben S. 83\u201488.\nUeber die Schnelligkeit, mit welcher die Blutk\u00f6rperchen regene-rirt werden, ist nichts Genaueres bekannt; welchen Einfluss die Ar-muth des Blutes an K\u00f6rperchen auf die Umsetzung der letzteren aus\u00fcbt, ist gleichfalls nicht n\u00e4her bekannt.\nELFTES CAPITEL.\nBluttransfusio n.\nNachdem Lower1 im Jahre 1665 durch directe Ueberleitung des Blutes aus einem Hunde in den anderen gezeigt hatte, dass dieses Verfahren mit Nutzen zur Erhaltung des Lebens nach grossen Blutverlusten angewendet werden k\u00f6nne, f\u00fchrte Denis'2 im Jahre 1667 diese Operation am Menschen mit Lammblut mit gutem Erfolge aus. Da sich aber bei Wiederholung3 der Operation bald auch Misserfolge einstellten, kam sie wieder in Misscredit. Erst erneute und vervielf\u00e4ltigte Versuche an Thieren, die sich vom Anf\u00e4nge des dritten De-cenniums unseres Jahrhunderts bis in die j\u00fcngste Zeit fortsetzten, haben die Transfusion wieder in Aufschwung gebracht, allein ihr Ansehen als Heilverfahren blieb auch jetzt noch ein zweifelhaftes.\nUns k\u00f6nnen hier nur die grundlegenden Thierversuche interessiren. Sie betreffen die Wirkung der directen Ueberleitung des Blutes in Vergleich mit der Wirkung des defibrinirten Blutes; die Wirkungen des Blutes derselben Species im Vergleich mit dem Blute verwandter Species oder in der Thierreihe mehr oder weniger weit abstehenden Species; die Menge des transfundirten Blutes und das Verhalten des transfundirten Blutes in dem damit gespeisten Organismus.\n1\tLower, Philos. Transact. I. p. 353. 1866.\n2\tDenis, Journ. des. savant, p. 69 u. 134. 1667.\n3\tVgl. Mittler, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LVIII. (2) S. 895. 1868.\u2014 Landois, Die Transfusion des Blutes. (Hist. Einleit.) Leipzig 1875. \u2014 Sprengel, Versuch einer pragm. Geschichte d. Arzneikunde. IV. S. 46. Halle 1801.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nRoulett, Physiologie des Blutes. 11. Cap. Bluttransfusion.\nDie ersten Versuche bestanden in directem Ueberleiten des Blutes aus einem Organismus in die Gef\u00e4sse des anderen. Sp\u00e4ter fand sich aber, dass mit defibrinirtem Blute ebenfalls g\u00fcnstige Erfolge erzielt werden k\u00f6nnen (Pr\u00e9vost & Dumas1, Diefenbach2), ja es wurde der letzteren Methode, welche die Gefahren vermeide, welche die Ausscheidung von Fibrin bei der directen Ueberleitung mit sich zu bringen pflegt, sogar das Wort geredet (Joh. M\u00fcller3, Bischoff4, Panum5). Dagegen war aber andererseits hervorgehoben worden, dass gerade das Fehlen des Faserstoffes im Transfusionsblute zu ser\u00f6sen und blutigen Ausschwitzungen in Lungen und Darm Veranlassung gebe (Magendie6 7 8) und auch sp\u00e4ter wurde die directe Transfusion verthei-digt (Mittler\")- Wieder von anderer Seite sprach man sich endlich daf\u00fcr aus, dass directe Transfusion und solche von defibrinirtem Blute gleich unsch\u00e4dlich seien (PonfickV, Worm-M\u00fcller9).\nWir wissen heute, dass defibrinirtes Blut nicht blos kein Fibrin enth\u00e4lt, sondern dass in demselben auch Substanzen enthalten sind, welche im circulirenden Blute fehlen und erst bei der Fibrinbildung entstehen: das Fibrinferment und das Serumglobulin. Es wird sich darum fragen, wie diese Substanzen im Blute des empfangenden Thieres sich verhalten. Injectionen reiner Fibrinfermentl\u00f6sungen wurden ohne besondere Folgeerscheinungen vertragen (Jakowitzki 1 \u00b0, K\u00f6hler11) und das Ferment schwand nach einiger Zeit wieder aus dem Blute. Dieses negative Resultat veranlasste im Hinblicke auf A. Schmidt\u2019s Gerinnungslehre zu der Vermuthung, dass die Wirkungslosigkeit der Fermentl\u00f6sung auf dem Mangel des Serumglobulin im circulirenden Blute zur\u00fcckzuf\u00fchren sei. In der That wurden - nun ganz andere Beobachtungen gemacht, als frisch aus dem Blutkuchen gepresstes defibrinirtes Blut transfundirt wurde. Darnach wurden Gerinnungen im rechten Vorhofe des Empf\u00e4ngers, in den Lungenarterien und in den K\u00f6rpervenen bei noch klopfendem Herzen beobachtet, deren Entstehen durch eingef\u00fchrte Fremdk\u00f6rper oder durch\n1\tPr\u00e9vost et Dumas, Biblioth\u00e8cpie univers, d. Gen\u00e8ve. XVII. p. 215. 1821 ; Ann. de chim. etphys. XVIII. p. 294. 1821.\n2\tDiefenbach, Die Transfusion des Blutes. Berlin 1828.\n3\tJoh. M\u00fcller, Handb. d. Physiol. I. S. 137. Coblenz 1835.\n4\tBischoff, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1835. S. 347.\n5\tPanum, Arch. f. pathol. Anat. XXVII. S. 240 u. 433. 1863; LXIII. S. 1. 1875.\n6\tMagendie, Le\u00e7ons sur le sang. Paris 1838.\n7\tMittler a. a. O.\n8\tPonfick, Arch. f. pathol. Anat. LXII. S. 273. 1874.\n9\tWorm-M\u00fcller, Transfusion und Plethora. S. 64. Christiania 1875.\n10\tJakowitzki, Zur physiol. Wirkung d. Bluttransfusion. S. 28. Dorpat 1875..\n11\tK\u00f6hler, Ueber Thrombose u. Transfusion etc. und deren Bezieh, zum Fibrm-ferment. S. 2. Dorpat 1877.","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Directe Transfusion, Transfusion von clefibrinirtem Blut.\n143\nnachtr\u00e4gliche Gerinnung des empfangenen Blutes v\u00f6llig auszuschliessen war (K\u00f6hler). Auch durch k\u00f6rperchenfreies Serum entstanden solche Thromben. Geschlagenes (ferment\u00e4rmeres) Blut wirkte schw\u00e4cher. Durch diese Thromben erkl\u00e4ren sich die von Magendie beobachteten Transsudate. Tritt ausgedehnte Thrombosirung der Lungenarterien ein, so gehen die Thiere rasch zu Grunde, bei weniger ausgedehnter leben sie fort und zeigen h\u00e4morrhagische Infarcte im Gebiete der thrombosirten Arterien. Die st\u00fcrmischen Erscheinungen, die nach Injection von defibrinirtem Blute nachmal auftreten, beruhen auf einem vor\u00fcbergehenden Stadium der Fibringerinnung, welches wieder in L\u00f6sung \u00fcbergehen kann (K\u00f6hler). Die in Folge von Injection gallensaurer Alkalien oder von durch Frieren und Wiederaufthauen lackfarbig gemachtem defibrinirten Blutes beobachtete Gerinnung innerhalb der Gef\u00e4sse (Naunyn1, Jakowitzki2, Ranke3), die \u00fcbrigens nicht constant zu beobachten ist (Naunyn4, Jakowitzki5 6, Schiffer0), soll auf der rasch innerhalb der Gef\u00e4sse bewirkten Aufl\u00f6sung weisser Blutk\u00f6rperchen beruhen, die unter Bildung von Fibrinferment und Serumglobulin erfolgt, auch nach der Injection von an sich nicht fermentreichem lackfarbigen Blute wurde einmal in den darnach gebildeten Thromben ein sehr hoher Fermentgehalt gefunden (K\u00f6hler). Durch die Thrombenbildung wird das Blut des Empf\u00e4ngers gerinnungsunf\u00e4higer und kann dieser Umstand auch die nach Transfusion von defibrinirtem Blute h\u00e4ufig beobachteten Nachblutungen aus der Operationswunde erkl\u00e4ren.\nDie Injection von defibrinirtem Blute kann also unter Umst\u00e4nden sehr gef\u00e4hrliche Folgen haben (K\u00f6hler).\nBlut verschiedener Species desselben Genus wurde \u00e4hnlich wie das Blut derselben Species zwischen zwei Individuen sowohl bei directer als bei indirecter Transfusion oft ohne Nachtheil ausgetauscht, so vom Pferde auf den Esel (Milne-Ewards7), vom Hunde auf den Fuchs und umgekehrt, vom Hasen auf das Kaninchen (Landois8).\nAustausch von Blut weiter abstehender Thiere wird dagegen in gr\u00f6sserer Menge nicht ertragen. Es tritt H\u00e4moglobinurie auf (Pon-fick9). Die Thiere gehen zu Grunde. Schon kleine Mengen bewirken\n1\tNaunyn, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1868. S. 401 ; Arch. f. exper. Pathol. I. S. 1.\n1873.\n2\tJakowitzki a. a. 0.\n3\tBanke, Blutverth, u. Th\u00e4tigkeitswechsel d. Organe. S. 164. Leipzig 1871.\n4\tNaunyn, Arch. f. exper. Path. I. S. 1. 1873.\n5\tJakowitzki a. a. 0.\n6\tSchifeer, Centralbl. f. cl. med. Wissensch. S. 145. 1872.\n7\tMilne-Edwards, Le\u00e7ons sur la physiol, et Panat. comp. I. p. 326. Paris 1857.\n8\tLandois, Beitr\u00e4ge z. Transfusion d. Blutes. S. 20. Leipzig 1878.\n9\tPonfick a. a. 0.","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nBollett, Physiologie des Blutes. 11. Cap. Bluttransfusion.\noft \u00e4hnliche Erscheinungen, die aber wieder schwinden (Pr\u00e9vost & Dumas1, Panum2, Ponfick3, Worm-M\u00fcller4). Die H\u00e4moglobinurie beruht nach Landois5 auf der Aufl\u00f6sung der Blutk\u00f6rperchen des fremden Blutes oder auch jener des Empf\u00e4ngers. Dabei wird ebenfalls die Bildung von Thromben beobachtet. Die Angaben von Bi-schoff6 und von Brown-Sequard7 8 9 10, wonach nur ven\u00f6ses Fremdblut t\u00f6dtlich wirken soll, nicht aber arterielles, welches selbst von weit abstehenden Thieren vertragen werden soll, sind als widerlegt zu betrachten.\nWas die Menge des transfundirten Blutes betrifft, so glaubte man lange, dass dieselbe nur einem vorausgegangenen Blutverluste entsprechen k\u00f6nne und hielt eine durch die Transfusion bewirkte Ueber-f\u00fcllung f\u00fcr direct gef\u00e4hrlich.\nWorm-M\u00fcller s und Lesser0 zeigten aber, dass das Gef\u00e4sssystem sehr variable Blutmengen aufzunehmen im Stande ist, ohne dass der Blutdruck dabei eine wesentliche Aenderung erleidet (s. die Lehre vom Kreislauf).\nBei langsamer Transfusion werden Blutmengen, welche die normale Blutmenge um 82\u201483 \u00b0/o vermehren, ohne Schaden ertragen. Erst bei der Vermehrung um 145 \u00b0/o wird die Grenze \u00fcberschritten, bei welcher lebensgef\u00e4hrliche Symptome auftreten. Vermehrungen, welche noch gut ertragen werden, sind vor\u00fcbergehend. Nach 2 bis 5 Tagen ist die Blutmenge zur Norm zur\u00fcckgekehrt (Worm-M\u00fcller). Vergleicht man die F\u00e4rbekraft des urspr\u00fcnglichen, des transfundirten und des gemischten Blutes (Lesser 1 \u00b0), oder z\u00e4hlt man die Blutk\u00f6rperchen in diesen drei Blutarten (Worm-M\u00fcller11), so erf\u00e4hrt man, dass zun\u00e4chst das Plasma das Gef\u00e4sssystem des Empf\u00e4ngers wieder verl\u00e4sst, w\u00e4hrend die Blutk\u00f6rperchen sich noch unver\u00e4ndert erhalten, womit auch \u00e4ltere Versuche von Panum12 \u00fcbereinstimmen.\nW\u00e4hrend der Zeit, wo das Blutplasma das Gef\u00e4sssystem verl\u00e4sst, ist die Harnstoffausscheidung vermehrt (Worm-M\u00fcller13, Lan-\n1\tPr\u00e9vost et Dumas a. a. 0.\n2\tPanum a. a. 0.\t3 Ponfick a. a. 0.\n4\tWorm-M\u00fcller a. a. 0.\n5\tLandois, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1873. S. 8S3 u. 897; 1874. S. 419 ;\nDie Transfusion des Blutes. Leipzig 1875;\n6\tBischoff. Arcli. f. Anat. u. Physiol. S. 351. 1838.\n7\tBrown-Sequard. Journ. d. 1. physiol. I. p. 95. 353. 729. 1858.\n8\tWorm-M\u00fcller, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XXY. S. 505. 1873.\n9\tLesser, Ebenda. XXVI. S. 153. 1874.\n10\tLesser a. a. 0. S. 166.\n11\tWorm-M\u00fcller, Transfusion u. Plethora. S. 9. ^\n12\tPanum, Arch. f. pathol. Anat. XXIX. S. 241. 1864.\n13\tWorm-M\u00fcllbr a. a. 0.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Menge und Verbrauch des transfundirten Blutes.\n145\ndois1)- Erst allm\u00e4hlich werden auch die Blutk\u00f6rperchen wieder re-ducirt. Die Art und Weise ihrer Umsetzung ist noch nicht n\u00e4her bekannt. Mit der Erfahrung, dass die Blutk\u00f6rperchen des transfundirten Blutes im Empf\u00e4nger zur\u00fcckgehalten werden, w\u00e4hrend das Plasma verbraucht wird, stimmt auch die von Tschiriew2 beobachtete, von Forster3 best\u00e4tigte Thatsache \u00fcberein, dass der Stickstoffumsatz gr\u00f6sser ist, wenn eine bestimmte Menge Blut verf\u00fcttert wird, als wenn dieselbe Blutmenge durch Transfusion eingebracht wird. Im letzteren Falle erhebt sich aber \u00fcber den Umsatz beim Hunger.\n1\tLandois, Beitrage z. Transfusion d. Blutes. S. 38. Leipzig. Vogel.\n2\tTschiriew, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XXVI. S. 44!. 1874.\n3\tForster. Ztsehr. f. Biolog. XL S. 496. 1875.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV\n10","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"ZWEITER THEIL.\nPHYSIOLOGIE HER BLUTBEWEGUNG.\nEINLEITUNG.\nDas Blut kann seinen mannigfachen physiologischen Functionen nur gen\u00fcgen, wenn es in den Blutbeh\u00e4ltern des lebenden Organismus fortw\u00e4hrend in einer bestimmten Richtung bewegt wird.\nDie Triebkraft f\u00fcr diese Bewegung wird haupts\u00e4chlich durch das Herz aufgebracht. Die Richtung der Bewegung ist durch die bestimmte zeitliche Folge der Th\u00e4tigkeit der einzelnen Herzabtheilungen und durch Ventile (Klappen) in den Blutbeh\u00e4ltern gesichert.\nDer also erzeugte Blutstrom ist Gesetzen unterworfen, welche in ihrer allgemeinen Form mit den Gesetzen von Fl\u00fcssigkeitsstr\u00f6men in R\u00f6hren zusammenfallen. Das Schema der Kreislaufsbahnen wird als bekannt vorausgesetzt und damit auch, dass der grosse und kleine Kreislauf nur zwei Abtheilungen desselben Kreislaufes darstellen, die vom Blute nach einander durchlaufen werden, bis es wieder an den Ort zur\u00fcckgelangt, von welchem es ausgegangen ist.\nERSTES CAPITEL.\nDas Herz und seine Mechanik als Motor f\u00fcr den\nKreislauf.\nI. Anatomische Bemerkungen.\nEs muss vorerst an einige f\u00fcr die Mechanik des Herzens besonders wichtige Puncte aus der Anatomie des Herzens erinnert werden.\nDas Herz ist in das Pericardium eingeschlossen, welches an das","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Anatomische Bemerkungen.\n147\nCentrum tendin. des Zwerchfelles und mittelst festerer fibr\u00f6ser Str\u00e4nge, die durch das vordere und hintere Mediastinum laufen, an das Brustbein einerseits, an die Wirbels\u00e4ule andererseits angeheftet ist (Lig. sternopericard. Luschka1; Lig. costopericard. Lannelongue & Le Dentu2; Lig. pericard. sup. B\u00e9raud3).\nDas Herzfleisch ist aus quergestreiften Muskelzellen zusammengesetzt, welche zu netzf\u00f6rmigen Balken zusammengeordnet sind, die wieder netzartig verbundene Faserz\u00fcge bilden4. Ueber den Verlauf dieser Faserz\u00fcge in den Wandungen der Vorh\u00f6fe und Ventrikel (Herzfaserung)5 werden wir sp\u00e4ter noch Einiges vorzubringen haben. Durch das Vorhandensein der Querstreifung steht der Herzmuskel den willk\u00fcrlichen Muskeln des Stammes nahe, seine Zusammensetzung aus einzelnen Zellen erinnert aber an die der glatten Muskeln.\nDie H\u00f6hlungen des Herzens sind von dem Endocardium ausgekleidet,\u2019 Duplicaturen des letzteren, durch besondere gewebliche Zwischenlagen verst\u00e4rkt, bilden die Herzklappen.\nWie wichtig absolute und relative Bestimmungen der Muskelmassen des Herzens auch w\u00e4ren, so liegen doch nur wenig verwerth-bare Angaben dar\u00fcber vor.\nDie W\u00e4gungen und Ausmessungen an Leichenherzen (Bouillaud6, Bizot \", Clendinnings, Vernois9, Peacock 10, Wulff 11, Bischoff 12, Blosfeld 13, Dieberg14 haben mehr Interesse f\u00fcr die pathologische Anatomie und forensische Medicin. Die Physiologie kann sich nur zum Behufe ungef\u00e4hrer Sch\u00e4tzungen auf dieselben st\u00fctzen. Blosfeld erhielt f\u00fcr das Herz von 36 verungl\u00fcckten gesunden M\u00e4nnern das mittlere Gewicht 346 Grm., f\u00fcr das von 8 verungl\u00fcckten Frauen 310 Grm. Dieberg\u2019s Mittelzahl f\u00fcr die M\u00e4nner (7 F\u00e4lle) 346 Grm. stimmt damit genau \u00fcberein, f\u00fcr (2) Frauen fand der Letztere 340 Grm.\nDie Dicke der vom Herzfleisch gebildeten Schichte, auf deren gr\u00f6ssere oder geringere Entwicklung die \" verschiedene St\u00e4rke der Wand der einzelnen Herzabtheilungen zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, betr\u00e4gt in\n1\tLuschka, Anat. d. Menschen. I. (2) T\u00fcbingen 1863.\n2\tLannelongue et Le Dentu, Arch. d. physiol. I. p. 448. 1868.\n3\tB\u00e9raud, Gaz. m\u00e9d. p. 60. 1862.\n4\tYgl. Schweigger-Seidel, Strieker\u2019s Gewebelehre I. S. 177. Leipzig 1871.\n5\tYgl. Henle, Handb. d. syst. Anat. 2. Aufl. 111.(1) S. 46\u201463. Braunschweig 1876.\n6\tBouillaud, Trait\u00e9 cliniq. d. malad, d. coeur. I. Paris 1835.\n7\tBizot, Mem. de la soc. m\u00e9d. d\u2019obser. de Paris. I. p. 162. 1836.\n8\tClendinning, Med. chir. Transact. 2. S. XXL 1838.\n9\tYernois, M\u00e9ruoir. sur 1. dimens. du coeur etc. Paris 1840.\n10\tPeacock, Monthly Journ. of med. scienc. XYIII. p. 193. 1854.\n11\tWulff, Nonnulla de cordis pond, ac dimens. etc. Dorpat 1856.\n12\tBischoff, Ztschr. f. rat. Med. (3) XX. S. 80. 1863.\n13\tBlosfeld, Organosthatmolog. etc. Erlangen 1864.\n14\tDieberg, Casper\u2019s Vjschr. f. gerichtl. u. \u00f6ffentl. Med. XXY, S. 127. 1864.\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148 Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz und seine Mechanik etc.\nden Yorh\u00f6fen viel weniger als in den Yentrikeln ; der reckte Ventrikel ist ungef\u00e4hr kalb so stark als der linke (Henle1).\nGewichtsbestimmungen des reckten und linken Ventrikels f\u00fchrten Valentin2 zu dem Verh\u00e4ltniss 1:2 f\u00fcr die Gewachte des reckten und linken Ventrikels. Dass auch diese Bestimmungen nur ungef\u00e4hre Sch\u00e4tzungs-werthe ergeben, zeigte Ludwtg3.\nBestimmungen der Capacit\u00e4t der H\u00f6hlen des Herzens finden sich bei Krause4, Abegg5, Hiffelsheim & Robin6. Die Letzteren fanden die H\u00f6hlen des rechten Herzens etwas ger\u00e4umiger als jene des linken und die Ventrikel bemerkenswertker Weise ger\u00e4umiger als die entsprechenden Atrien.\nHerzh\u00f6hlen:\tInhalt in Ccm.:\nA. dextrum...........................110\u2014185\nV. dext.......................... 160\u2014230\nA. sinist........................100\u2014130\nV. sinist........................143\u2014212.\nDie Bestimmungen sind, wrie zahlreiche \u00e4ltere7, durch Injection mit erstarrenden Massen, wmbei das Resultat immer in hohem Grade von dem Injectionsdrucke und von dem Zustande, in welchem sich das Leichenherz befand (Todtenstarre, L\u00f6sung derselben), abh\u00e4ngig ist.\nDogiel8 fand die Wassermenge, welche der linke Ventrikel des Hundeherzens bei verschiedenem F\u00fcllungsdruck zu fassen vermag, sehr verschieden gross. Das erregbare Herz verh\u00e4lt sich in Bezug auf Elasticit\u00e4t und Dehnbarkeit noch wesentlich anders als das todte, und der Druck, unter welchem sich die Abtheilungen des Herzens f\u00fcllen, ist zwischen weiten Grenzen schwankend. Die obigen Zahlen k\u00f6nnen also nur eine beil\u00e4ufige Vorstellung von dem Inhalt der Herzh\u00f6hlen geben und die darauf gegr\u00fcndeten Controversen \u00fcber die absolute und relative Capacit\u00e4t des rechten und des linken Ventrikels sind unfruchtbar.\nIm Leben entleeren sich beide Ventrikel gleichzeitig und gleich oft in der Zeiteinheit, und zwar bis zum Verschwinden ihrer H\u00f6hlung, ohne dass das Blut sich im grossen oder kleinen Kreislauf anh\u00e4ufen w\u00fcrde, woraus folgt, dass beide Kammern w\u00e4hrend des Lebens einen gleich grossen Inhalt fassen (K\u00fcrschner9).\n1\tHenle a. a, O. S. 36.\n2\tValentin, Ztschr. f. rat. Med. I. S. 318. 1844; Canstatt\u2019s Jahresber. I. S. 158. 1844 ; Lehrb. d. Physiol. S. 442. Braunschweig 1847.\n3\tLudwhg, Ztschr. f. rat. Med. III. S. 147. 1845; IV. S. 183. 1846.\n4\tKrause, Handb. d. Anat. S. 784. Hannover 1842.\n5\tAbegg, De capacitate art. et ven. pulm. S. 10. Breslau 1848.\n6\tHifeelsheim et Robin, Journ. de l\u2019anat. et de la physiol. 1864. p. 413.\n7\tVgl. E.H. Weber, Anat. d. Menschen. III. S. 134. Braunschweig 1831. \u2014 Robin, Journ. de l\u2019anat. et de la physiol, p. 420. 1864.\n8\tDogiel, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XIX. S. 248. 1868.\n9\tK\u00fcrschner, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. IL S. 65. Braunschweig 1844.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Capacit\u00e4t cler Herzh\u00f6hlen, Herzrhythmus.\n149\nII. Die periodische Th\u00e4tigkeit des Herzens.\n1. Herzrhythmus.\nWie bei jedem arbeitenden Muskel1, wechselt auch bei dem Herzmuskel der Zustand der Th\u00e4tigkeit fortw\u00e4hrend mit dem Zustande der Erschlaffung ab.\nMan bezeichnet beim Herzen den Zustand, welcher der Th\u00e4tigkeit der Muskeln entspricht, als Systole, dagegen den Zustand, welcher der Erschlaffung der Muskeln entspricht, als Diastole.\nEs ist nun von entscheidender Bedeutung f\u00fcr die Herzpumpe, dass die Systole und Diastole nicht in allen Abtheilungen des Herzens gleichzeitig erfolgt, sondern in einer bestimmten Zeitfolge auf-tritt. Man bezeichnet die bestimmte zeitliche Folge der am Herzen auftretenden Erscheinungen des th\u00e4tigen und erschlafften Zustandes der Musculatur als Rhythmus der Herzschl\u00e4ge.\nDerselbe ist von dem complicirten Nervensystem des Herzens abh\u00e4ngig und in sehr wechselnder Weise beeinflusst, was in der Lehre von der Innervation des Herzens behandelt werden wird.\nUnsere Aufgabe hier ist es, den Herzrhythmus in seinen Beziehungen zu den mechanischen Leistungen des Herzens kennen zu lernen. Wir werden zu dem Ende von jener Tk\u00e4tigkeits\u00e4usserung des Herzens ausgehen, welche zur Erkl\u00e4rung der am h\u00e4ufigsten und gew\u00f6hnlich w\u00e4hrend des Ablaufes der Lebenserscheinungen vorhandenen mechanischen Wirkungsweise des Herzens f\u00fchrt und uns auch auf diese beschr\u00e4nken m\u00fcssen.\nDie Methoden, deren man sich zum Studium des Herzrhythmus bedient, sind verschiedene :\nA) Beobachtung des blossgelegten Herzens.\nBei Kaltbl\u00fctern kann man die Bewegungen des Herzens leicht durch Autopsie am blossgelegten Herzen verfolgen. Man verwendet dazu mit Curare vergiftete Fr\u00f6sche oder noch besser Schildkr\u00f6ten, deren Herz durch Trepaniren der Bauchplatte blossgelegt wurde. Bei S\u00e4ugern muss, wenn man die Bewegungen des blossgelegten Herzens beobachten will, k\u00fcnstliche Athmung eingeleitet werden. Am Besten verwendet man auch hier curarisirte Thiere, w\u00e4hrend bei \u00e4lteren Versuchen zur Narkose der Thiere w\u00e4sserige L\u00f6sung von Laudanum verwendet wurde. Um das Herz bloss zu legen, spaltet man die Haut in der Mittellinie \u00fcber dem Brustbein und sucht dann zuerst den Schwertfortsatz auf, unter welchen man von unten her eine Knochenscheere einf\u00fchrt, mit welcher\nl Helmholtz, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1850. S. 276.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150 Rollet, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\ndas Brustbein der L\u00e4nge nach durchschnitten wird, oder man s\u00e4gt das Brustbein der L\u00e4nge nach vorsichtig durch. Dabei m\u00fcssen gr\u00f6ssere Blutungen und insbesondere Verletzungen der Art. mam. vermieden werden. Die letzteren sind zu unterbinden, wenn das blosse Auseinanderziehen der Brusth\u00e4lften nicht gen\u00fcgt, um einen hinreichenden Anblick des Herzens zu verschaffen und zu dem Ende vielmehr die H\u00e4lften des Brustbeines und ein Tlieil der Rippen entfernt werden m\u00fcssen.\nMan thut gut, bis zu Ende der Operation das Pericardium vorsichtig zu erhalten und erst durch Einschneiden des letzteren mit der Scheere das Herz vollst\u00e4ndig bloss zu legen, und die Schnittr\u00e4nder des Herzbeutels links und rechts an die Brustwand mit Heften anzun\u00e4hen (Baxt1).\nAm meisten empfehlen sich f\u00fcr die Beobachtung des Herzrhythmus solche Warmbl\u00fcter, welche einen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig seltenen Herzschlag haben, wie das z. B. bei alten Pferden der Fall ist, die Chauveau & Faivre2 zu ihren Versuchen ben\u00fctzten.\nUm die zeitlichen Verh\u00e4ltnisse des Herzrhythmus, auch wenn die Bewegungen, wie das bei kleineren Warmbl\u00fctern der Fall ist, sehr rasch sich vollziehen, genauer beurtheilen zu k\u00f6nnen oder um sie messend zu verfolgen, l\u00e4sst man die Bewegung des Herzens sich auf F\u00fchlhebel \u00fcbertragen, welche die Bewegungen auf einen rotirenden Cylinder registriren (Ludwig3). Oder man setzt auf das blossgelegte Herz ein St\u00e4bchen aus Tannenholz, dem ein senkrecht stehendes Glasr\u00f6hrchen als F\u00fchrung dient (Ludwig4, Baxt5) und bringt am oberen Ende des St\u00e4bchens einen feinen Glasfaden an, mittelst dessen das St\u00e4bchen die ihm von der Systole und Diastole des Herzens ertheilte auf- und abgehende Bewegung anschreibt. Ueber Demonstrationsmittel vergleiche Vulpian6 7 (auf die einzelnen Herzabtheilungen aufgelegte Papierschnitzel), Czermak\" (ebenso verwendete Silberspiegelchen ; das Cardioscop: an Hebeln befestigte Spiegelchen).\nB) Die Acupunctur.\nSollen die mit der Blosslegung des Herzens nothwendig verkn\u00fcpften St\u00f6rungen vermieden werden, so k\u00f6nnen f\u00fcr das Studium der zeitlichen Folge der Bewegungen der einzelnen Herzabtheilungen nach dem Vorg\u00e4nge von Jung8 Explorativnadeln ben\u00fctzt werden, welche man durch die Brustwand in bestimmte Abtheilungen des Herzens einsticht. Die Methode der Acupunctur wurde sp\u00e4ter von Schiff9, Moleschott10 u. A. ben\u00fctzt; die Application von Nadeln kann selbst bis zu betr\u00e4chtlichen Nadeldicken ohne sch\u00e4dliche Nachwirkungen vorgenommen werden (Jung11,\n1\tBaxt, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. S. 122. 1878.\n2\tChauveau et Faivre, Gazette m\u00e9d. de Paris. 1856. p. 365\u2014573.\n3\tLudwig u. Hopfa, Ztschr. f. rat. Med. IX. S. 107. 1850.\n4\tLudwig, Ebenda. VIL S. 203. 1849.\nD J3-A.\"K.T \u00e2 3j 0\n6\tVulpian, Gaz. hebd. 2. s\u00e9r. IX. S. 19. 1874.\n7\tCzermak, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LIX. (2) S. 239. 1869; Mitth. a. d. physiol. Privatlab. S. 70. Wien 1864.\n8\tJung, Ber. d. naturf. Ges. in Basel. 1836. S. 14.\n9\tSchiff, Arch. f. physiol. Heilk. VIII. S. 174. 1849.\n10\tMoleschott, Unters, z. Naturl. d. Menschen u. d. Thiere. VIII. S. 603. 1862.\n11\tJung a. a. O.","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Bioslegung des Herzens, Acupunctur, Cardiographisches Verfahren. 151\nMiddeldorpf1). Die angelegte Explorativnadel stellt einen zweiarmigen Hebel dar, der seinen Drehpunct in der Brustwand besitzt. Um die Bewegungsrichtung des \u00e4usseren Hebelarmes, welche jener des inneren entgegengesetzt ist, zu reguliren; um sie deutlich sichtbar, oder nicht blos sichtbar, sondern auch h\u00f6rbar zu machen; oder um diese Bewegungen sich selbst registriren zu lassen, kann man die Explorativnadeln mit geeigneten Vorrichtungen verbinden. So k\u00f6nnen am \u00e4usseren Ende der Nadel kleine Spiegelchen angebracht werden (Czermak2), oder man l\u00e4sst die K\u00f6pfe der Nadeln an leere Gl\u00e4ser schlagen (Wagner3), oder nlan verbindet sie mit F\u00fchlhebeln, welche an rotirenden Cylindern schreiben (Einbrodt4, Brondgeest5 6).\nC) Das cardiographische Verfahren von Chauveau .\tund Marey.\nEin ebenfalls bei uner\u00f6ffneter Brusth\u00f6hle anwendbares Verfahrenc zur Darstellung der zeitlichen Verh\u00e4ltnisse der Th\u00e4tigkeit der einzelnen Herzabtheilungen. Es ist nur bei gr\u00f6sseren Thie-ren ausf\u00fchrbar und wurde bisher nur beim Pferde ge\u00fcbt. Dabei werden die cardiograpliischen Sonden Fig. 1 A und B von der Carotis aus in den linken Ventrikel und von der Ven. jug. aus in den rechten Ventrikel und rechten Vorhof eingef\u00fchrt, so dass die Ampullen a a a in die betreffenden Herzabtheilungen zu liegen kommen. Die Ampullen bestehen ans einem mit Kautschukblase \u00fcberzogenen hohlen olivenf\u00f6rmigen mit L\u00f6chern durchbrochenen Metallk\u00f6rper, mit dessen Innerm die Lichtung des Katheters communicirt; oder aus durch Rippen r r. .. in C Fig. 1 auseinander gehaltenen und von R\u00f6hrchen it... durchsetzten Metallkl\u00f6tzchen k kkk in C Fig. 1, \u00fcber welche die Kautschukblase aufgebunden wird. Die Katheter f\u00fcr das rechte Herz sind wegen der leichteren Einf\u00fchrbarkeit in einen vereinigt und nur die Ampullen in eine Entfernung gebracht, dass sie richtig zu liegen kommen; wie dies erreicht wird, ist aus C Fig. 1 leicht ersichtlich.\nJeder der Katheter, die vereinigten aber isolirt leitenden f\u00fcr das\nFig. 1.\n1\tMiddeldorpf, Jakresber. d. scbles. Ges. f. vaterl. Cultur. 1851. S. 97.\n2\tCzermak, Mitth. aus d. pbysiol. Privatlabor. S. 70. Wien 1864.\n3\tWagner, Neurolog. Unters. S. 217. G\u00f6ttingen 1854.\n4\tEinbrodt, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XXXVIII. S. 345. 1859.\n5\tBrondgeest, Arcb. f. d. koll\u00e4nd. Beitr. z. Nat.- u. Heilk. III. S. 430. 1864.\n6\tChauveau et Marey, Gaz.m\u00e9d. 1861. p.647.; M\u00e9m. d. Pacad. d. m\u00e9d. XXVIH. 1863. \u2014 Marey, Physiol, m\u00e9d. d. 1. cire. p. 54. Paris 1863; Du mouv. dans les fonct. de la vie. Paris 1868 ; La m\u00e9thode graph, p. 357. Paris 1878.","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nrechte und der filr das linke Herz, wird mittelst passendem Kautsclmk-schlauch mit einer MAREY\u2019schen Registrirtrommel oder Hebeltrommel (Tambour enregistrateur), Fig. 2 T, verbunden. Es ist das eine flache, nach Art einer Trommel mit einer Kautschukmembran \u00fcberspannte Metallkapsel,\nmit einem ins Innere f\u00fchrenden kurzen Tubulus versehen ; der letztere dient, um den Kautschukschlauch des Herzkatheters anzustecken. F\u00fcr den cardiographischen Versuch sind drei solcher Registrir-trommeln1 nothwendig, die auf demselben Stativ \u00fcber einander angebracht werden. Jeder Druck, der die Ampulle trifft, wird auf die Membran der damit communicirenden Trommel \u00fcbertragen; und wenn die Membran, wie Fig. 2 zeigt, mit einem Hebel H in passender Weise verbunden ist, kann deren Bewegung auf einen rotirenden Cylinder angeschrieben werden. Das Princip dieser Uebertragung von Bewegungen durch die Luft auf eine elastische Membran wurde zuerst von Upham2 ben\u00fctzt. Buisson3 brachte den schreibenden Fiihlhebel mit der letzteren in Verbindung; die fr\u00fcher beschriebene practische Form der Registrirtrommel stellte dann Marey her.\nDie Combination der drei Herzkatheter mit den drei Registrirtrommeln tr\u00e4gt den Namen Cardiograph.\nDie Zuverl\u00e4ssigkeit und Treue, mit welcher die Bewegungen mittelst der Registrirtrommel verzeichnet werden, sollen erst sp\u00e4ter im Zusammenh\u00e4nge mit anderen f\u00fcr die Physiologie des Kreislaufes noch in Betracht kommenden graphischen Apparaten einer eingehenden Untersuchung unterworfen werden. Hier sei nur bemerkt, dass Donders4 zur Pr\u00fcfung der Registrirtrommel dieselbe mit einer zweiten MAREY\u2019schen Trommel com-municirt, an deren Membran ein Hebel angreift, an welchem eine Spiralfeder wirkt, der man rasch hinter einander eine Reihe von Bewegungen aus der Gleichgewichtslage und in diese zur\u00fcck ertheilen kann, welche mittelst eines direct mit der Feder verbundenen Stiftes angeschrieben werden, w\u00e4hrend der Hebel der Registrirtrommel die durch die Luft\n1\tH\u00e4ufig findet man die Registrirtrommel allein mit den Namen Cardiograph, Polygraph, Pantograph bezeichnet. Es ist das nicht gerechtfertigt, da die Registrirtrommel nur einen Bestandtheil der obige Namen tragenden Instrumente bildet, so wie sie auch, Dank der wahrhaft erfindungsreichen Anwendung dieses graphischen Verfahrens, durch Marey einen wesentlichen Bestandtheil zahlreicher anderer Instrumente zu graphischen Zwecken bildet.\n2\tUpham-Groux, Fissura sterni cong. New observ. and experim. 2. ed. p. 8. Hamburg 1859.\n3\tBuisson, Gaz. m\u00e9d. 1861. p. 319.\n4\tDonders, Onderzoek. ged. in het physiol. Labor, d. Utrecht. Hoogesch. T. R. I. p. 10. 1867\u201468 ; Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 331. 1868.","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Registrirtrommel, cardiograph. Curven, Systole d. Venen, Atrien u. ^ entrikel. lo3\n\u00fcbertragene Bewegung genau \u00fcber der direct verzeiclmeten Federbewegung anschreibt b Die zwei Curven, welche man dabei erh\u00e4lt, stimmen innerhalb bestimmter Grenzen der Geschwindigkeit der Bewegung sehr gut mit einander \u00fcberein, auch wenn die Form der Curven eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig complicirte ist. Die Uebertragung durch die Luft findet mit einer der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles \u00e4hnlichen Geschwindigkeit statt. Bei m\u00e4ssiger Reibung veranlassen die Widerst\u00e4nde in der Leitung zur Registrirtrommel noch eine Verz\u00f6gerung von l/ioo Sec., so dass bei einer L\u00e4nge der Kautschukschl\u00e4uche von 0.95 Meter die Verz\u00f6gerung 0.01 -f- 0.003 = 0.013 Sec. betrug.\nDie Fig. 3 stellt eine von Chauveau & Marey erhaltene cardio-graphische Curve vom Pferde dar. Ad ist die Curve des rechten Atrium, die gr\u00f6sste Hebung in derselben entspricht der Systole des Atrium. Vd stellt die Curve des rechten, Vs die des linken Ventrikels dar, die gr\u00f6sste Hebung in denselben entspricht der Systole der Ventrikel. Die Abscissen entsprechen 1/i o Secunden. Die secund\u00e4ren Hebungen in den cardiographischen Curven, deren Deutung meist noch eine unsichere ist, so wie die Deutung, welche Marey selbst den Curven giebt, m\u00fcssen wir bei passender Gelegenheit sp\u00e4ter n\u00e4her besprechen.\nIm Allgemeinen stimmen die Curven, was den durch sie angezeigten Herzrhythmus betrifft, mit den nach anderen Methoden gemachten Erfahrungen \u00fcberein.\nWir fassen dieselben im Folgenden zusammen.\nNach vorausgegangener Erschlaffung der s\u00e4mmtlichen Abtheilungen des Herzens erfolgt zuerst und gleichzeitig die Systole der Vorh\u00f6fe; diese beginnt an der Einm\u00fcndung der Venen, die selbst noch einen der Vorhofscontraction entsprechenden systolischen Act bis zu einer bestimmten Grenze an sich wahrnehmen lassen (Meibom 2, Joh. M\u00fcller3, Colin4, Brunton & Fayrer5). Von der Einm\u00fcndung der Venen schreitet die Vorhofscontraction rasch bis zur Atrioventri-culargrenze vor. An die Vorhofscontraction schliesst sich wieder gleichzeitig in beiden Kammern die Systole der letzteren an, und zwar tritt die Contraction anscheinend an allen Puncten der Kammer -musculatur gleichzeitig auf6. Mit der Systole der Kammern beginnt andererseits auch die Diastole der Vorh\u00f6fe und dauert so lange an,\n1\tDie Form des Apparates, auf welche wir uns beziehen, ist abgebildet bei Marey, Du mouvement dans les fonct. de la vie. p. 201. fig. 57. Paris 1S6S.\n2\t' Meibom, Diss. de mot. sang. nat. et praeternat. Heimst. 1668.\n3\tJoh. M\u00fcller, Handb. d. Physiol. I. S. 153. Coblenz 1835.\n4\tColin, Compt. rend. LV. p. 494. 1862.\n5\tBrunton and Fayrer, Proceed, of the Roy.-Soc. XXV. p. 174. 1876.\n6\tGegentheilige Angaben z. B. die von Spring (M\u00e9m. d. l\u2019acad. belgique. XXIII. p. 1. 1861) gemachte, sind nicht best\u00e4tigt worden.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154 Rollett, Physiologie der Blufbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\ndass ihr Ende noch mit dem Anf\u00e4nge der auf die Kammersystole folgenden Kammerdiastole zusammenf\u00e4llt. Die Zeit, w\u00e4hrend welcher sowohl die beiden Vorh\u00f6fe, als auch die beiden Kammern im Zustande der Diastole sich befinden, bezeichnet man als Pause.\nDie Pause endigt mit Beginn der neuen Systole der Atrien, an welche sich wieder die Systole der Kammern u. s. f. anschliesst. Der einmalige Ablauf dieser Erscheinungen entspricht einem Herzschlage.\n2. Die Dauer der einzelnen Phasen eines Herzschlages.\nWas die relative Dauer der einzelnen Phasen eines Herzschlages betrifft, so ist die Systole der Vorh\u00f6fe am k\u00fcrzesten und betr\u00e4gt die\nDauer derselben etwa ein Drittel von der Dauer der Kammersystole. Man hat sie darum als kurzen Vorschlag der Kammersystole bezeichnet (s. Fig. 3). Die Diastole der Vorh\u00f6fe dauert zwischen 4 bis 5 mal l\u00e4nger als ihre Systole. Ueber die Dauer der Systole und Diastole der Kammern liegen genauere Messungen am lebenden Menschen vor. Das Resultat derselben muss aber stets mit Hinblick auf die Begrenzung, welche man dabei der Systole und Diastole gegeben hat, in vergleichende Betrachtungen \u00fcber die Systolendauer eingef\u00fchrt werden.\nWir werden sp\u00e4ter sehen, dass man zwei Zeitmomente eines jeden Herzschlages in besonders sinnf\u00e4lliger Weise beobachten kann mittelst des Ohres, welches \u00fcber der Herzgegend auf die Brust aufgelegt zwei T\u00f6ne wahrnimmt, von welchen der Beginn des einen (1. Herztones) mit dem Beginn der Systole der Ventrikel zusammenf\u00e4llt; w\u00e4hrend der andere (2. Herzton) mit dem am Ende oder nahe dem Ende der Systole der Ventrikel erfolgenden Schluss der Semilunarklappen der Aorta zusammenf\u00e4llt, Hebt man dieses systolische Intervall heraus, so ist leicht ersichtlich, dass dann alle \u00fcbrigen Phasen jedes Herzschlages ein zweites, zwischen 2. Herzton und Beginn des 1. Herztones des folgenden Schlages liegendes Intervall ausf\u00fcllen.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Dauer der Phasen eines Herzschlages.\n155\nVolkmann1, Donders2 und Landois3 suchten beide Intervalle zu messen. Zu dem Ende auscultirte Volkmann beim Menschen die Herzt\u00f6ne und stellte zwei Halbsecundenpendel durch Verschieben von Gewichten an der Pendelstange so ein, dass die Schwingungsdauer des einen gleich war dem Intervall zwischen 1. und 2. Herzton, die des anderen dem Intervall zwischen 2. Herzton und 1. Herzton des folgenden Schlages.\nDonders ahmte mit der Hand den Rhythmus der Herzt\u00f6ne nach, indem er mittelst eines Hebels die den T\u00f6nen entsprechenden Zeitmomente auf einen rotirenden Cylinder \u00fcbertrug, auf welchem zugleich die Zeit in Secunden markirt wurde. Controllversuche, die in der gleichen Nachahmung der h\u00f6rbaren Schl\u00e4ge eines Metronoms bestanden, ergaben einen sehr geringen wahrscheinlichen Fehler, aber einen pers\u00f6nlichen Fehler, der jedoch im Mittel nur 1.25 \u00b0/o der zu messenden Periode, im Maximum 2.5 \u00b0/o betrug.\nLandois schloss und \u00f6ffnete die Kette eines Markirmagnetes und controlirte auf \u00e4hnliche Weise wie Donders.\nVolkmann4 wollte beim Menschen gefunden haben, dass das zwischen 1. und 2. Herzton liegende Intervall: Systole der Ventrikel, ann\u00e4hernd gleich ist dem zwischen 2. Herzton und 1. Herzton des folgenden Schlages liegenden Intervall, umfassend die Diastole des ganzen Herzens mit Einschluss der Systole der Vorh\u00f6fe, und er glaubte das Resultat in Uebereinstimmung mit anderweitigen Versuchen an S\u00e4ugethieren. Eine allgemeine Giltigkeit konnte er aber seinem Satze nicht zuschreiben, denn bei kaltbl\u00fctigen Thieren fand er die Dauer der Diastole gr\u00f6sser als jene der Systole, und bei Fr\u00f6schen ergab sich die Dauer der Systole ann\u00e4hernd constant, jene der Diastole dagegen sehr variabel. Auf \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse stiess Ludwig5 auch an S\u00e4ugethieren, bei welchen er das Verh\u00e4ltnis von Systole und Diastole mit der Zahl der Herzschl\u00e4ge ver\u00e4nderlich fand, aber die Zeit f\u00fcr die Diastole viel bedeutender schwanken sah, als jene f\u00fcr die Systole. Beim Menschen fand ferner Hayden6 7 beim Aus-cultiren Gesunder und Kranker und Bestimmung der Zeit f\u00fcr die T\u00f6ne mit der Uhr die Systole k\u00fcrzer als die Diastole und bei Abnahme der Zahl der Herzschl\u00e4ge die Diastole nicht nur absolut, sondern auch relativ l\u00e4nger.\nIn der That stellte sich bei den genauen Versuchen von Donders' heraus, dass bei einer Anzahl von 74.4 \u2014 93.7 Herzschl\u00e4gen in der\n1\tVolkmann, Ztschr. f. rat. Med. III. S. 321. 1845; H\u00e4modynamik. S. 177. Leipzig 1850.\n2\tDonders, Nederl. Arch, voor Genees-en Naturk. II. p. 184. 1865.\n3\tLandois, Graph. Unters, \u00fcber d. Herzschlag. S. 55. 1876.\n4\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 361. Leipzig 1850.\n5\tLudwig u. Hoffa, Ztschr. f. rat. Med. IX. S. 102. 1850.\n6\tHayden, Dubl. quarterl. Jonrn. of med. sc. XL. p. 456. 1865.\n7\tDonders a. a. 0.","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herzu, seine Mechanik etc.\nMinute, die er bei einer Reihe von Individuen beobachtete, die Systole (Zeit zwischen 1. und 2. Herzton) nahezu gleich gross war, n\u00e4mlich 0.327\u20140.301 Secunden betrug. Das Verh\u00e4ltniss dieser Zeit zur Dauer eines Herzschlages wurde also merklich gr\u00f6sser, wenn die letztere k\u00fcrzer wurde.\nDie Zeit eines Herzschlages gleich 100 gesetzt, schwankte die Systolenzeit nur zwischen 40.6\u201445.6 %.\nNur bei einem Gesunden mit 63.4 Herzschl\u00e4gen in der Minute war die Systolenzeit 0.382 Secunden.\nBei einem Kranken mit 32 Herzschl\u00e4gen in der Minute betrug die Systole 0.307\u2014 0.325 Secunden, w\u00e4hrend das Verh\u00e4ltniss derselben zur Dauer des ganzen Herzschlages auf 15.7\u201420.4 % gesunken war.\nBei derselben Person, in sitzender und stehender Haltung untersucht, nahm die Zeit f\u00fcr die Systole bei Zunahme der Herzschl\u00e4ge von 63.4\u201483.6 in der Minute von 0.327\u20140.298 ab, w\u00e4hrend das Yerh\u00e4ltniss zur Dauer eines Schlages von 40.6 % auf 41.5 \u00b0/o stieg. Nach lebhafter Muskelanstrengung nahm die Zahl der Herzschl\u00e4ge von 63.4\u2014124 in der Minute zu, die Systolenzeit von 0.382\u20140.199 Secunden ab. Bei der folgenden Ruhe sank die Zahl der Herzschl\u00e4ge stark in den ersten Minuten, um vor\u00fcbergehend zu steigen und dann zur Norm zur\u00fcckzukehren. Die Systolenzeit nahm in der Weise zu, dass der relative Werth derselben sich kurz nach der Bewegung \u00fcber der Norm befand, dann stark sank, dann wieder stieg und sich der Norm n\u00e4herte. Ihr Werth war beim ersten starken Sinken noch bedeutend kleiner, als sp\u00e4ter bei der R\u00fcckkehr zur Norm bei gleichen Frequenzzahlen. Es bewahrte auch hier die Systolenzeit eine gewisse Selbstst\u00e4ndigkeit.\nLandois1 fand beim gesunden Manne in liegender Haltung bei 63\u201465 Herzschl\u00e4gen in der Minute die Systolenzeit 0.311\u20140.307 Secunden.\nBei einer bestimmten, wie wir aber sehen werden, der Kritik sehr bed\u00fcrftigen Interpretation der Herzstosscurve (s. unten), welche mittelst des Sphygmographen von Marey (s. d. unten) am lebenden Menschen gewonnen werden kann, gelangte Landois'2 durch zeitliche Auswerthung der den einzelnen Abschnitten der Curve entsprechenden Abscissen, f\u00fcr die Pause einschliesslich der Yorhofscontraction ab, die Contraction der Ventrikel bis zum Maximum bc, f\u00fcr den Beginn des Abfallens der Ventrikelcontraction bis zum Schluss der Aorten-\n1\tLandois a. a. O.\n2\tDerselbe, Centralbl. f. d. med. Wissenseh. 1866. S. 177 ; Graph. Unters, \u00fcber d. Herzschlag. S. 57. Berlin 1876; Physiol, d. Menschen, S. 94. Wien 1879.","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Messungen von Donders lind Landois.\n157\nklappen cd, f\u00fcr die Zeit zwischen Schluss der Aortenklappen bis zum Schluss der Pulmonalklappen de, f\u00fcr den Abfall der Ventricularcon-traction vom Schluss der Pulmonalklappen bis zum Beginn der Pause ef', ferner f\u00fcr die Zeit zwischen 1. und 2. Herzton (Systole) be, f\u00fcr die Zeit zwischen 2. Herzton und 1. Herzton des folgenden Schlages (Diastole) ef -f- ab und f\u00fcr die Dauer des Herzschlages af bei verschiedener Frequenz der Herzschl\u00e4ge, zu den folgenden Werthen in Secunden\nZahl der Herzschl\u00e4ge in der Minute\t55\t55\t74.2\t109.7\t113.1\nab\t0.563\t0.584\t0.494\t0.213\t0.247\nb c\t0.243\t0.274\t0.079\t0.066\t0.057\nc d\t|\t\t0.066\t0.094\t0.076\nd e\tl 0.066\t0.072\t0.078\t0.100\t0.057\nef\t0.259\t0.200\t0.092\t0.090\t0.103\nbe\t0.309\t0.346\t0.223\t0.244\t0.190\nj\te f -j- a b\t0.822\t0.784\t0.586\t0.303\t0.394\naf\t1.133\t1.133\t0.809\t0.547\t0.539\nworaus sich bei Vergleichung von be mit efab wieder die gr\u00f6ssere Unabh\u00e4ngigkeit der Systolenzeit von der Zahl der Herzschl\u00e4ge ergiebt.\nIn eine Kritik der Interpretation, welche Landois der Herzstosscurve giebt, wird erst sp\u00e4ter eingegangen werden. Hier sei nur auf die Ueber-einstimmung der von Landois ermittelten Zeiten f\u00fcr die Systole mit jenen von Donders hingewiesen. Zu ganz anderen Resultaten wird man nat\u00fcrlich bei ver\u00e4nderter Auslegung der Herzstosscurve gelangen, wie das zum Tlieile der Fall ist bei Garrod1, dessen Aufstellungen aber darum nur wenig Zutrauen verdienen.\nIn Bezug auf die nach dem oben mitgetheilten Verfahren von Baxt (oben S. 150) angestellten Versuche \u00fcber die Systolendauer beim Hunde vor und nach Reizung des N. accelerans m\u00fcssen wir auf die Innervation des Herzens verweisen, und k\u00f6nnen nur bemerken, dass bei Baxt'2 die Systole in etwas anderer Weise begrenzt ist.\n3. Beobachtungen des Herzrhylhmus bei Missbildungen.\nBeim Menschen bot sich einige Male die Gelegenheit, die Bewegungen des Herzens an solchen Individuen zu beobachten, welche eine angeborene Ectopie3 des Herzens oder Fissur des Brustbeins4\n1\tGarrod, Joum. of anat. and physiol. Y. p. 17. 1871.\n2\tBaxt, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1878. S. 122.\n3\tCruveilhier, Gaz. m\u00e9d. IX. p.497. 1841 ; Mitchell, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1846. p. CXL; Follin, Arch. gen. de m\u00e9d. 4. s\u00e9r. XXIY. p. 101. 1850; G. Hering, Arch. f. physiol. Heilk. IX. S. 13. 1850.\n4\tHammernik, Die an Herrn Groux beobachtete Fissur am Sternum. Hamburg 1854. \u2014 Fissure cong\u00e9nit. du Stern, de M. E. A. Groux. Paris 1855. \u2014 Ernst, Arch. f. pathol. Anat. IX. S. 269. 1856. \u2014 New observ. and experim. etc. 2. ed. Hamburg 1859.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nbesassen, und auch bei Thieren wurden F\u00e4lle der ersteren Art zu solchen Beobachtungen ben\u00fctzt. Die Resultate der einzelnen Beobachter stimmen nicht immer \u00fcberein. So ist in dem Falle von Cru-YEiLHiER ein regelm\u00e4ssiges Ab wechseln der Vorhofs- und Kammersystole ohne Pause nach der einen oder anderen, dagegen bei Follin zwischen Vorhofs- und Kammersystole eine kleine Pause angegeben. Hering\u2019s Fall betrifft ein Kalb und erweckt den Verdacht, dass nicht alle an solchen Missbildungen gemachten Wahrnehmungen Schl\u00fcsse auf die Norm zulassen. Der neueste, mit graphischen Apparaten von Franck1 untersuchte Fall von Ectopie bei einer 24j\u00e4hrigen gesunden Frauensperson ergab eine Uebereinstimmung der Resultate mit jenen, welche Chauveau und Marey am Pferde erhielten; die Systole der Vorh\u00f6fe als kurzen Vorschlag zur Systole der Kammern, darauf folgte diese und vollzog sich vollst\u00e4ndig gleichzeitig in beiden Kammern, endlich folgte die Pause kurz, es war der dreitkeilige Herzrhythmus vorhanden, wie er fr\u00fcher beschrieben wurde.\n4. Die Beziehung der Anordnung der Muskeln zum Rhythmus\ndes Herzens.\nF\u00fcr das Verst\u00e4ndniss des Rhythmus der Herzschl\u00e4ge sind von den \u00fcber die Faserung des Herzens bekannt gewordenen Thatsachen die folgenden hervorzuheben.\nDie Musculatur der ungleichzeitig th\u00e4tigen Abtheilungen des Herzens ist vollst\u00e4ndig getrennt von einander, an keinem Orte gehen Muskeln von den Vorh\u00f6fen auf die Kammern oder umgekehrt \u00fcber.\nDagegen finden an den Vorh\u00f6fen zahlreiche Ueberg\u00e4nge von Fasern von dem einen Vorhof auf den anderen statt. Eine besondere sckliessmuskelartige Anordnung kommt den quergestreiften Muskelfasern zu, welche sich auf die in die Vorh\u00f6fe einm\u00fcndenden Venen erstrecken und bei gewissen Thieren auf weite Entfernungen vom Herzen hinreichen (R\u00e4uschel2, Elischer3, Stieda4, Arnstein5).\nWas die Musculatur der Kammern betrifft, so ist hervorzuheben, dass die von den fibrocartilagin\u00f6sen Ringen an den Herzostien entspringenden und direct oder mittelst der sehnigen F\u00e4den der Papillar-muskeln zu jenen Ringen zur\u00fcckkehrenden schleifenf\u00f6rmigen Faserz\u00fcge einmal oder in Form von Achtern den Herzk\u00f6rper umgreifen\n1\tFranck, Travaux du lab. de M. Marey. p. 311. 1ST7.\n2\tR\u00e4dschel, De art. et ven. struct. Vratislav. 1836.\n3\tElischer, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. CI. (2) LX. S. 63. 1869.\n4\tStieda, Arch. f. microscop. Anat. XIV. S. 243. 1877.\n5\tArnstein, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1877. S. 692.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Missbildungen, Beziehung der Muskelanordnung zum Rhythmus, Schlagzahl. 159\nund dass dabei die Richtung der Fasern \u00fcberall an der inneren und \u00e4usseren Oberfl\u00e4che sich kreuzt und dazwischen meist alle Ueber-g\u00e4nge von der einen in die andere Richtung zeigt. Dabei verhalten sich aber die Faserz\u00fcge des rechten Ventrikels so zu den Fasern des linken Ventrikels, wie die im rechten Theile der Herzscheidewand verlaufenden Fasern sich zu jenen des linken Ventrikels verhalten, so dass die Schleifentouren gleichsam nur um das Cavum des linken Ventrikels gelegt erscheinen und der rechte Ventrikel wie ein Spalt in der Wand des linken sich ausnimmt. Es macht sich diese f\u00fcr die gleichzeitige Entleerung beider Ventrikel wichtige That-sache kenntlich auf Schnitten, die man senkrecht auf die L\u00e4ngenaxe des Herzens durch dasselbe f\u00fchrt.\nAuf solchen Schnitten werden die beiden Hohlen in der Weise gesehen, wie es die nebenstehende Fig. 4 veranschaulicht (Ludwig1).\nIn Bezug auf das n\u00e4here Detail der Herzfaserung, die viele m\u00fchevolle Arbeiten veranlasste, ohne dass es uns erlaubt gewesen w\u00e4re, das Problem der mechanischen Zur\u00fcckf\u00fchrung der jeweiligen Gestalt des Herzmuskels auf Anordnung und Zustand der Muskelfasern zu l\u00f6sen, verweisen wir auf die betreffende Literatur2.\nFig. 4.\n5. Die Zahl der Herzschl\u00e4ge.\nDie Zahl der Herzschl\u00e4ge betr\u00e4gt beim erwachsenen gesunden Manne im Mittel 71\u201472 in der Minute. Ausf\u00fchrlich wird auf die Frequenz der Herzschl\u00e4ge erst beim Puls der Arterien (s. unten) einzugehen sein.\nHier soll nur bemerkt werden, dass bei Versuchen an Thieren f\u00fcr die Ermittelung der Frequenz der Herzschl\u00e4ge, wenn es sich um l\u00e4ngere Versuchszeiten handelte, besondere Markir- oder Z\u00e4hlapparate in Anwen-\n1\tLudwig, Ztschr. f. rat. Med. VIL S. 189. 1848.\n2\tC. Fr. Wolef, Actaacad. scient, imp. Petropol. IV. (2)p. 197 ; V. ( 1 ) p. 211 ; VI. (2) p. 214. 1780\u20141782 ; Nova act. acad. scient. Petrop. I. p. 231 ; II. p. 181 ; III. p. 185 u. 227; IV. p. 217u. 242; V. p.223; VI. p. 217; VIII. p. 347; IX. p. 271 ; X. p. 175. 1783\u20141792. \u2014 Gerdy, Becher. discuss, et propos, d\u2019anat. etc. p. 24. Paris 1823. \u2014 Palicki, De muse. cord, struct. Vratisl. 1839. \u2014 Searle, Todd and Bowman, Cyclop, of anat. and physiol. IL p. 619. 1836-39. \u2014 Parchappe, Du coeur, de sa cruct. et de ses mouv. Paris 1844. \u2014 Ludwig, Ztscbr. f. rat. Med. VII. S. 189. 1848. \u2014 Donders, Nederl. Lane. S. 541. 1852. \u2014 Pettigrew, Philos. Transact. CLIV. p. 445. 1865. \u2014 Winkler, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865. S. 261.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160 Rollett. Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nd\u00fcng gebracht wurden. Apparate, bei welchen die Bewegungen einer ins Herz eingestochenen Nadel auf einen Schreibhebel oder ein Z\u00e4hlerwerk von Siemens & Halske oder einen Markirmagnet \u00fcbertragen werden, sind von Brondgeest1, Ylacovich & Vintschgau2 und von Czermak3 angegeben worden.\nIII. Die Mechanik der Herzventile.\nDie Richtung des vom Herzen unterhaltenen Blutstromes wird in erster Reihe gesichert durch die Atrioventricularklappen oder ven\u00f6sen Klappen des Herzens und durch die an den Wurzeln details dem Herzen entspringenden grossen Arterienst\u00e4mme angebrachten Semilunarklappen.\n1. Die Atrioventricularklapp en.\nDie dreizipflige Klappe im rechten und die zweizipflige im linken Herzen verhalten sich in Bezug auf ihre Wirkungsweise vollst\u00e4ndig-gleich und m\u00fcssen darum unter Einern betrachtet werden. F\u00fcr das Verst\u00e4ndniss der Wirkungsweise dieser Klappen ist es wichtig, zu bemerken, dass jede dieser Klappen an ihrem Ursprungstheile einen in sich geschlossenen h\u00e4utigen Ring oder Cylinder darstellt (E. H. Weber4, K\u00fcrschner5). Erst eine Strecke vom angewachsenen Rande der Klappe entfernt, zerf\u00e4llt durch tiefe Einschnitte die Klappe in die grossen Zipfel und diese selbst wieder durch seichtere Einschnitte in zahlreiche kleinere Zipfel. Die sehnigen F\u00e4den, mit welchen die Klappenzipfel verbunden sind und welche bei der Contraction der Ventrikel das Umschlagen der Klappe in den Vorhof verhindern, inseriren sich nicht blos am freien Rande der Klappe. Die Insertion derselben findet vielmehr mittelst der durch ihre dichotomische Verzweigung vervielf\u00e4ltigten Enden (Sehnen 2. und 3. Ordnung) an der ganzen der Ventrikelwandung zugekehrten \u00e4usseren Oberfl\u00e4che der Klappen statt, dadurch wird eine den Verschluss gef\u00e4hrdende Aufbl\u00e4hung des mittleren Theiles der entfalteten Klappe verhindert und diese wird von den mitentfalteten Enden der sehnigen F\u00e4den wie\n1\tBrondgeest, Arch. f. d. holl\u00e4nd. Beitr. z. Nat.- u. Heilk. III. S. 433.1864.\n2\tVlacovich u. Vintschgau , Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. CI. L. (2) p. 418. 1864; Deila num. dei battit, cardiaci. Venezia 1871. (Ext. dagliAtti del R. Istit. ven. di scienc. XVI. 3. ser.)\n3\tCzermak, Sitzgsber. d.Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. LIX. (2) S. 243.1869; Der electrische Doppelhebel. Leipzig 1871.\n4\tE. H. Weber, Hildebrandt\u2019s Anatomie. III. S. 136. Braunschweig 1831.\n5\tK\u00fcrschner, R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Phvsiol. II. S. 42. Braunschweig\n1844.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Yen\u00f6se Klappen, Sehnige F\u00e4den. Papillarmuskeln, Klappenmuskeln. 161\nvon Strebepfeilern gehalten. F\u00fcr das entgegengesetzte Ende der sehnigen F\u00e4den ist die Verbindung mit den Papillarmuskeln wichtig, die bekanntlich so stattfindet, dass immer die sehnigen F\u00e4den der aneinander grenzenden H\u00e4lften zweier neben einander liegender Klappenzipfel gegen einen und denselben, dem Zwischenr\u00e4ume der Klappenzipfel entsprechend orientirten Papillarmuskel convergiren. Durch diese Art der Verbindung wird die L\u00e4nge der sehnigen F\u00e4den den einzelnen Phasen der Herzbewegung angepasst und andererseits ist dadurch die Richtung des Druckes bestimmt, welchen die bei der Systole vor dem Ostium liegende Klappe auf den Inhalt des Ventrikels aus\u00fcbt.\nDie angef\u00fchrten Momente sind f\u00fcr das Verst\u00e4ndniss des Mechanismus der Atrioventricularklappen die wichtigsten; f\u00fcr ein weiteres Studium der Einrichtung der Klappen sei auf K\u00fcrschner1, Parchappe'2, Reid3 und Joseph4 verwiesen, und hier nur noch bemerkt, dass der Fl\u00e4chenraum, welchen die Atrioventricularklappe zu bedecken im Stande ist, weit gr\u00f6sser ist als die ven\u00f6se Oeffung des Ventrikels. Ein einziger Zipfel w\u00fcrde fast hinreichen, um jene Oeffnung zuzudecken (K\u00fcrschner5)- Der Umfang des ven\u00f6sen Ostium des rechten Herzens wurde zu 122 Mm., jener des linken zu 112 Mm. bestimmt, der Fl\u00e4cheninhalt der Tricuspidalklappe betrug 21.6 DCm., jener der Bicuspidalklappe 20.3 DCm. (Wulff6)-\nSowohl in den sehnigen F\u00e4den als in den Klappen selbst kommen Muskeln vor. Erstere finden sich in den st\u00e4rkeren Sehnenf\u00e4den des linken Ventrikels in Form von Spindeln eingelagert (Contractons chordae, Ohl7)- Die Muskeln der Klappen gehen von den Vorh\u00f6fen auf dieselben \u00fcber und bilden zwei \u00fcbereinander liegende Schichten, in deren einer die Fasern der L\u00e4nge der Klappen, in deren anderer sie der Breite entsprechend gerichtet sind (Reid8, K\u00fcrschner9, Joseph10, Oussenbauer11, Paladino12). Dazu kommen noch schwache l\u00e4ngslaufende Muskeln, welche sich von der Kammer auf die Klappe fortsetzen (Paladino 13).\n1\tK\u00fcrschner a. a. 0.\n2\tParchappe, Du coeur etc. Paris 1844.\n3\tReid, Art. Heart in Todd\u2019s Cyclopaed. II. p. 577. London 1836\u20141839.\n4\tJoseph, De anatom, cord, imprimis ratione habita quatour ejus annul. Vratis-\nlav. 1857 ; Arch. f. pathol. Anat. XIY. S. 263. 1858.\t5 K\u00fcrschner a. a. 0.\n6\tWulff, Nonnulla de cordis pond, ac dimentio etc. Dorpat 1856. Die Zahlen sind nach Henle\u2019s Umrechnung (Anat. d. Mensch. Gef\u00e4ssl. S. 46.) angef\u00fchrt.\n7\t\u00d6hl, Mem. dell. real. Acad, di Torino. XX. 1861.\n8\tReid a. a. 0.\n9\tK\u00fcrschner, Froriep\u2019sNeueNotizen. XV. S. 113. 1840; Wagner\u2019sHandw\u00f6rterb. d. Physiol. IL S. 1844.\n10\tJoseph a. a. 0. ; Arch. f. pathol. Anat. XVIII. S. 495. 1860.\n11\tGussenbauer, Sitzgsber. d.Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. LYII. (2) p. 1103. 1868.\n12\tPaladino, Contribuz. all\u2019 anatom., e fisiol. del cuore. Napoli 1876.\n13\tPaladino a. a. 0.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\n11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. l.Cap. Das Herzu, seine Mechanik etc.\nMan pflegt gew\u00f6hnlich durch einen Versuch, den schon Lower1 anstellte, zu demonstriren, dass auch noch am Leichenherzen die ven\u00f6sen Klappen einen ventilartigen Abschluss der Ostien hervorbringen. Der Versuch kann in der Weise angestellt werden, dass man in den rechten Vorhof einen Holzring einbindet, in die A. pulm. aber eine Glasr\u00f6hre. Klemmt man den Holzring und die R\u00f6hre in passenden Haltern fest, so kann man von oben her in den rechten Ventrikel und auf die in den Ventrikel hineinh\u00e4ngende Tricuspidalklappe hinblicken, f\u00fcllt man nun Wasser in den Ventrikel, so sieht man die Klappenzipfel flottiren, und ahmt man durch Zusammendr\u00fccken des gef\u00fcllten Herzens die Contraction der Ventrikel nach, so legen sich die Klappenzipfel, w\u00e4hrend zugleich das Wasser in der R\u00f6hre emporsteigt vor das Ostium und scliliessen dieses ab.\nF\u00fcr die Th\u00e4tigkeit der Ventile im lebenden Herzen fragt es sich aber um mehr.\nBei der Diastole muss das Blut frei durch die Ostien aus den Vorkammern in die Ventrikel treten, dagegen m\u00fcssten die Klappen in allen Momenten vom Ende der Diastole der Ventrikel bis zum Ende der darauffolgenden Systole das Ostium verschliessen, wenn das Ventil m\u00f6glichst vollkommen arbeiten, also von dem Nutzeffect des Pumpwerkes bei der r\u00fcckg\u00e4ngigen Bewegung des Ventiles vom Stadium des v\u00f6lligen Offenseins bis zum Stadium des eben vollkommenen Verschlusses m\u00f6glichst wenig verloren gehen soll.\nIn dieser Beziehung wollen wir zun\u00e4chst hervorheben, dass es nicht richtig ist, anzunehmen, dass die Klappen nicht im Stande seien, die Ostien der unter bestimmtem Druck mit Wasser vollgef\u00fcllten Ventrikel zu schliessen und dass bei dem Versuche Lower\u2019s der Verschluss immer insufficient bleibt (See2).\nDer Versuch von Baumgarten3, nach welchem man ein, wie fr\u00fcher, pr\u00e4parirtes Herz, dessen Arterien verschlossen wurden, nach Eintreiben des Strahles einer etwa fusshohen Wassers\u00e4ule durch das Ostium venosum und nach pl\u00f6tzlicher Unterbrechung des Strahles umdrehen kann, ohne dass ein Tropfen ausfiiesst, gelingt, mit normalen Herzen vorsichtig, angestellt, sowohl am rechten, wie am linken Ventrikel, er gelingt auch dann noch, wenn man von den Arterien her eine solche Fl\u00fcssigkeitsmenge in die Ventrikel eintreibt als sie w\u00e4hrend des Lebens kaum je aufnehmen, und es muss damit die Schlussf\u00e4higkeit der in die Ebene des Ostium emporgehobenen Klappe auch im Momente der maximalen F\u00fcllung f\u00fcr das normale Herz als bewiesen angesehen werden.\nNach Baumgarten soll nun der Schluss der Klappen erfolgen un-\n1\tLower, Tract, de corde etc. London 1669. Edit. sept. p. 40. Lugdin. Batav.\n1740.\n2\tS\u00c9E, Arch, de physiol. 2. s\u00e9r. I. p. 552. 848. 18/4.\n3\tBaumgarten, De mechanismo quo valvulae venosae cordis clauduntiir. Marburg 1842; Arch. f. Anat. u. Physiol. 1843. S. 461.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Lower\u2019s Versuch, Wirkung der Klappen- und Papillarmuskeln. 163\nmittelbar nachdem die Vorhofssystole nachgelassen hat, dadurch, dass der vorher im Maximum ausgedehnte Ventrikel zufolge seiner Elasticit\u00e4t, also \u00e4hnlich wie im obigen Versuche, bei der Unterbrechung des hineingestos-senen Wasserstrahles auf die in ihm enthaltene Fl\u00fcssigkeit dr\u00fcckt, wodurch die Klappen gegen das ven\u00f6se Ostium hingetrieben werden; diese Anschauung wird, auch von E. H. Weber1, vertheidigt. Die darauffolgende Systole und der hohe Druck im Herzen finden die Klappen schon geschlossen und haben nur zur Folge, dass der Verschluss fortdauert.\nAndererseits wurde aber auf die m\u00f6gliche Bedeutung der von den Vorli\u00d6fen auf die Klappen \u00fcbergehenden Muskeln f\u00fcr die Einstellung der Klappen hingewiesen (K\u00fcrschner'2, Nega3 4, Joseph1, Gussenbauer5).\nPaladino6 \u00fcberzeugte sich am noch schlagenden Hundeherzen, dass die Klappen am Ende der Vorhofsystole durch Muskelwirkung empor gehoben werden, wobei sie mittelst der sehnigen F\u00e4den einen Zug auf die Papillarmuskeln aus\u00fcben.\nStellen wir uns aber vor, die Klappe w\u00e4re in der einen oder anderen Weise beim Beginn der Systole schon geschlossen oder in die f\u00fcr den Schluss g\u00fcnstigste Lage vor das Ostium gebracht , so wird durch die mit der Systole zusammenfallende Th\u00e4tigkeit der Papillarmuskeln die M\u00f6glichkeit gegeben sein, dass die Klappe in den Ventrikel hineingezogen wird. Wegen der seitlichen Ann\u00e4herung der Papillarmuskeln werden aber auch die Klappenzipfel zusammenr\u00fccken und die sehnigen F\u00e4den werden so gestellt sein, als ob sie von einem Puncte der Ventrikelwand gegen den Limbus cordis divergirten. Ueber den Klappen wird dann ein kegelf\u00f6rmiger Raum entstehen und so erkl\u00e4rt sich die M\u00f6glichkeit der vollst\u00e4ndigen Entleerung des Ventrikels bei der Systole.\nDiese Anschauung wurde in der That von K\u00fcrschner7 vertheidigt, P\u00fcrkyne8 hatte sich schon fr\u00fcher eine \u00e4hnliche Anschauung gebildet und Nega9 giebt an, dass er mit dem in das Herz des Kalbes eingef\u00fchrten Finger f\u00fchlte, wie die Klappe, w\u00e4hrend sich das Ostium etwas zusammenzog. gegen die Herzspitze gezogen wurde.\nDer Anschauung, dass die Klappen erst gehoben und dann herabgezogen werden sollen, entgegen wird aber von einer Reihe von anderen Forschern die Ansicht vertheidigt, dass die Zipfel gleich von vorn-\n1\tE. H. Weber, Prager Vjschr. IV. S. 105. 1848.\n2\tK\u00fcrschner a. a. 0.\n3\tNega. Casper\u2019s Wochenschr. 1851. S. 661. 673; Jahresber. d. schles. Ges. f. vaterl. Cultur. S. 164. Breslau 1851.\n4\tJoseph, Arch. f. path. Anat. XVIII. S. 495. 1860.\n5\tGussenbauer a. a. 0.\n6\tPaladino a. a. 0.\n7\tK\u00fcrschner a. a. 0.\n8\tPurkyne, Jahresber. d. schles. Ges. f. vaterl. Cultur. S. 157. Breslau 1843.\n9\tNega a. a. 0.\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164 Roulett, Physiologie derBlutbewegung. l.Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nherein nach abw\u00e4rts gerichtet sind und in dieser Lage aneinander geschlossen werden (Reid1, Surmay2, See3).\nIn Bezug auf die Einzelnheiten des Vorganges herrschen zwischen diesen Autoren wieder die gr\u00f6ssten Differenzen.\nSurmay behauptet, dass die Klappenzipfel w\u00e4hrend der Diastole den Ventrikelwandungen fest anliegen und l\u00e4sst sie durch die Papillarmuskeln bei der Systole von den Ventrikel Wandungen abgezogen, einander gen\u00e4hert und so zusammengeschlossen werden, mit welcher Ansicht er jener von Reid sehr nahe kommt.\nS\u00e9e dagegen l\u00e4sst die w\u00e4hrend der Diastole frei in den Ventrikel h\u00e4ngenden Klappenzipfel durch die wegen des rein longitudinalen Verlaufes ihrer Fasern im Vergleich mit der L\u00e4ngsaxe des Ventrikels sich verh\u00e4lt-nissm\u00e4ssig stark verk\u00fcrzenden Papillarmuskeln stark nach abw\u00e4rts gezogen werden. Die Lage der Papillarmuskeln im stark contrahirten Herzen sei ferner eine solche, dass im linken Ventrikel die beiden Klappenzipfel gegen einander und gegen die linke Wand gepresst werden; im rechten Ventrikel dagegen sich der vordere und hintere Zipfel gegen einander und gegen den Scheidewandzipfel legen. Im linken Herzen befinde sich dann rechts von der an der Wand liegenden Klappe f\u00fcr das Blut der Canalis aorticus, im rechten Ventrikel nach vorne und links von den aneinander geschlossenen Klappenzipfeln der Canalis pulmon. Im rechten Ventrikel werde der Schluss vervollkommnet durch ein Muskelb\u00fcndel, welches dem im rechten Vogelherzen die fehlende Tricuspidalklappe ersetzenden Semisphincter analog ist. Lutze4 beschreibt im noch zuckend ausgeschnittenen Herzen, welches er sofort in heissen Alkohol brachte und l\u00e4ngere Zeit darin kochte, eine \u00e4hnliche Anordnung der Papillarmuskeln und Lage der Klappen, wie S\u00e9e im stark contrahirten Herzen.\nWir wollen hier nur bemerken, dass durch die zuletzt vorgebrachten Ansichten \u00fcber die Vorg\u00e4nge beim Klappenschluss jedes Verst\u00e4ndniss der eigenthiimlichen Muskeln der Atrioventricularklappen ausgeschlossen wird; und die Entscheidung \u00fcber die vorgebrachten controversen Anschauungen f\u00fcr den Abschnitt aufbehalten, in welchem wir \u00fcber die Art und Weise sprechen werden, wie das Herz die Aufnahme des Blutes aus den Venen und die Abgabe.desselben in die Arterien besorgt.\n2. Die halbmondf\u00f6rmigen Klappert der Aorta und Pulmonalarterie.\nE. H. Weber5 hat diese Klappen als eine besondere Art von Ventilen bezeichnet, auf welche man in der Mechanik nicht gefallen\n1\tReid, Article Heart Todd Cyclopaed. of anat. and physiol. IL p. 600. 1836\u2014\n1839.\n2\tSurmay, Gaz. m\u00e9dic. de Paris. 1852. p. 767 ; Journ. de l\u2019anat, et de la physiol. XII. p. 458. 1876.\n3\tS\u00e9e, Arch, de physiol. 2. s\u00e9r. I. p. 552. 848. 1874 ; Gaz. h\u00e9bd. 1876. p. 726.\n4\tLutze, Ein Beitrag zur Mechanik der Herzcontractionen. Leipzig 1874.\n5\tE. H. Weber, Hildebrandt\u2019s Handb. d. Anat, III. S. 28. Braunschweig 1831.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Controversen \u00fcb. cl.Wirk. d. Papillarmuskeln ; Schlussstell, d. Semilunarklappen. 165\nist, als Taschenventile. Die Klappen liegen drei an Zahl in jeder Arterienwurzel den Sin. Valsalv. gegen\u00fcber.\nJede solche Klappe ist mit einem convexen parabolischen Rand an die Wand der Arterie angewachsen, der freie Rand der Klappe, der in der Mitte ein vorspringendes Kn\u00f6tchen (Nod. Arant.) tr\u00e4gt, schneidet den angewachsenen so, dass beide eine halbmondf\u00f6rmige Figur begrenzen.\nDie Tasche, welche zwischen der halbmondf\u00f6rmigen Klappe und der Arterie entsteht, hat man passend mit den Taschen verglichen, welche man in Kutschen seitw\u00e4rts anzubringen pflegt. Sind alle drei Taschen gef\u00fcllt, so springen sie weit ins Lumen der Arterie vor, schliessen aneinander und verlegen so das Lumen.\nDie Fig. 5 stellt einen Querschnitt der Pars sinuosa (Ceradini b der Arterienwurzel in der H\u00f6he der Insertionspuncte a, b, d der drei freien Klappenr\u00e4nder acb, bed und dca, also in der von Ceradini sogenannten Ebene des Ostium arteriosum dar. Die schraffirten Felder zeigen die gef\u00fcllten und aneinander liegenden Taschen von oben. Das Dreieck abd ist das Minimal-, das Dreieck 123 das Maximaldreieck Cera-dini\u2019s. Beide Dreiecke sind gleichseitig. Ein dem Minimaldreieck umschriebener Kreis entspricht dem Arterienquerschnitt, in welchem der sinu\u00f6se Tlieil in die Pars bulbosa der Arterie (von der Sinusgrenze bis\nzur Gabelung reichend) \u00fcbergeht. Die Sinusprofile alb, b2d, d3a sind Bogen von Kreisen, deren Mittelpuncte im Minimaldreiecke etwas nach innen von den Halbirungspuncten der Seiten liegen, entgegen Retzius1 2, der die Sinusprofile als Kreisbogen darstellte, deren Mittelpuncte in gleichen Abst\u00e4nden auf der Aortenperipherie liegen sollten und deren Halbmesser dem des Aortenquerschnittes gleich sein sollten. Retzius\u2019 Darstellung giebt die Sinusbogen zu gross im Vergleich mit der L\u00e4nge der freien Klappenr\u00e4nder, w\u00e4hrend Ceradini\u2019s Darstellung sehr gut mit Messungen \u00fcbereinstimmt, die Br\u00fccke3 \u00fcber das Verh\u00e4ltniss der L\u00e4nge der freien Klappenr\u00e4nder zu den Sinusbogen an Gypsausgtissen der Aortenwurzel anstellte. Das Bild des geschlossenen Taschenventiles kann nach\n1\tCeradini, Der Mechanismus der halbmondf\u00f6rmigen Herzklappen. Leipzig 1872.\t*\n2\tRetzius, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1843. S. 14.\n3\tBr\u00fccke. Ludwig\u2019s Lehrb. d. Physiol. 2. Aufl. IL S. 128. Fig. 37 u. 38. Leipzig u. Heidelberg 1861.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. I. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nden oben angef\u00fchrten Thatsachen nicht weiter fraglich sein und es ist leicht an jeder ausgeschnittenen Aorten- oder Pulmonalarterienwurzel, in welche man einen Glastrichter einbindet, durch Eingiessen von Wasser den Klappenschluss zu demonstriren.\nAnders verh\u00e4lt es sich wieder mit dem Bilde des offenen Ventiles w\u00e4hrend des Lebens und mit der Frage, in welche Phase der Herzaction der Klappenschluss f\u00e4llt.\nIn Bezug auf das Erstere wird einerseits angegeben, dass bei offenem Ventil die freien R\u00e4nder der Klappen mit den Bogen der Sinusprofile zusammenfallen, w\u00e4hrend andererseits gelehrt wird, dass die Klappenr\u00e4nder mit den Seiten des Minimaldreieckes nahe zusammenfallen, also eine Sehnenstellung zu den Sinus einnehmen oder sogar nach innen gehende flache Spitzbogen \u00fcber den Seiten des Minimaldreieckes bilden. Im ersteren Falle h\u00e4tte dann das Ostium aorticum eine dreieckige Form, im zweiten Falle eine dreistrahlige Sternform mit der Richtung der Radien nach ca, cb und cd (Fig. 5).\nDie genaueren Studien \u00fcber die Mechanik der Semilunarklappen wurden angeregt, als Br\u00fccke1 eine schon von Thebesius2 vorgebrachte aber in Vergessenheit gerathene Lehre selbstst\u00e4ndig wieder aufstellte und daraus wichtige Consequenzen f\u00fcr die Herzmechanik zog. Nach dieser Lehre sollen die Semilunarklappen der Aorta die M\u00fcndungen der im Bereich der Sinus Valsalv. entspringenden Coronar-arterien des Herzens zudecken, wenn sie bei der Systole der Ventrikel heraufgeschlagen werden. Der Zweck dieser Einrichtung soll die Hintanhaltung einer systolischen Steigerung des Blutdruckes in den Kranzschlagadern sein. Dagegen w\u00fcrden die Ostien der Coronar-arterien wieder frei bei der Diastole und so der Blutdruck in den Gef\u00e4ssen des Herzens gesteigert. Ein hoher Blutdruck in den Kranzschlagadern w\u00e4hrend der Systole der Ventrikel w\u00fcrde sich der letzteren als zu \u00fcberwindender Widerstand entgegenstellen ; dagegen w\u00fcrde ein hoher Blutdruck in den Kranzschlagadern w\u00e4hrend der Diastole durch die federartige Spannung der Gef\u00e4sse des Herzens dazu beitragen, die H\u00f6hlen des Herzens f\u00fcr das zu empfangende Blut zu \u00f6ffnen. Diese Herzkraft sparende Transposition des Blutdruck-Maximum in den Coronargef\u00e4ssen des Herzens, im Vergleich mit den \u00fcbrigen Schlagadern, hat Br\u00fccke als Selbststeuerung des Herzens bezeichnet.\nBr\u00fccke\u2019s Lehre fand an Hyrtl3 einen heftigen Gegner. Des Letzteren\n1\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d.Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. XIV. S. 345. 1854: Der Verschluss der Kranzschlagadern durch die Aortenklappen. Wien 1855.\n2\tThebesius, Diss. med. inaug. de circulo sanguin, in corde. (\u00a7 24 u. 25) Lugd. Batav. 1708.\n3\tHyrtl, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-math. Cl. XIV. S. 373. 1854. Leber die Selbststeuerung des Herzens, ein Beitrag zur Mechanik der Aortenklappen. Wien 1855.","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Verh\u00e4ltnis der Semilimarklappen der Aorta in den Coronarostien. 167\nEinwiirfe waren haupts\u00e4chlich: die Urspr\u00fcnge der Kranzschlagadern liegen in der Regel \u00fcber den Sinus Valsalv. und werden darum von den Semilunarklappen nicht gedeckt, demgem\u00e4ss sieht man angestochene Coronararterien continuirlich und im bestimmten Moment systolisch verst\u00e4rkt spritzen.\nIn der Folge betheiligten sich an der \u00fcber diese Frage entstandenen Controverse auch noch eine grosse Zahl anderer Forscher. Nichtsdestoweniger ist die Frage der systolischen Lage der Aortenklappen und des Blutstromes in den Gef\u00e4ssen des Herzens bis heute eine der schwierigsten geblieben, da die Forschungen eine Reihe unbezweifelbarer That-sachen zu Tage gef\u00f6rdert haben, zwischen denen das Band des Verst\u00e4ndnisses fehlt.\nEs ist vor Allem wichtig anzuf\u00fchren, dass Br\u00fccke\u2019s Behauptung, der Widerstand in dem Kranzschlagadersystem werde bei der Systole der Ventrikel durch Compression der Herzgef\u00e4sse vermehrt, bestritten wurde (Ceradini1 2). Man st\u00fctzte sich dabei auf Versuche von Sczelkow- und Sadler3, die sp\u00e4ter von Genersich4, Hafiz5 6 7, Gaskell\u00ab, Gr\u00fctzner & Heidenhain' fortgesetzt wurden, aus welchen sich ergab, dass der Blutstrom in contrahirten willk\u00fcrlichen Muskeln beschleunigt ist und dass der Grund dieser Beschleunigung eine Dilatation der Muskelarterien sei. Allein da sich herausstellte, dass diese Gef\u00e4ssdilatation bei der Contraction der willk\u00fcrlichen Muskeln nicht mechanischer, sondern nerv\u00f6ser (vasodepresso-rischer) Natur ist und dass sich mit derselben sogar eine mechanische Compression gewisser Gef\u00e4ssgebiete im Muskel verkn\u00fcpft, so sind erstens die an den willk\u00fcrlichen Muskeln gewonnenen Resultate auf das Herz nicht direct \u00fcbertragbar, da die vasomotorischen Einfl\u00fcsse auf die Herzgef\u00e4sse nach ganz anderen Gesetzen erfolgen k\u00f6nnen, und zweitens muss zugegeben werden, dass, wie Br\u00fccke8 hervorhebt, beim Herzmuskel die Gelegenheit zur mechanischen Gef\u00e4sscompression gerade in ganz hervorragender Weise vorhanden ist. Die inneren Schichten des Herzfleisches sind bei der Systole einem Drucke ausgesetzt, der gr\u00f6sser ist als der in der Aorta, in diese Gef\u00e4sse kann darum bei der Systole kein Blut gelangen ; gegen die \u00e4usseren Schichten nimmt der Druck ab, um so mehr, als man sich der \u00e4usseren Oberfl\u00e4che n\u00e4hert. In Uebereinstimmung mit dieser Anschauung Br\u00fccke\u2019s steht es, dass man bei der Unterbindung des lebenden Herzens en masse einmal w\u00e4hrend der Systole, ein anderes Mal w\u00e4hrend der Diastole, im ersteren Falle wohl die oberfl\u00e4chlichen Herzgef\u00e4sse nat\u00fcrlich injicirt findet, die etwas tiefer gelegenen aber leer, wogegen im letzterem Falle die Gef\u00e4sse in allen Schichten der Musculatur mit Blut erf\u00fcllt sind (Klug9). Dass die Gef\u00e4sse in den tieferen Schichten des Herzens bei der Systole nicht wegsam bleiben, muss als ausgemachte\n1\tCeradini a. a. O. S. 23.\n2\tSczelkow, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. XLV. S. 171. 1862.\n3\tSadler, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1869. S. 189.\n4\tGenersich, Ebenda. 1870. S. 142.\n5\tHafiz, Ebenda. S. 215.\n6\tGaskell, Ebenda. 1876. S. 45; Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. S. 557; Stud, of the physiol, lab. Cambridge III. S. 132. 1877; Journ. of physiol. 1878. p. 108. 262.\n7\tGr\u00fctzner u. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. XVI. S. 1. 1878.\n8\tBr\u00fccke, Vorles. \u00fcb. Physiol. 2. Aufl. I. S. 183. Wien 1875.\n9\tKlug, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. S. 133.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nSache betrachtet werden. F\u00fcr die St\u00e4mme der Coronararterien lind die oberfl\u00e4chlichen Herzgef\u00e4sse k\u00f6nnte aber etwas anderes stattfinden, ja wir m\u00fcssen es sogar f\u00fcr wahrscheinlich halten, dass eine Erweiterung der letzteren das compensirt, was an Abfuhrwegen f\u00fcr das Blut durch die Compression der tieferen Herzgef\u00e4sse verloren geht, was namentlich f\u00fcr die Zeit in Betracht k\u00e4me, welche vergeht, bis die Klappen an die Wand der Aorta sich heraufgeschlagen haben.\nLeider sind wir \u00fcber die Druckcurve in den Coronargef\u00e4ssen w\u00e4hrend der einzelnen Phasen der Herzth\u00e4tigkeit gar nicht aufgekl\u00e4rt.\nDie autoptische Beobachtung des Conorarpulses und des Spritzens der angeschnittenen Conorargef\u00e4sse kann uns aber \u00fcber diesen Mangel nicht hinweghelfen.\nWenn man das continuirliclie systolische, von der Basis zur Spitze des Herzens gerichtete Spritzen des centralen Stumpfes der Coronararterie (Endemamn1, Peels2) als Experimentum crucis in der Frage nach der Stellung der Klappen bei der Systole bezeichnet (Ceradini3), so muss dagegen bemerkt werden, dass gerade dieser Eingriff das Spiel der Klappen total st\u00f6ren kann, wof\u00fcr \u00e4hnliche Beobachtungen bei k\u00fcnstlichen Durchstr\u00f6mungsversuchen sprechen.\nDass die Klappen im Leichenherzen nur ausnahmsweise \u00fcber die Coronarostien heraufreichen (Hyrtl4), ist nicht richtig, denn unter 100 Coronarien entspringen nur 4 ausserhalb der Sinus Valsalvae (Br\u00fccke5). Das allein ist aber entscheidend, nicht aber die Stellung, welche der freie Rand der Klappe in der aufgeschnittenen und auseinander gebreiteten Aortenwurzel einnimmt, denn die Klappen sind mit ihrem unteren Theile an das Herzfleisch angewachsen und zeigen diesen Theil im Leichenherzen schr\u00e4g nach abw\u00e4rts gerichtet. Das ist eine Wirkung der Todtenstarre. Im Schweineherzen ist immer die dem einen Coronarostium gegen\u00fcberliegende Klappe angewachsen, die andere nicht. Letztere deckt immer, die erstere nicht, so lange man die Umschlagsstelle dorthin ver-verlegt, wo der angewachsene Theil von dem dar\u00fcber gelegenen sich trennt; anders verh\u00e4lt es sich, wenn man die Umschlagsstelle dorthin verlegt, wo sie im Leben sich befindet, in den Winkel, den die \u00e4ussere Fl\u00e4che der Klappe mit der Aortenwand bildet (Br\u00fccke6). Der freie Rand der Klappen ist lang genug, um sich an die Aorta anzulegen (Br\u00fccke7) und nicht so kurz, dass die Klappen \u00fcberhaupt nur eine Sehnenstellung zum Sinus Valsalvae (Hyrtl8 9, R\u00fcdinger6, Mierswa10) einnehmen k\u00f6nnten.\n1\tEndemann, Beitrag z. Mechanik d. Kreislaufs im Herzen. Marburg 1856.\n2\tPeels, Berl. klin.Woch. 1867. Kr. 1 ; Arch. f. path. Anat. XXXIX. S. 188. 1867.\n3\tCeradini a. a. O. S. 20.\n4\tHyrtl, Ueber die Selbststeuerung des Herzens. S. 59. Wien 1855.\n5\tBr\u00fccke, Vorles. \u00fcb. Physiol. I. S. 178. Wien 1875.\n6\tDerselbe, Der Verschluss der Kranzschlagadern durch die Aortenklappen. Wien 1855.\n7\tDerselbe, Ludwig\u2019s Physiol, d. Menschen. 2. Aufl. IL S. 128.\n8\tHyrtl, Lehrb. d. topogr. Anat. 5. Aufl. S. 480. 1857.\n9\tR\u00fcdtnger, Ein Beitrag zur Mechanik der Aorten- und Herzklappen. Erlangen\n1859.\n10\tMierswa, Deutsche Klinik. 1859. S. 198.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Lage der Klappen: im todten Herzen, bei der Systole ; Zeit des Schlusses. 169\nDie Versuche, welche Ceradini1 an der Pulmonalarterienwurzel des Schweines mit dem Speculum cordis (R\u00fcmNGER\u2019sche R\u00f6hre, kurzes in die Arterienwurzel eingebundenes Glasrohr, oben mit flachem Glasdeckel verschlossen, mit seitlichem Tubulus zum Entweichen der in die R\u00f6hre eingetriebenen Fl\u00fcssigkeit) anstellte, sind mit grosser Umsicht und unter genauer Ber\u00fccksichtigung der Druckverh\u00e4ltnisse ausgef\u00fchrt. Ob aber die dabei gemachte Wahrnehmung der Sehnenstellung der Klappen bei der Nachahmung des systolischen Einstr\u00f6mens in die Arterienwurzel auf die Verh\u00e4ltnisse im Leben zu \u00fcbertragen ist, l\u00e4sst sich noch immer bezweifeln. Die Versuche sind an todtenstarren Herzen angestellt, in welchen die Klappen eine andere Lage haben als im lebenden Herzen ; das zarte Gewebe der Klappen ist dabei der Wasserwirkung ausgesetzt. Die Beschr\u00e4nkung der Strombahn durch ein dem Minimaldreieck (Fig. 5) entsprechendes oder gar sternf\u00f6rmiges, also normal stenosirtes Ostium aorticum hat keine Wahrscheinlichkeit und keine Erfahrung am lebenden Organismus f\u00fcr sich. Die vergleichend und pathologisch anatomischen Thatsachen, welche Br\u00fccke2 gesammelt hat \u00fcber Klappenspuren in der Arterienwand, \u00fcber gefensterte Klappen, deren Fenster immer den Coronarostien gegen\u00fcber liegen, auch in einem Falle, wo zwei Coronarien aus demselben Sinus entspringen und demgem\u00e4ss in derselben Klappe 2 Fenster stehen, k\u00f6nnen unsere Zweifel nur best\u00e4rken.\nWir h\u00e4tten nun noch der Durchstr\u00f6mungsversuche (v. Wittich3, Ludwig4, R\u00fcdinger5, Perus6) zu gedenken, bei welchen der Ausfluss aus in die Coronararterien eingebundenen Can\u00fclen beobachtet wurde, allein es ist schon von anderer Seite hervorgehoben worden, dass diese Versuche f\u00fcr die Frage der Bedeckung oder Nichtbedeckung der Coronarostien keine Entscheidung gebracht haben (Ceradini).\nWas die Zeit betrifft, in welcher die Semilunarklappen geschlossen werden, so hat Ceradini bewiesen, dass diese mit dem Moment zusammenf\u00e4llt, wo das systolische Einstr\u00f6men von Blut in die Arterienwurzel eben aufh\u00f6rt. Durch die Systole werden die grossen Arterien verl\u00e4ngert, was zum Ausdruck kommt durch eine der Richtung des Blutstromes entgegengesetzte Translationsbewegung der Arterienw\u00e4nde. Die Basis des Herzens r\u00fcckt abw\u00e4rts, w\u00e4hrend die Spitze an ihrem Orte bleibt. H\u00f6rt das systolische Einstr\u00f6men in die Arterienwurzel pl\u00f6tzlich auf, so entsteht in den Wandschichten eine r\u00fcckl\u00e4ufige Bewegung, welche an der Gef\u00e4sswurzel in die rascher und rechtl\u00e4ufig bewegten axialen Schichten umschl\u00e4gt. Dieser Wirbel f\u00fchrt die Klappen in ihre Schlussstellung.\nCerardini hat diese r\u00fcckl\u00e4ufige Bewegung der Wandschichten und den Wirbel in Glasr\u00f6hren, die mit B\u00e4rlappsamen suspendirt enthaltendem\n1\tCeradini a. a. O. S. 34.\n2\tBr\u00fccke, Vorles. \u00fcb. Physiol. S. 184. 1875.\n3\tWittich, Allg. med. Centralztg. 1857. No. 5.\n4\tLudwig, Physiol, d. Menschen. 2. Aufl. IL S. 129. Leipzig u. Heidelberg 1861.\n5\tR\u00fcdinger a. a. 0.\t6 Perls a. a. 0.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nWasser gef\u00fcllt waren, beim Eintritt pl\u00f6tzlicher Ruhe eines fr\u00fcher vorgeschobenen Stempels oder bei pl\u00f6tzlicher Aufhebung einer \u00fcber den ruhig liegenden Stempel ausgef\u00fchrten Translation der Rohrw\u00e4nde de-monstrirt. Der Grund ist, dass die Fl\u00fcssigkeit nicht wie ein fester K\u00f6rper durch die R\u00f6hre tritt, sondern in sich bewegt wird, weil die axialen Schichten eine gr\u00f6ssere Geschwindigkeit annehmen als die Wandschichten (s. unten Fl\u00fcssigkeitsstr\u00f6me in R\u00f6hren).\nEs ist leicht ersichtlich, dass der Mechanismus, welchen Cera-dini so f\u00fcr den Schluss der Semilunarklappen nachgewiesen hat und der von der Frage der Stellung der offenen Klappen unabh\u00e4ngig ist f\u00fcr die Vollkommenheit der Wirkung des Ventiles von der gr\u00f6ssten Wichtigkeit ist.\nIV. Die Wirkungsweise der Herzpumpe.\nF\u00fcr die Betrachtung des Herzens als Pumpe wollen wir von einer am blossgelegten Herzen zu beobachtenden Erscheinung aus-\nFig. 6.\ngehen, welche f\u00fcr die Beurtheilung der Wirkungsweise des Pumpwerkes von der gr\u00f6ssten Bedeutung ist, Die Erscheinung ist ebensowohl am Froschherzen, wie am S\u00e4ugethierherzen zu beobachten","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Bewegung der Herzbasis und Spitze, Zeit der Er\u00f6ffnung der Semilunarklappen. 171\nund betrifft die relative Excursion, welche die einzelnen Querschnitte des Herzens in der Richtung* der L\u00e4ngenaxe desselben bei den normalen Bewegungen des Herzens machen. Diese Excursion ist am kleinsten f\u00fcr die Spitze des Herzens und nimmt von dieser gegen die Basis der Ventrikel hin zu, f\u00fcr welche sie am gr\u00f6ssten ist, mit anderen Worten: man sieht bei der Systole der Ventrikel die Grenze zwischen Vorh\u00f6fen und Ventrikel der nahezu an ihrem Orte bleibenden Herzspitze sich ann\u00e4hernd, bei der Diastole dagegen kehrt die Grenze zwischen Vorh\u00f6fen und Ventrikel an ihren fr\u00fcheren Ort zur\u00fcck. Siehe Fig. 6, in welcher A eine schematische Darstellung des diastolischen, \u00df eine solche des systolischen Herzens zeigt (vergl. Henke1 2). Dieses Hinab- und Hinaufr\u00fccken der Atrioventriculargrenze ist die auffallendste Bewegungserscheinung, welche man am th\u00e4tigen Herzen wahrnimmt, mag man dasselbe, wie es beim Frosch und bei kleineren S\u00e4ugetkieren gelingt, noch durch erhaltenes Pericardium und Pleura oder im gespaltenen Herzbeutel freiliegend beobachten.\n1. Das Herz als Druckpumpe w\u00e4hrend der Systole der Ventrikel.\nEs ist sofort ersichtlich, dass beim systolischen Herabr\u00fccken der Atrioventriculargrenze, wenn dabei die Klappen der ven\u00f6sen Ostien geschlossen sind, das Herz als Druckpumpe Blut\u2019in die Arterienst\u00e4mme hinausf\u00f6rdern muss. Der Austritt von Blut in die Arterien wird aber nicht sofort mit dem Beginn der Systole auch seinerseits beginnen, sondern erst zu einer Zeit, wo die Th\u00e4tigkeit der Herzmuskeln dem Inhalte der Ventrikel bereits eine Spannung er-theilt hat, welche gr\u00f6sser ist, als die Spannung des Blutes im Anf\u00e4nge der Arterienst\u00e4mme.\nLandois2 bestimmte als Zeit zwischen Beginn des 1. Herztones und Puls der Radialarterie 0.224 Secunden. Als Fortpflanzungszeit des Pulses (s. unten) von der Art. axill. zur Art. radialis auf einer Strecke von 50 Cm. aber im Mittel 0.087 Secunden, wonach sich die Zeit zwischen 1. Herzton und Axillarpuls zu 0.137 Secunden ergiebt, da aber die Strecke zwischen Aortenwurzel und dem untersuchten Punct der Axillararterie nur etwa 30 Cm. betr\u00e4gt, so kann man nicht annehmen, dass der Austritt des Blutes aus dem Ventrikel mit dem Beginn der Systole zusammenf\u00e4llt, denn auf 30 Cm. m\u00fcsste sich der Puls in 0.052 Secunden fortpflanzen. Die \u00fcbrig bleibende Zeit von 0.085 soll diejenige sein, welche vergeht zwischen Beginn der Systole und Er\u00f6ffnung der Semilunarklappen;\n1\tHenke , Beitr\u00e4ge z. Anatomie d. Menschen mit Bezieh, auf Bewegung. S. 40. Taf. VII. Leipzig u Heidelberg 1872.\n2\tLandois, Die Lehre vom xArterienpuls. S. 304. Berlin 1S72.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nfr\u00fcher schon hat Rive1, gest\u00fctzt auf gleichzeitig von Donders registrirte Herzt\u00f6ne (s. oben S. 155) und Pulscurven der Carotis, wonach Beginn des\n1.\tHerztones und Carotispuls 0.093 Secunden auseinander lagen, w\u00e4hrend die Fortpflanzung des Pulses von der Aortenwurzel bis zur Carotis nur etwa 0.02 Secunden betragen kann, die Zeit zwischen Beginn der Systole und Er\u00f6ffnung der Semilunarklappen zu 0.07 3 Secunden, also um 0.012 Secunden geringer als Landois gesch\u00e4tzt.\nHat das Blut in den Ventrikeln die f\u00fcr die Er\u00f6ffnung der Semilunarklappen n\u00f6tkige Spannung erreicht, dann tritt es in die Arterien ein in der Weise, wie das schon fr\u00fcher nach Ceradini2 angegeben wurde, dass die Arterienwand eine der Richtung des Blutstromes entgegengesetzte Translationsbewegung macht, also gleichsam \u00fcber das Blut in der Richtung gegen die Herzspitze hin\u00fcber geschoben wird, worauf die Ventrikel noch einige Zeit im Zustande der Systole verharren.\nDie Zeit, welche f\u00fcr das Einstr\u00f6men des Blutes in die Aorta in Anspruch genommen wird, ist nach Moens\u20193 Correctionen an Landois\u20194 Angaben zu 0.088 Secunden zu veranschlagen. Heynsius5 giebt daf\u00fcr 0.1 Secunde an (s. unten Pulscurve der Arterien).\nDa aber die Zeit der Systole nach Donders6 und Landois7 8 viel l\u00e4nger ist, nach Donders im Mittel 0.314 Secunden betr\u00e4gt, so ergiebt sich, dass das Herz betr\u00e4chtlich lange Zeit nach Austreibung des Blutes noch im Zustande der Systole verharrt. W\u00fcrde man 0.3 Secunde als durchschnittliche Dauer der Systole annehmen, so kann man diese in drei Theile von der Dauer\n1.\tW\u00e4hrend noch kein Blut in die Aorta str\u00f6mt . . . 0.085 Secunden.\n2.\tF\u00fcr den Blutaustritt............................0.100\t\u201e\n3.\tF\u00fcr das Verharren der Ventrikel in der Systole .. 0.115\nv\t77\nzerlegen (Moens).\nEin Verharren der Ventrikel im Zustande der Systole nach Austreibung des Blutes folgert Baxt 8 auch aus seinen nach der oben angef\u00fchrten Methode am Hunde gewonnenen Curven, die, wie er zeigt, eine grosse Aehnlichkeit mit den von Chauveau & Marey9 mittelst der cardio-graphischen Sonden von den H\u00f6hlen des Herzens aus erhaltenen haben und welche er, entgegen der Deutung, die Marey den letzteren giebt, unter Ber\u00fccksichtigung der gleichzeitigen Druckverh\u00e4ltnisse in dem Anf\u00e4nge der Carotis \u00abo auslegt, dass sie anzeigen, dass die systolische Umformung der Ventrikel, w\u00e4hrend welcher das Blut in die Arterien aus-\n1\tRive. De Sphygmograaf en de sphygmog. Curve. Utrecht 1*66.\n2\ts. o. S. 169.\n3\tMoens, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 517. 1879.\n4\tLandois, Lehre v. Arterienpuls. S. 307. Berlin 1872.\n5\tHeynsius. Ueber d. Ursachen der T\u00f6ne u. Ger\u00e4usche im Gef\u00e4sssystem. S. 51. Leiden 1878.\n6\ts. o. S. 156.\n7\ts. o. S. 156 u. 157.\n8\tBaxt. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1878. S. 122.\n9\ts. o. S. 154. Fig. 3.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Dauer des Einstr\u00f6mens in die Arterien. Verhalten der Ventrikel etc.\n173\ntritt, rasch erfolgt, im Vergleich zur Zeit, w\u00e4hrend welcher der Ventrikel im umgeformten Zustande verharrt (s. unten beim Herzstoss).\nDie Spannung, welche die Ventrikel dem Blute ertheilen, wurde in beiden Herzh\u00f6hlen auf manometrischem Wege bestimmt.\nAeltere Versuche dieser Art, so die von Hering1 an einem mit Ectopia cordis behafteten Kalbe angestellten, wobei der Druck im rechten Ventrikel zu dem im linken wie 1 : 1.7 sich verhielt, verdienen in Bezug auf die absoluten Werthe nur wenig Vertrauen.\nMarey2 und Chauveau suchten den Druck in den verschiedenen Abtheilungen des Herzens dadurch zu bestimmen, dass sie nach Verzeichnung ihrer cardiographischen Curven die dazu ben\u00fctzte Vorrichtung empirisch zu graduiren suchten, sie verbanden dieselbe mit einem Quecksilbermanometer und brachten mittelst dieses die gleichen Excursionen des Schreibhebels hervor.\nBei drei Pferden erhielten sie so als Maximum des Druckes in\nMill. Hg-\tI\tII\tIII\nf\u00fcr den rechten Ventrikel .\t.\t25\t30\t29\nf\u00fcr den linken Ventrikel .\t.\t. 128\t95\t140.\nEine directe Bestimmung des Druckes in den Herzh\u00f6hlen wurde sp\u00e4ter von Fick3 mittelst seines Federmanometers (s. dieses unten beim Blutdruck in den Arterien, wo auch die Anwendungsweise beschrieben wird) versucht, er stiess aber dabei anscheinend auf das paradoxe Ph\u00e4nomen, dass der Druck im linken Herzen nicht das Maximum des gleichzeitig in der Aorta herrschenden Druckes erreicht, und Gradle4 wollte dieselbe Erscheinung constatirt haben, w\u00e4hrend Fick5 selbst mit einem geeigneteren neueren Federmanometer (s. unten) die Erscheinung nicht mehr fand und ebenso wie Marey6 f\u00fcr Gradle\u2019s Versuche auch f\u00fcr seine eigenen \u00e4lteren nach wies, dass die erw\u00e4hnte paradoxe Erscheinung ihren Grund nur darin hatte, dass bei der Tr\u00e4gheit der angewendeten Manometer diese den raschen Schwankungen des intracardialen Druckes nicht folgen konnten. Eine sichere Bestimmung der Druckverh\u00e4ltnisse im Herzen gelang erst Goltz & Gaule7 durch den gl\u00fccklichen Einfall, das Quecksilber-Manometer (des Kymographion, s. d. unten) in ein Maximum-manoter dadurch zu verwandeln, dass sie in dem mit dem Herzen com-municirten Manometerschenkel ein Ventil anbrachten, welches sich in der Richtung gegen das Herz hin schloss, und nicht erlaubte, dass die Quecksilbers\u00e4ule des Manometer von einem einmal erreichten Stande wieder zur\u00fccksank. Es sei gleich hier bemerkt, dass durch Umkehrung des\n1\tHering, Arch. f. physiol. Heilk. IX. S. 13. 1850.\n2\tMarey, Physiolog. m\u00e9d. de la circul. p. 90. Paris 1863.\n3\tFick, W\u00fcrzburger Verhandl. X. F. IV. S. 223. 1872.\n4\tGradle, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. CI. (3) LXXni. S. 127.1876.\n5\tFick, Festschrift zu Ehren Rinecker\u2019s. S. 15. Leipzig 1877.\n6\tMarey, Travaux du lab. p. 322. 1876.\n7\tGoltz u. Gaule, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 100. 1878.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nVentiles aus dem Maximummanometer, wie leicht ersichtlich, ein Minimummanometer wird.\nGoltz und Gaule bestimmten so den maximalen Druck im rechten Ventrikel und verglichen ihn mit dem gleichzeitig gemessenen Aortendruck, dessen Maximum dem Druckmaximum im linken Ventrikel nahe gleich kommen muss; dabei erhielten sie in drei Versuchen am Hunde in Mm. Hg\nI\tII\tIII\nf\u00fcr den rechten Ventrikel .\t.\t.\t61.8\t60.8\t34.8\nf\u00fcr den linken Ventrikel .... 135\t142.2\t114.2.\nDaraus ergiebt sich f\u00fcr die Druckkr\u00e4fte des rechten und linken Ventrikels ann\u00e4hernd ein Verh\u00e4ltniss von 2 : 5, w\u00e4hrend Marey1 und fr\u00fcher Beutner2 3 dasselbe wie 1:3 sch\u00e4tzten. Dass der Druck im rechten Ventrikel geringer ist als im linken, ist auf die verschiedene Wandst\u00e4rke beider Ventrikel zur\u00fcckzuf\u00fchren.\nW\u00fcrde man die Spannung kennen, mit welcher das Blut in den Ventrikeln anlangt, ferner den Zuwachs an Spannung h, welchen das Blut durch die Th\u00e4tigkeit der Ventrikel erf\u00e4hrt, ferner die Menge Blut, welche eine Systole der Ventrikel in die Arterien entleert p und endlich die Geschwindigkeit v, welche das Blut dabei erlangt, dann w\u00fcrde die von jedem Ventrikel w\u00e4hrend einer Systole geleistete Arbeit sich berechnen nach\nm \u2014 1 , worin g die Beschleunigung durch die Schwere bedeutet, gesetzt wird\t/ v2 ,\np ( 2 -g + h\nBerechnungen dieser Art finden sich bei Mayer-5, Vierordt4, Don-ders5, Monoyer6, Haughton7 Buchanan8 u. A.\n2. Das Herz als S\u00e4ugpumpe w\u00e4hrend der Systole der Ventrikel.\nNachdem wir nun die Druckwirkung der Kammern bei der Systole besprochen haben, m\u00fcssen wir uns den gleichzeitig in den Vorh\u00f6fen stattfindenden Vorg\u00e4ngen zuwenden. W\u00e4hrend die Kammer sich beim Herabsteigen der Atrioventriculargrenze entleert, sieht man die Vor-\n1\tMarey a. a. 0.\n2\tBeutner, Ztschr. f. rat. Med. N. F. H. S. 118. 1852.\n3\tMayer, Die organische Bewegung in ihrem Zusammenh\u00e4nge mit dem Stoffwechsel. S. 55. Heilbronn 1845; Arch. f. physiol. Heilk. X. S. 512. 1850.\n4\tVierordt. Ebenda. IX. S. 373; X. S. 40.\n5\tDonders, Physiol, d. Menschen. 2. Aufl. S. 109. Leipzig 1859.\n6\tMonoyer, Applicat. des scienc. physiq. aux theories de la circul. Paris 1863.\n7\tHaughton, Dublin, quarterl. Journ. XCVII. p. 74. 1870.\n8\tBuchanan, Lancet. II. No. 20. 1870.","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Herzarbeit, Saugwirkung des Herzens bei der Systole.\t175\nh\u00f6fe, welche beim h\u00f6chsten Stand jener Grenze, also unmittelbar vor dem Eintritt der Systole der Ventrikel am meisten zusammengezogen waren, immer mehr mit Blut sich f\u00fcllen. Da die Herzbasis mit einer gewissen Geschwindigkeit vor dem in die Vorh\u00f6fe sich er-giessenden Blute herschreitet, so wird sie den Zufluss des Blutes aus den Venen zum Herzen beschleunigen.\nD\u00e4chte man sich das Herz in einen unnachgiebigen Herzbeutel luftdicht eingeschlossen, dann m\u00fcsste w\u00e4hrend des Herabsteigens der Atrio-ventriculargrenze bei der Systole in demselben Maasse als das Blut aus den Ventrikeln in die Arterien hinausgepumpt wird, von den Venen her Blut in die erweiterbaren Vorh\u00f6fe angesaugt werden. W\u00fcrde man sich aber vorstellen, dass das Herz in einem nachgiebigen Herzbeutel luftdicht eingeschlossen sei, auf dessen \u00e4ussere Oberfl\u00e4che fortw\u00e4hrend nach allen Richtungen hin ein Zug ausge\u00fcbt wird, so w\u00fcrde dieser Zug die Ansaugung des Blutes von den Venen her in die diastolischen mit weichen nachgiebigen Wandungen versehenen Vorh\u00f6fe beg\u00fcnstigen. Wir werden sp\u00e4ter sehen, dass das in der Brusth\u00f6hle eingeschlossene Herz sich unter Bedingungen befindet, wie wir sie im letzten Falle gesetzt haben, und dann auch die Aspiration, welche der Brustraum und die Lungen auf das Venenblut aus\u00fcben, n\u00e4her betrachten.\nHier soll uns jetzt nur die Aspiration des Blutes aus den Venen in die Vorh\u00f6fe durch das Herz besch\u00e4ftigen.\nDie Behauptung, dass die Basis des Herzens im Momente der Systole saugend wirkt, wurde schon von Purkinje1 und Nega2 aufgestellt, und Weyrich3 hat die von der Respiration unabh\u00e4ngige Herzaspiration, welche sich durch eine mit der Vorhofsdiastole zusammenfallende Spannungsabnahme in den Jugularvenen kundgiebt, genauer untersucht (s. unten).\nNach der entwickelten Vorstellung w\u00fcrde das Herz in derselben Phase seiner Th\u00e4tigkeit n\u00e4mlich w\u00e4hrend der Systole der Ventrikel als Druck- und S\u00e4ugpumpe zugleich wirken. Das bedarf noch einer weiteren Erl\u00e4uterung, f\u00fcr welche wir auf eine Reihe von Erscheinungen eingehen m\u00fcssen, welche mit der Systole der Ventrikel einhergehen und f\u00fcr die Vorstellung, welche man sich von der Mechanik der Herzpumpe zu machen hat, von Wichtigkeit sind.\nVoit4 sah bei Versuchen, die er mit Lossen anstellte und bei welchen durch M\u00fcLLER\u2019sche Ventile geathmet wurde, bei v\u00f6llig ruhigem Anhalten des Athmens sowohl im In- als Exspirationsventil regelm\u00e4ssige Schwankungen synchron mit den Herzschl\u00e4gen erfolgen, und zwar stieg die Wassers\u00e4ule im Exspirationsventil bei jeder Systole der Ventrikel und sank im Inspirationsventil; w\u00e4hrend bei der Diastole das umgekehrte\n1\tPurkinje, Jabresber. d. scbles. Ges. f. vaterl. Cultur. S. 157. Breslau 1843.\n2\tNega, Casper\u2019s Wochenschr. 1851. S. 661. 673.\n3\tWeyrich, De cordis adspiratione exp\u00e9rimenta. Dorpati 1853.\n4\tVoit, Ztschr. f. Biologie. I. S. 390.1865.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nstattfand. Voit deutete diese Erscheinung dahin, dass durch dieselbe eine systolische Verminderung des Volumens des ganzen Herzens angedeutet werde, welche bei der Diastole wieder ausgeglichen wird und machte auf Beobachtungen von Bamberger1 aufmerksam, denen zu Folge bei Kaninchen durch die blossgelegte Pleura hindurch wahrgenommen werden kann, dass die Ventrikel bei jeder Systole die Lungen nach sich ziehen. Wir wollen gleich hier der leichteren Verst\u00e4ndigung halber mit Marey'2 und Mosso3 jede nach dem Herzen hin gerichtete Bewegung der an das Herz anliegenden Th eile, welche synchron mit der Systole der Ventrikel erfolgt, als den negativen Puls dieser Theile bezeichnen, w\u00e4hrend jede im entgegengesetzten Sinne synchron mit der Systole erfolgende Bewegung als positiver Puls bezeichnet werden soll.\nDie leichte Inspiration, welche in Voit\u2019s Versuch durch die Systole der Ventrikel bedingt wird, ist also der bis in die Mundh\u00f6hle fortgepflanzte negative Puls der Lungenluft und ebenso wie in der Mundh\u00f6hle des Menschen kann derselbe bei verschlossener Mundh\u00f6hle auch in der Nasenh\u00f6hle wahrgenommen werden. Bei Thieren l\u00e4sst er sich am Besten in der Trachea nacliweisen. Graphisch dargestellt kann derselbe werden durch Communication einer MAREY\u2019schen Registrirtrommel mit der Lungenluft an den genannten Orten (Klemensiewicz4, Franck5 6, Mosso0) oder durch besondere Instrumente, die der MAREY\u2019schen Trommel sehr \u00e4hnlich sind, aber keine wesentlichen Vortheile gegen dieselbe bieten, wie ein solches Instrument von Ceradini7 8 als H\u00e4mathoracographion, von Landois3 als Cardiopneumograph beschrieben wurde. Auch mittelst der manometrischen Flamme kann der negative Puls der Lungenluft demonstrirt werden (Landois9, Klemensiewicz10), am besten in der Weise, dass man ein Gabelrohr in die Trachea eines curarisirten Thieres einbindet, dessen einer Schenkel mit dem Blasebalg f\u00fcr die k\u00fcnstliche Respiration, dessen anderer Schenkel mit einem Tf\u00f6rmigen Rohr verbunden wird, von dessen paarigen Schenkeln einer mit der Gasleitung, der andere mit einem Brenner verbunden wird. Bei Versuchen am Menschen wird der unpaarige Schenkel des T- Rohres in die Mundh\u00f6hle oder ein Nasenloch eingebracht. Ob mit dem graphischen Apparate oder mit der Flamme untersucht wird, muss begreiflicher Weise die Stimmritze ge\u00f6ffnet bleiben, wenn der negative Puls in der Mund- oder Nasenh\u00f6hle beobachtet werden soll. Es fehlen aber rhythmische, mit den Herzschl\u00e4gen isochrone Ersch\u00fctterungen der Luft in Mund- und Nasenh\u00f6hle auch bei geschlossener Stimmritze nicht, nur ist dann der Puls kein negativer, sondern ein positiver, be-\n1\tBamberger, Arch. f. pathol. Anat. IX. S. 345. 1856.\n2\tMarey, Physiol, m\u00e9d. de la circul. p. 122. Paris 1863.\n3\tMosso, Archivio per le scienze mediche. II. p. 401. 1878; Die Diagnostik des Pulses u. s. w. S. 42. Leipzig 1879,\n4\tKlemensiewicz. Mitth. d. Ver. d. Aerzte in Steiermark. 1875\u20141876. S. 41.\n5\tFranck, Travaux du lab. de M. Marey. p. 225. 1877,\n6\tMosso a. a. 0.\n7\tCeradini, Verh. d. naturhist.-med.Ver. in Heidelberg 1869. 26. Nov. ; Annali univers, di medic. CCXI. p. 587. 1870.\n8\tLandois, Graph. Unters, \u00fcb. d. Herzschlag. Berlin 1876.\n9\tDerselbe a. a. 0.\n10 Klemensiewicz a. a 0.","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Negat. u. posit. Puls der Mund- u. Nasenh\u00f6hle, Meiocardie, Auxocardie. 177\ndingt durch die systolische Drucksteigerung in den Gef\u00e4ssen der Mund-und Rachenh\u00f6hle, welche sich auf die in Mund und Nasenh\u00f6hle befindliche und mit der Luft in der MAREY\u2019schen Trommel communicirende Luft \u00fcbertr\u00e4gt und dann, wie der Schlagaderpuls (s. unten) \u00fcberhaupt wahrgenommen wird. Die Nichtbeachtung dieses Unterschiedes der Spannungs\u00e4nderung der Luft in Mund- und Nasenh\u00f6hle bei offener und geschlossener Stimmritze hat zu Angaben gef\u00fchrt, welche der Beobachtung Voit\u2019s zu widersprechen schienen (Terne van der Heul1).\nEs ergiebt sich aber aus der letzteren Beobachtung zugleich, dass der negative Puls der Mundh\u00f6hle und Nasenh\u00f6hle bei offener Stimmritze keine einfache Erscheinung, sondern die Resultirende zweier \u00fcbereinander liegender Erscheinungen darstellt und dass der negative Puls bei offener Stimmritze viel st\u00e4rker wahrgenommen w\u00fcrde, wenn er nicht durch den positiven Puls der Gef\u00e4sse in Mund- und Nasenh\u00f6hle theilweise compen-sirt w\u00fcrde (Mosso2). Vielen Individuen geht die F\u00e4lligkeit ab, bei angehaltenem Athmen die Glottis offen zu halten und bei solchen erscheint immer ein positiver Mund- oder Nasenh\u00f6hlenpuls (Mosso3).\nLandois4 und Mosso5 6 haben noch auf eine dritte Componente des negativen Pulses in Mund- und Nasenh\u00f6hle aufmerksam gemacht, welche zur\u00fcckf\u00fchrt auf eine leichte inspiratorische Erweiterung des Brustkastens, die dadurch entsteht, dass das Herz bei der Systole den f\u00fcnften Inter-costalraum etwas vorw\u00f6lbt (s. d. folg. Herzstoss). Landois0 hat die rhythmischen Bewegungen, welche die in den Respirationsorganen befindliche Luft durch die Th\u00e4tigkeit des Herzens erf\u00e4hrt, als cardiopneuma-tische Bewegung bezeichnet, und die Einzelnheiten der cardiopneu-matischen Curven zu entziffern gesucht.\nDie Verkleinerung des Volumens des ganzen Herzens bei der Systole, welche die Ursache des negativen Pulses der Lungenluft ist, hat Ceradini7 als Meiocardie der darauffolgenden Volumsver-gr\u00f6sserung des Herzens, die er als Auxocardie bezeichnet, entgegengestellt. Die erstere entspricht dem Minimum, die letztere dem Maximum des Blutinhaltes des Herzens, beide suchte Ceradini8 auf gewisse Annahme hin f\u00fcr das menschliche Herz zu berechnen.\n1\tTern\u00e9 van der Heul. Nederl. Arch, voor Genees-en Naturk. I\u00cf\u00cf. p. 137. 1867.\n2\tMosso a. a. 0.\n3\tDerselbe a. a. 0.\n4\tLandois a. a. 0.\n5\tMosso a. a. 0.\n6\tLandois a. a. 0.\n7\tCeradini a. a. 0.\n8\tCeradini riimmt mit Scoda (Ztschr. d. Ges. d. Aerzte in Wien. IX. S. 193. 1853) an, dass das Blut mit gleichm\u00e4ssiger und best\u00e4ndiger Geschwindigkeit in die Vorh\u00f6fe einstr\u00f6mt, und dass Systole und Diastole gleich lange andauern. Bezeichnet man mit a das Volumen des leeren Herzens und mit b die Menge Blut, welche von jedem Ventrikel bei der Systole in die Arterie geworfen wird, so erh\u00e4lt man f\u00fcr das Volumen der Auxocardie V = a -j- 1b und f\u00fcr jenes der\nMeiocardie\t,\t2 b , ,\nv = a + \u2014= a + b\na bestimmt Ceradini durch Verdr\u00e4ngen von Fl\u00fcssigkeit aus einem calibrir-ten Gef\u00e4sse durch das eingetauchte Herz zu 250 Ccm. b nimmt er nach Volk-\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\t12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nDie Verminderung des Herzvolumens bei der Systole der Ventrikel ist auch am ausgeschnittenen Amphibienherzen von Marey* 1, Mosso & Pagliani2 und Francois-Franck3 zum Gegenstand von Studien gemacht worden. Mosso und Pagliani messen den Stand der Fl\u00fcssigkeit in einer graduirten R\u00f6hre, die mit dem in einem Beh\u00e4lter abgeschlossenen Fl\u00fcssigkeitsvolumen communicirt, welches das von einem Druckgef\u00e4sse gespeiste Herz von aussen umgiebt. Marey und Francois-Franck verzeichnen die Volumschwankungen des Herzens in \u00e4hnlich zusammengestellten Versuchen graphisch, indem sie die hin- und hergehende Bewegung der Fl\u00fcssigkeit im Beh\u00e4lter auf eine Registrirtrommel \u00fcbertragen. Im Grunde genommen zeigen aber solche Versuche, wenn sie nicht zu ganz speciellen Zwecken, wie jene von Mosso und Pagliani angestellt werden, nur, dass der Druck, unter welchen die austretende Fl\u00fcssigkeit durch die Th\u00e4tigkeit der Ventrikel gesetzt wird, ein viel gr\u00f6sserer ist, als der Druck, unter welchem die Fl\u00fcssigkeit ins Herz eintritt und dass die Diastole so lange andauert, dass die Differenz zwischen dem bei der Systole austretenden und gleichzeitig eintretenden Blute w\u00e4hrend der Diastole wieder ausgeglichen wird. Dass \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse im lebenden Organismus Vorkommen, ergiebt sich aus den Untersuchungen von Francois-Franck4 und Stefani5, die das Pericardium durch eine Caniile mit einer Registrirtrommel communi-cirten und so die Volumschwankungen des Herzens innerhalb des Pericar dium registrirten.\nViel wichtiger ist, dass Mosso6 nachgewiesen hat, dass die systolische Entleerung des Herzens innerhalb der Brusth\u00f6hle mit einer Kraft erfolgt, dass nicht nur, trotz des Gegenzuges, welchen die elastischen Lungen aus\u00fcben, ein negativer Puls der Lungenluft, sondern auch eine Hebung des Zwerchfelles und eine Senkung der Brust und Bauchwand, also ein negativer Puls des Thorax und Abdomens zu beobachten ist. Eine also wirkende Kraft muss auch w\u00e4hrend der Systole der Ventrikel den Zufluss aus den zur Brusth\u00f6hle laufenden Venen in die Vorh\u00f6fe beschleunigen, welche sich, wenn das Blut nur mit der Geschwindigkeit einfliessen w\u00fcrde, die ihm ohne die aspirirende Kraft der Ventrikel zukommt, erst in noch viel sp\u00e4terer Zeit mit derselben Menge Blut anf\u00fcllen w\u00fcrden. Mosso bat\nmann und Vierordt zu 170 Ccm. an, woraus sich f\u00fcr F ergiebt 590 Ccm. und f\u00fcr v 420 Ccm., also als Differenz beider 170 Ccm. Dieses Resultat ben\u00fctzt aber Ceradini zu dem wichtigen Hinweis, dass das Herz grosse Ver\u00e4nderungen seiner Durchmesser w\u00e4hrend seiner Bewegungen nicht darbieten wird, da, wenn man f\u00fcr a 240 Ccm. annimmt, wobei das Verh\u00e4ltniss von Auxo- und Meiocardie noch gr\u00f6sser sein muss, der Meiocardie von 410 Ccm. eine Kugel vom Radius 0.046 M. der Auxocardie von 5S0 Cm. eine Kugel vom Radius 0.052 M. entspricht, wobei die Differenz der Radien nur 0.006 Mm. betr\u00e4gt.\n1\tMarey, Travaux du lab. 1875. p. 51.\n2\tMosso u. Pagliani, Gior. dellaR. Acad, dimed, di Torino. 1876. Ko. 10.11.12.\n3\tFrancois-Franck, Trauvaux du lab. de M. Marey. 1877. p.187.\n4\tFrancois-Franck a. a. O.\n5\tStefani, Arch, per le scienze med. III. Kr. 7. 1879.\n6\tMosso a. a. O.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Yolum d. ausgesehn. Herzen, neg. Puls d. Thorax etc., Diastole d. Ventrikel etc. 179\nin der That auch einen mit dem positiven Puls der Carotiden zeitlich beinahe zusammenfallenden negativen Puls der Jugularvenen beim gesunden Menschen nachgewiesen.\n3. Die Diastole der Ventrikel und die Systole der Vorh\u00f6fe.\nIndem wir nun zur Besprechung der Diastole der Ventrikel \u00fcbergehen, m\u00fcssen wir uns wieder zur Beobachtung der fr\u00fcher erw\u00e4hnten Locomotion der Atrioventriculargrenze zur\u00fcckwenden (Fig. 6). Diese entfernt sich bei der Diastole der Ventrikel von der Herzspitze, dabei wird sie aber \u00fcber eine Portion Blut heraufgehoben, welche schon w\u00e4hrend der Systole der Ventrikel an den Ort gelangt ist, wo sie auch w\u00e4hrend der Diastole derselben bleibt, nur mit dem Unterschiede, dass sie w\u00e4hrend der Systole der Ventrikel im Cavum der Atrien, jetzt aber in den Ventrikelh\u00f6hlen seblst liegt. Das eigentlich Bewegte bei dem Uebergang aus der Systole in die Diastole ist also die Wand der Ventrikel selbst. Ihre Bewegung erfolgt der Dichtung des eintretenden Blutstromes entgegen und ist eine passive durch ausserhalb der Ventrikelwand liegende, aber an dieselbe angreifende Kr\u00e4fte bedingte. Diese Kr\u00e4fte sind: die Verk\u00fcrzung der Schlagadern, die Contraction der Vorh\u00f6fe und der Druck des Blutes, welcher die weich und nachgiebig gewordene Ventrikelwand auszudehnen strebt. Fasst man diese der unmittelbaren Beobachtung \u00fcber die Excursion der Herzbasis in der Richtung der L\u00e4ngenaxe des Herzens entnommenen Thatsachen zusammen, so wird man darauf gef\u00fchrt, dass die Ventrikel durch eine Reihe von Kr\u00e4ften aus der Form, welche sie bei der Systole annahmen, in die diastolische Form zur\u00fcckgef\u00fchrt werden und dass die Vorhofsmusculatur nach Art eines Antagonisten in diesen Vorgang eingreift. Die active Contraction der Vorh\u00f6fe erfolgt aber erst am Ende der Diastole der Kammern zu einer Zeit, wo wegen des Offenstehens der Atrioventricularklappen Atrium und Ventrikel in ein Cavum verwandelt sind, welches dann in seiner einen Abtheilung von den im Zustande der Muskelruhe befindlichen Ventrikelw\u00e4nden in seiner anderen Abtheilung von den im Zustande der Verk\u00fcrzung befindlichen Vorhofsw\u00e4nden begrenzt wird. Dabei ist aber zu bemerken, dass die Ringmuskeln an den Einm\u00fcndungen der Venen in die Vorh\u00f6fe diese Einm\u00fcndungen stark verengern und als weiteres wichtiges Moment hervorzuheben, dass am Ende der Vorhofscontraction sich die von den Atrien auf die Klappen der ven\u00f6sen Ostien \u00fcbergehenden Muskeln contrahiren. Die letzteren heben die Klappen und sind als Antagonisten der Papillar-","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nmuskeln zu betrachten. Paladino hat, wie wir schon fr\u00fcher anf\u00fchrten, am noch schlagenden Herzen das Emporheben der Klappen durch Muskelwirkung direct beobachtet und auch gesehen, dass dabei die Papillarmuskeln durch die sehnigen F\u00e4den aus dem Herzfleisch herausgezogen werden. Wir haben nun die Vorg\u00e4nge der Herzbewegung wieder bis dorthin verfolgt, wo nachfolgend sich diejenigen ankn\u00fcpfen, welche fr\u00fcher bei der Mechanik der Atrio-ventricularklappen und bei der Systole der Ventrikel geschildert wurden.\nNur dem w\u00e4hrend der Diastole der Ventrikel fortdauernd stattfindenden Bluteintritt aus den Venen in das Herz haben wir noch unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Derselbe wird besorgt durch die Kr\u00e4fte, mit welchen das Blut in den Venen anlangt und so lange das Herz in die Brusth\u00f6hle eingeschlossen ist durch die aspirirende Kraft des Brustraumes, welche ihre Wirkung auf die erschlafften Ventrikel w\u00e4nde geltend macht.\nAusser den angef\u00fchrten an der Blutzufuhr zum diastolischen Ventrikel betheiligten Kr\u00e4ften soll aber nach der Anschauung vieler \u00e4lterer und neuerer Physiologen noch eine diastolische Saugkraft der Ventrikel selbst vorhanden sein. Man suchte dieselbe auf verschiedene Weise zu begr\u00fcnden. Wir k\u00f6nnen hier nur die wichtigsten dieser Anschauungen anf\u00fchren. Die diastolische Saugkraft der Ventrikel sollte ihren Grund haben in der statischen Saugkraft der vorher gegen ihre Elasticit\u00e4t zusammengedr\u00fcckten Ventrikel, so verglich Magendie1 2 die Ventrikel mit dem Ballon einer elastischen Gummispritze. Oder man suchte den Grund derselben in einer activen Erweiterung der Ventrikel durch Muskelwdrkung, und zwar in der Weise, dass man in der Herz wand zweierlei functionell verschiedene ungleichzeitig th\u00e4tige Muskeln annahm, so sollten nach Spring -verengernde Circular- und erweiternde Longitudinalmuskeln vorhanden sein; oder aber man wollte den Muskeln die F\u00e4higkeit vindiciren sich activ zu verl\u00e4ngern, eine Anschauung, die Luciani3 zu vertreten suchte.\nDer Anschauung Magendie\u2019s steht aber die von E. Weber4 erwiesene Thatsache entgegen, dass lebende Muskeln weich nachgiebig und in hohem Grade der Einwirkung der Schwere unterworfen sind.\nSpring\u2019s Behauptung f\u00fchrt auf eine besondere, von sp\u00e4teren Forschern nicht best\u00e4tigte Ausdeutung der Herzfaserung zur\u00fcck und trotz der so ausgebreiteten Experimente am Herzen hat doch Niemand die zeit-\n1\tMagendie, Vorles. \u00fcber d. physiol. Erschein, d. Lebens. Deutsch v. Baswitz. II. S. 78. C\u00f6ln 1837.\n2\tSpring, Mem. de l\u2019acad. royal, de Belgique. XXIII. p. 1. 1861.\n3\tLuciani, Dell\u2019 attivita della Diastole cardiaca Bologna 1871; Sulla dottrina dell\u2019 attivita diastolica (Estratto dal Giorn. la rivist. clin.) Bologna 1874 ; Riposta alla crit. sperim. della attivita diastolica pei Dr. Mosso et Pagliani (Estr. dal Giorn. la rivist. clin ). Bologna 1876.\n4\tE. Weber, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. (2) S. 51 u. 100. Braunschweig 1846.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Blutzufluss bei der Diastole, diastol. Saugkraft, neg. Druck in d. Ventrikeln. 181\nliehe Trennung der Contraction zweier Fasersysterae in den Ventrikeln wieder erw\u00e4hnt, f\u00fcr die Spring selbst nur die auch anders zu erkl\u00e4rende Thatsache von dem Vorhandensein dreier sogenannter Herzt\u00f6ne anf\u00fchrt.\nLuciani\u2019s Ansicht konnte nicht so begr\u00fcndet werden, dass man sie allen gegenteiligen Erfahrungen an den quergestreiften und glatten Muskelfasern zum Trotze h\u00e4tte als richtig anerkennen m\u00fcssen und wurde von Mosso & Pagliani1 2 auch experimentell bek\u00e4mpft.\nSo kam es, dass sich die Lehre von der diastolischen Saugkraft der Ventrikel in der Neuzeit keiner ausgebreiteteren Anerkennung zu erfreuen hatte, bis ihr mit einem Male Versuche, die Goltz & Gaule -anstellten, sehr das Wort zu reden schienen.\nGoltz und Gaule wiesen mittelst des schon fr\u00fcher erw\u00e4hnten Minimummanometers an dem nach Er\u00f6ffnung des Brustkastens bloss gelegten Herzen vom Hunde einen im linken Ventrikel bis zu \u2014 23.5 Mm. Hy gehenden negativen Druck nach, der rasch nach der Systole auftrat. Bei Hunden, welche nat\u00fcrlich athmeten, betrug der minimale Druck im linken Ventrikel \u201452 Mm., im rechten Ventrikel \u2014 17.2 Mm. Hy, wovon ein betr\u00e4chtlicher Antheil auf Kosten der Saugkraft der Ventrikel zu setzen sei. F\u00fcr die Erkl\u00e4rung dieser diastolischen Saugkraft des Herzens wollten auch Goltz und Gaule eine statische Saugkraft des zusammengedr\u00fcckten Herzens heranziehen.\nSie erinnerten dabei an einen Versuch von L. Fick3, den sie in modificirter Form am todten Kalbsherzen nachahmten.\nL. Fick hatte an todten Herzen vom Menschen, Schaf und Kalb, die er unter Wasser brachte und rhythmisch zusammendr\u00fcckte und wieder freigab, den Durchgang des Blutes durch das Herz nachahmen k\u00f6nnen.\nAllein solche Versuche gelingen eben nur an todtenstarren Herzen. Die Resultate derselben d\u00fcrfen aber nicht auf das lebende Herz \u00fcbertragen werden, denn dieses ist, wie sich zeigen wird, im diastolischen Zustande weich nachgiebig, in hohem Grade von dem Einfluss der Schwere abh\u00e4ngig und einer bestimmten Gleichgewichtsfigur entbehrend. Schon L. Fick sah an zuckend ausgeschnittenen Katzenherzen seinen Versuch jedes Mal misslingen. Und man konnte Goltz\u2019 und Gaule\u2019s Versuch die diastolische Saugkraft des Herzens zu erkl\u00e4ren ebenso wenig acceptiren, wie das Postulat einer solchen Kraft auf die von Magendie gemachte Voraussetzung hin.\nMoens4 ist es endlich gelungen, Licht in die dunkle Frage des von Goltz und Gaule beobachteten negativen Druckes zu bringen. Er weist darauf hin, dass der von Goltz und Gaule wahrgenommene negative Druck schon von Marey aufgefunden und \u201eVide\n1\tMosso e Pagliani, Giorn. della R. acad. di medic, di Torino 1876. No. 10,11,12.\n2\tGoltz u. Gaule, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 100. 1878.\n3\tL. Fick, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1849. S. 283.\n4\tMoens, Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 517. 1879.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. l.Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\npostsystolique \u201c1 genannt wurde und erkl\u00e4rt ihn aus dem leeren Raum, welcher durch die pl\u00f6tzliche Entleerung des Ventrikels entsteht. Aus den Erscheinungen an den Venen weist Moens nach, dass dieser negative Druck nicht mit der Diastole zusammenf\u00e4llt, sondern mit der Systole, aber nicht, wie Marey annahm, mit dem Ende der Systole, sondern unter der Annahme des Beharrens der Ventrikel in der Contraction (s. d. fr\u00fch. S. 172), die auch Moens vertheidigt, mit dem Ende der systolischen Umformung des Herzens. Dieser negative Druck dauere nur kurze Zeit und schwinde bald durch das Aufeinanderpressen der W\u00e4nde der Ventrikel; w\u00e4hrend seines Bestehens kann nicht Blut aus den Venen angesaugt werden, da die durch die Papillarmuskeln herabgezogenen und fest geschlossenen Atrioventricularklappen zwischen den Herzw\u00e4nden noch fester aneinander gepresst werden. Moens demonstrirt ferner diesen negativen Druck auch an einem Kautschukballon, den er rasch entleert und dessen statische Saugkraft durch eine Wassers\u00e4ule von bestimmter H\u00f6he compensirt erhalten wird. Nach allem Vorausgehenden ergiebt sich aber, dass eine selbstst\u00e4ndige diastolische Saugkraft der Ventrikel nicht existirt.\nV. Herzstoss und Herzt\u00f6ne.\n1. Dei' Herzstoss.\nA) Erscheinungsweise und Erkl\u00e4rung des Herzstosses.\nEs ist allgemein bekannt, dass man die Bewegungen des Herzens an der Brustwand in Form einer Ersch\u00fctterung derselben wahrnimmt. Diese Ersch\u00fctterung ist eine von der Systole der Ventrikel abh\u00e4ngige Erscheinung. Beim Menschen liegt die Stelle, an welcher der aufgelegte Finger den Herzstoss in der Regel am deutlichsten f\u00fchlt, nach unten und innen von der linken Brustwarze zwischen der 5. und 6. Rippe, in seltenen F\u00e4llen zwischen der 4. und 5. Rippe. Bei mageren Individuen ist an dieser Stelle mit jeder Herzsystole eine umschriebene Hervorw\u00f6lbung des Intercostalraumes zu sehen. Diese Stelle der Brustwand ist beim Menschen diejenige, welche dem Spitzentheile des Herzens entspricht.\nWenn man an Sterbenden die Stelle des deutlichsten Herzstosses markirt und dann an der Leiche durch die Marke eine Nadel einsenkt, findet sich dieselbe in den Spitzentheil des Herzens eingedrungen (J. Meyer2).\n1\tleb finde bei Marey, Travaux du lab. 1875. p. 79 \u201evacuit\u00e9 postsystolique\u201c.\n2\tJ. Meyer, Arch. f. pathol. Anat. HI. S. 265. 1850.","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Erkl\u00e4r, cl. neg. Druckes, Ortd. Herzstosses.Herzst. am blossgelegten Herzen etc. 183\nKann man f\u00fcr diesen Versuch auch nicht annehmen, dass die Nadel in der Richtung durch das Herz dringt, welche sie einhalten w\u00fcrde, wenn man sie rasch w\u00e4hrend der Systole im lebenden Menschen eingesenkt h\u00e4tte, so liegt doch andererseits keine Erfahrung vor, welche f\u00fcr eine so grosse postmortale Lagever\u00e4nderung des Herzens sprechen w\u00fcrde, dass man das Resultat nicht im Allgemeinen auf den lebenden Menschen \u00fcbertragen k\u00f6nnte.\nMan bezeichnet aus dem angef\u00fchrten Grunde den Herzstoss beim Menschen auch als Spitzenstoss.\nAm deutlichsten ist der Spitzenstoss bei aufrechter, etwas nach vorn geneigter Lage des K\u00f6rpers oder beim Liegen auf der Brust und bei exspiratorischer Lage der Brustorgane zu f\u00fchlen. Er wird dagegen undeutlich oder verschwindet bei horizontaler R\u00fcckenlage und bei zunehmender Inspirationslage des Thorax sichtlich aus dem Grunde, weil sich unter den angegebenen Umst\u00e4nden die Lungen zwischen Herz und Brustwand einschieben.\nBei der Analyse der Erscheinung des Spitzenstosses wollen wir vorerst die Thatsache ins Auge fassen, dass bei normaler Lage der Brusteingeweide kein anderer Theil des Herzens als eben die Spitze unter einer aus Weichtheilen gebildeten umschriebenen Stelle der Brustwand ohne Zwischenlagerung von Lungengewebe bei den erw\u00e4hnten dem Erscheinen des Spitzenstosses g\u00fcnstigsten Umst\u00e4nden anzutreffen ist1. F\u00fcr die Beurtheilung der Art des Eindruckes, welchen der aufgelegte Finger in diesem Falle empf\u00e4ngt, wird es sehr dienlich sein, wenn wir uns fragen, welchen Eindruck der Finger empf\u00e4ngt, wenn er unter \u00e4hnlichen Umst\u00e4nden auf einen beliebigen Theil der Oberfl\u00e4che des schlagenden Herzens aufgelegt wird.\nAm blossgelegten Herzen von Thieren nimmt man nun, wo immer man den Finger auf die Oberfl\u00e4che des Herzens st\u00fctzen mag, bei jeder Systole eine Ersch\u00fctterung des Fingers wahr. Ja, wenn man das Herz ausschneidet und auf eine Glasplatte legt, erh\u00e4lt man auch vom blutleeren Herzen, wenn man den Finger auf dasselbe st\u00fctzt, bei jeder Contraction des Herzens den Eindruck der Ersch\u00fctterung des Fingers und das bleibt so, wenn man jetzt Weichtheile der abgetragenen Brustwand und die Haut \u00fcber das Herz deckt und durch diese Zwischenlage den Finger auf das Herz st\u00fctzt (Donders2). Die letzteren Versuche gelingen nat\u00fcrlich ganz ebenso, wenn das blossgelegte Herz noch in der Brusth\u00f6hle sich befindet. Da nun in der That der Herzstoss am lebenden Organismus nur an Stellen wahrgenommen wird, wo der Herzmuskel ohne Zwi-\n1\tVgl. Luschka, Die Brustorgane des Menschen in ihrer Lage. T\u00fcbingen 1857.\n2\tDohders, Physiol, d. Menschen. S. 31. Leipzig 1859.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herzu, seine Mechanik etc.\nschenlagerung von Knochen oder lufthaltigem Lungenparenchym an Weichtheile der Brustwand anliegt, so wird hier die Zusammenziehung des Herzens allein schon die wahrgenommene Ersch\u00fctterung haupts\u00e4chlich bedingen. Dieses Moment hat schon Joh. M\u00fcller 4 als das wesentlichste f\u00fcr den Herzstoss angesprochen und er f\u00fcgt hinzu, dass man sich nicht vorstellen d\u00fcrfe, dass das Herz bei der Diastole von der Brustwand sich entfernt, und dass es seine Lage besonders \u00e4ndern m\u00fcsse, um den f\u00fchlbaren Herzstoss hervorzubringen. Eine Anschauung, die sp\u00e4ter von Kiwisch1 2 noch ausf\u00fchrlicher dargelegt wurde.\nHalten wir die Hauptbedingung des Spitzenstosses fest, dann wird es uns leicht begreiflich, dass zwar bei Thieren, wie das bei vielen Species der Fall ist, ebenso wie beim Menschen, ein Spitzenstoss wahrgenommen werden kann, dass aber die Stelle des deutlichsten Herzstosses auch irgend einem anderen Herztheile entsprechend vorgefunden werden kann. Es wird das davon abh\u00e4ngen, Qb f\u00fcr einen bestimmten Theil des Herzens nach der topographischen Anordnung der Brustorgane und der Lagerung des Versuchsthieres die oben f\u00fcr die Wahrnehmbarkeit des Herzstosses aufgestellten Bedingungen erf\u00fcllt sind (vgl. Kiwisch3, Chauveau & Faivre4).\nDen Eindruck des Andr\u00e4ngens des sich contrahirenden Herzmuskels an den aufgelegten Finger haben wir aber, weil bei der Contraction der vorher weiche und nachgiebige dem Druck des Fingers weichende Muskel pl\u00f6tzlich hart wird. Der Grund f\u00fcr die systolische Erh\u00e4rtung des Herzmuskels liegt in der Spannung, welche bei der eigent\u00fcmlichen Anordnung der Muskelfasern des Herzens in Folge des gegenseitigen Druckes und Zuges der Fasern auftritt. Das erschlaffte, lebende Herz, welches weich und nachgiebig ist, hat darum auch eine in hohem Grade von \u00e4usseren darauf einwirkenden Kr\u00e4ften z. B. der Schwere abh\u00e4ngige Form. Anders verh\u00e4lt es sich mit dem systolisch erh\u00e4rteten Herzen. Dieses besitzt eine ganz bestimmte von \u00e4usseren Kr\u00e4ften relativ unabh\u00e4ngige Gleichgewichtsfigur.\nDie letztere entspricht beim Menschen und den S\u00e4ugern einem Kegel mit ann\u00e4hernd kreisf\u00f6rmiger Basis, dessen Spitze (Herzspitze) der Mitte der Basis (Herzbasis) gerade gegen\u00fcbersteht.\nDas erschlaffte Herz erscheint l\u00e4nger und von vorn nach hinten abgeflacht, so dass die Basis eine Ellipse darstellt, deren grosser Durchmesser von rechts nach links, deren kleiner von vorne nach\n1\tJoh. M\u00fcller, Handb. d. Physiol. I. S. 166. Coblenz 1835.\n2\tKiwisch, Prager Yjschr. I. S. 143. 1845.\n3\tDerselbe a. a. 0.\n4\tChauveau et Faivre, Gaz. m\u00e9d. de Paris. 1855. p. 600; 1856. p. 365 u. fg.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Systolische Erh\u00e4rtung, diastolische u. systolische Form des Herzens. 185\nhinten liegt und k\u00fcrzer ist als der Durchmesser der kreisf\u00f6rmigen Basis des contrahirten Herzens (Ludwig 1).\nAm ausgeschnittenen Herzen l\u00e4sst sich die Abh\u00e4ngigkeit der Form des erschlafften Herzens von der Schwere und die von \u00e4usseren Kr\u00e4ften unabh\u00e4ngige bestimmte Gleichgewichtsfigur des contrahirten Herzens durch die folgenden Versuche leicht demonstriren. Man lege das Herz (sehr gut eignen sich hierzu Schildkr\u00f6tenherzen) mit seiner hinteren Fl\u00e4che auf eine Glasplatte; im Zustande der Diastole liegt es dann, wie ein flacher Kuchen auf der Glasplatte, bei der Contraction dagegen wird die Basis rund und hebt sich die Spitze von der Glasplatte ab ; stellt man darauf das Herz auf die Basis, so liegt es auch jetzt w\u00e4hrend der Diastole wie ein flacher Kuchen da, bei der Systole dagegen verkleinert sich die Basis und die Spitze steigt aus der Masse des Herzens empor, legt man den Finger auf, so nimmt man den Spitzenstoss des ausgeschnittenen Herzens sehr deutlich wahr. H\u00e4ngt man nun das Herz an den Vorh\u00f6fen auf, so h\u00e4ngt es w\u00e4hrend der Diastole wie ein schlaffer Beutel herunter, w\u00e4hrend der Systole wird die Basis wieder rund, die herabh\u00e4ngende Herzspitze bewegt sich auch jetzt nach aufw\u00e4rts, sie n\u00e4hert sich aber dabei der Basis an, w\u00e4hrend sich im fr\u00fcheren Versuche die Spitze von der Basis entfernte.\nLegt man auch im letzten Versuche den Finger an die Spitze an, so nimmt man auch jetzt den Spitzenstoss des ausgeschnittenen Herzens wahr. Das ist aber nur so lange der Fall, als der angelegte Finger die Spitze empordr\u00fcckt. Legt man den Finger dagegen nur eben in der H\u00f6he an, bis zu welcher die Spitze des diastolischen Herzens herabh\u00e4ngt, dann sieht man bei der Systole die Spitze vom Finger sich entfernen und nimmt keinen Stoss wahr. Beim ersten Versuche stehen Gesichtsund Tastwahrnehmung scheinbar im Widerspruche; der letztere Versuch kl\u00e4rt diesen Widerspruch vollst\u00e4ndig auf.\nAehnliche Versuche wie mit dem Schildkr\u00f6tenherzen lassen sich auch mit jedem frisch ausgeschnittenen S\u00e4ugerherzen (Ludwig anstellen, nur fordern diese rasches Arbeiten.\nAuch das noch im Organismus befindliche Herz nimmt w\u00e4hrend der Systole die beschriebene Form an, wie aus \u00e4lteren und neueren Untersuchungen hervorgeht, wor\u00fcber die Messungen von Ludwig2 nachzusehen und die Beobachtungen von Chauveau & Faivre3 und die zahlreichen Versuche und Beobachtungen der englischen Commissionen zu vergleichen sind.4\nDie besonderen Bedingungen, welche die Lage des Herzens im Brustraum ergeben: die Befestigung des Herzens an den grossen Ge-f\u00e4ssen und im Herzbeutel haben zur Folge, dass die Erscheinung des Spitzenstosses sich noch in ganz besondererWeise geltend machen muss.\n1 Ludwig, Ztschr. f. rat. Med. VII. S. 189. 1848.\t2 Derselbe a. a. 0.\n3\tChauveau et Faivre, Gaz. m\u00e9d. 1856. p. 365 u. fg.\n4\tReport of the Brit. Assoc, p. 456. Cambridge 1833 (Carlisle); p. 244 u. fg. Dublin 1835 ; p. 204. Glasgow 1841.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nMan stelle sich vor, dass die Herzspitze w\u00e4hrend der Erschlaffung der Ventrikel von der Brustwand nach unten und hinten gehalten werde, so dass die Herzspitze nicht senkrecht \u00fcber dem Mittelpunkt der Basis steht, so wird, wenn das Herz in die systolische Form \u00fcbergeht, die Spitze des erh\u00e4rteten Herzens sich fest gegen die Brustwand andr\u00e4ngen. Vergleiche Fig. 7, in welcher HHP die systolische, HHS die diastolische Form des Herzens bedeutet (Ludwig1).\nDiese Aufrichtung des systolischen Herzens wurde\nauch als Hebelbewegung des Herzens bezeichnet.\nDass die Plerzspitze bei der Systole nach oben und bei der Diastole nach unten r\u00fcckt, ist schon von K\u00fcrschner angegeben. Neuestens haben durch Versuche an Kaninchen, Meerschweinchen und Hunden Fi-lehne & Penzoldt'2 diese finden Spitzenstoss wichtige That-sache auf das Entschiedenste dargethan und gegen Einw\u00fcrfe von L\u00f6sch3 vertheidigt.\nMit Recht weisen aber Fi-lehne und Penzoldt darauf hin, dass durch den Nachweis\nder Thatsache, dass die Herzspitze bei der Systole etwas nach rechts und nach oben und bei der Diastole etwas nach links und nach unten r\u00fcckt, alle jene Theorien des Herzstosses entkr\u00e4ftet werden, welche zur Erkl\u00e4rung des Herzstosses aus einer nach links und unten gehenden Bewegung der Herzspitze f\u00fchren.\nDie Beobachtungen \u00fcber das thats\u00e4chliche Vorhandensein einer Bewegung der Herzspitze in der letzteren Richtung (Scoda4 5 6, Bamberger0, Frickh\u00f6fer'3, Gerhardt7 8, Wilckenss) berichtigen Filehne und- Penzoldt dahin, dass man zur Annahme einer solchen Bewegung verleitet werden kann, wenn es bei rascher Schlagfolge des Herzens nicht gut gelingt, Systole und Diastole aus einander zu halten; dass der Anschein einer solchen Bewegung entstehen kann bei der Palpation, trotz das Auge die ent-\n1\tLudwig a. a. 0.; Lehrb. d. Physiol, d. Menschen. S. 85. Fig. 36. Leipzig u. Heidelberg 1861.\n2\tFilehne u. Penzoldt, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1S79. S. 465. 481. 769.\n3\tL\u00f6sch, Ebenda. S. 721.881.\n4\tScoda, Abhandl. \u00fcb. Auskult. n. Perkuss. Wien 1854.\n5\tBamberger, Arch. f. pathol. Anat. IX. S. 328. 1856.\n6\tFrickh\u00f6fer, Ebenda. X. S. 474. 1856.\n7\tGerhardt, Lehrb. d. Auskult. u. Perkuss. T\u00fcb. 1866.\n8\tWilckens, Arch. f. klin. Med. XII. S. 233. 1874.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Hebelbewegung des Herzens. Herzstosstheorien.\n187\ngegen gesetzte Bewegung deutlich erkennen lasse (vgl. das oben S. 185 Gesagte); dass aus dem immer deutlichen Herabr\u00fceken der Herzbasis (vgl. S. 185 oben) auf ein Herabr\u00fccken des ganzen Herzens und damit auch der Spitze in unzutreffender Weise geschlossen wurde.\nEs w\u00fcrde zu weit f\u00fchren, hier alle verschiedenen Herzstosstheorien eingehend zu besprechen, nur \u00fcber die wichtigsten k\u00f6nnen einige Worte Platz finden.\nNach der Riickstosstheorie von Gutbrod & Scoda1 ist der Herzstoss bedingt durch dieselbe Ursache, welche das Zur\u00fcckfahren einer abgeschossenen Kanone oder die Bewegung des SEGNER\u2019schen oder Reactionsrades bedingt. Ein der Ausfluss\u00f6ffnung gegen\u00fcber liegendes ihr gleiches Areal der Wand wird von einem Druck getroffen, welcher durch keinen ihm gleichen Gegendruck aufgehoben wird, darum die Bewegung des Beh\u00e4lters in einer dem Ausfluss entgegengesetzten Richtung. Dass die Bedingungen des Rtickstosses beim Herzen vorhanden sind, ist sicher. Hiffelsheim'2 hat Rtickstosserscheinungen beim Ausfluss aus prall gef\u00fcllten Kautschukballons auf das Sch\u00f6nste demonstrirt. Allein beim Herzen wird es wesentlich darauf ankommen, welcher Wandtheil des rechten und linken Ventrikels und in welcher Richtung er von dem Rtickstoss getroffen wird (Jahn3, Feuerbach4), und ob der Riickstoss zu einer Locomotion des Herzens im obigen Sinne wirklich f\u00fchrt. Vor allem m\u00fcsste aber nach Aufhebung der Blutzufuhr zum Herzen, womit der R\u00fcckstoss aufgehoben wird, auch der Herzstoss verschwunden sein. Das letztere ist nicht der Fall. Chauveau5 erhielt den Herzstoss auch nach Unterbindung der Gef\u00e4sse, und seine Angabe wurde den entgegengesetzten von Hiffels-heim6, Gutthann7 und Jahn8 gegen\u00fcber neu best\u00e4tigt von Rosenstein9. Durch die letzteren Versuche ist auch zugleich eine andere von Senac40 aufgestellte neuerlich von Bahr11 und Aufrecht12 vertlieidigte Theorie widerlegt, wonach der Herzstoss bedingt sein soll durch das Herabr\u00fccken des Herzens in Folge der Streckung, welche die grossen Gef\u00e4sse durch den Bluteintritt erleiden.\nEndlich trifft derselbe Einwurf auch die Theorie von Kornitzer13, welcher aus dem spiraligen Verlauf der Aorta und Pulmonalarterie um einander die Rotationsbewegung des Herzens und aus derselben den Herzstoss zu erkl\u00e4ren sucht. Bei der Verl\u00e4ngerung der Gef\u00e4sse im Moment\n1\tScoda, Abhandl. \u00fcb. Auskult, u. Perkuss. Wien 1839 ; 5. Aufl. Wien 1854.\n2\tHiffelsheim, Comp. rend. XXXIX. p. 1048. 1854; XLI. p. 255. 1855; XLIII. p. 715. 1856.\n3\tJahn, Ueber Fiss. stern, congen. \u00fcber d. Herzbew. u. insbes. den Herzstoss. Erlangen 1874.\n4\tFeuerbach, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 131. 1877.\n5\tChauveau, Compt. rend. XLV. p. 371. 1857.\n6\tHiffelsheim, Ebenda. XLIII. p. 517. 1857.\n7\tGuttmann, Arch. f. pathol. Anat. LXV. S. 537. 1875.\n8\tJahn a. a. 0.\n9\tRosenstein, Arch. f. klin. Med. XXIII. S. 75. 1878.\n10\tSenac, Trait\u00e9 de la structure du coeur. I. p. 356. Paris 1777.\n11\tBahr) Arch. f. pathol. Anat. XXIII. S. 595. 1861.\n12\tAufrecht, Arch. f. klin. Med. XIX. S. 567. 1877'.\n13\tKornitzer, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XXIV. S. 121. 1857.","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nder Systole der Ventrikel werde die Spirale aufgedreht, und l\u00e4nger dabei rotirt das Herz von links nach rechts, wodurch die linke Herzh\u00e4lfte nach vorn, die Herzspitze an die Brustwand angedr\u00e4ngt werde. Bei der Diastole werde die Spirale wieder zugedreht und k\u00fcrzer, das Herz rotirt zur\u00fcck.\nDie Rotation des Herzens von links nach rechts ist bei der Systole der Ventrikel unzweifelhaft vorhanden. Sie wurde schon von K\u00fcrschner1 ausf\u00fchrlich beschrieben und unter die bedingenden Momente des Herzstosses aufgenommen. Sp\u00e4ter wurde sie von Chauveau & Faivre'2, Wilckens3, Rosenstein4 u. \u00c0. wieder untersucht. Der Letztere zeigte aber, dass sie auch nach der Unterbindung der Gef\u00e4sse vorhanden ist, also durch die Anordnung der Muskelz\u00fcge des Herzens und nicht oder wenigstens nicht ausschliesslich so wie Kornitzer wollte, erkl\u00e4rt werden m\u00fcsse.\nB) Die graphische Darstellung des Herzstosses und das Cardiogramm.\nChauveau & Marey5 verzeichneten den Herzstoss des Pferdes dadurch, dass sie einen mit einer Registrirtrommel verbundenen Kautschukbeutel durch eine kleine Oeffnung zwischen Herz und Brustwand einschoben.\nF\u00fcr den Herzstoss des Menschen f\u00fchrte Marey6 als Aufnahme-Apparate des Stosses der Reihe nach ein: 1. das Stethoscop von K\u00f6nig7, welches er aber alsbald selbst wieder verwarf; 2. den Kapsel- oder Feder-Explorateur8 (Explorateur \u00e0 coquille ou \u00e0 ressort) Fig. 8 A, eine ovale Holzkapsel zum luftdichten Aufsetzen auf die Brust im Innern mit einer Feder, welche die Pelotte p tr\u00e4gt und durch die Schraube s gespannt werden kann, so dass die Stelle des deutlichsten Herzstosses eingedr\u00fcckt wird, t ist ein R\u00f6hrchen, welches nach aussen f\u00fchrt, wenn die unten offene Kapsel luftdicht aufgesetzt ist; 3. die Schwierigkeit, welche das luftdichte Aufsetzen dieses Explorateurs oft hat, vermeidet der von Marey empfohlene Trommelexplorateur9 (Explorateur \u00e0 tambour) Fig. 8 B, eine MAREY\u2019sche Trommel mit Pelotte p auf der Membran und Spiralfeder im Innern zur Unterst\u00fctzung der Membran, die Trommel ist in einem glockenf\u00f6rmigem Geh\u00e4use aus Holz, welches zum Aufsetzen dient, verschiebbar durch die Schraube s und die Spiralfeder fs Statt der von Marey empfohlenen Aufnahme-Apparate k\u00f6nnen auch ben\u00fctzt werden : 1. der Pansphygmograph10 von Broedgeest Fig. 8 C, eine MAREY\u2019sche\n1 K\u00fcrschner a. a. 0.\t2 Chauveau et Faivre.\n3 Wilckens a. a. 0.\t4 Rosenstein a. a. 0.\n5\tChauveau et Marey, Gaz. m\u00e9d. 1861. p. 647 ; M\u00e9m. de l\u2019acad. de m\u00e9d. XXVIII.\n1863. \u2014 Marey, Journ. de l\u2019anat. et de la physiol. 1865. p. 286; Physiol, m\u00e9d. d. la\ncire. p. 45. Paris 1863.\n6\tMarey, Du mouv. dans les fonct. etc. p. 143. Paris 1868.\n7\tK\u00f6nig, Ann. d. Physik. CXXII. S. 475. 1864.\n8\tMarey a. a. 0. p. 145 ; Travaux du lab. 1875. p. 30 ; La method, graph, p. 588. Paris 1878.\n9\tMarey, Travaux du lab. 1875. p. 32 ; La m\u00e9th. graph, p. 589.\n10\tBrondgeest, Onderzoeck. ged. in het Lab. der Utrecht. Hoogesch. uitg. d. Donders en Engelmann. Derd. R. II. p. 326.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Rotation des Herzens, Graphische Apparate f\u00fcr den Herzstoss.\t189\nTrommel mit Pelotte, stellbar durch die Schraube s iu einem hufeisenf\u00f6rmigen B\u00fcgel; 2. der Cardiograph von Burdon-Sanderson1 Fig. 8 D, eine Trommel, versehen mit drei zum Aufsetzen bestimmten stellbaren F\u00fcssen. Die Pelotte p sitzt nicht auf der Kautschukmembran, sondern st\u00fctzt sich nur auf ein auf die Membran geklebtes Aluminiumpl\u00e4ttchen, getragen wird die Pelotte von der Feder e, welche erst die Bewegungen\nFis:. 8.\nauf die Membran \u00fcbertr\u00e4gt; 3. der Aufnahme-Apparat des Polygraphen von Meurisse & Mathieu2, oder die Modificationen desselben von G r\u00fchm ach 3 und von Knoll4 Fig. 8 E. Die Bewegungen werden auch hier zuerst auf eine die Pelotte tragende Feder e \u00fcbertragen, die letztere erhebt sich von einer hufeisenf\u00f6rmigen Platte p, welche zum Aufsetzen dient. Die Trommel ist mittelst Zahntriebes stellbar. Die Explorateure mit Feder-\u00fcbertragung verdienen den Vorzug, wie wir sehen werden. Wir haben diese Instrumente hier angef\u00fchrt, weil C, E und T) auch als Pulsschreiber (s. diese unten) und zu vielen anderen Zwecken verwendet werden und viele Untersuchungen damit angestellt wurden. Die Abzugsrohren t aller dieser Apparate dienen zur Communication mit Marey's Registrirtrommel.\n1\tBurdon-Sanderson, Handbook f. the phys. lab. by Klein, Burdon-Sanderson Foster, Lauder-Brunton. p. 254. plate XC. Fig. 231.\n2\tMeurisse et Mathieu, Arch, de Physiol. 2. s\u00e9r. IL p. 257. 1875.\n3\tGrumnach, Berl. klin. Woch. 1876. S. 473.\n4\tKnoll, Prager med. Woch. 1879. No. 21.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nEine passende Zusammenordnung eines durch ein Uhrwerk getriebenen Abwicklungsapparates f\u00fcr endloses Papier mit Explorateur und Registrirtrommel, die in aufklappbarem Kasten eingeschlossen ist, hat Marey1 als Polygraphen bezeichnet. Aehnliche Anordnungen stellen die Polygraphen von Meurisse & Mathieu2 (Regulator von Faucault, automatischer Wagen auf Eisenbahn, der die Registrirtrommel tr\u00e4gt), von Grunmach3 (abwickelbarer Papierstreifen und Registrirtrommel in verschliessbarem Kasten), von Knoll4 (auf den Deckel eines verschliessbaren Kastens aufzusetzender berusster Cylinder und Stativ f\u00fcr zwei Registrirtrommeln) dar; alle diese Einrichtungen zielen mit ab auf Verwendung zu klinischen und \u00e4rztlichen Zwecken. Galabin5, Garrod6 und Landois7 haben sich endlich des Sphyg-mographen von Marey (siehe unten) zur Darstellung des Herzstosses bedient, wie das Marey8 selbst schon that.\nWas die zeitliche Auswerthung der Herzstosscurven betrifft, so kann dieselbe bei bekannter und constanter Geschwindigkeit der Schreibfl\u00e4che durch Ausmessung der Abscissenl\u00e4ngen unter dem Microscope vorgenommen werden oder man schreibt gleichzeitig mit der Herzstosscurve eine Zeitcurve mittelst einer chronographischen Stimmgabel an oder man bedient sich des von Kl\u00fcnder9 herr\u00fchrenden Verfahrens, die Schreibfl\u00e4che selbst in Stimmgabel-Schwingungen zu versetzen, so dass die Stimmgabelschrift der Curve in Form kleiner Zacken aufgesetzt erscheint, die man dann nur abzuz\u00e4hlen braucht. (S. \u00fcber die Zeitbestimmung: Czermak10, Landois 11, Gscheidlen l2).\nHerzstosscurven nach verschiedenen Methoden gewonnen sind in der nebenstehenden Fig. 9 in A, B, C, D und E wiedergegeben. A r\u00fchrt vom Pferd, C vom Hund, B, I), E vom Menschen her.\nA ist zugleich mit der Druckcurve des rechten Vorhofes und des rechten Ventrikels gewonnen von Chauveau & Marey13 (s. oben S. 153 u. 154 u. Fig. 3), B von Landois14 mit Marey\u2019s Sphygmo-graphen (s. unten beim Puls), C von Baxt15 mit dem auf die Oberfl\u00e4che\n1\tMarey, Du mouv. dans les fonct. de la vie. p. 150. Paris 1868 ; La m\u00e9th. graph, p. 457. Paris 1878.\n2\tMEURisse u. Mathieu a. a. O.\n3\tGrunmach a. a. O.\n4\tKnoll a. a. O.\n5\tGalabin, M\u00e9d. cbir. Transact. LVIII. p. 353. 1875.\n6\tGarrod, Journ. of anat. and physiol. V. p. 265. 1871.\n7\tLandois, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1866. S. 177 ; Graph. Unters, \u00fcb. d. Herzschlag. S. 48. Berlin 1876.\n8\tMarey, Physiol, m\u00e9d. de la cire. p. 121. 183. Paris 1863; Travaux du labor, p. 28. 1875.\n9\tKl\u00fcnder, Arbeit a. d. Kieler physiol. Institut, 1868. S. 107.\n10\tCzermak, Mitthe\u00fc. a. d. Privatlab. S. 39. Wien 1864.\n11\tLandois, Lehre vom Arterienpuls. S. 78. 1872 ; Graphische Unters, etc. S. 67. 1876; Dtsch. med. Woch. IV. S. 348. 1878.\n12\tGscheidlen, Physiol. Methodik. 1879. S. 606.\n13\tMarey, Physiol, m\u00e9d. d. 1. cire. S. 6S. Fig. 8. Paris 1863; Trav. du lab. 1875. p. 25. Fig. 12.\n14\tLandois, Graph. Unters, etc. S. 58. Berlin 1876.\n15\tBaxt, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1878. S. 125.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Polygraphen, zeitl. Auswerthung der Curven, Cardiogramme.\n191\ndes Herzens gestellten Stab (s. oben S. 150), D ist angeschrieben mit dem Trommelexplorateur yon Marey; E von Rosenstein1 mit dem Pansphygmographen von Brondgeest. Diese Auswahl wurde getroffen, weil wir nun die Deutung besprechen wollen, welche dem Cardiogramm von den einzelnen Beobachtern gegeben wurde. Die\nFi\u00e7. 9.\nHebung v in A leitet Marey her von der Contraction des Yorhofes (Curve Ad), mit welcher sie zeitlich zusammenf\u00e4llt und welche die F\u00fcllung des Ventrikels unterst\u00fctzt. Auf die Vorhofselevation folgt die Contraction der Ventrikel, unter deren Einfluss sich die Zipfel-kiappen erheben und sehliessen, die geschlossenen Klappen sollen aber unter dem Einfluss der fortdauernden Pressung im Ventrikel in Undulationen gerathen und dadurch die Hebungen bei % entstehen, welche den \u00e4hnlichen in den Curven Ad und Vd entsprechen. Unter dem Einfluss des gesteigerten Druckes entleeren sich nun die Ventrikel und es folge, wenn die Ventrikel zu erschlaffen beginnen, der Schluss der Semilunarklappen, welchem die Zacke s entspricht. Degen diese Auslegung des Cardiogrammes durch Marey hat Galabin'2 den ganz richtigen Einwurf gemacht, dass die Erkl\u00e4rung der bei z befindlichen Zacken, die gleichzeitig in den Curven Ad und Vd auftreten, nicht zutreffend sei, weil die correspondirenden Zacken dann in der Vorkofscurve Ad immer ein anderes Vorzeichen haben m\u00fcssten als in\n1\tPosenstein, Deutsch. Arch. f. klin. Med. XXIII. S. 84. 1878.\n2\tGalabin, Guy\u2019s Hospit. Reports. Ser. 3. XX. S. 261. 1875.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herzu, seine Mechanik etc.\nder Ventrikel curve T d Das letztere sei aber nicht der Fall, was einem Unduliren der geschlossenen Klappe widerspricht.\nEs steht ferner Marey\u2019s Ausdeutung des Cardiogrammes in dem innigsten Zusammenhang mit der Deutung, welche Marey 1 der Curve Vd gegeben hat. Diese Deutung ist aber von Baxt2 ange-fochten worden, als er mit dem auf die \u00e4ussere Oberfl\u00e4che des Herzens aufgesetztem St\u00e4bchen die Curven C Fig. 9 erhielt, welche, wie aus dem Vergleich von C mit Vd sich ergiebt, in ihrer allgemeinen Form mit der letzteren Ubereinstimmen (vergl. auch Fig. 3 oben, welche die Curven beider Ventrikel enth\u00e4lt). Marey stellt sich aber vor, dass die Curve Vd und die entsprechende im linken Ventrikel unter dem Einfluss des ver\u00e4nderlichen Druckes des Kammerblutes entsteht. Ihr aufsteigender Theil werde angeschrieben w\u00e4hrend die Zipfelklappen noch offen, die halbmondf\u00f6rmigen Klappen aber noch geschlossen seien. Kurze Zeit nachdem die ersteren zugeschlagen werden \u00f6ffneten sich die letzteren und nun halte sich unter raschem Abgleich des Druckes in Kammern und Arterien und stetem Zufluss des Blutes aus den Kammern in die Arterien der Druck in den ersteren eine bestimmt lange Zeit auf gleicher H\u00f6he, bis beim Nachlass der Kammercontraction der Druck in den Kammern sinke und die halbmondf\u00f6rmigen Klappen entfaltet werden.\nAn Stelle dieser Erkl\u00e4rung setzt Baxt die einfachere und zutreffendere, dass in dem Versuch von Chauveau und Marey beim Beginn der Systole sich Luft aus der Ampulle in die Registrirtrommel ergiesst und nicht alsbald wieder in die Ampulle zur\u00fccktreten kann, weil der Ventrikel mit einer Kraft in der Zusammenziehung verharrt, welche von der Spannung der Trommelmembran nicht bew\u00e4ltigt werden kann.\nCurven, wie sie Baxt von der Oberfl\u00e4che des blossgelegten Herzens erhielt, bekommt man auch vom Spitzenstoss zu allermeist wie D Fig. 9 zeigt (womit Marey3 und Ott und Haas4 zu vergleichen sind). Es ist das, wenn man durch Cardiographen mit Federdruck das Cardiogramm auf rasch bewegter Schreibfl\u00e4che anschreibt, immer der Fall, wenn bei langsamem Gang der letzteren Cardiogramme von der Form B Fig. 9 erhalten werden. An diesen Cardiogrammen hat Landois seine von Marey abweichende Ausdeutung gegeben. Es entspricht darnach (vgl. oben S. 156 u. 157) b der Vorhofselevation, bc bedeutet Contraction der Ventrikel bis zum Maximum, d Schluss der Semilunarklappen der Aorta, e Schluss der Semilunarklappen\n1\tMarey a. a. 0.\n2\tBaxt a. a. 0. S. 129.\n3\tMarey, Travaux d. lab. p. 21. Fig. 7; p. 28. Fig. 13. 1875.\n4\tOtt u. Haas, Prager Vjschr. IV. S. 49. Curve d. 1877.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Deutung des Cardiogrammes durch Marey, Baxt, Landois, Rosenstein. 193\nder Pulmonalarterie. Die Klappenschlusszacken fallen aber nicht immer auseinander, sondern es tritt h\u00e4ufig nur eine Klappenschlusszacke auf und zwar soll das eine oder andere nach Landois abh\u00e4ngen von der Differenz des Druckes in Aorta und Pulmonalarterie, mit deren Gr\u00f6sse die Entfernung der Zacken zunehmen soll. / entspricht dem Beginn der Herzpause. Landois\u2019 Entzifferung des Cardiogrammes ist ebenso wie jene Marey\u2019s eine blosse Conjectur. Landois selbst hat nirgends eine Begr\u00fcndung seiner Deutung des Cardiogrammes ver\u00f6ffentlicht.1 Man kann zu Gunsten derselben nur anf\u00fchren, dass in dieselbe die in Marey\u2019s Deutung am Besten begr\u00fcndete Vorhofselevation aufgenommen ist und dass die durch Ausmessung des Cardiogrammes f\u00fcr bed ermittelte Zeit (zwischen Beginn des 1. Herztones und dem 2. Herzton) 0.309\u2014346 Secunden betr\u00e4gt, was mit den bei der Auscultation von Donders und Landois selbst f\u00fcr dieses Intervall gefundenen Werthen 0.301 \u2014 0.327 (Donders), 0.307\u20140.311 (Landois) nahe \u00fcbereinstimmt (vgl. oben S. 156 u. 157). Der Deutung des Cardiogrammes nach Landois haben sich Ott & Haas2 und besonders in Bezug auf die Klappenschlusszacke Maurer3 angeschlossen.\nAm wenigsten gl\u00fccklich in der Auslegung des Cardiogrammes scheint uns Rosenstein4 5 gewesen zu sein. Er will immer die vier Zacken \u00ab, (i, y, \u00e0 P ig. 9 E beobachtet haben, \u00ab und \u00df seien der Ausdruck einer absatzweisen Systole, y und d Klappenschlusszacken. Rosenstein st\u00fctzt sich darauf, dass nach Unterbindung der Aorta und Pulmonalarterie die Systole nicht absatzweise erfolgt, dann fehle auch der zweifache Gipfel des Cardiogrammes ; weitere Beweise seien pathologische F\u00e4lle. Der er-stere Beweis Rosenstein s ist offenbar ein Cirkel. Wir k\u00f6nnen weder den einen noch anderen Beweis als zwingend f\u00fcr die absatzweise Systole im normalen Zustande ansehen. Bei Traube kann man aber f\u00fcr Rosenstein, der sich auf jenen beruft, nur scheinbar eine St\u00fctze finden. Traube\u2019s Cardiogramme stimmen zu allermeist, abgesehen von der Gr\u00f6sse, mit jenen Landois1 \u00fcberein; ferner hegte Traube'1 nur die Vermuthung, dass der Di-und Tricrotismus der Pulscurve (siehe diese unten) der Ausdruck einer\nl Landois, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1866. S. 177; Lehre vom Arterienpuls S. 304. 1872 ; Graph. Unters, \u00fcb. d. Herzschlag. S. 48. 1876; Lehrb. d. Physiol, d. Menschen. S. 90; Wien 1879.. In der ersten Publication heisst es: \u201eAuf die n\u00e4here Begr\u00fcndung dieser Uebereinstimmung\u201c (der erw\u00e4hnten Curvenpunkte mit den von Landois daf\u00fcr angegeb. Phasen der Herzaction) \u201ekann hier nicht n\u00e4her eingegangen werden.\u201c In der zweiten Publication ist nur der Inhalt der vorl\u00e4ufigen Mittheilun^ reproducirt und auf jene verwiesen. In der dritten Publikation heisst es : \u201eWeiterhin habe ich die sphygmographische Herzstosscurve des Menschen einer genauen Entzifferung unterworfen\u201c und ist wieder nur die vorl\u00e4ufige Mittheilung citirt. Im Lehrbuche wird von der erw\u00e4hnten Deutung des Cardiogrammes nur wie von einer feststehenden und bewiesenen Sache gesprochen.\n7\t( ) T1 TH n \u00ef T A A C 9 Q ()\n3\tMaurer, Arch.\u2019 f.\u2019klin. Med. XXIV. S. 291. 1879.\n4\tRosenstein a. a. O.\n5\tTraube, Ges. Beitr. z. Pathol, u. Physiol. III. S. 595. Taf. 1 u. 2. Berlin 1878.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IY.\t13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herz u. seine Mechanik etc.\nabsatzweise erfolgenden Herzcontraction sei, weil er bei Individuen mit f\u00fchlbarem Di- und Tri- crotismus des Pulses auch bei der Palpation den Herzstoss di- und tricrot fand. Dass die Vermuthung Tra\u00fcbe\u2019s f\u00fcr die normale Pulscurve nicht gerechtfertigt war, wird man heute nicht mehr bezweifeln.\nDie Anwendung von Cardiographen ohne Federspannung, ungenaue oder \u00f6rtlich von der Stelle des Spitzenstosses abweichende 1 Application des Explorateurs k\u00f6nnen die Cardiogramme stark defor-miren. In Krankheiten des Herzens treten besondere Stossbilder auf. Ueber die Darstellung des Iierzstosses mittelst der Flamme2 vergleiche oben S. 176 und die Lehre vom Arterienpuls.\n2. Die Herzt\u00f6ne.\nWenn man in der Herzgegend \u00fcber der Brust das Ohr direct oder mittelst eines Stethoscopes anlegt, so h\u00f6rt man von einem Herzschlag zum andern zwei aufeinanderfolgende an Intensit\u00e4t und Dauer verschiedene T\u00f6ne. Dieselben waren schon Harvey3 bekannt. Laen-nec4 5 erkannte ihre Bedeutung f\u00fcr die Diagnose der Herzkrankheiten, die dann durch Scoda 5 in ein helles Licht gesetzt wurde.\nMan bezeichnet sie seitdem als 1. und 2. Herzton.\nDer erste Herzton ist dumpf und gedehnt und f\u00e4llt mit der Systole der Ventrikel zusammen (Turner6, Chauveau & Faivre7), der zweite Herzton ist k\u00fcrzer, hell und macht durch scharfes Absetzen den Eindruck des klappenden. Er f\u00e4llt mit dem Ende der Systole der Ventrikel und mit dem Beginn der Systole der Schlagadern zusammen.\nA) Der erste Herzton.\nDer erste Herzton dauert bis zum Beginn des zweiten fort, zwischen dem 2. Herzton und dem folgenden ersten liegt ein deutliches Intervall. Wie die Dauer des 1. Herztones und das Intervall zwischen 2. Herzton und folgendem ersten gemessen wurde, ist schon angegeben worden (oben S. 155).\nDie Bewegungsvorg\u00e4nge, welche man bei den Untersuchungen\n1\tLandois, Graph. Unters, etc. S. 80; Ott u. Haas a. a. O. S. 55 u. 50. Curve X\u2014XVI.\n2\tGerhardt. Deutsch. Arch. f. klin. Med. XVI. S. 1. 1875.\n3\tHarvey, \u00cbxercit. anat. de mot. cord, et sang, animal, p. 30. Francof. 1628.\n4\tLaennec, De l\u2019auscultation m\u00e9d. etc. Paris 1819.\n5\tScoda, Abhandl. \u00fcb. Auskult. u. Perkuss. Wien 1839.\n6\tTurner. Transact, of themed, chir. soc. III. Edinburgh 1828.\n7\tChauveu et Faivre, Gaz. m\u00e9d. de Paris, p. 356. Paris 1856.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Herzt\u00f6ne. Erkl\u00e4r, cl. 1. Herztones clnreh Williams, Versuch v. Ludwig u. Dogiel. 195\n\u00fcber das Wesen des 1. Herztones ber\u00fccksichtigen musste, sind: die Contraction des Herzmuskels selbst; die Entfaltung und Spannung der Atrioventrikularklappen ; die Bewegung des Blutes unter hohem Druck in den Ventrikeln; der Herzstoss.\nDass der 1. Herzton durch die Ersch\u00fctterung der Brustwand beim Herzstoss entsteht (Magendie1), ist widerlegt, da er auch am blossgelegten Herzen noch zu h\u00f6ren ist.\nAls Muskelger\u00e4usch \u00e4hnlich, wie das von Wollaston bei der energischen Zusammenziehung anderer Muskeln entstehende Ger\u00e4usch suchte Williams2 den 1. Herzton zu erkl\u00e4ren, nachdem er das Fortbestehen desselben am blutleeren Herzen curaresirter Esel beobachtet hatte. Seine Beobachtung wurde von dem Londoner Comit\u00e93 best\u00e4tigt.\nLudwig & Dogiel4 stellten den folgenden Versuch \u00fcber den 1. Herzton an. Bei einem curaresirten Hunde wird nach Einleitung der k\u00fcnstlichen Respiration das Herz blossgelegt, und werden um alle mit dem Herzen communicirenden Gef\u00e4sse unmittelbar vor dem Uebergang ins Herz Ligaturf\u00e4den geschlungen. Nun wird das Herz m\u00f6glichst blutleer gemacht dadurch, dass nacheinander unterbunden werden: die obere Hohlvene, die untere, die Pulmonalarterie, die beiden Lungenvenen und endlich die Aorta. Das blutleere Herz wird dann ausgeschnitten und in einen unten mit einer Kautschukmembran verschlossenen und mit defibrinirtem Blut gef\u00fcllten Beh\u00e4lter so eingebracht, dass es die W\u00e4nde des Beh\u00e4lters nicht ber\u00fchrt. Das Herz schl\u00e4gt dabei fort und wird mittelst eines an das untere Ende des Beh\u00e4lters angesteckten Kautschukschlauches behorcht. So lange das Herz sich in allen seinen Theilen gleichm\u00e4ssig contrahirt h\u00f6rt man den 1. Herzton nicht wesentlich anders als in dem noch in der Brusth\u00f6hle eingeschlossenen Herzen, nur weniger intensiv.\nBleibt das blossgelegte und mit den Ligaturf\u00e4den versehene Herz in der Brusth\u00f6hle, so kann man abwechselnd durch Zuziehen der Ligaturen in der fr\u00fcheren Reihenfolge das Herz blutleer machen und durch Wiederer\u00f6ffnen der Ligaturen den Blutstrom durch das Herz wiederherstellen. Im durchstr\u00f6mten und nicht durchstr\u00f6mten Herzen h\u00f6rt man mit direct auf das Herz aufgesetzten Stethoscopen aus ver-\n1\tMagendie, Vorles. \u00fcb. d. physik. Erschein, d. Lebens. Deutsch von Baswitz I. S. 1T3. K\u00f6ln 1837.\n2\tWilliams, Vortrag in der British Association, Medical Section. Dublin 11. Aiu*\u2019\n835.\n3\tWilliams, Todd and Clendinning, Report, of the British Assoc, p. 267. 1837.\n4\tLudwig u. Dogiel. Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-naturw. Cl. XX 1868\nS. 89.\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 1. Cap. Das Herzu, seine Mechanik etc.\nschiedenem Materiale den 1. Herzton wesentlich unver\u00e4ndert, wenn man sich subjectiv von dem Reiben an den R\u00e4ndern des jeweilig angewendeten Instrumentes emancipirt, was in objectiver Weise der zuerst angef\u00fchrte Versuch leistet. Aus diesen Versuchen schliessen Ludwig und Dogiel, dass der 1. Herzton der Hauptsache nach ein Muskelton ist, dem sich im gew\u00f6hnlichen Zustande Klappenschwingungen beimischen m\u00f6gen.\nAuf das letztere Moment suchte Rouanet 1 vor Williams den 1. Herzton ausschliesslich zur\u00fcckzuf\u00fchren, ihm folgten Kiwisch1 2, Nega3 u. A. Experimentell zu erweisen, dass bei pl\u00f6tzlicher Spannung der Atrioventrikularklappen ein Ton entsteht, versuchte Bayer4, indem er am ausgeschnittenen k\u00fcnstlich durchstr\u00f6mten Herzen durch pl\u00f6tzliche Drucksteigerung einen pl\u00f6tzlichen Schluss der Atrioventrikularklappen herbeif\u00fchrte. Er h\u00f6rte jedes Mal einen kurzen hohen Klappenton, was von Giese5 6 in \u00e4hnlich angestellten Versuchen best\u00e4tigt wurde. Dennoch schliessen sich Bayer und Giese der Lehre Ludwig\u2019s und Dogiel\u2019s \u00fcber den 1. Herzton an, da der Klappenton ganz verschieden ist von dem systolischen 1. Herzton des lebenden Herzens. Bayer'3 f\u00fchrt auch eine Reihe von klinischen Beobachtungen an, welche zu Gunsten der Entstehung des 1. Herztones im Sinne von Ludwig und Dogiel sprechen. Daf\u00fcr sprachen sich auch P. Niemeyer7 8 und Quinckes aus, w\u00e4hrend Michels9 und Guttmann10 11 die Entstehung des 1. Herztons durch Klappenschwingungen vertheidigten.\nDie Untersuchungen Wintrich\u2019s 11 zeigten aber, dass dem tiefen Muskelton im 1. Herzton ein h\u00f6herer Klappenton beigemischt ist.\nMan kann beide isoliren durch die von Wintrich empfohlenen Membran-Luftresonatoren abgestutzte Kegel aus Zinkblech von ver\u00e4nderlichem Inhalt, deren schmale Oeffnung \u00fcberspannt ist mit einer Membran aus d\u00fcnnem Kautschuk oder feinster Leinwand, welcher man mittelst einer Schraubenvorrichtung verschiedene Grade der Spannung ertheilen kann. Der Kegel wird auf die Herzgegend und \u00fcber die Membran ein Stethoscop aufgesetzt. Auch mittelst eines Stethoscopes, dessen becherf\u00f6rmiges Ende\n1\tRouanet, Analyse des bruits du coeur. Paris 1S32.\n2\tKiwisch, W\u00fcrzburger Verhandl. I. S. 6. 1850.\n3\tNega, Casper\u2019s Wochenscbr. 1851. S. 661.\n4\tBayer, Arch. f. Heilk. 1870. S. 157.\n5\tGiese, Untersuch, \u00fcb. d. Entstehung d. Herzt\u00f6ne. Greifswald 1871; Deutsch. Klinik 1871. S. 393.\n6\tBayer, Arch. f. Heilk. 1869. S. 1. 270; 1870. S. 157.\n7\tNiemeyer, Deutsch. Klinik. 1869. Nr. 15 u. 16.\n8\tQuincke, Berliner klin. Woch. 1870. S. 263.\n9\tMichels, Ueber die Entstehung des ersten Herztons. Marburg 1870.\n10\tGuttmann, Arch. f. pathol. Anat. XLYI. S. 223.\n11\tWintrich, Sitzgsber. d. phys.-med. Societ\u00e4t zu Erlangen. 1873. S. 1; 1875. S. 57 ; Med. Neuigk. f. pract. Aerzte. XXIII. S. 169. 1873.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Klappen- u. Muskelton im 1. Herzton, H\u00f6he cl. Muskeltones, Bedeut, d. Letzteren. 197\nmit d\u00fcnner Membran \u00fcberzogen, gelingt die Zerlegung des 1. Herztones in den Muskel- und Klappenton.\nDie Differenzen in den Angaben \u00fcber den musikalischen Werth des 1. Herztones (K\u00fcchenmeister1, Funke'2, Haughton3, Natanson4) d\u00fcrften sich aus dieser Complication erkl\u00e4ren. Die letzteren beiden halten den 1. Herzton f\u00fcr ein Muskelger\u00e4usch von der gew\u00f6hnlichen H\u00f6he desselben an willk\u00fcrlichen Muskeln (vgl. d. Handb. Bd. I, S. 48).\nLudwig & Dogiel5 machten schon darauf aufmerksam, dass zwischen der Anschauung die Herzcontraction sei eine einfache Zuckung und dem Auftreten eines Muskeltones, der bei den willk\u00fcrlichen Muskeln nur der Ausdruck des raschen Wechsels entgegengesetzter Molekularzust\u00e4nde ist, ein gewisser Widerspruch existirt.9 Sie weisen darum f\u00fcr die Erkl\u00e4rung des 1. Herztones auf die pl\u00f6tzlich erfolgende Spannung der vielen eomplicirt verlaufenden Muskelfasern des Herzens hin.7 Es muss aber bemerkt werden, dass der Hauptbeweis (K\u00f6lliker & H. M\u00fcller8, Marey9) f\u00fcr die Annahme, dass die Herzsystole eine einfache Zuckung sei, n\u00e4mlich die einfache secund\u00e4re Zuckung, welche sie im physiologischen Rheoscop ausl\u00f6st nach den gleichen Erfahrungen an den willk\u00fcrlich tetanisirten Muskeln hinf\u00e4llig geworden ist (Hering & Friedrich19, Morat & Toussaint11). Andererseits m\u00fcsste man aus der Fortdauer des ersten Herztones w\u00e4hrend der Dauer des Beharrens der Herzventrikel in der Contraction (Baxt12, Moens13) schliessen, dass dabei ein dis-continuirlicher Vorgang stattfindet.14\nB) Der zweite Herzton.\nDer zweite Herzton ist bedingt durch den Schluss der Semilunarklappen, wie man seit Carswell & Rouanet15 ziemlich allgemein annimmt. Jede elastische Membran giebt, wenn sie rasch gespannt wird, einen Klang.\n1\tK\u00fcchenmeister, Froriep\u2019s Tagesber. 1851. S. 215.\n2\tFunke, Lehrb. d. Physiol. I. S. 84. Leipzig 1858.\n3\tHaughton, Outlines of a new theor. of musc, action. London 1863.\n4\tNatanson, Amtl. Ber. d. 35. Naturf.-Vers. S. 126. K\u00f6nigsberg I860.\n5\tLudwig u. Dogiel a. a. 0.\n6\tYgl. Foster, Text Book of Physiology. London 1877. p. 107.\n7\tVgl. auch Heynsius. Ueber d. Ursache d. T\u00f6n. u. Ger\u00e4usch, im Gef\u00e4ss. Leiden 1878.\n8\tK\u00f6lliker u. H. M\u00fcller, W\u00fcrzburger Verh. VIL S. 10. 1S56.\n9\tMarey, Journ. de l\u2019anat. et de la physiol. 1866. p. 403.\n10\tHering, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXII. (3) S. 413. 1875.\n11\tMorat et Toussaint, Arch, de physiol. IV. 2. sur. 1877. p. 156.\n12\tBaxt, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1878. S. 122.\n13\tMoens, Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 5. 16. 1879.\n14\tVgl. auch Kronecker, Beitr\u00e4ge z. Anat. u. Physiol. Festgabe f. C. Ludwig, p. CLXXIII. Leipzig 1875.\u2014 Kronecker u. Striling, Arch. f. (Anat. u.)Physiol. 1878. S. 1.\n15\tRouanet, Analyse de bruits du coeur. Paris 1832.","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198 Rollett, Physiologie cler Blutbewegung. l.Cap. Das Herzu, seine Mechanik etc.\nMan kann an der ausgeschnittenen Aortenwurzel durch Spannung der Klappe einen dem 2. Herzton v\u00f6llig gleichen Ton hervorbringen (Rouanet1). Am Besten, wenn man in die Aortenwurzel nach Unterbindung der Aa. coronariae ein Tf\u00f6rmiges Rohr mit eben solchem Hahn einbindet, welches einerseits mit einem Druckgef\u00e4ss communicirt, andererseits zum Entleeren der Fl\u00fcssigkeit aus der Aorta nach aussen dient (Giese2). Ist die Aortenwurzel unter Wasser gebracht und wird sie durch den Tf\u00f6rmigen Hahn pl\u00f6tzlich mit dem Druckgef\u00e4sse communicirt, so h\u00f6rt man den 2. Herzton.\nAm lebenden Thiere h\u00f6rt man den 2. Herzton am deutlichsten an den Wurzeln der grossen Gef\u00e4sse. Werden im lebenden Thiere die halbmondf\u00f6rmigen Klappen zerst\u00f6rt, so entf\u00e4llt der 2. Herzton (Williams3). Ebenso f\u00e4llt der 2. Herzton aus, wenn man wie oben beim Versuche von Ludwig und Dogiel mitgetheilt wurde, durch methodisches Unterbinden der grossen Gef\u00e4sse den Blutstrom aufhebt (Guttmann4).\nNach dem, was \u00fcber die gemischte Natur des 1. Herztones und \u00fcber das Wesen des 2. Herztones gesagt wurde, sind eigentlich 4 Herzt\u00f6ne zu unterscheiden, was die Kliniker auch seit lange beim Menschen thun. Zwei, welche dem mit dem Klappenton der Atrioventricularklappen zusammengesetzten Muskelton entsprechen, der Ton der Aortenklappen, und jener der Pulmonalarterienklappen. Der 1. Ton des rechten Ventrikels wird am deutlichsten geh\u00f6rt nahe dem rechten Sternalrand, wo die Grenze zwischen 4. Intercostalraum und 5. Rippe auf jenen trifft. Der 1. Ton des linken Ventrikels wegen der tiefen Lage des linken Ostium atrioventriculare und der Ueberdeckung desselben durch die Wurzeln der grossen Gef\u00e4sse im 5. Intercostalraum, wo die Herzspitze der Brustwand anliegt oder in gerader Richtung nach aufw\u00e4rts im 4. Intercostalraum. Der Ton der Semilunarklappen der Aorta in der Richtung der Aorta am rechten Sternalrande an der Grenze von 1. Rippe und 2. Intercostalraum; der Pulmonalton neben dem Sternalrand im 2. Intercostalraum links. Fallen Aorten- und Pulmonalton zeitlich weiter auseinander, wie es unter gewissen pathologischen Zust\u00e4nden geschieht, so erscheint der 2. Herzton gespalten.\nWir f\u00fcgen gleich hier an, dass man auch an den dem Herzen nahen Arterien normaler Weise zwei T\u00f6ne wahrnimmt. Der erste Arterienton ist lang gezogen. Er f\u00e4llt mit der Systole der Ventrikel und der Diastole der Arterien zusammen. Der zweite Arterienton\n1\tRouanet, a. a. 0. \u2014 Macartney, Adams etc., Second Report of the Dublin Subcom. ; Report of the British Assoc, p. 282. Bristol 1836.\n2\tGiese a. a. 0.\n3\tWilliams a. a. 0.\n4\tGuttmann a. a. 0.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Entstehung des 2. Herztones, Topographie der Herzt\u00f6ne, Arterient\u00f6ne etc. 199\nist k\u00fcrzer, er f\u00e4llt mit dem 2. Herzton und mit dem Beginn der Systole der Arterien zusammen. Der zweite Arterienton ist der fortgeleitete 2. Herzton. Der erste Arterienton entsteht nach Heynsius1 als Wirbelton an dem im Vergleich zum Bulbus Aortae oder Art. pulm. betr\u00e4chtlich engeren Ostium der betreffenden Arterien, und wird l\u00e4ngs der Arterienst\u00e4mme fortgeleitet.\nAusser den normalen Arterient\u00f6nen entstehen und zwar auch an Arterien, die vom Herzen entlegen sind, durch locale Verengerung z. B. Aufsetzen des Stethoscopes Druckger\u00e4usche. Ueber Arterien, T\u00f6ne und Ger\u00e4usche handeln u. A. Th. Weber2, Thamm3, P. Niemeyer4, Talma5, Weil.6\nZWEITES CAPITEL.\nHydraulische Einleitung zur Lehre vom Blutstrom in den (Massen.\nDas vom Herzen in die Gef\u00e4sse eingetriebene Blut bewegt sich in denselben nach bestimmten Gesetzen. Es ist f\u00fcr die Aufdeckung der letzteren zun\u00e4chst noth wendig, die Gesetze von Fl\u00fcssigkeitsstr\u00f6men in B\u00f6hren7 \u00fcberhaupt soweit uns dieselben bisher erschlossen wurden, kennen zu lernen. Wir werden dadurch zur Feststellung bestimmter Begriffe f\u00fcr die Betrachtung des Blutstromes und zu einem Schema des Kreislaufes gelangen.\nUnsere Aufgabe zerf\u00e4llt aber in zwei Theile, wir m\u00fcssen zuerst das Str\u00f6men von Fl\u00fcssigkeiten in R\u00f6hren mit starren, dann in solchen mit elastischen Wandungen in den Kreis unserer Betrachtungen ziehen.\n1\tHeynsius, Ueber die Ursache der T\u00f6ne und Ger\u00e4usche im Gef\u00e4sssystem. Leiden 1878; vgl. auch denselben Onderzoeking. ged. in het physiol. Lab. der Utrechtsche Hoogesch. 1854.\n2\tTh. Webek^ Arch. f. physiol. Heilk. 1855. S. 40.\n3\tThamm, Beitr\u00e4ge zur Lehre \u00fcber Venenpuls und Gef\u00e4ssger\u00e4usche. K\u00f6nigsberg 1868.\n4\tP. Niemeyer, Deutsch. Arch. f. klin. Med. VIL S. 136. 1870.\n5\tTalma, Ebenda. XV. S. 77. 1875.\n6\tWeil, Die Auskult. d. Arterien u. Venen. Leipzig 1875.\n7\tSiehe dar\u00fcber Gerstner, Handbuch der Mechanik. Prag 1831 \u201432. \u2014 Eytel-wein, Handb. d. Mechanik u. Hydraulik. Leipzig 1842. \u2014 Volkmann, Die H\u00e4modynamik nach Versuchen. Leipzig 1850.\u2014 Weissbach, Die Experimentalhydraulik. Freiberg 1855. \u2014 Donders, Physiol, d. Menschen. Leipzig 1859. \u2014 Grashof, Theoretische Maschinenlehre. I. Leipzig 1875.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc.\nI. Verwendung der Triebkraft in einem starren gleich-\nweit en Rohre.\nIn einem starren Rohre kann man sich einen Strom durch die Tli\u00e4tig-keit der verschiedenartigsten Pumpwerke, welche man an dasselbe ansetzt, erzeugt denken, auch ein Pumpwerk, wie das Herz w\u00fcrde sich dazu eignen.\nWir wollen uns aber hier einen Fall vorstellen, auf welchen alle \u00fcbrigen sich reduciren lassen. Die Fl\u00fcssigkeit soll in das Rohr eingetrieben werden aus einem Beh\u00e4lter (Druckgef\u00e4ss), in welchem sich eine Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule von bestimmter und constant erhaltener H\u00f6he H befindet.\nDie H\u00f6he der Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule in einem solchen Beh\u00e4lter ist ein directes Maass der Spannung, welche zwischen den Fl\u00fcssigkeitstlieilchen am Boden des Beh\u00e4lters herrscht. Um nun die Verwendung der in diesem Falle disponiblen Triebkraft bei der Erzeugung des Stromes in einem starren Rohre kennen zu lernen, m\u00fcssen wir vorausgehend noch den einfacheren Fall des freien Ausflusses der Fl\u00fcssigkeit aus einer Oeffnung im Boden des Beh\u00e4lters betrachten.\nIst der Querschnitt der Ausfluss\u00f6ffnung gegen jenen des Beh\u00e4lters klein und wird H constant erhalten, dann erh\u00e4lt man unter der Annahme, dass im Beh\u00e4lter die demselben Querschnitt angeh\u00f6rigen Fl\u00fcssigkeitstheil-chen dieselbe Geschwindigkeit annehmen und die Fl\u00fcssigkeit ihren Zusammenhang bewahrt f\u00fcr die rechtwinklig zur Ausfluss\u00f6ffnung gerichtete Geschwindigkeit der austretenden Fl\u00fcssigkeitstlieilchen bekanntlich\nv = Y 2g H\ndas ist diejenige Geschwindigkeit, welche die Fl\u00fcssigkeitstlieilchen auch erlangt h\u00e4tten, wenn sie in freiem Falle von der H\u00f6he H herabgefallen w\u00e4ren (Toricellt\u2019s Theorem).\nF\u00fcr die austretenden Fl\u00fcssigkeitstlieilchen kann dann\n- mv2 \u2014 mgH\ngesetzt werden, wodurch ausgedr\u00fcckt ist, dass die lebendige Kraft, welche dieselben gewonnen haben, als deren Maass man das Product der halben Masse mit 4em Quadrat der Geschwindigkeit ansieht, gleich ist dem urspr\u00fcnglich vorhandenen Arbeitsvorrath (Spannkraft), der gemessen ist durch das Product aus dem Gewichte mg und der H\u00f6he H, bis zu welcher dasselbe erhoben war.\nKann nun die Fl\u00fcssigkeit nicht frei ausfliessen, sondern nur durch ein seitlich nahe dem Boden an den Beh\u00e4lter angesetzt\u00e8s starres, gleichweites cylindrisches Rohr, so ist die Geschwindigkeit, mit welcher die Fl\u00fcssigkeit aus dem Rohre ausfliesst, kleiner als beim freien Ausfluss, mit anderen Worten: es tritt in dem Rohr ein Verlust an lebendiger Kraft ein. Die mittlere Ausflussgeschwindigkeit aus dem Rohr kann leicht empirisch bestimmt werden dadurch, dass man die Ausflussmenge A in der Zeiteinheit (Secunde) bestimmt und durch den Querschnitt der R\u00f6hre nf1 dividirt.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Toricelli\u2019s Theorem, Strom in starren R\u00f6hren, empirisch. Ausflussmenge etc. 201\nA\nstellt dann die L\u00e4nge eines Fltissigkeitscylinders dar, welchen ich mir in der Zeiteinheit aus der R\u00f6hre herausgeschoben denken kann. Die L\u00e4nge dieses Cylinders ist aber nichts anderes, als der von einem Fl\u00fcssigkeitsquerschnitt im Rohr in der Zeiteinheit zuriickgelegte Weg, d. i. die Stromgeschwindigkeit. Es ist aber leicht ersichtlich, dass wegen des \u00fcberall gleichen Querschnittes der starren R\u00f6hre gleichzeitig in allen Querschnitten der Fl\u00fcssigkeit innerhalb des Rohres dieselbe mittlere Geschwindigkeit herrschen muss.\nKennt man die mittlere Geschwindigkeit i\\ des in der R\u00f6hre unter der Voraussetzung eines constant erhaltenen Fl\u00fcssigkeitsniveaus im Beh\u00e4lter entstandenen, beharrlichen Stromes, so ergiebt\ndie H\u00f6he,- welche nothwendig gewesen w\u00e4re, um dieselbe Geschwindigkeit bei freiem Ausflusse aus dem Boden des Beh\u00e4lters zu erzeugen.\nEs ist gebr\u00e4uchlich geworden, die so berechnete H\u00f6he h als Geschwindigkeitsh\u00f6he zu bezeichnen und anzunehmen, dass sie den zur Erzeugung von Geschwindigkeit verwendeten Theil der urspr\u00fcnglichen Druckh\u00f6he H vorstelle, w\u00e4hrend der \u00fcbrige Theil der letzteren in anderer Weise verwendet wird.\nUm uns von dieser Verwendung eine Vorstellung zu machen, beobachten wir die H\u00f6hen, bis zu welchen sich die Fl\u00fcssigkeit in senkrecht auf die Axe unseres Rohres (s. Fig. 10) eingesetzten Druckmessern\nFig. 10.\nerhebt. Diese H\u00f6hen messen den an den betreffenden Stellen herrschenden Seitendruck (hydrodynamischer Druck), welchen die bewegte Fl\u00fcssigkeit auf die Rohrwand aus\u00fcbt. Es zeigt sich nun, dass der Stand des Niveaus in den Druckmessern durch die gerade abfallende Linie ab (das Druckgef\u00e4lle) verbunden werden kann. Wird aber in jedem Abschnitt der R\u00f6hre zu dem Seitendruck die Geschwindigkeitsh\u00f6he h (Fig. 10) addirt,","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc\nso erh\u00e4lt man f\u00fcr die Summen beider die parallel der Linie ab abfallende Linie mn.\nDie gerade abfallenden Linien ab und mn sagen aber offenbar aus, dass von der urspr\u00fcnglichen Druckh\u00f6he H (Fig. 10), welche der Triebkraft des Fl\u00fcssigkeitsstromes proportional ist, an der Ausfluss\u00f6ffnung nur mehr die in allen R\u00f6hrenabschnitten gleiche Geschwindigkeitsh\u00f6he h \u00fcbrig geblieben ist und dass der nicht zur Erzeugung von Geschwindigkeit verwendete Antheil der urspr\u00fcnglichen Druckh\u00f6he, der als Seitendruck wahrgenommen wird, und damit auch die Summe von Geschwindigkeits -h\u00f6he und Seitendruck in demselben Verh\u00e4ltnisse abnimmt, als die Entfernung von der Einfluss\u00f6ffnung zunimmt.\nIndem man nun annehmen muss, dass diese Abnahme nur durch den Leitungswiderstand, welchen die Fl\u00fcssigkeit in dem Rohr findet, bedingt sein kann, sagt man, dass der nicht zur Erzeugung von Geschwindigkeit verwendete Antheil der urspr\u00fcnglichen Druckh\u00f6he zur Ueberwindung der Widerst\u00e4nde verbraucht wird und nennt ihn die Widerstandsh\u00f6he.\nDer Verlust an Widerstandsh\u00f6he auf jeder Strecke des Rohres ist dem Leitungswiderstand auf dieser Strecke proportional.\nDie Summe der Geschwindigkeitsh\u00f6he und Widerstandsh\u00f6he in jedem Rohrquerschnitt 7q -f- 7q 7q + 7q 7q -f- h \u2014 in 1, 2, 3 \u2014 ist der in diesem Querschnitt disponiblen Triebkraft proportional; zieht man diese Summe von der Summe der Geschwindigkeits- und Widerstandsh\u00f6he am Anf\u00e4nge der R\u00f6hre 7q -j- h ab, so erh\u00e4lt man jene H\u00f6he, welcher der bis zum untersuchten Querschnitt verloren gegangenen Triebkraft proportional ist (7q -}- h) \u2014 (7q -j- h) = 7q \u2014 7q, (7q -f- h) \u2014 (7q + h) \u2014 7q 7q, \u2014 . . . Die Summe der Geschwindigkeits- und Widerstandsh\u00f6he am Anf\u00e4nge der R\u00f6hre 7q -f- h ist aber, wie auch in der Figur 10 ersichtlich, nicht gleich der Druckh\u00f6he im Beh\u00e4lter und das kommt daher, dass schon der Eintritt der Fl\u00fcssigkeit aus dem Beh\u00e4lter mit einem Verlust an bewegender Kraft verbunden ist, welchem die H\u00f6he h0 entspricht.\nDarnach zerf\u00e4llt aber die Druckh\u00f6he in drei Tlieile H \u2014 7q -f- h -j-7q. Schon beim freien Ausfluss aus dem Beh\u00e4lter beobachtet man, dass die wirkliche Ausflussgeschwindigkeit nicht gleich ist der theoretischen, sondern kleiner. Das r\u00fchrt daher, dass entgegen der Voraussetzung, welche f\u00fcr das ToRiCELLi\u2019sche Theorem gemacht werden muss, die Geschwindigkeit nicht aller die Ausfluss\u00f6ffnung passirender Theilchen senkrecht gegen diese Oeffnung gerichtet ist. Es convergiren vielmehr die Richtungen der Geschwindigkeiten gegen die Axe des austretenden Strahles, wodurch die bekannte Contraction (Contractio venae) des letzteren auftritt. Die theoretische Ausflussgeschwindigkeit muss also mit einem Co\u00ebfficienten versehen werden, wenn man die wirkliche finden will. Diese Co\u00ebfficienten sind aber nur als Erfahrungsco\u00ebfficienten bekannt, da sich einer theoretischen Behandlung des Gegenstandes noch zu grosse Schwierigkeiten entgegenstellen. Bei der Art und Weise, wie das Blut aus dem Herzen in die Arterien einstr\u00f6mt, soll der Coefficient fast ganz ausser Rechnung fallen (Donders1)-\nSehen wir von diesem Uebergangswiderstande ab, so zerf\u00e4llt unsere\n1 Doxders, Physiol, d. Menschen. S. 65. Leipzig 1859.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Widerstandsh\u00f6he. Verbrauchte u. disponible Triebkraft. Gesetz von Poiseuille. 203\nurspr\u00fcngliche Druckh\u00d6he 11 in zwei Theile : die Geschwindigkeitsh\u00f6he h und die Widerstandsh\u00f6he hr Die Betrachtungsweise, welche uns zur Unterscheidung derselben gef\u00fchrt hat, beruht zun\u00e4chst auf der Definition, welche f\u00fcr die Geschwindigkeitsh\u00f6he aufgestellt wurde. Den Verlust an Geschwindigkeit, welcher bei der Durchbewegung der Fl\u00fcssigkeit durch die R\u00f6hre entsteht, haben wir, ohne die Natur der Widerst\u00e4nde zu definiren, auf die letzteren bezogen und sind so zur Aufstellung des Begriffes der Widerstandsh\u00f6he gelangt. Es ist aber nach dieser Entwicklung klar, dass sich die letztere eben so gut wie die Geschwindigkeitsh\u00f6he als eine Function der Stromgeschwindigkeit darstellen lassen muss. Die Summe der Ausdr\u00fccke, welche die Geschw\u00fcndigkeits- und Widerstandsh\u00f6he in ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der Stromgeschwindigkeit darstellen, w\u00e4re aber dann gleich der urspr\u00fcnglichen Druckh\u00f6he und dann auch die Beziehung der letzteren zur Stromgeschwindigkeit und somit die Gleichung unseres ganzen Vorganges gegeben.\nUm darauf einzugehen, m\u00fcssen wir uns \u00fcber die Vorstellung orien-tiren, wel\u00e7he man sich \u00fcber die Natur der Widerst\u00e4nde zu machen hat, die sich der Durchbewegung von Fl\u00fcssigkeitsstr\u00f6men durch R\u00f6hren entgegensetzen, was am Besten geschehen kann, wenn wir das von Poiseuille gefundene Gesetz der Bewegung von Fl\u00fcssigkeiten in Haarr\u00f6hrchen, welches auf die Verh\u00e4ltnisse im Organismus auch directe Anwendung findet, jetzt kennen lernen.\nII. Das Gesetz you Poiseuille.\nDurch Experimentaluntersuchungen \u00fcber die Bewegung des destil-lirten Wassers in Glasr\u00f6hrchen von 0.65\u20140.015 Mm. Durchmesser, welche Poiseuille1 mit R\u00fccksicht auf seine Studien \u00fcber die Blutbewegung in den Capillaren unternahm, gelangte er zu dem Resultate, dass sich die Mengen des in gleichen Zeiten ausgeflossenen Wassers proportional den Druckh\u00f6hen im Druckgef\u00e4sse verhalten; dass die Zeiten f\u00fcr den Ausfluss derselben Menge Fl\u00fcssigkeit bei constantem Druck und Durchmesser direct proportional sind den L\u00e4ngen der R\u00f6hren und dass bei gleichem Druck und gleicher Rohrl\u00e4nge die Ausflusszeiten umgekehrt proportional sind den 4. Potenzen der Durchmesser.\nDas in der Zeiteinheit ausfliessende Wasservolumen A kann man darnach ausdr\u00fccken durch\nr4\nA \u2014 k\u2014 H\nworin r den Halbmesser2, / die L\u00e4nge der R\u00f6hre, 11 die Druckh\u00f6he im Druckgef\u00e4sse und k eine von der Temperatur abh\u00e4ngige Constante be-\nt Poiseuille, Memoir. del\u2019Acad. des sciences. Sav. \u00e9trang. IX. p. 433. 1843; Rapport fait a l\u2019Acad. etc. par Arago , Babinet, Piobert, R\u00e9gnault sur le trav. pr\u00e9-c\u00e9d. Ann. de Chim. et phys. 3. s\u00e9r. VII. p. 50. 1843; Poiseuille, Ebenda. XXI. p. 76 1847.\n2 Es ist wie bei Jacobson, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1860. S. 80, Hagenbach. Ann. d. Physik. CIX. S. 385, Helmholtz , Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. XL. S. 607. 1860 u. A. der Radius statt des Durchmessers wie in Poiseuille\u2019s urspr\u00fcnglicher Formel eingesetzt.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc.\nzeichnet. Fr\u00fcher fanden wir f\u00fcr die empirische Ausflussgeschwindigkeit aus einer cylindrischen R\u00f6hre in der Zeiteinheit\nA\nund wir k\u00f6nnen aus der obigen Gleichung durch Einf\u00fchrung des Be-griffes der mittleren Geschwindigkeit v noch die folgenden Ausdr\u00fccke f\u00fcr das Gesetz von Poiseuille ableiten\nund\ny 2\nV\nBeziehungen zwischen Druckh\u00f6he und Geschwindigkeit, welche Hagen1 auffand, Hessen schon auf eine Giltigkeit des Gesetzes von Poiseuille auch f\u00fcr weitere R\u00f6hren schliessen und Jacobson2 zeigte in der That, dass f\u00fcr R\u00f6hren, welche die von Poiseuille gebrauchten bis \u00fcber f\u00fcnfmal im Durchmesser \u00fcbertreffen, zwischen der Druckh\u00f6he am Anf\u00e4nge der R\u00f6hre und der Stromgeschwindigkeit eine Beziehung besteht, die v\u00f6llig dem Gesetz von Poiseuille entspricht. Nach diesem letzteren ist nun die Geschwindigkeit proportional dem Quadrate des Radius. Es kann sich also die Fl\u00fcssigkeit nicht wie ein fester K\u00f6rper, dessen Theilchen gleiche Geschwindigkeit besitzen und der nur an seiner Ber\u00fchrungsfl\u00e4che mit der Wand eine Reibung erf\u00e4hrt durch die R\u00f6hre bewegen, denn unter dieser Annahme gelangten die Hydrauliker3 zu der Formel\nwelche von der Poiseuille\u2019s darin abweicht, dass in der letzteren r - statt r erscheint.\nIn dieser Beziehung wies aber Poiseuille4 5 und die zur Pr\u00fcfung seiner Arbeit eingesetzte Commission6 auf die den Beobachtungen \u00fcber den Blutlauf in den Capillargef\u00e4ssen entnommene Thatsache (s. unten) hin, dass die Geschwindigkeit der Fl\u00fcssigkeitstheilchen nicht an allen Punkten desselben Querschnittes dieselbe ist, sondern dass sie in der Axe gr\u00f6sser ist als gegen die Wand hin und an der Wand selbst vielleicht Null oder wenigstens sehr klein ist. Erst sp\u00e4ter wurde das Gesetz von Poiseuille theoretisch entwickelt mit R\u00fccksicht auf die besonderen Vorg\u00e4nge der Reibung tropfbarer Fl\u00fcssigkeiten.\nBewegt sich eine Fl\u00fcssigkeit an einem festen K\u00f6rper vor\u00fcber, so wird sie verz\u00f6gert durch die Wirkung, welche die K\u00f6rper aufeinander aus\u00fcben zufolge der molekularen Kr\u00e4fte, welche zwischen denselben th\u00e4tig sind (man erinnere sich an die Capillarit\u00e4tsersclieinungen). Die Fliissig-\n1\tHagen, Abh. d. Berliner Acad. Math. Abb. 1854. S. 17; Vergl. auch Ann. d. Physik. XLVI. S. 423. 1839.\n2\tJacobson, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1860. S. 80.\n3\tVergl. Gieabd, Memoir. del\u2019Instit. 1813\u20141816. 1818. 4. p. 189.\n4\tPoiseuille a. a. 0.\n5\tAbago etc. a. a. 0.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Folgerungen ausPoisEuiLLES Gesetz, \u00e4ussere u. innere Reibung d. Fl\u00fcssigkeiten. 205\nkeitstlieilchen k\u00f6nnen nur entgegen dieser Anziehung an der Wand vorbei bewegt werden.\nSetzt man die Kraft, welche die Verz\u00f6gerung der Fl\u00fcssigkeitstheil-chen bewirkt1 proportional der Geschwindigkeit und der Gr\u00f6sse der Fl\u00e4che /] in welcher die Ber\u00fchrung stattfindet, so erh\u00e4lt man\np = s. f{v)\nworin s eine Constante ist, welche man als Co\u00ebfficienten der \u00e4usseren Reibung bezeichnet. Er stellt die verz\u00f6gernde Kraft dar, welche in der Fl\u00e4cheneinheit wirkt, wenn die Fl\u00fcssigkeit mit der Einheit der Geschwindigkeit an der Wand vor\u00fcber bewegt wird. Wird die Wand von der Fl\u00fcssigkeit benetzt, wie das auch zwischen Blut und Gef\u00e4ssen der Fall ist, so haftet die \u00e4usserste Fl\u00fcssigkeitsschichte fest an der Wand, so dass sie als ruhend angesehen werden kann. Ihre Verz\u00f6gerung und somit e ist dann unendlich gross.\nEine zweite Art von Reibung bei der Bewegung von Fl\u00fcssigkeiten wird dadurch bedingt, dass wegen der Anziehung, welche die Fl\u00fcssig-keitstheilchen auf einander aus\u00fcben (Coh\u00e4sion) eine ruhende oder verz\u00f6gerte Fl\u00fcssigkeitsschichte auch verz\u00f6gernd auf eine daran vorbei fliessende Fl\u00fcssigkeitsschichte und umgekehrt eine beschleunigte Schicht auch beschleunigend auf eine ruhende oder verz\u00f6gerte Fl\u00fcssigkeitsschichte wirkt. Nimmt man an, dass die Kraft, welche die mit verschiedenen Geschwindigkeiten bewegten Fl\u00fcssigkeitsschichten aufeinander ausiiben, der Gr\u00f6sse der Ber\u00fchrungsfl\u00e4che und der Differenz der parallelen Geschwindigkeiten direct, dagegen umgekehrt proportional ist der Entfernung der Schichten von einander, so erh\u00e4lt man\nworin rj eine Constante ist, welche nur von der Natur der Fl\u00fcssigkeit und der Temperatur derselben abh\u00e4ngig ist. Man bezeichnet sie als Co\u00ebfficienten der inneren Reibung. Seine Definition ist, dass er die Reibung ist, welche zwei Fl\u00fcssigkeitsschichten aufeinander aus\u00fcben, deren Ber\u00fchrungsfl\u00e4che gleich der Fl\u00e4cheneinheit ist, die um die L\u00e4ngeneinheit von einander entfernt sind und sich mit Geschwindigkeiten bewegen, deren Unterschied gleich der Einheit ist. Die Theorie der Reibung der Fl\u00fcssigkeiten findet man entwickelt bei Helmholtz2 und O. E. Meyer3.\nIn beiden Arbeiten sind auch Versuche mitgetheilt, welche zur Best\u00e4tigung der Theorie angestellt wurden. Die Versuche f\u00fchren auf Coulomb's Verfahren zur\u00fcck. Eine an einem vertical en Drahte im Mittelpunkt horizontal aufgeh\u00e4ngte Scheibe wird in einer Fl\u00fcssigkeit in Schwingungen um jenen Mittelpunkt versetzt, und die Schwingungsdauer und die constant, logarithm. D\u00e9cr\u00e9ment\u00e9 der eine abnehmende geometrische Progression bildenden Amplituden bestimmt und mit den gleichnamigen Wer-tlien bei Schwingungen in der Luft verglichen.\n1\tVgl. W\u00fcllner, Lehrb. d. Experimentalphysik. 3. Aufl. I. S. 324. Leipzig 1874.\n2\tHelmholtz u. Piotrowski, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. CI. XL. S. 607. 1860.\n3\tO. E. Meyer, Ann. d. Physik. CXIII. S. 55. 193. 383. 1861; Crelle\u2019s Journ. f. rein. u. angew. Mathem. LIX. S. 229. 1861.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206 Roulett, Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc.\nBei den Versuchen von Helmholtz und Piotrowski war die Fl\u00fcssigkeit im Innern einer schwingenden Hohlkugel eingeschlossen, deren Wandungen die CouLOM\u00df\u2019sche Scheibe vertreten. Nach Meyer ist auf Millimeter und Secunden als Einheiten bezogen f\u00fcr destillirtes Wasser\nr\\ \u2014 0.0001310 bei 15.5\u00b0 Cels. tj = 0.0001435 \u201e\t12.4\u00b0 Cels.\nHelmholtz und Piotrowski fanden f\u00fcr Wasser bei 24.5\u00b0 Cels. gr\u00f6sser als Meyer f\u00fcr dieselbe Temperatur.\nrt = 0.0001406 (H. & P.) rj = 0.0001035 (M.).\nNach den Versuchen von Helmholtz und Piotrowski ist Milch st\u00e4rker reibend als Blutserum und defibrinirtes Blut st\u00e4rker reibend als Milch. Emulsion von Oeltr\u00f6pfclien in Eiweissl\u00f6sung macht die letztere st\u00e4rker reibend.1\nNimmt man an, dass innerhalb der Grenzen, in welchen das Gesetz von Poiseuille giltig ist durch ein enges horizontal liegendes Rohr von kreisf\u00f6rmigem Querschnitt unter constantem Druck sich ein Strom bewegt parallel zur Cylinderaxe, in welchem alle auf concentrischen Schichten befindlichen Theile dieselbe gleichf\u00f6rmige Geschwindigkeit besitzen, w\u00e4hrend die Geschwindigkeit nur mit dem Abstand der conaxialen Schichten von der Axe sich \u00e4ndert und die Reibung zwrnier Fl\u00fcssigkeitsschichten aneinander proportional ist dem Unterschiede ihrer Geschwindigkeiten, so kann das Gesetz von Poiseuille theoretisch entwickelt werden. wie das in etwas abweichender Weise aber mit \u00fcbereinstimmenden Resultaten Helmholtz2 3, Hagexbach 3 und Neumann4 getlian haben. Es ergiebt sich dann f\u00fcr die Ausflussmenge unter der Bedingung, dass die an der Wand befindliche Fl\u00fcssigkeitsschichte ruht, ein Ausdruck, welcher mit Bezug auf die oben mitgetheilten empirischen Formeln von Poiseuille also geschrieben wTerden kann.\nAus der empirisch bestimmten Constante in Poiseullle\u2019s Formel l\u00e4sst sich also nach\t___ n\n8 rj\nauch der Reibungscoefficient berechnen, wie das von Hagexbach5 und Jacobson6 7 f\u00fcr destillirtes Wasser geschehen ist und wobei sich mit den von O. E. Meager erhaltenen Werthen gen\u00fcgend \u00fcbereinstimmende Werthe ergeben haben.\u201d\n1\tUeber die Reibung des Blutes siehe N\u00e4heres unten beim Blutstrom in den Capillargef\u00e4ss.\n2\tHemholtz u. Piotrowski a. a. 0.\n3\tHagenbach a. a. 0.\n4\tJacobson a. a. 0.\n5\tHagenbach a. a. 0.\n6\tJacobson, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1S61. S. 304.\n7\tVgl. auch Stefan, Sitzgsber. d Wiener Acad. XLVI. (2) S. 495. 1862. \u2014 0. F. Meyer, Ann. d. Physik u. Chemie. N. F. IL S. 387. 1877.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Reibungsco\u00ebfficient d. Fl\u00fcssigkeiten, theoret. Herleit, von Poiseuille\u2019s Gesetz. 207\nIII. Beziehung zwischen Druckh\u00f6he und Stromgeschwindig-\nkeit hei weiten B\u00f6hren.\nDie fr\u00fcher mitgetheilten Formeln f\u00fcr das Gesetz von Poiseuille dr\u00fccken die Relation zwischen der Druckh\u00f6he 11 im Druckgef\u00e4ss und zwischen der Ausflussmenge oder der mittleren Geschwindigkeit aus. Es ist, da wir uns \u00fcber die Natur der Widerst\u00e4nde in weiten R\u00f6hren keine andere Vorstellung machen k\u00f6nnen, als die, welche wir eben keimen gelernt haben, noch nicht aufgekl\u00e4rt, warum das Gesetz von Poiseuille nur gilt, wenn die Dimensionen des Ausflussrohres, der Druck und die Temperatur gewisse Grenzen nicht \u00fcberschreiten.\nNeuman1 und Hagenbach2 haben unter bestimmten Annahmen auch das Gesetz f\u00fcr weite R\u00f6hren theoretisch zu entwickeln gesucht; sie wurden aber dabei auf Formeln gef\u00fchrt, welche durch die Erfahrung nicht best\u00e4tigt werden. Darum r\u00e4th Hagenbach sich in praxi an die empirischen Formeln der Hydrauliker zu halten.\nEs muss hier noch bemerkt werden, dass auch die Annahme, welche f\u00fcr die theoretische Herleitung des Gesetzes von Poiseuille gemacht wird, dass n\u00e4mlich die Str\u00f6mung der R\u00f6hrenwand parallel und geradlinig gerichtet ist, nur zu einer angen\u00e4herten Theorie3 f\u00fchrt. Wenn die Reibung der Grund f\u00fcr die Ver\u00e4nderung der Relation zwischen Geschwindigkeit und Druckh\u00f6he ist, die nach dem ToRiOELLi\u2019schen Theorem also ohne Reibung\t9\nH= \u2014\n2 9\nsein m\u00fcsste, dann werden die in der Axe bewegten Fl\u00fcssigkeitstheilclien, welche weniger unter dem Einfluss der Reibung stehen, eine Geschwindigkeit besitzen, die sich der aus dem ToRiCELLi\u2019schen Theorem folgenden mehr ann\u00e4hert als die Geschwindigkeit der n\u00e4her an der Wand liegenden Theilchen. Es muss also auch der Druck im Innern des Rohres im Allgemeinen geringer sein als an der Wand und man muss annehmen, dass die Fl\u00fcssigkeit der Axe zustr\u00f6mt und dadurch ihre Geschwindigkeit vermehrt. Ein Theil der Fl\u00fcssigkeit sollte also mit gr\u00f6sserer Geschwindigkeit das Rohr verlassen als nach der Theorie der parallelen Geschwindigkeiten. Die empirisch bestimmte Ausflussgeschwindigkeit \u00fcbertrifft aber die theoretische nicht und somit muss noch ein weiteres nicht in Rechnung gezogenes compensatorisches Moment vorhanden sein.\nDass der Druck in den rascher bewegten Axenf\u00e4den eines Stromquerschnittes kleiner ist als in den Wandf\u00e4den, ist f\u00fcr weite R\u00f6hren durch Versuche von Darcy4 und Ludwig und Stefan5 nachgewiesen worden.\n1\tJacobson, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1861. S. 319.\n2\tHagenbach a. a. 0.\n3\tVgl. 0. E. Meyer, Ann. d. Physik. 1860. CXIII. S. 420 \u2014 421. \u2014 Cerajdini, Mechanismus der halbmondf\u00f6rmigen Herzklappen. S. 46 u. fg. Leipzig 1872.\n4\tDarcy, Memoir, de F Acad. des sciences des div. sav. XV. p. 141. 1857.\n5\tLudwig u. Stefan, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. XXXII. S. 25. 1858.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc.\nWir m\u00fcssen darauf verzichten die \u00e4lteren empirischen Formeln der Hydrauliker (Bossut1, Dubuat'2, Gerstner3, Prony4 u. A.) hier anzuf\u00fchren. Theilweise fussend auf Darcy\u2019s5 Untersuchungen hat Hagen6 7 8 auf Grund seiner Versuche als besten Ausdruck zur Darstellung der Abh\u00e4ngigkeit der Widerstandsh\u00f6he f\u00fcr die Einheit der Rohrl\u00e4nge (7) den folgenden gefunden\tv2\tv\n......\t-J- b \u20147\u00cf\nw\na\nd 1 ~ d2\nworin a und b zwei Constanten, die nicht merklich abh\u00e4ngig vom Materiale der R\u00f6hrenwand sind; d den Durchmesser der R\u00f6hre bedeuten.\nEine befriedigende Definition der Co\u00ebfficienten a und b ist nicht zu geben. Es ist aber ersichtlich, wie der Widerstand mit der Stromgeschwindigkeit zunimmt. Wir fanden oben\nv-\t( y2\tv \\\nH=h-\\-h es ist also H= -\u2014f- / a-\u2014{-b \u2014\n2\tg\t\\d\td2J\nWegen der Ver\u00e4nderlichkeit des Verh\u00e4ltnisses h : hx sind H:h und H:h{ keine constanten Gr\u00f6ssen, h nimmt zu wie das Quadrat der Geschwindigkeit, /z, weniger rasch, darum steigt H\\hx mit H, w\u00e4hrend H : h sich umgekehrt verh\u00e4lt, wie Donders\" gegen\u00fcber Volkmanns, der andere Erfahrungen gemacht haben wollte, vertheidigte.\nIV. Der Strom in gebogenen R\u00f6hren.\nIst ein Rohr durch welches sich ein Strom bewegt gekr\u00fcmmt oder knief\u00f6rmig gebogen, so \u00fcbt die Fl\u00fcssigkeit, welche zu Folge der Tr\u00e4gheit ihre geradlinige Richtung beizubehalten sucht, auf den der Richtung\nFig. 11.\nWirbels contrahirt. Es wird durch Verlust an bewegender Kraft beding Der durch die Biegung gesetzte Verh\u00e4ltnissen um so gr\u00f6sser, je meh\ndes Stromes entgegengekehrten Tlieil der Wand (der \u00e4usseren Convexit\u00e4t entsprechender Wandtheil) einen Stoss aus, w\u00e4hrend sie von dem gegen\u00fcberliegenden Theil der Wand sich abzul\u00f6sen sucht; an dem letzteren entsteht bis zu der Stelle, wo die Fl\u00fcssigkeit sich wieder regelm\u00e4ssig an die Wand anlegt, ein Wirbel und der Strom erscheint um den Betrag dieses diesen besonderen Widerstand ein t.\nWiderstand ist unter sonst gleichen r der Strom durch die Biegung aus\n1\tBossut, Trait\u00e9 \u00e9l\u00e9ment, d\u2019hydrodynam. Paris 1775.\n2\tDubuat, Princip d\u2019hydraul. n. e. Paris 1786.\n3\tGerstner, Gilbert\u2019s Ann. V. S. 160. 1800.\n4\tProny, Recherch. phys.-math\u00e9mat. sur la th\u00e9or. des eaux courant. Paris 1804.\n5\tDarcy a. a. O. ; Les fontain. publiques de la ville Dijon. Paris 1856.\n6\tHagen, Abh. d. Berliner Acad. 1869. math. Abh. S. 1.\n7\tDonders, Arch. f. d. holl\u00e4nd. Beitr. I. S. 60. 1857.\n8\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 23. Leipzig 1850.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Empirische Formel f\u00fcr weite R\u00f6hren. R\u00f6hrenbiegung, Verengerung etc. 209\nseiner Richtung abgelenkt wird. Man bezeichnet die H\u00e4lfte des Winkels abc Fig. 11, welchen die Axenrichtungen des Stromes vor und nach der Biegung mit einander einschliessen als Bricolwinkel abd \u2014 cbd Fig. 11. Eine Function dieses Winkels ist der durch die Biegung gesetzte Widerstand. Sie ist bei den Hydraulikern verschieden bestimmt, gew\u00f6hnlich ist der von der Biegung bedingte Widerstandsco\u00ebfficient gleich gesetzt der Summe der mit je einem empirischen Co\u00ebfficienten multiplicirten 2. und 4. Potenz des Sinus des Bricolwinkeis.1\nDas Druckgef\u00e4lle ist in solchen R\u00f6hren ober und unter der Biegung gleich steil. Oberhalb der Biegung ist aber der Druck in allen R\u00f6hrenquerschnitten h\u00f6her als ohne Biegung, an Stelle der Biegung f\u00e4llt der Druck pl\u00f6tzlich ab.\nY. Der Strom in Ungleichheiten R\u00f6hren.\nWir ^vollen zuerst die Folgen einer Verengerung eines einzelnen Querschnittes betrachten, und zwar Verengerung der Ausfluss\u00f6ffnung, Verengerung der Einfluss\u00f6ffnung und Verengerung im Verlauf des Rohres.\nEine Verengerung der Ausfluss\u00f6ffnung wird, wegen des Widerstandes, den sie setzt, Abnahme der Stromgeschwindigkeit, dagegen Zunahme des Druckes im Rohre zur Folge haben. Der Druck wird nach wie vor in gerader Linie, aber weniger steil von der Einfluss- gegen die Ausfluss-\u00d6ffnung hin abfallen. Da wegen der Coh\u00e4sion und Unzusammendr\u00fcckbarkeit der Fl\u00fcssigkeit durch jeden Querschnitt des Rohres in der Zeiteinheit dieselbe Menge Fl\u00fcssigkeit treten muss, so ist die empirisch bestimmte in Folge der Verengerung herabgesetzte Ausflussmenge in der Zeiteinheit\tA \u2014 n R2 v = n f2 vv\nd. h. ebensowohl gleich dem Product aus Querschnitt des Rohres und der im Rohre herrschenden Geschwindigkeit, als auch gleich dem Product aus Querschnitt der Ausfluss\u00f6ffnung mit der in dieser herrschenden Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit der Theilchen in der verengten Ausfluss\u00f6ffnung ist also gr\u00f6sser als jene im Rohre und zwar verhalten sich die Geschwindigkeiten umgekehrt proportional den Querschnitten.\nWird die Einfluss\u00f6ffnung verengt, so sinken Geschwindigkeit und Druck in der R\u00f6hre, was leicht begreiflich ist, wenn man bedenkt, dass die Fl\u00fcssigkeit erst nach Ueberwindung des Widerstandes der verengten Stelle in das Rohr gelangt.\nTrifft die Verengerung einen Querschnitt im Verlauf des Rohres, so sinkt die Geschwindigkeit ober- und unterhalb der Verengerung gleich -m\u00e4ssig, der Druck dagegen steigt ober- und f\u00e4llt unterhalb der Verengerung. Das Druckgef\u00e4lle sinkt ober- und unterhalb der Verengerung mit gleicher Steilheit aber weniger steil ab als in dem Rohre ohne Verengerung, und zeigt an Stelle der Verengerung einen sprungweisen pl\u00f6tzlichen Abfall.\nIst eine R\u00f6hre aus ungleichweiten Abschnitten zusammengesetzt, so ist die Geschwindigkeit in den einzelnen Abschnitten verschieden, und\n] Weissbach, Die Experimentalhydraulik. S. 149. Freiberg 1855. Handbuch der Physiologie. Bd. IV.\t14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc.\nzwar ist die Geschwindigkeit, da wieder in der Zeiteinheit durch alle Querschnitte dieselbe Menge Fl\u00fcssigkeit treten muss, in den einzelnen Abschnitten umgekehrt proportional den Querschnitten.\nEs ist klar, dass bei einer aus ungleichweiten Abschnitten zusammengesetzten R\u00f6hre eben so wie bei einer gleichweiten R\u00f6hre durch die Widerst\u00e4nde fortw\u00e4hrend bewegende Kraft aufgebraucht werden muss. In jedem der ungleichweiten Abschnitte f\u00e4llt der Druck von dem der Einfluss\u00f6ffnung n\u00e4heren Ende gegen das der Ausfluss\u00f6ffnung n\u00e4here Ende hin geradlinig ab (Fig. 12). Das Druckgef\u00e4lle ist am steilsten in dem\nFig. 12.\nengsten Abschnitt, am wenigsten steil in dem weitesten Abschnitt der R\u00f6hre. An den Uebergangsstellen der ungleichweiten Abschnitte in einander erleidet die Druckcurve pl\u00f6tzliche sprungweise Aenderungen. Diese entsprechen dort entstehenden Wirbeln, welche einen besonderen Kraftverbrauch bedingen. Sie entstehen durch die Convergenz der Stromf\u00e4den beim Uebergang des; Stromes aus einer Erweiterung in eine Verengerung oder durch die Cro\u00bbv\u20acrJeliz der Stromf\u00e4den bei dem Uebergang aus einer Verengerung in eine Erweiterung und umgeben den in beiden\nFig. 13.\nF\u00e4llen im erweiterten Abschnitte liegenden durch die Abweichung der Stromf\u00e4den aus der conaxialen Richtung gebildeten Stromkegel.(Fig. 13).\nBeim Uebergange eines engeren Abschnittes in einen weiteren beobachtete Volkmann1, wenn auf den erweiterten Abschnitt wieder ein\n1 Volkmann, H\u00e4modynamik. S. 43. Leipzig 1850.","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"R\u00f6hren mit ungleich weiten Abschnitten, Verzweigung mit Erweiterung. 211\nverengerter folgte, dass der Druck im weiteren R\u00f6hrenabschnitte pl\u00f6tzlich h\u00f6her wurde als am Ende des vorausgehenden engeren Abschnittes. Er bezeichnete diese Erscheinung als negative Stauung.\nZur Erkl\u00e4rung derselben wies Donders1 darauf hin, dass Druck und Geschwindigkeit der bewegten Fl\u00fcssigkeit nur zwei besondere Erscheinungsweisen der auf die Fl\u00fcssigkeit wirkenden bewegenden Kraft sind und dass, wenn die Geschwindigkeit im erweiterten R\u00f6hrenabschnitte abnimmt, der Druck verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig zunehmen muss. Nur die Summe der Geschwindigkeits- und Widerstandsh\u00f6he muss in jedem folgenden R\u00f6hrenabschnitt kleiner sein als im vorausgehenden. In Versuchen von Jacobson2, bei welchen der Strom aus einer engen R\u00f6hre in eine weite und dann frei austrat, fehlte die negative Stauung auch dann, wenn die Ausfluss\u00f6ffnung verengert wurde und Jacobson macht darauf aufmerksam, dass die Bemerkung von Donders nur dann zutrifft, wenn beim Ueber-gang der Fl\u00fcssigkeit aus dem engen in den weiten Abschnitt nicht ein besonderer Verlust an bewegender Kraft vorkommt. Ein solcher komme aber eben bei pl\u00f6tzlicher Erweiterung der Strombahn vor. Weder Versuch noch Rechnung haben aber bisher die m\u00f6glichen Resultate der hier wirkenden compensatorischen Momente gen\u00fcgend festgestellt.\nYI. Der Strom in verzweigten R\u00f6hren.\nAuch \u00fcber die Str\u00f6mung in verzweigten R\u00f6hren sind unsere Kenntnisse noch sehr mangelhaft. Wenn eine Verzweigung der Strombahn eintritt und diese also beschaffen ist, dass die Summe der Querschnitte der Zweigleitungen gr\u00f6sser ist, als der Querschnitt der Stammleitung und es treten die Zweige wieder in derselben Weise wie sie entstanden sind in ein gemeinsames Abschlussrohr zusammen, so entspricht dieser f\u00fcr die Verh\u00e4ltnisse der Bahnen des Kreislaufs hervorzuhebende Fall zun\u00e4chst dem schon behandelten Falle eines zwischen zwei verengten R\u00f6hrenabschnitten gelegenen erweiterten R\u00f6hrenabschnittes und gilt hier f\u00fcr die mittlere Geschwindigkeit in den einzelnen Querschnitten des Systems wieder, dass die Geschwindigkeit umgekehrt proportional ist dem Querschnitt, worunter f\u00fcr den verzweigten Theil die Summe der Querschnitte der einzelnen Zweige zu verstehen ist. Es muss n\u00e4mlich hier wie bei der einfachen Erweiterung in der Zeiteinheit durch jeden Querschnitt dieselbe Menge Fl\u00fcssigkeit treten. Vergleicht man aber die Erweiterung der Strombahn durch Verzweigung mit einer einfachen Erweiterung, so ergiebt sich f\u00fcr die erstere, dass die Reibungswiderst\u00e4nde bei derselben wegen der Vergr\u00d6sserung der Ber\u00fchrungsfl\u00e4che zwischen Fl\u00fcssigkeit und Rohrwand vergr\u00f6ssert sind. Auf je mehr einzelne Zweige sich eine bestimmte Erweiterung der Strombahn vertheilt, desto gr\u00f6sser wird der durch die Reibung gesetzte Widerstand. Die Erweiterung der Strombahn f\u00fcr sich beschleunigt den Strom, tritt die gleiche Erweiterung auf unter gleichzeitiger Verzweigung der Strombahn, so wird die Beschleu-\n1\tDonders, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1856. S. 433.\n2\tJacobson, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1862. S. 683.\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc.\nnigung geringer sein, zerf\u00e4llt die Strombahn w\u00e4hrend die Erweiterung gleich bleibt in sehr viele, sehr d\u00fcnne Stromzweige, dann wird wegen der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig grossen Zunahme der die Reibung bestimmenden Oberfl\u00e4che eine Verz\u00f6gerung des Stromes eintreten. Im letzteren Falle wird aber dann durch Vermehrung der Anzahl der Stromzweige (Erweiterung der Strombahn durch Vermehrung der Abfuhrwege) wieder eine Beschleunigung des Stromes zu erzielen sein. Die Grenzen der beschleunigenden und verz\u00f6gernden Wirkung der Stromverzweigung sind noch g\u00e4nzlich unbekannt. Eine geringe Anzahl von Versuchen, welche Volkmann1 \u00fcber die Str\u00f6mung in Systemen verzweigter R\u00f6hren anstellte, lassen nur eine sehr beschr\u00e4nkte Anwendung auf den Organismus zu. Jacobson2 stellte mittelst eines besonderen Apparates das Folgende fest.\nGeht von einem geradlinig verlaufenden Rohre in dessen Mitte ein gleichweites Rohr von der halben L\u00e4nge des Hauptrohres unter einem bestimmten Winkel ab, so ist die Summe der in gleichen Zeiten aus beiden Enden erhaltenen Ausflussmengen, also auch die Summe der mittleren Geschwindigkeiten bei gleichem Drucke unabh\u00e4ngig von der Gr\u00f6sse des Theilungswinkels. Je gr\u00f6sser der letztere ist, desto kleiner wird das Verh\u00e4ltnis der Geschwindigkeit des Ausflusses aus dem geradlinigen Rohre zur Geschwindigkeit des Ausflusses aus dem Seitenrohre.\nDas Gesetz f\u00fcr den Zusammenhang der Geschwindigkeit im Seitenrohre mit der Gr\u00f6sse des Theilungswinkels konnte nicht genau festgestellt werden.\nDis Ausflussmenge aus dem geraden Rohre allein ist kleiner als die Ausflussmenge aus geradem Rohre und Seitenrohre zusammen. Die Er\u00f6ffnung des Seitenrohres ist um so weniger wirksam, das Verh\u00e4ltniss beider Ausflussmengen n\u00e4hert sich um so mehr der Einheit, je gr\u00f6sser der Theilungswinkel ist. Bei gleichem Theilungswinkel ist jenes Verh\u00e4ltniss um so n\u00e4her der Einheit, je niedriger der Druck ist.\nBei Erweiterung der Strombahn durch Er\u00f6ffnung des Seitenrohres sinkt der Druck im Hauptrohre.\nBei derselben R\u00f6hrencombination trat, wenn sie dreitheilig verzweigt wurde und alle drei Schenkel fl\u00f6ssen, eine bedeutende Erniedrigung des Druckes ein. Der Druck war im Stammrohre niedriger als in der geradlinigen Fortsetzung nach der Theilung (negative Stauung Volkmann\u2019s), eine Erscheinung, welche bei der Zweitheilung nicht beobachtet, wurde. In den Seitenr\u00f6hren war der Druck gleich, wenn beide rechtwinklig vom Hauptrohre abgingen. Er stieg, wenn der Theilungswinkel f\u00fcr das eine Seitenrohr kleiner wurde, w\u00e4hrend er in dem anderen Seitenrohre, f\u00fcr welches der Theilungswinkel gr\u00f6sser war, sank.\nVII. Der Strom in elastischen R\u00f6hren.\n1. Continuirlich.es Ausjliessen bei periodischem Ein\u00dfiessen.\nBesitzt eine R\u00f6hre, in welche Fl\u00fcssigkeit unter dem Druck einer Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule von bestimmter H\u00f6he eingetrieben wird, keine starren,\n1\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 54. Leipzig 1850.\n2\tJacobson, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1860. S. 100.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Verzweigtes Abflussrohr ; contin. Ausfliessen bei period. Einfliessen etc. 215\nsondern elastische Wandungen, so wird dieselbe gedehnt werden, so lange bis sich die elastischen Kr\u00e4fte der Rohrwand mit dem Seitendruck, welchen die Fl\u00fcssigkeit auf dieselbe aus\u00fcbt, ins Gleichgewicht gesetzt haben. Bleibt dann das Niveau im Beh\u00e4lter constant, so \u00e4ndert sich nichts mehr an dem Vorg\u00e4nge und dieser gleicht vollkommen demjenigen in einer starren R\u00f6hre von der L\u00e4nge und dem Durchmesser des gedehnten Schlauches vorausgesetzt, dass dieselbe Fl\u00fcssigkeit bei derselben Temperatur str\u00f6mt und in beiden F\u00e4llen die Rohrwand benetzt wird.\nAnders als ein starres Rohr verh\u00e4lt sich ein elastisches, wenn die t Bissigkeit nicht continuirlich aus dem Reservoir eingetrieben wird, sondern periodisch.\nIm letzteren Falle findet beim starren Rohre auch ein periodisches Ausfliessen statt, da dasselbe Quantum Fl\u00fcssigkeit, welches unter einem bestimmten Druck in den Anfang der R\u00f6hre hineingetrieben wird, aus dem Ende der R\u00f6hre herausgelangen muss.\nBei einem elastischen Rohre dagegen wird die Kraft, welche w\u00e4hrend des Einstr\u00f6mens auf die Wandungen des elastischen Schlauches \u00fcbertragen wurde und diese ausdehnte nach dem Aufh\u00f6ren des Einstr\u00f6mens, wieder zur\u00fcck auf die Fl\u00fcssigkeit \u00fcbertragen, da die fr\u00fcher gedehnten Wandungen in ihre Gleichgewichtslage zur\u00fcckzukehren streben. Es wird jetzt trotz des unterbrochenen Einstr\u00f6mens noch eine Weile Fl\u00fcssigkeit aus dem Schlauche ausstr\u00f6men. Sind die Perioden des Einstr\u00f6mens kurz und folgen dieselben durch ebenfalls kurze Perioden der Unterbrechung getrennt, mit einer gewissen Geschwindigkeit, auf einander, so kann unter gewissen Bedingungen trotz des periodischen Einfliessens ein ununterbrochenes und nur periodisch beschleunigtes und wieder verz\u00f6gertes Ausfliessen erfolgen. Die Bedingungen f\u00fcr diese Erscheinung sind gegeben durch die Geschwindigkeit, mit welcher die Unterbrechungen des Einfliessens aufeinander folgen, durch die Dimensionen des Schlauches, durch den Widerstand, welchen die Durchbewegung der Fl\u00fcssigkeit durch den Schlauch findet, durch den Elasticit\u00e4tscoefficienten der Schlauch wand.\nDie Dimensionen des Schlauches kommen in Betracht, in sofern die Widerst\u00e4nde und die Ger\u00e4umigkeit von denselben abh\u00e4ngig sind. Ein langer Schlauch von geringem Querschnitt bedingt einen h\u00f6heren Druck als eiii kurzer Schlauch von grossem Querschnitt; im ersteren Falle wird der Ausfluss den Einfluss l\u00e4nger \u00fcberdauern als im letzteren Falle.\nAnders verh\u00e4lt es sich, wenn ein weiter Schlauch an der Ausfluss-\u00d6ffnung verengert wird. Dann wird sich wegen des besonderen Widerstandes an der Ausfluss\u00f6fFnung der Schlauch vorerst unter h\u00f6herem Drucke f\u00fcllen, w\u00e4hrend nur eine geringe Menge aus seinem Ende ausfliesst und eine im Vergleich zum Schlauchinhalte kleine Fl\u00fcssigkeitsmenge wird sofort die w\u00e4hrend der Unterbrechung des Zuflusses etwas gesunkene Spannung im Schlauche wieder herstellen. Das letztere wird um so vollkommener geschehen, je gr\u00f6sser der Elasticit\u00e4tscoefficient der Schlauchwand ist. Erfolgt unter diesen Umst\u00e4nden das periodische Einfliessen in kurzen Intervallen, so kann, w\u00e4hrend eine bestimmte mittlere Spannung im Schlauche unterhalten bleibt, trotz des periodischen Einfliessens ein","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214 Rollett. Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc.\nsehr gleichm\u00e4ssiges Ausfliessen stattfinden. Marey1 hat einen sehr guten Versuch zur Demonstration des unterbrochenen Ausflusses aus starren und des continuirlichen Ausflusses aus elastischen R\u00f6hren bei periodischem Einfliessen angegeben. Er verbindet mittelst eines Hahnes und darauffolgenden Gabelrohres zwei gleichweite R\u00f6hren, von welchen die eine starr, die andere elastisch ist. In der letzteren ist am Anf\u00e4nge ein Ventil enthalten, welches nur in der Richtung vom Druckgef\u00e4ss zur Ausfluss\u00f6ffnung sich \u00f6ffnet. Die M\u00fcndungen beider horizontal neben einander liegender R\u00f6hren werden durch passende Pfropfen verengt. Bewegt man nun den Hahn im bestimmten Tempo auf und zu, so sieht man aus dem elastischen Rohre die Fl\u00fcssigkeit im ununterbrochenen Strahle ausfliessen, w\u00e4hrend beim starren Rohre das Ausfliessen nur so lange w\u00e4hrt, als das Einfliessen. Wir werden sehen, dass der gleichm\u00e4ssige Abfluss des Blutes aus den Arterien trotz der periodischen Th\u00e4tigkeit des Herzens auf eine Realisirung der angef\u00fchrten Bedingungen in der Anlage der Kreislaufsorgane zur\u00fcckzuf\u00fchren ist.\n2. Die prim\u00e4re Welle in elastischen Schl\u00e4uchen.\nWir haben, um den Einfluss der Elasticit\u00e4t der Schlauchwand auf die Continuit\u00e4t des Ausflusses zu zeigen, in der vorausgehenden Darstellung, wenn das auch nicht direct hervorgehoben wurde, die Annahme gemacht, als ob in der elastischen R\u00f6hre, wenn Fl\u00fcssigkeit eingetrieben wird, einestheils die Fl\u00fcssigkeit als Ganzes bewegt, anderntheils die Wand als Ganzes gespannt w\u00fcrde. Das entspricht aber in Wirklichkeit dem Vorg\u00e4nge in elastischen R\u00f6hren nur theilweise. Eine wichtige Erscheinung, welche sich mit dem intermittirenden Einfluss bei elastischen Schl\u00e4uchen unzertrennlich verkn\u00fcpft, die Wellenbewegung2, m\u00fcssen wir jetzt n\u00e4her betrachten.\nSie beruht darauf, dass in einem gef\u00fcllten elastischen Schlauch, wenn eine bestimmte Menge Fl\u00fcssigkeit neu hineingepresst wird, ein von der Richtung parallel zur Schlauchaxe abweichender Bewegungsvorgang der kleinsten Theilchen mit einer gewissen Geschwindigkeit successive von Querschnitt zu Querschnitt sich fortpflanzt, so dass nach einer bestimmten Zeit die Fl\u00fcssigkeitstheilchen in weiter entfernten Querschnitten in denselben Bewegungsphasen sich befinden wie vorausgehend die Fl\u00fcssigkeitstheilchen in den n\u00e4heren Querschnitten. An dem Schlauche selbst kommt die complicirte Bewegung der Fl\u00fcssigkeitstheilchen, wenn die Fl\u00fcssigkeit mit anfangs zu- dann abnehmender Geschwindigkeit in den\n1\tMarey. Annal, des scienc. nat. zoolog. VIII. p. 337. 1857 ; Physiol, m\u00e9d. de la circul. p. 128. Paris 1863.\n2\tVgl. E. H. u. W. Weber, Wellenlehre auf Versuche gegr\u00fcndet. Leipzig 1825 : E. H. Weber. Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-naturw. Cl. I. S. 164. 1850 ; Arch. f. Anat. u. Physiol. 1851. S.497 ; 1853. S. 156. \u2014 Volkmann, H\u00e4modynamik. S. 80. Leipzig 1850. \u2014 Donders, Physiol, d. Menschen. 2. Aufl. S. 74. 1859. \u2014 Ludwig. Lelirb. d. Physiol. 2. Aufl. IL S. 67. Leipzig u. Heidelberg 1861. \u2014 Fick, Med. Physik. 2. Aufl. S. 101. Braunschweig 1866. \u2014 Landois, Lehre vom Arterienpuls. S.96. Berlin 1872. \u2014 Marey, Travaux du lab. p. 87. 1875. \u2014 Moens. Die Pulscurve. Leiden 1878.","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Prim\u00e4re Schlauchwelle in elastischen Schl\u00e4uchen.\n215\nSchlauch getrieben wird, durch einen Vorgang zum Ausdruck, welcher in der Art veranschaulicht werden kann, wie die Fig. 14 zeigt.\nAB sei ein elastischer Schlauch, dessen Wandungen sich vor dem Eintreiben der Fl\u00fcssigkeit in der Ruhelage 00,00 befinden. Wir denken uns denselben durch eine Reihe gleichweit abstehender Querschnitte\nden Abst\u00e4nden 0 \u2014 \u2014 X--------X------X \u2014 \u2014 X \u2014 \u2014 X \u2014 X entsprechend\n6\t3\t2\t3\t6\tr\nin eine Anzahl von ringf\u00f6rmigen L\u00e4ngenelementen zerlegt. Dann wird\n0 y6x 73/\t72 x y3 x 5/6x x\nFig. 14.\nin Folge des Eintrittes der Fl\u00fcssigkeit der Schlauch zun\u00e4chst im Querschnitt 0 ein wenig gedehnt und in einem darauf folgenden sehr kleinen Zeittheilchen der n\u00e4chstfolgende Querschnitt, w\u00e4hrend der Querschnitt 0 sich noch weiter ausdehnt. Nach Ablauf einer bestimmten Zeit t sei nun das Wandtheilchen a des ersten Querschnittes in der Lage 1 angelangt, w\u00e4hrend das Wandtheilchen b sich noch in der Lage 0 befindet. Dann wird das zwischen 0 und \u2014 X liegende Schlauchst\u00fcck nicht\n6\nmehr die Form ab ab, sondern die Form lb lb besitzen. In der darauf folgenden Zeit t, w\u00e4hrend welcher der Zufluss fortdauert, wird dann das Wandtheilchen a in die Lage 2, das Wandtheilchen b in die Lage 1 gelangen, w\u00e4hrend das Wandtheilchen c sich noch in der Lage 0 befindet. Der Schlauch wird in seinem Anfangstheile statt der Form ac ac die Form 2c 2c besitzen. In der darauf folgenden Zeit t wird die Form des Schlauches 3 cl 3 cl sein. In der Lage 3 habe aber das Wandtheilchen a das Maximum der Ausweichung erreicht, dann wird es in der darauf folgenden Zeit t in die Lage 2 zur\u00fcckkehren, w\u00e4hrend das Wandtheilchen b ins Maximum der Ausweichung tritt, c in der Lage 2, cl in der Lage 1 und e in der Lage 0 sich befindet. Die Form des Anfangs-theiles des Schlauches wird dann sein 2 3 e 2 3 e, nach abermals zwei Zeittheilchen t ist aber a in die Lage 0 zur\u00fcckgekehrt, d befindet sich im Maximum der Ausweichung und das Wandtheilchen g noch in der Lage 0. Die Form des Schlauches ist dann a3g a3g. W\u00e4hrend also a einmal aus seiner Gleichgewichtslage ins Maximum der Ausweichung gelangte und daraus wieder in die Gleichgewichtslage zur\u00fcckkehrte hat sich der ganze Bewegungsvorgang \u00fcber die L\u00e4nge X fortgepflanzt, mit andern Worten, es hat sich eine Schlauchwelle von der Wellenl\u00e4nge X gebildet und unsere","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc.\nQuerschnitte zerlegen den Schlauch in Elemente von Wellenl\u00e4nge. So wie aber diese Welle im Anfangstheil des Schlauches sich gebildet hat, eben so schreitet sie \u00fcber die ganze L\u00e4nge des Schlauches fort. Erfolgt in dem Moment, wo a aus dem Maximum der Ausweichung wieder in die Gleichgewichtslage zur\u00fcckgekehrt ist, von neuem der Einfluss einer bestimmten Menge Fl\u00fcssigkeit unter denselben Bedingungen, so folgt der ersten Welle eine zweite nach u. s. f.\nEine Welle wie die dargestellte bezeichnet man als Spannungswelle oder positive Welle zum Unterschiede von der Entspannungswelle oder negativen Welle, welche in ganz \u00e4hnlicher Weise entsteht und fortschreitet, wenn man anstatt eine bestimmte Menge Fl\u00fcssigkeit in den Schlauch einzutreiben, eine bestimmte Menge Fl\u00fcssigkeit aus dem Ende des Schlauches heraus saugt. Es ist nach der gegebenen Darstellung auch klar, dass die Schlauchwelle veranlasst wird, durch den Druck, welchen die bewegte Fl\u00fcssigkeit auf die Wand aus\u00fcbt, die dadurch gespannt wird und durch die R\u00fcckwirkung, welche der gespannte Theil der Wand auf die Fl\u00fcssigkeit aus\u00fcbt, die dadurch wieder die Ausdehnung des n\u00e4chsten Querschnittes hervorbringt u. s. f. Die Formver\u00e4nderung des Schlauches ist nur eine Folge der Bewegung der Fl\u00fcssigkeitstheilchen, der wir fr\u00fcher gedacht haben. Die Welle schreitet mit sehr grosser Geschwindigkeit fort, wie wir sehen werden. Ueber reflectirte prim\u00e4re Wellen folgen Bemerkungen an den geeigneten Orten.\nS. Die secund\u00e4ren Wellen in elastischen Schl\u00e4uchen.\nAusser der eben beschriebenen prim\u00e4ren Welle kommen beim rhythmischen Einfliessen von Fl\u00fcssigkeit in elastische Schl\u00e4uche noch secun-d\u00e4re Wellen zu Stande, welche Landois 1 schon vor l\u00e4ngerer Zeit experimentell zu untersuchen anfing und zu deuten unternahm, \u00fcber welche wir aber erst neuerlich durch Moens1 2 gr\u00fcndlicher aufgekl\u00e4rt wurden.\nWenn in einer starren R\u00f6hre ein von einem Druekgef\u00e4sse unterhaltener Strom durch einen nahe am Druckgef\u00e4ss befindlichen Hahn pl\u00f6tzlich unterbrochen wird, so entsteht wegen der Tr\u00e4gheit der Fl\u00fcssigkeit am Hahne ein aspirirender Raum, der einen R\u00fcckstoss bewirkt. Befindet sich aber irgend wo im Verlauf der starren R\u00f6hre ein elastischer Factor, so entstehen beim Oeffnen und Schliessen des Hahnes Schwingungen der Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule, welche Moens als Scbliessungs- und Oeffnungsschwingun-gen bezeichnet. Es sei z. B. in Fig. 15 an der R\u00f6hre zwischen dem Druekgef\u00e4sse mit der Niveauh\u00f6he H und dem Druekgef\u00e4sse mit der Niveauh\u00f6he h nahe dem Hahn eine Luftglocke L angebracht, die oben in ein kleines an dem trichterf\u00f6rmig erweiterten Ende mit Kautschuck-membran verschlossenes R\u00f6hrchen \u00fcbergeht, das Ende dieses R\u00f6hrchens befindet sich in dem abgeschlossenen Raume T und dieser communicire mit der Registrirtrommel M. Wird der Hahn bei n pl\u00f6tzlich geschlossen, so erh\u00e4lt man eine Reihe von Schliessungsschwingungen, welche mittelst M\n1\tLandois, Lehre vom Arterienpuls. S. 109. Berlin 1672.\n2\tMoens, Die Pulscurve. Leiden 1678.","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Posit, u. negat. Welle. Schliessungsschwingungen in starren R\u00f6hren etc. 217\ngraphisch verzeichnet werden k\u00f6nnen. Dieselben erweisen sich als isochrone Schwingungen mit abnehmender Amplitude (einfache, ged\u00e4mpfte Pendelschwingungen). F\u00fcr ihre Schwingungsdauer gilt das Gesetz1\n\n1)\nworin \u00c2 die L\u00e4nge der R\u00f6hre, J das spec. Gewicht der Fl\u00fcssigkeit, k das Volumen der Luftkammer, co das Lumen der R\u00f6hre bedeuten, E\u2018 ist der Elasticit\u00e4tscoefficient der Luft.\nJ\nFig. 15.\nIst die Luftkammer im Verlauf der R\u00f6hre angebracht, so beobachtet man die Schliessungsschwingung nur an der Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule zwischen Luftkammer und Ausfluss\u00f6ffnung mit einer Dauer, die der L\u00e4nge der S\u00e4ule entspricht. Eine der letzteren gleiche Schwingungsdauer erh\u00e4lt man f\u00fcr eine an der Einfluss\u00f6ffnung aufgesetzte Luftkammer, wenn sich das Volumen (auf\n1 Nach der bekannten Formel f\u00fcr derartige Schwingungen ergiebt sich, wenn / die L\u00e4nge, d den Durchmesser, co das gleiche Lumen der starren R\u00f6hre und Luftglocke, J das spec. Gewicht der Fl\u00fcssigkeit und m die Masse der Wasser-\n'\tCO l/l '\n(\u00a3\nS\u00e4ule ( also m\n9\n^ , L die L\u00e4nge der Lufts\u00e4ule, k das Luftvolumen {k=coL)\\\nEl den Elasticit\u00e4tscoefficienten der Luft bedeutet,\nmL\nt=27i y\nund f\u00fcr m den obigen Werth gesetzt\nCO\nE'\n\nVH\n.\ta^er herausstellte, dass nicht das Lumen, sondern nur das Volumen\neinen Einfluss auf t gewinnt, ist in die im Texte aufgenommene Formel L) statt L\neingesetzt \u2014.","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc.\ndie Ein flu ss \u00d6ffnung reducirtes Luftvolumen)* 1 2 der letzteren zum Volumen de\u00e7 im Verlauf der R\u00f6hre angewendeten Luftkammer verh\u00e4lt, wie der Abstand der letzteren von der Ausfluss\u00f6ffnung zur ganzen Rohrl\u00e4nge. Wendet man mehr als eine Luftglocke an oder denkt man sich eine unendliche Anzahl solcher Luftglocken, so erh\u00e4lt man anfangs unregelm\u00e4ssige, sp\u00e4ter regelm\u00e4ssige Schliessungsschwingungen von einer Dauer, die einem reducirten Luftvolumen entspricht, welches gleich ist der Summe der reducirten Luftvolumina aller Luftglocken\n\nJk\n2 io E\n7X A\n2)\nAuf die Hauptschwingung sind aber hier kleinere Schwingungen aufgesetzt, welche besonderen Schwingungen der Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ulen zwischen je zwei Luftglocken entsprechen.\nWird an einer starren R\u00f6hre statt der Luftglocke nahe an der Einfluss\u00f6ffnung ein kurzes St\u00fcck einer elastischen Rohre angebracht, so er-giebt sich f\u00fcr die Dauer der Schliessungsschwingung das Gesetz\n2 71\n\ny o. Sff\nvx-\nzJLd\nu. E\n3)\nworin L die L\u00e4nge, d den Durchmesser a, die Wandst\u00e4rke und E den Elasticit\u00e4tscoefficienten der elastischen R\u00f6hre (bei einem bestimmten Druck) bedeuten, \u00c2 und z/ die fr\u00fchere Bedeutung haben. Der Ausdruck\nk\t1 Ld\n\u00ab E' yr.8x \u00b0E\nwelcher sich aus 1 und 3 ergiebt, wenn in beiden F\u00e4llen die gleiche Schwingungsdauer vorhanden sein soll, zeigt, dass beide F\u00e4lle mit R\u00fccksicht auf k und L entsprechend gemacht werden k\u00f6nnen. An Stelle des auf die Einfluss\u00f6ffnung reducirten Luftvolumens ergiebt sich dann in \u00e4hnlicher Weise f\u00fcr ein St\u00fcckchen elastischen Schlauches im Verlauf der starren R\u00f6hre die auf die Einfluss\u00f6ffnung reducirte L\u00e4nge und bei einer unendlichen Anzahl von elastischen Elementen, also f\u00fcr eine ganz elastische R\u00f6hre die Summe der auf die Einfluss\u00f6ffnung reducirten L\u00e4ngen. F\u00fcr die elastische R\u00f6hre erh\u00e4lt man aber dann\n/y*\n1\tWorin x den Abstand von der Ausfluss\u00f6ffnung bedeutet.\n2\tSind auf die starre R\u00f6hre von der L\u00e4nge X eine unendliche Anzahl Luftglocken von gleichem Volumen k Sx in gleichen, unendlich kleinen Entfernungen aufgesetzt, so ist der reducirte Werth f\u00fcr eine Luftglocke im Abstande x von\ncc\nder Ausfluss\u00f6ffnung \u2014 k S x und die Summe aller reducirten Luftvolumina \u00b0 /.\n\u00e2\nworaus sich\no\nK=\nkX\n9\n0\nergiebt und dieser Werth f\u00fcr k in Formel 1 gesetzt.\nergiebt die Formel 2.","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Dauer cl. Schliessungsschwingung u. Schliessungswellen in elast. Schl\u00e4uchen. 219\nIn einer starren R\u00f6hre mit einem elastischen Factor schwingt die Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule als Ganzes, wenn eine Schliessungsscliwingung entstellt, in einer elastischen R\u00f6hre tritt aber bei intermittirendem Einfluss der Fl\u00fcssigkeit die fr\u00fcher beschriebene Wellenbewegung auf, dadurch erhalten aber die Schliessungsschwingungen, welche in der elastischen R\u00f6hre auftreten, den Charakter von Wellen, welche sich mit der den Wellen eigenen Geschwindigkeit fortpflanzen. Moens nennt sie darum Schliessungswellen. Er f\u00fchrt zur Erl\u00e4uterung der Ursache ihres Entstehens noch an, dass im Augenblicke, wo die Schliessung des Hahnes erfolgt, die Fl\u00fcssigkeit sich zufolge der Tr\u00e4gheit und zufolge des von der Spannung der Wand abh\u00e4ngigen Druckes noch zur Ausfluss\u00d6ffhung hinbewegt. Dadurch wird der Inhalt der R\u00f6hre kleiner, das Lumen verengt sich auf der ganzen Schlauchl\u00e4nge, am meisten aber in der N\u00e4he der Einfluss-\u00f6flnung. Sind nun Kr\u00e4fte th\u00e4tig, welche der R\u00f6hre ihre urspr\u00fcngliche Gestalt wiederzugeben suchen, so wirkt auf die Fl\u00fcssigkeit in der R\u00f6hre gleichsam eine Aspiration, welche von der Einfluss\u00f6ffnung ausgeht, die R\u00f6hre f\u00fcllt sich wieder, dadurch entsteht wieder eine Spannung an der Einfluss\u00f6ffnung, diese treibt die Fl\u00fcssigkeit neuerdings zur Ausfluss\u00f6ffnung u. s. f. Diese hin- und hergehende Bewegung ist das Analogon der Schliessungsschwingungen in starren R\u00f6hren mit nur einem elastischen Factor, sie hat aber im elastischen Schlauche den Charakter von W eilen.\nSchliessungswellen entstehen nur in offenen R\u00f6hren. Es ergiebt sich aus dieser Erkl\u00e4rung von Moens auch der Unterschied seiner Auffassung von der, welche Landois von den von ihm so genannten R\u00fcckstosswellen giebt, die mit Moens1 2 Schliessungswellen identisch sind. Landois1 meinte, dass im Moment, wo der Einfluss unterbrochen wird, der elastische Schlauch von seinem Ende her zusammenzufallen beginnt, wodurch einerseits Fl\u00fcssigkeit in der Richtung des Stromes ausgetrieben, andererseits Fl\u00fcssigkeit gegen die verschlossene Einfluss\u00f6ffnung zur\u00fcckgetrieben wird. An der letzteren abprallend erzeuge sie eine Welle, welche der prim\u00e4ren nachschreitend als secund\u00e4re Welle auftrete. Nach Moens tritt dagegen das Zusammenfallen des Schlauches an der Einfluss\u00f6ffnung auf und durch das Bestreben des Schlauches wieder in seine urspr\u00fcngliche Form zur\u00fcckzukehren saugt derselbe etwas Fl\u00fcssigkeit zur\u00fcck, welche zu der von der verschlossenen Einfluss\u00f6ffnung ausgehenden secund\u00e4ren Welle Veranlassung giebt. Die secund\u00e4ren Wellen, welche Marey 2 untersuchte, haben dagegen nach Moens mit Schliessungswellen nichts zu thun, da in Marey\u2019s A ersuchen das Schlauchende geschlossen war und nur reflectirte prim\u00e4re Wellen erhalten wurden.\nAus der Formel 4 ergiebt sich, dass die Dauer der Schliessungswellen sich verh\u00e4lt wie die L\u00e4nge des elastischen Schlauches und wie die Quadratwurzel aus dem Durchmesser und aus specifischem Gewicht\n1\tLandois a. a. 0.\n2\tMarey a. a. 0.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc.\nder Fl\u00fcssigkeit, dagegen sich umgekehrt verh\u00e4lt wie die Quadratwurzel aus der Wanddicke und dem Elasticit\u00e4tscoefficienten. Mit Bezug auf X und zl l\u00e4sst die Formel eine leichte Pr\u00fcfung zu und Moens \u00fcberzeugte sich durch solche Versuche von ihrer Brauchbarkeit.\nF\u00fcr die H\u00f6he der Schliessungswelle findet Moens, dass dieselbe kleiner wird je n\u00e4her der Ausfluss\u00f6ffnung sie untersucht wird. Die H\u00f6he nimmt ferner zu mit der Druckdifferenz zwischen Ein- und Ausfluss\u00f6ffnung, mit der Hohe der prim\u00e4ren Welle. Von dem Durchmesser, der Wanddicke und dem Elasticit\u00e4tscoefficienten und von dem spec. Gewicht der Fl\u00fcssigkeit ist sie in derselben Weise abh\u00e4ngig wie die Dauer. Steigt der Druck im Schlauche, wobei der Durchmesser der R\u00f6hre zu-, die Wanddicke abnimmt, so beobachtet man, wenn der Elasticit\u00e4tscoefficient constant bleibt (Kautschukr\u00f6hre), eine Zunahme der H\u00f6he; ist dagegen der Elasticit\u00e4tsco\u00f6fficient ver\u00e4nderlich, nimmt er z. B. bei Steigerung des Druckes stark zu, wie das bei den Arterien der Fall ist (s. unten), so wird die H\u00f6he kleiner.\nAuch f\u00fcr ein System von verzweigten R\u00f6hren findet Moens, dass in dem Hauptrohre die gew\u00f6hnlichen Schliessungswellen vorhanden sind, aber alle Zweige des Systems \u00e4ussern darauf ihren Einfluss. Mittelst bestimmter empirischer Formeln gelingt es, f\u00fcr den Fall gleichbleibenden Elasticit\u00e4tsco\u00f6fficienten und gleicher Verh\u00e4ltnisse von Durchmesser und Wanddicke ein System von verzweigten Schl\u00e4uchen auf ein unverzweigtes Rohr zu reduciren. In den Zweigen sind aber ausser den gew\u00f6hnlichen Schliessungswellen noch stehende Wellen zu beobachten, da jeder solcher Zweig ein beiderseits offenes Rohr darstellt.\nIn Bezug auf die von Moens entdeckten Oeffnungswellen sehe man diesen1.\n4. Die Fortpjlanzvngs\u00e7feschwindigkeit der Wellen.\nWas die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Schlauchwellen betrifft, so wurden Messungen derselben vorgenommen von E. H. Weber2, Donders3, Marey4 und Moens5. F\u00fcr Kautschukschl\u00e4uche ergaben sich nach den Versuchen der drei erstgenannten Beobachter f\u00fcr Spannungswellen Fortpflanzungsgeschwindigkeiten zwischen 10 \u201418 Meter in der Secunde. Die Geschwindigkeit der negativen Wellen ist von jener der positiven unter gleichen Umst\u00e4nden nicht wesentlich verschieden (Donders).\nDie Methoden, welche zur Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit dienten, waren: Auflegen von F\u00fchlhebeln auf die Schl\u00e4uche und Bestimmung der Ausschlagszeit mit der Uhr (E. H. Weber) oder graphische Methoden unter Anwendung von selbstregistrirenden Manometern (Donders) oder von MAREY\u2019schen Trommeln (Marey, Moens). Eine besondere Einrichtung der Trommel (Explorateur de Ponde) und eine zweckm\u00e4ssige\n1\tMoens a. a. O. S. 3. 26. 113.\n2\tE. H. Weber u. Th. Weber, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1850. S. ITT.\n3\tDonders, Physiol, d. Menschen. 1859. S. TT.\n4\tMarey, Travaux du lab. 18T5. p. 8T.\n5\tMoens a. a. 0.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"H\u00f6he cler Schliessungswelle ; Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen etc. 221\nVerbindung\u2019 von 6 solchen Explorateuren mit eben so vielen Registrir-trommeln hat Marey beschrieben. Wir verweisen in Bezug auf diese Methoden auf das fr\u00fcher (S. 151 u. f.) Vorgebrachte und werden noch bei dem arteriellen Blutstrome n\u00e4her darauf eingehen. Die Geschwindigkeit der Fortpflanzung der Wellen in elastischen Schl\u00e4uchen ist also nicht unbedeutend und daraus ergiebt sich, dass die Wellenl\u00e4nge ebenfalls nicht unbetr\u00e4chtlich ist. Nimmt man an, dass das Eintreten von Fl\u00fcssigkeit in den elastischen Schlauch durch 1]a Secunde andauert, so ergeben sich bei der oben mitgetheilten Fortpflanzungsgeschwindigkeit Wellen von 3.33\u20146 Meter L\u00e4nge. Ueber die Abh\u00e4ngigkeit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen vom Druck der Fl\u00fcssigkeit, spec. Gewicht derselben, Elasticit\u00e2tsco\u00ebfficient und Dicke der Wandung und vom Durchmesser des Schlauches waren nur wenige und widersprechende Angaben vorhanden, bis Moens das Gesetz dieser Abh\u00e4ngigkeit in nachstehender Form1 ausdr\u00fcckte\nVp = 0.9\nworin E der Elasticit\u00e2tsco\u00ebfficient in Gramm p. 1 DCm., a die Wanddicke, d der Durchmesser der R\u00f6hre in Cm. und z/ das Gewicht in Gramm von 1 Ccm. der Fl\u00fcssigkeit bedeutet. Moens fand f\u00fcr Kautschukschl\u00e4uche, bei welchen E constant ist, berechnete und beobachtete Werthe der Fortpflanzungsgeschwindigkeit gut \u00fcbereinstimmend zwischen 12\u201416 Meter in der Secunde mit dem Druck wechselnd, da sich mit diesem a und d \u00e4ndern. F\u00fcr den Darm, dessen E variabel ist, ergab sich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit zwischen 2\u20149 Meter mit dem Druck betr\u00e4chtlich wechselnd, mit welchem hier E betr\u00e4chtlich steigt. F\u00fcr den Darm macht Moens auf eine Erscheinung aufmerksam, aus welcher er sp\u00e4ter f\u00fcr die Arterien, deren E ebenfalls mit dem Druck ver\u00e4nderlich ist, eine wichtige Folgerung zieht. Die Erscheinung wurde am Darm schon von E. H. & Theod. Weber beobachtet, die fanden, dass grosse Wellen sich rascher fort-\n1 Die Formel ist in der folgenden Weise abgeleitet. Ist Vp der Weg. den die Welle in einer Secunde macht und & die Zeit, welche sie braucht, um die L\u00e4nge X der R\u00f6hre zu durchlaufen, so ist\ny______\nTT\nDurch eine Reihe von Versuchen findet Moens das Verh\u00e4ltniss =- == 4.5. f\u00fcr\nxT\n4 \u2022 5\nalle R\u00f6hren constant also\t=\n\\T\tr\nwird der Werth von \u2014 in obige Gleichung gesetzt, so ergiebt sich\nVP =\n4 \u2022 5 /\nund nun in diese Gleichung den Werth von r nach Formel 4 eingesetzt, ergiebt\n- w* V-\nEa\n~Jd\n\noder","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc.\npflanzen als kleine. Moens erkl\u00e4rt diese Erscheinung durch die st\u00e4rkere Spannung, welche eine grosse Welle der Wand ertheilt, wodurch auch der Elasticit\u00e4tscoefficient gr\u00f6sser wird als bei niedrigen Wellen.\n5. E. II. Weber s Kreislaufsschema.\nEhe wir zu den Erscheinungen des Kreislaufs selbst \u00fcbergehen, wollen wir nun das von E. H. Weber1 aus elastischen Schl\u00e4uchen zusammengesetzte Schema des Kreislaufes kennen lernen, welches vortrefflich geeignet ist, einzelne Verh\u00e4ltnisse der Blutbewegung zu erl\u00e4utern.\nDasselbe hat mancherlei Modifikationen seiner urspr\u00fcnglichen Form erfahren. Wir wollen es in der durch die Fig. 16 dargestellte Form kennen lernen, welche sich in allen wesentlichen Theilen der Weber\u2019-sclien anschliesst.\nV \u2014\nDas kurze St\u00fcck Kautschukschlauch H stellt einen Herzventrikel dar. An der Ein- und Ausfluss\u00f6ffnung desselben sind Ventile angebracht, welche sich in der Richtung der Pfeile A und V \u00f6ffnen, in der entgegengesetzten Richtung schliessen. Jedes dieser Ventile r und r1 besteht aus zwei kurzen Glasr\u00f6hrchen, \"welche, wenn auf das innere engere R\u00f6hrchen ein kurzes Ende D\u00fcnndarm ddl mittelst F\u00e4den aufgebunden ist,^so ineinander gesteckt werden k\u00f6nnen, dass ein wasserdichter Ver-\n1 E. H. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1851. S. 497.","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Einrichtung des Kreislaufsschema von E. H. Weber.\n223\nSchluss zwischen den Glasr\u00f6hrchen zu Stande kommt. Denken wir uns Fl\u00fcssigkeit in der Richtung der Pfeile A und V durch die Ventile getrieben, so werden die aufgebundenen Darmst\u00fccke sich \u00d6ffnen und die Fl\u00fcssigkeit ohne Hinderniss hindurchtreten lassen. W\u00fcrde dagegen Fl\u00fcssigkeit aus der entgegengesetzten Richtung gegen die Ventile andringen, dann w\u00fcrde zuerst das schlaffe Darmst\u00fcck zusammenklappen. Bald darauf w\u00fcrde es aber in der den Pfeilen A und V entgegengesetzten Richtung in die Glasr\u00f6hrchen eingest\u00fclpt und umgeschlagen werden, wenn nicht, wie in der Figur 16 ersichtlich, an drei Puncten des freien Darmrandes F\u00e4den f und fx angekn\u00fcpft w\u00e4ren, welche gegen einen Knoten hin zusammenlaufen und von diesem aus wieder divergiren und um die R\u00e4nder des weiteren Glasr\u00f6hrchens geschlagen mittelst der auf dieses Glasr\u00f6hrchen aufgezogenen Kautschukschl\u00e4uche festgehalten w\u00fcrden. Diese F\u00e4den sind in Bezug auf ihre L\u00e4nge so abgepasst, dass sie zwar das Zuklappen des Darmes, nicht aber das Umst\u00fclpen desselben gestatten. Wir haben so zwei schlussf\u00e4hige R\u00f6hren- oder Schlauchventile erhalten, welche zugleich ein einfaches Schema der Atrioventricularklappen vorstellen. Auch die letzteren sind R\u00f6hren oder Schlauchventile, wie wir sahen; durch den Zerfall derselben in Zipfel ist gleichsam \u00fcberfl\u00fcssiges Material gespart und die sehnigen F\u00e4den, mit welchen sie sich verbinden, stellen die Analoga der F\u00e4den unseres k\u00fcnstlichen Ventiles dar. Die \u00fcbrigen Theile des Kreislaufsschemas sind leicht verst\u00e4ndlich; an das Ventil r ist ein den arteriellen Theil der Gef\u00e4sse darstellender Schlauch AAl gesteckt, an das Ventil r1 ein Schlauch V U,, der die Venen vorstellt; beide Schl\u00e4uche f\u00fchren in einander \u00fcber durch die Glasr\u00f6hre C, in welche ein Badeschwamm eingepresst ist. Der letztere ist bestimmt, der Bewegung der Fl\u00fcssigkeit durch das Rohr C einen grossen Widerstand entgegen zu setzen, wie ihn das Blut beim Uebergang aus den Arterien in die Venen erf\u00e4hrt. Am Anf\u00e4nge des arteriellen und am Ende des ven\u00f6sen Rohres ist je ein Druckmesser in den Schlauch eingesetzt D D\\\nWir denken uns nun das ganze R\u00f6hrensystem unter einem bestimmten Drucke mit Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt, der Stand der Niveaus in den Druckmessern ist dann in beiden derselbe in und n und die H\u00f6he der Fl\u00fcssigkeits\u00e4ulen in beiden Druckmessern misst die Spannung der ruhenden Fl\u00fcssigkeit in dem System.\nWird nun der Schlauch II in einem bestimmten Tempo abwechselnd zusammengedr\u00fcckt und wieder freigegeben, so sehen wir, dass das Gleichgewicht der Spannungen, welches fr\u00fcher vorhanden war, in bestimmter Weise gest\u00f6rt wird. Der Druck steigt fortw\u00e4hrend in I) und sinkt fortw\u00e4hrend in D\\ Das kommt erstens daher, dass II bei jedesmaligem Zusammendr\u00fccken sich durch r nach A entleert, w\u00e4hrend sich das Ventil rx schliesst, dass dagegen, sowie der Druck auf II aufh\u00f6rt, sich II von U durch A neu anf\u00fcllt, w\u00e4hrend das Ventil r sich schliesst; zweitens daher, dass wegen des grossen Widerstandes bei C und der Elasticit\u00e4t der Wandungen von AA' sich die Fl\u00fcssigkeit nicht in demselben Maasse als sie von","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 2. Cap. Hydraulische Einleitung etc.\nII nach A eingepumpt wird, auch wieder von AA1 durch C nach Vx V entleert.\nWenn nun so der Druck in AA1 steigt, muss derselbe in VXV begreiflich sinken, da die Fl\u00fcssigkeit, welche die vermehrte Spannung in AA1 zur Folge hat, von H dem Schlauche VVt entnommen wird. Setzen wir nun den Fall, dass sich der Druck in I) bis o erhoben h\u00e4tte, dass dagegen der Druck in I)x bis p gesunken w\u00e4re, und stellen wir jetzt die Th\u00e4tigkeit der Pumpe H ein, dann sehen wir, dass das Niveau der Fl\u00fcssigkeit in D zu sinken, in D1 dagegen zu steigen beginnt, und das dauert mit anfangs gr\u00f6sserer, dann immer kleinerer Geschwindigkeit so lange fort, bis die Niveaus der Fl\u00fcssigkeit in den beiden Druckmessern D und D1 wieder auf derselben H\u00f6he m und n stehen, wie vor der Th\u00e4tigkeit der Pumpe H. Offenbar sagt aber diese Beobachtung nichts anderes, als dass das durch die Th\u00e4tigkeit von H gest\u00f6rte Gleichgewicht der Spannungen sich wieder herstellt durch einen in der Richtung der Pfeile durch unser System sich bewegenden Fl\u00fcssigkeitsstrom, der anfangs eine gr\u00f6ssere und dann immer kleinere Geschwindigkeit besitzt, bis er in dem Moment gleich o wird, wo der Druck in I) und D1 derselbe geworden ist.\nDiese Strombewegung der Fl\u00fcssigkeit ist also offenbar durch die Druckdifferenz zwischen A und V bedingt, Ist diese Druckdifferenz gr\u00f6sser, so ist die Stromgeschwindigkeit gr\u00f6sser, wird die Druckdifferenz kleiner, so sinkt auch die Stromgeschwindigkeit.\nWir haben aber gesehen, dass die Druckdifferenz zwischen A und V durch die Th\u00e4tigkeit der Pumpe H erzeugt wurde. Hat diese Druckdifferenz einmal einen bestimmten Werth erreicht, dann gelingt es leicht den Rhythmus der Th\u00e4tigkeit von H so einzurichten, dass diese Druckdifferenz auf einer nahezu constanten H\u00f6he erhalten bleibt so lange II th\u00e4tig bleibt. H\u00e4tte sich z. B. in dieser Weise das Niveau in T) auf o in D1 auf p eingestellt, dann wissen wir nach dem fr\u00fcher Gesagten auch, dass, so lange diese Druckdifferenz erhalten bleibt, ein Strom von gleichbleibender Geschwindigkeit von A nach V sich bewegen muss. Mit anderen Worten die Spannungsdifferenz zwischen A und V muss, wenn dieser Beharrungszustand eingetreten ist, gerade gen\u00fcgen eben so viel Fl\u00fcssigkeit von A durch C nach V zu f\u00f6rdern, als die Pumpe U von V nach A bringt (vgl. oben S. 212 u. fg.). Es ist nun in der That die Aufgabe der Herzventrikel, die Druckdifferenz zwischen Arterien und Venen auf einer nahezu constanten H\u00f6he zu erhalten, und so wie in unserem Schema, ist auch beim Blutlauf die Strombewegung des Blutes auf diese Druckdifferenz zur\u00fcckzuf\u00fchren.","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Unterseheidung der Strom- und Wellenbewegung; Arterienwand. 225\nVon dieser Strombewegung der Fl\u00fcssigkeit verschieden ist ein anderer Bewegungsvorgang, welcher sich an dem Schema ebenfalls erl\u00e4utern l\u00e4sst, die Wellenbewegung. Jede von H nach A neu eingetriebene Fl\u00fcssigkeitsmenge hat in A eine nach C hin fortschreitende Spannungswelle, jede von H aus F herausgesaugte Fl\u00fcssigkeitsmenge eine von F nach C hin fortschreitende negative Welle zur Folge. Weder die positive noch die negative Welle pflanzen sich \u00fcber C hinaus fort.\nDiese Schlauchwellen k\u00f6nnen an dem Pulsiren der Fl\u00fcssigkeitniveaus o und p in D und D' durch den auf die Wand der Schl\u00e4uche aufgelegten Finger oder durch das Spiel von auf die Schlauchwand aufgelegten F\u00fchlhebeln wahrgenommen werden (vgl. dar\u00fcber oben S. 220).\nWir haben uns auf das beschr\u00e4nkt, was E. H. Weber\u2019s Kreislaufsschema zu erl\u00e4utern vermag und das ist vornehmlich die Ursache der Strombewegung und die Nothwendigkeit der Unterscheidung der Strom- und Wellenbewegung.\nAuf eine Discussion dessen, was das Schema von den im Organismus vorliegenden Verh\u00e4ltnissen nicht zu erl\u00e4utern vermag, hier einzugehen, halten wir f\u00fcr \u00fcberfl\u00fcssig. Modelle sind in der Regel nur im Stande, gewisse fundamentale Thatsachen zu erl\u00e4utern. Spricht man mehr von ihnen an, dann bringen sie leicht die Gefahr, unrichtige Vorstellungen zu erwecken. In der angef\u00fchrten Beschr\u00e4nkung ist E. H. Weber\u2019s Kreislaufsschema in seiner Einfachheit un\u00fcbertroffen und weit aus vorzuziehen sp\u00e4ter construirten complicirteren Schemen des Kreislaufs, z. B. jenem von Marey, welches namentlich in Bezug auf die Action des Herzens zu den unrichtigsten Vorstellungen Veranlassung zu geben geeignet ist.\nDRITTES CAPITEL.\nDer Blutstrom in den Arterien.\nI. Die wichtigsten Eigenschaften der Arterienwand.\nDie Arterien sind cylindrische R\u00f6hren, deren W\u00e4nde innen glatt und mit einer Lage von Endothelzellen \u00fcberkleidet sind. Sie bestehen aus mehreren \u00fcbereinander liegenden Gewebeschichten. Das wichtigste Gewebe, welches in den Bau der Arterienwand eingeht, sind die genetisch und histologisch so schwer definirbaren1 elastischen\n1 Vgl. His, Untersuchungen \u00fcber die erste Anlage des Wirbel thierleib es. S. 23. Leipzig 1868. \u2014 Ebner, Unters, aus dem Inst. f. Physiol, u. Histol. in Graz. S. 43. Leipzig 1870. \u2014 Roulett, Ebenda. S.134. 1871. \u2014 Schwalbe,Ztschr. f. Anat. u. Ent-wickl. IL S. 236. 1876.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\n15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nFasern, Fasernetze und Platten. Die Elasticit\u00e4t der Arterien erbringt, da die Th\u00e4tigkeit des Herzens periodisch erfolgt und sich dem Abfluss des Blutes aus den Arterien der grosse Widerstand der Capillaren entgegensetzt, f\u00fcr die Fortbewegung des Blutes jene Leistung, welche fr\u00fcher (S. 212) f\u00fcr die Wand eines elastischen Schlauches unter \u00e4hnlichen Bedingungen festgestellt wurde.\nE. H. Weber1 hat darum die elastische Wand der Arterien mit der im Windkessel der Feuerspritzen befindlichen Luft verglichen. Hier wie dort werde beim Drucke eines Pumpwerkes nicht nur Fl\u00fcssigkeit vorw\u00e4rts getrieben, sondern auch ein elastischer K\u00f6rper gespannt, welcher auf die Fl\u00fcssigkeit zu dr\u00fccken und sie auszutreiben fortf\u00e4hrt, w\u00e4hrend das Pumpwerk selbst nicht dr\u00fcckt.\nDas zweite wichtige Gewebe, welches in der Arterienwand vorkommt, ist das Muskelgewebe. Es wird aus glatten Muskelfasern (Muskelzellen) gebildet. In den grossen und mittleren Arterien kommen quer und l\u00e4ngs laufende Muskeln (Ebner2, Eberth3, Bardeleben4), in den kleinen und kleinsten ringf\u00f6rmig angeordnete Muskeln vor. Die M\u00e4chtigkeit der elastischen und muskul\u00f6sen Elemente ist immer correspondirend (Bardeleben). In vielen mittleren Arterien kommen Muskeln auch in der Adventitia vor (Remak5, Bardeleben). Die Zusammenordnung von Muskel, elastischen und Bindegewebsfasern ist sehr wechselnd, nicht nach dem Kaliber, wie man annahm, sondern nach der physiologischen Bedeutung der Arterien (Bardeleben). Der letztere hat einiges auf die topographische Histologie der Arterien bez\u00fcgliches Materiale mitgetheilt.\nDie Bedeutung der Muskeln der Arterien ist eine mehrfache. Auf die Bewegung des Blutes k\u00f6nnten sie nur dann einen Einfluss gewinnen, wenn sie sich rasch und in kurzen Perioden regelm\u00e4ssig zu-sammenziehen w\u00fcrden, das ist aber erfahrungsgem\u00e4ss nur local und ausnahmsweise der Fall. Gew\u00f6hnlich sind ihre Contractionen tonisch, und darauf beruht ihre Bedeutung vorzugsweise. Sie sind dadurch im Stande, eine von den elastischen Eigenschaften der Wand und dem Druck des Inhaltes und der Umgebung der Arterie bis zu einem gewissen Grade unabh\u00e4ngige Ver\u00e4nderung des Lumens der Arterie zu bedingen und wirken so bestimmend auf den Rauminhalt des arteriellen Syst\u00e8mes. Sie bewahren ferner die elastischen Elemente vor\n1\tE. H. Weber, Observ. anatom, et physiol. Prol. I. Lipsiae 1827 ; Hildebrandt\u2019s Anat. III. S. 70. Braunschweig 1831.\n2\tEbner a. a. 0.\n3\tEberth, Strieker\u2019s Gewebelehre. I. S. 196. Leipzig 1871.\n4\tBardeleben, Sitzgsber. d. Jena\u2019schen Ges. f. Med. u. Naturk. 1878. 10. Mai.\n5\tRemak, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1850. S. 89 u. fg.","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Elasticit\u00e4t und Contractilit\u00e4t, Elasticit\u00e4tscoefficient der Arterien.\n227\nbleibenden Dehnungen, welche eine dauernd hohe Belastung derselben zur Folge haben m\u00fcsste, dadurch, dass sie durch ihre zeitweise Contraction entlastend auf jene wirken. Die Elasticit\u00e4t und Contractilit\u00e4t sind also die zwei hervorragendsten Eigenschaften der Arterienwand.\nMessende Versuche \u00fcber Elasticit\u00e4t, Dehnbarkeit und Festigkeit der Arterienwand liegen nur f\u00fcr einzelne Arterien vor. F\u00fcr thierische Gewebe nehmen nach Wertheim1 die Dehnungen nicht proportional den Belastungen zu, wie bei starren organischen K\u00f6rpern, sondern in geringerem Maasse. Die Dehnungscurve hat nahezu eine hyperbolische Form und der Elasticit\u00e4tscoefficient ist mit der Belastung variabel2. Die Elasticit\u00e4t der Arterien folgt diesem Gesetze, welches aber keine allgemeine Giltigkeit besitzt (Bardeleben3).\nBestimmungen des Elasticit\u00e4tscoefficienten der Aorta vom Menschen und vom Schwein, der Carotis und Radialis und der Iliaca vom Schwein hat Moens4 ausgef\u00fclirt. Alle ergaben, dass der Elasticit\u00e4tscoefficient mit der Belastung bedeutend zunimmt. Bei der menschlichen Aorta fand Moens den Elasticit\u00e4tscoefficienten in der Quer- und L\u00e4ngsrichtung f\u00fcr dieselbe Belastung gleich. Als Beispiel theilen wir hier die von Moens f\u00fcr ein St\u00fcck Aorta descend, vom Menschen bei wechselnder Belastung desselben gefundenen in Grammen auf 1 \u25a1 Cm. ausgedr\u00fcckten Elasticit\u00e4tscoefficienten E mit. h bedeutet den von Moens in Cm. Wasser berechneten Blutdruck, welcher der Wand dieselbe Spannung ertheilt h\u00e4tte, wie das Gewicht P.\np\th\tE\nGrm. 1000 800 700 600 500 400 300 200 100 0\tCm. 216 174 160 138 113 93 73 52 29 0\t113000 55700 36800 21400 10200 6670 4260 2770 2000\nAus einer von Wertheim5 getheilten Tabelle ergiebt sich nach Berechnung von E, dass der Coefficient f\u00fcr die Art. femoral, bei wachsendem Druck von 10000 auf 19000 stieg. Moens zeigt ferner, dass die von\n1\tWertheim, Ann. de chim. et physiol. 3. s\u00e9r. XXI. S. 385. 1847.\n2\tVgl. dieses Handbuch. I. (1) S. 7.\n3\tBardeleben, Jenaische Ztschr. f. Naturw. XII. S. 21. 1878; siehe das N\u00e4here unten bei den Venen.\n4\tMoens, Die Pulscurve. S. 104. Leiden 1878.\n5\tWertheim a. a. O. S. 411.\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nDonders 1 und Gunning an der Carotis der Kuh vorgenommenen Messungen von Inhalt und L\u00e4nge bei verschiedenem Druck ebenfalls die Zunahme des Elasticit\u00e4tscoefficienten mit der Steigerung des Druckes ergeben.\nIn Versuchen, die Volkmann1 2 anstellte, ertrug die Carotis eines Hammels ohne zu zerreissen einen Druck von 2.25 Meter Hg, ungef\u00e4hr das 14fache des gew\u00f6hnlich in der Carotis herrschenden Blutdruckes, die Carotis vom Ochsen einen Druck von 2.23 Meter Hg.\nWas die Verzweigung der Arterien betrifft, so findet diese unter sehr verschiedenen Winkeln statt. Roux3 hat \u00fcber Richtung und Gestalt der Asturspr\u00fcnge eine Reihe bemerkenswerther Regeln aufgestellt und auf die merkw\u00fcrdige Thatsache hingewiesen, dass h\u00e4ufig in der Richtung und Gestalt der Asturspr\u00fcnge noch die contrahirte Form und die Richtung eines Strahles zu entdecken ist, den man bei freiem Aussprung durch ein Loch in der Wand des Stammes erhalten w\u00fcrde, was auf die Wirkung hydrodynamischer Gesetze bei der Astbildung hinweist.\nAnastomosen kommen zwischen gr\u00f6sseren Arterienzweigen nur vereinzelt, in der N\u00e4he der Capillaren aber zahlreicher vor.\nDie Summe der Querschnitte der Aeste ist immer gr\u00f6sser als der Querschnitt des Stammes. Die einzige Ausnahme hiervon macht in der Mehrzahl der F\u00e4lle die Theilung der Aort. desc. in die A. iliac, com., deren Querschnittsumme kleiner ist als der Querschnitt der Aorta desc. vor der Theilung (Paget4, Donders & Jansen5, Folmer6). Der Gesammt-querschnitt der arteriellen Gef\u00e4ssbalm wird also gegen die Capillaren hin immer gr\u00f6sser, man kann dieselbe auf das Schema eines abgestutzten Kegels bringen, dessen Basis gegen die Capillaren sieht, dessen abgestutzte Spitze dem Querschnitt der Aorta entspricht.\nDie Messung der Durchmesser der Arterien an der Leiche kann nur ein beil\u00e4ufiges Bild \u00fcber die Verh\u00e4ltnisse der arteriellen Gef\u00e4ssbahn geben. Im Leben ist der Durchmesser der Ausdruck f\u00fcr einen tempor\u00e4ren Gleichgewichtszustand, in welchem sich Spannung des Inhaltes und elastische und contractile Kr\u00e4fte der Wand befinden.\nEin Verfahren, die Durchmesser der Arterien, wenigstens einzelner, im lebenden Organismus zu messen, haben Vierordt & Aberle7 angegeben. Im menschlichen Leichenherzen nimmt man f\u00fcr die Aorta beim Ursprung aus dem Herzen im Mittel 28 Mm. Durchmesser an, f\u00fcr die Aorta desc. vor der Theilung in die Iliacae 20 Mm., f\u00fcr die Anonyma 13.5, die Iliaca com. 11.5 Mm.8\n1\tDonders. Physiol, d. Menschen. S. 111. Leipzig 1859.\n2\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 289. Leipzig 1850. Aeltere Versuche dieser Art bei Wintringham, An exper. inquiry on sam. parts of the anim. struct. London 1740. \u2014 J. Davy, Physiol, and anat. research. I. p. 441. London 1839.\n3\tRoux, Ueber die Verzweigung der Blutgef\u00e4sse. Naumburg a. S. ohne Jahreszahl (1878).\n4\tPaget, London. Med. Gaz. s. 2. II. p. 55. 1842.\n5\tDonders, Physiol, d. Menschen. S. 105. Leipzig 1859. (Die Arbeit selbst nicht besonders ver\u00f6ffentlicht.)\n6\tFolmer, Diss. de nexu int. art. truncos et ram. exorient. Groningae 1855.\n7\tAberle, Mess. d. Arteriendurchmessers. T\u00fcb. 1856; Arch. f. physiol. Heilk. XV. S. 573. 1856. \u2014 Vierordt, Lehre vom Arterienpuls. S. 154. Braunschweig 1855.\n8\tHenle, Gef\u00e4sslehre d. Handbuchs d. syst. Anat. 2. Aufl. III. (1) S. 71. Braunschweig 1876.","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Verzweigung, Anastomosen, Querschnitt. Blutdruckschwankungen. 229\nII. Die Bestimmung des Blutdruckes in den Arterien.\nDa, wie wir gesehen haben, das Herz periodisch eine bestimmte Blutmenge in die Arterien hineinf\u00f6rdert, die Arterienwand elastisch ist und der Widerstand, welchen die Capillargef\u00e4sse der Fortbewegung des Blutes entgegensetzen, sehr gross ist, so m\u00fcssen wir sofort die Folgerung ziehen, dass der Blutdruck in den Arterien verh\u00e4lt-nissm\u00e4ssig gross sein wird, dass er sich aber nicht constant auf derselben H\u00f6he erhalten wird, sondern von der Herzth\u00e4tigkeit abh\u00e4ngige Schwankungen darbieten wird. Zu diesen cardialen Schwankungen, welche sehr regelm\u00e4ssig vor sich gehen, gesellen sich aber erfahrungs-gem\u00e4ss in l\u00e4ngeren Perioden verlaufende mit den Athembewegungen zusammenh\u00e4ngende Blutdruckschwankungen.\nFi\u00e7. 17.\nIn den mittelst selbstregistrirenden Intrumenten (s. d. gleichfolgende) gewonnenen Blutdruckcurven (Fig. 17 a und beides Curven von der Art. carotis des Hundes) sieht man die cardialen Schwankungen als kleine Maxima und Minima, gr\u00f6sseren Maximis und Minimis aufgesetzt, welche letztere den respiratorischen Schwankungen des Blutdruckes entsprechen. Ausser den angef\u00fchrten Blutdruckschwankungen sind aber noch andere in noch l\u00e4ngeren Perioden oder unregelm\u00e4ssig verlaufende Schwankungen unter gewissen Umst\u00e4nden zu beobachten.\nEs ergiebt sich daraus, dass die wichtigste Aufgabe bei der Bestimmung des Blutdruckes in den Arterien in der genauen Bestimmung der mit der Zeit sich \u00e4ndernden Drucke bestehen muss, da uns solche Bestimmungen einmal die Gr\u00f6sse der Schwankungen","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nund deren zeitlichen Verlauf zu beurtheilen, weiter aber auch den w\u00e4hrend einer bestimmten Zeit vorhanden gewesenen Mitteldruck zu berechnen erlauben.\nDie ersten Blutdruckbestimmungen wurden von Hales1 angestellt. Er beobachtete wie hoch das Blut in Glasr\u00f6hren stieg, die er in die Arterien eingef\u00fcgt hatte. Diesen primitiven Versuchen gegen\u00fcber, bei welchen den Thieren eine grosse Blutmenge entzogen wurde, welches im\ny\nII\nFig. IS.\nDruckmesser bald gerann, war die Einf\u00fchrung des Quecksilbermanometers zur Bestimmung des Blutdruckes durch Poiseuille2 ein grosser Fortschritt. Das von Poiseuille als H\u00e4modynamometer bezeichnete Instrument wurde von ihm selbst und von Spengler3 und Mogk4 zu Blutdruckbestimmun-\n1\tHales, Statical essays containing haemostatik. London 1733.\n2\tPoiseuille, Magendie\u2019s Journ. de la physiol. VIII. p. 272. 1828; IX. p. 341.\n1829.\n3\tSpengler, Symbol, ad theor. de sang. art. flum. Marburgi 1843; Arch. f. Anat. u. Physiol. 1844. S. 50.\n4\tM\u00f6ge, D. vi flum. sang, in ven. cay. system. Marburgi 1843 ; Ztschr. f.rat. Med. HI. S. 34. 1844.","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Quecksilbermanometer, Cylinderkymographion von Ludwig.\n231\ngen benutzt. Es erf\u00fcllte aber erst von der Zeit an die wesentlichste Bedingung eines guten Messinstrumentes, n\u00e4mlich die M\u00f6glichkeit einer genauen Ablesung, als es von Ludwig1 in ein selbstregistrirendes Instrument umgewandelt wurde. Ludwig\u2019s Instrument hat den Namen Kymo-graphion erhalten und die damit in die Physiologie eingef\u00fchrte graphische Methode hat zu den wichtigsten Entdeckungen gef\u00fchrt.\nAn Ludwig\u2019s Kymographion und seinen Varianten2 k\u00f6nnen drei Haupt-bestandtheile unterschieden werden: das Manometer; die Schreibfl\u00e4che mit der Vorrichtung zu deren Bewegung; das R\u00f6hrensystem, welches Manometer und Blutgef\u00e4ss verbindet.\nDas Quecksilbermanometer war in Ludwig\u2019s urspr\u00fcnglichem Instrument ein u f\u00f6rmiges Glasrohr, wie bei Poiseuille. Sp\u00e4ter nahm das Instrument die Form Fig. 18 an. Die gl\u00e4sernen Manometerschenkel sind aus Gr\u00fcnden der Sauberkeit und Reinigung durch das eiserne Zwischenst\u00fcck b verbunden (Traube3, Cyon4).\nEin Druck, der auf das Quecksilber in dem einen Schenkel wirkt, macht es in dem anderen ebenso viel steigen, als es im ersteren sinkt. Der wirkende Druck ist gemessen durch die H\u00f6he der Quecksilbers\u00e4ule, welche der Niveaudifferenz in beiden Schenkeln entspricht, h = 2 n\nd. i. die doppelte Gr\u00f6sse, um welche das Quecksilber im offenen Schenkel steigt. Um den Stand des Quecksilbers im letzteren sich selbst anschreiben zu lassen, brachte Ludwig auf die Oberfl\u00e4che des Quecksilbers einen Schwimmer aus Elfenbein, der das durch die F\u00fchrung herausragende St\u00e4bchen o Fig. 18 tr\u00e4gt zur Aufnahme eines schreibenden Stiftes oder eines Pinsels oder einer Feder bestimmt.\nDer zweite wesentliche Theil des Kymographion ist ein rotirender Cylinder, dessen Oberfl\u00e4che mit berusstem Papier \u00fcberspannt und der durch ein Uhrwerk mit constanter Geschwindigkeit bewegt wird. Fig. 19 zeigt das Cylinderkymographion von Ludwig in seiner neuen Einrichtung,\nFig. 19.\n1\tLudwig, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1847. S. 242. Taf. X\u2014XIV.\n2\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 148. Leipzig 1850. \u2014 Traube, Gesarnm. Beitr. zur Pathol u. Physiol. I. S. 235. Berlin 1871. \u2014 Burdon-Sanderson, Handbook f. the physiol, labor. Plat. LXXXIV. u. XCVI. p. 210 u. 314. London 1873.\n3\tTraube \u00e2 st O\n4\tM. u. E. Cyon, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1867. S. 389.","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nA ist das mit FoucAui/Pschem Regulator versehene Uhrwerk, welches die Frictionssclieibe D antreibt, auf dieser Scheibe bewegt sich die an der Axe des rotirenden Cylinders R festsitzende Frictionsrolle n, die Kurbel U mit der Schraube v dient den Cylinder auf- und abzuschieben, so dass mehrere Curven \u00fcbereinander angeschrieben werden k\u00f6nnen. Mittelst der Schraube L kann die Frictionsrolle auf- und abgeschoben werden, so dass sie, einmal nahe dem Rande, ein anderes Mal nahe dem Centrum auf der Frictionsscheibe I) l\u00e4uft, wodurch man die Geschwindigkeit der Rotation zu regul\u00e4ren im Stande ist.\nBei einer anderen von Ludwig getroffenen Einrichtung des Kymo-graphion, welche darauf berechnet ist, durch l\u00e4ngere oder sehr lange Zeit hindurch Registrirungen des Blutdruckes vorzunehmen, wird ein Papierstreifen zwischen zwei Wellen von einer grossen Papierrolle R Fig. 20\nFig. 20.\nmit gleichm\u00e4ssiger Geschwindigkeit abgewickelt. Fig. 20 A ist ein von Gewichten angetriebenes durch die stellbaren Windfl\u00fcgel v regulirbares Uhrwerk. Dasselbe treibt die Axe R an, auf welcher die Frictionsrolle m sitzt, bestimmt die mit dem Cylinder C festverbundene Frictionsscheibe D zu bewegen. Zwischen dem Cylinder C und den stellbaren' Frictions-r\u00f6llchen nn\u2019 l\u00e4uft der Papierstreifen P durch. Derselbe wird von der grossen Rolle R abgewickelt und mittelst der Walze w so gespannt, dass er sich glatt \u00fcber die Walze W legt. Wo der Papierstreifen \u00fcber der letzteren sich befindet, werden die schreibenden Federn angelegt. Aufgewickelt wird das Papier auf die Axe G, welche mittelst Schnurlaufes s mit dem Cylinder C verbunden ist. Die Schraube S ist bestimmt, die Frictionsrolle m auf der Frictionsscheibe R n\u00e4her der Mitte oder n\u00e4her dem Rande einzustellen, was wieder zur Regulirung dgr Geschwindigkeit dient. Zum Schreiben auf dem Papier dient rasch trocknende Anilintinte (Anilinblau in Alcohol). In Heeing\u2019s Kymographion1 wird ein endloser Streifen berussten Papiers mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegt.\n1 Abgebildet im Katalog des Mechanikers Rothe in Prag.","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Kymographion mit endlosem Papier, Verbindung von Manometer u. Gef\u00e4ss. 233\nDen erw\u00e4hnten Schreibfl\u00e4chen wird die Spitze des auf dem Schwimmer sitzenden Stiftes oder die dort befindliche Feder angelegt.\nMit entsprechenden chronographischen Apparaten wird gleichzeitig mit dem Blutdruck auch die Zeit angeschrieben.\nDer dritte wesentliche Theil des Kymographion ist das Verbindungsst\u00fcck zwischen dem gebogenen Manometerschenkel und dem Blutgef\u00e4ss. Es besteht am besten aus einer biegsamen Bleir\u00f6hre (Volkmann1 verwendete Zinnr\u00f6hren) mit konischem Messingansatz, auf welchen der Theil leicht und bequem aufgepasst werden kann, welchen man als Manometereinsatz bezeichnet, weil er bestimmt'ist in das Blutgef\u00e4ss eingebunden zu werden.\nPoiseuille setzte sein H\u00e4modynamometer mittelst einer Caniile, die an ein besonderes am Ende des betreffenden Manometerschenkels befindliches Mundst\u00fcck angeschraubt werden konnte, in das Lumen einer durchschnittenen Arterie ein. Dabei wurde also der Blutlauf in der letzteren unterbrochen und die Arterie verhielt sich nur wie eine Fortsetzung des Manometerschenkels bis zu dem Arterienstamme hin, aus welchem die durchschnittene Arterie entsprang. Der Blutdruck wird dann im Stamm-gef\u00e4sse gemessen und zwar nur dann der reine Seitendruck, wenn der Ast rechtwinklig vom Stamme abzweigt. Rechtwinklige Asturspr\u00fcnge kommen aber bei den Arterien nur selten vor. In allen anderen F\u00e4llen entspricht der gemessene Druck nicht dem reinen Seitendruck, weil auch die der Richtung des Astes parallele Componente der Geschwindigkeit im Stammgef\u00e4sse auf das Quecksilberniveau wirkt. Man war darum bedacht, besondere Manometereins\u00e4tze zu construiren, durch deren Einf\u00fcgung der Blutstrom im untersuchten Gef\u00e4ss nicht unterbrochen wird und die den reinen Seitendruck daselbst messen (Ludwig2, Volkmann3, Tkaube4). Aus Gr\u00fcnden der leichteren Application oder der w\u00e4hrend der Versuche nothwendig werdenden Reinigung der Cantilen von Coagulis, kann man sich, wenn es sich nur um vergleichende Bestimmungen des Blutdruckes handelt, immerhin noch des centralen Einf\u00fcgens des Manometers bedienen (L. Hermann5). Besonders gestaltete Glascantilen f\u00fcr seitlichen und centralen Einsatz sind bei Marey6 und Burdon-Sanderson7 abgebildet. Die s\u00e4mmtlichen Verbindungsst\u00fccke des Manometers mit dem Blutgef\u00e4sse und der Raum \u00fcber dem Quecksilber in dem betreffenden Manometerschenkel werden vor dem Versuche nach Poiseuille mit einer L\u00f6sung von kohlensaurem Natron gef\u00fcllt. Es hat das haupts\u00e4chlich den Zweck, die Gerinnung des in die R\u00f6hren eindringenden Blutes zu verhindern. Zugleich kann so das Blut sofort und ohne dass Luft zwischen Blut und Quecksilber eingeschlossen werden k\u00f6nnte, auf das letztere wirken und endlich wird die Blutmenge beschr\u00e4nkt, welche aus dem Gef\u00e4sse ins Manometer\n1\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 153. Leipzig !S50.\n2\tSpengler, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1844. S. 50.\n3\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 145. Leipzig 1850.\n4\tTraube a. a. O. S. 242.\n5\tL. Hermann, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 212. 1871.\n6\tMarey, La method, graph, p. 607. Paris 1878.\n7\tBurdon-Sanderson, Handbook for the physiol, labor. LXXIX. p. 210. fig. 193. London 1873.","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234 Rollett. Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\neindringt. Um den letzteren Zweck noch vollkommen zu erreichen pflegt man, ehe die Communikation zwischen Blutgef\u00e4ss und Manometer hergestellt wird, durch Injection der Verbindungsst\u00fccke mit Salzl\u00f6sung die Quecksilbers\u00e4ule schon bis nahe auf jene H\u00f6he emporzutreiben, welche dem zu messenden Blutdruck entsprechend ist.1\nGegen die Anwendung des Quecksilbermanometers zur Bestimmung des Blutdruckes sind Einw\u00fcrfe erhoben worden, deren wir sp\u00e4ter bei Gelegenheit einer allgemeinen Kritik der zur Bestimmung des Blutdruckes verwendeten Instrumente werden gedenken m\u00fcssen. Fick'2 wurde durch diese Einw\u00fcrfe veranlasst, das Quecksilbermanometer durch das BouuDON\u2019sche Federmanometer zu ersetzen. Dasselbe besteht in seiner von Hering modificirten Form3 aus Pig. 21.\teiner platten hohlen Me-\ntallfeder von elliptischen Querschnitten in Form eines Kreisabschnittes gebogen (Fig. 21 a,b,c)} die mit Alkohol oder Wasser gef\u00fcllt wird. An dem Ende a communicirt das Innere der Feder mit dem zum Manometereinsatz f\u00fchrenden Bleirohre d. Das Ende c der Feder ist mit einem Hebelwerke aus leichten Schilf- oder Strohst\u00e4bchen verbunden. Dieses Hebelwerk tr\u00e4gt den Schreibstift s und ist durch die Anzahl und Befestigung der Arme 1, 2, 3, 4 zur Geradf\u00fchrung der Spitze eingerichtet. Das untere Ende des Armes 4 taucht mittelst eines Scheibchens in das Gef\u00e4ss e, welches mit Oel oder Glycerin gef\u00fcllt ist. Letztere Einrichtung zielt auf D\u00e4mpfung-der Schwingungen des aus seiner Gleichgewichtslage gebrachten Hebelwerkes ab. Das Hebelwerk mit der Spitze vergr\u00f6ssert die kleinen Excursionen des oberen Federendes, welche eintreten, wrenn der Druck im Innern der hohlen Feder zunimmt und die Feder streckt, oder abnimmt und die Feder sich mehr zusammenkr\u00fcmmt. An der Verbindungsstelle des Rohres d mit der Feder abc ist, mit passend gebohrtem Hahn versehen, die Spritze / angebracht, welche zur Aufnahme der kohlensauren Natronl\u00f6sung und Regulirung der F\u00fcllung der Verbindungsst\u00fccke zwischen Manometer und\n1\tF\u00fcr die letzteren Zwecke, sowie zur Entfernung von Luftblasen dient der zweckm\u00e4ssig gebohrte Hahn d, Fig. IS.\n2\tFick, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1864. S. 583. \u2014 Tachau, Experimentalkritik eines neuen von A. Fick construirten Blutwellenzeichners. Z\u00fcrich 1864.\n3\tAbgebildet in dem Katalog des Mechanikers Rothe in Prag.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Federkymographien y. Ficku. Basch- Sphygmoscop von Chauveau u. Marey. 235\nBlutgef\u00e4ss dient, die hier wie beim Quecksilbermanometer mit jener L\u00f6sung aufgef\u00fcllt werden. Die s\u00e4mmtlichen Theile sind an dem Tr\u00e4ger g g g fest, welcher mittelst Zahntriebes an der Stange h auf- und abgef\u00fchrt werden kann. Der Tr\u00e4ger h\u00e4lt auch noch den Abscissenschreiber i, der den Nullpunct des Druckes anschreibt. Bei einigen Versuchen hat Fick1 auch den Schreibhebel mit Hinweglassung der Geradf\u00fchrung direct mit dem Federende c verbunden, die schreibende Spitze bewegt sich dann im Kreisbogen, es wird aber tr\u00e4ge Masse erspart.\nDie Vortheiie, welche das Federmanometer gegen das Quecksilbermanometer gew\u00e4hrt, sind auf den grossen Widerstand zur\u00fcckzuf\u00fchren, welchen die elastische Kraft der Feder ihrer Entfernung aus der Gleichgewichtslage entgegensetzt und auf die geringe Geschwindigkeit, welche das freie Federende bei den kleinen Excursionen, die es macht, annimmt (s. unten). Man nennt ein Kymographion, in welchem das Quecksilbermanometer durch ein Federmanometer ersetzt ist, Federkymographion; die Einricjitungen, welche das die Curve aufnehmende Papier bewegen, sind dieselben wie beim ersteren. In noch h\u00f6herem Maasse erreichte Fick'2 die Vortheile des Federkymographion * durch Anwendung einer zungenf\u00f6rmigen, soliden Metallfeder, welche mit ihrem einen Ende festliegt, w\u00e4hrend ihr anderes Ende mit einem Schreibhebel verbunden ist, der die Excursionen der Feder vergr\u00f6ssert wiedergiebt. Uebertra-gen wird der Blutdruck auf diese Feder, durch eine Schneide, die auf einer Kautschukmembran befestigt ist. Diese Membran aber verschliesst ein kleines mit Wasser gef\u00fclltes Glasr\u00f6hrchen, welches mit dem Blutgef\u00e4sse communicirt. Einen \u00e4hnlichen Apparat hat j\u00fcngst Basch3 construirt. Bei demselben liegt auf der Kautschukmembran eine Kugel, welche die Bewegungen der Membran auf einen zweiarmigen F\u00fchlhebel \u00fcbertr\u00e4gt, dessen Empfindlichkeit mittelst einer Spiralfeder regu-lirt werden kann. Beide Vorrichtungen haben eine gewisse Aehnliclikeit mit dem von Marey und Chauveau angegebenen Sphygmoscop, welches Marey4 sp\u00e4ter als elastisches Manometer mit Kautschukmembran (Manom\u00e8tre elasticpie \u00e0 membran de caoutchouc) beschrieben hat. Es besteht aus einer mit Hahn versehenen zur Verbindung mit dem Blutgef\u00e4sse bestimmten R\u00f6hre a (Fig. 22), auf deren anderes Ende ein Kautschukbeutel b aufgebunden ist. Rohr und Beutel werden mit L\u00f6sung von Natroncarbonat gef\u00fcllt; der Beutel ist luftdicht in ein kurzes Glasrohr eingef\u00fcgt, von welchem auf der anderen Fig. 22. Spitze das engere Rohr c abgeht, bestimmt, den den Beutel umgebenden Luftraum mit einer Registrirtrommel (s. oben S. 152) zu\n1\tFick, W\u00fcrzburger Verh. N. F. IV. S. 223. 1872.\n2\tFick, Festschrift zu Ehren Rinecker\u2019s v. d. med. Fac. zu W\u00fcrzburg. S. 13. Leipzig 1877. In etwas anderer Form schon beschrieben bei Badoud, \u00fcber den Einfluss des Hirns auf den Blutdruck in der Lungenarterie. W\u00fcrzburg 1874.\n3\tBasch, Med. Jahrb. d. Ges. d. Aerzte. S. 459. Wien 1879.\n4\tMarey, Physiol, m\u00e9d. d. 1. cire. p. 196. Paris 1863; Du mouv. d. 1. fonct. d.l. vie. p. 152. Paris 1868; Travaux du labor. 1876. p.196; La method, graph, p. 264. Paris","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\ncommuniciren. Es hat sich hier der jeweilige Blutdruck mit den elastischen Kr\u00e4ften des Kautschukbeutels ins Gleichgewicht zu setzen; die Ausdehnung und Zusammenziehung des Beutels wird durch Lufttransmission auf die Membran der Trommel und auf den Schreibhebel \u00fcbertragen.\nNeuerlich hat Marey1 an Stelle des Kautschukbeutels die d\u00fcnne Metallb\u00fcchse gesetzt, wie sie bei gewissen Aneroidbarometern statt Bourdon\u2019s Feder angewendet wird und die damit getroffene Einrichtung als metallisches Schreibmanometer (Manom\u00e8tre m\u00e9tallique inscripteur) beschrieben, wodurch er sich wieder die Vortheile des FiCK\u2019schen Federmanometers im Vergleich mit dem von ihm fr\u00fcher angewendeten Kautschuk-Manometer zuwendete.\nSollen die Federmanometer zu absoluten Bestimmungen des Blutdruckes ben\u00fctzt werden, so m\u00fcssen dieselben vorerst nach Quecksilbers\u00e4ulen empirisch graduirt werden und es muss die Graduirung wegen der bleibenden Dehnungen, welche die elastischen Manometer nach und nach erleiden, w\u00e4hrend des Gebrauches \u00f6fter wiederholt werden. Das Verfahren hierf\u00fcr ist bei Fick und Marey nachzusehen; Gebrauchsanleitungen f\u00fcr Kymographien \u00fcberhaupt sind in den Abhandlungen Ludwig\u2019s, Volkmann\u2019s, Marey\u2019s, Fick\u2019s und in Cyon\u2019s'2 Methodik zu finden.\nHier m\u00fcssen aber noch \u00fcber die Verl\u00e4sslichkeit der Angaben der Manometer einige Bemerkungen angef\u00fcgt werden. Die Voraussetzung, welche man f\u00fcr ein m\u00f6glichst vollkommenes Messinstrument des Blutdruckes machen muss, ist, dass es die H\u00f6he des Blutdruckes, die Gr\u00f6sse, Dauer und Form seiner Schwankungen v\u00f6llig genau angebe.\nVierordt3 hat gegen das Quecksilbermanometer den Vorwurf erhoben, dass es diesen Anforderungen nicht gen\u00fcgt. Die Gr\u00f6sse und die Periode der vom Instrument angezeigten Schwankungen entspr\u00e4chen nicht der Gr\u00f6sse und Dauer der Druckschwankungen, welche auf das Instrument einwirken und durch dasselbe gemessen werden sollen.\nDie ungetreuen Angaben des Instrumentes sollen aber ihren Grund haben in Folgendem. Denkt man sich das Quecksilber durch einen Druck, der das eine Niveau pl\u00f6tzlich trifft, aus seiner Gleichgewichtslage gebracht und dann den Druck wieder pl\u00f6tzlich aufh\u00f6ren, so kehrt das Quecksilber nach Art einer aus ihrer Gleichgewichtslage gehobenen Pendellinse in seine Gleichgewichtslage zur\u00fcck, dort mit der gr\u00f6ssten Geschwindigkeit anlangend, schl\u00e4gt es mit abnehmender Geschwindigkeit nach der entgegengesetzten Seite aus, kehrt dann wieder in die\nt Marey, Travaux du labor. 1876. p. 199; La method, graph, p. 267. Paris 1878.\n2\tE. Cyon, Methodik d. physiol. Experim. u. Vivisect. S. 100 u. Atlas. Giessen\n1876.\n3\tVierordt, Die Lehre vom Arterienpuls. S. 6. Braunschweig 1855.","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Einw\u00fcrfe gegen das Quecksilbermanometer, Theorie desselben.\n237\nGleichgewichtslage zur\u00fcck u. s. f. Man hat diese Pendelbewegungen des Quecksilbers als Eigenschwingungen desselben bezeichnet. Sie w\u00fcrden sich unendlich lange fortsetzen, wenn die Bewegung nicht im widerstrebenden Mittel stattf\u00e4nde und keine Reibung der Fl\u00fcssigkeit vorhanden w\u00e4re. Durch diese Widerst\u00e4nde werden die Schwingungen so ged\u00e4mpft, dass die Fl\u00fcssigkeit nach einigen Schwingungen wieder zur Ruhe kommt. Begreiflicher Weise sind die Widerst\u00e4nde viel gr\u00f6sser, wenn auf das eine Niveau des Quecksilbers der Blutdruck wirkt. Vieroedt1 2 glaubte nun, dass bei der Uebertragung von Druckschwankungen auf das Quecksilber der durch diese allein bedingte Schwingungszustand durch das fortw\u00e4hrende Eingreifen der in Folge der Tr\u00e4gheit erhaltenen Eigenschwingungen fortw\u00e4hrend gest\u00f6rt werde. Er st\u00fctzte sich dabei noch auf mathematische Deductionen Redten-bacher\u2019s-, die seiner Anschauung das Wort redeten. Fick3 wendete aber gegen Redtenbacher ein, dass derselbe einen sehr wesentlichen Factor bei seinen Rechnungen nicht beachtet habe, n\u00e4mlich den Widerstand. Wird dieser ber\u00fccksichtigt, dann gelangt man f\u00fcr das Manometer zu einem schon fr\u00fcher von Seebeck4 bei anderer Gelegenheit begr\u00fcndeten Satz, dass sich zwei Schwingungsweisen \u00fcber-einanderlegen, eine von der Periode der Blutdruckschwankungen, die zweite, welche das aus der Gleichgewichtslage gebrachte Quecksilber f\u00fcr sich annehmen w\u00fcrde, welche letztere aber durch die Widerst\u00e4nde bald unmerklich wird.\nDie Zeit, wann das eintritt, ist aber in hohem Grade von den bestimmt gegebenen Werthen der variablen Bedingungen abh\u00e4ngig. Sp\u00e4ter haben Mach5 und Kries6 die Theorie der Manometerbewegung entwickelt.\nDie Beantwortung der Frage nach der Brauchbarkeit des Queck-\n1\tVierordt, Die Lehre vom Arterienpuls. Braunschweig 1855.\n2\tRedtenbacher bei Vierordt, Die Lehre vom Arterienpuls etc. S. 11 ; Arch, f. physiol. Heilk. 1858. S. 135.\n3\tFick, Med. Physik. 1. Aufl. S. 470. Braunschweig 1856.\n4\tSeebeck, Dove\u2019s Repert. d. Physik. VIII; Ann. d. Physik. LXII. S. 289.\n5\tMach, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLVI.(2) S. 157. 1862; XLVII. (2) S. 33. 1863 ; Jahrb. d. Ges. d. Aerzte. Heft 4. S. 43. Wien 1862.\n. 6 Kries, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1878. S. 419. Ist l die L\u00e4nge, Q der Querschnitt, <7 das specifische Gewicht des Quecksilbers, so ist IQa die zu bewegende Masse. Die Bewegung derselben wird bestimmt durch die Kraft, welche sie in die Gleichgewichtslage zur\u00fcckzuf\u00fchren sucht, durch den Druck, der auf sie wirkt, und durch die Reibung in jedem Moment. Die der Masse ertheilte Beschleunigung kann in jedem Augenblick proportional der algebraischen Summe der drei genannten Kr\u00e4fte angesehen werden. Die erste Kraft ist proportional der Entfernung aus der Gleichgewichtslage, die zweite sei als Function der Zeit gegeben, die dritte (\u00e4ussere Reibung) ist proportional der Geschwindigkeit anzunehmen","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nsilbermanometers zu Blutdruckbestimmungen und nach dem Grade seiner Genauigkeit unter verschiedenen gegebenen Bedingungen ist aber damit wesentlich auf das experimentelle Gebiet verwiesen, wo man sie schon fr\u00fcher suchte. Solche Pr\u00fcfungen wurden angestellt\n(von der inneren Reibung werde abgesehen). Bei der Entfernung x aus der Gleichgewichtslage ist dann die erste Kraft 2xQog, worin g die Schwere ist. Der wirkende Druck P sei gegeben durch die H\u00f6he der Quecksilbers\u00e4ule, die ihm das Gleichgewicht h\u00e4lt, dann ist die zweite Kraft PQog. Endlich sei r\\ eine von der Nafur des Instrumentes abh\u00e4ngige Reibungsconstante und t die Zeit, so ergiebt sich die folgende Bewegungsgleichung:\nIQo\n-\u00dfjr = \u2014 2 xQog + PQog \u2014 v\n6x\nIT'\nd2x 2x , P\nTF=~Tg+~r' ,J~\nWird hierin gesetzt\nL\n= P\nV\nIQo\ndx ~dT '\nso ergiebt sich\ng-P\nv\nIQo\n= fit) \u25a0 = 2 b\nd x\n~w\n\u2014 p2x\u20142b\ndx\n~df\n(fit)\nl\nwelche Gleichung mit der von Mach aufgestellten v\u00f6llig \u00fcbereinstimmt.\nWenn g>(t) der ver\u00e4nderliche Druck gegeben ist in der allgemeinsten Form einer periodischen Function der Zeit:\noc\n(fit) = g \u2022 2 A cos W + T)>\n1\nso wird\nx = 2 a sln\t+ e\tsin rt -f- S3 cos rt)\nHierin ist\n\u2014------ -M ..........: lgi\u00bb-T)=ISZ\nl~Z ip--q2)2+\u00b1b2q2 y\t2bq\nr \u2014 y p2\u2014b2\\ 21 und 23 zwei vom Anfangszustande abh\u00e4ngige Constanten.\nEnth\u00e4lt <f it) ausser dem rein periodischen noch einen von der Zeit abh\u00e4ngigen Theil, welcher C.g ist, so wird:\nx =\ta sin iq -f e~bt (21 sin rt + 23 cos rt)\nDie Bedeutung der Gleichung ist folgende: Die Stellung des Quecksilbers kann in jedem Augenblicke gefunden werden durch algebraische Summirung dreier Theile. Einem constanten, entsprechend dem constanten Theil im einwirkenden Druck ; einem rein periodischen, welcher zum periodischen Theile des einwirkenden Druckes in dem Verh\u00e4ltnisse steht, dass jedem Glied der einen Reihe ein Glied der andern entspricht, welches gleiche Periode hat, aber in Bezug auf die Form: Amplitude und Phase verschieden ist; und einem dritten Theile, welcher eine Eigenschwingung des Quecksilbers darstellt, der aber, wie der Faktor e-bt zeigt, um so rascher verschwindet, je gr\u00f6sser der Widerstand ist. Kries macht darauf aufmerksam, dass die Theorie nur eine angen\u00e4herte sein kann, da die Quecks\u00fcbers\u00e4ule sich nicht als Ganzes bewegt und die Annahme, dass die Reibung einfach der Geschwindigkeit proportional ist, der Wirklichkeit nicht entspricht.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Experim. Pr\u00fcfung, Graduirung der Manometer. Bestimmung d. mittl. Druckes. 239\nvon Fick & Tachau1, Schummer2, Cyon3, Asp4 und Kries5. F\u00fcr Bestimmungen des mittleren Blutdruckes werden wir \u00fcber das Quecksilbermanometer noch Einiges zu bemerken haben (s. unten).\nWas das FiCK\u2019sche Federmanometer betrifft, so fielen die Pr\u00fcfungen desselben auch in Bezug auf die Form der Schwankungen zufriedenstellend aus und verweist Fick besonders auch darauf, bis zu welchem Grade es den Forderungen entspricht, welche Mach an einen Wellenzeichner stellt, der auch die Form der Schwankungen ann\u00e4hernd getreu wiedergiebt (s. unten). Es hat nur den Nachtheil, dass es oft neu empirisch graduirt werden muss, was eben so auch mit dem neuen Federmanometer von Fick und mit dem metallischen Schreibmanometer von Marey der Fall ist, wenn dieselben zu absoluten Bestimmungen verwendet werden sollen. Marey6 verweist auf' diese Nothwendigkeit und Schwierigkeit der wiederholten Graduirung seiner Instrumente, hebt aber auf Grund experimenteller Pr\u00fcfungen ihre besondere Treue hervor.\nIII. Der mittlere Blutdruck in den Arterien.\nAus der eben besprochenen Einrichtung der Messinstrumente f\u00fcr den Blutdruck und aus den damit erhaltenen Curven ergiebt sich, dass der w\u00e4hrend einer bestimmten Zeit vorhandene mittlere Blutdruck dem arithmetischen Mittel aller dieser Zeit entsprechenden Ordinaten-werthe der Blutdruckcurve gleich ist. F\u00fcr die Bestimmung des mittleren Blutdruckes muss also die Abscisse, \u00fcber welcher die einzelnen Puncte der Blutdruckcurve angeschrieben werden, genau bekannt sein. Die Abscisse wird also vorg\u00e4ngig oder gleichzeitig mit der Blutdruckcurve angeschrieben werden m\u00fcssen. Siehe Fig. 23, eine Carotis-curve vom Hund \u00fcber der Abscisse ox, links ein Millimetermaassstab aufgetragen, an welchem die Ordinatenwerthe (ri) abzulesen sind.\nBeim Quecksilbermanometer, welches zu absoluten Bestimmungen des Blutdruckes vorzugsweise verwendet wird, muss bei der Bestimmung der einzelnen Ordinatenwerthe, wie schon angef\u00fchrt, der Abstand der Curve von der Abscisse doppelt genommen werden. Es muss aber ferner eine Correction f\u00fcr die \u00fcber dem Quecksilber im gebogenen Manometerschenkel stehende Natroncarbonatl\u00f6sung angebracht werden dadurch, dass man den\n1\tTachait, Experimentalkritik etc. Z\u00fcrich 1864.\n2\tSchummer, Vergleich. Pr\u00fcfung d. Pulswellenzeichner v. A.Fick u. C. Ludwig. Dorpat 1867.\n3\tCyon, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866. S. 263.\n4\tAsp, Ebenda. 1867. S. 143.\n5\tKries sl sl 0\n6\tMarey, Travaux du labor. 1876. p. 199 ; LaM\u00e9thod. graph, p. 598. Paris 1878.","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240 Rollett. Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\ndurch dieselbe bedingten Druck von dem Blutdruck abzielit. Der wirkende Blutdruck berechnet sich dann nach der Formel\n/i = 2\u00bb(l-A)\nworin \u2014 das Verh\u00e4ltnis des spec. Gewichtes der Natroncarbonatl\u00f6sung\nzu dem des Quecksilbers bedeutet. Das arithmetische Mittel der Ordi-naten der w\u00e4hrend einer bestimmten Zeit angeschriebenen Blutdruckcurve\nFig. 23.\nwird bestimmt durch Ausmessung des von der Curve, von der Abscisse und den dem Anfang und Ende der Zeit entsprechenden Ordinaten begrenzten Areales Fig. 23 oyy'x, wozu man sich eines Planimeters bedient.1 Die mittlere Ordinate ergiebt sich dann als H\u00f6he jenes Rechteckes, welches die Abscisse zur Grundlinie und denselben Fl\u00e4cheninhalt wie das von der Curve begrenzte Areal hat. Ein Ersatzverfahren f\u00fcr das planimetrische hat Volkmann angegeben. Es besteht in Ausschneiden des wie fr\u00fcher begrenzten Areales aus dem gleichm\u00e4ssig dichten Fapier, auf welchem die Curve angeschrieben wurde. Das Gewicht dieses g wird dann verglichen mit dem Gewicht G eines aus demselben Papier geschnittenen Rechteckes, welches die Abscisse zur Grundlinie hat und\nNo\ndessen H\u00f6he A genau bestimmt wird. Es ist dann n = \u20147-.\n(jr\n1 Gscheidlen, Physiol. Method. S. 27. Braunschweig 1876.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Planimetrie des Curvenareales, compensirte Manometer.\n241\nDer Mitteldruck kann auch direct gemessen xwerden und wurden dazu brauchbare Manometer von Marey und Setchenow angegeben.\nMarey\u2019s 1 compensates Manometer (manom\u00e8tre compensateur) ist dem von Magendie statt Poiseutlle\u2019s u f\u00f6rmigen Rohr eingef\u00fchrten H\u00e4mometer (h\u00e9mom\u00e8tre) nachgebildet. Eine kurze, weite, cylindrische Flasche, deren enger Hals mit dem Blutgef\u00e4ss communicirt, ist nahe dem Boden, communicirt mit zwei aufrechtstehenden R\u00f6hren, deren eine gleichweit ist, w\u00e4hrend die andere eine capillare Verengerung an ihrem unteren Ende besitzt. Flasche und R\u00f6hren sind bis zu einer gewissen H\u00f6he mit Quecksilber gef\u00fcllt und dieses steht \u00fcberall auf demselben Niveau. Wirkt der Blutdruck auf das Quecksilber in der Flasche, so erscheinen im gleichweiten Rohr die Schwankungen des Druckes wie im gew\u00f6hnlichen Manometer; auf das Quecksilber im verengten Rohr werden die Druckschwankungen nicht, vTohl aber der Mitteldruck allm\u00e4hlich \u00fcbertragen.\nSetchexow erreichte denselben Zweck dadurch, dass er zwischen den Schenkeln, eines uf\u00f6rmigen Manometers einen Hahn anbrachte, durch den die Uebergangsstelle beliebig verengt werden konnte. Zugleich hatte Setchenow1 2 die Zul\u00e4ssigkeit seines Instrumentes durch experimentelle Pr\u00fcfung erwiesen.\nPoiseuille3 hat zwar sp\u00e4ter Marey\u2019s Instrument verworfen, allein Kries4 zeigte experimentell und theoretisch, dass das compensirte Manometer den Mitteldruck genauer angiebt, als derselbe durch Planimetrie des Curvenareales des freischwingenden Manometers erhalten werden kann, da letzteres, wie wir sahen, die Schwankungen des Blutdruckes nur angen\u00e4hert wiedergiebt (vgl. o. S. 237).\nDer zu einer bestimmten Zeit in den Arterien herrschende mittlere Blutdruck ist eine von vielen Variablen abh\u00e4ngige Function. Zwischen den gegebenen Werthen der ersteren bestehen aber solche Beziehungen, dass w\u00e4hrend des normalen Ablaufes der Lebenserscheinungen der Werth der letzteren nahezu auf derselben H\u00f6he erhalten bleibt. Nur ganz besondere Einfl\u00fcsse haben gr\u00f6ssere Schwankungen des Mitteldruckes zur Folge.\nEs hat darum einen Sinn, wenn wir die zahlreichen Bestimmungen des Blutdruckes in der Art. carotis und einigen anderen Arterien verschiedener Thiere, welche Volkmann5 6 7 vorgenommen und mit von Blake3, Spengler\u201d, Ludwug8 gemachten zusammengestellt hat, hier anf\u00fchren. Es fand sich:\n1\tMarey, Ann. des scienc. nat. zoolog. s\u00e9r. 4. VIII. p. 349. 1357; Physiol, m\u00e9d. de la cire. etc. p. 142. Paris 1863.\n2\tSetchenow, Ztschr. f. rat. Med. (3) XII. S. 334. 1361.\n3\tPoiseuille, Gaz. hebd. p. 117. 1863.\n4\tKries, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1878. S. 417.\n5\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 177. Leipzig 1850.\n6\tBlake, Edinb. med. and surg. Journ. LI\u2014LIV. 1839\u20141840.\n7\tSpengler, Arch. f. Anat. n. Physiol. 1844. S. 50.\n8\tLudwig, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1847. S. 242 ; Ztschr. f. rat. Med. Bd. 9. 1850. S. 108.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\n16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nThier\tMitteldruck in Mm. Quecksilber\tThier\tMitteldruck in Mm. Quecksilber\nPferd\t321 nach Ludwig.\tgr. Hund\t123\nPferd\t214\tPferd alt,\t\nSchaf\t206\telend\t122\nKalb\t177\tB\u00f6ckchen\t118\ngros Hund\t172\tPferd alt\t140 nach Spengler\nHaushahn\t171\tKaninchen\t108 nach Blake\nSchaf\t169\tHund jung\t104\nHund\t166 nach Spengler.\tSchaf alt\t98\nKalb\t165\tKaninchen\t90\nGans\t162 nach Blake\tHenne\t88 in Art. brach.\nStorch\t161\t\t84 Stamm der Kiemen-\nTaube\t157 in der Art. brach.\tHecht'\tSchlagader\nHund\t157\tBarbe\t42 desgleichen\nSchaf\t156\tHecht\t35.5 desgleichen\n1 Kalb\t153\tFrosch\t29 link. Aortenb.\nPferd\t150 nach Spengler\t(113 Grm.)\t\nKatze\t150 nach Ludwig\tSchildkr\u00f6te1 2\t23 desgleichen\nHund\t143\tFrosch\t\nZiege\t135\t(114 Grm.)\t22 desgleichen\n1 Kalb\t133\tWels2\t18.5 in einer Kiemenart.\nVolkmann folgert daraus, dass warmbl\u00fctige Thiere einen h\u00f6heren Blutdruck haben als kaltbl\u00fctige. Bei den Warmbl\u00fctern schwankt der Druck um das dreifache seines Werthes. Der Druck ist von der Gr\u00f6sse des Thieres in hohem Grade unabh\u00e4ngig. _ Dass man den arteriellen Druck bei Thieren von sehr verschiedener Gr\u00f6sse nahezu gleich gross findet, ist eine Thatsache, auf welche schon Poiseuille3 und Spengler4 gestossen sind. So lange man sich dabei nur an die der Gr\u00f6sse des Thieres ziemlich proportional gehende Gr\u00f6sse des Herzens erinnert, hat die Thatsache etwas Befremdliches, was sie aber sofort verliert, wenn man bedenkt, dass das Manometer nur die Spannung des Blutes misst. Die Arbeit, welche das Herz in einer bestimmten Zeit aufbringt, erh\u00e4lt man aber erst, wenn man den im Anf\u00e4nge der Aorta herrschenden Druck mit dem Blutgewicht multiplicirt, welches jenen Querschnitt in der bestimmten Zeit passirt. Dieses Product ist bei verschieden grossen Thieren entsprechend verschieden und die Gleichheit des einen Factors bei verschieden grossen Thieren weist nur auf die leicht begreifliche Thatsache hin, dass Blutmenge, Capacit\u00e4t des Gef \u00e4sssy stems und Widerst\u00e4nde desselben der Gr\u00f6sse des Thieres eben so angepasst sind wie die Gr\u00f6sse des Herzens.\n1\tDieser hohe Druck ist nach Volkmann bedingt durch die Einf\u00fchrung des Manometers in die Aorta gleich unter dem Bulbus.\n2\tVor Einf\u00fchrung des Manometers eine kleine Blutmenge verloren.\n3\tPoiseuille, Journ. d. physiol, exp\u00e9r. et pathol. VIII. p. 272. 1828.\n4\tSpengler, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1844. S. 50.","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Mitteldruck bei Thieren, beim Menschen ; drucksteigernde Einfl\u00fcsse. 243\nVon den grossen Arterien gegen die kleinen hin nimmt der mittlere Blutdruck um ein geringes ab. In zwei Versuchsreihen fand Volkmann1 in der Art. carotis. 116.3\u2014165.5 Mm. Hg und gleichzeitig in der A. metatars. 89.3 \u2014146 Mm. Hg. Der geringe Abfall gegen die kleinen Arterien hin steht im Einkl\u00e4nge mit der Thatsache, dass die Widerst\u00e4nde, welche in den Arterien zu \u00fcberwinden sind, ver-h\u00e4ltnissm\u00e4ssig klein sind gegen die Widerst\u00e4nde in den Capillaren.\nBeim Menschen hat Faivre'2 den Blutdruck in den Gef\u00e4ssen Amputirter bestimmt und in der A. brach, eines 60j\u00e4hrigen Mannes und in der A. femor. eines 30j\u00e4hrigen Mannes denselben 120 Mm Hg in der Art. brach, eines 23 j\u00e4hrigen Mannes aber 110 Mm. Hg gefunden.\nIn Bezug auf die Einfl\u00fcsse, welche den mittleren Blutdruck steigern, ist hervorzuheben: Verengerung oder Verschliessung eines oder mehrerer Arterienst\u00e4mme macht den Blutdruck in den \u00fcbrigen Arterien steigen. Solche Drucksteigerungen k\u00f6nnen hervorgebracht werden durch k\u00fcnstliche Verschliessung (Ligatur, Compression) von Arterien (Goll3, Ludwig & Thiry4, Chauveau & Mare y5 6 7, Tschir-jewg) oder durch Verengerung in Folge von Reizen, welche die Ge-f\u00e4sse direct oder die Vasoconstrictoren (vasopressorischen Nerven1) oder deren Centren im Hirn und R\u00fcckenmark treffen. Besonders wirksam \u00e4ussert sich die vasomotorische Verengerung solcher Arterien, welche grosse Gef\u00e4ssgebiete versorgen, so die Verengerung der vom N. splanchnicus versorgten Darmgef\u00e4sse. Die vasomotorische Verschliessung bestimmter Arteriengebiete ist wirksamer als die Ligatur der zuf\u00fchrenden Arterien, da im ersteren Falle das aus den verengten Gef\u00e4ssen ausgepresste Blut dem offenen Theile des arteriellen Gef\u00e4sssystems zugef\u00fchrt wird.\nEine besondere Bedeutung f\u00fcr die Steigerung des Blutdruckes kommt dem Verschluss der Hirnarterien zu, weil die An\u00e4mie des Hirns erregend auf das Gef\u00e4sscentrum im Hirn wirkt. Die Steigerung h\u00e4lt nicht an, da der Erregung bald L\u00e4hmung jener Centren\n1\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 16S.\n2\tFaivre, Gaz. m\u00e9d. 1856. p. 727.\n3\tGoll, Ztschr. f. rat. Med. N. F. IV. S. 78. 1853.\n4\tLudwig u. Thiry, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLIX. (2). S. 421. 1864.\n5\tMarey, Pbysiol. m\u00e9d. de la circ. p. 217. Paris 1863.\n6\tTschirjew, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1877. S. 116.\n7\tWir k\u00f6nnen hier, wo es sich darum handelt die \\ ariationen und Abh\u00e4ngigkeiten des arteriellen Mitteldruckes im Zusammenh\u00e4nge zu behandeln, nicht umhin, auf einzelne allgemeine Thatsachen der Gef\u00e4ssinnervation hinzuweisen, deren eingehendere Betrachtung und n\u00e4here Begr\u00fcnduug einem anderen Artikel dieses Handbuches \u00fcberwiesen ist, wo man auch die Literaturangab en finden wird.\n16*","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nfolgt. Steigerung des Blutdruckes wird ferner bei Reizung sensibler Nerven beobachtet, was auf einer reflectorischen Erregung der Vaso-constrictoren beruht.\nEin Sinken des Blutdruckes in den Arterien tritt ein, wenn die besprochenen steigernden Einfl\u00fcsse wieder aufh\u00f6ren.\nAusserdem wird aber der Blutdruck in demselben Sinne auch beeinflusst durch besondere vasodilatatorische (depressorische) Nerven. Ist auch die Mechanik dieser Nerven noch strittig, so stimmen doch jetzt alle Beobachter darin \u00fcberein, dass es centrifugal leitende Nerven giebt, welche Gef\u00e4sserweiterung bewirken. Auch die Gef\u00e4ss-erweiterung und damit ein Absinken des Blutdruckes kommt auf reflectorischem Wege durch Reizung sensibler Nerven zu Stande, von denen einzelne durch die Ausdehnung des Gebietes, welches sie beherrschen, besonders hervorragen.\nF\u00fcr die Beurtheilung des Mitteldruckes in den Arterien sind also die verwickelten Verh\u00e4ltnisse des variablen und von vielfachen Bedingungen abh\u00e4ngigen Gef\u00e4sstonus von der wichtigsten Bedeutung. Es ist auch leicht ersichtlich, dass drucksteigernde Einfl\u00fcsse anderer Art durch druckmindernde des Gef\u00e4sstonus \u00fcber oder unter compensirt werden k\u00f6nnen und umgekehrt; ferner dass tonische Ver\u00e4nderungen, die in verschiedenen Gef\u00e4ssen im entgegengesetzten Sinne verlaufen, eine compensatorische Wirkung auf einander aus\u00fcben werden. So k\u00f6nnen sich durch Reizung sensibler Nerven die Gef\u00e4sse der Haut und Muskeln reflectorisch erweitern, w\u00e4hrend gleichzeitig starke reflecto-rische Verengerung der Gef\u00e4sse des Darmes, der Blase und des Uterus eintreten, auf die Verengerung der letzteren ist also haupts\u00e4chlich die Drucksteigerung zur\u00fcckzuf\u00fchren, welche auf Reizung sensibler Nerven eintritt; sie fiele noch st\u00e4rker aus, wenn nicht gleichzeitig die fr\u00fcher genannten Gef\u00e4sse sich erweiterten. Von anderen Nerven (N. depressor Ludwig und Cyon) erh\u00e4lt man wieder vorzugsweise Erweiterung der Gef\u00e4sse des Bauches. Der wechselnde Gef\u00e4sstonus und die zuletzt erw\u00e4hnten Thatsachen, welche auf ein antagonistisches Verhalten des Gef\u00e4sstonus in verschiedenen Gef\u00e4ssgebieten hinweisen, erm\u00f6glichen es wahrscheinlich in erster Reihe, dass die Gef\u00e4sse sich gr\u00f6sseren und kleineren Blutmengen anpassen, ohne dass dabei der Mitteldruck gr\u00f6ssere Schwankungen f\u00fcr die Dauer erleidet.\nDie auf dieses Anpassungsverm\u00f6gen bez\u00fcglichen Thatsachen wurden durch eine Reihe von Arbeiten aus Ludwig's Laboratorium ans Licht gebracht und wir werden sie sogleich kennen lernen. Vorausgeschickt sei aber noch, dass Pawlow1 bei Hunden, die so gez\u00e4hmt\n1 Pawlow, Arch. f. d. ges. Physiol. XVI. S. 266. 1878.","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Druckmindernde Einfl\u00fcsse, Anpassungsverm\u00f6gen d. Gef\u00e4sse; Normaldruck etc. 245\nwaren, dass sie vollkommen ruhig im nicht narkotisirten Zustande auf dem Operationsbrete lagen, durch rasche Operation eine Arterie unter der Haut an der Innenfl\u00e4che des Kniegelenks blosslegte und in dieselbe ein Manometer einf\u00fchrte. Die Hunde waren 24 Stunden vorher gut gef\u00fcttert worden und bekamen dazu und noch einmal 12 Stunden vor der Operation zu trinken. Nachdem der Blutdruck unter diesen Verh\u00e4ltnissen bestimmt war, wurden sie mit trockenem Brot oder Fleisch gef\u00fcttert und der Blutdruck wieder in verschiedenen Zeitr\u00e4umen nach der F\u00fctterung bestimmt. -Es zeigte sich, dass der Abfall des Blutdruckes im Maximum nur 10 Mm. Hg betrug; dieser Abfall ist klein, wenn man bedenkt, dass die Erweiterung der Eingeweidearterien und der Austritt von Verdauungsfl\u00fcssigkeiten dem Abfall des Blutdruckes ausserordentlich g\u00fcnstig sein m\u00fcssten ; es muss also ein Bestreben zur Aufrechth\u00e4ltung des Mitteldruckes angenommen werden. Pawlow macht darauf aufmerksam, dass die Erweiterung der Eingeweidearterien beim Kaninchen mit einer Contraction der Ohrgef\u00e4sse Zusammenfalle. Sp\u00e4ter sah Pawlow1 in \u00e4hnlichen Versuchen wie die fr\u00fcheren w\u00e4hrend vieler Tage bei Hunden den Blutdruck in Folge von reichlichem Trunk, Schmerz, Furcht nicht \u00fcber 20 Mm. Hg in der Regel nur um 10 Mm. Hg schwanken und meist die mittlere H\u00f6he von 130 Mm. Hg bewahren.\nBlutentziehungen m\u00fcssten, wenn man voraussetzen k\u00f6nnte, dass der Blutdruck dem Gleichgewichtszust\u00e4nde entspricht, in welchen sich ein Inhalt von bestimmter Gr\u00f6sse mit den Kr\u00e4ften einer Wandung von unver\u00e4nderlichen elastischen Eigenschaften gesetzt hat, ein Sinken des Blutdruckes zur Folge haben. Da aber die Blutentziehung auf die in ihren Eigenschaften ver\u00e4nderliche Gef\u00e4sswand und auf die sie beherrschenden Nerven einen ver\u00e4ndernden Einfluss aus\u00fcbt, so k\u00f6nnen Blutentziehungen auch ohne Ver\u00e4nderung des arteriellen Druckes, ja sogar mit Steigerung desselben verlaufen.\nBlutentziehungen, die nicht \u00fcber 2\u20143% des K\u00f6rpergewichtes betragen, bringen nur geringe und schwankende Aenderungen des Druckes hervor. Erreicht die entleerte Blutmenge ungef\u00e4hr die H\u00e4lfte derjenigen, welche bei t\u00f6dtlicher Verblutung gewonnen werden kann, dann sinkt der Blutdruck pl\u00f6tzlich ab und nun immer weiter, bis er bei einem Blutverluste von 4, 5\u20146 % des K\u00f6rpergewichtes auf Null sinkt (Heldenhain2, Gatzuck3, Tappeiner4, Worm-M\u00fcller5, Lesser6).\n1\tPawlow, Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 2 L0 u. 215. 1879.\n2\tHeidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 504. 1870.\n3\tGatzuck, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1871. S. 833.\n4\tTappeiner, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1872. S. 193.\n5\tAVorh-M\u00fcller, Ebenda 1873. S. 505.\n6\tLesser, Ebenda. 1874. S. 153; Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1878. S. 41.","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246 Rollett, Physiologie cler Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nAuch die Geschwindigkeit der Blutentleerung hat einen Einfluss auf die das Absinken des Druckes compensirenden Momente, da bei langsamem Aderlass der Blutdruck schon nach Blutentleerungen sinkt, welche bei raschem Aderlass ein solches Sinken nicht herbeif\u00fchren (Basch 1).\nDie Vermehrung der Blutmenge durch Transfusion giebt ebenfalls nicht das f\u00fcrs Erste zu erwartende Resultat einer der transfun-dirten Blutmenge proportionalen Steigerung des Blutdruckes. Wenn nachweislich in Folge der Transfusion keine Ansammlung des Blutes in den Venen stattgefunden hat und kein Austritt von Blut oder Plasma oder ein solcher nur in unbedeutendem Maasse erfolgte, erscheint der arterielle Druck meist nur unbedeutend gesteigert und sehr bedeutende Injectionsmengen treiben den Mittelwerth des Druckes \u00fcber eine bestimmte obere Grenze nicht hinaus. Es bleibt ferner in \u00fcberf\u00fcllten Thieren bei eingeleiteter Verblutung weit mehr Blut zur\u00fcck als bei nicht plethorisch gemachten Thieren. Aus diesen Thatsachen geht hervor, dass sich die Gef\u00e4ssw\u00e4nde sehr wechselnden Blutmengen anzupassen verm\u00f6gen und dass sie endlich bleibende Reckungen erleiden (Worm & M\u00fcller2, Lesser3).\nJe nachdem die Blutmenge durch Aderlass vermindert oder durch Transfusion vermehrt wird, glaubt Worm-M\u00fcller bei Hunden drei verschiedene F\u00fcllungszust\u00e4nde der Gef\u00e4sse (F\u00fcllungsterritorien) unterscheiden zu sollen: 1. Das erste beginnt mit der h\u00f6chsten mit dem Leben vereinbaren An\u00e4mie. Blutmenge 20\u201430% weniger als die normale. Mit wachsender F\u00fcllung steigt der arterielle Druck ziemlich regelm\u00e4ssig von 25 \u2014130 Mm. 2. F\u00e4ngt mit einem Blutgehalt an, der 25 % unter dem normalen liegt und h\u00f6rt mit Zunahme der Blutmenge bei 30\u201450 % \u00fcber dem normalen auf. Die Drucksteigerung ist hier geringer, reicht aber im Mittel von 120 \u2014 175 Mm. Hg. 3. Beginnt mit Vermehrung der Blutmenge um 30\u201450 % und erreicht beim h\u00f6chsten F\u00fcllungsgrad sein Ende. Der Druck bleibt im wesentlichen unge\u00e4ndert. Der zweite F\u00fcllungsgrad sei f\u00fcr die normale F\u00fcllung des Gef\u00e4sssystems massgebend. W\u00e4hrend der Abnahme der Blutmenge um 20\u201430 % sinkt der Druck, steigt aber bis sp\u00e4testens nach einer halben Minute auf die urspr\u00fcngliche H\u00f6he. Bei Zunahme der Blutmenge um 25\u201450 % steigt der Druck um rasch auf die urspr\u00fcngliche H\u00f6he zu sinken. Es geschieht in beiden F\u00e4llen eine Druckregulirung im Sinne des Normaldruckes. Die druck-\n1\tBasch, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1875. S. 373.\n2\tWorm-M\u00fcller, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-naturw. CI. 1873. S. 505; Transfusion u. Plethora. Christiania 1875.\n3\tLesser, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-naturw. CI. 1874. S. 153.","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Transfusion ; Pfortadenmterbindung ; Herzfrequenz und Blutdruck etc. 247\nregulirenden Einfl\u00fcsse sind nerv\u00f6ser Natur, denn nach Durchschneidung des Halsmarkes fallt dieses Territorium aus.\nAuch die Beobachtungen, welche Ludwig & Thiryj, Tappeiner1 2 und Basch3 \u00fcber die Folgen der Verschliessung der Pfortader gemacht haben, weisen auf -das Eingreifen tonischer Ver\u00e4nderungen hin. Nach der Unterbindung sinkt der Druck rasch auf ein Minimum, bei welchem die Thiere zu leben aufh\u00f6ren. L\u00f6st man die Ligatur ehe dieses Minimum eintritt, so stellt sich der alte Druckwerth wieder her. Anfangs schien sich daf\u00fcr die Erkl\u00e4rung zu bieten, dass in den Darmgef\u00e4ssen so viel Blut angestaut werde, dass gleichsam eine Verblutung des Thieres in seine eigenen Darmgef\u00e4sse eintrete; allein es zeigte sich bei Bestimmung der gestauten Blutmenge dieselbe so klein, dass an eine t\u00f6dtliche An\u00e4mie in den \u00fcbrigen G-ef\u00e4ssen nicht gedacht werden kann. Das Sinken des Arteriendruckes weist also auf eine tonische Depression hin.\nEinen constanten Zusammenhang zwischen Schlagfolge des Herzens und dem mittleren Blutdrucke in den Arterien in der Weise, dass jede Beschleunigung der Schlagfolge eine Steigerung, jede Verlangsamung der Schlagfolge ein Sinken des arteriellen Druckes zur Folge h\u00e4tte, wie man vordem annahm, giebt es nicht. Es kommt das daher, dass zwischen dem Blutdruck und den Herzhemmungsnerven und den motorischen Ganglien des Herzens andererseits selbst wieder compensatorische Wechselbeziehungen existiren. Rasches Steigen des Blutdruckes \u00e4ndert die Schlagfolge des Herzens bald in der einen, bald in der anderen Weise ab; rasches Sinken des Blutdruckes steigert die Anzahl der Herzschl\u00e4ge mehr oder weniger betr\u00e4chtlich.\nEin starkes Absinken des Blutdruckes tritt aber auf, wenn das Herz seine Schl\u00e4ge vollst\u00e4ndig einstellt. Dieser Fall verdient unser Interesse darum, weil seine Realisirung durch Erregung der Hemmungsnerven des Herzens Gelegenheit gab, die Spannung des ruhenden Blutes zu messen (Brunner4). Dabei musste aber noch die weitere Forderung erf\u00fcllt sein, dass auch die Athembewegungen und die Bewegungen der Gliedmassen m\u00f6glichst zur Ruhe gebracht wurden. Unter diesen Bedingungen fand Brunner den Druck in den Arterien des Hundes auf 10.4\u201415.2 Mm. Hg gesunken und derselbe Druck herrschte dann auch in den \u00fcbrigen Theilen des Gef\u00e4sssystems. Durch Transfusion von Blut konnte die Spannung des ruhenden Blutes\n1\tLudwig u. Thlry a. a. 0.\n2\tTappeiner a. a. 0.\n3\tBasch & Sj 0\n4\tBrunner, Ztsckr. f. rat. Med. IST. F. V. S. 336. 1855.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nerh\u00f6ht, durch Blutentziehung1 herabgesetzt werden. Aber auch die Spannung des ruhenden Blutes ist von dem Zustande der Gef\u00e4sswand' in hohem Grade abh\u00e4ngig, was nach den vorausgehenden Mittheilungen leicht begreiflich ist. Einiges dar\u00fcber giebt schon Brunner an. Bezold & Gscheidlen1 sahen die Druckdifferenz zwischen Arterien und Venen in Folge von Herzstillstand rascher sich ausgleichen, wenn die Gef\u00e4sse unter dem Einfluss des Hirns standen, als wenn dieser Einfluss aufgehoben war. Im ersteren Falle wirkt die vom Hirn innervirte Gef\u00e4ssmusculatur auf den Ausgleichsstrom, im letzteren Falle nicht. Diese Versuche werden aber mit Bezug auf die neueren Anschauungen \u00fcber den Gef\u00e4sstonus wieder aufgenommen werden m\u00fcssen.\nIV. Der Puls der Arterien.\nDie Ursache der kleinen Maxima und Minima der arteriellen Blutdruckcurve ist leicht aufzudecken. Die Anzahl der Maxima in einer bestimmten Zeit ist gleich der Anzahl der in derselben Zeit erfolgenden Herzschl\u00e4ge. Sie r\u00fchren also von den Herzschl\u00e4gen her und sind nichts anderes, als die graphische Verzeichnung derjenigen Erscheinung, wmlche man seit Alters her als Puls der Arterien bezeichnet.\n1. Die Fortpjlanzungsgeseh win di g k eit des Pulses.\nE. H. Weber2 hat, nachdem schon durch Th. Young3 beil\u00e4ufige Hinweise gemacht worden waren, den Puls zuerst zur\u00fcckgef\u00fchrt auf die vom Herzen in den Arterien erzeugte Wellenbewegung (s. oben S. 214). Als n\u00e4chsten Beweis dieser Theorie zog E. H. Weber die schon von Weitbrecht4 dargelegte Erscheinung heran, dass der Puls in den dem Herzen n\u00e4heren Arterien etwas fr\u00fcher auftritt, als in den dem Herzen entfernteren Arterien.\nNach E. H. Weber\u2019s Bestimmungen mit der Tertien-\u2018Uhr wird der Puls in dem \u00fcber den Fussr\u00fccken laufenden Zweig der Art. tib. ant. b: Secunde sp\u00e4ter vom aufgelegten Finger wahrgenommen, als in der A. maxill. ext.\nDaraus berechnet sich f\u00fcr die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der\n1\tBezold u. Gscheidlen, Unters, a. tl. physiol. Lahor. inW\u00fcrzburs. 1. Th. S. 347 Leipzig 1867.\n2\tE. H. Weber, Observ. anat. et physiol, proless. I. Lipsiae 1827 ; De pulsu, re-sorptione, auditu et tactu adnot. anat. et physiol, p. 5. Lipsiae 1831 ; Arch. f. Anat, u. Physiol. 1851. S. 497.\n3\tYoung, Phil, transact. II. p. 164. 1808; I. p. 1. 1809.\n4\tWeitbrecht, Comm. acad. imp. scient. Petropolitan. ad ann. 1734 et 1735. p. 317. Petropoli 1740.","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Cardiale Druckschwankungen ; F Ortpflanzungsgeschwindigkeit d. Pulswellen. 249\nPulswelle eine Secundengesckwindigkeit von 9.24 Meter. Sp\u00e4ter wurde die sogenannte Pulsversp\u00e4tung mit feineren Hilfsmitteln von CzermakLandois1 2, Moens3 und Grunmach4 bestimmt.\nEs dienten dazu graphische Methoden. Die Anlegung zweier Sphyg-mographen (s. unten S. 255) an die entlegenen Orte der Arterien , die \u00fcber einander auf derselben Schreibfl\u00e4che zeichneten, w\u00e4hrend zugleich eine Zeitcurve angeschrieben wurde (Czermak), oder es wurden mit Ma-rey\u2019s Registrirtrommel in Verbindung stehende Aufnahmetrommeln an die Arterienorte applicirt (Moens und Gr\u00fcnmach) oder man bediente sich dreier Markirmagnete, die genau \u00fcber einander zeichneten, w\u00e4hrend der Strom zweier regelm\u00e4ssig durch den Puls, der des dritten durch ein Metronom unterbrochen wurde (Landois).\nCzermak5 fand die Pulsversp\u00e4tung zwischen A. radial, und A. dors, pedis zu 0.018 Sec. zwischen A. carotis und A. rad. zu 0.094. Also die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in den unteren Extremit\u00e4ten gr\u00f6sser als in den oberen, zur Erkl\u00e4rung dieser Differenz weist Czermak auf die gr\u00f6ssere Resistenz der Wand der Schlagadern der unteren Extremit\u00e4ten hin. In den weicheren und nachgiebigeren Arterien von 7\u201410 j\u00e4hrigen Kindern ergab sich die Versp\u00e4tung gr\u00f6sser als beim Erwachsenen. Czermak folgert aus den von ihm beobachteten Thatsachen, dass bei demselben Individuum die Fortpflanzungsgeschwindigkeit vom Centrum gegen die Peripherie hin wegen der wachsenden Nachgiebigkeit der Wandungen abnehmen m\u00fcsse.\nAuch Landois6 fand im Schlagadergebiet der unteren Extremit\u00e4ten die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswelle gr\u00f6sser 6.431 M. im Vergleich zu der in den oberen Extremit\u00e4ten 5.772 M. in der Sec. Es stimmen diese Thatsachen mit der von Moens aufgestellten Beziehung zwischen Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Pulses und Ela-sticit\u00e4tscoefficienten der Schlauchwand \u00fcberein.\nZwar l\u00e4sst sich die von Moens aufgestellte Formel7\nnicht direct auf die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Pulses anwenden, so wie auf elastische Schl\u00e4uche und D\u00e4rme, in deren Verlauf die Fac-toren, welche Vp beeinflussen, an allen Puncten dieselben bleiben, denn\n1\tCzermak, Mittheil. a. d. Privatlabor. S. 24. Wien 1864 ; Prager med. Woch. 1864. Nr. 17.\n2\tLandois, Lehre vom Arterienpuls. S. 294. Berlin 1872 ; Lehrb. d. Physiol. S. 157. Wien 1879.\n3\tMoens, Die Pulscurve. S. 101. Leiden 1878.\n4\tGrunmach, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1879. S. 417.\n5\tCzermak a. a. O.\n6\tLandois, Lehre v. Arterienpuls. S. 298.\n7 S. oben S. 221.","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nim arteriellen Gef\u00e4sssysteme wechseln jene Factoren nicht nur f\u00fcr verschiedene Gef\u00e4sse, sondern auch f\u00fcr verschiedene Stellen desselben Ge-f\u00e4sses. Da aber f\u00fcr jedes Element des arteriellen Gef\u00e4sssystemes die Giltigkeit des obigen Abh\u00e4ngigkeitsgesetzes vorausgesetzt werden muss, so l\u00e4sst sich aus demselben wenigstens ein Schluss machen auf den Einfluss solcher Ver\u00e4nderungen, welche die genannten Factoren oder einen derselben in allen Elementen der arteriellen Bahn in derselben Richtung variiren.\nMoens1 fand beim Menschen die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Pulses bei ruhigem Athmen 8.4, 8, 8.5 M. in der Secunde, beim Anhalten des Athems und Pressen, wodurch der Druck in den Arterien sinkt und der Elasticit\u00e4tscoefficient kleiner wird auf 7, 7.3, 7.6 M. in der Secunde gesunken. Eine Ziege, welche eine Fortpflanzungsgeschwindigkeit von 11.5 M. in der Secunde ergab, zeigte nach Sistirung der Herzschl\u00e4ge durch Vagusreizung, nachdem diese wieder aufgehoben war und der arterielle Druck allm\u00e4hlich stieg, nach dem ersten Herzschlag 4.5 M. in der Secunde, nach dem zweiten Herzschlage 4.5, nach dem dritten 6, nach dem vierten 7.5, nach dem f\u00fcnften 12, nach dem sechsten 13 M. in der Secunde. Beim Hund bestimmte Grunmach die Fortpflanzungsgeschwindigkeit zu 4.746 M. in der Secunde. Hach der Anwendung von Blutdruck herabsetzenden Narcoticis sah er sie von 4.11\u20143.920\u20143.304 M. in der Secunde sinken, nach Durchschneidung des R\u00fcckenmarkes sank sie von 4.706 auf 3.086. Bei Steigerung des Blutdruckes durch Atkemsuspension oder Reizung des R\u00fcckenmarkes stieg sie von 4.807 auf 5.514 und auf 6.25 M. in der Secunde. Beim Menschen fand Grunmach2 bei mittelgrossen Individuen in der Richtung nach den oberen Extremit\u00e4ten 5.123, nach den unteren Extremit\u00e4ten 6.620. Bei einem lOj\u00e4hr. Kinde in der Richtung nach den oberen Extremit\u00e4ten 3.636, in der Richtung nach den unteren 5.486 M. in der Secunde ; locale Verengerung oder Erweiterung verz\u00f6gerten die Pulswelle. Anhalten des Athems und Pressen machten die Fortpflanzungsgeschwindigkeit von 5.125 auf 4.278 M. in der Secunde sinken. Es stimmen also die Versuche der vier Beobachter \u00fcberein und f\u00fcgen sich den von Moens aufgestellten Gesetzen.\nW\u00e4hrend der Fortpflanzung durch die Arterien nimmt die H\u00f6he der Welle fortw\u00e4hrend ab und endlich wird sie unmerklich. Es kommt das daher, dass die Beschleunigung, welche die Fl\u00fcssigkeits-theilchen durch die Welle erfahren, gegen die Peripherie hin ab-\n1\tMoens a. a. O.\n2\tGkummach a. a. O.","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Aenderung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit; Pulsfrequenz.\n251\nnimmt, weil der Querschnitt also die Masse, auf welche die Beschleunigung sich vertheilt, fortw\u00e4hrend zunimmt und weil durch innere Reibung der Fl\u00fcssigkeitstheilchen in der Welle selbst die \u00fcbertragbare Kraft immer kleiner wird. Die Grenze, wo die Welle unmerklich wird, liegt bald n\u00e4her, bald entfernter vom Herzen. Wir kommen darauf noch zur\u00fcck.\n2. Die Pulsqualit\u00e4ten als Ergebniss des Pulsf\u00fchlens.\nEs ist allgemein bekannt, dass der Puls mittelst des \u00fcber den Arterien aufgelegten Fingers wahrgenommen werden kann. Der aufgelegte Finger nimmt nicht blos die Anzahl der in einer bestimmten Zeit erfolgenden Pulsschl\u00e4ge wahr, sondern man bemerkt auch an jedem einzelnen Pulsschlage und an der pulsirenden Arterie gewisse Eigenthiimlichkeiten, die im gegebenen Falle sich von den zu anderen Zeiten wahrgenommenen sehr wesentlich unterscheiden.\nDass solche Unterschiede existiren, war schon im Alterthum bekannt (Herophilus, Archig-enes) und sind im Laufe der Zeiten eine grosse Zahl von Pulsbenennungen entstanden, mit welchen die erw\u00e4hnten Eigenthiimlichkeiten oder Pulsqualit\u00e4ten bezeichnet werden sollten. Alle diese Pulsqualit\u00e4ten lassen sich aber auf vier Grundqualit\u00e4ten zur\u00fcckf\u00fchren; diese sind: die Frequenz, die Gr\u00f6sse, die Schnelligkeit und die H\u00e4rte des Pulses1.\n1. In Bezug auf die Frequenz des Pulses unterscheidet man einen h\u00e4ufigen (Pulsus frequens) und seltenen Puls (Pulsus rarus). Der erstere bezeichnet einen Puls, der \u00f6fter in der Zeiteinheit, der letztere einen, der weniger oft in der Zeiteinheit erscheint. Die Frequenz des Pulses ist ein Ausdruck f\u00fcr die Anzahl der in der Zeiteinheit erfolgenden Herzcontractionen.\nDie mittlere Pulsfrequenz eines gesunden erwachsenen Menschen von mittlerem Lebensalter wird auf Grund zahlreicher vorliegender Z\u00e4hlungen zu 72 Schl\u00e4gen in der Minute angenommen (Vierordt2). Sie kann sich aber im einzelnen Falle nach unten oder nach oben von jener Mittelzahl entfernen. Die Pulsfrequenz ist abh\u00e4ngig vom Lebensalter. Sie ist im Kindesalter am gr\u00f6ssten, sinkt dann bis zum 20. Lebensalter, um zwischen 20\u201424 Jahren ihr Minimum zu erreichen. Von da an steigt sie wieder allm\u00e4hlich bis zum 55. Jahre\n1\tVgl. Burdon-Sanderson, Handbook of the sphygmograph. p. 13. London 1867. \u2014 Laxdois, Die Lehre vom Arterienpuls. S. 204. Berlin 1872. \u2014 Br\u00fccke, Yorles. \u00fcb. Physiol. 2. Aufl. S. 152. Wien 1875.\n2\tVierordt, Lehre vom Arterienpuls. S. 59. Braunschweig 1855.","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nund von da ab etwas rascher bis ins hohe Greisenalter (Volkmann1 nach eignen und Beobachtungen von Guy'2 und Nitsch3).\nDie Mittelzahlen aus den Beobachtungsreihen der einzelnen Beobachter liegen f\u00fcr das Ende des F\u00f6tallebens zwischen 144 \u2014 133 Schl\u00e4gen in der Minute (P. du Bois4, Jacquemier5, Naegele6, Churchill'). F\u00fcr Neugeborne und das 1. Lebensjahr, w\u00e4hrend welches nach einzelnen Beobachtern selbst wieder Auf- und Abschwankungen vorhanden sein sollen, liegen sie zwischen 140 und 123 Schl\u00e4gen in der Minute (Els\u00e4sser8, Gorham9, Lediberder10, Trousseau11; Mignot12, Seux13, Steffen14 und die fr\u00fcher mit Volkmann genannten Beobachter); die Mittelzahlen sinken bis zum ld. 15. Lebensjahre auf 91\u201476 Schl\u00e4ge in der Minute (Quetelet15, Guy16, Vierordt17, Steffen18), bis zum 20.\u201425. Jahre auf 73\u201469, auf welchen Werthen sie bis zum 60. Lebensjahre bleiben, um im Greisenalter wieder etwas zuzunehmen (Guy19, Nitsch20, Volkmann21, Vierordt22); nur ausnahmsweise wird im Greisenalter die Pulsfrequenz sehr niedrig oder aber auffallend hoch gefunden (Su-CHIER23, LaNDOIS).\nDie Pulsfrequenz ist ferner abh\u00e4ngig vom Geschlechte. Sie ist bei Weibern gr\u00f6sser als bei gieichalterigen M\u00e4nnern: nach Quetelet24 um 1\u20144.5 Schl\u00e4ge, nach Guy25 um 7\u20148 Schl\u00e4ge in der Minute.\nBei Individuen desselben Geschlechtes und Lebensalters ist sie nach der K\u00f6rperl\u00e4nge verschieden, bei gr\u00f6sseren Individuen geringer als bei kleineren.\n1\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 426. Leipzig 1850.\n2\tGuy, Todd\u2019s Cyclopaedia of anat. and physiol. III. p. 181. 1848.\n3\tKitsch, De ratione inter pulsus frequent, et corp. altitud. habita. Halae 1849.\n4\tP. duBois, Arch. g\u00e9n. d. m\u00e9d. XXVII. p. 465. 1831.\n5\tJacquemier, De l\u2019auscult. appl. au syst, vesicul. des femm. etc. Paris 1837.\n6\tNaegele, Die geburtshilfliche Auskult. S. 35. 1838.\n7\tChurchill, Dublin quart. Journ. of med. scienc. XIX. p. 326. 1855.\n8\tEls\u00e4sser, Ber. d. Geb\u00e4ranstalt in Stuttgart. 1828\u20141835.\n9\tGorham, Med. Gaz. XX. p. 324. London 1837.\n10\tLediberder bei Valleix, Clinique des enfants etc. 1838.\n11\tTrousseau, Journ. des connais, m\u00e9d. chir. p. 28. 1841.\n12\tMignot, Rech. sur les ph\u00e9nom. de la cire, chez les nouv. n\u00e9e. Paris 1851.\n13\tSeux, Union m\u00e9d. 1855. p. 522.\n14\tSteffen, Jahrb. d. Kinderheilk. 1870. S. 393.\n15\tQuetelet, Sur l\u2019homme et le d\u00e9velopp. phys. de ses facult. 1835.\n16\tGuy a. a. O.\n17\tVierordt a. a. O.\n18\tSteffen a. a. O.\n19\tGuy a. a. O.\n20\tNitsch a. a. O.\n21\tVolkmann a. a. O.\n22\tVierordt a. a. O.\n23\tSuchier, De puls. norm, different. Marburg 1843.\n24\tQuetelet a. a. O.\n25\tGuy a. a. O.","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Alter. Geschlecht. K\u00f6rpergr\u00f6sse und -l\u00e4ge ; Nahrungsaufnahme.\n253\nAuf Grund einer grossen Zahl von einzelnen Messungen hat man das empirische Gesetz dieses Zusammenhanges durch Formeln auszudr\u00fccken gesucht (Bryan Robinson1, Volkmann2). Ueber eine eigentkiimliche theoretische Begr\u00fcndung einer solchen Formel handelt Rameaux3, Berechnungen finden sich bei Vierordt4 und Land\u00f6is5 6.\nDie Pulsfrequenz wird beeinflusst von der Lage des K\u00f6rpers, sie ist gr\u00f6sser beim aufrechten Stehen als beim Sitzen und dabei gr\u00f6sser als beim horizontalen Liegen (Nick0, Guy7). Bei gesunden, n\u00fcchternen, vorher ausgeruhten M\u00e4nnern fand Guy7 beim Liegen 66, beim Sitzen 71, beim Stehen 81 Schl\u00e4ge in der Minute; \u00e4hnlich verhielten sich die Weiber. Passives Aufrichten von an ein Brett befestigten Menschen hob die Pulszahl, Wenden derselben auf den Kopf setzte sie herab.\nK\u00f6rperliche Bewegung steigert die Pulszahl vor\u00fcbergehend, wenn nur kurzdauernde Anstrengungen gemacht werden ; betr\u00e4chtlicher und l\u00e4nger nachdauernd wird die Pulsbeschleunigung bei anhaltender, zur Erm\u00fcdung f\u00fchrender Bewegung (Lichtenfels & Fr\u00f6hlich8).\nDie Pulsfrequenz \u00e4ndert sich mit der Nahrungsaufnahme. Lichtenfels und Fr\u00f6hlich sahen sie rasch ansteigen nach dem Morgenkaffee, dann wieder sinken bis zum Mittagsmahl, welches wieder eine Steigerung, die kleiner war, hervorbrachte, nach IV2\u2014272 Stunden sank die Pulsfrequenz wieder bis zur Abendmahlzeit, die eine neue Steigerung hervorbrachte. Nach dem Genuss stickstoffhaltiger Nahrung ist die Steigerung gr\u00f6sser als nach dem Genuss von Amyla-ceis. Die Pulsfrequenz \u00e4ndert sich aber auch mit der Tageszeit, unabh\u00e4ngig von k\u00f6rperlichen Bewegungen und von der Nahrungsaufnahme. Sie sinkt auch an Hungertagen vom Morgen bis Mittag, um Nachmittags wieder etwas zu steigen, und dann gegen Abend wieder zu sinken; den \u00e4hnlichen t\u00e4glichen Perioden der K\u00f6rpertemperatur gehen die der Pulsfrequenz etwas voraus.\nSie betrug z. B. am fr\u00fchen Morgen nach lOst\u00fcndigem Fasten 69.3 in der Minute, 6 Stunden darauf 50, nach weiteren 4 Stunden 53.3 in der Minute.\nUeber die Abh\u00e4ngigkeit der Pulsfrequenz von den Athembewe-\n1\tBryan Robinson, A treatise of animal \u00e9conomie, p. 136. 1734.\n2\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 430.\n3\tRameaux, Bull, de l\u2019acad. de Bruxelles 1S39. p. 121 ; M\u00e9m. couron. de l\u2019acad. roy. d. belgique. Bruxelles 1857.\n4\tVierordt, Lehre vom Arterienpuls. S. 61.\n5\tLandois, Lehre vom Arterienpuls. S. 234.\n6\tNick, Beobacht, \u00fcb. d. Beding., unter welchen die H\u00e4ufigk. d. Puls, im gesund. Zustande ver\u00e4ndert wird. Marburg 1826.\n7\tGuy a. a. 0.\n8\tLichteneels u. Fr\u00f6lich, Denkschr. d. Wiener Acad. HL S. 113. 1852.","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\ngungen wird sp\u00e4ter gehandelt werden. Die Abh\u00e4ngigkeit vom Blutdruck ygl. oben S. 247. Ueber die Art und Weise, wie die Vorg\u00e4nge im Nervensystem, von welchen die Aenderungen der Pulsfrequenz in allen F\u00e4llen bedingt ist, eingreifen, s. die Lehre von der Innervation des Herzens und der Gef\u00e4sse.\n2.\tIn Bezug auf die Gr\u00f6sse unterscheidet man einen grossen (Pulsus magnus) und kleinen Puls (Pulsus parvus). Ein grosser Puls ist derjenige, bei welchem die Excursion, welche die Arterie unter dem aufgelegten Finger macht, gross ist, ein kleiner, bei welchem diese Excursion klein ist.\nDie Gr\u00f6sse des Pulsus ist ein Ausdruck f\u00fcr die gr\u00f6ssere oder geringere Blutmenge, welche bei einer Systole aus dem Ventrikel entleert wird.\nEs ist hier zu erinnern, dass die Arterien sowohl der Quere als der L\u00e4nge nach gedehnt werden (Poiseuille \\ E. H. Weber1 2 3, Volkmann :i). Die L\u00e4ngendehnung kann aber die Arterie nicht \u00fcber die Grenzen, welche ihr durch die Einlagerung und Befestigung im Gewebe angewiesen sind, hinausf\u00fchren und das ist der Grund warum die Verl\u00e4ngerung der Arterien zur Folge hat, dass sich dieselben bei der Systole entsprechend der mehr oder weniger nachgiebigen Verbindung mit der Umgebung in ihrem Verlaufe etwas schl\u00e4ngeln oder schon vorhandene Schl\u00e4ngelungen st\u00e4rker hervortreten lassen.\nMan hat h\u00e4ufig Gelegenheit an blossliegenden aber nicht v\u00f6llig isolirten Arterien diesen Vorgang zu beobachten. Der Eindruck, welchen der aufgelegte Finger empf\u00e4ngt, wird aber mit durch diese Locomotion bedingt, Sie ist gr\u00f6sser bei grossem, kleiner bei kleinem Puls.\n3.\tIn Bezug auf die Schnelligkeit, unterscheidet man den schnellen (Pulsus celer) und tr\u00e4gen Puls (Pulsus tardus). Unter ersterem versteht man einen Puls, bei welchem die Arterie rasch gegen den Finger andringt, ein tr\u00e4ger Puls ist jener, bei welchem das weniger rasch geschieht. H\u00e4lt man diese Definition fest, dann ist die Schnelligkeit des Pulses ein Ausdruck f\u00fcr die Zeit, w\u00e4hrend welcher sich die systolische Umformung des Ventrikels vollendet. Es betrifft also diese Pulsqualit\u00e4t die Form der Pulswelle, f\u00fcr diese ist aber der tastende Finger ein verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig unvollkommenes Pr\u00fcfungsmittel.\n4.\tIn Bezug auf die H\u00e4rte des Pulses unterscheidet man einen harten (Pulsus durus) und weichen Puls (Pulsus mollis). Unter dem\n1\tPoiseuille, Magendie\u2019s Journ. d. physiol, exp\u00e9r. et pathol. IX. p. 44. 1829.\n2\tE. H. Weber. Handb. d. Anat. III. S. 65. Braunschweig 1831.\n3\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 417. 1850.","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"Grosse, Schnelligkeit, H\u00e4rte ; zusammengesetzte Qualit\u00e4ten des Pulses.\t255\nersteren versteht man clen Puls an einer Arterie, welche sich nur schwer mit dem Finger zusammendr\u00fccken l\u00e4sst, das entgegengesetzte ist der Fall beim weichen Puls. Die H\u00e4rte des Pulses ist ein Ausdruck f\u00fcr die Gr\u00f6sse des in der Arterie herrschenden mittleren Blutdruckes. Diese sog. Pulsqualit\u00e4t hat also eigentlich mit der Pulsbewegung nichts zu thun, sondern betrifft nur die Absch\u00e4tzung des Mitteldruckes, die sich mit dem pulsf\u00fchlenden Finger an der Arterie vornehmen l\u00e4sst.\nAuf die angef\u00fchrten vier Grundqualit\u00e4ten lassen sich eine Reihe weiter benannter Pulsqualit\u00e4ten zur\u00fcckf\u00fchren (Br\u00fccke1).\nSie betreffen Pulse, an welchen zwei oder mehrere der genannten Qualit\u00e4ten besonders hervortreten.\nSo ist ein P. fortis ein harter und grosser, ein P. debilis ein weicher und kleiner Puls, gleichbedeutend damit ist der P. plenus und inanis, bei welchem Gr\u00f6sse und Kleinheit noch mehr hervortreten als H\u00e4rte und Weichheit. Ein P. undosus ist dagegen ein grosser und weicher, ein P. contractus ein kleiner und harter Puls. Ein P. vermicularis ist ein kleiner sehr frequenter, ein P. serratus ein grosser, harter und schneller, ein P. vibrans ein sehr grosser, sehr harter Puls.\nEine Reihe von Pulsbenennungen wurden eingef\u00fchrt f\u00fcr bestimmte Pulsrhythmen. Diese k\u00f6nnen bedingt sein durch die qualitative Verschiedenheit der aufeinanderfolgenden Pulse (P. myurus, Reihe von Pulsen, die immer kleiner und kleiner werden, bis wieder ein grosser erscheint u. s. f. ; P. alternans, abwechselnd grosse und kleine Schl\u00e4ge; P. bi-tri-quadrigeminus, ein grosser, mit einem oder zwei oder drei kleinen zu Gruppen verbunden); oder durch ein zeitweiliges Aussetzen des Pulses, welches durch Schw\u00e4che (P. intermittens) oder wirkliches Fehlen der Herzcontraction (P. deficiens) bedingt sein kann. Es giebt endlich gleichzeitig in verschiedenen Arterien verschiedene Pulse (P. differens).\nDiese Pulse treten meist nur als pathologische Pulse auf; sie k\u00f6nnen nur gelegentlich erw\u00e4hnt werden, wo sie auch bei physiologischen Experimenten beobachtet werden.\n3. Die graphische Darstellung des Arterienpulses (Splujgmographie) nebst einigen anderen Methoden der Pulsuntersuchung.\nEin wesentlicher Fortschritt wurde in der Erkenntniss des Ar-terienpulses durch die Einf\u00fchrung graphischer Apparate herbeigef\u00fchrt, die an die Arterien des unversehrten Organismus applicirt werden k\u00f6nnen.\nVierordt2 bediente sich dazu eines F\u00fchlhebels (Fig. 24) J, an dem sich eine kleine, zum Aufsetzen auf die Arterie bestimmte Pelotte p befindet und der mit kleinen Wagesch\u00e4lchen L und M zur Regulirung der\n1\tBr\u00fccke a. a. 0.\n2\tVierordt, Die Lehre vom Arterienpuls. S. 21. Braunschweig 1855.","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nBelastung versehen ist. Das Ende dieses Hebels tr\u00e4gt nicht direct die schreibende Spitze x, sondern ist mit der letzteren und dem Gegenlenker V durch die Achsen rr1 und das WATT\u2019sche Parallelogramm s zum Zwecke der Geradf\u00fchrung der Spitze verbunden, die bestimmt ist, auf der Trommel des Kymographion zu schreiben. Vierordt\u2019s Sphygmograph hat sich nur wenig Eingang verschafft.\nEs concurrirte damit bald ein von Marey 1 nach anderem Principe construirter Sphygmograph (Sphygmograph \u00e0 pression \u00e9lastique). Dieses Instrument hat eine viel compendi\u00f6sere Form, Marey verzeichnete damit wesentlich andere Pulscurven als sie Vierordt mit seinem Instrumente erhalten hatte und es stellte sich bald heraus, dass Marey\u2019s Curven\nFig. 25.\nals getreuere Pulsbilder zu betrachten sind. Marey\u2019s Instrument hat sp\u00e4ter wesentliche Verbesserungen und vielfache Modificationen erfahren. Es ist nicht m\u00f6glich, hier alle diese verschiedenen Sphygmographen zu beschreiben; wir werden nur einige derselben kennen lernen, welche am\n1 Marey, Journ. de la physiol. III. p. 241. 1860.","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Sphygmographen von Vierordt, Marey, Behier, Mach u. A.\t257\nmeisten gebr\u00e4uchlich geworden oder zu gr\u00f6sseren Versuchsreihen benutzt worden sind.\nIn Figur 25 I ist Marey\u2019s Instrument applicirt auf die A. radial, des Menschen, wof\u00fcr es vorzugsweise bestimmt ist, dargestellt. Es besteht aus dem oblongen Grundrahmen ab cd, mit welchem durch Charni\u00e8re zwei Armschienen, deren eine A Fig. 25 ganz zu sehen ist, verbunden sind. Die Armschienen tragen Zacken, um welche die das Instrument befestigende Schnur geschlungen wird ; mit dem Grundrahmen fest verbunden ist der Fortsatz, welcher das Uhrwerk U tr\u00e4gt, bestimmt, die Platte P mit einer gewissen Geschwindigkeit in der Richtung des Pfeiles zu verschieben. Die Platte wird mit berusstem Glanzpapier \u00fcberspannt. An dem Grundrahmen ist ferner fest die elastische harte Feder f, welche nach Art einer durchschlagenden Zunge mit ihrem freien vorderen Ende, welches an der unteren Fl\u00e4che eine Pelotte tr\u00e4gt, nach unten aus dem Grundrahmen hervorragt und auf die Arterie dr\u00fcckt. Diese Feder ist zur Aufnahme der Bewegungen der Arterie bestimmt und muss diese auf den Schreibhebel h \u00fcbertragen. Der Letztere sitzt fest auf einer Axe r, welche mit ihren in Zapfen auslaufenden Enden in zwei auf dem Grundrahmen festsitzenden Lagern drehbar ist. An der Axe ist ferner das Zahnr\u00e4dchen z befestigt, in welches die kleine Zahnstange s eingreift. Die letztere ist mit ihrem unteren Ende durch ein Charniergelenk mit der Feder f verbunden. II. Fig. 25 zeigt den vorderen Theil der Feder f mit der Pelotte p und die Verbindung o von s mit f vergr\u00f6ssert. Wird s in der Richtung nach dem anderen Ende der Feder zur\u00fcckgeschlagen, so ist f und h ausser Verbindung. Diese ist sofort hergestellt, wenn s in das Zahnr\u00e4dchen z eingelegt wird. Mittelst der in der Figur sichtbaren Schraube 5 kann die Spannung der Feder f regulirt werden und \u00fcberdies noch dadurch, dass man s h\u00f6her oder tiefer in z eingreifen l\u00e4sst. Die eben beschriebene Verbindung der Feder f mit dem Schreibhebel h r\u00fchrt von Behier1 her. Sie macht die Application des Instrumentes weit leichter, als diese bei einigen \u00e4lteren Formen des Instrumentes war. In Marey\u2019s urspr\u00fcnglichem Instrumente ruhte der Schreibhebel h nur auf einer mit der Feder f verbundenen Schneide auf, in Folge dieser losen Verbindung konnte der Schreibhebel beim Emporgehen abspringen und versp\u00e4tet wieder zur\u00fcckfallen, was zu einer Entstellung der Pulscurve f\u00fchren musste. Um diese Fehlerquelle zu vermeiden, hat vor Behier schon Mach2 Feder und Schreibhebel mittelst eines in Feder und Hebel eingelenkten Metallst\u00e4bchens verbunden. Auch Garrod3 stellte eine solche Verbindung her.\nDie Sphygmographen von Burdon-Sanderson4 und Foster5 sind Modi-fi cationen des MAREY\u2019schen Sphygmographen mit Vorrichtungen zur genauen Regulirung des Druckes, der auf die Arterie ausge\u00fcbt wird \\ eine mit besonderen Regulirvorrichtungen versehene Modification mit Behier\u2019-scher Einrichtung und gr\u00f6sserer Schreibfl\u00e4che hatTHANHOFFER6 beschrieben.\n1\tBehier, Bull, de l\u2019acad. de m\u00e9d. XXXIII. p. 176. 1868.\n2\tMach, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLVII. (2) S. 53. 1863.\n3\tGarrod, Journ. of anat. and physiol. V. p. 399. 1872.\n4\tBurdon-Sanderson, The Handbook of the Sphyg. London 1867.\n5\tFoster, Journ. of anat. and physiol. I. p. 62. 1867.\n6\tThanhoffer, Ztschr. f. Biologie. XV. S. 69. 1879.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\n17","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258 Rollett, Physiologie cler Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nIn den Sphygmographen von Baker1, Landois2 und Sommerbrodt3 ist die elastische Druckfeder wieder ersetzt durch einen mit Gewichten beschwerten Hebel.\nEine schematische Darstellung von Landois\u2019 Instrument (von ihm Angiograph genannt) giebt Fig. 26: g g Grundrahmen, dz solider Stab an Stelle der elastischen Feder, das mit Gewichten zu belastende Wagesch\u00e4lchen Q tragend ferner die Pelotte c und die Zahnstange d, welche in das am Hebel e i festsitzende Zahnr\u00e4dchen h eingreift. An der Spitze des Hebels ist der schreibende Stift k so eingelenkt, dass er durch seine eigene Schwere an die Schreibfl\u00e4che t gedr\u00fcckt wird, die hier senkrecht auf die Axe des Schreibhebels vor\u00fcbergef\u00fchrt wird, was eine abweichende\nFig. 26.\nStellung des Uhrwerkes im Vergleich mit Marey\u2019s Instrument bedingt. Die letzteren Einrichtungen bezwecken, dass die Ordinaten der Pulscurve gerade Linien werden und nicht so wie bei Marey Kreisbogen sind. Das Instrument von Sommerbrodt gleicht dagegen vollst\u00e4ndig dem von Marey, nur die Feder ist durch einen soliden Stab ersetzt, genau so, wie in Landois\u2019 Angiographen. Die Sphygmographen, bei welchen statt der Elasticit\u00e4t die Schwere den Druck auf die Arterie aus\u00fcbt, entsprechen aber, wie leicht ersichtlich, einer R\u00fcckhehr zu Vierordt\u2019s Princip. Man erh\u00e4lt aber mit den genannten Instrumenten genau dieselben Curven wie mit Marey\u2019s Sphygmographen.\nEigenth\u00fcmlich ist Longuet\u2019s4 Sphygmograph eingerichtet, bei welchem mittelst Pelotte ein Fiedelbogen auf die Arterie gesetzt wird, welcher ein kleines R\u00f6llchen anstreicht, wodurch ein mit dem R\u00f6llchen auf derselben Axe sitzendes gr\u00f6sseres Rad, welches die Schreibspitze tr\u00e4gt, bewegt wird. Die Curven gleichen den mit Marey\u2019s Instrument gewonnenen. Longuet\u2019s Instrument ist gewiss sehr complicirt und die Verbindung zwischen Pelotte und Schreibhebel sehr unverl\u00e4sslich.\nVerschieden von den angef\u00fchrten Sphygmographen sind diejenigen, welche auf das Upham-Buisson\u2019scIic Verfahren der Uebertragung durch die Luft zur\u00fcckf\u00fchren. Bei diesen ist wieder die Registrirtrommel von Marey der bei allen wiederkehrende Bestandteil. Der Anlegeapparat enth\u00e4lt als wesentlichen Theil eine mit Pelotte versehene MAREY\u2019sche\n1\tBaker, Brit. med. journ. 1867. p. 604.\n2\tLandois, Lehre vom Arterienpuls. S. 71. Berlin 1872.\n3\tSommerbrodt, Ein neuer Sphygmograph etc. Breslau 1876.\n4\tLonguet, Gaz. m\u00e9d. 1868. p. 660.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Angiograph v. Landois, Transmissionssphygmogr., Hydrosphygmogr. v. Franck. 259\nTrommel, wie bei den Pansphygmographen von Brondgeest1 oder Druckfeder und Trommel wie bei den Polygraphen von Mathieu & Meurisse2, Grunmach3 und Knoll4, deren wir beim Herzstoss Erw\u00e4hnung thaten (s. oben S. 188 u. 189 und Fig. 8 C, D und E)\\ statt der Trommel kann auch eine offene luftdicht \u00fcber der pulsirenden Arterie aufgesetzte Kammer verwendet werden (Klemensiewicz 5).\nDer Transmissionssphygmograph von Marey6 (Sphygmograph \u00e0 transmission) enth\u00e4lt als Anlegeapparat einen Sphygmographen mit elastischer Feder, genau so eingerichtet, wie wir ihn fr\u00fcher (S. 256 Fig. 25) kennen gelernt haben, nur ist der das Uhrwerk tragende Fortsatz des Grundrahmens sammt diesem entfernt und daf\u00fcr \u00fcber dem Grundrahmen eine Ma-REY\u2019sche Trommel befestigt, welche mittelst eines ein Zahnradsegment tragenden Winkelhebels und der in dieses Zahnrad eingreifenden BEHiER\u2019schen Zahnstange mit der die Pe-lotte tragenden Feder in Verbindung steht.\nDie Transmissionssyphmographen haben den Vortheil, dass sie leicht an den verschiedensten Arterien applicirt werden k\u00f6nnen und dass man damit lange dauernde Beobachtungsreihen anstellen kann, da die Sphygmogramme an den Cylinder des Kymographion, oder andere von mit Foucault\u2019- oder ViLLARCEu\u2019schem Regulator versehenen Uhrwerken getriebene Cylinder oder auch an endloses Papier angeschrieben werden k\u00f6nnen.\nDie Uebertragung durch die Luft auf eine MAREy\u2019sche Registrirtrommel ist auch verwendet bei den von Mosso7 also genannten Hydro-sphygmographen. Die Anlegeapparate beruhen aber bei diesen Hydrosphygmographen auf einem wesentlich anderen Principe als bei den genannten. Diese Anlegeapparate sind entnommen den sp\u00e4ter zu erw\u00e4hnenden Plethysmographen.\nDer in Fig. 27 abgebildete einfache Apparat von Franck8 kann das Princip erl\u00e4utern. In ein Cylinderglas, welches mit Wasser gef\u00fcllt und mit einer Kautschukmembran verschlosson ist, wird durch einen Schlitz der letzteren die Hand eingebracht, die, um m\u00f6glichst ruhig gehalten zu werden, einen hantelf\u00f6rmigen K\u00f6rper umfasst. Die Kautschuk-membran ist durch den mit Ausschnitt f\u00fcr den Vorderarm versehenen Metalldeckel d immobilisirt, durch den Metalldeckel und ein correspon-direndes Loch in der Membran ist die Kugelr\u00f6hre k gesteckt, in welche\n1\tBrondgeest, Onderzoekingen g. i. h. physiol. Labor, d. Utrecht. Hoogesch. D. R. II. p. 326. 1873.\n2\tMathieu et Meurisse, Arch. d. physiol, s\u00e9r. 2. II. p. 257. 1875.\n3\tGrunmach, Berliner klin Woch. 1876. S. 473.\n4\tKnoll, Prager med. Woch. 1879. Kr. 21.\n5\tKlemensiewicz, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXIV. (3) S. 487. 1876.\n6\tMarey, Travaux du lab. 1875. p. 343: La m\u00e9th. graph, p. 284. Paris 1878.\n7\tMosso, Die Diagnostik des Pulses. Leipzig 1879.\n8\tFrancois-Frank, Travaux du lab. de M. Marey. 1876. p. 1.\nFig. 27.\n17*","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nso viel Wasser aus dem Cylinder hin\u00fcbergedr\u00e4ngt erscheint, dass das Niveau desselben auf n steht. Tritt nun bei den einzelnen Pulsen eine Volumszunahme der Hand ein, so wird Wasser aus dem Gef\u00e4sse in die Kugel verdr\u00e4ngt und das Niveau n wird steigen, umgekehrt wird es fallen, wenn zwischen zwei Pulsen das Volumen der Hand wieder kleiner wird. Factisch sieht man nun mit dem Puls synchrone Schwankungen des Niveaus auftreten und diese k\u00f6nnen, wenn mit dem Ende t der Kugelr\u00f6hre eine Registrirtrommel communicirt wird, mittelst des Hebels graphisch verzeichnet werden. Ganz \u00e4hnlich diesem Apparate ist nun auch der Hydrosphygmograph von Mosso1 (Fig. 28), nur ist derselbe anstatt f\u00fcr die Hand allein f\u00fcr diese und f\u00fcr den ganzen Vorderarm eingerichtet, wie die Fig. 28 zeigt. Um den Arm und den mit Wasser gef\u00fcllten Glas-\nstiefel, der den Vorderarm aufnimmt, schliesst die Kautscliukmanchette A ; der Glasstiefel ruht auf einem Brettchen D, welches an der Decke aufgehangen ist, um von den Schwankungen des Versuchsindividuums unabh\u00e4ngig zu werden. Der Tubulus \u00df dient zur Communication mit einer Registrirtrommel, auf welche die Schwankungen des in B stehenden Fl\u00fcssigkeitsniveaus \u00fcbertragen werden. Der Tubulus L dient zur Communication mit einem Druckgef\u00e4sse. Der Tubulus C ist verschlossen und dient zum Ablassen des Wassers.\nEs ist noth wendig, dass wir jetzt hervorheben, dass die Hydrosphyg-mographen sich von den fr\u00fcher angef\u00fchrten Sphygmographen wesentlich unterscheiden. D\u00e4chten wir uns die Pelotte der fr\u00fcher angef\u00fchrten Sphyg-mographen punctf\u00f6rmig und dieselbe aufgesetzt auf einen Punct der Wand eines bestimmten Arterienquerschnittes, dessen Bewegungen die Pelotte genau folgen w\u00fcrde, so w\u00fcrde die vom Sphygmographen verzeichnete Curve offenbar nichts anderes sein als der graphische Ausdruck des Gesetzes, nach welchem sich das Wandtheilclien der Arterie in Folge der durch das Arterienrohr tretenden Welle bewegt. W\u00fcrde dieses Gesetz dem Pendelgesetze entsprechen, dann w\u00fcrde der Hebel des Spliygmo-graphen eine Sinuslinie verzeichnen. Das ist nicht der Fall, weil das Gesetz des Hin- und Herganges eines Wandtheilchens ein viel complicir-\n1 Mosso a. a. 0.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"Hydrosphygmograph v. Mosso, Vergleich der Hydrosphygmogr. mit And. 261\nteres ist, wie uns die Pulscurve lehren wird. Was man aber durch die Application des Sphygmographen erreichen will, n\u00e4mlich einen m\u00f6glichst richtigen graphischen Ausdruck jenes Gesetzes, das wird bei dem Hydro-sphygmographen von vornherein in Frage gestellt, denn wenn wir auch annehmen, dass die Volumschwankungen der Hand oder des Armes nur von der Systole und Diastole der Arterien herr\u00fchren, so ist doch der Stand des Wasserniveaus im Hydrosphygmographen in jedem Moment nicht der Ausweichung eines bestimmten Wandtheilchens entsprechend, sondern eine Resultirende der gleichzeitigen Ausweichungen aller in den Arterien des untersuchten K\u00f6rpertheiles der L\u00e4nge nach aufgereihten Wandtheil-chen. Man m\u00fcsste also eine deformirte Pulscurve erwarten. Wenn nichtsdestoweniger die mittelst der Hydrosphygmographen erhaltenen Puls-curven fast genau mit den mittelst anderer Sphygmographen erhaltenen Pulscurven \u00fcbereinstimmen, so kann das seinen Grund nur darin haben, dass die Puls Versp\u00e4tung zwischen dem dem Herzen n\u00e4her und dem dem Herzen entfernter gelegenen Arterienquerschnitte der untersuchten Blutbahn f\u00fcr gew\u00f6hnlich so klein ist, dass sie vernachl\u00e4ssigt werden kann. Nun ist aber die Pulsversp\u00e4tung eine Function der Entfernung der Querschnitte von einander und der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswelle. Die letztere ist aber wieder abh\u00e4ngig von Elasticit\u00e4tscoefficienten, Durchmesser und Wandst\u00e4rke der Gef\u00e4sse. Daher wird es namentlich in Versuchen, wo es sich, wie bei jenen, welche Mosso mit seinen Hydrosphygmographen anstellte, um Deformation der Pulscurven in Folge von localen Einfl\u00fcssen handelt, fraglich sein, welchen Antheil die Pulsversp\u00e4tung an der Deformation der Pulscurven hat, und welchen Antheil das ver\u00e4nderte Gesetz der Ausweichung des einzelnen Wandtheilchens daran nimmt..\nMit den Hydrosphygmographen zusammen f\u00e4llt der von Poiseuille1 zur Messung der Volums\u00e4nderung eines St\u00fcckes der isolirten Arterie verwendete Kastenpulsmesser.\nAelmlich wegen der Anwendung von tropfbarer Fl\u00fcssigkeit, aber in Bezug auf Applicationsweise mit den gew\u00f6hnlichen Sphygmographen \u00fcbereinstimmend sind die Pulsmesser von Chelius2 und Herrison3: unten trichterf\u00f6rmig erweiterte mit elastischer Membran verschlossene Glasr\u00f6hren, die mit Quecksilber gef\u00fcllt sind und mit der Membran auf die Arterie gesetzt die Pulsbewegungen an dem Schwanken des Fl\u00fcssigkeitsniveaus erkennen lassen. Naumann4 benutzte sie als Sphygmographen, indem er das obere Ende der mit Wasser vollgef\u00fcllten Bohre mit einer Art von kleinem elastischen Manometer communicirte, welcher einen Schreibstift tr\u00e4gt. Die Curven, welche damit erhalten werden, gleichen den mit Marey\u2019s Instrument erhaltenen.\nWir werden die Pulscurve, welche mit Marey\u2019s Instrument erhalten wird, als eine in ihrem absteigenden Theile mit einer oder mehreren secund\u00e4ren Erhebungen versehene Curve kennen lernen. Als nun Marey auf diese Erscheinung der Pulscurve hin die Lehre\n1\tPoiseuille, Magendie, Journ. d. phys. exp\u00e9r. IX. p. 44. 1829.\n2\tChelius, Prager Vjschr. XXI. S. 100. 1850.\t3 Herrison, Lancet 1834. p. 22.\n4 Naumann, Ztschr. f. rat. Med. (3) XVIII. S. 199. 1863; Arch. f.Heilk. V. S. 402.\n1864. (Naumann benannte sein Instrument unpassend als H\u00e4matodynamometer.)","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nvon der Polycrotie des Normalpulses zu begr\u00fcnden anfing, erhoben sich zahlreiche Einw\u00fcrfe und Widerspr\u00fcche1 dagegen, welche sich darauf st\u00fctzten, dass es nicht bewiesen sei, dass die Curve, die das Instrument verzeichnet, ein genauer Ausdruck der Pulsbew*egung ist\nund wieder wurden haupts\u00e4chlich die Eigenschwingungen der beweglichen Theile des Sphygmogra-phen f\u00fcr die artefacte Pulscurve verantwortlich gemacht.\nDie gegen das Instrument ge\u00e4usserten Bedenken verminderten sich aber endlich durch die von Mach2 begonnene theoretische und experimentelle, und in letzterer Beziehung von Koschlakoff3, Wittich4, Rive5, Landois6 7 u. A. fortgesetzte Kritik des MAREY\u2019scken Spkygmograpken.\nMach6 hat die folgende allgemeine Betrachtung \u00fcber die Sphygmographen angestellt. Eine Masse A Fig. 29 in Vierordt\u2019s Sphygmograph der beschwerte Hebel in dem von Marey die elastische Feder wird durch eine Kraft in der Gleichgewichtslage 0 gehalten, welche proportional der Entfernung aus der Gleichgewichtslage wirkt. Bei Vierordt die Schwere, bei Marey die Elasticit\u00e4t. Diese Masse werde nun durch einen ver\u00e4nderlichen in der Richtung XX' wirkenden Druck in Schwingungen versetzt und \u00fcbertrage ihre Bewegung auf eine Masse B (Schreibhebel), welche die Bewegung verzeichnen soll. Ist dabei die Masse B gegen A sehr klein, so wird die Schwingung von A durch die Verbindung mit B nur wenig alte-rirt sein. Stellen wir uns nun vor, dass die Reibungswiderst\u00e4nde, welche sich der Bewegung von A entgegensetzen (Zapfenreibung bei den Sphygmographen) m\u00f6glichst gering sind, dann wird, wenn die Kraft, welche A in der Gleichgewichtslage h\u00e4lt, m\u00f6glichst rasch\n1\tMeissner, Jahresber. \u00fc. d. Fortschr. d. Physiol, f. 1859. S. 537. Leipzig u. Heidelberg 1861. \u2014 Vierordt, Arch. d. Heilk. IV. S. 513. 1863.\n2\tMach, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLVI. (2) S. 157. 1862; XLVII. (2) S. 33.\n1863.\n3\tKoschlakoff, Arch. f. pathol. Anat. XXX. S. 149. 1864.\n4\tWittich, Ber. d. Naturf.-Vers. S. 237. Hannover 1865.\n5\tRive. De Sphygmograph en de sphygm. Curve. Utrecht 1866.\n6\tLandois, Lehre vom Arterienpuls. S. 49. 1872.\n7\tMach a. a. 0. XLVI. (2) S. 157. 1862. Als Bewegungsgleichung f\u00fcr A ergiebt sich dieselbe, welche oben S. 238 f\u00fcr das Quecks\u00fcbermanometer mitgetheilt wurde:\nd2x dt2\n\nworaus Mach zu den mitgethe\u00fcten Folgerungen gelangt.","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Kritik der Sphygmographen ; andere Untersuchungsmittel des Pulses. 263\nproportional der Entfernung aus der Gleichgewichtslage w\u00e4chst, A zwar jeder Bewegung folgen, aber selbst durch starke Anregungen immer nur geringe Lagever\u00e4nderungen erleiden und dabei nur geringe Geschwindigkeiten annehmen. Unter diesen Voraussetzungen ergiebt Rechnung und Versuch, dass die Schwingungen von A am vollkommensten mit den Schwankungen des in der Richtung X'X wirkenden Druckes \u00fcbereinstimmen.\nDurch die Anwendung der harten elastischen Feder in Marey\u2019s Instrument ist die Hauptbedingung f\u00fcr die Verl\u00e4sslichkeit der damit erhaltenen Curven erf\u00fcllt.\nLandois1 und Sommerbrodt2, welche den Druck der Feder in Marey\u2019s Instrument wieder mit beschwerenden Gewichten vertauschten, haben aber mit ihren Instrumenten wie gesagt mit Marey\u2019s Curven \u00fcbereinstimmende Sphygmogramme erhalten.\nDaraus ist zu entnehmen, dass Mach\u2019s Einwurf gegen Vierordt\u2019s Instrument, dass dasselbe nicht schwer beweglich genug war, gerechtfertigt ist und dass man auch mit Vierordt\u2019s Instrument \u00e4hnliche Pulscurven erhalten w\u00fcrde, wenn es nur stark genug belastet w\u00fcrde. Landois3 macht darauf aufmerksam, dass sich das in der That aus Vierordt\u2019s4 Versuchen selbst ergebe, da letzterer, wenn er stark belastete, normale Pulsbilder erhielt, die er aber f\u00fcr artefacte hielt, w\u00e4hrend er die weniger treuen bei schwacher Belastung f\u00fcr die normalen nahm. Seit man die mitgetheilten Erfahrungen \u00fcber Marey\u2019s Instrument gemacht hat, pflegt man andere Sphygmographen dann als brauchbar anzusehen, wenn ihre Curven mit jenen MAREir\u2019s \u00fcbereinstimmen. Ueber die Pr\u00fcfung der auf der Lufttransmission beruhenden Sphygmographen gilt zum Theile was schon oben S. 152 angef\u00fchrt wurde.\nIn Uebereinstimmung mit den Angaben der Sphygmographen sind ferner die Pulsuntersuchungen mit Apparaten, welche ein k\u00fcnstliches Entstehen der Polvcrotie aussohliessen. Dahin geh\u00f6rt die Darstellung des Pulses mittelst der Flamme. Man bedient sich dazu der Gassphygmo-scope (Landois5, Klemensiewicz6, Mayer7). Am einfachsten ist es, in dem Schlauche, der das Gas zum Brenner mit feiner Oeffnung f\u00fchrt, ein T-Rohr einzuschalten und an den unpaaren Schenkel des T mittelst eines Schlau-\n1\tLandois, Lehre vom Arterienpuls. S. 70.\n2\tSommerbrodt, Ein neuer Spkygmograph etc. Breslau 1876.\n3\tLandois, Lehre vom Arterienpuls. S. 41.\n4\tYierordt, Lehre vom Arterienpuls. S. 33.\n5\tLandois, Centralbl.f. d. med. Wiss. 1870. S. 433.\n6\tKlemensiewicz, Unters, a. d.Instit. f. Physiol. u.Histol. in Graz. S. 304. Leipzig 1873 ; Mitth. d. Ver. d. Aerzte in Steiermark. X. S. 41. 1875\u20141876.\n7\tMeyer\u2019s Instrument ist abgebildet im Catalog von Rothe in Prag.","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nches die Kammer oder einen BRONDGEEsUsclien Pansphygmographen anzusetzen. Das Spiel der Flamme ist ein dem polycroten Puls entsprechendes. Man kann, wenn man die Flamme in eine singende verwandelt, den Polycrotismus auch h\u00f6rbar darstellen (Klemensiewicz1). Dasselbe gelang sp\u00e4ter mittelst des Telephon (Stein2) und Mikrophon (Landois3).\nNach Klemensiewicz\u2019 Methode erh\u00e4lt man zugleich ein Sphygmophon, an dem man die Pulse in \u00e4hnlicher Weise z\u00e4hlen kann, wie wenn man durch den Puls den Strom eines Electromagneten mit L\u00e4utewerk unterbrechen w\u00fcrde (Cyon4).\nFerner ist hier auch noch die Pulsphotographie (Czermak, Stein, Winternitz und Ultzmann) zu erw\u00e4hnen. In die Reihe der zuletzt genannten Untersuchungsmittel ist sie aber nur dann zu rechnen, wenn man, wie Czermak5 vorgeschlagen hat, mittelst eines spaltf\u00f6rmigen Diaphragmas ein punctf\u00f6rmiges Element des beleuchteten Pulsh\u00fcgels herausschneidet und das Bild desselben auf einen lichtempfindlichen Schirm wirken l\u00e4sst, der mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegt wird.\nDagegen ist nicht recht einzusehen, was die Photographie in dem Falle f\u00fcr einen Sinn hat, wo man gleichsam an Stelle der Spitze des Schreibhebels an einem Sphygmographen ein kleines Loch in einem undurchsichtigen Carton setzt und deren Bild auf bewegten lichtempfindlichen Schirm projicirt (Stein6), da solche Curven eigentlich nur unter sehr complicirten Bedingungen erzeugte, mit den gew\u00f6hnlichen Sphygmo-grammen zusammenfallende Curven sind, nicht aber zur Controlle der ersteren dienen k\u00f6nnen.\nEndlich weisen wir auf Landois\u20197 h\u00e4mautographische Curven hin, die von einem aus einer kleinen Arterie hervordringenden Blutstrahl selbst auf vor\u00fcbergef\u00fchrtes Papier gespritzt 'werden und ebenfalls die secun-d\u00e4ren Hebungen zeigen.\nEhe wir die Untersuchungsmittel des Pulses verlassen, sei noch der sogenannten Pulsuhr Waldenburg\u2019s8 gedacht. Keine Uhr, sondern nur ein durch Zeiger und Ziffernblatt an eine Uhr erinnerndes Instrument, bestimmt Durchmesser und Spannung der Arterie und die Pulsgr\u00f6sse zu messen. Fig. 30 ist eine schematische Darstellung der Einrichtung; der Hauptbestandteil des Instrumentes ist ein zweiarmiger Hebel h. In der Mitte des k\u00fcrzeren Armes ist ein senkrecht stehender Stab eingelenkt, der die Pelotte p tr\u00e4gt; an dem Ende dieses Armes greift ein-Schieber m an, welcher mittelst nach abw\u00e4rts bewegter Schraube s den Hebelarm und mit ihm die Pelotte nach abw\u00e4rts r\u00fcckt. Der Weg, welchen die Pelotte macht, wird durch den langen Arm des Hebels auf einen Zeiger\n1\tKlemensiewicz, Unters, a. d. Inst. f. Physiol, u. Histol. zu Graz. 1873. S. 311.\n2\tStein, Berl. klin. Woch. 1878. Nr. 49.\n3\tLandois, Lehrbuch der Physiologie. S. 134. Wien 1879.\n4\tCyon, Methodik S. 48. 1876.\n5\tCzermak, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLVII. (2) S. 438. 1863; Mitth. a. d. Pri-vatlab. S. 29. Wien 1864.\n6\tStein, Photogr. Darstell, d. mensehl. Pulses etc. Vortrag im physic. Verein zu Frankfurt a. M. am 21. Aug. 1875 ; Berliner klin. Woch. 1876. Nr. 112.\n7\tLandois, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 71. 1874.\n8\tWaldenburg, Berl. klin. Woch. 1877. Nr. 17 u. 18; 1878. Nr. 47 u. 48.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Waldenburg\u2019s Pulsuhr ; Sphygmogramme.\n265\n\u00fcbertragen ; auf einen anderen Zeiger wird mittelst der Zahnstange z der Weg \u00fcbertragen, welchen der Schieber macht. Der letztere ist nicht direct mit dem kurzen Hebelarm verbunden, sondern mittelst einer den Hebel von unten angreifenden Spiralfeder f Je gr\u00f6sser der Widerstand ist, der sich dem Herabdr\u00fccken der Pelotte auf die Arterie entgegenstellt, desto mehr wird jene Spiralfeder ausgedehnt, desto gr\u00f6sser die von den Zeigern angezeigte Wegdifferenz. Von dem Moment an, wo die Pelotte die Arterie ber\u00fchrt, beginnt der Pelottenzeiger zu schwanken und das dauert fort, bis die Pelotte so weit gesenkt ist, dass die Arterie v\u00f6llig zusammengedr\u00fcckt ist. Die Excursionen dieses Zeigers messen die Pulsgr\u00f6sse.\nDer vom Pelottenzeiger bis zum Aufh\u00f6ren der Schwankungen angegebene Weg soll dem Durchmesser des Arterienlumens entsprechen.\nDie Differenz der von beiden Zeigern angegebenen Wege giebt das Maass f\u00fcr die Federspannung von /*, d. h. f\u00fcr die Spannung der Arterie. Eine gel\u00e4uterte Kritik des Instrumentes steht noch aus.\n4. Die Puls curve.\nAn den Pulscurven ist im Allgemeinen der der Expansion der Arterie entsprechende ansteigende Th eil der Curven steil, der der Contraction der Arterie entsprechende Theil der Curven f\u00e4llt dagegen langsamer ab. In der Fig. 31 ist A Carotiscurve eines jungen Mannes; B Brachialiscurve desselben Individuum ; C \\\\. E Radialiscurve eines gesunden Mannes; D Radialiscurve eines jungen Mannes mit grossem und weichem Puls; F Radialiscurve des Menschen bei Fieber; G Radialiscurve eines Greises.\nDie Dauer der Phasen eines Pulses wird durch die ihnen entsprechenden Abscissen gemessen. Die Gr\u00f6sse des Pulses kommt im Sphygmogramm zum Ausdrucke durch die Differenz der h\u00f6chsten und niedersten Ordinate der Einzelncurve. F\u00fcr die Form des Pulses und den Rhythmus des Pulses ist die Form des Sphygmogrammes ein unmittelbarer Ausdruck; die Frequenz des Pulses findet ihren Ausdruck in dem Zeitwerth der Abscissen der Einzelncurven. Ueber die zeitliche Ausmessung der Pulscurven vergleiche man das oben S. 190 \u00fcber die zeitliche Auswerthung der Cardiogramme Vorgebrachte.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nZeitbestimmungen wurden von Rive1 und Landois2 gemacht. Darnach ist das Verh\u00e4ltnis der Zeiten des ab- und aufsteigenden Cur-venschenkels wechselnd aber immer die Zeit des ersteren vielfach ungef\u00e4hr 5\u201410 mal gr\u00f6sser als die Zeit des letzteren.\nFig. 31.\nFig. 32 stellt eine sphygmo-clironographische Curve (s. S. 190) der Carotis vom gesunden Menschen dar, welche auf einer berussten Glasplatte angeschrieben wurde, die an der einen Zinke einer K\u00f6NiG\u2019schen Unterbrechungsgabel befestigt war, w\u00e4hrend die andere Zinke ein entsprechendes Gegengewicht trug. An der vibrirenden Platte wurde der Schreibhebel eines Transmissioussphygmographen mit bestimmter Geschwindigkeit voriiber-gef\u00fchrt mittelst eines auf Schienen laufenden Wagens. Beide Einrichtungen d\u00fcrften zweckm\u00e4ssiger sein als jene Landois\u2019, der eine mechanisch angeregte Stimmgabel an dem Schreibstift des Angiograplien vorbeibewegt. Auf den aufsteigenden Schenkel fallen 6 Vibrationen, auf den absteigenden 52 Vibrationen. Der Zeitwerth einer ganzen Schwingung ist nicht viel\nFig. 32.\nverschieden von\n100\nSecunde.\nEs ist schon fr\u00fcher darauf hingewiesen worden, dass die Expansion der Arterie sp\u00e4ter beginnt als die Systole der Ventrikel (s. oben S. 172). Dagegen beginnt der absteigende Theil der Pulscurve fr\u00fcher als die Systole der Ventrikel beendet ist (Rive3, Baxt4, was\n1\tRive, De sphygmograph en de sphygmograpliiscke Curve. Utrecht 1866.\n2\tLandois, Lehre vom Arterienpuls. S. 3\u00fc9. Berlin 1872.\n3\tRive a. a. O.\n4\tBaxt, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. S. 128. Fig. 3. 1878.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Auf- und absteigender Curvenschenkel, secund\u00e4re Hebungen im Letzteren. 267\nebenfalls schon fr\u00fcher vorgebrachten Thatsachen zu entnehmen ist (s. oben S. 172 u. 192).\nIm absteigenden Curventheile kommen eine oder mehrere secund\u00e4re Hebungen vor (Fig. 31 s, 1, JI Fig. 32 s: A} B, der normale Puls der Arterien ist mehrschl\u00e4gig, di-, tri- oder polycrot (Marey1, Brondgeest2, Duchek3, Naumann4, Landois5, Wolff6), oft kann man bis zu 5 und 6 Hebungen im absteigenden Curventheile z\u00e4hlen, selten fehlen die secund\u00e4ren Hebungen ganz. Man bezeichnet die im absteigenden Curventheile vorhandenen Hebungen als kata-crote; da auch im aufsteigenden Curventheile secund\u00e4re Hebungen beobachtet worden sind. Diese kommen aber in der Regel nur in pathologischen Pulsen vor. Im Normalzust\u00e4nde ist nur der Aortenpuls anacrot (vergl. Marey7 \u00fcber den Aortenpuls des Pferdes, Pen-zoldt8 \u2022 Aortenpuls bei Fissura sterni beim Menschen). Schwach anacrot erscheint auch in der Regel der Greisenpuls (Fig. 31 G). F\u00fchlbar dicrote Pulse bei Krankheiten waren schon dem Archigenes bekannt. Den Dicrotismus des Normalpulses hat mittelst seines Instrumentes zuerst Chelius9 aufgefunden.\nUnter den katacroten Hebungen der Pulscurve interessirt uns vor allem eine, welche in den Pulsbildern (Fig. 31) durchgehends mit I in Fig. 32 mit A bezeichnet ist. Sie ist oft die einzig vorhandene: in rein dicroten Pulscurven (Fig 31 Z1); meist fallen aber sowohl vor als hinter diese secund\u00e4re Hebung noch eine Anzahl secun-d\u00e4rer Hebungen (s. A, Z>, C, I), E, G. Fig. 31), welche sich manchmal neben der Hebung I so sehr geltend machen, dass nur viele Erfahrungen \u00fcber die Metamorphosen der Pulsbilder unter verschiedenen Bedingungen nicht aber die besondere Gr\u00f6sse die Hebung I leicht erkennen lassen. Insbesonders tritt h\u00e4ufig die eine zwischen Hauptgipfel und dem secund\u00e4ren Gipfel I der Curve auftretende Hebung (Fig. 31 u. 32) s neben /sehr bedeutend hervor. Der Gipfel I ist die von Landois10 als R\u00fcckstosselevation, von Moens11 als erster Schliessungsgipfel bezeichnete secund\u00e4re Hebung. Der Gipfel s ist von\n1\tMarey. Joum.d.l. physiol. III. p.241. 18H0; Physiol, med. d.l. circ. Paris 1863.\n2\tBrondgeest, Arch. f. d. holl\u00e4nd. Beitr. III. S. 110. 1861.\n3\tDuchek. Jahrb. d. Ges. d. Aerzte. Heft II. S. 49. Wien 1862.\n4\tNaumann, Ztschr. f. rat. Med. (3) XYIII. S. 199.1863 ; Arch. f. Heilk. Y. S. 402\n1863.\n5\tLandois, Berl. klin. Woch. 1864. Nr. 35 u. 36; Lehre v. Arterienpuls. Berlin\n1872.\n6\tWolff, Charakteristik des Arterienpulses. Leipzig 1865.\n7\tMarey, Travaux du lab. 1876. p. 320. fig. 155. Nr. 2.\n8\tPenzoldt, Sitzgsber. d. phys.-med. Societ\u00e4t zu Erlangen 1879. S. 68.\n9\tChelius a. a. 0. Ygl. oben S. 261.\n10\tLandois, Lehre vom Arterienpuls. S. 315. Berlin. 1872.\n11\tMoens, Die Pulscurve. Leiden 1878; Arch. f. d. ges.Physiol. XX. S. 517. 1879.","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nLandois als Klappenschlusselevation bezeichnet worden. Die nach 1 folgenden kleineren secund\u00e4ren Hebungen sind nach Landois als Ela-sticit\u00e4tselevationen oder eine darunter (Fig. 31 77, 32 B) als zweite R\u00fcckstosselevation; nach Moens als Schliessungsgipfel h\u00f6herer Ordnung zu bezeichnen.\nDie Erkl\u00e4rung der secund\u00e4ren Hebungen der Pulscurve bietet grosse Schwierigkeiten dar.\nMan musste wohl dabei zun\u00e4chst an reflectirte oder durch mehrfache Reflexion hin- und hergehende Wellen denken. Die Analyse der Form der Pulswelle an einem gegebenen Orte h\u00e4tte sich dann auf die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswelle in den Arterien, die, wie wir gesehen haben, vom Centrum gegen die Peripherie und in den einzelnen Zweigstr\u00f6men des arteriellen Syst\u00e8mes wechselt; auf die Entfernung des Erregungsortes von dem Reflexionsorte und beider Orte von dem augenblicklich untersuchten Orte zu st\u00fctzen, eine Aufgabe, der sich, wie man leicht einsieht, im arteriellen Systeme die gr\u00f6ssten Schwierigkeiten entgegenstellen m\u00fcssen. Nichtsdestoweniger war man zun\u00e4chst f\u00fcr den Gipfel / jene Yermulhung zu vertheidigen bem\u00fcht (Marey1, Rive'2, Onim\u00fcs & Viry3), und zwar sollte die Reflexion vom peripherischen Ende der Arterien her stattfinden, dem sich die engen Abflusswege der Capillaren fast wie ein Verschluss vorlegen sollten, wodurch, \u00e4hnlich wie am geschlossenen Ende eines Kautschukschlauches, die prim\u00e4re Welle reflectirt werden sollte (Marey); oder die Reflexion sollte stattfinden an den Spornen4, die an den zahlreichen Theilungswinkeln gegen den Strom vorragen, und an den Blutk\u00f6rperchen, welche sich in den Capillaren stauen, weil ihr Durchmesser die Weite der Capillaren \u00fcbertrifft (Onim\u00fcs und Yiry); oder man nahm an, dass von den an verschiedenen Orten des Capillarsystemes ungleichzeitig reflectirten Wellen, die f\u00fcr sich nicht wahrnehmbar seien, viele in einem bestimmten Zeitmoment zugleich an die Semilunarklappen gelangen und von denselben gleichzeitig zur\u00fcckprallend den dicroten Pulsgipfel bilden (Rive).\nGegen diese Reflexionstheorien erinnert Moens5, dass die grosse Anzahl der Capillaren einen breiten offenen Querschnitt der Gef\u00e4ssbahn vorstellt und dass eine Summirung der an den Spornen ungleichweit vom Aortenanfang entfernter Theilungswinkel stattfindenden Reflexionen und eine Reflexion an den Blutk\u00f6rperchen durch keine Erfahrung bewiesen und h\u00f6chst unwahrscheinlich sei.\nVerschieden von den auf periphere Reflexion zur\u00fcckf\u00fchrenden Erkl\u00e4rungsversuchen sind jene, welche die dicrote Hebung herleiten wollen von dem Druck, welchen nach Aufh\u00f6ren der Systole der Ventrikel die gespannten Arterienw\u00e4nde auf die in den Arterien enthaltene Blutmasse aus\u00fcben. Dieser Druck mache, dass ein Theil des Blutes gegen die Semi-\n1\tMarey, Physiol, m\u00e9d. d. 1. cire. p. 266. Paris 1863.\n2\tRive. De sphygmograph en de sphygm. Curve. Utrecht 1866.\n3\tOnim\u00fcs et Viry, Journ. de l\u2019anat. et de la physiol. 1866. p. 71 u. 148.\n4\tEp\u00e9rons. Das deutsche Wort f\u00fcr denselben Begriff ist bei Br\u00fcckenjochen\nund Flusstheilungen an vielen Orten ganz gebr\u00e4uchlich und darum nicht noth-wendig, wie Meissner (Jahresber. 1866. S. 434.) und Moens (a. a. 0.) thun, sich des franz\u00f6sischen Wortes zu bedienen. 5 Moens a. a. 0.","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Schliessungselevationen.\n269\nlunarklappen der Aorta zur\u00fcckweicht, wodurch an diesen Klappen eine Welle entstehe, die nun nach der Peripherie hin verlaufend die secun-d\u00e4re Hebung erzeugt (Buisson1, Naumann'2, Landois, Galabin3).\nLandois hat diese Welle mit der von ihm in elastischen Schl\u00e4uchen nachgewiesenen R\u00fcckstosswelle identificirt (siehe oben S. 216) von der, wie wir sahen (S. 216), Moens eine andere Erkl\u00e4rung giebt als Landois.\nDer Eintritt des Blutes in die Arterien bei jeder Systole entspricht dem Oeffnen und gleichdarauffolgenden Schliessen des Einflusshahnes bei einem System elastischer Zweigr\u00f6hren. Ausser der prim\u00e4ren Welle entstehen dabei in einem solchen System eine Reihe von Schliessungswellen, f\u00fcr welche die von Moens aufgestellten Gesetze gelten (s. oben S. 220).\nLandois\u2019 R\u00fcckstosswelle ist nach Moens die erste Schliessungswelle und wie diese k\u00f6nne die zweite Schliessungswelle (Landois\u2019 zweite R\u00fcckstosswelle) wahrgenommen werden. Diese folgt wde die Curven nahezu ergeben und die Theorie verlangt eben so schnell auf die erste Schliessungswelle, wie diese auf die prim\u00e4re Welle.\nIn der Carotiscurve Fig. 33 (nach Moens) stellt 0 die prim\u00e4re Welle A die erste, B die zweite Schliessungswelle dar. Z ist die Zeitcurve mittelst Stimmgabel erhalten, die Schwingungen entsprechen 7io Secunde.\nDie Berechnung der Dauer der Schliessungswelle ist im Gef\u00e4sssystem wegen der complicirten Verh\u00e4ltnisse nicht m\u00f6glich. (Ueber eine ann\u00e4hernde Berechnung s. Moens S. 139.) Wohl aber l\u00e4sst sich pr\u00fcfen, ob die dicrote Erhebung einzelnen der aus Moens\u2019 Gesetzen sich ergebenden Folgerungen sich f\u00fcgt.\nIn dieser Beziehung ist hervorzuheben, dass die H\u00f6he der dicroten Erhebung mit der H\u00f6he der prim\u00e4ren Welle zunimmt. Sie nimmt ferner zu, wenn der Blutdruck geringer wird, weil dabei der Elasticit\u00e4ts-co\u00ebfficient der Wand betr\u00e4chtlich abnimmt. Dass Verminderung der arteriellen Spannung die dicrote Erhebung verst\u00e4rkt, Vermehrung der\n1\tBuisson, Quelques recherch. s. 1. circul. du sang etc. Paris 1862.\n2\tNaumann a. a. 0.\n3\tGalabin, Journ. of anat. a. physiol. X. p. 297. 1876.","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nSpannung dagegen dieselbe herabsetzt, wurde in der That schon yon Wolff1, Landois2 u. A. beobachtet. Neuerliche Versuche von Knoll3 ergaben f\u00fcr die R\u00fcckstosselevation ein \u00e4hnliches Resultat.\nDie von Landois aufgefundene Thatsache, dass die dicrote Hebung um so sp\u00e4ter auf die prim\u00e4re Hebung folgt, je weiter entfernt vom Herzen die pulsirende Arterie liegt, worauf die Verschiedenheit des Pulsbildes verschiedener Schlagadern vorzugsweise zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, erkl\u00e4rt sich nach Moens im Gegens\u00e4tze zu Landois, der die L\u00e4nge der Hauptst\u00e4mme daf\u00fcr verantwortlich machte, daraus, dass hohe Wellen in den Arterien sich rascher fortpflanzen als niedrige. Es muss demnach die prim\u00e4re Welle rascher \u00fcber das Gef\u00e4sssystem hinschreiten als die kleinere erste Schliessungswelle und daher der Abstand zwischen beiden mit der Entfernung vom Herzen wachsen.\nDen ersten Wellengipfel s im absteigenden Theil der Pulscurve (Fig. 31, 32 u. 33), welchen wir bisher unber\u00fccksichtigt gelassen haben, leitete Landois4 von dem Schluss der Semilunarklappen her. Moens5 giebt aber f\u00fcr diese sog. Klappenschlusselevation die folgende Erkl\u00e4rung: der Punct C (Fig. 33) entspricht dem Beginn des Einstr\u00f6mens von Blut in die Aorta, dieses Einstr\u00f6men dauert circa 0,1 Sec. (vergl. oben S. 172); der Anfang der n\u00e4chsten Periode der Systole, Verharren des entleerten Ventrikels in der Systole muss also zwischen o und p (Fig. 33) liegen und da diese Periode 0.115 Sec. dauert (oben S. 172), so muss ihr Ende sich zwischen s u. A befinden. Das Thal p und der Gipfel s fallen also in diese Periode der Systole. Das Thal p sei nun der Ausdruck f\u00fcr den in die Arterien fortgepflanzten negativen Druck, welcher bei der pl\u00f6tzlichen Entleerung der Ventrikel entsteht (oben S. 181), s ist der Wellengipfel, der an den Aortenklappen entsteht, wenn in Folge des negativen Druckes etwas Blut zur\u00fcckgesaugt und dadurch jene Klappen geschlossen werden. Diese Schl\u00fcsse aus der Carotiscurve seien erlaubt,- da man annehmen k\u00f6nne, dass sie wegen der geringen Entfernung vom Herzen als ein wahres Bild der Vorg\u00e4nge an der Aortenwurzel angesehen werden k\u00f6nne.\nAusser den secund\u00e4ren Hebungen, welche wir als Klappenschlusselevation und Schliessungselevationen (R\u00fcckstosselevationen) kennen ge-\n1\tWolfe, Charakteristik d. Arterienpulses. Leipzig 1855.\n2\tLandois, Lehre vom Arterienpuls. Berlin 1872.\n3\tKnoll, Arch. f. exper. Pathol. IX. S. 380. 187S. Knoll bezeichnet die Klappenschlusszacke (s. gleich unten) als \u201eerste Elasticit\u00e4tselevation\u201c. Diese soll hei hohem Druck st\u00e4rker ausgepr\u00e4gt, bei niederem Druck dagegen abgeschw\u00e4cht sein, w\u00e4hrend im letzteren Falle die \u201eR\u00fcckstosselevation\u201c mehr ausgeb\u00fcdet ist.\n4\tLandois a. a. 0.\n5\tMoens, Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 517. 1879.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Klappenschlusselevation ; Verschiedenheit der Pulsbilder.\n271\nlernt haben, unterscheidet Landois1 noch die sogenannten Elasticit\u00e4ts-elevationen, weil er sich vorstellt, dass sie entstehen dadurch, dass die Arterienwand durch die Blutwelle nur unter Oscillationen aus ihrer Gleichgewichtslage gebracht werde und unter Ocillationen in dieselbe zur\u00fcckkehre. Dass solche eigene Schwingungen der R\u00f6hrenwand, die schon fr\u00fcher einmal ganz unberechtigt zur Erkl\u00e4rung des Pulsph\u00e4nomens \u00fcberhaupt angenommen wurden (Frey)'2, existiren, ist nicht erwiesen. F\u00fcr elastische Schl\u00e4uche lehnt sie Moens ab, indem er darauf hinweist, dass die Schliessungswellen in elastischen Schl\u00e4uchen keine regelm\u00e4ssige Wellenlinie bilden, sondern eine Curve, in welcher neben den gr\u00f6sseren viele kleinere Hebungen Vorkommen.\nBei der grossen Abh\u00e4ngigkeit, welche die Form der Pulscurve von der Herzth\u00e4tigkeit, dem Blutdr\u00fccke und den Eigenschaften der Gef\u00e4sswand zeigt und bei den vielfachen Complicationen, welche diese Factoren w\u00e4hrend der Lebensvorg\u00e4nge durch allgemeine oder \u00f6rtliche Variationen setzen, ist es begreiflich, dass wir die mannigfaltigsten Pulsbilder erhalten k\u00f6nnen, ohne dass es uns gel\u00e4nge, sie in ihren Details v\u00f6llig zu entziffern und dass wir hier noch wesentlich auf empirische Thatsachen angewiesen sind, die darum mit Vorsicht aufgenommen werden m\u00fcssen.\nMosso3 wies in einer gr\u00f6sseren Versuchsweise auf die Aende-rungen hin, welche die Form der Pulscurve erleidet durch Hirn-th\u00e4tigkeit, Wachen und Schlafen, durch Nahrungsaufnahme durch Einathmung von Amylnitrit und beim Fieber* dabei zeigte sich, dass Zahl und Ort der catacroten Erhebungen die mannigfachsten Ver\u00e4nderungen erleiden, anacrote Hebungen auftreten und wieder schwinden k\u00f6nnen. Durch einseitige Temperaturwirkungen, Compression, Nachwirkung einer Unterbrechung des Blutlaufes, durch willk\u00fcrliche oder mit Inductionsschl\u00e4gen hervorgebrachte Muskelcontractio-nen konnte er in beiden Vorderarmen bis auf die Frequenz vollkommen differente Pulsbilder hervorbringen. Man muss annehmen, dass solche locale Aenderungen wieder r\u00fcckwirken auf das Pulsbild der Hauptr\u00f6hren. (Ueber den Einfluss der Gehirnth\u00e4tigkeit auf die Pulscurve, vergleiche auch Thanhoffer4, \u00fcber den Einfluss des Trinkens von kaltem und heissem Wasser Winternitz5, Glax & Klemen-siewicz6.) Ueber den Einfluss der Athembewegungen auf den Puls wird sp\u00e4ter gehandelt werden.\n1\tLandois a. a. 0.\n2\tFrey, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1845. S. 132.\n3\tMosso, Die Diagnostik des Pulses in Bezug auf die locale Ver\u00e4nd. desselben. Leipzig 1879.\n4\tThanhoffer, Arch. f. d. ges. Physiol. XIX. S. 254. 1879.\n5\tWinternitz, Ztschr. f. pract. Heilk. 1866.\n6\tGlax u.KLEMENSiEwicz,Mitth.d.Ver.d.Aerztein Steiermark. 1876\u201477. S. 19.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 3. Cap. Der Blutstrom in d. Arterien.\nVIERTES CAPITEL.\nDer Blutstrom in den Lungen.\nEs w\u00e4re eigentlich jetzt unsere n\u00e4chste Aufgabe gewesen, die fr\u00fcher erw\u00e4hnten respiratorischen Schwankungen des arteriellen Blutdruckes zu erkl\u00e4ren. Da aber das nur m\u00f6glich ist bei genauer Kenntniss des Blutstromes in den Lungen, so m\u00fcssen wir vorerst auf diesen hier eingehen.\nI. Der Blutdruck in den Lungengef\u00e4ssen.\nBestimmungen des Blutdruckes in den Lungenarterien wurden zuerst von Beutner1 ausgef\u00fchrt.\nDerselbe verband nach Er\u00f6ffnung der Brusth\u00f6hle und Einleitung von k\u00fcnstlicher Respiration den linken Ast der Lungenarterie in passender Weise mit dem Manometer von Ludwig\u2019s Kymographion.\nEs war also der Einfluss der luftdichten Abschliessung des Brustkastens und der Bewegungen desselben und der elastische Zug der Lungen, die sonst auf die Gef\u00e4sse in der Brusth\u00f6hle wirken, bei den Versuchen aufgehoben. Ausserdem war durch centrale Einf\u00fcgung des Manometers in die ganze oder einen Theil der linken Lungenarterie ein grosser Widerstand erzeugt worden. Es zeigte sich aber, was sehr zu bemerken ist, der Carotisdruck vor und nach Anstellung des Versuches nahe \u00fcbereinstimmend.\nAls Mitteldruck ergab sich f\u00fcr Kaninchen 12.07 Mm. Hy, f\u00fcr Katzen 17.6 Mm. Hg, f\u00fcr Hunde 29.6 Mm. Hg. Das Verh\u00e4ltnis des Pulmo-\n1 1\nnalarterien- zum Carotisdruck war bei diesen Thieren \u2014, \u2014 und\nd. 2. D.O\n\\\n\u2014\u2014. In den Lungenvenen der Katze wurden 10 Mm. Hg gefunden.\nO.U0\nBeim Pferd fanden Chauveau & Faivre2, indem sie einen Troicart durch einen Zwischenrippenraum in die Lungenschlagader stiessen und mit dem Manometer communicirten einen Druck, der V3 von dem Carotisdruck betrug. In den Lungenvenen liess sich keine messbare Druckgr\u00f6sse wahrnehmen.\nDie von Beutner beobachtete Erscheinung, dass der Aortendruck durch Verschluss einer Lungenarterie nicht erh\u00f6ht wird, fand sich\n1\tBeutner. Ztscbr. f. rat. Med. N. F. IL S. 97. 1852.\n2\tChauveau et Faivre, Gaz. m\u00e9d. 1856. p. 365.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Blutdruck in den Lungengef\u00e4ssen, Einf\u00fcgung der Lungen in den Brustraum. 273\nsp\u00e4ter best\u00e4tigt (Lichtheim). Auch wenn nach Unterbindung der einen Lungenarterie durch Parafinemboli oder Unterbindung noch ein betr\u00e4chtlicher Theil der andern Lungenschlagader ausgeschaltet wurde, stieg der Druck im Aortensystem nicht. Die Compensation, welche hier eintritt, ist nicht nerv\u00f6ser Natur. Vasomotorische Einfl\u00fcsse machen sich auf die Lungengef\u00e4sse in viel geringerem Grade geltend als auf die Gef\u00e4sse des grossen Kreislaufes (Badoud1, Hofmokl2, Lichtheim3). Man muss vielmehr annehmen, dass in dem noch offenen Theil des Gef\u00e4ssgebietes der Lunge auf mechanischem Wege die Quantit\u00e4t des Lungenblutstromes erhalten bleibt. Da aber dabei der Druck in der Lungenarterie nur wenig steigt, so ist die Erscheinung auf Rechnung der grossen Dehnbarkeit und der daraus folgenden Erweiterung der Lungengef\u00e4sse zu setzen (Lichtheim4).\nII. Der Einfluss, welchen die Einf\u00fcgung der Lungen und des Herzens in den Brustraum auf die Blutbewegung in den\nLungen ausiibt.\nDas Herz und die grossen Gef\u00e4sse sind gemeinsam mit den Lungen luftdicht in den Brustraum eingef\u00fcgt. Was von Herz und Gef\u00e4ssen im Brustraum freigelassen wird, ist von den Lungen ausgef\u00fcllt. Diese werden durch den von der Trachea her auf ihre innere Oberfl\u00e4che wirkenden Druck der Atmosph\u00e4re im ausgedehnten Zustand erhalten.\nDer Druck der Atmosph\u00e4re lastet auch auf der \u00e4usseren Oberfl\u00e4che der Brustwandungen. Er kann sich aber wegen der relativen Unnachgiebigkeit der Brustwandungen nicht auf die in der Brusth\u00f6hle eingeschlossenen Organe fortpflanzen.\nDie zwischen der Brustwand und der \u00e4usseren Oberfl\u00e4che der Lunge im Brustraum eingef\u00fcgten Organe w\u00fcrden also nur dann unter dem Druck der Atmosph\u00e4re stehen, wenn der durch die Luftwege auf die innere Oberfl\u00e4che der Lungen wirkende Druck sich ungeschw\u00e4cht auf jene Organe fortpflanzen w\u00fcrde.\nDas letztere ist nicht der Fall.\nDen Lungen wohnt n\u00e4mlich fortw\u00e4hrend das Bestreben inne, sich entgegen dem auf ihre innere Fl\u00e4che wirkenden Luftdruck gegen die Lungenwurzel hin zusammen zu ziehen. Man nennt die Kraft,\n1\tBadoud, Ueber den Einfluss des Hirnes auf den Blutdruck in der Lungenarterie. W\u00fcrzburg 1874.\n2\tHofmokl, Wiener med. Jahrb. 1875. S. 315.\n3\tLichtheim, Die St\u00f6rungen des Lungenkreislaufs und ihr Einfluss auf den Blutdruck. Berlin 1876.\n4\tLichtheim a. a. 0.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\n18","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 4. Cap. Der Blutstrom in den Lungen.\nmit welcher das geschieht, die elastische Kraft der Lunge und kann sich die Wirkung derselben sofort zur Anschauung bringen, wenn man durch Er\u00f6ffnen des Brustraumes den Atmosph\u00e4rendruck auch auf die \u00e4ussere Oberfl\u00e4che der Lunge wirken l\u00e4sst. Die letztere zieht sich dann in Folge ihrer elastischen Kr\u00e4fte auf ein kleines B\u00e4uschchen an der Lungenwurzel zusammen.\nSo lange die Lunge luftdicht in den Brustraum eingef\u00fcgt ist, f\u00fcllt sie den letzteren nur darum aus, weil sie entgegen ihren elastischen Kr\u00e4ften durch den auf ihre innere Oberfl\u00e4che allein wirkenden Atmosph\u00e4rendruck ausgedehnt wird.\nUnter diesen Verh\u00e4ltnissen wird aber, wie leicht ersichtlich ist, auf die neben den Lungen im Brustraum eingeschlossenen Organe nicht der Druck einer Atmosph\u00e4re wirken, sondern ein geringerer und zwar wird der Druck um jenen Theil des Atmosph\u00e4rendruckes geringer sein, dem die elastischen Kr\u00e4fte der Lunge das Gleichgewicht halten.\nNach Donders1 kann die elastische Kraft der Lungen an Leichen in der Weise gemessen werden, dass man in die Trachea ein Manometer einbindet und den Brustraum durch Anschneiden der Intercostalr\u00e4ume er\u00f6ffnet. Die Niveaudifferenz des Quecksilbers in den Manometerschenkeln ist dann das Maass f\u00fcr die elastische Kraft der Lungen. Dieselbe ist bei der Exspiration kleiner als bei der Inspiration. Sie kann bei der Exspiration zu 7.5 Mm. Hg, nach einer gew\u00f6hnlichen Einathmung zu 9 Mm. Hg, nach einer m\u00f6glichst tiefen Einathmung zu 30\u201440 Mm. Hg angenommen werden. W\u00e4re also die Spannung der Luft in den Lungen immer gemessen durch den Druck einer Atmosph\u00e4re, so w\u00fcrde der intra-thoracische, der auf Herz und grossen Gef\u00e4ssen in der Brusth\u00f6hle lastende Druck in den einzelnen F\u00e4llen genau um die oben angef\u00fchrten Gr\u00f6ssen unter dem atmosph\u00e4rischen Zur\u00fcckbleiben.\nBei Schafen, Hunden und Kaninchen fanden Adamkiewicz & Jacobson2 den Druck im Herzbeutel, in den sie einen seitlich mit einem Manometer communicirenden Troieart einstiessen, aus welchem das Stilet luftdicht zur\u00fcckgezogen werden konnte, den Druck stets negativ zwischen \u2014 3\u20145 Mm. Hg, nur bei starker Dyspnoe bis \u2014 9 Mm. steigend, also weniger negativ als Donders beim Menschen.\nDie Spannung der Luft in den Lungen ist aber selbst ver\u00e4nderlich. Sie sinkt bei der Einathmung, weil die Erweiterung des Brustraumes die Lungen ausdehnt, dagegen steigt sie bei der Aus-athmung, weil bei Verengerung des Brustraumes die Lunge zusammenf\u00e4llt.\n1\tDonders. Ztschr. f.rat. Med.N.F. III. S.28T. 1853; Physiol, d. Mensch. 2. Aufl. S. 147. 414. Leipzig 1859.\n2\tAdamkiewicz ii. Jacobson, Centralbl. f. d. med. AA iss. 1873. S. 483.","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Elastische Kraft cler Lungen, negativer intrathoracischer Druck. 275\nIst die Communication des Lungenraumes durch die Luftwege mit der \u00e4usseren Luft offen, dann betr\u00e4gt wegen des sofort ausgleichend eingreifenden Stromes der Einathmungs- und der Ausathmungsluft die Differenz der Spannung zwischen Lungenluft und Atmosph\u00e4re nur wenig, das ist der Fall beim normalen Athmen durch die Nase mit verschlossenem Mund. J. R. Ewald1 bestimmte den normalen Athmungsdruck f\u00fcr die Inspiration zu \u2014 0.1 Mm. Hg, f\u00fcr die Exspiration zu 0.13 Mm. Hg. Es ergiebt sich also, dass der intrathoracische auf das Herz und die grossen Gef\u00e4sse wirkende Druck bei ruhiger Athmung nur geringe Schwankungen erleidet, dass er aber in beiden Phasen unter dem Druck einer Atmosph\u00e4re zur\u00fcckbleibt. Wird aber die Ausathmung oder die Einathmung forcirt oder wird sie z. B. durch Verschluss eines Nasenloches behindert, oder wird nach vorausgehender Inspiration bei verschlossener Mund- und Nasen\u00f6ffnung kr\u00e4ftig ausgeatlimet (Valsalva\u2019s Versuch), oder nach voransgehender Exspiration eben so eingeathmet (M\u00fcller\u2019s Versuch), dann wird die Spannung der Luft im Lungenraume bedeutend erh\u00f6ht oder herabgesetzt, und damit auch der intrathoracische Druck betr\u00e4chtlich variirt. Er kann im ersteren Falle bis zu einer oder zwei Atmosph\u00e4ren steigen, im letzteren Falle stark negativ werden. Des Weiteren m\u00fcssen wir in Bezug auf die Druckverh\u00e4ltnisse im Thorax auf die Lehre von der Athmung verweisen.\nAus dem Mitgetheilten ergeben sich f\u00fcr den Blutstrom in den Lungen wichtige Folgerungen. Die Arteriae und Venae pulmonales liegen in dem fortw\u00e4hrend aspirirenden Brustraum. Das auf der inneren Oberfl\u00e4che der Lungenalveolen liegende Capillarnetz ist dem im Lungenraum herrschenden Druck ausgesetzt. Beim ruhigen Athmen ist also der Druck, welcher von Aussen auf die Capillaren wirkt, gr\u00f6sser als der auf die grossen Gef\u00e4sse wirkende intrathoracische Druck. Beim VALSALvA\u2019schen Versuche nimmt der Druck auf die Capillaren betr\u00e4chtlich zu, der Druck auf die grossen Gef\u00e4sse ebenfalls, immer aber bleibt der letztere um den von der elastischen Kraft der Lunge \u00e4quilibrirten Druck kleiner als der erstere ; beim M\u00fcLLER\u2019schen Versuche nimmt der Druck auf die Capillaren betr\u00e4chtlich ab, der Druck auf die grossen Gef\u00e4sse ebenfalls, aber wieder ist der letztere um den von der elastischen Kraft der Lunge \u00e4quilibrirten Druck kleiner. Die Differenz zwischen intrathoracischem Druck und intrapulmonalem Druck ist im zweiten Falle gr\u00f6sser als im ersten.\nDas Blut wird also fortw\u00e4hrend aus den Capillaren der Lunge in der Richtung nach den Venen zum Herzen mit einer gewissen Kraft gef\u00f6rdert (Donders2), da die r\u00fcckg\u00e4ngige Bewegung nach den Arterien durch die Systole des rechten Ventrikels und den Schluss\n1\tJ. R. Ewald, Arch. f. d. ges. Physiol. XIX. S. 461. 1879.\n2\tDonders a. a. 0.\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 4. Cap. Der Blutstrom in den Lungen.\nder Pulmonalarterienklappen gebindert ist. Der negative intrathora-cische Druck wird sich aber auf die d\u00fcnnwandigen ausdehnbaren Venen mehr geltend machen als auf die Pulmonalarterien, wodurch die Druckdifferenz zwischen beiden gesteigert und so wieder der Blutlauf durch die Lungen gef\u00f6rdert wird.\nIII. Der Einfluss des bei den Respirationsbewegungen wechselnden Volumens der Lunge auf den Blutstrom in\nden Lungen.\nDie Experimente \u00fcber diesen Einfluss begannen mit Durchstr\u00f6mungsversuchen der ausgeschnittenen Lungen.\nPoiseuille1 bemerkte, dass nach Injection rasch erstarrender Massen die Capillaren der aufgeblasenen Lungen einen geringeren Durchmesser besitzen als die der collabirten Lunge. Er fand ferner, dass f\u00fcr die Durchstr\u00f6mung eines bestimmten Blutvolumens durch die Gef\u00e4sse der collabirten Lunge (Kaninchen, Hund, Katze) die k\u00fcrzeste, f\u00fcr die Durchstr\u00f6mung der aufgeblasenen Lungen die l\u00e4ngste Zeit erforderlich ist. Beim Frosch ist die Geschwindigkeit des capillaren Blutlaufes2 in den Lungen um so geringer, je mehr die Lungen aufgeblasen sind.\nDas Ergebniss der Versuche Poiseuille\u2019s an ausgeschnittenen Lungen, wurde vielfach best\u00e4tigt und zugleich nachgewiesen, dass die Capacit\u00e4t der Gef\u00e4sse der collabirten Lungen gr\u00f6sser ist als jene der aufgeblasenen (Quincke & Pfeiffer3, Funke & Latschenberger4, Mislawsky & Dochmann5, Kowalewsky6 und de Jager7). In anderer Weise stiessen Kowalewsky & Adam\u00fck8 und Kuhn9 auf diese Thatsache, da sie fanden, dass bei er\u00f6ffnetem Brustraum und k\u00fcnstlicher Respiration aus rein mechanischen von nerv\u00f6sen Einfl\u00fcssen unabh\u00e4ngigen Gr\u00fcnden durch Suspension der Athmung bei .collabirten Lungen der Druck im Aortensystem steigt, durch Suspension der Athmung bei aufgeblasenen Lungen dagegen sinkt, dass also in der Zeit-\nt Poiseuille, Compt. rend. XLI. p. 1072. 1S52.\n2\tVgl. dar\u00fcber und \u00fcber die Best\u00e4tigung der Angabe Poiseuille\u2019s durch Holmgren, Die Blutbewegung in den Capillaren. S. 310.\n3\tQuincke u. Pfeipfer, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1871. S. 90.\n4\tFunke u. Latschenberger, Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 405. 1877.\n5\tMislawsky u. Dochmann, initgetheilt von Kowalewsky, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1877. S. 423.\n6\tKowalewsky a. a. O.\n7\tde Jager. Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 426.\n8\tKowtalewsky u. Adam\u00fck, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1868. S. 579.\n9\tKuhn, Over de respiratie schommellingen de slagaderlijke bloedsdrukking. Amsterdam 1875.","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Verschiedenheit des Blutstromes in der entfalteten und collabirten Lunge. 277\neinheit durch die aufgeblasene Lunge weniger Blut hindurchgelangt, als durch die collabirte.\nDas Aufblasen der ausgeschnittenen oder freigelegten Lungen durch einen im Lungenraum erzeugten positiven Druck entspricht nicht der Art wie die Lungen w\u00e4hrend des Lebens im Brustraum entfaltet sind; hier ist der Grund ihrer Entfaltung, wie wir gesehen haben, der auf ihrer \u00e4usseren Oberfl\u00e4che herrschende negative intra-thoracische Druck. Als nun Quincke & Pfeiffer1 die in ein mit Deckel versehenes Glasgef\u00e4ss eingeschlossene Lunge, dadurch entfalteten, dass sie im Raum des Glases einen negativen Druck erzeugten, w\u00e4hrend mittelst durch den Deckel gesteckter R\u00f6hren die Trachea mit der \u00e4ussern Luft die Arteriae und Venae pulmonales aber mit Druckgef\u00e4ssen communicirten, erhielten sie bei der Durchstr\u00f6mung ein dem PoiSEuiLLE\u2019schen und ihren eigenen fr\u00fcheren Versuchen gerade entgegengesetztes Resultat, was wieder in weiteren Versuchen sich best\u00e4tigte (Mislawsky2 und Dochmann, de Jager3)*\nFig. 34.\nF\u00fcr die Erkl\u00e4rung dieser zwei verschiedenen F\u00e4lle verwiesen Quincke und Pfeiffer auf eine Reihe von Schematen. Auch hier m\u00f6ge eine m\u00f6glichst vereinfachte Betrachtung an einem Schema zun\u00e4chst folgen. Ein elastischer Schlauch laufe durch einen abgeschlossenen lufterf\u00fcllten Raum TT (Fig. 34) und sei an beiden Enden mit ausserhalb dieses Raumes liegenden Druckgef\u00e4ssen verbunden. Liegt ein Theil des Schlauches mit einem Theil seiner Wand in einem vom ersteren Raum wieder abgeschlossenen Raum X, so wird: 1. dieser Theil des Schlauches sich verengern, wenn im Raume L der Luftdruck gesteigert wird, das Lumen des \u00fcbrigen R\u00f6hren-theiles bleibt unge\u00e4ndert (Fig. 34, der ausgef\u00fcllte Schlauch); wird dagegen 2. im Raume T die Luft verd\u00fcnnt, w\u00e4hrend im Raume L der atmo-\n1\tQuincke u. Pfeiffer a. a. 0.\n2\tMislawsky u. Dochmann a. a. 0.\n3\tde Jager a. a. 0.","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 4. Cap. Der Blutstrom in den Lungen.\nsph\u00e4rische Druck herrscht, so wird der ganze Schlauch sich erweitern, aber die Erweiterung wird in jenem Theile, welcher an den Raum L grenzt, geringer sein (Fig. 34, der punctirte Schlauch). Unter \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen, wie dieser Schlauch, befinden sich bei den zwei untersuchten F\u00e4llen der Ausdehnung der Lungen die Lungengef\u00e4sse. Die Capillaren der Alveolen sind immer dem im Lungenraume, die gr\u00f6sseren Gef\u00e4sse dem im Thorax herrschenden Drucke ausgesetzt und es entspricht dem 1. Falle des Schema die Str\u00f6mung in der aufgeblasenen, dem 2. Falle die Str\u00f6mung in der durch Aspiration gedehnten Lunge.\nW\u00e4hrend des Lebens werden nun die Lungen allerdings nach der zweiten Art ausgedehnt, allein der negative intrathoracisclie Druck wirkt nicht nur auf die \u00e4ussere Oberfl\u00e4che der Lungen, sondern auch auf die des Herzens und der grossen Pulmonalgef\u00e4sse.\nWollte man diesen Fall im Schema nachahmen, dann m\u00fcssten, wie Quincke und Pfeiffer sagen, auch noch die Druckgef\u00e4sse selbst in den luftverd\u00fcnnten Raum TT gebracht werden; dann w\u00fcrde sich aber, wie leicht ersichtlich, ganz derselbe Erfolg auf die Str\u00f6mung in den Lungen-gef\u00e4ssen ergeben, wie im Falle 1 oben, da es den gleichen Erfolg haben wird, ob man in TT die Luft verd\u00fcnnt und in L den Atmosph\u00e4rendruck bestehen l\u00e4sst, oder ob man in TT den Atmosph\u00e4rendruck bestehen l\u00e4sst und in L die Luft verdichtet.\nVon den fr\u00fcher erw\u00e4hnten Durch str\u00f6mungsversuchen f\u00e4nde also nach Quincke und Pfeiffer jener Anwendung auf den Organismus, bei welchem die von der Trachea her aufgeblasenen Lungen verwendet wurden. Das Resultat der PoiSEuiLLE\u2019schen Versuche k\u00f6nne also direct auf den Organismus \u00fcbertragen werden und man m\u00fcsse Vermehrung der Geschwindigkeit und Capacit\u00e4t des Lungenblutstromes bei der Exspiration, Verminderung derselben bei der Inspiration erwarten.\nEine inspiratorische Capacit\u00e4tsabnahme der Alveolengef\u00e4sse folgerten Mordhorst1, Funke & Latschenberger2 auch aus anderen Voraussetzungen. Sie finden, dass ein Schlauch, der in eine dehnbare Membran eingebettet ist, wenn auf die letztere ein Zug parallel ihrer Fl\u00e4che allseitig wirkt, abgeflacht wird und so seine Capacit\u00e4t mindert; das soll nun auch mit den Alveolengef\u00e4ssen geschehen, gleichg\u00fcltig, ob die Lungen aufgeblasen oder durch Aspiration gedehnt werden. In der That passt aber ihre Betrachtung weder f\u00fcr den einen, noch f\u00fcr den anderen Fall, da die Richtung der die Ausdehnung der Lungen bewirkenden Kr\u00e4fte dabei nicht in zutreffender Weise eingef\u00fchrt ist, und Zuntz3 ist auf dem Wege der Rechnung f\u00fcr die Dehnung der Lungengef\u00e4sse bei der nat\u00fcrlichen Inspiration zu dem Resultate gelangt, dass eine inspiratorische Erweiterung der Alveolengef\u00e4sse angenommen werden m\u00fcsse, weil die Verengerung durch L\u00e4ngsdehnung mehr als compensirt wird durch die gleichzeitige Querdehnung.\n1\tMordhorst, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1879. S. 342.\n2\tFunke u. Latschenberger a. a. 0.\n3\tZuntz, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 374. 1878.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Inspiratorische und exspiratorische Aenderung der Lungengef\u00e4sse. 279\nFunke und Latschenberger glaubten aber ihre Anschauung in Ueber-einstimmung mit dem Versuche Poiseuille\u2019s und in Uebereinstimmung mit einem Versuche, welchen sie1 selbst gem\u00e4ss den theoretischen Betrachtungen Quincke\u2019s und Pfeiffer\u2019s so anstellten, dass sie die Durchstr\u00f6mung der Lunge untersuchten, w\u00e4hrend mit den Lungen zugleich auch die Druckgef\u00e4sse in den aspirirenden Raum gebracht wurden, wobei sie das von Quincke und Pfeiffer vorhergesagte Resultat erhielten, was sp\u00e4ter unter \u00e4hnlichen Bedingungen auch Bowditsch & Garland2 fanden.\nGegen die inspiratorische Verengerung der Alveolengef\u00e4sse sprach sich ausser Zuntz auch Kowalewsky3 aus, Er meint, dass die Dehnung der Lungen an sich bei der nat\u00fcrlichen Athmung wenig in Betracht komme, vielmehr dagegen der intrapulmonale Druck, der den Widerstand in den Alveolengef\u00e4ssen vermehrt. Der intrapulmonale Druck sei niedriger bei der Inspiration, h\u00f6her bei der Exspiration, der Einfluss der normalen Inspiration sei also nicht zu vergleichen mit dem Einfluss der Aufblasung der Lungen, sondern mit dem Einfluss der Ausdehnung der Lungen durch Aspiration, umgekehrt verhalte es sich bei der Exspiration. Bei der k\u00fcnstlichen Respiration nach Er\u00f6ffnung des Thorax ist das Entgegengesetzte der Fall (s. oben S. 276).\nEinen wesentlichen Fortschritt in der Erkenntniss des Zusammenhanges der Verh\u00e4ltnisse des Lungenblutstromes mit den Phasen der Respiration und einen Ausgleich der widerstreitenden Ansichten haben die weiteren Versuche de Jager\u2019s4 herbeigef\u00fchrt. Mit Quincke und Pfeiffer, Funke und Latschenberger, findet auch de Jager, dass die Ausdehnung der Lungen durch negativen Pleuraldruck entgegengesetzte Resultate ergiebt, je nachdem die Druckgef\u00e4sse gleichfalls unter negativen Druck gesetzt werden oder nicht.\nIm ersteren Falle wirkt die Ausdehnung der Lungen, wie das Aufblasen nach Poiseuille, im letzteren Falle entgegengesetzt.\nde Jager weist nun darauf hin, dass sichtlich drei Factoren auf die Capacit\u00e4t der Lungengef\u00e4sse von Einfluss sein m\u00fcssen. 1. Die Erweiterung der Pulmonalgef\u00e4sse durch den Druck im Druckgef\u00e4sse. 2. Der Luftdruck auf die Alveolengef\u00e4sse, unter dessen Einfluss die letzteren comprimirt werden. 3. Die Ausdehnung der Alveolengef\u00e4sse nach L\u00e4nge und Quere bei dem Wachsen des Lungenvolumen. Bleiben die zwei ersten Factoren constant und wird die Lunge durch Aspiration gedehnt, so tritt Zunahme der Capacit\u00e4t der Lungenge-\n1\tFunke u. Latschenberger, Ebenda. XVII. S. 547. 1S78.\n2\tBowditsch u. Garland, Journ. of physiol. II. p. 91. 1879.\n3\tKowalewsky a. a. O.\n4\tde Jager a. a. O.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"2SO Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 4. Cap. Der Blutstrom in den Lungen.\nfasse ein. Die aspiratorische Ausdehnung der Lungen an und f\u00fcr sich hat also Erweiterung der Lungengef\u00e4sse zur Folge. Wird bei gleichem Druck in den Druckgefassen der Luftdruck in den Alveolen vermehrt und die Lunge gedehnt (Aufblasen), so \u00fcberwiegt die Wirkung der Compression der Alveolengef\u00e4sse durch den gesteigerten intrapulmonalen Druck. Bleibt der intrapulmonale Druck gleich, wird aber der Druck in den Druckgefassen herabgesetzt und werden die Lungen gedehnt (durch Aspiration), so wird auch jetzt die mit der Ausdehnung der Lungen einhergehende Capacit\u00e4tszunahme durch die beiden anderen Factoren, welche dem ersteren entgegengesetzt wirken, compensirt und \u00fcbercompensirt werden, und auch hier Capa-cii\u00e4tsabnahme auftreten. Es ist aber nicht gerechtfertigt, gerade den letzteren Fall auf den lebenden Organismus zu \u00fcbertragen.\nIm Organismus handelt es sich zun\u00e4chst um den Blutdruck, welcher in den Lungengef\u00e4ssen herrscht. Dieser Druck wird, wenn der intratkoracische Druck st\u00e4rker negativ wird, in der Arteria pulmonalis nur wenig, in der Vena pulmonalis dagegen betr\u00e4chtlich abnehmen, die Druckdifferenz zwischen Arterie und Vene wird also gr\u00f6sser werden und die mit der Ausdehnung der Lunge einhergehende Capacit\u00e4tszunahme der Lungengef\u00e4sse wird sich mehr geltend machen. In der That findet sich diese Voraussetzung bei k\u00fcnstlichen Durchstr\u00f6mungsversuchen best\u00e4tigt, wenn man nur das Druckgef\u00e4ss der Venen mit dem aspirirenden Raum communicirt, das Druckgef\u00e4ss der Arterien aber unter Atmosph\u00e4rendruck bel\u00e4sst. Auch die Stromgeschwindigkeit ist, wenn der Versuch in der letzteren Art angestellt wird, in der col-labirten Lunge kleiner als in der durch Aspiration gedehnten.\nF\u00fcr die Ausflussgeschwindigkeit des Blutes aus den Lungen bei der In- und Exspiration w\u00e4hrend des Lebens kommt zuerst in Betracht, dass die Schwankungen des intratkoracischen Druckes beim ruhigen Athmen nur gering sind. Erst bei vertiefter und forcirter Respiration, werden sie bedeutender (s. oben S. 275). Sind sie aber nur einigermassen bedeutend, dann wird bei Zunahme des negativen intratkoracischen Druckes die Stromgeschwindigkeit in den Lungen zunehmen, weil die Zunahme des negativen intratkoracischen Druckes auf den Blutdruck in der Arteria pulmonalis keinen erheblichen Einfluss gewinnt, dagegen den Druck in der Vena pulmonalis herabsetzen wird, wodurch die Druckdifferenz zwischen Arterie und Vene gesteigert wird.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Lungenblutstrom und nat\u00fcrl. Athmung. Bewegungen des Thorax etc. 281\nF\u00dcNFTES CAPITEL.\nWeiteres \u00fcber den Blutstrom in den Arterien.\nI. Die respiratorischen Schwankungen des arteriellen\nBlutdruckes.\n1. Einfluss der nat\u00fcrlichen Athembewegungen auf den Blutdruck in\nden Arterien.\nF\u00fcr die grossen Maxima und Minima, welche in regelm\u00e4ssigen Perioden-in der Curve des arteriellen Druckes wiederkehren, l\u00e4sst sich zun\u00e4chst feststellen, dass ihre Anzahl w\u00e4hrend einer gegebenen Zeit gleich ist der Anzahl der w\u00e4hrend derselben Zeit erfolgten Athemz\u00fcge.\nDer Einfluss der Athembewegungen auf den Kreislauf ist eine durch die Mannigfaltigkeit der ineinander greifenden Bedingungen sehr eomplicirte Erscheinung, f\u00fcr deren Analyse es zun\u00e4chst noth-wendig ist, sich an die gerade fr\u00fcher entwickelten Thatsachen (s. oben S. 274) des mit den Athmungsphasen ver\u00e4nderlichen intrathora-cischen Druckes zu erinnern. Die erste Betrachtung, zu welcher die durch die Erfahrung aufgedeckten respiratorischen Blutdruckschwankungen in den Arterien (Ludwig1) hinf\u00fchren mussten, war, dass der bei der Erweiterung sinkende Druck in der Brusth\u00f6hle verz\u00f6gernd, dagegen der durch die Verengerung gesteigerte Druck in der Brusth\u00f6hle beschleunigend auf den Austritt des Blutes aus dem Herzen und den grossen Arterien im Brustraum wirke. An dieser Deutung, welche vorzugsweise die verz\u00f6gernden und beschleunigenden Kr\u00e4fte der Brustwand selbst im Auge hatte, \u00e4nderte die von Donders'2 genauer studirte Wirkung der Elasticit\u00e2t der Lunge auf den Druck im Thoraxraum nichts Wesentliches, denn auch darnach lag die Vorstellung am N\u00e4chsten, dass der unter dem Einfluss der Bewegung der Brustw\u00e4nde und der zunehmenden elastischen Kraft der Lunge st\u00e4rker negativ werdende Druck in der Brusth\u00f6hle verz\u00f6gernd auf den Austritt des Blutes aus den im Thorax gelegenen Blutbeh\u00e4ltern wirke, also den absteigenden Theil der respiratorischen Schwankung des arteriellen Druckes bedinge; w\u00e4hrend der unter\n1\tLudwig, Arch. f. Anat. \u00fc. Physiol. 1847. S. 242.\n2\tDonders, Ztschr. f. rat. Med. N. F. III. S. 287. 1853.","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 4. Cap. Der Blutstrom in den Lungen.\n*\ndem Einfluss der exspiratorischen Bewegung der Brustw\u00e4nde und der abnehmenden elastischen Kraft der Lunge weniger negativ werdende intrathoracische Druck den Austritt des Blutes aus den Blutbeh\u00e4ltern im Thorax beschleuniget, also den aufsteigenden Theil der respiratorischen Schwankung des Blutdruckes in den Arterien bedingen wird.\nFig. 35.\nDiese Folgerungen mussten aber alsbald aufgegeben werden, als man genau gleichzeitig mit dem arteriellen Drucke auch die Respirationsbewegungen an die Kymographiontrommel anschrieb. Denn dabei zeigte es sich, dass zwar mit dem Anf\u00e4nge der Inspiration der tiefste Stand der Blutdruckcurve zusammenfiel, dass dagegen w\u00e4hrend der Inspiration der Blutdruck anting zu steigen und bis zum Ende der","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Zeitliche Coincidenz der Blutdruck- und Athemcurve.\n283\nInspiration stieg, um erst im Anf\u00e4nge der Exspiration sein Maximum zu erreichen; w\u00e4hrend der ganzen Exspiration fiel aber dann der Blutdruck, bis er wieder am Anf\u00e4nge der Inspiration sein Minimum erreichte. Vergleiche Fig. 35, in welcher B die Blutdruckcurve der Carotis des Hundes. R die gleichzeitig angeschriebene Curve der Athembewegungen OX die Abscisse und Z die darunter geschriebene Zeit in Secunden bedeutet. Dieser von Einbrodt1 zuerst klar gelegte zeitliche Zusammenfall der respiratorischen Schwankungen des arteriellen Blutdruckes mit der Curve der Athembewegungen, besonders das Steigen w\u00e4hrend der Inspiration und Sinken w\u00e4hrend der Exspiration, nicht so \u00fcbereinstimmend die wechselseitige Lage der Maxima und Minima beider Curven, ist entgegen der \u00e4lteren Annahme vom inspiratorischen Sinken und exspiratorischen Steigen des arteriellen Blutdruckes von den meisten sp\u00e4teren Beobachtern best\u00e4tigt worden (Burdon-Sanderson2, Kuhn3, Funke & Latschenberger4, Zuntz5, Schreiber6 u. A).\nEinbrodt hat in Bezug auf den Einfluss der Athembewegungen auf Herzschlag und Blutdruck drei F\u00e4lle unterschieden:\n1.\tBei wenig umfangreichen rasch aufeinanderfolgenden Athembewegungen kommt es zu keinem deutlich ausgesprochenen Einfluss der Athembewegungen auf Herzschlag und Blutdruck.\n2.\tTiefe Athembewegungen mit rascher Inspiration und langsamer Exspiration, bei welchen auf jeden einzelnen Respirationsact mehrere Herzschl\u00e4ge fallen, machen im Beginn der Inspiration den Blutdruck sinken, dann aber steigen bis zum Anfang der Exspiration, w\u00e4hrend der Exspiration sinken. W\u00e4hrend der Inspiration w\u00e4chst allm\u00e4hlich die Zahl der Herzschl\u00e4ge, w\u00e4hrend der Exspiration nimmt dieselbe ab, w\u00e4hrend der Exspirationspause bleibt sie unge\u00e4ndert.\n3.\tTiefe und langsame Athembewegungen bei grosser Herzfrequenz (z. B. nach Vagusdurchschneidung) bringen dieselben Aenderungen des Blutdruckes hervor. Die Herzfrequenz bleibt unge\u00e4ndert.\nDaraus musste aber entnommen werden, dass die beschleunigenden Kr\u00e4fte, welche die Thoraxwandungen und die Abnahme der elastischen Kr\u00e4fte der Lunge bei der Exspiration auf den Austritt des Blutes aus den Blutbeh\u00e4ltern des Thoraxraumes aus\u00fcben und eben so die verz\u00f6gernden Kr\u00e4fte, welche die Bewegungen der Thoraxwandungen und die elastischen Kr\u00e4fte der Lungen bei der Inspiration\n1\tEinbrodt, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XL. S. 361. 1860.\n2\tBurdon-Sanderson, Proceed, oftheroy. Soc. of London. XV. S. 391. 1867.\n3\tKuhn, Over de Repiratie-schommelingen der slagaderliike Bloedsdrukknm. Amsterdam 1875.\n4\tFunke u. Latschenberger, Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 405. 1877.\n5\tZuntz, Ebenda. XVII. S. 574. 1878.\n6\tSchreiber, Arch. f. exper. Pathol. X. S. 19. 1879.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 4. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\naustiben, keine ausreichenden Erkl\u00e4rungsmomente f\u00fcr die respiratorischen Schwankungen des arteriellen Blutdruckes abgeben.\nEs musste vielmehr nach Einfl\u00fcssen gesucht werden, welche die genannten beschleunigenden und verz\u00f6gernden Kr\u00e4fte nicht nur zu compensiren, sondern vielmehr \u00fcberzucompensiren im Stande sind.\nAls solche schienen sich aber die bei der In- und Exspiration ge\u00e4nderte Bluterf\u00fcllung des Herzens und die ge\u00e4nderte Schlagfolge des Herzens darzubieten (Einbrodt1).\nDie Zunahme des negativen intrathoracischen Druckes bei der Inspiration muss beschleunigend auf den Eintritt des Blutes von den Venen her in die im Brustraume gelegenen Venen und ins Herz wirken, so dass w\u00e4hrend der Inspiration das Herz mehr Blut empf\u00e4ngt und somit auch jeder Herzschlag mehr Blut entleert als bei der Exspiration, bei welcher in Folge der Abnahme des negativen intrathoracischen Druckes der ven\u00f6se Zufluss zum Brustraum verz\u00f6gert und mit jedem Herzschlag weniger Blut entleert wird (Einbrodt). Dazu kommt aber noch, dass die Anzahl der Herzschl\u00e4ge in der Regel w\u00e4hrend der Inspiration zunimmt, w\u00e4hrend der Exspiration dagegen abnimmt (Einbrodt2, Kuhn3).\nDie Ver\u00e4nderung der Schlagfolge des Herzens ist nerv\u00f6ser Natur (Einbrodt4, Hering5). Sie ist bei der complicirten Einrichtung des regulatorischen Herznervenapparates f\u00fcr die nat\u00fcrliche In-und Exspiration in ihrer Abh\u00e4ngigkeit vom Nervensystem noch nicht vollst\u00e4ndig aufgedeckt und auch die Abweichungen von der angef\u00fchrten Regel sind noch nicht allseitig aufgekl\u00e4rt (s. die Lehre von der Innervation des Herzens). Ist die Ver\u00e4nderung der Schlagfolge im obigen Sinne vorhanden, entleert sich also das w\u00e4hrend der Inspiration st\u00e4rker gef\u00fcllte Herz auch noch \u00f6fter in der Zeiteinheit, als das w\u00e4hrend der Exspiration weniger stark gef\u00fcllte Herz, so werden beide Momente vermehrte Bluterf\u00fcllung des Herzens und erh\u00f6hte Schlagzahl die Wirkung, welche die verz\u00f6gernden Kr\u00e4fte der Thoraxwandungen und der Lungen allein bei der Inspiration auf den arteriellen Blutdruck austiben w\u00fcrden, um so mehr \u00fcbercompensiren und ebenso wird bei der Exspiration die Wirkung der verminderten Bluterf\u00fcllung und Schlagfolge des Herzens um so mehr compensatorisch auf die beschleunigenden Kr\u00e4fte der Thoraxwandungen und der Lungen wirken. Den beschleunigenden und verz\u00f6gernden Kr\u00e4ften der Brust-\n1\tEinbrodt a. a. 0.\n2\tEinbrodt a. a. 0.\n3\tKuhn a. a. 0.\n4\tEinbrodt a. a. 0.\n5\tHering, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXIV. (2) S. 333. 1871.","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Einbrodt\u2019s Erkl\u00e4rung der respiratorischen Schwankungen.\n285\nwand und der Lungen schreibt aber Einbrodt es zu, dass das Maximum des arteriellen Druckes im ersten Moment der Exspiration zu beobachten ist, da in diesem Momente jene Kr\u00e4fte mit dazu beitragen m\u00fcssen, die von der Inspiration her noch gesteigerte Blutf\u00fclle der Thoraxgef\u00e4sse rasch zum Schwinden zu bringen, w\u00e4hrend darauf sich der den Druck herabsetzende Einfluss der verminderten Zufuhr von den Venen her geltend machen wird, und ebenso ist das Minimum des arteriellen Druckes erst im Beginne der Inspiration zu beobachten, weil hier die verz\u00f6gernden Kr\u00e4fte der Thoraxwandungen und der Lungen sich zu den von der Exspiration her noch bestehenden druckmindernden Einfl\u00fcssen gesellen, w\u00e4hrend erst in den darauffolgenden Momenten der Inspiration der drucksteigernde Einfluss der vermehrten Zufuhr von den Venen her sich geltend machen kann.\nMan ersieht leicht, dass die eben vorgebrachte Erkl\u00e4rung der respiratorischen Schwankungen des arteriellen Blutdruckes in ihrem Wesen nur auf die Aenderung des intrathoracischen Druckes bei den Athembewegungen zur\u00fcckf\u00fchrt, indem diese Aenderung auch der Grund f\u00fcr die ab- und zunehmende Blutzufuhr von den Venen her ist.\nZur Erkl\u00e4rung der respiratorischen Schwankungen des arteriellen Druckes konnte die mit der Inspiration und Exspiration einhergehende vermehrte und verminderte Speisung des rechten Ventrikels aber nur unter der Voraussetzung, die von Einbrodt stillschweigend gemacht wurde, benutzt werden, dass jedesmal entsprechend der gr\u00f6sseren oder geringeren Speisung des rechten Herzens auch mehr oder weniger Blut durch die Lungengef\u00e4sse in den linken Ventrikel \u00fcbergef\u00fchrt wird.\nAls nun sp\u00e4ter die Studien \u00fcber den Blutstrom in den Lungen beim Ausdehnen und Collabiren derselben, die schon Poiseuille1) begonnen hatte, von Kowalewsky & Adam\u00fck2, Quincke & Pfeiffer3, Kuhn4, Funke & Latschenberger5, Mislawsky & Dochmann6, und Kowalewsky7 in der oben (S. 276) erw\u00e4hnten Weise ausgedehnt und fortgesetzt wurden, erschien die Lehre Einbrodt\u2019s von den Ursachen der respiratorischen Blutdruckschwankungen bedroht, indem es den Anschein gewann, dass haupts\u00e4chlich die mit der Ausdehnung und dem Zusammenfallen der Lungen einhergehenden Ver\u00e4nderungen\n1\tPoiseuille a. a. 0.\n2\tKowalewsky u. Adam\u00fck a. a. 0.\n3\tQuincke u. Pfeiffer a. a. 0.\n4\tKuhn a. a. 0.\n5\tFunke u. Latschenberger a. a. 0.\n6\tMislawsky u. Dochmann a. a. 0.\n7\tKow'alewsky a. a. 0.","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 5. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\ndes Blutzuflusses zum linken Atrium, die unabh\u00e4ngig von den Ver\u00e4nderungen der Blutzufuhr zu dem rechten Atrium sich vollziehen sollten, die respiratorischen Schwankungen des Blutdruckes hervorbringen. Wir verweisen in dieser Beziehung namentlich auf Funke & Latschenberger1, welche den Wechsel in der Capacit\u00e4t der Lungengef\u00e4sse, den sie f\u00fcr die In- und Exspiration im lebenden Organismus annehmen zu m\u00fcssen glauben, als die eigentliche Ursache der Athemschwan-kungen des arteriellen Druckes ansehen. Sie gelangen darum und weil sie noch \u00fcberdies die Curve der k\u00fcnstlichen Athmung gleichzeitig mit der Blutdruckcurve anschreiben und die Wirkung der k\u00fcnstlichen Athmung ungerechtfertigter Weise (s. unten S. 287) mit der Wirkung der nat\u00fcrlichen Athmung identificiren zu einer zwar \u00e4usser-lich \u00fcbereinstimmenden, aber ihrem Wesen nach von jener Einbrodt\u2019s doch sehr abweichenden Interpretation des zeitlichen Zusammenhanges der respiratorischen Schwankungen der Blutdruckcurve und der Athem-curve, was namentlich daraus hervorgeht, dass sie bei Athemsuspen-sion in der Inspiration ein Sinken, in der Exspiration ein Steigen des Blutdruckes beobachten und auch f\u00fcr die nat\u00fcrlichen Verh\u00e4ltnisse des Athmens annehmen, w\u00e4hrend nach Einbrodt\u2019s Lehre gerade das umgekehrte angenommen werden muss.\nIn einem ganz anderen Lichte muss die von Einbrodt zur Erkl\u00e4rung der respiratorischen Schwankungen des Blutdruckes herangezogene Thatsache der bei der In- und Exspiration wechselnden Blutzufuhr zum rechten Herzen erscheinen, wenn sich nachweisen l\u00e4sst, dass die durch die Athembewegungen gesetzten Ver\u00e4nderungen des Lungenblutstromes, welche eine vermehrte oder verminderte Zufuhr von Blut zum linken Atrium bedingen, mit den die Blutzufuhr zum rechten Atrium steigernden oder herabsetzenden Momenten parallel gehen. Das ist aber nach den fr\u00fcher angef\u00fchrten Untersuchungen (de Jager\u2019s , s. oben S. 279) \u00fcber den Blutstrom in den Lungen wirklich der Fall, da sich aus denselben ergiebt, dass die Blutzufuhr zum linken Atrium w\u00e4hrend der Inspiration gr\u00f6sser, w\u00e4hrend der Exspiration geringer wird.\nWir m\u00fcssen dann den gr\u00f6ssten Werth auf den Zusammenhang der beiden Erscheinungen legen, und kommen zu den folgenden Schl\u00fcssen \u00fcber den Einfluss der nat\u00fcrlichen Athmung auf den arteriellen Blutdruck. Die durch die Inspiration gesetzte Erniedrigung des intrathoracischen Druckes hat vermehrte Blutzufuhr von den Venen zum rechten Herzen zur Folge und gleichzeitig solche Ver-\n1 Funke u. Latschenberger a. a. 0.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Lungenblutstromes. K\u00fcnstliclie Athmung und arterieller Druck. 287\n\u00e4nderungen des Blutstromes in den Lungen, durch welche eine vermehrte Blutzufuhr zum linken Herzen bedingt wird. Das erste Moment (Einbrodt, Zuntz) im Zusammenh\u00e4nge mit dem zweiten (de Jager) und die bei der Inspiration in der Hegel vermehrte Anzahl der Herzschl\u00e4ge bewirken, dass der arterielle Druck w\u00e4hrend der Inspiration anw\u00e4chst ; dagegen bewirkt die durch die Exspiration gesetzte Steigerung des intrathoracischen Druckes verminderte Zufuhr zum rechten und zum linken Herzen, diese Momente und die bei der Exspiration verminderte Anzahl der Herzschl\u00e4ge bewirken, dass der arterielle Druck bei der Exspiration sinkt.\nDie Maxima und Minima der Respirationscurve gehen den Maxi-mis und Minimis der Blutdruckcurve beim gew\u00f6hnlichen Athmen etwas voraus. Die Gr\u00fcnde daf\u00fcr wurden fr\u00fcher angef\u00fchrt.\n2. Einfluss der k\u00fcnstlichen Athmung auf den Blutdruck in den Arterien.\nDas wechselweise Auf blasen und Collabiren der Lungen, welches man bei der k\u00fcnstlichen Respiration1, sei es bei geschlossener oder offener Brusth\u00f6hle, vornimmt, bewirkt \u00e4hnliche respiratorische Schwankungen des arteriellen Blutdruckes wie die nat\u00fcrliche Athmung. Diese Schwankungen sind aber in anderer Weise zu erkl\u00e4ren als jene bei der nat\u00fcrlichen Athmung. Ihre \u00e4ussere Erscheinungsweise bei verschiedenen Formen k\u00fcnstlicher Respiration ist namentlich von Traube2 studirt worden; mit ihrer Erkl\u00e4rung haben sich besonders Kuhn und Kowalewsky besch\u00e4ftigt. Ueber den zeitlichen Zusammenhang, in welchem sich die Blutdruckschwankungen mit den Athembewegungen befinden, l\u00e4sst sich auch f\u00fcr die k\u00fcnstliche Respiration im Allgemeinen aussagen, dass der Blutdruck in den Arterien inspiratorisch steigt (bei der Einblasung), exspiratorisch ' sinkt (beim Collabiren der Lungen). Dennoch hat man es hier mit einer Erscheinung ganz anderer Natur zu thun als bei der nat\u00fcrlichen Athmung. Wir fassen zuerst die Erscheinungen bei ge\u00f6ffneter Brusth\u00f6hle ins Auge, weil dabei die Bedingungen am einfachsten sind.\nWerden dabei die Lungen ausgedehnt durch Einblasen und darauf ausgedehnt erhalten, so sieht man nach einer vor\u00fcbergehenden Steigerung des Blutdruckes in den Arterien diesen betr\u00e4chtlich sinken und w\u00e4hrend der Dauer der Athemsuspension aber auf dem niederen Stande verharren (Kowalewsky & Adam\u00fck3, Kuhn4, Kowalewsky5). Diese\n1\tVgl. Gscheidlen, Physiol. Methodik. 4. Lief. S. 250. Braunschweig 1879.\n2\tTraube, Ges. Beitr. z. Pathol, u.Physiol. I. S. 295. 310. 321 n.387. Berlin 1871.\n3\tKowalewsky u. Adam\u00fck, Centralbl. f. cP raed. Wiss. 1868. S. 579.\n4\tKuhn, Over de Respiratie-schomm. etc. Amsterdam 1875.\n5\tKowalewsky, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1877. S. 416.","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288 Rollett, Physiologie cler Blutbewegung. 5. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\nDruckherabSetzung w\u00e4hrend der Suspension bei aufgeblasenen Lungen hat Kowalewsky1 als negative Welle bezeichnet. L\u00e4sst man dagegen die Lunge collabiren und suspendirt jetzt die Athmung, so steigt der Blutdruck in den Arterien, wie dieselben Experimentatoren constatirten. Diese Steigerung bei collabirter Lunge ist Kowalewsky\u2019s Grundwelle.\nWird die Suspension bei einem beliebig durch Aufblasung entfalteten Lungenvolumen vorgenommen, so verharrt der Blutdruck auf dem niederen Werthe, den er am Ende der Aufblasung erreicht hat (Kuhn), und zwar ist dieser Druck niedriger als der Druck bei collabirter Lunge, aber h\u00f6her als bei st\u00e4rkerer Aufblasung der Lunge.\nEs ergiebt sich aus diesen Versuchen, dass die H\u00f6he des arteriellen Druckes mit dem jeweiligen Zustande der Lungen sehr innig zusammenh\u00e4ngt.\nDa aber die Ausschaltung aller nerv\u00f6sen Einfl\u00fcsse an den angef\u00fchrten Erscheinungen nichts \u00e4ndert, so kann die Wirkung verschiedener Ausdehnungsgrade der Lunge auf den Blutdruck nur in mechanischen Ursachen gesucht werden, welche bei der Ausdehnung der Lungen den Blutzufluss zum linken Herzen beschr\u00e4nken. Wir haben dieses Moment bereits fr\u00fcher bei der Besprechung des Blutstromes in den Lungen kennen gelernt. Es ist der positive intra-pulmonale Druck, der beim Aufblasen der Lungen entsteht und die Capillaren der Lunge comprimirt. Folgen nun die Einblasungen, wie bei einer regelm\u00e4ssigen k\u00fcnstlichen Respiration, in bestimmten Perioden aufeinander, so dass die Lunge nur f\u00fcr einen Moment oder nur w\u00e4hrend einer kurzen Pause im collabirten Zustande verharrt, oder sogar diesem Zustande sich nur ann\u00e4hert, so wird die Grundwelle niemals in der vollen H\u00f6he sich entwickeln k\u00f6nnen. Es wird vielmehr der mittlere Blutdruck in den Arterien immer unter der H\u00f6he der Grundwelle Zur\u00fcckbleiben. Jede einzelne der sich folgenden Aufblasungen wird aber zur Folge haben, dass das Blut, welches w\u00e4hrend der Entlastung der Capillaren beim Collabiren der Lunge in die Capillaren gelangt ist, durch den bei der Aufblasung steigenden intrapulmonalen Druck aus den Capillaren wieder ausgepresst wird und dadurch wird die inspiratorische Steigerung des arteriellen Druckes bei der k\u00fcnstlichen Athmung bedingt, w\u00e4hrend die exspiratorische Herabsetzung des arteriellen Druckes sich daraus erkl\u00e4rt, dass w\u00e4hrend des Collabirens der Lungen sich das Blut in den vom hohen intrapulmonalen Druck entlasteten Capillaren ansammelt.\n1 Kowalewsky a. a. O.","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Wirkung der k\u00fcnstlichen In- u. Exspiration : TRAUBE-HERiNG\u2019sche Perioden. 289\nSo kl\u00e4rt sich der Widerspruch auf, welcher scheinbar vorhanden ist zwischen dem druckmindernden Einfluss der inspiratorischen Suspension und dem drucksteigernden Einfluss der exspiratorisehen Suspension einerseits und dem drucksteigernden Einfluss der Inspiration und dem druckmindernden Einfluss der Exspiration bei regelm\u00e4ssiger k\u00fcnstlicher Athmung andererseits.\nMit dieser Auffassungsweise der respiratorischen Blutdruckschwankungen bei der k\u00fcnstlichen Athmung stimmt nach Kowalewsky \u00fcberein, dass eine Abnahme der Exspirationspausen eine Abnahme des mittleren Blutdruckes und der H\u00f6he der Respirationswellen zur Folge hat, w\u00e4hrend die Verl\u00e4ngerung der Pausen entgegengesetzt wirkt; dass bei Verk\u00fcrzung der Inspirationsphasen der mittlere Blutdruck steigt, die Respirationswellen aber niedriger werden, w\u00e4hrend im umgekehrten Falle das Entgegengesetzte beobachtet wird; dass zunehmende St\u00e4rke der Inspiration den mittleren Blutdruck herabsetzt, aber die Respirationswellen h\u00f6her macht, w\u00e4hrend flache Inspiration entgegengesetzt wirkt.\nDie beschriebenen Wirkungen der k\u00fcnstlichen Respiration auf den arteriellen Blutdruck sind in derselben Weise auch bei uner\u00f6ff-netem Thorax vorhanden (Kuhn, Kowalewsky). Die k\u00fcnstliche Athmung kann, von mechanischer Seite betrachtet, keineswegs als ein f\u00f6rderndes Moment f\u00fcr den Kreislauf, sondern eher als eine Hemmung betrachtet werden (Kowalewsky).\nEs ist nun auch vollst\u00e4ndig klar, dass, wfle wir schon oben (S. 286) bemerkt haben, die Uebertragung der bei der k\u00fcnstlichen Respiration gemachten Erfahrungen auf das nat\u00fcrliche Athmen ganz ungerechtfertigt ist.\nDurch die mitgetheilten Untersuchungen \u00fcber die respiratorischen Schwankungen des Blutdruckes bei nat\u00fcrlicher und k\u00fcnstlicher Respiration ist auch die chemische Theorie der Athemschwankungen des Blutdruckes, weche Schiff1 f\u00fcr beide F\u00e4lle aufstellte, hinreichend widerlegt.\nDie von Schiff angezogenen Erscheinungen fallen \u00fcberdies zum Theile zusammen mit einer anderen Art von Blutdruckschwankungen, welche zuerst von Traube2 beobachtet und sp\u00e4ter in ihrer Erscheinung noch ausf\u00fchrlicher von E. Hering3 beschrieben wurden. Letzterer zeigte, dass dieselben von rhythmischen Schwankungen des Gef\u00e4sstonus herr\u00fchren, die vom Nervensysteme aus bedingt werden. Wir verweisen in Bezug auf diese Schwankungen, welche als TRAUBE-HERiNG\u2019sche Perioden bezeichnet wrerden und nicht verwechselt werden d\u00fcrfen mit periodischen Schwankungen des Blutdruckes, die durch Interferenz der cardialen Schwankungen des Blutdruckes mit den durch den mechanischen Einfluss der\n1\tMosso, Cenno sul. ricerch. fat. d. Pr. Schiff nel lab. di fisiol. del Mus. di Firence durant, il 1 Trimestre 1872; Centralbl. f. d. med. Wiss. 1872. S. 756.\n2\tTraube, Allg. med. Centralztg. 1862. Nr. 25. 1863. Nr. 97 ; Centralbl. f. d. med. Wiss. 1865. S. 881 ; Ges. Beitr. z. Pathol, u. Physiol. I. S. 321 u. 387. Berlin 1871.\n3\tE. Hering, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LX. (2) S. 829. 1869.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\n19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 5. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\nLufteinblasung bedingten Wellen in dein Falle nahezu gleicher Anzahl von Herzschl\u00e4gen und Lufteinblasungen (S. Mayer1) entstehen auf die Schriften von Traube2, Hering3, Cyon4, S. Mayer5, ausf\u00fchrlicher m\u00fcssen dieselben in der Lehre von der Gefassinnervation behandelt werden.\n3. Ueber den Einfluss des Athmens comprimirter und verd\u00fcnnter Luft auf den Blutdruck in den Arterien.\nEinbrodt hat seinen Untersuchungen \u00fcber den Einfluss der Athem-bewegungen auf den Blutdruck eine 'Untersuchung des Athmens in verdichteter und verd\u00fcnnter Luft vorausgeschickt, welche mit als wesentliche St\u00fctze f\u00fcr die Erkl\u00e4rungen diente, die er von den respiratorischen Blutdruckschwankungen gegeben hat.\nEr setzte die Trachea von Hunden mit einem abgeschlossenen Luftr\u00e4ume in Communication, in welchem die Luft beliebig verdichtet werden, der aber andererseits wieder rasch mit der Atmosph\u00e4re in Verbindung gesetzt werden konnte. Ebenso konnte die Luft in dem mit der Trachea communicirenden Baum beliebig verd\u00fcnnt werden.\nLiess man nun den positiven Respirationsdruck bis zu einem gewissen Maximum ansteigen, so stieg auch der Blutdruck in den Arterien. Hatte aber der positive Druck eine bestimmte H\u00f6he erreicht und blieb auf derselben stehen, wobei die Athembewegungen sehr erschwert wurden oder Apnoe eintrat, so sank der arterielle Druck; in den Venen und im rechten Vorhof wuchs dagegen der Blutdruck betr\u00e4chtlich an. Durch die Hemmung des Ueberganges des Blutes ins Aortensystem erreicht endlich die Blutleere in dem letzteren einen sehr hohen Grad und es verschwinden die Pulse g\u00e4nzlich, so dass die Blutdruckcurve eine gerade Linie wird. Sobald aber w\u00e4hrend der Zeit des Bestehens des hohen positiven Druckes eine Inspiration erfolgt, nimmt der Blutdruck in den Arterien vor\u00fcbergehend wieder zu. Dass der Blutdruck in den Arterien durch hohen positiven Respirationsdruck sinkt, wurde auch von Grehant6 best\u00e4tigt. Bei Herstellung eines negativen Respirationsdruckes findet anfangs ein geringes Sinken des Blutdruckes in den Arterien statt und das ist auch der Fall w\u00e4hrend des Bestehens eines niedrigen negativen Respirationsdruckes. W\u00e4hrend des Bestehens eines betr\u00e4chtlicheren negativen Respirationsdruckes steigt aber der\n1\tS. Mayer, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXIV. (3) S. 281 1876.\n2\tTraube a. a. 0.\n3\tHering a. a. 0.\n4\tCyon, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 499. 1874.\n5\tS. Mayer a. a. 0.\n6\tGrehant, Compt. rend. XXIII. p. 274. 1871.","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Wirkung des positiven und negativen Respirationsdruckes nach Einbrodt. 291\nBlutdruck in den Arterien. Erfolgt w\u00e4hrend dieser Zeit eine Exspiration, so steigt der Blutdruck noch weiter an, wohingegen derselbe bei jeder Inspiration wieder sinkt. Man wird leicht ersehen, dass diese von Einbrodt ermittelten Thatsachen gr\u00f6sstentheils in Uebereinstimmung gebracht werden k\u00f6nnen mit dem, was wir fr\u00fcher \u00fcber den Einfluss des erh\u00f6hten und erniedrigten intrathoracischen Druckes auf die Blutzufuhr zum Brustraume und \u00fcber den Einfluss des Aufblasens und Collabirens der Lungen auf den Uebergang des Blutes aus dem rechten in das linke Herz schon kennen gelernt haben.\nBesonders die Erscheinungen des hohen positiven Respirationsdruckes reihen sich unmittelbar an die besprochenen Wirkungen des Aufblasens der Lungen an. Dagegen ist f\u00fcr den hohen negativen Respirationsdruck zu bemerken, dass aus den Versuchen von Einbrodt gefolgert werden muss, dass sogar Verkleinerung des Lungenvolumens durch Aussaugen noch \u00e4hnliche Wirkungen hervorbringt wie der Collaps der Lungen.\nHier m\u00fcssen aber sicher gewisse Grenzen existiren, die noch nicht n\u00e4her untersucht sind, an welchen sich aber Einbrodt schon bewegte, worauf seine weitere Beobachtung, dass nach Aufhebung des hohen negativen Respirationsdruckes der Blutdruck noch weiter steigt, hinzuweisen scheint. Nach K\u00fcss1 und Lambert2 soll eine Behinderung des Lungenblutstromes erst bei sehr hohem negativen Respirationsdruck eintreten.\nSchon seit geraumer Zeit suchen die practischen Aerzte die Wirkungen des ver\u00e4nderten Luftdruckes auf den Organismus3 zu therapeutischen Zwecken zu verwerthen, was in den sogenannten bains d\u2019air comprim\u00e9 und pneumatischen Kabineten geschieht. Wir k\u00f6nnen hier auf die Wirkung, welche der Aufenthalt des Organismus in solchen Apparaten auf den Kreislauf ausiibt, nur hinweisen.\nIn n\u00e4herer Beziehung zu unserem Gegenst\u00e4nde steht eine andere Art a\u00ebrotherapeutischen Verfahrens, welches sieh seit Waldenburg\u2019s4 Studien an dem von ihm construirten transportablen, pneumatischen Apparat zu einer h\u00f6heren klinischen Bedeutung aufgeschwungen hat und von verschiedenen Seiten Untersuchungen \u00fcber den Einfluss des Athmens com-primirter und verd\u00fcnnter Luft auf den arteriellen Blutdruck hervorgerufen hat, die sich an die analogen Versuche Einbrodt\u2019s ansehliessen.\n1\tK\u00fcss, Gaz. hebdom. 1877. p. 391.\n2\tLambert, Etude clinique et exp\u00e9r. sur Pact, de l\u2019air comp, etrar\u00e9fi. dans les malad, des poum. et du coeur. Paris 1877.\n3\tVgl.VivENOT, Arch. f. pathol. Anat. XIX. S. 492. 1860. \u2014 Sandahl, Des bains d\u2019air comprim\u00e9. Stockholm 1867. \u2014 Panum, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 124. 1868. \u2014 Bert, La pression barom\u00e9trique. Paris 1877. \u2014 Mosso, Sull\u2019azionefisiologicadell\u2019aria compressa. Torino 1877. \u2014 Jacobson u. Lazarus, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1877. S. 929.\n4\tWaldenburg, Berl. klin.Woch. 1873.Nr. 46 u. 47; Die pneumatische Behand-lung der Respirations- und Circulationskrankheiten im Anschluss an die Pneumato-metrie, Spirometrie und Brustmessung. Berlin 1875.\n19*","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 5. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\nDurch klinische Reflexionen und Beobachtungen am Pulse sah sich Waldenburg zur Annahme veranlasst, dass das Athmen com-primirter Luft den arteriellen Blutdruck steigert, dagegen das Athmen in verd\u00fcnnter Luft den Blutdruck herabsetzt, ein Resultat, welches dem aus Einbrodt\u2019s Versuchen folgenden entgegengesetzt ist. Auf Grund von Blutdruckbestimmungen, welche unter Anwendung des WALDENBURG\u2019schen Apparates an Hunden angestellt wurden, erkl\u00e4rten sich aber Drosdoff & Botschetschkaroff 1 gegen die Auffassung Waldenburg\u2019s. Sie erhielten vielmehr Resultate, welche in der Hauptsache mit jenen Einbrodt\u2019s \u00fcbereinstimmen und das letztere ist auch der Fall bei den unter \u00e4hnlichen Bedingungen angestellten Versuchen von Ducrocq'1 2, Lambert3, K\u00fcss4 und Zuntz5. Der Letztere, welcher unter Anwendung von M\u00fcLLER\u2019schen Ventilen und des Waldenburg-schen Apparates arbeitete, behandelt eine Reihe von F\u00e4llen.\nDiese sind: 1. Exspiration in comprimirte Luft; 2. Inspiration von verd\u00fcnnter Luft, wovon der erstere Fall den normalen Effect der Exspiration, der letztere den normalen Effect der Inspiration steigert. Man beobachtet im ersten Falle den mittleren Blutdruck etwas erniedrigt, im zweiten Falle den mittleren Blutdruck erh\u00f6ht. Die Athemschwankungen sind in beiden F\u00e4llen verst\u00e4rkt. 3. Inspiration von comprimirter Luft; 4. Exspiration in verd\u00fcnnte Luft. Beide F\u00e4lle sind den fr\u00fcheren entgegengesetzt, da der erstere den normalen Effect der Inspiration, der letztere den normalen Effect der Exspiration herabsetzt. Der mittlere Blutdruck zeigt sich im ersteren Falle herabgesetzt, im zweiten Falle erh\u00f6ht. Die respiratorischen Schwankungen sind vermindert. Wird das Athmen nach Fall 3 durch l\u00e4ngere Zeit fortgesetzt, dann tritt aber eine langsame Steigerung des Druckes mit Verst\u00e4rkung der Athemschwankungen ein. Diese sieht Zuntz als eine Steigerung in Folge dyspnoischer Erregung des Gef\u00e4ssnerven-centrums an, welche auftritt wegen der Erschwerung des.Athmens, die dieser Fall setzt. Wurde die Athmung in diesem Stadium freigegeben, so stieg der Blutdruck rapid empor und sank erst ganz kurze Zeit darauf wieder herab, w\u00e4hrend dieser Zeit entstehen aber Druckwellen, die rascher verlaufen als die Phasen der sehr verlangsamten Athmung: TRAUBE-HERiNG\u2019sche Wellen, welche fr\u00fcher wahrschein-\n1\tDrosdoff u. Botschetschkaroff, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1875. S. 65. 773. 785.\n2\tDucrocq, Recbercb. exp\u00e9rim. sur Fact, pbysiol. de la repir. d\u2019air comprim\u00e9. Paris 1875.\n3\tLambert a. a. O.\nJ\u00a3\u00fcSS R \u00e2 O\n5 Zuntz, Arcb. f. d. ges. Pbysiol. XVII. S. 374. 1878.","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Entgegenstehende Annahme von Waldenburg.\t293\nlieh zur Verst\u00e4rkung der respiratorischen Schwankungen beitrugen. Zuntz vermuthet, dass das Gef\u00e4sscentrum die Tendenz habe, die mechanischen Effecte des Brusth\u00f6hlendruckes auf den Blutdruck zu compensiren und den mittleren Normaldruck zu behaupten.\nMittelst des Plethysmographen (s. unten) gelangte Basch1 auch am Menschen \u00fcber die Wirkung des Athmens comprimirter und verd\u00fcnnter Luft zu Resultaten, welche mit denen Einbrodt\u2019s \u00fcbereinstimmten. Trotz der beim Athmen comprimirter Luft sichtbaren ven\u00f6sen Stauung fand Basch doch das Armvolumen kleiner, was nur durch ein Sinken des arteriellen Druckes erkl\u00e4rt werden k\u00f6nne. Es muss aber hier angef\u00fchrt werden, dass Francois-Franck mittelst des Hydrosphygmographen, wie fr\u00fcher schon Mosso2 mittelst des Plethysmographen Volumabnahme (der Hand, des Armes) bei tiefer Inspiration; dagegen Volumzunahme bei tiefer Exspiration, Francois-Franck3 die Letztere namentlich auch beim Val-SALVA\u2019schen Versuche verzeichnet haben, womit die Angaben von Basch nicht in Einklang gebracht werden k\u00f6nnen.\nMittelst des Sphygmographen und der Ausdeutung der Sphygmo-gramme der unsichersten aller Methoden gelangten Riegel & Frank4 zu einer theilweisen Best\u00e4tigung der Angaben der meisten Beobachter, anf\u00e4ngliche bald vor\u00fcbergehende Zu-, dann Abnahme des Blutdruckes beim Ausathmen in comprimirte Luft (Valsalva\u2019s Versuch) und umgekehrt bei Inspiration verd\u00fcnnter Luft (M\u00fcller\u2019s Versuch), w\u00e4hrend fr\u00fcher Haenisch5 bei Inspiration comprimirter Luft ein Steigen, bei Exspiration in verd\u00fcnnte Luft ein Sinken des Blutdruckes beobachtet haben will und Sommerbrodt6 sich auf Grund seiner Sphygmogramme ganz an Waldenburg anschliesst. Sommerbrodt hat aber seine Sphygmogramme entschieden unrichtig gedeutet, wie wir sehen werden.\nGegen Waldenburg wurden endlich auch von klinischer Seite Einwendungen erhoben (D\u00fchrssen7).\n4. Einfiuss der Athembewegungen auf den Puls.\nSchon bei den ersten Versuchen der graphischen Darstellung des Pulses zeigte es sich, dass unter gewissen Bedingungen in den Sphyg-mogrammen von den Athembewegungen abh\u00e4ngige Ver\u00e4nderungen beobachtet werden (Vierordt8). Diese Ver\u00e4nderungen geben sich kund durch ein \u00e4hnliches Auf- und Absteigen der Pulscurvenreihe, wie wir es an den Blutdruckcurven wahrgenommen haben und durch\n1\tBasch, Wien. med. Jahrb. 1877. S. 489.\n2\tMosso, Sopra im nuovo method, per scriv. moviment. des vasi sanguigni. Torino 1875.\n3\tFrancois-Frank, Travaux du lab. de M. Marey. 1876. S. 1.\n4\tRiegel u. Frank, Dtsch. Arch. f. klin. Med. XVII. p. 401. 1876.\n5\tHaenisch, Ebenda. XIV. S. 445. 1874.\n6\tSommerbrodt, Ebenda. XVIII. S. 193. 1867; Ein neuer Sphygmograph. Breslau 1876.\n7\tD\u00fchrssen, Deutsche Elinik. 1874. Nr. 16.\n8\tVierordt, Lehre vom Arterienpuls. S. 190. Braunschweig 1855.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 5. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\neine Ver\u00e4nderung der Form der Einzelcurven (Marey1, Wolff2, Landois3).\nDas Steigen und Sinken der Pulscurvenreihe, welches man vom Anf\u00e4nge an als einen Ausdruck der unter dem Einfl\u00fcsse der Respirations -bewegungen auftretenden Aenderungen des arteriellen Blutdruckes an-selien zu m\u00fcssen glaubte, wurde durch lange Zeit in einer \u00e4hnlich fehlerhaften Weise auf die Phasen der Respiration bezogen, wie das mit den respiratorischen Schwankungen des Blutdruckes vor Einbrodt\u2019s Untersuchungen der Fall war. Nur in einem Falle hat Marey4 ein Steigen der Pulscurvenreihe bei der Inspiration angegeben, wenn bei offenem Mund tief eingeathmet wird, in diesem Falle sollte aber die Steigerung des Druckes abh\u00e4ngig sein von dem Druck, welchen das herabsteigende Zwerchfell und die Baucheingeweide auf die Bauchaorta aus\u00fcben (vgl. auch D\u00fcpuy5). Sonderbar mag es erscheinen, dass die falsche Auslegung des Sphygmogrammes (Marey3,Wolff7, Landois8, Riegel9, Sommerbrodt10) erst einige Zeit nach Einbrodt entstand und so lange sich erhielt, ja sogar der Widerspruch, in welchem die Anzeigen der sphygmographischen Curve mit jenen der kymographischen stehen sollten, hervorgehoben wurde (Landois11), ohne dass man sich veranlasst gesehen h\u00e4tte, von jenem Mittel Gebrauch zu machen, welches Einbrodt anwendete, um den n\u00e4heren zeitlichen Zusammenhang zwischen Blutdruckcurve und Respirationsphasen festzustellen.\nDie Sache \u00e4nderte sich sofort als das letztere geschah, n\u00e4mlich gleichzeitig mit dem Puls auch die Respirationsbewegungen graphisch verzeichnet wurden (Klemensiewicz12).\nEs zeigte sich dabei, dass die Pulscurvenreihe zwar im Anf\u00e4nge der Inspiration ihren tiefsten Stand einnimmt, dann aber w\u00e4hrend der Inspiration emporsteigt, um im Anf\u00e4nge der Exspiration ihren h\u00f6chsten Stand einzunehmen und w\u00e4hrend der Exspiration bis in den Anfang der n\u00e4chsten Inspiration wieder zu sinken. Diese Thatsache wurde alsbald von mehreren Seiten best\u00e4tigt (Knoll13, Schreiber14, L\u00f6wit15). Man findet also in der Pulscurvenreihe einen Ausdruck f\u00fcr die von Einbrodt ermittelte Abh\u00e4ngigkeit des Blutdruckes von der\n1\tMarey, Physiol, m\u00e9d. de la cire. p. 284. Paris 1863.\n2\tWolff, Charakteristik des Arterienpulses. Leipzig 1865.\n3\tLandois, Die Lehre vom Arterienpuls. S. 193. 270. Berlin 1872.\n4\tMarey a. a. 0. p. 289.\n5\tDupuy, Gaz. m\u00e9d. 1867. p. 162. 212.\n6\tMarey a. a. 0.\n7\tWolff a. a. 0.\n8\tLandois a. a. 0.\n9\tRiegel, Berl. klin. Woch. 1876. Nr. 26.\n10\tSommerbrodt, Ein neuer Sphygmograph. Breslau 1876.\n11\tLandois a. a. 0. S. 277.\n12\tKlemensiewicz, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXIV. (3) S. 487. 1876.\n13\tKnoll, Arch. f. exper. Pathol. IX. 1878. S. 382.\n14\tSchreiber, Ebenda. X. S. 19. 1879.\n15\tL\u00f6wit, Ebenda. S. 412.","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Steigen und Sinken der Pulscurvenreihe durch die Respiration.\n295\nRespiration. Es ist beim Menschen leicht willk\u00fcrlich eine Reihe von Athmungstypen auszuw\u00e4hlen und so des N\u00e4heren den Einfluss der Athembewegungen auf die Pulscurvenreihe zu studiren (Klemensie-wicz). Ist die Respiration seicht und findet dieselbe durch Mund und Nase statt, so macht sich der Einfluss der Athmung in der Pulscurvenreihe nicht bemerkbar. Ist dagegen bei seichter Respiration dem freien Aus- und Einstr\u00f6men der Luft ein Hinderniss entgegengesetzt, wird z. B. nur durch die Nase geathmet, so tritt der Einfluss der Respiration sehr deutlich hervor (Marey), und zwar spricht sich, wenn die Anzahl der Pulse jene der Respirationen um ein Mehrfaches \u00fcbertrifft, das oben erw\u00e4hnte Gesetz der Coincidenz von Puls-und Athemcurve aus (Klemensiewicz). Eine Aenderung der Frequenz der Herzschl\u00e4ge bei der In- und Exspiration ist in diesem Falle meist nicht deutlich ausgesprochen.\nIst die Respiration forcirt w\u00e4hrend wieder jeder Respirations -\nFig. 36.\nact eine Reihe von Pulsen umfasst, so \u00e4ussert sich stets der Einfluss der Athembewegungen auf die Pulscurvenreihe in der angegebenen Weise (Fig. 36, R Respirationscurve, Inspiration aufw\u00e4rts, P Pulscurve, Z Zeitcurve, Intervall 0.5 Secunde) und meist ist auch ein deutlicher Einfluss auf die Frequenz der Herzschl\u00e4ge zu beobachten, die w\u00e4hrend der Inspiration vermehrt, w\u00e4hrend der Exspiration vermindert erscheinen. Sind die beiden Athmungsphasen von gleicher Dauer und tritt jede derselben in Form eines pl\u00f6tzlichen Stosses ein, w\u00e4hrend der \u00fcbrige Theil in Form einer Pause oder weniger steil verl\u00e4uft, so ist der erw\u00e4hnte Einfluss der Respiration besonders deutlich. Ist dagegen eine der Athmungsphasen \u00fcberhaupt sehr kurz und steil, so geschieht es, dass nur jene Aenderung zu beobachten ist, welche sonst in den Anfang derselben f\u00e4llt, ein Fallen","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 5. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\nder Curvenreihe bei der Inspiration, ein Steigen bei der Exspiration. Ist die forcirte Respiration nicht frei, sondern behindert, z. B. nur durch ein Nasenloch m\u00f6glich, so pr\u00e4gt sich der Einfluss der Respiration noch deutlicher in der Pulscurvenreihe aus (Fig. 37, R Re-spirationscurve, P Pulscurve, I Beginn der Inspiration, E Beginn der Exspiration).\nWas den Einfluss der Respiration auf die Form der einzelnen Pulscurve betrifft, so ist zu bemerken, dass Angaben dar\u00fcber vorliegen, dass entsprechend der Zu- und Abnahme des arteriellen Druckes w\u00e4hrend der\nFig. 37.\nbeiden Phasen der Respiration, also in dem auf- und absteigenden Theile der Pulscurvenreihe sich in den einzelnen Pulscurven die Ver\u00e4nderungen auspr\u00e4gen sollen, welche wir fr\u00fcher der vermehrten und verminderten Spannung in den Arterien zugeschrieben haben (Wolff1, Land ois 2, Sommer-brodt3), also st\u00e4rkere Auspr\u00e4gung der \u201e R\u00fcckstosselevationa, schw\u00e4chere der sog. \u201e Elasticit\u00e4tselevationen \u201c im absteigenden Theile der Pulscurvenreihe im Vergleich zum aufsteigenden Theile. Diese Ver\u00e4nderungen der Einzelcurven sind aber nicht regelm\u00e4ssig, nur manchmal zu beobachten oder in F\u00e4llen, wo die Elevation der Curvenreihe bei der Inspiration bedeutend ist (Knoll4) ; wir werden aber auf dieselben noch zur\u00fcckkommen bei dem Einfluss sehr hoch gesteigerten oder sehr tief herabgesetzten intrathora-cischen Druckes auf die Pulscurve.\nEine andere Ver\u00e4nderung der Einzelcurve tritt auf, wenn die Athem-bewegungen sehr frequent, synchron oder nahe synchron mit dem Pulse werden, namentlich wenn dabei die Athembewegungen forcirt sind. Die Einzelcurve wird dann deformirt durch Interferenz mit der Athemcurve, und zwar in verschiedener Weise, je nachdem der Beginn einer Athem-phase mit dem einen oder anderen Punct der Pulscurve zusammenf\u00e4llt. Es k\u00f6nnen auf diese Weise durch die Athmung sehr verschiedene Pulsbilder unter anderen auch anacrote Pulse erzeugt werden (Klemensiewicz5). Es k\u00f6nnen ferner durch Uebereinanderlegen der Puls- und Athemwellen\n1\tWolff, Charakteristik des Arterienpulses. Leipzig 1S65.\n2\tLaxdois, Lehre vom Arterienpuls. Berlin 1872.\n3\tSommerbroet, Ein neuer Sphygmograph. Breslau 1876.\n4\tKnoll a. a. O. 5 Klemensiewicz a. a. O.","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Ver\u00e4nderung der Einzelcurve durch die Athmung.\n297\ndes Blutdruckes, ob die letzteren den rein mechanischen oder den nerv\u00f6s reflectorischen Einfl\u00fcssen der Athembewegungen ihr Entstehen verdanken, solche Deformationen der Pulsbilder auftreten, dass es zu Gruppenbildungen in der Curvenreihe kommt, welche die Bilder dem Pulsus bigeminus oder alternans oder dem Pulsus paradoxus \u00e4hnlich erscheinen lassen (L\u00f6wit1).\nDen Pulsus paradoxus hat zuerst Griesinger2 bei chronischer Mediastinitis beschrieben. Er besteht in inspiratorischem Kleinerwerden oder Aussetzen des Pulses. Sp\u00e4ter glaubte ihn Kussmaul3 als constantes Symptom der schwieligen Mediastino-Pericarditis ansehen zu k\u00f6nnen. Er kommt aber auch bei anderen Formen von Pericarditis vor (Traube 4, B\u00e4umler5). Durch Ver\u00e4nderung der Athmung kommen auch beim Gesunden \u00e4hnliche Pulsbilder zu Stande (Riegel6, Sommerbrodt 7). Es scheint uns aber ganz richtig, dass L\u00f6wit eben nur von durch ge\u00e4nderte Athmung dem Pulsus paradoxus \u00e4hnlich gewordenen Pulsbildern spricht. Da man diese F\u00e4lle sicher auseinander halten muss von jenen, wo bei einem Individuum \u00fcberhaupt nur ein Pulsus paradoxus beobachtet wird, denn wenn auch die Athmung schon unter normalen Verh\u00e4ltnissen einen Pulsus paradoxus erzeugen kann, so ist doch der Einfluss der normalen Athmung auf den Puls f\u00fcr gew\u00f6hnlich ein wesentlich anderer.\nDie Deformationen der Pulscurven durch die Athembewegungen sind namentlich f\u00fcr die diagnostische Verwerthung der Pulsbilder sehr wichtige Thatsachen, welche noch viele Arbeit verlangen werden.\nWir m\u00fcssen jetzt noch und zwar mit R\u00fccksicht auf die Folgerungen, welche man aus den Sphygmogrammen f\u00fcr die Wirkung des Athmens verdichteter und verd\u00fcnnter Luft gezogen hat, auf die Ver\u00e4nderung der Pulscurven unter diesen Einfl\u00fcssen n\u00e4her eingehen.\nAufblasen der Lungen eines Thieres unter hohem Druck, Aus-athmen in comprimirte Luft, der VALSALVA\u2019sche Versuch beim Menschen haben einen sehr constanten Erfolg, sowohl auf die Pulscurven-reihe, als auch auf die einzelne Pulscurve. Die Pulscurvenreihe steigt empor, allm\u00e4hlich, wenn die Luft in den Lungen allm\u00e4hlich comprimirt wird, rasch und pl\u00f6tzlich, wenn die Compression pl\u00f6tzlich erfolgt. Die Pulse werden bald stark dicrot, sehr klein, sehr frecpient und unter zunehmender Kleinheit der Pulse tritt bei sehr hohem Druck Pulslosigkeit8 auf. Wird die Athmung wieder freige-geben, so sinkt die Curvenreihe pl\u00f6tzlich wieder herunter, die Puls-gr\u00f6sse nimmt aber nur allm\u00e4hlich zu, ebenso die Frequenz und ebenso schwindet nur allm\u00e4hlich der starke Dicrotismus. Pulsbilder dieser\n1\tL\u00f6wit a. a. 0.\n2\tWidenmann, Beitrag zur Diagnose der Mediastinitis. T\u00fcbingen 1856.\n3\tKussmaul, Berl. klin. Woch. 1873. Nr. 37, 38, 39.\n4\tTraube, Ebenda. 1874. Nr. 21.\n5\tB\u00e4umler, Arch. f. klin. Med. XIV. S. 455. 1874.\n6\tRiegel, Berl. klin. Woch. 1876. Nr. 26.\n7\tSommerbrodt, Ebenda. 1877. Nr. 42.\n8\tVgl. E. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1851. S. 88. \u2014 Donders, Physiologie. S. 47 und oben S. 290.","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298 Kollett, Physiologie der Blutbewegung. 5. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\nArt findet man bei Marey1, Sommerbrodt2, Francols-Franck3, bei letzterem mittelst des Hydrosphygmographen gewonnen und bei A. Solche Pulsbilder (Figur 38 gewonnen mit Marey\u2019s Sphygmograph \u00e0 transmission von der Radialarterie des Menschen) sind die Veran-\nlag. 3$.\nlassung zu widersprechenden Angaben \u00fcber die Wirkung des Ath-mens von comprimirter Luft auf den Blutdruck gewesen.\nH\u00e4lt man sich an die Elevation der Curvenreihe allein, so wird man dieselbe und nach den Versuchen von Kleviensiewicz4 und Knoll5 \u00fcber den Einfluss der Athembewegungen auf die Pulscurven-reihe mit scheinbarer Berechtigung zu Gunsten von Waldenburg\u2019s Annahme: Steigen des arteriellen Druckes beim Athmen comprimirter Luft deuten, dem widerspricht aber alles Andere. Das Hervortreten des Dicrotismus in den Curven der gehobenen Reihe ganz besonders, welches f\u00fcr ein Sinken des arteriellen Druckes spricht, was sich, wie wir gesehen haben, nach allen anderen Versuchsmethoden, f\u00fcr den VALSALVA\u2019schen Versuch ergiebt. Die Erscheinungen am Puls k\u00f6nnen also in so lange nicht als Beweis f\u00fcr die eine oder die andere Annahme benutzt werden, insolange der innere Widerspruch, an welchem das Sphygmogramm beim VALSALVA\u2019schen Versuche scheinbar leidet, nicht aufgekl\u00e4rt sein wird.\nWir glauben, dass die gesteigerte Frequenz und der reine Dicrotismus der w\u00e4hrend des Versuches auftretenden Pulse ein Ausdruck sind f\u00fcr das von Hering6 beim Aufblasen der Lungen beobachtete Ph\u00e4nomen: bedeutende Drucksenkung mit auffallender Beschleunigung der Herztli\u00e4tigkeit, und dass die Elevation der Pulscurvenreihe hier anders gedeutet werden muss als durch Erh\u00f6hung des Druckes in der untersuchten Arterie. Man wird die Pelotte des Sphygmographen auf eine v\u00f6llig blossgelegte und auf fester Unterlage befindliche Arterie aufsetzen und sehen m\u00fcssen, ob dann auch noch die Elevation der Pulscurvenreihe zu beobachten ist, w\u00e4re das nicht der Fall,\n1\tMarey, Physiol, m\u00e9d. de la cire. p. 295. Paris 1863.\n2\tSommerbrodt, Ein neuer Sphygmograph. Breslau 1876.\n3\tFrancois-Frank, Travaux du lab. d. M. Marey. 1876. p.55.fig. 20. (Vergleiche oben S. 259. Fig. 27)\n4\tKlemensiewicz a. a. 0.\n5\tKnoll a. a. 0.\n6\tHering, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXIV. (2) S. 333. 1871.","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Die Pulscurve beim VALSALVA\u2019schen und M\u00fcLLER\u2019schen Versuch. 299\ndann w\u00fcrde der Widerspruch gelost und nach einer Erkl\u00e4rung der Pe-lottenhebung bei der gew\u00f6hnlichen Art der Pulsuntersuchung durch Haut und Weichtheile hindurch gesucht werden m\u00fcssen. Die Art des Ansteigens der Pulscurvenreihe bei pl\u00f6tzlichem Ansteigen des intrathora-cisclien Druckes, das pl\u00f6tzliche Absinken derselben, wenn die Athmung wieder frei gegeben wird, w\u00e4hrend dann noch die kleinen, stark dicroten und frequenteren Pulse kurze Zeit nachdauern, spricht f\u00fcr unsere Auffassung. Ist die Pelottenliebung, wie wir vermuthen, beim Valsalva ganz anders zu erkl\u00e4ren, als durch Wachsen des Druckes in der Arterie, dann wird das auch bei Waldenburg\u2019s Pulsuhr in Betracht kommen und die Deutung des damit angestellten Vals alva\u2019scIien Versuches modificiren.\nWie der VALSALVA\u2019sche Versuch, so ist auch der M\u00fcLLER\u2019sche nach den Sphygmogrammen, die man dabei erh\u00e4lt, nicht eindeutig. Ein Sinken der Pulscurvenreihe ist dabei meist nur anf\u00e4nglich zu beobachten oder es fehlt. Sp\u00e4ter steigt die Pulscurvenreihe an oder auch nicht. Constanter ist die Ver\u00e4nderung der Form der Pulscurve. Diese erscheint ebenfalls dicrot, aber die dicrote Hebung ist relativ schw\u00e4cher entwickelt und erscheint tiefer herabger\u00fcckt (Fig. 39, gewonnen wieder an der Radialarterie des Menschen mit Marey\u2019s Sphygmograph \u00e0 transmission). Diese Form entspricht der bei gewissen Fiebern auftretenden (vgl. Fig. 31 F). Noch ist zu bemerken, dass mehrere Male hintereinander angestellte M\u00fcLLER\u2019sche Versuche sehr abweichende und schwer zu deutende Bilder geben.\nFig. 39.\nW\u00e4hrend Curven, wie die beschriebenen, erhalten werden, wenn man vorher l\u00e4ngere Zeit unter normalen Verh\u00e4ltnissen geathmet hat. Es scheinen bei diesem Versuche compensatorische Einfl\u00fcsse wirksamer einzugreifen als beim Valsalva, der oft hintereinander immer in derselben Weise verzeichnet wird.\nKeinesfalls k\u00f6nnen die Sphygmogramme beider Versuche benutzt werden, um an den durch andere Methoden gewonnenen Resultaten (s. oben S. 290 u. fg.) zu r\u00fctteln.\nII. Die Geschwindigkeit der Blutbewegimg in den Arterien.\nBei der Betrachtung der Geschwindigkeit des Blutstromes in den Arterien wollen wir zun\u00e4chst ausgehen von der noch unverzweigten Stammleitung des arteriellen Gef\u00e4ssbaumes.","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 5. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\nWenn der Strom im ganzen System der Blutgef\u00e4ssbahn ein beharrlicher geworden ist, dann ist das in der Zeiteinheit durch den Querschnitt der Stammleitung bewegte Blutvolumen der Ausdruck f\u00fcr das durch jeden beliebigen Gesammtquerschnitt der wie immer verzweigten Strombahn in der Zeiteinheit str\u00f6mende Blutvolumen.\nDieses Volumen, dividirt durch den jeweiligen Querschnitt, er-giebt dann die mittleren Geschwindigkeiten in den einzelnen Gesammt-querschnitten der Gef\u00e4ssbahn. Diese Geschwindigkeiten sind also in den einzelnen Querschnitten verschieden, und zwar umgekehrt proportional den Querschnitten.\nDa nun der Gesammtquerschnitt der Arterien vom Herzen gegen die Peripherie fortw\u00e4hrend zunimmt, so muss die Geschwindigkeit des Blutstromes vom Herzen gegen die Peripherie fortw\u00e4hrend abnehmen.\nF\u00fcr 'die Stammleitung ist es nun sofort ersichtlich, dass das Stromvolumen in der Zeiteinheit das Product des mit einem Herzschlage aus dem Herzen entleerten Blutvolumen und der Anzahl der in der Zeiteinheit erfolgten Herzcontractionen ist. Wir k\u00f6nnen uns aber nun die Energie der Herzth\u00e4tigkeit ausgedr\u00fcckt vorstellen durch die der Triebkraft proportionale Druckh\u00f6he der Fl\u00fcssigkeit in einem Beversoir1, dann wird sich nach unseren fr\u00fcheren Erfahrungen ergeben, dass die Geschwindigkeit und Spannung des Blutes im Anf\u00e4nge des arteriellen Syst\u00e8mes bedingt ist von der Energie der Herzth\u00e4tigkeit und von den Gesammtwiderst\u00e4nden der Gef\u00e4ssbahn.\nEs wird uns dann, wenn wir vorl\u00e4ufig von den mit der periodischen Th\u00e4tigkeit des Herzens einhergehenden Schwankungen der Geschwindigkeit absehen, leicht sein, f\u00fcr den Blutstrom im Anf\u00e4nge des arteriellen Syst\u00e8mes die m\u00f6glichen F\u00e4lle der Aenderungen des Blutdruckes und der Stromgeschwindigkeit zu bestimmen, wenn wir uns die Energie der Herzth\u00e4tigkeit oder die Summe der Widerst\u00e4nde oder beide zugleich variabel vorstellen. Eine solche Betrachtung ist nothwendig, weil sich im lebenden Organismus die ber\u00fchrten Ver\u00e4nderungen in der That fortw\u00e4hrend ereignen. Es wechselt Umfang und H\u00e4ufigkeit der Herzcontractionen und der Gesammtwiderstand der Gef\u00e4ssbahn, der letztere vorzugsweise durch die vasomotorischen Einfl\u00fcsse auf die kleinen Arterien.\n1. Wenn bei gleichbleibender Energie der Herzth\u00e4tigkeit der Widerstand zunimmt, so w\u00e4chst der Blutdruck und sinkt die Geschwindigkeit; nimmt der Widerstand ab, so sinkt der Blutdruck und die Geschwindigkeit w\u00e4chst.\n1 s. S. 220 u. fg.","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Geschwindigkeit des Blutstromes in den Arterien, Ver\u00e4nderlichkeit derselben. 301\n2.\tDie Energie der Herztli\u00e4tigkeit nimmt zu und gleichzeitig sind die Widerst\u00e4nde: a) dieselben, Blutdruck und Geschwindigkeit wachsen ; b) sie sind entsprechend gr\u00f6sser, der Blutdruck w\u00e4chst, die Geschwindigkeit bleibt dieselbe ; c) sie sind entsprechend kleiner, der Blutdruck bleibt derselbe, die Geschwindigkeit w\u00e4chst.\n3.\tDie Energie der Herztli\u00e4tigkeit nimmt ab und gleichzeitig sind die Widerst\u00e4nde: a) dieselben, Blutdruck und Geschwindigkeit sinken; b) sie sind entsprechend gr\u00f6sser, der Blutdruck bleibt derselbe, die Geschwindigkeit nimmt ab ; c) sie sind entsprechend kleiner, der Blutdruck sinkt, die Geschwindigkeit bleibt dieselbe.\nDurch die Ver\u00e4nderlichkeit der Energie des Herzens und der Gesammtwiderst\u00e4nde w\u00fcrden also schon bedeutende Complicationen geschaffen, wenn wir uns vorstellen d\u00fcrften,, dass die Aenderungen der Widerst\u00e4nde immer so erfolgen, dass, wie man fr\u00fcher glaubte, ein constantes Verh\u00e4ltniss der M\u00e4chtigkeit der einzelnen aus der Aorta sich entwickelnden Stromzweige vorhanden bleibt.\nNun hat aber die Erfahrung gezeigt, dass vielmehr Aenderungen des Widerstandes einseitig in beschr\u00e4nkten Zweiggebieten der arteriellen Gef\u00e4ssbahn fortw\u00e4hrend auftreten, w\u00e4hrend Herztli\u00e4tigkeit und Blutdruck ohne wesentliche Ver\u00e4nderung bleiben. Es ist das nur m\u00f6glich, wenn die Beschr\u00e4nkung des Abflusses in dem einen Zweig durch compensatorische Vermehrung des Abflusses in anderen Zweigen ausgeglichen wird, also die Geschwindigkeit in verschiedenen Arterien gleichzeitig im entgegengesetzten Sinne schwankt, was wieder mit sich bringt, dass man in aufeinanderfolgenden Zeiten bei der Untersuchung der Geschwindigkeit in einem und demselben Gef\u00e4sse auf grosse Schwankungen der Geschwindigkeit stossen wird, die dann, wie begreiflich, in gar keiner constanten Beziehung zur Pulsfrequenz und zum Blutdrucke stehen werden.\nDurch Untersuchungen der Geschwindigkeit in der Carotis und Vergleichung derselben mit Pulszahl und Blutdruck ist das thats\u00e4ch-liche Bestehen von Verh\u00e4ltnissen erwiesen worden, die nur in der angef\u00fchrten Weise erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnen (Dogiel1).\nMessungen der Geschwindigkeit des arteriellen Blutstromes haben zuerst H\u00fcttenhain2 und Volkmann3 mit des Letzteren H\u00e4modromometer angestellt. Auf ein gerades, an den Enden mit conischen Eins\u00e4tzen f\u00fcr die Arterie versehenes R\u00f6hrchen ist nach Art einer Schleife ein uf\u00f6rmig gebogenes Glasrohr rechtwinklig aufgesetzt. Wo die Enden der Schleifen-\n1\tDogiel, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XX. S. 200. 1867.\n2\tH\u00fcttenhain , Observations de sang. circ. haemodromometri ope inst. Halis. Sax. 1846.\n3\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 185. Leipzig 1850.","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 5. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\nSchenkel mit dem geraden R\u00f6hrchen zusammenstossen, befindet sich ein Tf\u00f6rmig gebohrter Hahn. Sind die H\u00e4hne so gestellt; dass die paarigen Arme des T parallel der Axe des geraden R\u00f6hrchen liegen, so ist dem Blute der Weg durch dieses offen. Werden die H\u00e4hne gedreht, so dass die unpaaren Arme des t parallel der R\u00f6hrenaxe nach entgegengesetzten Richtungen liegen, so muss das Blut den Umweg durch die Schleife machen. Das Instrument wird vor dem Versuche mit Wasser gef\u00fcllt. Eine neben dem einen Schleifenschenkel angebrachte Scale erlaubt den Weg zu bestimmen, welcher in einer bestimmten (mittelst Pendel oder Uhr gemessenen) Zeit die Grenze zwischen Blut und Wasser zur\u00fccklegt. Diese Grenze ist nicht scharf, der Widerstand des Instrumentes gross, die in das Gef\u00e4sssystem verdr\u00e4ngte Fl\u00fcssigkeit st\u00f6rend.\nAuf einem wesentlich anderen Principe beruht das H\u00e4motachometer von Vierordt1. Ein w\u00fcrfelf\u00f6rmiges K\u00e4stchen (Fig. 40) ist mit zwei co-nischen Ans\u00e4tzen zum Einschalten in die Arterie bestimmt. Im Innern des K\u00e4stchens ist ein hydrometrisches Pendel aufgeh\u00e4ngt, dessen Lage\nsich auf einer Gradtheilung ablesen l\u00e4sst. Der Theorie \u2014A\tnach verhalten sich die Tangenten der Ablenkungs-\nwinkel wie die Stosskr\u00e4fte und diese wie die Quadrate Qi der Geschwindigkeiten, also die letzteren wie die Wur-\nFis. 40.\nzeln aus den Tangenten der Ablenkungswinkel. In Wirklichkeit weichen aber die Angaben des Instrumentes von der Theorie ab und muss dasselbe vor dem Gebrauch empirisch graduirt werden.\nDie Zu- und Abnahme der Geschwindigkeit bei der Systole und Diastole zeigt das Pendel durch fortw\u00e4hrende Schwankungen an. Vierordt suchte diese mit der Hand nachzuahmen und zeichnete sie auf einen rotirenden Cylinder.\nAuf demselben Principe, wie Vierordt\u2019s\nInstrument, beruhen auch die H\u00e4modromo-meter von Chauveau und die H\u00e4modromo-graphen von Lortet und Chauveau.\nDer Letztere'2 ben\u00fctzt ein Metallr\u00f6hrchen (Fig. 41 ab), in dasselbe ist ein viereckiges Loch geschnitten, welches mit Kautschuk c \u00fcberspannt ist, durch den letzteren ist ein kleines ruderf\u00f6rmiges St\u00e4bchen dd ins Innere des Gef\u00e4sses vorgeschoben, dessen anderes Ende als Zeiger auf einer Gradtheilung spielt.\nChauveau\u2019s Instrument ist einfacher als das Vierordt\u2019s und l\u00e4sst die Ablenkung des ganz frei liegenden Zeigers leichter ablesen. Bedenklich ist die Lage des Hypomochlion des Stromhebels im Kautschuk. Lortet3 f\u00fchrt statt des Zeigers das ruderf\u00f6rmige Ende einer kleinen Aluminiumfeder ein, deren freies Ende auf einen durch Uhrwerk abgewickelten\n1\tVierordt, Erscheinungen n. Gesetze der Stromgeschwindigkeiten d. Blutes. Frankfurt 1858. S. 10. 2. Aufl. Berlin 1862.\n2\tChauveau, Bertolus et Laroyenne, Journ. d. 1. physiol. III. p. 695. I860.\n3\tLortet, Recherch. sur la vitesse du cours du sang dans les art\u00e8r. du cheval etc. Paris 1867.","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"H\u00e4modrometer, H\u00e4motachometer, H\u00e4modromographen, Stromuhr. 303\nStreifen Papier schreibt, und erh\u00e4lt so einen H\u00e4modromographen. Modi-ficationen dieses Instrumentes wurden von Chauveau 1 construirt, bei denselben werden die Bewegungen des hydrometrischen Hebelchens \u00fcbertragen auf die Membran einer MAREv\u2019schen Trommel, die mit einer Registrirtrommel communicirt wird. An den H\u00e4modromographen ist ein R\u00f6hrchen senkrecht angesetzt (Fig. 41), bestimmt zur Communication mit einem elastischen Mano-\t!\ni\nmeter (s. oben S. 235. Fig. 22), so dass Druck und Geschwindigkeit gleichzeitig angeschrieben werden k\u00f6nnen. Einen auf dem Princip der Purox\u2019schen R\u00f6hre beruhenden registrirenden Geschwindigkeitsmesser hat Marey2 angegeben. Die H\u00e4modromographen sind vorz\u00fcglich bestimmt, um die raschen Schwankungen der Geschwindigkeit, die mit den Phasen des Herzschlages einhergehen, zu verzeichnen. Ftir absolute Bestimmungen m\u00fcssen sie empirisch graduirt werden.\nDas beste, bisher zur Bestimmung der absoluten Geschwindigkeiten erfundene Instrument ist die Stromuhr Ludwig\u2019s3, entfernt an Volkmann\u2019s Instrument erinnernd, hat sie doch eine ganz andere Bestimmung. Es sollen damit die in bestimmten Zeiten durch einen Gef\u00e4ssquerschnitt str\u00f6menden Blutvolumina ausgemessen, also der Strom geaicht werden. Aus dem f\u00fcr die Zeiteinheit bestimmten Stromvolumen, dividirt durch den Gef\u00e4ssquerschnitt, ergiebt sich dann die Geschwindigkeit. Die Stromuhr (Fig. 42) besteht aus zwei eif\u00f6rmigen Hohlk\u00f6rpern aus Glas KK\\ deren K\u00f6rperinhalt genau bekannt und in beiden gleich ist. Die zwei Gef\u00e4sse setzen sich r\u00f6hrenf\u00f6rmig nach oben fort und gehen durch eine uf\u00f6rmige Biegung direct in einander \u00fcber. An der convexen Seite des Bogens sitzt ein kurzes, ver-schliessbares Abzugsrohr 0. Die unteren Enden der zwei Gef\u00e4sse werden von den Enden zweier Metallr\u00f6hren m?n} umfasst, deren andere Enden in die Can\u00fclen H und C \u00fcbergehen, die in die Enden der durchschnittenen Arterie eingef\u00fcgt werden. Die Metallr\u00f6hren sind an einer Stelle ihres Verlaufes durch einen scharfen Querschnitt unterbrochen. Mit den in diesem Schnitte zusammentreffenden Enden sind sie genau in correspondirender Lage, und zwar die zwei oberen Enden in eine pp1, die zwei unteren Enden in eine zweite Metallscheibe ssl eingelassen. Die zwei Scheiben passen mit genauen Schliffen auf einander. Wird nun der\nFig- 42.\n1\tMarey, La method, graph, p. 235. 637. Paris 1878.\n2\tMarey, Travaux du lab. 1875. p. 347 ; La m\u00e9thod. graph, p. 238. Paris 1878.\n3\tDogiel a. a. O.","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 5. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\nmit der oberen Scheibe verbundene Theil des Instrumentes um 180\u00b0 gedreht, so communiciren die Gef\u00e4sse der Stromuhr wechselweise mit den Can\u00fclen. Beim Versuch wird das eine Gef\u00e4ss mit defibrinirtem Blute, das andere mit reinem schleimfreien Oliven\u00f6l gef\u00fcllt. Dringt in das letztere von der Arterie her Blut ein, so wird der Inhalt des ersteren Ge-f\u00e4sses durch das Oel nach dem peripherischen Theil der Arterie verdr\u00e4ngt. Ist alles Oel durch Blut aus dem einen Gef\u00e4ss in das andere gedr\u00e4ngt, dann wird die Stromuhr um 180\u00b0 gedreht. Bei jeder neuen Umdrehung wird nun das Oel durch Blut, das Blut im zweiten Gef\u00e4ss durch Oel verdr\u00e4ngt u. s. w.\nMittelst der Stromuhr hat Dogiel den Beweis f\u00fcr die oben mit-getheilten S\u00e4tze erbracht und damit haben die Mittelzahlen, zu welchen Volkmann1, Lenz2 und Vieroedt3 auf Grund ihrer Versuche f\u00fcr die Stromgeschwindigkeit in den gr\u00f6sseren Arterien vom Hund, Pferd, Ziege, Kalb und Schaf gekommen sind (300 Mm. in der Se-cunde f\u00fcr die Carotis der S\u00e4uger [Volkmann], 261 Mm. in der Se-cunde f\u00fcr die Carotis des Hundes [Vierordt]) an Bedeutung wesentlich eingeb\u00fcsst. Um aber zu einer Vorstellung \u00fcber die Grenzen, innerhalb welcher sich die Geschwindigkeit in der Carotis bewegt, zu gelangen, theilen wir die Werthe, welche Dogiel mit der Stromuhr an ruhig liegenden Thieren ermittelt hat, hier mit.\nBeobachtung an der A. carot. comm.\nFortlaufende Zeit in Seeunden\nStromvolumen in einer Secunde in Cub.-Cent.\nMittlere Geschwindigkeit in der Secunde in Millimeter\nYersuehsthiere und Arteriendurchmesser\n0-30 30\u201436 36 \u201454 54 \u201470 70-S4 84-90 90-98 98-100\n0\u201415 15\u201425 25\u201444 44\u201465 65\u2014SO\n0-14\n14-32\n32-52\n52-73\n73-97\n97-127\n0-9\n9-21\n21-\t36 36 \u201445\n0-22\n22\u2014\t42 42-63\n0.40\n0.33\n0.22\n0.25\n0.2S\n0.33\n0.25\n0.16\n2.8\n4.2\n2.2 2.0 2.8\n3.2\n2.5\n2.3\n2.0\n1.9\n1.5\n1.7\n1.3\n1.0\n1.7\n0.69\n0.77\n0.72\n226\n188\n125\n141\n161\n188\n141\n94\n489\n733\n386\n349\n489\n520\n405\n365\n417\n304\n243\n339\n255\n204\n339\n411\n458\n430\nKaninchen, K\u00f6rpergewicht 1700 Gr. Durchmesser der Carotis 1.4 Mm.\nHund, K\u00f6rpergewicht 23.28 Kilo, mit Morphium vergiftet, Durchmesser der Carotis 2.7 Mm,\nHund, K\u00f6rpergewicht 12.13 Kilo, Durchmesser der Carotis 2.8 Mm.\n| Hund, K\u00f6rpergewicht 3.57 Kilo, n. vago-sympath. durchschnitten\nr\nHund, K\u00f6rpergewicht 3.17 Kilo, mit Morphium vergiftet, Durchmesser der Carotis 1.50 Mm.\n1\tVolkmann a. a. O.\n2\tLenz, Exper. de ratione inter pulsus frequent, sang, pressio. later, et sang, fluent, celeritat. obstinente. Dorpat! 1853.\n3\tVierordt a. a. O. S. 100.","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Geschwindigkeit in d. Art. carotis ; Wechsel derselb. bei d. Systole u. Diastole. 305\nAus den entwickelten Gr\u00fcnden erkl\u00e4rt sich Dogiel auch ausser Stande, die Blutmenge anzugeben, welche in der Zeiteinheit durch die Aorta fliesst, w\u00e4hrend man fr\u00fcher unter Voraussetzung der Constanz des Verh\u00e4ltnisses der M\u00e4chtigkeit der einzelnen Stromarme, welche aus der Aorta hervorgehen, aus der Stromgeschwindigkeit in der Carotis und dem Lumen der Carotis, Subclavia, Anonyma und Aorta die Blutmenge zu berechnen suchte, welche w\u00e4hrend der Dauer einer Systole aus dem Herzen entleert wird (Volkmann, Vierordt). Dabei wurde man auf verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig hohe Zahlen gef\u00fchrt. Nach Volkmann1 betr\u00e4gt die mit einer Systole beim Menschen entleerte Blutmenge 188 Grm., nach Vierordt2 17 2 Ccm. = 180 Grm.\nDie mit der Systole und Diastole einhergehenden Schwankungen der Geschwindigkeit bestimmte Vierordt3 beim Hunde in der Art. carotis und cruralis. Die Geschwindigkeit betrug in der Carotis zu Ende der Diastole 215 Mm. in der Secunde, zu Ende der Systole 297 Mm., in der Cruralis zu Ende der Diastole 140 Mm., zu Ende der Systole 239 Mm. Chauveau, Bertolus & Laroyenne4 fanden in der Carotis des Pferdes w\u00e4rend der Systole 250 Mm., w\u00e4hrend der dicroten Hebung 220 Mm., am Ende der Diastole des Herzens 150 Mm. in der Secunde.\nEine gleichzeitig mit der Pulscurve in der Carotis mittelst des H\u00e4modromogra-phen von Lortet5 6 7 erhaltene Geschwindig-keitscurve zeigt Fig. 43 (Fdie Geschwin-digkeitscurve, O die Abscisse derselben,\nP Pulscurve der Carotis 12 3 4 sollen die gleichzeitigen Puncte beider Curven mar-kiren). Aus derselben ist zu entnehmen, dass die Geschwindigkeit nicht nur mit der prim\u00e4ren Welle eine Schwankung erf\u00e4hrt, sondern dass auch secund\u00e4re Schwankungen w\u00e4hrend eines Herzschlages vorhanden sind, von denen eine der ersten Schliessungswelle zu entsprechen scheint.\nMerkw\u00fcrdig ist, dass die Geschwindigkeits-curve unter o abf\u00e4llt. Dieser Punct und der genaue zeitliche Zusammenfall beider Curven m\u00fcssten aber in Hinblick auf die Erkl\u00e4rungen, welche Moens von der Klappenschlusszacke und den secund\u00e4ren Hebungen der Pulscurve gegeben hat, noch recht angelegentlich untersucht werden, um die Einw\u00fcrfe0 gegen deren Deutung zu beseitigen.\nUeber eine bei gewissen Versuchen brauchbare Methode der Bestimmung der Geschwindigkeit des Blutstromes aus der Ausflussmenge eines angeschnittenen Gef\u00e4sses siehe Slaviansky\".\n1\tVolkmann a. a. O. S. 209.\n2\tVierordt a. a. O. S. 104; Arch. f. d. ges. Physiol. IL S. 178. 1S69.\n3\tVierordt, Erschein, u. Gesetze etc. S. 144. 203. 206.\n4\tChauveau, Bertolus u. Laroyenne a. a. O. S. 705.\n5\tLortet a. a. O.; vgl. Marey, Le mouv. dans les fonct. de la vie. p. 161. Paris 1868 ; M\u00e9thod. graph, p. 377. Paris 1878.\n6\tVierordt, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 178. 1869.\n7\tSlaviansky, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XXV. S. 665. 1873.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\t20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 5. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\nIII. Die Plethysmographie.\nWir haben schon fr\u00fcher (S. 259 u. 260, Fig. 27 und 28) unter der Benennung Hydrosphygmographen zwei Instrumente beschrieben, welche zur Bestimmung der mit dem Pulse einhergehenden Yolumscliwankungen von Hand und Vorderarm dienten.\nDer eine derselben, der f\u00fcr den Vorderarm bestimmte, als dessen Vorl\u00e4ufer von Chelius1 und Fick2 \u00e4hnlich angewendete Blechcylinder angesehen werden m\u00fcssen, bildet auch einen wesentlichen Bestandteil der Plethysmographen von Mosso3, Basch4 und Bowditch5.\nObwohl nun die Plethysmographen sehr verschiedenen Zwecken dienen k\u00f6nnen, so f\u00fchren wir sie doch hier an, weil die meisten damit angestellten Versuche die ge\u00e4nderte Blutzufuhr zu den Organen betreffen. Sie gehen darauf aus, die Volumschwankungen des Vorderarmes zu bestimmen durch graphische Aufzeichnung der aus dem Fig. 28 abgebildeten Armrecipienten bei unge\u00e4ndertem Drucke verdr\u00e4ngten oder wieder in denselben zur\u00fcck-gesaugten Fl\u00fcssigkeit. Zu dem Ende communicirt der Tubulus L des sonst allseitig abgeschlossenen Armrecipienten mittelst eines Kautschuksehlauches mit einem h\u00f6her gelegenen rechtwinklig gebogenen R\u00f6hrchen, dessen einer Schenkel horizontal, dessen anderer gerade nach abw\u00e4rts sieht und in der H\u00f6he des Tubulus L aufh\u00f6rt. Dieser Schenkel taucht in ein kleines Sammelgef\u00e4ss, in welches das aus dem Armrecipienten austretende Fl\u00fcssigkeitsvolumen gelangt, oder aus welchem ein entsprechendes Volumen in den Recipienten zur\u00fcckgelangt, w\u00e4hrend die \u00fcber der M\u00fcndung des R\u00f6hrchens stehende Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule immer dieselbe bleiben soll. Diesen Zweck suchte Mosso zu erreichen, indem er das Sammelgef\u00e4ss (kleine d\u00fcnnwandige Eprouvette) an zwei Coconf\u00e4den aufh\u00e4ngte, diese \u00fcber Rollen leitete und an ihrem anderen Ende ein \u00e4quilibrirendes Bleigewicht befestigte. Nimmt das Sammelgef\u00e4ss Fl\u00fcssigkeit aus dem Recipienten auf, dann sinkt es giebt es Fl\u00fcssigkeit in den Recipienten ab, so steigt es, damit es aber in beiden F\u00e4llen \u00e4quilibrirt bleibt, taucht es in ein weites Becherglas, welches mit einem Gemisch aus Wasser und Alkohol gef\u00fcllt ist. Wird es durch Eintauchen in diese Fl\u00fcssigkeit beim Sinken immer um so viel leichter, als es durch Aufnahme von Fl\u00fcssigkeit aus dem Recipienten gewinnt und umgekehrt, so bleibt es stets \u00e4quilibiiit. Basch erreicht den Zweck des immer gleich tiefen Eintauchens des R\u00f6hrchens unter das Niveau im Sammelgef\u00e4ss dadurch, dass er das letzteie an dem einen Arm eines Wagebalkens, Bowditch dadurch, dass er das Sammelgef\u00e4ss an einer Spiralfeder aufh\u00e4ngt. In allen drei Instrumenten wird das Steigen und Sinken des Sammelgef\u00e4sses mittelst Stiftes oder Feder, die bei Mosso am Bleigewichtchen, bei Basch am anderen Arm des Wagebalkens, bei Bowditch an der Spiralfeder sitzen, an einer bewegten Schreibfl\u00e4che angeschrieben.\n1\tCttft ttts Prager Visehr. XXL S. 100. 1850.\n2\tFra Unters'a. cL physiol. Labor, d. Z\u00fcrich. Hochschule. S. 51. Wien 1869.\n3\tMosso, Sopra un nuovo method, p. scnv.imovmienti dei vasisangiugm ne\nm \u2022 a r ..\t\u00ab TD fl n 5 nh O Fl\u00fcO M vY 1 QQ X X VI. n. i) I ID . I U 1\nnomo. Torino 1875. s. a. Ber. d. s\u00e4chs_. Ges. d. Wiss. XXVI. S. 305. 1874\n4\tBasch. Wiener med. Jahrb. 1876. S. 43t.\tATo r\n5\tBowditch, Proceedings of the amencan Academy. 18 (9 14. May.","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Plethysmographen, Versuche von Mosso u. Basch.\n307\nZuerst li\u00e2t sich Mosso1 des Plethysmographen mit passendem Recipienten bei Durchstr\u00f6mungsversuchen der \u00fcberlebenden Niere bedient, wobei er ein periodisches Ab- und Anschwellen des Organes mit entsprechenden Zu- und Abnahmen der Stromgeschwindigkeit beobachtete, die er von Schwankungen des Tonus der \u00fcberlebenden und von allen centralen Nervenverbindungen losgel\u00f6sten Nierengef\u00e4sse herleitet.\nSolche rhythmische Schwankungen des Gef\u00e4sstonus sind vorher schon anderw\u00e4rts beobachtet worden, so an den Ohrarterien vom Kaninchen (Schiff2, van der Becke Callenfels3) und an anderen Arterien dieses Thieres (Loven4, Lauder-Brunton5, Riegel15) und an den Arterien des Frosches (Gunning', Saviotti8, Gergens & Werber9), und war eben von denselben nachgewiesen worden, dass sie sich auch an den von den Centralorganen abgetrennten Gef\u00e4ssen vollziehen k\u00f6nnen ( Lauder - Brunton 1 \u00b0, Gergens & Werber11).\nWeiter beobachtete Mosso12 an den ausgeschnittenen Nieren einen sehr betr\u00e4chtlichen Einfluss verschiedenen Gasgehaltes des Blutes oder der Zumischung von Giften zum Blute auf den Blutstrom der ausgeschnittenen Nieren, worauf wir sp\u00e4ter noch zur\u00fcckweisen werden.\nDie Untersuchung des Armvolumen am lebenden Menschen mittelst des Plethysmographen ergab \u00e4hnliche spontane Schwankungen (Mosso13, Basch14). Es ist aber zweifelhaft, ob sie von localen Gef\u00e4ss-contractionen oder nicht vielmehr von allgemeinen Aenderungen der Aortenspannung herr\u00fchren (Bascii).\nUeber den Einfluss der Athembewegungen auf das Arnivolumen wurde schon fr\u00fcher gehandelt.\nCompression der Arterie bedingt Abnahme des Volumens der betroffenen Extremit\u00e4t (Mosso). F\u00fcr die entgegengesetzte Extremit\u00e4t gi\u00e9bt Mosso eine Zunahme des Armvolumens dabei an. Dagegen erhielt aber Basch15 bei Anlegen der Esmarch\u2019sch en Binde an eine untere Extremit\u00e4t im Anf\u00e4nge keine Zunahme des Armvolumens, son-\n1\tMosso, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XXVI. S.305. 1874.\n2\tSchiff, Arch. f. physiol. Heilk. XIII. S. 523. 1854 ; Compt. rend. XXXIX. S. 508.\n3\tvan der Becke-Callenfels, Onderzoek. ged. in het physiol. Lab. d. Utrecht. Hoogesch. VII. p. 182. 1854\u20141855; Ztschr. f. rat. Med. N. F. VII. S. 157. 1855.\n4\tLov\u00e9n, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XIX. S. 85. 1866.\n5\tLauder-Brunton, Ebenda. XXII. S. 101. 1869.\n6\tRiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 350. 1871.\n7\tGunning, Onderzoek. over bloedsbew. en stas. Utrecht 1857.\n8\tSaviotti, Arch. f. pathol. Anat. L. S. 592. 1870.\n9\tGergens u. Werber, Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 44. 1876.\n10\tBrunton a. a. O.\n11\tGergens u. Werber a. a. O.\n12\tMosso a. a. 0.\n13\tMosso, Sopra un imov. meth. p. scriv. etc. Torino 1875.\n14\tBasch a. a. 0.\n15\tBasch, Wiener med. Jahrb. 1877. S. 83.\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 5. Cap. Der Blutstrom in den Arterien.\ndem meist eine Abnahme und erst wenn die Binde \u00fcber das Knie heraufreichte eine Zunahme. Dass die Binde mechanisch durch Verdr\u00e4ngen des Blutes keine Zunahme bedingen w\u00fcrde, hatte man nach den Transfusionsversuchen (s. oben S. 246) zu erwarten. Die Abnahme ist m\u00f6glicher Weise bedingt, wie die Abnahme, die Mosso nach Reizung der Haut beobachtete durch Contraction der Hautgef\u00e4sse. Die Zunahme tritt ein, wenn die Binde den Nervus saphenus mechanisch erregt und ist dann die Folge nicht der Verdr\u00e4ngung des Blutes, sondern der auf sensible Reizung reflectorisch erfolgenden vasomotorischen Verengerung der Gef\u00e4sse m\u00e4chtiger Gebiete (Bauchgef\u00e4sse). Dass diese Erkl\u00e4rung richtig ist, ergiebt sich daraus, dass die Volumvermehrung auch auftritt, wenn die Gegend des Nervus saphenus allein umschn\u00fcrt oder der Nerv der Digitalcompression ausgesetzt wird.\nDruck auf die erschlafften Bauchdecken bewirkt Zunahme des Armvolumen, Druck auf die gespannten Bauchdecken Abnahme. Im letzteren Falle werden nicht blos die D\u00e4rme, sondern auch die Cava infer, und Vena port, zusammengedr\u00fcckt, was Beschr\u00e4nkung der Blutzufuhr zum rechten Herzen bedingt. Die Bauchpresse wirkt durch Verkleinerung des Bauchraumes vermehrend auf das Armvolumen. Bewegungen der Extremit\u00e4ten, welche den Bauchraum \u00e4ndern (Schatz1), wirken je nach der Richtung dieser Aenderung in entgegengesetzter Weise auf das Armvolumen (Basch2).\nIm Schlafe nimmt das Armvolumen ab. Basch vermuthet wegen des \u00fcberwiegenden Einflusses, welchen die Herabsetzung der Erregung des vasomotorischen Centrums auf die Bauchgef\u00e4sse aus\u00fcbt, in welchen sich dann das Blut anh\u00e4uft. Geistige Anstrengung sollte nach Mosso das Armvolumen immer betr\u00e4chtlich herabsetzen, Basch findet dagegen den Einfluss geistiger Anstrengung nur ganz inconstant.\nUeber eine Sch\u00e4tzung der mit einer Herzsystole entleerten Blutmenge, die Fick3 anstellte mit Zuhilfenahme der bei der Systole aus dem Plethysmographen verdr\u00e4ngten Wassermenge, der von Chauveau gefundenen mittleren Geschwindigkeit in der Carotis des Pferdes, und der Puls- und Ge-schwindigkeitscurve in den Arterien siehe denselben. Sie f\u00fchrte zu den von Volkmann\u2019s und Vierordt\u2019s Sch\u00e4tzungen (oben S. 305) sehr abweichenden niedrigeren Zahlen von 62 bis 94 Ccm.\n1\tSchatz, Die Druckverh\u00e4ltnisse im Unterleib des nicht belasteten u. d. Bauchpresse nicht willk\u00fcrlich anstrengenden Menschen. Leipzig 1872.\n2\tBasch, Wiener med. Jahrb. 1876. S. 431.\n3\tFick, Unters, a. d. physiol. Lab. d. Z\u00fcrich. Hochschule. 1869. S. 51.","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Wirk. d. EsMAECH\u2019schen Binde, d. Bauchdruck, etc. Blutlauf mit. d. Microscop. 309\nSECHSTES CAPITEL.\nBlutbewegung in den Capillargef\u00e4ssen.\nI. Beobachtung des Blutlaufes unter dem Microscope.\nDer Blutstrom in den Capillargef\u00e4ssen und in den daran schliessen-den kleinen Arterien und Venen ist der directen Beobachtung unter dem Microscope zug\u00e4nglich (Malpighi 1661]) sowohl bei durchfallendem als auch bei auffallendem Lichte.\nF\u00fcr die erstere Art der Beobachtung m\u00fcssen d\u00fcnne durchsichtige K\u00f6rpertheile lebender Tliiere ausgesucht werden.\nSchon Malpighi benutzte die Lunge, das Mesenterium und die Harnblase des Frosches dazu. Leeuwenhoek 2 beobachtete den Kreislauf in dem Schwanz von Froschlarven und Fischen.\nSp\u00e4ter wurden an den erw\u00e4hnten Orten und noch \u00fcberdies an den Schwimmh\u00e4uten des Frosches, an verschiedenen K\u00f6rpertheilen bei Salamandern solche Untersuchungen von Hales 1 2 3, Haller 4 5, Spallanzani 5 u. A.6 vorgenommen. Die Zunge des Frosches hat in einer Mittheilung an Donn\u00e9 7 8 9 zuerst Waller empfohlen. Im Trommelfell des Frosches demonstrate Kessel s den Kreislauf.\nDie Tliiere m\u00fcssen bei diesen Versuchen auf entsprechende Halter0 gelagert und in passender Weise gefesselt werden oder besser, man eli-minirt, wenn es der Versuch gestattet, den st\u00f6renden Einfluss der Bewegungen des Thieres v\u00f6llig, was auf verschiedene Weise geschehen kann. Durch Enthirnung, Durchschneidung des R\u00fcckenmarkes, Narkoti-sirung mit Aether, Chloroform und Opium, am bequemsten aber durch Vergiftung mit Curare.\n1\tMalpighi, Oper, omnia. II. p. ID.Londini 1686; Oper, postb. Londini 1697.\n2\tLeeuwenhoek, Arcana naturae detecta, p. 171. Delphis Ratavor. 1695 ;Epi-stolae physiologicae. Delphis Batavor. 1719; Epistolae ad societatem reg. anglic. et al. ill. viros. Lug. Batav. 1719.\n3\tHales, Statical essays containing haemostatiks London 1733.\n4\tHaller, Opera minora. I. p. 1 ; Deux m\u00e9m. sur le mouvement du sang, et sur les effets de la saign\u00e9e. Lausannae 1756.\n5\tSpallanzani, DeU\u2019azione del cuore ne vasi sanguigni. Modena 1768 ; De feno-meni della circulazione osservata nel giro universale dei vasi. Modena 1773.\n6\tSiehe dar\u00fcber: Doellinger, Denkschriften d. bayr. Acad. VII. S. 169. 1820. \u2014 Oesterreicher, Versuch einer Darstellung der Lehre vom Kreisl\u00e4ufe des Blutes. N\u00fcrnberg 1826.\n7\tDonn\u00e9, Cours de microscopie, p. 107. Paris 1844. Vergleiche auchQuECKETT, Practical Treatise on the use of microscope, p. 337. 1848.\n8\tKessel, Strieker\u2019s Gewebelehre. IL S. 851. Leipzig 1872.\n9\tUeber die Froschhalter von Stuart, Hendrik Hen, Powell u. Ross vergleiche Harting, Das Mikroskop. III. S. 345. Braunschweig 1866. \u2014 R. Wagner\u2019s Froschhalter ist bei J. Vogel, Anleitung zum Gebrauche des Microscops. S. 69. Leipzig 1841 beschrieben; jener von Ehmert, in dessen Beitr\u00e4gen zur Pathologie u. Therapie etc. S. 45. 1842.","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310 Rollett, Physiol, cl. Blutbewegung. 6. Cap. Blutbeweg, in d. Capillargef\u00e4ssen.\nBesondere Vorschriften \u00fcber die Untersuchung des Kreislaufes im Mesenterium, in der Zunge und den Lungen curarisirter Fr\u00f6sche geben Cohnheim 1 und Holmgreen2, des letzteren Vorrichtung erlaubt, die Lungen bei variablen Aufblasungsgraden zu untersuchen, wobei sich die mit wachsender Ausdehnung zunehmende Verlangsamung des Blutlaufes sch\u00f6n demonstriren l\u00e4sst.\nBei warmbl\u00fctigen Thieren wurde der Kreislauf zuerst von Cowper 3 im Mesenterium beobachtet. Besondere Vorschriften zur Anstellung des Versuches sind bei Wagner 4, Rollett b, Stricker & Burdon-Sanderson 6 angegeben.\nAusserdem wurden als geeignete Objecte empfohlen: das luxirte Auge albinotischer Ratten und Kaninchen von Waller 7 ; und die Palpebra tertia vom Kaninchen und Lamm und die Membrana nictitans von Tauben und H\u00fchnern von Balser 8. In der Flughaut von Flederm\u00e4usen beobachtete schon Leeuwenhoek 9 den Kreislauf, von sp\u00e4teren Beobachtern dieses Objectes ist Wharton Jones 10 anzuf\u00fchren.\nAuch die Beobachtung des Kreislaufes im auffallenden Lichte wurde schon in fr\u00fcher Zeit ge\u00fcbt, besonders geeignet dazu fand man die Leber von Fr\u00f6schen und Tritonen (G-ruithuisen n, Joh. M\u00fcller12), ferner ist hier das bebr\u00fctete H\u00fchnerei zu erw\u00e4hnen, wo schon Spallanzani 13 seine Beobachtungen anstellte. In neuerer Zeit hat H\u00fcter 14 den Blutlauf in den Hautgef\u00e4ssen des Frosches, namentlich in der wenig Pigment enthaltenden Bauchhaut, im auffallenden Lichte beobachtet und als Cheilo-angioscopie empfiehlt er15 die Untersuchung des Kreislaufes in der Schleimhaut der umgest\u00fclpten Unterlippe des Menschen. H\u00fcter\u2019s Cheiloangioscop besteht aus einem mit Kopf-, Kinn- und Lippenhalter verbundenen Microscope und Beleuchtungsapparat.\nII. Entoptische Sichtbarkeit des Blutlaiifes.\nMan pflegt auf die entoptische Sichtbarkeit des Blutlaufes im Auge einzelne, schon von Purkinje 16 und Joh. M\u00fcller 17 beobachtete\n1\tCohnheim, Arch. f. pathol. Anat. XL. S. 1. 1867 ; XLV. S. 333. 1869.\n2\tHolmgreen, Beitr. z. Anat. u. Physiol. Festgabe an Carl Ludwig, p. XXXIII. Leipzig 1875.\n3\tCowper, Philos. Transact. XXIII. p. 1182. 1704.\n4\tWagner, G\u00f6tt. Xachr. 1856. S. 220.\n5\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad. L. (2). S. 195. 1865.\n6\tStricker n. Burdon-Sanderson, Quat. Journ. of. micr. scienc. 1870. p. 362.\n7\tWaller, Compt. rend. XLIII. p. 659. 1856.\n8\tBalser, Dtsch. Ztschr. f. Chir. VII. S. 115. 1876.\n9\tLeeuwenhoek, Arcana naturae detecta, p. 222. Delphis Batav. 1695.\n10\tWharton Jones, Philos. Transact. CXL1I. 1852. p. 131.\n11\tGruithuisen, Beitr. z. Physiognosie u. Eautognosie S. 159. M\u00fcnchen 1812.\n12\tJoh. M\u00fcller, Handh. d. Physiol. I. S. 206. Coblenz 1835.\n13\tSpallanzani, De fenomeni della circolazione ohserv. nelgiro univers, dei vasi. p. 143. Modena 1773.\n14\tH\u00fcter, Dtsch. Ztschr. f. Chir. IV. S. 105. 330. 1874.\n15\tH\u00fcter, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1879. S. 225. 241 ; Offenes Schreiben. Flugschrift. Mai. 1879.\t.\t.\ty O On\n16\tPurkinje, Beobachtungen und Versuche zur Physiologie der Sinne. 1. S. 63.\n67. 127. Prag 1819. II. S. 87. Berlin 1825.\n17\tJoh. M\u00fcller, Handb. d. Physiol. II. S. 390. Coblenz 1837.","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Objecte f\u00fcr die Beobachtung; Entoptische Sichtbarkeit des Blutlaufes. 311\nsubjective Gesichtserscheinungen zu beziehen. Die physiologischoptische Theorie derselben liegt aber noch sehr im Argen.\nEine str\u00f6mende Bewegung begrenzter Flecken in anastomosirenden Bahnen sah Meissner1, indem er mit dem auf grosse N\u00e4he accommodirten Auge durch eine feine Oeffnung auf die helle Glocke einer Lampe starrte, oder wenn er das Auge vorher dr\u00fcckte und dann unverwandt auf eine m\u00f6glichst helle Fl\u00e4che sah.\nAm bestimmtesten hat Vierordt2 die Wahrnehmung des Blutlaufes in der Netzhaut des eigenen Auges beschrieben. Um ihn sichtbar zu machen, bedient er sich hellen intermittirenden Lichtes, am einfachsten in der Weise, dass er zwischen Auge und beleuchtetem Milchglas einer Lampe die ausgespreizten Finger etwa 100 mal in der Minute hin und her bewegt.\nSp\u00e4ter gab Rood3 als ein vortreffliches Mittel zur Hervorrufung der Erscheinung das Sehen nach dem Himmel durch ein dunkelblaues Glas oder mehrere \u00fcbereinander gelegte Cobaltgl\u00e4ser an. Nach der letzteren Methode verfolgte sie auch Helmholtz4, der fr\u00fcher schon darauf aufmerksam machte5, dass der Durchmesser der Blutk\u00f6rperchen (0.0072 im Mittel) eben noch gross genug ist, um, wenn sie sich in der Netzhaut befinden, auf diese einen Eindruck zu machen, da die Gr\u00f6sse der kleinsten erkennbaren Distanz 0.005 Mm. betr\u00e4gt.\nVierordt, der bei Projection der Erscheinung auf das 11\u201416 Cm. entfernte Milchglas der Lampe ein Blutk\u00f6rperchen oft 20\u201430 Mm.\nbc\nweit verfolgen konnte, berechnete nach der Formel \u2014 = x, in\nwelcher a Abstand des Milchglases vom vorderen, b Abstand der Retina vom hinteren Knotenpuncte, c den auf dem Milchglase durchlaufenen Weg bedeutet, den Weg auf der Retina und aus diesem und der Zeit die Geschwindigkeit der Bewegung. Er fand bei seinen ersten Versuchen 0.51\u20140.52 Mm. in der Secunde. Bei sp\u00e4teren Versuchen im Mittel 0.75 Mm. in der Secunde (Minimum 0.6 \u2014 Maximum 0.9), was, wie wir sehen werden, mit der auf anderem Wege ermittelten Geschwindigkeit des capillaren Blutlaufes ungef\u00e4hr \u00fcbereinstimmt.\nIII. Anordnung der Capillaren.\nDie Anordnung der Capillaren in den einzelnen Geweben und Organen ist eine sehr verschiedene. Im Allgemeinen ist zu bemerken,\n1\tMeissner, Beitr. z. Physiol, d. Sehorganes. S. 84. Leipzig 1854.\n2\tC. Vierordt, Arch. f. physiol. Heilk. 1856. S. 255.572. Die Erscheinungen u. Gesetze d. Stromgeschwindigkeiten des Blutes. S. 41. 111. Frankfurt a. M. 1858. Vgl. auch Laiblin, Wahrnehmung d. Chorioidealgef\u00e4sse im eigenen Auge. T\u00fcbingen 1856.\n3\tRood, Amer, journ. of scienc. and arts. XXX. p. 264. 1860.\n4\tHelmholtz, Handb. d. physiol. Optik. S. 837. Leipzig 1867.\n5\ta. a. O. S. 424.","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312 Rollett. Physiol, cl. Blutbewegung. 6. Cap. Blutbeweg, in cl. Capillargef\u00e4ssen.\ndass die Capillar en ein die kleinsten Arterien und Venen verbindendes Rohrwerk darstellen, welches aus der zuf\u00fchrenden Arterie sich durch wiederholte Theilung entwickelt, wobei die Summe der Querschnitte der aus dieser Verzweigung resultirenden R\u00f6hren meist proportional der Anzahl der letzteren w\u00e4chst.\nDie aus der Theilung hervorgegangenen R\u00f6hren vereinigen sich wieder, um sich abermals zu theilen und setzen sich nach ein- oder mehrmaliger Wiederholung dieses Vorganges in \u00e4hnlicher Weise, wie sie aus der Arterie entstanden, wieder zur abf\u00fchrenden Vene zusammen.\nDie so zwischen Arterien und Venen eingeschobenen capillaren R\u00f6hrennetze unterscheiden sich durch die gr\u00f6ssere oder geringere Anzahl der Verzweigungen, durch die von dem Reichthum der Ana-stomosen und dem Bau des versorgten Organes abh\u00e4ngige Gestalt und Gr\u00f6sse der zwischen den Gef\u00e4sscan\u00e4len liegenden Maschen und den mehr oder weniger gebogenen, geschlungenen oder gewundenen Verlauf der einzelnen St\u00fccke des Rohrnetzes.\nDie Beschreibung der Capillarnetze der einzelnen Organe und Gewebe ist Sache der speciellen Histologie. Ueber die Weite der Capillargef\u00e4sse und den Bau ihrer W\u00e4nde folgen einige Bemerkungen weiter unten.\nDie Angaben Sucquet\u2019s1 2, dass an zahlreichen Orten in der Haut des Menschen directe Communicationen zwischen Arterien und Venen stattfinden, wurden von Tomsa-, Berlinerblau3 und Hoyer4 widerlegt. Hoyer5 6 7 findet aber solche directe Ueberg\u00e4nge ohne dazwischen liegende Capillaren am Ohre vom Kaninchen und anderen Thieren, an der Nasen-und Schwanzspitze von Thieren, an den Endphalangen der oberen und unteren Extremit\u00e4ten vom Menschen und von Thieren und in den Schwellk\u00f6rpern der m\u00e4nnlichen Geschlechtsorgane vom Menschen und von Thieren. An einzelnen Orten, z. B. am Kopfe des Menschen, wurden dieselben nur ausnahmsweise beobachtet (TschaussoffB). Hoyer\" sieht in dieser Einrichtung eine Nebenschliessung, welche die Circulation vor 'gr\u00f6sseren St\u00f6rungen bewahrt und glaubt das Vorkommen derselben an den Endgebilden des K\u00f6rpers auf eine ihnen bei der W\u00e4rmeregulirung zufallende Rolle beziehen zu sollen.\n1\tSuc que t, D\u2019une circulation derivative dans les membres et dans la t\u00eate chez l\u2019homme. Paris 1862.\n2\tTomsa, Arch. f. Dermatol, u. Syphil. V. S. 1.1873.\t.\n3\tBerlinerblau, Ueber den directen Uebergang von Arterien m v enen. Berlin 1875 ; Arch. f. Anat u. Physiol. 1875. S. 177.\n4\tHoyer. Arch. f. microsc. Anat. XIII. S. 603. 1877.\n5\tDerselbe, Tagblatt d. Naturf.-Vers. in Leipzig 1872. S. 149 u. a. a. O.\n6\tTschaussof nach Hoyer\u2019s Ref. in Hofiniann u. Schwalbe s Jahiesbci. t. 1ST4. S. 176. Leipzig 1875.\n7\ta. a. O. S. 631.","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Capillarnetze; Bewegung d. rothen Blutk\u00f6rperchen im Axenstrom.\n313\nIY. Erscheinungen des Blutlaufes in den Capillaren.\nSichtbar wird der Lauf des Blutes in den Capillaren durch die Ortsver\u00e4nderung, welche die Blutk\u00f6rperchen in Folge des Str\u00f6mens des Blutes erleiden. Sie zeigen uns die Richtung und die Geschwindigkeit der Str\u00f6mung an. Wenn wir zun\u00e4chst die rothen Blutk\u00f6rperchen in den an die Capillaren anschliessenden kleinen Arterien und Venen und in weiteren Capillaren, in welchen so wie in jenen eine Anzahl von rothen Blutk\u00f6rperchen gleichzeitig denselben Querschnitt passiren, ins Auge fassen, so ist vor Allem auffallend, dass die K\u00f6rperchen durch die Axe des Gef\u00e4sses str\u00f6men, mit der Wand desselben aber nicht in Ber\u00fchrung kommen, so dass zwischen der letzteren und den in der Axe dahin eilenden K\u00f6rperchen ein farbloser heller Raum \u00fcbrig bleibt. Nur in den engsten Capillaren, durch welche die Blutk\u00f6rperchen nur einzeln hintereinander hindurchtreten k\u00f6nnen oder oft sich hindurch zw\u00e4ngen, ist eine solche helle Randschicht nicht mehr zu sehen. In solchen engen Gef\u00e4ssen ereignet es sich, dass die Blutk\u00f6rperchen in die L\u00e4nge ausgezogen oder um die Theilungs-winkel der Gef\u00e4sse gebogen werden, und dort gleichsam einem Wettkampf der Zweigstr\u00f6me ausgesetzt, einige Zeit haften bleiben oder nach einigen hin- und hergehenden Bewegungen in den einen der Zweige entschl\u00fcpfen.\nDie passiven Formver\u00e4nderungen, welche die Blutk\u00f6rperchen dabei erleiden, wurden von vielen Beobachtern beschrieben: bei E. H. Weber1 finden sich bereits eigene und bis auf Leeuwenhoek reichende \u00e4ltere Beobachtungen dieser Art angef\u00fchrt. Es ist leicht, diese Erscheinungen zu sehen, wenn man den Kreislauf in Lunge2, Schwimmhaut, Zunge oder Mesenterium vom Frosch betrachtet. In den Mesenterialgef\u00e4ssen von S\u00e4ugethieren sieht man die rothen Blutk\u00f6rperchen nicht in ihrer Gleichgewichtsfigur im Strome vorw\u00e4rts treiben, sondern w\u00e4hrend des Fliessens gleichzeitig auch hin und her gewalkt werden (Rollett3).\nAnders als die rothen Blutk\u00f6rperchen verhalten sich die weissen Blutk\u00f6rperchen (Poiseuille4, Acherson5, E. H. Weber6). Sie bewegen sich nicht rasch, wie die rothen Blutk\u00f6rperchen und befinden sich nicht, wie diese, in der Axe des Gef\u00e4sses, sondern gleiten oder\n1\tE. H. Weber, Handb. d. Anat. I. S. 159. 160. Braunschweig 1830.\n2\tYgl, H\u00fcter, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1873. S. 65. 81. \u2014 Holmgreen, Beitr. z. Anat. u. Physiol. Festgabe f. C. Ludwig, p. XXXIII. Leipzig 1875.\n3\tRoulett, Sitzgsber. d. Wiener Acad. L. (2) S. 196. 1865.\n4\tPoiseuille, Rech, sur les causes du mouvement du sang dans les vaisseaux cap\u00fclaires. p. 49. Paris 1835.\n5\tAcherson, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1837. S. 482.\n6\tE. H. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1838. S. 467.","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314 Rollett, Physiol, d. Blutbewegung. 6. Cap. Blutbeweg, in d. Capillargef\u00e4ssen.\nrollen an der Wand des Gef\u00e4sses und h\u00e4ufig sieht man einzelne derselben , trotzdem dass sie von dem rasch bewegten Axenstrome an ihrer der Axe zugekehrten Seite tangirt werden, eine Weile an der Wand des Gef\u00e4sses haften. Erst nach einiger Zeit werden sie dann pl\u00f6tzlich, wie mit einem Ruck, wieder fortgeschoben.\nPoiseuille 1 hat zuerst den bei der microscopischen Beobachtung sichtbaren hellen Raum zwischen der Wand und dem die rothen Blutk\u00f6rperchen enthaltenden Axenfaden in Zusammenhang gebracht mit der von der Adh\u00e4sion der benetzenden Fl\u00fcssigkeit an die Wand bedingten Verz\u00f6gerung der peripheren Stromf\u00e4den, weshalb man jenen Raum auch als PoiSEuiLLE\u2019schen Raum oder als unbewegte periphere Plasmaschicht bezeichnet.\nDie Angabe von R. Wagner1 2, dass in den Lungen und Kiemen-gef\u00e4ssen der PoisEUiLLE\u2019sche Raum fehle und die rothen und weissen Blutk\u00f6rperchen untereinandergemengt fortschreiten, konnte von Gunning3 nicht best\u00e4tigt werden und ist auch von keinem anderen Beobachter wieder gesehen worden.\nDie Thatsache, dass sich die rothen Blutk\u00f6rperchen in den rasch bewegten Axenf\u00e4den, dagegen die weissen Blutk\u00f6rperchen in den langsamer bewegten Randschichten befinden, haben Donders4 und Gunning-5 auf die Gestalt und das specifische Gewicht der K\u00f6rperchen zur\u00fcckzuf\u00fchren gesucht.\nF\u00fcr die farblosen Zellen kommt zun\u00e4chst die spli\u00e4roidische Gestalt derselben in Betracht. Da die Stromgeschwindigkeit nach der Axe hin zunimmt, wird die H\u00e4lfte des K\u00f6rperchens, welche gegen die Axe hin liegt, von rascheren Stromf\u00e4den getroffen als die gegen die Wand liegende H\u00e4lfte, in Folge davon wird sich das K\u00f6rperchen drehen um eine Axe, deren Ebene senkrecht auf der Richtung des Stromes steht, ein Theil der bewegenden Kraft, welche auf das K\u00f6rperchen einwirkt, wird so zur Drehung desselben verwendet und darum ist es in der fortschreitenden Bewegung verz\u00f6gert. Daraus soll aber nach Donders und Gunning folgen, dass der Widerstand, welchen der nach der Wand gelegene vordere Theil des K\u00f6rperchens erf\u00e4hrt, geringer ist, als die Kraft, welche der Strom auf den hinteren nach der Axe gelegenen Theil des K\u00f6rperchens aus\u00fcbt und das Ueberwiegen der letzteren \u00fcber den ersteren bewirke, dass das K\u00f6rperchen, w\u00e4hrend es sich dreht, gegen die TV and hin bewegt wird.\nE. Hering6 bek\u00e4mpfte diese Folgerung von Donders und Gunning. Sie sei nicht bewiesen und auch schwer zu beweisen, weil die in der\n1\tPoiseuille a. a. 0. p. 45.\n2\tR. Wagner. Beitr. z. vergleich. Physiol. Heft 2. S. 33.\n3\tGunning, Arch. f. d. holl\u00e4nd. Beitr. I. S. 313. 1857.\n4\tDonders, Nederl. Lancet. (3) V. p. 130; Physiol, d. Menschen. Deutsch von\nTheile. S. 135. Leipzig IS59.\n5\tGunning a. a. O.\n6\tE. Hering, Sitzgsber. d. Wiener Acad.\nMath.-natunv. Kl. LVII. (2) S. 170.1868.","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"Beweg, d.weiss. Blutk\u00f6rp. in d. Wandschich., Suspensionsfl\u00fcssigk. in Glascapill. 315\nUmgebung eines solchen K\u00f6rperchens entstehenden Sonderstr\u00f6mungen sich nicht hinreichend \u00fcberschauen lassen. Wenn die Erkl\u00e4rung von Donders und Gunning richtig w\u00e4re, m\u00fcssten bei Zunahme der mittleren Stromgeschwindigkeit die weissen K\u00f6rperchen um so mehr zur Wand streben, denn mit der mittleren Geschwindigkeit muss auch die Geschwindigkeitsdifferenz der axialen und peripheren Fl\u00fcssigkeitsschichten, durch welche Donders und Gunning die weisseu K\u00f6rperchen an die Wand gelangen lassen, zunehmen, da man sich die Geschwindigkeit der an die Wand grenzenden Fl\u00fcssigkeitsschicht immer unendlich klein vorstellen muss.\nIn der Wirklichkeit erscheinen aber gerade je langsamer der Strom ist um so mehr weisse K\u00f6rperchen in der Wandschichte, was viel besser zu der \u00e4lteren Anschauung stimme, dass die Klebrigkeit der weissen Blutk\u00f6rperchen ihre Anh\u00e4ufung in der Wandschicht bedinge.\nSp\u00e4ter hat aber Schklarewsky 1 durch Versuche \u00fcber die Str\u00f6mung von Suspensionsfl\u00fcssigkeiten in Glascapillaren, welche er unter dem Microscope beobachtete, erwiesen, dass in einer str\u00f6menden Fl\u00fcssigkeit suspendirte K\u00f6rperchen wegen des in der Richtung zur Axe abnehmenden Druckes das Bestreben haben, sich von der Wand zu entfernen und dass die Differenz des specifischen Gewichtes der rothen und weissen Blutk\u00f6rperchen das wichtigste Moment f\u00fcr ihre Sonderung im Blutstrome ist.\nL\u00e4sst man Graphit- und Carmink\u00f6rnchen in Wasser suspendirt durch ein Haarr\u00f6hrchen str\u00f6men, so befindet sich der Graphit in den Axen-, der Carmin in den Wandschichten. Suspensionen von Carmin-und Colophoniumk\u00f6rnchen zeigen dagegen den Carmin in den Axen-, das Colophonium in den Wandschichten. Vergleicht man Blut mit Suspensionen von weissen Blutk\u00f6rperchen (Eiterk\u00f6rperchen) und Milchk\u00fcgelchen, so erscheinen im zweiten Falle die weissen Blutk\u00f6rperchen anstatt in der Wand in den Axenstr\u00f6men, w\u00e4hrend die Milchk\u00fcgelchen sich in den Wand-str\u00f6men bewegen.\nImmer gehen die schneller fallenden K\u00f6rperchen in der Mitte und ihre Anh\u00e4ufung daselbst und die Verdichtung der Fl\u00fcssigkeit an ihrer Oberfl\u00e4che bewirkt, dass die specifisch leichteren K\u00f6rperchen aus dem Axenstrome durch den Auftrieb entfernt werden.\nF\u00fcr die rothen Blutk\u00f6rperchen ist es leicht einzusehen, dass sie einmal in den rascher bewegten Axenstr\u00f6men fortschreitend sich diesen mit dem schmalen Rand der Scheibe entgegenstellen werden, weil sich dann die auf beide Fl\u00e4chen wirkenden Stosskr\u00e4fte m\u00f6glichst nahe im Gleichgewichte befinden werden.\nV. Die Form der Blutbewegung in den Capillaren.\nEs wurde schon fr\u00fcher auseinandergesetzt, dass die von der Systole und Diastole des Herzens abh\u00e4ngigen Maxima und Minima\n1 Schklarewsky, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 601. 657. 1868.","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316 Rollett, Physiol, cl. Blutbewegung. 6. Cap. Blutbeweg, in d. Capillargef\u00e4ssen\nder Druck- und Geschwindigkeitswerthe sich mit der Entfernung vom Herzen immer mehr n\u00e4hern. In den Capillaren macht sich der Einfluss der Systole und Diastole in der Regel nicht mehr geltend, man sieht die Blutk\u00f6rperchen im Axenstrome mit gleichm\u00e4ssiger Geschwindigkeit fortschreiten, und wenn in den engsten Capillaren in Folge des Widerstandes, welchen sie dem Durchtritt der Blutk\u00f6rperchen entgegenstellen, sich St\u00f6rungen dieser Gleichm\u00e4ssigkeit ereignen, so ist deren Periode eine ganz andere, als die von Systole und Diastole. Dagegen lassen sich die letzteren hei der mieroscopischen Beobachtung des Kreislaufes auch in sehr kleinen Arterien noch deutlich erkennen.\nNur ausnahmsweise und unter ganz bestimmten Bedingungen bemerkt man auch in den Capillaren ein abwechselnd beschleunigtes und verz\u00f6gertes Fliessen, dessen Perioden mit den Perioden der Systole und Diastole des Herzens zusammenfallen.\nDie Bedingungen, unter welchen das geschieht, sind aber zahlreich und sehr verschiedenartig.\nEin stossweises, synchron mit der Systole beschleunigtes Fliessen wird beobachtet, wenn bei sinkender Herzth\u00e4tigkeit die Herzschl\u00e4ge so langsam aufeinanderfolgen, dass es zwischen zwei Herzschl\u00e4gen zum v\u00f6lligen Ausgleich der Druckdifferenz zwischen Arterien und Venen kommt. Das ist der Fall beim Absterben eines Thieres. Die Erscheinung tritt um so eher auf, wenn es dabei zu gr\u00f6sseren Blutverlusten gekommen war.\nBei starker ven\u00f6ser Stauung oder wenn der Abfluss des Blutes aus den Venen eines bestimmten Gef\u00e4ssbezirkes ganz behindert wird, sieht man in den Capillaren dieses Bezirkes, welche dann einen blinden Anhang des die Arterie dieses Gef\u00e4ssbezirkes abgebenden Stammes bilden, ein mit der Systole und Diastole des Herzens synchrones Oscilliren der Bluts\u00e4ule. Poiseuille 1 beobachtete diese Erscheinung nach Unterbrechung des Blutlaufes in den Venen des Schenkels an der Schwimmhaut des Frosches. Hierher geh\u00f6rt auch die Erscheinung der synchron mit dem Puls auftretenden st\u00e4rkeren R\u00f6thung von Gliedmassen, in welchen man den R\u00fcckfluss des ven\u00f6sen Blutes durch Umschn\u00fcrung gehemmt hat.\nEndlich haben wir fr\u00fcher gesehen, dass Umfang und Anzahl derPumpen-st\u00f6sse, die elastische Gegenwirkung der Wandung und die Widerst\u00e4nde in einem bestimmten Verh\u00e4ltnisse zu einander stehen m\u00fcssen, wenn bei elastischen Schl\u00e4uchen trotz periodischen Einfliessens ein continuirliches Ausfl\u00fcssen zu Stande kommen soll (oben S. 212). Die Folge eines solchen Gleichgewichtszustandes ist auch das continuirliche Fliessen des Blutes in den Capillaren. Dieses Gleichgewicht kann aber durch nerv\u00f6se Einwirkungen auf das Herz oder die Arterienw\u00e4nde oder durch pathologische Processe gest\u00f6rt werden und kann in Folge davon das Auftreten eines Capillar-pulses beobachtet werden. So sah Bernard1 2 nach Durchschneidung des\n1\tPoiseuille, Reck, sur les causes du mouv. du sang dans les vaiss. capill. p. 18. Paris 1835.\n2\tBernard, Journ. de la physiol. I. p. 649. 1858; Le\u00e7ons sur les propri\u00e9t. physiol. et les ait. pathol. des liquid, de l\u2019organisme. II. Paris 1859.","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"Contin. Fliessen in d. Capill., Capillarpuls, Blutlauf n. Aufh\u00f6ren d. Herzth\u00e4tigk. 317\nSympathieus und Reizung des Ram. lingualis n. trig., wodurch die arteriellen Gef\u00e4ssbahnen der Unterkieferspeiclieldr\u00fcse im Maximum erweitert werden, das Blut noch pulsirend aus der Dr\u00fcsenvene str\u00f6men. Sehr aufgeregte Herzth\u00e4tigkeit, z. B. in Folge rascher K\u00f6rperbewegungen, oder Herzhypertrophie und gleichzeitige Arterienerweiterung, f\u00fchren zum Auftreten von Capillarpuls. Quincke1 beobachtete in einer an den Fingern\u00e4geln im dritten Viertel von hinten bei den meisten Menschen vorkommenden bl\u00e4sseren Zone schon im normalen Zustande, namentlich aber bei geringer Compression oder Erhebung des Armes eine systolische Verkleinerung durch Verr\u00fccken der daranstossenden rothen Partien; ausgepr\u00e4gter fand er das Ph\u00e4nomen bei Insufficienz der Aortenklappen. Einen durch die Capillaren bis in die Venen sich fortpflanzenden Puls sah er bei grosser Hitze an seinen geschwollenen Handvenen, an den Handvenen einer Frau, die eine geringe Hypertrophie des linken Ventrikels zu haben schien, und bei einem Manne mit Wirbelfractur und Quetschung des Halsmarkes, bei dem also wahrscheinlich eine vasomotorische L\u00e4hmung vorhanden war.\nVI. Fortdauer der Blutbewegimg in den Capillaren nach Aufhebung der Herzth\u00e4tigkeit.\nDie Bewegung des Blutes in den Capillaren h\u00f6rt nicht sofort auf, wenn die Th\u00e4tigkeit des Herzens durch Unterbindung desselben oder durch Reizung der N. vagi unterbrochen wird. Man sieht vielmehr unter dem Microscope die Str\u00f6mung in den Capillaren noch einige Zeit (eine halbe Stunde und l\u00e4nger) fortdauern und endlich mit immer mehr abnehmender Geschwindigkeit zur Ruhe kommen. Diese Erscheinung, welche in fr\u00fcherer Zeit mehrfach als Beweis einer vom Herzen unabh\u00e4ngigen Triebkraft des Blutes angesehen wurde, ist nach unseren S. 223 angestellten Betrachtungen nichts anderes, als der Strom, welcher zum Ausgleich der durch die vorausgegangene Herzth\u00e4tigkeit erzeugten Druckdifferenz zwischen Arterien und Venen f\u00fchrt2.\nVII. Geschwindigkeit der Blutbewegung in den Capillaren.\nDie Geschwindigkeit, mit welcher die rothen Blutk\u00f6rperchen sich durch die Capillaren bewegen, kann unter dem Microscop gemessen werden.\nHales hat in seiner H\u00e4mostatik zuerst versucht, bestimmte Wegl\u00e4ngen der Blutk\u00f6rper mittelst einer Uhr, die 16000 Schl\u00e4ge in der Stunde\n1\tQuincke, Berl. klin. Woch. 1868.\n2\tVgl. Poiseutlle a. a. O.; Journ. univers, dem\u00e9d. XII. p. 365. \u2014 Volkmann. H\u00e4modynamik. S. 331. Leipzig 1850 \u2014 E. H. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol. 185L","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318 Rollett, Physiol, d. Blutbewegung. 6. Cap. Blutbeweg, in d. Capillargef\u00e4ssen.\ngab, auf die Zeit zu beziehen. Die von ihm ermittelten Werthe f\u00fchren auf die Geschwindigkeit von 0.28 Mm. in der Secunde f\u00fcr die Capillaren in den geraden Bauchmuskeln des Frosches. In den Capillaren der Lunge des Frosches fand er die Geschwindigkeit 43mal gr\u00f6sser, was offenbar auf einem Beobachtungsfehler beruht.\nNach E. H. Weber1 bedient man sich eines f\u00fcr ein conventioneiles Maass ausgewertheten Ocularmicrometers, welches genau \u00fcber dem Ge-f\u00e4ss orientirt sein muss. Die Zeit, w\u00e4hrend ein Blutk\u00f6rperchen eine bestimmte Strecke desselben durchl\u00e4uft, bestimmt man durch Z\u00e4hlen der Schl\u00e4ge einer Taschenuhr (gew\u00f6hnlich i/\u00f6 Secunde entsprechend).\nAuf diese Weise fand E. H. Weber in den Capillaren des Froschlarvenschwanzes die Geschwindigkeit 0.573 Mm. in der Secunde; Valentin2 in der Schwimmhaut des Frosches 0.51 ; Volkmann3 in den Kiemen von Salamanderlarven 0.245, im Schwanz von Froschlarven 0.4, in der Schwanzflosse eines kleinen Fisches 0.12, bei einem jungen Hunde im Gekr\u00f6se ungef\u00e4hr 0.8.\nVierordt4 versuchte die Messung auch auf stroboscopischem Wege, indem er die Geschwindigkeit der stroboscopischen Scheibe bestimmte, bei welcher der Blutlauf eben stille zu stehen schien und fand dabei in der Schwimmhaut des Frosches 0.36 Mm. in der Secunde.\nEine Messung der Geschwindigkeit der peripheren Stromf\u00e4den ist wegen der unregelm\u00e4ssigen Bewegung der in denselben befindlichen weissen Blutk\u00f6rperchen nicht ausf\u00fchrbar.\nIn Bezug auf die Geschwindigkeit, die wir durch das Fortschreiten der in den Axenf\u00e4den befindlichen rothen Blutk\u00f6rperchen ermitteln, ist noch zu bemerken, dass dieselbe viel langsamer sich ergiebt, als sie nach der unmittelbaren Beobachtung unter dem Microscope zu sein scheint. Die scheinbar grosse Geschwindigkeit des Blutlaufes unter dem Microscope kommt aber, wie leicht ersichtlich, daher, dass das Microscop den Weg vergr\u00f6ssert, die Zeit dagegennicht.\nNach dem Gesetze von Poiseuille (s. oben S. 203) f\u00fcr die Ausflussmenge aus Capillar r\u00f6hr en\nd4\nA = k . y- H\nergiebt sich f\u00fcr jede Fl\u00fcssigkeit eine von dem Materiale unabh\u00e4ngige und nur von der Natur der Fl\u00fcssigkeit und der Temperatur abh\u00e4ngige Constante k, welche unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen die Durchflussgeschwindigkeit bestimmt. Poiseuille hat diese Constante als Maass der Fluidit\u00e4t der bestimmten Fl\u00fcssigkeit bezeichnet und seit\n1\tE H. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1838. S. 465.\n2\tValentin, Lehrb. d. Physiol. I. S. 481. Braunschweig 1847.\n3\tYolkmann, H\u00e4modynamik. S. 184. Leipzig 1850.\t.\n4\tVierordt, Erscheinungen und Gesetze der Stromgeschwindigkeit des Blutes. S. 35 u. f. Frankfurt a. M. 1858.","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Messung der Geschwindigkeit; Transpirationsconstante.\n319\nGraham1 die Bezeichnung Transspiration f\u00fcr das Durchstr\u00f6men von Fl\u00fcssigkeiten durch sehr enge R\u00f6hren eingef\u00fchrt hat, nennt man sie auch die Transspirationsconstante.\nWir haben auch bereits gesehen, dass sich aus derselben die Constante der inneren Reibung der Fl\u00fcssigkeiten leicht berechnen l\u00e4sst. Die numerischen Werthe beider sind vergleichbare Ausdr\u00fccke f\u00fcr eine Eigenschaft der Fl\u00fcssigkeiten, welche man auch als speci-fische Z\u00e4higkeit derselben bezeichnet hat, Es ist daraus ohne Weiteres zu entnehmen, dass die Transspirationsconstante des Blutes einen wichtigen Einfluss auf die Blutbewegung in den Capillaren aus\u00fcben muss. F\u00fcr das Blut wird aber die Frage der Transspirationsconstante namentlich deswegen von grosser Wichtigkeit sein, weil das Blut wegen der Aufnahme und Abgabe von Stoffen und den Umsetzungen, welche in demselben stattfinden, einem fortw\u00e4hrenden Wechsel seiner Constitution unterliegt. Es scheint nun wegen der Unabh\u00e4ngigkeit der Transspirationsconstante von dem Materiale der Rohrwand, dass es leicht sein m\u00fcsse, f\u00fcr die Verh\u00e4ltnisse im Organismus eine experimentelle Grundlage durch k\u00fcnstliche Durchstr\u00f6mungsversuche von Blut durch Glascapillaren zu schaffen. In der That nahm schon Poiseuille2 diesen Gegenstand auf. Die Schwierigkeiten, auf welche er bei der Durchstr\u00f6mung von defibri-nirtem Blut stiess, brachten ihn aber auf die Idee, dass nur vor der Ausscheidung des Fibrin eine das Str\u00f6men des Blutes erm\u00f6glichende gleichm\u00e4ssige Vertheilung der Blutk\u00f6rperchen in demselben vorhanden sei und damit schien weiteren Studien auf dem angedeuteten Wege der Boden entzogen zu sein.\nErst sp\u00e4t wurden die Versuche \u00fcber Transspiration des Blutes (Aronheim3, Haro4, C. A. Ewald5) wieder mit Erfolg aufgenommen, nachdem inzwischen die wichtigen Untersuchungen \u00fcber die Beziehungen der Transspiration zu den pl^sikalischen und molecular-chemischen Eigenschaften anderer Fl\u00fcssigkeiten, die ebenfalls von Poiseuille begonnen wurden, namentlich auf Graham\u2019s6 neue Anregung eifrig fortgesetzt worden waren7.\n1\tGraham, Philos. Transact. CLI. p. 373.1861 ; Chemie, and physical researches. Edinburgh 1876.\n2\tPoiseuille, Ann. d. chim. etphys. 3. s\u00e9r. XXL p. 76. 1847.\n3\tAronheim, Hoppe-Seyler\u2019s med.-chem. Unters. S. 265. Berlin 1866 \u2014 1871.\n4\tHaro, Compt. rend. LXXXIII. p. 696. 1876; Gaz. hebd. 1876. Nr. 27.\n5\tC. A. Ewald, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1877. S. 208; 1878. S. 536.\n6\tGraham a. a. 0.\n7\tYgl. Schlie, Unters, \u00fcb. d. Beweg, v. Fl\u00fcss. in Capillarr. B-ostock 1869. \u2014 H\u00fcbener, Ann. d. Physik. CL. S. 248. 1873. \u2014 Burkhardt, Ueber d. Transpir. reiner u. m.verschied. Salzen versetzter Zuckerl\u00f6s. Berlin 1873. \u2014 Grotian, Ann. d. Physik CLVII. S. 130. 1874; CLX. S. 338. 1877. \u2014 Sprung, Ebenda. CLIX. 1876 (s\u00e4mmtl. be-","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320 Rollett, Physiol, d. Blutbewegung. 6. Cap. Blutbeweg, in d. Capillargef\u00e4ssen.\nF\u00fcr das Blut ergab sich, dass der Transspirationsco\u00ebfficient zunimmt mit wachsender Temperatur. Mit der Zeit nach der Entfernung aus den Gef\u00e4ssen nimmt der Transspirationsco\u00ebfficient f\u00fcr defibrinirtes Blut ab, nicht aber f\u00fcr Serum allein ; er nimmt ferner ab, wenn das specifische Gewicht zunimmt, bei dem specifischen Gewicht 1044 betrug er 421.4, bei dem specifischen Gewicht von 1064 dagegen 352.8. Menschliches Blut hat einen h\u00f6heren Transspirationsco\u00ebfficienten als Hundeblut, wird der des Wassers gleich 1 gesetzt, so ergiebt sich f\u00fcr den Hund 0.27, f\u00fcr den Menschen 0.41 (C. A. Ewald). CO-i setzt den Transspirationsco\u00ebfficienten f\u00fcr Blut herab, nicht f\u00fcr Serum (Haro, C. A. Ewald), dasselbe gilt f\u00fcr Zumischung von Aether, Chloroform, Chloral (Haro, C. A. Ewald), f\u00fcr Zusatz von Nicotin (C. A. Ewald). Zusatz von gallensauren Salzen setzt ihn in geringen Mengen herab (Haro, C. A. Ewald), von grossen Mengen wird er erh\u00f6ht (C. A. Ewald), desgleichen ist er erh\u00f6ht in durch Frieren und Wiederauf-thauen ver\u00e4ndertem Blute (C. A. Ewald). Die Versuche mit Salzen sind noch nicht genug vervielf\u00e4ltigt. Kali- und Natronsalze erwiesen sich als herabsetzend, Ammoniaksalze als steigernd auf die Trans-spiration (Aronheim), es muss dabei im Auge behalten werden, dass der Reibungsco\u00ebfficient von verschiedenen Salzl\u00f6sungen bald gr\u00f6sser, bald kleiner gefunden wird als der des Wassers (O. E. Meyer* 1). Bei Durchstr\u00f6mungsversuchen \u00fcberlebender Organe muss ebensowohl der Einfluss von Zus\u00e4tzen zum Blut auf die Gef\u00e4sswand (Mosso) als die Wirkung auf den Transspirationsco\u00ebfficienten des Blutes (C. A. Ewald) in Betracht gezogen werden.\nTill. Der Blutdruck in den Capillaren.\nDer Blutdruck in den Capillaren kann selbstverst\u00e4ndlich nicht so wie in den Arterien und Venen manometrisch bestimmt werden. Man war bis vor nicht gar langer Zeit ausschliesslich darauf angewiesen, in bestimmten und passenden F\u00e4llen Aenderungen des Blutdruckes in den Capillaren aus der vermehrten oder verminderten R\u00f6thung oder Spannung der von den Gef\u00e4ssen versorgten Gewebe oder besondere locale Verh\u00e4ltnisse des capillaren Blutdruckes aus dem anatomischen Befunde \u00fcber die Anordnung und Vertheilung der Gef\u00e4sse in bestimmten Organen zu erschliessen.\ntreff. Salzl\u00f6sungen). \u2014 Rellstab, Ueber Transpir. homologer Fl\u00fcssigkeiten. Bonn 1868. \u2014 Gueront, Compt. rend. LXXXI. p. 1025. 1875. LXXXIIL p. 1291. 1876. -\u2014 Pribram u. Handl, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXVIIL (2) S. 113. 1878; LXXX. (2) S. 17. 1879 (s\u00e4mmtl. betreff. Alkohole, Aether, org. S\u00e4ure etc.).\n1 O. E. Meyer, Ann. d. Physik. CX1II. S. 3S3. 1861.","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"Ver\u00e4ndert, d. Transpirationscoeffic. ; Bestimmung d. Blutdruckes in d. Capill. 321\nErst N. Kries1 2 hat uns mit einer ihm von Ludwig empfohlenen Methode, den Blutdruck in den Capillaren indirect zu messen, bekannt gemacht.\nEr legte an passenden Orten auf die Haut des Menschen (am letzten Fingergliede, \u00fcber der Ohrmuschel), beim Kaninchen auf das Zahnfleisch Glaspl\u00e4ttchen von 2.5\u20145 \u25a1 Mm. Fl\u00e4che, welche mit kleinen Gewichtsch\u00e4lchen verbunden waren und belastete dieselben so stark, dass eben ein Blasserwerden der Haut unter dem Pl\u00e4ttchen eintrat. Es ist anzunehmen, dass dann eben die in den Gef\u00e4sspapillen der Haut liegenden Capillaren entleert wurden. Das auf die Fl\u00e4che {f) bezogene Gewicht (g)\ngiebt in hydrostatischen Druck ( h\numgerechnet\nin H\u00f6hen einer\n:Jt_\nfs\nWasser- oder Quecksilbers\u00e4ule den capillaren Blutdruck. Da erst ein Gewichtszuwachs von 0.25 Grm. bei diesem Verfahren merklich wird und das bei den kleinsten Platten 99 Mm., bei den gr\u00f6ssten 55 Mm. Wasser entsprach, sind die Fehlergrenzen des Verfahrens ziemlich weit. Roy & Graham Brown- suchen darum an transparenten K\u00f6rpertheilen (Schwimmhaut, Lunge oder Mesenterium vom Frosch ; Schwanzflossenmembran eines Fisches u. dgl.) direct den hydrostatischen Druck auf, welcher die Ge-derselben eben verschliesst. Zu dem Ende wird der betreffende\nTlieil von unten her an ein festliegendes Deckgl\u00e4schen angepresst durch eine durchsichtige feine Membran, welche die obere Wand einer unten von einer Glasplatte verschlossenen Kapsel bildet, mit deren Innerem ein Wassermanometer communicirt. Der Druck im Innern der Kapsel kann beliebig gross gemacht und am Manometer abgelesen werden.\nRoy und Graham-Brown sahen in den Capillaren und Venen der Froschschwimmhaut den Kreislauf bei einem Druck von 100 bis 150Mm.Wasser3 aufgehoben werden; in den Arterien bei 200 -350Mm. Der zum Verschluss n\u00f6thige Wasserdruck wuchs mit der Erweiterung der Gef\u00e4sse. In 3\u20144 Minuten dauernden Perioden zeigte der Druck Schwankungen um 20 \u2014 30 Mm. Beim GoLTz\u2019schen Klopfversuch sank der Druck auf 0, h\u00e4ufig folgte darauf ven\u00f6se R\u00fcckstauung, welche 70 \u2014 100 Mm. Wasser \u00fcberwand. Tempor\u00e4re An\u00e4mie liess die Gef\u00e4sse sich erweitern, in welche das wieder zugelassene Blut unter erh\u00f6htem Drucke einstr\u00f6mt. R\u00fcckenmarksreizung erh\u00f6ht, Durchschneidung der Nerven erniedrigt den Druck. (S. Wirk, der Vasomot., Lehre v. d. Innerv. d. Gef\u00e4sse.)\nKries fand beim Menschen auf der R\u00fcckseite des Nagelgliedes des Fingers, wenn die Hand 490 Mm. unter dem Scheitel lag, finden Capillardruck 37.7 Mm. Quecksilber im Mittel. Der Mitteldruck\n1\tN. Kries, Ber. cl. sacks. Ges. d. Wiss. Math.-physiol. Kl. XXVII. S. 149 1875\n2\tRoy u. Graham-Brown, Arch. f. Physiol. 1878. S. 158.\n3\tEntsprechend 7.35\u20141 1.03 Mm. Quecksilber. Im linken Aortenbogen d. Frosches bestimmte Volkmann (H\u00e4modynamik. S. 178) den Druck zu 22__29 Mm. Quecksilber, der Capillardruck ist also 13\u201472 des arteriellen._______\u2019 ^\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\n21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322 Rollett, Physiol, d. Blutbewegung. 6. Cap. Blutbeweg, in d. Capillargef\u00e4ssen.\nsank bei Erhebung der Hand bis zum Abstand 205 Mm. vom Scheitel auf 29, bis zur Scheitelh\u00f6he auf 24. Er stieg auf 54, wenn der Abstand der Hand vom Scheitel S40 Mm. betrug. Massig starke arterielle Hyper\u00e4mie, durch Hautreize hervorgebracht, ergab keine, nach Kries\u2019 Methode nachweisbare Drucksteigerung, dagegen ergab Verschluss der Venen durch Umschn\u00fcrung des Fingers, wobei der Capillardruck auf die H\u00f6he des Druckes in den Arterien des Fingers ansteigen muss, ein Anwachsen des Druckes auf 114\u2014143 Mm. Quecksilber1. Darnach betragen die oben angef\u00fchrten Capillardr\u00fceke V2 bis 1/5 des arteriellen Druckes. Am Ohre fand Kries den Mitteldruck von 20 Mm. Am Zahnfleisch des Kaninchen 33 Mm.\nNimmt man an, dass der von Kries bestimmte Druck der Mitte des Capillarsystemes entspricht, so muss derselbe sich nach der einen Seite wachsend dem Druck in den kleinen Arterien nach der anderen Seite sinkend dem Druck in den kleinen Venen ansehliessen. Welchen Werth und welche Form das Druckgef\u00e4lle von den Arterien durch die Capillaren zu den Venen besitzt, ist nicht genau ermittelt; wegen der grossen Widerst\u00e4nde in den Capillaren muss die Druckdifferenz am Anfang und am Ende der Capillaren eine betr\u00e4chtliche sein, die vom Herzen aufgebrachte Kraft wird vorzugsweise zur Ueberwindung der Widerst\u00e4nde in den Capillaren verwendet und die vorliegenden Bestimmungen des Blutdruckes in kleinen Arterien, Capillaren und Venen sprechen daf\u00fcr, dass der Druck vom Anfang der Capillaren bis zur Mitte rascher sinkt, als von da zu den Venen. An einzelnen Orten hat das aus den Capillaren fliessende Blut den Widerstand eines zweiten Capillarnetzes zu \u00fcberwinden, z. B. das Blut, welches in den abf\u00fchrenden Gef\u00e4ssen der Malpighi'sehen Kn\u00e4uel der Niere, oder das Blut, welches in den Venen der Darmzotten zur\u00fcck-fliesst. In diesen F\u00e4llen sind dem ausnehmend hohen Capillardruck in den MALPiGHi\u2019schen Kn\u00e4ueln (Ludwig2) und in den Zotten (Br\u00fccke3) besondere physiologische Leistungen \u00fcbertragen.\nWas wir \u00fcber die Beziehungen des Blutdruckes in den Capillaren zur Ern\u00e4hrung der Gewebe und zur Bildung und Bewegung der Lymphe wissen, muss in anderen Abschnitten dieses Handbuches besprochen werden. Nur ein Vorgang im Gebiete des capillaren Blutstromes muss uns noch besch\u00e4ftigen. Es ist der Austritt der weissen und rothen Blutk\u00f6rperchen durch die Wand der Capillaren.\nIX. Hie Eigenschaften der Capillarwand.\nBis zum Jahre 1865 wurde auf Grund der microscopischen Befunde frischer Capillargef\u00e4sse und der eigenth\u00fcmlichen Vorg\u00e4nge bei der Entwicklung der Capillaren gelehrt, dass die Wand der Capillaren\n1\tFaivre bestimmte den Druck in der Armarterie des Menschen zu 110\u2014120 Mm. Quecksilber; vgl. S. 243.\n2\tLudwig, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. II. S. 628. Braunschweig 1841.\n3\tBr\u00fccke, Denkschrift d. Wiener Acad. Math.-naturw. Kl. VI. S. 99. 1854.","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"Variationen des Capillardruckes ; Bau der Capillarwand.\n323\nvon einer mit Kernen besetzten structurlosen Haut gebildet werde. Im genannten Jahre wiesen aber fast gleichzeitig Hoyer1 11, Auerbach2, Eberth3 und Aeby4 die Zusammensetzung der Capillarwand aus Zellen nach.\nSie bedienten sich dazu der anf\u00e4nglich stark angefochtenen, jetzt allgemein als zuverl\u00e4ssig anerkannten Methode von v. Recklinghausen6, die darin besteht, die mit NAgOs impr\u00e4gnirte Capillarwand dem Lichte auszusetzen. Dabei werden die Zellgrenzen durch die zwischen den Zellen hinlaufenden, vom ausgeschiedenen Silber schwarz gef\u00e4rbten Kittlinien sichtbar.\nDie plattenf\u00f6rmigen Zellen, welche die Capillargef\u00e4sswand zusammensetzen, k\u00f6nnen aber unter gewissen Umst\u00e4nden auch ohne Silberwirkung beim Absterben (Golubew6), durch Abscheidung von Indigo in die Kittlinien (Thoma7), durch Fixirung von Zinnober- oder Tuschek\u00f6rnchen in denselben (Foas) gesehen und mittelst 35 0/o Kalilauge von einander isolirt werden (Eberth9, Aeby10).\nDas die Capillarwand bildende Endothel ist die directe Fortsetzung der endothelialen Auskleidung der Arterien und Venen und in der Regel der einzige Bestandtheil der Capillarwand.\nDie Angaben von Chrzonszczewsky 11 und Legros1'2, dass das Endothel nur die Auskleidung eines structurlosen Rohres bildet, haben sich nicht best\u00e4tigt. Dagegen tritt an einzelnen Stellen eine bindegewebige Adventitia13 als \u00e4ussere Belegmasse zu dem Endothelrohre.\nNachdem die Zusammensetzung der Capillarwand aus Zellen erwiesen war, hat die gleich zu behandelnde Durchg\u00e4ngigkeit der Capillarwand f\u00fcr weisse und rothe Blutk\u00f6rperchen die Veranlassung zu weiteren Untersuchungen der Beschaffenheit der Capillarwand gegeben.\nIn den Silberlinien von Endothelien fanden His14 und Oedmansson15 kleine rundliche, ungef\u00e4rbte Feldchen, welche sie f\u00fcr OefFnungen hielten und mit den von v. Recklinghausen 16 zuerst in dem Endothel der Serosa\n1\tHoyer, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865. S. 243.\n2\tAuerbach, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1865. S. 177.\n3\tEberth, Ebenda. 1865. S. 196; W\u00fcrzb. naturw. Ztschr. VI. S. 27. 84. 1866.\n4\tAeby, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1865. S. 209.\n5\tv. Recklinghausen, Die Lymphgef\u00e4sse und ihre Beziehung zum Bindegewebe. S. 5 u. fg. Berlin 1862.\n6\tGolubew, Arch. f. microsc. Anat. V. S. 49. 1869.\n7\tThoma, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1815. S. 17.\n8\tFoa, Arch. f. pathol. Anat. LXV. S. 295. 1875.\n9\tEberth a. a. 0.\n10\tAeby a. a. 0.\n11\tChrzonszczewsky, Arch. f. pathol. Anat. XXXV. S. 169. 1866.\n12\tLegros, Journ. de l\u2019anat. et de la physiol. 1868. p. 275.\n13\tVgl. Eberth, Strieker\u2019s Gewebelehre. I. S. 206. Leipzig 1871.\n14\tHis, Ztschr. f. wiss. Zool. XIII. S. 455. 1863.\n15\tOedmansson, Arch. f. pathol. Anat. XXVIII. S. 361. 1863.\n16\tv. Recklinghausen, Arch. f. pathol. Anat. XXVI. S. 172. 1863.\n21 *","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324 Roulett, Physiol, d. Blutbewegung. 6. Cap. Blutbeweg, in d. Capillargef\u00e4ssen.\ndes Centrum tendineum aufgefundenen L\u00f6chern auf eine Stufe stellen zu k\u00f6nnen glaubten. Obwohl nun die letzteren; durch die Untersuchungen von Ludwig & Schweigger-Seidel1 und die Beobachtungen von Dybkowsky2 an der Pleura bald als besondere Bildungen nachgewiesen wurden, mit welchen die Oedmansson\u2019scIicii Stomata nicht mehr zu analogisiren waren, so hielt doch Cohnheim3 an der Existenz solcher Stomata in dem Endothelium der Capillaren zur Erkl\u00e4rung der von ihm beobachteten Permeabilit\u00e4t der Gef\u00e4ssw\u00e4nde f\u00fcr Blutk\u00f6rper einige Zeit fest und hat diese Anschauung erst in sp\u00e4terer Zeit4 wieder verlassen.\nDie Untersuchungen von J. Arnold5 ergaben, dass die fraglichen Feldchen in den Silberlinien, deren er gr\u00f6ssere (Stomata) und kleinere (Stigmata) unterscheidet, erst dann in gr\u00f6sserer Anzahl am Gef\u00e4ssendotliel Vorkommen, wenn einmal, sei es in Folge von ven\u00f6ser Stauung, sei es in Folge von entz\u00fcndlicher Stase, schon eine reichliche Auswanderung von rothen oder weissen Blutk\u00f6rperchen stattgefunden hat. Die Austrittsstellen der Blutk\u00f6rperchen und die Oeffnungen der Capillargef\u00e4sse in die in Form der v. RECKLiNGHAUSEN\u2019schen Saftcan\u00e4lchen vorliegenden pr\u00e4for-mirten Verbindungswege zwischen Blut- und Lymphcapillaren sollen dann in dieser Weise gekennzeichnet sein. Ganz abgesehen von der letzteren noch unsicheren Deutung muss man nach Arnold\u2019s Beobachtungen annehmen, dass die fraglichen Feldchen in den Silberlinien erst mit den anatomisch noch sehr wenig aufgekl\u00e4rten, nach Kreislaufst\u00f6rungen, namentlich in entz\u00fcndeten Theilen auftretenden Ver\u00e4nderungen der Gef\u00e4ss-wand (Cohnheim6, Winiwarter7) hervortreten. Das ist aber nicht immer der Fall, denn aus den Untersuchungen von Purves8, Alferow9 10 11, Tarcha-noff46, und Foau ergab sich, dass die auf Stomata oder Stigmata bezogene Zeichnung des Endothels eine oft vollst\u00e4ndig fehlende oder sehr inconstant sich einfindende Erscheinung ist, und dass Blutk\u00f6rperchen sowohl als colloide Massen auch bei g\u00e4nzlichem Mangel jener Feldchen durch die Kittleisten nach aussen gelangen, w\u00e4hrend man sie niemals durch die Substanz der Endothelspindeln selbst hindurchtreten sieht.\nDie Weite der Capillaren ist eine wechselnde. Sie haben in einzelnen Organen ihrer Anlage nach einen verschiedenen Durchmesser, wie am besten aus der Anordnung der Endothelzellen hervorgeht, Oft bilden lange mit ihren Spitzen in einandergreifende\n1\tLudwig u. Schweigger-Seidel, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-naturw.\nCI. 1866. S. 362.\n2\tDybkowsky, Ebenda. S. 191.\n3\tCohnheim, Arch. path. Anat. XL. S. 1. 1867 ; XLI. S. 224. 186 <.\n4\tCohnheim. Neue Untersuchungen \u00fcber die Entz\u00fcndung. Berlin 1873.\n5\tJ Arnold, Arch. f. pathol. Anat. LVIII. S. 203. 1873; LXII. S. 157. 4S/.\n1S75:LXXII. S. 245. 1878.\t, .. v _\tQ oc\n6\tCohnheim a. a. 0.; Untersuchungen \u00fcber die embohschen Processe. S. 28.\nT*prim 1 ST 2\n7\tWiniwarter, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXVIII. (3) S. 30. 1873.\n8\tPurveys Onderzoek. god. i. li. physiol. L&bor. d. Utrecht. Hoogeschool. uitg. d. Donders en Engelmann. III. II. S. 251. 1873.\n9\tAlferow, Arch, de physiol. 2. s\u00e9r. I. p. 694. 1874.\n10\tT\u00e4rchanoff, Ebenda. 2. s\u00e9r. II. S. 281. 187U\n11\tFoa, Arch. f. pathol. Anat. LXV. S. 284. 1875.","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"Stomatau. Stigmata; Weite, Contractilit\u00e4t der Capillaren.\t325\nZellen, von welchen nur je zwei im Umkreise der R\u00f6hre liegen, dann wieder k\u00fcrzere gedrungene Zellen, von welchen 3\u20144 um das Lumen herumliegen, das Capillarrohr.\nIn Folge bestimmter \u00e4usserer Einfl\u00fcsse sieht man die Endothelspindeln in ihrem mittleren Theile sich betr\u00e4chtlich verdicken, so dass sie dann weit in das Lumen prominirende B\u00e4uche besitzen. Trifft diese Ver\u00e4nderung gegen\u00fcberstehende Spindeln, so kann dadurch das Lumen so verengt werden, dass Blutk\u00f6rperchen in dem Engp\u00e4sse wie eingeklemmt festgebalten werden. Die Verdickung der Spindeln kann wieder verschwinden, um bei erneuter Wirkung der ber\u00fchrten Einfl\u00fcsse wieder hervorzutreten. Auf diese Ver\u00e4nderung der Spindeln haben Golubew1 und Tarchanoff2 die zuerst von Stricker3 beobachtete Verengerung des Lumens der Capillargef\u00e4sse in Folge von electrischen Schl\u00e4gen und chemischen Agentien zur\u00fcckgef\u00fchrt. Ob und inwieweit diese als Contractilit\u00e4t bezeichnete Ver\u00e4nderlichkeit der Capillarwand w\u00e4hrend der normalen Lebensvorg\u00e4nge eine Rolle spielt, ist noch nicht n\u00e4her aufgekl\u00e4rt.\nVon den Nerven aus werden die Capillaren nur indirect beeinflusst. So erweitern sie sich z. B. betr\u00e4chtlich nach der Durchschneidung der vasomorischen Nerven oder auf Reizung der gef\u00e4sserweiternden Nerven in Folge der vermehrten Blutzufuhr.\nWir haben damit zugleich auf den wichtigsten Factor hingewiesen, welcher auf die Weite der Capillaren im Leben bestimmend wirkt, n\u00e4mlich auf die Blutmenge, welche in Folge der besonderen Verh\u00e4ltnisse des Blutstromes in dieselben eingetrieben wird. Von der Blutmenge, von der Elasticit\u00e4t und Dehnbarkeit der Capillarwand und von der Spannung im umgebenden Gewebe ist die Weite des Rohres im gegebenen Falle abh\u00e4ngig und darum w\u00e4hrend des Lebens begreiflicher Weise mannigfachem Wechsel unterworfen.\nX. Der Austritt toii weissen und rotlien Blutk\u00f6rperchen durch die Gef\u00e4sswand (Diapedesis).\nBei der Beobachtung des Kreislaufes unter dem Microscope kann man schon unter ganz normalen Verh\u00e4ltnissen sehen, dass weisse Blutk\u00f6rperchen, welche durch l\u00e4ngere Zeit an der Wand der Gef\u00e4sse ruhig liegen blieben, endlich ihre Masse in Form eines d\u00fcnnen Fortsatzes durch die Wand hindurchschieben. Die Spitze des nach aussen gelangten Theiles schwillt dann bald zu einem kleinen Kn\u00f6spchen an, welches langsam immer weiter w\u00e4chst, w\u00e4hrend die an der inneren Seite der Wand liegende Masse in demselben Verh\u00e4ltnisse\n1\tGolubew, Arch. f. microsc. Anat. V. S. 48. 1869.\n2\tTarchanoff, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 407. 1874.\n3\tStricker, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-natunv. Kl. LI. (2) S. 16. 1865; LII. (2) S. 379. 1866; LXXIV. (3) S. 313. 1877.","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326 Rollett, Physiol, d. Blutbewegung. 6. Cap. Blutbeweg, in d. Capillargef\u00e4ssen.\nMeiner wird. In einem vor\u00fcbergehenden Stadium h\u00e4ngen dann zwei gleiche H\u00e4lften des Blutk\u00f6rperchens mittelst eines engen, in der Wand steckenden Halses zusammen. Dann kehrt sich das Verh\u00e4ltniss der Gr\u00f6sse des herausgetretenen und des noch im Innern des Gef\u00e4sses befindlichen Theiles um. Der letztere reducirt sich auf ein kleines Kn\u00f6spchen, bis auch dieses verschwindet und bald die ganze Masse des K\u00f6rperchens ausserhalb des Gef\u00e4sses angelangt ist. W\u00e4hrend sich dieses Auswandern vollzieht, kann man sowohl an dem nach aussen gelangten Theile als auch an dem noch im Gef\u00e4sse befindlichen Theile des Blutk\u00f6rperchens das Austreiben und Wiedereinziehen von Forts\u00e4tzen beobachten. Das letztere besonders bei verlangsamtem Blutstrome.\nNach dem Vorg\u00e4nge Stricker\u2019s1 2 bezeichnet man diesen Durchtritt der Blutk\u00f6rperchen durch die unverletzte lebende Gef\u00e4sswand als Diapedesis. Ein Ausdruck, der schon bei \u00e4lteren Aerzten gebr\u00e4uchlich war, wegen der Vorstellung, welche sich dieselben \u00fcber die Natur gewisser Blutungen machten.\nZu einer massenhaften Auswanderung weisser Blutk\u00f6rperchen kommt es bei der Entz\u00fcndung und wurde gerade dieser Vorgang zuerst von Waller 2 beschrieben aber von anderer Seite wenig beachtet, bis Cohnheim3 denselben wieder beobachtete und als die Ursache der eitrigen Infiltration der Gewmbe bei der Entz\u00fcndung darstellte. Schon etwms fr\u00fcher hatte aber Stricker4 in die Gef\u00e4ssvmnd eingeklemmte und schliesslich durch dieselbe nach aussen geschl\u00fcpfte rotlie Blutk\u00f6rperchen beobachtet. Diesen Austritt rother Blutk\u00f6rperchen sah dann Prussak5 nach Einspritzen einer 10%igen L\u00f6sung von CIS a in die Lymphs\u00e4cke beim Frosch sehr reichlich auftrete n.\nHering6 beobachtete zuerst die Auswanderung der weissen Blutk\u00f6rperchen unter normalen Verh\u00e4ltnissen und sah dieselben in die Lymphgef\u00e4sse \u00fcberwandern, was von Heller7, Thoma8 u. A. best\u00e4tigt wurde.\nDer Austritt rother Blutk\u00f6rperchen ist unter normalen Verh\u00e4ltnissen sehr selten, wird aber ausser nach dem schon erw\u00e4hnten Einfl\u00fcsse reichlicher bei der Entz\u00fcndung, namentlich aber bei ven\u00f6ser Stauung beobachtet (Cohnheim9, Arnold10).\n1\tStricker, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. LII. (2) S. 379. 1866.\n2\tWaller, Philos. Magaz. XXIX. S. 271. 397. 1846.\n3\tCohnheim, Arch. f. path. Anat. XL. S. 1. 1867.\n4\tStricker a. a. 0.\n5\tPrussak, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. LVI. (2) S. 13. 1867.\n6\tHering, Ebenda. S. 691.\n7\tHeller, Unters, \u00fcb. d. feineren Vorg\u00e4nge, bei d. Entz\u00fcnd, etc. Erlangen 1869. S Thoma, Die Ueberwand. farbl. Blutk\u00f6rper von dem Blut in das Lymphgef\u00e4ss-\nsystem. Heidelberg 1873.\n9 Cohnheim, Arch. f. pathol. Anat. XLI. S. 224. 1867.\n10 Arnold, Ebenda. LVHI. S. 203. 1873.","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"Austritt der weissen u. rothen Blutk\u00f6rperchen durch die Capillarwand. 327\nEs wurde schon oben darauf hingewiesen, dass die Diapedesis zur Discussion der Existenz oder Nichtexistenz pr\u00e4formirter Oeff-nungen im Gef\u00e4ssendothel Veranlassung gab und dass diese Frage im letzteren Sinne entschieden worden ist. Hering 1 hat die hohe Dehnbarkeit und vollkommene Elasticit\u00e4t der Blutk\u00f6rperchen als erkl\u00e4rende Momente ihres Durchtrittes durch die unversehrte Ge-f\u00e4sswand hervorgehoben und darauf aufmerksam gemacht, dass die Gef\u00e4sswand nach Art eines Filter f\u00fcr colloide Substanzen jedweder Art durchg\u00e4ngig ist und dass der Durchtritt colloider Injections-massen nicht so sehr von der H\u00f6he als von der Dauer des Druckes im Gef\u00e4sse abh\u00e4ngig ist. F\u00fcr die weissen Blutk\u00f6rperchen kommt dabei noch \u00fcberdies ihre Klebrigkeit, der zu Folge sie an der Wand des Gef\u00e4sses festhaften, in Betracht.\nF\u00fcr die massenhafte Extravasation der weissen Blutk\u00f6rperchen bei der Entz\u00fcndung hat Schklarewsky 2 hervorgehoben, dass nicht die Erh\u00f6hung des Blutdruckes \u00fcberhaupt zur reichlicheren Filtration der weissen Blutk\u00f6rperchen f\u00fchrt. Druckerh\u00f6hung bringt, wie Cohnheim1 2 3 bei der ven\u00f6sen Stauung beobachtete, Diapedesis der rothen Blutk\u00f6rperchen hervor. Bei der Entz\u00fcndung komme vielmehr die Anh\u00e4ufung der rothen Blutk\u00f6rperchen im Axenstrom in Betracht, die bedingt, dass die Grenze der in Folge der Anwesenheit der rothen Blutk\u00f6rperchen verdichteten Fl\u00fcssigkeit4 von der Axe gegen die Wand vorr\u00fcckt, wobei die in den peripheren Fl\u00fcssigkeitsschichten befindlichen weissen Blutk\u00f6rperchen mit jenen selbst nach Aussen gepresst werden.\nDie Bedeutung des f\u00fcr die Blutk\u00f6rper durchg\u00e4ngigen Filters kommt nach den fr\u00fcher mitgetheilten Thatsachen5 den die Endothelzellen scheidenden Kittlinien zu.\n1\tHering, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. LVII. (1) S. 170. 1368.\n2\tSchklarewsky, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 657. 1863.\n3\tCohnheim a. a. 0.\n4\tS. oben S. lu u. 315.\n5\tS. oben S. 324.","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328 Rollett, Physiologie d. Blutbewegung. 7. Cap. Blutbewegung in den Venen.\nSIEBENTES CAPITEL.\nDie Blutbewegung in den Venen.\nI. Bau und Eigenschaften der Venenwaiidung.\nDie Wand der Venen besitzt einen geschichteten Bau, \u00e4hnlich wie die der Arterien. Die innerste Lage bildet wieder das Endothelrohr. Die Belegmassen desselben enthalten in den Venen viel weniger elastische Elemente als in den Arterien, auch die Muskeln sind in geringerer Menge vorhanden, daf\u00fcr aber das Bindegewebe \u00fcberwiegend. Mit der Zunahme des Durchmessers der Venen nimmt im Allgemeinen auch die Dicke der Wand zu, sie bleibt aber auch an den grossen Venen weit hinter der Dicke der Wand der entsprechenden Arterien zur\u00fcck.\nIn Bezug auf die Menge, Vertheilung und Anordnung der Muskeln herrschen zwischen verschiedenen, gleich grossen Venen noch viel gr\u00f6ssere Unterschiede als bei den Arterien. Eine Einteilung nach dem Caliber ist auch hier nicht durchf\u00fchrbar.\nVon den tiefen zu den oberfl\u00e4chlichen Venen nimmt die Menge der elastischen und muscul\u00f6sen Elemente zu; sie ist kleiner in absteigend als in den aufsteigend verlaufenen Venen; die in den Muskeln und Knochen enthaltenen Venen besitzen keine Muskeln (Bardeleben1).\nWas die elastischen Eigenschaften der Venen betrifft, so fand man f\u00fcr sehr kleine Gewichte die Dehnungen wie die Gewichte (Braune2) dar\u00fcber hinaus weniger rasch als die Gewichte (Braune, Bardeleben3) wachsen. F\u00fcr mittlere Belastungen soll das Dehnungsgesetz durch eine Parabel dargestellt sein (Bardeleben). Die sehr betr\u00e4chtliche elastische Nachwirkung verl\u00e4uft bei den Venen sehr langsam; sie m\u00fcssten w\u00e4hrend des Lebens \u00fcberm\u00e4ssig gedehnt werden, wenn nicht die Muskeln der bleibenden Dehnung entgegenwirkten (Bardeleben4). Der Zerreissungswiderstand der Venenwand ist gr\u00f6sser befunden worden\n1\tBardeleben, Sitzgsber. d. Jenaiscben Ges. f. Med. u. Naturwiss. 1877. p. VII.\n2\tBraune, Beitr. z. Anat. u. Physiol. Festgabe f. C. Ludwig. I. Leipzig 1875.\n3\tBardeleben a. a. 0. ; Jenaische Ztschr. f. Naturw. XII. S. 21. 1878.\n4\tBardeleben a. a. 0.","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der Venen. Kr\u00e4fte f\u00fcr die Bewegung des Blutes in den Venen. 329\nals jener der Arterien (Wintringham1, Wertheim2); scheinbar widersprechende Resultate sind wahrscheinlich auf die Vernachl\u00e4ssigung der relativen Dicken von Arterien- und Venenwand zur\u00fcckzuf\u00fchren.\nEine wichtige Einrichtung an den Venen sind die in denselben vorhandenen Klappen.\nEs sind Ventile, nach dem Principe der Semilunarklappen an den arteriellen Ostien des Herzens wirkend. Die Taschen entleeren sich in der Richtung zum Herzen, w\u00e4hrend sie die r\u00fcckl\u00e4ufige Fl\u00fcssigkeit auffangen und im angef\u00fcllten Zustande das Lumen des Gef\u00e4sses ver-schliessen. Die Venenklappen enthalten viele Muskelfasern (Wahl-gren3, Bardeleben4). Die Klappen beginnen in Zweigen von weniger als 2 Mm. Durchmesser und folgen in den einzelnen Venen mehr oder weniger dicht aufeinander.\nII. Die Kr\u00e4fte, welche auf die Fortbewegung des Blutes\nin den Venen wirken.\nAuf die Fortbewegung des Blutes in den Venen wirkt die nach dem Durchtritt des Blutes durch die Capillaren noch disponible Triebkraft, welche vom Herzen aufgebracht wird.\nSie sollte uns einen Strom besorgen, der durch jeden Querschnitt der ven\u00f6sen Blutbahn zeitlich mit sehr gleichm\u00e4ssiger Geschwindigkeit hindurchtreten sollte ; r\u00e4umlich m\u00fcsste aber die Geschwindigkeit dieses Stromes in der Richtung von den capillaren Anf\u00e4ngen des Venenwerkes zu den grossen Venen hin wegen der Verengerung der Strombahn von Querschnitt zu Querschnitt zunehmen. Auch der Abfall des Druckes m\u00fcsste sich sehr regelm\u00e4ssig gestalten. Diese Folgerungen ergeben sich unmittelbar, wenn man bedenkt, dass die Schwankungen des Blutdruckes und der Geschwindigkeit, welche wir im arteriellen Systeme beobachtet haben, sich nicht in die Venen hinein fortpflanzen.\nIn der That ist aber eine so regelm\u00e4ssige Fortbewegung des Blutes in den Venen h\u00f6chstens vor\u00fcbergehend vorhanden und das ist einer Reihe von Einfl\u00fcssen zuzuschreiben, welche neben der Herzkraft auf die Fortbewegung des Venenblutes sich geltend machen.\nDahin geh\u00f6ren:\n1\tWintringham, Experimental Inquiry on sume parts of animal struct, p. 100. London 1740.\n2\tWertheim a. a. 0.\n3\tWahlgren Kort fromstallning af vensystemets alm\u00e4nna anatomi Ak. Afhand. Lund 1851 citirtnacli Henle, Jahresber. 1851. S. 31.\n4\tBardeleben, Sitzgsber. d. Jenaiscben Ges. f. Med. u.Naturwiss. 1877. S. VIII.","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330 Rollett, Physiologie cl. Blutbeweguiig. 7. Cap. Blutbewegimg in den Venen.\n1. Die Aspiration durch den Brustraum.\nDas An- und Abschwellen der blossgelegten Halsvenen des Hundes in Folge der respiratorischen Bewegungen des Thorax war nach dem Zeugnisse Morgagni\u2019s1 schoii Valsalva bekannt. Sp\u00e4ter bildete der Einfluss der Athembewegungen auf den Blutlauf in den Venen den Gegenstand vielfacher Experimente Poiseuille\u2019s'2, wozu sich derselbe des von ihm eingef\u00fchrten Manometers bediente.\nGel\u00e4uterte Anschauungen dar\u00fcber er\u00f6tfnete uns aber erst Don-ders durch seine Studien \u00fcber den intrathoracischen Druck. Don-ders\u2019 Nachweis des negativen Druckes in der Brusth\u00f6hle wurde schon oben (S.-274) dargestellt. Als Grund f\u00fcr denselben haben wir die relative Unnachgiebigkeit der Brustwand und die elastische Kraft der Lunge kennen gelernt.\nDagegen lastet auf der \u00e4usseren Oberfl\u00e4che der ausserhalb des Brustkastens gelegenen Venen der Atmosph\u00e4rendruck oder ein noch etwas gr\u00f6sserer, da sich zu jenem die Spannung der Gewebe addirt, durch welche die Venen verlaufen.\nDas Blut wird also in jedem Moment gegen die Brusth\u00f6hle hin beschleunigt. Wir haben ferner gesehen, dass die respiratorischen Schwankungen des intrathoracischen Druckes beim ruhigen Athmen nur gering sind und erst gr\u00f6sser werden, wenn die Athmung sich vertieft oder behindert ist. Das inspiratorische Ab- und exspirato-rische Anschwellen blossgelegter Halsvenen tritt in erh\u00f6htem Maasse auf, so wie man durch Zuhalten der Luftr\u00f6hre die Schwankungen des intrathoracischen Druckes vergr\u00f6ssert; die Erscheinung ist eben so an der unteren Hohlvene nach Er\u00f6ffnung der Bauchh\u00f6hle zu sehen. In peripherischen Venen ist der Einfluss der Athembewegungen nicht in derselben Weise wahrzunehmen. Bei ruhigem und seichtem Athmen wegen des geringen Umfanges der Schwankung; bei tiefem und behindertem Athmen, bei der Inspiration wegen der raschen Entleerung der dem Brustkasten zun\u00e4chst liegenden Venen, die ein Zuklappen der Venen zur Folge hat, bei der Exspiration aber hindern die Klappen die Wirkung der Pressung auf die peripheren Venen.\nDas Anschwellen der Halsvenen beim Schreien, kr\u00e4ftigen Blasen, Singen f\u00e4llt in die Reihe der besprochenen Erscheinungen.\nEndlich sei noch gedacht des Lufteintrittes in ge\u00f6ffnete Venen\n1\tMorgagni, De sedibus et causis morborum. Epist. XIX.\n2\tPoiseuille , Recherch. sur la cause des mouvem. du sang dans les vein. Paris 1830.","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"Brust- ii. Herzaspiration; Bewegung der willk\u00fcrl. Muskeln.\n331\nin der N\u00e4he des Brustkastens. Eine Erscheinung, welche sich aus dem negativen intrathoracischen Druck erkl\u00e4rt. Nachdem sie bei chirurgischen Operationen beim Menschen beobachtet und ihre lethale Wirkung1 erkannt worden war, ist sie der Gegenstand einer sehr umfangreichen Literatur2 geworden.\n2. Die Aspiration durch das Herz.\nIn einer gebogenen Glasr\u00f6hre, welche mit einem Ende in die Jugularvene des Pferdes eingef\u00fchrt, mit dem anderen Ende unter Wasser getaucht war, beobachteten Wedemeyer3 und G\u00fcnther ausser dem respiratorischen Ansaugen ein in k\u00fcrzeren Perioden synchron mit den Herzschl\u00e4gen, und zwar, wie sie meinten, mit der Diastole des Herzens erfolgendes Ansaugen.\nWeyrich4 wiederholte denselben Versuch beim Hund und f\u00fcgte kymographische Messungen dazu, auf welche wir noch sp\u00e4ter verweisen werden. Auch Weyrich findet eine doppelte Aspiration. Die mit den Herzschl\u00e4gen synchrone bezeichnet er als Vorhofsaspiration. Man vergleiche, was oben S. 174 \u00fcber die Saugwirkung des Herzens gesagt wurde.\n3. Bewegungen der willk\u00fcrlichen Muskeln.\nVenen, die eingebettet zwischen Muskeln verlaufen, werden bei der Contraction der letzteren wegen der Nachgiebigkeit ihrer Wandungen leicht zusammengedr\u00fcckt. Die Richtung, in welcher der Inhalt- dabei entweicht, ist die nach den gr\u00f6sseren Venen und dem Herzen hin. Das Ausweichen in der entgegengesetzten Richtung ist durch die Klappen gehindert. Von dieser Seite her wird sich aber das durch die vis a tergo vor der zusammengedr\u00fcckten Stelle gestaute Blut in die entleerte Vene ergiessen, wenn der Druck wieder aufgehoben wird. Wiederholte Contractionen der Muskeln, wie sie bei k\u00f6rperlichen Bewegungen Vorkommen, werden also im Zusammenh\u00e4nge mit den Klappen, die den R\u00fcckfluss hindern, einen wesentlich f\u00f6rdernden Einfluss auf die Bewegung des Blutes in den Venen aus\u00fcben. Bei l\u00e4nger w\u00e4hrendem Verschluss einer Vene an\n1\tMagendie, Journ. de physiol. I. p. 190. 1821.\n2\tYgl. Milne-Edwards , Le\u00e7ons sur la physiol, et l\u2019anat. comp. IY. p. 319. Paris 1859.\n3\tWedemeyer, Unters, \u00fcb. d. Kreislauf des Blutes etc. Hannover 1828.\n4\tWeyrich, De cordis aspiratione exp\u00e9rimenta. Dorpati 1853.","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 7. Cap. Blutbewegung in den Venen.\nbestimmter Stelle kann in dem von der Versclilussstelle gegen die Peripherie hin liegenden Theile durch Pressung von Seite der Muskeln ein abnorm hoher Druck dadurch erzeugt werden, dass das wegen der Klappen immer wieder in derselben Richtung zum Herzen hin entleerte Blut sich unterhalb der verschlossenen Stelle ansammelt. Diese Thatsache erkl\u00e4rt auch die abnorm hohen Zahlen, welche mit central in der Richtung gegen die Peripherie in die Venen eingef\u00fcgten Manometern f\u00fcr den Blutdruck in den Venen (s. unten) gefunden werden, wenn die Thiere sich heftig bewegen.\n4. Die Lagever\u00c4nderung der Gliedmassen in den Gelenken.\nBraune1 sah die unter dem Lig. Poupartii in der Foss. oval, liegende Schenkelvene zusammenfallen, wenn der Schenkel nach aussen gerollt und nach hinten gestreckt wurde. Dagegen f\u00fcllte sie sich strotzend, wenn der Schenkel in seine fr\u00fchere Lage zur\u00fcckgebracht wurde. Das Manometer zeigte im ersteren Falle einen negativen, im letzteren Falle einen positiven Druck an. Alle in die V. femoralis m\u00fcndenden Venen besitzen an ihren Eintrittsstellen Klappen, welche den Durchtritt des Blutes in die Schenkelvene aber nicht umgekehrt gestatten. In geringem Grade kommt die obige Bewegung bei jedem Schritte vor, und wirkt die Einrichtung wie ein Saug- und Druckapparat f\u00f6rdernd auf die Bewegung des Venenblutes.\nFerner zeigte Braune2, dass bei gewissen K\u00f6rperstellungen die Venen so gespannt werden, dass ihre W\u00e4nde dem \u00e4usseren Druck einen Widerstand entgegensetzen und eine Volumsvergr\u00f6sserung auftritt, welche eine Ansaugung bewirkt. Ein mit Ventilen versehenes Kautschukmodell liess die Wirkung nachahmen. Die Hauptvenenst\u00e4mme des K\u00f6rpers befinden sich im Zustande h\u00f6chster Spannung bei Spreizung der im Knie gestreckten Beine, Ueberstreckung des Rumpfes und Streckung der horizontal gehaltenen Arme mit geballter Faust. Dagegen zeigen sie die gr\u00f6sste Erchlaffung in hockender Stellung. Durch die Spannung der Venen bei gewissen K\u00f6rperstellungen und Erschlaffung bei anderen ist im Zusammenwirken mit den Klappen ein beschleunigendes Moment f\u00fcr den Blutlauf in den Venen gegeben.\n5. Die Schwere.\nWegen der grossen Dehnbarkeit der Venen wird die Schwere auf den ven\u00f6sen Blutlauf einen gr\u00f6sseren Einfluss gewinnen als auf\n1\tBraune, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XXII. S. 261. 1870.\n2\tDerselbe, Beitr. z.Anat. u. Physiol. Festgabe f.C. Ludwig. S. I. Leipzig 1875.","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"Lagenver\u00e4nderung der Glieder; Schwere. Bestimmung des Blutdruckes. 333\nden Blutlauf in den Arterien. Sie kann zwar zun\u00e4chst auf die Bewegung des Blutes keine Wirkung aus\u00fcben, wohl aber auf die Verth eilung und dadurch mittelbar auf die Bewegung.\nSie beg\u00fcnstigt die Entleerung absteigend und beeintr\u00e4chtigt die Entleerung aufsteigend verlaufender Venen. Unter sonst gleichen Umst\u00e4nden werden darum die ersteren weniger, die letzteren mehr mit Blut erf\u00fcllt sein; der Druck wird in den ersteren geringer als in den letzteren sein. Tritt aber nun ein Wechsel der Lage ein, so dass fr\u00fcher absteigend verlaufende Venen jetzt aufsteigend verlaufen und umgekehrt, so wird beim Uebergang in die aufsteigende Lage der Zufluss vermehrt, der Abfluss verringert und umgekehrt beim Uebergang in die absteigende Lage. Damit stimmen die Versuche von Paschutin1 2 \u00fcberein.\nDie Venen, in welchen w\u00e4hrend des Lebens gew\u00f6hnlich die Bewegung der Schwere entgegen geschieht, sind mit einer gr\u00f6sseren Menge Muskeln ausgestattet (Bardeleben-). F\u00fcr diese Venen sind die Klappen noch von der besonderen Bedeutung, dass sie compensirend auf den hydrostatischen Druck wirken. In solchen Venen kommt es, wenn die Muskeln nicht gen\u00fcgend entgegenwirken, am leichtesten zu bleibenden Dehnungen (Varices an den unteren Extremit\u00e4ten).\nIII. Blutdruck und Stromgesckwindigkeit in den Venen.\nBestimmungen des Blutdruckes in den Venen haben mit grossen Schwierigkeiten zu k\u00e4mpfen und m\u00fcssen sehr vorsichtig ausgef\u00fchrt werden.\nEndst\u00e4ndiges Einbinden des Manometers f\u00fchrt, wie Poiseuille\u2019s3 Versuche ergaben, zu Drucken, welche die H\u00f6he des arteriellen Blutdruckes erreichen; die durch das Manometer verschlossene Vene verh\u00e4lt sich in diesem Falle nur wie eine Verl\u00e4ngerung des Manometerschenkels selbst, der mittelst der Capillaren in die Arterien eingesetzt ist. Was gemessen wird ist in diesem Falle der Arteriendruck selbst; aber es k\u00f6nnen, wie schon fr\u00fcher bemerkt, noch viel h\u00f6here Drucke in der Vene beobachtet werden, wenn in Folge ausgiebiger Muskelcontractionen das Blut in die vom Manometer verschlossene Vene hineingepresst wurde.\nBei seitlichem Einsatz des Manometers, welchen Mogk4 zuerst in Anwendung brachte, muss man sich gegen ein Zusammendr\u00fccken der Vene durch den Manometereinsatz selbst, gegen st\u00f6rende Bewegungen des Thieres\n1\tPaschutin. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1879. S. 625. 641.\n2\tBardeleben a. a. 0.\n3\tPoiseuille, Recherch. sur les caus. du rnouv. du sang dans les vein. Paris\n1830.\n4\tMogk. Ztschr. f. rat. Med. III. S. 33. 1844.","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 7. Cap. Blutbewegung in den Venen.\nund gegen \u00e4usseren Druck und straffe Spannung der thierischen Theile sorgf\u00e4ltig sch\u00fctzen, wir haben gesehen wie wesentlich solche Einfl\u00fcsse auf den Blutstrom in den klappenf\u00fchrenden Venen sich geltend machen. Diesen Umst\u00e4nden ist es auch zuzuschreiben, dass eine Reihe vorliegender Bestimmungen des ven\u00f6sen Blutdruckes1 nur mit Vorsicht aufzunehmen sind.\nLudwig und Volkmann2 fanden den Mitteldruck in der oberen Hohlvene des Hundes negativ.\nWeyeich3 fand mittelst des Quecksilbermanometers, wenn das Verbindungsst\u00fcck desselben tief in die Jugularvene (bis an den Vorhof) eingeschoben wurde, einen negativen Druck und Schwankungen von 2\u20143 Mm., welche den Herzschl\u00e4gen synchron waren und solche von 5\u20148 Mm., die der Respiration entsprachen. Die Schwankungen h\u00f6rten auf so wie die Manometercan\u00fcle bis \u00fcber die Klappen der Jugularis zur\u00fcckgezogen wurde.\nJacobson4, welcher sich des SPENGLER\u2019schen Manometereinsatzes bediente, fand unter m\u00f6glichst geringer St\u00f6rung der normalen Verh\u00e4ltnisse negative Drucke beim Schaf in der Vena anon. sinist. (\u2014 0.1. Mm.), subclav. dextr. (\u2014 0.1 Mm.), jug. sin. (\u2014 0.6 Mm.); in einer Armvene (\u2014 0.1 Mm.); positive Drucke in der Vena jug. dext. (4- 0.2 Mm.), fac. ext. (+ 0.3 Mm.), fac. int. (+ 5.2 Mm.), brachial. (+ 4.1 Mm.), in einem Zweig der Vena brachial. (+ 9.0 Mm.), in der Vena crur. (4- 11.4 Mm.). Bei einem rasch athmenden Hunde fand sich ein positiver Druck in der Vena anon. dext. (+1.5 Mm.). Die Athembewegungen bewirkten nur in den dem Herzen n\u00e4heren Venen (V. jug. und subcl.) Schwankungen (von etwa 0.9 Mm.), in den V. facial, waren sie nur mehr schwach zu sehen.\nDer Blutdruck nimmt also in den Venen von den Zweigen gegen die St\u00e4mme hin ab. Er ist in den Venen um vieles niedriger als in den Arterien.\nWir haben fr\u00fcher als die eigentliche Ursache der Strombewegung des Blutes die vom Herzen unterhaltene Druckdifferenz zwischen Arterien und Venen kennen gelernt. Die Strombewegung des Blutes entspricht der fortw\u00e4hrenden Tendenz der Fl\u00fcssigkeitstheilchen, sich ins Gleichgewicht der Spannung zu setzen.\nEs ist darum von Interesse, zu untersuchen, welche Zunahme der Blutdruck in den Venen erf\u00e4hrt, wenn der Blutdruck in den Arterien um ein bestimmtes Maass sinkt und umgekehrt.\n1\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 171 u. S. 356, wo sich Bemerkungen \u00fcber die Bestimmungen von Mogk finden.\n2\tVolkmann a. a. O. 1850. S. 355.\n3\tWeyrich, De cordis aspiratione experim. Dorpati 1853.\n4\tJacobson, Arch. f. pathol. Anat. XXXVI. S. 80. 1866.","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"Schwankungen u. Werthe d. ven\u00f6s. Druckes ; Geschwindigkeit d. Blutstromes. 335\nBrunner\u2019s schon fr\u00fcher1 erw\u00e4hnte Versuche haben ergeben, dass der Blutdruck in den Venen nur unbetr\u00e4chtlich steigt, wenn er in den Arterien sehr betr\u00e4chtlich sinkt. So kam es vor, dass nach 30 Se-cunden dauernder Sistirung der Herz- und Athembewegungen der Blutdruck in der Carotis 38\u201457 mal mehr gesunken war als er gleichzeitig in der Jugularvene stieg.\nDiese Thatsache erkl\u00e4rt sich aus der verschiedenen Ger\u00e4umigkeit der Arterien und Venen, die eine Folge der grossen Nachgiebigkeit der Venenw\u00e4nde im Vergleich zu den Arterienw\u00e4nden ist ; eine Quantit\u00e4t Blut, welche einen grossen Bruchtheil des Inhaltes der Arterien vorstellt, ist ein sehr kleiner Bruchtheil des Veneninhaltes. Die Venen k\u00f6nnen aber wegen der Dehnbarkeit ihrer Wandungen eine grosse Menge von Fl\u00fcssigkeit fassen, ehe die Spannung in denselben m\u00e8rklich w\u00e4chst, w\u00e4hrend die nur wenig dehnbare Arterienwand bedingt, dass selbst durch geringe Herabsetzung des Inhaltes schon eine betr\u00e4chtliche Entspannung eintritt.\nEs ergiebt sich leicht, dass die mittlere Spannung im Gef\u00e4ss-systeme f\u00fcr den Fall als die Sistirung der Herzth\u00e4tigkeit so lange w\u00e4hrt, dass die Druckdifferenz zwischen Arterien und Venen v\u00f6llig abgeglichen ist (Spannung des ruhenden Blutes), nicht das Mittel zwischen dem anf\u00e4nglichen Druck in Arterien und Venen sein kann, sondern kleiner sein muss. Das Herz erh\u00f6ht also die mittlere Spannung der das Gefasssystem erf\u00fcllenden Fl\u00fcssigkeit, wie auch Don-ders'2 entgegen E. H. Weber3 vertheidigte.\nUeber Venenpuls vergleiche noch S. 178 oben und Bamberger4, Geigel5 6 und Friedreich0.\nBestimmungen der Stromgeschwindigkeit in den Venen hat Volkmann7 mittelst seines H\u00e4modromometers am Hunde ausgef\u00fchrt. Aus den sehr sp\u00e4rlichen Versuchen folgerte Volkmann eine Geschwindigkeit, welche bedeutend kleiner ist, als die in der betreffenden Arterie, das konnten Cyon & Steinmann8, nach Versuchen die an mit Opium oder Curare vergifteten Hunden mit Ludwig\u2019s Stromuhr ausgef\u00fchrt wurden, nicht best\u00e4tigen. Sie fanden vielmehr die Ge-\n1\ts. oben S. 247.\n2\tDonders, Nederl. Lancet. 3. s\u00e9r. III. p. 627. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1856. S. 456.\n3\tE. H. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1851. S. 524.\n4\tBamberger, W\u00fcrzb. med. Ztschr. IV. S. 232. 1863.\n5\tGeigel, Ebenda. S. 332.\n6\tFriedreich, Deutsch. Arch. f. klin. Med. I. S. 241. 1865.\n7\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 195.\n8\tCyon u. Steinmann, M\u00e9lang. biolog. tir. du Bull, de l\u2019acad. imp\u00e9r. de St. Petersburg. VIII. p. 53. 1871.","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 8. Cap. Die Dauer des Kreislaufes.\nsckwindigkeit in den Venen nickt viel verschieden von der in den entsprechenden Arterien; sie fanden ferner, dass die Geschwindigkeit \u00e4hnlichen Schwankungen unterliegt wie in den entsprechenden Arterien und er\u00f6rtern eine Reihe von F\u00e4llen \u00fcber den Einfluss, welchen vasomotorische Wirkungen auf die Arterien auf die Geschwindigkeit des Blutstromes in den Venen aus\u00fcben.\nACHTES CAPITEL.\nDie Dauer des Kreislaufes.\nUnter der Dauer eines Kreislaufes m\u00fcssen wir die Zeit verstehen, welche ein Bluttkeilcken braucht, um von einem Orte der Kreislaufsbahn, an welchem wir es zuerst beobachtet haben, nach Durcklaufung der ganzen Kreislaufsbahn wieder an den Ort zur\u00fcck zu gelangen, von welchem es ausgegangen ist.\nBei den Verh\u00e4ltnissen, wie sie f\u00fcr die Str\u00f6mung des Blutes im lebenden Organismus vorliegen, ist es klar, dass die mit einer Systole z. B. des linken Ventrikels entleerten Bluttkeilcken der Forderung einen Kreislauf zu vollenden d. h. aus dem linken Ventrikel durch die K\u00f6rperschlagadern, die K\u00f6rpercapillaren, die K\u00f6rpervenen, das rechte Herz, die Lungenschlagadern, die Lungencapillaren, die Lungenvenen, den linken Vorhof wieder zur\u00fcck in den linken Ventrikel zu gelangen, nur in sehr verschiedenen Zeiten werden gen\u00fcgen k\u00f6nnen. Denn die Bluttkeilcken werden je nachdem sie in eine der conaxialen Schichten des Stromes gelangen, die mit verschiedener Geschwindigkeit behaftet sind, mit der gr\u00f6ssten in der Axe herrschenden Geschwindigkeit oder mit einer der gegen die Peripherie hin abnehmenden Geschwindigkeiten sich vorw\u00e4rts bewegen.\nEs kommt ferner in Betracht, dass die aus dem Herzen entleerte Blutmenge auf die einzelnen Arme des verzweigten Stromes vertheilt wird; diese Stromarme haben aber eine verschiedene L\u00e4nge und die mittlere Geschwindigkeit ist in denselben verschieden, je nach den Widerst\u00e4nden, welche auf der Bahn des Stromarmes herrschen, endlich","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"K\u00fcrzeste Uebertragungszeit der Bluttheilchen.\n337\nwechselt die Geschwindigkeit in jedem Stromarm mit dem Wechsel der Querschnitte der Strombahn. Nach allem, was wir so eben vorgebracht haben, muss es aber scheinen, dass die Frage nach der Dauer eines Kreislaufes einer pr\u00e4cisen Beantwortung \u00fcberhaupt nicht f\u00e4hig ist.\nDas ist aber nur so lange der Fall, als wir sie ganz uneingeschr\u00e4nkt aufwerfen. Unter gewissen Einschr\u00e4nkungen kann sie gestellt und auch mit einiger Sicherheit und in einer practischen Bed\u00fcrfnissen gen\u00fcgenden Weise beantwortet werden.\nEs handelt sich nun darum, dass wir uns diese Einschr\u00e4nkung unserer Frage klar machen.\nWir stellen uns zu dem Ende vor, dass es uns m\u00f6glich w\u00e4re, alle rothen Blutk\u00f6rperchen, welche in der mit einer Systole des linken Ventrikels entleerten Blutmenge enthalten sind, rasch mit Merkzeichen zu versehen, an welchen wir sie, wenn sie nach Durch-laufung der ganzen Kreislaufsbahn wieder in den linken Ventrikel anlangen, leicht wieder erkennen k\u00f6nnten, dann w\u00fcrden bei der allgemeinen Beg\u00fcnstigung, welche die rothen Blutk\u00f6rperchen erfahren, dadurch, dass sie in den rasch bewegten Axenf\u00e4den vorw\u00e4rts getrieben werden, offenbar diejenigen rothen Blutk\u00f6rperchen am ehesten in dem linken Ventrikel wieder anlangen, welche in den Stromarmen, in die sie gelangten, die g\u00fcnstigsten Bedingungen f\u00fcr die Ueber-tragung vorfanden. W\u00fcrden wir aber die Zeit von der stattgehabten Merkung der Blutk\u00f6rperchen bis zum Anlangen der ersten gemerkten Blutk\u00f6rperchen an dem Ort, wo die Merkung stattgefunden hat, messen, so w\u00fcrden wir erfahren die k\u00fcrzeste Zeit, die \u00fcberhaupt noth-wendig ist, damit ein Bluttheilchen einmal den Kreislauf vollenden kann. Was wir hier f\u00fcr einen bestimmten Ausgangspunct entwickelt haben, l\u00e4sst sich, wie man leicht finden wird, f\u00fcr jeden beliebigen Ausgangsort auf der Kreislaufsbahn in \u00e4hnlicher Weise \u00fcberlegen.\nWas wir aber an den Blutk\u00f6rperchen nicht auszuf\u00fchren im Stande sind, kann nun ersetzt werden dadurch, dass wir an einem bestimmten Orte der Kreislaufsbahn eine Fl\u00fcssigkeit ins Blut bringen, von der wir annehmen k\u00f6nnen, dass ihre Anwesenheit im Blute keine St\u00f6rungen hervorbringt, dass dieselbe nur die Geschwindigkeiten des Blutes und keine davon unabh\u00e4ngige oder doch nur zu vernachl\u00e4ssigende Eigengeschwindigkeit durch Diffusion annimmt , und dass sich die geringsten Mengen derselben mit Sicherheit wieder auffinden lassen.\nEine Fl\u00fcssigkeit, welche diese Bedingungen am besten erf\u00fcllt\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\t22","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338 Rollett, Physiologie der Blutbewegung. 8. Cap. Die Dauer des Kreislaufes.\nund unter deren Anwendung wir die oben n\u00e4her pr\u00e4cisirte Zeit zu messen im Stande sind, ist eine L\u00f6sung von gelbem Blutlaugensalz, welche Hering1 zu dem Zwecke der Bestimmung der Schnelligkeit des Blutlaufes zuerst benutzt hat.\nHering spritzte nach Blosslegung der beiden Jugularvenen beim Pferde in die eine derselben eine kleine Menge reiner 12 % enthaltender L\u00f6sung von Ferrocyankalium und \u00f6ffnete gleichzeitig die Jugular-vene der anderen Seite,'* um das Blut derselben in Gl\u00e4sern aufzufangen, die von 5 zu 5 Secunden w\u00e4hrend eines 50 bis 60 Secunden andauernden Versuches gewechselt wurden.\nSp\u00e4ter \u00e4nderte Hering sein Verfahren im Hinblick auf eine von Volkmann2 angedeutete, aber von diesem selbst als \u00e4usserst geringf\u00fcgig bezeichnete Fehlerquelle dahin ab, dass er die Jugularvene der anderen Seite 20 bis 30 Secunden nach der Injection \u00f6ffnete, um so die mit der Er\u00f6ffnung der Vene einhergehende Beschleunigung des Blutlaufes m\u00f6glichst auszuschliessen. Die in den Gl\u00e4sern aufgefangenen Blutproben blieben bis zur Bildung des Kuchens und Ausscheidung des Serum stehen, das letztere wurde mittelst Eisenchlorid auf die Anwesenheit von Blutlaugensalz gepr\u00fcft.\nVierordt3 verbesserte die Methode namentlich in Bezug auf die Zeitbestimmung, indem er Sammelgef\u00e4sse aus Porcellan auf einer rotirenden Scheibe anbrachte, die je eines derselben in circa V2 Secunde an dem Ausflussrohre des Gef\u00e4sses vor\u00fcberf\u00fchrte. Die Methode kann dann auch bei kleineren Thieren als das Pferd benutzt werden. Ausserdem bindet Vierordt die Spritze mit der Salzl\u00f6sung gef\u00fcllt in die eine der blossgelegten Venen, in die andere aber ein mit Hahn versehenes R\u00f6hrchen, dessen M\u00fcndung \u00fcber die Sammelgef\u00e4sse gestellt wird. Auf ein gegebenes Zeichen beginnt die Injection und f\u00e4ngt das Uhrwerk an sich zu bevegeii, nach einigen Secunden wird der Hahn im Ausflussgef\u00e4ss ge\u00f6ffnet. Die Zahl des Tiegelcliens l\u00e4sst die Zeit, zu welcher das betreffende Tiegelchen nach der Injection gef\u00fcllt wurde, leicht finden. Auch versch\u00e4rfte Vier-ordt die Empfindlichkeit der Reaction mit Eisenchlorid.\nSo wie die Jugularvene der gegen\u00fcberliegenden Seite kann man auch eine beliebige andere zug\u00e4ngliche Vene als Ausflussgef\u00e4ss verwenden und so die Abh\u00e4ngigkeit der Uebertragungszeit von der L\u00e4nge der Bahnen studiren.\nHering erhielt bei gesunden Pferden im Mittel f\u00fcr die k\u00fcrzeste Uebertragungszeit (Kreislaufsdauer) 31.5 Secunden; Vierordt4 f\u00fcr den Hund 16.7 Secunden, f\u00fcr das Kaninchen 7.46, die Ziege 14.14.\nBeim Hund fand Vierordt5 f\u00fcr die Uebertragungszeit nach der\n1\tHering, Tiedemann u. Treviranus\u2019 Ztschr. f. Physiol. III. S. 85. 1829 : \\ . S. 58. 1833; Arch. f. physiol. Heilk. XII. S. 112. 1853.\n2\tVolkmann, H\u00e4modynamik. S. 254.\t.\n3\tVierordt, Erscheinungen 11. Gesetze d. Stromgeschwmcligkeit. b. \u00f6d.\n4\tVierordt a. a. O. S. 128.\n5\tIbid. S. 118.","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Bestimmung nach Hering u. Vierordt, ermittelte Werthe.\n339\nJugularvene der entgegengesetzten Seite verglichen mit der Ueber-tragungszeit von der Jugularvene nach der Cruralvene\n\tVon der einen Jugularis auf die andere\tVon der Jugularis auf die Cruralis\n\tSec.\tSec.\n1.\t18.92\t21.76\n2.\t17.98\t20.45\n3.\t14.95\t16.65\n4.\t13.46\t13.46\nMittel\t16.32\t18.08\nDass f\u00fcr die lange Bahn keine auffallend gr\u00f6ssere Uebertragungs-zeit gefunden wird als f\u00fcr die k\u00fcrzere, erkl\u00e4rt sich aus der verh\u00e4lt-nissm\u00e4ssig grossen Geschwindigkeit, mit welcher das Blut die Arterien und Venen durchl\u00e4uft, in Vergleich mit der geringen Geschwindigkeit, welche es in den Capillaren besitzt und welche Verz\u00f6gerung f\u00fcr alle Bahnen gleich ist.\nPoiseuille1, der Hering\u2019s Versuche bald wiederholte und seine Resultate im Allgemeinen best\u00e4tigte, fand, dass essigsaures Ammoniak und salpetersaures Kali, dem Blute in sehr verd\u00fcnnter L\u00f6sung zugesetzt, die Uebertragungszeit k\u00fcrzer macht, Zusatz von Alkohol sie verl\u00e4ngert, was in Uebereinstimmung mit seinen Versuchen \u00fcber die Wirkung der genannten Salze und des Alkohol auf den Ausfluss des Wassers aus Capillarr\u00f6hren stand. Das eingef\u00fchrte Blutlaugensalz wird bei der geringen Menge, in der es nach Vierordt angewendet wird, kaum einen Einfluss auf die Transspirationszeit des Blutes aus\u00fcben, was \u00fcbrigens jetzt experimentell gepr\u00fcft werden k\u00f6nnte (s. o. S. 319).\nAus einer grossen an verschiedenen Thieren angesteilten Versuchsreihe entnimmt Vierordt, dass die mittlere Kreislaufszeit mit der Zeit von 27 Herzschl\u00e4gen \u00fcbereinstimmt, und darnach sch\u00e4tzt er die Kreislaufsdauer des Menschen bei einer mittleren Pulsfrequenz von 72 in der Minute zu 23.1 Secunde. N\u00e4heres \u00fcber den Zusammenhang der Kreislaufszeit mit Pulsfrequenz, K\u00f6rpergewicht u. s. w. bei Vierordt, Ainser & Lohe2.\n1\tPoiseuille, Ann. des scienc. natur. 2. s\u00e9r. Zool. XIX. p. 30. 1843.\n2\tAinser u. Lohe, Ztschr. f. rat. Med. XXXI. (3) S. 186.\n22*","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340 Rollet, Physiologie der Blutbewegung. 8. Cap. Die Dauer des Kreislaufes.\nDie K\u00fcrze der Uebertragungszeit erkl\u00e4rt es, dass Substanzen, welche an einem bestimmten Orte ins Blut aufgenommen werden, ihre Wirkung aber an entlegenen Orten des Organismus aus\u00fcben (Gifte), so rasch nach der Einverleibung ihre Wirkung entfalten k\u00f6nnen und ebenso erkl\u00e4rt sich daraus die rasche Ausscheidung bestimmter Substanzen durch vom Einverleibungsorte entlegene Secre-tionsorgane.\nDruckfehler.\nSeite 8 letzte Zeile lies 1842 statt 1844.\n\u201e il dritte Zeile v. u. lies 2 Dogiel, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1879. S. 22.","page":340}],"identifier":"lit6202","issued":"1880","language":"de","pages":"1-340","startpages":"1","title":"Erster Theil: Blut und Blutbewegung","type":"Book Section","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:55:12.807694+00:00"}

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