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Erster Theil: Innervation der Kreislaufsorgane

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{"created":"2022-01-31T13:04:26.545331+00:00","id":"lit6203","links":{},"metadata":{"alternative":"Handbuch der Physiologie. Band 4: Handbuch der Physiologie des Kreislaufs, der Athmung und der thierischen W\u00e4rme","contributors":[{"name":"Aubert, Hermann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Handbuch der Physiologie. Band 4: Handbuch der Physiologie des Kreislaufs, der Athmung und der thierischen W\u00e4rme, edited by Ludimar Hermann, 341-460. Leipzig: F. C. W. Vogel","fulltext":[{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"DIE INNERVATION\nDER\nVON\nProf. Dr. H. AUBERT in Rostock.","page":341},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"EINLEITUNG.\n\u00bb\nDie Bewegung des Blutes ist in erster Linie bedingt durch die Bewegungen des Herzens, welche in ganz bestimmter Ordnung erfolgen m\u00fcssen, um den Eintritt des Blutes in die Herzh\u00f6hlen und seinen Austritt aus denselben in regelm\u00e4ssiger Folge geschehen zu lassen. Die Regulirung dieser Bewegungen erfordert ein Centralorgan, welches den Wechsel der Erschlaffung und der Contraction der Herzmuskulatur beherrscht und eine bestimmte Aufeinanderfolge der Muskelth\u00e4tigkeit f\u00fcr die einzelnen Abtheilungen des Herzens und f\u00fcr jede einzelne Muskelfaser des Herzens bewirkt. Ein derartiges Centralorgan muss nach den jetzigen Anschauungen aus Nervenfasern und Ganglien bestehen. Da diese regelm\u00e4ssige Aufeinanderfolge der Herzbewegungen, welche als Systole (Contraction) und Diastole (Erschlaf-fung) bezeichnet werden, auch an dem von dem \u00fcbrigen K\u00f6rper getrennten, isolirten Herzen stattfindet, so muss das regulirende Ner-vencentrum in dem Herzen selbst gelegen sein: es wird als in tern\u00e4r di ales Nervencentrum des Herzens bezeichnet.\nDa aber die Bewegungen des Herzens durch psychische Th\u00e4tig-keiten, durch die Athmung, durch verschiedene Empfindungen, \u00fcberhaupt durch Erregungen vieler Th eile des Nervensystems beeinflusst werden, so muss das intercardiale Nervencentrum auch mit anderen Theilen des Nervensystems in Verbindung stehen. Die Nerven, welche diese Verbindung vermitteln, bezeichnet man als extra car di aie Herznerven, und da sie wesentlich nur die Frequenz der Herz-contractionen beeinflussen, als Hemmungsnerven und als Beschleunigungsnerven. Die extracardialen Herznerven erhalten ihre Erregung von einem in dem verl\u00e4ngerten Marke gelegenen Cen-fralorgane, welches extracardialesHerznervencentrum heisst, auch regulatorisches Herzcentrum oder Hemmungscentrum des Herzens genannt wird.\nIn zweiter Linie ist die Bewegung des Blutes abh\u00e4ngig von der Weite der Blutgef\u00e4sse, beziehungsweise von dem Grade der Spannung ihrer Wandungen. Je enger die Gef\u00e4sse werden, um so gr\u00f6sser muss der Widerstand sein, welcher sich dem Fliessen des Blutes entgegenstellt und umgekehrt; je nachdem also die Muskeln in den Blut-","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nAubert, Innervation der Kreislaufs organe. Einleitung.\ngef\u00e4sswandungen contrahirt oder erschlafft sind, muss in der Zeiteinheit eine kleinere oder gr\u00f6ssere Menge Blut durch die Gef\u00e4sse str\u00f6men. Befindet sich eine Arterie in dem Zustande der Contraction, so wird zu dem von ihr versorgten Gef\u00e4ssbezirke weniger Blut str\u00f6men, als wenn die Wandungen derselben erschlafft, und damit dehnbarer sind : im letzteren Falle muss die F\u00fcllung der Gefasse mit Blut st\u00e4rker sein und das Organ blutreicher und r\u00f6ther erscheinen als im ersteren Falle, und es muss die Menge des Blutes, welches durch die Vene des Organes abfliesst oder aus der angeschnittenen Vene ausfliesst, eine gr\u00f6ssere sein. Da mit der Erweiterung der Blutgef\u00e4sse die Widerst\u00e4nde gegen die Str\u00f6mung abnehmen, so muss damit auch der Druck des Blutes in dem gesammten Gef\u00e4ssgebiete vermindert werden \u2014 und umgekehrt bei Verengerung der Blutgef\u00e4sse der Gesammtblut-druck zunehmen.\nDer Contractionszustand der Muskeln in den Gef\u00e4sswandungen wird beherrscht von den Gef\u00e4ssnerven oder vasomotorischen Nerve n : er kann in einem ganz beschr\u00e4nkten Bezirke des K\u00f6rpers in h\u00f6herem oder geringerem Grade vorhanden sein, oder sich auf einen grossen Bezirk, vielleicht auf die Arterien des gesammten K\u00f6rpers erstrecken. Nerven, durch deren Reizung eine Contraction der Gef\u00e4ssmuskeln herbeigef\u00fchrt wird, nennt man daher gef\u00e4ssvereng ende oder auch pressorische Nerven; Nerven, deren Reizung eine Erschlaffung der Gef\u00e4ssmuskeln bewirkt, gef\u00e4sserwei-ternde oder depressorische Nerven. Die Erfahrung, dass psychische Einfl\u00fcsse, Reizung sensibler Nerven, Empfindungen eine Ver\u00e4nderung in dem Contractionszustande der Gef\u00e4sse hervorbringen, dass also unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen ein gewisser mittlerer Contractionszustand der Blutgef\u00e4sse vorhanden sein muss, erfordert die Annahme eines gemeinsamen Organes, von welchem die Erregung der Gef\u00e4ssnerven regulirt und beherrscht wird: dieses regulatorische Organ wird Gef\u00e4ssnervencentrum oder vasomotorisches Centrum genannt. Insofern es Erregungen sensibler und anderer Nerven auf Gef\u00e4ssnerven \u00fcbertr\u00e4gt, ist es ein re fl ecto risches, insofern es einen fortdauernden Einfluss auf den Erregungszustand der Gef\u00e4ssnerven aus\u00fcbt, ist es ein tonisches Centrum.\nDie Nerven, welche die Herzth\u00e4tigkeit beherrschen und die vasomotorischen Nerven sind unabh\u00e4ngig von einander \u2014 beiderlei Nerven k\u00f6nnen unter Umst\u00e4nden in gleichem Sinne auf den Blutdruck einwirken, aber die Wege, auf welchen sie wirken, und die Mechanismen, durch welche sie gelegentlich in gleichem Sinne wirken, sind durchaus verschieden.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"ERSTE ABTHEILUNG.\nDIE INNERVATION DES HERZENS.\nEin Pumpwerk, welches von den ersten Anf\u00e4ngen bis zum Ende des Lebens in wesentlich gleicher Weise eine an Masse und Beschaffenheit wenig ver\u00e4nderliche Fl\u00fcssigkeit in Bewegung erhalten muss, wenn nicht das Leben bedroht werden soll, bedarf eines in der Hauptsache selbstst\u00e4ndigen und unabh\u00e4ngigen Regulators. Dieser Anforderung an das Herz wird Gen\u00fcge geleistet 1. durch den Rhythmus abwechselnder Contraction und Erschlaffung der Herzmuskulatur, 2. durch die jedesmal kurze Dauer der Contraction aller Herzmuskeln, nach deren Beendigung die ganze Muskulatur erschlafft und f\u00fcr eine neue Contraction disponibel wird, 3. durch die jedesmal ad maximum erfolgende Contraction und Erschlaffung der Muskulatur.\nDer Regulator f\u00fcr diese Bewegungen befindet sich im Herzen selbst und wirkt unabh\u00e4ngig von dem ganzen \u00fcbrigen Organismus, n\u00e4mlich an dem ausgeschnittenen und m\u00f6glichst blutleeren Herzen \u2014 in wie weit sich an seiner Zusammensetzung Nerven und Ganglien, in wie weit sich die Muskeln selbst daran betheiligen, l\u00e4sst sich nicht sicher begrenzen und wird sp\u00e4ter zu besprechen sein auf Grund anatomischer und physiologischer Untersuchungen.\nERSTES CAPITEL.\nDie intracardialen Nervencentra.\nDie an den Herzen aller Thiere beobachtete Erscheinung, dass das ausgeschnittene m\u00f6glichst blutleere Herz seine rhythmischen Bewegungen eine Zeit lang fortsetzt, dass directe Reizung seiner Oberfl\u00e4chen Contractionen der ganzen Herzmuskulatur hervorruft, fordern die Annahme, dass innerhalb des Herzens automatische oder reflee-","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346 Aubert. Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.\ntorische Nervenapparate gelegen sind, welche bestimmend und regu-lirend auf die Th\u00e4tigkeit der Herzmuskulatur einwirken. Diese Annahme st\u00fctzt sich ferner auf die Beobachtung, dass Verletzung oder Zerst\u00f6rung gewisser Theile des Herzens ein vollst\u00e4ndiges Aufh\u00f6ren oder eine l\u00e4ngere Unterbrechung der rhythmischen Herzpulsationen zur Folge hat, dass andere Eingriffe eine Beschleunigung der Schlagfolge veranlassen, dass Reizung extracardialer, zum Herzen gehender Nervenst\u00fcmpfe nicht die Wirkung einer Contraction der Muskeln des Herzens, wie bei den motorischen Nerven des \u00fcbrigen K\u00f6rpers hat, sondern vielmehr die Wirkung des Aufh\u00f6rens der Herzpulsationen w\u00e4hrend der Reizung, oder die Wirkung einer Beschleunigung der Schlagfolge. \u2014 Da sich nun in den Herzen aller Thiere Nervenfasern und Ganglien nachweisen lassen, so sieht man diese als die inter-cardialen Nervencentren an, welche die Bewegungen des Herzens reguliren.\nI. Anatomische Data.\nDie anatomischen Befunde von intercardialen Nervenelementen gen\u00fcgen bis jetzt nicht zur Erkl\u00e4rung der physiologischen Erscheinungen, da weder in allen Herzst\u00fccken, welche reflectorisch erregbar sind, Ganglien nachgewiesen werden k\u00f6nnen, noch ein Zusammenhang der Ganglien mit den Muskeln durch Nervenfasern nachgewiesen ist. Allerdings sind aber Ganglien und Nervenfasern an einzelnen Stellen des Herzens sowohl bei Warmbl\u00fctern als bei Kaltbl\u00fctern vorhanden und bei den Fr\u00f6schen sind es ganz bestimmte Haufen von Ganglien, welche an bestimmten Stellen des Herzens constant gefunden werden, namentlich da, wo die Vagus\u00e4ste auf die Scheidewand des Vorhofes gehen und an der Grenze von Vorhof und Kammer, also an Stellen von ganz besonderer physiologischer Dignit\u00e4t.\nBei Warmbl\u00fctern finden sich Ganglien an den vom Plexus car-diacus abgehenden Nervenf\u00e4den, welche theils in die Scheidewand der Ventrikel, theils an der Oberfl\u00e4che des Herzens unter dem Pericardium sich verbreiten.\nDie erste Beobachtung \u00fcber die Verbreitung der Nerven im S\u00e4ugethierherzen und das Vorkommen von Ganglienhaufen wurde von Remak am Kalbsherzen gemachtl 2, dann gab Robert Lee 2 detaillirtere Abbil-\n1\tRemak, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1S44. S. 463. \u2014 Man vergleiche dazu aber die Bemerkungen von Dogiel im Arch. f. mikroskop. Anat. XIV. S. 4(0. 1S77.\n2\tRobert Lee. Philos. Transact. I. p. 43, 47. 1S49.","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Anatomische Data.\n347\nd\u00fcngen von dem Verlaufe der Herznerven im Septum und an der Oberfl\u00e4che des Herzens einer jungen Kuh (heifer) mit eingelagerten Ganglien. Diese Untersuchungen best\u00e4tigten Cloetta1 und Schweigger-Seidel2, und Schklarewsky3 erweiterte dieselben an verschiedenen S\u00e4ugethier en und fand bei V\u00f6geln eine im Ganzen \u00e4hnliche Anordnung. Nach Schklarewsky bilden die durch Nervenfaserstr\u00e4nge zu Ketten verbundenen Herzganglien geschlossene Ringe, deren einer in dem Umfange der Vorhofsscheidewand, deren zweiter in der Atrioventriculargr\u00e4nze verl\u00e4uft; von ihnen gehen geflechtartig d\u00fcnnere Zweige mit kleinen Ganglien in die Muskulatur, ansehnlichere Zweige steigen an der Wand der Ventrikel herab; bei V\u00f6geln liegt ein mit blossem Auge erkennbares Ganglion hinten am Conflux der beiden Ganglienringe, bei S\u00e4ugern war ein Analogon zu demselben nicht zu finden. Nach Dogiel4 liegen die Herzganglien an den Einm\u00fcndungsstellen der grossen Venen in das Herz und an der Grenze zwischen Vorhof und Ventrikel. \u2014 In der Kammerwand von S\u00e4ugethieren konnte Schweigger-Seidel zahlreiche Nervenfasern mit Kernanschwellungen (Endigung?) nachweisen.\nZu dem Herzen des Frosches gehen nur Aeste des N. vagus und zwar von jedem der beiderseitigen Vagi ein Ast; diese beiden Aeste gehen mit den Jugularvenen bis in den Vereinigungswinkel derselben, wo sie zu einem Plexus und Ganglion, dem Vorhofsganglion zusammentreten, dessen Zellen eine makroskopische Anschwellung bilden. Von hier aus verlaufen sie getrennt auf der Scheidewand des Vorhofes als hinterer und vorderer Scheidewandnerv. Der Faseraustausch in dem Plexus ist derartig, dass die beiden im Septum verlaufenden Nerven aus beiden Rami cardiaci Fasern beziehen, meistens aber der hintere Scheidewandnerv mehr von dem linken, der vordere mehr von dem rechten Herznervenaste versorgt wird. Die beiden Scheidewandnerven sind mit Ganglien durchsetzt, welche bald vereinzelt liegen, bald kleinere oder gr\u00f6ssere Gruppen bilden mit dazwischen liegenden ganglienlosen Parthieen. An der Atrioventricular-klappe bildet jeder der beiden Scheidewandnerven eine durch Einlagerung zahlreicher Ganglienzellen entstehende Anschwellung, die Atrioventricularganglien oder Kammerganglien. \u2014 Von den Scheidewandnerven gehen Zweige nach der Wand der Vorh\u00f6fe ab, welche vielfach mit einander anastomosirend einen Nervenplexus bilden und sich dann weiter auf der Vorhofswand ver\u00e4steln. Von den Kammerganglien dringen Fasern in die Substanz des Ventrikels\n1\tCloetta, Verhandl. d. phys.-med. Ges. zu W\u00fcrzburg III. S. 64. 1852.\n2\tSchweigger-Seidel, Das Herz, in Strieker\u2019s Handb. d. Lehre v. d. Geweben 1871. S. 185.\n3\tSchklarewsky, G\u00f6ttinger Nachrichten 1S72. S. 426.\n4\tDogiel, Arch. f. mikroskop. Anat. XIV. S. 470. 1877. Taf. 23.","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.\nein, lassen sich aber nur eine kurze Strecke weit verfolgen, so dass sich in dem bei weitem gr\u00f6ssten Theile des Ventrikels weder Nervenfasern, noch Ganglien nachweisen lassen. Die Verbindung der Nerven mit den Muskeln scheint f\u00fcr die Vorhofsmuskeln derart zu sein, dass am Ende der Nervenfaser ein dreiwinkliger Kern auftritt, von welchem feine F\u00e4den in das Innere des Muskelb\u00fcndels eindringen.\nEine eingehende Untersuchung der intracardialen Nervengebilde beim Frosche wurde zuerst von Ludwig l 2 3 4 5, bald darauf von Bidder & Rosenberger 2 angestellt. Leo Gerlach 3 beschrieb dann die Nervenplexus der Scheidewandnerven in dem Vorhofe. Bez\u00fcglich des Verhaltens der Nervenfasern zu den Ganglien glaubte Bidder 4 beweisen zu k\u00f6nnen, dass alle in das Herz eintretenden Nervenfasern sich zun\u00e4chst in die Ganglien begeben und von diesen abgehende Fasern die Muskeln innerviren. \u2014-Das Vorkommen von Nerven und Ganglien in der Muskelmasse des Ventrikels in so grosser Ausbreitung, dass sie in noch so kleinen vorher pulsirenden Pr\u00e4paraten nicht fehlten, hat nur Friedl\u00e4nder 5 behauptet. F\u00fcr das Gegentheil sprechen die Beobachtungen von Bidder, Schweigger-Seidel, Engelmann6 7, Leo Gerlach, welcher letztere einen dem Vorhof-nervenplexus \u00e4hnlichen Plexus auch im Ventrikel vermuthet, aber wegen der Dicke des Ventrikels den Nachweis eines solchen f\u00fcr sehr schwierig h\u00e4lt, und Dogiel. \u2014 Ueber die letzten Endigungen der Nerven in den Herzmuskeln verweisen wir auf die Arbeiten von Schweigger - Seidel, Langerhans 7 und Leo Gerlach.\nBei diesem Resultate der anatomischen Untersuchung \u00fcber die Nerven des Herzens wird die Annahme nothwendig, dass die Muskelf\u00e4den oder Muskelzellen des Herzens zugleich die Funktion von Nervenfasern \u00fcbernehmen, indem sie die von nerv\u00f6sen Gebilden ausgehende und durch Reizung hervorgerufene Erregung zu den benachbarten Zellen fortleiten. Das von dem der Skeletmuskeln sehr bedeutend verschiedene anatomische Verhalten der Herzmuskeln w\u00fcrde die Annahme unterst\u00fctzen, dass auch die Funktionen der Herzmuskulatur andere seien, als die der \u00fcbrigen quergestreiften Muskeln. Wir werden diese Frage wieder aufnehmen, nachdem wir die physiologischen Beobachtungen, welche zu derselben veranlasst haben, besprochen haben werden.\n1\tLudwig, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1848. S. 139.\n2\tBidder, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1852. S. 163 und Rosenberger, De centris motu um cordis disquisitiones anatomico-pathologicae. Inaug.-Diss. Dorpat 1850.\n3\tLeo Gerlach, Arch. f. pathol. Anat. LXVI. S. 187. 1876.\n4\tBidder, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1868. S. 1.\n5\tFriedlander, Unters, a. d. physiol. Labor, in W\u00fcrzburg II. S. 159. 1867.\n6\tEngelmann, Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 465. 1875.\n7\tLangerhans, Arch. f. pathol. Anat. LVIII. S. 65. 1873.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"Die rhythmischen Bewegungen des Herzens.\n349\nII. Die rhythmischen Bewegungen des Herzens.\nDas Herz zeigt einen fortw\u00e4hrenden Wechsel von Contraction (Systole) und Erschlaffung (Diastole). Die Contraction beginnt, wie schon Harvey 1 beobachtete, an den Venen, schreitet zu den Vorh\u00f6fen und dann zu den Kammern fort. Die Contraction ist immer eine maximale, indem, soweit man es beobachten kann, der Vorhof bezw. die Kammer bei ihrer Systole alles in ihr enthaltene Blut heraustreibt, also blutleer wird; die Verk\u00fcrzung der Muskeln ist, unabh\u00e4ngig von der Menge des Vorhof- oder Kammerinhaltes, immer so stark, dass die H\u00f6hle derselben leer wird, womit das Maximum erreicht ist \u2014 sie betrifft ferner die s\u00e4mmtlichen Muskeln eines Herzabschnittes und ist also auch total; endlich findet die Contraction aller Fasern des Ventrikels gleichzeitig statt, oder innerhalb einer so minimalen Zeit, dass diese Zeit unmessbar klein f\u00fcr die jetzigen H\u00fclfsmittel ist. Auch die Dauer einer Systole an einem Abschnitte oder einer einzelnen Stelle des Herzens ist sehr kurz \u2014 es ist daher wahrscheinlich, dass die Systole als eine einfache Zuckung, nicht als eine aus Zuckungen zusammengesetzte Contraction aufzufassen ist. Dagegen vergeht von der Contraction der Vorh\u00f6fe bis zur Contraction der Kammern eine messbare Zeit.\nDer systolischen Zusammenziehung der Herzmuskeln folgt sofort die diastolische Erschlaffung, welche nur wenig mehr Zeit erfordert, als die Verk\u00fcrzung. An sie schliesst sich ein mehr oder weniger langes Verharren in Erschlaffung, die Herzpause, fr\u00fcher Perisystole genannt1 2.\nDass bei dem blosgelegten oder ausgeschnittenen Herzen die Systole an den in die Vorh\u00f6fe eintretenden Venen beginnt, dann die Vorh\u00f6fe und zuletzt die Kammern sich contrahiren, ist in alter und neuer Zeit beobachtet worden an den Herzen von Warmbl\u00fctern und Kaltbl\u00fctern3. An absterbenden Herzen werden allerdings die Bewegungen unregelm\u00e4ssig4. Beim Frosche folgt der Zusammenziehung der Hohlvenen erst die der Venensinus, darauf die des Vorhofes, dann die des Ventrikels, endlich die des Bulbus.\nDie h\u00e4ufig erw\u00e4hnte Annahme, dass die Systole eine maximale Contraction sei, auf welche man gef\u00fchrt wurde durch das v\u00f6llige Erblassen\n1\tHarvey, Exercitationes anatomicae de motu cordis et sanguinis circulatione p. 3S. Rotterdam 1660.\n2\tRiolani, Eneheiridium anatomicum 1649. p. 219.\n3\tVgl. z. B. Haller, Elementa physiologiae I. p. 399. 1757 und Donders, Physiologie des Menschen 1856. S. 25.\n4\tVolkmann. Die Haemodynamik S. 387. 1850.","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.\ndes Vorliofes bei verschiedenen Thieren und des Ventrikels beim Frosche, durch die grosse H\u00e4rte des systolischen Ventrikels, hat eine exacte Best\u00e4tigung gefunden durch die Versuche von Bowditch und seiner Nachfolger in Ludvig\u2019s Laboratorium K Bowditch fand, wenn er den f\u00fcr sich bewegungslosen Froschventrikel durch Inductionsstr\u00f6me von minimaler St\u00e4rke bis zu erheblicher St\u00e4rke reizte, dass die Zuckung entweder maximal war oder gar nicht stattfand, dass sie keineswegs mit der Intensit\u00e4t des Stromes an Umfang zunahm; die Zuckungsgr\u00f6sse \u00e4ndert sich allerdings mit der Leistungsf\u00e4higkeit der Herzmuskulatur, aber jeder Strom l\u00f6st nur die durch die Umst\u00e4nde gegebene umfangsreichste Zuckung oder gar keine Zuckung aus. Die Formver\u00e4nderung und die gleichm\u00e4ssige H\u00e4rte des Herzens in der Systole fordern ferner die Annahme, dass sich gleichzeitig s\u00e4mmtliche Fasern des Vorhofes oder des Ventrikels zusammenziehen.\nDie Frage, ob der Ventrikel von der Basis nach der Spitze hin sich zusammenzieht, oder ob die gesammte Muskulatur des Ventrikels sich gleichzeitig zusammenzieht, ist seit langer Zeit ventilirt worden1 2 3 4 5; die Versuche, welche in neuester Zeit dar\u00fcber von Marchand 3 angestellt worden sind, ergeben, dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Con-tractionswelle gr\u00f6sser als 100 Mm. in 1 Sekunde sein muss, alle Fasern also fast gleichzeitig die Contraction beginnen.\nAn die Untersuchung \u00fcber die Dauer einer Systole schliesst sich die wichtige Frage, ob die Systole eine einfache Zuckung oder eine Contraction sei? Die Dauer einer Systole ist beim Menschen von Landois 4 f\u00fcr den Vorhof zu 0,17 Sekunde, f\u00fcr den Ventrikel zu 0,26\" bestimmt worden, wenn 60 Pulsationen in der Minute waren. Marey 5 hatte f\u00fcr die Vorhofscontraction ungef\u00e4hr 0,1\", f\u00fcr die Ventrikelcontraction (von Anfang bis zum Ende der Systole) 0,4\" gefunden. F\u00fcr das Froschherz betr\u00e4gt nach Marchand die Curve f\u00fcr die Ventrikelcontraction vom Beginn der Zusammenziehung bis zur Erschlaffung 2\u20143 Sekunden, wovon die kleinere Zeith\u00e4lfte auf das Ansteigen der Curve bis zum Gipfel f\u00e4llt, es w\u00fcrde also f\u00fcr die Contraction bis zum Maximum etwa l Sekunde zu rechnen sein. Dass diese Zeit durch die Temperatur des Ventrikels sehr bedeutend ver\u00e4ndert wird, hat schon Cyon6 ermittelt; er giebt aber keine Zahlen an. \u2014 Immerhin ist die Dauer einer s y s t o 1 i s c h e n Muskelzusammenziehung erheblich (10mal) l\u00e4nger als die Dauer einer Skeletmuskelzuckung, wenn der Nerv electrisch gereizt wird.\nBei der anatomischen Verschiedenheit des Herzmuskels von den Skeletmuskeln kann aber die l\u00e4ngere Dauer nicht beweisend daf\u00fcr sein, dass die Systole nicht als eine einfache Zuckung anzusehen sei. Marey7 fasst\n1\tBowditch, Leipziger Berichte 1871. S. 652. \u2014 Luigi Luciani, Ebenda 1873.\nS. 11.\n2\tK\u00fcrschner, Art. ,.Herzth\u00e4tigkeit\" in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. II. S. 35. 1844.\n3\tMarchand. Arch f. d. ges. Physiol. XV. S. 51 1. 1877.\n4\tLandois, Centralbl. f. d.med. Wiss. 1866. S. 177 und Die Lehre vom Arterienpuls 1872. S. 307.\n5\tMarey, Circulation du sang 1863. p. 72.\n6\tCyon, Leipziger Berichte 1866. S. 256.\n7\tMarey, Journ. d\u2019anat. et de physiol. 1866. p. 403.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Die rhythmischen Bewegungen des Herzens.\n351\ndie Systole trotzdem als eine einfache Muskelzuckung auf, weil die Form der Herzcurve und der Muskelzuckungscurve dieselben wesentlichen Eigen-th\u00fcmlichkeiten des Ansteigens, des Gipfels, des Abfallens darbieten. Wie zuerst K\u00f6lliker & H. M\u00fcller 1 2 3 4, sp\u00e4ter Marey nachwiesen, findet an dem an das Herz angelegten Ischiadicus des strompr\u00fcfenden Froschschenkels nur eine einfache secund\u00e4re Zuckung, keine tetanische Contraction statt. Cyon macht geltend, dass ein momentaner electrischer Reiz eine ebenso beschaffene Systole hervorruft, wie die durch den normalen inneren Reiz hervorgerufene, wenn das Herz sich in gew\u00f6hnlicher Temperatur befindet, dass dagegen dauernde Reizung eines in der W\u00e4rme stillstehenden Froschherzens einen Tetanus hervorbringt. Auch Marchand schliesst auf Grund seiner Versuche, in denen er die electromotorischen Schwankungen des Herzens w\u00e4hrend der Systole benutzte, um den Verlauf der Contractions-welle zu ermitteln, dass die Systole eine einfache, aber allerdings sehr verl\u00e4ngerte Zuckung ist, sich der Bewegungsart der glatten Muskeln ann\u00e4hernd. *\nWenn also die Systole eine einfache Zuckung der Herzmuskeln ist, so erhebt sich die Frage, ob es beim Herzen einen den Skelet-muskeln analogen Tetanus giebt? und weiter, unter welcher Form wir einen Herztetanus zu erwarten haben? Versteht man mit Weber, Dubois-Reymond, Helmholtz unter Tetanus eine dauernde Contraction des Muskels, welche sich aus einer Reihe so schnell auf einander folgender einfacher Zuckungen zusammensetzt, dass jede vorhergehende beim Eintritt der folgenden noch nicht erheblich nachgelassen hat2, so muss das Herz eine dauernde Zusammenziehung, welche sich aus discontinuirlicken Systolen zusammengesetzt ergiebt, zeigen.\nEs sind verschiedene Erscheinungen am Herzen, namentlich am Herzen des Frosches als Herztetanus angesprochen worden: eine partielle andauernde Zusammenziehung wurde bei Reizung des Froschherzens mit starken electromagnetischen Wechselstr\u00f6men in der n\u00e4chsten Umgebung der Electroden schon von Eduard Weber 3 bemerkt und dasselbe sahen auch Ludwig & Hoffa 4, aber diese Forscher heben hervor, dass auch durch die kr\u00e4ftigsten eleetrischen Reize das Herz nicht in allgemeinen Tetanus gesetzt werden k\u00f6nne, dass vielmehr nur ein Wirrwarr von raschen, unregelm\u00e4ssigen Bewegungen mit gleichzeitiger Vergr\u00f6sserung und starker F\u00fcllung des Herzens mit Blut eintrete. Wenn Heidenhain5 diese Bewegungen \u201eals einen tumultuarischen Tetanus\u201c bezeichnet, so ist damit durchaus kein wirklicher Tetanus nachgewiesen, wie Goltz6 an-\n1\tK\u00f6lliker & M\u00fcller, W\u00fcrzburger Verhandl. VI. S. 528. 1856.\n2\tHelmholtz, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1850. S. 276.\n3\tEd. Weber, Art. \u201eMuskelbewegung\u201c in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. 2. S. 36. 1846.\n4\tLudwig & Hoffa, Ztschr. f. rat. Med. IX. S. 107. 1850.\n5\tHeidenhain , Arch. f. Anat. u. Physiol. 1858. S. 479.\n6\tGoltz, Arch. f. pathol. Anat. XX\u00ceII. S. 493. 1861.","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.\nnimmt, und wenn Heidenhain \u201ein manchen F\u00e4llen den Ventrikel in eine vollkommen stetige, tonische Contraction gerathen sah\u201c, so steht diese Angabe bis jetzt v\u00f6llig isolirt. \u2014 Goltz hat durch pl\u00f6tzliche starke F\u00fcllung des Ventrikels mit Blut eine l\u00e4ngere Zeit dauernde Systole des Froschventrikels erzeugt, welche er als abh\u00e4ngig von den ven\u00f6sen Apparaten des Herzens ansieht \u2014 er l\u00e4sst n\u00e4mlich das Blut in eine in die Aorta eingebundene Glasr\u00f6hre fliessen, und wenn der gr\u00f6sste Theil des Blutes in die Rohre geflossen ist, so treibt er durch starkes Blasen in die R\u00f6hre, den Widerstand der Klappen \u00fcberwindend, alles Blut in den Ventrikel, welcher nun stark ausgedehnt wird; der \u00fcberm\u00e4ssig ausgedehnte Ventrikel zieht sich kr\u00e4ftig zusammen und bleibt zusammengezogen, w\u00e4hrend Vorhof und Sinus weiter pulsiren. Nachgewiesen hat Goltz einen wirklichen Tetanus nicht, und es muss wohl als wahrscheinlich angesehen werden, dass es sich hier um eine protra-hirte Zuckung der Muskeln, hervorgebracht durch starke Zerrung derselben handelt. Nach Marey 1 dauert auch die einfache Zuckung eines gezerrten Skeletmuskels viel l\u00e4nger als die des normalen und andererseits kann man durch Dr\u00fccken und Kneifen einer Stelle des Ventrikels gleichfalls eine dauernde, \u00f6rtliche Contraction bewirken, wie Goltz selbst anf\u00fchrt. Endlich spricht der von Goltz angegebene Umstand, dass, wenn der Ventrikel wieder zu pulsiren beginnt, derselbe auch w\u00e4hrend der Diastole tonisch zusammengezogen bleibt und nur wenig Blut in seine H\u00f6hle l\u00e4sst, f\u00fcr eine Affection der Muskelsubstanz des Herzens.\nSeitdem Ludwig einen Apparat construirt hat, mittelst dessen der Druck, welchen das Froschherz auf seinen Inhalt bei Ausschluss der Blutcirculation aus\u00fcbt, aufgezeichnet wird \u2014 gew\u00f6hnlich als \u201eFroschmanometer\u201c bezeichnet (s. Fig. 1 und die Beschreibung dazu S. 359) \u2014 ist von Cyon und von Luigi Luciani ein Tetanus des Herzens statuirt worden. \u2014 Cyon'1 2 brachte das mit dem Manometer in Verbindung stehende Herz aus einer Umgebung von 0IJ pl\u00f6tzlich in eine Umgebung von 40\u00b0 und sah das Herz eine Reihe von so rasch aufeinanderfolgenden Schl\u00e4gen ausf\u00fchren, dass es schliesslich in einen Tetanus verfiel, welcher h\u00f6chstens 15 bis 30 Sekunden andauerte. Cyon denkt sich diesen Tetanus dadurch zu Stande kommend, dass der jedesmal folgende Reiz fr\u00fcher erscheint bevor die dem vorhergehenden Reize entsprechende Zuckung abgelaufen ist. Bei allm\u00e4hlicher Erw\u00e4rmung des Herzens auf 40\u00b0 kommt dieser Tetanus nicht zu Stande. Die Excursionen der Herzschl\u00e4ge sind aber bei dieser Temperatur und \u00fcberhaupt bei Temperaturen \u00fcber 30\u00b0 sehr niedrig. So hatte z. B. ein Herz bei 19\u00b0 40 Pulsationen in 1 Minute und eine Excursionsh\u00f6he von 4 Mm., nach allm\u00e4hlicher Erw\u00e4rmung bis 34\u00b0 aber 130 Pulsationen pro 1 Min. mit einer Excursion von 0,5 Mm. \u2014 An mehreren Stellen seiner Arbeit spricht sich Cyon \u00fcber diesen Tetanus der Art aus, dass man zweifelhaft wird, ob es sich hier um einen allgemeinen Tetanus des Ventrikels oder um das unregelm\u00e4ssige Wogen, welches schon Weber beobachtet hatte, handelt: \u201ebei einer der Grenzw\u00e4rme nahen Temperatur sieht man das Herz noch in lebhaften\n1\tMarey, Du mouvement dans les fonctions de la vie 1S68. p. 363.\n2\tCyon, Leipziger Berichte 1866. S. 256.","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Tetanus des Herzens?\n353\nContractionen begriffen, trotzdem aber treibt es keine Spur seines Inhalts in das Manometer hinein. Eine genauere Beachtung der Herzcontraction l\u00e4sst alsbald erkennen, dass diese Erscheinung in einer peristaltischen Zusammenziehung des Muskelfieisches begr\u00fcndet sei, die von der Vorhofsgrenze gegen die Spitze fortschreitet.\u201c Und bei Besprechung des Versuches von Schelske j, welcher bei Reizung des Vagus an dem erw\u00e4rmten Herzen den Ventrikel in wogender Zusammenziehung (Tetanus mit Intermissionen) begriffen sah, bemerkt Cyon, es sei dabei wohl nicht der Vagus allein, sondern das Herz selbst electriscli gereizt worden, so dass dieser Versuch nur eine Wiederholung des WEBER\u2019schen und Hoffa-L\u00fcDWiG\u2019sclien Versuches zu sein scheint. Hoffmann 2 fand Stillstand des Herzens bei h\u00f6herer Temperatur, aber die von Schelske angegebene Folge der Tetanisirung des Vagus nicht constant.\nEndlich hat Luciani 3 mit dem inzwischen weiter ausgebildeten und vervollkommneten LuDwiG\u2019schen Apparate einen Tetanus oder t\u00e9tanise h e n A.n fall des Froschherzens zu beobachten geglaubt ; indess Kronecker und Stirling1 2 3 4 5 haben es wahrscheinlicher gemacht, dass es sich dabei um ein durch die Versuchsanordnung bedingtes Artefact handelt. Luciani fand n\u00e4mlich, dass, wenn man an dem auf die Can\u00fcle des Apparates aufgebundenen, mit Kaninchenserum gef\u00fcllten Froschherzen eine neue Ligatur um dessen Vorh\u00f6fe legt, eine sofortige Erhebung des Schwimmers eintritt, welcher nun anfangs sehr frequente und kleine Pulse verzeichnet, welche unter Absinken des Druckes allm\u00e4hlich seltner und gr\u00f6sser werden. Luciani beobachtete auch, dass dieser Tetanus schwindet, sobald die Unterbindung gel\u00f6st wird. Kronecker erkl\u00e4rt das Ansteigen der Manometerfl\u00fcssigkeit durch ein Uebertreten des Herzinhaltes aus dem durch die Ligatur verkleinerten Herzr\u00e4ume in das Manometer, aus welchem die Fl\u00fcssigkeit nicht sogleich entweichen kann \u2014 wird letzteres durch eine Ab\u00e4nderung der Vorrichtung erm\u00f6glicht, so sinkt der Druck sofort auf die urspr\u00fcngliche H\u00f6he. Die vermehrte Frequenz der Pulsationen w\u00fcrde aus der ver\u00e4nderten F\u00fcllung des Herzens zu erkl\u00e4ren sein \u2014 sie erh\u00e4lt sich nach L\u00f6sung der Umschn\u00fcrung einige Zeit.\nEin den Skeletmuskeln analoger Tetanus des Herzens, welcher gleichzeitig das Uesammtorgan erfasst, wie es doch beim Skeletmuskel der Fall ist, scheint also bis jetzt nicht beobachtet zu sein.\nDie Zeit, welche vom Beginne der Zusammenziehung des Vorhofes bis zu der des Ventrikels vergeht, ist von Marey 5 zu beinahe 0,2 Sek. f\u00fcr das Herz des Pferdes bestimmt worden. Marey erhielt diese Bestimmung, indem er einen Kautschukballon in den rechten Ventrikel, einen zweiten in den Vorhof mittelst einer R\u00f6hre durch die Jugularvene\n1\tSchelske, Ueber die Ver\u00e4nderungen der Erregbarkeit durch die W\u00e4rme. Heidelberg 1860.\n2\tHoffmann, Beitr\u00e4ge zur Anatomie und Physiologie des N. vagus bei Fischen. Giessen 1860.\n3\tLuigi Luciani, Leipziger Berichte 1873..S. 1.\n4\tKronecker (und Stirling), Beitr\u00e4ge zur Anatomie und Physiologie, als Festgabe Carl Ludwig. 1874. S. CLXXIII.\n5\tMarey, Physiologie m\u00e9dicale de la circulation du sang 1863. p. 70. Fig. 8.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\t23","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.\neinf\u00fchrte; jeder der beiden Ballons communicirte mittelst einer Kautschuk -r\u00f6hre mit einem MAREv\u2019schen registrirenden F\u00fchlhebel, welcher die von dem Vorhofe und von dem Ventrikel auf die in ihnen enthaltenen Ballons ausge\u00fcbten Drucke der Intensit\u00e4t und der Zeit nach aufzeichnet. Beim Froschherzen d\u00fcrfte nach den Untersuchungen von Marchand 1 die Zeit zwischen Vorhofs- und Ventrikelcontraction 0,38 \u2014 0,6 Sek. betragen. Marchand bestimmte an Froschherzen, welche aus Vorhof und Kammer bestanden, am Sinus abgeschnitten waren, und daher keine spontanen Bewegungen machen, die Zeit, welche vergeht von dem Momente der Reizung des Ventrikels bis zur Contraction desselben und die Zeit zwischen der Reizung des Vorhofes bis zur Contraction des Ventrikels, also die Dauer der Uebertragung des Erregungsvorganges vom Vorhof auf den Ventrikel. Will man daraus auf die Zeit zwischen Vorhofscontrac-tion und Ventrikelcontraction schliessen, so muss man die Hypothese zu H\u00fclfe nehmen, dass die Latenzdauer der Ventrikelcontraction derjenigen der Vorhofscontraction gleich gross ist. \u2014 Die Anordnung der Versuche ist folgende: das durch Thonb\u00e4usche in seiner Lage fixirte Herz liegt mit einer bestimmten Stelle des Ventrikels auf dem einen Electrodenpaar und mit dem Vorhofe nahe der Atrioventrikulargrenze auf einem zweiten Electrodenpaare ; genau \u00fcber dem ersten Electrodenpaare tr\u00e4gt der Ventrikel den k\u00fcrzeren Arm eines sehr leichten Hebels, dessen l\u00e4ngerer Arm die Bewegungen an einem rotirenden Cylinder aufzeichnet. Durch die Electrodenpaare kann der erregende Inductionsschlag mittelst einer Wippe abwechselnd gesandt werden.\nDie Fortpflanzung der Erregung vom Vorhof zum Ventrikel bedarf also nach Marchand\u00e9 Beobachtungen einer sehr langen Zeit, einer viel l\u00e4ngeren Zeit als die Muskelleitung in Anspruch nehmen kann. Nach den Bestimmungen Engelmann\u2019s 2 betr\u00e4gt die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung im Herzmuskel wahrscheinlich viel mehr, aber gewiss nicht weniger als 20 Mm. in 1 Sek., was Marchand aus eigenen Versuchen gleichfalls schliesst \u2014 durch Muskelleitung w\u00fcrde aber in Marchand\u00e9 Versuchen h\u00f6chstens 0,1 Sek. verbraucht worden sein \u2014 an eine Leitung durch Nervenfasern kann \u00fcberhaupt nicht gedacht werden und sie w\u00fcrde unzweifelhaft noch viel schneller gehen : es bleibt also nur die Annahme \u00fcbrig, dass der Weg der Erregung von dem Vorhofe zur Kammer durch die gangli\u00f6sen Apparate an der Atrioventrikulargrenze f\u00fchrt. Diese Annahme ist schon von H. Munk 1 2 3 gemacht worden, indem er am sinuslosen Froschherzen die Reihenfolge der Bewegungen sich umkehren sah, wenn der Bulbus gereizt wurde, w\u00e4hrend bei Reizung der Vorhofsganglien der gew\u00f6hnliche Ablauf der Herzperiode erfolgte. \u2014 Die willk\u00fcrliche Bestimmung von Punkten am Herzen, von denen die Contractionen ihren Anfang nehmen sollen, ist in grosser Ausdehnung von Panum4 5 ausgef\u00fchrt worden. Eckhard0 hat nach\n1\tMarchand. Arch. f. d. ges. Physiol. XVH. S. 137. 1878.\n2\tEngelmann, Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 465. 1875 und Onderzoekmgen te Utrecht III. 3. p. 79. 1875.\n3\tH. Munk, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1878. S. 569.\n4\tPanum, Bibliothek for Laeger X. p. 46.1858. Auszug in Schmidt\u2019s Jahrb\u00fcchern\nC. S.148.\t.\n5\tEckhard, Beitr\u00e4ge zur Anatomie und Physiologie VIL S. 191. 1873.","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Bedingungen f\u00fcr die Herzrhythmik.\n355\nExstirpation der Atrioventrikularganglien ein Stillstehen des Ventrikels bis zu 10 Minuten, Marchand aber ein Stillstehen w\u00e4hrend vieler Stunden bei Fortdauer der Pulsationen von Atrien und Sinus und erhaltener Reizbarkeit des Ventrikels beobachtet. Diese Versuche w\u00fcrden best\u00e4tigend f\u00fcr die obige Annahme eintreten.\nDie Dauer der Diastole betr\u00e4gt nach Landois beim Menschen etwa 0,2 Sec., beim Pferde nach der von Marey erhaltenen Curve wenig mehr als 0,1 Sec., sie entspricht wahrscheinlich der Dauer der Ausdehnung der erschlaffenden Muskelfasern, was auch aus Marchand\u00e9 Versuchen am Froschherzen hervorzugehen scheint, welcher die Gestalt der Curve eines Herzschlages \u00e4hnlich der Curve einer Muskelzuckung fand. Eine Einwirkung von Nerven findet hier also wohl nicht statt.\nVon der eigentlichen Diastole ist aber zu unterscheiden die Ruhezeit des erschlafften Herzens, die sogenannte Herz pause. Von ihrer Dauer ist die Frequenz der Herzpulsationen bedingt und sie ist gleich diesen vielen Schwankungen unterworfen und von den Einfl\u00fcssen der intracardialen und extracardialen Nerven abh\u00e4ngig. Die Dauer der Herzpause beim normalen Menschen betr\u00e4gt nach Landois 0,4 Sec. bei 60 Pulsen in der Minute, nach Marey\u2019s Curve vom Pferde 0,6 Sec., wenn die ganze Herzrevolution 1,2 Sec. ausmacht.\nIn wie weit die Dauer der Herzpause von den Nerven des Herzens, in wie weit sie von anderen Einfl\u00fcssen beherrscht wird, ist im folgenden Abschnitt er\u00f6rtert.\nIII. Bedingungen f\u00fcr die rhythmischen Bewegungen des\nHerzens.\nDas aus dem K\u00f6rper ausgeschnittene Herz setzt seine rhythmischen Bewegungen eine Zeit lang fort, dann werden seine Bewegungen unregelm\u00e4ssig, indem die Vorh\u00f6fe \u00f6fter pulsiren, als die Ventrikel, darauf pulsiren einige Zeit die Vorh\u00f6fe allein und endlich h\u00f6ren die Bewegungen ganz auf, k\u00f6nnen auch durch \u00e4ussere Reize nicht mehr hervorgerufen werden.\nF\u00fcr das ausgeschnittene Herz des Kaninchens fanden Czermak und Piotrowsky1 die Dauer der Bewegungen sehr verschieden: von 60 Herzen ergab sich die geringste Dauer zu 3 Min. 15 Sec., die l\u00e4ngste zu 36 Minuten, das Mittel aus allen 60 Versuchen zu 11 Min. 46 Sec., und es betrug die Zahl der Pulsationen des ausgeschnittenen Herzens 86 bis 700. Bei einem grossen weiblichen Kaninchen schlugen die Ventrikel noch 9 Min. 30 Sec., die Vorh\u00f6fe \u00fcber 1 Stunde und 18 Min. Die Ursache dieser grossen Differenzen ist unbekannt. Pan\u00fcm2 beobachtete noch 15 Stunden nach dem Tode eines Kaninchens rhythmische Contractionen\n1\tCzermak & v. Piotrowsky, Sitzungsber. d. Wiener Acad. NXV. S. 431.\n1857.\n2\tPantjm, Bibliothek for Laeger X. p. 46.1858. Auszug in Schmidt\u2019s Jahrb\u00fcchern C. S. 148.","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.\nam rechten Vorhofe. \u2014 F\u00fcr das Froschherz giebt Budge1 an, dass bei einer Temperatur von 12\u201414\u00b0 C. dasselbe 0,5\u201423 Stunden geschlagen habe und die Reizbarkeit desselben etwas fr\u00fcher erloschen sei als die der Nn. iscliiadici desselben Thieres. Valentin2 giebt die Zeit, w\u00e4hrend welcher ein herausgeschnittenes Froschherz schl\u00e4gt, auf im Maximum beinahe 2V2 Tage (52 Stunden) an. Auch ich habe bei 13\u00b0 C. Pulsationen \u00fcber 48 Stunden lang beobachtet.\nBeim Froschherzen sind eine Anzahl von Bedingungen ermittelt worden, welche die Dauer der Schlagf\u00e4higkeit des Herzens bestimmen. Sie beziehen sich theils auf das ganze Herz, theils auf einzelne Herzabschnitte nach Trennung des Zusammenhanges derselben. Da unter den anzugebenden Bedingungen nicht nur die Dauer der Schlagf\u00e4higkeit, sondern auch die Schlagfolge und die Qualit\u00e4t der Pulsationen ge\u00e4ndert wird, so werden alle diese Ver\u00e4nderungen zu besprechen sein.\n1. Die Einwirkung von Gas arten\nauf das Herz ist bestimmend sowohl f\u00fcr die Dauer der Schlagf\u00e4higkeit und Reizbarkeit des Herzens, als auch f\u00fcr die Frequenz und Intensit\u00e4t seiner Pulsationen.\nBei starker Luftverd\u00fcnnung, unter dem Recipienten der Luftpumpe, h\u00f6ren die Pulsationen des Herzens nach etwa einer Stunde auf und das Herz verliert seine Reizbarkeit gegen mechanische und electrische Reize. Nach Zutritt von Luft beginnen die Pulsationen bald wieder. Aehnlich verh\u00e4lt sich ein Herz, welches auf andere Weise der Luft beraubt ist. Wesentlichen Einfluss auf die Dauer der Bewegungen hat der Sauerstoff der Luft, w\u00e4hrend Kohlens\u00e4ure die Dauer vermindert. Mangel an Sauerstoff macht also das Herz scheintodt.\nDie Zeit, w\u00e4hrend welcher das Herz des Frosches im luftverd\u00fcnnten Raume noch schl\u00e4gt, wird von Tiedemann3 zu etwa 30 Sec., von Castell4 auf etwa eben so viele Minuten angegeben. Die Differenz r\u00fchrt, wie Bernstein5 wahrscheinlich gemacht hat, davon her, dass in Tiedemann\u2019s Versuchen das Herz in Folge der Luft\u00e4nderung rasch austrocknete. Bernstein fand, dass unter dieser Bedingung ein Froschherz allerdings sehr bald zu pulsiren aufh\u00f6rt, dass es aber bei einer Temperatur von 22 bis 24\u00b0 ungef\u00e4hr eine Stunde lang pulsirt.\n1\tBudge, Art. \u201eSympathischer Nerv mit besonderer R\u00fccksicht auf die Herzbewegung\u201c in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. 1. S. 438. 1846.\n2\tValentin, Lehrbuch der Physiologie des Menschen II1\u2019. S. 613. 1848.\n3\tTiedemann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1847. S. 490. Daselbst ist auch die \u00e4ltere Literatur (Caldani, Wernlein, Fontana) angegeben,\n4\tCastell, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1854. S. 226.\n5\tJ. Bernstein, Arch. f. Anat. 11. Physiol. 1860. S. 527.","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Bedingungen f\u00fcr die Herzrhythmik.\n357\nDass das freik\u00e4ngende Herz in gew\u00f6hnlicher Luft 3\u20144 mal l\u00e4nger pulsirt, als das auf einer Glasplatte liegende, hat schon Alexander von Humboldt1 beobachtet \u2014 die Wirkung des Luftmangels wird auf das frei h\u00e4ngende Herz eine umfassendere sein. Die grossen Differenzen, welche Gaule2 im Verhalten der Herzen von in der K\u00e4lte gegen in der W\u00e4rme aufbewahrte Fr\u00f6sche fand, d\u00fcrften sich auch f\u00fcr das Verhalten im luftverd\u00fcnnten Raume geltend machen. \u2014 Brachte Castell das Herz in luftfreies Wasser, so h\u00f6rten die Pulsationen nach 20 Min. auf, begannen aber nach Herausnahme aus demselben nach 15 Min. wieder und dauerten \u00fcber 2 Stunden. \u2014 Dagegen beobachtete Goltz3 noch l\u00e4ngere Zeit Pulsationen an Froschherzen, welche er unter Oel gebracht hatte; nur wenn das Herz unter Oel durch besondere Eingriffe zum Stillstand in Diastole gebracht worden war, blieb es pulslos bis zum Tode.\nDass der Sauerstoff der Luft es ist, welcher die Dauer der Herzbewegungen verl\u00e4ngert, hat schon von Humboldt aus seinen Versuchen geschlossen. Castell fand unter gleichen Versuchsbedingungen, dass ein Froschherz in reinem Sauerstoffgase 12 Stunden mit erh\u00f6hter Lebhaftigkeit pulsirt, in Stickstoff nur 1 Stunde, in Wasserstoff 1 Stunde 25 Min. In Kohlens\u00e4ure stand aber das Herz nach 10 Min. still, in St\u00fcckoxydal-gas nach 5\u20146 Min., in Kohlenoxydgas nach 40 Min., in Chlorgas nach 2 Min., und kam auch, wenn es nachher wieder in gew\u00f6hnliche Luft gebracht wurde, nach Einwirkung der drei letzten Gasarten nicht wieder in Th\u00e4tigkeit. \u2014 In exacter Weise hat Cyon4 die Abh\u00e4ngigkeit der Herzbewegung von der Anwesenheit des Sauerstoffs am Froschherzen mittelst des Froschmanometers nachgewiesen, indem er O-haltiges Serum einf\u00fcllte und dasselbe mit Serum vertauschte, welches mit Kohlens\u00e4ure ges\u00e4ttigt war: nur bei Anwesenheit von Sauerstoff waren regelm\u00e4ssige Pulsationen zu beobachten, w\u00e4hrend sie bei Einf\u00fchrung von mit Kohlens\u00e4ure ges\u00e4ttigtem Serum aufh\u00f6rten.\nEs geht aus diesen Versuchen nicht hervor, ob der Scheintod des Herzens, welcher bei Sauerstoffmangel und noch schneller durch Kohlens\u00e4ure eintritt, von ' den Nerven des Herzens oder von den Muskeln desselben ausgeht, doch ist wahrscheinlich das letztere der Fall, da die Pulsationen keineswegs pl\u00f6tzlich bei voller Intensit\u00e4t der Con-tractionen auf h\u00f6ren, sondern die Zusammenziehungen allm\u00e4hlich bis zur Unmerklickkeit schw\u00e4cher werden.\n2. Die Einwirkung von Fl\u00fcssigkeiten.\nNach den Vorstellungen, welche sich Haller5 von der rhythmischen Bewegung des Herzens gebildet hatte, sollte das ven\u00f6se Blut\n1\tA. von Humboldt , Versuche \u00fcber die gereizte Muskel- und Nervenfaser II. S.273.1797.\n2\tGaule, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1878. S. 291.\n3\tGoltz, Arch. f. pathol. Anat. XXIII. S. 493. 1862.\n4\tCyon, Compt. rend. I. p. 1049. 1867.\n5\tHaller, Elementa physiologiae I. p. 493. 1757 ; causa, quae cor in motum eiet, omnino sanguis venosus est.","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358 Aubert. Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.\nder Reiz sein, welcher die Contraction der Herzmuskulatur ausl\u00f6ste und indem die Contraction das Blut aus dem Herzen entfernte, der Reiz aufh\u00f6ren und das Herz erschlaffen. Diese Vorstellung ist v\u00f6llig unhaltbar, da das ganze blutleere Herz seine rhythmischen Bewegungen fortsetzt, und ausserdem das mit gewissen Fl\u00fcssigkeiten gef\u00fcllte Herz dieselben bald austreibt, bald nicht. Das Blut und die andern Fl\u00fcssigkeiten, in welchen das Herz schl\u00e4gt, k\u00f6nnen nicht die Ursache der rhythmischen Bewegungen sein, sondern nur die Bedingung f\u00fcr die Erhaltung der Contractilit\u00e4t und Reizbarkeit der Muskeln und f\u00fcr die Erzeugung der inneren Herzreize, welche in gewisser Beziehung zu den Nervenelementen im Herzen stehen. Es kann n\u00e4mlich ein Froschherz, oder ein Theil eines Froschherzens seine vollst\u00e4ndige Bewegungsf\u00e4higkeit und Reizbarkeit haben, ohne dass eine Bewegung ausgel\u00f6st wird: das Herz contrahirt sich also nur, wenn ein \u00e4usserer Reiz, z. B. ein Inductionsschlag, dasselbe trifft, ohne denselben verharrt es in diastolischer Ruhe. Eine Substanz, welche der das Herz f\u00fcllenden Fl\u00fcssigkeit hinzugesetzt wird, z. B. Delphinin, bewirkt aber die Wiederkehr der rhythmischen Pulsationen. In einem anderen Falle kann ein Herz sich in seiner F\u00e4higkeit zu Pulsationen ersch\u00f6pfen, indem die Contractionen immer schw\u00e4cher werden und endlich ganz aufh\u00f6ren: durch Zusatz einer Eiweissl\u00f6sung tritt aber wieder eine energische Pulsation des ersch\u00f6pft gewesenen Herzens ein. In beiden F\u00e4llen ist die eingef\u00fchrte Substanz nicht die Ursache der rhythmischen Th\u00e4tigkeit, sondern nur eine Bedingung f\u00fcr das Hervortreten einer im Herzen vorhandenen Mechanik, welche latent geworden war.\nDas Blut, wie es im K\u00f6rper circulirt, enth\u00e4lt offenbar s\u00e4mmt-liche Stoffe, welche f\u00fcr die Contractilit\u00e4t, Irritabilit\u00e4t und Rhythmi-cit\u00e4t des ganzen Herzens erfordert werden. Eingriffe in die Mechanik oder in den Mechanismus des Herzens k\u00f6nnen, ohne Ver\u00e4nderungen in der Beschaffenheit des Blutes zu setzen, den Rhythmus latent werden lassen \u2014 andrerseits k\u00f6nnen Substanzen, welche dem durch solche Eingriffe in seiner Rhythmicit\u00e4t gest\u00f6rten Herzen oder Herztheile zugef\u00fchrt werden, die Rhythmicit\u00e4t wieder hervorbringen \u2014 endlich kann an einem der Rhythmicit\u00e4t trotz Eingriffen in den Zusammenhang seiner Theile und Wegschaffung des Blutes nicht beraubten Herzen durch Zuf\u00fchrung von Blut oder anderen Fl\u00fcssigkeiten die Pulsation des Herzens in allen Beziehungen l\u00e4ngere Zeit erhalten bleiben, oder in der einen oder anderen Beziehung ver\u00e4ndert werden.\nDie Einwirkung von Fl\u00fcssigkeiten auf ein seiner rhythmischen Th\u00e4tigkeit beraubtes, sowie auf ein rhythmisch fortpulsirendes St\u00fcck des Frosch-","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Einwirkung von Fl\u00fcssigkeiten.\n359\nherzens ist von Ludwig und seinen Sch\u00fclern1 mittelst des Froschherzmanometers untersucht worden. Dasselbe ist in Fig. 1 dargestellt und besteht aus folgenden Theilen:\nFi?. 1.\n1. einer Can\u00fcle, auf welche das Froschherz aufgebunden wird; 2. ein mit der Can\u00fcle in Verbindung stehendes registrirendes Manometer; 3. ein Klappenventil, welches einerseits mit dem Manometer, andererseits mit einer MARioTTE\u2019schen Flasche, in welcher sich die anzuwendende Fl\u00fcssigkeit befindet, communicirt.\nDie Can\u00fcle ist durch die Hohlvene bis in den Ventrikel geschoben und die Herzwand an dem Sinus oder weiter abw\u00e4rts nach dem Ventrikel hin auf die Can\u00fcle festgebunden, die Aorta ist unterbunden. Die Herzcan\u00fcle steht mit dem Manometer mittelst des gebogenen Rohres i in Verbindung, so dass der Gehalt des Ventrikels bei der Systole in das Manometer gepresst wird, dessen Stand der Schreibapparat ggf auf die rotirende Trommel des Kymographions 5 registrirt. Der St\u00f6psel bei k dient dazu, die eine Electrode einzuf\u00fchren, wenn man das Herz electrisch reizen will. Das Herz wird in das mit Serum gef\u00fcllte Gef\u00e4ss l gesenkt, welches mittelst des F\u00fchrungsstabes m so verstellt werden kann, dass\n1 E. Cyon, Ber. d. Leipziger Acad. 1866. S. 256. \u2014 Coats, Ebenda 1869. S. 360. \u2014 Bowditch, Ebenda 1871. S. 653. \u2014 Luigi Luciani, Ebenda 1872. S. 113. \u2014 Rossbach, Ebenda 1874. S. 193. \u2014 Merunowicz, Ebenda 1875. S. 252. \u2014Kronecker, Beitr. z. Anat. n. Physiol. Festgabe f\u00fcr C. Ludwig. 1874. S. 173. \u2014 Gaule. Arcb. f. (Anat. u.) Physiol. 1878. S. 291. \u2014 Sti\u00fcnon, Ebenda S. 263.","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervenc entra.\ndas Herz von der Fl\u00fcssigkeit bedeckt und vor der umgebenden Luft gesch\u00fctzt ist. In dieses Gef\u00e4ss kann die zweite Electrode eingelassen werden. Das Manometer und zugleich die Herzh\u00f6hle steht durch die R\u00f6hrenleitung efc mit dem Klappenventil 2 und der MARiOTTE\u2019schen Flasche 1 in Communication , wTelche durch den Hahn f aufgehoben werden kann. Das Klappenventil 2 besteht aus einem Glascylinder a, welcher mit der MARiOTTE\u2019schen Flasche 1 durch das kleine Rohr b communicirt und aus einem Trichter c, welcher mit Goldschl\u00e4gerhaut \u00fcberspannt das Rohr b unten verschliesst, wenn sich das Herz contrahirt; eine feine Durchbohrung der Goldschl\u00e4gerhaut am Rande des Trichters setzt die Fl\u00fcssigkeit in a mit der in c in Verbindung \u2014 w\u00e4hrend der Ruhe oder Diastole des Herzens wird die Goldschl\u00e4gerhaut von der Fl\u00fcssigkeit in der MARiOTTE\u2019schen Flasche niedergehalten, so dass freier Zufluss zum Herzen besteht und die Quecksilbers\u00e4ule im offenen Schenkel des Manometers der Serums\u00e4ule in der MARiOTTE\u2019schen Flasche das Gleichgewicht h\u00e4lt. Da bei Beginn der Systole die Ventilmembran gehoben und damit die Communication zwischen Herz und Serumbeh\u00e4lter unterbrochen wird, so muss das vom Herzen ausgetriebene Serum vollst\u00e4ndig in das Manometerrohr treten, und somit der Herzdruck aufgeschrieben werden \u2014 bei der Diastole \u00f6ffnet sich aber das Ventil.\nEine wesentliche Modification der Can\u00fcle ist dieser Anordnung des Apparates in Luciani\u2019s Versuchsreihe hinzugef\u00fcgt worden durch Kro-necker, indem er eine \u201eDoppelwegcantile\u201c construirte, welche gestattet, den Ventrikel bequem und vollkommen mit den gew\u00fcnschten Fl\u00fcssigkeiten durchsp\u00fclen zu k\u00f6nnen, welche daher auch als \u201e Perfusionscan\u00fcle \u201c bezeichnet wird., Ein an die neusilberne Can\u00fcle angel\u00f6theter Draht dient als die eine Electrode, das Gef\u00e2ss l aus Messing, innen vergoldet, als die andere Electrode der Inductionsstr\u00f6me, welche auf das Herz einwirken sollen.\nDer Apparat erm\u00f6glicht nun eine Untersuchung der Herzbewegungen in vielen Beziehungen, von denen wir hervorheben: 1. eine Bestimmung der Energie, mit welcher das Herz sich zusammenzieht, gemessen an der Menge der Fl\u00fcssigkeit, welche in das Manometer getrieben wird, 2. eine Ver\u00e4nderung des Druckes, unter welchem das Herz arbeitet, 3. den Einfluss der Abbindung von Herztheiten in verschiedener H\u00f6he \u00fcber der Herzspitze, 4. den Einfluss der Fl\u00fcssigkeiten, welche das Herz umgeben und f\u00fcllen und den Einfluss, welcher eine Ver\u00e4nderung derselben bewirkt, 5. die Bestimmung der Zeitfolge und des Verlaufes der Contractionen, 6. den Einfluss der Temperatur, 7. den Einfluss der electrischen Reizung.\nDie LuDwi\u00f6\u2019sche Anordnung der Versuche macht es nun m\u00f6glich, die Einwirkung von Fl\u00fcssigkeiten in Bezug 1. auf die Contrac-tilit\u00e4t des Herzens, oder den Umfang der Zusammenziehung, 2. auf die Reizbarkeit und auf Entwickelung der inneren Reize zur Contraction, 3. auf die Periodicit\u00e4t zu untersuchen.\nEs sind zweierlei Herzpr\u00e4parate zu unterscheiden, welche zu die-","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Die Einwirkung von Fl\u00fcssigkeiten.\n361\nsen Untersuchungen benutzt worden sind, und welche sich wesentlich in Bezug auf die Anwesenheit von Herzganglien und die, so viel man sehen kann, vollst\u00e4ndige Abwesenheit derselben unterscheiden. Das eine Pr\u00e4parat ist so auf die Can\u00fcle gebunden, dass die Ligatur um die Vorh\u00f6fe oder auch um den Venensinus fest zusammengeschn\u00fcrt ist, jedenfalls also die Kammerganglien, oder sowohl die Vorhofs- als die Kammerganglien intact in dem Pr\u00e4parate enthalten sind. Dieses von Luciani, Bossbach u. A. angewendete Pr\u00e4parat wird kurzweg das \u201eHerz\u201c genannt. Das andere Pr\u00e4parat ist so auf die Can\u00fcle gebunden, dass die Ligatur um die Herzkammer einige Millimeter unterhalb der Atrioventricularfurche festgebunden und alle dar\u00fcberliegenden Theile des Herzens weggeschnitten sind, die Kammerganglien also weggeschafft sind \u2014 dieses von Bowditch, Merunowicz u. A. verwendete Pr\u00e4parat wird die \u201eHerzspitze\u201c genannt.\nBeide Pr\u00e4parate bleiben, worauf wir sp\u00e4ter (III, 3) n\u00e4her ein-gehen werden, einige Zeit in Diastole ruhend \u2014 beide aber fangen nach k\u00fcrzerer oder l\u00e4ngerer Pause wieder an zu pulsiren, und zwar die Herzspitze erst nach sehr langer (10 bis 90 Minuten) Pause, das Herz schon nach wenigen Minuten. Wir betrachten zun\u00e4chst das Verhalten der Herzspitze gegen verschiedene Fl\u00fcssigkeiten.\nWird die Herzspitze mit 0,6procentiger Kochsalzl\u00f6sung gef\u00fcllt und in ein Bad derselben Fl\u00fcssigkeit eingetaucht, so nehmen die Zusammenziehungen des Herzens bald an Umfang ab, und auch nach wiederholter Erneuerung der Kochsalzl\u00f6sung tritt endlich ein Zustand der Ersch\u00f6pfung ein, in welchem gar keine Spur von Contraction mehr beobachtet werden kann, und in welchem auch electrische oder mechanische Beizung keine Contraction mehr ausl\u00f6st. Diese Wirkung einprocentiger Kochsalzl\u00f6sung hat schon Vulpian1 beobachtet. Ist die Herzspitze in diesen Scheintod durch Kochsalzl\u00f6sung versetzt, so kann sie durch eine grosse Anzahl von L\u00f6sungen, welche einen der Be-standtheile des Blutes enthalten, wieder zu Pulsationen und zwar zum Theil zu sehr kr\u00e4ftigen und h\u00e4ufigen Pulsationen gebracht werden, so z. B. bei Zusatz von 1\u201410 o(0 Blut zu der Kochsalzl\u00f6sung (Kronecker-Merunowicz). Die Zeit, welche eine Herzspitze ohne Pulsationen zubringt \u2014 die \u201eStille\u201c von Merunowicz genannt, kann aber sehr lang sein : so dauerte sie f\u00fcr eine Herzspitze in derselben Kochsalzl\u00f6sung 90 Minuten, nach Ersetzen der Kochsalzl\u00f6sung durch centrifugirtes Kaninchenserum weitere 42 Minuten, fing dann an, umf\u00e4ngliche Pulsationen in ungleichen Intervallen zu machen, blieb dann\n1 Vulpian, Gaz.m\u00e9d. de Paris. 1859. Nr. 25.","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intrac ardialen Nervencentra.\nviele Minuten in Diastole, zog\u2019 sich aber auf Ber\u00fchrung seiner Oberfl\u00e4che zusammen \u2014 nach Einf\u00fchrung eines mit etwas Delphinin vermischten Serums begannen die selbstst\u00e4ndigen Pulsationen innerhalb einer Minute wieder und dauerten etwa 100 Sekunden, dann h\u00f6rten sie 30 Minuten lang auf, begannen sogleich nach Zusatz von mit Blut gemischter Kochsalzl\u00f6sung. Bowditch hatte schon beobachtet, dass eine in Serum bewegungslos verharrende Herzspitze bei Delphinin-zusatz spontane Pulsationen von erheblichem Umfange macht. In gleichem Sinne wirkt, wie Schtschepotjew1 fand, das Chinin, und nach v. Basch'2 auch das mit Muscarin zusammen injicirte Atropin.\nWenn man mit Kronecker auf Grund der an der Herzspitze gemachten Beobachtungen zu dem Resultate kommt, \u201edass der Grund, weshalb die Herzspitze in verschiedenem Umfange zuckt, in den ver\u00e4nderlichen Eigenschaften ihrer Muskulatur zu suchen ist\u201c, so wird man ausserdem der Herzspitze die F\u00e4higkeit zuschreiben m\u00fcssen, die f\u00fcr die Systole erforderlichen Reize selbst zu entwickeln. Die Zeit, welche f\u00fcr die Entwickelung des inneren Reizes erfordert wird, ist nach der Zusammensetzung der Fl\u00fcssigkeit sehr verschieden und offenbar von derselben abh\u00e4ngig, ob aber die gel\u00f6sten Stoffe einen directen Einfluss auf die Umsetzungen im Muskel haben, welche schliesslich zu einer Zusammenziehung f\u00fchren, oder ob irgendwelche Organe (nerv\u00f6ser Natur) in der Herzspitze vorhanden sind, welche durch die fl\u00fcssigen Stoffe so erregt werden, dass sie in den Muskeln eine Zusammenziehung ausl\u00f6sen, ist f\u00fcr jetzt nicht zu entscheiden. Wenn die Herzspitze wirklich nerven-und ganglienlos ist, so muss die erstere Alternative Geltung haben und der Herzmuskulatur eine F\u00e4higkeit zugeschrieben werden, welche wir uns gew\u00f6hnt haben, den Ganglien als Monopol zu vindiciren : die F\u00e4higkeit, automatischer Erreger f\u00fcr die eigene Zusammenziehung zu sein.\nDie Untersuchungen, welche mit dem im Bereiche des Vorhofes auf die Can\u00fcle aufgebundenen Herzen, in welchem also jedenfalls die Kammerganglien intact sind, angestellt wurden, haben gegen 0,6procentige Kochsalzl\u00f6sungen dasselbe Verhalten, wie die Herzspitze, n\u00e4mlich eine vollst\u00e4ndige Ersch\u00f6pfung bei l\u00e4ngerer Durchsp\u00fclung und eine Wiederkehr spontaner Pulsationen bei Anwendung eiweissbaitiger Fl\u00fcssigkeiten ergeben. Ausser bluthaltiger Kochsalzl\u00f6sung wirken auf das Herz regenerirend centrifugirtes Kaninchenserum, L\u00f6sung der Asche des Serums, Zusatz einer sehr geringen Menge kohlensauren Natrons (Kronecker-Merunowicz und Sti\u00e9non), oder einer noch geringeren Menge (0,005 \u00b0o) kaustischen Natrons (Gaule), endlich einer geringen Menge von Pepton zu der 0,6pro-centigen Kochsalzl\u00f6sung (Gaule).\n1\tSchtschepotjew. Arch. f. d. ges. Physiol. XIX. S. 53. 187S.\n2\tvon Basch, Ber. d. Wiener Acad. LXXIX. (3) 1879. Sep.-Abdr.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Reizung und Trennung einzelner Herztheile.\n363\nDas Herz zeigt aber gegen diese L\u00f6sungen ein anderes Verhalten als die Herzspitze in Bezug auf die Periodicit\u00e4t der Pulsationen, d. k. auf die Periodicit\u00e4t der Entwickelung der inneren Herzreize. Luciani hat n\u00e4mlich entdeckt, dass ein mit centrifugirtem Serum gef\u00fclltes Herz Gruppen von Pulsationen producirt, zwischen welche sich lange diastolische Pausen einschie-ben. In Figur 2 ist eine Darstellung dieser \u201eperiodischen Function\u201c des Herzens nach Luciani gegeben.\nDiese periodischen Gruppen, welche, wie wir sehen werden, manche Ver\u00e4nderungen zeigen, treten aber nur bei F\u00fcllung des Herzens mit reinem, blutk\u00f6rperchenfreiem Serum auf \u2014 sie erscheinen nicht und machen regelm\u00e4ssigen Pulsationen Platz, wenn defibrinirtes Blut oder rothes Serum angewendet, bezw. das reine Serum durch rothes (h\u00e4moglobinhaltiges)\nSerum oder defibrinirtes Blut ersetzt wird, ebenso wenn das Serum durch 0,6 procentige Kochsalzl\u00f6sung ersetzt wird (Rossbach). Andererseits tritt nach Rossbach die Gruppenbildung auf, wenn das Blut durch l\u00e4ngeres Verweilen im Herzen dunkel geworden ist, also seines Sauerstoffes beraubt ist, und die Pausen werden immer l\u00e4nger, die Zahl der Schl\u00e4ge, welche eine Gruppe bilden, immer geringer, je l\u00e4nger das dunkle Blut im Herzen weilt \u2014 die Gruppenbildung tritt ferner auf, wenn dem hellrothen Blute eine schwache Veratrinl\u00f6sung zugef\u00fchrt wird. Wie Luciani beobachtete, werden durch Erneuerung des Serums die Pulse innerhalb der Gruppen einer Periode zahlreicher und h\u00e4ufiger, die Pulsexcursionen h\u00f6her und die Pausen der Perioden k\u00fcrzer. \u2014 Dass die periodische Function nicht auf eine Wirkung des Serums auf die Muskulatur des Herzens, etwa eine zeitweise Erm\u00fcdung derselben bezogen werden kann, ist wohl zweifellos, auf welche Nerven aber und auf welchem Wege die erw\u00e4hnten Substanzen ein wirken, ist ganz unklar.\nQ\n\u00f6.\nReizung und Trennung einzelner Herztheile.\nWird die Stelle des Froschherzens zwischen Venensinus und Vorhof mit einem Faden fest umschn\u00fcrt, oder diese Stelle durchschnitten, so steht das Herz eine Zeit lang in Diastole still, w\u00e4hrend Venen und der zur\u00fcckgebliebene Sinusrest weiter pulsiren. Wird die Oberfl\u00e4che\nF\u00fcnf Perioden von Pulsationen mit dazwischen liegenden Pausen. Die Punkte auf der Abscisse bezeichnen Abst\u00e4nde von 10 Sec.","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.\ndes Herzens ber\u00fchrt, so erfolgt eine Systole s\u00e4mmtlicher Abschnitte des Herzens, dann tritt wieder die diastolische Ruhe ein, welche eine Zeit lang anh\u00e4lt. Ein Einstich in der Mitte des oberen Ventrikelrandes ruft eine Reihe von Pulsationen hervor, welchen die diastolische Ruhe folgt. Wird an dem sinuslosen ruhenden Herzen eine Ligatur in der Atrioventriculargrenze fest umgeschn\u00fcrt, oder in dieser Gegend durch einen Schnitt der Ventrikel von dem Atrium abgetrennt, so beginnen entweder Atrium und Ventrikel, oder das Atrium allein, oder der Ventrikel allein wieder rhythmisch zu pul-siren; wenn Atrium und Ventrikel pulsiren, dann bewegen sie sich mit verschiedener Frequenz. Der Erfolg dieser Eingriffe ist aber mancherlei Variationen unterworfen, welche n\u00e4her zu er\u00f6rtern sind, um die Frage zu beantworten, in wie weit die Reizung oder Ausschaltung von Herzganglien die Erscheinung des Herzstillstandes bedingt.\nVolkmann 1 beobachtete zuerst, dass, nachdem er Vorh\u00f6fe und Kammer eines ausgeschnittenen, lebhaft pulsirenden Froschherzens durch einen Schnitt von einander getrennt hatte, die Vorh\u00f6fe weiter pulsirten, die Kammer aber nicht; auf eine leise Ber\u00fchrung der Kammer erfolgte eine einmalige Contraction derselben. Diese Beobachtung wurde sp\u00e4ter von Bidder- und Rosenberger best\u00e4tigt, aber erst die Versuche von Stan-nius1 2 3 regten zu zahlreichen weiteren Untersuchungen an. Stannius fand, dass, wenn genau diejenige Stelle, wo der Hohlvenensinus in den rechten Vorhof m\u00fcndet, unterbunden wird, das ganze Herz im Zustande der Diastole anhaltend stille stehe. Dass der Stillstand indess kein andauernder sei, wurde demn\u00e4chst von Volkmann und Heidenhain4 festgestellt, dass er vielmehr eine verschieden lange Zeit, l3/i\u201425 Min. anhalte. Heidenhain glaubte ferner die Wirkung der Ligatur als eine Reizung (des N. vagus) auffassen zu m\u00fcssen, nicht als eine Trennung des Zusammenhanges von Sinus und Vorhof. Obgleich Eckhard5 und von Bezold6 zeigten, dass ein Schnitt an der Stelle, wo der Hohlvenensinus in den Vorhof \u00fcbergeht, ebenso wirkt, wie die STANNius\u2019sche Ligatur, und Heidenhain7 selbst die Unhaltbarkeit seiner Annahme, erkannte, obgleich Goltz8 zeigte, dass die Ligatur wesentlich trennend wirke, wie ein Schnitt und etwaige Differenzen zwischen den Resultaten beim Schnitt von denen bei der Ligatur nur auf Nebenumst\u00e4nden (dem verschiedenen Blutgehalt des Herzens und der Einwirkung der atmosph\u00e4rischen Luft)\n1\tVolkmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1844. S. 419.\n2\tBidder, Ebenda. 1852. S. 163. (Cf. Rosenberger, De centris motuum cordis disquisitiones anatomico-physiologicae. Dorpat 1850.)\n3\tStannius, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1852. S. 85.\n4\tR. Heidenhain, Disquisitiones de nervis organisve centralibus cordis etc. Diss. inaug. p. 52. Berolini 1854.\n5\tEckhard, Beitr. z. Anat. u. Physiol. I. S. 147.1858.\n6\tvon Bezold, Arch. f. pathol. Anat. XIV. S. 282. 1858.\n7\tR. Heidenhain, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1858. S. 479.\n8\tGoltz, Arch. f. pathol. Anat. XXL S. 191. 1861.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Reizung und Trennung einzelner Herztheile.\n365\nberuht, \u2014 so ist doch wieder von LucianD die Meinung begr\u00fcndet worden, dass die Ligatur der Vorh\u00f6fe nicht nur ein Trennungsmittel, sondern auch geeignet sei, die geschn\u00fcrten Theile zu reizen. Indess der \u201etetanische Anfall\u201c Luciani\u2019s, welcher nach Anlegung einer neuen Ligatur auftritt und mit der L\u00f6sung derselben sofort aufh\u00f6rt, ist, wie Kro-necker'1 2 nachgewiesen hat, in der Einrichtung des Apparates begr\u00fcndet und tritt, wie Luciani selbst angiebt, bei Erneuerung des Serums ein, wenn der traumatische Einfluss der Ligatur vor\u00fcbergegangen ist. Somit w\u00fcrde nach dem jetzigen Stande der Frage anzunehmen sein, dass die StANNius\u2019sche Ligatur wesentlich trennend, wie ein Schnitt wirkt.\nEine von dem Orte, wo der Vorhof unterbunden oder durchschnitten wird, abh\u00e4ngige Verschiedenheit der Dauer des diastolischen Stillstandes ist nicht mit Sicherheit nachweisbar, da der Erfolg der Trennung offenbar noch anderen bisher nicht klargelegten Bedingungen unterworfen ist. Glaubt man genau dieselbe Stelle zwischen Ven-tricularfurche und Sinusgrenze getroffen zu haben, so tritt doch nach sehr verschieden langer Pause die Pulsation wieder auf, und offenbar verschiedene Stellen der Trennung geben ein fast gleiches Resultat.\nEckhard3 fand im Widerspruch mit Heidenhain die l\u00e4ngste Dauer der Ruhe bei m\u00f6glichst nahe der Atrioventrieulargrenze gelegtem Schnitt. Der Erfolg kann, wie Eckhard fand, in folgender Weise variiren: Es folgt sofort Stillstand, es folgen 1\u20147 Schl\u00e4ge, dann Stillstand, der Stillstand dauert 1 Minute bis 1 Stunde, oder endlich es erfolgt \u00fcberhaupt kein Stillstand, sondern nur eine Verminderung der Frequenz. Nicht selten ist es mir begegnet, dass nach der Ligatur sofort Stillstand erfolgte, nach Ber\u00fchrung der Herzoberfl\u00e4che an der Herzspitze aber nicht eine einzelne Pulsation, sondern ein minutenlanges Weiterpulsiren eintrat. Bei Durchsclmeidung des Froschherzens unter Oel fand Goltz meist bleibenden Stillstand des Herzens \u2014 im Gegens\u00e4tze dazu Luciani, Rossbach, Meritnowicz, Gaule niemals dauernden Stillstand bei Beobachtung des mit dem Vorliofe auf die Can\u00fcle des LuDwm\u2019schen Froschmanometers aufgebundenen Herzens, sondern Weiterpulsiren oder die erw\u00e4hnten periodischen Pausen Luciani\u2019s, und dauernden Stillstand nur nach Anlegung der Ligatur um den Ventrikel unterhalb der Atrioventricularfurche (Bow-DiTCH\u2019sche Herzspitze). Aber auch bei dem BowDiTCH\u2019schen Herzpr\u00e4parate kann, wie oben besprochen wurde, die ins Herz gebrachte Fl\u00fcssigkeit Wiederbeginn der Pulsationen bewirken. Auch auf die periodische Gruppenbildung ist nach Luciani\u2019s Beobachtungen der Ort der Unterbindung nicht von wesentlichem Einfl\u00fcsse, nur ganz im Allgemeinen scheinen die Gruppen l\u00e4nger, die Pausen desto k\u00fcrzer zu werden, je h\u00f6her \u00fcber der Atrioventricularfurche die Ligatur angelegt wird \u2014 erst mit\n1\tL. Luciani, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1873. S. 11.\n2\tKronecker, Beitr.z. Anat. u. Physiol, als Festgabe f\u00fcr C. Ludwig. 1874. S. 173.\n3\tEckhard. Beitr. z. Anat. u. Physiol. II. S. 125. I860.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.\nder Unterbindung unterhalb des Sulcus h\u00f6rt die periodische Tli\u00e4tigkeit des Herzens auf.\nDer zweite Tkeil des STANNius\u2019schen Versuches besteht in der Umlegung* einer zweiten Ligatur, nachdem das Herz zum Stillst\u00e4nde gebracht ist, um die Grenze zwischen Kammer und Vorh\u00f6fen, worauf sich der Ventrikel wieder rhythmisch lange Zeit hindurch zusammenzieht, w\u00e4hrend die Vorh\u00f6fe in Ruhe verharren, oder einzelne seltene Contractionen zeigen. Ferner beobachtete schon Stannius, dass Reizung der Grenze zwischen Ventrikel und Vorh\u00f6fen 8-10 mal auf einander folgende rhythmische Contractionen von Ventrikel und Vorh\u00f6fen nach sich zieht.\nDieser letztere Versuch ist von Munk1 dahin modificirt worden, dass er eine Nadel in die Atrioventriculargrenze des stillstehenden Herzens einsticht, und so die Kammerganglien reizt, dass er die Vorhofsganglien an der Scheidewand und Bulbusganglien (?) in der unteren H\u00e4lfte des Bulbus reizt, worauf dann jedesmal eine ganze Reihe von Pulsationen folgt. Nach M\u00fcnk \u00e4ndert sich damit die Reihenfolge, in welcher die Herztheile pulsiren. Es folgen bei Reizung der Ventrikelganglien : Ventrikel, Vorh\u00f6fe, Bulbus \u2014 bei Reizung der Vorhofsganglien: Vorh\u00f6fe, Ventrikel, Bulbus, \u2014 bei Reizung der Bulbusganglien : Bulbus, Ventrikel, Vorh\u00f6fe. \u2014 Dass nach Reizung des Bulbus durch einen Nadelstich Reihen von Pulsationen, in welchen der Ventrikel auf den Bulbus folgt, ausgel\u00f6st werden, hat auch Marchand2 beobachtet. (Bulbusganglien sind bis jetzt anatomisch nicht bekannt.) Schon Stannius sah, dass bisweilen bei Reizung des Ventrikels die Contraction des Ventrikels und des Bulbus derjenigen der Vorh\u00f6fe vorangeht, so wie dass eine Ber\u00fchrung des Vorhofes leichter Contractionen ausl\u00f6st, als eine Ber\u00fchrung des Ventrikels.\nBei der von Ludwig und seinen Sch\u00fclern angewendeten Beobachtungsmethode, bei welcher das Herz m\u00f6glichst empfindlich gegen die Eindr\u00fccke der Ligatur gemacht wird, zeigte sich aber, abweichend von den fr\u00fcheren Beobachtungen, dass die Umlegung einer neuen Ligatur eine sehr grosse Frequenz der Pulsationen zur Folge hat, welche Luciani als tetanischen Anfall bezeichnet. Sehen wir von der durch die Versuchsanordnung erzeugten Erhebung der Curve ab, so bleibt immer noch eine grosse Frequenzzunahme \u00fcbrig, welche auch nach L\u00f6sung der fest zugezogenen Schlinge bestehen bleibt und dann allm\u00e4hlich abnimmt. Vielleicht ist die Frequenzzunahme als ein Analogon der STANNius\u2019schen zweiten Ligaturwirkung aufzufassen, indess sind gerade \u00fcber die Frequenzzunahme keine ausf\u00fchrlichen Mittheilungen von Luciani gemacht worden.\nDa nach der Entdeckung von Bowditch der unterhalb des Atrio-ventricularsulcus umschn\u00fcrte Ventrikel bei F\u00fcllung mit centrifugirtem Kaninchenserum sehr lange Zeit in diastolischer Ruhe verharrt, so ist\n1\tH. Munk, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1878. S. 569; Verh. d. Berliner physiol. Ges. 1876. 25. Febr.\n2\tMarchand, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 151. 1878.","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Reizung und Trennung einzelner Herztheile.\n367\ndieses Pr\u00e4parat von Bowditch und Kroneoker zur Untersuchung der Wirkung electrischer Reize benutzt worden. Es ergiebt sieb aus diesen Untersuchungen, dass Oeffnungsinductionsschl\u00e4ge von bestimmter Intensit\u00e4t eine unfehlbare, maximale Contraction des Ventrikels hervorbringen , dass schw\u00e4chere Reize gar keine Wirkung haben, st\u00e4rkere Reize keinen anderen Erfolg, als die schw\u00e4chsten wirksamen Reize erzeugen: minimale Reize sind daher, wie Kronecker es ausdriickt, zugleich maximale. Die Grenze der wirksamen minimalen Schl\u00e4ge ist aber verschieden: die Erregbarkeit des Herzens wird durch seine Bewegung selbst gesteigert, denn bei einem ruhenden Herzen ist eine gr\u00f6ssere Stromintensit\u00e4t (200 Stromeinheiten) erforderlich, als bei einem Herzen, welches eben pulsirt hat (es gen\u00fcgen dann 20 Stromeinheiten). \u2014 Die Erregbarkeit des Herzens wird durch Erw\u00e4rmung bis auf etwa 25 0 C. gesteigert, durch Abk\u00fchlung im Allgemeinen vermindert \u2014 die Erregbarkeit des Herzens bedarf aber einer gewissen Zeit, um sich zu entwickeln (um pulsbereit, zu werden): Je k\u00fchler das Herz wird, um so geringer ist seine Frequenz; nun fand Kronecker, dass verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig schwache Reize unfehlbare Zusammenziehungen ausl\u00f6sen, wenn die Reizungen in Zeitintervallen erfolgen, welche gr\u00f6sser sind als die dem jeweiligen Beweglichkeitszustande entsprechenden Pulsperioden, dass dieselben aber effectlos sind, wenn sie das Herz vor Beendigung seiner Pulsperiode treffen; starke Reize bringen aber jederzeit die isolirte Herzkammer zur Contraction. Die Resultate von Kronecker sind k\u00fcrzlich durch Versuche von von Basch1 indirect best\u00e4tigt worden, indem derselbe nach wies, dass die Erhaltung einer niederen Pulsfrequenz durch einzelne zeitlich distante Reize gr\u00f6ssere Stromst\u00e4rken erfordert, als die Erhaltung einer mindestens eben so grossen Pulsfrequenz durch rasch aufeinanderfolgende Reize, \u2014 dass also die Reize vom Herzen summirt werden. \u2014 Ausserdem zeigen sich individuelle Erregbarkeiten bei den verschiedenen Herzen. \u2014 Eckhard hat zuerst die Beobachtung gemacht, dass der Ventrikel nach Entfernung der Atrioventricularganglien in rhythmische C on traction en verf\u00e4llt, wenn er von constanten Str\u00f6men durchflossen wird und postulirt f\u00fcr diese Erscheinung \u201eneue Centralorgane\u201c oder eine andere \u201eUrsache ihrer Vermittelung\u201c. Diese Beobachtung hat Nawrocki2 im wesentlichen best\u00e4tigt, obgleich er den Ventrikel nach Entfernung der Atrioventricularganglien nicht f\u00fcr ganglienlos gelten lassen will, \u2014 nachgewiesen hat Nawrocki die postulirten Ganglien aber nicht.\nAusser der vollkommenen Trennung von Herztheilen durch Ligatur oder Schnitt sind auch Versuche mit unvollkommener Trennung von Herztheilen angestellt worden. Stannius beobachtete, dass, wenn die Vorh\u00f6fe an der Furche durch einen unvollst\u00e4ndigen Querschnitt unvollkommen von dem Ventrikel getrennt, also noch durch eine Br\u00fccke mit ihm in Verbindung erhalten werden, sowohl Vorh\u00f6fe als Ventrikel noch l\u00e4ngere Zeit hindurch rhythmische Contractionen machen. Engel-\n1\tvon Basch, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXIX. (3) 1879. Sep.-Abdr.\n2\tNawrocki, Studien d. physiol. Inst, zu Breslau. I. S. 110. 1861.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368 Aubert. Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.\nmann1 zerschneidet die Herzkammer eines eben get\u00f6dteten Frosches in zwei oder mehr, jedesmal nur durch eine ganz schmale Br\u00fccke von Muskelsnbstanz noch zusammenh\u00e4ngende St\u00fcckchen, und fand, 1. dass sich nach einiger Zeit auf Reizung irgend eines dieser St\u00fcckchen nach einander auch die andern contrahiren; 2. dass wenn ein St\u00fcck der Kammer noch mit dem pulsirenden Vorhofe zusammenh\u00e4ngt, sich nach jeder Vorhofssystole zuerst dieses St\u00fcck, darnach das hieran grenzende u. s. f. zusammenzieht bis zur Spitze hin; 3. dass, wenn keine spontanen Bewegungen vorhanden sind, die Contraction von demjenigen St\u00fccke, welches zuerst gereizt wird, auf alle andern nach einander fortschreitet; 4. dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung etwa 30 Mm. pro 1 Secunde betr\u00e4gt, unter normalen Bedingungen aber wohl viel gr\u00f6sser ist.\nNachdem von der Wirkung starker Inductionswechselstr\u00d6me auf das Herz unter 2. Erw\u00e4hnung geschehen, w\u00fcrde in Bezug auf mechanische Reizung des Herzens noch der Angabe Pagliany\u2019s2 zu gedenken ein, dass nur Reizung der h\u00e4utigen Oberfl\u00e4che des Herzens, nicht Reizung des ent-bl\u00f6ssten Muskelgewebes eine Contraction an dem unter der Furche abgeschnittenen Ventrikel bewirke. Dieser Angabe widerspricht Engelmann nach beiden Richtungen, indem er durch heftiges Kneipen des Ekto-kards keine Zusammenziehung an frischen, sehr empfindlichen Ventrikeln erhalten habe \u2014 andererseits eine Reizung entbl\u00f6sster Muskeln ohne Endokard wohl \u00fcberhaupt nicht ausf\u00fchrbar sei.\nAlle diese Versuche sind meistens am Froschherzen gemacht worden, indess haben verschiedene Forscher, z. B. Eckhard, Kronecker auch das Schildkr\u00f6tenherz benutzt, von Wittich3 hat auch an Herzen junger Eulen und junger S\u00e4ugethiere seine Versuche angestellt; es haben sich indess bei diesen Thieren keine nennenswerthen Differenzen von den Beobachtungen am Froschherzen gezeigt.\nDie hier besprochenen Trennungen des Zusammenhanges der Herztheile sind seit Volkmann und Stannius in Beziehung zu den Ganglien des Herzens gebracht worden, welche als die Centralorgane f\u00fcr die Bewegungen des Herzens angesehen werden. Dieser Annahme liegt die Vorstellung zu Grunde, dass die Herzmuskeln zu den Herznerven sich ebenso verhalten, wie die Skeletmuskeln zu dem R\u00fcckenmark und Gehirn, dass also die Herzganglien bestimmend sind f\u00fcr Erschlaffung und Contraction der Herzmuskeln, dass Reize auf Nervenfasern wirken, welche die Erregung zu den Ganglien fortleiten und von diesen die Erregung durch Nerven zu den Muskeln fortpflanzen. Die anatomischen Befunde der Herznerven entsprechen dieser\n1\tEngelmann, Arch. f. d. ges. Physiol. XL S. 465. 1875.\n2\tPa gut a nt, Molesch. Unters. XI. S. 358. 1876.\n3\tvon Wittich, K\u00f6nigsberger med. Jahrb. I. S. 15. 1859.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Reizung und Trennung einzelner Herztheile.\n369\nVorstellung nicht: abgesclmittene St\u00fccke des Ventrikels, in welchen keine Spur von Nerven oder Ganglien nachgewiesen werden kann, contrahiren sich auf mechanische oder electrische Reizung \u2014 der 2 Mm. unter dem Sulcus umschn\u00fcrte Ventrikel (die BowDiTCH\u2019sche Herzspitze), in welchem Ganglien nicht nachweisbar sind, kann vollst\u00e4ndig rhythmische Pulsationen ausf\u00fchren und contrahirt sich ebenso, wie ein mit dem \u00fcbrigen Herzen in Verbindung gelassener Ventrikel auf electrische und mechanische Reize.\nDer Vorstellung, dass der Bewegungs- und Innervationsmechanismus des Herzens dem des K\u00f6rpers analog sei, findet ferner keine St\u00fctze in dem anatomischen Bau der Herzmuskeln, keine St\u00fctze in dem Verhalten des Herzens gegen tetanisirende Wechselstr\u00f6me, keine St\u00fctze in den zeitlichen Verh\u00e4ltnissen der Muskelzusammenziehung, keine Stutze in der stets maximalen Contraction der Herzmuskeln.\nEs erhebt sich also die Frage: ist die Vertheilung der Functionen zwischen Muskeln und Nerven des Herzens eine andere, als bei denen des K\u00f6rpers?\nIn Bezug auf die Feitung der Erregung (zun\u00e4chst im Ventrikel) muss, wie Engelmann nachweist, die Annahme gemacht werden, dass die Erregung direct von Zelle zu Zelle im Muskel fortschreitet, der Muskel also die sonst den Nerven zugetheilte Leitung der Erregung \u00fcbernimmt. Ein irgendwo auf eine Stelle der Muskelsubstanz wirkender Reiz w\u00fcrde dann auf alle Muskelzellen fortgepflanzt werden \u2014 womit die stets maximale Contraction der Kammer erkl\u00e4rlich wird. Der Herzmuskel muss ferner direct erregbar, irritabel, sein. \u2014 Unter diesen Annahmen w\u00fcrden sich die durch Reizung nervenloser Herzst\u00fccke hervorgebrachten totalen Con-tractionen erkl\u00e4ren. Als Reflexbewegungen in der gebr\u00e4uchlichen Bedeutung des Wortes wird man diese auf Reizung erfolgenden Con-tractionen nicht ansprechen d\u00fcrfen, da ein Reflex nicht vorhanden ist, wenn man darunter nicht das verstehen will, was sonst als \u201e Ausl\u00f6sung\u201c der Bewegung bezeichnet wird. Die durch die Muskelzellen fortgeleitete Erregung w\u00fcrde die Contraction der Muskeln ausl\u00f6sen, und die Contraction nach Ablauf des Latenzstadiums perfect werden.\nBez\u00fcglich der Rhythmicit\u00e4t der Herzcontractionen m\u00fcssen wir annehmen, dass dieselbe ohne Ganglien in der BowDiTCH\u2019sclien Herzspitze zu Stande kommen kann, wie aus Eokhard\u2019s, sowie aus Bowditch\u2019s und Merunovicz\u2019 Versuchen hervorgeht. Aus den Untersuchungen von Kro-necker \u00fcber die electrische Reizung der Herzspitze gewinnen wir einen Anhaltspunkt, wie wir uns das Zustandekommen einer Rhythmicit\u00e4t ohne Nervencentrum w\u00fcrden zu denken haben. Nach Kronecker wirken minimale Reize nur in gewissen, durch Temperatur, Ern\u00e4hrung u. s. w. ge-Handbuch der Physiologie. Bd. IV.\t24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.\nsetzten Zwischenzeiten unfehlbar; es bedarf also einer gewissen Zeit bis die h\u00f6chste Erregbarkeit der Muskulatur sich entwickelt; bevor dieser Zeitpunkt erreicht ist, sind nur starke Reize unfehlbar. Andererseits nimmt, wenn die Herzspitze in Ruhe verharrt hat, die Erregbarkeit ab. Die Curve der Erregbarkeit erreicht also in einem bestimmten Zeitpunkte nach einer Pulsation ihren Gipfel und sinkt dann wieder ab. Neben dieser Erregbarkeitscurve und unabh\u00e4ngig von ihr verl\u00e4uft aber, wie aus Luciani\u2019s, Rossbach\u2019s, Merunowicz\u2019s, Gaules, Hildebrand\u2019s und von Baschs Versuchen hervorgeht, eine Curve der Entwickelung der inneren Herzreize, welche bei vorhandenen Ganglien auf diese einwirken: treffen die Gipfel beider Curven zusammen, so erfolgt auch bei nicht vorhandenen Ganglien eine Contraction, da ja die Muskeln direct reizbar sind. Damit w\u00fcrde auch die periodische Function Luciani\u2019s ihre Erkl\u00e4rung finden, indem bei einer gewissen H\u00f6he der Curve f\u00fcr die inneren Herzreize der gen\u00fcgende Reiz f\u00fcr die Ausl\u00f6sung einer Pulsation des in Ruhe befindlichen Muskels erreicht w\u00fcrde, mit dem Absinken der Reizcurve aber die Erregbarkeitscurve in Folge der Pulsationen anstiege, sodass der geringere Reiz zur Ausl\u00f6sung einer neuen Pulsation gen\u00fcgte, dies auch bei weiterem Abfall der Reizcurve noch der Fall w\u00e4re, bis endlich bei weiterem Sinken der Reizcurve dieselbe nicht mehr gen\u00fcgte und dann die Pause erfolgte, w\u00e4hrend welcher die Reizcurve wieder anstiege. Luciani\u2019s \u201eKrisis\u201c w\u00fcrde diese Vorstellung unterst\u00fctzen.\nIn Bowditch\u2019s Untersuchungen w\u00e4re das Delphinin eine Substanz, welche die Entwickelung der inneren Herzreize beg\u00fcnstigte oder die Erregbarkeit vermehrte, bei Merunowicz\u2019s Untersuchungen w\u00fcrde das Blut oder der Sauerstoff des Blutes diese Wirkung haben.\nEs w\u00fcrde dann die an sich sehr wahrscheinliche Annahme zu machen sein, dass ein st\u00e4rkerer Reiz erforderlich ist, um die Muskeln direct zu erregen, als er zur Erregung von Nerven oder Ganglien nothwendig ist, um die unter Umst\u00e4nden sehr lange Ruhe der BowDiTCH\u2019schen Herzspitze zu erkl\u00e4ren gegen\u00fcber der leichteren Ausl\u00f6sung von Pulsationen in dem LuciANi\u2019schen Pr\u00e4parate.\nMit dieser Auffassung sind die Versuche im Einkl\u00e4nge, welche von Bernstein1 und von Bowditch2 angestellt worden sind, in denen der Ventrikel des aus der Brust hervorgezogenen Forschherzens ein St\u00fcck unterhalb der Atrioventricularfurche mittelst einer Klemme stark zusammengedr\u00fcckt und dann wieder in die Brusth\u00f6hle zur\u00fcckgebracht wird: der Erfolg ist in den meisten F\u00e4llen, dass der unterhalb der Klemmstelle gelegene Theil des Ventrikels sich an dem \u00fcberlebenden Frosche nicht mehr zusammenzieht, ausser wenn er direct mechanisch oder electrisch gereizt wird. Die Fr\u00f6sche k\u00f6nnen mit einem so zur Passivit\u00e4t gebrachten Ventrikel wochenlang leben. Hier ist also das normale Blut kein unfehlbarer, sondern \u00fcberhaupt ein ungen\u00fcgender Reiz f\u00fcr die Herzspitze. Bowditch hat nun in einigen F\u00e4llen gefunden, dass die Ven-\n1\tJ. Bernstein, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. S. 385.\n2\tBowditch, Journ. of physiol. I. p. 104. 1878.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Einfl\u00fcsse der Temperatur.\n371\ntrikelspitze spontan weiter schlug, dass aber diese spontanen, rhythmischen Bewegungen aufh\u00f6rten, wenn eine \u00fcber der gequetschten Linie gelegene Zone geklemmt wurde, und er schliesst daraus, dass in der Herzspitze sich kein motorischer Apparat befindet, sondern dass der Wiederbeginn der Pulsationen abh\u00e4ngig ist von den in der Ventrikelbasis gelegenen Apparaten, deren Verbindung mit dem Ventrikel erst durch die zweite, der Basis n\u00e4here Abklemmung aufgehoben werde. \u2014 Auch die von Hildebrand1 an nicht ausgeschnittenen Herzen von Aalen und Kaninchen, so wie die von von Basch2 am abgeklemmten Herzen des Frosches ohne Einf\u00fchrung einer dem Herzen fremden Fl\u00fcssigkeit f\u00fchren zu dem Resultate, dass Reize, welche f\u00fcr das sinuslose Herz (den \u201eHerzstumpf u) sich als ausreichende erweisen, der Herzspitze gegen\u00fcber sich als unzul\u00e4ngliche zeigen.\nUnbedingt nothwendig f\u00fcr das Zustandekommen rhythmischer Herzpulsationen sind die Ganglien und Nerven des Herzens nicht, aber sie sind erstens leichter erregbar, und damit w\u00fcrde eine gr\u00f6ssere Garantie f\u00fcr die regelm\u00e4ssige Th\u00e4tigkeit des Herzens gegeben sein; sie sind ferner nothwendig, um die Leitung von der Erregung des Sinus auf die des Vorhofes, von dieser auf die des Ventrikels zu besorgen ; drittens w\u00fcrde die langsame Leitung durch die Ganglien, welche Marchand fand, bewirken, dass der Ventrikel erst zur Pulsation angeregt wird, wenn der Vorhof seine Pulsation beinahe beendet hat, was f\u00fcr die regelm\u00e4ssige Fortschalfung des Blutes von der gr\u00f6ssten Wichtigkeit ist.\nDie Hypothesen, welche \u00fcber die Function der Herzganglien aufgestellt sind, nehmen keine R\u00fccksicht auf die Pulsation ganglienloser Herzst\u00fccke und sind f\u00fcr die Beobachtungen der LuDwiG\u2019schen Schule v\u00f6llig unbefriedigend. Stannius wies nur auf die Wahrscheinlichkeit zweier nerv\u00f6ser Centralorgane hin, von denen das eine die Contractionen zu hemmen, das andere zu f\u00f6rdern scheine, eine Annahme, welche sp\u00e4ter von Bezold weiter ausf\u00fchrte und Friedl\u00e4nder3 aufrecht zu erhalten suchte; Bidder erkl\u00e4rte die Ganglien im Septum f\u00fcr rhythmische oder automatische, die in der Atrioventricularklappe f\u00fcr reflectorische, eine Annahme, welche von Eckhard und Heidenhain widerlegt wurde. Goltz trat gleichfalls gegen die BiDDER\u2019sche Hypothese auf, indem er alle Ganglien des Herzens als reflectorische ansieht und den Reiz, welcher dieselben erregt, in dem in das Herz einstr\u00f6menden Blute findet.\n4. Die Einfl\u00fcsse der Temperatur.\nSowohl die Frequenz der Herzpulsationen, als auch die Gr\u00f6sse der Bewegung, die Dauer der Systole und Diastole, die Reizbarkeit des Herzens sind abh\u00e4ngig von der Temperatur.\n1\tHildebrand, Nordisk. med. Ark. IX; Jahresber. d. Anat. u. Physiol. VI. (3) 1877. S. 51.\n2\tvon Basch, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXIX. (3) 1879. Sep.-Abdr.\n3\tFriedl\u00e4nder, Unters, a. d. physiol. Lab. in W\u00fcrzburg. 1867. II. Heft. S. 165.\n24*","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372 Aubert. Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen iNervencentra.\nDie Frequenz der Pulsationen nimmt ab bei allm\u00e4hlicher Verminderung der Temperatur und nimmt zu bei Steigerung der Temperatur bis etwa 30\u00b0 C. beim Froschherzen, dar\u00fcber hinaus findet meist eine Abnahme der Frequenz statt. Auch bei der von Luciani beobachteten periodischen Function des Froschherzens fand derselbe eine Zunahme der Frequenz in den Gruppen und eine Abnahme der Dauer der Pausen. \u2014 Die Gr\u00f6sse oder der Umfang der Bewegung nimmt von sehr niedrigen Temperaturen bis zu einer Temperatur von etwa 15\u201420\u00b0 C. zu, von 20\u00b0 aufw\u00e4rts aber wieder ab. Die Leistung des Herzens, gemessen an der Excursion des Quecksilbers im Froschherzmanometer, kann bei sehr hohen Temperaturen in der H\u00f6he von 40\u00b0 trotz lebhafter Contractionen \u25a0= 0 werden, indem die Contractionen in peristaltischen, von der Vorhofsgrenze nach der Spitze fortschreitenden Zusammenziehungen bestehen, welche nicht Zusammenwirken (Cyon). \u2014 Die Systole des Herzens erfordert eine sehr lange Zeit bei niederer Temperatur (3\u20147\u00b0), w\u00e4hrend sie bei Temperaturen \u00fcber 18\u00b0 oder 20\u00b0 nur etwa den zehnten Theil jener Zeit dauert. Auch die DiastoU dauert l\u00e4nger bei niederen Temperaturen und geht bei h\u00f6heren Temperaturen sehr schnell vor\u00fcber, ist auch verbunden mit einer gr\u00f6sseren Ausdehnbarkeit der Herzwandungen, indem das Quecksilber des Manometers bei h\u00f6heren Temperaturen in der Diastole oder Ruhe tiefer sinkt. \u2014 Endlich ist die Reizbarkeit des Herzens insofern ge\u00e4ndert, als bei dem w\u00e4rmeren Herzen schneller folgende Reize unfehlbar Contractionen ausl\u00f6sen, w\u00e4hrend bei kalten Herzen die Reize in gr\u00f6sseren Intervallen einander folgen m\u00fcssen, wenn sie unfehlbar wirken sollen, wie wir bereits oben (S. 370) bemerkt haben. Nach Cyon wirken pl\u00f6tzliche Temperaturver\u00e4nderungen direct reizend auf das Herz.\nF\u00fcr die Art und Weise, wie die Temperatur ver\u00e4ndernd auf die Th\u00e4tigkeit des Herzens einwirkt, hat Gaule einen wichtigen Anhaltspunkt ermittelt, indem er fand, dass das Herz eines im Kalten gewesenen Frosches weniger leistungsf\u00e4hig ist, als das eines im Warmen gewesenen Frosches, dass aber das Herz des ersteren zu gleichem Verhalten, wie das des letzteren gebracht werden kann, wenn ihm das Extract eines Herzens von einem im Warmen gehaltenen Frosche zugef\u00fchrt wird; es m\u00fcssen also irgend welche Stoffe sein, welche unter dem Einfl\u00fcsse der W\u00e4rme gebildet werden und dem Herzen Spannkr\u00e4fte zuf\u00fchren, welche seine Erregbarkeit und Leistungsf\u00e4higkeit ver\u00e4ndern.\nSchon Budge1 und Weber2 hatten beobachtet, dass Erh\u00f6hung der\n1\tBudge, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. S. 439. 1846.\n2\tEd. Weber, Ebenda. III. (2) S. 35. 1846.","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Die Einfl\u00fcsse der Temperatur \u2014 des Druckes.\n373\nTemperatur eine Frequenzzunahme an dem Herzen des H\u00fchnerembryo, so wie an ausgeschnittenen Froschherzen hervorruft. Caliburc\u00e8s1 beobachtete eine gr\u00f6ssere Pulsfrequenz an der Schwimmhaut des Froschfusses, wenn das andere Bein des Frosches in Wasser von 35\u201475\u00b0 C. gebracht wurde \u2014 wie weit hier W\u00e4rme und Schmerz zusammen oder durcheinander gewirkt haben, bleibt unklar. Schelske2 fand, dass Temperaturen von 26\u00b0 bis 36\u00b0 zuerst Beschleunigung der Herzpulsationen, dann Aufh\u00f6ren derselben bewirken und Ruhe, aus welcher das Herz durch einen einzelnen Inductionsschlag zu einmaliger Contraction, durch Abk\u00fchlung\nFig. 3 c. Froschlierz bei 3\u00b0 C.\nauf den fr\u00fcheren Rhythmus gebracht wird \u2014 ebenso wirkte eine Temperaturerniedrigung auf 0\u00b0. L\u00e9pine und Trldon3 fanden gleichfalls Frequenz- und Excursionszunahme bei hohen Temperaturen am Schildkr\u00f6tenherzen. Cyon4 und seine Nachfolger beobachteten mittelst des Froschmanometers die Ver\u00e4nderungen, welche die Temperatur an dem mit Serum gef\u00fcllten und in Serum versenkten Herzen oder der Herzspitze hervorruft; die beistehenden Kardiogramme veranschaulichen die Einfl\u00fcsse der Temperatur.\n5. Die Einfl\u00fcsse des Druckes\nauf das ausgeschnittene Herz sind von Tschirjew5 untersucht worden, indem er die Manometercaniile durch die Aorta einf\u00fchrte, die Mariotte\u2019-\n1\tCaliburc\u00e8s bei Bernard, Syst\u00e8me nerveux II. p. 396. 1858.\n2\tSchelske, Ueber die Ver\u00e4nderungen der Erregbarkeit durch die W\u00e4rme. S. 17. Heidelberg 1860.\n3\tL\u00e9pine et Tridon, M\u00e9moires de la Soc. de Biol. 1876. Marsp. 18 des Sep.-Abdr.\n4\tE. Cyon, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866. S. 256.\n5\tS. Tschirjew, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1877. S. 180.","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374 Aubert, Innervation des Herzens. 1. Cap. Die intracardialen Nervencentra.\nsehe Flasche, welche den Druck der ins Herz einzuf\u00fchrenden Fl\u00fcssigkeit zu variiren gestattete, mit dem Vorhofe verband. Er schliesst aus seinen Versuchen, dass am isolirten Froschherzen in den meisten F\u00e4llen Steigerung des intracardialen Druckes bis zu einer gewissen Grenze eine Beschleunigung der Herzschl\u00e4ge erzeugt. Mit diesem Resultate stimmen die vorl\u00e4ufigen, sehr kurzen Angaben von Luchsinger und J. M. Ludwig1: \u201eJe hoher der Druck, um so frequenter die Pulszahl; dies gilt namentlich f\u00fcr das sinuslose Herz und die \u201e ganglienfreie \u201c Herzspitze ; die Herzspitze beginnt unter hohem Druck eine lange Reihe von Pulsen zu machen, welche um so rascher sich folgen, je h\u00f6her der Druck, die aber augenblicklich sistiren mit Nachlass des Druckes. \u201c Diese Angaben gestatten noch kein Urtheil dar\u00fcber, ob die von Luciani beobachtete Frequenzzunahme in seinem \u201etetanischen Anfall\u201c auf die zugleich bewirkte Druckerh\u00f6hung zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, doch machen sie es wahrscheinlich, dass der im STANNius\u2019schen Versuche durch die Anlegung der zweiten Ligatur am Sulcus erscheinende Wiederbeginn der Vorhofspulsationen mit der Erh\u00f6hung des Druckes im Vorhofe in Verbindung steht.\nWelche Functionen haben wir nun nach Er\u00f6rterung aller Bedingungen f\u00fcr die rhythmischen Bewegungen des Herzens den intercar-dialen Nerven und Ganglien zuzuschreiben'? Rhythmische Pulsationen des Herzens erfolgen an der ganglienlosen Herzspitze und werden durch die verschiedensten Einfl\u00fcsse in ihrer Frequenz und ihrem Rhythmus ver\u00e4ndert; von jeder Stelle des Herzens kann ein Reiz nach s\u00e4mmtlichen contractilen Theilen fortgepflanzt werden; Ausschneiden einzelner Ganglienhaufen bringt Ver\u00e4nderungen in der rhythmischen Bewegung, aber kein absolutes Auf h\u00f6ren derselben hervor: die Bezeichnung der Ganglien als Hemmungsganglien, oder als reflecto-rische oder als automatische Ganglien ist daher nicht begr\u00fcndet.\nDa die Muskeln des Herzens offenbar Functionen haben, welche anderswo den Nerven eigen sind, so k\u00f6nnen wir einzig die Annahme machen: 1. dass die Nervensubstanz des Herzens von irgend welchen sich entwickelnden Herzreizen leichter angesprochen wird, als die Muskelsubstanz; 2. dass sie die Erregung langsamer fortpflanzt, als die Muskeln; 3. dass sie das Verbindungsglied f\u00fcr die Fortpflanzung der Erregung von den Sinusnerven auf die Vorhofsnerven, von diesen auf die Ventrikelnerven bildet.\nWelche Vorg\u00e4nge im intacten Herzen und K\u00f6rper stattfinden, um die rhythmischen Bewegungen des Herzens w\u00e4hrend des ganzen Lebens zu erhalten, l\u00e4sst sich aus den bisherigen Resultaten der Untersuchung nicht construiren.\nt J. M. Ludwig & B. Luchsinger, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1ST9. S. 404.","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Die extracardialen Nerven. Anatomische Data.\n375\nZWEITES CAPITEL.\nDie extracardialen Nerven.\nI\nDie popul\u00e4re Anschauung, nach welcher dem Herzen psychische Th\u00e4tigkeiten zugeschrieben werden, weil psychische Affecte einen auffallenden Einfluss auf die Herzbewegung aus\u00fcben, weist darauf hin, dass das Herz in Verbindung mit den Centralorganen des Nervensystems stehen muss und die Physiologie liefert den Nachweis, dass nicht nur eine Nervenverbindung zwischen dem Herzen und den cerebrospinalen Centralorganen besteht, sondern dass auch die Reizung sehr vieler peripherischer Nerven die Herzbewegungen beeinflusst und ver\u00e4ndert. Wir behandeln im Folgenden zuerst die Verbindungsnerven zwischen Herz und Cerebrospinalcentrum, den Vagus und Sympathies, dann die Medulla oblongata, endlich die Nerven, von welchen die Erregungen durch Vermittelung des verl\u00e4ngerten Markes auf den Herzvagus oder den Herzsympathicus fortgepflanzt werden.\nI. Anatomische Data.\nZu dem Herzen gehen 1. Aeste der vereinigten Nn. vagi und accessorii, 2. Verzweigungen des N. sympathies.\nBeim Menschen anastomosiren der Vagus und Accessorius mit einander, bevor der Vagus aus dem Foramen jugulare ausgetreten ist, unmittelbar unterhalb des Ganglion jugulare in der von Willis1 als Plexus ganglioformis bezeichneten Anschwellung, indem sowohl Fasern aus dem Vagus in den Ramus internus accessorii, als auch aus dem letzteren in den ersteren \u00fcbergehen. Von dem vereinigten Vagus-Accessoriusstamme geht dann a) ein kleiner Ast durch den N. larynges superior zu den Aesten des Sympathicus, welche den Plexus cardiacs bilden, b) Aeste aus der Convexit\u00e4t der Schlinge des N. larynges inferior, die Nn. cardiaci inferiores zum Plexus cardiacs, c) Zweige, welche vom Vagusstamme theilweise schon am Halse, theilweise am Eing\u00e4nge des Thorax mit Zweigen des Sympathicus\n1 Th. Willis, Cerebri Anatome, cui accessit Nervorum descriptio et usus. p. 320. Amstelodami 1665. \u2014 Auf Tab. IX a bat Willis eine h\u00f6chst detaillirte Abbildung s\u00e4mmtlicher zum Herzen gehender Gehirn-, R\u00fcckenmarks- und sympathischer Nervenfasern gegeben.","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376 Aubert, Innervation des Herzens. 2. Cap. Die extracardialen Nerven.\nzum Plexus cardiacus gehen. \u25a0\u2014 Von sympathischen Herznerven kommt a) ein N. cardiacus superior aus dem Ggl. cervicale supremum (meist nur linkerseits), b) N. cardiacus m\u00e9dius aus dem Ggl. cervic. med., c) N. cardiacus inferior aus dem Ggl. cerv. infimum und dem Ggl. dorsale primum. \u2014 Dieser mit dem Vagus und Sympathicus zusammenh\u00e4ngende Plexus cardiacus bildet eine weitmaschige oberfl\u00e4chliche und tiefere Schicht, welche beide unter dem visceralen Pericard zur Querfurche des Herzens gelangen und als Plexus coronarius dexter und sinister, theils die Art. coronariae umspinnend, verlaufen, theils selbstst\u00e4ndig von Strecke zu Strecke zur Herzspitze herabziehen1.\nBei den zu Versuchen gebr\u00e4uchlichen S\u00e4ugethieren, Hund, Katze und Kaninchen, sind die Verh\u00e4ltnisse im Ganzen \u00e4hnlich, doch finden sich einzelne Abweichungen, namentlich in dem Verlaufe der Nerven am Halse.\nBeim Hunde verlaufen Vagus und Sympathicus in gemeinschaftlicher fester Bindegewebsscheide zusammen vom Ggl. cervicale supremum bis zum Ggl. cervicale infimum, zuerst von Schiff2 als \u201eVagosympathicus\u201c bezeichnet. Vom Ggl. cerv. infimum gehen ein oder zwei Verbindungs\u00e4ste zu dem Ggl. thoracicum primum oder stellatum und von einem dieser Verbindungs\u00e4ste oder auch vom untersten Halsganglion entspringt der Ramus cardiacus superior ; das erste Brustganglion erh\u00e4lt aus den unteren Halsnerven zwei R\u00fcckenmarkswurzeln, als Nn. vertebrales bezeichnet. Aus dem untersten Halsganglion oder unterhalb desselben, von der Fortsetzung des Vagosympathicusstammes, gehen die Nerven zum Plexus card, inferior ab. Schmiedeberg3 hat hier vielfache Variationen beobachtet. Die Verbindungszweige des ersten Brustganglion zum untersten Halsganglion und zum Vagus werden als Nervi acc\u00e9l\u00e9rantes bezeichnet, da, wie wir sp\u00e4ter besprechen werden (II, 2 und III, 2) pulsbeschleunigende Fasern in denselben enthalten sind.\nBei der Katze ist der Verlauf der Vagus- und sympathischen Nerven wieder etwas anders, wie aus der umstehenden Figur 4 nach Boehm4 sich ergiebt.\nBeim Kaninchen verlaufen die Nerven sehr \u00e4hnlich wie bei der Katze, wie aus den Untersuchungen von Ludwig und Thiry5, Roever6 u. A. hervorgeht.\n1\tAusser Willis vergleiche man namentlich : Axdersch, Tractatio de Nervis. Regiomonti 1797.1. p. 148\u2014178; II. p. 1 \u2014120 und die beigegebene Tafel. \u2014 R\u00fcdinger, Die Anatomie der menschlichen Gehirnnerven. S. 53. 1868. \u2014Henle, Handbuch der Anatomie. III. (2) S. 207. 428 u. fg. 572 u. fg. 1871.\n2\tM. Schiff, Untersuchungen zur Physiologie des Nervensystems. S. 178. 1855.\n3\t0. Schmiedeberg, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1871. S. 149. Taf. III.\n4\tR. Boehm, Arch. f. exper. Pathol, u. Pharmakol. IV. S. 255. 1875.\n5\tC. Ludwig & L. Thiry. Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLIX. (2) S. 421. 1864.\n6\tG. Roever, Kritische u. exper. Unters, d. Nerveneinflusses auf die Erweiterung und Verengerung der Blutgef\u00e4sse. S. 63 u. fg. Rostock 1869.","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"Anatomische Data.\n377\nWegen des anatomischen Verhaltens der zum Herzen gehenden Nerven bei anderen S\u00e4ugethieren, bei V\u00f6geln, Reptilien und Fischen verweisen wir auf die Beschreibungen und Abbildungen bei Bischoff1.\nFig. 4. Plexus cardiacus und Ganglion stellatum\nder Arterien und Venen\n1,1- \u2014 N. vagus.\n2\t= Halsgrenzstrang des Sympathicus.\n2' = Doppelter Halsgrenzstrang zwischen Ganglion cerv. med. u. Gangl. stell.\n2\" \u2014 Brustgrenzstrang des Sympathicus.\n3\t= N. recurrens vagi.\n4\t\u2014 N. depressor, rechts sich im Vagusstamni verlierend, lints gesondert zum Herzen verlaufend.\n5\t= Gangl. cerv. med.\nder Katze. Rechts (2?) und (Z.), nach Entfernung (ca. L i/2 nat\u00fcrl. Gr\u00f6sse).\n5' = Verbindungszweig zwischen Ggl. cerv. med. und N. vagus.\n6\t\u2014 Gangl. thorac. prim. \u2014 stellatum.\n6', 6\", 6'' == R\u00fcckenmarkswurzeln des Ggl. stellatum.\n7\t= Ram. communie, ggl. stellati cum Vago.\n8\t= N. cardiacus e ganglio stellata seu N. accelerans.\nS' b\" b'\" = Wurzeln des Cardiacus.\nZu dem Herzen des Frosches gehen nur Aeste des Vagus und zwar von jedem der beiderseitigen Vagi ein Ast. Diese beiden Aeste gehen mit den Jugularvenen bis in den Vereinigungswinkel derselben, wo sie zu einem Plexus und Ganglion zusammentreten. Doch begeben sich zu dem Vagus auch sympathische Fasern und zwar in das Ganglion desselben bald nach dem Urspr\u00fcnge des Vagus an der hintersten Grenze des verl\u00e4ngerten Markes, nachdem er die Sch\u00e4delh\u00f6hle verlassen hat.2\n1\tBischoff, Commentatio de Nervi accessorii Willisii anatomia et physiologia. Darmstadt 1832. (Mit Tafeln.)\n2\tVolkmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1838. S. 70. \u2014 Budge, Wagner\u2019s Hand-","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378 Aubert. Innervation des Herzens. 2. Cap. Die extracardialen Nerven.\nII. Der Einfluss des Nervus vagus auf die Herzbewegung.\nDa der N. vagus seine Erregungen sowohl nach seinem centralen Urspr\u00fcnge als nach dem Herzen hin fortleiten kann, so l\u00e4sst sich die Wirkung, welche die zum Herzen leitenden Fasern auf die Herzth\u00e4tig-keit aus\u00fcben, nur nach Durchschneidung desselben durch Heizung des peripherischen Stumpfes untersuchen. Die Durchschneidung ist aber an sich ein bedeutender Eingriff, und es sind daher die Folgen der Durchschneidung des N. vagus zun\u00e4chst festzustellen. Man versteht unter Vagus allgemein die vereinigten Vagus und Accessorius, wo nicht ausdr\u00fccklich die Trennung beider Nerven hervorgehoben wird.\n1. Die Durch schneidung eines oder beider Nn. vagi.\nDie Durchschneidung eines Vagus hat keinen merklichen Einfluss auf die Bewegungen des Herzens. Nach Durchschneidung beider Vagi tritt gleichfalls nicht immer eine Ver\u00e4nderung in der Frequenz der Herzpulsationen ein \u2014 es kann aber manchmal eine Vermehrung der Frequenz, manchmal auch eine Verminderung derselben eintreten. Eine andere Wirkung auf die Herzbewegung, als eine Frequenzver\u00e4nderung, tritt als directe Folge der Durchschneidung nicht hervor. Die Bedingungen der verschiedenen Wirkung sind nur zum Theil erforscht, insofern n\u00e4mlich, als verschiedene Erregungszust\u00e4nde der Medulla oblongata nachgewiesen werden k\u00f6nnen.\nBei Fr\u00f6schen wird von manchen Autoren keine Ver\u00e4nderung der Herzfrequenz, von anderen eine Vermehrung derselben angegeben nach Durchschneidung beider Vagi. Nach Budge* 1. Einbrodt2, von Bezold3, Moreau4 tritt keine Ver\u00e4nderung der Herzfrequenz ein, nach Funke5 6, Bidder0 und Rosenthal7 8 eine Zunahme der Frequenz \u2014 der Widerspruch ist bis jetzt unerkl\u00e4rt. Bei Schildkr\u00f6ten fanden Fasce Luigi und Abbate Vincenzo7 keine Frequenzzunahme nach Durchschneidung der Vagi, bei Fischen (Karpfen) fand Hoffmann9 ein H\u00e4ufigerwerden der .Herzpulsationen.\nw\u00f6rterb. d. Physiol. III. (1) S. 451. 1846; Arch. f. physiol. Heilk. V. S. 546. 1846.\u2014 Ecker, leones physiologicae. 1854. Taf. 24. Fig. I u. III. \u2014 Dogiel, Arch. f. microse. Anat. XIV. S. 470. 1877.\n1\tBudge, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. (lj S. 418. 1846.\n2\tEinbrodt, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1859. S. 546.\n3\tvon Bezold, Unters, \u00fcb. d. Innervation d. Herzens. S. 48. 1863.\n4\tMoreau bei Bernard, Le\u00e7ons sur le syst\u00e8me nerveux. II. p. 395. 1858.\n5\tFunke, Lehrbuch d. Physiol. 4. Aufi. S. 647. 1864.\n6\tBidder, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865. S. 340.\n7\tRosenthal nach der Angabe von A. B. Meyer, Das Hemmungsnervensystem S. 88. Anm. 1869.\n8\tFasce Luigi e Abbate Vincenzo, Giornale di scienze nat. ed econom. HL p. 161. Palermo 1867. (Nach Meissner\u2019s Jahresber.)\n9\tHoffmann. Beitr. z. Anat.u.Physiol, d. N. vagusb. Fischen. S. 17. Giessen 1S60.","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"Vagusdurchschneidung.\n379\nBei V\u00f6geln fand Einbrodt gew\u00f6hnlich dauernde Vermehrung der Herzschl\u00e4ge nach Durchschneidung beider, auch mitunter nach Durchschneidung nur des einen Vagus, indess meist nur eine geringe Zunahme : er giebt an von 24 auf 27, von 27 auf 30, einmal von 18 auf 27 in\n5\tSec. \u2014 Eichhorst 1 fand die Frequenzzunahme viel h\u00f6her bei verschiedenen Vogelarten, n\u00e4mlich eine Zunahme um wenigstens zwei Drittel.\nVon S\u00e4ugethieren sind namentlich an Kaninchen und Hunden Beobachtungen \u00fcber den Effect der Vagusdurchschneidung gemacht worden. Bei Kaninchen beobachtete R. Wagner'1 2 Vermehrung der Pulsfrequenz nach Durchschneidung beider Vagi und Halssympathici. Wagner z\u00e4hlte die Herzpulse bei uner\u00f6ffnetem Thorax, indem er die MiDDELDORPF\u2019sche Methode, eine Nadel in das Herz einzustechen und an ihren Bewegungen die Pulsfrequenz zu bestimmen, anwandte. Auch Bernstein3 fand eine Erh\u00f6hung der Frequenz nach Durchschneidung beider Vagi, doch blieb dieselbe aus, wenn vorher das Mark etwas unterhalb des Calamus scriptorius durchschnitten und k\u00fcnstliche Athmung eingeleitet, so wie wenn das Mark im 7. Halswirbel durchschnitten und die beiden Halssympathici bis zum unteren Cer-vicalganglion entfernt waren. Er beobachtete theils das Herz direct bei er\u00f6ffnetem Thorax, theils vermittelst der Acupuncturmethode. \u2014 Landois beobachtete nun, dass bei Kaninchen, welche in Folge mangelhafter Respiration eine verminderte Pulsfrequenz haben, Durchschneidung beider Vagi eine bedeutende Vermehrung der Pulsfrequenz zur Folge hat \u2014 w\u00e4hrend bei lebhafter und gleichm\u00e4ssiger k\u00fcnstlicher Respiration eine Vermehrung der (dann sehr hohen) Pulsfrequenz nicht eintritt.\nDiesen Einfluss der Respiration auf die Folgen der Vagusdurchschneidung hatte vorher schon Traube4 an Hunden beobachtet, indem er fand, dass an curaresirten Hunden Suspension der k\u00fcnstlichen Athmung eine Abnahme der Pulsfrequenz bewirkt, wenn die Vagi intact sind, \u2014 dass aber, wenn im Verlaufe solcher Athmungssuspensionen die Vagi durchschnitten werden, Zunahme der Pulsfrequenz eintritt. Traube beobachtete die Pulsfrequenz, indem er dieselbe am Kymographion verzeichnen liess. \u2014 Thiry5 hat \u00e4hnliche Resultate erhalten.\nDer Einfluss der Respiration, bezw. die Kohlens\u00e4ureanh\u00e4ufung oder der Sauerstoffmangel im Blute, welcher eine Wirkung zun\u00e4chst auf die Medulla oblongata und von dieser aus auf das Herz hervorbringen w\u00fcrde, scheint indess nicht allein bestimmend f\u00fcr den Effect der Vagusdurchschneidung zu sein. Schon Moleschott6 hatte Verlangsamung der Pulsationen nach Durclischneidung beider Vagi am Kaninchen beobachtet und diese Beobachtung ist best\u00e4tigt worden in Untersuchungen von Kohts\n6\tTiegel7, in welchen wohl die Einfl\u00fcsse der Athmung als ausgeschlossen anzusehen sind und in welchen bei Kaninchen und Hunden die Frequenz\n1\tEichhorst , Die trophiscflen Beziehungen d. N. vagi zum Herzmuskel. S. 8.\n2\tR. Wagner, G\u00f6ttinger Nachrichten 1854. Nr. 8. S. 121.\n3\tBernstein, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1864. Nr. 16 ; Arch. f. Anat. u. Physiol. 1864. S. 633.\n4\tL. Traube, Allgem. med. Centralztg. 1863. Nr. 89; Ges. Beitr. z. Pathol, u. Physiol. I. S. 341. 1871.\n5\tThiry, Ztschr. f. rat. Med. XXI. (3) S. 17. 1864.\n6\tMoLESchoTT, Unters. VII. S. 415. 1860.\n7\tO. Kohts & E. Tiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 84. 1876.","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380 Aubert, Innervation des Herzens. 2. Cap. Die extracardialen Nerven.\nam Kymographion registrirt wurde: von den 38 Kaninchen trat bei 20 nach Durchschneidung (oder Unterbindung) der Vagi Verlangsamung, bei den \u00fcbrigen keine Wirkung oder auch eine unzweifelhafte Beschleunigung ein, von 5 Hunden bei 2 Verlangsamung. Der Verlauf der Versuche war meistens folgender: Die Pulse des zugerichteten Thieres werden 20 Minuten lang aufgeschrieben und sind sehr regelm\u00e4ssig, Durchschneidung beider Vagi rasch nach einander mit scharfer Scheere : in den n\u00e4chsten 4 Minuten keine Ver\u00e4nderung der Pulszahl, in den n\u00e4chsten 19 Minuten Abnahme der Pulsfrequenz, nach Umschn\u00fcrung der peripherischen Vagusenden noch st\u00e4rkere Frequenzabnahme, dann wieder Zunahme der Frequenz. Kohts und Tiegel geben keine Aufkl\u00e4rung \u00fcber die Ursache dieser Differenzen und bemerken nur, dass alle F\u00e4lle mit unzweifelhafter Beschleunigung auf sehr kalte Tage getroffen seien. Da f\u00fcr die einzelnen Versuche keine Zahlenangaben gemacht worden sind, so entziehen sich die Untersuchungen einer weiteren Discussion. \u2014 Die Frage, ob bei nat\u00fcrlicher, m\u00f6glichst wenig beeintr\u00e4chtigter Athmung Erregungen von der Medulla durch den Vagus zum Herzen gelangen, welche eine Verlangsamung der Herzpulsationen bewirken, kann nach den bis jetzt vorliegenden Versuchen nicht beantwortet werden. \u2014 Eine Beschleunigung des Herzschlages nach Durchschneidung der Vagi ist endlich bei atr opinisirten Kaninchen und Hunden von Rutherford1 2 3 beobachtet worden, was um so mehr auffallend ist, da durch Atropin der Herzschlag sehr beschleunigt wird. Wir kommen darauf S. 383 zur\u00fcck.\nBez\u00fcglich der \u00e4lteren Versuche \u00fcber den Effect der Vagusdurchschneidung von Picolhomini bis Bichat verweisen wir auf Lund -.\n2. Die Reizung eines oder beider Nn. vagi. (Peripherer Stumpf.)\nElectrische, chemische, mechanische Reizung des peripheren Vagus-stumpfes bringt Verminderung der Herzfrequenz oder Stillstand des Herzens w\u00e4hrend vieler Secunden in E r sc h 1 affu n g hervor. Diese Ver\u00e4nderung in der Schlagfolge besteht theils in einer Verl\u00e4ngerung der Herzpause, theils aber auch in einer Verminderung der Zuckungsgr\u00f6sse. Sowohl bei Reizung eines als bei Reizung beider Vagi tritt (mit wenigen Ausnahmen) diese Wirkung ein. Unter besonderen Umst\u00e4nden kann Reizung der Vagi Beschleunigung der Herzpulsationen bewirken. \u2014 W\u00e4hrend der durch Vagusreizung verl\u00e4ngerten Herzpause bringt directe Reizung des Herzens eine einzelne Pulsation desselben hervor.\t\u00e4\nDass electrische Wechselstr\u00f6me, welche auf die Nn. vagi applicirt werden, Herzstillstand in Diastole bewirken, wurde zuerst von Eduard und Ernst Heinrich Weber11 beobachtet, indem sie sich des electromagne-\n1\tRutherford, Journ. of anat. a. physiol. III. p. 402. 1869.\n2\tLund, Physiologische Resultate der Vivisectionen neuerer Zeit. Kopenhagen 1825. (Aus dem D\u00e4nischen \u00fcbersetzt.)\n3\tE. H. Weber trug seine und seines Bruders Eduard Versuche im Sep-","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"Vagusreizung.\n381\ntischen Rotationsapparates bedienten, der kurze Zeit vorher von ihnen in die physiologische Methodik eingef\u00fchrt worden war. Offenbar unabh\u00e4ngig von Weber\u2019s, aber sp\u00e4ter, hat Budge* 1 gleichfalls Stillstand des Herzens nach Reizung des Vagus mit dem electromagnetischen Rotationsapparate beobachtet, aber ausdr\u00fccklich unentschieden gelassen, ob hierbei das Herz des Frosches, an welchem allein er damals experimentirte, in Erschlaffung oder in Contraction still steht. In unvollkommener Form hatte allerdings schon fr\u00fcher Volkmann2 beobachtet, dass Reizung des Vagus beim Frosche mit der galvanischen S\u00e4ule eine auffallende Verlangsamung der Herzpulsationen hervorbrachte \u2014 es fehlte ihm zur Perfection der Entdeckung nur der electromagnetische Rotationsapparat. Weber\u2019s reizten in ihren Versuchen an Fischen, Fr\u00f6schen, V\u00f6geln und S\u00e4ugethieren immer beide Nn. vagi, und geben an, dass Reizung nur eines Vagus beim Frosche keinen Einfluss auf die Herzbewegung habe. Dass indess Reizung nur eines Vagus gen\u00fcge, um Herzstillstand hervorzubringen, hatte schon Budge (bei Reizung des linken Froschvagus) beobachtet und wurde in weiterer Ausdehnung von Schiff3 und von Ludwig und Hoffa4 festgestellt. Schiff fand aber, dass der Stillstand des Herzens bei Reizung beider Vagi l\u00e4nger dauerte, als bei Reizung nur eines Vagus. \u2014 Auch beim Menschen wurde gleich nach der Enthauptung desselben Herzstillstand bei Reizung des linken Vagus von Henle5 6 beobachtet.\nBestimmungen \u00fcber die Dauer, welche die Herzpause bei Reizung des Vagus hat, sind seit Weber bei verschiedenen Thieren gemacht worden. W\u00e4hrend bei S\u00e4ugethieren der Stillstand des Herzens nur eine Anzahl von Secunden, immer weniger als eine Minute dauert, und bei l\u00e4nger fortgesetzter Vagusreizung die Pulsationen wieder beginnen und immer frequenter werden, ohne meistens die urspr\u00fcngliche Frequenz zu erreichen, kann bei Kaltbl\u00fctern (Fr\u00f6schen, Schlangen, Schildkr\u00f6ten) die Herzpause eine erhebliche Anzahl von Minuten andauern. So hat A. B. Meyer\u00ab bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix) ununterbrochene Herzpausen von 12', 17', 21', von lh 6', ja in einem Versuche bei abwechselnder Reizung des rechten und linken Vagus von \\h 49' beobachtet.\nWas die zeitlichen Verh\u00e4ltnisse der Vagusreizung zum Herzstillst\u00e4nde betrifft, so haben Ludwig und Hoffa Fortdauer der Herzpause nach Aufh\u00f6ren der Reizung der Vagi mit Inductionsstr\u00f6men w\u00e4hrend einiger Secunden beobachtet und oft erst mehrere Minuten nach dem Ende der Reizung die urspr\u00fcngliche Regelm\u00e4ssigkeit und Frequenz der Pulsationen wieder eintreten sehen. Im Anschl\u00fcsse hieran hat von Bezold7 gefunden,\ntember 1875 auf der Versammlung der italienischen Naturforscher in Neapel vor, Omodei Annali universali di meclicina. CXVI. p. 225\u2014233 ; Archives d\u2019anatomie g\u00e9n\u00e9rale 1846. Jan. ; Arch. f. Physiol, u. Anat. 1846. S.483. \u2014 Ed. Weber, Wagner\u2019s Hand-w\u00f6rterb. d. Physiol. III. (2) S. 42 u. fg. 1846.\n1\tBudge, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1846. S. 295; Arch. f. physiol. Heilk. V. S. 580. 1846 ; Froriep\u2019s Notizen 1846. S. 136.\n2\tVolkmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1838. S. 70.\n3\tSchiff, Arch. f. physiol. Heilk. VIII. S. 182. 1849.\n4\tLudwig & Hoffa, Ztschr. f. rat. Med. IX. S. 116. 1850.\n5\tHenle. Ztschr. f. rat. Med. N. F. II. S. 299. 1852.\n6\tA. B. Meyer, Das Hemmungsnervensystem des Herzens. S. 46\u201458. 1869.\n7\tvon Bezold, Arch. f. pathol. Anat. XIV. S. 297. 1858.","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382 Aubert, Innervation des Herzens. 2. Cap. Die extracardialen Nerven.\ndass die Anzahl der electrischen Stromschwankungen , welche f\u00fcr den Vagus erfordert wird, um Stillstand des Herzens zu bewirken, in der Zeiteinheit viel geringer sein kann, als die Anzahl, welche erforderlich ist, um durch einen gew\u00f6hnlichen Muskelnerven einen Tetanus des Muskels zu erzeugen. F\u00fcr den Vagus gen\u00fcgen nach von Bezold 70 \u2014120 einfache Reize von massiger St\u00e4rke in 1', oder 50 \u2014 90 Doppelreize. \u2014 Nach Legros und Onimus 1 muss die Zahl der Reize viel gr\u00f6sser sein, sie fanden f\u00fcr Warmbl\u00fcter 18 \u2014 20 Unterbrechungen in der Secunde, f\u00fcr Kaltbl\u00fcter 2\u20143 Unterbrechungen erforderlich, um Stillstand des Herzens hervorzubringen.\nDass vom Beginn der Reizung des Vagus bis zum Stillstehen des Herzens eine merkliche Zeit vergeht, hat zuerst E. Pfl\u00fcger1 2 beobachtet, denn er fand, indem er die Herzpulsationen am K}Tmographion registriren liess, dass nach dem Beginn der Reizung zwei in keiner Weise durch den Strom beeinflusste Contractionen stattfinden, bevor der definitive Herzstillstand eintritt, und zwar geschieht dies bei Reizung beider Vagi durch sehr starke Str\u00f6me. Donders und einige Sch\u00fcler desselben3 bestimmten genauer die Zeit, welche vergeht, bis die Reizung des oder der Vagi eine Ver\u00e4nderung in der Herzbewegung hervorbringt und fanden f\u00fcr die Dauer der latenten Reizung nach verschiedenen Methoden Y\u00df Secunde, also eine im Vergleich mit motorischen Nerven ungeheuer lange Zeit. In den Versuchen von Donders und Place fand sich ausserdem, dass nach Reizung des Vagus durch einen einzigen Inductionsschlag die Wirkung desselben im Mittel 6,15 Secunden andauerte, d. h. eine Ver\u00e4nderung der Herzpulsation sich geltend machte. Der Schliessungsschlag hatte einen geringeren Einfluss als der Oeffnungssclilag (ausser bei aufsteigender Stromrichtung und grosser Stromst\u00e4rke), die aufsteigende Richtung einen schw\u00e4cheren Effect, als die absteigende. \u2014 In sp\u00e4teren Versuchen von Donders4 mit constantem Strome betrug die latente Periode beinahe Vs Secunde \u2014 dieselbe war am l\u00e4ngsten bei Oeffnung des absteigenden, k\u00fcrzer f\u00fcr Schliessung des aufsteigenden, noch k\u00fcrzer f\u00fcr Oeffnung des aufsteigenden, am k\u00fcrzesten f\u00fcr Schliessung des absteigenden Stromes. \u2014 Die verz\u00f6gernde Wirkung machte sich in folgender Ordnung geltend:\tAf,\nDJ, 0\\, und steigerte sich mit der Stromst\u00e4rke. \u2014 Hierbei fand Donders, dass bei Reizung des frischen Nerven durch constante Str\u00f6me nur eine schwache Wirkung zu erzielen ist, dass aber einige Zeit nach der Durchschneidung schwache Str\u00f6me schon sehr deutliche Verz\u00f6gerung geben und durch st\u00e4rkere Str\u00f6me eine viel kr\u00e4ftigere Wirkung erhalten werden kann, als bei Reizung des frischdurchschnittenen Nerven.\nUeber die Frage, ob durch sehr schwache Wechselstr\u00f6me, welche den Vagus treffen, eine Beschleunigung der Herzpulsationen bewirkt werden k\u00f6nne, sind lange und heftige Controversen gef\u00fchrt worden, da diese Frage mit der Theorie der Vaguswirkung in Beziehung gebracht wurde. Weber\u2019s hatten die Wirkung des Vagus auf das Herz im Gegens\u00e4tze zu\n1\tLegros et Onimus, Journ. d. l\u2019anat. et physiol, norm, et path. 1872. p. 561.\n2\tPfl\u00fcger, Unters, aus d. physiol. Labor, zu Bonn. 1865. S. 29.\n3\tDonders, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 331. 1868. \u2014 Prahl. Onderzoek. in het Physiol. Labor, te Utrecht. 2. Reeks. II. p. 146. \u2014 Donders (und Place). Ibid. p. 289.\n4\tDonders, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 1. 1872.","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Vagusreizung.\n383\ndem Verhalten der Muskelnerven als \u201eHemmungswirkung\u201c bezeichnet. Nachdem Budge sich mehr f\u00fcr die Vorstellung ausgesprochen hatte, dass durch den starken Reiz auf den Vagus eine momentane Ersch\u00f6pfung eintrete, suchte Schiff1 11 nachzuweisen, dass sehr schwache Wechselstr\u00f6me eine Zunahme der Frequenz bewirken, und hielt sp\u00e4ter2 die Ansicht fest, dass der Vagus nicht Hemmungsnerv f\u00fcr die Herzbewegungen w\u00e4re, sondern nur rascher ersch\u00f6pft w\u00fcrde, als die \u00fcbrigen motorischen Nerven. Gegen diese Annahme trat Pfl\u00fcger3 auf \u2014 Schiff4 replicirte dagegen, und bald nachher suchte auch Moleschott5 durch eine grosse Reihe von Versuchen den Nachweis zu f\u00fchren, dass schwache Reizungen des Vagus sowohl bei Fr\u00f6schen, als bei Kaninchen die Herzfrequenz vermehren, und zwar sowohl schwache electrische Str\u00f6me, als auch mechanische, chemische und thermische Reizungen. Die Fortsetzung dieser Arbeit mit Hufschmid6 ergab gleiche Resultate bei Anwendung von unpolarisirbaren Electroden : gegen die Angriffe von von Bezold7, Rosenthal8, Brown-S\u00e9quard9 und K\u00fcthe10 vertheidigte Moleschott 11 die Schlussfertigkeit seiner Versuche. Indess erhielten in weiteren Untersuchungen von Bezold12, Forsblom13, Pfl\u00fcger14, Eckhard15 u. A. keine Vergr\u00f6sserung der Herzfrequenz bei Reizung der Vagi mit schwachen Str\u00f6men und Pfl\u00fcger erkl\u00e4rte, dass der normale Vagus des normalen Thieres durch keinerlei Stromst\u00e4rke, wie stark oder wie schwach sie auch sei, so gereizt werden k\u00f6nne, dass die Frequenz des Herzschlages zunimmt. Der Satz, dass beim normalen Thiere durch Vagusreizung immer nur Verlangsamung, niemals Zunahme der Herzfrequenz bewirkt wird, gilt aber erstens nicht f\u00fcr vergiftete Thiere. Bei mit Atropin vergifteten Thier en bringt, wie Schiff 16 zuerst beobachtet und dann auch Rutherford17, Keuchel18 und Schmiedeberg19 gefunden haben, Reizung des Vagus Vermehrung der Herzfrequenz hervor; dasselbe ist der Fall bei mit Nicotin vergifteten Thieren, wie Truiiart20 und Schmiedeberg entdeckt haben. Dass aber auch in einem\n1\tSchiff, Arch. f. physiol. Heilk. VIII. S. 211. 1849.\n2\tDerselbe, Lehrb. d. Physiol, d. Menschen. S. 187. 1858. \u2014 Man vergleiche auch Schiff, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 172. 1878.\n3\tPfl\u00fcger, Ebenda. 1859. S. 13.\n4\tSchiff, Molesch. Unters. VI. S. 201. 1859.\n5\tMoleschott, Ebenda. VII. S. 401. 1861.\n6\tHufschmid & Moleschott, Molesch. Unters. VIII. S. 52. 572. 1861.\n7\tvon Bezold, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1862. S. 143.\n8\tRosenthal, Die Athembewegungen und ihre Beziehungen z. N. vagus. 1862. S. 260.\n9\tBrown-S\u00e9quard, Journ de physiol. V. p. 124. 1862.\n10\tK\u00fcthe , Over den invloed van den N. vagus op de hartsbeweging. Amsterdam 1862.\n11\tMoleschott, Unters. VIII. S. 601.\n12\tvon Bezold, Unters, \u00fcb. d. Innervation d. Herzens. 1863.\n13\tForsblom, Nervus vagus tarnen nervus inhibens. Diss. Jena 1863.\n14\tPfl\u00fcger, Unters, aus d. physiol. Labor, zu Bonn. 1865. S. 1.\n15\tEckhard, Experimentalphysiologie des Nervensystems. S. 193. 1866.\n16\tSchiff, Molesch. Unters. 1865. S. 58; 1873. S. 189.\n17\tRutherford, Journ. of anat. a. physiol. III. p. 408. 1869.\n18\tKeuchel, Das Atropin und die Hemmungsnerven. Diss. Dorpat 1868.\n19\tSchmiedeberg, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1870. S. 130.\n20\tTruhart (& Schmiedeberg), Ein Beitrag zur Nicotinwirkung. Diss. Dorpat 1869.","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"3S4 Aubert, Innervation des Herzens. 2. Cap. Die extracardialen Herren.\ngewissen Stadium der Cur are Wirkung bei Fr\u00f6schen Reizung des Vagus den Herzschlag beschleunigt, hat Wundt1 festgestellt. Diese Ver\u00e4nderungen in der Reizbarkeit des Vagus haben ein besonderes Interesse dadurch, dass das Nicotin eine ganz andere Wirkung auf die Herzbewegungen hervorbringt, als Atropin und Curare, worauf Schmiedeberg aufmerksam macht: Nicotin bewirkt, wie Traube2 fand, in kleinen Dosen zuerst Abnahme der Pulsfrequenz, dann diastolischen Stillstand, dann allm\u00e4hliche Vermehrung der Pulsationen bis zu der fr\u00fcheren Frequenz \u2014 Atropin bewirkt eine Zunahme der Herzfrequenz und ebenso Curare in gewisser Dosis. Schmiedeberg fand ferner bei Nicotinvergiftung eine sehr verl\u00e4ngerte Dauer des latenten Reizungsstadiums und eine sehr lange Nachwirkung auf die Herzth\u00e4tigkeit nach Auf h\u00f6ren des Reizes, nebst einer Verminderung der Gr\u00f6sse der Zusammenziehung des Herzens, wenn er das Herz an einer dem Froschmanometer \u00e4hnlichen Vorrichtung arbeiten liess \u2014 er schliesst daraus, dass durch das Nicotin andere Theile des Vagus gel\u00e4hmt werden, als durch das Atropin, ein Schluss, welcher auch aus dem Verhalten des Herzens, welches vorher durch Mus car in in diastolische Ruhe gebracht war, gegen Nicotin und Atropin von Schmiedeberg gezogen wird, da durch die Wirkung des Muscarin die des Nicotin, nicht aber die des Atropin aufgehoben wird.\nEs geht aus diesen Versuchen jedenfalls hervor, dass im Vagus sowohl Hemmungs- als Beschleunigungsfasern enthalten sein m\u00fcssen. Diese Annahme muss auch gemacht werden auf Grund von Versuchen, welche Schiff3 an Fr\u00f6schen angestellt hat, deren Blut durch Salzl\u00f6sung ersetzt war: er fand, dass bei ihnen Reizung des Vagus Beschleunigung der Herzpulsationen bewirkt. Gian\u00fczzi4 fand, dass bei \u00e4theri-sirten Kaninchen und Katzen, wenn die Herzpulsationen schwach und langsam geworden waren, Reizung des Vagus die Herzpulsationen frequenter und kr\u00e4ftiger machte \u2014 \u00e4hnliche Belebung des absterbenden Herzens durch Reizung des Vagus hatte schon Panum5 6 beobachtet.\nDass dagegen, wenn das Herz des Frosches durch Erh\u00f6hung der Temperatur zum Stillstand gebracht worden ist, Reizung des Vagus eine Wiederkehr der Pulsationen bewirke, wie Schelske0 angiebt, ist von Eck-\n1\tW UNDT (& Schelske). Verb. d. naturbist.-med. Ver. zu Heidelberg. 1859.\n2\tTraube, Allg. med. Centralztg. 1862. Nr. 103 ; Ges. Beitr. z. Pathol. u. Pbysiol. I. S. 302. 1871.\n3\tSchiff, Sopra due nuovi arrestatori R. Acad. dei Lincei. Ser. 3.1. Sep.-Abdr. (Nach Jabresber. d. Anat. u. Pbysiol. III. S. 45. 1877 ; in den Atti der Accad. d. lincei. babe icb die Arbeit von Schiff nicht finden k\u00f6nnen.) \u2014 Schiff bait die beschleunigende Wirkung der Reizung des Vagus mit schwachen Str\u00f6men aufrecht in seinen neueren Arbeiten: Cenno sulle ricerche fatte dal Prof. M. Schiff, nel la-boratorio del museo di Firence. 1872. (Nach Jabresber. f. Anat. u. Pbysiol. 1872. S. 523) und Arch. f. d. ges. Pbysiol. XVIII. S. 172. 1878.\n4\tGian\u00fczzi. Contribuzione alla conossenza de\u2019 nervi motori del cuore in Rivista scientif. d. Accad. de Fisiocratici. p. 46. Siena 1872.\n5\tPanum, Bibliothek for Laeger. X. p. 46. 1858; Auszug in Schmidt\u2019s Jahrb\u00fcchern. C. S. 148.\n6\tSchelske. Ueber die Ver\u00e4nderungen der Erregbarkeit durch d. W\u00e4rme. S. 20. Heidelberg I860.","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"Vagusreizung.\n385\nhard lind andern Beobachtern1 nicht best\u00e4tigt worden. In Schelske\u2019s und ebenso in Hoffmann\u2019s2 Versuchen an Froschherzen ist wahrscheinlich nach Eckhard nicht der Vagus allein, sondern auch das Herz selbst von dem Strome getroffen worden. L\u00e9pine und Tridon3 fanden bei erw\u00e4rmten Herzen von Schildkr\u00f6ten gleichfalls keine Beschleunigung, sondern Verlangsamung der Herzpulsation bei Reizung des Vagus.\nAusser der Reizung des Vagus durch Inductionswechselstr\u00f6me, In-ductionsschl\u00e4ge und constante Str\u00f6me sind mechanische und chemische Reize auf denselben applicirt worden und haben fast s\u00e4mmtlich eine Verlangsamung der Pulsationen bezw. Stillstand des Herzens ergeben \u2014 Moleschott hat indess auch bei Anwendung dieser Reize immer Beschleunigung gefunden (eine mir unerkl\u00e4rliche Angabe).\nDurch mechanische Reizung mittelst schnell auf einander folgender Schl\u00e4ge eines Elfenbeinh\u00e4mmerchens, welche Heidenhain4 bei Anwendung seines mechanischen Tetanomotors auf den Vagus von Hunden und Kaninchen aus\u00fcbte, erhielt derselbe einen langen (bis 35\") w\u00e4hrenden Stillstand des Herzens \u2014 denselben Erfolg hat Pfl\u00fcger5 beobachtet. Ferner ist es Czermak6 gelungen, durch Druck auf seinen eigenen rechten Vagus eine Verlangsamung des Herzschlages zu bewirken und Concato7 beobachtete dasselbe, wenn er bei einem Menschen einen Druck auf den linken Vagus am Halse austibte.\nChemische Reizung wurde zuerst von Eckhard8 angewendet: er beobachtete, dass, wenn beide Vagi eines Frosches in concentrirte Kochsalzl\u00f6sung tauchen, die Herzbewegung immer langsamer und langsamer wird und nach 4 \u2014 5 Minuten das Herz in Diastole still steht \u2014 dass Reizung nur eines Vagus auf diese Weise aber nur Verlangsamung der Herzpulsationen bewirkt. Eine Verlangsamung der Herzpulsationen bei Eintauchen der Vagi in Kochsalzl\u00f6sung beobachtete bei V\u00f6geln Einbrodt9 10, ohne einen Stillstand des Herzens zu erreichen.\nEine Verschiedenheit in der Wirksamkeit des rechten und des linken Vagus auf das Herz hat A. B. Meyer 10 bei einer Schildkr\u00f6tenart (Emys lutaria) gefunden, indem bei den meisten Exemplaren Reizung des linken Vagus keine Ver\u00e4nderung in den Pulsationen des Herzens bewirkte, w\u00e4hrend der rechte Vagus bei gleicher Reizung Stillstand des Herzens hervorbrachte \u2014 nur bei zwei kleinen Exemplaren aus Venedig zeigte sich bei Reizung des linken Vagus Verlangsamung aber kein Stillstand der Herzbewegungen. Bei anderen, z. Th. nahe mit unserer Emys verwandten Schildkr\u00f6tenarten, waren beide Vagi gleich\n1\tEckhard, Experimentalphysiol. d. Nervensystems. S. 200. 1865. Die \u00fcbrige Literatur s. bei Eckhard, Beitr. z. Anat. u. Physiol. VII. S. 3 \u2014 6. 1873.\n2\tHoffmann, Beitr. z. Anat. u. Physiol, des N. vagus bei Fischen. S. 30. 1860.\n3\tL\u00e9pine & Tridon, M\u00e9moires de Soci\u00e9t\u00e9 de Biologie. 1876. Mars. p. 18. S.-A.\n4\tR. Heidenhain, Molesch. Unters. IV. S. 131. 1858.\n5\tPfl\u00fcger, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1859. S. 24.\n6\tCzermak, Jenaische Ztschr. f. Med. u. Naturwiss. 1865. S. 384.\n7\tConcato, Auszug aus Rivist. clinic, de Bologna. IX. p. 1. 1870 in Schmidt\u2019s Jahrb\u00fcchern. CXLVI. S. 262.\n8\tEckhard, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1851. S. 205.\n9\tEinbrodt. Ebenda. 1859. S. 457.\n10\tMeyer, Das Hemmungsnervensystem des Herzens. S. 61. 1869.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\t25","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386 Aubert, Innervation des Herzens. 2. Cap. Die extracardialen Nerven.\nwirksam. Einen derartigen Unterschied zwischen den beiden Vagi glaubten auch Masoin1 und gleichzeitig Arloing und Tripier2 bei Kaninchen, Hunden und Tauben nachweisen zu k\u00f6nnen, dass n\u00e4mlich der rechte Vagus bei gleicher Reizst\u00e4rke und Reizdauer st\u00e4rker auf das Herz wirke, als der linke Vagus. Allein die Wiederholung dieser Versuche durch 0. Lan-gendorff3 best\u00e4tigte die Angaben jener Autoren nicht: von 16 Kaninchen waren bei 3 beide Vagi gleich wirksam, 3 mal liberwog der rechte, 8 mal der linke, in zwei Versuchen war die Pr\u00e4ponderanz alternirend, d. h. bald der rechte, bald der linke wirksamer. Langendorff macht darauf aufmerksam, dass ein und derselbe Vagus auf gleiche Reize keineswegs immer gleich stark reagirt, was sich sehr wohl daraus erkl\u00e4ren l\u00e4sst, dass ein durch Reizung des einen Vagus hervorgebrachter Herzstillstand weitere Folgen auf Blut, Nerven, Centralorgane haben muss, welche die Wirkung des anderen Vagus beeinflussen. Ein verschiedenes Verhalten beider Vagi scheint daher nur f\u00fcr Emys lutaria angenommen werden zu k\u00f6nnen.\nEine Abh\u00e4ngigkeit der Vagi von einander der Art, dass nach Ersch\u00f6pfung des einen Vagus das wieder pulsirende Herz durch Reizung des anderen Vagus nicht mehr zum Stillstand gebracht werden k\u00f6nne, wie Tarchanoff & Puelma4 angeben, ist im Widerspruch sowohl mit den Versuchen von A. B. Meter an Schlangen und S\u00e4ugethieren, als auch mit neuerlichst von Eckhard5 6 angestellten Controlversuchen am Frosche. Tarchanoff 6 hat in einer sp\u00e4teren Arbeit die fr\u00fcher ausgesprochenen Annahmen selbst dahin modificirt, dass das bei Ersch\u00f6pfung des einen Vagus wieder pulsirende Herz durch Reizung des anderen zum Stillstand gebracht werde.\nDa V a g u s und Accessorius vereinigt vom F oramen jugulare oben am Halse verlaufen, so werden bei der gew\u00f6hnlichen Anstellung des Versuches immer beide Nerven gereizt. Um zu untersuchen, welchem der beiden Nerven die zum Herzen gehenden Fasern angeh\u00f6ren, brachte zuerst Waller7 die mit dem Vagus am Halse verlaufenden Accessoriusfasern zur Degeneration dadurch, dass er die Accessoriuswurzel im Foramen jugulare ausriss \u2014 die Thiere (namentlich Kaninchen) \u00fcberleben die Operation und nach 10 \u2014 12 Tagen fand er, dass Reizung desjenigen Vagus, dessen zugeh\u00f6riger Accessorius ausgerissen worden war, keine Verlangsamung der Herzpulsationen bewirkte, w\u00e4hrend Reizung des Vagus der anderen Seite mit unversehrtem Accessorius Stillstand des Herzens hervorbrachte.\n1\tMasoin, Bullet, de l\u2019Acad. de Belgicpie. VI. No. 4. 1872.\n2\tArloing & Tripier, Arch, de physiol, norm, et pathol. IV. p. 411. 588. 732. V. p. 157. 1872.\n3\t0. Langendorff, Mittheil, aus d. K\u00f6nigsberger physiol. Labor. 1878. S. 68.\n4\tTarchanoff & Puelma, Arch, de physiol, norm, et pathol. VII. p. 757. 1875.\n5\tC. Eckhard, Beitr. z. Anat. u. Physiol. VIII. S. 177. 1878.\n6\tTarchanoff, Trav. du Labor, de Marey. 1876. p. 289.\n7\tWaller, Gaz. m\u00e9d. de Paris. 1856. No. 27.","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Vagusreizung.\n387\nSchiff1 best\u00e4tigte Waller\u2019s Versuch und f\u00fcgte die Beobachtung hinzu, dass nach Zerst\u00f6rung der Accessoriusfasern die Durchschneidung des Vagus Vermehrung der Herzfrequenz bewirke. Heidexhain (und Daszkiewcz)2 best\u00e4tigte gleichfalls Waller\u2019s Versuch, fand aber dass nach vorg\u00e4ngiger Zerst\u00f6rung der Accessoriusfasern die Durchschneidung des Vagus keine Vermehrung sondern eine geringe Herabsetzung der Pulsfrequenz zur Folge hat. Heidenhain fand ferner im Gegens\u00e4tze zu einer Angabe von Bernard 3 4, dass Ausrottung des Accessorius eine Vermehrung der Pulsfrequenz herbeifiihrt : es ist darnach der Accessorius, welcher dem N. vagus die Hemmungsfasern zuf\u00fchrt. \u2014 Gianuzzi 4 hat indess gefunden, dass bei Kaninchen 4 bis 14 Tage nach Ausreissung des Accessorius und Degeneration seiner Fasern Reizung des Vagus Verlangsamung der Herzbewegungen zur Folge hat.\nF\u00fcr die Vorstellung, welche wir uns von der Wirkung des Vagus (cum Accessorio) auf das Herz machen, kommt nun weiter in Betracht das Verh\u00e4ltnis des Vagus zu den Herzganglien und zu der Muskulatur des Herzens. Wenn der anatomische Befund, dass beim Frosch die Vagusfasern s\u00e4mmtlich zu den intracardialen Herzganglien gehen (s. oben S. 348), unzweifelhaft w\u00e4re, so w\u00fcrden, wie sich schon Weber\u2019s vorstellten, die Erregungen der Vagi ihren Angriffspunkt lediglich in den Herzganglien finden. Mit dieser Vorstellung lassen sich aber Versuche von Eckhard5 6 nicht in Einklang bringen, in welchen nach Durchschneidung der beiden auf der Vorhofsscheidewand des Froschherzens verlaufenden Nervenbahnen die Reizung eines oder beider Vagi vor ihrem Eintritt in das Herz Frequenzabnahme und diastolischen Stillstand hervorbringt, so als wenn die Durchschneidung vorher nicht ausgef\u00fchrt ist, und zweitens nach Exstirpation der Atrio-ventricularganglien der nach einigen Minuten wieder pulsirende Ven-trikel sich nach Reizung der Vagi ausserhalb des Herzens zu diastolischer Ruhe begiebt. Es muss also auch Bahnen ausserhalb der Ganglien geben, auf welchen die Erregung des Vagus fortgeleitet wird. \u2014 Wenn ferner der Vagus lediglich zu den Ganglien geht, so ist zu erwarten, dass er nur die Frequenz der Herzpulsationen, nicht den Umfang der Zuckung beeinflussen wird: die Unteruckungen von Coats3 ergeben aber, dass Reizung der Vagi am Froschherzen auch\n1\tSchiff, Lehrb. d. Physiol, d. Menschen. S. 420. 1859; Compt. rend. LVIII. p. 619. 1864.\n2\tR. Heidenhain (u. Daszkiewicz) , Studien d. physiol. Inst, zu Breslau. III. S. 109. 1864.\n3\tCl. Bernard, Le\u00e7ons sur la physiol, et la pathol. du syst\u00e8me nerveux, p. 307.\n1858.\n4\tGianuzzi, Rivista scientifica d. R. Accadem. de Fisiocristici. p. 26\u201433. Siena\n1872.\n5\tC. Eckhard-, Beitr. z. Anat. u. Physiol. VII. S. 191. 1873.\n6\tCoats (u. Ludwig), Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1869. S. 360.","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388 Aubert. Innervation des Herzens. 2. Cap. Die extracardialen Herren.\ndie St\u00e4rke des einzelnen Schlages vermindert. Da Coats seine Versuche in der Weise anstellte, dass der Blutlauf ausgeschlossen war und der Ventrikel seinen Inhalt in das Manometer entleerte, so liess sich der Umfang der Zusammenziehung genau bestimmen: er fand bei dieser Methode sowohl eine st\u00e4rkere Ausdehnbarkeit des Herzens w\u00e4hrend der diastolischen Ruhe, indem das Quecksilber des Manometers fast bis zum Nullpunkte sank, als auch die ersten Schl\u00e4ge nach der vollst\u00e4ndigen Ruhe von sehr geringer Hubh\u00f6he. Reizung des Vagus beeinflusst also jedenfalls die Contractilit\u00e4t der Musculatur und es ist wohl wahrscheinlicher, dass er diesen Theil des hemmenden Einflusses direct auf die Musculatur, als dass er ihn auf dem Umwege durch die Ganglien aus\u00fcbt. Nach derselben Methode von Coats fand Schmiedeberg 1 nach Zusatz von Nicotin zu dem Serum, welches zur F\u00fcllung des Herzens diente, dass Reizung des Vagus eine bedeutende Abnahme der Excursionen, d. h. einen geringeren Umfang der Zusammenziehung der Herzmuskeln zur Folge hatte. \u2014 Da sich nun andrerseits durch electrische Reizung des Venensinus am nicotinisirten Froschherzen ein diastolischer Stillstand hervorrufen l\u00e4sst (wie A. B. Meyer zuerst beobachtete und Schmiedeberg best\u00e4tigt), durch Reizung des Vagus aber nicht, diese vielmehr Beschleunigung zur Folge hat, so tritt diese Erfahrung best\u00e4tigend f\u00fcr die Annahme auf, dass der Vagus verschiedene Endigungen hat, von denen wir als die einen die Herzganglien, als die andern die Herz-musculatur voraussetzen d\u00fcrfen. Wir machen schon hier darauf aufmerksam, dass eine Erkl\u00e4rung der Hemmungswirkung des Vagus ebenso wenig durch die Annahme, dass er zu den Ganglien geht, gegeben wird, als durch die Annahme, dass er direct zu den Muskeln des Herzens geht.\nIII. Der Einfluss der zum Herzen gebenden sympathischen\nNerven.\nBei vielen Thieren, namentlich den Warmbl\u00fctern, treten ausserhalb der Bahn des Vagus besondere sympathische Nervenstr\u00e4nge zu dem Herzen, welche Gegenstand besonderer Untersuchung geworden sind. Es ist dazu zu bemerken, dass wohl in jedem Vagus auch sympathische Fasern zum Herzen gehen und die Anordnung in dem makroskopischen Verhalten der zum Herzen gehenden Nerven bei verschiedenen Thierarten keinen Anhalt bietet f\u00fcr die physiologische Bedeutung eines Nervenastes.\n1 0. Schmiedeberg, Ebenda. 1870. S. 13S.","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Sympathische Herznerven.\n389\n1. Der Halssympathicus.\nMan pflegt den Strang, welcher das Ganglion cervicale Supremum mit dem G. c. infimum verbindet, als Halssympathicus oder auch im Gegens\u00e4tze zum Vagus einfach als Sympathicus zu bezeichnen. An dem Halssympathicus ist seit der Entdeckung von Ludwig und Cyon noch der N. depressor zu unterscheiden.\nDurchschneidung des Halssympathicus beim Kaninchen hat verschiedene Erfolge ergeben: keine oder zweifelhafte Ver\u00e4nderung der Pulsfrequenz fanden Weber, Budge, Ludwig und Weinmann1, Heidenhain2 und yon Bezold3, welcher letztere aber in-manchen F\u00e4llen auch Beschleunigung, in andern Verlangsamung fand, welche \u00fcbrigens beide immer ziemlich gering waren \u2014 eine Beschleunigung fand Wagner4.\nAuch bei Beizung des Halssympathicus sind verschiedene Erfolge beobachtet worden: Ludwig und Weinmann fanden keine Ver\u00e4nderung bei Beizung des peripheren Stumpfes, Wagner fand Verminderung der Herzfrequenz, Moleschott undNAuwERK5 6 Beschleunigung bei schwacher, Verlangsamung bei starker Beizung, von Bezold manchmal Beschleunigung, manchmal Verlangsamung, seine Zahlenangaben zeigen nur geringf\u00fcgige Ver\u00e4nderungen der Frequenz.\nBeim N. depressor haben die Versuche von Ludwig und Cyon0, Stelling7, Bernhardt8 und Boever9 an Kaninchen, Hasen, Katzen und Igeln \u00fcbereinstimmend ergeben, dass weder Durchschneidung desselben noch Beizung seines peripheren Stumpfes einen Einfluss auf die Frequenz der Herzpulsationen auslibt.\n2. Der Nervus accelerans.\nWie wir unter II, 2 besprochen haben, wird durch Beizung des Vagus bei atropinisirten Thieren, Fr\u00f6schen, Kaninchen, Hunden eine Beschleunigung der Herzpulsationen hervorgerufen. Die isolirte Bei-\n1\tC. Ludwig, Lehrt), d. Physiol. I. S. 178. 1852 ; S. 99. 1861.\n2\tHeidenhain, Disquisitiones de nervis organisque centralibus cordis. Diss. p. 59. Berolini 1854.\n3\tvon Bezold, Unters, \u00fcb. d. Innerv. d. Herzens. S. 112. 1863.\n4\tWagner, G\u00f6ttinger Nachrichten. 1854. S. 129.\n5\tMoleschott &Nauwerk, Molesch. Unters. VIII. S. 36. 1861.\n6\tCyon & Ludwig, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866. S. 308.\n7\tStelling, Experiment. Untersuchungen \u00fcber den Einfluss des N. depressor. Diss. Dorpat 1867.\n8\tBernhardt, Anatomische und physiologische Untersuchungen \u00fcber den N. depressor bei der Katze. Diss. Dorpat. 1868.\n9\tBoever, Kritische und experimentelle Untersuchungen des Nerveneinflusses auf die Verengerung und Erweiterung der Blutgef\u00e4sse. S. 86. Bostock 1869.","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390 Aubert. Innervation des Herzens. 2. Cap. Die extra car dialen Nerven.\nzung der unterhalb des Ganglion cervicale infimum zum Herzen gehenden Nerven hat ergeben, dass bei unvergifteten Thieren durch Reizung von den Yerbindungszweigen des Ganglion thoracicum primum zum Ganglion cervicale infimum und zum Vagus und den von ihnen zum Herzen gehenden Fasern eine Beschleunigung der Herzpulsationen bewirkt wird, welche 30\u201470 % betr\u00e4gt, ohne dass damit eine Ver\u00e4nderung in dem Blutdrucke gesetzt wird. Die in diesen Nerven enthaltenen Beschleunigungsfasern gehen von dem R\u00fcckenmarke zu dem Ganglion thoracicum primum, sind also wahrscheinlich spinale Fasern. Die Beschleunigung der Herzpulsationen in Folge der Reizung zeigt ebenso wie die nach Vagusreizung bei atropinisir-ten Thieren ein langes Latenzstadium und ein langes Ueberdauern des Reizes, verh\u00e4lt sich also in dieser Beziehung wesentlich anders als die Verlangsamung in Folge der Vagusreizung. Die beschleunigende Wirkung des N. accelerans steht also nicht in einem directen Antagonismus zu der hemmenden Wirkung des Vagus ; es kommt auch die Vaguswirkung bei gleichzeitiger Wirkung des Accelerans ungeschm\u00e4lert zum Vorschein, auch sogar dann, wenn der Vagus sehr schwach, der Accelerans sehr stark gereizt wird. Endlich ist mit der Beschleunigung der Herzpulsationen durch Acceleransreizung eine Verk\u00fcrzung der Systoledauer verbunden, w\u00e4hrend Reizung des Vagus keine Ver\u00e4nderung der Dauer der Systole bewirkt. Zweifelhaft ist es dagegen, ob durch die Reizung des Accelerans eine directe Abnahme der Pulsexcursionen, wie sie bei Vagusreizung atropinisirter Fr\u00f6sche nachgewiesen werden kann, bewirkt wird.\nDie Pr\u00fcfung der schon von Legallois und Anderen1 2, in neuerer Zeit wieder von Bezold gemachten Angabe, dass Reizung des R\u00fcckenmarks eine Vermehrung der Herzpulsationen herbeif\u00fchre, welche ziemlich gleichzeitig von M. & E. Cyon2 an Kaninchen und Hunden, von Bever und v. Bezold3 4 an Kaninchen unternommen wurde, ergab, dass beschleunigende Fasern vom Ggl. thoracicum prim, und vom Gangl. cervic. infim. zum Herzen gehen. Eine eingehendere anatomische und physiologische Untersuchung wurde dann von Schmiedeberg 4 am Hunde ausgef\u00fchrt und alle von dem Vagus und den Ganglien zum Herzen gehenden Nerven auf ihre Beschleunigungswirkung untersucht, wobei sich dann der von der Verbindung des Ggl. thorac. prim, zum Ggl. cervic. inf. abgehende Ast als Beschleunigungsnerv oder N. accelerans heraus-\n1\tLegallois. Sur le principe de la vie etc. p. 212. Paris 1812. \u2014 Die \u00fcbrige \u00e4ltere Literatur s. bei Lund, Physiologische Resultate d. Vivisectionen neuerer Zeit. S. 162. Kopenhagen 1825.\n2\tM. & E. Cyon, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1867. S. 389. 403.\n3\tBever & von Bezold. Unters, a. d. W\u00fcrzburger physiol. Labor. Heft H. 1867. S. 226. \u2014 Bever, Ebenda. S. 235.\n4\t0. Schmiedeberg. Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. AN iss. 1871. S. 148.","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"Das extracardiale Herzcentrum.\n391\nstellte. Die Untersuchungen von Bowditch1 2 3, sowie die von Baxt 2 beziehen sich namentlich auf die Klarlegung des Verh\u00e4ltnisses zwischen der Hemmungswirkung des Vagus zu der Beschleunigungswirkung des Acce-lerans und f\u00fchrten zu der Annahme, dass beiderlei Nerven auf wesentlich verschiedene Angriffspunkte im Herzen wirken m\u00fcssten, da der Vagus in seiner Hemmungswirkung nicht durch den Accelerans, und der Accelerans in seiner Beschleunigungswirkung nicht durch den Vagus beirrt wird. Eine Untersuchung von B\u00f6hm 3 best\u00e4tigte die von Schmiedeberg und Bowditch am Hunde gewonnenen Resultate an der Katze und eine zweite Arbeit von Baxt4 erwies die Verk\u00fcrzung der Systoledauer bei Reizung des Accelerans. Auf die Abflachung der Pulswellen machten Schmiedeberg und Boehm aufmerksam.\nIV. Das extracardiale Herzcentrum in der Medulla oblongata und dessen reflectorisclie Erregung\u2019.\nDurch Reizung der Medulla oblongata mit tetanisirenden Str\u00f6men zwischen den Vierh\u00fcgeln und dem Calamus scriptorius wird Stillstand des Herzens in Erschlaffung bewirkt oder bei schw\u00e4cherer Reizung eine Verminderung der Herzfrecpienz. Nach Durchschneidung beider Vagi wirkt aber Reizung des verl\u00e4ngerten Markes beschleunigend auf die Herzbewegung. Insofern von dem verl\u00e4ngerten Marke sowohl Verlangsamung als auch Beschleunigung der Herzbewegungen ausgehen kann, bezeichnet man dieselbe als regulatorisches Nervencen-trum f\u00fcr das Herz. Die Erregung vieler Nerven, welche mit dem Herzen in keiner nachweisbaren Verbindung stehen, bewirkt eine Ver\u00e4nderung in der Frequenz der Herzpulsationen, indem die Erregung nach der Medulla oblongata geleitet und von hier nach dem Herzen reflectirt wird : hierher geh\u00f6ren die sensiblen Nerven, der Vagus, der Halssympathicus, der Splanchnicus und die Muskelnerven.\nDie Beobachtung, dass Reizung des verl\u00e4ngerten Markes mittelst electrischer Wechselstr\u00f6me Stillstand des Herzens in Diastole bewirkt, ist zuerst von Eduard & Ernst Heinrich Weber5 gemacht worden, welche\n1\tBowditch. Ebenda. 1872. S. 195.\n2\tN. Baxt. Ebenda. 1875. S. 323.\n3\tR. Boehm (und Nussbaum) , Arcb. f. exper. Patbol. u. Pharmakol. IV. S. 255.\n4\tN. Baxt. Arch. f. Anat. (u. Physiol.) 1878. S. 122.\n5\ts. d. Literatur unter II. 2. b. S. 381. \u2014 Die Behauptung Schief\u2019s (Molesch. Unters. XI. S. 204. 1876), dass bereits Galyani diastolischen Stillstand nach Reizung der Medulla oblongata beobachtet und beschrieben habe, finde ich nicht begr\u00fcndet. Galyani\u2019s Versuch bezieht sich auf das R\u00fcckenmark (spinal midolla), welches er mit einer Nadel reizte. Es heisst Op\u00e9r\u00e9 \u00e9dit\u00e9 ed inedite del Prof. Luigi Galvani, Bologna 1841. p. 15 : Impiantato l\u2019ago nel primo foro (n\u00e4mlich nel spinal midolla) \u2014 Solito Incantesimo. il quale \u00e8 consistito in una diastole di cuore senza che per\u00f6 potesse entrare se non poco sangue, il quale poi entrato finalmente in copia, ha prodotta la diastole vera, la quale \u00e8 poi seguita immediata-","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392 Aubert, Innervation des Herzens. 2. Cap. Die extracardialen Nerven.\nmittelst Durchschneidung von R\u00fcckenmarks- und Gehirnstellen die Grenzen feststellten, innerhalb welcher die Medulla oblongata gereizt werden muss, damit Stillstand des Herzens eintritt. \u2014 Die Fortleitung der Erregung in dem verl\u00e4ngerten Marke geschieht durch die Vagi, da, wie von Bezold * 1 fand, die Reizung des verl\u00e4ngerten Markes oder des Halsmarkes in der H\u00f6he des Atlas nach Durchschneidung beider Vagi keine Verlangsamung, sondern eine Beschleunigung der Herzpulsationen zur Folge hat. Ludwig und Thiry2 widersprachen den von \u00dfEzoLD\u2019schen Folgerungen, indem sie zeigten, dass die vermehrte Pulsfrequenz die Folge der eingetretenen Drucksteigerung sei, welche ihrerseits durch Contraction eines grossen Bezirkes kleiner Arterien in Folge der Halsmarkreizung hervorgerufen sei (s. unten). Indess wiesen M. & E. Cyon 3 4, sowie Bever und v. Bezold 4 den aceelerirenden Einfluss der Medulla oblongata und des Halsmarkes auf das Herz, sowie die Bahnen nach, auf welchen die Erregung zum Herzen gelangt. Cyon\u2019s haben es sich besonders angelegen sein lassen, nachzuweisen, dass bei Reizung des Halsmarkes unabh\u00e4ngig von der Erh\u00f6hung des Blutdruckes eine Zunahme der Herzfrequenz eintritt, indem nach Durchschneidung der Vagi, Sympathici, Depressores und Splanchnici die Reizung des Halsmarkes keine Blutdrucksteigerung, aber eine bedeutende Vermehrung der Herzfrequenz bewirkt \u2014 diese letztere aber ausbleibt, wenn die vom R\u00fcckenmarke durch das erste Brust- und das letzte Halsganglion zu dem Herzen gehenden Nerven, bezw. die Ganglien selbst exstirpirt worden sind.\nMit dem Nachweise pulsverlangsamender und pulsbeschleunigender Organe im Marke verbindet sich nun die Vorstellung, dass von der Medulla oblongata aus die eine oder die andere Wirkung auf das Herz ausge\u00fcbt wird, je nachdem die eine oder die andere Nervengruppe erregt wird \u2014 ob aber Beschleunigung durch Erregung der Beschleunigungsorgane oder durch Nichterregung, beziehungsweise L\u00e4hmung der Hemmungsorgane bewirkt sei, und vice versa, das wird im gegebenen Falle nicht immer zu entscheiden sein.\nDas verl\u00e4ngerte Mark ist nun zugleich der Ort, von wo aus die Erregungen verschiedener Nerven auf andere Nerven reflectirt werden, und so werden denn hier die Erregungen auch auf di'e verlangsamenden und auf die beschleunigenden Herznerven reflectirt.\n1. Reflexe von sensiblen Nerven: Bei Reizung sensibler Nerven (Ischiadicus, Brachialis, R\u00fcckenmarksnerven, Haut) beobachtete von Bezold5 nach Durchschneidung beider Vagi und Sympathici an\nmente da una vera sistola. Impiantato nel secondo, terza foro, lo stesso. Den ,.Zauber\u2018 des diastolischen Stillstandes hat Galvani gesehen, aber die Methode, ihn hervorzubringen, ist doch gar zu unklar.\n1\tvon Bezold, Unters, \u00fcb. d. Innervation d. Herzens. S. 191. 1863.\n2\tLudwig & Thiry, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLIX. (2) S. 421. 1864.\n3\tM. & E. Cyon, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1867. S. 389.\n4\tBever & von Bgzold, Unters, a. d. W\u00fcrzburger Labor. Heft II. S. 226. 1867.\n5\tvon Bezold, Unters, \u00fcb. d. Innerv. d. Herzens. S. 272.","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Das extracardiale Herzcentrum.\n393\ncuraresirten Kaninchen und Hunden eine Zunahme der Pulsfrequenz mit Steigerung des Blutdruckes, wenn Gehirn und R\u00fcckenmark intact waren; dagegen ein Ausbleiben der Frequenzzunahme und der Blutdruckerh\u00f6hung, wenn die Medulla oblongata durch einen Schnitt von dem Gehirn oder R\u00fcckenmark getrennt war.\nDa sich aus von Bezold\u2019s Versuchen nicht ergibt, ob die Frequenzzunahme, welche nur etwa 4\u00b0o betr\u00e4gt, nicht lediglich durch Druckerh\u00f6hung bedingt worden ist, so stellte Lov\u00e9n1 2 Versuche in der Weise an, dass er die Vagi des curaresirten Thieres unverletzt liess und zugleich die Arterienst\u00e4mmchen des Ohres, wenn er den centralen Stumpf des N. auricularis posterior reizte, die Arter. saphena, wenn er den N. dorsalis pedis reizte, bez\u00fcglich ihrer Erweiterung und Verengung beobachtete. Lov\u00e9n fand Verminderung der Herzfrequenz mit gleichzeitigem Steigen des Blutdrucks und Verengung der Arterien bei Reizung der sensiblen-Nerven \u2014 und schliesst daraus, dass die Verminderung der Herzfrequenz durch reflectorische Erregung des Vagus zu Stande komme. Er fand \u00fcbrigens im Gegens\u00e4tze zu v. Bezold, dass nach durchschnittenem Vagus die Frequenz der Herzschl\u00e4ge bei Reizung der sensibeln Nerven unver\u00e4ndert blieb oder sank. Asp 2 fand bei Reizung des centralen Stumpfes vom Plexus ischiadicus eine Beschleunigung der Herzfrequenz, sowohl vor als nach Durchschneidung der Vagi \u2014 ferner eine Beschleunigung bei electrischer Reizung des centralen Stumpfes des Lenden- und des R\u00fcckenmarkes, vor und nach Durchschneidung der Vagi. Ob die Differenz der Versuchsresultate sich daraus erkl\u00e4rt, dass bei Reizung des Plexus und des Markes die Reizung der Muskelnerven pr\u00e4-valirt habe, ist zweifelhaft, wird aber aus den unter 6. angef\u00fchrten Versuchen wahrscheinlich.\nDen gleichen Erfolg, wie die Lov\u00c9x\u2019schen Versuche ergaben Beobachtungen von Hering und Kratschmer3, bei denen die Nasenschleimhaut durch Tabaksrauch und andere \u00e4tzende D\u00e4mpfe und Gase, oder auch der Supramaxillarast des Trigeminus electrisch gereizt wurde: bei unversehrten Vagi trat immer starke Verlangsamung der Herzpulsationen auf mit geringer oder keiner Drucksteigerung \u2014 bei durchschnittenen Vagi blieb die Pulsfrequenz unver\u00e4ndert.\n2. Bei Reizung des centralen Vagus stumpfes, welcher wohl nicht als rein sensibler Nerv angesehen werden darf, beobachtete von Bezold, wenn beide Vagi des curaresirten Thieres durchschnitten waren, Beschleunigung der Herzpulsationen, nach Exstirpation des Gehirns aber Verlangsamung w\u00e4hrend der Reizung. x4jjbert und Roever4 fanden nach Durchschneidung beider Vagi bei Reizung des einen centralen Vagusstumpfes keine Ver\u00e4nderung der Herzfrequenz, dagegen in vielen Versuchen am Hunde (aber nicht constant),\n1\tLov\u00e9n (und Ludwig), Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866. S. 85.\n2\tAsp, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1867. S. 182.\n3\tKratschmer, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXH. (2) S. 147. 1870.\n4\tAubert & Roever, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 211. 1868.","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394 Aubert. Innervation des Herzens. 2. Cap. Die extracardialen Nerven.\nseltener bei Kaninchen, Verminderung' der Pulsfrequenz und Aussetzen des Herzschlages, wenn bei unversehrtem einen Vagus der centrale Stumpf des durchschnittenen Vagus gereizt wurde. \u2014 Reizungen des centralen Stumpfes vom N. laryngeus superior haben nach Aubert\u2019s und Roever\u2019s Versuchen weder bei intacten noch bei durchschnittenen Vagi und Vagosympathici an curaresirten Kaninchen, Hunden und Katzen irgend welchen Einfluss auf die Frequenz des Herzens.\nHierher geh\u00f6ren auch die Beobachtungen von Einrodt (und Ludwig)1, dass st\u00e4rkere Anf\u00fcllung der Lunge mit Luft unter hohem Druck von \u00fcber 50 mm Hg (erh\u00f6hter positiver Respirationsdruck) bei unversehrten Vagi eine bedeutende Verlangsamung der Herzpulsationen, sogar Stillstand des Herzens bewirkt, w\u00e4hrend bei durchschnittenen Vagi die Herzschl\u00e4ge keine Verlangsamung erleiden. \u2014 Hering2 dagegen hat gefunden, dass Auf blasen der Lunge ohne starken Druck, etwa 30 mm Hg gerade den entgegensetzten Einfluss auf die Herzfrequenz hat, n\u00e4mlich eine sehr bedeutende Beschleunigung des Herzschlages hervorbringt, dass aber dieselbe nicht eintritt, wenn die Vagi durchschnitten sind, selbst dann nicht, wenn man durch Reizung der Vagi eine verminderte Frequenz mit gleichm\u00e4ssigen Pulsationen herbeigef\u00fchrt hat, und dann die Lungen aufbl\u00e4st.\n3.\tReizungen des nach dem Kopfe hingehenden Stumpfes des Hai s-sympathicus haben nach Bernstein3 eine Verminderung der Herzfrequenz zur Folge, wenn die beiden Vagi unversehrt sind \u2014 indess haben Stelling4 bei Kaninchen, Bernhardt5 bei Katzen, Roever6 7 bei Kaninchen, Katze und Lamm keine Ver\u00e4nderung der Pulsfrequenz, Roever beim Hunde mitunter eine geringe Beschleunigung gefunden. Auch Naw-rocki 7 hat bei Reizung des Halssympathicus keine Einwirkung auf die H\u00e4ufigkeit der Herzschl\u00e4ge eintreten sehen.\n4.\tDer dem Halssympathicus sich anschliessende N. depressor zeigte in den Versuchen von Ludwig und Cyon8, wenn er undurchschnitten gereizt wurde, immer betr\u00e4chtliche Verlangsamung der Herzpulsationen. Dasselbe fanden Stelling und Roever. Reizung des centralen Depressorstumpfes ergab in den Versuchen von allen Beobachtern gleichfalls bei intacten Vagi Verminderung der Pulsfrequenz um 20 \u201440 \u00b0/o \u2014 nach Durchschneidung beider Vagi dagegen keine oder nur geringe Frequenzver\u00e4nderung in verschiedenem Sinne. Lud-\n1\tEinbrodt, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XL. S. 361. I860.\n2\tE. Hering, Ebenda. LXIV. (2) S. 333. 1871.\n3\tBernstein, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1864. S. 614.\n4\tStelling, \u00c9xper. Unters, \u00fcber d. X. depressor. Diss. S. 33. Dorpat 1867.\n5\tBernhardt, Anat. u. physiol. Unters, \u00fcb. d. N. depressor bei der Katze. Diss. S. 20. Dorpat 1868.\n6\tRoever, Untersuchung des Nerveneinflusses auf die Verengerung und Erweiterung der Blutgef\u00e4sse. S. 53. 1869.\n7\tNawrocki, Beitr. z.Anat. u. Physiol, als Festgabe f\u00fcr C. Ludwig. 1875. S.208.\n8\tE. Cyon & C. Ludwig, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866. S. 307.","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Das extracardiale Herz centrum.\n395\nwig-Cyon und die sp\u00e4teren Beobachter haben hervorgehoben, dass die gr\u00f6sste Pulsverlangsamung im Beginne der Depressorreizung ein-tritt, dass dann, nachdem der Blutdruck auf seine geringste H\u00f6he heruntergegangen ist, eine Zunahme der Pulsfrequenz einzutreten pflegt. Die Verlangsamung ist als eine Wirkung vom Depressor auf das verl\u00e4ngerte Mark und von diesem reflectirt auf den Vagus aufzufassen \u2014 ob die sp\u00e4tere Beschleunigung von einer Verminderung des Blutdruckes im Gehirn, wie Ludwig und Cyon annehmen, oder von der Erniedrigung des Blutdruckes an sich und dadurch bedingter Frequenzzunahme, wie Stelling glaubt, abh\u00e4ngt, ist nicht entschieden.\n5.\tAuch von dem N. splanchnicus werden Erregungen durch die Centralorgane auf den Vagus reflectirt und eine Verlangsamung der Herzpulsationen beobachtet und zwar sowohl bei Reizung des peripheren, als des centralen Splanchnicusstumpfes.\nAsp (und Ludwig)1 fanden, wenn sie bei Hunden und Katzen den peripheren Stumpf des Splanchnicus reizten, bevor die Nn. vagi durchschnitten waren, eine starke Abnahme der Herzfrequenz \u2014 nach Durcli-schneidung der Vagi eine viel schw\u00e4chere oder auch gar keine Abnahme; \u00f6fters war aber auch dann noch eine Abnahme um \u00fcber 2 00 o vorhanden, welche Asp der Wirkung der Blutdruckserh\u00f6hung auf die Herzenden des Vagus zuzuschreiben geneigt ist. Bei Reizungen des centralen Splanchnicus und seiner A este fand Asp in den meisten F\u00e4llen Verlangsamung der Pulse bei Erh\u00f6hung des Blutdruckes, aber im Unterschiede gegen den Erfolg der Reizung des peripheren Splanchnicus eine geringere Frequenzabnahme bei bedeutend h\u00f6herem Drucke. Betrug z. B. bei peripherer Reizung der Druck 162 mm Hg die Frequenz 52 in der Zeiteinheit, so ergab centrale Reizung 226 mm Hg-druck und 70 Pulse. \u2014 Eine bedeutende Abnahme der Herzfrequenz, ja Stillstand des Herzens wird beim Frosche beobachtet, wenn der Magen oder Darm gezerrt oder sonst insultirt wird, wie Heinemann2 und Goltz3 beobachtet haben. Dieser Erfolg bleibt aus, wie Bernstein4 fand, wenn die Verbindungszweige des Sympathicus zum 5. und 6. Spinalnerven durchschnitten werden. Auch bei Hunden und Katzen beobachteten Sigmund Maeyr und Pribram5 bei electrischer und mechanischer Reizung des Magens Pulsverlangsamung und Blutdruckserh\u00f6hung, ebenso beim Aufblasen des Magens; chemische Reizungen der Magenschleimhaut durch eiskaltes Wasser brachten aber keine Ver\u00e4nderung der Herzfrequenz hervor, wie f\u00fcr Wasser von 0\u00b0 auch L. Hermann und Ganz6 gefunden haben.\n6.\tReflexe von den centralen St\u00fcmpfen durchschnittener Mus-\n1\tAsp, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1867. S. 148.\n2\tC. Heinemann, Allgem. med. Centralztg. 1862. S. 526.\n3\tGoltz, K\u00f6nigsberger med. Jahrb. III. S. 271. 1862 ; Arch. f. path. Anat. XXVI S. 1.1863.\n4\tJ. Bernstein, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1863. S. 52.\n5\tSigmund Mayer & A. Pribram, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXVI. (3) 1872.\n6\tHermann & Ganz, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 8. 1870.","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396 Aubert, Innervation des Herzens. 2. Cap. Die extracardialen Nerven.\nkeinerven auf das Herz haben Asp und Ludwig beobachtet: wenn reine Muskelnerven des Plexus ischiadicus gereizt wurden, so trat in den meisten F\u00e4llen Vermehrung der Pulszahl ein und zwar unabh\u00e4ngig von dem Steigen oder Sinken des Blutdruckes, auch dann noch, wenn in Folge der Vagidurchschneidung die Frequenz schon sehr hoch war. Die Beschleunigung blieb aber aus, nachdem das oberste Brust- und unterste Halsganglion ausgerottet worden waren.\nV. Die Erregung des extracardialen Centrums durch die Dase und den Druck des Blutes.\nWenn der Sauerstoffgehalt des Blutes abnimmt und die Kohlens\u00e4uremenge des Blutes zunimmt, so wird dadurch eine Abnahme der Herzfrequenz bewirkt, welche nach Durchschneidung beider Vagi aufh\u00f6rt und durch eine sehr grosse Herzfrequenz ersetzt wird. Bei Suspension der Athmung nimmt daher die Pulsfrequenz ab. \u2014 Bei Erh\u00f6hung des Blutdruckes nimmt gleichfalls die Herzfrequenz ab, so lange die Vagi unversehrt sind, werden sie bei hohem Blutdrucke durchschnitten, so nimmt die Frequenz zu. Bei durchschnittenen Vagi ist die Wirkung der Blutdruckserh\u00f6hung auf die Pulsfrequenz nicht constant.\nDer Einfluss der Athmung auf die Pulsfrequenz ist besonders von L. Traube 1 untersucht worden in Bezug auf die Funktion des Vagus und des Herzcentrums in der Medulla oblongata, indem er bei curare-sirten Hunden die Pulsfrequenz am Kymographion verzeichnen liess und die k\u00fcnstliche Respiration zur Variation des Lungengaswechsels benutzte. Er fand bei unversehrten Vagi eine Verminderung der Pulsfrequenz in um so h\u00f6herem Grade, je l\u00e4nger die Athmung suspendirt wurde und zwar im Anf\u00e4nge der Suspension ein langsames, nach etwa 1 bh Minuten ein schnelles Sinken der Frequenz, so dass nach 3 Minuten langer Suspension der Athmung die Frequenz um 4/s vermindert gefunden wurde. Nach Wiederbeginn der Athmung bleibt die Frequenz noch einige Zeit vermindert; wird die Zahl der Respirationen sehr vermehrt, z. B. von 15 in der Minute auf 30 bis 60, so nimmt die Pulsfrequenz sehr bedeutend zu. Wenn nun bei einer in Folge von Athmungssuspension verminderten Pulsfrequenz die Vagi durchschnitten werden, so steigt die Pulsfrequenz rasch und bedeutend. Bei durchschnittenen Vagi beobachtete Traube dagegen bei erheblichen Variationen der Athmung keine Ver\u00e4nderung der Pulsfrequenz, ausser kurz vor dem Zeitpunkte, wo der Druck sein Minimum erreicht \u2014 dann nimmt stets auch die Pulsfrequenz ab. \u2014 Die Frage, ob der Sauerstoffmangel im Blute oder die vermehrte Kohlens\u00e4ure f\u00fcr die Verminderung der Pulsfrequenz bestimmend\n1 Traube, Allgem. med. Centralztg. 1862. No. 25; 1863. No. 97. \u2014 Abgedruckt in Traube\u2019s Ges. Beitr. z. Patbol. u. Physiol. I. S. 310\u2014358. 1871.","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Erregung durch das Blut.\n397\nsei, wird durch Traube\u2019s Versuche dahin beantwortet, dass die im Blute gel\u00f6ste Kohlens\u00e4ure auf das Herznervencentrum wirke, denn bei Gasgemengen, welche mehr Sauerstoff als die atmosph\u00e4rische Luft, aber ausserdem erhebliche Mengen (20 bis 7 5%) Kohlens\u00e4ure enthalten, findet nur im Anf\u00e4nge eine Zunahme bald aber ein Sinken der Pulsfrequenz, lind nach Wiederbeginn gleicher Einblasungen von atmosph\u00e4rischer Luft erst allm\u00e4hlich eine Vermehrung der Pulsfrequenz statt. Durcbsclmeidung der Vagi hat dann, wenn durch Kohlens\u00e4ureathmung die Pulsfrequenz abgenommen hat, denselben Erfolg, wie bei Athmungssuspension. \u2014 Gleiche Resultate hat Landois1 in Bezug auf Pulsfrequenz und Vagusdurchschneidung nach Athmungssuspension bei Kaninchen erhalten.\nBez\u00fcglich des Einflusses des Blutdruckes auf die Pulsfrequenz hat zuerst Bernstein'2 Versuche angestellt, aus denen hervorgeht, dass bei unversehrten Vagi Druckerh\u00f6hung (durch Einspritzen von Blut in das arterielle System) die Pulsfrequenz vermindert, Druckverminderung (durch Blutentziehung) dagegen die Pulsfrequenz vermehrt \u2014 dass aber nach Durchschneidung der Vagi Erh\u00f6hung des Blutdruckes durch Blutinjection keine Vermehrung der Pulsfrequenz zur Folge hat. Bernstein zieht aus diesen an Hunden und an Kaninchen angestellten Versuchen den Schluss, dass w\u00e4hrend des Lebens der Blutdruck einen Reiz setzt, welcher die Vagi stetig erregt, und dass durch diese Einrichtung der Blutdruck sich selbst regulirt. Ob die Vagi selbst oder das Centrum derselben erregt wird, l\u00e4sst Bernstein unbestimmt. Die Pulsbeschleunigung bei vermindertem, die Pulsverlangsamung bei erh\u00f6htem Blutdrucke, wenn die Vagi intact sind, ist von Knoll3 4 und in ausgedehnten Versuchsreihen an Kaninchen, Katzen und Hunden von Nawrocki 4 best\u00e4tigt worden, ebenso das Ausbleiben einer irgend erheblichen oder constanten Frequenzver\u00e4nderung bei Druckzunahme oder Druckabnahme, wenn die Halsnerven und das Halsmark durchschnitten sind. Bei intactem R\u00fcckenmarke und durchschnittenen Vagi hatte v. Bezold5 6 eine der Blutdruckverminderung parallele Zunahme der Pulsfrequenz gefunden, und Knoll eine Verlangsamung des Herzschlages bei Blutdruckssteigerung \u2014 Nawrocki dagegen fand die Angabe Bernstein\u2019s auf Grund sehr zahlreicher und mehrfach variirter Versuche best\u00e4tigt, dass bei intactem Halsmarke und durchschnittenen Vagi, Sympathici und Depressores der Blutdruck an und f\u00fcr sich keinen Einfluss auf die Pulszahl aus\u00fcbt. \u2014 Indess ist Tschirjew'* zu dem entgegengesetzten Resultate gekommen, dass n\u00e4mlich bedeutende und rasche Blutdrucksschwankungen auf den Rhythmus der Herzcontrac-tionen sowohl nach Durchschneidung nur der Halsnerven, als auch nach Durchschneidung s\u00e4mmtlicher extracardialer Nervenbahnen wirken, und zwar Drucksteigerung die Pulszahl vermindert, Sinken des Druckes die Frequenz vermehrt, wenigstens in den meisten F\u00e4llen.\n1\tLandois, Allg. med. Centralztg. 1863. No. 89.\n2\tBernstein, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1867. S. 1.\n3\tKnoll, Sitzgsber. d. Wiener Aead. LXVI. (3) S. 195. 1872.\n4\tNawrocki, Beitr. z. Anat. u. Physiol, als Festgabe f\u00fcr C. Ludwig. 1874. S. 205. (S. daselbst auch die einzelnen Arbeiten von Nawrocki.)\n5\tvon Bezold, Unters, aus d. W\u00fcrzburger physiol. Labor. 1867. S. 215.\n6\tTschirjew, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1877. S. 116.","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398 Aubert, Innervation des Herzens. 2. Cap. Die extracardialen Nerven.\nUeberblicken wir die an den extracardialen Herznerven gewonnenen Resultate, so ergiebt sieb, dass von der Medulla oblongata zum Herzen verlaufen : 1. Fasern, deren Reizung die Ausl\u00f6sung einer Systole verz\u00f6gert; diese im Vagus verlaufenden Fasern werden seit Weber als Hemmungsfasern oder Hemmungsnerven bezeichnet; 2. Fasern, deren Reizung die Ausl\u00f6sung der Systole beschleunigt, welche theils im Vagus und Vagosympathicus, theils in Nervenzweigen, welche vom Halsmarke durch die Grenzstrangganglien zum Herzen treten, verlaufen, welche von Ludwig- und seinen Sch\u00fclern als Beschleunigungsfasern oder accelerirende Fasern bezeichnet werden. Sowohl die Hemmungsnerven als die Beschleunigungsnerven werden von dem verl\u00e4ngerten und dem Halsmarke aus in Erregung versetzt, und die Erregung, welche von diesen Centralorganen ausgeht, wird bestimmt theils durch den Erregungszustand der verschiedenen Nerven des K\u00f6rpers, theils durch den Gasgehalt und den Druck des Blutes, theils durch Gifte, welche dem Blute einverleibt werden. In welcher Weise die extracardialen Nerven mit den intracardialen Nerven und der Musculatur des Herzens in Verbindung stehen, ebenso wie der Vorgang in den Nerven und im Herzen, durch welchen sie den Einfluss auf die Bewegungen des Herzens ausiiben, kurz, eine Theorie der Herzinnervation, ergiebt sich aus den bisherigen Versuchen nicht.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"ZWEITE ABTHEILUNG.\nSowohl durch directe Einwirkungen auf die Blutgef\u00e4sse, als durch die Einwirkung auf verschiedene Nerven wird eine Ver\u00e4nderung des Lumens der Blutgef\u00e4sse hervorgebracht und damit der Blutstrom, unabh\u00e4ngig von der Th\u00e4tigkeit des Herzens, beeinflusst. Diese Ver\u00e4nderungen lassen sich sowohl an den Arterien, wie an den Venen nachweisen \u2014 sie bestehen theils in einer Verengerung, theils in einer Erweiterung der Blutgef\u00e4sse, welche von der Zusammenziehung oder der Erschlaffung der in der Gef\u00e4sswand enthaltenen glatten Muskelfasern abh\u00e4ngt. Der Contractionszustand der Gef\u00e4ssmuskeln steht unter der Herrschaft von Nerven, welche als Gef\u00e4ssnerven oder vasomotorische Nerven bezeichnet werden. Eine gewisse mittlere Contraction oder \u00fcberhaupt den Contractionsgrad der Gef\u00e4ssmuskeln bezeichnet man als Gef\u00e4sstonus. Da die Ausdehnung der Blutgef\u00e4sse nicht von dem Contractionszustande der Muskeln allein, sondern auch von dem Drucke des Blutes, welcher durch die Th\u00e4tigkeit des Herzens gesetzt wird, abh\u00e4ngig ist, so sind bei einer vorliegenden Beobachtung von Gef\u00e4sserweiterung oder Verengerung beide Momente sorgf\u00e4ltig von einander zu unterscheiden.\nDie Methoden zur Beobachtung von Gef\u00e4ssverengerung und Gef\u00e4sserweiterung beruhen daher entweder auf der Vergleichung der F\u00fcllung oder Weite von zwei verschiedenen, wom\u00f6glich symmetrischen Gef\u00e4ssbezirken oder auf der Vergleichung ein und desselben Gef\u00e4sses oder Gef\u00e4ssbezirkes nach einander unter Umst\u00e4nden, welche einen Einfluss der Herzth\u00e4tigkeit auszuschliessen gestatten. In vielen F\u00e4llen kann die directe Beobachtung der vermehrten oder verminderten Gef\u00e4ssf\u00fclle v\u00f6llig zuverl\u00e4ssige Resultate \u00fcber die Wirkung eines vasomotorischen Nerven liefern: dies ist h\u00e4ufig der Fall bei oberfl\u00e4chlich gelegenen oder ohne tiefere Eingriffe freizulegenden Organen und Gef\u00e4ssbezirken, z. B. Conjunctiva bulbi, Schwimmhaut von","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nAubert. Innervation der Blutgef\u00e4sse.\nFrosch, Ente u. A., Kaninchen- und Hundeohr, Fledermausfl\u00fcgel, ferner Darm, Niere, \u00fcberhaupt Baucheingeweide. Theils die Intensit\u00e4t der diffusen B\u00f6the, theils die Ausdehnung einzelner Arterien oder Venen kann hier ohne Gefahr der T\u00e4uschung gesch\u00e4tzt werden.\nEine zweite Methode beruht darauf, dass bei Verengerung der kleinen Arterien dem Fliessen des Blutes in dem arteriellen Systeme ein gr\u00f6sserer, bei Erweiterung ein geringerer Widerstand gesetzt wird, und dadurch der Druck in dem arteriellen steigt, beziehungsweise sinkt. Bei diesen Bestimmungen am Kymographion ist aber immer die Herzth\u00e4tigkeit, namentlich die Herzfrequenz in Anschlag zu bringen. Die Anwendung dieser Methode hat zu der Unterscheidung der vasomotorischen Nerven als press or is che und depressorische Nerven gef\u00fchrt, indem als pressorische Nerven diejenigen bezeichnet werden, deren Reizung eine Erh\u00f6hung, als depressorische diejenigen, deren Reizung eine Senkung des Blutdruckes zur Folge hat.\nIhr schliesst sich eine dritte Methode an, welche die Geschwindigkeit der Blutstr\u00f6mung bei vermehrtem oder vermindertem Widerstande in den Arterien (und Capillaren?) ber\u00fccksichtigt, indem die Menge des in der Zeiteinheit aus einer Vene oder Arterie ausflies-senden Blutes oder die Str\u00f6mungsgeschwindigkeit innerhalb einer Arterie beobachtet wird.\nDie vierte Methode gr\u00fcndet sich darauf, dass die Temperatur des Blutes im Innern des K\u00f6rpers eine h\u00f6here ist, als die Temperatur der oberfl\u00e4chlich gelegenen K\u00f6rpertheile, an welchen eine W\u00e4rmeabgabe von Seiten des Blutes stattfindet und dass, je mehr Blut in einer gegebenen Zeit die K\u00f6rpertheile durchstr\u00f6mt, um so mehr von ihm W\u00e4rme an diese K\u00f6rpertheile abgegeben wird. Die sich ergebenden Temperaturdifferenzen k\u00f6nnen daher als Symptom der Erweiterung oder Verengerung des Strombettes f\u00fcr -das circu-lirende Blut betrachtet werden. Diese Bestimmung kann nur unter der Annahme als Ausdruck der Gef\u00e4sserweiterung oder Verengerung gelten, dass eine Temperaturver\u00e4nderung durch Nerveneinfluss auf andere Vorg\u00e4nge nicht stattfindet, dass es also keine direct temperaturver\u00e4ndernde Nerven giebt, und dass die Temperatur des Blutes constant bleibt, beziehungweise die Aenderung derselben in Anschlag gebracht wird.\nNachdem Henle 1 zuerst glatte Muskelfasern in den Gef\u00e4ssh\u00e4uten nachgewiesen hatte, statuirte er f\u00fcr deren Contraction besondere Ge-\n1 J. Henle, Pathol. Unters. 1840. S. 105 ; Allgemeine Anatomie 1841. S. 525. 690.","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Nomenclatur.\n401\nf\u00e4ssnerven, gest\u00fctzt au eine Beobachtung von Valentin b Gleichzeitig stellte Stilling1 2 die Theorie auf, dass es gef\u00e4ssbewegende Nerven gebe, welche er von den sensiblen und musculomotorischen als \u201evasomotorische44 unterschied, und anatomisch charakterisirte als die bis dahin \u201esympathische\u201c genannten Nerven (eine Bezeichnung, die er verwarfj, welche ihren Ursprung vom R\u00fcckenmark haben; physiologisch charakterisirte er sie als Nerven, welche \u201edie Bewegungen, den Tonus, die lebendige Zusammenziehung der Capillargef\u00e4sse und Gef\u00e4sse \u00fcberhaupt, arterieller wie ven\u00f6ser zu erhalten haben \u201c \u2014 er wies auch auf die Abh\u00e4ngigkeit der Temperatur eines Theiles von dem Blutstrome hin. Die Bezeichnung vasomotorische Nerven ist seitdem allgemein gebr\u00e4uchlich \u2014 der Versuch Ostrumoff\u2019s (und Heidenhain\u2019s)3, unter vasomotorischen Nerven nur gef\u00e4ssverengende zu verstehen und davon gef\u00e4sserweiternde zu unterscheiden, kann nur zu Verwirrung f\u00fchren und scheint keinen Anklang gefunden zu haben.\nDer Ausdruck \u201e pressorischeu oder \u201e depressorische\u201c Nerven ist gleichbedeutend mit \u201egef\u00e4ssverengende \u201c und \u201egef\u00e4sserweiternde\u201c Nerven \u2014 es sind also Nerven, deren Reizung eine Gefasserweiterung hervorbringt. Nachdem Ludwig & Cyon4 den Nervus depressor entdeckt hatten, wurde die Benennung \u201epressorische und depressorische Nerven\u201c von Dreschfeld (und von Bezold)5 eingef\u00fchrt.\nDie Untersuchung der Gef\u00e4ssinnervation hat sich zu erstrecken: 1. auf die Folgen, welche die Durchschneidung und die Reizung der zu einem Gef\u00e4sse oder einem Gef\u00e4ssbezirk gehenden Nerven hervorbringt; 2. auf die Ermittelung der Centralorgane, von welchen die Gef\u00e4ssnerven in unversehrtem Zustande innervirt werden; 3. auf die Einfl\u00fcsse, durch welche die Innervation der Gef\u00e4ssnerven von den Centralorganen aus ver\u00e4ndert wird, also namentlich auf die reflec-torische Erregung vasomotorischer Centra.\nDie erste Beobachtung \u00fcber die Erweiterung von Blutgef\u00e4ssen nach Nervendurchschneidung scheint Pourfour du Petit6 7 8 gemacht zu haben, indem er bei Hunden den Halssympathicus (und Vagus?) durchschnitt und R\u00f6thung der Conjunctiva und Schwellung der Gef\u00e4sse derselben ein-treten sah. \u2014 Der Einfluss der Gef\u00e4ssnerven auf den arteriellen Blutdruck ist erst von Ludwig & Thiry\" von dem Einfl\u00fcsse der Herzth\u00e4tig-keit auf den Blutdruck klar unterschieden worden \u2014 die Methode, das schnellere oder langsamere Ausfliessen von Blut aus Gef\u00e4ssen, deren Nerven durchschnitten waren, zu beobachten, scheint Bernard 8 zuerst\n1\tValentin, De functionibus nervorum cerebralium. p. 62. 1839.\n2\tStilling, Physiol, u. s. w. Unters, \u00fcber d. Spinalirritation. S. 163. 275. 1840.\n3\tOstroumoff, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 219. 1876.\n4\tCyon & Ludwig, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866. S. 307.\n5\tDreschfeld, Unters, a. d. W\u00fcrzburger physiol. Labor. 1867. S. 326.\n6\tPourfour du Petit, Mem. de l\u2019Acad. des sciences. 1727. p. 1.\n7\tLudwig & Thiry, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLIX. (2) S. 421. 1864.\n8\tCl. Bernard, Compt. rend. XLVI. p. 159.1858.; Journ. de physiol, de l\u2019homme et des animaux. I. p. 233. 649. 1858.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\n26","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nangewendet zu haben \u2014 von Bernard 1 ist wohl auch zuerst die Temperaturbestimmung zum Nachweise der Gef\u00e4sserweiterung benutzt worden, obgleich Dupuy1 2 schon viel fr\u00fcher Temperaturerh\u00f6hung nach Ausschneiden des Ganglion cervicale infimum beim Pferde (\u201e Stirn und Ohren wurden heiss\u201c) bemerkt hat, und auch von M. Schiff3 die Erh\u00f6hung der Temperatur von der neuroparalytischen L\u00e4hmung abgeleitet worden ist. \u2014 Gef\u00e4ssverengerung in Folge von Nervenreizung scheint zuerst Brown-S\u00e9quard4 5, kurze Zeit vor Bernard beobachtet zu haben.\nERSTES CAPITEL.\nDie Innervation der Arterien.\nI. Anatomische Data.\nNerven, welche zu den Arterien und Venen gehen, lassen sich durch Pr\u00e4paration mittelst des Skalpells nackweisen und stammen f\u00fcr die Arterien und die sie begleitenden Venen in der Regel von dem ihnen zun\u00e4chst liegenden Nervenstamm. Mit dem Mikroskop lassen sich nach erforderlicher F\u00e4rbung in den Wandungen der Blutgef\u00e4sse Nervenfasern nackweisen, welche theils in der Adventitia, theils in der Muscularis verlaufen und ein mehr oder weniger weitmaschiges Netz bilden. Ganglienzellen sind bis jetzt in den Gef\u00e4sswandungen nicht mit Sicherheit nachgewiesen, ausser in der unteren Hohlvene des Frosches und vielleicht in der Bauchvene des Frosches. Weder eine freie Nervenendigung noch Endplexus sind an den Arterien oder Venen nachweisbar. Die Capillaren werden beim Frosche von weitmaschigen Endnetzen umsponnen, deren F\u00e4serchen sich der Capillar-wand innig anlegen.\nDie an die Arterien und Venen tretenden Nerven\u00e4stclien sind fr\u00fcher von L\u00fccae 5 in neuester Zeit von H. Frey6 pr\u00e4parirt worden, vorzugs-\n1\tCl. Bernard, Compt. rend. XXXIY. p. 472. 1S52. Die Priorit\u00e4tsbestimmung ergiebt sich f\u00fcr Cl. Bernard gegen Brown-S\u00e9quard aus dem Aufsatze von Bernard in Annales des sciences nat. 4. s\u00e9r. I. p. 176. 1854 und der Schrift Brown-S\u00e9quard\u2019s, Le\u00e7ons sur les nerfs vasomoteurs, p. 2. 1872.\n2\tDupuy, Journ. de medic, de Leroux. 1816. p. 340. Uebersetzt in Meckel\u2019s Deutsch. Arch. f. d. Physiol. IV. S. 105. 1818.\n3\tM. Schiff, Unters, \u00fcb. d. Physiol, d. Nervensystems. S. 138. 1855.\n4\tBrown-S\u00e9quard, Philadelphia medical Examiner. 1852. p. 4S9 (citirt nach der unter Note 1 genannten Schrift). Bernard machte die erste Mittheilung in der Soci\u00e9t\u00e9 de Biologie October 1852 (s. die Schrift Bernard\u2019s unter 1).\n5\tLucae, Arch. f. d. Physiol. (Reil & Autenrieth) 1809. S. 485.\n6\tH. Frey, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874. S. 633.","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Durchschneidung und Reizung der Gef\u00e4ssnerven.\n403\nweise an den Gef\u00e4ssen des Armes. \u2014 Ueber das mikroskopische Verhalten der Gef\u00e4ssnerven weichen die Angaben der Beobachter sehr von einander ab : Ganglien sind namentlich von Beale 1 gesehen worden, von sp\u00e4teren Beobachtern gibt nur Lehmann1 2 3 4 Ganglien ausschliesslich in der Hohlvene des Frosches an \u2014 Nervenplexus in der Muscularis einer kleinen Arterie mit Kernen und Endkn\u00f6tchen hat Arnold 3 abgebildet und mehrere Plexus in der Arterienwand hat Henocque 4 beschrieben, n\u00e4mlich einen Grundplexus nach aussen von der Tunica externa, einen intermedi\u00e4ren Plexus in der Tunica externa, dessen Zweige von dem Grundplexus stammen, mit Kernen an den Theilungsstellen, Kn\u00f6tchen und gangli\u00f6sen Anschwellungen, einen intramuscul\u00e4ren Plexus, dessen sehr d\u00fcnne Fasern von dem intermedi\u00e4ren Plexus ausgehen und in den Muskeln endigen. Gonjaew5 dagegen, dem sich Gscheidlen6 7 anschliesst, fand in den Arterien nur ein in der Adventitia gelegenes und ein mit diesem zusammenh\u00e4ngendes in der Muscularis gelegenes Netz \u2014 Ganglien konnte Gscheidlen, ausser an Ganglienzellen erinnernden Bildungen in der Bauchvene des Frosches, nicht finden nach besonderer Nachforschung nach denselben im physiologischen Interesse. Die Endnetze der Capillaren hat Gonjaew beschrieben. \u2014 Zu \u00e4hnlichen Resultaten kommt Legros\".\nII. Durclisclmeidimg und Heizung der zu den Blutgef\u00e4ssen\ngellenden Nerven.\nDie Untersuchung des Einflusses der Nerven auf die Blutgef\u00e4sse l\u00e4sst sich nur in der Weise ausf\u00fchren, dass Nervenst\u00e4mme oder Nerven\u00e4ste durchschnitten oder gereizt werden, welche ausser vasomotorischen Nerven auch noch sensible oder musculomotorische oder beiderlei Fasern enthalten, so dass mit der Durchschneidung auch noch sensible und motorische L\u00e4hmungen in den von dem Nervenaste versorgten Theilen gesetzt werden. Die Durchschneidung eines Nerven wird nur dann Ver\u00e4nderungen in den Gef\u00e4ssen hervorbringen, wenn durch den unversehrten Nerven Erregungen von irgend einem Centralorgane aus zu den Gef\u00e4ssmuskeln geleitet wurden \u2014 wird nach der Durchschneidung eines Nerven keine Ver\u00e4nderung in dem zugeh\u00f6rigen Gef\u00e4ssgebiete gefunden, so kann erst die Reizung des peripherischen Nervenstumpfes Auskunft dar\u00fcber geben, ob in dem Nerven vasomotorische Fasern vorhanden sind; wird eine Ver-\n1\tBeale, Philos. Transact. 1864. p. 562.\n2\tLehmann, Ztsckr. f. wiss. Zool. XIY. S. 346. 1864.\n3\tArnold, Strieker\u2019s Gewebelehre. I. S. 142. 1871.\n4\tHenocque, Arch. cl. physiol, norm, et pathol. III. p. 401. 1870 ; Th\u00e8se inaugurale de Paris 1870.\n5\tGonjaew, Arch. f. microsc. Anat. XL S. 479. 1875.\n6\tGscheidlen, Ebenda. XIV. S. 327. 1877.\n7\tCh. Legros, Des nerfs vasomoteurs. Th\u00e8se de Concours, p. 21. Paris 1873.","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404 Aubert. Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\n\u00e4nderimg gefunden, so ist damit keineswegs die Voraussetzung gerechtfertigt, dass Reizung in dem entgegengesetzten Sinne, wie die Durchschneidung wirke. Fast hei allen Nerven treten aber nach der Durchschneidung Ver\u00e4nderungen und zwar Erweiterungen der Blutgef\u00e4sse unter gewissen \u00e4usseren Bedingungen, namentlich bei ziemlich niedriger Temperatur der Umgebung, ein und es lassen sich daher meistens die Gef\u00e4ssbezirke, welche von den in einem gegebenen Nerven enthaltenen vasomotorischen Fasern versorgt werden, ziemlich genau bestimmen und begrenzen. Wir behandeln im Folgenden die an den einzelnen Nerven gemachten Erfahrungen im Besonderen, da die Erfolge der Durchschneidung und Reizung qualitativ und quantitativ bei den einzelnen Nerven differiren.\n1. Durchschneidung des V. trigeminus\nhat eine Erweiterung der Blutgef\u00e4sse der Iris, Conjunctiva und Skle-rotica, ferner der Nasenschleimhaut und des Zahnfleisches zur Folge.\nNachdem Fod\u00eara1, Herbert Mayo2 und Magendie3 die Durchschneidung des Trigeminus ausgef\u00fchrt und darauf trophische A er\u00e4nderungen am Augapfel beobachtet hatten, scheint zuerst Valentin4 die Erweiterung der Blutgef\u00e4sse des Auges beachtet zu haben, welche er 16 Stunden nach der Operation auftreten sah. Derselbe5 6 7 8 sah bald nach der Operation die Blutgef\u00e4sse der Iris an albinotischen Kaninchen mit Blut tiberf\u00fcllt zum Vorschein kommen, von Graefe15 hat eine besonders genaue Schilderung von den Ver\u00e4nderungen der Blutgef\u00e4sserweiterung gegeben : er sah 12\u201418 Stunden nach der Operation einzelne Gef\u00e4sse des Con-junctivalnetzes sich entwickeln, dann eine Injection der subconjunctivalen radi\u00e4ren Gefassst\u00e4mmchen sich hinzugesellen und bis an die Hornhaut-grenze verl\u00e4ngern, wodurch ein rotlier Ring um die Cornea gebildet wird. Schiff', die Beobachtungen von Graefe\u2019s im Ganzen best\u00e4tigend, bemerkte eine Erweiterung einzelner Gef\u00e4sse in der oberen H\u00e4lfte der Conjunctiva schon nach \u2014 2 [j-i Stunden, die umfangreichere Gef\u00e4sserweiterung aber auch erst 12\u201416 Stunden nach der Operation. Er findet ferner, wie Valentin, eine st\u00e4rkere F\u00fcllung der Irisgef\u00e4sse schon wenige Minuten nach der Operation, namentlich an Albinokaninchen sehr auffallend und endlich eine st\u00e4rkere Erweiterung der Netzhautgef\u00e4sse, welche schon zwei Stunden nach der Operation deutlich wird, so wie eine st\u00e4rkere Pulsation der Netzhautgef\u00e4sse auf der operirten Seite bei Anwendung won Druck auf die Bulbi. Auch Snellen ^ beobachtete die Erweiterung\n1\tFod\u00e9ra, Journ. de physiol. III. p. 207. 1823.\n2\tHerbert Mayo, (Extrait de: Anatomical and physiological commentaries, London 1823), ibid. p. 348.\n3\tMagendie, Ibid. IV. p. 176. 1824.\n4\tValentin, De functionibus nervorum cerebralmm. p. 23. 144. 15 <. 1833.\n5\tDerselbe, Lehrb. d. Physiol. IL (2) S. 438. 1848.\n6\tA. von Graefe, Arch. f. Ophthalmologie. I. S. 306. 1854.\n7\tM. Schiff, Unters, z. Physiol, d. Nervensystems. 1S55. S. 31.\n8\tSnellen. \u00c2rch. f. d. holl\u00e4nd. Beitr. z. Natur- u. Heilk. I. S. 224. 1858.","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Gebiet des N. trigeminns.\n405\nder Irisgef\u00e4sse gleich nach der Operation. \u2014 Ob und in wie weit diese Ver\u00e4nderungen von der Durchschneidung des Trigeminus abh\u00e4ngig sind \u2014 ob sie gleich den weiteren Folgeerscheinungen nur von den durch die Unempfindlichkeit der betreffenden Kopfseite veranlassten Insulten abzuleiten sind, dar\u00fcber ist bis jetzt trotz der Versuche von B\u00fcttner1 2, Rollett- und Eckhard3 keine bestimmte Entscheidung geliefert worden. Ebenso ist die Frage noch controvers, ob die Gef\u00e4ssnerven vor oder in dem Ganglion Gasseri zum Trigeminus treten4. Nachdem schon Magendie trophische St\u00f6rungen in der Nasen- und Mundschleimhaut in Folge von Trigeminusdurchschneidung bemerkt hatte, beobachtete Schiff eine st\u00e4rkere Injection der Nasenschleimhaut, des Zahnfleisches und der zun\u00e4chst-gelegenen Theile der Mundh\u00f6hle bis zum Zungenb\u00e4ndchen hin bei Hunden, Kaninchen und Meerschweinchen. \u2014 Die weiteren trophischen Ver\u00e4nderungen stehen wohl mit der Gef\u00e4sserweiterung in keinem Zusammenh\u00e4nge.\nAuch die Gef\u00e4sse der Zunge stehen unter dein Einfl\u00fcsse von vasomotorischen Fasern, welche im Lingualaste des Trigeminus verlaufen, aber die Verh\u00e4ltnisse sind hier etwas complicirter.\nNach Beobachtungen von Schiff5 6 7 bringt Durchschneidung des Trigeminus allein keine directen Ver\u00e4nderungen der Zungengef\u00e4sse hervor, sondern nur eine combinirte Durchschneidung des Trigeminus und Hypo-glossus. Vulpian0 dagegen hat auch nach Durchschneidung des Lingualis allein st\u00e4rkere R\u00f6thung der Zunge mit heller rothem Blute in den kleinen Venen (in Folge des schnelleren Str\u00f6mens) beobachtet, welche allerdings durch die Durchschneidung des Hypoglossus verst\u00e4rkt wird. Von besonderem Interesse ist aber die weitere Beobachtung Vulpian\u2019s, dass Reizung des peripheren Lingualisstumpfes nicht, wie man erwarten sollte, eine Verengerung der Blutgef\u00e4sse, sondern eine noch st\u00e4rkere Erweiterung derselben zur Folge hat \u2014 w\u00e4hrend Reizung des Hypoglossus mit denselben Wechselstr\u00f6men eine Verengerung der Zungengef\u00e4sse hervorbringt. Es sind also im Ram. lingualis gef\u00e4sserweiternde Nervenfasern enthalten, w\u00e4hrend im Hypoglossus ge fass verengernde Fasern enthalten sind. Dem N. lingualis mischen sich nun, wie Vulpian gefunden und Pr\u00e9vost 7 best\u00e4tigt hat, Fasern der Chorda tympani bei und diese sind es, auf denen die gef\u00e4sserweiternde Wirkung des Lingualis beruht. Dass Fasern der Chorda tympani nicht nur zur Submaxillardr\u00fcse gehen, sondern auch ausserdem mit dem Lingualis weiter gehen, ergab sich aus den Resultaten der WALLER\u2019schen Degenerationsmethode nach Durchschneidung der Chorda in der Trommelh\u00f6hle. Vul-\n1\tB\u00fcttner, Ztschr. f. rat. Med. (3) XV. S. 254. 1862.\n2\tRollett, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LI. (2) S. 513. 1865.\n3\tC. Eckhard, Experimentalphysiol. d. Nervensystems. S. 184. 1866; Beitr. z. Anat. u. Physiol. VII. S. 145. 1873.\n4\tCl. Bernard, Le\u00e7ons sur le syst\u00e8me nerveux. IL p. 60. 1858.\n5\tM. Schiff, Arch. f. physiol. Heilk. 1853. S. 377.\n6\tVulpian, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. I. p. 102. 154. 184. 1875; Compt. rend. LXXVI. p. 622. 1873.\n7\tVulpian, Arch, de physiol, norm, et pathol. 1869. p. 209. \u2014 Pr\u00e9vost, Compt. rend. 1872. p. 1828.","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\npian fand aber auch, dass nach erfolgter Degeneration der Chordafasern Reizung des Lingualis keine Gef\u00e4sserweiterung bewirkte, und ausserdem gl\u00fcckte es ihm auch einige Male, gleich bei ihrem Austritt aus dem Sch\u00e4del die Chorda zu reizen, also vor ihrer Anastomose mit dem Trigeminus, und Erweiterung der Zungengef\u00e4sse zu beobachten. \u2014 Aus Vulpian\u2019s Versuchen folgt aber weiter, dass im Lingualis sowohl gef\u00e4ssverengende Fasern, als auch ge f\u00e4sserweiternde Fasern vorhanden sind. Nach der Beobachtung von L\u00eapine1 sind beim Frosche die gef\u00e4ss-erweiternden Fasern f\u00fcr die Zunge im N. hypoglossus enthalten, mit dessen Tetanisirung st\u00e4rkere R\u00f6thung der entsprechenden Zungenh\u00e4lfte eintrat. Wir fanden ein solches Verhalten auch noch bei anderen Nerven und kommen sp\u00e4ter (S. 413) auf die Erkl\u00e4rungsversuche dieser Beobachtungen.\nDie vasomotorischen Nerven der Submaxillardr\u00fcse stehen vielleicht nur ganz \u00e4usserlich in Beziehung zu dem Lingualaste des Trigeminus, da die zu ihr verlaufenden Gef\u00e4ssnerven wesentlich von der Chorda tympani und aus dem Ganglion cervicale supremum stammen. \u2014 Durchschneidung des die Chordafasern enthaltenden Lingual\u00e4stchens bringt ein Erblassen der Dr\u00fcse und Verminderung des Blutdruckes in der Dr\u00fcsenvene hervor \u2014 Reizung des Tympanico-lingualis dagegen bewirkt ein Hellrothwerden der Dr\u00fcse, einen st\u00e4rkeren Blutausfluss aus der Dr\u00fcsenvene, welcher zu einem f\u00f6rmlichen rhythmischen Spritzen sich steigern kann, verbunden mit einem Hellrothwerden des aus der Vene ausfliessenden, ohne Reizung ganz dunkeln Blutes. Der von dem Lingualis zur Submaxillardr\u00fcse gehende Nervenast, der Tympanico-lingualis enth\u00e4lt also gef\u00e4sser-w eitern de Fasern. Er geht bevor er in die Dr\u00fcse eintritt und in der Dr\u00fcse selbst wahrscheinlich Verbindungen mit Ganglien ein.\nDie gef\u00e4sserweiternde Wirkung des Submaxillardr\u00fcsenastes vom Lingualisnerven ist von Bernard'2 entdeckt worden: er beobachtete zuerst ein Hellerwerden des aus der Submaxillardr\u00fcsenvene ausfliessenden Blutes, wenn durch Reizung der Mundschleimhaut die Secretion der Dr\u00fcse angeregt wurde, und noch st\u00e4rker wurde das Ausfliessen hellrothen Blutes, wenn nach Freilegung der Dr\u00fcse der Lingualast, welcher zur Dr\u00fcse geht, galvanisch gereizt wurde, so dass es aus der Vene ausfloss mit einem jet saccad\u00e9 comme s\u2019il s\u2019agissait d\u2019une veritable art\u00e8re. Er schloss daraus, dass der Nerv eine Erweiterung der Dr\u00fcsengef\u00e4sse bewirke, in Folge deren das Blut in die Vene gelange ohne an seinem von der Herzreaction herr\u00fchrenden Impulse zu verlieren \u2014 er bezeiclmete ihn als nerf dilatateur, im Gegens\u00e4tze zu dem Sympathicusaste der Dr\u00fcse, welcher gef\u00e4ssverengend als nerf constricteur wirke. Bernard fand auch, dass\n1\tL\u00e9pine, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1870. S. 322.\n2\tCl. Bernard. Compt. rend. 1858. p. 159; II. p. 393. 1858. Abgedruckt im Journ. de physiol. I. p. 233. 649. Der zweite Aufsatz ist \u00fcbersetzt im Arch. f. Anat. u. Physiol. 1859. S. 90.","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Gebiet des N. trigeminus.\n407\nnach Durchschneidung des Tympanico - lingualis das Venenblut dunkel bleibt. Dass es die Chorda tympani ist, welche die zur Submaxillardr\u00fcse gehenden Nervenfasern liefert, bewies Bernard1 dadurch, dass nach Durchschneidung der Chorda in der Paukenh\u00f6hle auf Reizung der Mundschleimhaut keine vermehrte Speiclielsecretion der Submaxillardr\u00fcse erfolgte \u2014 Reizung der zum Trigeminus gehenden Fasern der Chorda aber die Secretion hervorrief. Reizung der Chorda in der Paukenh\u00f6hle zum Beweise, dass die gef\u00e4sserweiternden Fasern der Dr\u00fcse gleichfalls von ihr stammen, scheint indess bisher nicht ausgef\u00fchrt worden zu sein.\nOb die gef\u00e4sserweiternden Fasern des Lingualastes f\u00fcr die Dr\u00fcse in einer Beziehung zu dem Ganglion submaxillare oder mit in der Dr\u00fcse enthaltenen Ganglien stehen, ist unbekannt und wenn Bernard nebst anderen Forschern zu dieser Ansicht geneigt ist, so ist damit irgend ein Beweis f\u00fcr die Annahme, dass die gef\u00e4sserweiternde Wirkung des Nerven durch sein Uebergehen in Ganglien oder durch die Anwesenheit der Ganglien bedingt werde, nicht geliefert; und da an andern Orten Gef\u00e4sserweiterungen Vorkommen durch Ner-venreizung, wo bis jetzt Ganglien nicht haben gefunden werden k\u00f6nnen, so ist es eben so gut m\u00f6glich, dass auch in der Submaxillardr\u00fcse die Ganglien in Beziehung zu den Secretionsnerven, aber in keiner Beziehung zu den Gef\u00e4ssnerven stehen; nur \u00fcber die Beziehung der Ganglien zur Secretion hat Bernard2 n\u00e4here Angaben gemacht.\nDie Beobachtungen Bernard\u2019s wurden von anderen Beobachtern allgemein best\u00e4tigt, Bidder3 und Hildebrand4 5 bestimmten die Blutmengen, welche in der Zeiteinheit aus der Dr\u00fcsenvene ohne Reizung und w\u00e4hrend der Reizung des Lingualis ausflossen, indem sie mittelst einer in die Dr\u00fcsenvene eingebundenen Can\u00fcle das Blut auffingen, und fanden bei Reizung etwa die 3 bis 4 fache Menge von dem bei Ruhe ausfliessenden Blute. Sie massen ferner den Blutdruck in der Vene und sahen ihn von dem Stande in der Ruhe auf 15 bis 20 Mm. w\u00e4hrend der Reizung des Nerven auf eine H\u00f6he von 30 bis 37 Mm. steigen und bald nach dem Ende der Reizung wieder auf den fr\u00fcheren Stand sinken. \u2014 Die Farbenver\u00e4nderung ist nur von Gluge & Thiernesse3 in Abrede gestellt worden, welche \u00fcbrigens nicht die Nerven direct reizten, sondern nur auf reflectoriscliem Wege durch Einbringen von anges\u00e4uertem Wasser oder Salzl\u00f6sung in die Mundh\u00f6hle eine Erregung der Dr\u00fcse und ihrer Gef\u00e4sse hervorbrachten \u2014 eine allerdings unsichere Methode der Reizung\n1\tCl. Bernard, Le\u00e7ons sur 1. physiol, et 1. pathol. du syst\u00e8me nerveux. II. p. 148.\n1858.\n2\tDerselbe, Compt. rend. II. p. 347. 1862.\n3\tBidder, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1866. S. 321.\n4\tHidebrand, Versuche \u00fcber die Innervation der Glandula submaxillaris. Diss. Dorpat 1865.\n5\tGluge & Thiernesse, Bull, de l\u2019Acad. Belgique. Juin 1858. (ISach Bernard citirt.)","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\n\u2014 alle anderen Beobachter haben die R\u00f6thung des w\u00e4hrend der Nerven-reizung ausfliessenden Blutes best\u00e4tigt. Dass diese R\u00f6thung des Blutes nicht von einer besonderen chemischen Ver\u00e4nderung, sondern nur von einer wegen des schnellen Hindurchfliessens unvollkommenen Desoxydation herr\u00fchrt, geht theils aus Bestimmungen des Sauerstoffgehalts der ab-fliessenden Blutarten von Bernard1, theils aus Versuchen von Heidenhain2 hervor, in denen die k\u00fcnstliche Respiration der curaresirten Tliiere so vermindert wurde, dass das arterielle Biut auch dunkel wurde: dann erschien auch das aus der Submaxillardr\u00fcsenvene bei Chordareizung ausstr\u00f6mende Blut dunkel. \u2014 Bernard3 fand ferner die Temperatur des w\u00e4hrend der Reizung aus der Vene ausfliessenden Blutes erh\u00f6ht, wenn er ein kleines Thermometer in die Jugularvene einf\u00fchrte und seine Kugel an diejenige Stelle brachte, wo die Dr\u00fcsenvene in die Jugularvene einm\u00fcndet.\nDa bei den Reizungen des Tympanico-lingualis die st\u00e4rkere Durchblutung mit der st\u00e4rkeren Speichelabsonderung der Dr\u00fcse coincidirt, so entstand die F rage, ob Gef\u00e4sser weite rung und Secretion in einem direct en oder nahen Zusammenh\u00e4nge st\u00fcnden. Gia-nuzzi und Ludwig4 fanden, dass nach Injection einer L\u00f6sung von Salzs\u00e4ure oder kohlensaurem Natron in den Ausf\u00fchrungsgang der Submaxil-lardr\u00fcse Reizung des Nerven Beschleunigung des Blutstromes in demselben Maasse wie vor der Injection hervorruft, die Secretion aber nicht mehr vor sich geht. Nachdem Keuchel5 beobachtet hatte, dass nach Vergiftung des Hundes mit Atropin die Reizung des Lingualastes keine Secretion von Speichel mehr bewirkt, best\u00e4tigte Heidenhain6 diese That-sache und stellte ausserdem fest, dass die Blutdurchstr\u00d6mung in der Dr\u00fcse dieselbe ist, wie ohne Atropinisirung des Thieres, die gefasserweiternden Fasern des Lingualis also nicht durch Atropin gel\u00e4hmt werden, dass also der Nerv Fasern f\u00fchrt, welche die Secretion beherrschen, und andere Fasern, welche die Blutgef\u00e4sse innerviren, also Secretionsfasern und vasomotorische Fasern. Vulpian7 hat die Versuche Heidenhain\u2019s durchaus best\u00e4tigt. Diese Unterscheidung der Nerven bekr\u00e4ftigte Heidenhain durch die Anwendung eines Giftes, welches f\u00fcr die Herznerven ein Antagonist des Atropin ist, n\u00e4mlich des Calabarextractes oder des Physostigmin: dieses l\u00e4hmt die vasomotorischen Fasern des Tympanico-lingualis, nicht aber die Secretionsfasern. Die Durchblutung der Dr\u00fcse wird vermindert durch Vergiftung des Thieres mit Physostigmin und Reizung des Nerven vermag den Blutstrom bei gr\u00f6sseren Calabar-dosen gar nicht zu beschleunigen. Die durch Atropin erzeugte L\u00e4hmung der Secretionsnerven kann durch Physostigmin wieder aufgehoben werden.\nDie Submaxillardr\u00fcse erh\u00e4lt ausserdem vasomotorische Fa-\n1\tCl. Bernard, Le\u00e7ons sur les Liquides de l\u2019Organisme. 1859. Lp. 306. IL p.435.\n2\tR. Heidenhain, Studien d. physiol. Inst, zu Breslau. IV. S. 199. 1868. Anm.\n3\tCl. Bernard, Le\u00e7ons sur la chaleur animale. Uebersetzung: Cl. Bernard\u2019s Vorlesungen \u00fcber die thierische W\u00e4rme. S. 166. 1876.\n4\tGianuzzi, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1865. S. 68.\n5\tKeuchel, Das Atropin und die Hemmungsnerven. S. 32. Diss. Dorpat 1868.\n6\tHeidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 309. 1872 ; IX. S. 335. 1874.\n7\tVulpian, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. I. p. 174. 1875.","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"Gebiet des N. trigeminus.\n409\nsera, welche als sympathische Fasern bezeichnet zu werden pflegen, und von dem Ganglion cervic. suprem. stammend, mit der Arterie zu der Submaxillardriise gehen. Diese sympathischen Fasern sind gef\u00e4sserregende, da die Durchschneidung des Halssympathicus unterhalb des Ganglion cervic. suprem. ein st\u00e4rkeres Ausfliessen hellen rothen Blutes aus der Dr\u00fcsenvene zur Folge hat, die Reizung des Sympathicus dagegen eine Verminderung des Blutausflusses bis zum v\u00f6lligen Stocken desselben, verbunden mit einer noch st\u00e4rkeren Verdunkelung des Blutes. Die sympathischen vasomotorischen Fasern der Submaxillardriise sind also Antagonisten der im Lingualis verlaufenden vasomotorischen Fasern.\nAuch diese Thatsache ist von Bernard zugleich mit der Wirkung des Lingualis entdeckt und allgemein best\u00e4tigt worden. Die Sympatlii-cusfasern -werden durch Physostigmin nicht, oder nur bei sehr grossen Dosen gel\u00e4hmt, da, wie Heidenhain fand, nach m\u00e4ssigen Dosen die Durchschneidung des Halssympathicus den Blutstrom lebhafter werden l\u00e4sst, nach grossen Dosen aber der Blutstrom ganz stockt und auch nach Trennung des Sympathicus nicht wieder eintritt. \u2014 Durch die Untersuchungen von von Frey1 ist der Antagonismus der Chordafasern und der Sympathicusfasern in Bezug auf die Blutgef\u00e4sse genauer bestimmt worden, von Frey kommt zu dem Resultate, dass der N. sympathicus die von der Chorda bedingte Erweiterung der Gef\u00e4sse bew\u00e4ltigt, die Ausbildung und den zeitlichen Ablauf des erweiterten Zustandes vermag er dagegen nicht zu beeintr\u00e4chtigen.\nIn welcher Weise wir uns die antagonistische Wirkung der beiden Faserarten auf die Musculatur der Gef\u00e4sse vorzustellen haben, ist nicht klar: entweder treten beide Faserarten direct zu den Muskeln und wirken, die einen zur Contraction, die anderen zur Erschlaffung erregend (eine Wirkung, die sonst nicht bekannt ist) \u2014 oder die sympathischen Fasern sind die alleinigen Erreger der Contraction, und die Chordafasern wirken hemmend auf den Einfluss der Sympathicusfasern, wie Bernard2 das Verh\u00e4ltniss auffasst \u2014 oder endlich, es treten die Chordafasern mit den sympathischen Fasern in den Ganglien zusammen, tauschen hier ihre Erregungen gegeneinander aus und es treten dann von den Ganglien die aus dem Austausche resultirenden Erregungen zu den Muskeln und bestimmen den Contractionsgrad derselben \u2014 so etwa ist die Vorstellung, welche Bidder sich macht. \u2014 Wie dieser Mechanismus auch sein m\u00f6ge, wir werden uns immer zu denken haben, dass bei unversehrten Nerven von irgend welchen Centralorganen aus Erregungen zu den gef\u00e4sserwei-ternden und zu den gef\u00e4ssverengenden Nerven gelangen, welche je nach dem st\u00e4rkeren Impulse des einen oder anderen Centralorganes den Contractionsgrad der Gef\u00e4ssmuskeln und damit die Menge des Blutes bestimmen, welches die Submaxillardriise durchstr\u00f6mt.\nDie Gef\u00e4ssinnervation der Parotis verh\u00e4lt sich ebenso, wie die\n1\tM. von Frey, Arbeiten d. physiol. Anstalt zu Leipzig. NI. S. 89. 1876.\n2\tCl. Bernard, Journ. de l\u2019anat. et d. 1. physiol. I. p. 507. 1865.","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nder Submaxillardr\u00fcse, indem der Sympathieus f\u00fcr sie der gef\u00e4ssver-engernde, der Ramus tympanicus glosso-pbaryngei der gef\u00e4sserwei-ternde Nerv ist.\nDie anatomischen Verh\u00e4ltnisse der Parotisnerven sind besonders genau von Loeb1 (und Eckhard), die physiologischen von Heidenhain2 3 untersucht worden.\n2. Vas Gebiet des Halssympathicus.\nDie Dur eh schnei dung des Halssympathicus hat bei Kaninchen und Hunden eine dauernde Erweiterung der Gef\u00e4sse des Ohres zur Folge, und ein Aufh\u00f6ren der abwechselnden st\u00e4rkeren und schw\u00e4cheren Blutf\u00fcllung der Ohrgef\u00e4sse, welche bei Kaninchen oft in einem bestimmten Rhythmus erfolgt. Mit der Erweiterung der Gef\u00e4sse ist eine bedeutende Steigerung der Temperatur des Ohres und der ganzen Kopf h\u00e4lfte verbunden. H\u00e4ufig tritt eine Erweiterung der Blutgef\u00e4sse auf der Gehirnh\u00e4lfte der entsprechenden Seite ein, dagegen keine Ver\u00e4nderung in den Gef\u00e4ssen des Auges. Die gleichen Erscheinungen beobachtet man nach Exstirpation des Ganglion cervicale supremum.\nReizung des nach dem Kopfe verlaufenden Stumpfes des Hals-sympathicus hat eine Verengerung der Gef\u00e4sse in den genannten Theilen zur Folge, welchen eine st\u00e4rkere Erweiterung folgt, als die Durchschneidung bewirkte.\nDie Erweiterung der Blutgef\u00e4sse des Ohres nach Durchschneidung des Halssympathicus, so wie die Erh\u00f6hung der Temperatur nach Durchschneidung dieses Nerven ist erst von Cl. Bernard 18513 beobachtet und deutlich beschrieben worden, nachdem allerdings schon Dupuy 1816 bemerkt hatte, dass Kopf und Gesicht nach Durchschneidung des Sympathies heiss wurden. Die rhythmische Erweiterung und Verengerung der Ohrgef\u00e4sse beim Kaninchen hat Schiff4 entdeckt (s. unter VI). St\u00e4rkere F\u00fcllung der Gehirngef\u00e4sse nach Durchschneidung des Vagosympa-thicus beim Hunde hat Br\u00e4chet5 zuerst beobachtet, \u2014 Verengerung der Blutgef\u00e4sse des Ohrs nach Reizung des Kopfendes des durchschnittenen Halssympathicus hat zuerst Brown-S\u00e9quard6 und wenig sp\u00e4ter, unabh\u00e4ngig von ihm, Waller7 beobachtet.\n1\tS. Loeb, Eckhard\u2019s Beitr. z. Anat. u. Physiol. V. S. 1. 1S69.\n2\tR. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. IS.1878.\n3\tCl. Bernard, Compt. rend. d. 1. soc. d. biologie. 1851. p. 163; Gaz. m\u00e9d. de Paris 1852. p. 74; Compt. rend. XXXIV. p. 472. 1852.\n4\tM. Schiff, Arch. f. physiol. Heilk. XIII. S. 523. 1854..\n5\tBr\u00e4chet, Recherches experimentales sur les fonctions du syst\u00e8me nerveux\nganglionnaire 1837. p. 431.\t.\n6\tBrown-S\u00e9quard, Philadelphia med. Examiner. 1852. p.489; abgedruckt m Experim. Research, applied to physiol, p. 9. New-Vork 1853.\n7\tWaller, Compt. rend. XXX^ I. p. 378. 1853.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"Gebiet des Halssympathicus.\n411\nDie weiteren Untersuchungen \u00fcber den Eintritt der Gef\u00e4sserweite-rung nach Durchschneidung des Halssympathicus von Bernard1, Schiff'2, Brown-S\u00e9quard3, van der Becke Callenfels4, Vulpian5, Voit6 7, Roever', Moreau8 haben ergeben, dass in den ersten Stunden nach der Durcli-schneidung bei den meisten Kaninchen eine starke Erweiterung der Ohr-gef\u00e4sse eintritt und die Temperatur des Ohres sowohl im \u00e4usseren Geh\u00f6rgange als an der Ohrmuschel sehr bedeutend erh\u00f6ht ist und gegen die Temperatur des Ohrs der nichtoperirten Seite bis 14\u00b0 C. differirt. Diese Gr\u00f6sse der Temperaturdifferenz ist wesentlich bedingt durch die Temperatur der umgebenden Luft: je hoher die Temperatur ist, um so geringer ist die Temperaturdifferenz, je niedriger die Temperatur der Umgebung, um so gr\u00f6sser die Temperaturdifferenz ; so fand Waller bei 0\u00b0 der Umgebung 14\u00b0 Differenz, bei gew\u00f6hnlicher Stubentemperatur (von 16\u00b0 C.) betr\u00e4gt die Differenz meist 4\u00b0\u20146\u00b0. Die Temperaturdifferenz nimmt aber im Verlaufe der n\u00e4chsten Tage sehr bedeutend ab 5 Schiff fand am Tage nach der Operation 4,5\u00b0 Differenz, am zweiten Tage 1,7 5\u00b0, am dritten Tage 1\u00b0, van der Becke Callenfels hat dasselbe auch bei Hunden mit durchschnittenem Vagosympathicus beobachtet. Die Temperaturdifferenz scheint aber bei manchen Thieren dauernd sich zu erhalten, w\u00e4hrend sie bei anderen Individuen wieder ganz oder fast ganz verschwindet: Schiff beobachtete noch nach 14;2 Jahren, Callenfels noch nach 126 und 155 Tagen. Voit, Roever, Vulpian fanden, dass der rhythmische Wechsel in der F\u00fcllung der Arterien nach Verlauf mehrerer Tage wieder beginnt. \u2014 Nach Durchschneidung des Sympathies am Halse sind die Erscheinungen qualitativ und gr\u00f6sstentheils auch quantitativ dieselben, wie nach Exstirpation des obersten Halsganglion \u2014 dies ergaben gegen Bernard die Beobachtungen von van der Becke Callenfels, Lussana und Ambrosoli9, Snellen10.\nDie Frage, ob die Temperaturdifferenz bedingt sei nur durch die verschiedene Weite der Blutgef\u00e4sse und die damit verbundene st\u00e4rkere Blutdurchstr\u00f6mung war von Bernard unentschieden gelassen und mehr in dem Sinne besprochen worden, dass die Temperatur nicht allein von der Gef\u00e4sserWeiterung abh\u00e4ngig sei, sondern dass auch hohe Temperatur bei geringer Gef\u00e4sserweiterung und umgekehrt zur Beobachtung komme. Brown-S\u00eaquard dagegen war von Anfang an der Meinung, dass die Temperaturerh\u00f6hung Hand in Hand gehe mit der Gef\u00e4sserweiterung, und\n1\tBernard, Ann. d. scienc. nat. 4. s\u00e9r. I. p. 176. 1854.\n2\tSchiff, Unters, z. Physiol, d. Nervensystems. S. 140 u. fg. 1855.\n3\tBrown-S\u00e9quard , Gaz. med. de Paris. 1854. p. 30 ; Le\u00e7ons sur les nerfs vasomoteurs. p. 3 u. fg. Paris 1872.\n4\tvander Becke Callenfels, Ztschr. f. rat. Med. N. F. VII. S. 157. 1855.\n5\tVulpian, Gaz. med. de Paris. 1857. p. 7.\n6\tVoit, Ber. d. Deutsch. Naturf. S. 221. Carlsruhe 1S5S.\n7\tRoever, Untersuchung des Nerveneinflusses auf die Blutgef\u00e4sse. S. 16 u. fg.\n1869.\n8\tMoreau, M\u00e9m. d. Physiol. 1877. p. 160.\n9\tLussana & Ambrosoli, Gaz. med. Italiana. 1857. No. 25\u201433. Auszug in Schmidt\u2019s Jahrb\u00fcchern. XCVI. S. 289.\n10 Snellen, De invloed der zenuwen op de ontsteking proefondervindelijk ge-toest. Diss. Utrecht 1857. (Auszug in Meissner\u2019s Jahresber. 1857. S. 370.)","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\ndiese Annahme ist durch die Untersuchungen von Schiff, van der Becke Callenfels, Kussmaul und Tenner1, Voit u. A. best\u00e4tigt und befestigt worden. Trotzdem hat Bernard2 die Ansicht festgehalten, dass unabh\u00e4ngig von dem ver\u00e4nderten Blutlaufe die Durchschneidung des Sympa-thicus \u201ebeitrage zur Steigerung der Yerbrennungsprocesse oder der \u00f6rtlichen chemischen Umsetzungen\u201c. Bernard\u2019s Gr\u00fcnde sind indess nicht triftig genug, um zu der Annahme von besonderen thermischen oder W\u00e4rme bildenden Nerven zu n\u00f6thigen, wie Bernstein3 nachweist.\nW\u00e4hrend f\u00fcr den Hund und die Katze der Sympathicus der einzige Gef\u00e4ssnerv des Ohres zu sein scheint, wird beim Kaninchen und Meerschweinchen das Gef\u00e4sssystem des Ohres ausser vom Sympathicus auch noch von dem Nervus auricular is cervical is versorgt, wie Schiff entdeckte und Lov\u00e9n4 und Moreau sp\u00e4ter best\u00e4tigten. Schiff fand, dass beide Nerven in gleichem Sinne auf die Ohrgef\u00e4sse wirken, dass nach der Durchschneidung des Auricularis dieselben Erscheinungen der Gef\u00e4ss-erweiterung auftreten, welche sich in den meisten F\u00e4llen nach Durchschneidung des Halssympathicus zeigen, und dass, wenn man bald nach der Durchschneidung des Auricularis den Halssympathicus durchschneidet, diese zweite Operation keine Vermehrung der W\u00e4rme und der Gef\u00e4ss-injection bewirkt. Aus dem Vorhandensein zweier, einander erg\u00e4nzender Gef\u00e4ssnerven d\u00fcrften sich wohl auch die erheblichen Differenzen, welche man bei verschiedenen Individuen nach Durchschneidung der Sym-pathici in der Intensit\u00e4t der Gef\u00e4sserweiterung beobachtet (seit Brown-S\u00e9quard), zum Theil erkl\u00e4ren. \u2014 Reizungen des N. auricularis aber ergaben Schiff, sowie Lov\u00e9n, welcher Schiff\u2019s Versuche best\u00e4tigte, und eine genaue Anatomie des Auricularis beim Kaninchen gegeben hat, dass durch die Reizung des Sympathicus andere St\u00fccke der Gef\u00e4sse zur Verengerung gebracht werden, als bei Reizung des Auricularis, n\u00e4mlich bei letzterem die Gef\u00e4sse der Ohrspitze, bei ersterem der an der Basis des Ohres befindliche Theil der mittleren Ohrarterie. Besonders deutlich ist nach Moreau die Erscheinung, die er abbildet, dann, wenn man nach Durchschneidung beider Nerven das peripherische Ende des einen reizt.\nUntersuchungen von Dastre und Morat5 an Pferden und Eseln ergaben, dass nach der Reizung des vom Vagus isolirten Halssympathicus eine Erweiterung der Arterien auf die Verengerung folgt, welche st\u00e4rker ist, als die Erweiterung nach der Durchschneidung, schliessen aber daraus nicht, dass im Sympathicus ausser den gef\u00e4ssverengernden auch noch gef\u00e4sserweiternde Fasern enthalten seien, deren Erregung die \u201esurdilatation\u201c bewirke, sondern dass er nur Gef\u00e4ssverengerer enthalte.\nWir w\u00fcrden nun die sympathischen und Auricularnerven der Ohrgef\u00e4sse einfach als gef\u00e4sserregende Nerven ansehen k\u00f6nnen, wenn an denselben nicht eine Erscheinung von Schiff6 beobachtet worden\n1\tKussmaul & Tenner, Molesch. Unters. I. S. 90. 1S57.\n2\tCl. Bernard\u2019s Vorles. \u00fcber d. thieris che W\u00e4rme (Ueb er Setzung). S.269. 1S76.\n3\tBernstein, Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 592.. 1877.\n4\tLov\u00e9n (und Ludwig), Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. V iss. 1866. S. 93.\n5\tDastre & Morat, Compt, rend. LXXXVII. p. 797. 1878.\n6\tM. Schiff, Berner Schriften 1856. S. 69. \u2014 Wieder abgedruckt in Schiff, Untersuchungen \u00fcber die Zuckerbildung in der Leber. S. 153. 1859.","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"Gebiet des Halssympathicus.\n413\nw\u00e4re, welche mit dieser einfachen Vorstellung unvereinbar ist: es kann n\u00e4mlich bei Hunden, Kaninchen oder Katzen, an denen der Halssympathicus der einen Seite durchschnitten und die Gef\u00e4sser-Weiterung und Temperaturzunahme eingetreten ist, durch lebhafte Bewegung, oder durch Erhitzung, oder durch psychische Einfl\u00fcsse (bei Hunden) das Verh\u00e4ltniss der Temperatur der beiden Ohren sich umkehren, indem das Ohr der unverletzten Seite um 1\u20145\u00b0 w\u00e4rmer gefunden wird, als das Ohr der verletzten Seite und der Temperatur entsprechend auch die Arterien und Venen st\u00e4rker ausgedehnt erscheinen. Woher kommt es, fragt Schiff, dass sich hier gerade die Gef\u00e4sse, deren Nerven gel\u00e4hmt sind, weniger erweitern? Schiff macht zur Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung, f\u00fcr die wir an andern K\u00f6r-pertheilen Analogieen finden (s. unten), die Annahme, dass eine sogenannte active Gef\u00e4sserw eite rung durch Nerven Wirkung, wie bei der Submaxillardr\u00fcse, auch hier stattf\u00e4nde, dass also ausser den gef\u00e4ssverengernden Nerven auch gef\u00e4sserweiternde zu den Ohrge-f\u00e4ssen gehen, welche im durchschnittenen Sympathicus gel\u00e4hmt sind, in dem unverletzten aber zur Wirkung kommen k\u00f6nnen.\nEs sind bez\u00fcglich der activen Ge fass er weite rung zweierlei Probleme zu unterscheiden: 1. die Frage, ob es Nerven giebt, deren Erregung eine Erschlaffung der Gef\u00e4ssmuskeln zur Folge hat; 2. die Frage, ob die Erweiterung der Gef\u00e4sse aus einer Erschlaffung ihrer Muskeln und dadurch erm\u00f6glichten st\u00e4rkeren Ausdehnung ihrer Muskeln erkl\u00e4rt werden kann, oder ob ein direct erweiternder Mechanismus angenommen werden muss?\nDie zweite dieser beiden Fragen ist von verschiedenen Forschern dahin beantwortet worden, dass ein activ erweiternder Mechanismus anzunehmen sei : Bernard 1 und Schiff 2 lassen diesen Mechanismus in suspenso. Die Erkl\u00e4rung, welche Vulpian1 2 3 erw\u00e4hnt, dass eine Zusammenziehung der Venen die Erweiterung der Arterien bewirke, ist theils im Widerspruch mit den Thatsachen, theils trifft sie den eigentlichen F ragepunkt nicht. Die Erkl\u00e4rung von Legros 4, ausgehend von einer autonomen peristaltischen Bewegung der Arterien, ist ganz unverst\u00e4ndlich; \u2014 Schiff und Brown-Sequard3 5 neigen der Ansicht zu, dass die Erweiterung der Arterien nicht durch eine Th\u00e4tigkeit der Gef\u00e4sswandung, sondern durch Vermittelung der intervascul\u00e4ren Gewebe stattf\u00e4nde. Diese Ansicht hat Severini6 n\u00e4her ausgef\u00fchrt, indem er eine st\u00e4rkere Kohlen-s\u00e4ureproduction in den Geweben, wenn sie in Th\u00e4tigkeit sind, als das\n1\tCl. Bernard, Le\u00e7ons sur les liquides de l\u2019Organisme. I. p. 230. 1859.\n2\tM. Schiff, Le\u00e7ons sur la physiologie de la digestion. I. p. 256. 1868.\n3\tVulpian, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. 1875. p. 168.\n4\tCh. Legros, Des nerfs vasomoteurs. Th\u00e8se de concours, p. 77. Paris 1873.\n5\tBrown-S\u00e9quard, Le\u00e7ons sur les nerfs vasomoteurs, p. 25. 65. Paris 1872.\n6\tSeverini. Ricerche sulla innervatione dei vasi sanguigni. p. 77\u2014140. Perugia","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nPrim\u00e4re ansieht \u2014 die Kohlens\u00e4ure wirkt aber nach seinen Untersuchungen an Capillaren erweiternd auf diese, wodurch dann eine R\u00fcckwirkung auf die Arterien stattfinden und diese sich gleichfalls erweitern sollen. Abgesehen von anderen Bedenken gegen Severini\u2019s Deductionen w\u00fcrde gerade die Mechanik der Erweiterung der Arterien, um die es sich zun\u00e4chst handelt, unerkl\u00e4rt bleiben. \u2014 Die von Exner1 gestellte Frage, ob die Gef\u00e4sserweiterung durch eine Contraction longitudinaler Muskeln erkl\u00e4rt werden k\u00f6nne, wird von ihm selbst in Ber\u00fccksichtigung der that-s\u00e4chlichen Erscheinungen wesentlich verneint.\nDie erste der beiden Fragen ist von Goltz'2, dem sich viele andere Forscher angeschlossen haben, dahin beantwortet worden, dass die Nerven durch die Vermittelung von Ganglien und Nervenzellen auf die Muskeln der Gef\u00e4sse erschlaffend wirkten, worauf wir unten zur\u00fcckkommen werden.\nBez\u00fcglich der ScHiFF\u2019schen Beobachtung w\u00fcrden wir also entweder die Annahme machen m\u00fcssen, dass in dem Sympathicus und Auricularis gef\u00e4sserweiternde Fasern enthalten sind, aber in geringerer Menge, als gef\u00e4ssverengernde, was mit den Beobachtungen von Dastre und Morat v\u00f6llig in Uebereinstimmung ist \u2014 oder wir w\u00fcrden im Anschluss an eine von Bernard ausgesprochene Hypothese, dass die Temperaturerh\u00f6hung gef\u00e4sserweiternd wirke, annehmen k\u00f6nnen, dass in Folge der den Thieren beigebrachten Erw\u00e4rmung das die Gef\u00e4sse durchstr\u00f6mende w\u00e4rmere Blut auf die Gef\u00e4ssmuskeln erschlaffend wirke, dass die Erschlaffung aber auf der intacten Seite des Thieres st\u00e4rker sei, weil hier die Muskeln ihre normalen Eigenschaften besitzen, als auf der verletzten Seite, wo in Folge der Nervendurchschneidung wohl eine theilweise Degeneration der Muskeln der Gef\u00e4sse vorausgesetzt werden k\u00f6nnte, wodurch ihre Dehnbarkeit beeintr\u00e4chtigt wird. Gegen diese Annahme spricht indess ein Versuch von Schiff3, in welchem die st\u00e4rkere Erweiterung der Gef\u00e4sse auf der nicht operirten Seite schon wenige Stunden nach der Durchschneidung eintrat.\nDie Beobachtung Brachet\u2019s, dass nach Durchschneidung des Hals-sympathicus und nach Exstirpation des oberen Halsganglion eine st\u00e4rkere Injection des Gehirns und Erweiterung der Hirnhautgef\u00e4sse eintrete, ist nach den Beobachtungen von van der Becke Callenfels4 und von Nothnagel5 nicht ganz constant, wurde aber von ihnen und ebenso von Goujon6 mehrere Male an Kaninchen und Meerschweinchen gefunden. Riegel und Jolly7 konnten dagegen nach Durchschneidung des Halssympathicus keine Injection der Piagef\u00e4sse wahrnehmen. Bernard8 hat auch eine Temperaturerh\u00f6hung in der Sch\u00e4delh\u00f6hle und Gehirnsubstanz nach Durch -schneidung des Sympathicus und in st\u00e4rkerem Grade nach Exstirpation des obersten Halsganglions gefunden.\n1\tExner, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXV. (3) S. 6. 1877. \u2014 Auerbach ist f\u00fcr diese Ansicht aufgetreten. Jahresber. d. schles. Ges. 1877. (Nachtragaus 1875) S. 232a.\n2\tF. Goltz, Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 92. 1875. \u2014 Vgl. Vulpian, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. I. p. 177. 1875.\n3\tSchiff, Le\u00e7ons sur la physiologie de la digestion. I. p. 234. 244. 1868.\n4\tvan der Becke Callenfels, Ztschr. f. rat. Med. N. F. VII. S 203. 1S55.\n5\tNothnagel, Arch. f. pathol. Anat. XL. S. 203. 1867.\n6\tGoujon, Journ. d. l\u2019anat. et d. 1. physiol. IV. p. 106. 1867.\n7\tRiegel & Jolly, Arch. f. pathol. Anat. LU. S. 2 IS. 1871.\nS Bernard, Le\u00e7ons sur le syst\u00e8me nerveux. IL p. 493. 1858.","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Gebiet des Halssympathicus.\n415\nBez\u00fcglich der T e mp er atu r und Farbe des aus den erweiterten Ohrgef\u00e4ssen abfliessenden Blutes ist von Bernard und Schiff eine h\u00f6here Temperatur des Blutes in der Jugularvene bei Hunden und Kaninchen gefunden worden. Die Farbe des abfliessenden Venenblutes ist von Lus-sana und Ambrosoli nach Durchschneidung des Vagosympathicus bei Pferd, Kalb, Maulesel und Hund dunkler, von Bernard bei Pferden, von Roever bei Kaninchen aber heller, als ohne Durchschneidung des Sym-pathicus gefunden worden. \u2014 Eine Steigerung des Blutdruckes im arteriellen System beobachteten Schiff, Bensen und von Bezold1 und Roever bei Reizung des Kopfendes des durchschnittenen Halssympathicus.\nBei Reizung des N. sympathicus an dem Kopfende verengern sich die Arterien, es erblassen aber auch die Capillarbezirke und die aus ihnen hervorgehenden Venenwurzeln \u2014 die Venenst\u00e4nnne aber bleiben gef\u00fcllt.\nDieser seit Brown-S\u00e9quard oft angestellte Versuch ist in Bezug auf die vom Sympathicus innervirten Gef\u00e4sse von von Basch2 besonders genau untersucht worden, indem derselbe das Kaninchen so lagerte, dass der Kopf nach unten gerichtet und damit die Entleerung der Venen erschwert war. Zugleich untersuchte von Basch den Unterschied in der F\u00fcllung der Gef\u00e4sse, wenn die mittlere Ohrarterie unterbunden war und wenn der Sympathicus direct oder indirect erregt wurde: im ersteren Falle, und ebenso, wenn die Carotis unterbunden wird, bleibt die mittlere Ohrarterie bis in die feinsten Verzweigungen und desgleichen die seitlichen Ohrvenen deutlich gef\u00fcllt, \u2014 im letzteren Falle, bei Reizung des Sympathicus, entleeren sich die Gef\u00e4sse, mit Ausnahme der Venenst\u00e4mme, bis zur Todtenbl\u00e4sse. Der Blutlauf wird also ein wesentlich anderer, wenn die Arterien durch Sympathicusreizung verengert, als wenn sie durch Unterbindung abgeschn\u00fcrt werden: bei Verengerung dauert der Blutlauf fort und es werden in grosser Ausdehnung Widerst\u00e4nde f\u00fcr den Blutstrom gesetzt, bei Unterbindung oder Zuklemmung wird der Blutlauf an einer ganz beschr\u00e4nkten Stelle abgesclmitten und das Blut stockt in nicht verengerten Gef\u00e4ssen. von Basch hat weiter die auffallende Beobachtung gemacht, dass die abgebundene Ohrarterie bei Reizung des Sympathicus sich verschm\u00e4lert, aber allerdings nicht blutlos wird.\nAuch im Vagus sollen direct zu den Blutgef\u00e4ssen gehende Fasern verlaufen, und zwar sowohl nach dem Kopfe, als nach dem Magen und den Lungen hin. Es ist theils nach Durchschneidung eines Vagus Temperaturerh\u00f6hung am Kopfe, theils nach Durchschneidung beider Vagi eine Ver\u00e4nderung des arteriellen Blutdruckes und Erweiterung der Gef\u00e4sse der Magenschleimhaut und der Lungen beobachtet worden. F\u00fcr die Arterien des Herzens ist der Vagus nicht vasomotorischer Nerv.\n1\tBensen & von Bezold, Neue W\u00fcrzburger Ztg. 1866. l.Mai \u2014 abgedruckt in Unters, d. physiol. Lab. z. W\u00fcrzburg 1867. S. 315.\n2\tvon Basch, Bcr. d. s\u00e4chs. Gesellsch. d. Wiss. 1875. S. 373.","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nNach den Mittheilungen von Schiff1 haben schon Dupuy und Mayer nach Vagusdurchschneidung bei Pferden und einem Esel Erh\u00f6hung der Temperatur am Kopfe beobachtet, doch ist es fraglich, ob sie den Vagus allein durchschnitten haben; Colin hat aber jedenfalls den Vagus allein, ohne Sympathicus, durchschnitten und in der ganzen oberhalb des Schnittes gelegenen Hals- und Kopfh\u00e4lfte eine Vermehrung der Hautw\u00e4rme beobachtet.\nDie Resultate der Versuche \u00fcber Ver\u00e4nderungen des Blutdruckes nach Durchschneidung der Vagi und Vagosympathici sind sehr verschieden: Aubert & Roever2 haben bei Kaninchen, Hunden und L\u00e4mmern nach Durchschneidung des Vagus allein manchmal ein Steigen des Blutdruckes, manchmal keine Ver\u00e4nderung beobachtet \u2014 und ziemlich dasselbe fanden sie bei Durchschneidungen der Vagosympathici. Traube3 hat nach Durchschneidung der Vagosympathici bei einem Hunde zuerst Steigen, dann binnen 4 Minuten Sinken des Blutdruckes \u2014 Moleschott4 5 gleichfalls Steigen des Blutdrucks mit nacliherigem Sinken bei Hunden und einem Kaninchen gefunden \u2014 Latschenberger & Deahna 5 haben ein starkes Steigen des Blutdruckes beobachtet. Nach Rutherford6 soll der Erfolg der Vagusdurchschneidung bei Hunden von der F\u00fcllung des Magens bezw. Erweiterung der Magengef\u00e4sse abh\u00e4ngig sein, was Pawlow7 8 aber nicht best\u00e4tigt fand, welcher den Erfolg der Vagusdurchschneidung von dem vorangehenden Stande des Blutdruckes abh\u00e4ngig findet.\nHyper\u00e4mie der Magenschleimhaut beobachteten nach Durchschneidung beider Vagi (und Vagosympathici) Pan\u00fcms und Pincus9.\nDie vielfachen Untersuchungen \u00fcber die Ver\u00e4nderungen in der Lunge nach Vagusdurchschneidung von Traube und Schiff bis auf die j\u00fcngste Zeit10 II sprechen mehr f\u00fcr einen vasomotorischen Einfluss der Vagi auf die Lungengef\u00e4sse, als gegen denselben.\nNach Durchschneidung der Vagi beobachtete Brown-S\u00e9quard 11 eine Erweiterung der Co ronar arte rien des Herzens und bei Reizung des peripherischen Vagusstumpfes Verengerung derselben; er gr\u00fcndete darauf seine Hypothese von der Vaguswirkung auf das Herz. Panum12\nI\tSchiff. Unters, z. Physiol, d. Nervensystems. S. 164. 1855 citirt Dupuy, Journ. de m\u00e9d. XXXVII. 1816 und Nouv. exp\u00e9riences sur la section des nerfs pneumogastri-cpies, ibid. LXXI. \u2014 Mayer, Tiedemann & Treviranus\u2019 Ztschr. f. Physiol. II. S. 65. 1826. \u2014 Colin, Physiologie compar\u00e9e des animaux domestiques, p. 121. 1854.\n2\tAubert & Roever. Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 211. 1868.\n3\tTraube, Ges. Beitr. z. Physiol, u. Pathol. I. S. 359. 1871.\n4\tMoleschott, Unters, z. Naturl. d. Mensch. XL S. 310. 1873.\n5\tLatschenberger & Deahna, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 196. 1876.\n6\tRutherford. Journ. of anat. a. physiol. 2. s\u00e9r. \u00cfV. p. 402. 1869.\n7\tPawlow, Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 210. 1879.\n8\tPanum. Bibliothek for Laeger. VI. Auszug in Schmidt\u2019s Jahrb\u00fcchern. XCIII. S. 154.1856.\n9\tPincus, Exp\u00e9rimenta de vi nervi vagi et sympathici in vasa etc. Diss. Breslau\n1856.\n10\tTbaube, Beitr. z. exper. Pathol, u. Physiol. 1846. S. 68. \u2014 Schiff, Arch. f. physiol. Heilk. VI. S. 690. 1847. \u2014 Zander, Arch. f. d. ges. Physiol. XIX. S. 263. 1S79. Hier findet sich der gr\u00f6sste Theil der Literatur angegeben.\nII\tBrown-S\u00e9quard, Gaz. m\u00e9d. 1854. p. 135.\n12 Panum. Bibliothek for Laeger X. p. 46. Auszug in Schmidt\u2019s Jahrb\u00fcchern. C. S. 148. 1858.","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Gebiet des Splanchnicus.\n417\nhat nachgewiesen, dass es sich hier nicht um vasomotorische Wirkungen des Vagus auf die Kranzarterien handelt, sondern um passive, durch die ver\u00e4nderte Herzth\u00e4tigkeit secund\u00e4r bewirkte F\u00fcllung derselben.\n3. Das Gebiet des N. sphmehnicus.\nDer grosse Gef\u00e4ssbezirk der Bauchh\u00f6hle steht unter dem vasomotorischen Einfl\u00fcsse der Nn. splanchnici: Durch schnei dung eines oder beider Splanchnici hat eine deutliche Erweiterung der Mesen-terialgef\u00e4sse, der Pfortader und der Nierengef\u00e4sse zur Folge. Damit ist verbunden ein erhebliches Sinken des Blutdruckes im arteriellen Gef\u00e4sssystem, ohne dass damit eine Ver\u00e4nderung der Pulsfrequenz verbunden zu sein braucht. Reizung des peripherischen Stumpfes des Splanchnicus bewirkt Verengerung der Arterien des Unterleibes, der Mesentericae, Renales u. A. und im Zusammenh\u00e4nge damit eine betr\u00e4chtliche Erh\u00f6hung des Blutdruckes im arteriellen Systeme.\nNachdem 0. Nasse1 auf den Einfluss der Blutfiillung der Darmge-f\u00e4sse auf die Darmbewegungen hingewiesen hatte, entstand die Frage, ob die Hemmung der Darmbewegungen durch Reizung des Splanchnicus auf die vasomotorischen Eigenschaften dieses Nerven zur\u00fcckzuf\u00fchren sei, wrelche von S. Mayer & v. Basch'2, von van Braam Houckgeest3 positiv beantwortet wurde. Theils von dieser Seite, theils zur Auffindung der den Blutdruck beeinflussenden Nerven sind eine grosse Reihe von Versuchen \u00fcber die vasomotorische Funktion des N. splanchnicus angestellt worden, v. Bezold & Bensen4, E. Cyon & Ludwig 5, Asp6, v. Basch 7 haben \u00fcbereinstimmend gefunden, dass der N. splanchnicus f\u00fcr den Darm und die Niere der vasomotorische gef\u00e4ss verengen d e Nerv ist, dessen Durclischneidung eine st\u00e4rkere F\u00fcllung der Mesenterial- und Nierengef\u00e4sse, dessen Reizung eine mehr oder weniger bedeutende Zusammenziehung der Mesenterial- und Nierenarterien bewirkt, v. Basch hat beobachtet, dass nicht blos die im Mesenterium, sondern auch die in der. Darmwand verlaufenden Arterienzweige sich bei Splanchnicusreizung stark contrahiren und der Darm selbst sehr blass wird, dass ferner die Menge des aus der Pfortader ausfliessenden Blutes bei ruhendem, durchschnittenen Nerven etwa f\u00fcnfmal so gross ist, als w\u00e4hrend des H\u00f6hestadiums der Erregung desselben, trotzdem dass der Blutdruck (an der Carotis gemessen) bei Reizung des Nerven sehr viel h\u00f6her, bisweilen \u00fcber das doppelte h\u00f6her gefunden wird, als bei Ruhe desselben. Dass mit dieser\n1\t0. Kasse. Beitr. z. Physiol, d. Darmbewegung. S. 29. 1866.\n2\tSigmund Mayer & S. von Basch, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXII. S. 811. 1870. \u2014 von Basch, Ebenda. LXVIII. (3) S. 7. 1873.\n3\tvan Braam Houckgeest, Arch. f. d. ges. Phys. VI. S. 266. 1872.\n4\tBensen & von Bezold, Neue W\u00fcrzburger Ztg. 1866. 1. Mai. \u2014 Abgedruckt in Unters, z. W\u00fcrzburger Labor. 1867. S. 315.\n5\tCyon & Ludwig, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866. S. 14S.\n6\tAsp, Ebenda. 1867. S. 159.\n7\tvon Basch, Ebenda. 1875. S. 373.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\t27","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nZusammenziehung der Arterien des Unterleibes eine st\u00e4rkere F\u00fcllung der \u00fcbrigen K\u00f6rperarterien Hand in Hand geht, war schon fr\u00fcher durch Manometerversuche nachgewiesen \u2014 v. Basch hat es theils durch Beobachtung an den Retinagef\u00e4ssen, theils durch plethysmometrische Bestimmungen an den hinteren Extremit\u00e4ten erwiesen, ebenso wie die Abnahme der F\u00fcllung nach Durchschneidung der Nn. splanchnici. \u2014 Ob nach Durchschneidung der Splanchnici die Gef\u00e4sse des Unterleibes das Maximum ihrer Erweiterung erlangt haben, ist zweifelhaft um so mehr, als nach den Beobachtungen von Ludwig und Cyon der Blutdruck, wenn er nach Durchschneidung der Splanchnici schon sehr weit gesunken ist, durch Reizung des N. depressor noch tiefer sinkt. Es ist hier die Frage, ob zu den Unterleibsgef\u00e4ssen auch gef\u00e4sserweiternde Nerven gehen oder ob das st\u00e4rkere Sinken bei Reizung des Depressor daraus zu erkl\u00e4ren ist, dass nicht nur im Gebiete des Splanehnicus, sondern auch in anderen Gef\u00e2ssbezirken eine Gef\u00e4sserweiterung eintritt.\nDass diejenigen Nerven, welche die Mesenterialarterien begleiten, auch Gef\u00e4ssverengerer sind, sich also dem Splanehnicus gleich verhalten, hat Moreau1 gezeigt, indem er nach Durclischneidung eines solchen eine Erweiterung eintreten sah, doch ist dabei sorgf\u00e4ltig eine Reizung der Arterie selbst zu vermeiden, da Zerrung oder Quetschung der Arterienwand eine lokale Verengung bewirkt, welche zu der T\u00e4uschung f\u00fchren kann, dass diese Verengung und das damit verbundene Verschwinden der Pulsationen von der Nervendurchschneidung herr\u00fchre.\nDie anatomischen Verh\u00e4ltnisse des Splanehnicus namentlich auch in Bezug auf die Nierenarterie beim Hunde sind sehr genau beschrieben und abgebildet von Noellner2.\n4. Die Gef assnerven der Extremit\u00e4ten.\nZu den Gef\u00e4ssen der Extremit\u00e4ten, namentlich zu denen der unteren Extremit\u00e4t gehen sowohl gef\u00e4ssverengernde, als auch gef\u00e4sserweiternde Nerven. Durchschneidung des Plexus bra-'chialis ebenso wie Durchschneidung des N. ischiadicus oder des Plexus sacralis hat unmittelbar eine st\u00e4rkere Gef\u00e4ssf\u00fcllung, also Gef\u00e4ss-erWeiterung und eine Erh\u00f6hung der Temperatur des Fusses zur Folge. Reizung des peripherischen Stumpfes bald nach der Durch -schneidung bewirkt Verengerung der Gef\u00e4sse und Abnahme der Temperatur. Einige Tage nach der Durchschneidung des Ischiadicus geht aber die Gef\u00e4sserweiterung sehr zur\u00fcck und jetzt bringt Reizung des peripherischen Stumpfes nicht eine Verengerung und Temperaturabnahme, sondern eine Gef\u00e4sserweiterung und Temperaturzunahme hervor \u2014 nur sehr starke Reizung bringt in einer gewissen Zeit nach der Durchschneidung Verengerung der Gef\u00e4sse und\n1\tMoreau, M\u00e9moires de physiologie, p. 157. Paris 1S77.\n2\tF. N\u00f6llner. Eckhard\u2019s Beitr. z. Anat. u. Physiol. IV. S. 139. 1869.","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"Die Extremit\u00e4ten.\n419\nTemperaturabnahme hervor, einige Tage sp\u00e4ter nur Erweiterung uncl Temperaturerh\u00f6hung. Es m\u00fcssen also im Ischiadicus sowohl gef\u00e4ss-erweiternde als gef\u00e4ssverengernde Nervenfasern enthalten sein; zur Erkl\u00e4rung der wiederabnehmenden Gef\u00e4sserweiterung bei durchschnittenem Ischiadicus und der unter verschiedenen Umst\u00e4nden auftretenden Ver\u00e4nderungen der Gef\u00e4sse nach Durchschneidung des Ischiadicus werden regul a to rische End a p par ate angenommen (und als solche Ganglien der Gef\u00e4sswandungen postulirt oder auch statuirt). Einen massgebenden Einfluss auf den Erfolg der Reizung des Ischiadicus f\u00fcr die Gef\u00e4sserweiterung und die Temperaturver\u00e4nderung hat die durch die Umgebung bedingte zeitweilige Temperatur der Extremit\u00e4t. \u2014 Auch der N. cruralis enth\u00e4lt vasomotorische Nerven.\nDie Durchsehneidung der Achselnerven ist zuerst von Schiff 1 ah Hunden, Flederm\u00e4usen und V\u00f6geln ausgef\u00fchrt worden und von ihm bei Hunden st\u00e4rkere Injection der Interdigitalmembran und Erh\u00f6hung der Temperatur des Vorderarmes und der Pfote, bei Flederm\u00e4usen st\u00e4rkere Injection der Gef\u00e4sse der Flughaut und Aufh\u00f6ren des Venenpulses beobachtet worden; bei V\u00f6geln dagegen fand Schiff Abnahme der Temperatur an dem gel\u00e4hmten Fl\u00fcgel und erkl\u00e4rt diese Erscheinung aus dem durch die L\u00e4hmung bedingten Herabh\u00e4ngen des Fl\u00fcgels, w\u00e4hrend der nicht gel\u00e4hmte Fl\u00fcgel an die Brust gedr\u00fcckt und vor W\u00e4rmeverlust gesch\u00fctzt wird. Die Versuche Schiff\u2019s sind sp\u00e4ter von Bernard1 2 best\u00e4tigt worden \u2014 beide Beobachter differiren nur in Bezug auf die Frage nach dem Urspr\u00fcnge der Gef\u00e4ssnerven f\u00fcr die vorderen Extremit\u00e4ten, worauf wir unten n\u00e4her eingehen werden.\nEine L\u00e4hmung der im N. ulnaris verlaufenden Gef\u00e4ssnerven erzeugte Waller3 beim Menschen durch Eintauchen des Ellenbogens in eine Eismischung: der vierte und f\u00fcnfte Finger wurden stark ger\u00f6thet, zeigten deutliche Pulsation und eine Temperaturerh\u00f6hung um mehrere Grade.\nUeber die Gef\u00e4ssnerven der hinteren Extremit\u00e4ten sind eine grosse Menge von Untersuchungen angestellt worden. Dass eine Erw\u00e4rmung des Hinterbeines nach Durchschneidung des N. ischiadicus eintrete, ist zuerst von H. Nasse4 beobachtet, indess sah er nur bei Kaninchen am unteren Theile des Schenkels W\u00e4rmezunahme, am Oberschenkel dagegen W\u00e4rmeabnahme \u2014 beim Hunde aber nach Zerst\u00f6rung des Lendenmarkes Zunahme der W\u00e4rme in den Hinterbeinen eintreten. Bernard5 beobachtete sp\u00e4ter gleichfalls Zunahme der W\u00e4rme nach Durchschneidung des Ischiadicus und Schiff wies nach, dass der Durchschneidung des Ischiadicus so hoch oben wie m\u00f6glich sogleich eine Erh\u00f6hung der W\u00e4rme des Unterschenkels, des Fusses und der Zehen folgt und zugleich eine st\u00e4rkere Gef\u00e4ssinjection der betreffenden Theile eintritt; er hat diesen\n1\tM. Schiff, Unters, z. Physiol, d. Nervensystems. S. 177. 1855.\n2\tCl. Bernard, Compt. rend. II. p. 305. 1862.\n3\tNachVuLPiAN, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. I.p. 247; Proceed, of the Royal Society of London. XI. (2) 1862.\n4\tF. & H. Nasse, Unters, z. Physiol, u. Pathol. II. (1) S. 115. 1839.\n5\tCl. Bernard, Compt. rend. d. 1. soc. biologie. 4. s\u00e9r. I. p. 187. 1854.\n27 *","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nErfolg bei Hunden, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen, Igeln und einem Hamster gefunden. Zugleich beobachtete Schiff, dass am Oberschenkel nach Durchschneidung des Ischiadicus keine Erw\u00e4rmung, sondern eine durch die Muskell\u00e4hmung consecutiv bedingte Abnahme der Temperatur Eintritt. Bernard 1 fand gleichfalls nach Durchschneidung des Plexus lumbosacralis oder auch des Ischiadicus eine Temperaturzunahme und starke F\u00fcllung der Gef\u00e4sse im Fusse.\nMerkw\u00fcrdigerweise scheint bei Warmbl\u00fctern eine Heizung des durchschnittenen Ischiadicus an seinem peripherischen Ende fr\u00fcher nur wenig versucht worden zu sein, obgleich beim Sympathicus so grosser Werth auf die Gef\u00e4ssverengerung nach Reizung desselben von Brown-S\u00e8quard u. A. gelegt wurde. Longet 2 erw\u00e4hnt dieselbe in seinem Lehrbuche. Erst Goltz 3 wurde durch eine Beobachtung, welche schon fr\u00fcher von Kasse und von Schiff gemacht worden war und welche er best\u00e4tigte, dass n\u00e4mlich nach Durchschneidung des Lendenmarkes die Zermalmung des isolirten hinteren St\u00fcckes, bezw. die Durchschneidung des H\u00fcftnerven eine Erh\u00f6hung der Temperatur an den Hinterf\u00fcssen hervorruft, dazu veranlasst bei einem Hunde mit zerst\u00f6rtem Lendenmarke den K. ischiadicus zu durchschneiden und er fand darnach ein Ansteigen der Temperatur in dem betreffenden Beine um mehr als neun Grad. Bei weiterer Verfolgung dieser Erscheinung fand Goltz4, dass nicht nur Durchschneidung, sondern auch mechanische, electrische, chemische Reizung des peripheren Stumpfes des Ischiadicus (meistens, nachdem bei dem Thiere einige Zeit vorher das Lendenmark zerst\u00f6rt worden war, aber auch in einem Falle ohne vorg\u00e4ngige Zerst\u00f6rung des Markes), Erweiterung der Gef\u00e4sse und Temperaturerh\u00f6hung der Pfote bewirkte. In den darauf folgenden Versuchen von Putzeys & Tarchanoff 5, Ostrumoff (und Heidenhain \u00b0), Kendall & Luchsinger7, Masius & Vanlair-, B\u00f6thling0, Stricker10, Luchsinger1 11, L\u00e9pine12, Bernstein13 wurden bez\u00fcglich der Gef\u00e4ssverenge-\n1\tBernard, Compt. rend. II. p. 228. 1862.\n2\tLonget, Trait\u00e9 de physiologie. (3. Aufl.) III. p. 613. 1869.\n3\tF. Goltz, Arch. f. d. ges. Physiol. VIII. S. 460. 1874. (Cl. Bernard hat an der von Rosenthal citirten Stelle etwas ganz anderes untersucht und gefunden, als Goltz suchte und fand. Schiff aber hat das R\u00fcckenmark am 9. V irbel durchschnitten und nach einigen Stunden, als die Temperatur an den Hinterzehen 26\u00b0 betrug, noch den linken H\u00fcftnerven, worauf die Temperatur der linken Pfote auf 30,5\u00b0 stieg. Unters, z. Physiol, d. Nervensystems. 1855. S. 217, vgl. auch ebda. S. 172.\n4\tF. Goltz (u. Freusberg). Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 174. 1874; XI. S. 52.\n1875.\n5\tF. Putzeys & F\u00fcrst Tarchanoff, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874. S. 371.\n6\tA. Ostroumoff (redigirt von R. Heidenhain), Arch, f d. ges. Physiol. XII. S. 219. 1876.\n7\tJ. Kendall & B. Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 197. 1376..\n8\tMasius & Vanlair , Des nerfs vasomoteurs et de leur action. (Extrait du Compt. rend, du Congr\u00e8s internat, des sc. m\u00e9d. Bruxelles 1875) citirt nach Jahresber. f. Anat. u. Physiol. V. (2) S. 45. 1876.\n9\tB\u00f6thling, Wiener med. Jahrb. 1876. S. 89.\n10\tStricker, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 1876. LXXIV. (3) S. 173. 1876.\n11\tLuchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 391. 1876.\n12\tL\u00e9pine, Compt. rend. d. 1. soc. d. biologie. 1876. 4 mars.\n13\tJ. Bernstein (Marchand & Schoenlein) , Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 575. 1877.","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"Die Extremit\u00e4ten.\n42!\nrung und Gef\u00e4sserweiterung nach Durchschneidung und Reizung des-Ischiadicus die von Goltz gefundenen Thatsachen in vielen wesentlichen Punkten best\u00e4tigt und die Bedingungen f\u00fcr dieselben in weiterer Ausdehnung ermittelt, zum Theil aber die Angaben von Goltz etwas modi-hcirt. Dass nach Durchschneidung des Lendenmarkes und nach Durchschneidung des Ischiadicus eine Temperaturerh\u00f6hung und Gef\u00e4sserweiterung eintritt, welche in den folgenden Stunden und Tagen sehr zur\u00fcckgehtr ist von allen Beobachtern best\u00e4tigt worden; ebenso dass Reizung des peripheren Stumpfes einige Tage nach der Durchschneidung des Lendenmarkes oder des Ischiadicus eine mehr oder weniger starke Gef\u00e4sserweiterung und Ansteigen der Temperatur zur Folge hat, ist allgemein best\u00e4tigt worden; dass sowohl durch electrische Reizung, als durch mechanische Reizung, namentlich das mehrfache Einschneiden oder \u201e Kerben*4 des Nervenstumpfes die Temperatur erh\u00f6ht wird, ja das ein einfaches Durchschneiden des schon vorher durchschnittenen Nerven,, diesen Effect hat, haben die meisten sp\u00e4teren Beobachter best\u00e4tigt. Dagegen ist von verschiedenen Beobachtern, namentlich Putzeys und Tar-chanoff, Ostrumoff, Kendall und Luchsinger die Angabe von Goltz bestritten worden, dass auch bei Reizung des frisch durchschnittenen Ischiadicus am peripherischen Ende keine Gef\u00e4ssverengung und Temperaturabnahme erfolgte. Die Untersuchungen von L\u00e9pine, besonders aber die von Bernstein haben ausser der Vermittelung mancher Widerspr\u00fcche die wesentliche B e d i n g u n g f\u00fcr die von Goltz beobachtete hochgradige Temperaturerh\u00f6hung nach Reizung des peripheren Ischiadicus ermittelt, dass n\u00e4mlich die Temperatur der Pfote beim Beginne des Versuches eine niedrige ist. Unter dieser, leicht durch kalte Wasserb\u00e4der herzustellenden Bedingung wird nach Bernstein durch jede beliebige wirksame Reizung auch beim frisch durchschnittenen Ischiadicus ein bedeutendes Steigen der Temperatur (um 8\u00b0\u201415\u00b0) hervorgerufen, also sowohl durch tetanisirende Str\u00f6me, als durch sogenannte rhythmische Reizungen, in denen die Inductionsschl\u00e4ge in Intervallen von 2 Sec. einander folgen, oder durch Kerben des peripheren Stumpfes. Bernstein macht ferner darauf aufmerksam, dass die durch Reizung hervorgerufene Temperatursteigerung sehr lange anh\u00e4lt und oft erst nach 15\u201430 Min. ihr Maximum erreicht. Der bedeutende Einfluss der Temperatur, welchen schon Goltz in seiner Bedeutung f\u00fcr die Gef\u00e4ssweite gel\u00e4hmter Glieder sehr hervorgehoben hat, geht auch aus Versuchen von Luchsinger hervor, in denen junge K\u00e4tzchen, denen der eine Ischiadicus durchschnitten wird, in einen auf 60\u00b0 erw\u00e4rmten Br\u00fctofen gebracht werden : die nicht operirte Pfote wird sehr stark injicirt, die operirte viel weniger \u2014 k\u00fchlen die Thiere ab, so erscheint die operirte Pfote stark injicirt, die nicht operirte blass. Der Versuch wurde mit demselben Erfolge schon von Schiff1 an dem Halssympathicus des Kaninchens angestellt. \u2014 Die Versuche, in denen die Reizung einige Tage nach Zerst\u00f6rung des Lendenmarkes oder Durchschneiden des Ischiadicus vorgenommen wurde, zeigen also wahrscheinlich eine Temperatursteigerung nur deswegen, weil in Folge der motorischen L\u00e4hmung die Pfoten stark\n1 Schiff, Le\u00e7ons sur la physiologie de la digestion. I. S. 234. 244. 1868.","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422 Aubert; Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nabgek\u00fchlt waren, nicht weil eine Degeneration der gefassverengenden und keine Degeneration der gef\u00e4sserweiternden Nervenfasern eingetreten war.\nIn Versuchen, welche Dastre & Morat1 an Pferden und Eseln \u00fcber die Vasomotoren des Ischiadicus anstellten, indem sie Druck und Geschwindigkeit des Blutes in Arteria und Vena digitalis interna bestimmten und den Stamm der Plantarnerven durchschnitten bezw. reizten, ergab Reizung der verschiedensten Art constant anfangs eine Drueksteigerung, welche aber nach 15\u201420 Secunden wieder auf die H\u00f6he vor der Reizung zur\u00fcckgeht, worauf dann noch eine Senkung unter dieses Niveau ein-tritt. Dem entsprechend folgt der Verengerung der Arterien eine Erweiterung und dieser eine \u201e surdilatation \u201c, noch st\u00e4rkere Erweiterung \u2014 ebenso wie die Beobachter es bei Reizung des Halssympathicus fanden. Merkw\u00fcrdigerweise schliessen sie daraus nicht, dass im Ischiadicus ge-f\u00e4sserweiternde Fasern enthalten seien, sondern verwerfen diese Annahme, indem sie nur gef\u00e4ssverengende Fasern annehmen, welche durch die Reizung erm\u00fcden sollen (une phase d\u2019att\u00e9nuation apr\u00e8s une phase d'exagg\u00e9-ration de la fonction du nerf). Eine solche rasche Erm\u00fcdung hatten schon fr\u00fcher Putzeys und Tarchanoff angenommen, doch ist dieselbe von Goltz als ungen\u00fcgend f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der Erscheinungen erwiesen worden.\nGoltz stellte nun auf Grund seiner Beobachtungen eine Hypothese auf, welche viele Zustimmung fand: dass im Ischiadicus gef\u00e4sserweiternde Nervenfasern enthalten seien, wie schon Schiff und Bernard f\u00fcr andere Bezirke angenommen hatten, konnte nicht weiter zweifelhaft sein ; ausserdem aber postulirte Goltz wegen der Wiederherstellung der fr\u00fcheren Ge-f\u00e4ssweite nach Durchschneidung des Lendenmarks oder des Ischiadicus und der in Folge verschiedener Einwirkungen, namentlich verschiedener Temperaturen, wechselnden Gef\u00e4ssweite in dem seiner Verbindung mit dem R\u00fcckenmarke beraubten Gliede besondere Endvorrichtungen an den Gef\u00e4ssen, welche den Tonus derselben zu reguliren h\u00e4tten. Diese postulirten Endvorrichtungen stellte sich Goltz, indem er die Analogie mit dem Herzen herbeizog, als Ganglienzellen vor, und sprach nun den Satz aus: die hypothetischen Ganglienzellen an den Gef\u00e4ssen sind die n\u00e4chsten Centren f\u00fcr den Gef\u00e4sstonus. Er legt auf diese Ganglienzellen aber keinen besonderen Nachdruck, sondern w\u00fcrde f\u00fcr jene selbstth\u00e4tigen Endvorrichtungen, wenn keine Ganglienzellen gefunden w\u00fcrden, eine andere anatomische Grundlage w\u00e4hlen, und etwa die Gef \u00e4ssmus kein selbst als solche ansprechen. Ebenso spricht sich Bernstein aus. Doch macht Huizinga2 gegen die Annahme, dass die Muskeln selbst diese Endvorrichtungen seien, geltend, dass nach localer Application von Amylnitrit auf die Schwimmhaut des Frosches, wodurch die Gef\u00e4sse derselben stark erweitert werden, auf reflectorischem Wege eine Verengerung der auf der H\u00f6he der Erweiterung befindlichen Gef\u00e4sse hervorgerufen werden k\u00f6nne. Regulatorische Endvorrichtungen an den Gef\u00e4ssen sind von fast allen Forschern nach Goltz angenommen worden, sie sind als \u201eperipherische Gef\u00e4ss- oder Nervencentra\u201c, \u201elocale\n1\tDastre & Morat, Compt. rend. LXXXVIL p. 8S0. 1STS.\n2\tHuizinga. Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 220.","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Die Extremit\u00e4ten.\n423\nCentra\u201c, \u201eperiphere Ganglien der Gef\u00e4sse\u201c, \u201eWandganglien\u201c bezeichnet. \u2014 Eine von Putzeys und Tarchanoff der GoLTz\u2019schen Hypothese entgegengestellte Hypothese einer Ersch\u00f6pfung der Gef\u00e4ssnerven des Ischia-dicus durch Reizung ist von niemand angenommen worden.\nBernstein hat auch f\u00fcr die Pfote des Hundes den Nachweis gef\u00fchrt; dass die Temperaturver\u00e4nderung von der Ver\u00e4nderung der Blutlaufs Verh\u00e4ltnisse abh\u00e4ngig ist und die Annahme von \u201ethermischen Nerven\u201c nicht gemacht werden kann. Bernstein weist aber in Ber\u00fccksichtigung des langsamen Ansteigens und des langen Anhaltens der Temperatur auf betr\u00e4chtlicher H\u00f6he auf die Wahrscheinlichkeit hin; dass eine geringe Temperaturerh\u00f6hung an sich erweiternd auf die Gef\u00e4sse, diese Gef\u00e4sserwei-terung wiederum temperaturerh\u00f6hend u. s. w. wirke.\nDass auch nach Durchschneidung des N. cruralis Temperaturerh\u00f6hung; auf Reizung des peripherischen Stumpfes Abnahme der Temperatur an der Pfote eintritt, hat Lewaschow1 2 beobachtet.\nEin Hellerwerden des Blutes in den Venen des Schenkels nach Durchschneidung des Ischiadicus und CruraliS; so wie in den Armvenen nach Durchsclineidung des Plexus brachialis ist schon 1820 von Krimer 1 beobachtet worden, und von H. Meyer best\u00e4tigt.\nGanz \u00e4hnliche Innervationsverh\u00e4ltnisse haben auch die Beobachtungen \u00fcber Durchsclineidung und Reizung des Ischiadicus beim Frosche ergeben. Der Durchschneidung folgt unmittelbar eine Verengerung der Arterien in der Schwimmhaut, dann tritt eine Erweiterung derselben ein, welche mehrere Stunden andauert, nachher aber (12\u201424 Stunden sp\u00e4ter) zu der normalen Weite, wie sie vor der Durchschneidung war, zur\u00fcckgeht. Reizung des peripheren Ischiadicusstumpfes bewirkt eine Verengerung der Gef\u00e4sse \u2014 eine zweite Durchschneidung des Ischiadicus an der peripheren Seite dagegen bringt sogleich eine lange anhaltende Erweiterung der Gef\u00e4sse ohne vorg\u00e4ngige Verengerung hervor.\nHierher geh\u00f6rige Beobachtungen sind von Gunning3, Saviotti4, Riegel5, Putzeys und Tarchanoff6, Nussbaum7 und Huizinga8 gemacht worden. Der letztere Forscher hat namentlich Beobachtungen gemacht, welche auch f\u00fcr den Frosch die Annahme regulatorischer Endvorrichtungen an den Gef\u00e4ssen fordern : er fand, dass bei Reizung der Zehen des Beines, an welchem der Ischiadicus durchschnitten worden ist, reflectorisch Ge-f\u00e4sserweiterung eintritt \u2014 dass ferner die Durchsclineidung des peripheren Ischiadicusstumpfes eine Erweiterung der Arterien hervorruft und zwar ohne vorg\u00e4ngige Verengerung, wie man sie bei der ersten Durchschneidung des Ischiadicus beobachtet, was er gleichfalls aus einer Wirkung auf die \u201elocalen Gef\u00e4sscentra\u201c zu erkl\u00e4ren sucht.\n1\tLewaschow (Petersburger med. Woch. 1879. Nr. 16), Referat im Centralbl. f. d. med. Wiss. 1879. S. 509.\n2\tKrimer, Physiol. Unters. 1820. Erw\u00e4hnt von H. Meyer, Arch. f. Anat, u. Physiol. 1859.\u00bbS. 406.\n3\tGunning, Onderzoekingen over bloedsbeweging en stasii. Utrecht 1857.\n4\tSaviotti, Arch. f. pathol. Anat. L. S. 592. 1870.\n5\tRiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 350. 1871.\n6\tPutzeys & Tarchanoff, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874. S. 371.\n7\tNussbaum, Arch. f. d. ges. Physiol. X. S. 374. 1875.\n8\tHuizinga, Ebenda. XI. S. 207. 1875.","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\n5. Gef\u00e4ssnerven der Muskeln.\nDie Gef\u00e4sse der Muskeln verengern sich, wenn die zu ihnen gehenden Nervenst\u00e4mme gereizt werden, sie erweitern sich, wenn die Nervenst\u00e4mme durchschnitten werden ; werden einige Tage nach der Durchschneidung der Nerven die peripheren St\u00fcmpfe derselben gereizt, so tritt eine Erweiterung der Gef\u00e4sse auf; entsprechend diesen Gef\u00e4ssver\u00e4nderungen tritt auch in den Muskeln die Ver\u00e4nderung der Temperatur auf; indess sind die Temperatur- und die Lumenver\u00e4nderungen bei den Muskeln sehr viel geringer als bei der Haut. Dies gilt nur f\u00fcr die Muskeln der S\u00e4ugethiere. \u2014 Bei Fr\u00f6schen dagegen tritt auf Reizung der Muskelnerven stets nur Erweiterung der Blutgef\u00e4sse ein, bei reflectorischer Reizung (sensibler Nerven) dagegen Verengerung derselben.\nNachdem Sadler 1 (und Ludwig) erhebliche Ver\u00e4nderungen in der Menge des aus den Muskelvenen ausfliessenden Blutes in Folge von Reizung der zu den Muskeln gehenden Nerven beobachtet hatte, wurde von Hafiz1 2 (und Ludwig) bei Ausschluss der Muskelzusammenziehung (durch Curaresiren) der Einfluss der Nervenreizung auf den Blutstrom untersucht, die Ver\u00e4nderung desselben aber sehr gering und rasch vor\u00fcbergehend oder geradezu gleich Null gefunden. In einer sp\u00e4teren Arbeit von Gaskell3 (und Ludwgg) wurden andere Muskeln (die Streckmuskeln des Oberschenkels beim Hunde) gew\u00e4hlt und der N. cruralis gereizt; es fand sich nach der Durchschneidung des Nerven eine betr\u00e4chtliche, aber schnell vor\u00fcbergehende Beschleunigung des Blutstromes aus der Vene \u2014 bei tetanisiren-der Reizung anfangs stossartige Beschleunigung, dann Abnahme, dann wieder Zunahme, welcher allm\u00e4hliches Abschwellen folgt. Gaskell schliesst aus seinen Versuchen, indem er die durch die Muskelzusammenziehung gesetzten Einfl\u00fcsse eliminirt, dass zu den Muskelgef\u00e4ssen sowohl gef\u00e4ss-verengernde, als gef\u00e4sserweiternde Fasern gehen. Zu diesem Endresultate gelangt auch Heidenhain4, obwohl er zu vielfach anderen Versuchsergebnissen gelangt, als Ludwig und seine Sch\u00fcler. Bei Reizung an nicht curaresirten Thieren, deren Bauchsympathicus (in welchem die Gef\u00e4ssnerven f\u00fcr das Bein verlaufen, s. unten) zwischen die Electroden gebettet wurde, so wie bei curaresirten Thieren, deren Ischiadicus benutzt wurde, fanden Gr\u00fctzner und Heidenhain eine Verminderung der Temperatur, aber allerdings eine dem Grade nach viel geringere Verminderung, als an der Haut des Fusses gefunden wird; die Mittheilung der W\u00e4rme von der Haut aus w^ar in diesen Versuchen ausgeschlossen; die Temperatur wurde theils mittelst des Quecksilberthermometers, tlieils durch Thermoelemente bestimmt. Sie fanden dagegen bei Reizung eines\n1\tSadler, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1869. S. 189.\n2\tHafiz, Ebenda. 1870. S. 215.\n3\tGaskell, Arbeiten aus d. physiol. Anst. zu Leipzig. XL S. 45. 1876.\n4\tGr\u00fctzner & Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. XYI. S. 1. 1877. \u2014 Heidenhain (mit Alexander u. Gottstein), Ebenda. S. 31.","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"Die Muskeln. Der Penis.\n425\nseit einigen Tagen durchschnittenen Ischiadicus und ebenso bei reflecto-rischer Erregung durch Reizung sensibler Nerven eine Zunahme der Temperatur in den Muskeln. Ausserdem bestimmte Heidenhain (mit Alexander und Gottstein) durch manometriche Versuche an den Schenkelvenen die bei Reizung der Nerven eintretende Ver\u00e4nderung des Venendruckes und fand der Zunahme der Temperatur entsprechende Verminderung beziehungsweise Vermehrung des Venendruckes.\nBeim Frosch sah Gaskell1 dagegen, indem er den Mylohyoideus desselben direct beobachtete, eine Erweiterung der Gef\u00e4sse nach Durchschneidung des Nerven, welche rasch ihr Maximum erreichte und dann allm\u00e4hlich zur\u00fcckging, nach Reizung (auch am curaresirten Frosche) bedeutende Erweiterung, welche gleichfalls bald ihr Maximum erreicht und dann (schon bei noch fortdauernder Tetanisirung) langsam abnimmt, mitunter von einer Verengerung gefolgt ist; Reizung sensibler Nerven hatte gar keine Ver\u00e4nderung oder geringe Verengerung zur Folge, mit Ausnahme der Reizung der Glottis, welche Erweiterung bewirkte. \u2014 Die Differenzen zwischen Warmbl\u00fctern und Kaltbl\u00fctern glaubt Heidenhain in der verschiedenen Beziehung der Gef\u00e4sse zur W\u00e4nneregulirung, die man ja zwischen beiderlei Thierarten voraussetzen muss, begr\u00fcndet. Indess hat Gaskell2 in einer neueren Arbeit diese Annahme Heidenhain\u2019s nicht acceptirt, sondern h\u00e4lt die Differenzen mehr durch die Verschiedenheit der Untersuchungsmethoden bedingt. Gaskell beobachtete die ausfliessen-den Blutmengen, Heidenhain die Temperatur. Nach Gaskell tritt nun das Maximum der Gef\u00e4sserweiterung sehr kurze Zeit nach der Durcli-schneidung des Muskelnerven ein, in den ersten Minuten nimmt aber die Erweiterung schon wieder ab \u2014 die Erweiterung geht also zu rasch vor\u00fcber, um durch das Thermometer angezeigt werden zu k\u00f6nnen. Gaskell findet ferner einen grossen Einfluss in der St\u00e4rke der Curaresirung, indem nach seinen Beobachtungen das Curare nur die gef\u00e4sserweiternden Nerven l\u00e4hmt. Er kommt durch seine neueren Versuche zu dem Resultate, dass die Zunahme des Blutstromes in den Muskeln beim Hunde ebenso wie beim Frosche durch directe Erregung gef\u00e4sserweiternder Nerven bewirkt wird, und dass der Unterschied zwischen Muskel- und Hautgef\u00e4ssen darin besteht, dass in den Muskelgefassen die erweiternden, in den Hautgef\u00e4ssen die verengernden Nerven \u00fcberwiegen.\n6. Die Gef\u00e0ssnerven des Penis.\nNervi erigentes sind von Eckhard3 beim Hunde Nerven benannt worden, welche von dem Plexus ischiadicus zum Plexus hypogastri-cus gehen: werden diese Nerven an ihrem peripherischen Stumpfe gereizt, so tritt eine starke Schwellung des Corpus cavernosum urethrae und gleich darauf auch eine weniger erhebliche Schwellung des Corp. cavern, penis ein; diese Anschwellung wird bewirkt durch\n1\tGaskell, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. S. 557 und ausf\u00fchrlich Journ. of anat. and physiol. XI. p. 720. 1877.\n2\tGaskell, Journ. of physiol. I. p. 262. 1878.\n3\tC. Eckhard, Beitr. z. Anat. u. Physiol. III. S. 125. 1863; IV. S. 69. 1867.","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\neine Erweiterung der arteriellen Gef\u00e4ssbakn und dadurch vermehrtes Zustr\u00f6men von Blut unter st\u00e4rkerem Drucke. Das vermehrte Zustr\u00f6men bei Reizung der Nn. erigentes ergiebt sich aus dem st\u00e4rkeren Abfliessen des Blutes aus dem angeschnittenen Schwellk\u00f6rper, aus dem st\u00e4rkeren Drucke in den Venen, aus der helleren Farbe des aus den Venen ausfliessenden Blutes. Die Nn. erigentes sind also ge-f\u00e4ss er weiternde Nerven. Ausserdem gehen zum Penis gef\u00e4ss-verengernde Nerven im N. pudendus communis, deren Durchchnei-dung eine Erweiterung bewirkt, deren Reizung aber die Blutung aus dem angeschnittenen Schwellk\u00f6rper vermindert.\nSowohl die Nerven, durch deren Reizung die Erection des Penis bewirkt wird, als auch den vasomotorischen Vorgang, auf welchem die Erection beruht, hat Eckhard entdeckt. Die anatomischen Verh\u00e4ltnisse der Nn. erigentes ergeben sich zum Tlieil aus Figur 5.\nFig. 5. Topographie der Kn. erigentes. 1. Harnblase. A Mastdarm. 3. Prostata. 4. Samenstrang. 5. Vas deferens. 6. Vasa spermatica. 7. Harnleiter. 8. Ende der Bauchaorta. 9. Anfang der Hohlvene. 10. Ganglion mesenterieum posterius. 11. Verbindungs\u00e4ste desselben mit dem Plexus hypo-gastricus; a und b Prostata- und Blasengef\u00e4sse; c Nervi erigentes: d Plexus hypogastricus an\nder Prostata und Pars membranacea.\nDie Nn. erigentes (c) werden aus zwei, bisweilen aus drei Wurzeln des Sacralplexus gebildet und gehen mit den Gef\u00e4ssen zusammen zur Blase nach dem Plexus hypogastricus (d), zu welchem ein Nerv (11) von dem Ganglion mesenterieum (10) tritt. In der von hier zur Pars membranacea urethrae und von da zum Bulbus des Corpus cavernosum urethrae gehenden und endlich in dem dichten Bindegewebe des Bulbus in den Netzen, welche die lateralen B\u00fcndel der Nn. erigentes um die Ge-","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"Der Penis.\n427\nfasse an der Seite des Bulbus bilden, fand Lov\u00e9n1 einzelne und gruppenweise angeordnete Ganglien und gangli\u00f6se Gebilde, welche vielleicht die Bedeutung von vasomotorischen Regulationsapparaten haben. \u2014 Der N. pudendus communis kommt gleichfalls aus dem Plexus ischiadicus und giebt unter der Symphyse einen Zweig ab, welcher mit den Gef\u00e4ss\u00e4sten in das Innere des Corp. cavernos. urethrae dringt.\nDie Anschwellung des Penis bei der Erection beruht nach Eckhard auf einem st\u00e4rkeren Zustr\u00f6men des Blutes durch die arteriellen Gef\u00e4sse, wie Eckhard dadurch nachwies, dass er den Ausfluss des Blutes aus dem querdurchschnittenen (mit Ausschluss der Venae dorsales penis) oder angeschnittenen Corpus cavernosum vor der Reizung der Erectionsnerven mit dem Blutausflusse aus demselben w\u00e4hrend der Reizung der Nerven verglich : bei ruhenden durchschnittenen Nerven war der Blutausfluss sehr gering, tropfenweise \u2014 w\u00e4hrend der Reizung st\u00fcrzt das Blut aus der Schnittfl\u00e4che mit grosser Gewalt hervor, so dass es einen f\u00f6rmlichen Blutstrahl bilden kann und f\u00e4hrt damit auch nach dem Auf h\u00f6ren der Reizung eine Zeit lang fort. Ein st\u00e4rkeres Zustr\u00f6men des Blutes w\u00e4hrend der Reizung der Erectionsnerven und der Erection weist Eckhard ferner nach durch ein verst\u00e4rktes Abfliessen des Blutes aus den Dorsalvenen des Penis: die Blutmengen, welche ohne Reizung der Erectionsnerven aus den Dorsalvenen abfliessen, verhalten sich zu den w\u00e4hrend der Reizung ausfliessenden Mengen etwa wie 1:15, ja, die Differenz kann noch erheblich gr\u00f6sser werden und es kann das Blut in einem Strahle herausspritzen, wie es sonst nur bei den Arterien der Fall ist. Endlich hat Eckhard hervorgehoben, dass das w\u00e4hrend der Schwellung aus den Dorsalvenen abfliessende Blut heller als das Venenblut ist und dass dasselbe nicht durch und durch homogen, sondern mit noch heller rothen Streifen versehen ist wegen nicht vollst\u00e4ndiger Mischung. \u2014 Diese Verst\u00e4rkung der Blutstr\u00f6mung bei Reizung der Erectionsnerven kommt, wie Eckhard vermuthete, durch eine Erweiterung der arteriellen Gef\u00e4ssbahn zu Stande, indem die der Blutstr\u00f6mung sich darbietenden Widerst\u00e4nde vermindert werden. Lov\u00e9n untersuchte den Druck in der Carotis zugleich mit dem Drucke in der einen Vena dorsalis penis, w\u00e4hrend die andere Vene unterbunden war, oder mit dem Drucke, welchen er bei Einbinden der Mano-metercantile in die stark, bis zur Tiefe der Cavernen, scarificirte Urethra fand. Der Druck des Blutes im Penis ist bei Reizung des N. erigens der einen Seite h\u00f6chstens halb so gross als der Carotisdruck, bei Reizung der beiderseitigen Erectionsnerven mehr als halb so gross: es werden also durch die Reizung der Nerven nicht neue Stromkr\u00e4fte dem Blute geliefert, sondern nur durch die Erschlaffung oder die Verminderung des Tonus der Arterienw\u00e4nde die Widerst\u00e4nde vermindert.\nAls Antagonist der Nn. erigentes ist von Lov\u00e9n der N. pudendus nachgewiesen worden, welcher also Verengerer der Penisgef\u00e4sse ist: Lov\u00e9n sah nach der Durchschneidung desselben den Durchmesser der Art. dorsalis zunehmen und die Pulsationen derselben lebhafter werden, ohne dass indess Erection eintritt oder der Blutstrom aus dem durchschnittenen Corp. cavernosum sich mehrt. Bei Reizung des peripherischen Pudendusstumpfes\n1 C. Lov\u00e9n. Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866. S. 85.","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nvermindert sich die Blutung sowohl, wenn die Nn. erigentes ruhen, als auch wenn dieselben eben gereizt worden waren. \u2014 Die Frage, ob zu einer vollkommenen Erection noch eine Hemmung des Blutausflusses aus den Venen hinzukommen m\u00fcsse, ist hier nicht zu er\u00f6rtern.\nIII. Reflectorische Erregung der Gef\u00e4ssnerven.\nBei einer sehr grossen Menge der Nerven des K\u00f6rpers bewirkt eine Erregung derselben Ver\u00e4nderung der Gef\u00e4ssf\u00fcllung in K\u00f6rper-tkeilen, welche in keinem directen Zusammenh\u00e4nge mit dem erregten Nerven stehen. Die allt\u00e4gliche Erfahrung lehrt, dass schmerzhafte Erregung einer Hautpartie ein Erblassen des Gesichtes bewirkt, und ganz \u00e4hnliche Beobachtungen lassen sich machen, wenn das centrale Ende eines freigelegten und durchschnittenen Nerven gereizt wird. Es kann durch die Erregung von centripetalleitenden Nerven aber auch eine st\u00e4rkere Gef\u00e4ssf\u00fcllung in mehr oder weniger scharf begrenzten Gef\u00e4ssgebieten bewirkt werden. Die nach derartigen Erregungen eintretenden Gef\u00e4ssverengerungen oder Gef\u00e4sserweiterungen werden \u201ereflectorische\u201c genannt, indem man sich vorstellt, dass die Erregung des Nerven zu einem Centralorgane geleitet und von diesem nach den Gef\u00e4ssnerven hin reflectirt wird, analog den Erregungen der motorischen Nerven in Folge einer Erregung oder Reizung sensibler Nerven. Analog den Reflexbewegungen haben wir also Gef\u00e4ssreflexe. \u2014 Diese Erfahrungen postuliren Centralorgane, in welchen die Uebertragung der Erregung von irgend welchen K\u00f6rpernerven auf vasomotorische Nerven stattfindet, und erfordern die Annahme, dass die Gef\u00e4ssnerven von den supponirten Centralorganen entspringen oder wenigstens in einem bestimmten Zusammenh\u00e4nge mit denselben stehen. Gef\u00e4ssreflexe treten auf nach Erregung sensibler Nerven, nach Erregung von Muskelnerven, nach Erregung von Stellen des Gehirns und R\u00fcckenmarks, und nach Erregung von sympathischen Nerven: die Gef\u00e4ssreflexe k\u00f6nnen in einer Verengerung oder in einer Erweiterung der Blutgef\u00e4sse bestehen.\n1. Reflexe vor sensiblen Nerven auf vasomotorische Nerven.\nDie Erregung von Empfindungsnerven an ihrer peripherischen Endigung an der Haut oder an Schleimh\u00e4uten und die Reizung der centralen St\u00fcmpfe durchschnittener Empfindungsnerven hat unter gewissen Bedingungen eine Verengerung der Gef\u00e4sse eines bestimmten Bezirkes oder eine Erh\u00f6hung des Blutdruckes unabh\u00e4ngig von der Herzth\u00e4tigkeit zur Folge, unter anderen Bedingungen aber eine Er-","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"Gef\u00e4ssreflexe von sensiblen Nerven.\n429\nWeiterung von Blutgef\u00e4ssen oder ein Sinken des Blutdruckes. Die von vielen Beobachtern erhaltenen einzelnen Resultate von reflecto-rischen Gef\u00e4ssver\u00e4nderungen gestatten nicht eine bestimmtere allgemeine Formulirung, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird.\nAm Kaninchenohre beobachtete van der Becke Callenfels 1 beim Kneifen des Ohrrandes mit einer Pincette eine sofort eintretende, etwa 3 Secunden anhaltende Verengerung, welcher eine Erweiterung folgt, die in etwa 7 Sec. ihr Maximum erreicht \u2014 zugleich treten dieselben Ver\u00e4nderungen mit geringer Abweichung am nicht gekniffenen Ohr der andern Seite auf. Auch Kneifen der Pfote oder Erschrecken verursacht h\u00e4ufig, aber nicht constant, ein kurzdauerndes Erblassen. Ist der Hals-sympathicus auf einer Seite durchschnitten, so bringt Kneifen des Ohrrandes auf dieser Seite keine Gef\u00e4ssver\u00e4nderung, wohl aber in dem anderen Ohre hervor. Reizung des centralen Stumpfes des N. auricularis cervicalis hat dieselbe Wirkung. Das Erblassen, beziehungsweise die Contraction der Gef\u00e4sse tritt nach den \u00fcbereinstimmenden Beobachtungen von Callenfels, Snellen- und Lov\u00ean1 2 3 an nicht curaresirten Kaninchen nach wenigen Secunden ein, es folgt ihr eine betr\u00e4chtliche Erweiterung der Arterien nach etwa 20\u201430 Sec. \u2014 bei curaresirten Kaninchen tritt manchmal schon wenige, 4 \u2014 6 Sec. nach Beginn der Reizung des centralen Auricularisstumpfes Erweiterung und dann 15\u201440 Sec. nach Beginu der Reizung Verengerung ein ; indess fand Lov\u00ean bei andern curarisirten Kaninchen dasselbe Verhalten, wie bei unvergifteten. Starke Verengerung hat Vulpian4 an den Zungengef\u00e4ssen des Hundes auf Reizung des Iscliia-dicus beobachtet. Nach den Beobachtungen von Owsjannikow und Tschi-riew5 erweitern sich bei curarisirten Kaninchen die Ohrgef\u00e4sse bei elec-trischer Reizung eines Ischiadicus und zwar st\u00e4rker auf der gleichnamigen Seite. Auch beim Hunde beobachtete Vulpian eine st\u00e4rkere Blutung aus dem angeschnittenen Ohre, wenn der Ischiadicus gereizt wurde. \u2014\nDen am Kaninchenohr bei Reizung des Auricularis ganz analoge Beobachtungen hat Lov\u00ean an der Arteria saphena gemacht, wenn der centrale Stumpf des N. dorsalis pedis gereizt wurde, und mit denselben individuellen Verschiedenheiten \u2014 ferner an der Art. maxillaris externa, wenn der N. infraorbitalis, supraorbitalis oder mentalis, und an der Arterie des Vorderarmes, wenn die Hautnerven desselben gereizt wurden. \u2014 In Bezug auf die Ausbreitung des Reflexes hat Lov\u00ean beobachtet, dass bei Reizung des centralen Auricularis gew\u00f6hnlich nur die Arterien des gleichnamigen Ohres sich erweitern, mitunter aber auch R\u00f6thung des anderen Ohres eintritt, ferner nach Reizung des Infraorbitalis R\u00f6thung des Ohres und bei demselben Thiere auch nach Reizung des Brachialplexus. Wenn Lov\u00ean aber keine Gef\u00e4sserweiterung des Ohres nach Reizung des Plexus lumbalis beobachtet hat, so befindet er sich im Widerspruche mit Snellen,\n1\tvan der Becke Callenfels, Ztschr. f. rat. Med. N. F. VII. p. 174. 191. 1855.\n2\tH. Snellen, Arch. f. d. Holl\u00e4nd. Beitr. z. Naturw. u. Heilk. I. S. 212. 1858.\n3\tLov\u00ean, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866. S. 85.\n4\tVulpian, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. I. p. 242.1875.\n5\tOwsjannikow & Tschiriew, Bull, de l\u2019Acad. de St. Petersbourg. XVIII. p. 18. 1872. \u2014 Auszug im Arch, de physiol. 1873. p. 90.","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. T. Cap. Die Innervation der Arterien.\nOwsjannikow und Vulpian. \u2014 Die Verengerung der Gef\u00e4sse der Pia mater des Gehirns, welche Nothnagel1 bei Kaninchen auf Reizung von Aesten des N. cruralis eintreten sah, werden von Riegel und Jolly2 als auf Nebenwirkungen (heftigen Bewegungen und dergleichen) beruhend angesehen, da sie bei curaresirten Thieren nicht auftraten.\nAuf Verengerung der Gef\u00e4sse in Folge von Hautreizen schlossen Brown-S\u00e9quard und Tholozan3 aus der Temperaturabnahme, wenn die eine Hand in sehr kaltes Wasser getaucht, in der anderen Hand das Thermometer angebracht ist: sie beobachteten ein Sinken der Temperatur um mehrere Grade in der nicht eingetauchten Hand, ohne dass die K\u00f6rpertemperatur (im Munde gemessen) merklich sank: sie deuten dies als eine Reflexwirkung von den sensiblen Nerven der einen Hand auf die vasomotorischen der anderen Hand. Vulpian hat indess diesen Versuch nicht constant gefunden, und bei Brown-S\u00e9quard und Tholozan sind allerdings auch die Schwankungen sehr gross, n\u00e4mlich von 1\u00b0 bis 12\u00b0 und in einem Falle trat gar keine Wirkung ein.\nErweiterung von Blutgef\u00e4ssen ist nach Erregung von Empfindungsnerven noch in zwei vasomotorischen Bezirken nachgewiesen, n\u00e4mlich an den Gef\u00e4ssen der Submaxillardr\u00fcse und den Gef\u00e4ssen des Penis. Bernard hat bei seinen Versuchen \u00fcber die Blutstr\u00f6mung in der Submaxillardr\u00fcse (s. II, 1. S. 406) nachgewiesen, dass die gef\u00e4sserweiternden Fasern durch Reizung der Zunge! mit Essig reflectorisch erregt werden k\u00f6nnen, wenn diese Erregung auch weniger intensiv wirkt, als die directe Reizung des Tympanico-lingualis.\nFerner ist von Eckhard nachgewiesen worden, dass reflectorisch auf die Nn. erigentes (s. II, 6. S. 425) von den Empfindungsnerven an der Oberfl\u00e4che der Eichel gewirkt werden kann, da bei Hunden durch anhaltendes sanftes Reiben der den Penis bedeckenden Haut eine Erection hervorgerufen werden kann. Eckhard vermuthet, dass der N. pudendus communis der durch diese Manipulation in Erregung versetzte Nerv sei. Zwar konnte er durch schmerzhafte Reizung des centralen Stumpfes dieses Nerven niemals eine Erection bewirken, doch brachte nach Durchschnei-dung dieses Nerven die Reibung der Eichel keine Erectionen mehr hervor. \u2014 Goltz4 hat ferner die Erection-hemmende Wirkung von Reflexen gefunden: er beobachtete, dass Reizung von sensiblen Nerven oder auch ein kr\u00e4ftiger Druck der Haut das Aufh\u00f6ren der Erection bewirkt, und zwar unter Umst\u00e4nden, wo diese Reizungen keine Schmerzempfindung her-vorrufen, n\u00e4mlich bei Hunden mit querdurchschnittenem R\u00fcckenmark.\nAusserdem ist nun durch viele Versuche nach gewiesen, dass der Gesammtdruck des Blutes im arteriellen Gebiet durch Reizung der verschiedensten sensiblen Nerven, des Ischiadicus, der sensiblen Wurzeln des Sacralplexus, des Brachialplexus und seiner Aeste, der Trigeminus\u00e4ste und anderer Nerven bewirkt wird, indess wollen wir hier\n1\tNothnagel, Arch. f. patholog. Anat. XL. S. 203. 1S67.\n2\tRiegel & Jolly, Ebenda. LII. S. 2IS. 1871.\n3\tTholozan & Brown-S\u00e9quard , Journ. d. physiol, de l'homme et des anim. I.\np.497.1858.\n4 F. Goltz, Arch. f. d. ges. Physiol. VIII. S. 467. 1874.","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Gef\u00e4ssreflexe von sensiblen Nerven \u2014 vom Vagus und depressor. 431\nnur zwei Eigent\u00fcmlichkeiten bei Reizung von Empfindungsnerven hervorheben.\nLatschenberger und Deahna1 haben n\u00e4mlich gefunden, dass lange andauernde Reizung nicht eine andauernde Drucksteigerung bewirkt, sondern dass nach einigen Minuten der Druck allm\u00e4hlich absinkt und endlich die H\u00f6he, welche er vor der Reizung hatte, erreicht, dass aber bei viele Minuten oder eine Stunde langer, \u00f6fters unterbrochener Reizung Sinken des Druckes w\u00e4hrend der Reizung des ischiadicus ein-tritt. Etwas schneller tritt nach der Erh\u00f6hung die Senkung ein bei ent-hirnten Thieren.\nGr\u00fctzner und Heidenhain2 haben gefunden, dass verschiedene Arten der Hautreizung einen sehr verschiedenen Einfluss auf die Steigerung des arteriellen Blutdruckes aus\u00fcben : electrische, chemische Reizung, Verbrennen der Haut hatten oft keine Erh\u00f6hung des Blutdruckes zur Folge, w\u00e4hrend nach leiser Ber\u00fchrung oder Anblasen einer Hautstelle eine bedeutende Druckerh\u00f6hung beobachtet wurde. Dies war bei einer m\u00e4ssig starken Curaresirung der Thiere der Fall. Es scheinen darnach also schmerzhafte Reizungen ganz anders auf die vasomotorischen Nerven zur\u00fcckznwirken, als tactile Erregungen der Hautnerven, wie ja auch u. A. aus den Versuchen von Eckhard sich ergab (s. S. 430). Diese Beobachtungen sind theils an sich von grosser Bedeutung, namentlich aber auch, wie Gr\u00fctzner und Heidenhain hervorheben, sehr zu beachten bei allen h\u00e4modyn amis dien Untersuchungen: \u201e wiederholt, sagen sie, ist es uns vorgekommen, dass wir bei Reizungen von Nervenst\u00e4mmen bald Drucksteigerung erhielten, bald nicht, bis sich herausstellte, dass die positiven Erfolge von einer zuf\u00e4lligen Ber\u00fchrung der Haare bei Ann\u00e4herung der Electroden an den zu untersuchenden Nervenstamm herr\u00fchrten.\u201c Diese Wirkungen tactiler Reize sahen Gr\u00fctzner und Heidenhain auch nach Entfernung des Grosshirns eintreten, wonach eine Intercurrenz psychischer Erregung wohl als ausgeschlossen bei diesem Vorg\u00e4nge angesehen werden muss.\n2. Gef\u00e4ssreflexe vom N. vagus und N. depressor.\nReizung des centralen Stumpfes des N. laryngeus superior bewirkt eine bedeutende Steigerung des Blutdruckes \u2014 Reizung des Vagusstammes am Halse bringt bald Erh\u00f6hung des Blutdruckes, bald Senkung desselben hervor \u2014 Reizung des N. laryngeus inferior scheint nur indirect durch Beeinflussung der Athmung den Blutdruck zu ver\u00e4ndern. Constant bewirkt unter allen Bedingungen der N. depressor ein Sinken des Blutdruckes.\nDass der N. laryngeus superior eine erhebliche Steigerung des Blutdruckes bewirkt, wenn der centrale Stumpf desselben gereizt wird, haben\n1\tLatschenberger & Deahna, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 157. 1876.\n2\tP. Gr\u00fctzner & R. Heidenhain. Ebenda. XVI. S. 47. 1877.","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nf\u00fcr das Kaninchen Ludwig und Cyon 1, f\u00fcr Hund, Katze und Lamm Aubert und Roever2 3 nachgewiesen : Der Druck steigt bei Kaninchen um 40\u201450 \u00b0/o, bei Hunden auf mehr als das Doppelte, sowohl wenn er vorher niedrig, als auch, wenn er schon hoch war. Da die Versuche an curaresirten Thieren angestellt wurden, so ist eine Wirkung auf die Ath-mung dabei als ausgeschlossen anzusehen \u2014 auch die Herzfrequenz blieb unver\u00e4ndert oder \u00e4nderte sich unwesentlich.\nBei Reizung des Vagus an curaresirten Kaninchen fanden Aubert und Roever kein constantes Verhalten : bei manchen Thieren trat Sinken, bei anderen Erh\u00f6hung des Druckes, mitunter auch gar keine Ver\u00e4nderung ein \u2014 bei Katzen fanden dieselben immer Sinken, beim Hunde, wenn der Vagus allein nach Abl\u00f6sung des Sympathicus gereizt wurde, meistens Sinken, bei einem Individuum immer Steigen \u2014 bei L\u00e4mmern stets Steigen. Sie kommen zu dem Resultate, dass der N. vagus in Betreff pressorischer und depressorischer Fasern ungleich zusammengesetzt sein kann bei verschiedenen Thierarten, bei verschiedenen Individuen derselben Art und auf den beiden Seiten ein und desselben Individuums. \u2014 Zu etwas anderen Resultaten sind Latschenberger und Deahna gekommen, doch finden sich in ihren Curventafeln f\u00fcr die Reizungen des Kaninchenvagus bald Senkungen, bald Hebungen des Blutdruckes \u2014 ob sie beim Hunde den Vagus oder den Vagosympathicus gereizt haben, ist aus ihren Angaben nicht ersichtlich; wenn sie den Vagosympathicus gereizt haben, so w\u00fcrden ihre Versuche, da sie im Anf\u00e4nge immer Drucksteigerung fanden, mit denen von Aubert und Roever in Uebereinstim-mung sein. Latschenberger und Deahna haben aber auch hier, sowohl beim Kaninchen wie beim Hunde nach langer Reizung Sinken des Blutdruckes unter die Normalh\u00f6he eintreten sehen. \u2014 Sie nehmen nach ihren Versuchen an, dass im Vagus (Vagosympathicus?) des Hundes pressori-sche und depressorische Fasern enthalten sind, von denen die ersteren rascher erm\u00fcden. \u2014 Auch Lichtheim 3 hat nach Reizung des centralen Vagosympathicusstumpfes bei Hunden in manchen F\u00e4llen Drucksteigerung, in einigen Drucksenkung erhalten.\nDass die Reizungen des Laryngeus inferior nur vermittelst der Ath-mungsver\u00e4nderung den Blutdruck beeinflussen, bei curaresirten Thieren aber keinen vasomotorischen Reflex ausl\u00f6sen, haben Gr\u00fctzner und Heidenhain beobachtet.\nDa der Vagus und seine Aeste nicht in so hohem Grade sensibel sind wie der Ischiadicus, so ist es fraglich, ob hier lediglich eine Erregung der darin verlaufenden sensiblen Fasern die Ver\u00e4nderungen des Blutdruckes bewirkt.\nUeber den vom Vagus oder Laryngeus oder von beiden abgehenden N. depressor stimmen seit Ludwig und Cyon alle Beobachter darin \u00fcberein, dass bei allen Thieren, wo der Depressor vorkommt, Reizung seines centralen Endes immer nur Sinken des Blutdruckes durch Gef\u00e4sserwei-terung hervorbringt. Die Entdecker des N. depressor, Cyon und Lud-\n1\tE. Cyon & C. Ludwig, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866. S. 322.\n2\tAubert & Roever. Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 211. 1S6S.\n3\tLichtheim, Die St\u00f6rungen des Lungenkreislaufes. S. 37 u. 39. 1876.","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"Gef\u00e4ssreflexe vom Depressor \u2014 von Muskelnerven.\n433\nwig haben denselben beschrieben als einen vom Vagus und Laryngeus superior mit je einer Wurzel entspringenden Nerven, welcher gew\u00f6hnlich sich nach innen und unten zum Halssympathicus wendet, \u00fcber diesen weggeht und an dessen innerer Seite sich anlegt; er geht dann an Nerven, welche aus dem Ganglion stellatum kommen, mit welchen er hinter der Aorta in dem Bindegewebe zwischen der Aorta und der Arteria pulmo-nalis zum Herzen verl\u00e4uft. Verschiedene Variationen in seinem Verlaufe und Urspr\u00fcnge sind von Roever1 beschrieben worden. Aehnlich ist der Verlauf desselben beim Hasen, der Katze und dem Igel. Beim Hunde kommt ein gesonderter Depressor nicht vor. Beim Pferde glaubte Bernhardt'2 ein vom Vagus und Laryngeus superior entspringendes F\u00e4dchen als Depressor ansehen zu k\u00f6nnen; E. Cyon3 fand gleichfalls beim Pferde einen solchen Nerven, welchen er auch physiologisch als Depressor erkannte.\nLudwig und Cyon wiesen beim Kaninchen nach, dass Reizung des centralen Depressorstumpfes ein Sinken des Blutdruckes im arteriellen Gebiete um 30\u201450 % bewirkt, sie beobachteten ferner direct eine starke R\u00f6thung der Niere und F\u00fcllung der Nierengef\u00e4sse, indirect eine st\u00e4rkere Erweiterung der Gef\u00e4sse im Gebiete des Splanchnicus, indem nach Durchschneidung der Splanchnici die depressorische Wirkung bei Depressorreizung in hohem Grade vermindert ist, eine Beobachtung, welche auch Stelling4 best\u00e4tigte. Dass auch sehr lange andauernde Reizung des Depressor keinen anderen Erfolg hat, als Sinken des Blutdruckes, ergaben die Untersuchungen von Latschenberger und Deahna. Beim Kaninchen und Hasen wurden die Versuche Cyon\u2019s und Ludwig\u2019s best\u00e4tigt von Stelling, f\u00fcr die Katze von Bernhardt und f\u00fcr alle diese Thiere bald darauf von Roever. \u2014 Nach Durchschneidung des Depressor haben Cyon und Ludwig eine vor\u00fcbergehende Senkung des Blutdruckes, Latschenberger und Deahna eine deutliche, aber rasch vor\u00fcbergehende Erh\u00f6hung um 2 \u2014 4 Mm. bemerkt.\n3. Gejassre\u00dfexe von den Muskelnerven und vom Splanchnicus.\nDie meist stillschweigend gemachte Voraussetzung, dass nur von sensiblen Nerven Gef\u00e4ssreflexe ausgel\u00f6st werden k\u00f6nnen, wird sehr unwahrscheinlich durch die Erfahrung, dass von den Muskel \u00e4s ten des Ischiadicus aus reflectorische Erh\u00f6hung des Blutdruckes bewirkt werden kann ; auch nach Reizung des centralen Splanchnicusstumpfes tritt Erh\u00f6hung des Blutdruckes ein.\nDie Drucksteigerung im arteriellen Gebiete bei Reizung der Muskel\u00e4ste des N. ischiadicus wurde von Asp5 beobachtet; Asp fasst seine Beobachtungen so auf, als ob die sensiblen Muskelnerven es w\u00e4ren, welche\n1\tG. Roever, Kritische und experimentelle Untersuchung des Nerveneinflusses auf die Erweiterung und Verengerung der Blutgef\u00e4sse. S. 64 u. fg. 1869.\n2\tE. Bernhardt, Anat. u. physiol. Unters, \u00fcber d. N. depressor bei der Katze. Diss. S. 14. Dorpat 1868.\n3\tE. Cyon, Bull, de l\u2019Acad. de St. Petersbourg. XV. p. 261. 1870.\n4\tStelling, Exper. Unters, \u00fcber d. Einfluss d. N. depressor auf d. Herzth\u00e4tig-keit u. d. Blutdruck. Diss. S. 4L Dorpat 1867.\n5\tAsp (und Ludwig), Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1867. S. 135.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV.\t28","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434 Aubert. Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\ndiese Wirkung hervorbringen, indess liegt gar kein Grund zu dieser Auslegung vor, da ja die motorischen Nerven eine an ihrer Peripherie oder in ihrem Verlaufe stattfindende Erregung centripetal fortpflanzen k\u00f6nnen. Die von Asp beobachtete Thatsache ist aber die, dass die zu den Muskeln gehenden Aeste des Ischiadicus bei Reizung ihres centralen Stumpfes eine erhebliche Blutdrucksteigerung bei Kaninchen in den meisten F\u00e4llen hervorrufen.\nDass Reizung des centralen Splanchnicusstumpfes eine bedeutende Steigerung des arteriellen Blutdruckes hervorruft, wurde zuerst von Asp unter Ludwig\u2019s Leitung beobachtet an Hunden, nachdem ein von Bernstein1, von Cyon und Ludwig'2 angestellter Versuch am Kaninchen keine Ver\u00e4nderung des Blutdruckes bewirkt hatte. Asp fand eine bedeutendere Drucksteigerung bei Reizung des centralen, als bei Reizung des peripheren Splanchnicusstumpfes, eine Steigerung des Druckes manchmal um das Doppelte, und zwar auch dann, wenn beide Splanchnici durchschnitten waren : es muss also nach Ausschaltung des grossen Darmge-f\u00e4ssgebietes noch ein grosses Gef\u00e4ssgebiet \u00fcbrig bleiben, auf welches der Splanchnicus reflectorisch wirkt. Da der Splanchnicus bei Hunden sehr empfindlich ist, so stellt Asp die reflectorische Wirkung in Parallele mit der der sensiblen Nerven; die Hunde waren bei diesen Versuchen curaresirt.\nAuf dem Wege durch den Splanchnicus werden vielleicht auch die Reize geleitet, welche auf den Magen applicirt werden. Hermann und Ganz3 sahen bei Injectionen von eiskaltem Wasser in den Magen curare-sirter Hunde bedeutende Steigerung des arteriellen Druckes eintreten; diese Versuche wurden in einer Untersuchung von S. Mayer und Pribram4 nicht best\u00e4tigt, indess fanden diese eine Blutdruckssteigerung nach Reizungen des Magens, namentlich seiner Muscularis. Es ist bis jetzt allerdings nicht entschieden, ob diese Erregungen durch den Splanchnicus oder durch den Vagus geleitet werden: f\u00fcr die letztere Annahme w\u00fcrde die gleichzeitig mit der Blutdruckssteigerung eintretende Pulsverlangsamung sprechen.\nEs mag hier auch noch ein Versuch von Brown-S\u00e9quard5 erw\u00e4hnt werden, welcher bei Reizung der Nebennieren oder des sie umgebenden Nervenplexus eine starke Verengerung der Gef\u00e4sse in der Pia mater des R\u00fcckenmarks beobachtete, woraus Brown-S\u00e9quard weitere Schl\u00fcsse auf Reflexparalysen zog.\n4. Gef\u00e4ssrejlexe vom Gehirn und R\u00fcckenmark aus.\nAusser den Erfahrungen des allt\u00e4glichen Lebens, dass psychische Erregungen, deren Vorgang wir in das Grosshirn verlegen, R\u00f6the oder Bl\u00e4sse hervorrufen, deren Ursache Erweiterung beziehungsweise Verengerung der Blutgef\u00e4sse ist, l\u00e4sst sich bei Thieren eine Einwirkung von psychischer Erregung, namentlich Schreck und Angst, auf\n1\tJ. Bernstein, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1864. S. 614.\n2\tCyon & Ludwig. Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866. S. 327.\n3\tL. Hermann & Ganz, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 8. 1870.\n4\tS. Mayer & Pribram, Sitzgsber. cl. Wiener Acad. LXVI. S. 102. 1872.\n5\tBrown-S\u00e9q\u00fcard beiVuLPiAN, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. I. p. 239.1875.","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"Gef\u00e4ssreflexe von Gehirn und R\u00fcckenmark.\n435\nbestimmte Gef\u00e4ssbezirke, z. B. beim Kaninchen auf die Ohrgef\u00e4sse, nachweisen. Abgesehen hiervon ergiebt aber auch Reizung einzelner Theile des Grosshirns eine Ver\u00e4nderung des Blutdruckes auf reflec-torischem Wege, verbunden mit Temperaturver\u00e4nderung. \u2014 Ebenso wird von dem R\u00fcckenmarke, bei m\u00f6glichstem Ausschl\u00fcsse der sensiblen Nervenwurzeln, durch Reizung eine Erh\u00f6hung des Blutdruckes bewirkt.\nDass Reizung und Durchschneidung eines Pedunculus cerebri eine bedeutende Steigerung des Blutdruckes zur Folge hat, ist von mehreren Beobachtern gesehen worden: Druckerh\u00f6hung nach Reizung von Budge1, nach Durchschneidung von Afanasieff2 eine 10 \u201415 Tage dauernde Verengerung der Ohrarterien auf derselben Seite und bedeutendes Steigen des Druckes im Momente der Durchschneidung. \u2014 Es sind ferner Untersuchungen gemacht worden \u00fcber die reflectorischen Wirkungen einzelner Stellen der Grosshirnrinde auf die Blutgef\u00e4sse und die Temperatur : Eulenburg und Landois3 haben gefunden, dass die Zerst\u00f6rung gewisser Rindenbezirke des Vorderhirns beim Hunde eine betr\u00e4chtliche, auf Ge-f\u00e4sserweiterung beruhende Steigerung der Temperatur in den beiden contralateralen Extremit\u00e4ten (U/2\u20147\u00b0 C.) bewirkt, Hitzig4 5 best\u00e4tigte diese Beobachtungen; die Beobachter vermuthen, dass diese Gyri zum Tlieil centrale Endigungen der in den Pedunculi cerebri verlaufenden Ge-f\u00e4ssnerven darstellen. Danilewsky 5 fand bei electrischer Reizung der Pedunculi cerebri, der Cauda corporis striati, in geringerem Grade bei Reizung einzelner Gyri, bei Reizung der weissen Substanz unterhalb des Facialiscentrums Erh\u00f6hung des Blutdruckes. Bochefontaine6 beobachtete gleichfalls Druckerh\u00f6hung nach electrischer Reizung der Gehirnrinde, namentlich nach Reizung der Bezirke f\u00fcr die Extremit\u00e4ten (also \u00fcbereinstimmend mit Eulenburg und Landois), dagegen fand er, dass die Gehirnrindenreizung nach vorhergegangener R\u00fcckenmarks-durchschneidung Sinken des Druckes bewirkt. \u2014 Diesen Angaben widersprechen indess Vulpian7 und Kuessner8; letzterer nach Untersuchungen an Kaninchen.\nUntersuchungen \u00fcber vasomotorische Reflexe vom R\u00fccken marke aus sind in Ludwig\u2019s Institut von Asp und besonders von Dittmar9 angestellt worden : dass durch Reizung des centralen Theiles vom durchschnittenen Lendenmarke eine Druckerh\u00f6hung im arteriellen Systeme be-\n1\tJ. Budge, Arch. f. d. ges. Physiol. YI. S. 303. 1872.\n2\tAfanasieff, Meissner\u2019s Jahresber. 1870. S. 261.\n3\tEulenburg & Landois, Centralbl. f. d. med.Wiss. 1876. S. 260 ; Arch. f. pathol. Anat. LXVIII. S. 245. 1877.\n4\tE. Hitzig, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. S. 323.\n5\tDanilewsky jun. (u. Sczelkow in Charkow), Arch. f. d. ges. Physiol. XL S. 128. 1875.\n6\tBochefontaine, Compt. rend. LXXXIII. p. 233. 1876; Arch. d. physiol, norm, et pathol. 2. s\u00e9r. III. p. 140. 1876.\n7\tVulpian, Ibid. 2. s\u00e9r. III. p. 814. 1876.\n8\tKuessner, Centralbl. f. med. Wiss. 1877. S. 821.\n9\tDittmar, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1870. S. 18.\n28*","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nwirkt wird, hat Asp beobachtet. Dittmar hat theils die einzelnen Str\u00e4nge, tlieils St\u00fcmpfe des R\u00fcckenmarks, bei denen die eigentlichen sensiblen Fasern ausgeschlossen sein mussten, gereizt, und zwar mechanisch und electrisch, und bei einige Zeit andauernden, auch ganz schwachen Reizen Druckerh\u00f6hung im arteriellen Gebiete gefunden. Namentlich gilt dies auch von der Reizung eines R\u00fcckenmarksstumpfes, von welchem die Hinterstr\u00e4nge bis zur grauen Substanz der hintern H\u00f6rner abgesch\u00e4lt, die vorderen Wurzeln abgetrennt, der Stumpf der vorderen Str\u00e4nge, der Seitenstr\u00e4nge und der grauen Substanz durch Guttaperchapapier von dem \u00fcbrigen K\u00f6rper isolirt ist: dieser Stumpf ist \u00e4usserst empfindlich f\u00fcr ganz schwache Reize, indem Streichen mit einer stumpfen Nadel, ganz schwache, auf der Zungenspitze nicht mehr f\u00fchlbare Wechselstr\u00f6me sehr merkliche Drucksteigerung erzeugen. Dittmar schliesst daraus, dass innerhalb des R\u00fcckenmarks ein System von Fasern vorkommt, welche, obwohl sie nicht zu den Nervenwurzeln geh\u00f6ren, den directen Reizen zug\u00e4ngig sind \u2014 welche zugleich die empfangene Erregung durch die ganze L\u00e4nge des R\u00fcckenmarks hindurch fortpflanzen und sie endlich in der Medulla oblongata auf vasomotorische Nerven \u00fcbertragen. Diese, die Erregung leitenden Fasern sieht er als sensible oder aesthesodische (Schiff) an. Die Versuche sind an curaresirten Kaninchen angestellt worden.\nDittmar hat bei diesen Versuchen aber auch eine grosse Drucksteigerung bei Verletzung oder Reizung der Dura mater gefunden, z. B. regelm\u00e4ssig bei einfacher Er\u00f6ffnung des Durasackes. \u2014 Dagegen hat er keine vasomotorischen Reflexe durch Reizung der isolirten Vorderstr\u00e4nge erhalten, und ebenso wenig bei Reizung der Cauda equina.\nIY. Das vasomotorische Centrum,\nDa durch psychische Einwirkungen, durch Reizung sensibler und sympathischer und zu den Muskeln gehender Nerven an ihrem nach dem cerebrospinalen Centrum gehenden Ende, durch Reizung einzelner Gehirntheile und R\u00fcckenmarksstr\u00e4nge eine Ver\u00e4nderung des Blutdruckes im arteriellen Systeme unabh\u00e4ngig von der Herzth\u00e4tig-keit, und damit eine Erregung vasomotorischer Nerven bewirkt wird, so muss ein Organ angenommen werden, in welchem ein Uebergang der Erregung von den gereizten Nerven auf vasomotorische Nerven vermittelt wird. Der Nachweis eines solchen vasomotorischen Centralorganes l\u00e4sst sich auf dem Wege f\u00fchren, dass man erstens untersucht, welche Theile von Gehirn und R\u00fcckenmark entfernt oder ausgeschaltet werden k\u00f6nnen, ohne dass die Uebertragung der Erregung von sensiblen und andern Nerven auf vasomotorische Nerven unterbrochen wird \u2014 und indem man zweitens diejenigen Theile aufzufinden sucht, deren Zerst\u00f6rung das Ausbleiben jener Uebertragung zur Folge hat.\nAuf diesen Wegen ist man zu dem Resultate gelangt, dass ein","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"Das vasomotorische Centrum.\n437\nrefleetorisches Centralorgan f\u00fcr die Gef\u00e4ssnerven in der Medulla oblongata liegt, von welchem alle oder nahezu alle vasomotorischen Nerven des K\u00f6rpers innervirt werden, da eine Zerst\u00f6rung des R\u00fcckenmarks und des Gehirns bis zu einer bestimmten Grenze an der Medulla oblongata die Uebertragung von Reizen auf die vasomotorischen Nerven nicht verhindert, Zerst\u00f6rung der Medulla oblongata zwischen diesen Grenzen aber die Reflexion der Erregung aufhebt. Da mit der Zerst\u00f6rung oder Abspaltung dieses Organes eine Gef\u00e4sserweiterung in fast allen K\u00f6rpertheilen erfolgt, Reizung jener Stelle dagegen eine fast allgemeine Gef\u00e4ssverengerung bewirkt, so muss man annehmen, dass das in der Medulla oblongata gelegene vasomotorische Centrum nicht nur ein refleetorisches Organ, sondern ein tonisches Organ ist, von welchem ununterbrochen die vasomotorischen Nerven in einer mittleren Erregung erhalten werden, welche eine mittlere Spannung der Gef\u00e4ssmusculatur und mittleren Contrac-tionsgrad der Blutgef\u00e4sse bedingt. \u2014\nBeim Kaninchen sind die Grenzen des vasomotorischen Centrums am genausten bestimmt worden: seine untere Grenze (nach dem R\u00fcckenmark hin) liegt etwa 3 Mm. \u00fcber der Spitze des Calamus scriptorius, seine obere (Gehirn-) Grenze in der Fovea anterior, ungef\u00e4hr am oberen Rande des Corpus trapezoides, und zwar im vorderen Theile der Seitenstr\u00e4nge. Diesem Bezirk entspricht ein genauer ganglienhaltiger Kern (van Deen\u2019s unterer diffuser Theil der oberen Olive, Clarke\u2019s antero - lateral nucleus).\nAusser diesem vasomotorischen Centralorgan finden sich aber verschiedene Stellen im R\u00fcckenmarke und im. Gebiete des Sympathicus, welche Reflexe auf vasomotorische Nerven vermitteln, abgesehen von den in unmittelbarer Umgebung der Gef\u00e4sse oder in den Gef\u00e4sswan-dungen zu statuirenden Regulationsvorrichtungen. Der Zusammenhang dieser reflectorischen Herde mit dem vasomotorischen Centrum in der Medulla oblongata ist noch unklar. Ganz unerforscht sind die Bahnen in der Medulla oblongata, auf welchen die Ueberleitung von der Erregung einzelner Nerven auf bestimmte vasomotorische Nerven stattfindet.\nMit einer Art von divinatorischer Inspiration stellte vor 33 Jahren Henle 1 die Frage auf, \u201eob es ein Centralorgan f\u00fcr die Gef\u00e4sse gebe, in welchem deren Nerven Zusammenkommen, von wo aus alle oder doch gr\u00f6ssere Abtheilungen derselben regu-lirt werden\u201c. Diese Frage wurde zuerst von Schiff'1 2 einer experimen-\n1\tJ. Henle, Handb. d. rat. Patbol. I. S. 253. 1846.\n2\tM. Schiff, Unters. 3. Physiol, d. Nervensystems. S. 198\u2014219. 1855.","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438 Aubert. Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nteilen Untersuchung unterworfen, indem er bei Kaninchen, Hunden und Meerschweinchen halbseitige Durchschneidungen des Halsmarkes und halbseitige oder vollst\u00e4ndige Durchschneidungen des R\u00fcckenmarkes ausf\u00fchrte und die darnach entstehende Erweiterung der Gef\u00e4sse und Temperaturzunahme in ihrer Ausdehnung feststellte. Schiff fand nach Durchschneidung der einen H\u00e4lfte des Halsmarkes unterhalb des Calamus scrip -torius Temperaturerh\u00f6hung am Ohr, Nase, Zehen der Vorder- und Hinterbeine der gleichnamigen, dagegen an Hals, Schulter, Rippen und Lenden der entgegengesetzten Seite \u2014 nach Durchschneidung oberhalb des Calamus aber keine Temperaturerh\u00f6hung der gleichnamigen Extremit\u00e4ten, wohl aber der Nase und des Auges. Er schliesst daraus, dass \u201edas Centrum der Ge f \u00e4 s snerven im Niveau des Calamus liegt\u201c.\nVon neuem wurde die Frage des vasomotorischen Centrums wieder aufgenommen von Ludwig und seinen Sch\u00fclern. Durch die Untersuchungen von Ludwig und Thiry1 wurde zun\u00e4chst der Einfluss, welchen das Halsmark auf den Blutdruck unabh\u00e4ngig von der Herzth\u00e4tigkeit hat, bestimmt. Sie fanden, dass nach der Durchschneidung des Halsmarkes in der H\u00f6he des Atlas bei electrischer Reizung des R\u00fcckenmarkes unterhalb des Schnittes nicht nur eine bedeutende Erh\u00f6hung des Blutdruckes, sondern eine starke, theilweise bis zur Verschliessung gesteigerte Verengerung aller der directen Beobachtung zug\u00e4ngigen Arterien des ganzen K\u00f6rpers, mit Ausschluss der Kopfgef\u00e4sse, also der Arterien der oberen und unteren Extremit\u00e4t, der Phrenicae, Lienalis, Gastricae, Mesentericae, Renales, Vesicales, Uterinae. Damit war die Ansicht, dass der Druck bei R\u00fcckenmarkreizung die Folge von vergr\u00f6sserter Herzfrequenz sei, beseitigt; Ludwig und Thiry eliminirten diesen Einfluss gleichwohl noch besonders, indem sie die Verbindungsnerven zwischen R\u00fcckenmark und Herz galvanokaustisch zerst\u00f6rten. Die weiteren Untersuchungen Dittmar's2 unter Ludwig\u2019s Leitung wiesen dann nach, dass der Ort, wo die Reflexe von den sensiblen auf die vasomotorischen Nerven zu Stande kommen, in der Medulla oblongata gelegen ist, und dass nach der Trennung des Grosshirns von der Medulla die Reflexe in gleicher Weise, wie vor der Trennung zu Stande kommen: gehindert wird die Reflexion nur dann, wenn bei der Entfernung des Grosshirns der Durasack mit Blut gef\u00fcllt wird. Durch Owsjannikow3 und Ludwig wurde dann eine genauere Begrenzung des vasomotorischen Centrums in der Medulla durch Versuche an Kaninchen und Katzen ermittelt; Owsjannikow fand die obere Grenze desselben bei Kaninchen 1 \u2014 2 Mm. unterhalb der Vierh\u00fcgel, die untere Grenze 4\u20145 Mm. oberhalb der Spitze des Calamus scriptorius, also von oben nach unten in einer L\u00e4nge von 4 Mm.; ausserdem giebt Owsjannikow\u2019 an, dass die genannten Organe seitw\u00e4rts von der Mittellinie des verl\u00e4ngerten Markes liegen. Noch etwas genauer hat Dittmar4 sp\u00e4ter bei Ludwig die Grenzen des vasomotorischen Centrums bestimmt, wrie die\n1\tC. Ludwig & L. Thiry, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLIX. (2) S. 421. 1864.\n2\tDittmar. Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1873. S. 19.\n3\tOwsjannikow\u2019. Ebenda. 1871. S. 135.\n4\tDittmar, Ebenda. 1873. S. 449.","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"Das vasomotorische Centrum.\n439\nFigur, welche Dittmar gegeben hat, zeigt. Der vasomotorische Bezirk bildet nach Dittmar nur einen kleinen prismatischen Raum in dem vorderen Theile der Seitenstr\u00e4nge.\nDie Untersuchungsmethoden, welche von Owsjannikow und Dittmar angewendet wurden, sind in den Hauptz\u00fcgen folgende : An curaresirten Kaninchen, deren Vagi durchschnitten sind, und deren Carotis mit dem registrirenden Manometer in Verbindung gesetzt ist, werden entweder nach Freilegung der Medulla oblongata (Dittmar), oder nach Anlegung ' einer Reihe paarweiser kleiner Trepan\u00f6ffnun-gen neben der Mittellinie des Hinterhauptsbeines (Owsjannikow) nach einander Schnitte in auf- oder absteigender Ordnung durch die Masse des verl\u00e4ngerten Markes gemacht, auf einer oder auf beiden Seiten, und beobachtet, ob ein andauerndes Sinken des Druckes oder bei Reizung des Ischiadicus ein Steigen des gesunkenen Druckes stattfindet. Tritt ein Steigen ein, so ist das reflektorische Centrum noch nicht von dem Schnitte getroffen \u2014 tritt kein Steigen ein nach Reizung des sensiblen Nerven, so ist eine Zertrennung des vasomotorischen Centrums anzunehmen. Um eine ganz genaue, sichere und ihrer Gr\u00f6sse und Richtung nach zu bestimmende F\u00fchrung des Messerchens zu bewerkstelligen, hat Dittmar einen an dem Kopfhalter f\u00fcr das Kaninchen fest anzuschraubenden Apparat angebracht, mit einem in verschiedene H\u00f6he und Richtung stellbaren Schlitze, durch welchen das Messerchen hindurchgef\u00fchrt und die Medulla an einer bestimmten Stelle geradlinig durchschnitten wird. Nach Beendigung des Versuches wird die Medulla erh\u00e4rtet und untersucht, welche Stellen von dem Schnitte getroffen, welche Stellen von extravasirtem Blute durchzogen und welche Stellen intact geblieben sind.\nDa im Leben die Gef\u00e4sswandungen einen gewissen Tonus besitzen, welcher nach Zerst\u00f6rung der Medulla oblongata abnimmt, so dass ein Sinken des Blutdruckes, eine Erweiterung der Gef\u00e4sse und Temperaturerh\u00f6hung eintritt, wie die Versuche von Schiff schon bei einseitiger Mark-durchschneidung ergeben hatten, so wurde in Owsjannikow\u2019s und Ditt-mar\u2019s Versuchen auch darauf geachtet, ob der Druck nach Ausf\u00fchrung der Schnitte dauernd vermindert blieb, oder ob er zu seiner fr\u00fcheren H\u00f6he wieder heraufging. Die Versuche haben indess nicht ergeben, dass ausser dem reflectorischen Centrum noch ein besonderes tonisches (automatisches) Centrum anzunehmen ist.\nDas Grosshirn steht in keiner n\u00e4heren Beziehung zu dem vasomotorischen Centrum als das R\u00fcckenmark: Reizung von gewissen Stellen des Grosshirns bringt vasomotorische Ver\u00e4nderungen hervor,","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nwelche in eine Kategorie mit den vasomotorischen Erregungen nach Reizung sensibler Nerven zu stellen sind, aber durch die Exstirpation oder Ausschliessung des Grosshirnes wird die Wirksamkeit des Gef\u00e4sscentrums nicht ver\u00e4ndert.\nDass das Grosshirn nicht bedingend ist f\u00fcr das Zustandekommen von vasomotorischen Reflexen geht theils aus Beobachtungen von Heidenhain1 und von Nawalichin2, theils aus den Versuchen, welche Dittmar in seiner ersten Arbeit ver\u00f6ffentlicht hat, und welche von Latschenberger und Deahna3 best\u00e4tigt werden, auf das bestimmteste hervor, da diese Beobachter nach vollst\u00e4ndiger Exstirpation des Grosshirns beim Kaninchen und beim Hunde (Heidenhain) bei centraler Ischiadicusreizung die Erh\u00f6hung des Blutdruckes erhielten. Die gegenteiligen Resultate, welche von Bezold4 und Cyon5 erhielten, erkl\u00e4ren sich theils aus Ansammlungen von Blut im Durasack, wodurch die Leitung im R\u00fcckenmark vom Ischia-dicus her aufgehoben wird, theils aus einer Ersch\u00f6pfung der Medulla durch die starke Blutung bei der Gehirnexstirpation. Zur Vermeidung solcher Blutungen ist schon von Nowalichin statt der Durchschneidung des Gehirns \u00fcber der Medulla oblongata die U n t e r b i n d ii n g der G e -hirnarterien bei Katzen vorgenommen worden, welche sp\u00e4ter von S. Mayer6 in vollst\u00e4ndigster Weise ausgef\u00fchrt wurde und den Nachweis des Einflusses des vasomotorischen Centrums auf die K\u00f6rperarterien lieferte. Durch die MAYER\u2019schen Versuche allein w\u00fcrde allerdings eine n\u00e4here Bestimmung des Ortes des vasomotorischen Centrums nicht gegeben werden k\u00f6nnen, da es sogar scheinen k\u00f6nnte, als ob das \u201ecerebrale Centrum f\u00fcr die Vasomotoren\u201c nicht in der Medulla oblongata, sondern im Gehirn liegen m\u00fcsste, was indess nicht gemeint ist. Beim Hunde l\u00e4sst sich, wie Panum7 fand und Heidenhain8 und S. Mayer best\u00e4tigten, durch Zuklemmen der Art. vertebrales und der Carotiden der Blutstrom zum Gehirne nicht auflieben.\nAusser dem vasomotorischen Centrum in der Medulla oblongata kann aber auch durch das R\u00fcckenmark und das Lendenmark eine re fl ecto rische Gef\u00e4sserregung vermittelt werden, da Reizung des N. ischiadieus nach Zerschneidung des Lendenmarkes an seiner oberen Grenze oder nach Durchschneidung des R\u00fcckenmarkes eine Gef\u00e4ss- und Temperaturver\u00e4nderung in dem Beine der anderen Seite zur Folge hat.\nSchon Brown-S\u00e9quard9 hatte den Versuchen von Schiff entgegen aus seinen Versuchen den Schluss gezogen, dass das verl\u00e4ngerte Mark\n1\tE. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 510. 1870; IV. S. 552. 1871.\n2\tNawalichin, Centralbl. f. d. med. AViss. 1870. S. 483.\n3\tLatschenberger & Deahna, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 192. 1876.\n4\tvonBezold, Unters, \u00fcb. d. Innerv. d. Herzens. S. 273. 1863.\n5\tE. Cyon, Compt. rend. II. p. 568. 1S69.\n6\tS. Mayer, Sitzgsber. d. AViener Acad. LXXI1I. (3) S. 85. 1876.\n7\tPanum, Ztschr. f. klin. Med. (von G\u00fcnsburg) VII. S. 409. 1856.\n8\tHeidenhain, Studien d. physiol. Inst. z. Breslau. PV S. 87. 1868.\n9\tBrown-S\u00e9quard, Journ. d. physiol, de l\u2019homme. I. p. 209. 1858.","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"Das vasomotorische Centrum.\n441\nnicht das alleinige Centrum der Gef\u00e4ssnerven sei, und Goltz1 kam in seinen Versuchen \u00fcber den Tonus der Gef\u00e4sse zu dem Resultate, dass dasselbe beim Frosche von dem R\u00fcckenmarke abh\u00e4ngig sei, und dass dies nach den Versuchen von Le Gallois auch f\u00fcr S\u00e4ugethiere angenommen werden m\u00fcsse. Schlesinger'2 fand dann, dass nach Durchschneidung des Halsmarkes durch Strychnin vergift un g eine Erh\u00f6hung des Blutdruckes eintritt, und dass bei so behandelten Thieren durch Reizung sensibler Nerven reflectorische Blutdruckssteigerung hervorgerufen wird, woraus er auf vasomotorische Centra unterhalb der Medulla oblongata im R\u00fcckenmarke schliesst. Von ganz besonderem Werthe f\u00fcr diese Annahme sind aber Versuche von Goltz3, in denen er an Hunden, welchen das R\u00fcckenmark durchschnitten worden war, durch Reizung des durchschnittenen linken Ischiadicus am centralen Stumpfe erst Sinken, dann Steigen der Temperatur in dem rechten Fusse beobachtete, und zwar in einem Falle ein Steigen um 6,2\u00b0. Einen Versuch der Reflexwirkung auf die Gef\u00e4ssnerven des Penis bei durchschnittenem Lendenmarke von Goltz haben wir schon oben (S. 430) angef\u00fchrt. Bochefontaine4 beobachtete unter \u00e4hnlichen Bedingungen Drucksteigerung, wenn nach Zerquetschung des R\u00fcckenmarks in der H\u00f6he der vorderen Extremit\u00e4ten der Ischiadicus gereizt wurde. Versuche, welche Vulpian5 6 zur St\u00fctze der Annahme vasomotorischer Reflexapparate im R\u00fcckenmarke anstellte, ergaben Temperaturerniedrigung bei Reizung des Ischiadicus, Temperaturerh\u00f6hung bei Reizung der ungleichnamigen Pfote; die Ver\u00e4nderungen bei Vulpian sind nur gering. Auch Luchsinger9 best\u00e4tigte die Versuche von Goltz bez\u00fcglich der Gef\u00e4sserweiterung nach andersseitiger Ischiadicusreizung. Die Reflexerregbarkeit des R\u00fcckenmarks bei Unterbindung der gesammten Kopfarterien best\u00e4tigten Kabierske und Heidenhain7 in einer Anzahl von ihren Versuchen, sahen aber nicht immer den Druck bei Reizung des Ischiadicus steigen, selbst bei strychnisirten Thieren nicht constant. W\u00e4hrend Heidenhain die reflectorische Gef\u00e4ssverengerung mit H\u00fclfe des R\u00fcckenmarkes f\u00fcr zweifellos h\u00e4lt, findet er, dass der Umfang des von dem R\u00fcckenmarke beherrschten Gef\u00e4ssgebietes sehr viel kleiner ist, als der Umfang des von dem verl\u00e4ngerten Marke beeinflussbaren Gebietes.\nF\u00fcr den Frosch schliesst Nussbaum8 in Uebereinstimmung mit den fr\u00fcheren Versuchen von Lister9, dass beim Frosche das R\u00fcckenmark selbstst\u00e4ndig wie die Medulla oblongata die Gef\u00e4ssinnervation besorgt, da nicht nach Trennung des Gehirns und der Medulla oblongata, sondern erst nach Exstirpation des ganzen centralen Nervensystems der Gef\u00e4sstonus auf h\u00f6rt. Ausserdem werden nach Exstirpation des Gehirns und des verl\u00e4ngerten Markes Arteriencontractionen in Folge von Rei-\n1\tF. Goltz. Arch. f. Anat. u. Physiol. XXIX. S. 394.1864.\n2\tSchlesinger, Wiener med. Jahrb. 1874. S. 1.\n3\tGoltz, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 189. 1874.\n\u25a0i Bochefontaine, Arch, de physiol, norm, et pathol. 1876. p. 140.\n5\tVulpian, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. I. p. 266 u. fg. 1875.\n6\tLuchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 378 Anm. 1877.\n7\tR. Heldenhain & Kabierske, Arch. f. d. ges. Physiol. X. S. 518. 1875.\n8\tNussbaum, Ebenda. X. S. 374. 1875.\n9\tJ. Lister, Philos. Transact. 1858. p. 607.","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nzung sensibler Nerven beobachtet. \u2014 Die Innervationsverh\u00e4ltnisse der Scliwimmhautgef\u00e4sse sind aber nach den Untersuchungen von Huizinga 1 complicirter, da Hautreize bald reflectorische Verengerung, bald Erweiterung der Arterien in der Schwimmhaut zur Folge haben, was abh\u00e4ngig ist theils von der Entfernung der gereizten Stelle von der Schwimmhaut, theils von der St\u00e4rke des Reizes. Da Huizinga beobachtete, dass nach Durchschneidung des Plexus und Nervus ischiadicus Reizung der Zehen eine eben so starke Erweiterung der Arterien bewirkte, als am unversehrten Thiere, so schliesst er, dass die Arterien er Weiterung nicht von spinalen Centren, sondern von \u201elocalen Gef\u00e4sscentren\u201c abh\u00e4ngig ist (vgl. S. 422).\nIn welchem Zusammenh\u00e4nge das vasomotorische Centrum der Medulla oblongata zu den spinalen vasomotorischen Reflexapparaten steht \u2014 ob die letzteren nur vicariirend auftreten, oder ihre Wirksamkeit eine im Verh\u00e4ltniss zu der des Centrums im verl\u00e4ngerten Marke untergeordnete ist, geht aus den bisherigen Untersuchungen nicht hervor. Eine Generalisirung der an einer Thierart erhaltenen Resultate ist hier ganz besonders zu unterlassen \u2014 noch bedenklicher ist die Neigung Vulpian\u2019s, eine Analogie der reflectorischen Gef\u00e4ss-ver\u00e4nderungen mit den Reflexen auf motorische Nerven festzuhalten.\nDas vasomotorische Centrum in der Medulla oblongata wird durch den Wechsel im Gasgehalte des Blutes in seiner Erregung und Wirkung auf die Gef\u00e4ssnerven ver\u00e4ndert. Der Mangel an Sauerstoff im Blute und der Reichthum des Blutes an Kohlens\u00e4ure wirken in gleichem Sinne erregend auf das vasomotorische Centrum. Die Steigerung des Blutdruckes im arteriellen Systeme, welche durch Ath-mungssuspension, oder durch Athmung sauerstofffreier Luft, oder durch Athmung kohlens\u00e4urereicher Luft (bei unver\u00e4ndertem Sauerstoffgehalt) herbeigef\u00fchrt wird, beruht auf der Contraction aller kleinen Arterien. Sie tritt nicht oder nur in geringem Grade ein, wenn das R\u00fcckenmark zwischen den beiden oberen Wirbeln zerquetscht wird. Die respiratorischen Blutdruckschwankungen bei regelm\u00e4ssiger k\u00fcnstlicher Athmung an curaresirten Thieren sind die Folge des ver\u00e4nderten Sauerstoff- und Kohlens\u00e4uregehaltes im Blute \u2014 aber auch bei Athmungssuspension treten regelm\u00e4ssige periodische Druckschwankungen (unabh\u00e4ngig von der Herzfrequenz) auf, welche vielleicht auf einer Uebertragung der Erregungen des Athmungscentrums auf das Gef\u00e4sscentrum beruhen.\nNachdem Ludwig2 schon in seinen ersten Untersuchungen am Ky-mographion den Einfluss der Athmung auf den Blutdruck besonders her-\n1\tHuizinga, Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 207. 1875.\n2\tC. Ludwig. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1S47. S. 242.","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"Einwirkung der Blutgase auf das vasomotorische Centrum.\n443\nvorgehoben hatte, stellte er sp\u00e4ter mit Einbrodt1 Versuche \u00fcber den Einfluss des vermehrten, verminderten und des unver\u00e4nderten Respirationsdruckes auf den Blutdruck an. Es ergab sich bei diesen Beobachtungen, dass der Blutdruck nicht w\u00e4hrend der ganzen Dauer der Exspiration zunimmt, und die Inspiration den Mittelwerth des Blutdruckes nicht herabsetzt, dass vielmehr die Erh\u00f6hung des Blutdruckes nur im Beginne der Exspiration stattfindet, im weiteren Verlaufe derselben aber eine Abnahme erf\u00e4hrt und im Verlaufe der Inspiration steigt, also nicht von dem Luftdrucke in der Lunge und im Thorax, sondern von Nerven-einfliissen abh\u00e4ngig ist.\nTraube2 fand dann, dass bei curaresirten Hunden, deren Vagi durchschnitten waren, der Druck im Aortensysteme w\u00e4hrend der Einblasungen (bei k\u00fcnstlicher Respiration) um ein weniges steigt, unmittelbar nach der Einblasung aber schnell und betr\u00e4chtlich sinkt und hierauf wieder allm\u00e4hlich in die H\u00f6he geht, dass bei diesen respiratorischen Elevationen aber die'Herzfrequenz sich ganz gleich bleibt \u2014 er fand ferner, dass das Aufh\u00f6ren der Einblasungen stets ein Steigen des mittleren Blutdruckes, die Vermehrung der Zahl der Einblasungen ein Sinken, ihre Verminde-rung ein Steigen des Druckes zur Folge hat. Traube3 f\u00fchrte ferner den Nachweis, dass die Kohlens\u00e4ure des Blutes der nat\u00fcrliche Erreger der respiratorischen und der Herznervencentren sei \u2014 indess war es Thiry4 unter Ludwig\u2019s F\u00fchrung Vorbehalten, den Nachweis des vasomotorischen Einflusses der Athmung zu geben, indem er die starke Contraction aller kleinen Arterien bei starker Schwellung des blosgelegten Herzens beobachtete, wenn die Athmung unterbrochen wurde, wenn Wasserstoff oder ein irrespirables Gas geathmet wurde, ganz besonders aber bei Athmung eines Gemenges von 4/3 Kohlens\u00e4ure und 2 3 Sauerstoff.\nThiry wies also als die Ursache der von Traube beobachteten Steigerung des arteriellen Druckes die Zusammenziehung der kleinen Arterien (und die Schwellung des Herzens) nach, welche, wie sich weiter aus Ludwig und Thiry\u2019s5 Untersuchungen ergab, abh\u00e4ngig war von der Erregung des vasomotorischen Centrums der Medulla oblongata. Bald darauf best\u00e4tigte Traube6 die LuDwiG-THiRv\u2019schen Beobachtungen und stellte die S\u00e4tze auf: 1. dass die Suspension der Athmung bei curaresirten Thieren, denen das R\u00fcckenmark zwischen 1. und 2. Halswirbel zerquetscht und denen die Vagi durchschnitten sind, den Blutdruck nur wenig oder gar nicht steigert; 2. dass die grossen periodischen Schwankungen, welche man ohne R\u00fcckenmarkszerst\u00f6rung beobachtet, dann nicht auftreten; 3. dass das in der Medulla oblongata befindliche Centrum des vasomotorischen Nervensystems unter dem Einfluss der Blutkohlens\u00e4ure in eine periodische Th\u00e4tigkeit gerathen und in rhythmischer Weise Contraction und Erschlaffung der K\u00f6rperarterien hervorzurufen vermag.\n1\tEinbrodt, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XL. S. 361. 1860.\n2\tL. Traube, Allgem. med. Centralztg. 1862. No. 25; Ges. Beitr. z. Pathol. u. Physiol. I. S. 310. 1871.\n3\tDerselbe, Allgem. med. Centralztg. 1863. Nr. 97 11. 98; Beitr. I. S. 321.\n4\tThiry (und Ludwig), Centralbl. f. d. med. Wiss. 1864. S. 722.\n5\tLudwig u. Thiry. Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLIX. S. 421. 1S64.\n6\tL. Traube. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1865. S. 881.","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nDiese S\u00e4tze sind mehrfach angegriffen worden. Die Behauptung Pokrowsky\u2019s1, dass die auftretenden Wellen aus einer prim\u00e4r vermehrten Herzfrequenz abzuleiten seien, ist von keinem andern Beobachter best\u00e4tigt worden. Die Unabh\u00e4ngigkeit aller dieser Erscheinungen von der Herzth\u00e4tigkeit hat in unwiderlegbarer Weise Hering2 bewiesen, indem er das Herz durch ein Pumpwerk ersetzte, welches in die vom Herzen abgebundene Aorta defibrinirtes Blut rhythmisch einspritzte und durch ausgiebige Er\u00f6ffnung des rechten Vorhofes f\u00fcr freien Abfluss des Blutes sorgte: es gelang ihm (wenigstens in einem Versuche) die periodischen Schwankungen deutlich auftreten zu sehen.\nDie uns hier besonders interessirende Frage, ob die Blutdruckssteigerung und periodischen Druckschwankungen von dem vasomotorischen Centrum abh\u00e4ngig sind, ist von Kowalewsky und Adam\u00fck3 4 verneint worden, da weder Zerst\u00f6rung des R\u00fcckenmarkes zwischen dem ersten und zweiten Wirbel, noch Durchschneidung der Nn. splanchnici, noch Exstirpation des Plexus myentericus das Steigen des Druckes verhindert und auch die periodischen Schwankungen nicht aufhebt, aber allerdings ihr Eintreten sehr verz\u00f6gert; sie schliessen daraus, dass diese Erscheinungen von der Erregung der peripherischen Gef\u00e4ssnerven herr\u00fchren. Hering, welcher im Allgemeinen diese Angaben best\u00e4tigt, fand indess die nach der Mark-durchschneidung auftretenden Wellen in ihrer L\u00e4nge und H\u00f6he ausserordentlich verschieden von den ohne Markdurchschneidung auftretenden Wellen und legt beiderlei Wellenarten verschiedene Ursachen zu Grunde. Er fand ferner, dass die Tr a \u00fcbe\u2019sch en Wellen nicht blos nach der Suspension der Athmung mit dem Steigen des Druckes auftreten, sondern dass sie auch w\u00e4hrend der k\u00fcnstlichen Respiration auftreten, wenn ein gewisser Grad von Venosit\u00e4t des arteriellen Blutes erhalten wird, und er leitet sie daher ab von der rhythmischen Th\u00e4tigkeit des respiratorischen Nervencentrums. S. Mayer4 hat auf Grund ausgedehnter Untersuchungen \u00fcber Blutdrucksschwankungen die Annahme gemacht, dass die Traube-HERiNG\u2019sclien Wellen nur auftreten, wenn das vasomotorische Centrum functionsf\u00e4hig ist, und dass (im Anschl\u00fcsse an Hering) dieselben in direeter Beziehung zum Respirationscentrum stehen, dass n\u00e4mlich vom Athmungscentrum rhythmische Impulse nach dem Centrum f\u00fcr die Gef\u00e4ssinnervation \u00fcbergehen, welche durch ihre Ansammlung rhythmisch eine Verst\u00e4rkung des Tonus dieses Centrums hervorbringen. Die Integrit\u00e4t des vasomotorischen Centrums h\u00e4lt Mayer bedingend f\u00fcr das Auftreten der TRAUBE-HERiNG\u2019schen Wellen auf Grund von Versuchen, in denen nach Ausschaltung des vasomotorischen Centrums durch Zuklemmen s\u00e4mmtlicher Gehirnarterien die fr\u00fcher vorhandenen Wellen schwanden, nach L\u00f6sung der Klemmen und Erholung des Gehirns (beziehungsweise des vasomotorischen Centrums) aber wieder auftraten. Die Abh\u00e4ngigkeit jener Wellen von der Erregung des Athmungscentrums leitet Hering theils von der erforderlichen Venosit\u00e4t des Blutes, theils von der Beob-\n1\tPokrowsky, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1866. S. 59.\n2\tE. Hering, \u00e9itzgsber. d. Wiener Acad. LX. (2) S. 829. 1869.\n3\tKowalewsky & Adam\u00fck, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1868. S. 579.\n4\tS. Mayer, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXIV. (3) S. 281. 1876.","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Das vasomotorische Centrum.\n445\nachtung ab, dass bei einem gewissen Grade der Curaresirung rhythmische Zuckungen der Beine erfolgen, welche gleichen Rhythmus mit den Traube\u2019-schen Wellen zeigen, wenn die k\u00fcnstliche Athmung suspendirt wird; diese rhythmischen Beinbewegungen treten bei geringerer Curarevergiftung asso-ciirt mit den Athembewegungen auf, welche das Thier zu machen sucht, aber nur mangelhaft ausf\u00fchrt, und so m\u00fcssen also die rhythmischen Beinzuckungen wohl als der Ausdruck intendirter Athembewegungen angesehen werden.\nWas die von Kowalewsky und Adam\u00fck beobachteten Blutdruckssteigerungen nach Zerquetschung des Halsmarkes in Folge von Athmungs-suspension betrifft, so sind dieselben im Widerspruche mit den Beobachtungen von S. Mayer, so wie von Heidenhain und Kabierske1, welche letzteren nicht einmal bei solchen Thieren, bei welchen auf Reizung des Ischiadicus Blutdrucksteigerung erfolgte, eine Erh\u00f6hung des Druckes iu Folge von Athmungssuspension eintreten sahen. Welche Bedingungen zu den entgegengesetzten Resultaten gef\u00fchrt haben, ist bis jetzt nicht ermittelt \u2014 die Beobachtungen von Traube k\u00f6nnen jedenfalls nicht als widerlegt angesehen werden und damit wird die Annahme aufrecht zu halten sein, dass sowohl die Drucksteigerung nach Athmungssuspension, als auch die TRAUBE-HERiNG\u2019schen Druckschwankungen von einer Erregung des vasomotorischen Centrums hervorgebracht werden.\nZu entgegengesetztem Resultate sind in der letzten Zeit Kowalewsky'2 sowie Funke und Latschenberger3 gekommen, indem nach den Versuchsresultaten des ersteren die respiratorischen Druckschwankungen bei der k\u00fcnstlichen Athmung durch den Capacit\u00e4tswechsel des Lungencapiliarsy-stems \u2014 nach den beiden letzteren sowohl bei der k\u00fcnstlichen, als bei der nat\u00fcrlichen Respiration \u2014 also \u00fcberhaupt nicht durch vasomotorische Einfl\u00fcsse hervorgebracht werden. \u2014 Indess vergleiche man die diese Ansicht erheblich restringirenden Untersuchungen von Luchsinger4 und von Zuntz5.\nDa nach der Trennung des vasomotorischen Centrums von dem R\u00fcckenmarke eine Erweiterung aller Ge fasse eintritt, so muss man annehmen, dass w\u00e4hrend des Lebens fortw\u00e4hrend Erregungen von diesem Centrum auf die Gef\u00e4ssnerven ausgehen, welche eine gewisse mittlere Spannung der Gef\u00e4ssmusculatur zur Folge haben. Das vasomotorische Centrum ist daher sowohl ein reflectorischer als auch ein tonischer Apparat. Da sich einige Zeit nach R\u00fccken-markdurchschneidung und auch nach Durchschneidung von Nerven-st\u00e4mmen der Tonus der Gef\u00e4sse wieder herstellt, so m\u00fcssen auch an der Peripherie der Gef\u00e4ssnerven Apparate, welche den arteriellen Tonus erhalten k\u00f6nnen, vorhanden sein.\n1\tHeidenhain & Kabierske, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 518. 1877.\n2\tKowalewsky, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. I. S. 416. 1S77.\n3\tFunke & Latschenberger, Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 405. 1877.\n4\tLuchsinger, Ebenda. XVI. S. 518 u. fg. 1877.\n5\tZuntz, Ebenda. XVII. S. 374. 1878.","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nY. Ursprung und Verlauf der Gef\u00e4ssnerven.\nDie Gef\u00e4ssnerven verlaufen theils mit spinalen, theils mit sympathischen Nerven gemischt und stehen offenbar mit dem R\u00fcckenmarke, und durch dasselbe mit dem vasomotorischen Centrum in der Medulla oblongata in Verbindung. Andrerseits stehen sie in Verbindung mit verschiedenen Ganglien im Gebiete des Sympathicus. Ueber die Verbindung der vasomotorischen Nerven im R\u00fcckenmarke mit denen in dem verl\u00e4ngerten Marke ist uns nichts N\u00e4heres bekannt. Die allgemeine Frage, wo die Gef\u00e4ssnerven ihren Ursprung haben, kann sich nur darauf beziehen, ob die Gef\u00e4ssnervenfasern von den Ganglienzellen des Sympathicus entspringen, oder von irgend welchen Ganglienzellen im Gehirn. \u2014 In diesem Sinne hat man die Frage auf physiologischem Wege nur an einzelnen Regionen zu beantworten versucht, indem man die Resultate der Exstirpation einzelner Ganglien verglich mit den Resultaten der Exstirpation bestimmter vom R\u00fcckenmark zu diesen Ganglien gehender Nerven\u00e4ste: die gewonnenen Resultate f\u00fchren zu der Annahme, dass die Gef\u00e4ssnerven vom R\u00fcckenmarke kommen, d. h. cerebrospinal en Ursprung haben. Ausserdem hat man die Frage auf anatomischem Wege zu l\u00f6sen versucht, indem man die Methode der Degeneration der von ihrem Centrum getrennten Nerven auf die sympathischen Fasern des Grenzstranges anwendete, welche zu dem Resultate f\u00fchrte, dass dieselben ihren Ursprung im R\u00fcckenmark haben m\u00fcssen.\nDie Frage nach dem Verlaufe der vasomotorischen Nerven von dem R\u00fcckenmarke nach den Gef\u00e4ssen l\u00e4sst sich l\u00f6sen, indem man untersucht, ob die vasomotorischen Nerven mit den motorischen oder sensiblen Wurzeln, welche einen K\u00f6rpertheil versorgen, vereinigt austreten, oder ob sie auf einem anderen Wege zu den Nervenst\u00e4mmen gelangen: ersteren Falles muss die Durchschneidung der den Nervenstamm bildenden Wurzeln denselben Erfolg haben, wie die Durchschneidung des Nervenstammes selbst, letzteren Falles muss die Gef\u00e4ssver\u00e4nderung bei Durchschneidung des Nervenstammes Unterschiede zeigen von dem Verhalten der Gef\u00e4sse bei Durchschneidung der Wurzeln und es sind dann die Wege der Gef\u00e4ssnerven mittelst neuer Durchschneidungsversuche an anderen Nerven oder Nervenwurzeln zu ermitteln. Die Versuche haben ergeben, dass die Gef\u00e4ssnerven zum T h e i 1 den motorischen Wurzeln sich anschliessen, zum gr\u00f6ssten Theile aber auf anderen Wegen zu ihrem Ge-f\u00e4ssbezirke gelangen. Wir m\u00fcssen den Verlauf der Gef\u00e4ssnerven in","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"Ursprung und Verlauf der Gef\u00e4ssnerven.\n447\nden einzelnen Bezirken des K\u00f6rpers gesondert verfolgen, wobei sich zugleich ihr Ursprung ergeben wird.\n1. Die vasomotorischen Ohrnerven kommen theils durch den N. auricularis cervicalis, aus dem zweiten und dritten Cervicalnerven, theils aus dem obersten Halsganglion des Sympathicus, doch stammen die Gef\u00e4ssnerven im Sympathicus f\u00fcr das Ohr aus dem R\u00fcckenmark in der Gegend der unteren Hals- und der obersten Brustwirbel.\nGerade die Gef\u00e4ssnerven des Kaninchenohres sind besonders zur St\u00fctze f\u00fcr den Ursprung von Gef\u00e4ssnerven aus dem Sympathicus benutzt worden. Diese Ansicht wurde namentlich von Bernard1 festgehalten, von Brown-S\u00e8quard'2, Budge und Waller3, Schiff4 dagegen die Annahme gemacht, dass die Gef\u00e4ssnerven aus dem R\u00fcckenmarke k\u00e4men. Letztere Annahme hatte schon Stilling5, welcher den Sympathicus als \u201e Vasomotorius \u201c bezeichnet haben wollte, gemacht, da er sagt: \u201eDer Vasomotorius ist ein System von Bewegungsnerven, das seinen Ursprung im R\u00fcckenmark hat.a \u2014 Bald nach Brown-S\u00e9quard fanden auch Budge und Waller, dass die Zerst\u00f6rung des R\u00fcckenmarks in der Gegend vom letzten Halswirbel bis zum dritten Brustwirbel dieselben Erscheinungen bez\u00fcglich der Erw\u00e4rmung und R\u00f6thung des Ohres hervorrufe, wie die Durchschneidung des Hals-sympathicus. In einer fr\u00fcheren Untersuchung hatte Budge6 diese Stelle als Centrum f\u00fcr die Irisbewegung erkannt, und als Centrum cilio-s pin ale bezeichnet, dasselbe ist zugleich als Ursprungsstelle f\u00fcr die Gef\u00e4ssnerven des Ohres ermittelt worden. Ausser Bernard stimmen die genannten Autoren darin \u00fcberein, dass durch die beiden unteren Hals- und die zwei oder drei oberen Brustnervenwurzeln die vasomotorischen Fasern f\u00fcr das Ohr beim Kaninchen verlaufen. Bernard dagegen hat zwar die Erscheinungen am Auge nach Durchschneidung der beiden ersten R\u00fcckenmarkswurzeln beobachtet, behauptet aber, dass die Gef\u00e4sserscheinungen von dem sympathischen Brustganglion abh\u00e4ngig sind. Nach Vulpian7 nimmt Brrnard indess auch an, dass die Gef\u00e4ssnerven des Halssympa-thicus im Niveau des dritten und vierten Dorsalnerven entspringen. \u2014 Nach den Versuchen von Salkowsky8 \u00fcber das Ciliospinalcentrum entspringen die Gef\u00e4ssnerven des Ohres beim Kaninchen oberhalb des Atlas, verlaufen ohne Kreuzung im R\u00fcckenmark nach abw\u00e4rts und treten durch die vorderen Wurzeln des siebenten und achten Halsnerven und ersten und zweiten Brustnerven aus, um sich von hier an den Halssympathicus zu begeben.\n1\tCl. Bernard, Compt. rend. LV. p. 228. 1862, sowie seine fr\u00fcheren Aufs\u00e4tze \u00fcber den Sympathicus in den Compt. rend. 1852 u. 1853.\n2\tBrown-Sequard, Philadelphia medical Examiner 1852. p. 489 ; Le\u00e7ons sur les nerfs vasomoteurs, p. 13. 1872.\n3\tBudge & Waller, Compt. rend. XXXVI. p. 377. 1853.\n4\tSchiff, Unters, z. Physiol, d. Nervensystems. S. 167 u. fg. 1855.\n5\tStilling, Unters, \u00fcb. die Spinalirritation. S. 166. 1840.\n6\tJ. Budge, Ueb. d. Beweg, d. Iris. S. 109. 1855 ; Compt. rend. XXXIII. p. 472.\n1852.\n7\tVulpian, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. I. p. 223. 1875.\nS E. Salkowsky, Ztschr. f. rat. Med. XXIX. S. 167. 1867.","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\n2.\tDie im N. splanchnic us enthaltenen Gef\u00e4ssnerven stammen gleichfalls aus dem R\u00fcckenmarke und treten durch die Wurzeln des Grenzstranges in den Splanchnicus ein.\nEs ist theils durch die Untersuchungen von Bever und von Bezold 1 und besonders von M. und E. Cyon2 dargethan worden, dass Reizung des Cerviealtheiles des R\u00fcckenmarks die bedeutende Drucksteigerung, welche derselben folgt, durch den Splanchnicus bewirkt, indem nach Durchschnei -dung des Splanchnicus die Blutdruckssteigerung vollkommen ausbleiben soll \u2014 theils hat Asp3 (und Ludwig) gefunden, dass die vasomotorischen Centralorgane auf sehr vielen Wegen in Verbindung treten mit dem Splanchnicus: s\u00e4mmtliche Wurzeln des Grenzstranges n\u00e4mlich ergaben bei der Reizung, dass die Arterien des Unterleibes sich in fast eben so ausgedehntem Maasse verengerten, wie bei Reizung des Splanchnicus maior und minor selbst.\n3.\tDie Gef\u00e4ssnerven f\u00fcr die vordere Extremit\u00e4t gehen jedenfalls durch die obersten Brustganglien zu den \u00fcbrigen Nervenplexus der vorderen Extremit\u00e4t und kommen aus dem R\u00fcckenmark \u2014 ob sie aber theilweise mit den Nervenwurzeln f\u00fcr die Vorderextremit\u00e4ten austreten, ist controvers.\nWohl wegen der technischen Schwierigkeiten der Operation sind die vasomotorischen Nerven der Vorderextremit\u00e4t verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig wenig untersucht worden. Nur Schiff4, Bernard5 6 und Cyon3 haben die Effecte der Durclischneidung der Armplexuswurzeln und der Exstirpation der oberen Brust- und des untersten Halsganglien untersucht und stimmen darin \u00fcberein, dass die Exstirpation dieser Ganglien eine Erh\u00f6hung der Temperatur der betreffenden Extremit\u00e4t hervorbringt. Die Beobachter differiren aber in Bezug auf die Wirkung der Durclischneidung der Nervenwurzeln auf die Gef\u00e4sserweiterung in der Extremit\u00e4t. Nach Schiff, welcher zuerst die Operation der Ganglienexstirpation ausf\u00fchrte, indem er mit dem Finger tastend die Ganglien in der Brusth\u00f6hle aufsuchte und mittelst des Fingernagels entfernte (sp\u00e4ter bediente er sich dazu ebenso wie Bernard eines eigens zu diesem Versuche besonders gekr\u00fcmmten Hakens), betr\u00e4gt die Temperaturerh\u00f6hung in der Interdigitalmembran 4fg \u2014 63 4 u (verglichen mit der gesunden Extremit\u00e4t). Ebenso fand Bernard, dass nach Zerst\u00f6rung des obersten Brustganglion Temperaturerh\u00f6hung und Gef\u00e4ssausdeh-nung in der Extremit\u00e4t eintritt, und dass eine isoiirte Reizung dieses Ganglion eine Verengerung der Gef\u00e4sse und ein Absinken der Temperatur bewirkt. Bernard fand ferner, dass nach Trennung der zum obersten Brustganglion gehenden oberen, unteren und \u00e4usseren F\u00e4den, aber bei Erhaltung der zum Plexus brachialis gellenden inneren Aeste, der-\n1\tBever & von Bezold, Unters, a. d. physiol. Inst. z. W\u00fcrzburg. 1S67. S. 314.\n2\tM. & E. Cyon, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1867. S. 401.\n3\tAsp, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1868. S. 135.\n4\tSchiff, Unters, z. Physiol, d. Nervensystems. 1855. S. 176; Compt. rend. LV. p. 425. 1862.\n5\tCl. Bernard, Ibid. p. 305.\n6\tE. Cyon, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1S68. S. 73.","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Ursprung und Verlauf der Gef\u00e4ssnerven.\n449\nselbe Effect, wie bei Zerst\u00f6rung der Ganglien und die Erscheinungen bei Reizung des Ganglion dieselben sind; wie ohne die Abtrennung der genannten Aeste. Bernard schliesst hieraus; dass die vasomotorischen Nerven einen von den Bewegungs- und Empfindungsnerven verschiedenen Ursprung haben, giebt aber die M\u00f6glichkeit zu, dass die vasomotorischen Fasern von einem h\u00f6her oder tiefer gelegenen Orte des R\u00fcckenmarks kommen. \u2014 Schiff fand nun nach Durchschneidung der vier untersten Hals- und der drei obersten R\u00fcckenmarkswurzeln eine bedeutende Temperaturdifferenz (9\u00b0) zu Gunsten der gel\u00e4hmten Seite. In seiner zweiten Versuchsreihe unterscheidet Schiff Gef\u00e4ssnerven f\u00fcr Fuss, Unterarm und Thorax von Gef\u00e4ssnerven f\u00fcr die Schulter und einen Theil des Unterarmes: erstere kommen von den vorderen Wurzeln des Plexus, letztere gehen von den Brustganglien direct, ohne zum Plexus zu gehen, zu den Gef\u00e4ssen. Hat man erst die Wurzeln durchschnitten und dadurch die Temperatur erh\u00f6ht, und durchschneidet dann die gel\u00e4hmten Nerven in der Achselh\u00f6hle noch einmal, so wird der Vorderarm noch w\u00e4rmer \u2014 die Schulter ver\u00e4ndert ihre Temperatur aber \u00fcberhaupt nicht. Bernard dagegen fand nach Durchschneidung der drei unteren Hals- und der zwei ersten R\u00fcckenmarkswurzeln keine Temperatursteigerung, wenn jede Verwundung des R\u00fcckenmarkes und des obersten Brustganglion vermieden wird. \u2014 Obgleich Cyon nach Durchschneidung der drei untersten Haisund der zwei obersten R\u00fcckenmarkswurzeln eine, allerdings nicht bedeutende Erh\u00f6hung der Temperatur in der Pfote fand, und in Uebereinstim-mung mit Schiff und Bernard eine bedeutende Erh\u00f6hung nach Exstirpation der Brustganglien, so kommt er doch zu der Annahme, dass die Gef\u00e4ssnerven f\u00fcr die Pfote der vorderen Extremit\u00e4t im Grenzstrange verlaufen und von unten her in das oberste Brustganglion treten 5 Cyon fand n\u00e4mlich, dass Durchschneidung des Grenzstranges zwischen der zweiten oder dritten bis zur siebenten und achten Rippe ebenso gut Temperaturerh\u00f6hung bewirkte, als Exstirpation des Brustganglion, aber dass die Durchschneidung eines Ramus communicans keine merkliche Gef\u00e4sser-weiterung veranlasst, sondern nur die mehrerer, und schliesst daraus, dass die Gef\u00e4ssnerven aus dem Ganglion thoracicum supremum (stellatum) zum Plexus brachialis durch mehrere Rami communicantes gehen. \u2014 Cyon hat eine anatomische Darstellung und Topographie der hier in Betracht kommenden Nervenwurzeln gegeben.\n4. Die vasomotorischen Nerven der hinteren Extremit\u00e4ten kommen aus dem R\u00fcckenmark, gehen theilweise mit den musculo-motorischen oder sensiblen Nervenwurzeln zusammen zum Hliftnerven, treten aber gr\u00f6sstentheils mit h\u00f6her gelegenen R\u00fcckenmarkswurzeln aus und verlaufen durch den Grenzstrang und Bauchstrang des Sympathicus zum Plexus ischiadicus und mit diesem zu den Gef\u00e4ssen.\nBernard1 fand nach Durchschneidung s\u00e4mmtlicher Lumbosacralwur-\n1 Cl. Bernard, Ann. d. sciences nat. 4. s\u00e9r. I. p. 186.\np. 228. 1862.\nHandbuch der Physiologie. Ed. IV.\n1854; Compt.rend. LV.\n29","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nzeln des Hundes keine Temperaturerh\u00f6hung oder Gef\u00e4sserweiterung, Schiff1 fand nach Durchschneidung der beiden letzten Lumbar- und der drei ersten Sacralwurzeln (nicht, wie Heidenhain-Ostroumoff sagt, der Sacral-wurzeln) eine Temperaturerh\u00f6hung, aber eine viel geringere, als nach Durchschneidung des Ischiadicus, und er schliesst daraus, \u201e dass die Ge-f\u00e4ssnerven des Ischiadicus aus R\u00fcckenmarkswurzeln, welche h\u00f6her oder tiefer liegen, als die, welche-dem H\u00fcftnerven seine sensiblen und musculo-motorischen Fasern zuf\u00fchren, entspringen \\ Diesen Satz best\u00e4tigen Versuche Brown-S\u00e8quard\u2019s2 in Bezug darauf, dass die Urspr\u00fcnge h\u00f6her im R\u00fcckenmarke liegen, denn er fand Gef\u00e4ssausdehnung nach Durchschneidung der f\u00fcnf unteren Dorsal wurzeln \u2014 und ebenso Versuche von Ostroumoff (Heidenhain)3, welche fanden, \u201e dass die L um bar wurzeln der S\u00e4uge-thiere zahlreiche Gef\u00e4ssfasern f\u00fcr die Pfote bergenu. Schiff giebt ferner an, dass der Plexus ischiadicus theils durch Verbindungs\u00e4ste der spinalen Plexus, theils durch Rami communicantes des Grenzstranges Communi-cationen mit den h\u00f6her gelegenen Spinalnerven eingeht. Ostroumoff und Heidenhain haben nun direct nachgewiesen, dass die Durchschneidung des Bauchsympathicus erhebliche Temperatursteigerung, Reizung desselben mittelst tet\u00e0nisirender Str\u00f6me dauernde Temperaturverminderung zur Folge hat. Auch haben dieselben gefunden, dass die Gef\u00e4ssnerven dann durch den Stamm des Ischiadicus zu den Gef\u00e4ssen gelangen, da nach der Durchschneidung des Ischiadicusstammes die Reizung des Bauchsympathicus keine Gef\u00e4ssver\u00e4nderung mehr in der Pfote bewirkt. Ostroumoff und Heidenhain haben aber weiter nachgewiesen, dass schon oberhalb des Lendenmarkes Gef\u00e4ssnerven vom R\u00fcckenmark in den Sympathicus eintreten, denn nach Durchsclmeidung des R\u00fcckenmarkes an der oberen Grenze des Lendenmarkes kann man reflectorisch durch Reizung am Vorderk\u00f6rper Temperatursteigerung in den Hinterf\u00fcssen erhalten. Dass aber auch mit den Wurzeln des Ischiadicus Gef\u00e4ssnerven zu der Pfote verlaufen, ist von Stricker4 5 f\u00fcr Hunde und k\u00fcrzlich von Puelma und Luchsinger J f\u00fcr die Katze nachgewiesen und damit die Angabe Schiff\u2019s best\u00e4tigt worden; letztere fanden eine st\u00e4rkere Injection an derjenigen Pfote, deren Ischiadicus, als an derjenigen, wo der gleichseitige Bauchstrang durchschnitten war \u2014 bei starker Erw\u00e4rmung des Thieres kehrte sich das ^ erh\u00e4ltniss um (cf. S. 421).\nBeim Frosche treten die Gef\u00e4ssnerven gleichfalls theils mit den Wurzeln des Plexus ischiadicus, theils mit h\u00f6heren V urzeln aus dem R\u00fcckenmarke aus und gehen durch den Grenzstrang zum Plexus ischiadicus. Dass Gef\u00e4ssnerven mit den vorderen, zum Ischiadicus gehenden R\u00fcckenmarkswurzeln zu den Arterien der Schwimmhaut verlaufen, ist von Pfl\u00fcger6 zuerst gezeigt worden, da er durch electrische Reizung jener V urzeln eine Verengerung der Arterien (bei Ausschluss von Muskelbewegungen)\n1\tSchiff, Unters, z. Physiol, d. Nervensystems. S. 168 u. fg. 1855; Compt. rend. LV. p. 462. 1862.\n2\tBrown-S\u00e9q\u00fcard, Gaz. m\u00e9d. de Paris. 1856. No. 16. 17. 23.\n3\tOstroumoff (Heidenhain), Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 219. 1876.\n4\tStricker, Sitzgsber. d. V iener Acad. LXXIV. (3) S. 173. 1876._\n5\tPuelma & Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. X\"\\ III. S. 489. 1878.\n6\tEd. Pfl\u00fcger, Allgem. med. Centralztg. 1855. S. 537. 601.","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"Ursprung und Verlauf der Gef\u00e4ssnerven.\n451\neintreten sah. Dass ausserdem aber auch durch den Grenzstrang vasomotorische Nerven zu den Arterien in der Schwimmhaut des Frosches treten, ist von Huizinga1 durch folgenden Versuch nachgewiesen worden: der Wirbelkanal wird hinter den Brachialnerven er\u00f6ffnet, der dahinter liegende Theil des R\u00fcckenmarkes zerst\u00f6rt und das Thier 24 Stunden in Ruhe gelassen; Reizung der Vorderpfote bringt dann reflectorische Ge-f\u00e4ssverengerung in der Schwimmhaut der Hinterf\u00fcsse hervor; wird bei einem solchen Frosche der Grenzstrang in der Bauchh\u00f6hle zwischen dem dritten und vierten Ganglion durchschnitten, so h\u00f6rt aller Reflex von der Vorderpfote auf die Schwimmhautarterien der Hinterf\u00fcsse auf. Es folgt daraus, dass nicht alle vasomotorischen Nerven der Schwimmhaut aus dem Lendenmarke kommen und in den vorderen R\u00fcckenmarkswurzeln verlaufen, sondern dass sie zum Theil aus der Brachialanschwellung des R\u00fcckenmarkes entspringen, dann aber im Sympatliicus nach hinten verlaufen und sich dem Plexus ischiadicus beimischen.\nDurch den Versuch von Huizinga ist ein schon 1842 von von Walther2 untersuchtes Problem gel\u00f6st worden, welches seitdem viele andere Beobachter3 besch\u00e4ftigt hat, ohne zu einem positiven Resultate zu f\u00fchren.\n5. Die Untersuchungen \u00fcber den Verlauf der vasomotorischen Fasern innerhalb des R\u00fcckenmarkes haben sich haupts\u00e4chlich auf die Frage concentrirt, ob eine Kreuzung der Gef\u00e4ssnerven im R\u00fcckenmarke stattfindet. Die halbseitigen R\u00fcckenmarksdurch-schneidungen von der Medulla oblongata bis zum unteren Theile des Brustmarkes haben f\u00fcr die meisten K\u00f6rpertheile einen gleichseitigen Verlauf ergeben, nur f\u00fcr einzelne Regionen hat sich eine gekreuzte Wirkung herausgestellt. Die vasomotorische Wirkung der Markdurck-schneidungen ist meistens durch Temperaturmessungen an den verschiedenen K\u00f6rpertheilen gepr\u00fcft worden, in einigen Versuchen durch die F\u00fchlbarkeit des Arterienpulses.\nDie Untersuchungen \u00fcber die vasomotorischen Wirkungen halbseitiger Markdurchschneidung sind in gr\u00f6sster Ausdehnung von Schiff4 an Hunden, Katzen, Kaninchen und Meerschweinchen gemacht worden, nachdem vorher Brown-S\u00eaquard5 halbseitige Durchschneidungen in der Gegend des dritten oder vierten R\u00fcckenwirbels, Vulpian6 eine solche an der Medulla oblongata des Meerschweinchens ausgef\u00fchrt hatte. Sp\u00e4ter wurden von\n1\tHuizinga, Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 207. 1875.\n2\tA. von Walther, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1842. S. 444.\n3\tF. Bidder, Ztschr. f. rat. Med. IV. S. 353. 1846. \u2014 Axmann, Beitr. z. microsc. Anat. u. Physiol, d. Gangliennervensystems. 1853. S. 83. \u2014 Lothar Meyer, Arch. f. pathol. Anat. VI. S. 581. 1854. \u2014 Schiff, Unters, z. Physiol, d. Nervensystems. 1855. S. 182.\n4\tSchiff, Unters, z. Physiol, d. Nervensystems. 1855. S. 195.\n5\tBrown-S\u00e9quard , Experimental researches applied to Physiology and Pathology. p. 75. New-York 1853.\n6\tVulpian, Recherches sur l\u2019origine de plusieurs paires de nerfs cr\u00e2niens. Th\u00e8se inaugurale. Paris 1853 ; citirt bei Vulpian, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur I. p. 208. 1875.\n29*","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 1. Cap. Die Innervation der Arterien.\nvon Bezold1 die ScHiFF\u2019schen Versuche wiederholt. Schiff und von Be-zold machten die Markdurchschneidungen in der Gegend des Calamus scriptorius und Schiff fand eine Temperaturerh\u00f6hung auf derjenigen K\u00f6rperh\u00e4lfte des Thieres, auf welcher die Durchschneidung ausgef\u00fchrt war, aber nur am Kopf, an den Ohren, dem Vorderarm und Unterschenkel, an den Vorder- und Hinterf\u00fcssen und an den Zehen \u2014 w\u00e4hrend Rumpf, Schultern, Oberarm und Oberschenkel ein wenig k\u00e4lter auf der Seite der Verletzung, als auf der entgegengesetzten Seite waren. Schiff schliesst daraus auf eine gekreuzte Leitung im R\u00fcckenmarke f\u00fcr die zuletzt genannten Theile, an welchen \u00fcbrigens die Temperaturdifferenzen erheblich geringer gefunden wurden, als an den \u00fcbrigen K\u00f6rpertheilen. An den Theilen mit gekreuzter Wirkung erhielt sich die Temperaturdifferenz wochenlang, bis zum Tode des Thieres, w\u00e4hrend an den Theilen mit gleichseitiger Wirkung die Differenz in den n\u00e4chsten Tagen und Wochen nach der Operation etwa um ein Drittheil abnahm. Ferner fand Schiff den Puls in den Gliedern der der Operation entsprechenden Seite bei weitem gr\u00f6sser, voller und st\u00e4rker f\u00fchlbar, als auf der andern Seite. Analoge Temperaturverh\u00e4ltnisse hat auch von Bezold in seinen Versuchen gefunden. W\u00e4hrend nun Schiff das Verhalten der Temperaturen \u201eunerwartet und merkw\u00fcrdig\u201c findet, und eine gekreuzte Wirkung, beziehungsweise Leitung im R\u00fcckenmark annimmt, kann sich von Bezold zu dieser Annahme nicht entschliessen, sondern glaubt die verminderte Temperatur in dem Rumpfe, Oberarm, Oberschenkel von der musculo-motorischen L\u00e4hmung ableiten zu k\u00f6nnen, da die relative Temperaturverminderung sich an denjenigen Theilen zeige, welche mit grossen Muskelmassen versehen sind. \u2014 Auf diese Weise kommen beide Forscher trotz gleicher Versuchsresultate zu entgegengesetzten Schl\u00fcssen, indem Schiff einen theilweise gekreuzten Verlauf der vasomotorischen Fasern im R\u00fcckenmarke, den experimentellen Befunden entsprechend, annimmt, von Bezold die Annahme eines gekreuzten Verlaufes vermeiden zu k\u00f6nnen glaubt. \u2014 Vulpian stellt, ohne n\u00e4here Angaben zu machen, die von Schiff gefundenen und von von Bezold best\u00e4tigten Thatsachen in Abrede ; er giebt ausserdem an, dass beim Frosche nach Durchschneidung der einen R\u00fcckenmarksh\u00e4lfte die Hautgef\u00e4sse des Beines derselben Seite st\u00e4rker entwickelt seien.\nYI. Die rhythmischen Bewegungen der Arterien.\nAu verschiedenen Stellen des K\u00f6rpers wird ein Wechsel in der Weite der Arterien beobachtet, welcher unabh\u00e4ngig von Herzth\u00e4tig-keit und Athmung mit einer gewissen Regelm\u00e4ssigkeit stattfindet, so dass eine Zeit lang die Gef\u00e4sse verengert sind, dann eine Erweiterung eintritt, welche eine gewisse Zeit andauert. Dieser Wechsel ist als Rhythmik oder rhythmische Bewegung der Arterien bezeichnet worden. Er findet mit einer gewissen, aber in weiten\n1 A. von Bezold, Ztschr. f. wissensch. Zoologie. IX. S. 307. 1858.","page":452},{"file":"p0453.txt","language":"de","ocr_de":"Die rhythmischen Bewegungen der Arterien.\n453\nGrenzen schwankenden Regelm\u00e4ssigkeit statt bei ein und derselben Thierart, ein und demselben Individuum, ein und derselben Arterie. Er ist namentlich beobachtet worden am Ohr des Kaninchens, an der Arteria saphena des Kaninchens, an der Schwimmhaut des Frosches. Durchschneidung der zu diesen Theilen gehenden Nerven hebt die rhythmischen Bewegungen nur zeitweise auf, sie stellen sich einige Zeit nach der Nervendurchschneidung wieder her. Sie k\u00f6nnen daher nicht als von centralen Erregungen bedingt angesehen werden, sind aber auch nicht unabh\u00e4ngig von den cerebrospinalen vasomotorischen Centren, da Reizung der verschiedensten Nerven dieselben zeitweilig aufheben kann.\nDie rhythmischen Bewegungen sind zuerst von Schiff1 an den Arterien des Kaninchenohres beobachtet und folgendermassen beschrieben worden: die grosse mittlere Ohrarterie erscheint an einem frei und ruhig sitzenden Kaninchen im gegebenen Momente als ein \u00e4usserst schmaler, rotlier Strich \u2014 nach kurzer Zeit f\u00fcllt sich die Arterie von der Wurzel nach der Spitze zu strotzend voll Blut und es werden sehr viele kleine Gef\u00e4sse sichtbar, von denen fr\u00fcher gar keine Spur vorhanden war. Nachdem die Erweiterung kurze Zeit zugenommen, werden die Gef\u00e4sse wieder enger, so dass ihr Lumen ganz oder beinahe verschwindet, und auf diese Verengerung folgt wieder eine neue Erweiterung und so fort. In der Minute erfolgt die Bewegung 2 bis 8 mal; der contraliirte Zustand dauert l\u00e4nger als der expandirte. Schiff wies zugleich die Unabh\u00e4ngigkeit dieser Bewegungen von Ver\u00e4nderungen des Blutdruckes nach; da er sie aber nach Durchschneidung des Halssympathicus meistens und nach Zerst\u00f6rung der sogenannten Ciliospinalgegend (s. S. 447. V, 1) des R\u00fcckenmarks immer aufh\u00f6ren und die Arterien im erweiterten Zustande beharren sah, da er ferner durch psychische und sensible Reize eine St\u00f6rung und Unterbrechung der rhythmischen Bewegungen bewirken konnte, so schloss er, dass dieser Rhythmus abh\u00e4ngig von dem centralen Nervensystem sei. Indess hatte er doch schon partielle Contractionen der erweiterten Arterien nach der Durchschneidung der Nerven beobachtet. \u2014 Bez\u00fcglich der Dauer und Regelm\u00e4ssigkeit der Contractionen der Ohrarterien wurde sp\u00e4ter von van der Becke Callenfels, Voit, Vul-pian, Roever2 nur die Abweichung von der ScmFF\u2019schen Darstellung gefunden, dass die Dauer noch gr\u00f6sseren Schwankungen (von 1 bis 10 Minuten f\u00fcr die Erweiterung) unterworfen sein kann \u2014 bez\u00fcglich der Abh\u00e4ngigkeit vom Nervensystem, dass einige Tage, manchmal schon am n\u00e4chsten Tage nach der Durchschneidung des Halssympathicus oder Exstirpation des Ganglion cervicale supremum die rhythmischen Bewegungen wieder auftreten. Doch macht Roever in dieser Beziehung darauf auf-\n1\tSchiff, Arch. f. physiol. Heilk. XIII. S. 523. 1854.\n2\tvan her Becke Callenfels, Ztschr. f. rat. Med. N. F. VIL S. 157. 1855. \u2014 Voit, Ber. d. Deutsch. Naturf.-Vers. z. Carlsruhe. 1858. S. 221. \u2014 Vulpian, Gaz. m\u00e9d. de Paris. 1857. No. 1. \u2014 Roever, Krit. u. exper. Unters, d. Nervensystems auf die Blutgef\u00e4sse. 1869. S. 17.","page":453},{"file":"p0454.txt","language":"de","ocr_de":"454\nAubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse.\nmerksam, dass nach Durchschneidung des Halssympathicus noch die andere Quelle der vasomotorischen Innervation durch den Auricularis bestehen bleibe; Beobachtungen dar\u00fcber, ob nach Durchschneidung beider Nerven die rhythmischen Bewegungen bestehen bleiben, scheinen nicht gemacht worden zu sein.\nFerner sind beim Kaninchen rhythmische Bewegungen an der Ar-teria saphena beobachtet worden und zwar zuerst von Riegel1; der Rhythmus verh\u00e4lt sich hier aber etwas anders als an den Ohrarterien: die Art. saphena zeigt in ihrem Verlaufe engere und weitere Stellen, die engeren erweitern sich, w\u00e4hrend die angrenzenden weiteren sich verengern und nach einigen Secunden sich dann wieder erweitern \u2014 oder die Arterie ist gleichm\u00e4ssig in ihrem ganzen Verlaufe verengert und erweitert sich nun vom centralen Ende her in ganzer Ausdehnung und verengert sich nach etwa einer halben Minute wieder; auch kann die Erweiterung oder Verengerung an einer peripherischen Stelle oder mitten im Verlaufe der Arterie beginnen und centralw\u00e4rts fortschreiten. Auch an anderen Hautgef\u00e4ssen hat Riegel derartige Erscheinungen beobachtet, ohne n\u00e4here Angaben dar\u00fcber zu machen. Die Kaninchen, an denen Riegel seine Beobachtungen machte, waren aufgebunden und theils un-vergiftet, theils chloralisirt, theils curaresirt. Vulpian best\u00e4tigt die Beobachtungen Riegel\u2019s f\u00fcr die Saphena.\nRhythmische Bewegungen sind ferner an den Arterien der Fro sc lisch wimmhaut beobachtet worden und zwar wahrscheinlich zuerst von Gunning2, welcher an nicht curaresirten Fr\u00f6schen Verengerungen der Arterien unabh\u00e4ngig von Bewegungen des Thieres und darnach folgende Erweiterungen auftreten sah ; auch 14 Tage nach Durchschneidung der Nerven des Beines und der sympathischen F\u00e4den sah Gunning diese rhythmischen Arteriencontractionen in der Schwimmhaut auftreten. Rhythmische Contractionen beobachtete ferner Saviotti3 an den Schwimmhautarterien schwach curaresirter Fr\u00f6sche, und fand sie vielfach wechselnd und unregelm\u00e4ssig der Dauer und Intensit\u00e4t nach; Saviotti fand indess binnen 2 Tagen nach der Durchschneidung des Ischiadicus keine rhythmischen Contractionen, woraus er schliesst, dass die Innervation (vom R\u00fcckenmarke her) auf dieselben einen entschiedenen Einfluss hat. Indess fand Riegel und sp\u00e4ter auch Nussbaum4 in Uebereinstimmung mit Gunning, dass kurze Zeit nach Durchschneidung des Ischiadicus'die rhythmischen Bewegungen wieder auftreten. Ganz besondere Aufmerksamkeit auf die Abh\u00e4ngigkeit der Arterienrhythmik in der Froschschwimmhaut von dem Nervensystem hat aber Huizinga5 verwendet: er fand die Frequenz der Contractionen sehr verschieden, das gew\u00f6hnliche Intervall\n1\tRiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 356. \u2014 Die Angabe Vulpian\u2019s (Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. I. p. 82), dass Lov\u00e9n die rhythmischen Bewegungen an der Art. saphena zuerst beobachtet habe, beruht auf einem Irrthum.\n2\tGunning, Onderzoekingen over bloedsbeweging en stasis. Utrecht 1857. \u2014 Vulpian nennt mit Unrecht Wharton Jones als den ersten, welcher schon 1853 die rhythmischen Bewegungen der Arterien in der Froschschwimmhaut beobachtet h\u00e4tte.\n3\tSaviotti, Arch. f. pathol. Anat. L. S. 608. 1870.\n4\tRiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 356. 1871. \u2014 Nussbaum, EbendaX. S. 374. 1875.\n5\tHuizinga, Ebenda. XI. S. 207. 1875.","page":454},{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Innervation der Venen, Capillaren und des kleinen Kreislaufs. 455\n1\u20142 Minuten, \u00d6fters aber auch Intervalle von 20\u201430 Secunden; an ein und derselben Arterie fand er aber den Wechsel sehr regelm\u00e4ssig. Bei schwacher Curarevergiftung persistiren die rhythmischen Contractionen, bei starker Curaresirung h\u00f6ren sie auf, obgleich die reflectorischen Contractionen dann noch deutlich eintreten. Huizinga ermittelte ferner, dass zwei Tage nach Durchschneidung des Plexus und des Nervus ischia-dicus die rhythmischen Bewegungen in der Schwimmhaut des entsprechenden Fusses sehr deutlich vorhanden sind, w\u00e4hrend, wie zu erwarten war, Reflexe von den Vorderbeinen aus nicht eintreten: die rhythmischen Bewegungen k\u00f6nnen daher nicht vom R\u00fcckenmarke ausgehen. Diesen Schluss unterst\u00fctzen die Beobachtungen des Vorganges der rhythmischen Contraction selbst, indem n\u00e4mlich die Contractionen nicht an allen Arterien zugleich stattfinden, auch manchmal rhythmische Contractionen nur an dem einen Arterienzweige auftreten, w\u00e4hrend ein benachbarter Arterienzweig unver\u00e4ndert bleibt, endlich auch der Rhythmus in verschiedenen Arterien ein und derselben Schwimmhaut sehr verschiedene Frequenz zeigen kann. Die Beobachtung Nussbaum\u2019s, dass nach Exstirpation des ganzen centralen Nervensystems die rhythmischen Arteriencontractionen aufh\u00f6ren, kann nach Huizinga nicht als ein Beweis f\u00fcr die Abh\u00e4ngigkeit der Arterienrhythmik von dem R\u00fcckenmarke angesehen werden, da dieser Eingriff so kolossal ist, dass die Thiere sich nicht wieder erholen und es nicht wieder zu einer normalen Circulation \u00fcberhaupt kommt \u2014 h\u00f6chstens 24 Stunden \u00fcberleben Fr\u00f6sche diese Operation. \u2014 Huizinga macht auf Grund seiner Versuche die Annahme, dass die Arterienrhythmik in der Frosch schwimm haut von \u201elocalen Centren\u201c der Gef\u00e4sswand ausgeht.\nDie Ursache und der Zweck der Arterienrhythmik sind unbekannt.\nGegen die Auffassung Schiff\u2019s, dass die rhythmischen Bewegungen eine die Herzth\u00e4tigkeit unterst\u00fctzende Einrichtung seien, spricht die Unregelm\u00e4ssigkeit derselben \u2014 gegen die Auffassung von van der Becke Callenfels, dass die rhythmischen Bewegungen der Arterien des Kaninchens einen Regulator f\u00fcr die Eigenw\u00e4rme des Thieres bilden, spricht der Umstand, dass die rhythmischen Bewegungen auch bei Fr\u00f6schen beobachtet werden, bei welchen eine Wirkung auf die Eigenw\u00e4rme wohl als ausgeschlossen angesehen werden d\u00fcrfte.\nZWEITES CAPITEL.\nDie Innervation der Venen, Capillaren und des\nkleinen Kreislaufs.\nI. Die Innervation der Teilen.\nDa die meisten Venen Ringmuskeln und Nervenplexus von \u00e4hnlicher Beschaffenheit wie die Arterien besitzen, auch die Venen auf verschiedene Reize sich contrahiren, so werden wir \u00e4hnliche Inner-","page":455},{"file":"p0456.txt","language":"de","ocr_de":"456 Aubert. Innervation der Blutgef\u00e4sse. 2. Cap. Die Innervation der Venen.\nvationsverh\u00e4ltnisse f\u00fcr sie wie f\u00fcr die Arterien voraussetzen d\u00fcrfen. Dazu kommt, dass an einzelnen Organen rhythmische Contraction en der Venen beobachtet worden sind. Endlich ist ein Tonus der Venen, eine gewisse mittlere Spannung derselben nachgewiesen, und wenigstens f\u00fcr den Frosch auch die Abh\u00e4ngigkeit dieses Tonus von dem R\u00fcckenmarke und dem verl\u00e4ngerten Marke dargethan, ein Verh\u00e4ltniss, welches wahrscheinlich auch f\u00fcr die S\u00e4ugethiere Geltung hat.\nUeber das Vorkommen von ringf\u00f6rmig angeordneten Muskeln in den verschiedenen Venen hat namentlich Eberth1 detaillirte Angaben gemacht; \u00fcber die Nerven derselben hat u. a. Henocque2 gehandelt. \u2014 Die Contraction freigelegter Venen ist oft gesehen und seit Verschuir3 mitunter besonders erw\u00e4hnt worden. Sehr leicht kann man die Contractilit\u00e4t der Venen an sich selbst beobachten, wenn man, wie Gubler4 entdeckte, auf eine der Dorsalvenen der Hand etwa mit einem Schl\u00fcsselbart oder Percussionshammer aufschl\u00e4gt : man sieht dann die getroffene Stelle der Vene sich mehr oder weniger stark zusammenziehen und viele Secunden con-trahirt bleiben.\nVersuche \u00fcber die Veneninnervation sind verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig nur wenige angestellt worden; von Wharton Jones5 wurden die rhythmischen Bewegungen in den Venen der Fledermausfl\u00fcgel beobachtet und Schiff6 best\u00e4tigte .dieselben bei Vespertilio pipistrellus, wo er sie frequenter als Wharton Jones bei seiner nicht bestimmten Art, \u00fcbrigens vom Morgen bis zum Abend an Frequenz zunehmend fand \u2014 auch ermittelte Schiff, dass diese Venenrhythmik in der Armanschwellung des R\u00fcckenmarks ihr Centralorgan hat; er fand, dass nach Durchschneidung des Armgeflechtes diese Venen weiter werden und sich st\u00e4rker mit Blut f\u00fcllen. \u2014 Riegel7 macht nur die unbestimmte Angabe, dass er Contractionen mit unregelm\u00e4ssigem Rhythmus an kleinen Venen beobachtet habe.\nDie wichtigsten Untersuchungen \u00fcber die Innervation der Venen sind von Goltz8 angestellt worden und zwar an Fr\u00f6schen. Die GoLTz\u2019schen Versuche liefern den Nachweis 1., dass die Venen eine gewisse mittlere Spannung, einen Tonus ihrer Muskeln besitzen, welcher f\u00fcr den Blut-\n1\tEberth, Strieker\u2019s Gewebelehre. 1871. S. 200.\n2\tHenocque, Du mode de la distribution et de la terminaison des nerfs dans les muscles lisses. Th\u00e8se inaug. de Paris 1870. (Nach Yulpian, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. I. p. 33. 1875.)\n3\tYerschuir, De arteriarum et venarum vi irritabilia. Groningen 1766. Exp. 10. 17. 18. \u2014 Die \u00fcbrige Literatur s. bei Henle, Allgem. Anat. S. 516. 1841 ; Lund. Physiologische Resultate der Yivisectionen neuerer Zeit. S. 140. 1825.\n4\tGubler, Compt.rend. d. 1. soc. de biologie. 1849. p. 79. (Nach Yulpian, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. I. p. 70 citirt.)\n5\tWharton Jones. Nach Yulpian, Le\u00e7ons sur l\u2019appareil vasomoteur. I. p. 74 ist die Arbeit von Wharton Jones in London medico-chirurg. Transactions 1853. Inden deutschen Jahresberichten habe ich nichts dar\u00fcber finden k\u00f6nnen.\n6\tSchief, Arch. f. physiol. Heilk. XIII. S. 527. 1854; Unters, z. Physiol, d. Nervensystems. 1855. S. 181.\n7\tRiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. IY. S. 355. 1871.\n8\tGoltz. Centralbl. f. d. med.Wiss. 1863. No. 38 (vorl\u00e4ufige Mittheilung); Arch f. pathol. Anat. XXYIII; XXIX. S. 394. 1864.","page":456},{"file":"p0457.txt","language":"de","ocr_de":"Capillaren und des kleinen Kreislaufs.\n457\nlauf die Bedeutung\u2019 hat, dass er eine Ansammlung des Blutes, wie sie in den erschlafften Venen stattfindet, durch den Druck der Wandung auf das Blut verhindert; 2. dass dieser Tonus der Venen vom R\u00fcckenmarke und von dem verl\u00e4ngerten Marke ressortirt; 3. dass er wahrscheinlich durch den Bauchs y mp at hie us zu den Venen nicht nur des Bauches, sondern der meisten K\u00f6rpertheile geleitet wird; 4. dass er auf reflectorischem Wege unterdr\u00fcckt werden kann. Folgende Experimente von Goltz weisen dies nach:\nKlopft man einem vertical gestellten Frosche mit einem Spatel wiederholt auf den Bauch, so wird das Herz bald ganz blutleer und das Blut sammelt sich in den Venen, welche strotzend mit Blut gef\u00fcllt erscheinen; diese Ansammlung des Blutes in den Venen ist die Folge einer Erschlaffung der Venenwand; bleibt der Frosch einige Zeit in dieser Stellung, so beobachtet man, dass das Herz sich allm\u00e4hlich wieder mit Blut f\u00fcllt und die Venen ihr Blut austreiben, indem sich ihre Wandungen zusammenziehen. \u2014 Ist bei einem solchen Frosche vor oder gleich nach dem Klopfen das R\u00fcckenmark gest\u00f6rt worden, so bleiben die Venen erweitert und das Herz blutleer. Dieser Versuch ist vielfach von Goltz variirt worden, indem die Venen des Bauches nach der Erweiterung durch das Klopfen in Bezug auf ihre F\u00fcllung beobachtet sind, nachdem das Herz ausgeschnitten worden war \u2014 oder dass durch einen Aderlass am Bein Blutarmuth des Herzens erzeugt wird, welche bei erhaltenem Gehirn und R\u00fcckenmark allm\u00e4hlich durch Zusammenziehung der Venen aufgehoben wird, bei gest\u00f6rtem R\u00fcckenmark aber nicht u. s. w. \u2014 Goltz \u00e4nderte ferner den Versuch darin ab, dass er das eine Mal das R\u00fcckenmark, andere Male das verl\u00e4ngerte Mark, einmal den Grenzstrang des Sympathicus auf beiden Seiten zerst\u00f6rte : bei erhaltenem verl\u00e4ngerten Marke und zerst\u00f6rtem R\u00fcckenmarke und ebenso bei erhaltenem R\u00fcckenmark und zerst\u00f6rtem verl\u00e4ngerten Marke stellte sich der Tonus der Venen wieder her \u2014 nach Zerst\u00f6rung beider, sowie nach Zerst\u00f6rung des Grenzstranges stellte sich der Gef\u00e4sstonus aber nicht wieder her.\nFerner hat Goltz eine analoge Gef\u00e4ssl\u00e4limung auf reflectorischem Wege bewirkt, indem er den Magen und Darm eines vertical gestellten Frosches aus der ge\u00f6ffneten Bauchh\u00f6hle hervorzieht, und nachdem er denselben stark zwischen den Fingern gequetscht hat, die ganze Darmmasse unterbindet und vor der Ligatur abschneidet : das Herz wird eben so blutleer, wie nach dem Klopfversuche, allm\u00e4hlich stellt sich der Tonus der Gef\u00e4sse und damit der Blutlauf wieder her. Derselbe Erfolg l\u00e4sst sich erzielen, wenn man, nachdem der Kreislauf wieder hergestellt ist, die Ligatur und damit die unterbundenen Darmnerven mit tetanisirenden Str\u00f6men reizt.\nGoltz hat nur an Fr\u00f6schen seine Versuche angestellt ; Versuche, welche Legallois1 an S\u00e4ugethieren gemacht hat, glaubt Goltz in gleichem Sinne deuten zu k\u00f6nnen ; ein von Riegel2 am curaresirten Kaninchen angestellter Versuch wird von demselben in gleicher Weise, wie die GoLTz\u2019schen Versuche an Fr\u00f6schen gedeutet.\n1\tLegallois, Experiences sur le principe de la vie. p. 212 u. fg. 1812.\n2\tRiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 362. 1871.","page":457},{"file":"p0458.txt","language":"de","ocr_de":"458 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 2. Cap. Die Innervation der Venen.\nII. Die Contractilit\u00e4t (Innervation?) der Capillaren.\nVon einer Innervation der Capillargef\u00e4sse zu sprechen, ist man nach den bis jetzt vorliegenden Untersuchungen kaum berechtigt, da ein Einfluss des Nervensystems auf den Contractionszustand derselben bis jetzt nicht nachgewiesen ist. Anatomisch ist allerdings ein Herantreten von Nerven an die Capillar Wandungen beobachtet worden, verschiedene Contractionszust\u00e4nde sind gleichfalls nachgewiesen worden, endlich ist eine Einwirkung verschiedener Einfl\u00fcsse, der Electricit\u00e4t, des Sauerstoffs und der Kohlens\u00e4ure auf die Zellen der Capillarw\u00e4nde ermittelt worden, so dass an einer Reizbarkeit der Capillar wand ungen nicht gezweifelt werden kann. Eine Beziehung irgend welcher Nerven zu diesen Contrac-tionen ist aber nicht nachgewiesen, sondern im Gegentheil keine Contraction der Capillaren bei Reizung von Nerven gefunden worden.\nVon Tomsa, Liepmann, Tolotschinoff, Kessel1 sind marklose Nervenfasern an die Capillarwand gehend gesehen worden, ohne dass es gelungen w\u00e4re, die Nervenfaser in einen Capillarkern zu verfolgen. \u2014 Es sind ferner von Stricker2 zuerst Beobachtungen \u00fcber Contraction von Capillaren und Wiedererweiterung derselben an Froschlarven und an der ausgeschnittenen Nickhaut von Fr\u00f6schen gemacht worden. Golubew3 beobachtete, dass nach Reizung mit Inductionsschl\u00e4gen die \u201espindelf\u00f6rmigen Elemente\u201c der Capillarwand sich verk\u00fcrzen und verdicken und sich zugleich in eine feink\u00f6rnige peripherische und eine hellere centrale Partie difterenziren : durch diese Verdickung der Spindelelemente werde das Lumen der Capillaren so verengert, dass Blutk\u00f6rperchen nicht mehr passiren k\u00f6nnten. Tarchanoff4 best\u00e4tigte diese Beobachtungen an mit Alkoholmischung bewegungslos gemachten Froschlarven, und fand, dass durch eleetrische Str\u00f6me die Spindelelemente sich\u2018verk\u00fcrzen, verdicken und in das Lumen der Capillaren hineinragen der Art, dass das Lumen betr\u00e4chtlich verengt und manchmal ganz aufgehoben wird, dass aber nach Aufh\u00f6ren des Reizes die Capillaren in die fr\u00fchere Form zur\u00fcckgehen. Tarchanoff beobachtete sogar, dass bei Verschluss vieler Capillaren eine Stromverlangsamung und geringe Dilatation in den zugeh\u00f6rigen Arterien eintrat. Eine Einwirkung auf die Capillaren der Schwimmhaut durch Reizung deslschiadicus konnte er nicht finden.\nStricker5 beobachtete starke Verengerung der gesammten C a -pilla rwand, wenn die Froschlarven in alkoholhaltiges Wasser gebracht\n1\tTomsa, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1869. S. 562. \u2014 Liepmann, Die Nerven der organischen Muskeln. Diss. inaug. Berlin 1869. \u2014 Tolotschinoff, Arch. f. microsc. Anat. V. S. 509. 1869. \u2014 Kessel, Strieker\u2019s Gewebelehre. 1871. S. 854. Fig. 284.\n2\tStricker, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LI. (2) S. 16. 1865; LII. (2) S. 379. 1866.\n3\tGolubew, Arch. f. microsc. Anat. V, S. 49. 1869.\n4\tTarchanoff, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 407. 1874.\n5\tStricker, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXIV. (3) S. 313. 1876.","page":458},{"file":"p0459.txt","language":"de","ocr_de":"Capillaren uncl des kleinen Kreislaufs.\n459\nwurden und Wiedererweiterung\u2019, wenn sie in gew\u00f6hnliches Wasser kamen; ferner hat Stricker bei Aufenthalt der Froschlarven in schw\u00e4cherer Alkoholmischung einen unregelm\u00e4ssigen Wechsel in der Weite der Capillaren beobachtet, nicht einen bestimmten Rhythmus. Er best\u00e4tigte ausserdem die Beobachtungen von Golubew und Tarchanoff und machte Versuche mit electrischer Reizung an dem Mesenterium des Frosches, in welchen er Verengerung der Capillaren nicht constant beobachtete.\nDie Versuche \u00fcber die Contractilit\u00e4t der Capillaren sind k\u00fcrzlich von Severini1 erweitert worden durch den Nachweis, dass die Spindelelemente zu einer das Capillarlumen beeinflussenden Formver\u00e4nderung gebracht werden k\u00f6nnen durch Einwirkung von Sauerstoff, und dass sie in andererWeise sich ver\u00e4ndern bei Einwirkung von Kohlens\u00e4ure \u2014 er hat dies ausser an Froschlarven auch an dem Mesenterium von Meerschweinchen, welche seit mehreren Stunden get\u00f6dtet und in der K\u00e4lte aufbewahrt worden waren, beobachtet. Severini beschreibt dies folgender-massen (S. 95): \u201eDie Wirkung des Sauerstoffs zeigt sich sofort durch eine mehr und mehr zunehmende Verdickung der Wandkerne, welche schon nach 1\u20142 Minuten ihr Maximum erreicht, verbunden mit einer Verk\u00fcrzung und mit einer Ausbauchung, durch welche das Lumen des Gef\u00e4sses betr\u00e4chtlich beschr\u00e4nkt wird. H\u00e4ufig, aber nicht immer, l\u00e4sst sich eine gleichm\u00e4ssige Zusammenziehung der Capillarwand auch an Stellen constatiren, wo keine spindelf\u00f6rmigen Kerne liegen. \u2014 Die Wirkung der Kohlens\u00e4ure besteht in einer Verschm\u00e4lerung und Verl\u00e4ngerung der Kerne, w\u00e4hrend doch eine gewisse Ausbauchung nach der Aussenseite hin bestehen bleibt, und ausserdem immer in einer Erweiterung des Lumens auch an solchen Stellen, wo keine Kerne liegen. \u201c Severini hat seiner Abhandlung Abbildungen von diesen Formver\u00e4nderungen an den Capillaren der Nickhaut des Frosches und des Mesenteriums vom Meerschweinchen beigegeben.\nIII. Die Innervation des Lungenkreislaufs.\nDie bisherigen Untersuchungen haben zu dem Resultate gef\u00fchrt, dass der Lungenkreislauf sehr viel weniger von dem Nervensysteme abh\u00e4ngig ist, als der K\u00f6rperkreislauf, indem Eingriffe in das Nervensystem sehr bedeutende Druckver\u00e4nderungen im arteriellen System des K\u00f6rpers bewirken, w\u00e4hrend der Druck im rechten Herzen oder in der Pulmonalarterie nur wenig steigt oder sinkt. Unter der Voraussetzung, dass der Druck im Lungenkreisl\u00e4ufe unabh\u00e4ngig ist von den Druckverh\u00e4ltnissen des grossen Kreislaufes, wird eine Drucksteig er un g in der Pulmonalarterie bewirkt durch electrische Reizung des verl\u00e4ngerten Markes und durch Athmungs-suspension, ein Sinken des Druckes durch Zerst\u00f6rung des verl\u00e4ngerten Markes. Durchschneidung und Reizung der Nn. vagi peri-\n1 L. Severini, Ricerche sullainnervazione dei vasi sanguigni. p. 93 u. fg. Perugia\n1878.","page":459},{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"460 Aubert, Innervation der Blutgef\u00e4sse. 2. Cap. Die Innerv. d. Lungenkreislaufs.\npli er is ch oder central, Reizung der Splancknici, Reizung des centralen N. ischiadicus haben dagegen keinen oder einen ganz minimalen Einfluss auf den Druck in der Pulmonalarterie.\nAbgesehen von den Versuchen, in welchen eine Lungenver\u00e4nderung durch die Durchschneidung beider Vagi herbeigef\u00fchrt wird, deren Resultate wegen der Complication der eintretenden St\u00f6rungen nicht eindeutig genug sind, sind von Badoud1 und von Lichtheim2 Versuche \u00fcber die Blutdrucks\u00e4nderungen in dem rechten Ventrikel, beziehungsweise in der Pulmonalarterie angestellt worden, welche \u00fcbereinstimmend ergaben, dass durch Riickenmarksdurchschneidung bei Hunden der Blutdruck in der Carotis sehr stark, in der Pulmonalarterie wenig sinkt, umgekehrt bei Reizung des R\u00fcckenmarkes in der Carotis enorm steigt, in der Pulmonalarterie sich wenig erhebt. Die von beiden Forschern angegebenen Zahlen differiren aber absolut und relativ sehr bedeutend. Lichtheim konnte auf reflectorischem Wege, durch Reizung des centralen Vagusoder Ischiadicusstumpfes keine Erh\u00f6hung des Blutdruckes in der Pulmo-nalis bewirken, wohl aber durch Athmungssuspension. Zuntz3 konnte auch durch Athmungssuspension keine deutliche Ver\u00e4nderung in der Blutf\u00fclle oder der Gr\u00f6sse der Blutung aus kleinen Schnitten beobachten. \u2014 Lichtheim findet ferner \u00fcbereinstimmend mit Frey4, dass Durchschneidung der Vagi oder Reizung des peripherischen Vagusstumpfes keinen Einfluss auf den Druck in der Lungenarterie, beziehungsweise auf die Farbe der Lungen hat. \u2014 Da die meisten Versuchsresultate von Badoud und Lichtheim Zweifel dar\u00fcber lassen, ob durch den Einfluss vasomotorischer, gef\u00e4ssverengernder Nerven die Drucksteigerung in der Pulmo-nalis bewirkt wird, ob dieselbe nicht die Folge der Drucksteigerung im grossen Kreisl\u00e4ufe ist, so ist von besonderem AVerthe ein Versuch von Lichtheim, in welchem bei der Athmungssuspension eine Blutdrucksteigerung in der Lunge n art er ie ohne gleichzeitige Steigerung des Druckes in der Carotis erhalten wurde. Auf Grund dieses Versuches h\u00e4lt Lichtheim die Existenz von vasomotorischen Nerven der Lungengef\u00e4sse f\u00fcr erwiesen.\n1\tBadoud, Arb. a. d. physiol. Labor, in AV\u00fcrzburg. 1878. S. 237.\n2\tLichtheim, Die St\u00f6rungen des Lungenkreislaufs und ihr Einfluss.auf d. Blutdruck. 1876.\n3\tR. Zuntz, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 399. Amu. 1878.\n4\t0. Frey, Die pathologischen Lungenver\u00e4nderungen nach L\u00e4hmung derNn. vagi. Z\u00fcrich (gekr\u00f6nte Preisschrift) 1876.\nDruck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.","page":460}],"identifier":"lit6203","issued":"1880","language":"de","pages":"341-460","startpages":"341","title":"Erster Theil: Innervation der Kreislaufsorgane","type":"Book Section","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:04:26.545336+00:00"}

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