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{"created":"2022-01-31T13:29:50.279626+00:00","id":"lit745","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Wundt, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 6: 1-25","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Localisation der Grosshirnfunctionen.\nVon\nW. Wundt.\nBekanntlich stehen die Voraussetzungen, mittelst deren man in der Gehimphysiologie die Beziehungen des Gro\u00dfhirns zu den einzelnen von ihm abh\u00e4ngigen Leistungen zu erkl\u00e4ren sucht, unter dem Einfluss zweier entgegengesetzter Anschauungen.\nNach der einen denkt man sich die Gro\u00dfhirnrinde als ein Spiegelbild der K\u00f6rperperipherie, namentlich ihrer Sinnes- und Bewegungsapparate. Die sensiblen und motorischen Nerven sollen, unterbrochen von untergeordneten Reflexcentren, schlie\u00dflich endigen in einzelnen Regionen der Gro\u00dfhirnrinde, die zwar in ihrer Lage mannigfach verschoben sein k\u00f6nnen, immer aber \u00e4hnlich feste Grenzen besitzen wie die peripherischen Organe, denen sie zugeordnet sind. Als die specifische Eigenschaft der Elemente dieser abgegrenzten Rindenprovinzen wird es angesehen, dass ihre Erregung mit Empfindung verbunden sei, w\u00e4hrend bei der Erregung der untergeordneten Reflexcentren dieselbe fehle. Nach einer zuerst von Moritz Schiff ausgesprochenen und dann vonMeynert und von Hermann Munk adoptirten Modification der Hypothese fester Localisationen soll diese Empfindungsreaction die einzige specifische Function der Rindenelemente sein, da die Willensacte von diesen Physiologen als Rindenreflexe gedeutet werden, die sich erst nachtr\u00e4glich, in Folge der eintretenden Bewegungen der Muskeln, mit Bewegungsvorstellungen verbinden.\nNach der zweiten, urspr\u00fcnglich von Flourens, in neuerer Zeit haupts\u00e4chlich von Goltz vertretenen Anschauung ist das\nWundt, Philo\u00ab. Studien. TI.\tj","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nW. Wundt.\nGro\u00dfhirn, und ist namentlich die Gro\u00dfhirnrinde ein in seinen Leistungen eigent\u00fcmliches, in keinem seiner Theile functioneil mit den Einzelorganen des K\u00f6rpers vergleichbares Organ. Vielmehr besteht diesen gegen\u00fcber seine Bedeutung gerade darin, dass es die in ihrer peripherischen Function getrennten Organe zu func-tionellen Einheiten verbindet. Insbesondere alle psychischen Functionen sollen auf diesem Zusammenwirken mannigfaltiger Elemente beruhen, und es soll auf diese Weise die ganze Gro\u00dfhirnrinde schlie\u00dflich als ein in allen seinen Theilen f\u00fcr die verschiedensten Functionen eintretendes Centralorgan zu betrachten sein.\nJede dieser Anschauungen kann auf bestimmte StructurVerh\u00e4ltnisse hinweisen, die sich mit ihr in Verbindung bringen lassen. F\u00fcr die Annahme getrennter Localisationen scheint der Verlauf der Fasern des Hirnstammes zu sprechen, dem wegen der Zusammenlagerung functionell \u00fcbereinstimmender Leitungshahnen Mey-nert den Namen \u00bbProjectionssystem\u00ab gegeben hat. Anderseits kann sich die Auffassung, dass alle einzelnen Hirnfunctionen auf einem Zusammenwirken vieler r\u00e4umlich getrennter Elemente beruhen, auf die \u00fcberaus mannigfaltigen Verbindungen der verschiedenen Rindenprovinzen unter einander berufen, auf jene Leitungshahnen, die Meynert als \u00bbAssociationssystem\u00ab bezeich-nete. Freilich zeigt schon der Umstand, dass die Structurverh\u00e4lt-nisse Anhaltspunkte f\u00fcr beide Auffassungen geben, wie unsicher alle derartigen Argumente aus anatomischen Thatsachen bis jetzt sind. Auch ist die bereits von Meynert dem Projectionssystem zugeschriebene Eigenschaft, dass es eine mehrfache Vertretung einer jeden K\u00f6rperprovinz in der Gro\u00dfhirnrinde zu Stande bringe, mit jener Ausf\u00fchrung der Localisationshypothese, nach der die Gro\u00dfhirnrinde eine Art Spiegelbild der K\u00f6rperperipherie sei, offenbar nicht ganz vereinbar.\nSo bleibt schlie\u00dflich dem physiologischen Versuch das entscheidende Wort. Mit der Anerkennung dieser Sachlage beginnen n\u00fcn aber erst recht die Schwierigkeiten des Problems. Ist es doch von vornherein ausgeschlossen, dass Versuche an einem so verwickelt gebauten Organ sofort eindeutige Ergebnisse liefern, um so mehr da jede beschr\u00e4nkte L\u00e4sion, auch wenn sie mit der gr\u00f6\u00dften technischen Vollkommenheit ausgef\u00fchrt ist, nicht nur diejenigen","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"3\nZur Frage der Localisation der Gro\u00dfhirnfunctionen.\nAusfallserscheinungen im Gefolge hat, die durch die unmittelbare Beseitigung bestimmter Functionselemente herbeigef\u00fchrt werden, sondern auch alle die Wirkungen, die durch den in den einzelnen F\u00e4llen wieder sehr verschiedenartigen Einfluss auf umgebende oder entferntere Theile entstehen. Dazu kommt, dass theils in Folge des verschiedenen zeitlichen Verlaufs dieser entfernteren Wirkungen, theils in Folge der hier wie hei allen Functionsst\u00f6rungen nicht ausbleibenden Compensationsvorg\u00e4nge, welche letzteren gerade bei den Centralorganen eine bis jetzt noch kaum sicher \u00fcbersehbare Rolle spielen, das Symptomenbild fortw\u00e4hrenden Ver\u00e4nderungen unterworfen ist. Unter diesen Umst\u00e4nden bleibt der Grundsatz, vor allem die Thatsachen selbst so vollst\u00e4ndig wie m\u00f6glich zu beschreiben und jederzeit bereit zu sein, sich durch neu beobachtete Thatsachen belehren zu lassen, der einzige , welcher uns die Aussicht er\u00f6ffnet, dass das Dunkel, das die Frage nach der Localisation der Grosshirnfunctionen umgiebt, allm\u00e4hlich gelichtet werde. In der That darf man es heute schon als eine erfreuliche Frucht der Anwendung dieses Grundsatzes .betrachten, dass Forscher, die urspr\u00fcnglich von der Voraussetzung einer streng begrenzten Localisation ausgegangen waren, wie Hitzig und Luciani, und solche, die anf\u00e4nglich den entgegengesetzten Standpunkt einnahmen, wie Goltz, merklich einander n\u00e4her gekommen sind, indem die Ersteren theils eine ausgiebige Stellvertretung der Functionen, theils ein ausgedehntes Uebereinander-greifen der Functionsherde statuiren, w\u00e4hrend Goltz von der Annahme einer v\u00f6lligen functioneilen Gleichheit der verschiedenen Gro\u00dfhirnprovinzen in dem einst von Flourens vertretenen Sinne mehr und mehr zur\u00fcckgekehrt ist.\nNur Hermann Munk hat noch in seinen letzten Arbeiten un verr\u00fcckt die n\u00e4mlichen Anschauungen festgehalten, von denen er bei seinen ersten Untersuchungen ausgegangen war. Wie ihm von Anfang an die strenge Localisation der Functionen in der Gro\u00dfhirnrinde nach seinem eigenen Ausdruck ein \u00bbphysiologisches Postulat\u00bb war1), so ist er fortan bem\u00fcht gewesen, die ihm bei seinen\n1) Munk, Ueber die Functionen der Gro\u00dfhirnrinde.v\u00dfesammelte Mittheilungen aus den Jahren 1877\u201480. Berlin 1881. Einleitung, S. 9.\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nW. Wundt.\nVersuchen neu entgegentretenden Thatsachen jener unverbr\u00fcchlich festgehaltenen Anschauung unterzuordnen. Wo sich je einmal Thatsachen ergehen, die sich diesen Vorstellungen nicht f\u00fcgen wollen, da kann es sich f\u00fcr ihn immer nur darum handeln, H\u00fclfshypo-thesen zu erfinden, die dem Schema der scharf umschriebenen Lo~ calisationen sich einordnen. Hierzu bietet sich aber deshalb leicht Gelegenheit, weil der Begriff der \u00bbLocalisation der Functionen\u00ab insofern von vornherein ein vieldeutiger ist, als es immer noch der n\u00e4heren Feststellung bedarf, welchen Functionen ein r\u00e4umlich fest umschriebener Sitz anzuweisen sei. Sind es etwa blos die einfachen Functionen der Sinnesempfindung und der motorischen Erregung, die wir an die Elemente der Gro\u00dfhirnrinde gebunden denken sollen? Oder ist es statthaft, auch zusammengesetzte Bewusstseinsvorg\u00e4nge, z. B. complexe Sinnesvorstellungen oder Intelligenzacte, in einzelnen eng begrenzten Regionen localisirt anzunehmen?\nMunk tritt unbedingt f\u00fcr die zweite dieser Annahmen ein, indem er den Erinnerungsbildern fr\u00fcherer Wahrnehmungen eine besondere Localisation in gewissen Zellen der Gro\u00dfhirnrinde zuschreibt. Seine Voraussetzungen halten daher die Mitte zwischen der auf Grund des anatomischen Structurbildes entstandenen Hypothese, dass die Hirnrinde ein Spiegelbild der einzelnen Empfindensregionen der K\u00f6rperperipherie sei, und der alten phrenolo-gischen Vorstellung, nach welcher die zusammengesetzten psychischen Vorg\u00e4nge unmittelbar an einfache Elemente der Hirnrinde gebunden sein sollen; oder vielmehr: Munk\u2019s Hypothese ist eine Mischung aus jener neueren und dieser \u00e4lteren Anschauung der Himphysiologie. Sein \u00bb Sehcentrum\u00ab ist einerseits ein unmittelbares Spiegelbild der peripherischen Netzhaut, nur dadurch einigerma\u00dfen modificirt, dass die Kreuzungsverh\u00e4ltnisse der Opticusfasern eine theilweise Umlagerung auch der centralen Vertretungen der beiden Netzh\u00e4ute veranlassen. Jedes Element dieses Retinacentrums ist einem bestimmten Element der peripherischen Retina zugeordnet; es reagirt nur dann mit Empfindung, wenn die ihm entsprechende Retinastelle gereizt wird, und diese Retinastelle wird blind, sobald die zu ihr geh\u00f6rige Stelle des Sehcentrums zerst\u00f6rt ist. Neben diesen vollst\u00e4ndig der \u00e4u\u00dferen Sehfl\u00e4che zugeordneten Elementen","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Localisation der Gro\u00dfhirnfunctionen.\n5\ndes Sehcentrums sollen nun aber Elemente von einer zweiten davon v\u00f6llig verschiedenen Functionsweise existiren, welche nicht auf \u25a0eine unmittelbare Retinareizung mit Empfindung antworten, sondern erst, nachdem die \u00e4u\u00dfere Reizung vor\u00fcbergegangen ist, in Function treten, indem jede auf \u00e4u\u00dfere Sinneseindr\u00fccke vollzogene Wahrnehmung auf ein derartiges Element \u00fcbertragen wird und nun f\u00fcr unbestimmte Zeit in ihm als Erinnerungsbild haften bleibt. Die Elemente dieses der Aufspeicherung der Erinnerungsbilder dienenden Theils des Sehcentrums sollen nach Munk in unmittelbarer Nachbarschaft derer des Centralorgans der directen Retinaeindr\u00fccke und zwar speciell derjenigen Theile des letzteren liegen, welche der Centralgrube der Netzhaut zugeordnet sind Sobald irgend welche Elemente dieses Erinnerungscentrums hinwegfallen, werden nun die Folgen naturgem\u00e4\u00df ganz andere sein als diejenigen, die nach der Exstirpation von Theilen des unmittelbaren Retinacentrums eintreten. Es wird n\u00e4mlich die Empfindlichkeit f\u00fcr Lichteindr\u00fccke fortbestehen k\u00f6nnen, w\u00e4hrend dagegen die Erinnerungsbilder, die in dem zerst\u00f6rten Theile deponirt waren, ausgel\u00f6scht sind, und also die ihnen gleichenden Eindr\u00fccke nicht wiedererkannt werden. Ein derartig verst\u00fcmmeltes Thier wird daher so lange in seiner Intelligenz gest\u00f6rt erscheinen, als nicht Gelegenheit geboten ist, durch Ablagerung neuer Erinnerungsbilder in bis dahin unbesetzten centralen Elementen die erlittenen Ge-d\u00e4chtnissl\u00fccken wieder auszuf\u00fcllen. Uebrigens werden in der Regel die Erscheinungen dieser \u00bbSeelenblindheit\u00ab mit denen einer partiellen \u00bbRindenblindheit\u00ab f\u00fcr unmittelbare Netzhauteindr\u00fccke wegen der dichten Aneinanderlagerung beider Gattungen von Elementen gemischt Vorkommen.\nEs liegt auf der Hand, dass die beiden Localisationshypothesen, aus welchen sich diese Theorie zusammensetzt, ihrem Inhalte nach g\u00e4nzlich verschieden sind, dass die \u00bbFunctionen\u00ab, deren Hinwegfall im einen Fall als \u00bbRindenblindheit\u00ab, im andern als \u00bbSeelenblindheit\u00ab bezeichnet wird, absolut abweichende Functionsbegriffe sind, dass aber eben deshalb \u00fcberall da, wo die erste Hypothese zur Erkl\u00e4rung gewisser Ausfallserscheinungen nach Exstirpationsversuchen nicht ausreicht, die andere dazu ein bequemes H\u00fclfs-mittel darhietet. Sind die eintretenden St\u00f6rungen derart, dass sie","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nW. Wundt.\nv\u00f6llige Unempfindlichkeit f\u00fcr Lichteindr\u00fccke verrathen, so ist selbstverst\u00e4ndlich eine Aufhebung der Functionen des unmittelbaren Retinacentrums anzunehmen. Vermischen sich aber diese Erscheinungen mit irgend welchen Intelligenzst\u00f6rungen, d. h. mit der Unf\u00e4higkeit bekannte Objecte zu erkennen, oder treten auch diese Intelligenzst\u00f6rungen f\u00fcr sich allein auf, so f\u00fcgen sich alle solche verwickelteren St\u00f6rungen der H\u00fclfsannahme, dass irgend welche Er\u2014 innerungscentren beseitigt worden seien. Verschwinden endlich diese Symptome der \u00bbHimschw\u00e4che\u00ab, wie sie von Goltz, ohne R\u00fccksicht auf derartige Hypothesen, rein nach ihrem symptomatischen Charakter bezeichnet werden, so ist wiederum die Neuablagerung von Erinnerungsbildern in leer stehenden Depots ein bequemes Bild, um auch diese Erscheinungen unterzubringen. Munk selbst hat es leider verschm\u00e4ht, die von ihm beobachteten That-sachen jemals ohne Anwendung jenes von ihm zur Deutung derselben ersonnenen Begriffsschematismus zu schildern. \u00bbRinden-blindheit\u00ab und \u00bbSeelenblindheit\u00ab samt den ihnen zu Grunde liegenden eigenth\u00fcmlichen Localisationsvorstellungen scheinen ihm selbst Thatsachen zu sein, die man direct beobachten k\u00f6nne, nicht Hypothesen, die blos von ihm zur Deutung gewisser Erscheinungen ersonnen worden sind. Dass ihm aber dieser gewaltige Unterschied der Thatsachen selbst und der auf Grund derselben ersonnenen Hypothesen entgeht, scheint mir haupts\u00e4chlich aus dem oben bemerkten Umstande erkl\u00e4rlich zu sein, dass sich jene beiden Hypothesen , aus denen sich seine Anschauung zusammensetzt, so weit sie auch von einander verschieden sind, doch insofern h\u00f6chst gl\u00fccklich erg\u00e4nzen, als \u00fcberall wo die erste nicht ausreicht die zweite nothwendig ausreichen muss, und dass, wenn im Verlauf der Dinge hinwiederum diese letztere auf Schwierigkeiten st\u00f6\u00dft, abermals H\u00fclfsannahmen zu Gebote stehen, die das Gleichgewicht wieder herstellen. Die Rolle einer solchen H\u00fclfsannahme zweiter Ordnung spielt scheinbar die Hypothese, dass freie Depots f\u00fcr die Ablagerung neuer Erinnerungsbilder beliebig zur Verf\u00fcgung sind. Sollte es aber je einmal Vorkommen, dass die Erinnerung nie wiederkehrt, \u2014 nun, dann sind eben mit den besetzten Stellen auch die leeren Depots zu Grunde gegangen. Angesichts dieser gl\u00fccklichen wechselseitigen Anpassung der Hypothesen kann man es einiger\u2014","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"7\nZur Frage der Localisation der Gro\u00dfhirnfmictionen.\nma\u00dfen verstehen, wie ein Beobachter, der sich daran gew\u00f6hnt hat nur nach den fertigen Schablonen der Bindenblindheit, Seelenblindheit und der Besetzung vacanter Ged\u00e4chtnisszellen alle St\u00f6rungen und ihre Ausgleichung sich zurechtzulegen, zuletzt \u00fcberhaupt nicht mehr daran denkt, dass es unm\u00f6glich ist, direct eine so genannte Binden- oder Seelenblindheit oder gar den Act einer Wiederbesetzung leerer Ged\u00e4chtnisszellen zu beobachten, sondern dass das Einzige, was sich beobachten l\u00e4sst, gewisse mehr oder minder complicirte Ausfallserscheinungen sind, in deren Ablauf dann in der Begel auch noch Erscheinungen von Wiederherstellung der Functionen sich einmengen- Alles andere ist .Hypothese, und wenn man solche Hypothesen einf\u00fchrt, so hat man hier wie \u00fcberall nicht bips danach zu fragen, ob dieselben ein nothd\u00fcrftiges H\u00fclfsmittel abgeben, um die Erscheinungen unter ihnen unterzubringen, sondern auch danach, ob sie etwa unter einander und mit unseren sonstigen Kenntnissen \u00fcber die Functionen der Organe und ihrer Elemente \u00fcbereinstimmen.\n..w. Wird die Frage so gestellt, so kann, wie ich meine, nicht zweifelhaft sein, dass die Munk\u2019sehe Ansicht sch\u00f6n dem ersten Erfoxdemiss einer brauchbaren Hypothese, dem n\u00e4mlich, dass ihre verschiedenen Theile unter einander \u00fcbereinstimmen, nicht entspricht. Zweierlei centrale Elemente setzt dieselbe voraus, welche, obgleich sie in den allgemeinen Verh\u00e4ltnissen ihrer Lagerung, ihrer anatomischen Beschaffenheit und ihrer sonstigen physiologischen Eigenschaften nicht nachweisbar von einander abweichen, dennoch in ihrer Function v\u00f6llig verschieden sind. Die Elemente der ersten -Axt sind Tr\u00e4ger einfacher Functionen : an ihre Erregung ist unab\u00e4nderlich eine Empfindung von einfacher Qualit\u00e4t gekn\u00fcpft; damit diese Empfindung entstehe und wiederkehre, muss ihnen durch die von der Betina kommenden Nervenfasern jedesmal von neuem eine Erregung zugef\u00fchrt werden. Die Elemente der zweiten Art dagegen sind Tr\u00e4ger h\u00f6chst complexer Functionen, welche zu ihrer Entstehung immer die Erregung zahlreicher Elemente der ersten Art voraussetzen. Diese m\u00fcssen ihre Erregungen, jede den auf sie kommenden An-theil, auf die Erinnerungszellen \u00fcbertragen. Sind aber in den letzteren einmal jene complexen B\u00fcckwirkungen der directen Betinacentren abgelagert, so bleiben sie unbegrenzt haften: w\u00e4hrend die Elemente","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nW. Wundt.\nder ersten Art nie ohne \u00e4u\u00dfere Eindr\u00fccke ihre Function wieder, aufnehmen k\u00f6nnen, ist solches bei den Elementen zweiter Art jederzeit m\u00f6glich, ja sobald sie zu Ablagerungsst\u00e4tten eines Vorstellungsresiduums geworden sind, so sind und bleiben sie definitiv \u00bbbesetzt\u00ab:' jeder neu andringenden Vorstellungsmasse t\u00f6nt ein unerbittliches \u201eZur\u00fcck\u201c entgegen, bis sie gl\u00fccklich eine noch leer gebliebene Stelle gefunden hat. Ich wei\u00df wohl, die Vertheidiger dieser phreno-logischen Hirngespinnste wollen von derartigen n\u00e4heren Ausf\u00fchrungen ihrer Voraussetzungen nichts wissen : unsere dermalige Kenntniss der Gehirnmechanik ist, wie sie meinen, zu unvollkommen, um Aufschl\u00fcsse \u00fcber die Art, wie die verschiedenen Functionen zu Stande kommen, m\u00f6glich zu machen. Aber eins m\u00fcsste doch m\u00f6glich sein : es m\u00fcsste gezeigt werden k\u00f6nnen, dass irgend eine Durchf\u00fchrung der gemachten Hypothesen denkbar ist, welche nicht zu v\u00f6llig absurden, mit unserer wirklichen Kenntniss der Functions weise der nerv\u00f6sen Elementartheile absolut unvereinbaren Vorstellungen f\u00fchren muss. Dies aber ist, wie ich glaube, bei der Munk\u2019schen Locali-sationshypothese nicht m\u00f6glich. Jeder Versuch, sich von den Wechselwirkungen, in denen nach ihr die Elemente des \u00bbRindencentrums\u00ab und des \u00bbSeelencentrums\u00ab mit einander stehen, irgend ein Bild zu machen, f\u00fchrt zu den abenteuerlichsten Vorstellungen, im Vergleich mit denen die Nervengeister der Cartesianer und die \u00bbinneren Sinne\u00ab der Gall\u2019schen Phrenologie als verh\u00e4ltnissm\u00e4\u00dfig vern\u00fcnftige und gem\u00e4\u00dfigte Annahmen erscheinen. Der Grund dieses Missgeschicks liegt eben darin, dass diese moderne Form der Phrenologie die monstr\u00f6sen psychologischen Begriffe ihrer \u00e2lt\u00e8ren Vorl\u00e4uferin mit den diametral entgegengesetzten Vorstellungen der modernen Nerven-physiologie zu verbinden sucht, eine Verbindung, bei welcher der Contrast nothwendig den Eindruck der Ungeheuerlichkeit jener phrenologischen Annahmen verst\u00e4rken muss.\nIn seiner neuesten Ver\u00f6ffentlichung hat nun Munk nachzuweisen gesucht, dass seine Annahmen \u00fcber das Seh- und H\u00f6rcentrum und deren Zusammensetzung aus zwei Centren von g\u00e4nzlich verschiedener physiologischer Bedeutung wenigstens mit den Voraussetzungen der modernen Sinnesphysiologie im sch\u00f6nsten Einklang stehen. Er r\u00fchmt sich in dieser Abhandlung, f\u00fcr die in der Lehre von den specifischen Sinnesenergien gestellte Forderung, dass jede","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Localisation der Gro\u00dfhirnfunctionen.\n9\nder verschiedenen Sinnesempfindungen, unabh\u00e4ngig von der Art der \u00e4u\u00dferen Einwirkung auf die Sinnesnerven oder ihre peripherischen Endigungen, nur auf die Verbindung der verschiedenen Sinnesnerven mit verschiedenartigen centralen Elementen zuriickzuf\u00fchren sei, einen ersten Nachweis erbracht zu haben1). Munk wendet sich daher gegen die Einw\u00e4nde, die ich gegen die Lehre von den specifischen Sinnesenergien in ihrer gew\u00f6hnlichen Gestalt an verschiedenen Stellen meiner \u00bbGrundz\u00fcge der physiologischen Psychologie\u00ab erhoben habe. Er ist der Ansicht, dass diese Einw\u00e4nde theils durch seine Versuche widerlegt werden, theils aber mit anderen bekannten physiologischen Thatsachen im Widerspruch stehen. Ich kann in keinem Punkte die Stichhaltigkeit dieser Argumente Munk\u2019s anerkennen; vielmehr steht, wie ich meine, nicht nur Munk\u2019s eigner Standpunkt im Widerspruch mit derjenigen Bedeutung, welche Johannes M\u00fcller und nach ihm Helmholtz der Lehre von der specifischen Energie der Sinnesnerven beigelegt haben, sondern es kann auch in keiner Weise in den von Munk beigebrachten Thatsachen eine St\u00fctze f\u00fcr jene Lehre gefunden werden.\nVor allen Dingen ist es nicht richtig, dass Munk\u2019s Locali-sationshypothese als eine Anwendung oder auch als eine Best\u00e4tigung der Theorie der specifischen Sinnesenergien gelten kann. Wir haben gesehen, dass die Hypothese Munk\u2019s wieder in zwei wesentlich verschiedene Hypothesen zerf\u00e4llt: in die Annahme einer centralen Projection der peripherischen Netzhauterregungen und in die Annahme einer centralen Ablagerung der Erinnerungsbilder. Keine dieser beiden Hypothesen steht im Einklang mit der Theorie der specifischen Energien, wie sie von Johannes M\u00fcller und Helmholtz ausgebildet worden ist. Nach dieser ist an jede elementare Nervenfaser eine bestimmte Qualit\u00e4t der Empfindung unab\u00e4nderlich gebunden: auf jeden Reiz, der die Faser trifft, welcher Art dieser auch sei, ob er sie direct treffe oder ihr vom peripherischen Sinnesorgan aus zugef\u00fchrt werde, reagirt sie immer mit der n\u00e4mlichen Empfindungsqualit\u00e4t, die nur in ihrer Intensit\u00e4t von der St\u00e4rke des Reizes abh\u00e4ngt. Daneben ist von beiden Physiologen auf die Gleich-\n1) Munk, Ueber die centralen Organe f\u00fcr das Sehen und das H\u00f6ren bei den Wirbelthieren. Sitzungsbericht der Kgl. Preu\u00df. Akademie der Wissensch. zu Berlin. Gesammtsitzung vom 20. Juni 1889. S. 7 ff.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nW. Wundt.\nartigkeit der Nerven hingewiesen worden, und namentlich Helmholtz hat sich daher schon daf\u00fcr ausgesprochen, dass die specifische Energie der Nerven nicht in den Nervenfasern selbst, sondern in ihren centralen Endigungen ihren Sitz habe. Er vergleicht die Nerven mit Telegraphendr\u00e4hten, in denen die geleiteten Str\u00f6me immer von der n\u00e4mlichen Beschaffenheit sind, obgleich man mit ihnen, je nach den Verbindungen in die sie gebracht werden, die verschiedensten Effecte hervorbringen kann1). Auf die Licht- und Tonempfindungen angewandt f\u00fchrt diese Theorie zu der Annahme, dass jeder Grundfarbe bestimmte \u00fcber die ganze Netzhaut vertheilte Netzhautelemente mit den aus ihnen hervorgehenden Opticusfasern samt den centralen Zellen, in denen diese endigen, jeder f\u00fcr sich unterscheidbaren Tonh\u00f6he bestimmte Theile des Corti\u2019schen Organs mit den zugeh\u00f6rigen Nervenfasern und centralen Elementen entsprechen m\u00fcssen. Gem\u00e4\u00df der Entwickelung, welche die Lehre von den specifischen Sinnesenergien genommen, nimmt man in allen diesen F\u00e4llen an, dass der eigentliche Sitz der Empfindungsqualit\u00e4t in den centralen Elementen gelegen sei. Diese m\u00fcssen so eingerichtet sein, dass in bestimmten Elementen blos die Empfindung der Qualit\u00e4t roth, in andern die der Qualit\u00e4t blau u. s. w. zu Stande kommt.\nWie verh\u00e4lt sich nun die Munk\u2019sche Hypothese des \u00bbRindencentrums\u00ab zu diesen Anschauungen? Nach ihr entspricht jeder Netzhautstelle eine bestimmte Stelle an der Oberfl\u00e4che des Occipitalhirns, dergestalt dass die Netzhautstelle erblindet, wenn die betreffende Rindenstelle exstirpirt wird. Eine derartige Zuordnung wird in der That nicht blos durch Munk\u2019s Versuche, sondern auch durch zahlreiche Versuche anderer Beobachter sowie namentlich durch pathologische Beobachtungen am Menschen best\u00e4tigt; ich erkenne daher die Annahme einer centralen Sehfl\u00e4che als eine vollkommen berechtigte an, und ich betrachte die Differenzen, die zwischen einzelnen Beobachtern \u00fcber Lage und Umfang dieser Sehfl\u00e4che sowie \u00fcber die Zuordnung zu den Retinen beider Augen noch bestehen, f\u00fcr die Hauptfrage als unwesentlich. Aber wie in aller Welt soll nun die Feststellung einer solchen Zuordnung f\u00fcr die specifischen\n1) Helmholtz, Lehre von den Tonempfindungen, 2. Aufl. S. 222.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Localisation der Gro\u00dfhirnfunctionen.\n11\nSinnesenergien entscheidend sein? Die Frage, ob diese Energien urspr\u00fcnglich den centralen Elementen anhaften, oder ob sie nur in. Folge der Wechselwirkung mit den Vorg\u00e4ngen in den peripherischen Sinnesorganen zu Stande kommen k\u00f6nnen, wird durch jene Ermittelungen nicht im geringsten ber\u00fchrt. Noch weniger kann davon die Rede sein, dass durch dieselben irgend ein Anhaltspunkt f\u00fcr die Annahme getrennter centraler Elemente f\u00fcr die Empfindungen roth,. gr\u00fcn, blau oder f\u00fcr die einzelnen Tonh\u00f6hen sich ergeben h\u00e4tte. Ja, so wenig ergibt sich aus dieser Localisation im Centralorgan etwas \u00fcber die Entstehungsbedingungen der Sinnesenergien, dass man auf Grund derselben sehr wohl auch zu der Ansicht kommen k\u00f6nnte, die erste Bedingung zur Ausbildung der Energien sei immer die Beschaffenheit des peripherischen Sinnesorgans, wie der eifrigste aller Localisatoren, Munk selber, beweist. Auf meine Bemerkung, niemals seien bei einem Mangel der \u00e4u\u00dferen Sinnesorgane die Empfindungen des betreffenden Sinnesgebietes beobachtet worden., auch dann nicht, wenn die Nerven und ihre centralen Endigungen urspr\u00fcnglich vorhanden waren, erwidert er arglos, in solchen F\u00e4llen k\u00f6nnten die Empfindungen deshalb nicht entstehen, weil die dazu erforderlichen peripherischen Reizungen mangelten1). Es ist nun aber einmal nach Munk eine Eigenth\u00fcmlichkeit der centralen Elemente,, dass nur diejenigen, die mit Erinnerungsbildern besetzt sind, durch innere Reize, diejenigen, welche der Retina unmittelbar zugeordnet sind, ebenso ausschlie\u00dflich nur durch \u00e4u\u00dfere Reize erregt werden.. Von den fragw\u00fcrdigen Depots der Erinnerungsbilder wollen wir hier vorl\u00e4ufig absehen. Aber warum haben denn die Elemente des Rindencentrums der Retina die merkw\u00fcrdige Eigenschaft, zu einer Entwickelung ihrer specifischen Empfindungsenergie nur dann zu kommen, wenn das \u00e4u\u00dfere Sinnesorgan in Function getreten ist? Die Antwort kann offenbar nur lauten: weil die Function dieser peripherischen Elemente die Entwickelung der Empfindungsqualit\u00e4t mitbedingt. W\u00e4re die specifische Energie eine urspr\u00fcnglich den centralen Elementen inh\u00e4rirende Eigenschaft, so w\u00e4re nicht abzusehen, wrarum bei einem Blindgeborenen, dessen Opticusfasern noch functionsf\u00e4hig sind, zuf\u00e4llig stattfindende mechanische oder andere Heize nicht Lichtempfindungen bewirken sollten.\n1) a. a. O. S. 12.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nW. Wundt.\nIn nahem Zusammenh\u00e4nge hiermit steht noch ein anderer Punkt, in welchem die Annahmen \u00fcber die centrale Projection der Retina mit der Theorie der specifischen Sinnesenergien im Widerstreit liegen. Diese Projection ist doch, selbst in der von Munk vertretenen Gestalt, insofern keine absolut unver\u00e4nderliche, als eine Ausgleichung durch centrale Zerst\u00f6rungen entstandener L\u00fccken in gewissem Umfang von allen Beobachtern angenommen wird. Munk unterscheidet sich in dieser Beziehung von anderen Forschern nur darin, dass er die Elemente, welche stellvertretend f\u00fcr ausgefallene functioniren k\u00f6nnen, von Anfang an bereits dem betreffenden Sinnescentrum zurechnet : auch in dem Rindencentrum der Retina gibt es nach ihm \u00bbunbesetzte Stellen\u00ab, welche bereit sind f\u00fcr abhanden gekommene als L\u00fcckenb\u00fc\u00dfer einzutreten. Andere Beobachter, namentlich solche, die \u00fcberhaupt ein Uebereinandergreifen verschiedener Sinnescentren statuiren, nehmen an, dass solche stellvertretende Elemente m\u00f6glicherweise nicht von vornherein f\u00fcr ein bestimmtes Functionsgebiet determinirt seien. Ein Bild vermag vielleicht das Verh\u00e4ltnissbeider Ansichten zu verdeutlichen. Munk stellt sich die gesellschaftliche Arheitstheilung der Hirnelemente etwa analog der indischen Kastenscheidung vor. Wenn ein Arbeiter stirbt oder krank wird, so darf er immer nur durch einen solchen ersetzt werden, der von vornherein der n\u00e4mlichen Kaste angeh\u00f6rt. Die anderen etwas liberaleren Localisatoren stellen sich die Sache mehr in der Weise einer nach den Gesetzen der freien Concurrenz lebenden Gesellschaft vor: jeder w\u00e4hlt sich denjenigen Beruf, zu welchem ihn die \u00e4u\u00dferen Verh\u00e4ltnisse n\u00f6thigen. F\u00fcr die vorliegende Frage sind jedoch diese Differenzen ganz unwesentlich: hier wie dort liegt die Annahme zu Grunde, dass es Elemente gibt, welche urspr\u00fcnglich keine specifische Energie beth\u00e4tigen, sondern erst durch \u00e4u\u00dfere Bedingungen zur Entwickelung einer solchen veranlasst werden. Nach der Theorie der specifischen Sinnesenergien haftet aber an jedem centralen Element urspr\u00fcnglich und unab\u00e4nderlich eine bestimmte Empfindungsqualit\u00e4t, und auf jede Erregung antwortet dasselbe in dieser specifischen Qualit\u00e4t. Nun l\u00e4sst sich allenfalls hei einer feststehenden Beziehung zwischen Netzhaut und Rindencentrum denken, dass jedem f\u00fcr rothes Licht reizbaren Retinaelement ein rothempfindendes Rindenelement, jedem","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Localisation der Gro\u00dfhirnfunctionen.\n13\ndurch blaues Licht reizbaren ein blauempfindendes entspreche u.s.w. Sollen aber f\u00fcr centrale Defecte vicariirende Elemente eintreten, so k\u00f6nnte dies offenbar nur so geschehen, dass nun die rotherregte Faser auch genau wieder einem rothempfindenden, die blauerregte einem blauempfindenden zugeordnet w\u00fcrde. Da jedoch, wie Munk mit Helmholtz annimmt, die Nervenfasern v\u00f6llig indifferente Leiter sind, so l\u00e4sst sich wiederum nicht einsehen, wie eine solche neue Zuordnung anders als unter der fortw\u00e4hrenden Mitwirkung der Keizungsvorg\u00e4nge in den peripherischen Sinneselementen geschehen kann. Also auch hier ist die Localisationshypothese, weit entfernt die Lehre von den specifischen Sinnesenergien zu best\u00e4tigen, vielmehr geeignet die ernstesten Bedenken gegen dieselbe wach zu rufen.\nNoch schlimmer steht es in dieser Beziehung mit dem zweiten Theil der Munk\u2019sehen Hypothese, mit der Annahme, dass die Erinnerungsbilder fr\u00fcherer Eindr\u00fccke in bestimmten centralen Elementen besonderer Art, in den Elementen eines \u00bbSeelencentrums\u00ab aufgespeichert und dann durch innere Reize wiedererweckt werden k\u00f6nnen. F\u00fcr die Lehre von den specifischen Energien, wie sie Johannes M\u00fcller begr\u00fcndet und Helmh oltz n\u00e4her durchgef\u00fchrt hat, ist es wesentlich, dass jede Energie eine einfache Empfindung sei. Hier aber handelt es sich um h\u00f6chst zusammengesetzte Bewusstseinsacte. Die Elemente, welchen dieselben \u00fcbertragen sind, m\u00f6gen sie nun f\u00fcr jedes Erinnerungsbild in einer einzigen Zelle oder in einem Complexe solcher bestehen, besitzen ihre Energie nicht urspr\u00fcnglich, als eine nicht weiter abzuleitende, auf jeden inneren oder \u00e4u\u00dferen Reiz in Wirksamkeit tretende Eigenschaft; sondern die besondere Beschaffenheit des Erinnerungsbildes ist ihnen von au\u00dfen mitgetheilt: sie ist ihnen unmittelbar in irgend einer Weise von den Elementen des Retinacentrums zugeflossen, mittelbar aber richtet sie sich ganz und gar nach der Beschaffenheit der \u00e4u\u00dferen Erfahrungsobjecte, welche die letzten Ursachen der individuellen Erinnerungsbilder sind. Wie lie\u00dfe sich auf diese Anwendung des Begriffs der specifischen Energie noch das Wort von Helmholtz anwenden, dass dieser Begriff nichts anderes als eine cons\u00e9quente Anwendung der Lehre Kant\u2019s von der Subjectivit\u00e4t unserer Anschauung sei\"? Freilich, wenn man unter \u00bbspecifischer","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nW. Wandt.\nEnergie\u00ab nur die allgemeine Annahme versteht, dass jede beliebige und noch so verwickelte centrale Function an bestimmte r\u00e4umlich abgegrenzte Theile des Centralorgans gebunden sei, dann l\u00e4sst sich ;auch diese Hypothese von der Ablagerung der Erinnerungsbild\u00e8r unter den Begriff der specifischen Energie bringen. Dann aber ist nicht mehr Johannes M\u00fcller, sondern Friedrich Gail, der Sch\u00f6pfer der Phrenologie, zugleich der Begr\u00fcnder der Lehre von den specifischen Energien. Was sind die Verm\u00f6gen seiner inneren Organe in der That anderes als specifische Energien im Sinne Munk\u2019s? So kommt es auch hier wieder zu Tage, dass in der Localisations-hypothese Munk\u2019s zwei v\u00f6llig heterogene Vorstellungen mit einander vermengt sind, die Anschauung der neueren Nervenphysiologie, nach welcher nur von einer Localisation elementarer Functionen im Centralorgan die Rede sein kann, eine Anschauung, mit der Johannes M\u00fcller und Helmholtz ihren Begriff der specifischen Energie in Einklang zu bringen gesucht haben, und die Anschauung der alten Phrenologie, nach welcher verwickelte Geistesth\u00e4tig-keiten an bestimmte r\u00e4umlich abgegrenzte Centren gebunden sein sollen.\nMunk hat sich jedoch nicht damit begn\u00fcgt, die Ueberein-stimmung seiner Localisationshypothese mit der Lehre von den speci-, fischen Sinnesenergien im allgemeinen zu behaupten, sondern er hat auch im einzelnen meine Einw\u00e4nde gegen diese Lehre vom Standpunkt seiner Versuche und Theorien aus zu entkr\u00e4ften gesucht. Hier bin ich nun zun\u00e4chst gen\u00f6thigt, gegen die Deutung Einspruch zu erheben, welche Munk einigen meiner S\u00e4tze zu geben sucht. Ich habe ausgef\u00fchrt, dass nach der Annahme einer urspr\u00fcnglichen functioneilen Indifferenz der centralen Elemente jedes Element durch allm\u00e4hlich eintretende innere Molecular\u00e4nderungen eine f\u00fcr die Ausf\u00fchrung derjenigen Functionen geeignete Beschaffenheit annehme, zu der es durch seine \u00e4u\u00dferen Verbindungen veranlasst wird, und dass unter diesem Gesichtspunkte das vicariirende Eintreten neuer Elemente f\u00fcr solche, deren Function unterbrochen wurde, als eine Anpassung an neu eintretende Functionsbedingungen aufzufassen sei. Eine feste Grenze, in welchem Umfange \u00fcberhaupt Stellvertretungen m\u00f6glich sind, werde sich aber nicht ziehen lassen. Vielmehr k\u00f6nne die Annahme nicht abgewiesen werden,","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Localisation der Gro\u00dfhirnfunctionen.\n15\ndass ein Element, das unter normalen Verh\u00e4ltnissen eine Gesichtsempfindung vermittele, durch ver\u00e4nderte Bedingungen Tr\u00e4ger einer Tastempfindung, einer Muskelempfindung u. s. w. werde, ja dass, sofern nur durch das centrale Fasernetz verschiedenartige Vorg\u00e4nge einem und demselben Element zugeleitet werden k\u00f6nnen, dieses selbst im Stande sei eine Mehrheit verschiedener Functionen in sich zu vereinigen. Ich habe jedoch nicht unterlassen hinzuzuf\u00fcgen, dass mit der steigenden Entwickelung des Hirnbaues offenbar die functioneile Sonderung der Theile zunehme, und dass damit zugleich die M\u00f6glichkeit einer Stellvertretung in engere Grenzen eingeschlossen werde; und ich habe darauf hin gewiesen, wie namentlich die pathologischen Beobachtungen am Menschen diese Entwickelung einer relativ fester werdenden Localisation beweisen1). Wenn daher Munk die obige allgemeine Bemerkung so interpretirt, als solle damit ein fortw\u00e4hrender labiler Zustand functioneller Indifferenz behauptet werden, so steht dies mit meinen eigenen Ausf\u00fchrungen im Widerspruch. Dass in gewissem, wenn auch beschr\u00e4nktem Umfange eine Restitution der Functionen durch vicariirendes Eintreten von Elementen desselben Centrums stattfinde, r\u00e4umt auch Munk ein. Auch er nimmt also eine Anpassung von Elementen an Functionen an, deren Tr\u00e4ger sie bisher nicht gewesen sind, und zwar nicht blos f\u00fcr seine Erinnerungscentren, wo ja die Ablagerung in \u00bbunbesetzten Stellen\u00ab eine gro\u00dfe Rolle spielt, sondern auch in den unmittelbaren Rindencentren. Der einzige Unterschied zwischen uns besteht also darin, dass Munk diese neue Anpassung auf Elemente beschr\u00e4nkt, die er von vornherein dem betreffenden Centrum zurechnet, w\u00e4hrend ich nach den Ergebnissen derjenigen Forscher, die, wie Goltz und Luciani, ein Uebereinandergreifen der verschiedenen Sinnescen-tren statuiren, die M\u00f6glichkeit nicht f\u00fcr ausgeschlossen halte, dass das n\u00e4mliche Element unter verschiedenen \u00e4u\u00dferen Bedingungen verschiedene Leistungen \u00fcbernehmen kann. Dass \u00fcbrigens \u00bbmit jeder Entfernung oder Zerst\u00f6rung einer Gro\u00dfhirnrindenpartie durch Druck, Circulationsst\u00f6rung und dergl. eine Functionsunf\u00e4higkeit der Nachbarschaft verbunden ist, welche, nachdem die sch\u00e4digenden Momente fortgefallen sind, sich wieder verliert\u00ab, und dass die hier-\n1) Physiol. Psychologie, 3. Aufl. I. S. 226.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nW. Wundt.\ndurch bedingte Wiederherstellung der Functionen nicht auf eine Stellvertretung bezogen werden darf, diese wohl von allen Beobachtern constatirte Thatsache habe ich nicht vers\u00e4umt hervorzuheben1), und Munk hat daher nicht das Recht zu behaupten, die Verwechselung dieser Erholung von den Nebenwirkungen der Operation mit der eigentlichen Wiederherstellung der Functionen sei es, worauf allein meine Lehre sich st\u00fctze\u00bb\nMunk geht sodann auf zwei der Gr\u00fcnde, die ich gegen die Lehre von den specifischen Sinnesenergien angef\u00fchrt habe, etwas n\u00e4her ein : auf den absoluten Mangel der Licht- oder Schallempfindungen bei Blind- oder Taubgeborenen, und auf den Widerspruch, in welchem jene Lehre mit unseren allgemeinen Anschauungen \u00fcber die Entwickelung der organischen Wesen und ihrer Functionen steht.\nDer erste Grund und seine angebliche Widerlegung ist schon oben gelegentlich ber\u00fchrt worden\u00bb Diese Widerlegung verdient aber doch, weil sie auf den psychologischen Standpunkt Munk\u2019s ein charakteristisches Licht wirft, eine etwas n\u00e4here Beleuchtung. Ich habe darauf hingewiesen, dass Blind- und Taubgeborenen die Licht- und Klangempfindung vollst\u00e4ndig mangle, obgleich die Sinnesnerven und ihre centralen Endigungen vollkommen ausgebildet sein k\u00f6nnen und es an einer Erregung der centralen Elemente durch die gew\u00f6hnlichen Formen automatischer centraler Erregung nicht fehle, w\u00e4hrend sich anderseits bei Erblindeten und Taubgel\u00c4SS^n'\u00e4ie Licht- und Klangempfindungen in der Form von Tr\u00e4umen, Hallucinationen und Erinnerungsbildern viele Jahre hindurch erhalten. Munk belehrt mich, bei dieser Gelegenheit seien von mir zwei ganz verschiedene Dinge, Sinnesempfindungen und Sinnes Vorstellungen, zusammengeworfen worden. \u00bb Diese Sinnesempfindungen und Sinnesvorstellungen\u00ab, sagt Munk, \u00bbsind an verschiedene centrale Elemente gebunden, wie das Fortbestehen der Erinnerungsbilder lehrt, das Erhaltensein von Gesichts- oder Geh\u00f6rsvorstellungen , wo Licht- und Schallempfindung nicht mehr entstehen, bei augenblind oder ohrentaub gewordenen Menschen und Thieren, und umgekehrt das Zustandekommen von Gesichts- oder\n1} Ebend. I. S. 154.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Localisation der Gro\u00dfhirnfunctionen.\n17\nGeh\u00f6rswahrnehmungen, wo Gesichts- oder Geh\u00f6rsvorstellungen fehlen, hei seelenblind oder seelentaub gewordenen Menschen und Thieren\u00ab.\nWahrlich, es w\u00e4re dringend zu w\u00fcnschen, dass moderne Psyv chologen, die geneigt sind die allgemeinen Fortschritte unserer psychologischen Erkenntniss zu r\u00fchmen, diese Meinungs\u00e4u\u00dferung eines hervorragenden Gehirnphysiologen beherzigten. Wie hat sich doch die neuere Psychologie mit der Ueherwindung auch der letzten Spuren der obsoleten Verm\u00f6genstheorie gebr\u00fcstet! Wir waren gl\u00fccklich so weit, zu glauben, es komme bei der Unterscheidung der verschiedenen Bewusstseinsvorg\u00e4nge nur auf den unmittelbaren Inhalt derselben an, nicht auf die mancherlei Nebengedanken, die wir damit verbinden. Wir hatten gemeint, endlich zu wissen, dass nur die concreten Thatsachen der inneren Wahrnehmung ohjectiven Werth besitzen, nicht die Begriffe, unter die wir aus irgend welchen Nebenr\u00fccksichten diese Thatsachen ordnen. Hier werden wir dar\u00fcber belehrt, dass von allem dem das Gegen-theil wahr ist. M\u00f6gen eine Hallucination und eine Sinneswahrnehmung ihrem Empfindungsinhalte nach vollst\u00e4ndig einander gleichen, ja mag die erstere von dem Hallucinirenden selber f\u00fcr die Wahrnehmung eines Objectes gehalten werden, \u2014 diese Uebereinstimmung ist v\u00f6llig irrelevant. Es hat sich nun einmal in Folge von allerlei logischen Reflexionen herausgestellt, dass der Hallucination kein wirkliches Object zu Grunde liegt, wir haben sie also an einer andern Stelle unseres psychologischen Liegriffsschematismus untergebracht, \u2014 folglich muss sie auch an einer andern Stelle unseres Gehirns untergebracht werden. Im Vergleich mit dieser Schlussfolge erscheint in der That die heute noch da und dort in der spi-ritualistischen Psychologie verbreitete Vorstellung, dass den Erinnerungsbildern \u00fcberhaupt gar keine physische Erregung zu Grunde liege, dass sie sogenannte reine Seelenzust\u00e4nde seien, als eine wohl discutirbare Annahme. Sie kann sich wenigstens auf die Fhatsache st\u00fctzen, dass bei den gew\u00f6hnlichen Erinnerungsbildern auch bei relativ gro\u00dfer Deutlichkeit .derselben die Intensit\u00e4t der Empfindung von nur minimaler Gr\u00f6\u00dfe ist. Haltbar freilich ist diese der isolirbaren Seelensubstanz zu Liebe gemachte Annahme auch nicht. Denn minimale Empfindungen bleiben immer Empfin-\nWundt, Philos. Studien. VI.\to","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nW. Wundt.\nd\u00fcngen ; sie weisen offenbar auf sehr schwache Erregungen, nimmermehr aber auf ein v\u00f6lliges Verschwinden der letzteren hin. Dazu kommt, dass die Hallucinationen in jeder Hinsicht, ausgenommen in Bezug auf die Intensit\u00e4t der sie zusammensetzenden Empfindungen , den Charakter von Erinnerungsbildern besitzen, und dass zwischen einer Hallucination von der St\u00e4rke des unmittelbaren Sinneseindrucks und einem gew\u00f6hnlichen Erinnerungsbilde alle m\u00f6glichen Zwischenstufen Vorkommen. Hallucinationen gleichen aber nicht nur in allen ihren unmittelbar gegebenen subjectiven Eigenschaften den Sinneswahrnehmungen, sondern sie k\u00f6nnen auch die n\u00e4mlichen auf der Erm\u00fcdung der Sinnesapparate beruhenden Nachwirkungen, positive und negative Nachbilder, im Gefolge haben. Ebenso wenig wie die Annahme zul\u00e4ssig ist, dass das Erinnerungsbild ein aus dem materiellen Sinnescentrum in die immaterielle Seelensubstanz hin\u00fcbergeschwundener Eindruck sei, ebenso wenig ist die materialistische Nachbildung dieser Annahme zu halten, das Erinnerungsbild sei ein Ableger, der aus dem Sinnescentrum in ein besonderes Ged\u00e4chtnisscentrum des Gehirns \u00fcbertragen worden sei. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen Erinnerungsvorstellung und Sinneswahrnehmung besteht eben darin, dass sich mit der ersteren der Nebengedanke verbindet, das Object, auf das sie sich bezieht, sei nicht wirklich gegenw\u00e4rtig. Es ist nicht abzusehen , wie solche unserer nachtr\u00e4glichen logischen Reflexion an-geh\u00f6rige Nebengedanken die Localisation der Vorstellungen im Gehirn ver\u00e4ndern k\u00f6nnen. Zudem ist dieser Unterschied kein constater , wie das Beispiel der Hallucifiationen des wachen Zustandes und der Traum Vorstellungen zeigt.\nNun hat freilich Munk eine Thatsache in Bereitschaft, welche diese verschiedene Localisation der Sinnesempfindungen und der Sinnesvorstellungen unwiderleglich beweisen soll. \u00bbBei augenblind oder ohrentaub gewordenen Menschen und Thieren sind noch Erinnerungsvorstellungen m\u00f6glich, und umgekehrt bei seelenblind oder seelentaub gewordenen k\u00f6nnen noch Licht- oder Schalleindr\u00fccke empfunden werden.\u00ab Es ist hier abermals zu bedauern, dass Munk die Thatsachen nicht so anf\u00fchrt wie sie sind, sondern so wie sie in die Sprache seiner Hypothese \u00fcbersetzt sich ausnehmen. Augenblindheit und Ohrentaubheit, Seelenblindheit und Seelen-","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Localisation der Gro\u00dfhirnfunctionen.\n19\nta\u00fcbheit sind nicht Erscheinungen, die man wahmehmen kann, sondern Begriffe, die auf Grund gewisser Thatsachen gebildet worden sind. Dass Erblindete und faubgewordene noch ErinnerungsVorstellungen und zwar sehr lebhafte besitzen k\u00f6nnen, wei\u00df man l\u00e4ngst; aber im allgemeinen hat man nicht f\u00fcr n\u00f6thig gehalten deshalb anzunehmen, dass die Erinnerungsvorstellungen in andern centralen Elementen ihren Sitz haben als die Sinneswahmehmungen, denen sie in allen wesentlichen Beziehungen gleichen. Wenn die \u00e4u\u00dferen Sinnesorgane zerst\u00f6rt sind, oder wenn die Leitung in den Sinnesnerven unterbrochen ist, so k\u00f6nnen darum doch die centralen Endigungen dieser Nerven zureichend intact geblieben sein, um noch auf innere Beize zu reagiren. Rindenexstirpationen an Thieren, welche totale Blindheit zur Folge hatten, und nach denen gleichwohl unzweifelhafte Symptome von Erinnerungsbildern des Gesichtsoder Geh\u00f6rssinnes fortbestanden, sind meines Wissens noch von Niemandem ausgef\u00fchrt. Ich w\u00fcsste auch nicht, wie solche Versuche ausgef\u00fchrt werden k\u00f6nnten, d. h. welche H\u00fclfsmittel uns zu Gebote st\u00e4nden, um bei einem blinden oder tauben Thier zu entscheiden , dass es sich noch an Licht- und an Schalleindr\u00fccke erinnert. Nur beim Menschen w\u00fcrde es m\u00f6glich sein dies festzustellen. Hier sind aber F\u00e4lle, welche sich in Munk\u2019s Sinne als vollst\u00e4ndige Zerst\u00f6rungen des Seh- oder H\u00f6rcentrums bei vollst\u00e4ndiger Erhaltung des Ged\u00e4chtnisscentrums deuten lie\u00dfen, \u00fcberhaupt nicht bekannt. Theils handelt es sich um blos partielle Zerst\u00f6rungen der Centren, theils auch um solche, an denen Leitungsbahnen und Rindencentren wahrscheinlich in verschiedenem Ma\u00dfe betheiligt waren, so dass ein Schluss \u00fcber die etwaige Trennung der Substrate f\u00fcr direct erregte und f\u00fcr reproducirte Empfindungen hier in keiner Weise m\u00f6glich ist. Es bleibt also nur der entgegengesetzte Versuch \u00fcbrig; und ihn will Munk in der That in entscheidender Weise mehrfach ausgef\u00fchrt haben: es soll m\u00f6glich sein, Hunde seelenblind oder seelentaub zu machen, w\u00e4hrend sie noch sehen und h\u00f6ren, d. h. unmittelbare Sinneseindr\u00fccke wahmehmen. Uebersetzen wir aber die Begriffe der Seelenblindheit und Seelentaubheit in die Thatsachen, die ihnen zu Grunde liegen, so hei\u00dft dies : es kommen F\u00e4lle vor, in denen Thiere zwar noch Gesichtseindr\u00fccke wahrnehmen und gem\u00e4\u00df diesen Eindr\u00fccken handeln, in","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nW. Wundt.\ndenen sie aber die aus fr\u00fcheren Erfahrungen gel\u00e4ufigen Licht- und Schalleindr\u00fccke nicht wieder erkennen. Der n\u00e4chste Schluss aus dieser Thatsache scheint mir der zu sein, dass solche Thiere \u00fcberhaupt noch sehen und h\u00f6ren, dass aber die physiologischen Substrate der psychischen Functionen der Vergleichung und der Combination verschiedener Wahrnehmungen gest\u00f6rt sind.\nAu\u00dfer diesen Versuchen an Thieren sind es bekanntlich besonders die Symptome der so genannten \u00bbamnestischen Aphasie\u00ab beim Menschen, die man nicht selten als Belege f\u00fcr eine Ablagerung der Erinnerungsbilder in besonderen Hirnelementen angef\u00fchrt hat. In der That beweisen dieselben, dass die Erinnerungsfunctionen complexere Processe sind als die unmittelbaren Sinneswahrnehmungen , und dass sich an ihnen Rindengebiete betheiligen, die an den letzteren nicht betheiligt sind. Anderseits aber sind gerade die hier beobachteten Ged\u00e4chtnissst\u00f6rungen mit der Hypothese der festen Localisationen v\u00f6llig unvereinbar. Es ist eine bei fortschreitender Amnesie allseitig best\u00e4tigte Regel, dass die Worte in einer bestimmten Reihenfolge dem Ged\u00e4chtnisse entschwinden. Am schnellsten entschwinden die Eigennamen; ihnen folgen die Bezeichnungen concreter Objecte, Fester haften die abstracteren, nur durch Wortvorstellungen repr\u00e4sentirbaren Gegenstandsbegriffe, am festesten endlich die abstracten Zeitw\u00f6rter und Partikeln. Die Annahme einer Localisation der einzelnen Wort Vorstellungen w\u00fcrde also fordern, dass nicht nur die letzteren nach den genannten Kategorien in dem Wortcentrum gelagert seien, sondern dass auch die Zerst\u00f6rungen und Wiederherstellungen der Rindentheile bei allen diesen centralen Erkrankungen in \u00fcbereinstimmender Reihenfolge vor sich gehen. Von diesen Annahmen ist die eine so unannehmbar wie die andere. Der ganze Verlauf der Erscheinungen beweist eben, dass es sich hier um \u00e4u\u00dferst verwickelte centrale Functionsst\u00f6rungen handelt, die wir vorl\u00e4ufig zwar psychologisch, nicht aber physiologisch zu interpretiren im Stande sind '). Denn wie die Substrate der h\u00f6heren psychischen Functionen beschaffen sein m\u00f6gen, dar\u00fcber wissen wir \u00fcberhaupt so gut wie nichts. Unter allen Annahmen, die \u00fcber ihre physiologische Grundlage gemacht werden\n1) Vergl. hierzu meine physiol. Psychologie. 3. Auf). I. S. 240 f., und Essays, S. 112 ff.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Localisation der Gro\u00dfhirnfunctionen.'\n21\nk\u00f6nnen, ist aber die, dass die Intelligenz in Gestalt einzelner Erinnerungsbilder an bestimmte Hirnelemente yertbeilt sei, die roheste und unvollkommenste. Sie verh\u00e4lt sich zu einer wirklichen Physiologie der Gehirnfunctionen genau ebenso, wie sich die \u00abinneren Sinne\u00ab und Seelenverm\u00f6gen der vormaligen Phrenologie zu einer wissenschaftlichen Psychologie verhalten.\nUebrigens habe ich schon oben hervorgehoben, dass diese ganze Localisationshypothese f\u00fcr die Frage der specifischen Sinnesenergien, zu deren Gunsten sie Munk herbeizieht, v\u00f6llig irrelevant ist. W\u00e4ren auch das Rindencentrum und das Seelencentrum nicht blos d\u00fcrftige und unzul\u00e4ngliche hypothetische H\u00fclfsbegriffe, sondern w\u00e4ren sie das wirklich, wof\u00fcr Munk sie h\u00e4lt, der unmittelbare Ausdruck der Thatsachen, so w\u00fcrde nun erst recht zu erkl\u00e4ren bleiben, wie es denn komme, dass die Elemente des Rindencentrums eines Blindgeborenen oder Taubgeborenen auf die ihnen zuflie\u00dfenden Reize mit Licht und Ton reagiren, wenn einerseits derMunk\u2019sche Satz gilt, dass die Rindenelemente der Sitz der specifischen Energie seien, und wenn andererseits der M\u00fcller\u2019sche Satz gilt, dass die specifische Energie den nerv\u00f6sen Elementen urspr\u00fcnglich inh\u00e4rire und daher auf jeden beliebigen ihnen zugef\u00fchrten Reiz zur Erscheinung komme. Ja die Frage m\u00fcsste streng genommen auch auf die Elemente des \u00bbSeelencentrums\u00ab ausgedehnt werden. Auch in ihnen m\u00fcssen ja die Energien urspr\u00fcnglich vorhanden sein. Man sieht, die \u00bbideae innatae\u00ab der alten Scholastiker haben alle Aussicht, auf dem Umweg durch die moderne Gehirnphysiologie wieder salonf\u00e4hig zu werden. In der That ist die Behauptung, dass es einen Uebergang von Yorstellungen von den Vorfahren auf die Nachkommen gebe, der vermittelst des Uebergangs materieller Keimelemente des Nervensystems zu Stande komme, im Zusammenh\u00e4nge mit \u00e4hnlichen Anschauungen, wie sie Munk entwickelt, schon gelegentlich aufgetaucht und z. B. zur Erkl\u00e4rung der so genannten angeborenen Instinkte verwerthet worden*\nMunk selbst betrachtet, wie es scheint, die specifische Sinnesenergie als eine erst w\u00e4hrend der generellen Entwicklung entstandene Eigenschaft, und es ist wohl zu vermuthen, dass hierin die meisten neueren Vertheidiger dieser Lehre mit ihm \u00fcbereinstimmen werden. Aber damit hat man eben einen Schritt gethan,","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nW. Wundt.\nder selbst schon zu einem Widerspruch mit jener Lehre hinf\u00fchrt, nur dass man sich dieses Widerspruchs, wie das Beispiel Munk\u2019s zeigt, nicht bewusst wird. Auch Johannes M\u00fcller nahm zweifellos an, dass die specifisehen Energien der Sinnesnerven erst w\u00e4hrend der individuellen Entwicklung sich ausbilden. Aber den letzten Grund dieser Entwicklung und damit auch der Entstehung der Sinnesenergien sah er in dem urspr\u00fcnglichen Entwicklungsplan, wie er nach seiner Meinung f\u00fcr jede Species unab\u00e4nderlich feststehe. \u00bbWir sind gen\u00f6thigt\u00ab, sagt er, \u00bbjedem Sinnesnerven bestimmte Energien im Sinne des Aristoteles zuzuschreiben, welche seine vitalen Qualit\u00e4ten sind, wie die Zusammenziehung die vitale Eigenschaft der Muskeln ist.\u00ab Und: \u00bbdas Wesen dieser Zust\u00e4nde der Nerven, verm\u00f6ge welcher sie Licht sehen, Ton empfinden, die wesentliche Natur des Tons als Eigenschaft des H\u00f6rnerven, des Lichts als Eigenschaft des Sehnerven, des Geschmacks, Geruchs, Gef\u00fchls, bleibt, wie die letzten Ursachen in der Naturlehre, ewig unbekannt1).\u00ab Es kann keinem Zweifel unterworfen sein, hier ist die specifische Energie im Zusammenhang mit der Lehre von der Constanz der organischen Formen gedacht; sie muss w\u00e4hrend jeder individuellen Entwicklung, ebenso wie die Differenzirung der \u00fcbrigen Gewebe und Organe, immer wieder von neuem entstehen; der eigentliche Grund dieser Entstehung aber bleibt ebenso transcendent, wie die Entstehung der einzelnen organischen Wesen \u00fcberhaupt. In diesem Zusammenhang hat die Annahme specifischer Energien ihre wohlberechtigte Stelle; sie ist die cons\u00e9quente Anwendung der Lehre von der Constanz der organischen Formen auf das Problem der Sinnesempfindungen. Aber was wird aus ihr, wenn dieser Boden, auf dem sie entstanden, verlassen wird, wenn man an die Stelle der Constanz der Lebensformen die Annahme setzt, dass die allgemeine Entwicklung der Organismen, und mit ihr die Differenzirung der Gewebe und Organe ein durch ein verwickeltes Ineinandergreifen der \u00e4u\u00dferen Lebenseinfl\u00fcsse und der durch dies.elben erweckten eigenen Functionen der organischen Wesen sich abspielender Process ist? Es ist klar, dass dann nichts anderes \u00fcbrig bleibt als anzunehmen, dass auch die specifisehen Energien der Sinnesnerven durch solche Einfl\u00fcsse\n1} Joh. M\u00fcller, Handb. der Physiologie. Bd. 11. Coblenz 1840. S. 255 f.","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Localisation der Gro\u00dfhirnfunctionen.\n23\nallm\u00e4hlich entstanden sind. Wenn Munk und andere Anh\u00e4nger der specifischen Energien auf der einen Seite diese Lehre festhalten und auf der andern doch auch der Entwicklungstheorie sich anschlie\u00dfen wollen, so begehen sie sich daher in einen inneren Widerspruch: sie verpflanzen in die Entwicklungslehre ein Bruchst\u00fcck einer Theorie, die dem Zusammenhang der Lehre von der Constanz der organischen Formen entnommen ist.\nDiese Bemerkungen f\u00fchren uns unmittelbar zu den Einw\u00e4nden, welche Munk dem zweiten von mir geltend gemachten Grund gegen\u00fcberstellt. Meiner Behauptung, dass sich, wie soeben ausgef\u00fchrt, die Annahme der specifischen Sinnesenergien mit der durch die generelle Entwickelungsgeschichte geforderten Annahme einer allm\u00e4hlichen Entwicklung der h\u00f6heren aus den niederen Sinnesformen in Widerspruch setze, h\u00e4lt er entgegen, die Specifit\u00e4t der centralen Sinneselemente, welche die von mir bek\u00e4mpfte Lehre in Anspruch nehme, sei \u00bbim Grunde gar keine andere, als die wir hei vielen sonstigen K\u00f6rperhestandtheilen finden, z. B. den secernirenden Zellen der Dr\u00fcsen.\u00ab \u00bbEbenso wenig wie bei diesen wird deshalb hei jenen Zellen eine vollst\u00e4ndige Neusch\u00f6pfung anzunehmen n\u00f6thig sein. Die Frage, wie aus dem Urprotoplasma mit seiner einfachsten Sensibilit\u00e4t die centralen Elemente der verschiedenen Sinne sich hervorgebildet haben, steht auf ganz gleicher Stufe mit der anderen Frage, wie aus dem Urprotoplasma mit seinem einfachsten Chemismus die Speichel-, Nieren- und anderen Dr\u00fcsenzellen hervorgegangen sind ; und sobald man \u00fcberhaupt will, kann man sich dort wie hier den n\u00e4mlichen Gang der Entwicklung denken, auf der Grundlage der allgemeinen Variabilit\u00e4t die Fixirung vortheilhafter Variationen.\u00ab\nAbgesehen davon dass ich mit dem teleologischen Anpassungsbegriff Darwin\u2019s die Summe der Entwicklungbedingungen weder gl\u00fccklich noch vollst\u00e4ndig formulirt halte, kann ich diese Erkl\u00e4rung einfach acceptiren. Aber ich begreife nicht, wie Munk auf dem Boden dieser Anschauung noch glauben kann, selbst ein Vertreter oder gar, wie er meint, ein Neubegr\u00fcnder der Lehre von den specifischen Sinnesenergien zu sein. Wenn die Eigenschaften der centralen Sinneselemente durch Variation unter dem Einfluss der \u00e4u\u00dferen Lebensbedingungen entstanden sind, so sind diese Eigenschaften eben nicht mehr specifisch : sie sind durch die centralen Elemente","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nW. Wundt.\nerworben, und wenn jene Eigenschaften, wie Munk zugibt, einer fortw\u00e4hrenden Variation unterworfen bleiben, so sind sie nicht einmal w\u00e4hrend des individuellen Lebens als absolut constant vorauszusetzen, sondern sie werden auch hier in einem gewissen, wenn auch beschr\u00e4nkteren Umfang, nach den \u00e4u\u00dferen Lehenseinfl\u00fcssen sich richten. Dass daraus f\u00fcr die physiologische Forschung die Verpflichtung entsteht, nicht bei dem allgemeinen teleologischen Ausdruck \u00bbAnpassung\u00ab sich zu beruhigen, sondern dass sie so viel als m\u00f6glich dar\u00fcber Rechenschaft zu geben hat, wie die Lebensbedingungen eingewirkt haben, welche die Ausbildung und Differenzirung der Einzelfunctionen bestimmten, das wird schlie\u00dflich auch Munk zugestehen m\u00fcssen. Was wird dann aber aus den \u00bbspecifischen Energien\u00ab der centralen Sinneselemente? Sie werden zu allm\u00e4hlich gewordenen, unter dem Einfluss der Entwicklung der \u00e4u\u00dferen Sinnesapparate entstandenen und fortan durch die auf die letzteren einwirkenden Bedingungen in gewissem Umfang ver\u00e4nderlichen Eigenschaften. Das hei\u00dft, sie werden zu eben dem, als was ich sie in meinen von Munk bek\u00e4mpften Ausf\u00fchrungen geschildert habe. Nebenbei muss jedoch gesagt werden, dass Munk, wenn er die specifische Function der centralen Elemente erl\u00e4utern wollte, kein ungl\u00fccklicheres Beispiel h\u00e4tte w\u00e4hlen k\u00f6nnen, als das der secernirenden Dr\u00fcsen. Nach der Deutung, die er von der specifischen Energie der centralen Elemente im Sinne seiner Localisations-theorie gibt, hat jedes Rindenelement seine eigenth\u00fcmliche, von denen aller anderen Elemente, selbst der nahe angrenzenden abweichende specifische Function. In einer Dr\u00fcse, wie der Leber oder einer Speicheldr\u00fcse, hat aber jede secernirende Zelle die n\u00e4mliche Function. Dem Bilde, das Munk von den Hirnfunctionen entwirft, w\u00fcrde etwa eine Leber entsprechen, die in der einen ihrer Zellen Cholals\u00e4ure, in einer andern Cholesterin, in einer dritten Lecithin oder Bilirubin u. s. w. absonderte. Merkw\u00fcrdiger Weise ist gerade diese Analogie mit den secernirenden Dr\u00fcsen schon einmal in der Geschichte der Hirnphysiologie f\u00fcr eine bestimmte Ansicht ins Feld gef\u00fchrt worden, und zwar mit durchschlagenderem Erfolg, als es diesmal geschieht. Es war kein anderer als Flou-rens, der den phrenologischen Irrlehren gegen\u00fcber sich auf die Thatsache herief, dass die Leber in allen ihren Theilen Galle absondere. Gerade so, meinte er, werde auch das Gro\u00dfhirn in allen","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Localisation der Gro\u00dfhirnfunctionen.\n25\nseinen Theilen gleichm\u00e4\u00dfig f\u00fcr die Functionen eintreten, die in ihm ihren Sitz haben. Analogien sind \u00fcberhaupt nicht entscheidend, und ich halte den Analogieschluss von Flourens ebenfalls nicht f\u00fcr zutreffend. Jedes Organ muss nach den besonderen Bedingungen seiner Structur und Function, und nicht nach den Eigenschaften anderer Organe beurtheilt werden. Wenn man aber hier einmal auf Analogien sich einl\u00e4sst, so hat vor allen andern der Anh\u00e4nger einer strengen Localisation der Gehirnfunctionen den dringendsten Grund, diese Vergleichung mit den secernirenden Dr\u00fcsen zu meiden.\nNach allem Gesagten kann ich den Zusammenhang, in welchen Munk seine Localisationslehre mit der Theorie der specifischen Sinnesenergien gebracht hat, \u00fcberhaupt nicht als einen zutreffenden anerkennen. Aber, wie es geschieht, wenn Zwei wechselseitig sich st\u00fctzen wollen, von denen jeder auf schwankenden F\u00fc\u00dfen steht, so auch hier. Den Darlegungen Munk\u2019s kann, wie ich meine, das Verdienst nicht abgesprochen werden, dass sie ebensowohl die Unhaltbarkeit der Lehre von den specifischen Sinnesenergien wie die M\u00e4ngel seiner eigenen aus moderner Gehimphysiologie und alter Phrenologie gemischten Localisationstheorie von neuem ans Licht gestellt haben.","page":25}],"identifier":"lit745","issued":"1891","language":"de","pages":"1-25","startpages":"1","title":"Zur Frage der Localisation der Grosshirnfunctionen","type":"Journal Article","volume":"6"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:29:50.279631+00:00"}