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Beobachtungen über eine eiweissartige Substanz in Krystallform

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{"created":"2022-01-31T13:14:37.898829+00:00","id":"lit7256","links":{},"metadata":{"alternative":"Archiv f\u00fcr Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin","contributors":[{"name":"Reichert, K. E. [Corr.: K. B.]","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Archiv f\u00fcr Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin: 197-251","fulltext":[{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Beobachtungen \u00fcber eine eiweissartige Substanz in Krjsfallform.\nVon\nK. E. Reichert in Dorpat.\n(Hierzu Taf. II. Fig. YI.)\nDie organischen Substanzen im engeren Sinne, das Eiweiss, der Faserstoff, die leimgebenden Stoffe u. s. w. sind bisher in krystallinischer Form nicht beobachtet worden. Man war gewohnt, die festen Zust\u00e4nde dieser Stoffe entweder ganz formlos, oder als K\u00fcgelchen, oder als feste organisirte Be-standtheile vorzufinden, und dieser Umstand mag dazu beigetragen haben, die F\u00e4higkeit der bezeichneten Substanzen, in kristallinische Bildungen \u00fcberzugehen, in Zweifel zu ziehen. Durch einen Zufall bin ich zur Entdeckung von mikroskopischen Krystallen gelangt, deren Substanz den chemischen Reaktionen gem\u00e4ss f\u00fcr einen eiweissartigen Stoff gehalten werden muss. Auf einer Reise durch Deutschland im Sommer des Jahres 1847 nahm ich Gelegenheit, mehrern Naturforschern diese Krystalle zu zeigen und auf eine ihrer auffallendsten Eigenschaften, n\u00e4mlich auf ihre Anschwellung und Vergr\u00f6sserung bei Behandlung mit Essigs\u00e4ure, aufmerksam zu machen. Soweit meine Kr\u00e4fte reichten, habe ich seitdem zu wiederholten Malen die Natur dieser Krystalle \u00bbtudirt und bin darin von dem auf diesem Gebiete so be-","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nwanderten Kollegen, Herrn Dr. C. Schmidt, desgleichen auch von Herrn Prof. Buch heim vielfach unterst\u00fctzt worden. Bei der Mittheilung der aus diesen Untersuchungen hervorgegangenen Ergebnisse mag ich das Bekenntniss nicht unterdr\u00fccken, dass es mir in Ber\u00fccksichtigung des gegenw\u00e4rtig einzig dastehenden Beispieles namentlich darauf ankam, nur m\u00f6glichst gesicherte Data der Ver\u00f6ffentlichung zu \u00fcbergehen.\nErster Abschnitt.\nDie bezeichneten Krystalle fanden sich auf der Oberfl\u00e4che der Placenta und der H\u00fcllen eines fast reifen F\u00f6tus vom Meerschweinchen (Cavia cobaya), desgleichen auf der an die Placenta zun\u00e4chst angrenzenden Schleimhaut der Geb\u00e4rmutter des Mutterthieres, welches pl\u00f6tzlich gestorben war und etwa sechs Stunden nach dem Tode von mir untersucht wurde. Die Geb\u00e4rmutter enthielt vier F\u00f6tus und bei allen vier Mutterkuchen wiederholte sich dieselbe Erscheinung. Auf den ersten Anblick nahm sich die Substanz wie trocken gewordenes Blut aus und dieser Umstand unter den obwaltenden Verh\u00e4ltnissen, wo alle Theile rund umher feucht waren, veranlasste mich, die mikroskopische Untersuchung zu unternehmen. Zu meinem gr\u00f6ssten Erstaunen zeigte sich hier, dass die rothe Substanz aus tetraedrischen Krystallen bestand, die mehr oder weniger von Schleim und Epithelialzellen umgeben waren.\nBei den so auffallenden, allen bisherigen Erfahrungen widersprechenden Eigenschaften der Krystalle war es wichtig, dar\u00fcber gesichert zu sein, dass man es mit wirklichen Krv-stallen zu thuu habe. Die glatten, unter ganz bestimmtem, unver\u00e4nderlichem Winkel gegen einander geneigten Aussen-fl\u00e4chen geben den K\u00f6rpern ein so deutliches Krystall-Gepr\u00e4ge, dass kein Naturforscher, der diese K\u00f6rper gesehen, \u00fcber ihren Habitus als Krystalle gezweifelt hat. Da jedoch die willk\u00fcrliche Herstellung der Krystalle bisher nicht ge-","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"199\ngl\u00fcckt ist, so kann zur grossem Sicherheit nicht ganz die Frage umgangen werden, ob die vorliegenden tetraedrischen K\u00f6rper nicht etwa als Kunstprodukte anzusehen seien, die durch irgendwelche, allerdings sehr g\u00fcnstige Druckverh\u00e4lt-nisse erzeugt w\u00e4ren, oder gar vielleicht als tetraedrische Zellen dast\u00e4nden. Beides muss ganz entschieden verneint werden. Die Krystalle sind n\u00e4mlich von der verschiedensten Gr\u00f6sse, und unver\u00e4nderlich zeigt sich nur die Gr\u00f6sse der Winkel. An ihrem Fundorte lagen sie zwar \u00f6fters ziemlich dicht gedr\u00e4ngt, doch fehlte seiten eine geringe Zwischenmasse von Schleim und Epithelialzellen, so wie andrerseits grosse Strecken vorkamen, wo sie ganz zerstreut sich vorfanden. Ihre Substanz ist vollkommen homogen, durchscheinend, ohne irgend welche Spur oder Andeutung einer zellenartigen Beschaffenheit. Es ist mir sogar gelungen, einzelne gr\u00f6ssere Krystalle (etwa Linie im Durchmesser) mit der Staarnadel zu durchschneiden. Die St\u00fccke und H\u00e4lften ver\u00e4nderten sich nicht weiter, sie sanken nicht zusammen, sie erschienen unter dem Mikroskop ebenso homogen und von dem Ansehen solider K\u00f6rper, wie die ganzen Krystalle. Alles, was ich \u00fcber das Verhalten unversehrter Krystalle bei mechanischen und chemischen Einwirkungen zu berichten habe, das gilt ebenso von den einzelnen St\u00fccken derselben. Auch der Gedanke, dass man es hier mit Afterkrystallen oder Pseudomorpliosen zu thun habe, l\u00e4sst sich durch keine nur einigermaassen haltbare Erscheinung begr\u00fcnden und weiter besprechen. Hiernach w\u00e4re zun\u00e4chst das Faktum festzuhalten, dass die Natur der K\u00f6rper als Krystalle nicht bezweifelt werden kann.\nDer chemischen Konstitution nach sind die Krystalle f\u00fcr eine ei weissartige oder proteinartige Substanz zu halten. Es scheint passend, die haupts\u00e4chlichsten Momente, auf welche sich diese Ansicht st\u00fctzt, hier voranzuschicken. Zu einer quantitativen Elementar-Analyse war nicht hinl\u00e4ngliche Stoffmenge vorhanden. Auf dem Objekttr\u00e4ger der Gl\u00fch-","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nhitae ausgesetzt, schrumpften die Krystalle anfangs zusammen, dann verkohlten sie und endlich verfl\u00fcchteten sie sich um so vollkommener, je weniger fremdartige Masse in der Umgebung sich befand. Niemals blieb eine Spur im R\u00fcckst\u00e4nde \u00fcbrig, die mit S\u00e4uren aufbrauste. Dr. C. Schmidt gl\u00fchte die Krystalle mit Kalium beim Abschluss von Luft, und es zeigte sich ein bedeutender Stickstoffgehalt. Beim l\u00e4ngeren Sieden in Alkohol, Aether, Schwefelkohlenstoff, fetten und \u00e4therischen Gelen (Terpentin\u00f6l) wrar keine Ver\u00e4nderung zu bemerken. Keine S\u00e4ure, auch keine Basen bewirken eine Zerst\u00f6rung oder Aufl\u00f6sung der Krystalle, sofern die Einwirkung nur k\u00fcrzere Zeit andauerte. Auf die anderweitigen Ver\u00e4nderungen, welche die Krystalle dabei erleiden, kommen wir sp\u00e4ter zur\u00fcck. Bei mehrst\u00fcndiger Einwirkung der konzentrirten und rauchenden Salpeters\u00e4ure, desgleichen beim Kochen in einer ges\u00e4ttigten Aufl\u00f6sung von Kali werden die Krystalle gel\u00f6set. Dr. C. Schmidt hatte ferner die Krystalle mit Wasser in eine starke Glasr\u00f6hre eingeschmolzen und bei geschlossener R\u00f6hre einer Temperatur von 140 \u2014160\u00b0 C. ausgesetzt; sie wurden dadurch vollst\u00e4ndig gel\u00f6set. Nach der Abdampfung zeigte sich auf dem Objekttr\u00e4ger ein in dendritischen Formen krystallisirter R\u00fcckstand, der gleichfalls bei der Gl\u00fchhitze verkohlte und sich verfl\u00fcchtete. Geometrische Fl\u00e4chen waren an den sehr kleinen K\u00f6rnchen, welche die dendritischen Figuren zusammen-setzten, nicht zu unterscheiden; der allgemeine Habitus deutete auf ein Ammoniaksalz. \u2022\u2014 Das angef\u00fchrte chemische Verhalten der Krystallsubstanz l\u00e4sst erkennen, dass ein stickstoffhaltiger organischer Stoff vorliege; ja in Betreff der Aufl\u00f6sbarkeit in Wasser bei sehr hohen Temperalurgraden macht sich schon eine Uebereinstimmung mit den Albumina-ten bemerkbar. Was jedoch die eiweissartige Natur unzweifelhaft herausstellt, das ist das Verhalten bei Einwirkung konzentrirter Salpeters\u00e4ure. Die Substanz der Krystalle wird dadurch unter Entwickelung von Bl\u00e4schen in einen","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"201\nStoff um ge wandelt, der bei Behandlung mit Kali oder Ammoniak eine ziemlich intensive Orange-Farbe annimmt, und sich demnach als Xanthoproteins\u00e4ure zu erkennen giebt. Die Umwandlung der Albuminate in die sogenannte Xanthoproteins\u00e4ure durch die konzentrirte Salpeters\u00e4ure ist eine nicht weniger konstante, als ausgezeichnet charakteristische Eigenschaft derselben, und die Uebereinstimmung der Substanz der Krystalle in dieser Beziehung mit den Albumina-ten, namentlich mit den festen eiweissartigen Bestandtheilen organisirter Formen so vollkommen, dass der R\u00fcckschluss auf die ei weissartige Natur der Krystalle, wie mir scheint, keinem Zweifel unterliegt. Die K\u00f6rper, deren genauere Beschreibung wir nun folgen lassen, sind demnach f\u00fcr wirkliche Krystalle einer eiweissarligen Substanz zu halten.\n1. Die Krystalle erweisen sich nach den mikroskopischen Messungen des Dr. C. Schmidt als vollkommen regelm\u00e4ssige Tetraeder. Die Neigung der Fl\u00e4chen zu einander betr\u00e4gt 70\u00b0, BF, 43\"; die der Fl\u00e4chen gegen die Kante 54\u00b0, 44', 8\u00a3\". In einigen seltenen F\u00e4llen erschien diese Form durch eine geringe, senkrecht auf die Axe erfolgte Abstumpfung der Ecken ver\u00e4ndert, doch war ich niemals ganz sicher, dass nicht eine \u00e4ussere mechanische Gewalt diese Ab\u00e4nderung bewirkt hatte.\nDie Gr\u00f6sse der Krystalle variirt ausserordentlich; die Axe erreichte bei einigen die H\u00f6he von P. L., bei andern etwa -\u00df-J-jj- P. L.j dazwischen aber lagen alle nur m\u00f6glichen Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltnisse. Unter den noch als Krystalle unterscheidbaren K\u00f6rperchen befanden sich \u00f6fters sehr kleine K\u00f6rnchen, welche dieselben \u00fcbrigen Eigenschaften hatten, doch wegen ihrer Kleinheit keine Kry stallfl\u00e4chen erkennen liessen.\nBei auffallendem Lichte und in gr\u00f6sserer Anzahl beisammenliegend haben die Krystalle eine bald mehr lichtere, bald dunklere blutrothe F\u00e4rbung. Unter dem Mikroskop einzeln bei durchfallendem Lichte betrachtet zeigen sie sich so","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\ndurchsichtig, dass die abgewandten Kanten des gerade zur Beobachtung vorliegenden Krystalles, ja selbst die Begr\u00e4nzungen darunter liegender Krystalle durch die Substanz hindurch leicht erkannt werden. Hinsichtlich der Farbe verhalten sie sich dann sehr \u00fcbereinstimmend mit den Blutk\u00f6rperchen. Die kleineren Krystalle erscheinen einzeln gelblich, gelb-r\u00f6thlich, die gr\u00f6sseren im Allgemeinen um so intensiver roth, je gr\u00f6sser sie sind. Nicht selten bemerkt man jedoch, dass die intensivere gelbr\u00f6thliche und rothe F\u00e4rbung nicht immer im gleichen Schritt mit der Gr\u00f6sse des Krystalls fortgeht. Gleichgrosse Krystalle zeigten zuweilen einen sehr auffallen den Unterschied in der Intensit\u00e4t der rothen F\u00e4rbung; einzelne Krystalle, die im anderen Falle bei gleicher Gr\u00f6sse schon deutlich ins Rothe schimmerten, erschienen nur gelblich. Einige Maie konnte ich an kleineren Krystallen nur eine schwache Spur selbst der gelblichen F\u00e4rbung erkennen. Hieraus darf man folgern, dass die gelbliche und r\u00f6thliche F\u00e4rbung nicht der Substanz der Krystalle an sich angeh\u00f6rt, sondern von einem fremdartigen Pigmentstoffe (H\u00e4matin?) herr\u00fchrt. \u2014 Oefters war an der Oberfl\u00e4che der Krystalle eine parallele Streifung wahrnehmbar, eine auch bei andern Krystallen bekannte Erscheinung. Deutliche Erscheinungen, die auf die Spaltbarkeit des Krystalls hinwiesen, waren nicht sichtbar. \u2014 Ueber das Verhalten der Krystalle bei polari-sirtem Lichte habe ich mich beim Mangel eines geeigneten Apparates noch nicht zur Gen\u00fcge unterrichten k\u00f6nnen.\nDie Krystalle haben eine festwreiche Konsistenz und sind elastisch. Sie lassen sich unter dem Kompressorium in die Form einer Lamelle zusammendr\u00fccken und erheben sich dann beim Nachlassen des Druckes ganz allm\u00e4hlig, um in ihre urspr\u00fcngliche Gestalt zur\u00fcckzukehren ; umgebogene Spitzen richten sich wTieder grade. Das spezifische Gewicht der Krystalle hat sich bei der geringen Menge derselben nicht bestimmen lassen; in Wasser, in den S\u00e4uren und Alkalien,","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"203\nmit welchen sie in Verbindung gebracht'wurden, fallen sie zu Boden.\n2. Das \\ erhalten der Krystalle bei Anwendung von S\u00e4uren und Alkalien.\nKonzentrirte Essigs\u00e4ure (C,H404; 50#). Beim Zutritt der Essigs\u00e4ure vergr\u00f6ssern die Krystalle ihr Volumen, ohne dass die Kry stallform irgendwie beeintr\u00e4chtigt wird. Sie zeigen dieselbe Sch\u00e4rfe und Bestimmtheit in den Kanten und Ecken, dieselbe Gr\u00f6sse der Winkel, denselben Grad der Durchsichtigkeit und des homogenen Ansehens, wie fr\u00fcher. Die F\u00e4rbung ist zugleich lichter geworden, so zwar, dass die gr\u00f6sseren Krystalle noch einen Stich ins Gelbliche oder Gelb-R\u00f6thliche behalten, die kleineren dagegen fast ganz farblos erscheinen Die Einwirkung der S\u00e4ure geschieht schnell, doch l\u00e4sst sich der Fortschritt derselben von Aussen nach dem Innern der Krystalle gemeinhin deutlich genug unter dem Mikroskop verfolgen. Wirkt die Essigs\u00e4ure von allen Seiten gleichm\u00e4ssig ein, so gelingt es oft, die noch unversehrte Kernmasse des Krystalles an der intensiven rothen F\u00e4rbung einen Augenblick zu unterscheiden und so das weitere Vordringen der Wirkung zu verfolgen. Desgleichen sah ich \u00f6fters bei dem Hinzutreten der S\u00e4ure von einer Seite her, wie die Vergr\u00f6sserung von einer Ecke des Kry stalls begann und dann nach dem entgegengesetzten Ende fortschritt, so dass f\u00fcr eine kurze Zeit verschieden grosse und ungleich gef\u00e4rbte Partien eines und desselben Krystalles dem Beobachter sichtbar wurden. Das Lichterwerden scheint ziemlich gleichen Schritt mit der Vergr\u00f6sserung zu halten, doch wird sich aus dem Folgenden ergeben, dass der Farbstoff nicht ganz unver\u00e4ndert geblieben. Das Maass der Vergr\u00f6sserung der Krystalle war zu den verschiedensten Zeiten im Verlaufe eines Jahres untersucht konstant dasselbe} es betrug 0,33 des Durchmessers. Dabei w\u00e4re noch zu erw\u00e4hnen, dass die Krystalle mit der Geb\u00e4rmutter gleich nach dem Funde in Weingeist aufbewahrt","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nwurden und darin auch bis jetzt geblieben \u00dfind. Hinsichtlich der Konsistenz und elastischen Beschaffenheit der Kry-etalle ist nach Einwirkung der Essigs\u00e4ure keine auffallende Ver\u00e4nderung zu bemerken gewesen. *\u2014 Bei der gew\u00f6hnlichen k\u00e4uflichen Essigs\u00e4ure ist die Vergr\u00f6sserung st\u00e4rker; sie betr\u00e4gt 0,5 des Durchmessers. Das Lichterwerden der F\u00e4rbung steht in gleichem Verh\u00e4ltnisse. *)\nSalzs\u00e4ure (50$). Die Krystalle vergr\u00f6ssern sich bei Anwendung dieser S\u00e4ure um 0,13 des Durchm., und nehmen zugleich eine gelbliche, etwas ins Br\u00e4unliche spielende F\u00e4rbung an. Die Kry stallform, die Durchsichtigkeit, die Konsistenz und elastische Beschaffenheit erh\u00e4lt sich vollkommen. \u2014 Bei der gew\u00f6hnlichen konzentrirten Salzs\u00e4ure betr\u00e4gt die Vergr\u00f6sserung fast 0,2 des Durchm , und die gelbliche F\u00e4rbung wird dabei etwas lichter.\nSchwefels\u00e4ure (50^). Aus mehreren Versuchen ergab sich, dass die Krystalle konstant um 0,64 des Durchm. sich vergr\u00f6sserten. Die F\u00e4rbung spielt ins Gelblich-R\u00f6th-liche, ist aber sehr lichte. Die \u00fcbrigen Eigenschaften bleiben unver\u00e4ndert.\nPh o s p h or s \u00e4ur e (50-j}). Die Vergr\u00f6sserung betr\u00e4gt 0,2 des Durchmessers; die F\u00e4rbung wird gelbbr\u00e4unlich; die \u00fcbrigen Eigenschaften, wie bei den fr\u00fcheren S\u00e4uren, nicht sichtbar ver\u00e4ndert. Die zehnprocentige Phosphors\u00e4ure zeigt keine Unterschiede von der funfzigprozentigen in der Wirkung. Alles Uebrige, wie fr\u00fcher.\n1) Die Anwendung mehr verd\u00fcnnter S\u00e4uren muss unmittelbar auf den noch nicht durch eine st\u00e4rkere S\u00e4ure ver\u00e4nderten Krystall erfolgen. Setzt man zu einem, durch (50$) Essigs\u00e4ure ver\u00e4nderten Krystall eine mehr diluirte Essigs\u00e4ure hinzu, so erfolgt keine Wirkung. Auch ist die Wirkung, wie sich sp\u00e4ter zeigen wird, eine ganz andere, wenn man auf den durch Essigs\u00e4ure (50$) ver\u00e4nderten Krystall nach Entfernung der S\u00e4ure Wasser einwirken l\u00e4sst. \u2014 Dasselbe Verhalten tritt konstant \u00fcberall auf, wo eine mehr verd\u00fcnnte S\u00e4ure eine ander\u00a9 Wirkung hat, als eine st\u00e4rkere.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"205\nSalpeters\u00e4ure. Die rauchende konzentrirte Salpeters\u00e4ure *), sowie die 20prozentige, letztere nach l\u00e4ngerer Einwirkung, vergr\u00f6ssern den Krystall um 0,4 des Durchm. unter Entwickelung von Blasen. Die F\u00e4rbung ist gelblich. Obgleich schon oben bemerkt wurde, dass die Substanz der Krystalle durch die Einwirkung der Salpeters\u00e4ure in Xanthoproteins\u00e4ure verwandelt wird, so ist doch in der Kry-stallform, in der Durchsichtigkeit, Konsistenz und Elastizit\u00e4t keine Aenderung wahrnehmbar. \u2014 Die einprozentige Salpeters\u00e4ure stimmt in ihrer Wirkung am meisten mit der Essigs\u00e4ure \u00fcberein; eiue Verwandlung in Xanthoproteins\u00e4ure findet nicht statt.\nJodl\u00f6sung (Jod in Jodwasserstoff). Bei Anwendung der verd\u00fcnnten Jodl\u00f6sung ist in der Gr\u00f6sse des Krystalle keine auffallende Ver\u00e4nderung zu bemerken. Die Farbe dagegen wird dunkelbraun und die Durchsichtigkeit ist in gleichem Grade getr\u00fcbt. Die Winkel der Krystalle bleiben unver\u00e4ndert; die Ecken und Kanten sind scharf und bestimmt, wie auch bei der Anwendung der vorhergehenden S\u00e4ure, gezeichnet, die Konsistenz und Elastizit\u00e4t verhalten sich wie im normalen Zustande.\nBei der Weinsteins\u00e4ure, Oxals\u00e4ure, Gerbs\u00e4ure ist die Vergr\u00d6sserung der Krystalle unbedeutend; die F\u00e4rbung geht bei allen mehr oder weniger ins Br\u00e4unliche; die \u00fcbrigen Eigenschaften der Krystalle erleiden keine wahrnehmbare Ver\u00e4nderung. \u2014 Bei der Anwendung der arseni-gen S\u00e4ure war keine deutlich ausgesprochene Wirkung zu beobachten. Die Osmiums\u00e4ure giebt dem Krystall eine dunkle, ins Schw\u00e4rzliche spielende Tinction.\nKalil\u00f6sung. Die einprozentige Kalil\u00f6sung vergr\u00f6ssert die Krystalle um 0,2 des Durchmessers, die zehnprozentige um 0,3 des Durchm., die \u00d6Oprozentige etwas weniger, als\n1) Die Einwirkung der rauchenden Salpeters\u00e4ure durfte nur eine ganz kurze Zeit erfolgen, weil sonst der Krystall leicht zerst\u00f6rt wird.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"20G\ndie einprozentige (0,1 d. D.). Die F\u00e4rbung gebt bei allen drei L\u00f6sungen ins Gelbbr\u00e4unliche. Die Form und \u00fcbrigen Eigenschaften der Krystalle zeigen sich nicht ver\u00e4ndert.\nLiq. ammonii c. (5-g- und 20^). Bei Anwendung des Ammoniaks nimmt die Gr\u00f6sse der Krystalle etwa um 0,1 des Durchmessers zu; die F\u00e4rbung beh\u00e4lt einen kleinen Stich ins R\u00f6thliche. Alles Uebrige, wie oben.\nWasser. Die unmittelbar aus dem Weingeist entnommenen Krystalle verhalten sich zum Wasser ganz indifferent. Werden die Krystalle bei gew\u00f6hnlicher Temperatur getrocknet, wobei sie zugleich mehr oder weniger zusammenschrumpfen, so quellen sie bei nachtr\u00e4glichem Zusatz von Wasser wieder auf, und erlangen die Beschaffenheit wie im normalen Zustande, d. h. in demjenigen, welchen sie bei der Aufbewahrung in Weingeist beibehalten hatten; nur die F\u00e4rbung zeigt sich mehr schmutzig gelbbraun.\nFolgerung. Die Krystalle verbinden sich mit den angef\u00fchrten S\u00e4uren und Alkalien, sie ver\u00e4ndern dabei mehr oder weniger ihre F\u00e4rbung, sie ver\u00e4ndern zugleich nach ganz konstanten Verh\u00e4ltnissen ihr Volumen, sie zeigen sich jedoch ganz unver\u00e4ndert hinsichtlich der Krystallform, desgleichen nicht wesentlich ver\u00e4ndert in der Konsistenz, der Elastizit\u00e4t und gemeinhin auch mit R\u00fccksicht auf die Durchsichtigkeit und das homogene Ansehen; die konzentrirte Salpeters\u00e4ure bewirkt die Umwandlung in Xanthoproteins\u00e4ure.\n3. Verhalten der Krystalle gegen Salzl\u00f6sungen.\nDie Krystalle wurden mit den verschiedensten Salzl\u00f6sungen in Verbindung gebracht, mit salpetersaurem Silberoxyd, Eisenchlorid, Blutlaugensalz, chromsaurem Kali, Salmiak, Chlorkalium, essigsaurer Thonerde, mit den Alkalien in ihrer Verbindung mit den oben genannten S\u00e4uren ; es hat sich gleichwohl, selbst nach einer einst\u00fcndigen Einwirkung der L\u00f6sungen von den genannten Salzen, keine irgendwie auffallende Ver\u00e4nderung herausgestellt, obschon einige leicht zersetzbare Salzl\u00f6sungen, so unter anderen namentlich die","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"207\nessigsaure Thonerde sich darunter befanden. Es muss daher vorl\u00e4ufig zweifelhaft bleiben, ob die Krystalle \u00fcberhaupt eine Einwirkung auf Salzl\u00f6sungen auszu\u00fcben iin Stande sind.\n4. Verhalten der Krystalle in ihren Verbindungen mit S\u00e4uren oder Alkalien zum Wasser.\nWird von einem Krystall in seiner Verbindung mit der Essigs\u00e4ure, Schwefels\u00e4ure, Salzs\u00e4ure, Phosphors\u00e4ure die \u00fcbersch\u00fcssige S\u00e4ure entfernt und Wasser auf dem Objekttr\u00e4ger reichlich hinzugeleitet, so kehrt der Krystall augenblicklich auf das urspr\u00fcngliche Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltniss zur\u00fcck. Der Krystall erleidet auch hierbei keine Ver\u00e4nderung; die Konsistenz, die Elastizit\u00e4t, der Grad der Durchsichtigkeit verh\u00e4lt sich wrie bei den in Weingeist aufbewahrten Kry-stallen. Auch die Farbe ist wieder roth geworden, doch unterscheidet sie sich von dem \u00dflutroth der in Weingeist aid bewahrten Krystalle durch eine geringere oder st\u00e4rkere Beimischung einer br\u00e4unlichen F\u00e4rbung. Bei den mit Essigs\u00e4ure verbunden gewesenen Krystallen ist jedoch der Unterschied von der normalen F\u00e4rbung so gering, dass ich l\u00e4ngere Zeit hindurch sie gar nicht bemerkt hatte Bringt man die auf ihr normales Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltniss zur\u00fcckgef\u00fchrten Krystalle von Neuem mit den respekiiven S\u00e4uren in Verbindung, so ver\u00e4ndern sie sich konstant so, wie wenn unmittelbar die S\u00e4uren angewendet w\u00e4ren. Wird nun wiederum Wasser hinzugef\u00fcgt, so erfolgt genau dieselbe Ver\u00e4nderung, die eben beschrieben wurde. Diese Experimente lassen sich in ganz beliebiger Zahl wiederholen, und man kann stets auf denselben Erfolg rechnen. War die Menge der zum Versuche angewendeten Krystalle bedeutender, so gelingt es leicht, sich davon zu \u00fcberzeugen, dass zu dem hinzugeleiteten Wasser jene S\u00e4ure hinzugetreten war, die sich mit dem Krystall verbunden hatte. Dieser Umstand, so wie die genaue Reduktion des Krystalles auf seine normale Gr\u00f6sse, deuten darauf hin, dass die S\u00e4uren aus dem Krystall zum","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nWasser \u00fcbergegangen sind, und der Krystall, von dem ihm anhaftenden Pigment abgesehen, seine normale Beschaffenheit wieder erlangt hat.\nF\u00fcr die so eben gemachte Folgerung sprechen noch folgende Versuche. Es wurden zu den auf die normale Gr\u00f6sse durch das Wasser zur\u00fcckgef\u00fchrten Krystallen nicht die fr\u00fcher mit ihnen verbunden gewesenen, sondern irgend eine andere S\u00e4ure oder auch eine Kalil\u00f6sung oder Jodl\u00f6sung hin-zugef\u00fcgt und jedesmal zeigte sich, dass die Krystalle genau diejenige Gr\u00f6sse und diejenigen Farbenver\u00e4nderungen annehmen, welche bei unmittelbarer Anwendung dieser Substanzen beobachtet werden.\nDie mit Jodl\u00f6sung behandelten Krystalle werden durch Wasser nicht ver\u00e4ndert.\nDie einprozentige Salpeters\u00e4ure in ihrer Verbindung mit den Krystallen unterscheidet sich nicht in ihrem Verhalten zum Wasser von den eben besprochenen S\u00e4uren.\nDie rauchende und auch schon die 20prozentige Salpeters\u00e4ure haben, wie erw\u00e4hnt wurde, eine tiefer eingreifende Wirkung auf die Krystalle, deren Substanz durch sie in Xanthoproteins\u00e4ure verwandelt wird. Leitet man zu den durch sie ver\u00e4nderten Krystallen Wasser hinzu, so verkleinern sich dieselben um 0,54 des Durchmessers. Die Verkleinerung beschr\u00e4nkt sich also nicht auf das normale Maass der Krystalle, sondern geht reichlich um 0,1 dar\u00fcber hinaus. Die F\u00e4rbung spielt stark ins Gelbliche. Die Krystall-form bleibt aber auch hier vollkommen erhalten ; desgleichen ist keine wesentliche Ver\u00e4nderung in der Konsistenz und in dem homogenen Ansehen zu bemerken. Setzt man von Neuem 20prozentige Salpeters\u00e4ure hinzu, so tritt bei den Krystallen wiederum dieselbe Beschaffenheit auf, wie wenn unmittelbar die S\u00e4ure angewendet worden w\u00e4re. Dabei zeigt sich jedoch, dass keine Entwickelung von Blasen statt hat. Dieser Umstand, so wie die \u00fcber das normale Maass hinausgehende Verkleinerung der Krystalle machen darauf","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"209\naufmerksam, dass das Verhalten des Wassers zu den mit den konz\u00e9ntrifteren Salpeters\u00e4uren behandelten Krystallen nicht ganz gleichgestellt werden kann seinem Verhalten zu den Krystallen, welche vorher mit den anderen S\u00e4uren (Schwefels\u00e4ure, Essigs\u00e4ure etc.) in Verbindung getreten waren. Man \u00fcberzeugt sich leicht, dass das Wasser auch hier die S\u00e4ure (Salpeters\u00e4ure) dem Krystalle entf\u00fchrt ; aber die normale Gr\u00f6sse kehrt nicht zur\u00fcck und die erneuerte Verbindung mit dem Krystall geschieht nicht unter gleichen Erscheinungen. Das Verst\u00e4ndniss dieses Verhaltens der Kry-stalle ergiebt sich aus der durch die Salpeters\u00e4ure erfolgten Umwandlung ihrer Substanz in Xanthoproteins\u00e4ure. F\u00fcgt man n\u00e4mlich zu den von der Salpeters\u00e4ure durch Wasser befreiten Krystallen Alkalien hinzu, so f\u00e4rben sich die Kry-stalle deutlich orange und beweisen dadurch, dass sie ihre Beschaffenheit als Xanthoprotein beibehalten haben. Aber es folgt ferner daraus, dass die Krvstallsubstanz bei der Behandlung mit konzentrirter Salpeters\u00e4ure nicht allein die Natur von Xanthoproteins\u00e4ure angenommen habe, sondern zugleich auch mit einem Ueb er schuss der S\u00e4ure eine Verbindung eingegangen sei. Diese S\u00e4ure ist es, welche durch Wasser ebenso entfernt werden kann, wie die \u00fcbrigen S\u00e4u-ren^ welche bei ihrer Verbindung mit der Krystallsubstanz keine weitere Ver\u00e4nderung derselben bewirken. l)\nDie Wirkung des Wassers auf die mit Alkalien verbundenen Krystalle ist eine ganz andere. \u2014 Bei den Krystallen, die mit dein einprocentigen Kali behandelt waren, bemerkte man gar keine wesentliche Ver\u00e4nderung. Diejenigen Kry-stalle dagegen, auf welche die zehnprocentige oder f\u00fcnfzig-procentige Kalil\u00f6sung eingewirkt hatte, vergr\u00f6sserten sich\n1) Auch die eiweisshal\u00eeigen Gewebe, die bekanntlich durch konzen-irirte Salpeters\u00e4ure in Xanthoproteins\u00e4ure verwandelt werden, sind nat\u00fcrlich stets bei dieser Umwandlung eine Verbindung der Xanthoprot. mit der Salpeters\u00e4ure. Erst durch Entw\u00e4sserung l\u00e4sst sich die reine Xanthoproteins\u00e4ure darstellen.\nHuiler\u2019\u00bb Archiv. 1819,\n14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nziemlich auffallend, und zwar im ersteren Falle um 0,2, im zweiten um 0,4 ihres Durchmessers. Im Verh\u00e4ltniss zur normalen Gr\u00f6sse betrug demnach die Gr\u00f6ssenzunahme bei beiden 0,5 des Durchmessers. Der Vergr\u00f6sserung entsprechend waren die Krystalle lichter geworden; sonstige Ver\u00e4nderungen waren nicht auff\u00e4llig. Auf die Verbindungen mit Ammoniak halte Wasser keine unmittelbare Einwirkung. Bei l\u00e4nger andauerndem Zustrom des Wassers verkleinern sich die Krystalle auf das normale Maass, wobei jedoch, wie gew\u00f6hnlich, die urspr\u00fcngliche F\u00e4rbung etwas ver\u00e4ndert erscheint und ins Rolhbraune hin\u00fcberspielt. Die \u00fcbrigen Eigenschaften der Krystalle verhielten sich wie vor der Verbindung mit dem Ammoniak. Man \u00fcberzeugt sich auch hier leicht, wie oben bei den S\u00e4uren, dass das Ammoniak nunmehr aus der Verbindung mit den Kry stallen getreten. Dieses Fl\u00fcclitigwrerden des Ammoniaks zeigt sich auch ohne Beisein des Wassers beim Eintrocknen der Krystalle an der Luft und d\u00fcrfte daher nicht auf die Einwirkung des Wassers zu schieben sein.\nAus den Versuchen ergiebt sich schliesslich: dass die S\u00e4uren (die Jodl\u00f6sung ausgenommen) bei Anwendung des Wassers aus ihrer Verbindung mit den Krystallen treten, und letztere, von einer gr\u00f6sseren oder geringeren Ab\u00e4nderung in der F\u00e4rbung abgesehen, wesentlich mit derselben Beschaffenheit wie im urspr\u00fcnglichen Zustande wiederhergestellt werden; dass dagegen die zehn- und f\u00fcnfzigprocenlige Kalil\u00f6sung das hinzutretende Wasser aufnehme und dabei die Krystalle jedesmal bis auf ein bestimmtes Volumen (um 0,5 des urspr\u00fcnglichen Durchmessers) vergr\u00f6ssern und entsprechend lichter machen, ohne jedoch in den \u00fcbrigen Eigenschaften eine wesentliche Ver\u00e4nderung zu bewirken. Das Ammoniak scheidet ebenso unter Wasser, wie an der Luft, aus seiner Verbindung mit den Krystallen aus und letztere zeigen sich dann, wie bei den S\u00e4uren, mit Ausnahme der Farbe, nicht wesentlich ver\u00e4ndert","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"21 i\n5) Das Verhalten der Krystalle in der Verbindung mit einer S\u00e4ure bei der Einwirkung einer anderen der genannten S\u00e4uren. \u2014 Die Salpeters\u00e4ure vorl\u00e4ufig ausgenommen.\nWird ein mit Essigs\u00e4ure verbundener Krystall der Einwirkung der Gerbs\u00e4ure, der Phosphors\u00e4ure, der Salzs\u00e4ure, der Schwefels\u00e4ure, oder irgend einer st\u00e4rkeren S\u00e4ure, wTie B. auch der Jodl\u00f6sung, ausgesetzt, so nimmt er ganz constant diejenige Gr\u00f6sse und F\u00e4rbung an, welche bei unmittelbarer Anwendung der st\u00e4rkeren S\u00e4ure auf den Krystall zuin Vorschein tritt. Diese Ver\u00e4nderung geschieht vor den Augen des Beobachters so, als wenn die st\u00e4rkere S\u00e4ure von Aussen her einseitig oder allseitig in die Substanz des Kristalls vordringe, wie es bei unmittelbarer Anwendung der S\u00e4uren und Alkalien der Fall ist. Hat man Jodl\u00f6sung hinzugeleitet, so wird der Krystall kleiner und f\u00e4rbt sich gleichzeitig in der angegebenen Weise braun; war Schwefels\u00e4ure im Gebrauch, so w\u00e4chst der Krystall ohne Weiteres, und gleichzeitig stellt sich ebenso die liebte gelb-r\u00f6lhliche Farbe ein. Die Gestalt, die Sch\u00e4rfe der Kanten, die Gr\u00f6sse der Winkel bleiben dieselben wie im normalen Zustande auch das homogene, pellucide Ansehen, die Elasticit\u00e4t und Weichheit der Krystalle lassen ebenso, wie bei direkter Anwendung der starkem S\u00e4uren, keine irgendwie auff\u00e4llige Ver\u00e4nderung gewahren.\nDas Verhalten der Krystalle in der Verbindung mit irgend einer andern S\u00e4ure bei Anwendung einer st\u00e4rkern S\u00e4ure stimmt vollst\u00e4ndig mit den Ergebnissen des oben beschriebenen Versuches \u00fcberein; die Krystalle nehmen konstant diejenige Beschaffenheit an, welche beim direkten Gebrauch der st\u00e4rkeren S\u00e4uren beobachtet wird. Leitet man dagegen eine schw\u00e4chere S\u00e4ure hinzu, so erfolgt keine Ver\u00e4nderung.\nFolgerung: Die mit Krystallen verbundenen S\u00e4uren lassen sich durch st\u00e4rkere verdr\u00e4ngen, ohne dass die Krystalle selbst eine andere wesentliche Ver\u00e4nderung erleiden,\n14 *","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nals die der unmittelbaren Einwirkung der st\u00e4rkeren Sauren entspricht.\n6)\tDie Alkalien verhalten sich in der besprochenen Beziehung ganz eben so wie die S\u00e4uren; das Ammoniak wird auf \u00e4hnliche Weise durch die Kalil\u00f6sung aus der Verbindung mit den Krystallen vertrieben und andrerseits werden die mit Kali verbundenen Kryslalle durch den Zusatz von Ammoniak nicht ver\u00e4ndert.\n7)\tDas Verhalten der Krystalle in ihrer Verbindung mit S\u00e4uren oder Alkalien, wenn im ersten Falle ein Alkali, im zweiten eine S\u00e4ure hinzugef\u00fcgt wrird.\nBei der Anwendung eines Alkali auf die mit irgend einer S\u00e4ure (Salpeters\u00e4ure ausgenommen) verbundenen Kry-stalle wird Folgendes beobachtet. Die Krystalle werden regelm\u00e4ssig pl\u00f6tzlich auf die normale Gr\u00f6sse reducirt; die von der S\u00e4ure abh\u00e4ngige F\u00e4rbung schwindet gleichzeitig, oliae dass jedoch vollkommen die urspr\u00fcngliche, hlutrothe F\u00e4rbung wiederkehrt, da immer ein Stich in\u2019s Br\u00e4unliche vorhanden ist; alle \u00fcbrigen Eigenschaften zeigen keine irgendwie auffallende Abweichung vom normalen Zustande; \u2014\u2022 die Kry-stalie erscheinen grade so wiederhergestellt, wie wenn die S\u00e4uren durch Wasser ihnen entzogen w\u00e4ren. Dieser Zustand ist jedoch nur ein augenblicklicher; denn die Krystalle ver\u00e4ndern sich sogleich wieder und nehmen diejenige Beschaffenheit an, welche auf die unmittelbare Einwirkung desjenigen Alkali erfolgt, das zum Versuch angewendet wurde. Die Ver\u00e4nderung bezieht sich jedoch auch hier nur auf Volumen und Farbe, da die \u00fcbrigen Eigenschaften sich nicht wesentlich vorn normalen Zustande entfernen. Beim Ein-rocknen des Pr\u00e4parates erkennt inan auf dem Objekttr\u00e4ger h\u00e4ufig genug Krystalle, welche einer Verbindung der in den Krystalien vorhandenen S\u00e4uren mit dem angewendeten Alkali angeh\u00f6ren, selbst wenn mit aller Vorsicht die \u00fcbersch\u00fcssige S\u00e4ure von dem Objekttr\u00e4ger entfernt worden war.\nF\u00fcgt man zu einem, mit einem Alkali verbundenen Kry-","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"213\nstalle irgend eine S\u00e4ure, eo wiederholen sich genau dieselben Erscheinungen. Die Krystalle zeigen pl\u00f6tzlich die normale Gr\u00f6sse und \u00fcbrigen Eigenschaften, mit Ausnahme der Farbe, die sich auch hier, wie bei Entfernung der S\u00e4uren, nicht vollkommen wiederherstellt und einen Sticli ins Br\u00e4unliche erhalten hat; unmittelbar darauf ver\u00e4ndern sie sich grade so, wie wenn die ange wendete S\u00e4ure unmittelbar auf den Krvslail eingewirkt h\u00e4tte.\nAus diesen Versuchen folgt, dass die Krystalle die mit ihnen verbundenen S\u00e4uren an Alkalien, und ihre Alkalien an hinzugeleitete S\u00e4uren leicht abgehen, indem sie gleich darauf mit der etwa \u00fcbersch\u00fcssigen S\u00e4ure oder dem Alkali neue Verbindungen eingehen. Die dabei stattfindenden Ver\u00e4nderungen beziehen sich auch hier nur auf Farbe und Volumen; die Gestalt der Krystalle bleibt vollkommen dieselbe und die \u00fcbrigen Eigenschaften haben wenigstens keine wahrnehmbare Ver\u00e4nderung erlifien.\n8) Wird zu den mit einer S\u00e4ure oder einem Alkali verbundenen Krystallen eine selbst leicht zersetzbare Salzl\u00f6sung hinzugeleitet, so wird im Allgemeinen keine Erscheinung deutlich bemerkbar, die auf eine gegenseitige Einwirkung Bchliessen l\u00e4sst. Nur ein einziger Fall macht eine Ausnahme. F\u00fcgt man n\u00e4mlich zu Krystallen, die durch zehnprocentige Kalil\u00f6sung vergr\u00f6ssert sind, konzentrirte Glaubersalzl\u00f6sung, so verkleinern dieselben sich pl\u00f6tzlich bis nahe auf die normale Gr\u00f6sse und zeigen eine \u00e4hnliche F\u00e4rbung, wie bei der Verbindung mit dem f\u00fcnfzigprocentigen Kali. Es war unter diesen Umst\u00e4nden zu vermutlien, dass das Glaubersalz der Kaliverbindung des Kryslalles nur Wasser entzogen habe, und ein zweiter Versuch best\u00e4tigte dieses. Werden n\u00e4mlich die so ver\u00e4nderten Krystalle mit Wasser behandelt, so ver-gr\u00f6ssern sie sich alsbald um 0,5 des urspr\u00fcnglichen Durchmessers, also grade so, wrie wenn ein Krystall in seiner Verbindung mit zehn- oder f\u00fcnfzigprocentigem Kali nachtr\u00e4g-","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nlieh mit Wasser \u00fcbergossen wird. Nur das Voiumen und die Farbe verratben die Ver\u00e4nderungen der Krystalle.\n9) Verhalten der Krystalle bei abwechselnder Behandlung mit den verschiedenen S\u00e4uren, mit Alkalien und Wasser. \u2014 Salpeters\u00e4ure ausgenommen.\nDie bisherigen Versuche, weiche einzeln bei verschiedenen Krystallen angesiellt waren, lassen sich an einem einzigen Krystall in beliebiger Abwechselung durch mehrere Stunden hindurch in Anwendung bringen. Um Wirkungen zu erzielen hat man darauf zu achten, dass man nach einer S\u00e4ure entweder eine st\u00e4rkere S\u00e4ure oder Wasser und Alkalien, nach einem Alkali entweder ein st\u00e4rkeres Alkali oder Wasser und S\u00e4uren dem zur Beobachtung vorliegenden Krystalle zuleitet. Des Beispiels wegen f\u00fchre ich folgende Versuchsreihe an. Ein Krystall, durch einprocentiges Kali ver\u00e4ndert, wurde in einem Zeitr\u00e4ume von vier Stunden nacheinander mit folgenden Substanzen in Verbindung gebracht: Essigs\u00e4ure, Wasser, Schwefels\u00e4ure, Kali iOpCt., Wasser, Jodl\u00f6sung, Phosphors\u00e4ure, Wasser, Gerbs\u00e4ure, Ammoniak 10 pCt., Kali 50p\u20act., Wasser, Essigs\u00e4ure, Wasser. Die Wirkungen der angewendeten Substanzen sind konstant genau dieselben wie sie im Vorhergehenden bei unmittelbarer Behandlung verschiedener Krystalle mit diesen Stoffen beschrieben wurden. Die S\u00e4uren werden durch Alkalien und Wasser den Krystallen entzogen und durch st\u00e4rkere S\u00e4uren aus der Verbindung getrieben; die Alkalien treten zu den hinzugeleiteten S\u00e4uren. Das Kali vertreibt das Ammoniak und nimmt in der L\u00f6sung (IOpCt. und 50pCt.) bis zu einer bestimmten Gr\u00f6sse Wasser auf. Nach Entfernung der S\u00e4uren durch Alkalien oder umgekehrt geht der Krystall mit der im Ueberschuss zur\u00fcckbleibenden Substanz eine neue Verbindung ein. Die Erscheinungen, aus welchen wir auf die Wirkungen der angewendeten Substanzen schliessen, beziehen sich auch hier nur auf das Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltniss und die f\u00e4rbe. Es treten jedesmal diejenigen Ver\u00e4nderungen in der","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"215\nGr\u00f6sse und in der F\u00e4rbung auf, welche bei direkter Anwen\u00bb dung der Substanz an den Krystallen beobachtet wurden, und sichern so den Schluss auf die erfolgte Wirkung. Nicht ohne ein gewisses Staunen wird man diese Ver\u00e4nderungen des Krystalles mit gleichzeitiger Beibehaltung der Form und der \u00fcbrigen Eigenschaften unter dem Mikroskop gew\u00e4hren, namentlich in dem obigen Beispiel, wenn der durch die Schwefels\u00e4ure \u00fcber die H\u00e4lfte seines Durchmessers vergr\u00f6s-serte Krystall beim Zusatz der Kalil\u00f6sung pl\u00f6tzlich auf die normale Gr\u00f6sse zur\u00fcckgeht, dann sogleich wieder an-schwillt und unter Hinzuleitung des Wassers nahezu die fr\u00fchere Gr\u00f6sse erreicht; sodann bei Anwendung der Jodl\u00f6sung sich wieder auf die normale Gr\u00f6sse verkleinert und eine dunkelbraune Farbe annimmt, u. s. w. Richtet man die Reihenfolge der angewendeten Substanzen so ein, dass eine S\u00e4ure und Wasser oder auch Essigs\u00e4ure allein, die sich leicht verfl\u00f6chtet, den Schluss bilden, so sieht man aus allen Ver\u00e4nderungen schliesslich einen Krystall hervorgehen, welcher die urspr\u00fcngliche Gestalt besitzt, dieselben Winkel und Sch\u00e4rfe der Kanten zeigt, in R\u00fccksicht des homogenen pel-luciden Ansehens, der Elasticit\u00e4t, der Weichheit nicht irgendwie bemerkbar ver\u00e4ndert erscheint, und allein in der Farbe durch die leichte Tinktion ins Br\u00e4unliche von der urspr\u00fcnglichen Beschaffenheit des Krystalls sich unterscheidet. Da die Farbe aus den oben angef\u00fchrten Gr\u00fcnden als ein acci-denteller Stoff des Krystalls angesehen werden darf, so lasst eich behaupten, dass der Krystall, unerachtet derselbe mit den verschiedensten Stoffen sich verbunden und auch wieder von ihnen getrennt hatte, schliesslich, so weit die Beobachtung reicht, in seiner urspr\u00fcnglichen, wesentlichen Beschaffenheit wiederhergestellt werden kann.\nSchluss: Die mit den verschiedenen S\u00e4uren, Alkalien und mit W\u2019asser abwechselnd und durch mehre Stunden hindurch behandelten Krystalle zeigen dieselben Erscheinungen , wie wenn sie mit jenen Substanzen nach den fr\u00fche-","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nren Versuchen einfach oder in einfacher Abwechselung unmitteibar in Verbindung gebracht worden waren. Die konstanten Ver\u00e4nderungen beziehen sich auf das Volumen und die F\u00e4rbung; die Form der Krystaile und auch die \u00fcbrigen Eigenschaften bleiben unver\u00e4ndert. Dadurch, dass man in der Reihenfolge der angewendeten Substanzen eine S\u00e4ure und nachtr\u00e4glich Wasser oder auch nur die sich leicht verfl\u00fcchtigende Essigs\u00e4ure an das Ende des Versuchs bringt, wird man in den Stand gesetzt, den Krystall auch nach der Gr\u00f6sse wieder vollkommen so herzustellen, wie er urspr\u00fcnglich war; nur die roihe F\u00e4rbung beh\u00e4lt einen Stich im Br\u00e4unliche.\n10) Werden die Krystaile nach voraufgegangener Behandlung mit S\u00e4uren, Alkalien und Wasser einfach oder mit den oben beschriebenen Abwechselungen auf dem Objecttr\u00e4ger an der Luft durch mehrere Stunden oder auch Tage hindurch getrocknet, und sodann von Neuem zu \u00e4hnlichen Versuchen benutzt, so verhalten sie sich genau so, als ob man es mit Kry stallen, die eben aus dem Weingeist genommen waren, zu thun gehabt h\u00e4tte. Beim Eintrocknen schrumpfen die Krystaile mehr oder weniger zusammen; die Essigs\u00e4ure und das Ammoniak verfl\u00fcchtigen sich, die durch Kalil\u00f6sungen und nachtr\u00e4glichen Zusatz von Wasser vergr\u00f6sserten Krystaile verlieren den Theil des Wassers, welcher ihnen auch durch concenlrirte Glaubersalzl\u00f6sung entzogen werden konnte.\nDas Eintrocknen der gebrauchten Krystaile und die Erneuerung \u00e4hnlicher Versuche kann sogar mehrere Male hinter einander mit gleichem Erfolge wiederholt werden. Eine von mir unternommene Versuchsreihe der Art an einem und demselben Krystall war folgende: Am ersten Tage kamen in Anwendung: Essigs\u00e4ure 50$, Wasser, Essigs\u00e4ure 50$, Wasser, Kalil\u00f6sung 50J}, Wasser, Kalil\u00f6sung 50$, Essigs\u00e4ure, W'asser \u2014\u2022; am 2ten Tage: Kalil\u00f6sung 10$, Wasser, Essigs\u00e4ure, Wasser, Kalil\u00f6sung 10$, Wasser, Essigs\u00e4ure, Jod?","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"217\ni\u00f6sung, Kalilosung 50$, Wasser, Essigs\u00e4ure \u2014am 3tenTage: Wasser, Essigs\u00e4ure, Wasser, Gerbs\u00e4ure, Kalil\u00f6sung 10$, Wasser, Jodl\u00f6sung \u2014 ; am 4ten Tage: Kalil\u00f6sung 10-g-, Essigs\u00e4ure, Salpeters\u00e4ure 1$, Ammoniakl\u00f6sung 10$-, Essigs\u00e4ure, Phosphors\u00e4ure 10-g-, \u2014} am 5ten Tage: Pliosphors\u00e4ure 50$, Wasser, Salzs\u00e4ure 20$, Schwefels\u00e4ure 20$, Wasser, Liq. Ammon. 5$, Essigs\u00e4ure \u2014; am Gien Tage: Essigs\u00e4ure, Ammoniakl\u00f6sung, Essigs\u00e4ure, Kalii\u00f6sung 10$, Essigs\u00e4ure, Salz-e\u00e4ure 10$, Wasser, Salzs\u00e4ure, Kalil\u00f6sung 50$, Wasser \u2014; am 7ten Tage: Wasser, Salzs\u00e4ure, Kalil\u00f6sung 50$, Essigs\u00e4ure, Schwefels\u00e4ure, Wasser \u2014 ; am Bten Tage wTie am siebenten. \u2014 In allen diesen Versuchen zeigte der Krystall konstant diejenigen Ver\u00e4nderungen, hinsichtlich der Gr\u00f6sse und F\u00e4rbung, welche bei einmaliger Einwirkung der Substanzen zum Vorschein treten. Auch die Form, Elasticit\u00e4t, Weichheit, erhielt sich bis zum letzten Augenblick. Das homogene pellucide Ansehen, so wie die Sch\u00e4rfe der Kanten, hatten in den ersten sechs Tagen keine bemerkbare Ver\u00e4nderung erlitten; am siebenten und namentlich am achten Tage erschien der Krystall etwras gelockert, die Kanten waren nicht so bestimmt und scharf, das homogene, peilucid\u00f6 Ansehen war durch ein feines, granulirtes Wesen getr\u00fcbt.\nDie so eben erw\u00e4hnte Ver\u00e4nderung in der Beschaffenheit des Krystalls ist in anderen F\u00e4llen nicht beobachtet worden, wenn man namentlich nicht so h\u00e4ufig die Kaii-l\u00f6sung (50$) und die Schwefels\u00e4ure anwendet, und gleichzeitig vermieden wmrde, nach voraufgegangener Behandlung der Krystalle mit diesen Stoffen das Eintrocknen eintreten zu lassen. Es scheint demnach, als ob grade durch die \u00f6ftere Anwendung jener Stoffe in der bezeichneten Weise die Auflockerung und Zerst\u00f6rung der Krystalle allm\u00e4klig angebahnt wrerde.\n11) Verhalten der durch Salpeters\u00e4ure ver\u00e4nderten Krystalle bei einfacher oder abwechselnder Behandlung mit S\u00e4uren, Alkalien, Wasser.","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"248\nAus den fr\u00fcher mitgetheilten Versuchen ging hervor, dass die Krystalle, wie jeder ei weissartige K\u00f6rper, durch die rauchende, und auch schon durch die zwanzigprozentige Salpeters\u00e4ure in die sogenannte Xanthoproteins\u00e4ure um gewandelt werden. Bei dieser Verwandlung geht die im lieber-schiiss vorhandene Salpeters\u00e4ure sogleich wieder mit der Xanthoproteins\u00e4ure eine Verbindung ein und kann aus derselben, wie bei allen unmittelbaren Verbindungen der Krystalle mit S\u00e4uren, durch Wasser entfernt werden. Die nunmehr als reine Xanthoproteins\u00e4ure auftretenden Krystalle zeigen sich reichlich um 0,1 des Durchmessers kleiner als die normalen Krystalle, ihre Farbe spielt ins Braune; alle \u00fcbrigen Eigenschaften dagegen: die elastische, weiche Beschaffenheit, das homogene, pellucide Ansehen, die Form nach Gr\u00f6ssen der Winkel und die Sch\u00e4rfe der Kanten haben keine Aenderung erlitten.\nMit diesen als reine Xanthoproteins\u00e4ure auftretenden Krystallen habe ich dieselbe Reihe von Versuchen angestellt, wie mit den normal beschaffenen Krystallen.\naj Wie schon erw\u00e4hnt, verbinden sich die Krystalle mit den Alkalien, nehmen dabei eine intensive orange F\u00e4rbung an und vergr\u00f6ssern ihr Volumen nahezu um 0,1 des Durchmessers; die \u00fcbrigen Eigenschaften bleiben im wesentlichen unver\u00e4ndert.\nbj Mit S\u00e4uren in Verbindung gebracht, zeigen die Krystalle die erlittenen Ver\u00e4nderungen an dem Volumen und auch an der Farbe. Bei Anwendung der Essigs\u00e4ure (50$) vergr\u00f6ssern sie sich um 0,4 d. D., der Phosphors\u00e4uve (10$ und 50$) um 0,14 d. D., der Jodl\u00f6sung nahezu um 0,2 d. D., der Salzs\u00e4ure (20$) um 0,2 d. D. der Schwefels\u00e4ure reichlich um 0,6 d. D., der Salpeters\u00e4ure (20$ und die rauchende) um 0,4 d. D. Die Ver\u00e4nderungen in der Farbe entsprechen im Wesentlichen jenen, die bei unmittelbarer Anwendung der S\u00e4uren auf die normal beschaffenen Krystalle beobachtet werden,","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"219\nmit dem einzigen Unterschiede, dass die Andeutungen einer br\u00e4unlich-gelben Tinktion etwas markirter hervortreten. Im Uebrigen werden keine irgendwie auff\u00e4llige Ab\u00e4nderungen in der Krystallgestalt, Elasticit\u00e4t, Weichheit etc. bemerkt.\ncj Wird zu den mit Kali verbundenen Krystallen Was-cer hinzugef\u00fcgt, so findet eine sehr auffallende Volumen-Ver-gr\u00f6sserung statt, reichlich um 0,8 d. D. \u2014 Die Krystalle erscheinen fast ganz farblos mit einer sehr geringen Tinktion ins Hellgelbe; alles Uebrige bleibt unver\u00e4ndert.\ncl) Den mit S\u00e4uren verbundenen Krystallen wird durch Zusatz von Wasser die S\u00e4ure entzogen; sie zeigen sich als-bald vollkommen in dem Zustande, wie vor der Anwendung der S\u00e4uren.\nDie Erscheinungen, unter welchen die Krystalle in der Verbindung mit Kali das Wasser aufnehmen und in der Verbindung mit S\u00e4uren die letzteren abgeben, sind genau dieselben wie bei den gleichen Versuchen mit den normal beschaffenen Krystallen.\ne)\tAuch hier werden das schw\u00e4chere Alkali durch das st\u00e4rkere, die schw\u00e4cheren S\u00e4uren durch die st\u00e4rkeren aus der Verbindung mit den Krystallen getrieben und dabei dieselben Erscheinungen beobachtet wie bei den Krystallen, die nicht in Xanthoproteins\u00e4ure verwandelt sind, unter \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen.\nf)\tWerden die mit Alkalien verbundenen Krystalle mit S\u00e4uren und die mit S\u00e4uren verbundenen mit Alkalien behandelt, so treten konstant unter denselben Erscheinungen, wie bei den normalen Krystallen, die Alkalien oder S\u00e4uren aus der Verbindung heraus, und die im Ueberschuss vorhandene hinzugef\u00fcgte S\u00e4ure oder Alkalien-L\u00f6sung verbindet sich mit den nur einen Augenblick restituirten Krystallen.\ng)\tEs lassen hieb endlich auch diese Krystalle mit den verschiedenen S\u00e4uren, Alkalien und Wasser durch mehrere Stunden hindurch abwechselnd behandeln, und der einmal","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\ngebrauchte Krystali nach ein- oder mehrt\u00e4gigem Eintrocknen von Neuem zu Versuchen benutzen, ohne dass im Wesentlichen ein Unterschied von dem Verhalten der normal beschaffenen Krystalle bei \u00e4hnlichen Versuchen hervortritt. Wenn man nun zum Schluss der Versuchsreihen eine S\u00e4ure anwendet, und diese S\u00e4ure durch Wasser entfernt, so kann man den Krystali nach allen seinen Eigenschaften wieder so herstellen, wie er beim Beginn der Versuche sich verhielt. \u2014 Nur in einem Punkte habe ich einen Unterschied von dem Verhalten der normalen Krystalle bemerkt. L\u00e4sst man die Krystalle in ihrer Verbindung mit Kali eintrocknen, dann Wasser hinzutreten und nachtr\u00e4glich irgend eine S\u00e4ure, so l\u00f6set sich die Krystallmasse zu einer formlosen, z\u00e4hen Substanz auf, die beim Zusatz von Alkalien gleichwohl eine orange F\u00e4rbung annimmt und demnach noch als zum Theil gel\u00f6sete Xanthoproteins\u00e4ure anzusehen ist.\nFolgerung. Die Xanthoproteinkrystalle ver\u00e4ndern sich bei einfacher oder abwechselnder Behandlung mit den verschiedenen S\u00e4uren, Alkalien und Wasser in derselben gesetzlichen Weise, wie die urspr\u00fcnglichen Albumiual-Krystalle; sie verbinden sich mit den verschiedenen Substanzen, sie trennen sich von ihnen und verrathen diese Ver\u00e4nderungen durch eine constante Zu- oder Abnahme in dem Volumen und auch zum Theil durch F\u00e4rbung. Die \u00fcbrigen Eigenschaften dagegen bleiben im Wesentlichen unver\u00e4ndert; namentlich erh\u00e4lt sich die Krystallform mit derselben Sch\u00e4rfe der Kanten und Gr\u00f6sse der Winkel, so zwar, dass die Krystalle selbst nach vielen Verbindungen und Trennungen gleichwohl in der urspr\u00fcnglichen Gestalt, Gr\u00f6sse, ja selbst in der F\u00e4rbung des Xanthoproteins wiederhergeslellt werden k\u00f6nnen.\n12) Unerachtet der Uebereinstiinmung in dem gesetzlichen Verhalten der Xanthoprotein- und urspr\u00fcnglichen Al-buminal-Krystalle bei Einwirkung von S\u00e4uren, Alkalien und Wasser zeigen sich einige Unterschiede in dem Grade der Vergr\u00f6sserung bei der Verbindung mit den obigen Substan-","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"221\n\u00bben, desgleichen in einem Falle wenigstens auffallender in der F\u00e4rbung, und endlich auch mit R\u00fccksicht auf das Verhalten bei Einwirkung verschieden starker L\u00f6sungen einer und derselben Substanz.\nDie reinen Xanthoproteinkrystalle sind an und f\u00fcr sich um 0,1 d. D. kleiner als dieselben urspr\u00fcnglichen Albuminal-krystalle. Mit R\u00fccksicht auf dieses Gr\u00f6ssenverh\u00e4ltniss ist die Zunahme des Volumen bei den Xanlhoproteinkrystallen st\u00e4rker bei Essigs\u00e4ure um 0,1 d. D., bei Jodl\u00f6sung um 0,2 d. D., bei Salzs\u00e4ure nahezu um 0,1 d. D.; bei dem Kali und nachtr\u00e4glichen Zusatz von Wasser um 0,3 d. D. \u2014\u2022 Die Vergr\u00f6sserung ist dagegen geringer bei der Kalil\u00f6sung l\u00a3 und 10\u00a3 um 0,1 und 0,2 d. D., bei der Phos-phors\u00e4ure (10^ und 50\u00a3) um 0,1 d. D. \u2014 Bringt man die um 0,1 d. D. erfolgte Verkleinerung der Xanthoproteinkrystalle in Abrechnung, so zeigt sich die st\u00e4rkere Vergr\u00f6sserung nur bei der Jodl\u00f6sung um 0.1 d D. und bei der Kalil\u00f6sung mit Zusatz von Wasser um 0,2 des Durchmessers der normalen Gr\u00f6sse des Krystalls.\nIn Betreff der F\u00e4rbung ist die so auffallende orange Farbe bei der Verbindung der Xanfnoprotein-Krystalle besonders hervorzuheben.\nEndlich w\u00e4re noch der Umstand bemerklich zu machen, dass die Xanihoproteinkrystalle bei der Einwirkung der verschiedenen starken Kalil\u00f6sungen, den zehn- und f\u00fcnfzigpro-centigen, keine Unterschiede in dem Grade der Vergr\u00f6sserung, wie bei den urspr\u00fcnglichen Albuminalkrysf allen zum Vorschein treten lassen.\n13) Verhalten der an der Luft getrockneten Krystalle bei Anwendung fetter und \u00e4therischer Gele.\nFr\u00fcher wurde mitgetheilt, dass die nicht getrockneten Krystalle durch die Gele keine Aenderung erleiden* Werden dagegen die Krystalle mehrere Tage an der Luft getrocknet und dann Terpentin\u00f6l hinzugesetzt, so vergr\u00f6ssern sie eich um 0,0S des Durchmessers und nehmen eine schmutzig","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\ngelbbraune, ins Gr\u00fcnliche spielende F\u00e4rbung an. Ganz \u00e4hnlich ist das Verhalten der Krystalle im getrockneten Zustande bei Anwdung von Oliven\u00f6l, nur ist die F\u00e4rbung deutlicher gr\u00fcnlich. Inzwischen ist die Ver\u00e4nderung im Volumen wie in der F\u00e4rbung veih\u00e4ltnissm\u00e4ssig gering; bei der Farbe ist namentlich auch darauf R\u00fccksicht zu nehmen $ dass beim Eintrocknen jedes Mal die urspr\u00fcngliche F\u00e4rbung etwas ver\u00e4ndert wird und mehr in das Schmutzig-gelbbraune hin\u00fcberspielt. Gleichwohl habe ich mich in Betreff des Terpentin\u00f6ls sicher \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dass eine Einwirkung auf die Alluminal- Kry stalle wirklich stattgefunden. Wird n\u00e4mlich ein mit Terpentin\u00f6l behandelter Kry stall mehrere Wochen hindurch an der Luft getrocknet und dann mit Kalil\u00f6sung (50J) in Verbindung gebracht, so wird derselbe zie-gelroth gef\u00e4rbt. Die Farbe stimmt sehr mit derjenigen \u00fcberein, die das durch den Sauerstoff an der Luft in Harz verwandelte Terpentin\u00f6l bei der Verbindung mit Kali annimmt. Dass diese F\u00e4rbung nicht von einer, die Krystalie umh\u00fcllenden d\u00fcnnen Terpentinmasse herr\u00fchrte, ergab sich daraus, dass die ziegelrothen Krystalie bei Zusatz von Wasser und Essigs\u00e4ure sich vergr\u00f6sserten und lichter wurden. Bei der geringen Menge von Kry st allen, die ich noch besitze, war es mir nicht m\u00f6glich, noch weitere Untersuchungen anzustellen.\nZweiter Abschnitt.\nIn dem ersten Abschnitt vorliegender Abhandlung habe ich die Eigenschaften der Albuminal-Krystalle und ihr Verhalten im normalen und getrockneten Zustands nach der Einwirkung verschiedener chemischer Substanzen m\u00f6glichst einfach als Ergebniss unmittelbarer, oft wiederholter Beobachtungen darzustellen mich bem\u00fcht. Das geringe Material von Krystallen, welches nur eine mikroskopische Behandlung zuliess und von dem der gr\u00f6sste Theil dem missgl\u00fcckten Versuche einer quantitativen, chemischen Elementar-Analyse hingeopfert wurde, ist behufs der Feststellung obiger That-\n","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"223\n\u00abache bis auf einen kleinen Rest verbraucht. Diesen Rest werde ich aufbewahren, um ihn vielleicht zu Versuchen zu benutzen, auf welche ich nach Ver\u00f6ffentlichung dieser Abhandlung sollte aufmerksam gemacht werden. Hier jedoch mag es mir erlaubt sein, meine Ansicht \u00fcber ein paar r\u00e4tselhafte Erscheinungen an den Albuminal-Krystallen auf Grundlage der mitgetheilten Beobachtungen und mit vergleichender Ber\u00fccksichtigung \u00e4hnlicher Zust\u00e4nde n\u00e4her auszusprechen.\nEs sind aber in dieser Beziehung besonders zwei Momente sehr auff\u00e4llig und bei einer Substanz in Kry stallform bisher unerh\u00f6rt: n\u00e4mlich die erw\u00e4hnte weiche, biegsame, elastische Beschaffenheit, und dann die Verbindungen der Kry-stalle mit verschiedenen Substanzen, ihre Trennungen von derselben in einfacher und abwechselnder Weise unter konstanter gesetzlicher Ver\u00e4nderung des Volumen, zum Theil auch in der Farbe, bei gleichzeitiger Erhaltung der \u00fcbrigen Eigenschaften und namentlich der Krystallform, so zwar, dass selbst nach vielfachen Verbindungen und Trennungen, von der immerhin accidenlellen F\u00e4rbung abgesehen, der Kry-etall selbst hinsichtlich des Volumen wieder vollkommen her-gestellt werden kann.\nI.\nDie weiche, biegsame, elastische Beschaffenheit der Ah buminat-Kry stalle ist bei andern Kry stallen noch nicht beobachtet worden. So auffallend aber auch* die genannten jjigenschaften unserer Kry stalle sind, so weiss ich doch nicht, dass man dadurch bestimmt werden k\u00f6nnte anzunehmen, sie seien \u00fcberhaupt unvereinbar mit der Natur des Krystalls zu denken. Ein gewisser Grad von Zusammendr\u00fcckbarkeit kommt jedem Kry stall zu, und hier ist sie nur im st\u00e4rkeren Grade vorhanden. Diese Eigenschaft setzt aber die M\u00f6glichkeit einer Ver\u00e4nderung und Verschiebung der kleinsten Theilchen des Kiystalis voraus, und mit ihr ist, wie mir scheint, auch die M\u00f6glichkeit zugegeben, dass an","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nKrystallen die Biegsamkeit und Elasticit\u00e4t, wie in andern festen Zust\u00e4nden der Materie, auftreten k\u00f6nne. Es theilt der Albuminal-Krystall die genannten Eigenschaften mit der festen organischen Materie, wie sie an organisirten K\u00f6rpern angetrofTen wird, denen wir den sogenannten durchweichten Koh\u00e4sionszustand zuschreiben. Man hat diesen Zustand von einem gewissen Gehalte an Wasser abgeleitet, der sich schon beim Trocknen an der Luft entfernt und auch durch Druck (Che vre ul) abgeschieden werden soll. Auch die Albuminal-Krystalle verlieren an der Luft Wasser, so dass ihr Volumen sich etwa um 0,1 des Duchmessers verkleinert. Die bezeichnten Eigenschaften waren nicht ganz aufgehoben, aber bedeutend dem Grade nach verringert. Beim Druck, selbst wenn die Krystalle in die Form eines Pl\u00e4ttchens zusammengedr\u00fcckt werden , habe ich keine Verkleinerung des Volumen der Krystalle beobachtet. Aus diesem Grunde, und weil im st\u00e4rksten Alkohol keine Einschrumpfung der Krystalle bemerkbar wird, kann der Wassergehalt nur chemisch gebunden im Krystall vorhanden sein. Nach der Abnahme des Volumen der Albuminal-Krystalle beim Eintrocknen zu uriheilen, ist der Wassergehalt viel geringer, als in den Geweben, Sehnen, Muskeln etc. Der Vergleich ist \u00fcbrigens auch nicht ganz zul\u00e4ssig, da man es in dem einen Falle mit einer homogenen, festen, organischen Substanz, in dem andern mit festen und fl\u00fcssigen Theilen von H\u00f6hlungen und L\u00fccken durchzogen bei \u00e4hnlichen Versuchen zu thun gehabt hat. Daher ist auch aus den Ergebnissen der Versuche \u00fcber den Wassergehalt der sogenannten festen organisirten Be-standtheile der Organismen kein Schluss auf den Wassergehalt der eigentlich homogenen festen organischen Substanzen in ihnen erlaubt.\nMit den eben besprochenen Eigenschaften des Krystalis scheint im engen Zusammenh\u00e4nge der Umstand zu stehen, dass er keine Neigung zeigt, sich zu spalten und in Splitter beim Druck zu zerfallen. Selbst im eingetrockneten Zustand\u00a9","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"225\nist es mir niemals gelungen, durch Druck mit einem starken Glaspl\u00e4ttchen Spaltungen zu bewirken. Ich glaube hieraus nicht schliessen zu d\u00fcrfen, dass die Krystalle in Wirklichkeit in gewissen Richtungen nicht leichter spaltbar seien; ich halte vielmehr daf\u00fcr, dass die Kleinheit der Krystalle und ihre weiche, elastische Beschaffenheit es nicht gestatten, mit den gew\u00f6hnlichen Mitteln uns \u00fcber die Spaltbarkeit zu unterrichten. Es fehlt \u00fcbrigens nicht ganz an Erscheinungen, die mit dem Vorhandensein der Spaltbarkeit in Verbindung zu bringen sind.\nH\u00e4ufig sieht man n\u00e4mlich auf den Fl\u00e4chen der Krystalle eine parallele Streifung, und dieses weiset auf ein Wachsthum durch Juxtaposition hiu. Mit diesem Wachsthum w\u00e4re aber eine leichtere Spaltbarkeit in der Richtung der aufeinander geschichteten Theilchen nothwendig verbunden.\nII\nGr\u00f6ssere Schwierigkeiten bietet die Er\u00f6rterung des zweiten Punktes dar, des eigenth\u00fcmlichen Verhaltens der Albu-minat-Krystalle bei Verbindung mit S\u00e4uren, Alkalien u. s. w, und den Trennungen von diesen Stoffen. Die dabei stattfindenden Erscheinungen sind an den uns bekannten Kry-stallen anorganischer und organischer Substanzen gleichfalls noch nicht beobachtet worden und d\u00fcrften auf den ersten Anblick als ganz r\u00e4thselhaft hingestellt werden. Dagegen ist sehr wohl bekannt, dass die festen Albuminate in den organisirten Bestandtheilen des K\u00f6rpers vollkommen gleiche Erscheinungen darbieten, wTorauf ich sp\u00e4ter noch zur\u00fcckkommen werde. Die physiologischen Chemiker haben keinen Anstand genommen, die Verbindungen der festen Albuminate in den organisirten Bestandtheilen mit Alkalien, S\u00e4uren etc. f\u00fcr chemische Verbindungen zu halten, und auch in Betreff unserer Krystalle sind gleiche Urtheile gef\u00e4llt. Andrerseits hat man \u00e4hnliche Verbindungen bei endosmotischen Prozessen, selbst bei der homogenen Zellenmembran, unter\nMiiHers Archiv. 1849.\t1 5","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nden Ausdr\u00fccken \u201eInfiltration, Imbibition, Absorptiona f\u00fcr die Wirkungen einer Kapillarattraktion und einfachen Adh\u00e4sion oder f\u00fcr ein Verbindungsverh\u00e4ltniss erkl\u00e4rt, das sich in den einfachen Aufl\u00f6sungen, wie z. B. von einem Salz in Wasser (Schwann, Schleiden, H. Meckel) wiederfindet. Der Umstand, dass wir es hier mit einem wirklichen Kry-stall zu thun haben, und die Genauigkeit, mit der die Erscheinungen bei den Verbindungen desselben mit anderen Substanzen und den Trennungen von ihnen studirt werden konnten, fordern dazu auf, von jenen beliebten Erkl\u00e4rungsversuchen abzusehen und den Krystall vielmehr in dem be-zeichneten Verhalten von Neuem darauf zu pr\u00fcfen, ob man es mit den Wirkungen einer einfachen Kapillarattraktion, oder einer einfachen Aufl\u00f6sung oder einer chemischen Attraktion zu thun habe. Wir wollen dabei den rein empirischen Standpunkt annehmen; wir abstrahiren von den Versuchen, jene drei Prozesse a\u00efs Wirkungen einer und derselben physikalischen oder chemischen Anziehung zu betrachten; empirische Unterschiede in dem Entstehen und Bestehen dieser Prozesse liegen unzweifelhaft vor, an diese wollen wir uns halten, um die Uebereinstimmung des Kry stalles in seinem Verhalten mit ihnen zu untersuchen. Um die Er\u00f6rterung der Frage so viel wie m\u00f6glich zu vereinfachen, erscheint es passend, vorl\u00e4ufig auf das Verhalten der Albuminat-Krystalle bei der Umwandlung in Xanthoprotein durch die Salpeters\u00e4ure keine R\u00fccksicht zu nehmen und nur die \u00fcbrigen \u00fcbereinstimmenden Erscheinungen der Albuminat- und Xantho-protein-Krystalle bei den Verbindungen mit S\u00e4uren, Alkalien etc. zu beachten.\na) Nehmen wir also zun\u00e4chst an, die Verbindungen der Krystalle mit den verschiedenen fl\u00fcssigen Substanzen und die Trennungen von ihnen seien Effekte einer einfachen Kapillar- Attraktion ; die Krystalle verhalten sich dabei, w ie in Fl\u00fcssigkeit getauchte Schw\u00e4mme.","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"227\nDiese Vorstellung setzt die Anwesenheit von Poren oder Kan\u00e4lchen in den Krystallen voraus, die, obschon bei den st\u00e4rksten Vergr\u00f6sserungen nicht sichtbar, dennoch die Natur von Kapillarr\u00f6hren besitzen; die Kan\u00e4lchen m\u00fcssen ferner ganz gleichm\u00e4ssig in der Substanz verbreitet sein, dabei die Volum-Ver\u00e4nderungen, die Winkel durchaus unver\u00e4nderlich bleiben. Bei dieser Ansicht erscheint es im ersten Augenblick so leicht verst\u00e4ndlich, dass die Krystalle bei der Aufnahme verschiedener Stoffe selbst in verschiedener Weise das Volumen ver\u00e4ndern und dabei die Krystallform bewahren. Geht man aber genauer auf das Verhalten der Krystalle ein, so bleibt Vieles unerkl\u00e4rt. Anderes steht mit dieser Ansicht geradezu im Widerspruch. Die nothwendig werdende Annahme von Kan\u00e4lchen, die den Krystall durchsetzen, ist bei der eben so noth wendigen Homogenit\u00e4t des Krystalls um so bedenklicher, als gleichzeitig auch das Vorhandensein einer die L\u00fccken ausf\u00fcllenden, von der Krystall-substanz ganz heterogenen Masse statuirt werden muss. Diese F\u00fcllungsmasse kann nicht Luft oder \u00fcberhaupt ein gasf\u00f6rmiger K\u00f6rper sein, da die Krystalle in den verschiedenen Fl\u00fcssigkeiten zu Boden sinken, und niemals bei den Verbindungen eine Blasen-Entwickelung statt hat. Sie kann auch nicht Wasser sein, was aus den fr\u00fcheren Mittheilungen hervorgeht. Der Umstand ferner, dass die Krystalle, auch wenn sie bis auf eine Lamelle zusammengedr\u00fcckt werden, keine Verkleinerung im Volumen wahrnehmen lassen, d\u00fcrfte es \u00fcberhaupt zweifelhaft machen, ob eine fl\u00fcssige F\u00fcllungsmasse in den L\u00fccken angenommen werden kann. Da nun aber eine feste F\u00fcllungsmasse die Kapillarr\u00f6hren vernichten w\u00fcrde, so bleibt, um das weitere Verhalten der Krystalle mit R\u00fccksicht auf diese Vorstellung zu studiren, nichts Anderes \u00fcbrig, als eine unbekannte fl\u00fcssige F\u00fcllungsmasse aus der Umgebung im Uterus anzunehmen, die wegen des gleichen Verhaltens der Krystalle im getrockneten Zustande nicht fl\u00fcchtiger Natur sein d\u00fcrfte. Diese F\u00fcllungs-\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nmasse wird zu jenen, mit den Krystallen sich verbindenden Substanzen entweder gar keine Affinit\u00e4t haben, oder sich mit ihnen einfach mischen, oder endlich wirklich chemisch verbinden k\u00f6nnen. Pr\u00fcfen wir nunmehr, wie hiermit das Verhalten der Krystalle in Uebereinstimmung sich befindet.\nIst gar keine Affinit\u00e4t zwischen der F\u00fcllungsmasse und den in den Krystall eintretenden Substanzen vorhanden, so ist der Fall am einfachsten. In Folge der st\u00e4rkeren Anziehung zu den Wandungen der kapillaren R\u00e4ume vertreiben die S\u00e4uren, Alkalien etc. die F\u00fcllungsmasse aus dem Krystalle und nehmen deren Platz ein. Es musste sich nun die vertriebene Masse auf dem Objekttr\u00e4ger bemerklich machen, was in der That nicht geschieht. Indessen lassen wir auch diese Bedenken fallen. Es liegt dann zu Tage, dass die Volumen - Vergr\u00f6sserungen mit Erhaltung der Krystallform bei den einmaligen Verbindungen der Krystalle mit den verschiedenen Substanzen erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnten. Auffallend ist es aber schon, dass die Krystalle bei der Aufnahme von Jodl\u00f6sung keine Volum-Vergr\u00f6 s s erung erleiden, da zufolge der st\u00e4rkeren Kapillar'Attraktion eine solche Vergr\u00f6s-serung bei der Nachgiebigkeit der Wandungen erwartet werden muss. Unerkl\u00e4rt bleiben ferner die auff\u00e4lligen Ver\u00e4nderungen in der F\u00e4rbung: das Auftreten der Orange-Farbe bei der Verbindung der Xanthoprotein - Krystalle mit Alkalien; die intensiv gelbbraune F\u00e4rbung der Jod-Krystalle, da Jodl\u00f6sung auf dem Objekttr\u00e4ger fast farblos erscheint; die r\u00f6thliche Tinktion der Krystalle bei der Aufnahme von Schwefels\u00e4ure, u. s. w. Die gr\u00f6ssten Schwierigkeiten und Widerspr\u00fcche finden sich jedoch ein, sobald man mit dieser Ansicht die Erscheinung in Verbindung bringt, welche bei nachtr\u00e4glicher Behandlung der nunmehr ver\u00e4nderten Krystalle mit anderen S\u00e4uren, Alkalien, Wasser in einfacher oder abwechselnder Weise beobachtet werden. Hat ein Krystall eine S\u00e4ure aufgenommen, so kann eine andere S\u00e4ure mit st\u00e4rkerer Kapillar-Attraktion dieselbe aus ihrer Stellung","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"229\nvertreiben, und es wird nothwendig eine Vergr\u00f6sserung des Volumen eintreten. Wir sehen dagegen das Jod die Essigs\u00e4ure vertreiben, \u2014 und das Volumen des Krystalls verkleinert sich sogar sehr bedeutend. Wird zu einem Kry-stall in Verbindung mit S\u00e4uren Wasser hinzugef\u00fcgt, so wird sich das letztere mit der S\u00e4ure im Krystall vermischen; das Volumen des Krystalles wrird sich vergr\u00f6ssern. Wir beobachten dagegen, dass das Wasser die S\u00e4ure herauszieht, dass der Krystall sich verkleinert. Diese Verkleinerung geht sogar bis zur Reduktion des Krystalles auf die normale Gr\u00f6sse, obschon die F\u00fcllungsmasse in den kapillaren R\u00e4umen nicht mehr vorhanden, und das angewendete Wasser oder Luft keinen Zutritt zu dem Krystall erhalten hat. Setzt man Alkalien hinzu, so werden in den kapillaren R\u00e4umen die entstandenen Salzkrystalle sich eben so, wie ausserhalb des Albuminat-Krystalls beim Eintrocknen absetzen; die Albu-minat-Kry stalle werden undurchsichtig werden, das homogene Ansehen verlieren und das Volumen wenigstens sich nicht ver\u00e4ndern. Die Krystalle bleiben aber durchsichtig und homogen; in Folge der Einwirkung des Alkali wird ihm zuerst die S\u00e4ure vollst\u00e4ndig entzogen; der Krystall verkleinert sich auf die normale Gr\u00f6sse und geht dann eine neue Verbindung mit dem Alkali im Ueberschuss so ein, als ob er direkt mit demselben zusammengebracht w\u00e4re. H\u00e4tte der Albuminat - Krystall urspr\u00fcnglich die L\u00f6sung eines Alkali aufgenommen, so bietet das Verhalten zu dem nachtr\u00e4glich hinzugef\u00fcgten Wasser weniger Schwierigkeiten dar; im Ue-brigen aber stellen sich \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse ein, wie die so eben besprochenen.\nIm zweiten Falle gehen die zu dem Krystalle hinzugeleiteten Stoffe mit der fl\u00fcssigen F\u00fcllungsmasse der kapillaren R\u00e4ume eine einfache Mischung ein. Die kapillare Attraktion der Wandungen der Krystallsubstanz zu der neuen F\u00fcllungsmasse und den hinzugeleiteten Stoffen kann hierbei zun\u00e4chst ausser Acht gelassen werden; man h\u00e4tte es eben nur mit","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\neiner gef\u00fcllten Blase zu thun, deren Fl\u00fcssigkeit frei nach Aussen mit dem umgebenden fl\u00fcssigen Saft kommuniciren und nach den Gesetzen der Diffusion sich mischen kann. Die Erscheinungen, die unter solchen Umst\u00e4nden an dem Krystall zum Vorschein treten m\u00fcssten, wenn man ihn anhaltend mit einer S\u00e4ure, oder einer Alkalil\u00f6sung, oder abwechselnd mit verschiedenen S\u00e4uren, Alkalien, Wasser mehrere Male hintereinander behandeln w\u00fcrde, lassen sich nicht in Verbindung bringen mit der bei einem jedem Stoffe verschiedenen und konstanten Vergr\u00f6sserung oder Verkleinerung des Volumens der Krystalle, mit der M\u00f6glichkeit der Restitution derselben, mit dem Verbleiben des homogenen, pelluciden Ansehens, mit den schon oben erw\u00e4hnten Farben-Ver\u00e4nderungen. Es w\u00fcrde zu langweilig wprden, wollte man hier auf das Einzelne noch genauer eingehen. \u2014\u2022 L\u00e4sst man die kapillare Attraktion der Wandungen des R\u00f6hrensystems im Krystall auf den Gang der Erscheinungen der einfachen Mischung der sich begegnenden Fl\u00fcssigkeiten von Einfluss sein, so kann dieses, wenn die Wirkungen der Mischung nicht g\u00e4nzlich gehemmt werden sollen, nur auf die Weise zu Stande kommen, dass die zu der F\u00fcllungsmasse des Krystalles hinzutretenden Stoffe entweder eine schw\u00e4chere oder eine st\u00e4rkere Attraktion zu den Wandungen besitzen, als die urspr\u00fcngliche oder ver\u00e4nderte F\u00fcllungsmasse selbst. Dann concurriren in den Effekten die Bewegungsmomente der kapillaren Attraktion mit jenen, die Diffusion und Mischung veranlassen; sie k\u00f6nnen gegeneinander oder miteinander wirken und auf diese Weise in den Ver\u00e4nderungen des Volumen der Krystalle sich geltend machen. Gleichwohl w\u00fcrden sich die Krystalle auch hier bei Anwendung der verschiedenen Substanzen allm\u00e4hlig und gleich-massig vergr\u00f6ssern, so weit es die Nachgiebigkeit der Wandungen des Krystalles gestattet, und eben so verkleinern, was im Widerspruche steht mit der pl\u00f6tzlichen und so konstant verschiedenen Ver\u00e4nderung des Volumen der Krystalle","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"231\nbei Anwendung der verschiedenen Stoffe. Auch die \u00fcbrigen eben bezeichneten Schwierigkeiten bleiben dieselben.\nIn dem dritten Falle geht die F\u00fcllungsmasse des angenommenen kapillaren H\u00f6hlensystems in den Krystallen chemische Verbindungen mit den verschiedenen Stoffen ein. Bei der einmaligen Anwendung dieser Stoffe w\u00fcrden sich die konstanten Volumen- und Farbenver\u00e4nderungen gut erkl\u00e4ren lassen; man wird es auch begreiflich finden, dass die Form und \u00fcbrigen Eigenschaften der Krystalle sich erhalten. Das Verhalten der Krystalle jedoch bei abwechselnder, einmaliger und mehrmaliger Behandlung mit S\u00e4uren und Alkalien steht mit dieser Annahme im auffallendsten Widerspruch. Denn die Versuche lehrten, dass der Albuminat-Krystall eben so mit S\u00e4uren, wie mit Alkalien sich verbindet, dass ferner jede Verbindung mit einer S\u00e4ure durch ein Alkali, und die Verbindungen mit Alkalien durch jede beliebige S\u00e4ure wieder aufgehoben und der Krystall dabei restituirt wird. Denkt man sich diese Wirkungen nicht durch den Krystall als homogenes Ganzes, sondern von einer in ein H\u00f6hlensystem desselben eingeschlossenen heterogenen Substanz vollbracht, so sind die einmal aufgenommenen S\u00e4uren oder Alkalien nicht mehr wieder g\u00e4nzlich herauszubringen; da das einzige Mittel, was dazu verhelfen k\u00f6nnte, n\u00e4mlich eine st\u00e4rkere oder geringere kapillare Attraktion zu den Wandungen, in Betreff der S\u00e4uren und Alkalien, durch die Versuche selbst beseitigt ist. Wird daher ein Krystall abwechselnd mit Essigs\u00e4ure oder Schwefels\u00e4ure und der Kalil\u00f6sung (50\u00a3) mehre Stunden hindurch behandelt, so d\u00fcrfte niemals eine Restitution eintreten; die nothwendig sich bildenden Salz-krystalle werden in den H\u00f6hlen des Albuminat-Krystalls beim Eintrocknen deponirt werden, so weit als m\u00f6glich eine alhn\u00e4hlige Vergr\u00f6sserung des Volumens in letzterer bewirken und ihre homogene, pellucide, weiche, elastische Beschaffenheit vernichten. Dies sind die nothwendigen und","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nmit dem wirklichen Verhalten der Krystalle im vollen Widerspruch stehenden Konsequenzen dieser Ansicht.\nDie eben gef\u00fchrten Er\u00f6rterungen beweisen, dass die Annahme eines kapillaren H\u00f6hlensystems in den Krystallen mit den dabei etwa nothwendig werdenden Konsequenzen das gesetzliche Verhalten der Krystalle bei den Verbindungen und Trennungen nicht allein nicht erkl\u00e4rt, sondern sogar gr\u00f6sstentheils auf Widerspr\u00fcche st\u00f6sst und eigentlich nur die Erhaltung der Form verst\u00e4ndlich macht.\nb) Versuchen wir demnach die Pr\u00fcfung der Ansicht, dass das bezeichnete Verhalten der Krystalle mit dem gesetzlichen Verhalten einfacher Aufl\u00f6sungen \u00fcbereinstimme.\nEs wurde bereits erw\u00e4hnt, dass mehrere Forscher die Aufnahme von Stoffen durch die Zellenmembranen mit der einfachen Aufl\u00f6sung von Salz in Wasser verglichen haben. Auch bei den Processen, die unter den Namen der \u201eImbibition, Absorbtion, Infiltration thierischer H\u00e4ute durch Fl\u00fcs-sigkeiten\u201c aufgefasst werden, desgleichen selbst bei der Endosmose und Exosmose d\u00fcrfte sich diese Vorstellung behufs der Deutung der Erscheinungen zum Theil wenigstens geltend machen k\u00f6nnen. Auf diesem Standpunkte leugnet man in den Albuminat-Krystallen die Anwesenheit von Poren, die die Natur der kapillaren R\u00f6hrchen h\u00e4tten. Die Substanz des Krystalls wird homogen gedacht, aber durchdringlich f\u00fcr verschiedene Stoffe, wie bei einer wirklichen chemischen Mischung; auch nach der Aufnahme von fremden Stoffen bleiben die Krystalle homogen, wie bei einer chemischen Verbindung. Es wird demnach bei der Pr\u00fcfung dieser Ansicht besonders zu untersuchen sein, ob bei den Verbindungen der Krystalle mit den verschiedenen Stoffen und den Trennungen von ihnen jene gesetzlichen Erscheinungen sich rnarkiren, wodurch die einfachen Aufl\u00f6sungen von den chemischen Verbindungen empirisch unterschieden werden k\u00f6nnen. Es hat inzwischen die Deutung der Verbindungszust\u00e4nde des Krystalles mit den S\u00e4uren, Basen etc. als ein-","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"233\nfache Aufl\u00f6sungszust\u00e4nde etwas Befremdendes darin, dass der Krystall seinen festen Koh\u00e4sionszustand beibeh\u00e4lt. Man kann indess davon absehen, weil doch bei einem \u00e4hnlichen Prozesse, wie z. B. bei der Absorption der Gase durch tropfbare Fl\u00fcssigkeiten, gleichfalls keine Aenderung in dem Koh\u00e4sionszustand der tropfbaren Fl\u00fcssigkeit eintritt, wTeil ferner selbst bei wirklichen chemischen Verbindungen zwischen fl\u00fcssigen und festen K\u00f6rpern der Zustand des letzteren sich erhalten kann, und weil endlich in den einfachen Aufl\u00f6sungen sich Gesetzlichkeiten zu erkennen 'geben, bei welchen die verschiedenen Koh\u00e4sionszust\u00e4nde ganz ausser Acht gelassen werden k\u00f6nnen.\nZu Gunsten dieser i^nsicht sprechen die Homogenit\u00e4t der Krystalle, desgleichen die homogene Beschaffenheit derselben nach den Verbindungen mit den verschiedenen Stoffen, endlich noch vielleicht die Erhaltung der Form unter denselben Verh\u00e4ltnissen, sofern die obigen Begr\u00fcndungen annehmbar befunden werden. Dagegen bleibt unerkl\u00e4rt die Farbenver\u00e4nderung, so weit sie unabh\u00e4ngig von den Farben der sich verbindenden K\u00f6rper und der Volumvergr\u00f6sserung der Krystalle auftritt, Bei einer jeden einfachen Aufl\u00f6sung ist ferner der S\u00e4ttigungszustand ver\u00e4nderlich nach dem Grade der Temperatur, und die Quantit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse, in welchen sich die K\u00f6rper bis zur S\u00e4ttigung verbinden, ganz unbestimmt. Bei den Kryslallen ist es erlaubt, von der genau bestimmbaren Ver\u00e4nderung des Volumens der Krystalle auf das Verhalten der Mischungsquantit\u00e4ten und auf den S\u00e4ttigungszustand zu schliessen. Hier hat sich nun zun\u00e4chst gezeigt, dass die Volumenzunahme oder Abnahme im Sommer bei 18 \u2014 20\u00b0 R und im Winter bei 10 \u201414\u00b0 R. konstant dieselbe bleibt. Die Ver\u00e4nderungen des Volumens der Krystalle geschehen auch pl\u00f6tzlich, und, wenn sie einmal erfolgt sind, so erleiden sie keine Ab\u00e4nderung, selbst wenn eine halbe Stunde hindurch dieselbe Substanz dem Krystall vor\u00fcberfliesst.","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nFerner verhalten sich nachweislich die einfachen Aufl\u00f6sungen bei Aufnahme eines dritten K\u00f6rpers durchaus anders, als unsere Krystalle in ihren Verbindungen bei Hinzuleitung eines neuen, wenn man so sagen soll, l\u00f6slichen Stoffes. Die einfachen Aufl\u00f6sungen nehmen, wofern nicht eine chemische Zersetzung herbeigef\u00fchrt wird, noch andere l\u00f6sliche Stoffe auf und lassen h\u00f6chstens eine Portion des gel\u00f6sten K\u00f6rpers, wie es die Temperatur oder der S\u00e4ttigungsgrad erfordert, entweichen. Wird nun die Verbindung der Krystalle etwa mit den S\u00e4uren einfacher Aufl\u00f6sungen gleichgestellt, so folgt, dass, wenn zu solchen Krystallen neue S\u00e4uren hinzugef\u00fcgt werden, ~die Aufnahme derselben etwa unter Entweichung einer Portion der bereits gel\u00f6sten S\u00e4ure stattfinden muss. Unsere Versuche hingegen zeigen, dass die schw\u00e4cheren S\u00e4uren gar keinen Eingang erhalten, und dass die st\u00e4rkeren S\u00e4uren die gel\u00f6sten schw\u00e4cheren g\u00e4nzlich vertreiben. Dasselbe wurde auch in Betreff der Alkalien beobachtet. In diesen F\u00e4llen l\u00e4sst man den Kr y st all die Rolle des Aufl\u00f6sungsmittels \u00fcbernehmen. Wird zu dem Krystall in Verbindung mit einer S\u00e4ure oder einem Alkali Wasser hinzugeleitet, so kann die schon aufgenommene S\u00e4ure oder das Alkali als Aufl\u00f6sungsmittel gelten. Hier sehen wir allerdings, dass der Krystall in Verbindung mit Kali Wasser aufnimmt, in Verbindung mit der S\u00e4ure dagegen, nach Entweichung der S\u00e4ure zum Wasser, auch wenn dasselbe reichlich zufloss, vollkommen restituirt wird. \u2014 Also auch die Ansicht, dass die Verbindungen der Krystalle mit den verschiedenen Stoffen der einfachen Aufl\u00f6sungen gleichzustellen seien, bietet manche Schwierigkeiten und Widerspr\u00fcche dar.\nc) Es bleibt nunmehr noch \u00fcbrig, das eigenth\u00fcmliche Verhalten der Krystalle mit R\u00fccksicht auf wirklich chemische Aktionen zu pr\u00fcfen.\nDie chemischen Verbindungen offenbaren nicht durchweg ein und dasselbe gesetzliche Verhalten. Die anorgani-","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"235\nsehen Verbindungen unterscheiden sich unerachtet mehrfacher Uebereinstimmungen von den organischen hinsichtlich der Zusammensetzung und Anordnung der konstituirenden Elemente und der dadurch bedingten Eigenschaften; sie unterscheiden sich auch in Betreff der sekund\u00e4ren Verbindungen nach Komposition und nach dem qualitativen Verhalten der chemischen sekund\u00e4ren Produkte zu den sie konstituirenden Faktoren. Die anorganischen Verbindungen lassen sich endlich willk\u00fcrlich aus den Elementen zusammensetzen, die eigentlichen organischen Stoffe (Albumin etc.) nicht. Die Trennung der chemischen Verbindungen in zwei Lager erscheint dadurch gerechtfertigt, wenn es auch an Ueberl\u00e4u-fern nicht fehlen mag. Dem entsprechend unterscheiden die Chemiker, den einen oder den anderen Unterschied festhaltend: die Chemie der einfachen Radikale (anorganische Ch.) und die Chemie der zusammengesetzten Radikale (organische Ch.), \u2014 ferner die dualistische Theorie und die Theorie der chemischen Typen mit der Substitution (Dumas). Obgleich nun der Krystall ein organischer Stoff ist, so halte ich es doch f\u00fcr zweckm\u00e4ssig, die Pr\u00fcfung seines Verhaltens sowohl mit R\u00fccksicht auf die Natur der anorganischen, als der organischen Verbindungen zu unternehmen.\nBei allen chemischen Verbindungen, den organischen, wie den anorganischen, ist es ein charakteristisches und nothwendiges Gesetz, dass die Vereinigung der chemischen Faktoren nach mathematisch bestimmbaren, konstanten, von der Temperatur ganz unabh\u00e4ngigen Gewichtsverh\u00e4ltnissen geschehe. Hierin stimmen die Verbindungen des Krystalles mit anderen Stoffen vollkommen mit der Natur chemischer Verbindungen \u00fcberein, denn die dabei stattfindenden konstanten \\olum-Ver\u00e4nderungen machen den Schluss noth-wendig, dass diese Verbindungen auch nur nach bestimmten und konstanten Gewichtsverh\u00e4ltnissen erfolgen. Eine jede chemische Verbindung tr\u00e4gt ferner den Charakter der Homogenit\u00e4t der Substanz an sich. Sowohl die optischen Er-","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nscheinungen, als auch der Umstand, dass die von dem Kry-stall aufgenommenen Stoffe durch mechanischen Druck nicht entfernt werden k\u00f6nnen, n\u00f6thigen uns, auch dieses Postulat chemischer Verbindungen dem Verhalten des Krystalls zuzugestehen. Endlich wird uns auch in der gesetzlichen Weise des Verhaltens der Krystallverbindungen bei abwechselnder Behandlung mit S\u00e4uren, Alkalien, Wasser das vollkommene Bild chemischer Zersetzungen und erneueter bin\u00e4rer Verbindungen vor Augen gef\u00fchrt, und die unter Umst\u00e4nden erfolgte Restitution der Kry stall-Subs tanz leicht verst\u00e4ndlich gemacht. Die erw\u00e4hnten Uebereinstimmungen in dem gesetzlichen Verhalten der Kry stall- Verbindungen und Trennungen mit der charakteristischen Natur einer jeden wirklich chemischen Aktion ist so gewichtvoll, dass die Chemiker von Fach, die davon Kenntniss genommen, an der chemischen Natur derselben nicht zweifeln zu d\u00fcrfen glaubten.\nDessen unerachtet findet sich gegen diese Ansicht ein wohl gerechtfertigtes Bedenken vor; wir beobachten n\u00e4mlich, dass der Krystall bei den Verbindungen und Trennungen seine wesentlichsten Eigenschaften und namentlich die Krystallform , so weit die optischen Mittel dar\u00fcber zu entscheiden verm\u00f6gen, vollkommen bewahrt. Da in Betreff dieses Punktes die anorganischen und organischen Stoffe sich nicht ganz gleich verhalten, so erscheint es noth wendig, die weiteren Er\u00f6rterungen gesondert zu f\u00fchren.\nBei den chemischen Verbindungen anorganischer K\u00f6rper ist es Regel, dass die wesentlichsten Eigenschaften der chemischen Faktoren in dem Produkt zu Grunde gehen. Das chemische Produkt ist ein neuer, homogener K\u00f6rper, dessen wesentlichste Eigenschaften von denen der einzelnen chemischen Faktoren durchaus verschieden sind. Wird ferner eine bin\u00e4re Verbindung anorganischer K\u00f6rper zerlegt, so wird die Homogenet\u00e4t und der wesentliche Charakter derselben vernichtet, und die chemischen Factoren treten, wiederum mit den ihnen eigenth\u00fcmlichen Eigenschaften auf","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"237\nEs verhalten sich die chemischen Faktoren in den anorganischen Verbindaugen zu dem chemischen Produkt, wie zwei gleichwertig auf einen Effekt hinzielende Ursachen; der Effekt ist die mittlere Resultante, die weder dem einen, noch dem andern Faktor entspricht, sondern etwas Neues, von beiden wesentlich Verschiedenes, darstellt. Die Vernichtung der wesentlichsten Eigenschaften der chemischen Faktoren in dem chemischen Produkt, und das Aufh\u00f6ren der wesentlichsten Qualit\u00e4ten des letzteren nach erfolgter Zerlegung in die Faktoren scheint hiernach eine noth wendige Forderung bei dem Zustandekommen anorganischer chemischer Verbindungen und Trennungen. Dieses ist, wie mir scheint, ein haupts\u00e4chlicher Unterschied, der in der dualistischen Theorie anorganischer Verbindungen gegen\u00fcber den in der organischen Chemie gebr\u00e4uchlichen Theorie der Typen mit der Substitution enthalten ist.\nUnser Krystall nun verbindet sich mit verschiedenen Stoffen, er trennt sich von ihnen; aber die Ver\u00e4nderungen beziehen sich, von dem Volumen abgesehen, haupts\u00e4chlich auf die F\u00e4rbungen, und auch diese sind nur bei Jod, Salpeters\u00e4ure in Anschlag zu bringen. Dagegen sehen wir den Krystall bei den verschiedensten Verbindungen und Trennungen eine mit dem Wesen der Materie und seiner chemischen Konstitution so innig verbundene Eigenschaft, die Krystallform, konstant wohl erhalten, so zwar, dass die homogene, pellucide Beschaffenheit, die Sch\u00e4rfe der Kanten, die Gr\u00f6sse der Winkel vollkommen unver\u00e4ndert bleibt. Diese Erscheinung ist bei anorganischen Verbindungen unerh\u00f6rt; sie widerspricht g\u00e4nzlich der Ansicht, dass die chemischen Prozesse, welche wir von dem Krystall kennen gelernt haben, dualistischer Natur seien. Es giebt zwar Beispiele genug, aus denen hervorgeht, dass bei chemischen Verbindungen eines anorganischen festen und fl\u00fcssigen K\u00f6rpers das Produkt unaufl\u00f6slich ist und fest bleibt, und wenn in einem solchen Falle der eine chemische Faktor","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nKrystallform hat, so kann das Produkt diese Gestalt in allgemeinen Umrissen beibehalten (Afterkrystalle). Aber die homogene, pellucide Eigenschaft des Krystalls wird getr\u00fcbt, die Kanten verlieren an Sch\u00e4rfe. Das Alles muss in dem Grade sich steigern und eine Vernichtung des Krystalls herbeif\u00fchren, als solche Verbindungen vielfach auf einander folgen und von Trennungen und chemischen Zerlegungen begleitet sind. Man muss zugestehen, dass die Ansicht von chemischen Verbindungen und Trennungen im oben bezeichnten dualistischen Sinne bei den Krystallen nicht durchzuf\u00fchren ist.\nDie zusammengesetzten Radikale der organischen K\u00f6rper verhalten sich mit R\u00fccksicht auf den fraglichen Punkt bei chemischen Verbindungen und Trennungen anders. Das Amylumk\u00f6rperchen verbindet sich chemisch mit Jod; aber seine Form, seine homogene pellucide Beschaffenheit, \u00fcberhaupt seine wesentlichsten Eigenschaften sind nicht gest\u00f6rt; wir sagen, das Amylumk\u00f6rperchen ist aber nun blau gef\u00e4rbt und gestehen dadurch zu, dass hier zwar eine chemische Verbindung stattgehabt, dass aber in dem Produkt der eine Faktor, das zusammengesetzte Radikal seine wesentlichste Natur nicht eingeb\u00fcssst, vielmehr den zweiten Faktor in seine eigene Komposition ohne wesentliche St\u00f6rung chemisch aufgenommen habe. Ganz in derselben Weise befindet sich das Bindegewebe mit der Gerbs\u00e4ure, die stickstoffhaltigen Zellenmembranen mit Jod unter brauner F\u00e4rbung, die Zellen des Horns mit Kali, die durch Einwirkung von Salpeters\u00e4ure in Xanthoprotein verwandelten eiweissartigen Formbestandtheile mit Kali unter Annahme einer sch\u00f6nen Orange-F\u00e4rbung und dergl. Dr. Paulsen hat auf meine Veranlassung und mit R\u00fccksicht auf die chemischen Untersuchungen von Donders und Mulder verschiedene eiweissartige Gewebe, Muskelfasern, Bindegewebe, elastisches Gewebe und die Gebilde der Tunica media der Gef\u00e4sse mit den verschiedenen S\u00e4uren, Alkalien, Wasser,","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"239\neinfach und abwechselnd in ganz \u00e4hnlicher Weise behandelt, wie dieses von mir in Betreff des Albuminat-Kry stalls geschehen ist. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen, die dem Naturforscher in der Diss. inaug. ,, observations microche-micae circa nonnullas animalium telas\u201d zur Ber\u00fccksichtigung empfohlen sein m\u00f6gen, stimmen so vollkommen mit dem \u00fcberein, was sich bei den Albuminat-Krystallen herausgestellt, dass sie als ein treuer Abdruck desselben angesehen werden k\u00f6nnen. Ueberall zeigt sich, dass die organisirten Albuminate mit den genannten Stoffen sich verbinden, sich von ihnen trennen in derselben chemisch gesetzlichen Weise wie die Albuminat-Krystalle, und dass dabei die wesentliche Natur des Albuminats, namentlich auch die Form, wofern nicht starke Kalil\u00f6sungen und starke mineralische S\u00e4uren zu lange einwirken, erhalten bleibt. Es kann nicht bezweifelt werden, dass das chemische Verhalten der Albuminatkrystalle und das der festen organischen Stoffe in der bezeichneten Beziehung ein und dasselbe ist.\nMan k\u00f6nnte nun zwar vor weiteren Er\u00f6rterungen noch in Frage stellen, ob man \u00fcberhaupt berechtigt sei, obigen Verbindungen organischer Substanzen die chemische Natur zuzuschreiben, obschon es gew\u00f6hnlich geschieht. Wenn man ganz streng an der dualistischen Form chemischer Verbindungen festhalten will, so d\u00fcrfte man diese Berechtigung von der Hand weisen. Aber man muss gleichwohl zugestehen, dass es Verbindungen zwischen organischen Substanzen und anderen K\u00f6rper giebt, die in den wichtigsten Punkten mit den chemischen Verbindungen anorganischer K\u00f6rper \u00fcberein-stimmen und nur in einem einzigen davon ab weichen, und dass der Vergleich mit der uns sonst bekannten Verbindungs-* weise zweier K\u00f6rper (Kapillar-Attraktion, einfache Mischung) auf zu frappante Widerspr\u00fcche f\u00fchrt. Demnach muss man es den Chemikern gestatten, die Verbindungen oben erw\u00e4hnter Art unter den Chemismus zu stellen, wenn man nur den Unterschied von den chemischen Processen in der an-","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\norganischen Natur festh\u00e4lt, und, wie es auch geschieht, die Chemie der einfachen und zusammengesetzten Radikale unterscheidet. F\u00fcr den Chemismus der zusammengesetzten Radikale, deren chemische Natur uns nur nach dem quantitativen Inhalte der chemischen Elemente, nicht nach ihrer Anordnung bekannt ist, wird dann ferner zugestanden, dass hier chemische Verbindungen mit andern K\u00f6rpern und auch Trennungen von ihnen vor sich gehen k\u00f6nnen, ohne dass die wesentliche Natur der zusammengesetzten Radikale mit R\u00fccksicht auf die Anordnung der sie constituirenden Elemente gest\u00f6rt wird.\nDieses scheint mir auch in der Theorie der Typen mit der Substitution enthalten zu sein. Man betrachtet die zusammengesetzten Radikale als Komplexe chemischer Atome, von welchen ein jedes gegen ein anderes chemisches Atom oder gegen eine chemische Verbindung sich austauschen kann, ohne dass dabei die (immerhin unbekannte) Anordnung und damit der wesentliche chemische Charakter des ganzen Komplexes eine Aenderung erleidet. Wir lassen hier also zwei Faktoren zu einem chemischen Produkt Zusammenwirken, die nicht gleicliwerthig in dem Effekt sich verhalten; der eine Faktor tritt in die Kategorie wesentlicher, der andere in die Kategorie accidentell wirkender Ursachen. Nach dieser Ansicht f\u00fcgt sich gleichsam der eine Faktor, der accidentelle bei der chemischen Verbindung, in die Anordnung und Kombination der chemischen Elemente des zweiten wesentlichen chemischen Faktors oder zusammengesetzten Radikals ) das chemische Produkt wird die wesentlichsten Eigenschaften des letzteren Faktors namentlich auch die von der Aenderung der Elemente abh\u00e4ngige Form, Krystall-gestalt und Homogeneit\u00e4t bewahren und nur die durch die accidentellen Wirkungen des zweiten chemischen Faktors bedingten Ab\u00e4nderungen an Volumen, Farbe u. s. w. zeigen. Dasselbe wird ferner auch bei chemischen Zerlegungen solcher bin\u00e4rer Verbindungen stattfinden.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"241\nYon diesem Stamlpuncte aus, d. li. nach der Theorie der chemischen Typen in der bezeichneten Auffassung, scheint mir das Verhalten der Krystalle bei ihren Verbindungen und Trennungen gedeutet werden zu m\u00fcssen. Man darf hier nicht entgegnen, dass bei der Theorie der Typen mit der Substitution ein Austausch von chemischen Stoffen gegeben sei, die doch bei den einfachen Verbindungen der Krystalle mit S\u00e4uren oder Alkalien nicht stattfinde. Denn in der Theorie ist unzweifelhaft, wenn auch stillschweigend, ein Princip f\u00fcr den Chemismus geltend gemacht, das, wie oben gezeigt wurde, von der Auswechselung von Stoffen ganz absehen kann. Die Verh\u00e4ltnisse, unter denen der be-regte Chemismus bei den Krystallverbindungen auftritt, sind nur einfacher; sie verhalten sich zu den F\u00e4llen, wo derselbe von einem Austausch von Stoffen begleitet wird, wie in der dualistischen Theorie einfache Verbindungen zu solchen, bei welchen gleichzeitig in Folge von Wahlverwandtschaft die Ausscheidung von Stoffen statt findet. Hier, wie dort, wird dadurch im Wesen des chemischen Processes nichts ge\u00e4ndert; man wird nur Veranlassung haben, die chemische Natur des zerlegten Stoffes genauer kennen zu lernen. Es fehlt \u00fcbrigens auch bei den Albuminat-Krystallen nicht an einem Beispiel einer Verbindung, die von einem Austritt von Elementen aus ihm begleitet ist, und die mit dem besprochenen Verhalten der Krystalle bei einfachen Verbindungen mit S\u00e4uren oder Alkalien wesentlich \u00fcbereinstimmt; \u2014 ich meine die Verwandlung der Albuminat-Krystalle in Xanthoprotein, worauf wir jetzt n\u00e4her eingeben wollen.\nBei der Verwandlung der Albuminat - Krystalle in Xanthoprotein beobachtet man eine lebhafte Entwicklung von Blasen, die von den Krystallen entsteigen und eine lebhafte Bewegung derselben veranlassen; gleichzeitig bemerkt man die Entwicklung von salpetriger S\u00e4ure. Nach Mulder (Erdmann\u2019s und Marchand\u2019s Journal f\u00fcr praktische Chemie, 1839. Bd. L pag. 297 sqq.) bildet sich bei der Einwirkung der Sah\n01 \u00fcIlers Archiv, 1849.\t16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\npeters\u00e4ure auf sein sogenanntes Protein: Xanthoproteins\u00e4ure, Ammoniak, Aepfels\u00e4ure oder Oxals\u00e4ure und es entwickelt sich bei der Digestion des Faserstoffs oder Eiweisses Stickstoff. F\u00fcr unsere Frage ist jedoch besonders wichtig, das Ergebniss der elementaren Analyse des Proteins und Xanthoproteins mit einander zu vergleichen. Nach Mulder ist die Formel f\u00fcr die Quantit\u00e4ls-Vcrh\u00e4ltnisse der elementaren Stoffe f\u00fcr das Protein: C40\u201424oj ^31 \u2014 315 ^5-\u201470 \u2019 ^12 \u2014 96 i f\u00fcr das Xanthoprotein 034-\u2014204,\tH2G_2G, N4 \u2014 56,\n014___112. Werden die Gewichtsverh\u00e4ltnisse auf C = 100\nberechnet, so erh\u00e4lt man:\nf\u00fcr Protein C \u2014100;\tf\u00fcr Xanthoprotein C \u2014 100;\n\u2014\tH-12,92;\t-\t\u2014\tH\u201412,74;\n\u2014\tN \u2014 29,17;\t-\t\u2014\tN\u201427,45;\n\u2014\tO \u2014 40;\t-\t\u2014\t0 \u2014 54,90.\nAus der Vergleichung ergiebt sich, dass bei der Verwandlung des Albumin in Xanthoprotein Stickstoff, etwas Wasserstoff und auch Kohlenstoff ausgeschieden, dagegen Sauerstoff aufgenommen wird. Bei den Albuminat - Krystallen war ferner deutlich nachweisbar, dass bei ihrem Ueber-gange in Xanthoprotein eine konstante Volum-Abnahme stattfindet und die accidentelle rothe F\u00e4rbung gelb-br\u00e4unlich wird. Dessen ungeachtet erhalten die Krystalle vollkommen und mit derselben Sch\u00e4rfe und Gr\u00f6sse der Winkel ihre Form, sie bleiben auch homogen und pellucid und zeigen sich hinsichtlich der Elasticit\u00e4t und Weichheit nicht wesentlich oder irgendwie auff\u00e4llig ver\u00e4ndert. Die Verbindungen der Xanthoprotein-Krystalle mit S\u00e4uren, Alkalien, Wasser und die Trennungen von diesen Stoffen geschehen in derselben gesetzlichen und so charakteristischen Weise, wie die Albuminat-Krystalle unter den gleichen Verh\u00e4ltnissen.\nMit Ber\u00fccksichtigung dieser Thatsachen und der Aus einandersetzung die oben gegeben wurde, erscheint es \u00fcber fl\u00fcssig, nachweisen zu wollen, dass die Verwandlung der Albuminat-Krystalle in Xanthoproteins\u00e4ure nicht f\u00fcr einen","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"243\nEffect der Kapillarattraktion oder der einfachen Aufl\u00f6sung gelten kann. Niemand zweifelt, dass hier ein chemischer Akt stattgefunden; Sauerstoff ist vom Albumin aufgenommen, Stickstoff, Wasserstoff, Kohlenstoff sind von ihnen ausgetreten; der ganze Stoffwechsel geschieht, wie auch die von der Temperatur unabh\u00e4ngige, konstante Volum -Ver\u00e4nderung nachweist, nach bestimmten und konstanten Gewichtsverh\u00e4ltnissen; und das chemische Produkt ist homogen und pellucid. Dennoch zeigt das chemische Product, das Xanthoprotein, eine grosse Uebereinstimmung in mehreren der wesentlichen Eigenschaften und in dem Verhalten bei weiteren Verbindungen und Trennungen mit dem Albuminat und namentlich bleibt die Krystallform des letzteren in dem chemischen Produkt vollkommen erhalten. Ganz dasselbe Verhalten wird bei der Umwandlung der festen, ei weissartigen Substanz or-ganisirter Formbestandiheile in Xanthoprotein beobachtet. Hiernach schliessen wir, dass das Eiweiss bei der chemischen Umwandlung in Xanthoprotein in der wesentlichen Anordnung seiner chemischen Elemente, von welcher auch die Krystallform noth wendig abh\u00e4ngt, nicht gest\u00f6rt wird. Hat man also, und zwar nothwendigerweise, in dem vorliegenden Prozess den Ausdruck eines chemischen Aktes anerkannt, so muss man auch fernerhin zugestehen, dass in diesem chemischen Process wesentliche und accidentelle chemische Faktoren concurriren, und dass das chemische Produkt sich nur als eine durch den accidentellen chemischen Faktor bewirkte Um\u00e4nderung des seiner wesentlichen Natur nach unver\u00e4ndert bleibenden Hauptfaktors darstellt; d. h, der Chemismus erfolgt auch hier nicht im Sinne der dualistischen Theorie, sondern nach der chemischen Theorie der Typen mit der Substitution.\nObgleich hiernach die Um\u00e4nderung des Albumin in Xan~ thoprotein im Wesen des Chemismus mit den Verbindungen des Eiweisses mit Alkalien, S\u00e4uren u. s. w. \u00fcbereinstimmt, so unterscheidet sie sich gleichwohl dadurch, dass die Auf-\n16 *","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nn\u00e4hme des Sauerstoffs in die Anordnung der chemischen Elemente im Albumin, mit einer gleichzeitigen Ausscheidung von Stickstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff verbunden ist, und somit der ganze Chemismus selbst in Einzelheiten, so im Sinne der Theorie der chemischen Typen mit wirklicher Substitution erfolgt, wie ihn die franz\u00f6sischen Chemiker aufgefasst haben. Dieser Unterschied macht sich im chemischen Produkte, im Xanthoprotein, auch dadurch bemerkbar, dass die Wiederherstellung des Albumin bis jetzt wenigstens nicht gelingen wollte, und die Verbindungen des Xanthoproteins mit Alkalien , S\u00e4uren u. s. w. Abweichungen hinsichtlich der konstanten Farben- und Volum-Ver\u00e4nderungen von dem Verhalten des Albumin in gleichen F\u00e4llen darbieten.\nDarf man daher im gewissen Sinne die Verbindung des Albuminats mit S\u00e4uren, Alkalien, mit den einfachen bin\u00e4ren Verbindungen der dualistischen Theorie vergleichen, so gestattet die Um\u00e4nderung des Albumin in Xanthoprotein einen Vergleich mit demjenigen chemischen Prozess anorganischer Stoffe, bei welchen die chemischen Faktoren Zersetzungen erleiden. Dessenunerachtet verbleibt der wichtige Unterschied im besprochenen chemischen Verhalten der Albu-minat-Krystalle, gegen\u00fcber den chemischen Processen im Sinne der dualistischen Theorie, dass dort in den chemischen Produkten stets die Form und die wesentlichsten Eigenschaften des einen chemischen Faktors (des zusammengesetzten Radikals) sich erhalten, w\u00e4hrend sie hier bei beiden chemischen Faktoren zu Grunde gehen; dass wir es auf der einen Seite mit wesentlichen und accidentellen, auf der andern mit gleichwerthigen chemischen Faktoren, die auf das chemische Produkt hinwirken, zu tbun haben. Es fragt sich daher, wie dieser Unterschied auszugleichen, wie eine Erkl\u00e4rung daf\u00fcr zu finden sein m\u00f6chte. Nach meiner Ueber-zeugung l\u00e4sst sich diese Erkl\u00e4rung in der Annahme finden, dass in der chemischen Konstitution des Albuminats und der sich \u00e4hnlich verhaltenden zusammengesetzten Ra-","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"245\n(likale Hauptbestandteile und subordinate, entfernte Bestand-ilieile enthalten seien, welche zusammen zu einem homogenen Ganzen vereinigt sind. Die subordinirten Bestandtlieile sind es dann, welche den Chemismus mit accidentellen und wesentlichen chemischen Faktoren vermitteln; sie werden sich verbinden mit Stoffen, sie werden sich von ihnen trennen, sie k\u00f6nnen selbst bei den Verbindungen Stoffe abscheiden, \u2014 Alles dieses wird selbst im Sinne der dualistischen Theorie geschehen k\u00f6nnen. Dadurch aber, dass diese chemischen Ver\u00e4nderungen die Hauptbeslandtheile nicht direkt angreifen, kann die durch dieselbe zun\u00e4chst bedingte, wesentliche Constitution des Albuminats sich erhalten, und seine wesentlichen Eigenschaften und die Form unver\u00e4ndert bleiben. Auf diesem Standpunkte wird also die Komposition des Albumin (zusammengesetzten Radikals) aus den Elementarstoffen als systematisch in einer Einheit angesehen. Dieses System kann chemischen Wirkungen unterliegen, wobei auch die Hauptglieder betheiligt und die ganze Komposition zerst\u00f6rt wird unter dem Auftreten neuer chemischer Produkte, wie z. B beim Gl\u00fchen des Eiweisses. Wenn dagegen die chemische Action sich nur auf die untergeordneten und entfernten Bestandtlieile erstreckt, so wird die chemische Wirkung f\u00fcr das ganze System auch nur als eine accidentelle auftreten k\u00f6nnen, die die wesentlichen Eigenschaften und die etwa vorhandene Form desselben nicht weiter tur-birt. Da nun der Chemismus im Sinne der dualistischen Theorie in allen wesentlichen Punkten mit der Theorie der chemischen Typen mit oder auch ohne Substitution \u00fcbereinstimmt, der einzige Unterschied aber, n\u00e4mlich die Erhaltung der wesentlichsten Eigenschaften des einen chemischen Faktors in dem chemischen Produkt, in der Betheiligung untergeordneter Bestamltheile eines systematisch zusammengesetzten chemischen Stoffes seine Erkl\u00e4rung findet, so w\u00fcrde die Notwendigkeit, beide Theorien hinsichtlich des eigentlichen chemischen Processes zu unterscheiden, aufh\u00f6-","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"reu; \u2014 man kann auf diesem Standpunkt die Verbindungen der entfernten Bestandteile des systematisch zusammengesetzten chemischen Stoffes mit andern Stoffen, die Trennungen von ihnen, desgleichen ihre Zersetzungen bei Verbindungen durchaus im Sinne der dualistischen Theorie vor sich gehen lassen, was sicherlich sehr zu Gunsten der Ansicht spricht, dass das Albumin und noch manche andere zusammengesetzte Radikale systematisch zusammengesetzte chemische Stoffe darsteiien.\nDen Chemikern von Fach mag es \u00fcberlassen bleiben, die so eben vorgetragene Ansicht in ihrer Uebereinstimmung mit den Erfahrungen weiter zu pr\u00fcfen. Das Faktum aber, dass es einen Chemismus giebt, bei welchem in dem chemischen Produkt die wesentlichen Eigenschaften und die Form des einen chemischen Faktors (zusammengesetzten Radikals) sich erhalten, dieses Faktum wird durch das Verhalten des Albuminat-Krystalles bei der Umwandlung in Xanthoprotein ausser allen Zweifel gesetzt, und dieser Umstand wird dazu beitragen, den anderweitig schon begr\u00fcndeten chemischen Charakter der einfachen Verbindungen der Albuminat-Krystalle mit S\u00e4uren, Alkalien u. s. w. vollkommen anzuerkennen.\n* #\nWir schliessen diese Betrachtungen, indem wir nach genauer Pr\u00fcfung zun\u00e4chst zu dem Ausspruch uns gen\u00f6thigt sehen, dass die an dem Albuminat-Kry stall sich darbietenden Eigenschaften und das Verhalten bei Verbindungen mit anderen K\u00f6rpern und den Trennungen von ihnen den Erfahrungen der Physik und Chemie, namentlich in Betreff der eigentlichen organischen Substanzen, nicht allein nicht widerstreiten, sondern mit ihnen vollkommen \u00fcbereinstimmen. Neu ist eben nur die Krystallform des Albuminats, und das Auftreten der physikalischen und chemischen Erscheinungen mit ihrem gesetzlichen Verhalten an einem Krystall. Dass","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"247\naber die Natur eines Krystalles, so weit sie uns bekannt, dem Auftreten jener Erscheinungen kein Hinderniss in den Weg legt, lehrte die Untersuchung. Die Entdeckung des Albuminat-Krystalls und das Studium seines Verhaltens hat zugleich den Kreis unserer Erfahrungen erweitert, und die daraus sich ergebenden wichtigsten Resultate m\u00f6gen schliesslich kurz mitgetheilt werden.\n1)\tDurch die Albuminat-Krystalle ist der Nachweis geliefert, dass auch die eigentlichen organischen Materien kry-stallisationsfahig sind.\n2)\tDie Krystalle der organischen Materie im engeren Sinne, wenigstens die des Albumin und Xanthoprotein, haben , wie die festen Zust\u00e4nde der organischen Materie in den organisirten Bestandtheilen, eine fast weiche, elastische Beschaffenheit; sie zeigen den sogenannten \u201edurchweichten\u201d Koh\u00e4sionszustand. Dieser Koh\u00e4sionszustand geht nicht ganz verloren, wenn die Kry stalle durch mehrere Tage an der Luft getrocknet werden, er erh\u00e4lt sich unver\u00e4ndert bei l\u00e4ngerem Aufbewahren der Kry stalle in starkem Alkohol. Der durchweichte Koh\u00e4sionszustand ist nicht abh\u00e4ngig von einer mechanischen Durchdringung der Substanz durch Wasser, er wird h\u00f6chstwahrscheinlich zun\u00e4chst und wesentlich durch die Art und Weise der Lagerung der die Substanz consti-tuirenden Molek\u00fcle bewirkt, kann aber durch chemische Verbindungen, nach dem Eintrocknen der Krystalle, mit Wasser, S\u00e4uren, Alkalien etc. dem Grade nach gesteigert werden.\n3)\tDie Albuminatkrystalle verhalten sich auch chemisch v\u00f6llig so, wie die festen organischen Substanzen in den organisirten Bestandtheilen, namentlich in den eiweissartigen F ormbestandlheilen.\n4)\tIn dieser Hinsicht ist von ganz besonderem Interesse das Verhalten der Albuminat - Krystalle bei einfacher oder abwechselnder Behandlung mit S\u00e4uren, Alkalien, Wasser, und bei der Umwandlung in Xanthoprotein. Die Krystalle verbinden sich mit diesen Stoffen, sie trennen sich wiederum","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nvon ihnen, sie scheiden sogar, bei der Verwandlung ihrer Substanz in Xanthoprotein, Stickstoff, Kohlenstoff,\" Wasserstoff aus unter Aufnahme von Sauerstoff, und gleichwohl sehen wir in dem chemischen Produkt die wesentlichsten Eigenschaften des Albuminat - Krystalls und namentlich vollkommen die Kry stallgestalt mit der urspr\u00fcnglichen pelluci-den, homogenen Beschaffenheit sich erhalten und nur an den constanten Volum- und Farben-Ver\u00e4nderungen desselben den Erfolg des chemischen Prozesses markirt. Es ergab sich, dass dieser Chemismus im Sinne der Theorie der chemischen Typen mit und ohne Substitution vor sich gehe,\n5)\tDie Theorie der chemischen Typen mit oder auch ohne Substitution hat ferner in dem chemischen Verhalten der Albuminat - Krystalle eine nicht mehr abzuweiseride Begr\u00fcndung erhalten. Wird n\u00e4mlich behauptet, dass ein zusammengesetztes Radikal selbst unter Abscheidung eigner ihn kons\u00fctuirender Elemente mit anderen Stoffen sich chemisch verbinden k\u00f6nne, ohne die wesentliche Konstitution und Anordnung seiner chemischen Bestandteile zu st\u00f6ren, so war mit der Erhaltung seiner wesentlichsten Eigenschaften auch das Verbleiben der etwa vorhandenen Krystall-form eine notwendige Forderung; \u2014- und diese Forderung hat sich bei den Albuminatkrystallen vollkommen bew\u00e4hrt. Dieser Umstand ist so wichtig, dass man in Zukunft auf einen Chemismus in dem angedeuteten Sinne mit Sicherheit wird schlossen k\u00f6nnen, wenn von den concurrirenden beiden chemischen Faktoren der eine seine etwa vorhandene Krystall-fonn nach erfolgter chemischer Aktion ungetr\u00fcbt bewahrt.\n6)\tDie Theorie der chemischen Typen spricht im Grunde nur die Thatsache aus, dass gewisse chemische Stoffe und namentlich die zusammengesetzten Radikale mit andern Stoffen, selbst unter Abscheidung eigner Elemente sich chemisch verbinden k\u00f6nnen, ohne in ihrem wesentlichen Atom-Komplex gest\u00f6rt zu werden; \u00fcber die Art und Weise der Anordnung der Elemente 111 deili zusammengesetzten Radikal","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"249\ngiebt sie keine den Chemismus erkl\u00e4rende Erl\u00e4uterung. Das Studium des chemischen Verhaltens der Albuminat-Krystalle hat zu der Ansicht gef\u00fchrt, dass die chemische Komposition des Albuminats und wahrscheinlich aller eigentlichen organischen Substanzen eine systematische sei, in welcher Hauptbestandteile und untergeordnete Glieder in eine homogene Einheit vereinigt, also nicht etwa systematisch aggregirt zu denken w\u00e4re. Bei einer solchen chemischen Komposition k\u00f6nnen die untergeordneten Bestandtkeile eines zusammengesetzten Radikals einem chemischen Prozess im ganz gew\u00f6hnlichen Sinne unterliegen, dadurch aber, dass die Hauptbestandteile zun\u00e4chst nicht betheiligt sind, werden die chemischen Wirkungen nur als accidentelle an der Gesammt-heit des zusammengesetzten Radikals zur Erscheinung treten, wie es wirklich geshieht. Auf diesem Standpunkte werden wir also der Notwendigkeit \u00fcberhoben, die beiden Theorien, die dualistische und die der chemischen Typen, als in dem Wesen des Chemismus verschieden zu betrachten, und statuiren zugleich meine Ansicht von der chemischen Komposition der eigentlichen organischea Radikale, welche mit dem Grundwesen eines Organismus, wie sich dasselbe in den morphologischen Verh\u00e4ltnissen und nach andern Beziehungen hin so deutlich ausspricht, in vollem Einkl\u00e4nge steht.\n7) Die vollkommene \u00fcebereinstimmung des physikalischen und chemischen Verhaltens der Krystalle und der festen, homogenen, strukturlosen Zust\u00e4nde organischer, na-* mentlich eiweissartiger Materie in den organisirten Form-bestandtlieilen berechtigen zu dem Schluss, dass auch die Natur des festen Zustandes bei beiden gleichzustellen ist. Demnach w\u00e4ren die festen Bestandtheile der organisirten Formen in Wirklichkeit ebenso feste Koh\u00e4sionszust\u00e4nde der organischen Materie, wie die feste Substanz in den Al-buminat-Krystallen; in letzteren hat die organische Materie unter dem Einfluss der Krystallisaiion Krystallform erhalten, in den erstern ist sie unter Bedingungen, welche eben nur","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\ndie Organismen darbieten, zu Zellenmembranen u. s. w. geworden.\n8)\tDie Versuche an den Kry stallen beweisen, dass ein Stoffwechsel von chemischer Natur im festen Koh\u00e4sionszustande der organischen Materie stattfinden k\u00f6nne, ohne dass die Form daruntnr leidet, dass eine mechanische Imbibition oder Infiltration nicht stattfindet und dass die Verbindungen der Krystalle mit den verschiedenen fl\u00fcssigen Stoffen, so lange die Form sich erh\u00e4lt, keine Analogie mit einfachen Aufl\u00f6sungen darbietet. Dasselbe haben wir nunmehr auch bei den festen organisirten Bestandteilen der organischen Materie vorauszusetzen. Sie k\u00f6nnen einem Stoffwechsel unterliegen der chemischer Natur ist und bei welchem die Form sich erhalten kann. Desgleichen ist nicht bewiesen, dass die festen organisirten Bestandteile homogener Beschaffenheit mechanisch durch Imbibition und Infiltration mit fl\u00fcssigen Stoffen sich verbinden oder nach Analogie einfacher Abl\u00f6sungen letztere aufnehmen. Die diesen Ansichten zum Grunde liegenden Erscheinungen sind dieselben, die auch bei den Albuminat-Krystallen beobachtet werden und lassen hier keine andere Beziehung zu als auf einen chemischen Prozess.\n9)\tWird die feste organische Materie als Scheidewand zwischen zwei Fl\u00fcssigkeiten gestellt, die zu einander und zu ihr selbst eine chemische Verwandtschaft besitzen, so werden notwendig die Erscheinungen der Endosmose und Exosmose auftreten und es kann und wird schliesslich eine Ausgleichung beider Fl\u00fcssigkeiten eintreteu. Die Scheidewand jedoch vermittelt diesen Prozess nicht als por\u00f6se Trennungswand, sondern durch ihre chemische Aktion. Ebenso verh\u00e4lt sich auch eine Zelle mit ihrem Inhalt durch ihre Zellenmembran zu den umgebenden chemisch auf sie einwirkenden Stoffen.\n10)\tBei den Versuchen \u00fcber Endosmose, Exosmose, Imbibition, Infiltration mit tierischen H\u00e4uten ist die Scheide-","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"251\nwand zwischen den Fl\u00fcssigkeiten in ihrem Verhalten zu dem Process nicht ganz gleichzustellen einer einfachen ho-mogenen Scheidewand aus fester organischer Materie. Denn die thienschen H\u00e4ute bieten bei der Anwesenheit von Ka-pillargef\u00e4ssen und in Folge der Zusammensetzung aus verschiedenen Schichten und Formbestandtheilen Verh\u00e4ltnisse dar, unter welchen das Auftreten von kapillaren R\u00e4umen nothwendig wird. Es werden hier in den Wirkungen der Scheidewand auf den ganzen Prozess die chemische Aktion der festen Bestandteile der organischen Materie und die Kapillar-Attraktion concurriren k\u00f6nnen; ob es wirklich geschieht und wrie der Gesammt-Effekt ausf\u00e4llt, das h\u00e4ngt von den gegebenen Umst\u00e4nden ab.","page":251},{"file":"z0001s0002table2.txt","language":"de","ocr_de":"MziIlerir Archiv JSV\u00ee9.\tTa\u00ff\u00efff,","page":0}],"identifier":"lit7256","issued":"1849","language":"de","pages":"197-251","startpages":"197","title":"Beobachtungen \u00fcber eine eiweissartige Substanz in Krystallform","type":"Journal Article"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:14:37.898835+00:00"}

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